Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln [1 ed.] 9783428500345, 9783428100347

Der Autor klärt anhand normentheoretischer Grundlegung das Verhältnis von Straf- und Verwaltungsrecht, wo verwaltungsrec

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German Pages 386 Year 2000

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Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln [1 ed.]
 9783428500345, 9783428100347

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MICHAEL HEGHMANNS

Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln

Strafrechtliche Abhandlungen . Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte an der Universität Hambwg

und Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 125

Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln

Von

Michael Heghmanns

Duncker & Humblot . Berlin

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der juristischen Fakultät der Universität Hannover, gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Heghmaons, Michael: Grundzüge einer Dogmatik der Straftatbestände zum Schutz von Verwaltungsrecht oder Verwaltungshandeln I von Michael Heghmanns. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Strafrechtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 125) Zugl.: Hannover, Univ., Habil.-Schr., 1998 ISBN 3-428-10034-4

Alle Rechte vorbehalten

© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-10034-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Die Arbeit lag im Wintersemester 1997/98 dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover als Habilitationsschrift vor. Seither hat der Gesetzgeber in Straf- und Nebenstrafrecht zahlreiche Veränderungen vorgenommen; Wissenschaft und Lehre sind in der Aufarbeitung vor allem des Umweltstrafrechts fortgeschritten . Auch diese aktualisierte Fassung kann schon im Hinblick auf die Weite des beackerten Feldes nur eine Momentaufnahme darstellen, weniger hinsichtlich der dogmatischen Kernfragen als vor allem, was Literatur und Gesetzesbeispiele anbelangt. Berücksichtigt wurden gesetzliche Änderungen bis Anfang 1999; darüberhinaus konnten Schrifttum und Rechtsprechung in den wichtigeren Einzelfragen aktualisiert werden. Zu der Entstehung der Arbeit haben zahlreiche Personen mit Rat und wohlwollender Unterstützung beigetragen, die ich hier nicht alle ausdrücklich erwähnen kann. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem verehrten Lehrer und Freund Prof. Dr. Diethart Zielinski für seine stetige Ermutigung und kritische Begleitung sowie meiner Frau für ihre Geduld. Darüberhinaus möchte ich noch die tatkräftige Hilfe von Doris Beetz, Kerstin Friedrich, Angelika Gresel, Ulrich !burg, Heidemarie Kraft und Katrin Riek besonders hervorheben. Dem Verlag und den Herausgebern schulde ich Dank für die Aufnahme in die Reihe "Strafrechtliche Abhandlungen", der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung der Publikation. Hannover, im August 1999

Michael Heghmanns

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

Einrührung, Strukturen und BegrifDichkeiten I. Grund und Umriß des thematischen Ansatzes.................................

21

11. Strukturelle Besonderheiten und Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb der Delikte gegen Verwaltungsrecht oder -handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

IIl. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten einer Untersuchung .................

35

I. Die ..Verwaltungsakzessorietät" des Strafrechts in der umweltstrafrechtIichen Diskussion ............................. . .............................

35

2. Die Akzessorietät als denkbare Grundstruktur des gesamten Strafrechts ....

38

2. Kapitel

Die Dogmatik der Delikte mit einer von behördlichen Einzelakten unabhängigen Handlungsumscbreibung I. Die Nonnentheorie Bindings als Instrument zum Verständnis strafrechtlicher Tatbestände . . ...... ........... . .......... ... ............... .... .... .... ......

42

I. Die Existenz von (Verhaltens-)Nonnen als Grundlage strafrechtlicher Zurechnung ..... ... ................ . ..... . ................. . .................

42

2. Standort, Rechtscharakter und Adressat der Nonnen .......................

50

a) Nonnen als Kultumonnen ......... . .......... .. ................ .. . ....

50

b) Der Adressat der Verhaltensnonnen ....................................

51

c) Sprachliche Gestaltung der Verhaltensnonnen ..........................

55

11. Regelungsgehalt der Nonnen ....... ....... ...... ....................... ......

57

I. Verhaltensnonn und Handlungsfinalität ....................................

59

2. Nonninhalt bei Erfolgsdelikten ............................................

65

3. Die Verhaltensnonn bei den Fahrlässigkeitsdelikten ............. . ..........

70

8

Inhaltsverzeichnis 4. Funktion des Strafrechtssatzes ... .. ........ .. .. . . ... . . .......... . ...... .. ..

76

5. Zusammenfassung. . . .. . . . . . .. . .. . . . . . . . . . ... .. . ... . .. . .. ... . .. .. . .. . . . . . . .

78

III. Verhältnis von außertatbestandlicher Norm und Strafrechtssatz ..... ... .......

79

I. Verhaltensnorm im Strafrechtssatz trotz positiver außerstrafrechtlicher Norm? .. . .. . .... . ..... ... ...... .... .. ....... . .... ........ ... .... .. .. ...... .

79

a) Strafvorschriften mit fehlender oder unvollständiger Verhaltensbeschreibung .. .............. ....... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

b) Das Problem der Integration untergesetzlicher Bestimmungen in die Strafrechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

aa) Die Abgrenzung des Blanketts vom normativen Tatbestandsmerkmal ... . .. ........... . . .... ............. ........ ......... . . . . .... ..

82

bb) Die verfassungsrechtliche Problematik von Blankettstrafgesetzen .

84

cc) Rechtsverordnungen als Grundlage der Verhaltensnorm .. . .. .. .. ..

85

(I) Art. \03 11 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

(2) Art. 104 I I GG .................. ..... .. ........ .... ... ...... .

92

dd) Verwaltungsvorschriften und ihre Rolle bei der Verhaltensnormfestlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

ee) Statische und dynamische Verweisungen ................. . ........

98

ff) Bestimmtheitsdefizite durch verweisungsbedingte Komplexität. . . . I ()() (I) Undifferenzierte Verkopplung: Das Merkmal der Verletzung

"verwaltungsrechtlicher Pflichten" .............. ...... . . .. .... I ()()

(2) Unübersichtlichkeit der Verweisung ................... ..... .. 102 gg) Ausflillung normativer Tatbestandsmerkmale durch untergesetzliche Rechtsquellen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 104 c) Strafvorschriften mit vollständiger Verhaltensbeschreibung

106

2. Konkurrenz von strafrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Verhaltensnorm - sekundärer Charakter des Strafrechts? ... ........ . ... . .. ...... ...... 1\0 a) Die Einheit der Rechtsordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1\0 b) Strafrecht als generell primäre oder sekundäre Ordnung? . . . . . . . . . . . . . .. 113 aa) Vertretene Positionen ...... . .. ... .. . . . ........ . ..... . .. ... .. .. .... 113 bb) Die nur teilweise sekundäre Natur des Strafrechts.. ... ... ..... . . . . 117

Inhaltsverzeichnis

9

c) Konsequenzen für Konstellationen einer Normenkonkurrenz ...... . .... 126 aa) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff in § 263 StGB und das Zivilrecht.......... . ................................... . ............... 127 bb) Rechtmäßigkeit der Diensthandlung in § 113 StGB und nach verwaltungsrechtIichen Maßstäben ................................... 129 d) Zusammenfassung . ... . .. . .............. . ... . . . .. . .. . ...... . ... . .. . .. . . 130 IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes ....................... 131 1. Normwidrigkeit und Tatbestandserfüllung ........... . . . .............. . ..... 131

2. Die ..begriffliche Akzessorietät" von Tatbestandsmerkmalen ............... 131 3. Strafwürdigkeitsmerkmale .... . ..................... . .................... . . 135 V. Normwidrigkeit und Rechtswidrigkeit ........ . .... . ............. . ... . ... . . . .. 138 VI. Ergebnis ........................ ,............. . . .. .. .............. . ..... . ... . 140

3. Kapitel

Die stratbarkeitsausschIießende Wirkung behördlicher Einzelakte A. Strafgesetze gegen ungenehmigtes genehmigungsbedürftiges Verhalten. .. .. . .. . ... . 141 I. Erscheinungsformen und tatbestandliche Strukturen........ . ..... . ........... 141

11. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit .................... . . . ....... 144 1. Denkbare Typen der Verhaltensnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 144

2. Verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie ..................................... 147 3. Das Erfordernis einer einheitlichen Struktur der Verhaltensnorm ..... . . . ... 154 4. Die relative Verbotsnorm ...... . ..... .. .. . .............. . .................. 154 5. Relative Verbotsnorm und geschütztes Rechtsgut ....... . ...... . ........... 156 a) Die Problematik abstrakter Gefährdung von Rechtsgütern .............. 159 b) Die Konstruktion vorgeschalteter Sicherheitsgüter ......... . ........... 162 c) Funktionsfähigkeit der behördlichen Zugangskontrolle als Rechtsgut .. . 167 aa) Schutz der Entscheidung ................... . .. . ........... . ....... 171 bb) Schutz des Verfahrens ........... . ................................. 172 6. Zusammenfassung .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

10

Inhaltsverzeichnis III. Normwidrigkeit und unbefugtes Handeln. .. . . .. . .. . . . . . . . . . ... . .. .. . . ... . . ... 174 IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen ...... ...... ... . ... .. 178 I. Bloßes Kontrollanliegen oder materielles Strafunrecht - Ostendorf . . . . . . . .. 179 2. Genehmigung als typischerweise rechtfertigende Interessenabwägung Goldmann, Rudolphi und andere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 179 3. Ausschluß oder Inkaufnahme von Rechtsgutsgefahren - Ocker und Hoyer . 182 4. Genehmigung als öffentlich-rechtlicher Unterfall der Einwilligung......... 183 5. Überlagerung durch den integrierten Schutz höherwertiger Rechtsgüter Claudius Marx und andere................................................. 185 6. Begrenzung der Tatbestandslösung auf Fälle allgemein zugestandener Handlungsfreiheit - Frisch......... . ....................................... 187 7. Genehmigung als Strafaufhebungsgrund - Horn ........................... 189 8. Zusammenfassung ... . ... . . . . . . .. . . . . .. . .. ... .. . .. .. . . . . . .. . .. . . . . . . . .. . . . . 190 V. Fehlerhafte und fehlende Genehmigungen ............................... . .... 190

1. Struktur und Funktion der Genehmigung .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. . ... 190 2. Weitergehende Wirkungen der Genehmigung .............................. 194 a) Nachträgliche Genehmigung................. .. .................... .... 194 b) Nebenfolgen des genehmigten Verhaltens........ . ....... .. ............ 196 3. Fehlerarten einer Genehmigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 198 4. Genehmigungsfehler und Normwidrigkeit .. .... ...... ... ............. ... .. 201 a) Funktionen des materiellen Verwaltungsrechts ... .. .................... 202 b) Funktionen des formellen Verwaltungsrechts . ..... .... .... . ... . . ....... 205 c) Verwaltungsrechtliche Fehler und strafrechtliche Normwidrigkeit ...... 206 d) Rechtsmißbrauch .... ... ........ ...... ...... . .. . . .... ...... .......... .. 209 e) Unwirksamkeit der Genehmigung ...................................... 216 aa) Nichtigkeit..... .. ......... .... ...... ... ...... ... ...... ... ....... . . 216 bb) Fehlende Bekanntgabe ..... ................. .......... .. .......... 218

Inhaltsverzeichnis

11

5. Kritik alternativer Modelle zur strafrechtlichen Bedeutung materiell fehlerhafter Genehmigungen ............. . ...................................... 219 a) Erfordernis einer materiell richtigen Entscheidung - Rademacher ...... 220 b) Orientierung am Rechtsgüterschutz - Heider ................ . . .. .... .. . 222 c) Orientierung an der verwaltungsrechtlichen Mißbilligung - Hübenett .. 223 6. Verstoß gegen Nebenbestimmungen einer Genehmigung ..... . ..... . ....... 223 a) Bedingungen ..... ... .............. . . . .......................... . ...... 226 b) Echte Auflagen .... . ................................................... 227 7. Wegfall der Genehmigung oder ihrer Wirkungen.................... . ...... 229 a) Widerruf durch die Behörde ... . ............... .. ...... .... .. .. ... .... . 229 b) Anfechtung durch Dritte ........................................... .... 232 VI. Ungenehmigtes. aber genehmigungspflichtiges und genehmigungsfahiges Verhalten ........................................................................ 233 1. Differenzierung nach formeller und materieller Illegalität im Verwaltungsrecht ....................................................................... 233 2. Genehmigungsfahigkeit und Normwidrigkeit .............................. 234 3. Genehmigungsfahigkeit und Rechtfenigung ........ . ........ .. .. . . .. ... . .. 237 4. Strafausschließung .............................................. . ......... 240 5. Ungewißheit über die Erforderlichkeit einer Genehmigung.. . .. .. ...... .. .. 241 VII. Informelles Verwaltungshandeln und Strafbarkeit............. .. ........... .. . 243 1. Der mißverständliche Begriff der Duldung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Erscheinungsformen und Gründe von duldendem Verwaltungshandeln . 245 b) Duldung und informale Gestattung .......... .. ........... . ......... . . .. 249 2. Duldung und Genehmigung im Wege des Verwaltungsakts - Differenzierung auf der Inhaltsebene . ............ . ... ..... . .. .. . ........ .. . . .. . ....... 251 a) Legalisierungswirkung.... . ...... . . . . ... ............................. . . 252 b) Rechtsposition des Bürgers ........... . ........................ . ....... 257 c) Absehen von der Vollstreckung .. ............................. .. ....... 258 d) Rechtsfolgen der Duldung .. .. ........ . ........... ....... ...... . ..... . . 261 3. Duldung im Wege des öffentlich-rechtlichen Venrages oder der Zusicherung .. .. .................................................... . .............. 263

12

Inhaltsverzeichnis 4. Duldung und Genehmigung infonnaJer Art . . ....... . ............ . ... . . . ... 263 a) Legalisierungswirkung .. . .. .. .... ..... ...... .... .. . . .. . .... .. .. . . . ..... 266 b) Andere Wirkungen.... . ........ .. . . .... ... ...... .. .......... . .... . ..... 270 5. Ergebnis. . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 272 VIII. Die Folgen subjektiver Fehlvorstellungen des Täters ... . . .. .... . . . . . . . . . . . . . .. 272

B. Sonstige die Strafbarkeit ausschließende Einzelakte . . ........ . .. . ..... . . . ...... . ... 274 I. Die Strafrechtsnonn betreffende Einzelakte . . . .. . . ... . . .. . ..... . ...... . . . .. .. 274

11. Begünstigende Einzelakte auf Rechtfertigungsebene ... . ............... . . . . . .. 277

4. Kapitel

Strafbarkeitsbegründende behördliche Einzelakte

A. Strafgesetze gegen die Mißachtung behördlicher Anordnungen .......... . ...... . ... 280 I. Die Ausgestaltung der Tatbestände und die offenen Streitfragen .. ... . .... . .. . 280 11. Die Verhaltensnonn der Tatbestände gegen die Mißachtung behördlicher Einzelakte . . .. . ....... .. ........ .... .... . . .. .. .. . .. .. . ... ... .. . .. .. ........ .. . . .. 282

1. Strafbewehrung von Untersagungen und sonstigen gesetzlich konkret bezeichneten Anordnungen ......... . ........ .. . .. . .. ... . .... . ... .. ... . .. ... . 283 2. Strafbewehrung der Anordnung gesetzlich benannter, aber noch konkretisierungsbedürftiger Pflichten . .. ... .. .. .... .. ... ... ... . .. . . . ... .. ... . .. .... 284 3. Strafbewehrung der Anordnung von gesetzlich unbenannten Pflichten . ... . 286 a) Die Unvollständigkeit der Verhaltensnonn im Gesetz ... . .. ............ 286 b) Fehlende verfassungsrechtliche Legitimation unvollständiger gesetzlicher Verhaltensnonnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 289 c) Versuche einer Rechtfertigung offener Handlungsbezeichnungen .. ... .. 291 aa) Die behördliche Anordnung als Konkretisierung des Gesetzes. .. .. 291 bb) Die behördliche Anordnung als ausschließlich stratbarkeitsbegrenzendes Merkmal ... . ................ .. . . ..... ... ... . . . . . ....... . .. 293 cc) Die behördliche Anordnung als nonnatives Tatbestandsmerkmal .. 294 dd) Unbestimmtheit als legitime ultima ratio .. ... .. . .. . .. . . . ... .. . . ... 296 ee) Legitime Reduktion auf einen bloßen Gehorsamsanspruch .... . ... 297 d) Ergebnis.. . ....... . . . ... . .. .. ..... . ... .. . .. ... . . ... .... . .... .. . . ... .. .. 297

Inhaltsverzeichnis

13

III. Verwaltungsakt und Normkonkretisierung .................................... 298 1. Kategorien von Verbindlichkeit und die Frage nach der Rechtmäßigkeit des

Verwaltungsaktes ........................................... . .............. 298

2. Die Aufgabe des Verwaltungsaktes bei der Normkonkretisierung . . . . . . . . . .. 299 a) Gefahrdungsfeststellung ........................... .. . . ... . ............ 299 b) Geschütztes Interesse...... . . . ........ . ......... . ...................... 301 IV. Normwidrigkeit im Verhältnis zu verwaltungsrechtlicher Verbindlichkeit und Rechtmäßigkeit ................................... . ........... . .............. 303 I. Der erlassene. aber nicht bekanntgegebene Verwaltungsakt ................ 304 2. Der nichtige Verwaltungsakt . ... ... . . .. .. .... ....... ... ..... . .......... ... . 305 3. Der bekanntgegebene. rechtmäßige Verwaltungsakt ...... . .. ..... .. . ..... . . 306 a) Wirksamkeit und Vollziehbarkeit als Voraussetzungen der Strafbewehrung .................................................... . ..... . ........ 306 b) Sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ..................... . .. 310 4. Der vollziehbare. rechtswidrige Verwaltungsakt ........ . .......... .. .... .. . 312 a) Herkömmliche Argumentationstopoi .................... .. .... . ........ 312 b) Materiell rechtswidrige Anordnungen ....................... . ........ . . 317 aal Nicht erforderliche Anforderungen ................................ 318 bb) Zur Gefahrenbeseitigung ungeeignete Anordnungen. . . . . . . . . . . . . .. 318 cc) Unverhältnismäßige Anordnungen ...................... .. ........ 319 dd) Zu geringe Verhaltensanforderungen ............................. . 321 c) Formell rechtswidrige Verwaltungsakte . ................ . .... . ......... 322 d) Die vermeintlichen Sonderfälle ........................................ 324 aa) Sicherheitsempfindliche Materien ... ... ............ .. ... . . . .... . . . 324 bb) Strafgesetze. die im Tatbestand explizit eine vollziehbare Anordnung verlangen ................... .. .... . ................. .. ...... 325 e) Fehlerhaftigkeit der Anordung sofortiger Vollziehbarkeit . ....... . . .. ... 325

14

Inhaltsverzeichnis 5. Nachträgliche Aufhebung des rechtmäßigen Verwaltungsaktes oder der rechtmäßigen Anordnung sofortiger Vollziehung ............ . . . . . . . . . . . . . .. 329 a) Aufhebung des Grundverwaltungsaktes mit Wirkung ex tune . . . . . . . . . .. 329 aa) Inhaltsbindung des Strafrichters ................................... 331 bb) Bindende Veränderungen der Rechtslage .................. .. ... ... 331 cc) Der verwaltungsrechtliche Folgenbeseitigungsansprueh .... . ...... 334 dd) Die Idee einer sanktions aufhebenden Folgenbeseitigung . . . . . . . . . .. 336 ee) Die Aufhebung des Verwaltungsakts und das mildere Gesetz nach § 2 III StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 b) Nachträglicher Wegfall allein der sofortigen Vollziehbarkeit ........... 340 6. Prüfungskompetenz des Strafrichters und ihre Umsetzung im Strafverfahren ............................ .. ............................ ... ... .. .... .. 344 V. Folgen von Fehlvorstellungen beim Täter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 345

B. Sonstige strafbegründende Einzelakte . ......... ...... ......... ........... ..... .. .. . 346 1. Vollziehbarkeitserfordernis ................................................ 348 2. Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns oder einer Vollziehbarkeitsanordnung ....................................................................... 349 3. Statusakte .................................. ....... . ..................... . . 350 4. Überlagerung durch Strafwürdigkeitserwägungen .... . . .. ........ . . . . . . . . .. 351

5. Kapitel

Schluß bemerkungen I. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ... . ............ . ......... . ... 352

11. Folgerungen für Rechtsanwendung und Gesetzgebung..................... . .. 355 Literaturverzeichnis ............ . ......................................... . . ... . . . . .... 360 Sachregister ........... . ............................................................... 381

Abkürzungsverzeichnis FundsteIlen von Gesetzen und Verordnungen sind nur bei nicht in den bekannten Gesetzessammlungen zugänglichen Rechtsvorschriften angegeben; sie beziehen sich auf die jeweils letzte Verkündung des gesamten Textes, nicht auf spätere Änderungen. a.A. a.a.O

a. F.

Abs. AcP AE-GLD AFG AG

AK

Alt. AMG Anm. AO AöR Art. AsylVfG AT AÜG AuslG AWG AZG AZRG BApothekerO BÄrzteO BauR BayObLG BB Bd. BDatSchG BFH BGB BGBI BGH

anderer Auffassung am angegebenen Ort aIte(r) Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis (zitiert nach Band und Seite) Alternativentwurf eines Gesetzes gegen Ladendiebstahl Arbeitsförderungsgesetz Amtsgericht Alternativkommentar Alternative Arzneimiuelgesetz Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts (zitiert nach Band und Seite) Artikel Asylverfahrensgesetz Allgemeiner Teil Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (BGBI. I 1995, 158) Ausländergesetz Außenwirtschaftsgesetz Arbeitszeitgesetz (BGBI. I 1994, 1170) Ausländerzentralregistergesetz (BGBI. I 1994, 2265) Bundesapothekerordnung (BGBI. 11989,1478,1842) Bundesärzteordnung (BGBI. 11987,1218) Baurecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebsberater (zitiert nach Jahrgang und Seite) Band Bundesdatenschutzgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

16 BGHSt BGHZ BlmSchDVO BlmSchG BJagdG BLeistungsG BNatSchG BSeuchenG BStBi BT BTierärzteO BtMG BtMVVO BVerfGE BVerfGG BVeIWG BVeIWGE bzgl. ChemG CWÜAG

d. h. DAR ders. dies. Diss. DÖV DRiZ DVBI E

EG EGStGB EVG EWG f. FAG FeV ff. FlHG Fn. FS

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungssammlung des BGH in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) Entscheidungssammlung des BGH in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite) Durchführungsverordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesjagdgesetz Bundesleistungsgesetz (BGBI. 11961,1769) Bundesnaturschutzgesetz (BGBI. I 1987,889) Bundesseuchengesetz Bundessteuerblatt (zitiert nach Jahrgang und Seite) Bundestag Bundestierärzteordnung (BGBI. I 1981,1193) Betäubungsmittelgesetz Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BGBI. I 1993, 1637) Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) Bundesverfassungsgerichtsgesetz BundesveIWaitungsgericht Entscheidungssammlung des BundesveIWaltungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) bezüglich Chemikaliengesetz (BGBI. I 1994, 1703) Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen (BGBI. I 1994, 1954) das heißt Deutsches Autorecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) derselbe dieselbe(n) Dissertation Die Öffentliche VeIWaltung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Deutsche Richterzeitschrift (zitiert nach Jahrgang und Seite) Deutsches VeIWaltungsblatt (zitiert nach Jahrgang und Seite) Entwurf Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Ernährungsvorsorgegesetz (BGBI. I 1990, 1766) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende(s) Fernmeldeanlagengesetz Fahrerlaubnis-Verordnung (BGBI. I 1998.2214) fortfolgende Fleischhygienegesetz (BGBI.I1993. 1189) Fußnote Festschrift

Abkürzungsverzeichnis

G GA GenTG GerSiG GewA GewO GFIHG

GG

ggfs. GIGV GjS GjSM

Gr. Sen. GS

GÜG

GVG HandwO h.M. Hrsg. JA JArbSchG JÖSchG JR Jura JuS JZ KG KK KK-OWiG KostO KRG KrimSozBibl KrWI AbfG KuIturgutSchG KWG LG LK LMBG LSpG LuftVerkG m.Anm. m. E. 2 Heghmanns

17

Gesetz GoItdammers Archiv für Strafrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Gentechnikgesetz Gerätesicherheitsgesetz (BGB\. I 1992, 1793) Gewerbearchiv (zitiert nach Jahrgang und Seite) Gewerbeordnung Geflügelfleischhygienegesetz (BGB\. I 1982, 993) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesetz zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (BGB\. 11 1971, 865) Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte Großer Senat Der Gerichtssaal (zitiert nach Band und Seite) Grundstoffüberwachungsgesetz (BGB\. I 1994,2835) Gerichtsverfassungsgesetz Handwerksordnung herrschende Meinung Herausgeber Juristische Arbeitsblätter (zitiert nach Jahrgang und Seite) Jugendarbeitsschutzgesetz (BGB\. 11976,965) Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (BGB\. I 1985, 425) Juristische Rundschau (zitiert nach Jahrgang und Seite) Juristische Ausbildung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Juristische Schulung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Juristenzeitung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Kammergericht Berlin Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz Kostenordnung Krebsregistergesetz (BGB\. I 1994, 3351) Kriminalsoziologische Bibliographie (zitiert nach Band und Seite) Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (BGB\. 11994,2705) Gesetz zum Schutz Deutschen Kulturguts gegen Abwanderung (BGB\. I 1955,501) Kriegswaffenkontrollgesetz Landgericht Leipziger Kommentar Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz Lebensmittelspezialitätengesetz (BGB\. I 1993, 1814) Luftverkehrsgesetz (BGB\. I 1981,61) mit Anmerkung meines Erachtens

18 m.w.N. MDR MPG MSchKrim MuSchG NJ NJW Nr. n. F. NStZ NuR NVwZ NZWehrR

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ÖJZ OLG OLGSt OVG Owi OWiG PfISchG PfIVG PTSG

Rd.-Nr. Rspr. RuP S. SchwarbG SG SGB SK-StGB sog. SprengG StÄG StGB StPO StRG StrVG StV StVG StVO StVollzG

Abkürzungsverzeichnis mit weiteren Nennungen Monatschrift für Deutsches Recht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Medizinproduktegesetz (BGB!. 11994, 1963) Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (zitiert nach Jahrgang und Seite) Mutterschutzgesetz (BGB!. 11968,315) Neue Justiz (zitiert nach Jahrgang und Seite) Neue Juristische Wochenschrift (zitiert nach Jahrgang und Seite) Nummer neue(r) Fassung Neue Zeitschrift für Strafrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Natur und Recht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Neue Zeitschrift für Wehrrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Ordnung Österreichische Juristenzeitung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Oberlandesgericht Entscheidungssammlung der Oberlandesgerichte in Strafsachen (zitiert nach Vorschrift und laufender Nr. der Entscheidung) Oberverwaltungsgericht Ordnungswidrigkeit Ordnungswidrigkeitengesetz Pflanzenschutzgesetz (BGB!. 11986,1505) Pflichtversicherungsgesetz Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz (BGB!. I 1994,2325, 2378) Randnummer Rechtsprechung Recht und Politik (zitiert nach Jahrgang und Seite) Seite I Satz Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Soldatengesetz (BGB!. I 1975, 2273) Sozialgesetzbuch Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch sogenannte(s I r) Sprengstoffgesetz Strafrechtsänderungsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Gesetz zur Reform des Strafrechts Strahlenschutzvorsorgegesetz Strafverteidiger (zitiert nach Jahrgang und Seite) Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Strafvollzugsgesetz

Abkürzungsverzeichnis StVZO SZDK TierSchG TKG TSeuchenG

u. a.

u. U. UKG UmweltHG UPR VAG VerkBekG

VersammlG VerwA VG vgl. VO VRS VVDStRL VwGO VwVfG VwVG WaffG WehrpflG WHG WiStG Wistra WiVerw WStG z. B.

z. T.

ZDG ZfW ZRP ZStW ZUR

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Straßenverkehrszulassungsordnung Sieder I ZeitIer I Dahme I Knopp, Kommentar zu WHG und Abwasserabgabengesetz Tierschutzgesetz Telekommunikationsgesetz (BGBI. 11996,1120) Tierseuchengesetz (BGBI. I 1993, 116) und andere I unter anderem unter Umständen Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität Umwelthaftungsgesetz (BGBI. I 1990,2634) Umwelt- und Planungsrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Versicherungsaufsichtsgesetz (BGBI. I 1993,2) Gesetz über vereinfachte Verkündungen und Bekanntgaben (BGBI. I 1975, 1919) Versammlungsgesetz Verwaltungsarchiv (zitiert nach Jahrgang und Seite) Verwaltungsgericht vergleiche Verordnung Verkehrsrechtssammlung (zitiert nach Band und Seite) Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer (zitiert nach Band und Seite) Verwaltungsgerichtsordnung B undesverwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz Waffengesetz Wehrpflichtgesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaftsstrafgesetz 1954 (BGBI. 11975,1313) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Wirtschaft und Verwaltung (zitiert nach Jahrgang und Seite) Wehrstrafgesetz (BGBI. I 1974, 1213) zum Beispiel zum Teil Zivildienstgesetz (BGBI. I 1994, 2811) Zeitschrift für Wasserrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite) Zeitschrift für Rechtspolitik (zitiert nach Jahrgang und Seite) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band und Seite) Zeitschrift für Umweltrecht (zitiert nach Jahrgang und Seite)

J. Kapitel

Einführung, Strukturen und Begrimichkeiten I. Grund und Umriß des thematischen Ansatzes Im Zuge zunehmender Verrechtlichung gesellschaftlichen Zusammenlebens ist die Bedeutung des Verwaltungsrechts seit seiner Etablierung als eigenständiges Teilrechtsgebiet ständig und fühlbar gewachsen. Die alltägliche Orientierung an verwaltungsrechtlichen Verhaltensregeln im Straßenverkehr, im Umgang mit Steuer-, Sozial-, Bau-, Schul-, Kommunal- oder Ordnungsbehörden wird dem Bürger vielleicht oft erst im Konfliktfall bewußt; die bis in die jüngste Vergangenheit zunehmende Behördenzahl und Bürokratisierung indes ist aber ein für jedermann wahrnehmbares, deutliches Symptom der immensen Bedeutung des Verwaltungsrechts. Es beruht auch weder auf einer neueren strafrechtlichen Entwicklung noch stellt es eine bislang verborgen gebliebene Erkenntnis dar, daß schon seit längerem eine Reihe von Tatbeständen des StGB sowie vor allem eine Vielzahl von Strafbestimmungen aus dem sog. Nebenstrafrecht Berührungspunkte zu verwaltungsrechtlichen Regelungen aufweisen oder unmittelbar an die verwaltungsrechtliche Bewertung eines Sachverhalts anknüpfen. 1 Dies geschieht vornehmlich über die strafI Vgl. aus dem StGB nur z. B. die §§ 85 I Nr. 2, 86 I Nr. 2 (unanfechtbares Vereinigungsverbot), 88 (Sabotage öffentlicher Anlagen, Dienststellen pp.), 95, 97 (amtliche Geheimhaltung), l06a (Bannkreisvorschriften), l06b (Anordnungen eines Gesetzgebungsorgans), 107b (Eintragung in die Wählerliste), 109, 109a (Wehrpflicht), 113 (Diensthandlung), 123 (Bestimmung zum öffentlichen Dienst), 132 (öffentliches Amt), 132a (Amts- und Dienstbezeichnungen, Befugnis), 133 (dienstliche Verwahrung), 134 (dienstliches Schriftstück), 136 (dienstliche Beschlagnahme), 145 II Nr. 1 (Warn- und Verbotszeichen), 164 (Dienstpflicht), 169 (Zuständigkeit der Behörde), 184a (önliches Prostitutionsverbot), 203 (staatliche Anerkennung, Amtsträger), 243 I Nr. 7 (Erlaubnispflicht nach WaffG, Anwendbarkeit des KWG), 264 (Rechtsvorschriften über das Subventionsverfahren), 271-273, 348 (öffentliche Urkunden, Bücher. Register und Dateien), 275 - 276a (amtliche Ausweise), 277 - 279 (Behörden, Approbation), 284-286 (behördliche Erlaubnis), 292 II (Schonzeit), 311, 324a, 325, 325a, 326 III (verwaltungsrechtliche Pflichten), 315a I Nr. 2 (Rechtsvorschriften), 315c I Nr. 2 (Verkehrswidrigkeit), 323b (behördliche Anordnung), 326 (zugelassene Anlage oder Verfahren, Genehmigung), 327 (Genehmigung, Planfeststellung, Untersagung), 329 (Rechtsverordnung nach BimSchG, Rechtsvorschrift betr. Wasser- oder Naturschutzgebiet), 258a, 336, 340- 353, 353b, 355, 357 II (Amtsträger), 331-334 (Amtsträger, Diensthandlung), 343 I Nr. 3 (Disziplinarverfahren), 352 (amtliche Verrichtungen), 353 (Steuern, Gebühren, Abgaben), 353a (amtliche Anweisung), 353b II (Geheimhaltungsverpflichtung), 355 I Nr. 1 a) (Verwaltungsverfahren). Eine Aufzählung der entsprechenden Strafvorschriften aus dem Nebenstrafrecht würde jeden Rahmen sprengen. Darüber hinaus können sich weitere Berührungspunkte bei nahezu allen Delikten ergeben, man denke nur an Rechtfenigungsgründe aus dem Polizeirecht.

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

rechtliche Bewehrung verwaltungsrechtlicher Verhaltensregeln, über die Sicherung von Genehmigungsvorbehalten oder die Stratbewehrung von spezie lIen Einzelfallentscheidungen der Verwaltungsbehörden. Straftatbestände erfassen auf diesem Weg menschliche Verhaltensweisen in so unterschiedlichen Gebieten wie dem Atom-, Betäubungsmittel-, Gewerbe-, Lebensmittel-, Straßenverkehrs-, Umweltoder Waffenrecht, um nur wenige zu nennen. Die Stratbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten schützt dabei nicht nur wie etwa im Steuerstrafrecht Rechtsgüter der Allgemeinheit, sondern bezweckt auch, beispielsweise im Falle strafrechtlich sanktionierter waffenrechtlicher Verbote, Gefahren von Individualrechtsgütern abzuwenden. Zugleich wird als Nebeneffekt darüber hinaus sicherlich auch die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung selber gesichert. Obschon es sich bei der Verknüpfung von Verwaltungsrecht und Strafrecht um eine im Grunde überkommene Erscheinung handelt? ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Teil des Strafrechts bislang nur anhand weniger Ausschnitte erfolgt. Während eine Vielzahl von Publikationen Einzel- oder Gesamtfragen des Umweltstrafrechts thematisiert 3 und sich in geringerem Maße noch Veröf2 Eine Vielzahl der Übertretungstatbeslände wies im Grunde diesseibe Struktur auf wie modeme Vergehenstatbestände des Nebenstrafrechts, vgl. etwa zuletzt noch die §§ 360 I Nr. 9 (u. a. ungenehmigtes Errichten von Versicherungsanstalten), 366 Nr. 10 (Übertreten bestimmter polizeilicher Verordnungen) oder 367 I Nr. 14 StGB a. F. (u. a. Mißachtung polizeilich angeordneter Bausicherungsmaßnahmen). 3 Unter Vernachlässigung der nahezu unübersichtlichen Aufsatzliteratur soll an dieser Stelle - und auch das nur ausschnittsweise - allein hingewiesen werden auf die zahlreichen Monographien zum Thema, darunter von Bartholme. Der Schutz des Bodens im Umweltstrafrecht (1995); Bergmann. Zur Strafbewehrung verwaltungsrechtlicher Pflichten im Umweltstrafrecht (1993); Christiansen. Grenzen der behördlichen Einleiteerlaubnis und Strafbarkeit nach § 324 StGB (1996); Englisch. Zum begünstigenden Verwaltungshandeln auf der Rechtfertigungsebene im Umweltstrafrecht (1993); Ensenbach. Probleme der Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht (1989); Erdt. Das verwaltungsakzessorische Merkmal der Unbefugtheit in § 324 StGB und sene Stellung im Deliktsaufbau (1997); Rainer Frank. Strafrechtliche Relevanz rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungshandelns (1985); Franzheim. Umweltstrafrecht (1991); Frisch. Verwaltungsakzessorietät und Tatbestandsverständnis im Umweltstrafrecht (1993); Gentzcke. Informales Verwaltungshandeln und Umweltstrafrecht (1990); Gradl. Umweltgefahrdende Abfallbeseitigung (1992); Hallwaß. Die behördliche Duldung als Unrechtsausschließungsgrund im Umweltstrafrecht (1987); Heider. Die Bedeutung der behördlichen Duldung im Umweltstrafrecht (1994); Hübenett. Rechtswidrige behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund - ein gelöstes strafrechtliches Problem? (1986); Hüting. Die Wirkung der behördlichen Duldung im Umweltstrafrecht (1996); JÜnemann. Rechtsrnißbrauch im Umweltstrafrecht (1998); Kareklas. Die Lehre vom Rechtsgut und das Umweltstrafrecht (1990); Kloepfer / Vierhaus. Umweltstrafrecht (1995); Malitz. Zur behördlichen Duldung im Strafrecht (1995); Mumberg. Der Gedanke des Rechtsrnißbrauchs im Umweltstrafrecht (1989); Ocker. Das unerlaubte Betreiben von genehmigungsbedürftigen Anlagen oder sonstigen Anlagen im Sinne des BlmSchG, deren Betrieb zum Schutz vor Gefahren untersagt worden ist (1995); Papier. Gewässerverunreinigung, Grenzwertfestsetzung und Strafbarkeit (1984); J.Pfeiffer. Verunreinigung der Luft nach § 325 StGB - Probleme eines strafrechtlichen Unrechtstatbestandes (1992); Rademacher. Die Strafbarkeit wegen Verunreinigung eines Gewässers (1989); Rengier. Das moderne Umweltstrafrecht im Spiegel der Rechtsprechung - Bilanz und Aufgaben (1992); Rogall. Die Strafbarkeit von Amtsträgern im

I. Grund und Umriß des thematischen Ansatzes

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fentlichungen auf dem Gebiet des Steuer-4 und VerkehrsstrafrechtsS finden, ist eine allgemeine, über die betroffenen Sektoren des jeweiligen materiellen Verwaltungsrechts hinausschauende Dogmatik allenfalls in Ansätzen vorhanden 6 und bleibt auch dann überwiegend auf Einzelfragen begrenzt. 7 Symptomatisch erscheint dabei der Mangel an Begrifflichkeiten: Einen Namen für das beschriebene Strafrechtsfeld gibt es bisher nicht. Der Begriff des Nebenstrafrechts 8 ist als weiterer Oberbegriff, der auch vorwiegend privatrechtlich geprägte Materien wie das Wirtschaftsstrafrecht erfaßt, zur Bezeichnung ungeeignet, und der an sich naheliegende Begriff des Verwaltungsstra!rechts 9 ist traditionell anders definiert als Bereich derjenigen historischen Delikte, welche den OrdnungsUmweltbereich, (1991); von Rohr; Das Strafrecht im System umweltrechtlicher Instrumentarien am Beispiel deutscher und US-amerikanischer Luftreinhaltepolitik (1995); Sach. Genehmigung als Schutzschild (1994); Scheele. Zur Bindung des Strafrichters an fehlerhafte behördliche Genehmigungen im Umweltstrafrecht (1993); Schmitz. Verwaltungshandeln und Strafrecht (1992); 1iessen. Die "genehmigungsfähige" Gewässerverunreinigung (1987); Trifterer; Umweltstrafrecht (1980); Wessei. Die umweltgefährdende Abfallbeseitigung durch Unterlassen (1993); Wiedemann. Der Gefahrguttransport-Tatbestand im neuen Umweltstrafrecht (1995); Winkelbauer; Zur Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts (1985); Won. Behördliche Genehmigung als Tatbestandsausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund im Umweltstrafrecht (1994); Zeitler; Die strafrechtliche Haftung für Verwaltungsentscheidungen nach dem neuen Umweltstrafrecht (1982). 4 Hier vor allem im Zuge der Parteispendenverfahren. z. B. lsensee. NJW 1985, 1007 ff.; Kirchoj. NJW 1985,2977 ff.; Krieger; Wistra 1987, 195 ff.; Rößler; NJW 1986,972 f.; Hinrich Rüping. NStZ 1984, 450; Horst Vogel. NJW 1985, 2986 ff. 5 Vgl. außer den einschlägigen Kommentaren hier vor allem die umfängliche Aufsatzliteratur, z. B. Arnhold. DAR 1973, 64 ff.; Honnacker; NJW 1967, 1769 f.; Janicki. JZ 1968, 94 ff.; Krause, JuS 1970,221 ff.; Lorenz. DVBI. 1971, 165 ff.; Mohrbotter; JZ 1971,213 ff.; Schenke. JR 1970,449 ff.; Schmidt-Leichner; NJW 1962, 1369 ff.; Seiler; DAR 1983,379 ff. ; Stern. FS-Lange, S. 859 ff.; Strauß. DAR 1970,92 ff. 6 Allgemeinere Ansätze finden sich vor allem bei Arnhold. Die Strafbewehrung rechtswidriger Verwaltungsakte (1978) Lohberger; Blankettstrafgesetz und Grundgesetz (1968); Tiedemann. Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht (1969); Weidenbach, Die verfassungsrechtliche Problematik der Blankettstrafgesetze (1965). 7 Zu derartigen rechtsgebietsübergreifenden, aber thematisch begrenzten Ansätzen vgl. die Monographien von Brauer; Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens (1988); Fortun. Die behördliche Genehmigung im strafrechtlichen Deliktsaufbau (1998); Goldmann. Die behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund (1967); HenneslWieland. Die staatliche Duldung rechtswidrigen Verhaltens (1988); Hundt. Die Wirkungsweise der öffentlich-rechtlichen Genehmigung im Strafrecht (1994); Lagemann. Der Ungehorsam gegenüber sanktionsbewehrten Verwaltungsakten (1987); c. Marx, Die behördliche Genehmigung im Strafrecht (1993); Wüterich. Wirkungen des Suspensiveffektes auf die Strafbewehrung und andere Folgen des Verwaltungsaktes (1985). 8 Insbesondere, soweit er wie üblich rein formalistisch als Bezeichnung für sämtliches Strafrecht außerhalb des StGB verstanden wird. Ich neige einer eher materiellen Definition zu im Sinne eines Strafrechtsfeldes, das außerhalb der traditionell als strafbar konsentierten Angriffe auf die zentralen Strafrechtsgüter strafwürdiges Unrecht erfaßt. 9 Immerhin wird er von Göhler I Buddendiekl Lenzen im Lexikon des Nebenstrafrechts von Erbsl Kohlhaas (Einführung, Rd.-Nr. 8 f., 12, 13) so verwandt.

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

widrigkeiten heutiger Prägung entsprechen und wo der Exekutive unmittelbare Strafgewalt zur Sanktionierung geringeren Unrechts zusteht. 10 Derartiges "Straf'recht ist überholt und wäre verfassungsrechtlich auch gar nicht mehr zulässig. I I Das heutige Ordnungswidrigkeitenrecht billigt der Verwaltung deshalb auch keine Strafgewalt im engeren Sinne mehr zu, wohl aber verleiht es ihr eine Sanktionsgewalt qua Befugnis, Bußgelder, die in Teilbereichen äußerst empfindlich sein können, zunächst ohne Mitwirkung der Justiz zu verhängen. In Ermangelung prägnanterer Oberbegriffe soll im Folgenden der skizzierte Ausschnitt des (Neben-)Strafrechts als Verwaltungsrecht oder -handeln schützendes Strafrecht genannt, entsprechende Straftaten als Delikte gegen Verwaltungsrecht oder -handeln bezeichnet werden. Durch diese scheinbar klare Terminologie soll allerdings nicht darüber hinweggetäuscht werden, daß es im Einzelfall durchaus zweifelhaft sein kann, ob eine Strafvorschrift eher in den Kontext des Verwaltungsrechts oder aber in den von bürgerlichem oder Wirtschaftsrecht gehört. Die Problematik liegt einerseits darin begründet, daß das Strafrecht selber, und zwar auch, soweit es originär privatrechtliche Beziehungen wie Besitz oder Eigentum schützt, materiell als Teil des öffentlichen Rechts zu begreifen ist l2 und es deshalb allein aus dem Blickwinkel hoheitlicher Regelung menschlichen Verhaltens heraus nicht möglich ist, den hier interessierenden Ausschnitt des öffentlichen Rechts zu beschreiben. Ebensowenig gelingt eine Annäherung vom Begriff des Rechts der öffentlichen Verwaltung her, weil ein trennscharfer Begriff der Verwaltung trotz aller begrifflicher Bemühungen bislang nicht gefunden werden konnte, um so mehr als einzelne Institutionen oder Maßnahmen nicht immer eindeutig der Verwaltung zugeordnet oder von ihr abgesondert werden können. 13 So sind sicherlich die Vorschriften des Datenschutz-, Börsen- oder Aktienrechts teilweise auch öffentlichrechtlicher Natur, wenngleich sie andererseits vielfach Rechtsbeziehungen der Individuen untereinander regeln. Für die Zwecke dieser Untersuchung war es vordringlich, auf diejenigen Straftatbestände zuzugreifen, die durch die Eigentümlichkeiten des Verwaltungsrechts geprägt sind, primär die Beziehungen von Staat und Bürger sowie die Pflichten des 10 Vgl. Baumann/Weber. Strafrecht AT, § 4 I 2 a; Jakobs, Strafrecht AT, S. 51 f.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 57; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § I, Rd.-Nr. 26 f. Der Begriff wurde allerdings auch zur Bezeichnung derjenigen Delikte verwandt, die nicht subjektive Interessen oder Rechtsgüter, sondern allein originäre Verwaltungsinteressen berühren bzw. im Vorfeld subjektiver Interssen aus reiner Vorsicht statuiert sind, vgl. etwa Affolter, AöR 23, 413 f.; Max Ernst Mayer. Kulturnormen, S. 109 ff. Ein derartiger Sprachgebrauch setzt aber die saubere Trennbarkeit dieser Deliktsgruppe vom eigentlichen Kriminal-(Justiz-, Verfassungs-)Strafrecht voraus. Daß dies nicht möglich ist, ist erst eine Erkenntnis der moderneren Dogmatik. 11 Jedenfalls, wenn es um die Verhängung förmlicher Strafen geht, steht dem der Richtervorbehalt nach Art. 92 GG entgegen. 12 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 3, Rd.-Nr. 68 ff. 13 Vgl. Ehlers in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § I, Rd.-Nr. 5 ff., 10; Faber, S. 19 ff.; Forsthoff, Lehrbuch I, S. I ff.

I. Grund und Umriß des thematischen Ansatzes

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letzteren gegenüber der Gemeinschaft regeln, und deshalb nicht bereits mit den Mittel herkömmlicher strafrechtlicher Dogmatik bruch los zu verarbeiten sind. Dazu zählen dem Ausländer-, Betäubungsmittel-, Gewerbe-, Lebensmittel-, Jugendschutz-, Straßenverkehrs-, Waffen-, Wehr- sowie Teile des Wirtschaftsverwaltungsrechts zuzuordnende Strafbestimmungen, um nur eine exemplarische Auflistung zu geben. Auf der anderen Seite mußte beispielsweise das Wirtschaftsstrafrecht weitgehend 14 ebenso außerhalb der Betrachtung bleiben wie etwa das Datenschutzrecht, weil es insoweit mehr um Individualrechtsgutsverletzungen durch Handlungen Privater geht, bei welchen der eigentliche Vorwurf darin liegt, Spielregeln für den Rechtsverkehr der Rechtssubjekte untereinander, nicht aber gegenüber der Exekutive bzw. der Gemeinschaft mißachtet zu haben. Fehlt auch eine übergreifende Aufarbeitung der so abgrenzbaren Delikte gegen Verwaltungsrecht und -handeln und damit jegliche abschließende Klärung der vor allem drängenden Frage nach dem Rollenverständnis von Strafrecht und Verwaltungsrecht dort, wo sich beider Kompetenzen überlagern, so hat doch die insbesondere nach der Konzentration des Umweltstrafrechts in den §§ 324 ff. StGB 15 aufgelebte und andauernde Diskussion, ob im Einzelfall die verwaltungsrechtliche oder eine originär strafrechtliche Bewertung den Vorrang genießt, ins Bewußtsein gerückt, daß das Ineinandergreifen straf- und verwaltungsrechtlicher Regelungen obwohl beide im weiteren Sinne öffentliches Recht darstellen - keineswegs reibungslos vonstatten geht. Der unter dem Stichwort der sog. "Verwaltungsakzessorietät" des (Umwelt-) Strafrechts geführte Streit hat allerdings konsens fähige Ergebnisse bislang kaum erbracht. Dies mag an der induktiven Vorgehensweise vieler Autoren liegen und dem offenbar in diesem Kontext schon methodisch verfehlten Versuch, grundlegende Erklärungsversuche an einzelnen, inhomogenen oder verunglückten Straftatbeständen 16 zu exemplifizieren. Das für ideologisch befrachtete Argumentationsmuster besonders anfällige Umweltstrafrecht eignet sich zudem als Basis verallgemeinerungsfähiger Aussagen jedenfalls dann wenig, wenn man sich bei der Diskussion von interessenorientierten Positionen zu Einzelfragen leiten läßt und vorrangig diese zu legitimieren sucht. So gerät man ob des vermeintlich unumgänglichen Schutzes wichtiger (Umwelt-)Rechtsgüter schnell in Versuchung, unkritisch und vorschnell anderweitig womöglich kaum haltbare Strafbarkeiten zu 14 Ausnahmen betreffen Straftatbestände aus dem Wirtschaftsverwaltungsrecht, insbesondere den Subventionsbetrug, § I WiStG, § 34 AWG und § 54 I KreditwesenG. 15 Durch das 18. StÄG vom 28. 03. 1980, BGB\. I, 373 ff.; ferner durch das 31. StÄG vom 27.06. 1994, BGB\. I, 1440 ff. 16 So im Tenor die keineswegs unzutreffenden Kritiken an den bisherigen Bemühungen des Gesetzgebers, allumfassende umweltstrafrechtliclie Tatbestände zu statuieren, vg\. Breuer, NJW 1988,2085; ders., JZ 1994, \089 ff.; Dölling, ZRP 1988,336 f.; Faure/Dudijk, JZ 1994,91; Geulen, ZRP 1988, 326; Heine/Meinberg, GA 1990, 15 ff.; Kühl, FS-Lackner, S. 827 ff.; Dssenbühl/Huschens, UPR 1991, 162 ff.; Duo, Jura 1995, 135, 138 f.; Rogall, FSUni Köln, S. 514 f.; Rudolphi, NStZ 1984,248 ff.; Schall, NJW 1990, 1265; Schöndorf, NJ 1991,528.

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

fordem. 17 Andererseits ist es zweifellos das Verdienst der umweltstrafrechtlichen Diskussion, einesteils den Mangel an einer grundsätzlichen theoretischen Aufarbeitung im Berührungsfeld von Straf- und Verwaltungsrecht aufgezeigt und weiterhin die Relevanz für die Rechtsanwendung bewußt gemacht zu haben. Letztere sei an dieser Stelle vorerst nur anhand beispielhafter Fragestellungen angedeutet: Wie ist zu entscheiden, wenn eine verhaltenslegitimierende Genehmigung materiellverwaltungsrechtlich fehlerhaft, formell aber wirksam ist? Was ist, wenn sie formell zwar unwirksam, materiell aber richtig wäre? Wie ist formell nicht genehmigtes, aber geduldetes Verhalten zu bewerten? Kann eine Bestrafung erfolgen, wenn gegen eine formell wirksame, materiell aber unhaltbare Verwaltungsentscheidung verstoßen wird? Ist die Fehlerhaftigkeit nach verwaltungsrechtlichen Vorgaben festzustellen oder kann das Strafrecht eigene, am Rechtsgüterschutz ausgerichtete Wertungen treffen? Und wer, Verwaltungsgericht oder Strafrichter, soll letztverbindlich darüber entscheiden, was verwaltungsrechtlich nicht mehr rechtens und damit potentiell strafbar ist? Die meisten dieser auch für das Umweltstrafrecht nach wie vor offenen Fragen ergeben sich augenscheinlich aus dem Umstand, daß Straftatbestände und die ihnen entsprechenden Verwaltungsgesetze mindestens teilweise, oft qua straftatbestandlichem Verweis, in bestimmten Ausschnitten dasselbe Vokabular verwenden. Das Strafrecht kennt aber verwaltungsrechtliche Kategorien wie beispielsweise Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit von Verwaltungs akten an sich nicht und kann diesen nur eine undifferenzierte Einteilung in rechtswidrig I rechtmäßig entgegensetzen. Zudem bedürfen die Auslegungsmethode der teleologischen Betrachtung, mittelbar aber auch die historische, am Wortsinn oder am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung als Bezugspunkt ihrer Argumentation einer rechtlichen Regelung innerhalb eines bestimmte Zwecke verfolgenden Normensystems. Es ist aber evident, daß das materielle wie das formelle Verwaltungsrecht ganz andere Ziele als das Strafrecht verfolgen. Beispielsweise bezwecken die Regelungen des Atomrechts, die Kernenergie zu fördern, den Frieden zu sichern, außenpolitischen Verpflichtungen nachzukommen und Gefahren abzuwehren (§ I AtomG). Die strafrechtlichen Vorschriften, die das AtomG flankieren (§§ 307, 309, 310, 311, 327 I, 328 StGB), dienen hingegen vorwiegend der Wahrung individueller Rechtsgüter sowie dem Umweltschutz; die friedliche Nutzung der Kernenergie wollen sie keineswegs fördern. 18 Wenn es also um die Frage einer möglicherweise rechtswidrig genehmigten Kernenergienutzung geht, mag sich diese auf verwaltungsrechtlichem Hintergrund (Genehmigungsfahigkeit einer an sich erwünschten Nutzung unter Inkaufnahme von Restrisiken) anders darstellen als auf strafrechtlichem (Gefährlichkeit der nicht korrekt genehmigten Nutzung). 17 Ein Beispiel ist die Diskussion um die möglicherweise erforderliche materielle Rechtmäßigkeit einer umweltrechtlichen Genehmigung. Niemand macht sich offenbar klar, daß die Strafbarkeit des Inhabers einer rechtswidrigen Erlaubnis prinzipiell dann auch für den Inhaber einer Fahrerlaubnis nach der FeV gelten müßte. Ähnliche Warnungen finden sich im Schrifttum erstaunlich selten, vgl. aber Rengier. Rechtsgüter und Deliktstypen. S. 53. 18 So aber ausdrücklich § I Nr. I AtomG.

I. Grund und Umriß des thematischen Ansatzes

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Mithin ist die Wahl des Bezugssystems für das Auslegungsergebnis vielleicht nicht zwingend, aber eben doch in zahlreichen Zweifelsfällen mitentscheidend. Diese Wahl ist jedenfalls auf den ersten Blick offen, wenn ein Verwaltungsrechtssatz oder gar ein Verwaltungsakt durch Inbezugnahme im Strafgesetz zu einem Teil des Straftatbestandes wird, er mithin je nach strafrechtlichem Rollenverständnis im Rahmen der strafrichterlichen Subsumtion als strafrechtlich auszulegender Straftatbestand oder aber als vom Strafrecht in seiner Aufgabe der Regelung von Sachverhalten nach Bedürfnissen der Exekutive zu schützender Verwaltungsrechtssatz aufgefaßt werden könnte. Wahrend hier auf der einen Seite die strafrechtlichen Standards, insbesondere die Gebote von gesetzlichem Vorbehalt und Bestimmtheit, ein zurückhaltendes strafrechtliches Agieren nahelegen, gilt auf der anderen Seite ein unterschiedliches strafrechtliches und verwaltungsrechtliches Auslegungsergebnis eines unter Umständen wortgleich von Straf- und Verwaltungsrecht verwendeten Begriffs im Hinblick auf das Argument der gefahrdeten Einheit der Rechtsordnung als unerwünscht und kann deshalb wenig Akzeptanz erwarten. Der Rechtsanwender ist somit versucht und gehalten, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen, was ihm angesichts möglicher Methodik- und Zieldiskrepanzen notgedrungen kaum widerspruchsfrei gelingen wird. Das Verhältnis von Strafrecht und Verwaltungsrecht ist infolge des offensichtlichen Mißlingens sektoreller Betrachtungen vor allem im Umweltstrafrechts also nach wie vor nicht befriedigend geklärt. Angesichts der wegen zunehmender Risikosteigerungen infolge immer komplexerer Gesellschaftsstrukturen steigenden praktischen Bedeutung von Delikten gegen Verwaltungsrecht und -handeln ist indes das Bedürfnis nach einer theoretischen Grundlegung offenkundig. Die vorliegende Untersuchung hat sich das Ziel gesetzt, hierzu einen ersten Ansatz zu liefern. Der Anspruch, dabei zu verallgemeinerungsfähigen Aussagen zu gelangen, impliziert eine Abkehr von deliktsbezogenen Einzelbetrachtungen. Einem tendenziell eher deduktiven Ansatz liegt selbstverständlich die - zunächst nur behauptete, einer Ergebniskontrolle aber zugängliche - Annahme zugrunde, daß eine Aussage darüber, weIche Qualitäten etwa eine Genehmigung haben muß, um ein Verhalten strafrechtlich folgenlos zu gestalten, in derselben Weise für alle gleichartig strukturierten Delikte, sei es aus dem BtMG, dem StVG oder eben dem Umweltstrafrecht, zu treffen und folglich auch unabhängig von fraglichen Besonderheiten derartiger Rechtsgebiete zu gewinnen sein müßte. Die Weite des Feldes und die Vielzahl der Einzelprobleme macht es freilich im Interesse von Autor und Leser unumgänglich, auf drei sicherlich für sich genommen wichtige Aspekte des Themas gänzlich zu verzichten. Dies betrifft einmal den Bereich der Ordnungswidrigkeiten, die sich teils mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen wie vergleichbare Straftatbestände, wenn auch vielleicht angesichts der qualitativ geringeren Sanktion nicht in derselben Dringlichkeit und Schärfe. Immerhin mag es möglich werden, Ergebnisse dieser Untersuchung in späteren Schritten für das Ordnungswidrigkeitenrecht fruchtbar zu machen. Ebensowenig

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l. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

soll die Strafbarkeit von Behördenangehörigen Gegenstand des primären Erkenntnisinteresses sein. Einige Resultate werden sicherlich auch für die Amtsträgerstrafbarkeit Konsequenzen haben. Indes steht zu vermuten, daß sich eine kriminalpolitisch befriedigende und zugleich dogmatisch saubere Ersetzung der oftmals gekünstelt anmutenden Zurechnungsversuche, etwa qua mittelbarer Täterschaft bei rechtswidrig genehmigtem Verhalten, ohnehin nur de lege ferenda wird erzielen lassen. Insoweit mag man mit Recht bedauern, daß es der Gesetzgeber trotz vielfacher Gelegenheit bis heute nicht unternommen hat, einen allgemeinen 19 Straftatbestand der "Amtsuntreue" zu schaffen?O Schließlich wurde der gesamte Bereich des Strafrechts der Bundesländer ausgeklammert. Im Rahmen dieser Untersuchung ergeben sich insoweit keine originären Probleme, die es hätten rechtfertigen können, den Gedankengang durch die Diskussion lokaler Besonderheiten, die nur einen Teil der Leser interessieren würden, zu unterbrechen.

11. Strukturelle Besonderheiten und Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb der Delikte gegen Verwaltungsrecht oder -handeln Die Vielgestaltigkeit der strafrechtlich bewehrten öffentlich-rechtlichen Materien täuscht nur auf den ersten Blick darüber hinweg, daß es strukturelle Gemeinsamkeiten gibt, die eine einheitliche Betrachtung nahelegen. Soweit es um die Umsetzung materiellen Verwaltungsrechts geht, liefern jeweils sowohl die gefestigte allgemeine Verwaltungsrechtslehre als auch die übergreifend geltenden Regeln von VwGO, VwVG und VwVfG 21 einen festen Rahmen, anhand dessen Begriffe wie Wirksamkeit und Vollziehbarkeit behördlicher Anordnungen oder Genehmigungen bestimmbar sind, die ihrerseits für eine Vielzahl von Delikten dann auch strafrechtlich relevante Kategorien bilden. Darüber hinaus sind die strukturellen Unterschiede der einzelnen Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts geringer als die unterschiedlichen Thematiken es zunächst vermuten lassen. Aussehen, Strukturen und Formulierungen der fraglichen Straftatbestände differieren allerdings auch unabhängig von der jeweiligen materiell-verwaltungs19 Es gibt lediglich sektoral einige wenige Strafvorschriften, die Fehlverhalten der Amtsträger in bestimmten Verwaltungsverfahren unter Strafe stellen, vor allem die §§ 99 BVertriebenenG, 27a 11 ChemG, die jeweils die rechtswidrige Ausstellung von Bescheinigungen zum Gegenstand haben. 20 Zur Zurechnung wie auch zu alternativen legislativen Regelungsmodellen vgl. insbesondere Rogall, Amtsträgerstrafbarkeit, S. 137 ff., 258 ff. 21 Das (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetz gilt zwar unmittelbar nur für Bundesbehörden sowie subsidiär für die Länder und Gemeinden bei der Ausführung von Bundesrecht, vgl. insoweit die Regeln der §§ I f. VwVfG. Da aber fast alle Länder entweder gleichlautende oder auf das VwVfG verweisende Verfahrensordnungen erlassen haben (vgl. Faber, S. 7), soll im folgenden der Einfachheit halber nur auf das (Bundes-) VwVfG Bezug genommen werden.

II. Strukturelle Besonderheiten und Differenzierungsmöglichkeiten

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rechtlichen Materie vordergründig in hohem Maße und weisen erst bei weiter abstrahierender Betrachtung Gemeinsamkeiten auf, die es erlauben, sinnvolle Gruppen jeweils im wesentlichen gleichgearteter Delikten zu bilden. Die Suche nach signifikanten Abweichungen zu den für das Kernstrafrecht 23 typischen Deliktsstrukturen fördert jedoch zunächst mehrere Auffälligkeiten zutage, die sich vereinzelt im gesamten Bereich des Verwaltungsrecht und -handeln schützenden Strafrechts finden lassen und die dennoch nur zum Teil für eine weitere Untergliederung der Delikte tauglich sind. Deren erste ist die Unvollständigkeit vieler Strafbestimmungen, die isoliert betrachtet die strafbedrohte Handlung noch nicht abschließend beschreiben. Als ein Beispiel mag hier § 28a Nr. 4a FlHG dienen: "Mit . .. wird bestraft, wer ... entgegen § 21 Abs. 2 Tiere ausführt, .. ." Um die strafbare Handlung zu erkennen, muß also § 21 11 FlHG mitgelesen werden, der das Verbot der Ausfuhr von Tieren nach § I I I FlHG enthält, denen lebensmittelrechtlich oder fleischhygienerechtlich verbotene Stoffe zugeführt wurden. Auch nun ist der Tatbestand noch nicht komplettiert, vielmehr ist die Gruppe betroffener Tiere nur aus der weiteren Bestimmung in § 1 I 1 FlHG ersichtlich, die Gruppe betroffener Zusätze schließlich ergibt sich erst aus diversen Rechtsvorschriften außerhalb des FlHG.

Dieses Beispiel leitet bereits zu einer zweiten Auffälligkeit über. Nicht nur der Verweis auf andere formell-gesetzliche Bestimmungen (wie im vorigen Beispiel § 21 11 bzw. § 1 I 1 FIHG), sondern auch die Bezugnahme auf untergesetzliche Rechtsvorschriften ist eine durchaus übliche Methodik. So stellt etwa § 52 I Nr. 4 LMBG unter Strafe, wer" .. . einer nach § 12 .. . Abs. 2 Nr. I .. . erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist, ... " § 12 LMBG enthält diverse Verordnungermächtigungen für Einzelregelungen betreffend die Herstellung und Höchstmengen von Zusatzstoffen für Lebensmittel jeder Art, auf Grund derer u. a. die SpeiseeisVO in § 7b II die Bestrafung 22 Daß sich gleichwohl auch dann innerhalb solcher Gruppen noch ein recht breites Spektrum denkbarer Tatbestandsfassungen ergibt, sei beispielhaft anhand der Delikte demonstriert, die jeweils das Fehlen behördlicher Gestattungsakte sanktionieren und bei denen man wegen dieses gemeinsamen Anliegens vermuten könnte, daß sie an sich auch gleichlautend hätten gefaßt werden können . Dennoch werden in den betreffenden Straftatbeständen aber sehr unterschiedliche Formulierungen wie "ohne Genehmigung" (z. B. § 22a I Nr. I KWG), "ohne Erlaubnis" (z. B. § 75 Nr. 2 TSeuchenG), "ohne erforderliche Erlaubnis" (z. B. 53 I Nr. I WaffG), "ohne behördliche Erlaubnis" (z. B. §§ 284, 287 StGB), "ohne Einwilligung" (z. B. § 120 SeemannsG), "ohne Berechtigung" (z. B. §§ 19 I Nr. 1,20 TiefseebergbauG), "unbefugt" (z. B. § 324 StGB) oder "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" (z. B. § 325 StGB) gebraucht. Gelegentlich wird auch schlicht das Handeln entgegen der Vorschrift, die die Erlaubnispflicht regelt, unter Strafe gestellt (z. B. § 28 i. V. m. § 3 11 VersammIG). 23 Ich verstehe diesen Begriff nicht als zusammenfassende Bezeichnung der im Strafgesetzbuch angesiedelten Delikte (so aber die übliche Definition, vgl. Göhler/Buddendiek/ Lenzen in: Erbs I Kohlhaas, Einführung, Rd.-Nr. I f., 6), sondern als Inbegriff der Straftatbestände, die traditionell als strafwürdig angesehene, unmittelbare Angriffe vornehmlich auf die Individualrechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum, Ehre sowie die zentralen Allgemeingüter Frieden, Bestand des Staates und seiner Verfassungsorgane sowie Rechtspflege sanktionieren.

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1. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

nach § 52 I Nr. 4 LMBG bei der Verwendung von Zusatzstoffen bei der Herstellung von Speiseeis über bestimmte, in § 2a SpeiseeisVO genannte Mengen hinaus regelt. Die eigentliche Tathandlung, also das Herstellen von Speiseeis unter Überschreitung bestimmter Mengen von einzelnen Zusatzstoffen, ist aus dem formellgesetzlichen Straftatbestand nicht zu ersehen, sondern erst aus der - wenn auch auf gesetzlicher Grundlage ergangenen - Rechtsverordnung?4

Aber nicht nur Rechtsverordnungen, sondern darüberhinaus als dritte Auffälligkeit sind für die Strafbarkeit häufig verwaltungsbehördliche Einzelentscheidungen maßgebend. Einfachstes Beispiel sind Statusakte, die eine vom Straftatbestand vorausgesetzte Eigenschaft begründen oder ausschließen. So setzen die Strafvorschriften der §§ 15 ff. WStG die Soldateneigenschaft des Täters voraus, die nach den §§ I f. SoldatenG, 21 WpflG u. a. durch den Einberufungsbescheid begründet wird. Dessen rechtliche Wirksamkeit (in strafrechtlicher Sicht2s ) entscheidet mithin im Ergebnis auch darüber, ob eine Tat verfolgbar ist oder nicht. 26 24 In ähnlicher Weise sind die §§ 5 BierVO, 5a BlutplasmaVO, 24 ButterVO, 26 DiätVO, 13 F1eischVO, 8a F1eischbrühwürfeIVO, 16 HackfleischVO, 6 HonigVO, 30 KäseVO, 16 KakaoVO,3 KaugummiVO, la VO über koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, 5 KonfitürenVO, 4 Lebensmittel-BestrahlungsVO, 18 MilchVO, 17 Mineral- und TafelwasserVO, 9 1,11 NährwertkennzeichnungsVO, 2a VO über vitaminisierte Lebensmittel, 6 Zusatzstoff-VerkehrsVO, 9 Zusatzstoff-ZulassungsVO, strukturiert, die jeweils einzelne Bestimmungen der §§ 51 I Nr. 2,4,6 Ia Nr. 3,52 I Nr. 1,2,4-6,8, 11,11 Nr. 1-3,6,7, 10 LMBG in Bezug nehmen. Andere gesetzliche Straftatbestände, die Teile ihrer materiellen Tatbestandsumschreibungen auf die Verordnungsebene delegieren, stellen die §§ 95 I Nr. 2, 6, 96 Nr. 1,5,7,8, 11, lIa AMG, 34 IV, 11 i.Y.m. 33 I AWG, 146 I i.V.m. 145 III Nr. 2 BBergG, 38 I Nr. 2 i.V.m. § 22 BJagdG, 30a 11 i.V.m. 20e BNatSchG, 64 I, 69 11 i.V.m. 70 BSeuchenG, 29 I Nr. 14 BtMG, 27 I Nr. 1,3,11 i.V.m. 26 I Nr. 5 c, 8 b, 11 ChemG, 15 I Nr. I b i.V.m. 16 I Nr. I, Nr. 2, 3,11 CWÜAG, 15 i.Y.m. 14 I Nr. I EVG, 28a Nr. 6 F1HG, 39 I, III i.V.m. 38 I Nr. 12 GenTG, 17 i.V.m. 1611 Nr. Ib GerSiG, 148 i.V.m. 145 I Nr. 2, 11 Nr. 1,147 I Nr. 2 GewO, Art. 3b, 3a 11 Nr. I GIGV, 29 I Nr. 3 GÜG, 31 i.Y.m. 321II, I Nr. I HeimarbeitsG, 58 V, I Nr. 4, Nr. 1820, Nr. 26 JArbSchG, 25 i.Y.m. 24 I Nr. Ib LadenschlußG, 56, 57 LMBG (Verweis auf Rechtsakte der EG), 7 I Nr. 2 LSpG, 44 Nr. 5 MPG, 21 I Nr. 4 111 MuSchG, 14 i.Y.m. 13 I Nr. la PTSG, 121 11 Nr. 4 SeemannsG, 13 StrVG, 74 I Nr. 3 TSeuchenG, 21 I Nr. I UmweItHG, 53111 Nr. 3 WaffG, I I WiStG i.V.m. 18 Wirtschafts-, 26 Verkehrs-, 22 Ernährungsund 28 WassersicherstellungsG dar. Aus dem StGB nehmen (auch) auf Verordnungen Bezug die §§ 184a, 264 I Nr. 2, 329 StGB, ferner über § 330d Nr. 4 a auch die §§ 311, 324a, 325, 325a, 326111,328111 StGB. 2S Inwieweit die Rechtswidrigkeit des Einberufungsbescheides strafrechtlich Folgen zeitigt, ist nicht unumstritten, vgl. BGH NZWehrR 1967, 173; BGHSt 21, 74, 78; BayObLG NJW 1968,513,514; OLG Celle, MDR 1965,598; NJW 1971, 1227; OLG Nürnberg, JZ 1965,688 f.; OLG Frankfurt, NJW 1967,262; Arndt, JZ 1965,775; Gössel, JZ 1965,689 f.; Menger; DRiZ 1967,381. 26 Ähnliche Konstellationen finden sich z. B. im StGB bei den §§ 85, 86, 86a (Verbot bzw. Feststellung der Ersatzorganisation), 89 (Bundeswehrangehörigkeit), 95 (Geheimhaltung), 100, 144 (deutsche Staatsangehörigkeit), l0ge, 109g (Zweckbestimmung des Tatobjekts), 113, 120 f., 331 ff. (Amtsträger, Soldat), 133 (dienstliche Verwahrung), 134 (amtliche Bekanntmachung), 136 (dienstliche Beschlagnahme), 203 (staatliche Anerkennung pp.), 278 (Approbation), und 323b (behördliche Anordnung), ferner außerhalb des StGB bei den §§ 227a AFG, 15a I, 11 Nr. I AÜG (Arbeitserlaubnis der vom Täter beschäftigten Arbeitneh-

II. Strukturelle Besonderheiten und Differenzierungsmöglichkeiten

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Ähnlich ist die Situation bei den Delikten, die behördlich unerlaubtes oder ungenehmigtes Verhalten bedrohen. § 53 III Nr. la WaffG etwa bestraft u. a., wer ... .. ohne die erforderliche Erlaubnis ... entgegen § 29 Abs. I Satz 121 Munition erwirbt, .. ." Erst die tatsächliche Existenz (und möglicherweise auch eine bestimmte rechtliche Qualität) der behördlichen Erlaubnis einer Tätigkeit schließen hier im Ergebnis 28 die sonst eintretende Strafbarkeit des Munitionserwerbers aus. 29 Schließlich hängt umgekehrt die Strafbarkeit bei einigen Delikten vom Vorliegen eines (belastenden) Verwaltungsaktes ab. So bestraft § 64 II Nr. 5 BSeuchenG u. a., .... . wer entgegen einer vollziehbaren Anordnung nach § 38 eine Tätigkeit ausübt." Nach § 38 BSeuchenG kann z. B. Kranken die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagt werden. Erst durch die behördliche Bestimmung entsteht also das Verbot in seiner letztlich verbindlichen Form, so daß die strafrechtliche Subsumtion menschlichen Verhaltens nicht nur unter Rechtsvorschriften, sondern daneben unter einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt zu erfolgen hat. 30 mer), 96 Nr. 7 AMG (Zulassung der Arznei), 29 I Nr. 6, 13 I BtMG (Arztstatus), 15 1,6 I 2 FlaggenrechtsG (Zertifikat), 21 I GjSM (Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Schriften), 60 I Nr. I LuftVerkG (Zulassung des Flugzeugs), 64 II Nr. 4 BSeuchenG (Absonderung der Person), 75 Nr. I TSeuchenG (Nichtzulassung der Seren pp.), 20 I VereinsG (Feststellung der Ersatzorganisation), 52 ff. ZDG (Zivildienstverhältnis). 21 § 29 I 1,2 WaffG lauten: ..Wer Munition erwerben will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis wird durch einen Munitionserwerbsschein erteilt." 28 Theoretisch wäre dies, was an späterer Stelle zu klären ist, im Einzelfall und je nach Delikt über Tatbestandslosigkeit, Rechtfertigung oder Strafausschließung denkbar. Vgl. dazu näher im 3. Kapitel, dort vor allem bei A.II.-IY., B.II. 29 Weitere Straftatbestände, die im weitesten Sinne ein behördlich ungenehmigtes Verhalten als Voraussetzung der Strafbarkeit nennen, sind die §§ 132a, 284, 287, 323b, 324-328 StGB, ferner über § 330d Nr. 4 a auch die §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 III, 328 III StGB, darüber hinaus die §§ 23 ApothekenG, 227 AFG, 15 AÜG, 96 I Nr. 4, 5, 8 AMG, 92 I Nr. I, 6 AuslG, 34 I I AWG, 146 i.Y.m. 145 I Nr. 6 BBergG, 29 I Nr. 1-3, 29a, 30 I Nr. 1,2,4, 30a BtMG, 5a II BlutplasmaVO, 26 II Nr. 3 DiätVO, 15 II F1aggenrechtsG, 28a Nr. I FlHG, 38 Nr. 2 GeFlHG, 39 II GenTG, 17, 16 11 Nr. I b GerSiG i.V.m. 27 I AufzugsVO und 32 I DampfkesselVO, 148 i.V.m. 144 I, 145 I Nr. 1,4 GewO, 29 I Nr. 2 GÜG, 5 HeilpraktikerG, 54 I Nr. 2 KreditwesenG, 22a KWG, 60 I Nr. 2-5a LuftVerkG, 30a i.V.m. 30 I Nr. 4,5 BNatSchG, 5 Rennwett- und LotterieG, 120 SeemannsG, 64 11 Nr. 1,2 BSeuchenG, 104 I Nr. 1,2 i.Y.m. 105 SGB VIII, 40 1,11 Nr. 2,41 I Nr. 2 i.V.m. 42 SprengG, 21 StVG, 20 i.V.m. 19 I Nr. I TiefseebergbauG, 94 i.V.m. 65 11 TKG, 75 Nr. 2 TSeuchenG, 27 I, 28 i.V.m. 3 11 VereinsG, 28 i.Y.m. 3 II VersammlG, 140 I Nr. I VAG, 53 I Nr. 1-3a, III Nr. 1,2 WaffG, 18 I Nr. I ZahnheilkundeG. 30 In gleichartiger Weise aufgebaut sind die §§ 13 BÄrzteO, 13 BApothekerO, 23 i.V.m.22 I Nr. 7 AZG, 96 Nr. 6 AMG, 85 Nr. 3,4 AsylVfG, 92 I Nr. 3,4 AuslG, 146 i.Y.m. 145 I Nr. 8, 16, 17 BBerG, 27 I Nr. 2, 27 II i.Y.m. 26 I Nr. 4, 10 ChemG, 16 I Nr. I i.V.m. 15 I Nr. 3 CWÜAG, 26 11 Nr. 2 DiätVO, 15 III i.V.m. 15 I Nr. I EnergiesicherungsG, 22 ErnährungssicherstellungsG i.Y.m. I WiStG, 39 III i.V.m. 38 I Nr. 8 GenTG, 17 i.V.m. 16 II Nr. Ib (i.Y.m. §§ 27 11 Nr. 3 AufzugsVO bzw. 32 11 Nr. 3 DampfkesselVO) Nr. 2 GerSiG, 148 i.Y.m. 146 I, 147 I GewO, Art. 3b, 3a 11 Nr. 2 GIGV, §§ 32 III, I Nr. 2 HeimarbeitsG, 38 I Nr. 1 BJagdG, 58 V, I Nr. 27-29, 11 JArbSchG, 12 IV, I Nr. 15 JÖSchG, 85 i.Y.m. 84 I Nr. 1,2 BLeistungsG, 59, 62 LuftVerkG, 21 I Nr. 5 MuSchG, 30a III i.V.m. 30 11 Nr. 9-11 BNatSchG, 24 I PaßG, 121 11 Nr. 5, 6, 123 SeemannsG, 65, 69 I Nr. 3, 4, i.V.m. 70 BSeuchenG, 42 i.Y.m. 41 I Nr. 3, 15 SprengG, 20 i.V.m. 19 I Nr. 2 TiefseebergbauG, 14

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

Weitere auffällige, wenn auch nicht notwendigerweise typische Begleiterscheinungen dieser Materie sind die oft komplexen Straftatbestände, die eine Vielzahl unterschiedlicher Tathandlungen in einer einzigen Vorschrift zusammenfassen. Beispielsweise vereinigt § 52 LMBG unter seinem Dach in zwei Absätzen nicht weniger als 22 Gliederungsziffern, die ihrerseits jeweils zumindest eine, z.T. aber auch infolge dynamischer Verweisungen eine ohne weiteres gar nicht mehr meßbare Anzahl singulärer Beschreibungen strafbarer Handlungen enthalten. 31 Nicht selten sind ferner die sogenannten Mischtatbestände. Hierbei wird in einer oder auch mehreren - dann zumeist unmittelbar benachbarten - Vorschriften eine Handlung zunächst entweder als Ordnungswidrigkeit eingeordnet, beim Vorliegen weiterer Merkmale zur Straftat qualifiziert, oder aber umgekehrt ein Vergehen beim Vorliegen oder Fehlen bestimmter Umstände zur Ordnungswidrigkeit privilegiert. Exemplarisch seien die §§ 16,17 GerSiG genannt. Nach § 1611 Nr. 2 GerSiG handelt ordnungswidrig, wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 12 1 GerSiG (behördliche Anordnungen zur Abwehr von Gefahren für Beschäftigte und Dritte) zuwiderhandelt. § 17 GerSiG stellt diesen Verstoß unter Strafe, wenn die bezeichnete Handlung entweder beharrlich wiederholt oder durch sie Leben oder Gesundheit eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. 32 BTierärzteO, 19 I Nr. 2 UmweltHG, 8 I, 11 VerkBekG, 20 I Nr. 1,4,25 Nr. 2, 26 Nr. 1 VereinsG, 140 I Nr. 3 VAG, 53 III Nr. 6 WaffG, 19-21 WStG, 18 I Nr. 2 ZahnheilkundeG, 54 I ZOG, ferner im StGB die §§ 326 11, 327, 328 I, 329 III, 353a, über § 330d Nr. 4 a auch die §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 III, 328 III StGB . 31 V gl. auch die §§ 95,96 AMG, 29 BtMG, 58 V, I JArbSchG, um nur einige extreme Beispiele zu nennen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht sind derartige Anhäufungen von unterschiedlichen Tatbeständen innerhalb derselben Vorschrift noch weitaus häufiger anzutreffen, vgl. nur § 49 StVO, um die vielleicht bekannteste zu nennen. 32 Weitere Mischtatbestände mit dem Grunddelikt einer Ordnungswidrigkeit finden sich in 0 jeweils das qualifizierende Merkmal - in den §§ 85 Nr. 2, 86 AsylVfG (bei Wiederholung), §§ 15a 11 Nr. 2, 16 I Nr. 2 AÜG, 14, 13 I Nr. la PTSG (jeweils bei beharrlicher Wiederholung), §§ 14, 14a AdoptionsverrniulungsG (Handeln zur Erzielung eines Vermögensvorteils), Art. 3b LV.m. 3a I, 11 GIGV, §§ 69, 70 BSeuchenG (jeweils bei Verbreitung einer bestimmten Krankheit), §§ 145, 146 BBergG, 2711,261 Nr. 1,4,5, 8b, 10,11 ChemG, 391II, 38 I Nr. 2, 8, 9, 12 GenTG, 24, 25 LadenschlußG, 21 MuSchG, 4\, 42 SprengG, 19,20 TiefseebergbauG (jeweils bei Gefährdung bestimmter Rechtgüter), 34 11, 33 I, IV, V AWG, 16 I Nr. 1,15 I Nr. Ib, 3, 4 CWÜAG (jeweils bei Gefährdungseignung), §§ 22, 23 AZG, 17 LV.m. 16 II Nr. Ib GerSiG, 148 LV.m. einzelnen Alternativen der 144-147 GewO, 58 JArbSchG (jeweils bei beharrlicher Wiederholung oder Gefährdung bestimmter Rechtsgüter), §§ 104, 105 SGB VIII (bei beharrlicher Wiederholung oder schwerer Gefährdung), § 12 JÖSchG (bei schwerer Gefährdung oder Gewinnsucht oder beharrlicher Wiederholung), §§ 84, 85 BLeistungsG (bei absichtlichem Handeln oder erheblicher Gefährdung des öffentlichen Wohls), §§ 30 I, 11, 30a BNatSchG (bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßigem Handeln oder beim Handeln bzgl. einer vorn Aussterben bedrohten Art), §§ 15, 14 I Nr. I EVG, 15 EnergiesicherungsG (bei beharrlicher Wiederholung oder Gefährdung oder Ausnutzen einer Mangellage oder beim Handeln zur Erzielung eines Vermögensvorteils). Mischtatbestände mit dem Grunddelikt eines Vergehens sind - in 0 hier das jeweils privilegierende Merkmal - die §§ 6 AromenVO, 5 BierVO, 5a 11 BlutplasmaVO, 2411,25 I But-

11. Strukturelle Besonderheiten und Oifferenzierungsmöglichkeiten

33

Freilich sind derartige Tatbestandskonstruktionen nicht auf die strafrechtliche Sanktionierung verwaltungsrechtlicher Regelungsmaterien beschränkt, sondern theoretisch auch im Kernstrafrecht denkbar, wenn auch dort noch nicht realisiert. 33 Demgegenüber stellen die Unvollständigkeit der eigentlichen Strafbestimmungen, die Verlagerung von Beschreibungen kriminalisierten Verhaltens in untergesetzliehe Regelungsebenen und die Abhängigkeit der Strafbarkeit von einzelfallbezogenen Behördenentscheidungen signifikante Auffalligkeiten des Strafrechts mit Bezugnahmen auf Verwaltungsrecht und -handeln dar. Zwar gibt es auch in diesem Kontext Straftatbestände, die ohne derartige Mechanismen auskommen,34 doch ist der Großteil der hier strafrechtlich geregelten Materien kaum in herkömmlicher Weise tatbestandlieh umschrieben vorstellbar. Sicherlich wäre ein Verzicht auf untergesetzliche Regelungen, insbesondere durch die Verordnungs geber, denkbar; ein solcher Verzicht hätte aber eine möglicherweise nicht mehr tragbare Mehrbelastung des Gesetzgebers zur Folge, wollte man über formell-gesetzliche Regulierungen dasselbe Resultat erreichen. Die Eliminierung der Abhängigkeit von behördlichen Einzelentscheidungen wäre gleichbedeutend mit einem weitgehenden, unvermeidlichen strafrechtlichen Rückzug. Dies mag man kriminalpolitisch für sinnvoll halten oder auch nicht, was an dieser Stelle weder diskutiert werden kann noch soll. Festzuhalten ist lediglich, daß, will man in etwa demselben Maße wie derzeit potentiellen Rechtsgutsgefahren strafrechtlich begegnen, ein Absehen von Bezugnahmen auf belastende oder begünstigende Verwaltungsakte schwerlich vorstellbar erscheint. Die strafrechtliche Diskussion wird zusätzlich dadurch erschwert, daß die vor allem bedenklich anmutenden Konstruktionen einer untergesetzlichen Normierung sowie einer Abhängigkeit von behördlichen Einzelfallentscheidungen oftmals in Kombination auftreten und darüber hinaus überlagert werden von den bereits angeterVO, 26 OiätVO, 13 F1eischVO, 8a I F1eischbrühwürfelVO, 6 I HonigVO, 16 KakaoVO, 3 KaugummiVO, la VO über koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, 5 KonfitürenVO, 4 Lebensmittel-BestrahlungsVO, 17 Mineral- und TafelwasserVO, 9 NährwertkennzeichnungsVO, 2a VO über vitaminisierte Lebensmittel, 6 Zusatzstoff-Verkehrs VO, 9 Zusatzstoff-ZulassungsVO (jeweils bei Fahrlässigkeit statt Vorsatz), I, 2 WiStG (bei fehlender Störungseignung, es sei denn beharrliche Wiederholung). 33 So sind Mischtatbestände im Bereich der Bagatellkriminalität durchaus vorstellbar, vgl. etwa den AE-GLO, der bei Ladendiebstahl primär eine Leistung an den Verletzten vorsah, im Falle der Wiederholung jedoch auch die Bestrafung. 34 Eines der Beispiele dieser Art ist § 28 I Nr. 3 F1HG, der bestraft, "wer ... entgegen § 1 Abs. I Satz 4 Fleisch von Affen, Hunden oder Katzen zum Genuß für Menschen gewinnt, ... " Auch hier ist zwar ein Verweis enthalten, dieser indes ist funktionslos und überflüssig, weil die genannte Vorschrift lediglich lautet: "Fleisch von Affen, Hunden und Katzen darf zum Genuß für Menschen nicht gewonnen werden." Vgl. ferner die §§ 370 AO, 84, 85 Nr. 1,2,5 AsylVfG, 92 1 Nr. 2, 3, 5-7, 11 AuslG, 42 AZRG, 29 I Nr. 5 -13 BTMG, 21 II GjSM, 29 I Nr. 1 GÜG, 12 KRG, 7 I Nr. 1 LSpG, 43, 44 Nr. 1-4 MPG, 16 MikrozensusG, 39 PflSchG, 6 PflVG, 2 PhosphorzündwarenG, 63 BSeuchenG, 22 BStatistikG, 19 I Nr. 1 UmweltHG, 141 VAG, 98 BVertriebenenG, 52a, 53 I Nr. 4-7, III Nr. 4,5,7,8 WaffG, 15-18,23-46 WStG, 52, 53 ZOG. 3 Heghmanns

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

schnittenen begrifflichen Kompatibilitätsdivergenzen und den hierdurch verursachten Schwierigkeiten. Auch aus diesem Grund geriete eine exemplarische Untersuchung ausgewählter Strafvorschriften unweigerlich in die Gefahr, einzelne Aspekte und ihre Einbettung in die vorgängige Frage nach dem Konkurrenzverhältnis sich partiell überschneidender straf- und verwaltungsrechtlicher Regelungen nur unscharf zu erfassen. Vielmehr bedarf es einer abstrakten Strukturierung der Deliktstypen. um die fraglichen Themenkreise weitgehend separiert angehen zu können. Isolierbar erscheinen hier vor allem die Delikte, bei welchen die Strafbarkeit vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer behördlichen Einzelentscheidung abhängt und wo allein die besonderen Schwierigkeiten, die aus den dem Strafrecht fremden verwaltungsverfahrensrechtlichen Kategorien von Wirksamkeit und Bestandskraft resultieren, auftreten. Insofern bietet sich wegen der unterschiedlichen Grenzen strafrechtlicher Auslegung zugunsten bzw. zulasten des Beschuldigten eine Untergliederung danach an, ob die behördliche Einzelentscheidung die Strafbarkeit begründet oder ausschließt. Typisch für den ersteren Fall sind Delikte, die den Verstoß gegen eine behördliche Anordnung unter Strafe stellen, wo die strafrechtliche Pflicht also (auch) durch die fragliche Anordnung beschrieben wird. Die zweite Gruppe wird vorwiegend durch Straftatbestände geprägt, die ein bestimmtes Verhalten im Falle des Nichtvorliegens eines behördlichen Gestattungsaktes sanktionieren. Über diese typischen, auch von ihrer Häufigkeit her prägenden Erscheinungsformen hinaus dürfen indes in diesem Kontext diejenigen Konstellationen nicht vergessen werden, bei denen ein Verwaltungs akt zwar nicht als explizite tatbestandliehe Voraussetzung auftaucht, aber, wie bei den Delikten aus dem WStG der Einberufungsbescheid nach § 21 WPflG oder die Entlassung nach § 29 WPflG, strafbegründend 35 bzw. strafausschließend 36 wirkt. 37 Durch das Abschichten dieser bei den Gruppen von Delikten, bei welchen ein behördlicher Akt strafrechtliche Relevanz besitzt, kann sich der Blick zunächst ungetrübt von den verwaltungsverfahrensrechtlichen Besonderheiten auf die verbleibende Restgruppe von Straftatbeständen richten, deren Verbotsmaterie abschließend in allgemeiner Form, sei es gesetzlich oder mit Hilfe einer Rechtsverordnung, formuliert ist und wo es zur Strafbarkeit keines zusätzlichen einzelfallbezogenen Tätigwerdens einer Behörde bedarf. Anhand dieser strukturell einfacheren Delikte lassen sich die besonderen, durch die Parallelität verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Regularien verursachten strafrechtsdogmatischen Schwierigkeiten relaÄhnliche Mechanismen findet man bei § 123 StGB (behördliches Hausverbot). Ähnlich im StGB etwa § 132 (Verleihung des ausgeübten Amtes) oder § 132a (Verleihung des geführten Titels). 37 Eine abschließende Aufzählung der hier in Frage kommenden Delikte verbietet sich schon deshalb, weil die strafausschließende bzw. -begründende Wirkung - mit den in den voranstehenden Fußnoten aufgeführten Ausnahmen - keine deliktsspezifische Erscheinung, sondern eine Eigenart bestimmter (zumeist Status-) Akte ist. Die Einbürgerung eines Ausländers etwa kann nach § 7 I, 11 Nr. I StGB prinzipiell für den überwiegenden Teil aller Straftatbestände (mit Ausnahme der Katalogtaten nach den §§ 5, 6 StGB) Bedeutung erlangen. 35

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III. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten

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tiv ungestört betrachten. Die dort aufzuwerfenden Fragen, vor allem nach dem Vorrang straf- oder verwaltungsrechtlicher Bestimmungen und Methoden sowie nach der strafrechtlichen Tauglichkeit untergesetzlicher Rechtsquellen werden Gegenstand des 2. Kapitels der Untersuchung sein. Im Anschluß daran soll im 3. Kapitel untersucht werden, in welcher Weise und wann die Strafbarkeit durch verhaltensgestattende oder statusbetreffende Einzelentscheidungen der Verwaltung ausgeschlossen werden kann. Schließlich wird im 4. Kapitel die sicherlich problematischste Gestaltung thematisiert werden, nämlich die strafbegründende Funktion von Verwaltungsakten und die sich daraus ergebenden Anforderungen an deren rechtliche Qualität.

ßI. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten einer Untersuchung

1. Die .. Verwaltungsakzessorietät" des Strafrechts in der umweltstrafrechtlichen Diskussion Die spezifische Problematik der Delikte gegen Verwaltungsrecht und -handeln liegt offenkundig darin begründet, daß sich strafrechtliches und verwaltungsrechtliches Sprach- und Dogmatikverständnis unterscheiden und deshalb die Neigung besteht, denselben Sachverhalt unterschiedlich zu erfassen, zu bewerten und zu bewältigen. Traditionell war dieses Konfliktpotential strafrechtlicher Tatbestände, die auf die Flankierung verwaltungsrechtlicher Regelungen zielen, außerhalb des Kernstrafrechts bis zur Konzentration des Umweltstrafrechts im StGB als ernsthaftes Problem nicht erkannt worden. Soweit man in der seither erbittert geführten (umweltstrafrechtlichen) Auseinandersetzung um die Rolle des Strafrechts überhaupt von so etwas wie einem roten Faden in der Diskussion sprechen kann, ist ein solcher eigentlich nur in dem Terminus der "Verwaltungsakzessorietät" des Strafrechts, auf den eine Betrachtung des Verhältnisses von Strafrecht und Verwaltungsrecht bei der Auslegung Verwaltungsrecht oder -handeln schützender Delikte geradezu zwangsläufig stÖßt,38 zu finden. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich indes schnell, daß mit diesem Begriffkonsens allein nicht viel gewonnen ist, dieser vielmehr eher verwirrt als strukturiert oder gar Lösungen offeriert. Obwohl der plakative Terminus der Verwaltungsakzessorietät des (vor allem: Umwelt-)Strafrechts heute geradezu wie selbstverständlich von nahezu jedermann benutzt wird,39 steht 38 Winkelbauer, DÖV 1988, 724, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Verwaltungsakzessorietät vor der Einstellung des Umweltstrafrechts in das StGB im Grunde als unproblematisch hingenommen worden ist. Dies erklärt vielleicht. das sie als Begriff erst seither und vor allem im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht gebräuchlich geworden ist. 39 Vgl. - lediglich als kleine Auswahl - für das Umweltstrafrecht Albrecht, KrimsozBibl 55,2; Bloy, JuS 1997, 584 ff. ; Dölling, S. 86; Fischer/ Leirer. ZfW 1996.350; Hofmann. Wistra 1997,90; Hopf, IUR 1990,64; Horn, NJW 1981. I; Kessal. S. 110 f.; Kloepjer/Vierhaus, Rd.-Nr. 26 ff.; Kühl, Lackner-FS S. 816; Kunert, S. 132; Rolf Keller. FS-Rebmann, S. 246;



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1. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

er nämlich offenbar vornehmlich deshalb als Begriff weithin außer Frage, weil sich in seiner unbestimmten Fassung alle derzeit vertretenen Spielarten einer strafrechtlichen Rücksichtnahme auf verwaltungsrechtliche Vorgaben problemlos wiederfinden können. Akzessorietät wird allgemein als die Abhängigkeit oder Aniehnung40 einer Bewertung von einer logisch vorrangigen und deshalb übergeordneten anderen Bewertung begriffen, hier als Abhängigkeit eines Nebenrechts von dem zugehörigen Hauptrecht. 41 Weil eine Abhängigkeit jedoch limitiert sein kann, Ausnahmen nicht von vorneherein ausschließt und zudem, soweit ihr Geltungsanspruch nicht sachlich überzeugend gerechtfertigt ist, auch mit Fug und Recht geleugnet werden kann, sind inhaltliche Konturen aus dem Begriff so nicht zu gewinnen. Die Spannbreite der Auffassungen zum Verständnis der Verwaltungsakzessorietät muß von daher nicht verwundern. Sie beginnt bei den Modellen einer strengen Akzessorietät, welche strafrechtliche Folgen nur an wirksame, vollziehbare verwaltungsrechtliche Ge- und Verbote bzw. deren Fehlen knüpfen. 42 Sie setzt sich fort mit den - im Augenblick wohl vorherrschenden - relativierenden Akzessorietätsformen, die sich zwar im Grundsatz nur an wirksamen verwaltungsrechtlichen Vorgaben orientieren, jedoch vermeintlich unbillige Resultate durch Korrekturen im Namen des Rechtsgüterschutzes auffangen wollen, etwa indem sie Fälle des Rechtsrnißbrauchs auch dann sanktionieren, wenn das Handeln des Täters streng formal gesehen verwaltungsrechtlich noch nicht illegal ist. 43 Das andere Extrem markieren die sogenannten Modelle des materiellen Durchgriffs, die in mehr oder minder radikaler Weise die Vorgaben des formellen Verwaltungsrechts ignorieren und daKnopp. BB 1994,2220; Kuhlen. ZStW 105,697; Lenckner. FS-Pfeiffer, S. 27; Möhrenschlager. NStZ 1994, 513, 514; OssenbühllHuschens, UPR 1991, 163 f .. 166 f.; Duo. Jura 1995, 138; Paetzold. NStZ 1996, 172; Perschke. Wistra 1996, 161; Rogall. NJW 1995,922; von Rohr. S. 147 ff.; Scheele. S. 19 ff., 22 ff.; Schmitz. S. 5 ff.; Schöndorf, NJ 1991 , 529; Wessei, S. 39 f.; Winkelbauer. Verwaltungsakzessorietät. S. 11 ff.; Wüterich. UPR 1988, 251 ; Entwurf des 2.UKG. BT-Drucksache 12/192, S. 11; E-2.UKG SPD, BT-Drucksache 12/376, S. 9 f. Außerhalb des Umweltstrafrechts verwenden den Begriff etwa Backes IRansiek. JuS 1989, 629 (§ 113 StGB); Burgi. JA 1990.277 ff. (§ 132a StGB); Hundt. S. 19 ff.; Weichert. StV 1989,459 (§ 240 StGB). 40 So die Definition bei Creifelds in dessen Rechtswörterbuch zum Stichwort ,.Akzessorietät". 41 Rogall. GA 1995, 300. 42 Z. B. Breuer. NJW 1988,2076 f.; JZ 1994, 1083 ff.; Dolde. NJW 1988,2333 f.; Hundt. passim, insbesondere S. 169 ff.; Kuhlen. ZStW \05,706 ff.; Papier. NuR 1986,3; NJW 1988, 1115; von Rohr. S. 150 ff.; 234 f.; Wimmer. JZ 1993,67 ff. 43 Vgl. dazu a\1gemein Heine. NJW 1990.2427; ders .. ÖJZ 1991.372 ff.; ferner Dölling. JZ 1985,461 ff.; Trondle. Rd.-Nr. 4b f. vor § 324 StGB; LK-Steindorf, Rd.-Nr. 92 zu § 324 StGB; SchönkeISchröder-Cramer. Rd.-Nr. 16 f. vor § 324 StGB; Sack. Umweltschutz-Strafrecht, Rd.-Nr. 62a zu § 324 StGB; Bergmann. S. \08 ff.; Bloy. ZStW 100, 503 f .• ders .• JuS 1997,585 f.; Breuer. NJW 1988,2080; Dölling. JZ 1985,469; Ensenbach. S. 157 ff.; Rainer Frank. S. 33 ff.; Horn. NJW 1981.3; Rainer Keller. S. 388 f.; KloepferlVierhaus. Rd.-Nr. 33; Lenckner. FS-Pfeiffer, S. 35 ff.; Paeffgen. FS-Stree 1WesseIs, S. 608 f.; Rudolphi. ZfW 1982. 202 f.; Schuck. MDR 1986,812; Schünemann. Wistra 1986.239; TiedemannlKindhäuser. NStZ 1988, 343 f.

111. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten

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nach fragen, ob das Handeln nach dem materiellen Verwaltungsrecht eigentlich hätte legalisiert werden dürfen. 44 Das Bedürfnis nach begrifflicher Differenzierung hat daneben die Begriffe der Verwaltungsaktsakzessorietät und der Verwaltungsrechtsakzessorietät hervorgebracht. 45 Auch sie werden aber keineswegs einheitlich verwandt. Zwar soll die Verwaltungsaktsakzessorietät vornehmlich die Abhängigkeit vom einzelfallbezogenen Verwaltungshandeln meinen,46 während die Verwaltungsrechtsakzessorietät den Blick mehr auf allgemeine materiellrechtliche Bezugspunkte lenkt. 47 Einerseits werden beide Begriffe aber auch bei der Klassifizierung von Straftatbeständen benutzt, die entweder allgemein auf verwaltungsrechtliche Vorgaben blicken und dann verwaltungsrechtsakzessorisch genannt werden (z. B. § 324 StGB) oder aber einen Verwaltungsakt als Voraussetzung der Anwendbarkeit fordern und damit verwaltungsaktsakzessorisch heißen (z. B., jedenfalls in Teilbereichen, die §§ 324a, 325 StGB).48 Andererseits wird Verwaltungsrechtsakzessorietät auch im Sinne einer Akzessorietät der Strafbarkeit von der konkreten verwaltungsrechtlichen Situation 49 oder umgekehrt unter Verzicht auf jeden begrifflichen Fortschritt als bloßes 44 Dazu zählen etwa Bartholme. S. 218 ff.; Geulen. ZRP 1988, 325; Hansmann. NVwZ 1989,917; Perschke. Wistra 1996, 164 ff.; Schmitz. Verwaltungshandeln und Strafrecht, passim; Schwarz. GA 1993,321 ff.; Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, passim; FaurelOudijk. JZ 1994,87 ff., 91, unter Hinweis auf entsprechende Regelungen in Belgien sowie den Niederlanden; ferner wohl auch Schall. Wistra 1992,5; Baumann/Weber/Mitsch. Strafrecht AT, § 17, Rd.-Nr. 129; SK-StGB-Horn, Rd.-Nr. 17 ff. vor § 324 StGB. 4S Darüberhinaus sprechen Kloepfer/Vierhaus. Rd.-Nr. 26 f., auch noch - mit Blick auf § 330d Nr. 4e StGB - von einer Verwaltungsvertragsakzessorietät und im Hinblick auf § 330d Nr. 4b StGB gar von einer Verwaltungsjudikatsakzessorietät. Rogall. GA 1995, 304 ff., wiederum hat die Begriffe der formellen Akzessorietät (im Wege der Verweisung auf materielle Umweltbestimmungen), der materiellen Akzessorietät (inhaltliche Bindung an Vorgaben des Umweltrechts) sowie der verfahrensrechtlichen Akzessorietät (Bindung an Entscheidungen und Rechtsansichten von Behörden und Verwaltungsgerichten) geprägt. Heine. NJW 1998, 3666, schließlich entdeckt bei § 326 StGB eine funktionale Akzessorietät. Der Sinn all dieser Begriffsschöpfungen bleibt indes im Dunkeln. 46 Bergmann. S. 34 ff.; Bloy. JuS 1997,585; Breuer, JZ 1994,1084; Fischer/Leirer, ZfW 1996, 350 f.; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 11; Hundt. S. 20; Rolf Keller, FS-Rebmann, S. 246 f.; Kloepfer/Vierhaus. Rd.-Nr. 26; Pfohl in: Müller-Gugenberger, § 44, Rd.-Nr. 77; Ossenbühl. DVBI. 1990, 972 f.; OssenbühllHuschens. UPR 1991, 163; Perschke. Wistra 1996, 162; Rogall. GA 1995,303; Samson. JZ 1988,801; Schall. Wistra 1992,5; Schwarz. GA 1993,320; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 202 zu Art. 10311 GG. 47 V gl. Bergmann. S. 21 ff.; Bloy, JuS 1997, 584 f.; Breuer, DÖV 1987, 179; Fischer/ Leirer, ZfW 1996, 351; Franzheim. JR 1988, 319; Geulen. ZRP 1988, 324 f.; Heine / Meinberg. GA 1990, 15; Hundt. S. 20; Kuhlen. WiVerw 1992, 217; Ossenbühl. DVBI. 1990, 972; Perschke. Wistra 1996, 162; Rogall. FS-Uni Köln, S. 522; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 202 zu Art. 103 11 GG; Pfohl in: Müller-Gugenberger, § 44 Rd.-Nr. 77; Rogall. GA 1995, 302 f.; Schall. Wistra 1992, 4; Kuhlen verwendet sehr viel anschaulicher hier den Begriff der Verwaltungsnormakzessorietät, vgl. ZStW 105, 706. 48 So verstehe ich etwa den Sprachgebrauch von Breuer, JZ 1994, 1084; Franzheim. JR 1988,319; Hansmann. NVwZ 1989,917 f.; Schall. NJW 1990, 1265 f.; Winkelbauer, NStZ 1986,149 f.

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I. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

Synonym für Verwaltungs akzessorietät verwandt. 50 Auf Grund dieses verallgemeinemden' uneinheitlichen und verwirrenden Sprachgebrauchs 51 sind alle genannten Akzessorietätsbegriffe weitgehend zu Schlagworten verkommen und als Grundlage einer inhaltlichen Diskussion jedenfalls kaum noch brauchbar; sie sollen daher in der Folge dieser Untersuchung auch keinen Gebrauch mehr finden. In Erkenntnis dieser Belastungen der bisher verwandten Terminologie ist neuerdings von Seiten der Verwaltungsrechtslehre - bislang allerdings noch ohne größere Resonanz - vorgeschlagen wordep, den Begriff der Verwaltungsakzessorietät durch einen solchen der "verwaltungsrechtlichen Vorgaben" zu ersetzen. 52 Die löbliche Intention dessen ist, das Verhältnis der beteiligten Gebiete der Rechtswissenschaften zu entspannen und eine kooperative Problembewältigung zu ermöglichen. 53 Indes bleibt der Begriff in Aussage und Gehalt vage,54 weshalb er der Versachlichung dienen mag, inhaltlich aber nur insoweit weiterhilft, als er den von der Akzessorietät vermittelten Anspruch einer (möglicherweise absoluten) Abhängigkeit deutlich zurücknimmt.

2. Die Akzessorietät als denkbare Grundstruktur des gesamten Strafrechts

Ist er demnach als Mittel zu Verständnis oder Erklärung weitgehend unbrauchbar, so weist der Begriff der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts gleichwohl, wenn auch nur mittelbar, auf einen methodischen Weg hin, die Konflikte zwischen Verwaltungsrecht und dieses anwendendem Strafrecht aufzuarbeiten. Zu diesem Zweck ist es allerdings notwendig, sich auf eine mittlerweile schon historische (und auch nicht unvermittelt zu instrumentalisierende) strafrechtliche Lehre zu besinnen, in welcher der Begriff der Akzessorietät erstmals auftaucht, dieser aber als ein grundlegender Zug des gesamten Strafrechts verstanden wird. Die These von der Akzessorietät des (gesamten) Strafrechts 55 oder in neuerer Terminologie vom 49 Vgl. Dolde, NJW 1988, 2329 ff.; Horn, UPR 1983, 365; Schünemann, Wistra 1986, 239. Otto, Jura 1991,310 ff., verwendet hier völlig ungebräuchlich gar den Terminus der Verwaltungsakzessorietät, während er alle anderen Akzessorietätsformen unter der Bezeichnung der Verwaltungsrechtsakzessorietät erfaßt. ~ Vgl. Odersky, FS-Tröndle, S. 292. Gelegentlich findet sich sogar innerhalb einzelner Publikationen ein divergierender Wortgebrauch, so bei Breuer. JZ 1994, 1084, der Delikte, bei denen die Strafbarkeit vom Fehlen einer Genehmigung abhängt, offenbar sowohl in die Kategorie der verwaltungsrechts- als auch der verwaltungsaktsakzessorischen Gesetze einordnet. 52 Vgl. Meinhard Schröder. VVDStRL 50,201 ff.; }arass, VVDStRL 50, 239 ff. ; Ossenbühl, DVBI. 1990, 963 ff. '3 Schmidl-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 203 zu Art. 103 II GG. 54 Was ihn vielleicht gerade deshalb akzeptabel macht. 55 Neuerdings findet sich diese Formulierung u. a. wieder bei Winkelbauer. NStZ 1986, 149; Günther. Strafrechtswidrigkeit, S. 155 f.; 1iedemann, Umweltstrafrecht, S. 9.

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111. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten

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sekundären Charakter des Strafrechts56 geht ursprünglich auf Erwähnungen bei Binding zurück, der im Rahmen der Erläuterung und Begründung seiner Normentheorie Strafrechtssätze als grundsätzlich akzessorisch bezeichnet und dem Strafrecht (nur) eine akzessorische Stellung zugebilligt hatte. 57 Die Idee, daß Strafrecht nicht nur allgemein, vielmehr auch jeder einzelne Straftatbestand nicht aus sich selbst heraus existiert, sondern einer unmittelbaren Verankerung in Regelungen außerhalb des eigentlichen positivrechtlichen Straftatbestandes bedarf, beruht ursprünglich auf einem schlichten Wortlautargument. Konkrete Handlungspflichten, deren Übertretung zur Strafe führt, lassen sich dem Strafgesetz nach Binding nämlich gar nicht entnehmen. Vielmehr erfüllt der Verbrecher gerade das Strafgesetz in dem Augenblick, in dem er die Tat begeht, er übertritt es aber nicht. 58 Wenn also § 212 StGB lautet "Wer einen Menschen tötet . .. wird ... bestraft", so handelt der Totschläger gerade in Einklang mit dieser Regelung, weil er die Bedingung ihrer Anwendbarkeit erbringt. Die Verhaltensrichtlinie, die der Totschläger mißachtet, lautet dagegen "Du sollst nicht töten"; sie ist aber eben nicht mit der Formulierung in § 212 StGB identisch, sondern muß anderswo gesucht werden.

Bindings Argumentation, der Wortlaut der Strafdrohung enthalte kein explizit formuliertes Verbot, ist zwar schon von seinen Zeitgenossen mit Recht als letztlich formalistisch abgetan worden. 59 So ist ihm vorgeworfen worden zu übersehen, daß es für den Bürger keinen Unterschied mache, ob ein Gesetz ,,Du sollst (nicht) ... " oder "Wer (nicht) handelt, wird bestraft" formuliere. 60 Mit dieser Kritik wird aber die Idee der Normentheorie, es gebe vor der Strafdrohung eine logisch vorangehende Verhaltensregel, keineswegs geleugnet sondern vielmehr im Prinzip sogar belegt, indem das Verbot als in der Strafdrohung implizit enthalten und somit gerade als existent bezeichnet wird. Die VerhaItensrichtlinien, die der Täter mißachtet und die Binding ,,Normen" nennt,61 finden sich nämlich, worauf bereits Binding hingewiesen hat, selbst außerhalb des Strafgesetzes nur teilweise im geschriebenen Recht, oftmals aber - z. B. hinsichtlich des genannten Tötungsverbots - fehlt eine gesonderte Kodifikation. In diesem Fall soll die Norm durch Rückbildung aus den Merkmalen des gesetzlichen Tatbestandes gewonnen werden,62 womit methodisch 56 So etwa bei Freund, Erfolgsdelikt, S. 28 ff., 51 ff.; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 112 ff.; ders., Verwaltungsakzessorietät, S. 7 ff.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 154 ff.; Rainer Keller, S. 388; Schwarz, GA 1993,319. S7 Binding, Normen I, S. 73, 166. S8 Binding, Normen I, S. 4, vgl. auch S. 36 ff., 42 ff. Der gleiche Gedanke findet sich neuerdings wieder bei Calliess, S. 97 f., und bei Schmidhiiuser, JZ 1989,423. S9 Vgl. die Kritiken bei Frank, Strafgesetzbuch, S. I f.; Kelsen, Hauptprobleme, S. 271 ff.; v. Liszt, Lehrbuch, S. 6 Fn. 3; v. Hippel, Deutsches Strafrecht Bd. I, S. 17 ff.; Wach, GS 25, 432,437 f . 60 Vgl. Kelsen, Hauptprob\eme, S. 275. 61 Binding, Normen I, S. 7, 45. 62 Vgl. Binding, Normen I, S. 45 ff.; ebenso Bierling, Prinzipienlehre, S. 135.

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1. Kapitel: Einführung, Strukturen und Begrifflichkeiten

dann genau das geschieht, was auch die Kritik fordert. 63 Die Besonderheit von Bindings Normentheorie besteht allerdings darin, eine rechtliche Selbständigkeit der Norm zu behaupten und deren Statuierung und Auslegung damit nicht in jedem Fall der strafrechtlichen Definitionsmacht vorzubehalten. In ähnlicher Weise unterscheidet Bierling primäre und sekundäre Normen. 64 Die primären Normen ordnen unmittelbar das Gemeinschaftsleben, während die sekundären Normen, zu denen auch die Strafbestimmungen zählen, im Falle des Versagens der primären Norm die Reaktion hierauf (Gegenmaßnahmen, Notwehr), die Verarbeitung der Folgen (Schadensbeseitigung) und ihre künftige Befolgung (Sanktionierung) zum Gegenstand haben. 65 Wenn die unmittelbare Wirkung des Strafrechtssatzes jedoch tatsächlich nicht darin bestünde, ein Verbot zu umschreiben, sondern sich darauf reduzierte, die Folgen einer Verbotsmißachtung zu statuieren, so hätte dies in der Tat eine erhebliche Bedeutung für die Anwendung des Straftatbestandes auf den Täter. Weil die diesem vorwerfbare Pflichtenverletzung sich nicht gegen den Strafrechtssatz, sondern gegen eine andere Regelung, nämlich die Norm,66 richtet, dann hätte dies zur Folge, daß die Normverletzung ihrerseits Voraussetzung für die Strafbarkeit wäre. Wenn aber wiederum die Norm möglicherweise gar nicht (und sei es nur herausinterpretierter) Inhalt des Strafrechtssatzes, sondern im Verwaltungsrecht und damit einem anderen Rechtsgebiet mit seinen besonderen Eigentümlichkeiten zu finden wäre, müßte die verwaltungsrechtliche Pflichtwidrigkeit ihrerseits Voraussetzung der Strafbarkeit sein. Es mag mit Blick auf diese weitreichenden Konsequenzen lohnen, die Normentheorie, die bis auf den heutigen Tag Auswirkungen auf die strafrechtliche Diskussion und Dogmatik behalten hat,67 einer näheren Betrachtung

63 Vgl. Wach. GS 25, 444; Frank. Strafgesetzbuch, S. I f.; v. Hippel. Strafrecht I, S. 20; Merkei. Die Lehre vom Verbrechen. S. 11; v. Liszt. Lehrbuch, S. 88; v. Weinrich. ZStW 17, 789 f. 64 Bierling. Prinzipienlehre, S. 133; ebenso Amelung. NJW 1977,834; Bierling definiert darüberhinaus tertiäre Normen, die sich zu den sekundären Normen verhalten wie diese zu den primären (Prinzipienlehre), S. 135; die tertiären Normen sind hier indes nicht von weiterführendem Interesse. 6S Vgl. Bierling. Prinzipienlehre, S. 133 ff. 66 Im Folgenden werde ich insoweit im Grundsatz der Terminologie Bindings und Armin Kaufmanns folgen und Norm nicht im Sinne al1gemeiner Rechtstheorie als Oberbegriff rechtlicher Regelungen verstehen, sondern als deskriptive, positivrechtlich oder auch ungeschriebene Verhaltensnorm, die einen bestimmten Befehl an einen al1gemeinen oder eingeschränkend bestimmten Adressatenkreis enthält, darüber hinaus aber auch eine Bewertung enthält (Bewertungsnorm). Die gebräuchlichere Definition, jeder Rechtssatz sei Norm (vgl. z. B. Affolter. AöR 23, 362) hat demgegenüber den Nachteil, den Begriff der Norm nur als weiteren Oberbegriff ohne eigenständigen Informationsgehalt zu verwenden und erfüllt nicht das spezifische Bedürfnis, diejenigen Rechtssätze zu umgrenzen, die unmittelbare Verhaltenserwartungen und Befehle an den Adressaten richten. 67 Vgl. zuletzt die Habilitationsschrift von Hoyer. Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann, Berlin 1997.

III. Grundbegriffe und Ansatzmöglichkeiten

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zu unterziehen und den Versuch zu unternehmen, sie für das Verständnis zunächst derjenigen Delikte mit Bezügen zum Verwaltungsrecht fruchtbar zu machen, die unabhängig von behördlichen Einzelmaßnahmen Verhalten strafrechtlich sanktionieren.

2. Kapitel

Die Dogmatik der Delikte mit einer von behördlichen Einzelakten unabhängigen Handlungsumschreibung I. Die Normentheorie Bindings als Instrument zum Verständnis strafrechtlicher Tatbestände Auf Grund des beschriebenen Erkenntnisinteresses, die Beziehungen zwischen Straftatbeständen und verwaltungsrechtlichen Regularien derselben Materie aufzuhellen, erscheint es an dieser Stelle unnötig, Bindings Normentheorie und die umfangreiche zeitgenössische Kritik I an ihr vollständig darzustellen, zumal etliche Folgerungen Bindings2 mittlerweile als überholt gelten müssen. Für diese Untersuchung bedeutsam und deswegen im folgenden näher darzulegen sind hingegen vor allem die Grundannahme einer Existenz von Normen, ihre Gestalt und ihre rechtliche Selbständigkeit. 1. Die Existenz von (Verhaltens-)Normen als Grundlage strafrechtlicher Zurechnung

Für Binding ist die Existenz der (Verhaltens-)Normen, ausgehend von seinem erwähnten Wortlautargument, eine logische Notwendigkeit. 3 Unter dieser - materiell nicht weiter belegten - Prämisse erschöpfen sich seine Versuche, einen darüberhinausgehenden Beweis für das tatsächliche Vorkommen von Normen zu finden, weitgehend in der Auseinandersetzung mit den seiner Theorie entgegenstehenden zeitgenössischen Auffassungen zu Inhalt und Struktur der Strafgesetze, während 1 Als Befürworter galten seinerzeit u. a. Beling. Die Lehre vom Verbrechen. S. 115 ff.; von der Idee der Norm her auch Annin Kaufmann. Normentheorie. Differenzierende Aussagen finden sich bei Affolter, AöR 23, 361 ff.; Frank. Strafgesetzbuch, S. I f.; Max Ernst Mayer, Rechtsnormen und Kulturnormen, insbesondere S. 130 ff.; v. Weinrich. ZStW 17, 779 ff. Kritisch äußerten sich u. a. v. Hippel. Strafrecht I. S. 17 ff.; v. Liszt. Lehrbuch, S. 5, 88; ders., ZStW 6, 663 ff.; Merkei. Lehre vom Verbrechen, S. 10 f.; ders., ZStW 6, 496 ff.; Wach. GS 25,432,437 ff.; Zucker, ZStW 9, 270 ff. 2 Insbesondere der Vorsatztheorie, die "am eindrucksvollsten von Binding begründet worden ist" (Roxin. Strafrecht AT I, § 21, Rd.-Nr. 6), ist durch die Entwicklungen in Lehre und Gesetzgebung längst der Boden entzogen worden. 3 Vgl. Armin Kaufmann. Normentheorie, S. 3.

I. Bindings Nonnentheorie

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der Versuch eines positiven Nachweises einen vergleichsweise geringen Raum einnimmt. Aufbauend auf der Verneinung eines den Strafgesetzen innewohnenden unmittelbaren Imperativs sowohl für Bürger als auch Justiz4 argumentiert Binding auf drei verschiedenen Begründungsebenen. Zum ersten widerlegt er alle Möglichkeiten, eine Verhaltensnorm aus dem Strafgesetz auf andere Weise als durch Umformung des ersten Teils der Strafgesetze, also der tatbestandlichen Umschreibung der Handlung, in ein entsprechendes Verbot abzuleiten. 5 Damit indes ist noch kein Existenznachweis geführt, sondern lediglich eine, und sei es vielleicht auch die einzige, Möglichkeit aufgezeigt, die postulierte Norm darzustellen. Zum zweiten stellt Binding auf die Notwendigkeit für den Gesetzgeber ab, Pflichten der Bürger zu statuieren. Aus diesem Bedürfnis "ergibt sich Form und Inhalt der Norm .... Ihre Form ist die des Befehls, ihr Inhalt Verbot oder Gebot der Handlung, welche geschehen oder unterbleiben soll.,,6 Die aus dem Strafgesetz abgeleiteten Normen entsprechen daher gesetzgeberischen Bedürfnissen, was diese Ableitung immerhin plausibel macht. Zum dritten 7 schließt Binding aus zeitgenössischen wie historischen Beispielen eigenständiger Normen auf die Rückführbarkeit jeden Strafgesetzes auf eine Norm.s So gibt es (heute wie damals) einerseits zahlreiche (Verhaltens-)Normen des geschriebenen Rechts ohne Strafbewehrung. 9 Andererseits steIlen Strafgesetze vielfach ein Verhalten unter Strafe, das außerhalb des Straftatbestandes einem eigenständigen Verbot unterliegt. 10 Dazu zählen Blankette, die etwa die Übertretung von Verordnungen oder obrigkeitliche Anordnungen sanktionieren, ferner Delikte, die ein Verhalten ohne Erlaubnis bestrafen wollen. Die Abhängigkeit von einer behördlichen Erlaubnis, welche die verbotene Handlung zu einer erlaubten macht, "hat also das Verbot selbst und den Bestand einer obrigkeitlichen Dispensationsgewalt zur Voraussetzung." Nun sei es nicht Aufgabe des Strafgesetzes, die Amtsgewalt der Verwaltungsbehörden zu umgrenzen. "Verbot und Dispensationsgewalt bestehen also außerhalb . ,. als notwendige Voraussetzung des auf beide Rücksicht nehmenden Strafgesetzes.,,11 Aus diesen Befunden schließt Binding: "Wenn also eine große Zahl von Strafgesetzen keinen Zweifel darüber läßt, daß sie selbst ihren Tatbestand als Übertretung eines außer ihnen stehenden Verbotes oder Gebotes betrachten, wenn ferner die Strafgesetze, welche dies nicht ausdrücklich anerkennen, gen au gerade so gebaut sind wie die übrigen, die dies tun, BinJing, Nonnen I, S. 7 ff. BinJing, Nonnen I, S. 37 ff., 42 ff. 6 BinJing, Nonnen I, S. 51. 7 Annin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 4, 6 f., trennt zwar die rechtsgeschichtliche von der induktiven Betrachtung und gelangt so zu vier Begründungsmustern. Allerdings vereinen sich heide Abschnitte in dem Argument, daß (historische wie zeitgenössische) Nonnen außerhalb der Strafgesetze gefunden werden können. K BinJing, Nonnen I, S. 65 ff., 135 ff. 9 BinJing, Nonnen I, S. 65 f. 10 Binding, Nonnen I, S. 68 ff. Ii Binding, Nonnen I, S. 70. 4

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

so wird der Schluß unausweichlich, daß alle Strafgesetze das Delikt als Übertretung einer außer ihnen liegenden Norm anerkennen.,,12 Letztlich ist jedoch auch diese Gedankenführung logisch nicht zwingend: Wenn ein Teil der Strafgesetze auf außerstrafrechtliche Normen des geschriebenen Rechts rekurriert, so sagt das wenig über die notwendige Struktur derjenigen Strafgesetze aus, bei denen eine entsprechende Norm im positiven Recht fehlt. Eine Struktur, die als Phänomen teilweise vorhanden ist, muß nicht schon wegen ihrer partiellen Existenz verallgemeinerungsfähig sein. Gleichwohl geht Binding noch einen Schritt weiter, indem er die rechtliche Selbständigkeit der Normen des geschriebenen Rechts auch für ungeschriebene Normen reklamiert: "Ist aber die Norm überhaupt ein durch seinen Zweck selbständiger Rechtssatz, so bleibt sie es auch dann, wenn ihr Dasein nur aus der sanctio für ihre Übertretung zu schließen iSt.,,13 Somit ist Bindings Theorie zwar in sich schlüssig aufgebaut, fußt aber auf einem argumentativ noch unzureichenden Fundament. Wie Armin Kaufmann aufgezeigt hat,14 ist die Existenz von Normen allerdings eine Konsequenz von Recht überhaupt. Recht ist und gilt; eine unbestreitbare Aussage. Recht wird ausgesprochen und gedacht in Rechtssätzen, die zum Teil Pflichten einzelner beglünden. Die Verbindlichkeit dieser Rechtssätze schließlich bezieht sich stets auf ein Subjekt, das zu einem etwas verpflichtet ist und dieses "soll". Genau diese verpflichtenden Rechtssätze, diese "Sollurteile,d5 sind es aber, die Binding Normen nennt. 16 Normen in diesem Sinne sind somit denknotwendige Erscheinungsformen des Rechts überhaupt. 17 Was bis hierhin allerdings immer noch fehlt, ist die notwendige innere Verknüpfung von Straftatbestand und entsprechender Norm. Fest steht, daß das Strafgesetz für die Strafverfolgungsorgane unabdingbare Voraussetzung eines Einschreitens ist (nullum crimen, nulla poena sine lege). Freilich erklärt es sich keineswegs all eine daraus und darf deshalb auch nicht als bloße Ermächtigungsnorm verstanden werden. Denn wenn damit zwar klar wäre, daß und was bestraft werden könnte, so fehlte es doch an einer rechts logischen Verbindung zwischen dem durch die Strafermächtigung bezweckten Rechtsgüterschutz und dem Schuldvorwurf. Es kann - jedenfalls solange man arn Schuldstrafrecht festhält - nicht alleiniger Grund der Bestrafung sein, daß ein Erfolg, eine Rechtsgutsverletzung eingetreten iSt. 18 Denn solange das Strafrecht eine Regelungsfunktion haben Binding, Nonnen I, S. 70. Binding, Nonnen I, S. 86. 14 Vgl. Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 46 ff. IS Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 49. 16 Zur Kritik an der Pflicht als Konsequenz der Norm und als Voraussetzung strafrechtlicher Anknüpfung vgl. Hoyer. Strafrechtsdogmatik, S. 44 ff.; dazu im einzelnen sogleich in diesem Kapitel. 17 Ebenso bereits Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 115; zu den letztlich stets inkonsequenten Einwänden gegen dieses Ergebnis vgl. die Auseinandersetzung bei Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 52 ff., 64; ferner Hilde Kaufmann, S. 99. 12

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und auch präventiv wirken, also Rechtsgutsbeeinträchtigungen vermeiden will, impliziert dies die Aufstellung von Bewertungsurteilen, was sein soll und was nicht sein soll. 19 Diese Sollurteile wiederum können nur als Ge- und Verbote verstanden werden,2o also als Festlegungen dessen, was der Bürger tun oder lassen soll, andernfalls er bestraft wird. Neben die Bewertungsfunktion des Strafgesetzes tritt demnach ergänzend seine Bestimmungsfunktion. 21 Der Anknüpfungspunkt für Geund Verbote wiederum vermag nicht die Rechtsgutsbeeinträchtigung als Zustand zu sein, sondern nur die finale Handlung, die das Rechtsgut beeinträchtigt oder dazu wenigstens geeignet erscheint. Man kann logischerweise nicht den Erfolg an sich verbieten, sondern nur die ihn verursachende finale Handlung,22 wenngleich letztlich allein der Unwert des Erfolges die auf ihn gerichtete Handlung als unwert konstituiert und damit ihr Verbot rechtfertigt. 23 Aus diesem Grund ist es auch Jakobs nicht gelungen, die von ihm vorgenommene Beschränkung des Norminhaltes auf die Feststellung des Richtigen,24 also die Bewertungsfunktion,25 logisch konsequent durchzuhalten. Denn die Bewertung eines Verhaltens impliziert die Bestimmung. Was die Rechtsordnung als falsch kennzeichnet, das ist schon wegen des umfassenden Geltungsanspruchs des Rechts zu vermeiden. 26 Wie diese Vermeidung zu erfolgen hat, vermag die Bewertung als solche für sich genommen gar nicht präzise zu sagen, weil aus einer Bewertungsnorm ganz verschiedene Bestim18 Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 1911, Rd.-Nr. 27; vgl. auch Zielinski, Handlungsunwert, S. 127,204 ff.; Freund, Erfolgsdelikt, S. 122 ff. 19 So schon Mezger, GS 89, 240 f., der aBerdings zu weitgehend hier den Schwerpunkt der Normwirkung sehen will. 20 Vgl. Zielinski, Handlungsunwert, S. 121, 127; ebenso Kratzseh, GA 1989,57 f.; Rudolphi, Zweck staatlichen Strafens, S. 71. 21 Wobei es an dieser SteBe nicht darauf ankommt, die Bestimmungsfunktion als schlichte konditionale Verhaltenssteuerung oder im Sinne eines kommunikativen und reflexiven Verständnisses als Regelungsstruktur zu begreifen, vgl. dazu Calliess, S. 17 ff., 20. Im Kern bedeutet auch letzteres die Erwartung, daß der Normadressat sein Verhalten an der Norm ausrichtet. 22 J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 51 ff., der zwar im Grundsatz Bindings Normenlehre folgt, will sogar noch weitergehend ein nicht einmal willkürliches Verhalten als normwidrig anerkennen, vgl. dazu näher unten bei 11.1. 23 Vgl. Zielinski, Handlungsunwert, S. 128 ff., 143; Mir Puig, ZStW 104,763 f. 24 Jakobs, Studien, S. 3 ff. Ähnlich hatte bereits Mezger, GS 89, 240 ff., 249, versucht, Unrecht aBein objektiv auf der Basis des objektiven Verstoßes gegen die Bewertungsnorm zu definieren. 2~ Vgl. zur Terminologie von Bewertungs- und Bestimmungsfunktion der Norm Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 69 ff., vor aBem S. 75 f.; und Mezger, GS 89, 240 f. 26 Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 179 f., bestreitet dies zwar mit dem Hinweis darauf, daß rechtliche Bewertungen nicht zwangsläufig Handlungs- bzw. Unterlassenspflichten nach sich ziehen. Dies ist richtig, solange es nur um die Konstituierung bestimmter (Sach-)Werte (wie etwa dem von Amelung angeführten Beispiel eines Sees) geht. Daraus allein resultiert sicherlich noch keine Pflicht zu bestimmten, den See schützenden Maßnahmen durch den Bürger. Hier allerdings geht es um die Bewertung von menschlichem Verhalten, dessen Disqualifizierung in einer Bewertungsnorm des Rechts logisch notwendig sein Verbot nach sich ziehen muß.

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mungsnormen entwickelbar wären?7 Es geriete nämlich zu einfach, auf Grund der negativen Bewertung nur zu verlangen, daß es unterlassen werde, den als schädlich erkannten Erfolg (oder auch eine solchermaßen bewertete Handlung) herbeizuführen. Theoretisch wäre es daneben denkbar und infolgedessen unklar, ob dann nicht auch schon bloß gefährdendes Verhalten zu unterbleiben hätte. Schließlich wäre es zudem möglich, die Schädlichkeit durch Gegensteuerungsmaßnahmen zu kompensieren und dadurch der Negativbewertung ihre Grundlage zu entziehen. 28 Eine präzise Definition dessen, was von dem Normadressaten erwartet wird, steht damit aus und wird im Ergebnis jedem selber überlassen, was in letzter Konsequenz zu erheblichen Legitimationsproblemen unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitgebotes führen müßte. Die Bewertungsfunktion ist somit zwar notwendiger Normbestandteil 29 und als solcher ebenfalls zur - grundsätzlichen, unbestimmten - Vermeidemotivation geeignet,30 die Norm kann sich aber nicht auf diese Bewertung beschränken. Vielmehr ist die Motivation ihr hauptsächlicher Zweck und Inhalt. Sie wird vor allem deshalb konstituiert, um zu motivieren, und zwar in Richtung eines bestimmten Verhaltens oder Unterlassens. 31 Ohne dieses teleologische Moment bliebe sie diffuses, unverbindliches Werturteil. Recht jedoch ist stets verbindlich. Wenn also die Bestimmungsfunktion notwendiges Element der Norm ist, so ist diese vornehmlich ein Sollurteil und eben nicht nur die Behauptung der Richtig27 Schünemann, Systemdenken, S. 62; insoweit auch Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 180 f., der zutreffend darauf verweist, daß bis zur Formulierung einer konkreten Verbotsnorm weitere Bewertungsschritte, nunmehr bezogen auf Handlungsformen, vonnöten sind. Anders Langer; S. 314 f., der von einer weitgehenden Identität von Bewertungs- und Bestimmungsnorm ausgeht, damit aber deren grundlegend verschiedene Funktion verkennt. 28 So könnte beispielsweise ein Verletzungserfolg auch durch Handlung mit gleichzeitiger Schadensvorsorge vermieden werden. Beschränkt sich die Bewertung auf eine als generell gefährlich erkannte Handlung, etwa das Fahren ohne Fahrerlaubnis, könnte eine Bewertungsnorm alleine keine schlüssige Grundlage dafür liefern, warum dies auch in Notstandsfällen oder bei Anwesenheit eines Fahrlehrers gelten soll, für Handlungsformen also, bei welchen der Unwertgehalt deutlich relativiert ist. 29 Ob sie freilich unmittelbar benötigt wird, um die Erfolgszurechnung bei unwesentlicher Abweichung des Kausalverlaufs vom Vorsatz zu legitimieren, wie Schünemann meint (Systemdenken, S. 62 f.), erscheint mir hingegen fraglich. Sicherlich ist die Bewertung Grund der Bestimmung, die als erfolgsverursachend vorgestellte Handlung zu unterlassen, und hat insoweit ihre Funktion. Die Auflehnung gegen diese Bestimmung wiederum ist Grund der Strafe. Bei einer unerheblichen Abweichung des Kausalverlaufs wird der tatsächliche Ablauf als der vom Täter bezweckte zugerechnet, so daß es keiner gesonderten Bewertung des Erfolges bedarf, sondern die Einordnung der finalen Handlung als der Bestimmungsnorm zuwiderlaufend diese nach sich zieht. 30 Diese Eignung ist aber nach Jakobs, Studien, S. 7, offenbar die einzige handlungsorientierte Funktion der Norm. 31 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 76. Aus diesem Grund ist auch der "schlagende" Vergleich Jakobs schief, aus dem teleologischen Moment der Normsetzung folge ebensowenig eine Teleologie der Norm wie aus dem teleologischen Moment eines Hammerschlages ein solches für den Hammer resultiere (Studien, S. 8). Ein Hammer, mit dem nicht zugeschlagen werden soll, ist immer noch ein Hammer. Eine Norm, die nicht mehr befolgt werden soll, ist aber keine Norm mehr.

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keit bestimmten Verhaltens. Mithin ist in einem (mindestens auch) präventiven Strafrecht die Existenz eines Handlungsverbots, also einer Norm im Sinne Bindings, unverzichtbare Voraussetzung einer Poenalisierung. Damit wird freilich zugleich deutlich, daß das Werturteil denknotwendige Grundlage der Verhaltensnorm ist. Das Recht und vor allem das Strafrecht kann nur etwas verlangen, was es aus Erwägungen des Güterschutzes heraus für gut, richtig und wünschenswert erachtet. Umgekehrt kann nur bei Strafe verboten sein, was in so erheblichem Maße den güterorientierten Zielvorstellungen entgegenläuft, daß es als unwert einzustufen ist. Eine Verhaltensnorm impliziert von daher das Vorhandensein einer logisch vorgehenden Bewertungsnorm, die einen Zustand oder gar ein Verhalten als wert bzw. unwert einordnet. Eine Norm wird als Konsequenz dieser Erwägungen im Folgenden als Gesamtheit von Bewertungs- und Verhaltensnorm 32 verstanden, was bei Binding in dieser Form noch nicht deutlich geworden ist. Daß es überhaupt (Verhaltens-)Normen im Sinne Bindings gebe, wird vor allem von den Vertretern der sog. reinen Rechtslehre,33 allen voran ihr Begründer Kelsen, in Abrede genommen. Die Wirkung des Rechtssatzes beschränke sich juristisch darauf, die Bedingungen zu benennen, unter welchen menschliches Verhalten nach staatlichem Willen zu strafen sei. Er sei damit ein "hypothetisches Urteil": Wenn der Bürger dies (Handlung) tue, wolle der Staat so (Bestrafen) handeln. 34 Die Rechtsordnung herrsche und motiviere auf diese Weise zwar faktisch. Sie tue dies aber nicht in der Form eines Imperativs, der ein Über- und Unterordnungsverhältnis voraussetze, welches für das rechtliche Verhältnis des Staates zu den Bürgern als prinzipiell gleichgeordnete Rechtssubjekte nicht existiere. 35 Armin Kaufmann hat darauf hingewiesen, daß Kelsen damit in Wahrheit gar nicht die Norm leugne, sondern nur ihre Qualität als Rechtssatz. 36 Für Kelsen ist unabdingbare Voraussetzung einer Rechtsnorm, daß sie im Gegensatz zu einer Norm der Moral oder Sitte formell Strafe und Exekution beinhaltet. 37 Er räumt dabei durchaus ein, daß die staatliche Reaktion mindestens faktisch eine Verhaltensnorm erzeugt. 38 Die Tatsache einer ernsthaften Strafdrohung führt notwendig zu einer entsprechenden Unterlassensmotivation bei den potentiell ihr Unterworfenen und damit bei ihnen zu einer internen Uminterpretation des Rechtssatzes in einen Impera32 Dies bedeutet, wie noch zu zeigen sein wird, aber nicht zugleich die weitgehende Dekkungsgleichheit von Bewertungs- und Bestimmungsnonn, die etwa Langer; S. 314 f., annimmt, dabei aber übersieht, daß die Bewertungsnonn durchaus weiter reichen kann, als im Straftatbestand letztlich Verhalten sanktioniert wird. 33 Vgl. dazu das gleichnamige Werk Kelsens und die zusammenfassende Darstellung bei Larenz, Methodenlehre, S. 69 ff. 34 Kelsen, Hauptprobleme, S. 225 f., 228. 35 Kelsen, Hauptprobleme, S. 228, 233. 36 Annin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 43. 37 Kelsen, Hauptprobleme, S. 236, 286. 38 Vgl. Kelsen, Hauptprobleme, S. 225.

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tiv. Kelsen selbst hat dazu angemerkt, der Mensch sei zu einem·bestimmten Verhalten insoweit verpflichtet, als sein Gegenteil als Bedingung für einen als Unrechtsfolge qualifizierten Zwangsakt gesetzt sei. 39 Dies bedeutet, daß nach Kelsen die Zwangsfolge die Verhaltensnorm erzeugt, während die Normentheorie Bindings genau umgekehrt vorgehend die Strafe auf die Mißachtung einer Verhaltensnorm zurückführt.4o Eine bloß faktische Zwangswirkung vermag jedoch keine Pflichten, sondern nur ein gewaltförmiges Herrschaftsverhältnis zu erzeugen. Das Leugnen zum Recht gehöriger Verhaltensnormen führt mit dieser Argumentation dazu, die Rechtsordnung als eine simple Gewaltordnung zu verstehen, die sich allein auf Zwang und nicht auf dem Anspruch gründet, das Zusammenleben der Bürger über die Erfüllung demokratisch legitimierter Pflichten im Rahmen der verfassungsmäßigen Freiheiten zu regeln zu wollen. Ein derartiges Rechtsverständnis erscheint auf dem Boden des Grundgesetzes nicht mehr zeitgemäß.41 Im Ergebnis ähnlich hat unlängst Hoyer in seiner Auseinandersetzung mit Armin Kaufmanns Strafrechtsdogmatik42 die verhaltenssteuernde Wirkung strafrechtlicher Normen allein auf die Strafdrohung zurückgeführt. Obsolet sei dabei die Rechtspflicht als materialer Grund normkonformen Verhaltens, deren Mißachtung herkömmlich als Auslöser der Straffolge zu verstehen war. Vielmehr werde dem Täter gleichsam ein Geschäft vorgeschlagen, entweder unter Inkaufnahme der Straffolge zu handeln oder aber auf seine Handlung mit der Folge von Straflosigkeit zu verzichten. 43 Es bleibe ihm damit überlassen, sich frei zu entscheiden, wie er verfahren wolle. Die Sanktionsdrohung versuche zwar massiv, zu normgerechtem Verhalten zu motivieren;44 zur Normkonformität verpflichten wolle sie aber nicht. Hoyer rechtfertigt die Eliminierung der Pflicht in seiner "alethischen,,45 Strafrechtskonzeption46 letztlich mit ihrer dogmatischen Entbehrlichkeit. Die Pflicht sei nicht dazu erforderlich, Strafrechtsnormen etwa von auch verhaltenslenkenden Abgabenvorschriften abzuheben 47 oder qua Wertbildung weitergehenden Rechtsgüterschutz zu gewährleisten;48 eine unersetzliche Funktion innerhalb der Kelsen. Reine Rechtslehre, S. 34 f .• 51 f. Vgl. Armin Kaufmann. Normentheorie, S. 53. 4\ Vgl. zur Kritik an Kelsen weiter Larenz. Methodenlehre, S. 69 ff., insbesondere S. 75 ff.; J. Vogel. Recht und Pflicht, S. 30. 42 Hoyer, Strafrechtsdogmatik nach Arrnin Kaufmann, 1997. 43 Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 265 f. 44 Vgl. Hoyer, Strafrechtsdogmatik. S. 46 ff. 45 Hoyer; Strafrechtsdogmatik, S. 48 und passim. 46 Hoyers Strafrechtsmodell weicht in großen Zügen vom herkömmlichen Strafrechtsverständnis ab. Angedeutet sei hier nur die Ersetzung der Schuld als Strafrechtskategorie durch die ..Strafzweckmäßigkeit" (Hoyer; Strafrechtsdogmatik, S. 96 ff., 119 f.) oder das Verständnis des Rechtsguts als Konsequenz und nicht als Voraussetzung der Strafrechtsnorm (a. a. 0 .. S. 176 f.). Alle seine Folgerungen beruhen letztlich aber auf der Eliminierung der Pflicht und sind von der Richtigkeit dieses Basisgedankens abhängig. 47 Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 63 ff., 68 f. 39

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Zurechnung komme ihr ebenso wenig ZU. 49 In der Tat ist die Pflicht, wie sie die Normentheorie versteht, sicherlich nicht notwendigerweise ein strafrechtliches Spezifikum, weil im Grunde nicht erklärbar wäre, warum Pflichten im Strafrecht vorhanden sein sollten, bei verhaltenslenkenden Verwaltungsakten oder Buß- oder Ordnungsgeldandrohungen hingegen nicht. Indes übersieht Hoyer die Folgen seines pflichtenlosen Strafrechtsmodells für den Rechtsgüterschutz nicht in ihrer gesamten Dimension. Es mutet nicht nur auf den ersten Blick absurd an, dem potentiellen Täter beispielsweise das Unterlassen der Totung menschlichen Lebens gleichsam als günstiges Geschäft vorzuschlagen, bei welchem er die Straffolge vermeiden kann, ihm dies aber nicht als unbedingte Pflicht aufzuerlegen. Der Verzicht auf unbedingte Verhaltenserwartungen reduziert vielmehr auch den ideellen Wert der zu schützenden Rechtsgüter und negiert damit den etwa den Gütern "Leben", "körperliche Unversehrtheit" und "Freiheit" in Art. 2 11 GG verfassungsrechtlich garantierten Stellenwert. Der Staat ist seinerseits verpflichtet, diese (und andere) Güter effektiv zu schützen. 50 Er würde diese Verpflichtung mißachten, degradierte er sie zu bloßen Tauschobjekten mit der grundsätzlichen Freiheit, sie zu bestimmten Preisen in Anspruch nehmen zu dürfen. Die Negierung der Pflicht ist nämlich gleichbedeutend mit der Erlaubnis, unter Bezahlung des Sanktionspreises agieren, im Extremfall also sogar töten zu dürfen. Ein solches, wenn auch nur bedingtes, Einverständnis in die Verletzung und gar Vernichtung von höchstrangigen Individualgütern erscheint mit dem Rechtsstaatsprinzip schlechterdings als unvereinbar. Bindings Entdeckung der Normen hat mithin eine unverzichtbare Grundlage der Strafrechtsdogmatik geschaffen. Die Existenz der VerhaItensnormen und ihre Mißachtung als Grund und Anlaß strafrechtlicher Sanktionierung wird deswegen im Prinzip heute als selbstverständliches Fundament strafrechtlicher Dogmatik betrachtet 51 und - sieht man von dem kürzlichen Ansatz Hoyers einmal ab - nicht mehr ernstlich in Frage gestellt. 52 Diese Einigkeit endet jedoch, sobald Detailfragen zur Normengestaltung dogmatisch relevant werden. Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 70 ff. Vgl. Hoyer, Strafrechtsdogmatik, passim, insbesondere die Zusammenfassung S. 387 ff. so Vgl. etwa BVerfGE 39,1,42 ff., 58; BVerfGE 88, 203, 251 f. (Fristenregelungsentscheidungen). In der letztgenannten Entscheidung ist - wenn auch recht apodiktisch - die Rede davon, daß die Festlegung von Handlungs- und Unterlassenspflichten durch den Staat das Instrument zur güterschützenden Verhaltensregulierung sei (a. a. 0 ., S. 252). 51 Vgl. aus neuerer Zeit Maurach/Zipf, § 19 Rd.-Nr. 26 ff.; Roxin. Strafrecht AT, § 10, Rd.-Nr. 93; Amelung. NJW 1977, 834; Freund. Erfolgsdelikt, S. 51 ff.; Gössel. FS-Bruns, S. 44 ff.; ders., FS-Oehler, S. 98 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 154 ff.; Hoerster, JZ 1989, 10 ff.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 29 ff.; ders., FS-Helmrich, S. 972 f.; lAnge, NJW 1988,785; Mir Puig. ZStW 104,759 ff.; Rudolphi. Zweck staatlichen Strafens, S. 71 ff.; 1iedemann. FS-Baumann, S. 11 f.; J. Vogel. Nonn und Pflicht, S. 27 ff.; ferner aus staatsrechtlicher Sicht Ossenbühl. Verwaltungsvorschriften, S. 495. 52 Vgl. dazu auch die abschließende Auseinandersetzung von Annin Kaufmann, Nonnentheorie. S. 41 ff., mit den Kritikern Bindings. 48

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2. Standort, Rechtscharakter und Adressat der Normen

Ist die Existenznotwendigkeit von Nonnen als erwiesen anzusehen und mehr als bloße sprachlogische Notwendigkeit, so liegt es zunächst nahe, mit Binding den zweiten Schritt zu tun und den Strafgesetzen entweder, soweit vorhanden, Nonnen des geschriebenen Rechts zuzuordnen oder aber, falls diese fehlen, durch Rückführung des Straftatbestandes auf die logisch vorangehende Verhaltensanweisung ungeschriebene Verhaltensnonnen zu gewinnen, die ihrerseits über ihre Anerkennung qua Strafgesetz als Nonnen des Rechts existent sind und Geltung beanspruchen. Wie noch zu zeigen ist, wäre ein solcher Schritt indes voreilig. Wie nämlich diese Verhaltensnonnen beschaffen sind und was sie zu leisten vennögen, bedarf näherer Untersuchung. Das (partielle) Vorhandensein positiver Nonnen des Verwaltungsrechts kann diese Betrachtung schon deshalb nicht entbehrlich machen, weil die parallele Existenz von Verhaltensregeln des Verwaltungsrechts und entsprechenden Strafrechtssätzen allein keineswegs besagt, daß sich dann nicht gleichwohl in den Strafrechtssätzen weitere und möglicherweise nuanciert andere Verhaltensnonnen verbergen könnten. Rechtscharakter und Standort der (Verhaltens-)Nonnen sind - bis heute - bestritten. Handelt es sich nicht um Rechtsnonnen, so erzeugen sie auch keine Rechtspflichten. Dann aber wäre es schwierig, verwaltungsrechtliche Handlungsanweisungen, die ja zweifellos Rechtspflichten auferlegen, noch als Nonnen eines Strafgesetzes zu begreifen, was wiederum für die Auslegung letzterer dazu führen müßte, weniger auf das Verwaltungsrecht als auf die stattdessen zu benennende Nonnenquelle zu schauen.

a) Nonnen als Kulturnonnen Nach Max Ernst Mayer richten sich die Strafgesetze nicht als Befehle an die Bürger, obwohl sie dennoch für diese verbindlich seien. Dies beruhe darauf, daß die Gesetze 53 mit in ihrer Verbindlichkeit anerkannten Kulturnonnen übereinstimmten. 54 Weil Adressaten der Gesetze aber die Staatsorgane seien, sei es ausgeschlossen, aus ihnen zugleich Rechtsnonnen im Sinne Bindings zu entnehmen. 55 Nun soll an dieser Stelle die Existenz von Kulturnonnen, mit Max Ernst Mayer verstanden als "Gesamtheit derjenigen Gebote und Verbote, die als religiöse, moralische, konventionelle, als Forderungen des Verkehrs und des Berufs an das Individuum herantreten",56 als auch aus soziologischer Sicht relevante Erscheinung kei53 Max Ernst Mayer verwendet an dieser Stelle zwar den Begriff der Rechtsnorm, aber offensichtlich nicht im Sinne Bindings. 54 Max Ernst Mayer, Kulturnormen, S. 16. 55 Max Ernst Mayer; Kulturnormen, S. 132 f. 56 Max Ernst Mayer; Kulturnormen, S. 17.

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neswegs geleugnet werden. 57 Fragwürdig erscheint hingegen, aus der Existenz der Kulturnonnen die Nichtexistenz von (Rechts-)Nonnen abzuleiten. Konsequenterweise müßte sich dann der Strafgrund allein im Kulturnonnverstoß finden lassen. Dies stößt aber wegen der Labilität und der Unbestimmtheit derartiger - ungeschriebener - Nonnen auf grundlegende Bedenken. So wäre es bei (zunächst) kulturindifferenten Straftatbeständen, die Max Ernst Mayer durchaus als vorübergehende Erscheinung anerkennt,58 offenbar möglich, zumindest zeitweise zur Bestrafung zu gelangen, obwohl das Verbot kulturell noch nicht akzeptiert ist und der Täter - der Rechtssatz ist ja nicht an ihn adressiert - somit gar kein für ihn gültiges Verbot übertreten und folglich auch kein Unrecht verwirklicht hat. Will man gleichwohl eine Bestrafung schon vor der kulturellen Verbotsakzeptanz rechtfertigen, so kann dies nur gelingen, wenn man auf eine im Tatbestand integrierte oder daraus ableitbare (und damit Rechts-)Pflicht rekurriert. Max Ernst Mayer will dies zwar auf Gesetze mit einem auf fest umrissene Personengruppen begrenzten Anwendungsbereich wie etwa die Vorschriften über den Verkehr mit Nahrungsmitteln beschränkt wissen,59 setzt sich mit diesem Zugeständnis aber dem Einwand aus, in Widerspruch zu seinem eigenen Grundsatz der Nichtexistenz von Rechtsnonnen zu geraten. Es kann ja für die Frage der Existenz einer Verhaltensnonn im Tatbestand im Prinzip keinen Unterschied machen, ob tauglicher Täter einer Straftat jedennann oder - wie etwa auch bei der Untreue - nur ein Personenkreis mit bestimmten subjektiven Tätennerkmalen sein kann. 60 b) Der Adressat der Verhaltensnonnen In neuerer Zeit hat sich vor allem Schmidhäuser die Kulturnonnentheorie in abgewandelter Fonn zueigen gemacht, wobei sein argumentatives Schwergewicht auf dem von Max Ernst Mayer noch als nahezu selbstverständlich vorausgesetzten, in der Folge aber in Mißkredit geratenen Argument der sog. eingliedrigen Adressatentheorie liegt, nicht der Bürger, sondern die zuständigen Verfolgungsorgane seien ~7 Sie ist auch für die Rechtswissenschaft insoweit von Bedeutung, als der Gesetzgeber möglicherweise bei der Schaffung von Straftatbeständen auf vorexistierende Wertungen in der Sozialmoral zurückzugreifen hat oder sie jedenfalls berücksichtigen muß, vgl. J. Vogel, Nonn und Pflicht, S. 32.; 1iedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 155 ff. ~8 Vgl. Max Ernst Mayer, Kultumonnen, S. 22 f. ~9 Max Ernst Mayer, Kulturnonnen, S. 23. 60 Max Ernst Mayer hat sich seinerzeit mit einem argumentativen Kunstgriff beholfen, der heute angesichts des mittlerweile statuierten Ordnungswidrigkeitenrechts bei gleichzeitiger Fortgeltung von Straftatbeständen zum Schutz von Verwaltungsrecht und -handeln überholt ist und keine Geltung mehr beanspruchen darf: Soweit keine Kulturnonn existiere, gehöre das Delikt eigentlich zum Verwaltungsstrafrecht, das indes noch der gesetzlichen Anerkennung durch besondere Zurechnungs- und Verfahrensregeln bedürfe und eben nicht zum Justizstrafrecht zähle oder wie dieses behandelt werden könne. Das Fehlen einer Kulturnonn impliziere daher die Existenz einer Rechtsnonn und diese wiederum die Einordnung - de lege ferenda - als Verwaltungsdelikt (a. a. 0 ., S. 111 ff., 116 ff.).

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Adressaten der in den Straftatbeständen zu findenden VerhaItensnonnen. 61 Eine Uminterpretation der Straftatbestände in Ge- oder Verbote führe zu einem fonnalen Unrechtsverständnis, das in Gefahr gerate, den materialen Unwertgehalt aus dem Blick zu verlieren. 62 Schmidhäuser belegt dies einerseits mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts, indem er etwa die Straflosigkeit der Vorbereitungshandlung zur Tötung mit dem gleichwohl gesellschaftlich anerkannten Handlungsverbot konfrontiert und daraus die fehlende Eignung des Straftatbestandes, eine aussagefahige Verhaltensnonn zu bilden, ableitet. 63 Daneben führten aber auch die fachsprachliche Abfassung' und unvollkommene Bekanntmachung der Straftatbestände dazu, daß es eine bloße rechtsstaatliche Illusion darstelle, wollte man diese als auf den Bürger bezogen bezeichnen. 64 Die VerhaItensnonn finde sich vielmehr durch Rückgriff auf "einen im gesellschaftlichen Bewußtsein lebendigen Rechtsbegriff',65 der sich aus Sozialmoral, staatlicher Rechtsordnung, soweit sie bekannt und akzeptiert ist, sowie einzelnen bekannten Strafgesetzen bildet. 66 Auch Schmidhäuser übersieht allerdings das mögliche Nebeneinander von gesellschaftlicher und strafrechtlicher Nonn. Daß in der Rechtsordnung nicht nur das verboten ist, was strafrechtlicher Sanktion unterfällt, ist dabei sicherlich unstreitig. Strafrecht nach modernem Verständnis hat einen fragmentarischen Charakter und sanktioniert nur ausgewählte, für die Rechtsgüterwelt besonders gefährliche Verbotsverletzungen, während die Masse der Verbote zivilrechtlicher, verwaItungsrechtlicher oder ordnungsrechtlicher Durchsetzung vorbehalten bleibt. Andererseits ist der provozierende, von Schmidhäuser unterstellte Rückschluß, wenn einerseits bestimmte Handlungen unter Strafe stehen, andererseits ähnliche Handlungen, die sich gegen das nämliche Rechtsgut richten, im Gegensatz dazu aber nicht von einem Strafgesetz erfaßt werden, dann impliziere die Anerkennung eines strafrechtlichen Verbots die Legalisierung jeder von ihm nicht verbotenen Handlung, logisch nicht zwingend. Die strafrechtliche Bestimmungsnonn tritt keineswegs allein vermittels ihrer Existenz mit verdrängender Wirkung an die Stelle einer Norm aus anderen Rechtsgebieten oder aus der Sozialmoral. Vielmehr erscheint eine Koexistenz von unterschiedlichen Normen, die jeweils denselben Handlungsgegenstand erfassen, problemlos möglich, jedenfalls solange sich die Normen nicht in der Bewertung derselben Handlung widersprechen, sondern insoweit deckungsgleich sind. Beispielsweise stehen im Falle des Kirchendiebstahls (§ 243 I Nr. 4 StGB) religiöse und eigentumsrechtliche Normen konfliktfrei nebeneinander, ohne daß andere, strafrechtlich irrelevante Taten gegen die Religionsausübung innerhalb 61 Schmidhäuser. Fonn und Gehalt, S. 8 f., 42 f., ders., JZ 1989, 425; ähnlich Alwart. Recht und Handlung, S. 147 ff.; Jakobs. Studien, S. 13. 62 Schmidhäuser. Fonn und Gehalt. S. 40. 63 Vgl. Schmidhäuser. Fonn und Gehalt, S. 38 f. M Schmidhäuser. Fonn und Gehalt, S. 42 f., 48 f.; ders.. JZ 1989,421 f. 6S Schmidhäuser. JZ 1989, 423. 66 Schmidhäuser. JZ 1989, 424.

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des Adressatenkreises religiöser Normen infolgedessen wertneutral würden. Genausowenig ist im Falle der nicht unter § 316 StGB fallenden Trunkenheitsfahrt wegen eines ansonsten geltenden strafrechtlichen Verbots die Anwendbarkeit von § 24a StVG ausgeschlossen. Schmidhäusers Gedankenführung wäre nur dann richtig, wenn die strafrechtliche Verhaltensnorm zwangsläufig gegenüber andersartigen Normen vorrangig wäre und diese deshalb insgesamt mit verdrängender Wirkung überlagerte. Daß Strafrecht gegenüber bürgerlichem und öffentlichem Recht jedoch in diesem Sinne nicht beherrschend sein kann, dürfte spätestens seit Günthers Erarbeitung des eigenständigen Begriffs der Strafrechtswidrigkeit klar sein.67 Ein gleiches muß aber auch für das Verhältnis zu gesellschaftlichen Normen gelten. Strafrecht vermag jedenfal1s solange keine gesellschaftlich anerkannten Werte zu verändern, wie es nicht ausdrücklich zu ihnen in Widerspruch gerät, indem es etwas gesellschaftlich Anerkanntes pönalisiert. Da aber notwendigerweise nicht jede gesel1schaftliche Norm strafrechtlich sanktioniert sein kann, vermag die Auswahl der (noch oder schon) strafbewehrten Ge- und Verbote nicht umgekehrt zu einer ab sofort bestehenden moralischen Billigung und Erlaubnis al1en nicht von der Strafrechtsnorm erfaßten Handeins zu führen. Ignoriert das Strafrecht eine Handlung, dann ist sie nicht schon deshalb umfassend erlaubt. Mithin macht es wegen des möglichen Nebeneinanders von Strafrechtsnorm und Norm der Sozialmoral auch nichts aus, wenn dem Teiter das Strafgesetz nicht ausdrücklich bekannt oder sprachlich unverständlich ist; solange ihm dieselbe Norm als gesel1schaftliche Bewertung bewußt ist, hat er sich bei ihrer Mißachtung auch strafrechtlich dafür zu verantworten. 68 Aber nicht nur die Argumentationskette Schmidhäusers begegnet Bedenken, sondern auch ihr Ergebnis einer - vom Recht gewollten und akzeptierten - Verhaltenssteuerung al1ein auf Grund der Normen der Sozial moral. Zwar wird man eine Adressierung der Strafgesetze an den Bürger nur mit Einschränkungen aus dem Verkündungserfordernis nach Art. 82 I 1 GG ableiten können,69 weil dieses nicht al1ein der Unterrichtung der Bürger über ihre subjektiven Pflichten, sondern ganz allgemein dazu dient, den Betroffenen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Inhalt eines Gesetzes zu schaffen. 7o Betroffen in diesem Sinne ist aber auch derjeVg\. Günther; Strafrechtswidrigkeit, insbesondere S. 100 ff., 177 f., 247,362 ff. Damit ist auch Schmidhiiusers durchaus beachtlichem Einwand, eine Vielzahl neuer Strafgesetze sei den ihnen Unterworfenen nur unzureichend oder gar nicht bekannt, insbesondere sei die Verkündung im BGB\. kein geeignetes Instrument zur Bekanntmachung (vg\. Fonn und Gehalt, S. 42 ff.; JZ 1989,422), Rechnung getragen. Die empirisch sicherlich belegbare Unkenntnis des Strafgesetzes bei gleichzeitigem Anspruch, dennoch den Täter bestrafen zu wollen ("Paralellwertung in der Laiensphäre", Venneidbarkeit des Verbotsirnums) ist kein Argument gegen die Existenz der im Strafgesetz inkorporierten Nonn. Vielmehr kennt der Täter dieselbe Nonn, nur eben aus einern anderen Zusammenhang, nämlich dem der Sozialmoral, heraus. Er weiß also genau, wie er sich nicht zu verhalten hat. Sein Nichtwissen um die strafrechtlichen Folgen seines Handlungsunrechts hindert aber bekanntlich nicht die Anwendbarkeit des Strafgesetzes. 69 So aber J. Vogel, Nonn und Pflicht, S. 31. 67

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nige, der als potentieller Straftäter dann die Folgen des Gesetzes, hier die gegen ihn zu verhängende Strafe, zu spüren bekommt. Die Verkündungspflicht bedeutet mithin keineswegs, daß dem fraglichen Gesetz mehr als eine bloße Ermächtigungsfunktion zukommen muß. Das gewichtigere Argument fußt auf dem Schuldprinzip in seiner verfassungsrechtlichen Ausprägung. Wenn Strafe Schuld und damit den vorwerfbaren Verstoß gegen eine Verhaltensnorm voraussetzt, so gerät die Ableitung der Bestrafung von einem Verstoß gegen eine nicht (auch) im eigentlichen Recht befindliche Verhaltensnorm in Konflikt mit den in der Verfassung begründeten Fundamenten des Strafrechts. Art: \03 11 GG fordert zunächst die gesetzliche 71 Bestimmung72 der Strafbarkeit, mithin aller ihrer Voraussetzungen und damit auch des Normverstoßes. Eine Norm der Sozialmoral, die sich ihrerseits fortentwickelt, fließend und empirisch kaum zu greifen ist, wird diesen Ansprüchen weder formal - da kein Gesetz - noch inhaltlich - da nicht hinreichend bestimmt - gerecht. In dem Augenblick aber, wo man, um diesen inhaltlichen Bedenken zu begegnen, auf die Festlegungen im Straftatbestand zurückgreift, akzeptiert man im Grunde die rechtliche Anerkennung der Norm der Sozialmoral durch das Strafgesetz und kann dann die Integration der Norm in letzteres schlechterdings nicht mehr leugnen. Auch das ebenfalls in Art. 103 II GG verankerte Rückwirkungsverbot spricht im übrigen gegen eine Orientierung an den Normen der Sozialmoral. Es beruht auf der Erwägung, daß jedermann vor der Tat die Kenntnis des Verbots möglich sein muß. Somit wäre es sinnlos, wenn dieses Verbot bereits auf eine vom Gesetz vorgefundene und unabhängig von ihm existierende Norm zurückzuführen wäre. 73 Noch weitergehend auf eine Verneinung jeder Normexistenz für den Bürger in bestimmten Konstellationen liefe es hinaus, wollte man mit der eingliedrigen Adressatentheorie nur eine Rechtsnorm für den Rechtsstab anerkennen und die Befolgung (noch) nicht internalisierter Normen mit Alwart auf die bloße Einkalkulierung justizieller Risiken zurückführen. 74 Soweit daneben entsprechende Normen der Sozial moral wie das Tötungsverbot vorhanden sind, mag dies noch über deren rechtliche Anerkennung qua Strafgesetz begründbar erscheinen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, ein bis dahin sozial nicht mißbilligtes Verhalten - etwa die von Alwart genannte denkbare Strafbarkeit jeglichen Alkoholgenusses im Straßenver70 BVerfGE 16,6, 17 ff.; 65, 283, 291; Bonner Kommentar-Maurer. Rd.-Nr. 86, 88 ff. zu Art. 82GG. 71 Zum Gesetzesvorbehalt vgl. vorerst nur Bonner Kommentar-Rüping, Rd.-Nr. 34 f. zu Art. 10311 GG; Jarass/ Pierolh, Rd.-Nr. 43 ff. zu Art. 103 GG; Schmidl-Aßrrumn in: Maunz! Dürig, Rd.-Nr. 180 ff. zu Art. 103 11 GG; Schmidl-Bleiblreu/Klein, Rd.-Nr. 9 zu Art. 103 GG; im übrigen näher unten bei III.1.b. 72 Zum Bestimmtheitsgebot vgl. Jarass/ Pierolh, Rd.-Nr. 48 ff. zu Art. 103 GG; SchmidlAßmann in: Maunz ! Dürig, Rd.-Nr. 179,184 ff. zu Art. 10311 GG; Krahl, passim. 73 Insoweit zutreffend J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 31. 74 Vgl. Alwarl, Recht und Handlung, S. 151 f. Bereits Binding hat sich im übrigen gegen die Konstruktion einer Norm gewandt, die auf das Strafrisiko abstellt, weil dann der potentieUe Tater die Wahl hätte, die Tat zu unterlassen oder aber das Strafrisiko auf sich zu nehmen. Die Tat selber bliebe dabei im Grunde unverboten (vgl. Normen I, S. 38 ff.).

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kehr - unter Strafe zu stellen, hätte dann aber zur Folge, daß eine jegliche Verhaltensnonn für den Bürger mindestens für eine Übergangszeit fehlte, bis sich die Entfaltung einer entsprechenden Wertung im gesellschaftlichen Bewußtsein vollendet. 75 Dies würde in der Konsequenz bedeuten, entweder auf die Neustatuierung derartiger Strafvorschriften zu verzichten 76 oder - unter schuldstrafrechtlichen Rahmenbedingungen inakzeptabel - das Nonnerfordernis aufzugeben.

c) Sprachliche Gestaltung der Verhaltensnonnen Binding und ihm folgend die meisten seiner Anhänger haben die (Verhaltens-) Nonnen stets als Sollenssätze in der Fonn von Imperativen begriffen (z. B. ,,Du sollst nicht töten, stehlen, vergewaltigen" USW.) .77 Doch ist dies keineswegs zwingend. Beling etwa weist auf die Schwierigkeiten hin, Tatbestände wie §§ 177, 218 StGB auf einerseits eigenständige (§ 218 StGB als Unterfall des Totungsverbots oder als selbständiges Abtreibungsverbot?) und andererseits umfassende Bestimmungsnonnen (enthält § 177 StGB ein Verbot der Gewaltanwendung und eines der sexuellen Handlung trotz entgegenstehenden Willens des anderen?) zurückzuführen. 78 Er geht dem Problem dadurch aus dem Weg, daß er die Notwendigkeit, explizite Nonnentatbestände zu bilden, leugnet und die Bedeutung der Nonnen auf die Begründung der Rechtswidrigkeit reduziert. Die Nonn werte nur und diene allein dazu festzustellen, ob die Handlung den Anforderungen des Rechts genüge. Sie sei deshalb keineswegs mit dem Tatbestand kongruent, sondern könne weiter als dieser reichen, aber auch enger sein. 79 Dem Vorwurf, damit die Nonnentheorie weitgehend entwertet zu haben, begegnet Beling mit dem Hinweis, immerhin sei mit ihr gewährleistet, daß Rechtswidrigkeit nur einheitlich für alle Rechtsgebiete begriffen werden könne, weil auch die Nonnen schließlich einheitlich Geltung beanspruchten. 8o Belings Auffassung basiert auf einem Verständnis des Tatbestands als Beschreibung eines Verbrechenstypus, der selbständig neben der Rechtswidrigkeit steht. 81 Begreift man den Tatbestand demgegenüber richtigerweise als Unrechtstypus, 75 Dies räumt Alwart offenbar auch - als völlig unproblematisch - ein, vgl. Alwart, Recht und Handlung, S. 152. 76 Dies entspricht der in dieser Eindeutigkeit heute zweifellos überholten Auffassung, daß der Gesetzgeber nur diejenigen Ge- und Verbote durch Strafdrohung verstärken dürfe, weIche er nicht erst zu erlassen bräuchte, sondern bereits in der Sozialmoral vorfindet und die dem Schutz der Daseinsbedingungen der Gesellschaft dienen, vgl. Dürig, AöR 79, 85 f. 77 Vgl. Binding, Nonnen I, S. 43; Annin Kaufmann, Nonnentheorie, S. \02 ff.; Amelung, NJW 1977,834; Höpfner, ZStW 23, 643; v. Weinrich, ZStW 17,789 f. 78 V gl. Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 117 f. 79 Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 118 ff., insbesondere S. 120. 110 Vgl. Beling, Lehre vom Verbrechen, S. 127 ff. 81 Beting, Lehre vom Verbrechen, S. 114 f.

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dann bedarf es der Normwidrigkeit nicht erst zur Feststellung einer Rechtswidrigkeit, sondern diese ist durch die Tatbestandsmäßigkeit schon indiziert. Ist jedoch der Tatbestand vertyptes Unrecht, dann bedeutet bereits die Tatbestandsmäßigkeit notwendigerweise auch Normwidrigkeit. Nur ein normwidriges Verhalten kann daher tatbestandsmäßig sein, wenngleich nicht jede Normwidrigkeit den Tatbestand erfüllen muß, dieser vielmehr durch Strafwürdigkeitsmerkmale zusätzlich angereichert sein kann. Nun hieße zwar das alleine noch nicht, daß es auch erforderlich wäre, die Norm präzise zu formulieren, weil ja immerhin der Tatbestand hinreichend bestimmt ist oder dies jedenfalls sein sollte. Berücksichtigt man aber, daß bei der möglicherweise empirisch recht häufig anzutreffenden fehlenden Kenntnis des Taters vom Text des Straftatbestandes 82 gleichwohl die Strafbarkeit aus der Unrechtseinsicht hergeleitet werden kann, wie § 17 StGB deutlich macht, und Unrecht in diesem Kontext als etwas Unerlaubtes, also Normwidriges zu verstehen ist,83 dann wird deutlich, daß es spätestens jetzt sehr wohl der Präzisierung des Gesollten bedarf, um danach festzustellen, ob der Tater wenigstens insoweit die erforderliche Kenntnis von der Normwidrigkeit seines Verhaltens hatte. Die Verhaltensnorm als Rechtssatz, der allgemeine Verpflichtungswirkung hat,84 ist zunächst notwendig abstrakt, weil sie weder das verpflichtete Subjekt noch die konkret verbotene Handlung zu nennen vermag 85 und dies wegen ihres Anspruchs auf Allgemeingültigkeit im Zweifel auch gar nicht dürfte. Sie kann und muß sich an jeden wenden, der in eine Situation kommt, die zu dem tatbestandlichen Erfolg führen könnte, und sie kann nur den Handlungstypus bezeichnen, der als üblicherweise erfolgsverursachend zu vermeiden ist. Versuche, Verhaltensnormen nach dem Muster "Du /Ihr sollst! sollt (nicht) ... " sprachlich zu konstruieren, sind deshalb irreführend, weil sie bereits eine auf den / die Handlungsfahigen konkretisierte Situation voraussetzen und damit im Grunde der Verhaltensnorm mehr abverlangen, als sie wegen ihrer notwendigen Abstraktheit zu leisten imstande ist. Auf der anderen Seite soll sie natürlich nicht nur abstrakt bleiben, sondern motivieren, was sie nur vermag, wenn ihre Abstraktheit sich konkret auf den Adressaten beziehen läßt und diesen somit überhaupt erst erreichen kann. Armin Kaufmann hat dies dadurch erreicht, daß er aus der Verhaltensnorm erst in der konkreten Situation und nur an den Handlungsfahigen gerichtet eine Pflicht zum Unterlassen (oder Vgl. Schmidhäuser, Form und Gehalt, S. 42 ff.; ders., JZ 1989,422. Vgl. Tröndle, Rd.-Nr. 3 zu § 17 StGB; Schönke/Schröder-Cramer; Rd.-Nr. 5 f. zu § 17 StGB; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 21, Rd.-Nr. 48; Jakobs, Strafrecht AT, 19. Abschnitt, Rd.-Nr. 23; Roxin, Strafrecht AT 1, § 21, Rd.-Nr. 13; Gr.Sen.BGHSt 2, 194,201 f.; 11,263,266 f.; BGHSt 15, 377, 383 f.; a.A. LK(11)-F.C.Schroeder, Rd.-Nr. 6 ff. zu § 17 StGB; Otto, ZStW 87, 595; AG Göttingen, NJW 1983, 1209, 1210, die Kenntnis der Strafbarkeit verlangen. Differenzierend stellt das OLG Stuttgart, NStZ 1993, 344, 345 auf die Kenntnis vom straftatspezifischen Unrecht ab, womit letztlich aber wohl auch nur die Kenntnis von der Normwidrigkeit gemeint ist. 84 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 48; zur modifizierenden Ansichts Jakobs, die Norm behaupte explizit nur, was richtig oder falsch sei, vgl. oben bei 1.1. 85 Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 138 f. 82

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11. Regelungsgehalt der Normen

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Tun) ableitet, weIche nunmehr ganz präzise das nennt, was verlangt ist (z. B. "Du sollst Herrn Müller nicht erdrosseln,,).86 Diese Pflicht ist konkretisierte Bestimmungsnorm und deshalb nicht identisch mit der Norm. Letztere muß sich daher auch sprachlich deutlich von einer Pflicht absetzen, so daß ich - wenn man es überhaupt für notwendig erachtet, eine konkrete Formulierung zu unternehmeneine Fassung nach dem Schema "Es ist verboten / geboten, - zum Erfolg führende / erfolgsvermeidende Handlung - zu tun" favorisieren möchte. 87 Dies entspricht im übrigen dem gewöhnlich vorzufindenden Aufbau außerstrafrechtlicher (Verhaltens-) Normen des geschriebenen Rechts.

11. Regelungsgehalt der Normen Soweit Normen im positiven Recht vorhanden sind, auf die ein Strafgesetz explizit unter Verzicht auf die eigene Umschreibung der unter Strafe stehenden Handlung Bezug nimmt,88 ergibt sich der NorminhaIt auf den ersten Blick unmittelbar aus diesen. Problematisch sind die Fälle, in denen sowohl das Strafgesetz wie auch eine außerstrafrechtliche positive Norm potentiell taugliche Verhaltensbeschreibungen enthalten. 89 WeIche dieser Beschreibungen schließlich die strafrechtlich bedeutsame Bestimmungsnorm darstellt bzw. enthält, wird noch zu klären sein. Vorab soll jedoch, um die Fähigkeit des Strafgesetzes, eine eigenständige Verhaltensnorm zu erbringen, und deren Inhalt darzustellen, auf eine weitere Konstellation eingegangen werden: Fehlt entweder - wie beim Ausspähen von Daten nach § 202a StGB - eine geschriebene Norm im (außerstrafrechtlichen) Recht oder jedenfalls eine ausreichende Bezugnahme im Strafgesetz auf diese, so kann sich die Bestimmungsnorm folglich nur aus dem Strafgesetz als solchem ergeben90 und müßte dann als Konsequenz der bisherigen Erörterungen mit dessen Tatbestand weitgehend übereinstimmen. Sie kann nicht weiter gehen, weil sie mangels rechtliVgl. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 139 f. Armin Kaufmann hat diesen Schritt erstaunlicherweise auch an späterer Stelle nicht unternommen und sich eigentlich stets auf die von Binding angeregten Normfassungen bezogen, vgl. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 210,244. 88 Typisches Beispiel sind etwa die umfassenden Verkehrsverbote für bestimmte Gegenstände nach § 37 I Nr. 1 - 6 WaffG, auf die die Strafvorschrift des § 53 III Nr. 3, 1. Alt. WaffG Bezug nimmt. 89 Ein Beispiel für derart konkurrierende Verhaltensbeschreibungen wäre etwa § 315b I Nr. 2 StGB (Hindernisbereiten) einerseits und andererseits § 32 I 1 StVO (,,Es ist verboten, ... Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegenzulassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann."). 90 Die anderslautende, aber möglicherweise nur mißverständlich formulierte Feststellung Langes, NJW 1978, 785, es sei seit Bindings Grundlegung geklärt, daß Strafrecht und die Straftatbestände die Normen gerade nicht enthielten, sondern sie voraussetzten und der gesamten Rechtsordnung entnähmen, ist deshalb so nicht richtig. Wo die Rechtsordnung keine taugliche Norm liefert, bleibt nur der Rückgriff auf den Tatbestand. 86

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

eher Legitimation dann hinsichtlich des überschießenden Teils keine Rechtsnorm, sondern allenfalls eine Norm der Sozialmoral darstellte, der es damit an der gesetzlichen Bestimmtheit ermangelte. Das heißt selbstverständlich nicht, daß ein solcher überschießender Normteil nicht als Bestandteil einer Norm der Sozialmoral seine Existenzberechtigung hätte. Er kann jedoch, und darum allein geht es hier, für die Zurechnung eines Verhaltens als strafbar keinerlei Funktion übernehmen. Die Norm darf auf der anderen Seite auch nicht hinter dem Tatbestand zurückbleiben, weil dieser ansonsten etwas nicht Normwidriges mit Strafe bedrohte, was ebenso unzulässig wäre. So müßte also eine Verhaltensnorm etwa für § 316b I Nr. I StGB lauten: "Es ist verboten, den Betrieb einer der öffentlichen Versorgung dienenden Kraftanlage durch Zerstörung einer dem Betrieb dienenden Sache zu verhindern oder zu stören." Völlig ohne Bedeutung für diese Untersuchung ist dabei die theoretisch mögliche Konstruktion einer Mehrheit von Normen oder einer Strafbewehrung derselben VerhaItensnorm durch mehrere Gesetze,91 denen Binding einen umfangreichen Raum gewidmet hat. 92 So wäre es ja im genannten Beispiel des § 316b StGB auch denkbar, sämtliche Tatbestandsalternativen in eine - allerdings recht umfangreiche - Verhaltensnorm zu fassen. Andererseits wäre es im Beispiel des § 223 StGB möglich, zwei Verhaltensnormen, und zwar je eine für jede Tatbestandsalternative, anzunehmen, obwohl es hier sicherlich nicht schädlich wäre, eine einzige VerhaItensanweisung zu formulieren. Genausowenig Bedeutung dürfte der Frage zukommen, ob etwa § 249 StGB auf zwei Verhaltensnormen, nämlich des Diebstahls- und des Nötigungsverbots, zurückgreift oder auf eine Kombination von beiden. Die Konsequenz einer Mehrheit von Verhaltensnormen, die § 249 StGB schützt, wäre dann, daß dieselbe Verhaltensnorm des Nötigungsverbots mehrfach gesetzlich geschützt wäre (§§ 249,240, 177 StGB u. a.). Indes kommt es darauf nicht an. Entscheidend ist allein, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen stets mindestens einer Verhaltensnorm entsprechen und der Tater den jeweiligen Verhaltensnormen zuwiderhandelt. Ware also im Raubbeispiel zwar die Gewaltanwendung normwidrig, die Zueignung aber nicht, weil die Sache bereits dem Tater gehört, so entfallt der Raubvorwurf insgesamt und es verbleibt allenfalls bei strafrechtlichen Folgen einer normwidrigen Gewalt, soweit diese anderweitig strafbedroht sind. Gleichermaßen ohne Interesse ist die Konstruktion bei Qualifikationstatbeständen. Selbstverständlich ist nicht nur der Raub, sondern auch und erst recht das Mitführen einer Schußwaffe dabei verboten. Ob man dabei ein modifiziertes Raubverbot (z. B.: "Es ist verboten, eine fremde bewegliche Sache ... und dabei eine Schußwaffe mit sich zu führen") oder eine Ergänzungsnorm annimmt (z. B.: ,,Es ist verboten, beim Raub eine Schußwaffe mit sich zu führen"), dürfte sachlich keinen Unterschied machen. Bei Privilegierungen (z. B. bei den §§ 212, 217 StGB) andererseits ist eine eigenständige VerhaItensnorm für die Privilegierung zwar möglich, aber nicht erforderlich, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des Grundtatbestandes auch im Privilegierungsfall stets erfüllt sind, da der Tater dann immer (auch) insoweit normwidrig handelt. 91 Die von Langer, S. 311, angenommene Einheitsnorm, die alle Verletzungen desselben Wertes einschließlich aller Gefahrdungen untersagt, ist hingegen als Zurechnungsgrundlage eben wegen ihrer Weite, die dem fragmentarischen Chrakter des Strafrechtsschutzes in keiner Weise Rechnung trägt, ungeeignet und zudem unnötig; wie gezeigt lassen sich abstrakte und gleichwohl den strafrechtlichen Tatbeständen weitgehend angenäherte Normen bilden. 92 Vgl. Binding, Normen I, S. 205 ff. bzw. S. 209 ff.

11. Regelungsgehalt der Normen

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Trotzdem wäre es unzureichend, sich mit einer schlichten Umformulierung des Straftatbestandes zufriedenzugeben, weil damit der im Vergleich zu Normen anderer Rechtsgebiete einzigartigen Funktion der Strafrechtsnorm, Grundlage für eine Zurechnung schuldhaften menschlichen Verhaltens zu liefern, noch nicht genügend Rechnung getragen wäre. Ob und wieweit eine Norm außerhalb des Straftatbestandes die Funktionen einer Strafrechtsnorm übernehmen kann, hängt davon ab, was letztere im Rahmen der Verhaltensbeschreibung zu leisten hat und ob die geforderte exakte Benennung verbotenen Verhaltens auch durch Normen verwaItungsrechtlicher Herkunft erfüllt werden kann. Damit rückt der materielle Regelungsgehalt der Norm in den Mittelpunkt.

J. Verhaltensnorm und Handlungsfinalität

Die Norm verbietet die Handlung nach Binding ohne Rücksicht darauf, ob sie vorsätzlich oder fahrlässig begangen wird. Er begründet dies u. a. mit rationalen Erwägungen. Es sei nur vernünftig, angesichts des rechtsschädlichen Charakters der Handlung diese allgemein und unabhängig davon zu untersagen, ob nur die vorsätzliche oder auch die fahrlässige Begehung strafbar sei. 93 Für Binding ist die Norm mithin eine rein objektive Verhaltenserwartung. Vorsatz und Fahrlässigkeit wären damit normunabhängige Kategorien der subjektiven Zurechnung. In den Fällen der Auffindbarkeit von Normen im geschriebenen Recht untermauert eine Musterung derartiger Vorschriften vordergründig diese These Bindings. Die Regeln des Straßenverkehrs etwa, die § 3l5c I Nr. 2 StGB in Bezug nimmt, beispielsweise über die Vorfahrt (§§ 8,9 m, IV, 18 m, 41, 42 StVO), gelten unabhängig von der subjektiven Komponente einer möglichen Nichtachtung, was schon ein Blick auf die Folgen der Schadensverteilung nach den §§ 7, 17 StVG seIbst bei schuldloser Übertretung zeigt. 94 Ähnliche Beispiele lassen sich nahezu beliebig finden. Die Vorschriften über Herstellung, Besitz usw. der in § 37 I WaffG aufgeführten verbotenen Gegenständen etwa wirken auch gegenüber demjenigen, der nicht einmal fahrlässig handelt, weil unabhängig von der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit über § 53 I Nr. 4, III Nr. 3 WaffG die Gefahrenabwehrmaßnahmen nach § 37 V WaffG (Sicherstellung und ggfs. Einziehung) durch die Behörde zulässig sind. Bei § 92 I Nr. 6 AuslG steht zwar nur die vorsätzliche Einreise in das Bundesgebiet entgegen § 58 I AuslG unter Strafe; ein fahrlässiger Verstoß ist weder strafbar noch ordnungswidrig. Wer also die Ungültigkeit seiner Aufenthaltsgenehmigung fahrlässig nicht kennt, bleibt straflos. Gleichwohl ist die Handlung nach wie vor unerlaubt und dem Eingereisten drohen Zurückweisung oder Zurückschiebung nach den §§ 60 I, 61 I AuslG. Im Steuerrecht ist die nicht auf Täuschung beruhende Nichtzahlung von Steuern ebenfalls straflos, ohne daß dies etwas Binding, Normen I, S. 80. Lediglich bei einem unvermeidbaren Ereignis entfällt die Haftung. Es ist aber keineswegs so, daß jedes nicht fahrlässige Handeln den Erfolg unvermeidbar macht, vielmehr sind die Anforderungen insoweit sehr viel höher. 93

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daran ändern würde, daß die Finanzbehörden in der Lage sind, durch Zwangs- und Vollstrekkungsmaßnahmen auf die Nichterfüllung der Steuerpflicht zu reagieren.

Die Schwäche dieser Argumentation liegt indes auf der Hand: Sie setzt die erst noch zu verifizierende Identität von etwa bestehender, außerstrafrechtlicher Norm und der für die strafrechtliche Zurechnung benötigten Verhaltensnorm voraus. Diese Identität ist aber nicht notwendigerweise eine vollständige und gerade hinsichtlich finaler Handlungselemente keineswegs zwingend. Noch weitergehend als Binding haben Kindhäuser95 und ihm folgend Vogel 96 seIbst unwillkürliches Verhalten als potentiell normwidrig bezeichnet. Vogel verweist dazu auf das bekannte Beispiel der Mutter, die ihr Kind mit zu sich ins Bett nehme und es dort im Schlaf ersticke. Die übliche Lösung über eine Anknüpfung an pflichtwidriges Vorverhalten sprenge den Rahmen der tatbestandlichen Verhaltensbeschreibung. Das Kind sterbe nicht daran, daß es von der Mutter ins Bett genommen werde. Dies werde schon daraus deutlich, daß im Falle eines Tötungsvorsatzes die Mutter nicht ihr Kind dadurch töten könne, daß sie es ins Bett nehme, weil dies noch nicht einmal den Ansatz zum Versuch darstelle. Als Konsequenz bl'!ibe nur, bereits das unwillkürliche Verhalten als Normwidrigkeit ausreichen zu lassen. 97 Abgesehen davon, daß der zeitliche Beginn der Zurechenbarkeit als Versuch und die Abgrenzung zur Vorbereitung mit der Frage einer Normwidrigkeit prinzipiell nichts zu tun hat, machen die weiteren Ausführungen Vogels die Angreifbarkeit seiner Position deutlich, wenn er Erfolgsverursachungsverboten gleichwohl eine Fähigkeit zur Verhaltenssteuerung bescheinigt, indem der Täter diese gleichsam als Obers atz seinem Verhalten zugrundelege. 98 Dies setzt aber voraus, daß der Täter noch entscheidungsfähig sein muß, ihm also nur ein Verhalten konkret verboten sein kann, was noch final steuerbar ist. Im Beispiel der Mutter heißt dies, daß sie, mangels Steuerbarkeit ihres Schlafverhaltens, das Verbot der Tötung99 nur zu einem früheren Zeitpunkt in ihren Entscheidungsprozeß integrieren kann, in welchem sie noch handlungsfähig, also noch nicht eingeschlafen ist, was nun aber genau der üblichen Vorverlagerung des zurechnungsrelevanten Handlungsgeschehens entspricht, ohne daß damit eine Ausuferung des abstrakten Handlungsverbotes verbunden wäre. Die Norm als solche bleibt unberührt; sie konkretisiert sich lediglich zu einer vorgelagerten - nun aber wieder genau bestimmbaren Pflicht: Nicht das Erdrücken als erfolgsursächliche unmittelbar kausale Handlung, sondern die Schaffung einer Situation, welche diesen Erfolg als Handlungsfolge erwarten läßt, wäre damit zu unterlassen. Konkret wäre der Mutter verboten, ein zu kleines Kind (bei entsprechender, realisierter Gefährdung und ohne Vorkehrungen 95 96 97

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Kindhiiuser. Gefährdung, S. 95 f. J. Vogel. Norm und Pflicht, S. 51 ff. J. Vogel. Norm und Pflicht, S. 51 ff. J. Vogel. Norm und Pflicht, S. 55.

99 Wohlgemerkt geht es hier um die Norm vorsätzlicher Delikte. Zur grundsätzlich anders strukturierten Norm entsprechender Fahrlässigkeitsdelikte vgl. unten bei 11.3.

11. Regelungsgehalt der Normen

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dagegen) mit ins eigene Bett zu nehmen. Die Fonn der tatbestandlichen Handlungsbeschreibung steht der Vorverlagerung hier nicht entgegen. Verboten ist die Tötung; wie aber eine Tötung kausal bewirkt werden muß, um zugerechnet werden zu können, besagt § 212 StGB nicht. Die Konstruktion eines der unmittelbar kausalen Handlung vorgelagerten Ansatzpunktes der Pflicht, die zu einer letztlich sehr konkreten, erkennbaren und vor allem befolgbaren Handlungsanweisung führt, ist im übrigen keineswegs so ungewöhnlich, wie dies auf den ersten Blick anmuten mag. Zwischen der letzten, noch gesteuerten bzw. steuerbaren Taterhandlung und dem Erfolgseintritt liegt stets eine Phase nicht mehr beherrschbarer Kausalabläufe, die freilich oft sehr verkürzt, aber gleichwohl vorhanden sind. Auch beim tödlichen Schuß kann theoretisch zwischen Abschuß und Aufprall des Geschosses der Erfolg durch Zufälligkeiten verhindert oder gar erst verursacht werden, ohne daß dies vom Täter noch zu steuern wäre. Die Pflicht im Fall der Mutter ist deshalb im Grunde nicht anders strukturiert als Konkretisierungen des Tötungsverbotes auf übliche Totungsabläufe wie Erstechen, Ertränken usw. Des Zugriffs der Nonn auf die hier lediglich überproportional lange, nicht mehr steuerbare Zwischenphase und damit des Anspruchs, unwillkürliches Verhalten als solches unmittelbar zu steuern, bedarf es daher entgegen Vogels Auffassung nicht. 100 Kindhäuser andererseits argumentiert, die Nonn nenne nur das zu Wollende. Ob das tatbestandsmäßige Verhalten eine unwillkürliche, reflexhafte, automatische oder bewußte Reaktion darstelle, spiele für die objektive Nonnwidrigkeit keine Rolle. 101 Die Unfähigkeit zur Vornahme einer Alternative des verbotenen Handelns mache dieses aus logischen Gründen nicht zu einem erlaubten, sondern hindere nur die Zurechenbarkeit als Pflichtverletzung. 102 Eine zwingende Begründung, warum auch unwillkürliches Verhalten nonnwidrig sein könne, bleibt Kindhäuser damit aber ebenfalls schuldig. Denn selbstverständlich ist unwillkürliches Verhalten nicht schon deshalb nonngerecht oder gar erlaubt im Sinne ausdrücklicher Billigung, weil es als Nonnwidrigkeit mangels Handlungsfähigkeit nicht zurechenbar ist. Vielmehr konkretisiert sich die Bestimmungsnonn lediglich nicht zur Unterlassenspflicht. Der Geltungsanspruch der Nonn bleibt hingegen abstrakt bestehen, das Verhalten negativ bewertet. Dies zeigt sich schon in der theoretisch möglichen vorgelagerten Verpflichtung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen und zu erhalten, sich nonngerecht verhalten zu können, wie etwa in dem zitierten Beispiel der schlafenden Mutter. Ein Bedürfnis zur Erfassung derartiger Konstella100 Man darf sich dabei nicht davon irreleiten lassen, daß eine vermeintlich harmlose, alItägliche und nicht unmittelbar zum Tode führende Handlung verboten ist. Auch das Abfeuern eines Schusses auf das Opfer führt nicht unmittelbar zu dessen Tod, sondern frühestens der isoliert betrachtet unwillkürliche - AufpralI des Geschosses auf einen lebenswichtigen Teil des Körpers. Die Handlungsstruktur entspricht im wesentlichen dem Verhalten der Mutter, nur dauert der gesamte Ablauf länger. JOI Kindhäuser, Gefahrdung, S. 95. 102 Kindhäuser, Gefährdung, S. 96.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

tionen über die Feststellung einer (konkreten) objektiven Normwidrigkeit besteht daher nicht. Vielmehr ist daran festzuhalten, daß Gegenstand der Verhaltensnorm nur eine finale Handlung sein kann, weil eine Handlung ohne Willenssteuerung auch nicht über eine von einer Verhaltensnorm bewirkte Gegenmotivation zu beeinflussen oder zu verhindern ist. 103 Es macht keinen Sinn, einem Schlafenden Verhaltensregeln aufzuerlegen, etwa nicht zu schnarchen. Derart naturalistisch konstruierte Verhaltensnormen vermögen nicht zu motivieren und der - zugegeben vergleichsweise einfach festzustellende - Verstoß gegen sie erbringt keinerlei Grundlage für eine Zurechnung als schuldhafte Normmißachtung. Die verbotene Handlung kann daher nur ein in Bezug auf die Verbotsmaterie vom steuernden Willen beherrschtes oder beherrschbares menschliches Verhalten sein. 104 Die Verknüpfung vom Anspruch der Norm, zur Verhaltensorientierung geeignet zu sein, einerseits und Finalität des zu regelnden HandeIns andererseits, hat sich somit auch gegenüber Vogels und Kindhäusers Kritik als unauflöslich erwiesen. Unwillkürliches Verhalten kann nicht normwidrig sein, wohl aber seinerseits durch normwidriges Verhalten in Gang gesetzt werden und sich unter diesem Gesichtspunkt letztlich als pflichtwidrig erweisen. An dieser Stelle ist nicht der Platz, den bekannten Streit um den strafrechtlichen Handlungsbegriff 105 in der ihm zukommenden Breite erneut auszutragen. Der Handlungsbegriff, wie er für die strafrechtlichen Zwecke der VerhaItensbewertung und -zurechnung erforderlich ist, ist sicherlich nichts onotologisch Vorgegebenes, sondern mit sozialen Sinngehalten anzureichern, die - wie im klassischen Beispiel der Beleidigung, die durch das bloß naturgesetzlich beschreibbare Sprechen nicht definiert werden kann - erst die Bedeutung einer Kausalveränderung verdeutlichen. I06 Die Kenntnis vom SinngehaIt, dessen relevante Bewertungselemente vom Gesetzgeber auszuwählen sind, kann wiederum nach Wahl des Gesetzgebers größer oder kleiner sein, indem er etwa positives Bewußtsein des Strafbaren oder Absichtselemente fordert oder aber sich mit schlichter Kenntnis der Tatumstände begnügt. Keine dieser Straftatvarianten entspricht aber einem vorgegebenen Wesen der Finalität, wie Roxin zutreffend festgestellt hat. 107 Andererseits ist klar, daß eine in ihrem sozialen Sinngehalt finalgesteuerte Handlung mindeste Voraussetzung der strafrechtlichen Zurechnung ist, weil nur eine solche die Feststellung erlaubt, daß dem Täter die Möglichkeit der Normtreue anstelle des Normverstoßes eröffnet war. 103 Vgl. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 106 f.; Rudolphi, Zweck staatlichen Strafens, S. 79 f. 104 Freund, Erfolgsdelikt, S. 75 f., geht sogar noch weiter, indem er nicht die Steuerung des Verhaltens, sondern des Willens als primäres Ziel der Norm ansieht. Im Ergebnis führt das aber zu keinem Unterschied, da das Verhalten ja über den Willen gesteuert werden soll. 105 Vgl. dazu nur die zusammenfassenden Darstellungen bei Hirsch, ZStW 93, 831 ff. und ders., ZStW 94, 239 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 6.Abschnitt, Rd.-Nr. I ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 218 ff.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 16, Rd.-Nr. 28 ff.; Roxin, ZStW 74,515 ff. 106 Vgl. Roxin, ZStW 74, 524 ff. 107 Roxin, ZStW 74, 526 f.

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Mit der grundsätzlichen Ausrichtung der Verhaltensnorm auf finale Handlungen ist die mögliche Integration weiterer subjektiver Elemente, insbesondere spezifischer Absichten, vorgezeichnet. So wird selbst von Anhängern rein objektiver Normen vertreten, beim Diebstahl sei nicht die Wegnahme, sondern nur die Wegnahme zum Zwecke der Zueignung verboten, bei der Urkundenfalschung nicht die Fälschung echter Urkunden, sondern nur die Fälschung zur Tauschung im Rechtsverkehr. lOs Nun sind die genannten Beispiele nicht gerade solche, bei denen nicht schon das um die jeweilige Absicht reduzierte finale Handeln zwanglos als verboten angesehen werden könnte. Deutlicher wird das Bedürfnis zur Integration derartiger Absichtselemente in die Verhaltensnorm jedoch etwa bei § 92 I Nr. 7 AusIG,I09 der ansonsten auf das umfassende Verbot jeglicher Lüge ausgeweitet wäre. Jedenfalls soweit wie hier die Absicht zur Charakterisierung des verbotenen Verhaltens als Unrecht erforderlich ist, wird man diese als Normmerkmal anzusehen haben. Das Finalerfordernis der strafrechtlich relevanten Verhaltensnorm findet sich im Gegensatz dazu bei außerstrafrechtlichen Normen so nicht. Wie schon erwähnt, handelt auch derjenige der verwaltungsrechtlichen Regelungen zuwider und setzt damit potentiell Behördenreaktionen in Gang, der weder vorsätzlich noch fahrlässig, ja möglicherweise nicht einmal willkürlich agiert. Dies bestätigt sich im übrigen auch bei einem Blick auf das Gefahrenabwehrrecht. Störungen der öffentlichen Sicherheit werden unter anderem durch den Bruch von Rechtsnormen hervorgerufen 110 und führen zur Polizeipflichtigkeit des Störers. Auf dessen Handlungswillen, Delikts- oder Schuldfahigkeit kommt es dabei nicht an. 111 Insbesondere Verstöße gegen die Strafrechtsordnung sind Störungen der öffentlichen Sicherheit, und zwar bereits bei Verwirklichung nur des objektiven Tatbestands,112 das heißt, auch bei aus subjektiven Gründen nicht verhaltensnormwidrigem Verhalten. Beispielsweise wäre etwa derjenige, der anläßlich eines Grundstückskaufes in den Besitz von dort vergrabenen Schußwaffen geriete und weder Kenntnis von ihrem Vorhandensein hätte noch diese Unkenntnis für ihn vorhersehbar und vermeidbar wäre, demzufolge auch nicht die nach §§ 28 I WaffG erforderliche Genehmigung besäße, sicherlich strafrechlich nach § 53 I Nr. 3a, IV WaffG nicht verantwortlich, weil er in Bezug auf die fragliche Verhaltensnorm, die den Besitz bzw. den Besitz ohne Erlaubnis verbietet,1I3 überhaupt nicht handeln kann. Gleichwohl entspricht der so begründete Besitz nicht dem verwaltungsrechtIichen Soll-Zustand ausgeschlossener oder wenigstens minimierter Rechtsgütergefahr, was auf Grund der auf Gefahrenabwehr ausgerichteten Konzeption des WaffG notwendigerweise zur VgI. Kindhäuser, Gefährdung, S. 99 f.; J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 51 (dort Fn. 143). Die Vorschrift lautet in den hier interessierenden Passagen: "Mit . . . wird bestraft, wer . . . unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen, ... " 110 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 236. 111 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 236. 112 Vgl. BVerwGE 64, 55, 61; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 237. 113 Zur Gestalt der Norm in diesen Fällen vgI. näher unten im 3. Kapitel bei A.II.4. 108

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Konsequenz hat, daß sich für die Behörde Handlungsmöglichkeiten eröffnen, z. B. im Wege allgemein-polizeilicher oder der in § 40 II WaffG explizit geregelten Sicherungsmaßnahmen.

Dennoch erwartet natürlich auch das Verwaltungsrecht von dem Normadressaten ein bestimmtes Verhalten, soweit er dazu subjektiv in der Lage ist, im obigen Beispiel das Unterlassen des Inbesitznehmens von Sprengstoff ohne Genehmigung. Daß dies nicht ausschließlich der flankierenden Strafrechtsnorm vorbehalten sein kann, ergibt sich schon daraus, daß ja, wie die zahlreichen Erlaubnisvorbehalte der §§ 2, 3 WHG einerseits und die in Relation dazu enge Strafvorschrift des § 324 StGB andererseits zeigen, ein umfassender Strafrechtsschutz der Verwaltungsrechtsnorm gelegentlich fehlt, die Verhaltenssteuerung also hinsichtlich des so nicht erfaßbaren Bereichs notwendig von dieser selbst übernommen werden muß. Wie im Strafrecht ist auch im Verwaltungsrecht die Verhaltensnorm allerdings wörtlich oft nicht im Verwaltungsrechtssatz zu finden, so daß es wie dort zur Entdeckung eines Ge- oder Verbots der Interpretation des positivrechtlichen Regelungswerkes bedarf. Der bereits angesprochene § 2 WHG etwa stellt nur den Genehmigungsvorbehalt auf (..Eine Benutzung ... bedarf der behördlichen Erlaubnis . . ."). Dieser Rechtssatz impliziert zwar ein damit einhergehendes Verbot ungenehmigter Benutzung; dieses ist indes im Wortlaut nirgends zu finden . Das Gegenbeispiel einer expliziten positiven Verhaltensnorm im Verwaltungsrecht liefert § 15 FlHG (,,Es ist verboten, Fleisch von Hunden .. . einzuführen . . .").

Das Verwaltungsrecht benötigt darüberhinaus aber, wie schon erwähnt, auch eine Zugriffsmöglichkeit, um gegenüber nicht finalem und damit nicht verhaltensnormwidrigem Verhalten den optimalen Rechtsgüterschutz gewährleisten zu können. Wahrend strafrechtlich nur eine Verhaltenszurechnung zu leisten ist, bedarf das Verwaltungsrecht darüber hinaus einer Zustandszurechnung. Nicht wie im Strafrecht nur das Zustandekommen, sondern auch das Bestehen einer verwaltungsrechtswidrigen Situation liefert dabei den Anstoß für die auf den Normverstoß folgende und durch diesen zu legitimierende Reaktion. Selbstverständlich beabsichtigt auch die verwaltungsrechtliche Norm eine Verhaltenssteuerung, jedoch ist dies nicht ihr ausschließlicher Sinn, weshalb sie sich eben nicht auf finale Handlungen beschränken kann. Der darüber hinausgehende Bereich der Norm beschränkt sich auf ein reines, objektives Bewertungsurteil, das einen Zustand als wert oder unwert einstuft. Insoweit ist die Verwaltungsrechtsnorm dann allein eine Bewertungsnorm. Sie liefert die Kriterien dafür, was sein oder nicht sein soll, und damit die Eingriffsgrundlage für eine mögliche behördliche Reaktion und erst in deren weiterer Folge denkbare Beseitigungspflichten des Verursachers. 114 Die Differenzierung zwischen Verhaltensnorm und Bewertungsnorm war oben bereits im Zusammenhang mit dem Inhalt der Strafrechtsnormen angesprochen worden. 115 Die Bewertungsnorm steht logisch vor der Verhaltensnorm; sie muß 114

II~

Oder in polizeilicher Terminologie: des Störers. Vgl. oben bei 1.1.

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sich anders als umgekehrt deshalb nicht auf den Anwendungsbereich der Verhaltensnorm beschränken, wie bereits die Bewertung der Rechtsgutsverletzung als mißbilligter Zustand deutlich macht. Aus strafrechtlicher Sicht spielte ein überschießender Bereich der Bewertungsnorm allerdings bislang keine eigenständige Rolle, weil er isoliert ohne korrespondierenden Verhaltensnormverstoß für die Zurechnung unzureichend wäre. 116 Dies indes ist im Verwaltungsrecht anders. Hier kommt es auf die Eingriffsermächtigung der Verwaltung an, und diese benötigt in aller Regel keine Verhaltenszurechnung im Sinne schuldhafter Pflichtverletzung. Die von Binding ins Auge gefaßte unbesehene Übernahme verwaltungsrechtlicher Normen als Ganzes erscheint damit freilich wegen ihrer Inkongruenz zur Struktur der Strafrechtsnormen zunächst verwehrt. Nun bedeutet die notwendige Differenzierung zwischen Verwaltungsrechtsnorm, verstanden als vornehmliche Bewertungsnorm, und Strafrechtsnorm, bei der die Komponente der Verhaltensnorm im Vordergrund zu stehen hat, hinsichtlich der Handlungsfinalität keineswegs bereits, daß damit die Projektion der Regelungsmaterie, soweit sie denn strukturell deckungsgleich ist, von vorneherein ausgeschlossen wäre. Bevor hierauf näher eingegangen werden kann, ist jedoch angesichts der strafrechtsspezifischen Anforderungen an eine Verhaltensnorm zu untersuchen, inwieweit diese die Normausgestaltung insgesamt präjudizieren.

2. Norminhalt bei Erfolgsdelikten

Handelt es sich bei dem fraglichen Straftatbestand um ein Erfolgsdelikt, dann ist nach herkömmlichem Verständnis die erfolgsorientierte Handlung verboten. \17 In Gegensatz zu der traditionellen Sicht eines Erfolgsverursachungsverbots ist in jüngerer Zeit die vor allem von Frisch formulierte und auf Erkennntnissen Wolters 1l8 aufbauende Auffassung getreten, auch beim Vorsatzdelikt sei nicht erst die Erfolgsherbeiführung, sondern bereits die Schaffung einer objektiv mißbilligten Gefahrenlage Gegenstand des Verbots,I19 während der Erfolg einen Indikator für die Straf116 Zur Rolle der Bewertungsnorm für die Deutung des Erfolges bei Erfolgsdelikten vgl. sogleich im folgenden Kapitel. 117 Vgl. Binding, Normen I, S. 111 ff.; Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 114 ff.; Kindhäuser. Gefahrdung. S. 83. 163; J. Vogel, Norm und pflicht, S. 50 ff.; Zielinski, Handlungsunwert, S. 121. 118 Wolter. Zurechnung I, vor allem S. 25 ff., 68 ff., für den die objektive Gefährlichkeit der "primäre Erfolgsunwert", die Verletzung hingegen den "sekundären Erfolgsunwert" darstellt. 119 Vgl. Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 118 ff., 349 ff., 407 ff.; ders .• Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 36 ff.; zustimmend Freund, Erfolgsdelikt, S. 22 f.; Herzberg, JR 1986,8; ders., JuS 1986. 259 ff., hier jedoch auf einer graduellen Unterscheidbarkeit zwischen dem unerlaubten Risiko des vorsätzlichen und des fahrlässigen Delikts bestehend; ferner Küper. GA 1987, 504 f.; Mir Puig, ZStW 104. 763; Wolter. Zurechnung 11, S. 105; unklar Rudolphi, Zweck staatlichen Strafens, S. 76 f., der jedoch auf S. 82 den - auf den Erfolg gerichteten -

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

würdigkeit der Verhaltensnormverletzung darstelle, indem sein Vorliegen eine besonders eindrucksvolle Normverletzung markiere, deren Sanktionierung sich zu präventiven Zwecken in besonderem Maße eigne. 120 Für Wolter bleibt der Erfolg als Verstoß gegen die weiterreichende Bewertungsnorm Unrecht, seine Verursachung verstößt hingegen nicht gegen die engere Bestimmungsnorm. 121 Frisch begründet die Ausweitung des Handlungsverbots auf jede konkret gefährliche Handlung vom Vorsatzbegriff her. Ob die Handlung zum Erfolg gelangen werde, könne der Täter ex ante häufig nicht festzustellen. 122 Soweit ihm "Wissen" um den (möglichen) Erfolg abverlangt werde, handele es sich mithin um eine schlichte Prognoseentscheidung, substantiell gefaßt das Wissen um die gegenwärtige Bedrohung des Rechtsguts durch den möglichen Erfolgseintritt als Risiko. Als Bezugsobjekt dieses Wissens diene im objektiven Tatbestand die Gefahr für das Rechtsgut, woraus die Reduzierung des tatbestandlichen Verbots auf ein Gefährdungsverbot folge. 123 Frisch ergänzt seine Hypothese mit Argumenten gegen ein bloßes Erfolgsverursachungsverbot: VerhaItensnormen müßten zur Entfaltung motivierender Kraft bereits in der Situation und vom Standpunkt des Täters aus erkennen lassen, was verboten ist. Das sei aber wegen des noch ungewissen Erfolges ex ante nicht möglich. 124 Zudem lasse sich die Versuchsstrafbarkeit, insbesondere des untauglichen Versuchs, nicht befriedigend als Verstoß gegen ein Erfolgsverursachungsverbot erklären. 125 Allerdings erscheint der Rückschluß von der konkreten Ausgestaltung des denkbaren Täterwissens in den klassischen Risikofällen auf die Verhaltensnorm von der Methodik her bedenklich. Wenngleich das Postulat der prinzipiellen Deckungsgleichheit von objektivem und subjektivem Tatbestand Ausgangspunkt jeder VorIntentionsunwert als weiteres Merkmal der Normwidrigkeit nennt; SK-Rudolphi. Rd.-Nr. 70 vor § I StGB. 120 Vgl. Frisch. Tatbestandsmäßiges Verhalten. S. 516 ff.; ähnlich Wolter. Zurechnung I, S. 49. Diese Sicht der Funktion des Erfolges basiert letztlich auf Zielinski. Handlungsunwert, S. 207 ff., der den Erfolg als Vermittlung der Erfahrbarkeit und als Indiz für begangenes Unrecht ansieht. 121 Wolter. Zurechnung I. S. 26 f. 122 Frisch. Vorsatz und Risiko. S. 124 f.; ders., Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 71 ff. Frischs Formulierung, ob ein Gutsobjekt vorhanden ist oder nicht. sei aus der Sicht des Taters ex ante möglicherweise nicht beantwortbar (Vorsatz und Risiko, S. 125), ist freilich mißverständlich. Die Erkenntnis über das Vorhandensein eines Gutobjekts ist nämlich in gleicher Weise Voraussetzung für die Motivationsfähigkeit eines Gefährdungsverbots. Auch dieses kann kann Wirkung entfalten, wenn der Taler erkennt, daß ein Objekt. weIches gefährdungsfähig ist, existiert. 123 Küper. GA 1987,504. 124 Frisch. Vorsatz und Risiko. S. 124 f. 125 Frisch. Vorsatz und Risiko, S. 125 f. Frisch. Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 42 f .• relativiert dieses Argument allerdings: Die Problematik einer Konstruktion des strafrechtlichen Systems aus der Perspektive des untauglichen Versuchs sei oft genug betont worden. Das Verbot eines nur subjektiv gefährlichen Handeins sei nur einleuchtend, wenn zugleich die objektive Risikoschaffung verboten sei.

11. Regelungsgehalt der Nonnen

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satzdogmatik zu sein hat, so ist es doch unzulässig, notwendigerweise auftretende Vorsatzdefizite in bestimmten, kriminalpolitisch als verfolgenswert einzustufenden Fallgruppen durch eine Reduzierung der im gesetzlichen Tatbestand festgeschriebenen typisierten Unrechtsmerkmale auszugleichen und so im Ergebnis die Verbotsmaterie auszudehnen. 126 Vielmehr sind die Anforderungen an den Vorsatz von der Unrechtsmaterie her zu bestimmen. Frischs Argumentation des logisch fehlenden positiven Erfolgswissens versucht Kindhäuser dadurch den Boden zu entziehen, daß er die Normwidrigkeit nicht wie üblich ex ante, also mit Blick auf die konkrete Entscheidungssituation des Täters, sondern ex post feststellen Will. 127 Er begründet dies einerseits damit, die Verhaltensnorm verbiete die Verursachung des Erfolges und nicht eine Handlung, die nach Ansicht eines wie auch immer beschaffenen fiktiven Beobachters geeignet sei, den Erfolg zu verursachen. 128 Andererseits sei es auch unmöglich, einen tauglichen Maßstab für den Wissenshorizont des fiktiven Beobachters zu gewinnen. 129 Zwar soll nicht verkannt werden, daß bei einer (verobjektivierenden) ex-post-Betrachtung die Bewertung insbesondere untypischer Kausalverläufe leichter fällt als bei subjektiver ex-ante-Sicht. 130 Andererseits verliert auf diese Weise die Norm ihre Funktion als Verhaltensnorm und gerät zur bloßen Zurechnungsregel. Dem Täter wird nicht mehr (ex ante) gesagt, wie er sich zu verhalten hat, sondern (ex post) verdeutlicht, warum er nunmehr zu bestrafen sei. Dies allerdings ist als Legitimation des Schuldvorwurfs nicht ausreichend. 131 Freilich übersieht Frisch bei seinem Verständnis der Erfolgsverursachung als subjektiver Risikoschaffung, daß verursachter Erfolg und Gefährdung handlungstheoretisch im Kern dieselbe Struktur aufweisen, nämlich sich jeweils als eine Veränderung der Außenwelt durch die Handlung darstellen. Der abgefeuerte Schuß trifft oder verfehlt (knapp) sein Ziel. Im ersten Fall führt die Handlung zum Erfolg, im zweiten zur Gefährdung. Daran ändert sich nichts, wenn man darauf verweist, daß im ersten Fall auch schon die Handlung riskant ist, der Erfolg aber erst als Konsequenz der (riskanten) Handlung auftritt. "Riskant" und ,,Erfolg" sind nämlich Begriffe, die einander nicht entsprechen und deren Verwendung als vermeintliches Gegensatzpaar Unterschiede suggeriert, die in dieser Form gar nicht vorhan126 So zutreffend die Kritik von Schünemann, Systemdenken, S. 63; vgl. dazu auch Roxin, ZStW 74, 548. 127 Vgl. Kindhäuser; Gefahrdung, S. 53. 128 Kindhäuser; Gefahrdung, S. 53. 129 Kindhäuser; Gefahrdung, S. 61 f. 130 So auch Kuhlen, GA 1990, 480, der zudem darauf verweist, nach Kindhäusers Modell der Nonn wäre der Versuch notwendigerweise nicht nonnwidrig, weil er sich ja gerade durch das Geschehen als objektiv ungeeignet zur Erfolgsverursachung erwiesen hat. 131 Freund, Erfolgsdelikt, S. 122 ff., weist zudem darauf hin, daß die Nonn in Kindhäusers Straftatsystem damit nicht mehr um des Rechtsgüterinteresses dazu diene, Verhalten zu steuern, sondern diese Funktion nunmehr im Interesse des Taters, nicht bestraft zu werden, wahrnehme.

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den sind. Stellt man hingegen klar, daß es in der Sache um eine - allerdings auf der wo auch immer zu ziehenden Grenzlinie nur graduelle - Differenzierung hinsichtlich der Rechtsgutsbedrohung jeweils auf Grund einer Handlung geht, so ist das abgegrenzte Verbot der einen wie der anderen Gruppe von Handlungen logisch denkbar. Hiergegen spricht nicht, daß ein Verbot aller riskanten Handlungen vermeintlich eher zu motivieren geeignet ist als ein Verbot nur erwartbarer, wahrscheinlicher oder nahezu sicherer erfolgsträchtiger Handlungen. Dies beruht schlicht darauf, daß die allgemeine Gefahrlichkeit einer Handlung naturgemäß eher augenfallig wird als ein bestimmtes Maß ihrer Erfolgsträchtigkeit, und zwar deshalb, weil die Verbotsmaterie umfassender, ein Irrtum daher unwahrscheinlicher wird. Möglich ist es indes, das eine wie das andere zu erkennen und demzufolge einem entsprechenden Verbot zu folgen. Daß ein aufgesetzter Kopfschuß höchstwahrscheinlich, wenn auch keineswegs sicher, zum Tode führen wird, ist jedem Tater schon ex ante ersichtlich. Fernliegende Risiken sind dagegen genauso schlecht zu erkennen wie auf ungewöhnliche Weise erfolgsträchtige Kausalverläufe. Strukturell liegen somit Erfolgs- wie Gefahrdungsdelikten in der Tat Gefahrdungsverbote zugrunde, die aber hinsichtlich ihrer Intention klar unterscheidbar sind. Die Verhaltensnormen der Erfolgsdelikte verbieten Handlungen, die aus Sicht des Taters zum Erfolg führen sollen oder voraussichtlich werden, während die Bestimmungsnormen der Gefahrdungsdelikte Handlungen verhindern wollen, die aus Sicht des Taters ein Risiko schaffen, das sich weder nach seinem Willen in einem Erfolg realisieren soll noch wo dieses nach seinen Kenntnissen zu erwarten steht. Den Erfolg mit Blick auf einen bloßen Bewertungsnormverstoß schon als (eigenständiges) Unrecht zu begreifen und seine Relevanz von daher abzuieiten,I32 ist ebenfalls bedenklich. Dies setzte voraus, daß es eine Bewertungsnorm ohne entsprechende, durchaus vorstellbare Bestimmungsnorm gäbe, den als unerwünscht bewerteten Status zu vermeiden. Daß dies auf eine Unverbindlichkeit der Bewertung hinausliefe, wurde bereits gezeigt. 133 Der Ausweg, die fehlende Bestimmungsnorm schon in dem Verbot der (einfachen) Risikoschaffung zu suchen, befriedigt nicht, weil dies die materielle Diskrepanz zwischen Risiko und Erfolg ignoriert. Verbietet man dem Tater schon jede Risikoschaffung und nicht erst die offensichtlich zum Erfolg führende Handlung, dann kann er im Hinblick auf die Weitläufigkeit des Verbots naturgemäß nicht so bestraft werden wie für einen Verstoß gegen ein enger an der Erfolgsverursachung orientiertes Verbot,I34 woraus sich die unterschiedlichen Strafrahmen der Erfolgs- und Gefahrdungsdelikte erklären. Solange nicht die Erfolgsverursachung als erfolgsintendierende Gefahrdung verboten ist (und solange der Erfolg deshalb nur als besondere Nebenfolge der an sich verbotenen schlichten Risikoschaffung, des Prototyp des Unrechts, gilt), ver132 So aber beispielsweise Roxin, Strafrecht AT I, § 10, Rd.-Nr. 93 ff. ; LK(lI )-Jescheck, Rd.-Nr. 43 f. vor § 13 StGB; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 238 ff. J33 Vgl. oben bei 1.1. 134 Ähnliche Erwägung bei Mir Puig, ZStW 104,770 f.

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mag sie keine ausreichende Legitimation für einen eigenständigen Schuldvorwurf des Erfolgsdelikts darzustellen. 135 Der Erfolg mag dann die Strafzumessung gegenüber derjenigen beim Gefährdungsdelikt graduell beeinflussen können, nicht aber, wie dies die klassischen Verletzungsdelikte tun, die regelmäßige Verwirklichung eines zum Teil signifikant höheren Strafrahmens l36 zu begründen. Auch wäre die - bei vorhandener Versuchsstrafbarkeit - trotz Fehlens des Erfolges regelmäßig gegenüber dem, dann ja letztlich vom Schuldgehalt wohl inhalts gleichen, Gefährdungsdelikt deutlich höhere Strafdrohung kaum zu rechtfertigen. 137 Vielmehr sind anhand des dem Täter zuzurechnenden Prognosewissens oder Erfolgswillens eine Erfolgs- und eine schlichte Risikofinalität mit entsprechenden Differenzierungsmöglichkeiten hinsichtlich des Grades von Unrecht und Schuld zu unterscheiden. So läßt sich dann auch die Versuchsstrafbarkeit ohne das Vorliegen einer objektiv gesteigerten Gefahr für das Rechtsgut erklären. Die VerhaItensnorm lautet als ein Verbot, auf eine bestimmte Rechtsgutsbeeinträchtigung hinzuwirken. Diese Norm aber wird durch jede Handlung, die final den Erfolg intendiert, mißachtet. 138 Mithin ist der Versuch der Tat, unabhängig von seiner Tauglichkeit oder Untauglichkeit, ebenso normwidrig wie die der Vollendung zugrundeliegende Handlung. Die Bestrafung wegen Versuchs setzt - neben anderem - die Kenntnis der Gefährlichkeit und damit ebenso die Kenntnis von der potentiellen Erfolgsursächlichkeit voraus. Der Versuchstäter stellt sich also nicht gegen ein objektives Verbot der Gefahrschaffung, sondern vor allem gegen das Verbot, aus seiner Sicht Ursachen für (zukünftige) Erfolge zu setzen. Zwar entspricht dem auf objektiver Handlungsebene mangels der Eignung zu tatsächlicher Rechtsgutsbeeinträchtigung kein aus sich heraus zu mißbilligendes Geschehen, jedoch ist dies unabhängig davon, ob man dieses nun als Erfolgs- oder bloße objektive Risikoschaffung definiert.

\3S Dies verkennt Wolter m.E., wenn er von einem "gelockerten Schuldbezug" spricht und diesen als Legitimation heranzieht (Zurechnung I, S. 123 ff.). Unter dem Strich wird für einen Teil des Vorwurfs auf Schuld im Sinne des Anders-Handeln-Könnens schlicht verzichtet. 136 Man denke hier nur an die Strafdrohungen für vorsätzliche Tötung (§ 212 StGB) im Vergleich zu der für eine Vielzahl von Lebensgefahrdungen (z. B. §§ 218 11 Nr. 2, 315 ff., 330a StGB, 146 I BBergG, 39 III GenTG, 148 Nr. 2 GewO, 40 III SprengG). 137 Die Milderung für den Versuch nach §§ 23 11,49 I StGB ist bekanntlich zwar nach herkömmlicher Sicht auf Ausnahmefalle beschränkt, vgl. Tröndle, Rd.-Nr. 3 zu § 23 StGB; lAckner, Rd.-Nr. 2 zu § 23 StGB; SchönkeISchröder-Eser, Rd.-Nr. 7 f. zu § 23 StGB; Jakobs, Strafrecht AT, 25.Abschnitt, Rd.-Nr. 77 ff. Warum das Gesetz für den Versuch aber im Grundsatz auch den Strafrahmen des vollendeten Delikts zur Verfügung stellt, wäre vor allem im Blick auf die Gefahrdungsdelikte und auf der Basis bloßer Risikoschaffung als insoweit identischer Verbotsmaterie nicht recht erklärbar, wenn der objektive Erfolgseintritt wirklich die ihm zugemessene überragende Rolle hätte. 138 Vgl. Zielinski, Handlungsunwert, S. 136; ähnlich Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 172 ff., 197 ff. Mißverständlich argumentiert insoweit 1iedemann, FS-Baumann, S. 11, der zwar keinen Bruch der VerhaItensnonn, wohl aber eine nach außen betätigte Nichtanerkennung der Nonn als Strafgrund des Versuchs ansieht.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Es wäre deshalb zu unpräzise. die Verhaltensnormen der Erfolgsdelikte nur als bloße Gefährdungsverbote zu verstehen. Sie sind dies zwar ihrer groben Struktur nach. unterscheiden sich vom einfachen Gefährdungsverbot aber darin. daß sie nur den Erfolg intendierende Handlungen. also Gefährdungen mit einer subjektiv dichteren Beziehung zur Rechtsgutsbeeinträchtigung verbieten. Aus dieser besonderen Beziehung der Täterintention zum Erfolg (und nicht nur zu einer Gefährdung) rechtfertigt sich der gesteigerte Schuldvorwurf der Erfolgsdelikte. Andererseits ist klar. daß die Erfolgsverursachung selber nicht zum (Bestimmungs-)Norrngegenstand gehören kann. die tradierte Sicht von Erfolgsverursachungsverboten insoweit zumindest mißverständlich ist. Der Erfolg ist vielmehr nur ein Element der Bewertungsnorm und eben deshalb kein zurechenbarer Normverstoß. sondern allein ein aus dem Umstand des Widerspruchs zur Bewertungsnorm abgeleitetes - und freilich ganz massives - Strafwürdigkeitsmerkmal. Ausschließlich als solches begründet es die tendenziell höhere (oder gar ausschließliche) Sanktionierung der Vollendung gegenüber dem Versuch. 3. Die Verhaltensnorm bei den Fahrlässigkeitsdelikten

Die vielfach anzutreffende Ausdehnung der Strafbarkeit auf fahrlässiges Verhalten bei im übrigen identischer Beschreibung des Erfolgssachverhalts (z. B. §§ 223/ 229. 316 I/TI StGB. 39 TI/V GenTG) und teilweise sogar gleicher Strafandrohung 139 wirft die Frage auf. ob die jeweils zugrunde liegenden Verhaltensnormen jedenfalls hinsichtlich ihrer objektiven Bezugspunkte (bei § 316 StGB also das Fahren trotz Fahruntauglichkeit) übereinstimmen und nur die Finalitätsbeziehung zu Handlung bzw. Erfolg eine andere ist. oder ob nicht vielmehr die den Fahrlässigkeitsdelikten zu unterlegende Verhaltensnorm auch insoweit Abweichungen aufweist. also letztlich ein aliud verboten ist. Vordergründig spricht angesichts des Wortlautes gerade der nicht zu den Erfolgsdelikten zählenden Tatbestände vieles für die erste Lösung. Der Verstoß gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung etwa (ggfs. strafbar nach § 3l5c I Nr. 2d StGB) setzt nicht voraus. daß die tatsächlich gefahrene und konkret erlaubte Geschwindigkeit wahrgenommen wird. Vielmehr wird gegen das Verbot auch bei völliger Unkenntnis der genannten Umstände verstoßen. solange nur die Möglichkeit zur finalen Steuerung besteht. der Täter demnach in der Lage wäre. wenn er nur wollte. final zu handeln. also die Geschwindigkeit wahrzunehmen und sein Verhalten darauf einzurichten. Vermag er nicht zu handeln (z. B. als Beifahrer) oder ist er nicht in der Lage. final zu handeln (z. B. weil er die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht wahrgenommen hat). so erfaßt das Verbot sein Verhalten jedenfalls unmittelbar nicht und mag allenfalls wegen finalen Vorverhaltens über dieses zur Anwendung gelangen.

Gleichwohl wirft die Herausarbeitung von Verhaltensnormen bei Fahrlässigkeitsdelikten konstruktive Probleme auf. Die Schwierigkeiten der klassischen fina139 Vgl. die §§ 23 ApothekenG. 61 AromenVO. 24 I ButterVO. 26 I DiätVO. 7b I Spei seeisVO. die für vorsätzliche und fahrlässige Begehung dieselbe Strafdrohung nennen.

11. Regelungsgehalt der Normen

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len Handlungslehre mit dem Fahrlässigkeitsdelikt sind bekannt. 140 Die Verhaltensnorm, wie sie bislang für Vorsatzdelikte formuliert war, verbietet bei Erfolgsdeliken das Hinarbeiten auf den Erfolg, verstanden als finale, rechtsgutsbeeinträchtigende Zustandsveränderung, bzw. ansonsten die jeweils konkret benannte Handlung. Während dem vorsätzlich handelnden Täter bei Kenntnis der Bestimmungsnorm klar ist, was er tun oder nicht tun soll, erkennt der Fahrlässigkeitstäter unter Umständen nicht, daß ein rechtlich mißbilligter Erfolg Konsequenz seiner Handlung ist; wüßte er es, würde er die Handlung unterlassen. 141 Ebenso verhält es sich mit verbotenen Tätigkeiten. Charakteristikum der Fahrlässigkeitstat ist hier, daß der Täter ein oder gar mehrere Momente der Handlungsbeschreibung nicht wahrnimmt, gewissermaßen einem Tatbestandirrtum hinsichtlich der Erfolgsverursachung bzw. dem entsprechenden Moment der Handlungsbeschreibung unterliegt. Das Verbot, eine Schußwaffe zu erwerben, läuft gegenüber demjenigen leer, der, weil er etwa eine nachträgliche Manipulation an der Waffe nicht bemerkt, meint, eine zugelassene Gaspistole zu erwerben. Sähe er, was er zu erwerben sich anschickt, so hätte er die Chance, sich nach der Norm zu richten. So jedoch fühlt er sich von ihr nicht angesprochen und nicht betroffen. Ein schlichtes Erfolgsverursachungs- oder Handlungsverbot, aber auch ein allgemeines Gebot, Rechtsgutsbeeinträchtigungen zu vermeiden, wie es Gössel stattdessen konstruiert,142 vermag den Fahrlässigkeitstäter deshalb nicht zu motivieren,143 so daß ein auf seiner Basis konstruierter Normverstoß als Grundlage der Strafbarkeit von daher fragwürdig bleiben muß. Es fehlt mit anderen Worten die finale Verknüpfung von (verbotener) Erfolgsverursachung oder Handlung zum jeweiligen Täterverhalten. Binding hat dem durch die Konstruktion eines zum Verbot korrespondierenden Gebots sorgsamen HandeIns Rechnung zu tragen versucht,l44 dem aber entgegenzuhalten ist, daß auch ein allgemeines Sorgfaltsgebot nur den zu erreichen vermag, der jedenfalls die Gefährlichkeit der Handlung realisiert hat, was wiederum nicht notwendige Voraussetzung einer Fahrlässigkeitstat nach modernem Verständnis ist. 145 Der von Jakobs entwickelte Ansatz, als originären Anknüpfungspunkt der Norm nicht die Kenntnis der Handlungsfolgen, sondern ihrer Vermeidbarkeit anzusehen, 146 löst das Problem letztlich ebenfalls nicht auf. Die Verhaltensnorm würde nach Ja140 Vgl. BaunUlnn/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13, Rd.-Nr. 74 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 6.Abschnitt Rd.-Nr. 15; ders., Studien, S. 70 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 221; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 16 Rd.-Nr. 45; SchünenUlnn, Systemdenken, S. 39 f. 141 Auch bei der bewußten Fahrlässigkeit ist dies nicht wesentlich anders. Zwar kennt der Täter das Risiko seiner Handlung, er vertraut aber auf den Nichteintritt des Erfolges. Wüßte er, daß der Erfolg eintreten wird, würde auch er die Handlung unterlassen. 142 Gössel, FS-Bruns, S. 49. 143 Eingehend zum psychischen Vorgang der Motivation Jakobs, Studien, S. 28 ff., 41 ff. 144 Binding, Normen I, S. 110 f.; Normen 11, S. 236 ff., 241; dazu eingehend und kritisch Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 114 ff. 145 VgI. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 120. 146 Jakobs, Studien, S. 75 f.

2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

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kobs sinngemäß dahin lauten müssen, die Schaffung von Bedingungen für Erfolge zu unterlassen, die bei einer vorhandenen Motivation zur Erfolgsvermeidung nicht gesetzt worden wären. 147 Der Handelnde hat sich danach in der konkreten Entscheidungssituation zu fragen, ob er auch handeln würde, wenn es ihm darauf ankäme, einen bestimmten Nebenerfolg des eigentlichen Handlungszieles nicht zu verwirklichen. Die Eignung zur Motivation einer derartigen Norm erscheint indes fraglich: Sie fingiert die Erfolgsvermeidung als dominantes Handlungsmotiv, was an der konkreten Entscheidungssituation, die im Zweifel gerade von der Unkenntnis des zu erwartenden Erfolgseintritts geprägt ist, vorbeigeht. Auch ist nicht einsichtig, worin der wesentliche Unterschied zu einem schlichten Erfolgsverursachungsverbot liegen soll. Demgegenüber deutet Armin Kaufmann als Grundlage des Fahrlässigkeitsdelikts kein Gebot der Sorgfalt, sondern ein Verbot an, das allerdings in zwei unterschiedlichen Gestaltungen auftritt: Gegenüber dem Sorgfaltsfähigen werde die Vornahme ohne die verkehrsübliche Sorgfalt, gegenüber dem Sorgfalts unfähigen aber die Handlung insgesamt verboten. 148 Wer danach die gefahrbegründenden Umstände sieht, hat der Gefahr durch Sicherheitsvorkehrungen zu begegnen oder notfalls die Handlung zu unterlassen. Wer nicht einmal die potentielle Gefährlichkeit der Situation erkennt, muß die Handlung gänzlich unterlassen. Im Ergebnis bedeutet dies ein präventives Verbot der gefährlichen Tätigkeit mit dem Vorbehalt einer Zulassung bei gleichzeitiger Ausschaltung der spezifischen Gefahren. Zielinski 149 hat den Ansatz Armin Kaufmanns weiterentwickelt und - auf dessen Unterscheidung von Norm und Pflicht gestützt - als Gegenstand der Fahrlässigkeitsnorm das generelle Verbot abstrakt gefährlicher Handlungen angenommen. 150 Jedoch ist nicht jede abstrakt gefährliche Handlung auch pflichtwidrig. Eine abstrakt gefährliche Handlung ist nur dann konkret verboten, wenn sie auch in concreto gefährlich iSt. 151 Schließt der Täter nämlich in Kenntnis der Gefährlichkeit diese durch Vorsichtsmaßnahmen aus, so kann die nunmehr ungefährliche Handlung nicht verbotswidrig sein. Die Verhaltensnorm konkretisiert sich daher nur dann zur (Unterlassens-)Pflicht, wenn der Täter handelt, ohne die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten zu lassen. 152 Diese von Zielinski so genannte "ohne-zu-Komponente" kann dabei aus mehreren Erwägungen heraus nicht bereits Normbestandteil sein: Sie Vgl. Jakobs, Studien, S. 83, 127. Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 284 f. 149 Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff, S. 152 ff. ISO Mißverständlich nunmehr AK-StGB-Zielinski, Rd.-Nr. 11 zu §§ 15, 16 StGB, wenn dort gesagt wird, der Gesetzgeber habe die Verhaltensnorm bei den Fahrlässigkeitsdelikten nicht formuliert. Der Konkretisierungsprozeß mag hier größere Präzisionsleistungen erbringen müssen als sonst; gleichwohl impliziert dies nicht das Fehlen einer abstrakten, aus dem Gesetz entwickelbaren Bestimmungsnorm. Eine andere Sicht geriete zudem in Konflikte mit dem Gebot gesetzlicher Bestimmung des Strafbaren. ISI Zielinski, Handlungsunwert, S. 173. IS2 Zielinski, Handlungsunwert, S. 181 ff. 147

148

11. Regelungsgehalt der Normen

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muß schon deshalb außerhalb der Finalität stehen, weil auch derjenige, der nicht daran denkt, daß er etwas Risikominderndes unterlassen hat, nonnwidrig handelt. Wer vor einer Bergkuppe zum Überholen ansetzt, handelt zweifellos auch dann nonn- und sorgfaltswidrig, wenn er die Notwendigkeit oder Möglichkeit von risikomindernden Vorsichtsmaßnahmen überhaupt nicht in Erwägung zieht. Allgemeiner: Das Erfordernis eines bewußten Unterlassens von Vorsichtsmaßnahmen wäre gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit unbewußter Fahrlässigkeit. Zudem wäre angesichts der Vielzahl von denkbaren Maßnahmen zur Gefahrreduzierung ein Vorsatz, der das Nichtvorliegen all dieser Möglichkeiten umfaßt, irreal. 153 Dem Dilemma, daß die eigentlich unrechtsbegründende "ohne-zu-Komponente" als Rechtspflichtmerkmal außerhalb der Finalität steht, versucht Struensee dadurch zu begegnen, daß er einen subjektiven Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts konstruiert, in welchem im Rahmen der Sorgfaltswidrigkeit danach zu fragen sei, ob der Tater von den Bedingungen eines eingetretenen Erfolges einen tatbestandsrelevanten Ausschnitt kennt, von dem nach der Bewertung der Rechtsordnung eine intolerable Gefahr ausgeht. 154 Nonnausfonnung und -anwendung auf den Fall werden dabei allerdings bewußt ineinander verzahnt, Sorgfaltswidrigkeit und Nonnwidrigkeit zu letztlich inhaltsgleichen Begriffen l55 und der objektive Tatbestand allein bereits durch die - nonnunabhängige - naturgesetzlich-kausale Beziehung von Handlung und Erfolg gekennzeichnet. 156 Wenngleich die Fonnulierung der Bestimmungsnonn nicht das primäre Interesse Struensees Tatbestands-Modell ist l57 und es im Prinzip nonnentheoretisch auch nicht sein kann, daß objektiv-tatbestandliches Handeln nicht der Verhaltensnonn zuwiderläuft, so deutet er in der Folge doch an, wie eine abstraktere Nonnfassung zu gewinnen sein mag, insbesondere mit seinen Ausführungen zu den Fällen mangelnder innerer Sorgfalt. Im Fall des Überholens vor der Bergkuppe etwa soll das Unwerturteil über die abstrakt gefahrliehe Handlung gerade deshalb begründet sein, weil die Situation unüberschaubar ist. Unüberprüfbare oder ungeprüfte überprüfbare Risiken werden von der Rechtsordnung nicht toleriert. ,,Nicht der Mangel an Aufmerksamkeit, Prüfung oder Untersuchung kennzeichnet den Sachverhalt, der das Unwerturteil trägt, sondern das Handeln in einer . . . in Bezug auf bestimmte Risikofaktoren offenen, ungewissen Situation.,,15S Die "ohne-zu-Komponente" Zielinskis wird damit abstrahiert zu einem verallgemeinerungsfähigen Nonnbestandteil der Verpflichtung zur Prüfung und / oder zur Reduzierung der Gefahrträchtigkeit des Handeins. Verboten ist daVgl. Zielinski, Handlungsunwert, S. 174 ff. Struensee, JZ 1987, 60; ähnlich Hoyer. Strafrechtsdogmatik, S. 250 ff.; kritisch zu Struensees Modell vor allem Herzberg, JZ 1987, 536 ff. ISS Vgl. Struensee, JZ 1987,58,60 f., ders., GA 1987, 100. IS6 Vgl. Struensee, GA 1987, 105. IS7 Struensee geht es offenbar in erster Linie um eine dogmatisch saubere Berücksichtigung der Unkenntnis außergewöhnlicher gefahrbegründender Umstände oder tätereigenen Sonderwissens. IS8 Struensee, JZ 1987,62. IS3

IS4

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

nach, eine abstrakt gefährliche Handlung vorzunehmen, solange das (prütbare) Risiko ungeprüft (oder das darauf erkannte Risiko nicht hinreichend gemindert) ist. Mit dieser abstrakten Normfassung ist einerseits die verbotene Handlung allgemein und umfassend beschrieben, zugleich aber auch die Finalität des HandeIns berücksichtigt. Dem Tater wird nicht die Kenntnis einer bestimmten unterlassenen Risikoreduzierung abverlangt, sondern nur das Wissen um die potentiell risikobegründenden Umstände und das Fehlen jeglicher Gefahrenvorsorge. Er muß darüber hinaus nicht wissen, welche möglichen Vorkehrungen er alle unterlassen hat, sondern nur, daß er gar nichts unternommen hat. Damit ist der Bereich der unbewußten Fahrlässigkeit nicht verlassen, weil die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände einer Handlung keinesfalls mit dem Bewußtsein eines möglichen Erfolges verwechselt werden darf. 159 Wer beispielsweise alkoholisiert fährt, kennt mit der Alkoholaufnahme den Umstand, der möglicherweise zu einer Reduzierung seiner Fahrtüchtigkeit und damit zu einer möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führen kann, macht sich aber deshalb nicht notwendigerweise Gedanken über die eventuellen Folgen seines Tuns, also über eine konkrete Gefahr oder gar einen Erfolg. Gleichwohl handelt er normwidrig in Bezug auf die §§ 223, 229 StGB, weil er in Kenntnis der generell gefahrbegründenden Umstände (Trunkenheit) handelt, ohne deren Risiko zu prüfen (unbewußte Fahrlässigkeit) oder einer erkannten Gefährlichkeit durch adäquate Vorsichtsmaßnahmen zu begegnen (bewußte Fahrlässigkeit/bedingter Vorsatz). Die Nichtprüfung bzw. die Nichtabwendung einer erkannten Gefahr sind dann aber durchaus als Gegenstand finaler Handlungen zu verstehen, nämlich des ungeprüften HandeIns (und damit nicht etwa eigenständige Unterlassungen), weil sie dem finalen Ziel dienen, (ohne weiteres) zu handeln. Der Täter handelt ungeprüft, weil er handeln will, und weil diese Handlung auf Grund dem Tater bekannter Umstände potentiell gefährlich ist, ist die finale Verknüpfung von Handlung und Gefahr gegeben. Dabei ist das Wissen um die abstrakte Gefährlichkeit ausreichend; einer Kenntnis konkret bevorstehender Gefährdung bedarf es nicht. Konsequenz dieser Konstruktion ist, daß die Bestimmungsnorm des Fahrlässigkeitsdelikts in der Form des Erfolgsdelikts letztlich kein Verbot mehr ist, erfolgsintendierende Handlungen zu unterlassen, sondern ein schlichtes, allgemeines Gefährdungsverbot darstellt, 160 bei welchem der Erfolg hier noch deutlicher eine völlig bestimmungsnormunabhängige Strafbarkeitsvoraussetzung darstellt. Dabei mag auf den ersten Blick die vermeintlich drohende Auffächerung der Norminhalte abschrecken, die anstelle eines schlichten Verletzungsverbots nunmehr aus einer Vielzahl von Gefährdungsverboten bestehen. 161 Dies verkennt allerdings die Un1'9 Dies verkennen offenbar Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13, Rd.-Nr. 77, wenn sie Struensee entgegenhalten, es fehle bei unbewußter Fahrlässigkeit an einer Finalität in Bezug auf das Risiko. Tatsächlich geht es auch nicht um das Risiko als solches, sondern um die risikobegründenden Faktoren. 1110 Ebenso Stratenwerth, Strafrecht AT, Rd.-Nr. 1100. 161 Vgl. J. Vogel, Norm und Pflicht. S. 56.

H. Regelungsgehalt der Normen

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terscheidung zwischen abstrakter Bestimmungsnonn und auf die Situation konkretisierter Pflicht. 162 Auch beim Vorsatzdelikt konkretisiert sich das einheitliche Erfolgsverursachungsverbot bei § 212 StGB in eine solche Vielzahl von Pflichten zur Unterlassung bestimmter, ins Auge gefaßter Tötungsvorgänge, wie es Ta.ter, T6tungsweisen und Tatsituationen gibt. Ebenso ist die Verhaltensnonn der Fahrlässigkeitsdelikte zunächst einheitlich (z. B.: "Es ist verboten zu handeln, wenn Umstände eine Lebensgefährdung offenlassen und dieses Risiko nicht überprüft und ggfs. beseitigt ist") und wird erst in der Konkretisierung auf den Tater zur nunmehr individuellen Pflicht, die dann allerdings wegen der Unzahl denkbarer Risikosituationen in jedem Einzelfall anders aussehen wird. Letztlich bleibt unter der Prämisse, daß die Verhaltensnonn als Verbot in der Lage sein muß zu (de-)motivieren, gar nichts anderes übrig, als den Anknüpfungspunkt der Verhaltensnonn bei (Erfolgs-) Fahrlässigkeitsdelikten von der Erfolgsverursachung auf die Gefährdung zu verlagern. Wahrend der Erfolg aus der Tatersicht ausgeschlossen ist (sonst würde er nicht handeln), ist dies bei der Gefährlichkeit anders. Hier wird die Handlung in Kenntnis der Risikofaktoren vorgenommen und kann daher als solche auch wegen ihrer Gefährlichkeit gänzlich oder jedenfalls in ihrer gefährdenden Komponente einem Verbot unterliegen. Nicht ganz so deutlich, aber in gleicher Weise bedeutsam wandeln sich die Verhaltensnonnen von den einer Rechtsgutsverletzung vorgelagerten Handlungsverboten, etwa bei § 316 11 StGB. Wer seine Trunkenheit nicht erkennt, wäre von einem schlichten Verbot, nicht im Zustande erheblicher Alkoholisierung zu fahren, nicht berührt. Dieses ist daher vorzuverlagern auf die einem Gefahrdungsverbot beim Erfolgsdelikt entsprechende Fassung. Untersagt ist danach nicht nur das betrunkene Fahren, sondern auch das Fahren, wenn auf Grund erkannter Umstände die Möglichkeit einer alkoholbedingten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit besteht und dieses Risiko nicht zuvor hinreichend aufgeklärt oder eliminiert wird. Die aufgeworfene Fragestellung nach den Komponenten der Verhaltensnonnen beim Fahrlässigkeitsdelikt ist damit dahin zu beantworten, daß wegen der unauflöslichen Verknüpfung zwischen Verhaltensnonn und Finalität des zu nonnierenden Verhaltens die positivrechtlichen Verhaltensumschreibungen ungenau und mißverständlich sind. Da sie den Anspruch erheben wollen, nicht nur einen gezielten Verstoß, sondern überhaupt willkürliches zum Erfolg führendes menschliches Handeln zu regeln, sind sie als Verbot des ungeprüften HandeIns trotz erkannter abstrakter Risikofaktoren zu verstehen.

162

Vgl. schon Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 138 ff.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

4. Funktion des Strafrechtssatzes

Konsequenz der Anerkennung von Nonnen, die nicht nur logisch, sondern auch möglicherweise real außerhalb des Straftatbestandes angesiedelt sind, wäre ein partieller Funktionsverlust für den nach logischer Abstrahierung der Verhaltensnonn verbleibenden Strafrechts satz, der ja selber nichts mehr verbieten würde, sondern eine andere Funktion hätte. Nach Binding regelt er zunächst nicht mehr als die Voraussetzungen für die Entstehung und den Inhalt des konkreten Strafrechtsverhältnisses zwischen strafberechtigtem Staat und Verbrecher. 163 Die Konkretisierung zu einem bestimmten Strafanspruch und den korrelierenden Pflichten, die Strafe zu vollstrecken bzw. zu erdulden, erfolgt erst durch das Strafurteil und nach den Regeln der jeweils geltenden Prozeßordnung. l64 Da eine unmittelbare an den Bürger gerichtete Handlungsanweisung im Strafgesetz als Konsequenz der Nonnentheorie fehlt, käme eine solche allenfalls für die Strafverfolgungsbehörden, den Rechtsstab, in Betracht,165 der, falls jemand die tatbestandlichen Bedingungen erfüllt ("wer - vorsätzlich - einen anderen tötet") zur Tatigkeit verpflichtet ist ("wird ... bestraft"), wobei dies heute allerdings unter dem Vorbehalt des Nichtei'lgreifens von Bestimmungen stünde, die im Rahmen des Opportunitätsprinzips die Nichtbestrafung erlauben. Binding hat einen solchen Imperativ indes schon deshalb abgelehnt, weil die Strafgesetze in dem Moment gänzlich unverbindlich wären, gäbe es einmal - auch nur vorübergehend - keine Strafverfolgungsorgane mehr. l66 Dieses Argument stünde jedoch allenfalls einer ausschließlichen Adressierung der Strafgesetze an die Strafverfolgungsbehörden entgegen,167 wäre es nicht bereits logisch widersprüchlich: Ein Strafgesetz ohne Vollzugsinstanzen wäre bereits kein Strafgesetz, weil Strafe nicht von selbst eintritt, sondern es dazu denknotwendig des Strafprozesses bedarf. 168 Denkt man sich diesen hypothetisch hinweg, dann drohte das materielle Gesetz (zumindest faktisch) keine Strafe mehr an; es stellte vielmehr eine beliebige Regelung des öffentlichen Rechts dar. Die Auffassung, das Strafgesetz sei (auch oder nur) eine Handlungsanweisung an die Strafverfolgungsorgane, begegnet darüber hinaus weiteren Einwänden. Es Binding, Normen I, S. 20 f. Binding, Normen I, S. 22, 24. 16S Vgl. v. Weinrich, ZStW 17,801; ebenso in neuerer Zeit vertreten von J. Vogel, Norm und Pflicht, S. 27; Alwart, S. 146 ff.; insbesondere aber von Schmidhäuser; Form und Gehalt, S. 8 f.; ders., JZ 1989,425; dagegen kritisch Hoerster; JZ 1989,10, ders., JZ 1989,427. 166 Binding, Normen I, S. 14 ff. 167 Annin Kaufmann, Normentheorie, S. 232. 168 Vgl. Hilde Kaufmann, S. 134 f., die zwar die Abgrenzung zwischen materiellem und formellem Recht aus dem insoweit anders strukturierten Zivilrecht übernimmt, damit aber keineswegs bedeuten will, Strafe sei auch ohne formelles Recht denkbar. Vielmehr erarbeitet sie die Zuordnung einzelner Strafbarkeitsvoraussetzungen zu materiellem oder formellem Recht lediglich auf der Basis der rein hypothetischen Annahme, Strafe - und damit Strafrecht - sei ohne Prozeß möglich, ohne diese Hypothese aber für weitergehende Zwecke verifizieren zu wollen oder zu können. 163 164

11. Regelungsgehalt der Nonnen

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vennag nämlich keine aus sich heraus verständliche, ausreichende Nonn darzustellen, weil es dafür viel zu unbestimmt ge faßt wäre. 169 Vielmehr bedarf es mindestens der Ergänzung durch die Nonnen des Strafzumessungs- und Strafprozeßrechts, auf welche Weise zu welcher Strafe zu verurteilen und diese zu vollstrecken ist. Aber selbst dann dürfte, wie Calliess aufgezeigt hat, ein konditionales Verständnis einer Steuerung der Strafverfolgungsbehörden zu eng und durch ein finales, wechselseitig reflexives Interaktionsmodell zu ersetzen sein. Der Tat folgt somit nicht im Sinne einfachen Nonngehorsams die Strafe, sondern diese wird nur unter Berücksichtigung ihrer Wirkungen auf den Tater und über diesen auf die Gesellschaft bestimmbar und verhängt. 17o Selbst als erste, allgemeine Handlungsanweisung eignet sich für die Strafverfolgungsorgane § 15211 StPO viel eher als die Strafgesetze, die er zudem in Bezug nimmt ("verfolgbare Straftat") und damit gleichsam als (untergeordnete) Definitionsvorschriften behandelt. Taugliche (Bestimmungs-)Nonnen für die Strafverfolgungsorgane ergeben sich somit allenfalls aus dem Zusammenhang von Strafgesetz und prozessualen Vorschriften,171 nicht aber aus ersterem alleine. Der Versuch, die Rolle der Strafgesetze für die Strafverfolgungsorgane nonnativ zu beschreiben, gelingt vielleicht noch am ehesten aus staatsrechtlicher Sicht. Sie enthalten die Ennächtigung wie auch die grundsätzliche staatliche Willlenserklärung (nicht aber die subjektive Verpflichtung), wegen des umschriebenen Verhaltens im Interesse der Prävention die angedrohte Strafe als Grundrechtseingriff zulasten des Taters zu verhängen und zu vollstrecken. In Die Interpretation der Strafgesetze als zweiteilige Nonn, deren erster Teil sich mit seinem Verbot an den Bürger und deren zweiter Teil mit dem Bestrafungsgebot an die Strafverfolgungsorgane richtet,173 ist daher im Grunde ebenso ungenau wie die Auffassung Schmidhäusers, die Strafgesetze enthielten gar nur die letztere Nonn. 174 Wenn in der modemen Dogmatik der Strafrechtssatz im Gegensatz zur Verhaltensnonn als Sanktionsnonn bezeichnet wird,175 so ist diese Tenninologie deshalb zwar rechtstheoretisch korrekt, in diesem Kontext indes mißverständlich, weil er eine von dem Begriff der "Nonn" suggerierte Anweisung an Bürger oder Strafverfolgungsorgane nicht enthält. Seine Aufgabe ist es, neben der schon erwähnten Ermächtigungsfunktion für die Strafverfolgung und deren Gegenstück, der Garantiefunktion , Kriterien dafür zu liefern, welche der zahlreichen denkbaren VerhaltensArmin Kaufmann, Nonnentheorie. S. 232. Vgl. Cal/iess, Theorie der Strafe, S. 17 ff. 171 Armin Kaufmann, Nonnentheorie. S. 233; Ludwig, GS 99, 132. J72 Vgl. Ludwig, GS 99, 131; J. Vogel, Nonn und Pflicht, S. 27 f. 173 So bei Affolter, AöR 23. 374; Hoerster, JZ 1989, 10; Kindhäuser, Gefährdung, S. 132; J. Vogel. Nonn und Pflicht, S. 27 ff. 174 Schmidhäuser, Fonn und Gehalt, S. 8 f.; ders .• JZ 1989,425. 17S Dieser Tenninus findet sich beispielsweise bei Freund, Erfolgsdelikt; Jakobs, Studien; Kratzseh, GA 1989,63; Kindhäuser; Gefährdung; Rudolphi, Zweck staatlichen Strafrechts; J. Vogel, Nonn und Pflicht; Wolter, Zurechnung I. 169

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

normverstöße unter weIchen denkbaren Zusatzbedingungen stratbar sein sollen. 176 Derartige Auswahlkriterien allgemeiner Art sind etwa die grundsätzliche Beschränkung auf die Stratbarkeit des vollendeten Delikts (§ 23 I StGB), wodurch vorbehaltlich der Statuierung einer Versuchsstratbarkeit beim einzelnen Delikt die Normverstöße aus der Sanktion herausgenommen werden, bei weIchen es nicht zur Verwirklichung des intendierten Handlungszieles kommt. Neben derart generellen Reduktionen kann die Stratbarkeit durch die Beschreibung der Tat mittels restriktiver Merkmale auf besonders krasse Verstöße reduziert werden. Beispielsweise verlangt § 316 I StGB u. a. das Vorliegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit, während die korrespondierenden verkehrsrechtlichen Verhaltensnormen, die aus § 24a StVG bzw. § 2 I 1 FeVabzuleiten wären, im Ergebnis auch alkoholisiertes Fahren im noch fahrtüchtigen Zustand verbieten. Ein ähnliche Konstruktion liegt der Herausnahme von Bagatellfällen aus der Stratbarkeit, etwa im Falle des § 326 VI StGB, zu Grunde. Schließlich läßt sich der Kreis strafbarer Normverstöße durch besondere Strafbarkeitsvoraussetzungen oder Strafausschließungsgründe einengen, etwa das Strafantragserfordernis (so § 15 III 2 FAG a.F. für fahrlässige Verstöße gegen § 15 I, 11 FAG a.F.) oder die Privilegierung tätiger Reue (z. B. in § 22a V KWG oder bei der Selbstanzeige nach § 371 AO). 5. Zusammenfassung

Als Grundlage der weiteren Überlegungen soll auf der Basis des Bisherigen festgehalten werden, daß vom Straftatbestand logisch gelöste Verhaltensnormen existieren, die das ge- oder verbotene Verhalten als Sollzustand umschreiben und ihrerseits auf entsprechenden Bewertungsnormen von Zuständen und Handlungen als erwünscht bzw. als unwert gründen. Der Straftatbestand muß auf diese Verhaltensnormen Bezug nehmen, damit er ein Verhalten als schuldhafte Pflichtverletzung kennzeichnen und in der Folge mit Strafe bedrohen kann. Während die Verhaltensnorm das gesollte Verhalten benennt, liefert der Straftatbestand die Kriterien und Bedingungen, unter denen der Normverstoß eine Straftat darstellt. Der Straftatbestand ist daher nicht die strafrechtliche Verhaltensnorm, er setzt diese aber notwendig voraus. Die Strafrechtsnorm bedarf als Rechtsnorm einer rechtlichen Fixierung. Sie kann sich daher nur aus dem gesetzlichen Straftatbestand, theoretisch aber genauso aus anderen Rechtsquellen herleiten lassen. Verhaltensnormen existieren auch in verwaltungsrechtlichen Rechtsvorschriften außerhalb des Strafgesetzes; sie gehen dort jedoch einher mit inhaltlich weiterreichenden Bewertungsnormen, die sich auch auf nicht finale Handlungen beziehen und darüber einen erheblichen Teil ihrer Funktion als staatliche Eingriffsermächtigung gewinnen. Strafrechtliche Verhaltensnorm und verwaltungsrechtliche Norm sind deshalb keinesfalls deckungs176

Freund. Erfolgsdelikt, S. 113 ff.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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gleich, was indes eine Teilübereinstimmung und ein Auffinden in derselben positiven Regelung hinsichtlich des finalen Teilaspektes der Verwaltungsrechtsnorm nicht von vorne herein ausschließt. Im Folgenden bleibt aufzuzeigen, in welcher Weise die strafrechtliche Verhaltensnorm vom Inhalt einer strukturell abweichenden, inhaltlich aber ähnlichen Verwaltungsrechtsnorm geprägt wird.

III. Verhältnis von außertatbestandlicher Norm und Strafrechtssatz

Soweit außertatbestandliche Normen des positiven Rechts (wie in weiten Teilen des Kernstrafrechts ) nicht existieren, die (Verhaltens-)Norm daher notgedrungen im Straftatbestand enthalten sein muß, sind mit den bisherigen Ausführungen Aussehen und Standort der Verhaltensnormen weitgehend geklärt. Offengelassen wurde bislang das Verhältnis von Tatbestand und außerstrafrechtlich existenter Verhaltensnorm, wie es für die meisten der hier interessierenden Delikte typisch ist. Das Vorhandensein einer positivrechtlichen (Verhaltens-)Norm, die einem bestimmten Straftatbestand zuordenbar ist, bedeutet ja nicht logisch zwangsläufig, daß im Umkehrschluß eine dort inkorporierte Norm dann fehlen müsse. Die Problematik verschärft sich noch, wenn Straftatbestand und außertatbestandliche Norm inhaltlich auf Grund abweichender Formulierung des positiven Rechtssatzes nicht deckungsgleich sind. Die Annahme einer inkorporierten Norm auch in einer solchen Konstellation, also einer Normenkonkurrenz, wirft sofort die Frage nach dem jeweiligen Vorrang auf. Da der Normverstoß wie erkannt unabdingbare Grundlage strafrechtlicher Zurechnung und damit letztlich Strafbarkeitsvoraussetzung ist, kommt es hier entscheidend darauf an, welche Norm mit ihren Inhalten rur die Subsumtion maßgeblich bleibt, ob also die strafrechtliche Subsumtion die verwaltungsrechtliche nachzuvollziehen hat (Vorrang der Verwaltungsrechtsnorm) oder eigene, an strafrechtsdogmatischen Kriterien und kriminalpolitischen Bedürfnissen orientierte Wege beschreiten kann (Vorrang der Strafrechtsnorm).

1. Verhaltensnorm im StraJrechtssatz trotz positiver außerstrafrechtlicher Norm?

a) Strafvorschriften mit fehlender oder unvollständiger Verhaltensbeschreibung Nach Binding würde die Existenz einer außerstrafrechtlichen (Verhaltens-) Norm bedeuten, daß die ansonsten notwendige Ableitung einer solchen Norm aus dem Tatbestand unterbleiben könnte, mithin eine darin inkorporierte Norm nicht

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

existiert. 177 Die Erkenntnis, daß die für die strafrechtliche Zurechnung relevante Verhaltensnorm sich mit dem Verbot finaler Handlungen auf einen Ausschnitt dessen beschränken muß, was Regelungsgegenstand der (gesamten) Verwaltungsrechtsnorm ist,178 führt allerdings zu dem Schluß, daß eine vollständige Identität beider Normen von vorneherein nicht angenommen werden kann, vielmehr die Verwaltungsrechtsnorm allenfalls nach Herausfilterung derjenigen Materie, die als Grundlage der Zurechnung nicht taugt, weil sie insoweit nur Bewertungsnorm ist, zur Verhaltensnorm im Sinne der Strafgesetze werden kann. Allerdings ist der sich darauf anbietende weitere Schluß, dann sei die Verhaltensnorm eben aus dem Straftatbestand zu gewinnen und dort zuhause, angesichts der Strafbestimmungen, die auf eine vollständige Verhaltensumschreibung überhaupt verzichten, fragwürdig. Ein augenfälliges Beispiel ist die Vorschrift des § 92 I Nr. 6 AuslG: .. Mit ... wird bestraft, wer ... entgegen § 58 I Nr. 2 in das Bundesgebiet einreist . . ." Die in Bezug genommene Vorschrift wiederum lautet: ..Die Einreise eines Ausländers ist unerlaubt, wenn er ... einen erforderlichen Paß nicht besitzt ... " 179 Dem Strafgesetz läßt sich eine taugliche Verhaltensumschreibung alleine nicht entnehmen; es bedarf dafür der Hinzuziehung von § 58 I Nr. 2 AuslG sowie ferner des nicht erwähnten § 4 I AuslG (.. Ausländer, die in das Bundesgebiet einreisen wollen, ... müssen einen gültigen Paß besitzen.") Die gedankliche Integration dieser Normen, die schon nach ihrer Formulierung hinsichtlich der Einreise keine Verhaltensnormen sind (nirgends findet sich das Verbot der Einreise ohne Paß), sondern Bewertungsnormen darstellen, in den Straftatbestand führt zu der beschriebenen Schwierigkeit, daß nur ein Ausschnitt der Normen integrationsfähig ist, nämlich nur, soweit finales Handeln betroffen ist, also nur hinsichtlich ihrer Funktion als Verhaltensnormen des Verwaltungsrechts. Wer beispielsweise nicht erkennt, daß er die Grenze überschreitet, handelt zwar nach wie vor verwaltungsrechtswidrig und muß insoweit mit behördlichen Maßnahmen rechnen. Ein strafbewehrtes Verbot übertritt er hingegen nicht. 180

Es wäre deshalb noch zu einfach, wollte man behaupten, tatsächlich sei die Formulierung der Verwaltungsrechtsnorm schlicht vollständig als Teil des Straftatbestandes mitzulesen. Dies führte nämlich zu dem widersinnigen Ergebnis, daß ein und dieselbe positive Regelung zwei verschiedene Bedeutungen hätte, nämlich eine umfassende verwaltungsrechtliche und eine beschränkte strafrechtliche. Die positive (Bewertungs-)Norm des Verwaltungsrechts kann somit nicht einfach zu einem Teil des Straftatbestandes werden, sondern bedarf zunächst der gedanklichen Rückführung auf ihren strafrechtlich relevanten Ausschnitt. Dieser Reduktionsakt findet auch im Straftatbestand gelegentlich eine Erwähnung durch die ausdrückliche Formulierung ..vorsätzlich" und / oder ..fahrlässig"; er wird bei deren 177 Vgl. Binding, Normen I, S. 45, 71; ähnlich Weidenbach, S. 21 f., sowie v. Weinrich, ZStW 17, 790, 797 f. 178 Vgl. dazu oben bei 11.1. 179 Ein noch drastischeres Beispiel liefert § 28 VersammlG: ..Wer der Vorschrift des § 3 zuwiderhandelt, wird ... bestraft". Hier ergeben sich aus der Strafvorschrift allein noch nicht einmal rudimentäre Verhaltensanweisungen. 180 Der Fahrlässigkeitstatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 93 I AuslG ist auf § 92 I Nr. 6 AuslG nicht anwendbar.

III. Außenatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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Fehlen mindestens aber durch die vorgeschaltete Regelung des § 15 StGB vorausgesetzt. Der scheinbar vorbehaltlose Verweis auf die Verwaltungsrechtsnorm führt somit nur auf den ersten Blick in Schwierigkeiten. Weil klar ist, daß nur ein (finales Handeln betreffender) Ausschnitt der Verwaltungsrechtsnorm strafbewehrt sein soll, ist eben nur dieser Ausschnitt als Gegenstand des Verweises in der Strafbestimmung aufzufassen. Der Straftatbestand nutzt daher nur einen Teil der Verwaltungsrechtsnorm und integriert diesen nunmehr reduzierten Teil in den Garantietatbestand. Im genannten Beispiel des § 92 I Nr. 6 AuslG (und in allen vergleichbaren Fällen) wäre demnach ein solcher Verweis im Tatbestand durch den gedanklichen Zusatz "soweit dort ein Verbot (bzw. Gebot) geregelt ist" zu ergänzen. Auf diese Weise wird einerseits gewährleistet, daß sich der Strafrechtssatz nur auf finales Handeln bezieht, indem alles übrige durch den im Straftatbestand befindlichen Filter ausgesondert wird. Andererseits aber ist damit deutlich, daß hier nicht die Strafvorschrift die Verhaltensnorm beinhaltet, weil sie das nunmehr gefilterte Substrat der Norm nicht selbst wiedergibt, etwa in Gestalt einer modifizierten Verhaltensbeschreibung, sondern dieses explizit im verwaltungsrechtlichen Regelungszusammenhang beläßt und von dort aus in Bezug nimmt. Die Verwaltungsrechtsnorm wird somit in ihren verhaltensorientierten Teilen Gegenstand der straftatbestandlichen Beschreibung typischen Unrechts, sie ist somit insoweit zugleich allgemeine Verwaltungsrechtsnorm als auch Verhaltensnorm des Strafrechts. Die gemeinsamen Normmerkmale, vor allem also die objektive Verhaltensumschreibung, sind damit nicht Gegenstand einer originär strafrechtlichen Bestimmungsnorm, sondern werden gleichermaßen vom Verwaltungsrecht als auch vom Strafrecht genutzt. b) Das Problem der Integration untergesetzlicher Bestimmungen in die Strafrechtsnorm Bislang war aus Gründen besserer Übersichtlichkeit eine Besonderheit vieler Tatbestände mit unvollständiger Verhaltensbeschreibung ausgeblendet worden, nämlich die Bezugnahme auf untergesetzliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sei es bei der VerhaItensumschreibung selbst, wenn etwa die §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 m sowie 328 m StGB den Verstoß gegen "verwaltungsrechtliche Pflichten" nach § 330d Nr. 4a) StGB sanktionieren, oder auch nur bei der Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale, wie etwa des ,,Naturschutzgebietes" in § 329 m StGB oder der "steuerlich erheblichen Tatsachen" in § 370 AO. Die besondere Konstellation einer Bezugnahme im Straftatbestand auf Pflichten aus (vollziehbaren) Verwaltungsakten mit all ihren Eigentümlichkeiten soll zur Vereinfachung an dieser Stelle noch außerhalb der Betrachtung bleiben. 181

181

Vgl. dazu unten im 4. Kapitel bei A.I1 .3.b), c).

6 Heghmanns

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

aa) Die Abgrenzung des Blanketts vom normativen Tatbestandsmerkmal

Es liegt auf der Hand, daß sich insbesondere verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme vorrangig bei Blankettstrafgesetzen zeigen. Die Abgrenzung normativer Tatbestandsmerkmale 182 zum "Blankettstrafgesetz" 183 ist nicht unumstritten. 184 Es besteht in diesem Zusammenhang angesichts der erkannten Relevanz der Verhaltensnorm und ihres Standortes für das Verständnis des strafrechtlichen Tatbestandes vor allem ein Bedürfnis zur Identifikation derjenigen Strafgesetze, bei denen normkonstituierende Merkmale erklärtermaßen außerhalb des Straftatbestandes angesiedelt sind. Ein normatives Tatbestandsmerkmal wird daher verstanden als ein Merkmal, das die eigenständige Normkonstitution oder -modifikation gerade nicht leistet. Normative Merkmale sind danach solche, die sich nicht auf ein logisch eigenständiges Ge- oder Verbot außerhalb der im Strafgesetz bereits implizit enthaltenen Verhaltensnorm beziehen. Vielmehr besteht ihre Funktion darin, als Bestandteil der Verhaltensnorm einen weiteren (auch möglicherweise außer182 Der Begriff des normativen Tatbestandsmerkmals ist insoweit mißverständlich, als er nach herkömmlichem Verständnis im Umkehrschluß die Existenz rein deskriptiver Merkmale voraussetzt, die es freilich in dieser Form gar nicht gibt. Jedes Objekt der Wahrnehmung wird nicht unmittelbar, sondern auf Grund eines erlernten und im Idealfall konsentierten Vorverständnisses erfaßt und im Bewußtsein reflektiert. Was etwa, um ein eindeutig "deskriptives" Merkmal zu nennen, als ein Schiff (§ 315a I Nr. I StGB) gilt, kann subjektiv in sehr unterschiedlicher Weise erlebt werden. Man mag auch ein Floß, eine Rettungsinsel, ein SchiffsrnodelI oder ein Papierschiff darunter fassen. Die Notwendigkeit einer wertenden Festlegung des Sinngehalts des Begriffs für strafrechtliche Zwecke ist daher letztlich ebenso evident wie die Notwendigkeit, bei der Wahrnehmung eines schiffähnlichen Objekts diese Wahrnehmung einern Wertungsprozeß unterziehen zu müssen, um eine verhaltensnormorientierte Entscheidung treffen zu können, vgl. auch AK-StGB-Zielinski, Rd.-Nr. 42 ff. zu §§ 15, 16 StGB. Wenn hier gleichwohl der Begriff des normativen Tatbestandsmerkmals weitere Verwendung finden soll, dann nur auf dem Hintergrund eines Verständnisses, daß jedes Merkmal und jeder gesetzliche Tatumstand eine normative Komponente besitzt, und es bei der hier zu behandelnden Frage um allein diese normative Komponente geht. 183 Zum Begriff vgl. Kühl, FS-Lackner, S. 819; Lohberger, S. 4, 14; Schmidc-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 199 f. zu Art. 10311 GG; Schafeld, S. 23 f.; Warda, S. 5; Weidenbach, S. 7 f. Der Begriff des Blanketts und insbesondere die teilweise vorgenommene weitere Differenzierung der Blankettstrafgesetze (vgl. dazu Lohberger, S. 25 ff., Warda, S. 10 ff.) soll an dieser Stelle nicht nachvollzogen werden, weil ihr Erkenntniswert im Hinblick darauf für diese Untersuchung nur gering ist, daß sonst auch völlig unproblematische Blankettkonstellationen wie die sogenannten unechten Blankettgesetze, die durch Bestimmungen desselben Gesetzes oder einer gleichrangigen Rechtsquelle ergänzt werden, in den Blick geraten und hier deshalb sogleich wieder auszugrenzen wären. 184 Wie hier gehen z. B. Weidenbach, S. 24 (jedoch nur für Verordnungen, behördliche Verfügungen hingegen werden von ihm grundsätzlich als normative Tatbestandsmerkmale angesehen, vgl. S. 29 ff.), Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 90 f., 257 f., sowie Lohberger, S. 16 f., vor. Anders hingegen etwa Warda, S. 15 ff., der ein Blankettstrafgesetz nur annimmt, wenn das Gesetz bereits auf eine generelle Verhaltenspflicht Bezug nimmt, diese aber noch der Konkretisierung bedarf. Statuiere dagegen die Verwaltung überhaupt erst die Pflicht, handele es sich bei dieser um einen (normativen) Tatumstand. Ähnlich bereits Decker, GS 64, 160 ff.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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strafrechtlichen) Wertungsvorgang zu fordern, als dessen Ergebnis die Erkenntnis zu stehen hat, ob ein bestimmter Sachverhalt unter ein bereits abstrakt hinreichend bestimmtes Ge- oder Verbot fallt. Hingegen soll diese Bewertung nicht die Handlungspflicht selber modifizieren oder gar neu definieren. Es geht lediglich darum, sie entweder als anwendbar oder als nicht einschlägig festzustellen. Im Gegensatz dazu wird ein Blankettstrafgesetz als eine Bestimmung verstanden, bei welcher die Norm ohne Blankettergänzung unvollständig bleibt, es also noch ihrer Definition oder wenigstens ihrer Vervollständigung bedarf, bevor überhaupt erst von einer subsumtionsfahigen Strafrechtsnorm gesprochen werden kann. Daß es sich bei diesem Kriterium der fraglichen Verhaltensnonnveränderung im Unterschied zur Nonnanwendbarkeit um eine taugliche Abgrenzung handelt, mag ein Blick auf einschlägige Strafgesetze verdeutlichen: Bei dem zur Feststellung der Fremdheit der Sache in § 242 StGB erforderlichen, teilweise bürgerlich-rechtlichen Bewertungsvorgang geht es darum zu erkennen, ob das Verbot der Wegnahme sich auf bestimmte Sachen erstreckt oder nicht; die Unterlassenspflicht würde durch eine Neudefinition des Merkmals inhaltlich aber nicht verändert, sondern nur ihre Reichweite hinsichtlich bestimmter Pflichtobjekte modifiziert. Ebenso handelt es sich bei der steuerlich erheblichen Tatsache in § 370 AO .. nur" um ein nonnatives Merkmal, der Tatbestand wird daher an dieser Stelle im Gegensatz zum herkömmlichen Verständnis l8s nicht als Blankettgesetz begriffen. Denn die Steuergesetze erklären zwar, ob bestimmte Sachverhalte steuerlich relevant sind und ihre Nicht- oder Falschmitteilung demzufolge zu einer Steuerverkürzung führen kann. Die Pflicht, alle jeweils relevanten Merkmale fristgemäß, vollständig und wahr der Finanzbehörde mitzuteilen, verändert sich ihrem Inhalt nach durch die Ausgestaltung des materiellen Steuerrechts nicht; sie wird nur auf bestimmte Sachverhalte erstreckt, jedoch ihrer Art nach weder völlig neu begründet noch modifiziert. Derartiger Operationen bedarf § 370 AO nicht: Steht seine Anwendbarkeit auf einen bestimmten Sachverhalt qua steuergesetzlicher Definition fest, ist eine Tatsache damit als steuerlich erheblich definiert, so erweist sich die strafrechtliche Verhaltensnonn als vollständig und klar bereits aus dem Straftatbestand ersichtlich. Im Unterschied dazu sind etwa die anerkannten Regeln der Technik in § 319 StGB kein nonnativer Umstand mehr, der Straftatbestand ist daher ein Blankettgesetz. Es muß nämlich, bevor eine Subsumtion möglich wird, logisch zweierlei geschehen. Einmal muß eine Verhaltenspflicht bereits ihrer Art nach definiert werden, denn § 319 StGB sagt dazu (im Unterschied zu § 370 AO) nichts. Was der Bauleiter zu tun oder zu unterlassen hat, weiß das Strafgesetz nicht einmal abstrakt, selbst wenn bekannt wäre, daß ein Sachverhalt im übrigen einschlägig ist. Vielmehr bedarf es zunächst des Herausfindens dieser Pflichten und sodann in einem zweiten Schritt der Feststellung ihrer Mißachtung. Diese Pflichten aber finden sich allein außerhalb des Strafgesetzes, hier gar nur als Regeln eines gesellschaftlichen Subsystems.

18S Vgl. Joecks in: Franzen/GastlJoecks, Einleitung, Rd.-Nr. 5; Isensee. NJW 1985, 1008; Kirchhof, NJW 1985,2982; KohlmannIHilgers-Klautzsch. Wistra 1998, 161; Horst Vogel. NJW 1985,2986,2990; Warda. S. 13 f.; BGHSt 20. 177, 180; BVerfGE 37, 201, 208; wie hier dagegen Rüping. NStZ 1984, 451.

6'

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

bb) Die verfassungsrechtliche Problematik von BlankettstraJgesetzen Das Charakteristikum eines Blankettstrafgesetzes ist danach die Unvollständigkeit seiner Handlungsbeschreibung. Verfassungsrechtlich problematisch wird dies, sobald die Blankettergänzung ihrerseits keinen Gesetzesrang hat. Typisch für die Verlagerung von Verhaltensumschreibungen in Rechtsverordnungen sind die zahlreichen auf Ermächtigungen des LMBG beruhenden Verordnungen. die spezifische Verhaltensweisen ge- oder verbieten und Verstöße unter Rückverweis auf die §§ 51. 52 LMBG als Straftaten einordnen. 186 Beispielhaft sei hier die Mineral- und TafelwasserVO genannt. Dort ist in § 17 I Nr. 2a unter Strafe nach § 51 I Nr. 2 LMBG gestellt, wer Mineralwasser entgegen §§ 16 Nr. 2,4 I. 13 der VO unter Überschreitung bestimmter Höchstwerte für enthaltene Keime in Verkehr bringt. § 51 I Nr. 2 LMBG bedroht u. a. denjenigen mit Strafe, der einer nach § 9 I Nr. 3 LMBG für Lebensmittel zum Schutze der Gesundheit erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt. soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. In dem erwähnten § 9 I Nr. 3 LMBG findet sich eine Ermächtigung für den Bundesgesundheitsminister. durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Verhütung von Gesundheitsgefahrdungen für bestimmte Lebensmittel Anforderungen an deren Herstellung. Behandlung und Inverkehrbringung zu stellen. 187 Die eigentliche Verhaltensnorm, nämlich das Verbot des Inverkehrbringens keimbelasteten Wassers, findet sich also nicht im Gesetz, sondern in der darauf gestützten Rechtsverordnung, und selbst dort ist die Strafbestimmung nur unter Integration anderer Vorschriften derselben Verordnung in der Lage, selber eine verständliche Verhaltensnorm zu bilden. Die verfassungsrechtliche Problematik derartiger Blankettstrafgesetze liegt auf der Hand: Art. 103 11 GG wie der wortgleiche § 1 StGB (und für Ordnungswidrigkeiten § 3 OWiG) fordern die gesetzliche Bestimmtheit der Tat. Darüberhinaus verlangt Art. 104 I 1 GG für Freiheitsentziehungen sogar eine förmliche Gesetzesgrundlage. Es steht heute nicht mehr ernsthaft in Frage. daß sich verfassungsrechtliche Bestimmtheitsanforderungen jeglicher Art auf das Strafgesetz im materiellen Sinne, also einschließlich etwaiger Normbestandteile außerhalb der eigentlichen Strafvorschrift, beziehen müssen. ISS Eine strikte Interpretation der beiden genannten Verfassungsbestimmungen in dem Sinne, daß jeweils alle Strafbarkeitsvoraussetzungen vollständig bereits im formellen Gesetz enthalten sein müßten, könnte in dem zitierten Beispiel der zum LMBG erlassenen Mineral- und TafelwasserVO nur zur Verfassungswidrigkeit dieser und gleichartiger Konstruktionen führen. AI186 Zu den Einzelheiten der lebensmittelrechtlichen Blankettbestimmungen vgl. Seha/eld. S. 26 ff. 187 Weitere Beispiele für die verschiedenen Ergänzungen von Straftatbeständen durch Verordnungen finden sich bei Kast. S. 20 ff., der als Funktionen von Verordnungen die Komplettierung und Ausdehnung, Gleichstellung ähnlicher Verhaltensweisen. die flexible Änderung und die Konkretisierung von Verhaltensbeschreibungen unterscheidet. 188 Vgl. Lohberger. S. 8; Weidenbaeh. S. 56 f.; Jarass/ Pieroth. Rd.-Nr. 42 zu Art. \03 GG; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 197 f. zu Art. 103 II GG; Schnell, S. 107; BVerfGE 75, 329. 343 ff.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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lerdings sind solch rigide Auffassungen praktisch nicht zu finden; 189 sie werden auch vom BVerfG nicht geteilt. Es ist unmittelbar einleuchtend, daß sich die Frage nach ihrer Legitimationskraft für eine strafrechtlich relevante Verhaltensnorm bei den einzelnen untergesetzlichen Rechtsquellen in unterschiedlicher Schärfe stellt. Den schon zahlenmäßig überwiegenden Fälle der Rechtsverordnungen wird deshalb bei der Normfestlegung eine andere Rolle zukommen als den Verwaltungsvorschriften, deren Rechtsqualität überhaupt erst in jüngerer Zeit Anerkennung gefunden hat. 190

ce) Rechtsverordnungen als Grundlage der Verhaltensnorm (1) Art. 103 II GG

Der näheren Betrachtung vorauszuschicken ist, daß an dieser Stelle vorrangig nicht die freiheitsgewährleistende Funktion l91 des Art. 103 II GG, also der rechtsstaatliche Schutz des Normadressaten durch die präzise Bestimmung des Sollens (und damit der Zulassung allen übrigen Handeins), und zwar zeitlich vor der Tat, als abstraktes Bestimmtheitserfordernis angesprochen werden kann. l92 Hierbei handelt es sich um eine Thematik allgemeiner Art, nicht eine spezifische Problematik der in dieser Untersuchung behandelten Delikte, die in der ihr gebührenden Tiefe an dieser Stelle nicht aufgearbeitet werden könnte. Vielmehr ist die Reichweite der kompetenzwahrenden Funktion der Vorschrift,193 des Erfordernisses der Gesetzesbestimmtheit (und nicht nur der einfachen Bestimmtheit) das originäre Maß, an welchem die Verlagerung von Verhaltensumschreibungen in untergesetzliche Vorschriften verfassungsrechtlich zu messen ist. Als "Gesetz" im Sinne von Art. 103 II GG versteht sich nicht nur das förmliche Gesetz nach den Art. 76 ff. GG (bzw. entsprechende Parlamentsgesetze der Länder), sondern es zählen im Sinne eines materiellen Gesetzesbegriffs sowohl Rechtsverordnungen l94 als auch - praktisch für Strafgesetze freilich immer weni189 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 186 zu Art. \03 II GG; ferner die Zusammenstellung bei Krahl. Bestimmtheitsgrundsatz. S. 220 ff. 190 Vgl. Ossenbühl in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6, Rd.-Nr. 30,41; Faber, Verwaltungsrecht, S. 71 f.; WolfflBachoflStober, Verwaltungsrecht I, § 24, Rd.-Nr. 21 f.; Di Fabio. DVBI. 1992, 1338 ff.; Hili. NVwZ 1989,401 ff.; Sendler, UPR 1993,321 ff. Im Gegensatz dazu vgl. etwa Weidenbach. S. 54. 191 Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 179 zu Art. 103 II GG. 192 Vgl. dazu die eingehenderen Darstellungen bei Krahl. Bestimmtheitsgrundsatz, passim; Paulduro, S. 360 ff., jeweils m. w. N.; ferner bei Hufen, S. 59 ff. 193 Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 180 zu Art. \03 II GG; vgl. auch Tiedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 248 f. Historisch war die Wahrung der Gewaltenteilung nicht immer eine anerkannte Funktion des Satzes "null um crimen, nulle poena sine lege", vgl. dazu Lohberger. S. 72 ff.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

ger bedeutsam - Satzungen 195 dazu. Allerdings hat das BVerfG stets betont, daß auch eine Rechtsverordnung nur dann eine Strafbestimmung enthalten dürfe, wenn sie ihrerseits Art. 80 I GG gerecht wird, also auf einer formell-gesetzlichen Ermächtigung beruht. Im Hinblick auf Art. 80 I 2 GG bedeute dies, "daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aus der Ermächtigung und nicht erst aus der auf sie gestützten Verordnung voraussehbar sind". 196 Die Einzelheiten der Ausgestaltung könnten dann dem Verordnungsgeber überlassen werden. 197 Kühl hat dem zu Recht entgegengehalten, es fehle schon an überzeugenden Kriterien zur Abgreniung des dem Gesetzgeber vorbehaltenen wesentlichen Regelungsgehaltes von den Detailfragen, die auch der Verordnungsgeber festlegen könne. 198 Zudem wäre die vom BVerfG hier betonte Voraussehbarkeit des Strafbarkeitsrisikos im Grunde kein Argument gegen untergesetzliche Rechtsquellen, weil die Informationschancen für den Bürger weitgehend äquivalent sein dürften. Rechtsverordnungen werden in nahezu gleicher Weise wie förmliche Gesetze verkündet (Art. 82 I 2 GG, § 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen 199) und Verwaltungsakte bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Bekanntgabe (§ 43 I 1 VwVfG). Es bringt deshalb für den Normadressaten in der Tat keine bessere Erkennbarkeit der Grenzen strafrechtlicher Relevanz seines Verhaltens, wenn diese bereits in einem Gesetz verankert sind. Vielmehr wird im Zweifel gerade die an ihn gerichtete Einzelverfügung eher in sein Bewußtsein dringen als ein abstraktes, vor Jahren und zudem im Bundesgesetzblatt, welches der gewöhnliche Bürger regelmäßig nicht liest, verkündetes Gesetz?OO Der Gesichtspunkt der Voraussehbarkeit hat seine Bedeutung daher vorwiegend für die allgemeine Bestimmtheit der Strafbarkeit, nicht aber für die gesetzliche Bestimmtheit; ihm ist mit jeder zugänglichen schriftlichen Fixierung des Gesollten Rechnung getragen.201 Ebensowenig vermag der vom BVerfG im Zusammenhang mit der Vor194 BVerfGE 14, 174, 185; 14,245,251; 14,254,257; 22, 21, 25; 75, 329, 342; BayObLG NJW 1962, 453,455; Weidenbach. S. 44 ff., 48 f.; a.A. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 183 zu Art. 103 II 00; Lohberger. S. 102 (förmliches Gesetz erforderlich). 19$ BVerfGE 32, 346, 362; Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 211 zu Art. 103 II 00; JarasslPieroth, Rd.-Nr. 45 zu Art. 103 GG; v. Münch-Kunig, Rd.-Nr. 24 zu Art. 103 00; Schmidt-Bleibtreul Klein, Rd.-Nr. 9 zu Art. 103 GG; AK-GG- Wassermann, Rd.-Nr. 47 zu Art. 103 GG. 196 BVerfGE 14,174,185 f.; ähnlich BVerfGE 14,245,251; 14, 254,257; 22, I, 18; 22, 21,25; 23, 265, 269; 78, 374, 382 und für Satzungen BVerfGE 32, 346, 362 f., wobei das BVerfG hier nicht Art. 80 I 2 GG zur Begründung herangezogen, aber gleichwohl die Voraussehbarkeit bereits aus der Ermächtigungsnorm postuliert hat. 197 BVerfGE 14,245,251; 14,254,258; 22, 21. 25; 78, 374, 383. 198 Kühl. FS-Lackner, S. 833. 199 Gesetz vom 30. 01. 1950 (BGBI. I S. 23), zuletzt geändert durch Art. 8 des 3. RechtsbereinigungsG vom 28. 06. 1990 (BGBI.I, S. 1221). 200 Ähnlich 1iedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 251, der - allerdings ohne nähere Darlegung - graduelle Unterschiede offenbar zugunsten der Vorhersehbarkeit anhand gesetzlicher Regelung nicht ausschließt. 201 Vgl. Lohberger. S. 90 f.; Hufen. S. 69 ff.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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hersehbarkeit vorgetragene Gedanke, der Bürger müsse im konkreten Fall anhand der Ermächtigung abwägen können, ob die untergesetzliche Norm überhaupt hinreichend legitimiert ist oder nicht,202 den Wert formell-gesetzlicher Bestimmtheit zu erklären. Diese im Zweifel nur mit wissenschaftlich-juristischer Kompetenz ausnutzbare Möglichkeit einer Überprüfung bringt dem Bürger keinen meßbaren Gewinn an Freiheit und erleichtert allenfalls die nachfolgende richterliche Arbeit. In neueren Entscheidungen legt das BVerfG deshalb verstärkt Gewicht auf den Parlamentsvorbehalt: Der Gesetzgeber habe selbst die Voraussetzungen der Strafbarkeit zu bestimmen und dürfe dies nicht Exekutive oder Judikative überlassen. 203 Damit geraten statt des Verhältnisses Legislative / Judikative, das bei allgemeiner Unbestimmtheit betroffen wäre, weil diese die Gewichte zugunsten der richterlichen Rechts(fort)bildung verschiebt, das Verhältnis Legislative/Exekutive,204 und anstelle des nunmehr weniger berührten Rechtsstaatsprinzips als Garant für Menschenwürde und Freiheit das Gewaltenteilungsprinzip mit seiner Verantwortlichkeitszuweisung in den Mittelpunkt. Nimmt man diesen Gedanken ernst, verwischen sich durch die Betonung des Parlaments vorbehalts freilich ein wenig die bis dahin stets verdeutlichten Unterschiede zwischen Rechtsverordnungen als materielle Gesetze einerseits und anderen untergesetzlichen Rechtsquellen andererseits. Wenn nämlich in jedem Fall ein Mindeststandard formell-gesetzlicher Bestimmtheit der Grenzen strafrechtlicher Relevanz von Verhalten zu beachten ist, dann müßte dies in der Theorie gleichermaßen gegenüber Verordnungen wie auch gegenüber Verwaltungsakten gelten. In der legislativen Realität ergeben sich indes gerade hier signifikante Unterschiede. So finden sich in zahlreichen Verordnungen vor allem zum LMBG, aber auch zum WaffG sowie anderen Gesetzen unmittelbare und vollständige Strafbestimmungen nach dem Muster "Wer (Handlung), wird nach § ... (Gesetz) bestraft." Hier wird also lediglich die konkrete Strafdrohung durch einen Rückverweis auf das jeweilige Ermächtigungsgesetz ersetzt, ansonsten aber ein vollständiger Straftatbestand konstruiert. 20s Ein vergleichbarer Entwurf einer behördlichen Einzel- oder Allgemeinverfügung, der auf eine einzelfallbezogene Sonderstrafvorschrift hinausliefe, erscheint hingegen schlechterdings undenkbar.206 Inhaltlich tragen derartige Rechtsverordnungen eine Hauptlast der Normsetzung, die zunächst mit den Kriterien der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung schwerlich vereinbar anmutet. So sind gerade im LMBG die VerordnungsermächtiBVerfGE 32, 346. 362 f. BVerfGE 71. \08. 114; 75. 329. 341; 78. 374. 382; 87, 363, 391; 90.145,224. Bei Satzungen tritt hingegen nur ein Beschlußorgan der Legislative an die Stelle eines anderen. was der Grund dafür sein mag. daß BVerfGE 32. 346, 361 insoweit Art. \0311 GG offenbar von vorneherein als gewahrt ansieht. 204 Vgl. Schmidt-Leichner. NJW 1962, 1372. 20S Vgl. das oben zitierte Beispiel von § 17 I Nr. 2a Mineral- und TafelwasserVO. 206 Insoweit ergäben sich bereits deshalb fonnal-verwaltungsrechtIiche Hindernisse, weil sich die Sanktionsvorschrift nicht unter den nach § 35 VwVfG zulässigen Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes fassen ließe. Dariiber hinaus bestünden Bedenken aus Art. 3 I GG 202 203

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gungen alles andere als präzise. Zwar werden in den §§ 9, 10, 19, 19a, 21 u. a. LMBG die denkbaren strafbewehrten Handlungen wie ,,Inverkehrbringen" oder "Verwenden von Stoffen" noch relativ klar bezeichnet. 207 Das Bild ändert sich freilich, sobald man sich vor Augen führt, daß es unzählige Arten von Lebensmitteln gibt, wie schon ein Blick auf die rund 100 im thematischen Umfeld des LMBG existenten Verordnungen einschließlich etlicher europarechtlicher Natur verdeutlicht, das Gesetz aber in der Regel nur allgemein auf alle Lebensmittel bezogene Ermächtigungen beinhaltet. Ob man als Produzent oder Händler eines speziellen Produktes also strafrechtlich sanktionierte Pflichten zu erfüllen hat, ist aus dem Gesetz in keiner Weise zu entnehmen. Allenfalls wird man angesichts der umfassenden Ermächtigungen das Risiko der Existenz einer einschlägigen Verordnung erschließen können. Wenn dies auch für den potentielle Normadressaten wegen des gleichermaßen vorhandenen Zugangs zu Gesetz und Verordnung keine nachteiligen Auswirkungen haben mag, wird dennoch deutlich, daß auch der Gesetzgeber im Grunde gar nicht wissen konnte, was aus seinen Ermächtigungen alles werden würde. Zwar ließe sich argumentieren, das Parlament habe eben für alle Lebensmittel die Strafbarkeit bestimmter Handlungen zulassen wollen. Damit allerdings hätte es sich jeden Einflusses auf die Umsetzung seines Willens begeben und dann im Grunde von vorneherein das Feld dem Verordnungsgeber überlassen können. Denn dieser hat es nun in der Hand, entweder gar nichts zu tun oder umgekehrt alles zu regeln oder eben nur einige, nach beliebigen eigenen Kriterien ausgewählte Bereiche abzudecken. Der Stellenwert des Parlamentsvorbehalts wird vom Gesetzgeber selber offensichtlich deutlich geringer veranschlagt, als dies nach den zitierten Entscheidungen des BVerfG zu erwarten gewesen wäre. Die bekanntlich geringe Neigung des BVerfG, Strafvorschriften mangels Bestimmtheit als verfassungswidrig einzustufen,208 läßt freilich trotz der stets betonten dominierenden Rolle des formellen Gesetzes bei der Normfestlegung nicht erwarten, daß eine verfassungsgerichtliche Überprüfung von Strafvorschriften in entsprechenden Verordnungen zum Lebensmittelrecht mit ihrer Nichtigkeitsfeststellung enden würde. Immerhin ließe sich dieses mutmaßliche Ergebnis eines ausreichend beachteten Parlamentsvorbehalts auch argumentativ einerseits damit wegen des singulären Einsatzes von - gegenüber der Allgemeinheit und allen übrigen unverbindlichen - Strafvorschriften. Sonderdelikte sind zudem nur dann legitimierbar, wenn sie ein Sonderunrecht beschreiben, das aus der besonderen Beziehung von Rechtsgut und Verpflichtetem herzuleiten sein muß, vgl. Langer, S. 390 ff. Im Vergleich zu anderen, durch gleichartige Verwaltungsakte Verpflichteten fehlt es aber gerade an einer solchen Sonderstellung des Adressaten dieses Verwaltungsaktes. Ein Sonderdelikt läßt sich von daher nur gegenüber allen Adressaten gleichartiger Pflichten begründen, wie dies ja auch der Konstruktion von Tatbeständen wie beispielsweise der §§ 327,32911, III StGB in den jeweiligen Untersagungsalternativen, §§ 26 Nr. I VersammlG oder 53 III Nr. 6 WaffG zu Grunde liegt. 207 Vgl. z. B. § 9 I Nr. la) LMBG, wonach es möglich ist, "bei dem Herstellen ... von Lebensmitteln die Verwendung bestimmter Stoffe ... zu verbieten oder zu beschränken." 208 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Krahl, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 108 ff.; ferner Paulduro, S. 432.

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belegen, daß es das Parlament ja jederzeit in der Hand hätte, einer von ihm nicht gewollten Praxis der Umsetzung (oder Nichtumsetzung) seiner Ermächtigung durch den Verordnungsgeber notfalls mittels Teilrücknahme der Ermächtigung qua Gesetzesänderung bzw. qua Erlaß eigener, formell-gesetzlicher Regelungen zu begegnen. 209 Einen entsprechenden unmittelbaren Zugriff auf Blankettergänzungen unterhalb der Verordnungsebene hätte der Gesetzgeber hingegen wegen der überwiegenden Länderexekutive bei der Ausführung seiner Gesetze (Art. 83 GG) in diesem Maße jedenfalls nicht. 210 Zudem macht es keinen Sinn, Unmögliches zu postulieren. Die Vielfältigkeit gesundheitsrelevanten Verhaltens in Bezug auf wiederum eine Vielzahl verschiedenartiger Lebensmittel dürfte es kaum zulassen, allgemeingültige Ermächtigungen sehr viel genauer als im LMBG geschehen zu formulieren. Die einzig denkbare Alternative wäre, daß der Gesetzgeber ähnlich detailliert wie der Verordnungsgeber für die einzelnen Lebensmittelarten singuläre gesetzliche Regelungen selbst erläßt. Eine solch intensive Gesetzgebung würde indes das Parlament vermutlich schon zeitlich hoffnungslos überfordern. Es wäre mangels eigener Fachkompetenz zudem inhaltlich so von den Vorgaben und der Unterstützung der Fachverwaltungen abhängig, daß materiell kaum ein Zuwachs an Parlamentseinfluß auf die Normwirklichkeit zu erwarten stünde. Gleichwohl können diese Erwägungen angesichts des Gewaltenteilungsprinzips keinen Freibrief für den Gesetzgeber darstellen, sich der Verantwortung für die Strafgesetzgebung faktisch vollständig zu entledigen. Delegiert der Gesetzgeber die Bestimmung des Strafbaren, so impliziert dies, daß er der Exekutive Freiräume für die abschließende Definition strafbaren Verhaltens schafft. Dies kann, auch wenn man die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur der Blankettausfüllung in die Überlegung einbezieht, nur dann legitimiert sein, wenn die potentiell eröffneten Freiräume so begrenzt sind, daß damit die grundsätzliche Wertentscheidung über das Verhalten abschließend gefallen ist. Denn andernfalls obläge der Exekutive entgegen dem Parlamentsvorbehalt nicht nur die Konkretisierung innerhalb eines ausgewählten Rahmens, sondern die konstitutive Bestimmung strafwürdigen Unrechts. Da sich der Gesetzgeber dieser Kompetenz nicht freiwillig begeben darf, ohne Art. 10311 GG zu unterlaufen,211 müssen Rahmen und Limitierungen denkbarer untergesetzlicher Verhaltensnormen jedenfalls bestimmbar sein. 212 Die Schwierigkeit, diesen Gedanken zu instrumentalisieren, liegt darin begründet, daß es schon wegen Art. 80 I GG stets einen gesetzlichen Rahmen gibt, dieser aber für 209 Kühl, FS-Lackner, S. 832, sowie Arndt, JuS 1979,785, halten dies freilich nicht für geeignet, die zunächst vollzogene Se1bstentmachtung der Legislative zu rechtfertigen. Man muß dagegen aber bedenken, daß es sich nicht um die einzige, wohl aber eine wichtige Erwägung handelt, eine begrenzte Nonnsetzungsmacht zu delegieren. 210 Die Bundesaufsicht insbesondere nach Art. 84 GG, aber auch nach Art. 85 GG, dürfte hierfür ein zu schwerfälliges Instrument sein. 2Jl Das verkennt offensichtlich Paulduro, S. 350, wenn sie die freiwillige Anknüpfung des Strafrechts an exekutive Vorgaben des Imperativs als das entscheidende Kriterium ansieht. 212 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 263 ff.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

die Ennächtigung zur Statuierung strafrechtlicher Verhaltenspflichten im Hinblick auf Art. 10311 GG offenbar der weiteren Konkretisierung,213 der Bezugnahme auf die besondere Struktur von Straftatbeständen bedarf. Es muß also aus dem Gesetz über eine Ennächtigung hinaus zu entnehmen sein, daß dem Gesetzgeber die wesentlichen, mit der Statuierung von Straftatbeständen verbundenen Entscheidungen als seine eigenen zuzurechnen sind. Dies bedeutet, daß anhand des Gesetzes nicht nur ersichtlich sein muß, daß der Verordnungsgeber Strafbestimmungen erlassen darf, wie dies bereits Art. 80 I GG verlangt. Vielmehr hat darüber hinaus deutlich zu sein, welche Rechtsgüter damit geschützt werden sollen und schließlich kann und muß auch klargestellt werden, welche Gruppe von Verhaltensanweisungen strafrechtlich bewehrt werden können. Nun ist bei letzterem Erfordernis allerdings evident, daß damit nicht eine Fonnulierung zulässiger Tatumschreibungen gemeint sein kann; dann nämlich machte eine Verordnungsennächtigung keinen Sinn mehr, der Gesetzgeber könnte die Strafnonn sogleich in eigener Kompetenz fonnulieren. Vielmehr zeichnen sich die Fachgebiete, bei denen ein Bedarf an Verordnungsermächtigungen mit Strafbewehrung besteht, ja dadurch aus, daß der Vielfalt und Wechselhaftigkeit regelungsbedürftiger Lebenssituationen vernünftigerweise durch eine gesetzgeberische Tätigkeit nicht mehr adäquat Rechnung getragen werden kann?14 Die Antwort auf die zu beantwortende Frage, welche nicht völlig ungefährlichen Stoffe in welcher Konzentration in Lebensmitteln zu finden sein dürfen, bei welchen Herstellungsverfahren diese Stoffe entstehen und durch welche Verfahren sie zu eliminieren oder zu egalisieren sind, ist das Produkt einer Vielzahl von Einzelerkentnissen, die wegen der Veränderlichkeiten bei der Zusammensetzung von Grundstoffen, der Fortentwicklung der Verfahrens- und Meßtechnik sowie fortschreitender medizinischer und biologischer Erkenntnis ein komplexes, dynamisches System bilden, dessen Resultat, nämlich die jeweilige Erkenntnis über die Gefährlichkeit eines konkreten Produktes für die menschliche Gesundheit, schnell und unvorhersehbar schwankt, wegen der Bedeutung des Rechtsgutes aber schneller Reaktion auf verändertes Wissen bedarf. Zu einer umgehenden Reaktion ist die Gesetzgebungsmaschinerie zwar in singulären Ausnahmesituationen vielleicht einmal in der Lage. In der Dauerhaftigkeit, wie dies erforderlich wäre, um nicht nur im Lebensmittelrecht, sondern in jeder ähnlichen Rechtsmaterie adäquat rechtsgüterschützend reagieren zu können, wäre sie überfordert. Kann damit eine abschließende Handlungsbeschreibung vom Gesetzgeber nicht verlangt werden, so ist es doch möglich, neben dem zu schützenden Rechtsgut den fraglichen Adressatenkreis zu erlassender Verhaltensnonnen und die regelungsbedürftigen Verhaltensweisen enumerativ zu bezeichnen. Dies muß nicht im Strafgesetz selber geschehen. Gelegenheit dazu besteht vielmehr auch in der Zweckbestimmung der Ennächtigung oder des (Fach-)Gesetzes sowie durch eine Bezug213 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 185 zu Art. 103 II GG; ferner Lohberger, S. 109, der Blankettgesetze und -ausfüllungen, die nur den Anforderungen des Art. 80 I 2 GG genügen, für verfassungswidrig hält. 214 Vgl. Hufen, S. 64 f.; Lohberger, S. 22; Warda. S. 8 ff. ; Weidenbach. S. 6; und für den Umweltschutz Perschke. Wistra 1996, 163; A. Wiedemann . S. 256.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechts satz

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nahme auf bereits gesetzlich statuierte Verhaltensnormen des jeweils einschlägigen materiellen Verwaltungsrechts. Ein anschauliches Beispiel für eine so als hinreichend definierte gesetzliche Bestimmung möglicher Strafnonnen findet sich in dem bereits erwähnten § 9 I LMBG, der Verordnungen nur zuläßt, "soweit es erforderlich ist, um eine Gefahrdung der Gesundheit durch Lebensmittel zu verhüten". Dieses Erfordernis schließt zugleich aus, daß grundsätzlich rechtsgutsirrelevante Verhaltensnonnen aufgestellt und strafrechtlich bewehrt werden. Fragliche Tathandlungen sind umgrenzt: Es geht z. B. um die Überschreitung von Grenzwerten bei der Herstellung von Lebensmitteln. Der Kreis der Nonnadressaten wird aus dem Zusammenhang klar; es kann sich (bei § 9 I Nr. la LMBG) nur um Lebensmiuelproduzenten handeln. Schließlich ist die Entscheidung, derartiges Verhalten strafrechtlich zu sanktionieren, in § 51 I Nr. 2 LMBG grundsätzlich gefallen.21 5 Problematischer ist dagegen § 39 I GenTG geraten, der im Falle des Rückverweises Verstöße gegen Rechtsverordnungen nach § 36 I GenTG (Deckungsvorsorge für Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen) unter Strafe stellt. Die Ennächtigungsnonn ist nun zwar sicherlich im Sinne von Art. 80 I GG ausreichend, bietet aber in ihrer Weite auch die Grundlage für eine Vielzahl denkbarer Pflichten, deren Mißachtung im einzelnen mit Sicherheit nicht stets strafwürdig sein kann. So soll die Verordnung nach § 36 I GenTG zugleich "die für die Überwachung der Deckungsvorsorge zuständigen Stellen und deren Verfahren und Befugnisse bei der Überwachung" regeln. Damit hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, jede Mitwirkung bei der Überwachung strafrechtlich zu sanktionieren, etwa eine nicht turnusgemäße Vorlage eines Versicherungsscheines oder die Verwendung eines falschen Meldevordruckes. Es fehlt mithin jede taugliche Begrenzung der Verhaltenspflichten, auf deren Mißachtung der Gesetzgeber die Strafbarkeit beschränkt sehen möchte, weil offensichtlich nur daran gedacht worden ist, den weniger strikten Anforderungen von Art. 80 I GG zu genügen.

Aus der Parlamentshoheit resultiert mithin zusammenfassend keineswegs zwangsläufig auch die Notwendigkeit, strafrechtliche Verhaltensnormen bereits weitgehend im Blankettgesetz anzusiedeln, wenn die Blankettergänzung sich ihrerseits in einer Rechtsverordnung und damit in einem Gesetz im materiellen Sinne findet. Eine solche Verordnung hat zunächst den allgemeinen Anforderungen von Art. 80 I GG zu entsprechen; ihre strafrechtlichen Verhaltensnormen müssen sich darüber hinaus in entsprechende explizite Wertentscheidungen des formellen Gesetzes für eine begrenzbare Strafbarkeit einfügen; einer detaillierten Ermächtigung hinsichtlich der Strafbestimmungen wie man sie gelegentlich aus den Entscheidungen des BVerfG herauslesen könnte, insbesondere ihrer Vorhersehbarkeit, bedarf es im Hinblick auf den Aspekt des Parlamentsvorbehalts im Rahmen von Art. 103 11 GG dagegen nicht. 216 Dieser ist durch die Möglichkeit einer jederzeitigen Ein215 Ebenso Schafeid. S. 35 ff., der sich bei seiner exemplarischen Betrachtung freilich auf den nun gerade recht unproblematischen Fall des § 9 I Nr. 4b) LMBG stützt und zudem den Parlamentsvorbehalt als solchen nicht näher thematisiert. Weitere Beispiele für hinreichend bestimmte Ennächtigungen finden sich bei Kasl. S. 20 ff. 216 Anders freilich Tiedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 249, 253 f., der weiterhin die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit an hand des fonnellen Gesetzes postuliert.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

flußnahme auf die Verordnung hinreichend gewahrt, schließt man einmal die Fälle der weiteren Übertragung der Ermächtigung nach Art. 80 I 3 GG, die freilich für Stratbestimmungen auch bislang nicht praktisch geworden sein dürften, aus der Überlegung aus. Es reicht demnach hin, wenn erst das materielle Gesetz die exakte Handlungsbeschreibung liefert. Der freiheitsgewährleistende Aspekt der Bestimmtheit wird hierdurch nicht berührt, solange jedenfalls die Verordnung die Voraussetzungen stratbaren Verhaltens klar bestimmt. Andererseits wird damit die völlige Preisgabe der Dispositionsbefugnis des Parlaments zugunsten exekutiver Anordnungen ausgeschlossen, insbesondere die ohnehin bedenkliche Übertragung der Kompetenz zur Änderung von Vorschriften des Gesetzes selbst auf den Verordnungsgeber oder gar auf Dritte. Man mag dies noch hinnehmen können, soweit Regelungen der Exekutive überantwortet werden, die ohnehin keiner formell-gesetzlichen Bestimmung bedurft hätten?17 Gesetzlicher Regelung bedürftige Materien hingegen, etwa die Änderung der Verweisung auf andere Rechtsquellen, die ihrerseits Normcharakter haben, müssen dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, weshalb beispielsweise die Regelung in § 13 11 des Milchund MargarineG, durch welche die Verweisung in Absatz I der Vorschrift auf bestimmte europäische Normen zur Disposition des zuständigen Ministeriums gestellt ist, soweit dies zur Anpassung an Änderungen der aufgeführten Vorschriften erforderlich ist, verfassungswidrig sein dürfte. Hier überträgt der Gesetzgeber nicht einmal die strafrechtliche Normsetzungsbefugnis auf den Verordnungs geber, sondern bindet diese im Grunde nahezu unmittelbar an europäische Rechtsvorschriften an, weil er der eigenen Exekutive nur die redaktionelle Anpassung an Normänderungen, offenbar aber keine eigene Gestaltungskompetenz mehr zubilligt. Faktisch wird damit dem europäischen Gesetz- und Verordnungsgeber Strafnormsetzungsbefugnis zugeordnet, die dieser jedenfalls derzeit für den deutschen Rechtskreis nicht besitzt. (2) Art. 104 11 GG Ob sich aus Art. 104 I I GG ein anderes Bild ergibt, hängt davon ab, inwieweit man diese Vorschrift überhaupt als in diesem Kontext einschlägig ansehen will. Daß eine Freiheitsbeschränkung nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes möglich ist, muß nicht notwendig heißen, diese Anforderung bereits auf die Androhung einer Freiheitsbeschränkung im Straftatbestand zu beziehen, obwohl das oft beiläufig ohne nähere Darlegung erklärt wird. 218 Vielmehr wäre eine Interpretation auch 217 Beispiele hierfür sind die §§ I 11, IV BtMG, I I, 11 KWG, durch weIche die Kompetenz zur Änderung von Anlagen des jeweiligen Gesetzes dem Verordnungsgeber übertragen ist. Hier geht es um die Ausftillung normativer Merkmale, nicht aber um Veränderungen der Norm selber. 218 Vgl. Kaschkat, FS-F.-W.Krause, S. 128 f.; Kast, S. 6; Krause, JuS 1970,221; Kühl, FSLackner, S. 828; Lenzen, JR 1980, 135; Paulduro, S. 71 f.; 1.Pfeiffer. S. 48; Kunig in

111. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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in dem Sinne denkbar, daß die Anordnung von Freiheitsentzug im Urteil (und damit das Verfahren) und vor allem der Vollzug des Strafurteils auf formell-gesetzlicher Basis zu erfolgen haben,219 hingegen die abstrakte Beschreibung desjenigen Taterverhaltens, weIches das Eingreifen der Justiz voraussetzt, diesen engen Ansprüchen jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Art. 104 I I GG noch nicht genügen muß. Für eine derart restriktive Deutung von Art. 104 I I GG lassen sich gute Gründe anführen. Zunächst wird diese Verfassungsbestimmung nicht als eigentliches, selbständiges Justizgrundrecht, sondern als spezielle Ausprägung von Art. 2 11 2, 3 GG für den Fall des, über eine allgemeine Beschränkung der Handlungsfreiheit hinausgehenden, unmittelbaren Eingriffs in die Bewegungsfreiheit der Person begriffen .220 Die Straftatbestände beschränken aber unmittelbar nicht die Bewegungsfreiheit, sondern primär die allgemeine Handlungsfreiheit, indern sie bestimmte Handlungen bei Strafe verbieten. Dies spricht dafür, sie aus dem Blickwinkel des Freiheitsrechts allein dem Vorbehalt eines materiellen Gesetzes in Art. 2 11 3 GG zu unterstellen. Motiviert war die spezielle Regelung von Art. 104 I 1 GG durch die historischen Erfahrungen mit dem Mißbrauch staatlicher Gewalt im Nationalsozialismus. In diesem Rahmen allerdings war vordringlich der Schutz vor willkürlicher Verhaftung durch Polizei und polizeiähnliche staatliche Organe, nicht aber vor Mißgriffen des Gesetz- oder Verordnungsgebers intendiert?21 Zudem verlangt Art. 104 I I GG offenbar zugleich mit der Rechtsgrundlage für die Freiheitsentziehung dort geregelte Förmlichkeiten ihres Vollzuges, die aber in den einzelnen Straftatbeständen in keinster Weise aufzufinden sind,222 was ebenfalls darauf hinweist, daß die Verfassungsbestimmung ganz andere Regelungsmaterien im Blick v. Münch, Rd.-Nr. 10 zu Art. 104 GG. Eine ausführliche Auseinandersetzung findet sich insoweit nur bei Weidenbach. S. 101 ff. , sowie mit Einschränkungen bei Lohberger; S. 130 ff. 2\9 Letztere Interpretation bevorzugt 1iedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 252 f. 220 Vgl. Bonner Kommentar-Holtkotten. Anm. "A zu Art. 104 GG; Dürig in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. I zu Art. 104 GG; Schmidt-BleibtreuIKlein. Rd.-Nr. I zu Art. 104 GG; AK-GGAuola. Rd.-Nr. 19 zu Art. 104 GG; Lohberger; S. 128; 1iedemann. Tatbestandsfunktionen. S. 251 ; Weidenbach. S. 43 f.; BVerfGE 14, 174, 186. 22\ Vgl. Dürig in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 2 zu Art. 104 GG; Bonner Kommentar-Holtkotten. Anm. I zu Art. 104 GG; BayObLG NJW 1962,453,455; Lohberger; S. 149; ferner Weidenbach. S. 104, der allerdings darauf hinweist, daß ebenso kennzeichnend für den Nationalsozialismus das typisch politische Verordnungsstrafrecht gewesen sei. Dem allerdings wurde bereits durch Art. 80 I GG Rechnung getragen; die Existenz von Art. 104 I I GG wird dadurch hingegen nicht ausreichend erklärt. Kistner; DRiZ 1962, 119, betont ebenfalls. daß allenfalls an den ohne Ennächtigung handelnden Verordnungsgeber gedacht war. 222 1iedemann. Tatbestandsfunktionen. S. 252; BayObLG NJW 1962. 453 f. Kritisch dagegen Lohberger; S. 130 f .• der dies als übertriebenen Fonnalismus bezeichnet und argumentiert. es müsse dem Gesetzgeber freigestellt sein, Grundlage und Verfahren auch in verschiedenen Gesetzen zu regeln. Dies ist natürlich unbestreitbar, ändert aber nichts daran. daß es dem Verfassungsgeber offenbar primär um die Gewährleistung verfahrensrechtlicher Garantien bei Freiheitsentziehungen ging. während die Verurteilungen zu Freiheitsstrafe seinerzeit kein Problem darstellten. zumal insoweit Art. 103 " GG vorgesehen war.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

hat. Weiterhin läßt das Zusammenspiel der Art. 103 11 und Art. 104 GG darauf schließen. daß beide Vorschriften grundverschiedene Anwendungsgebiete haben. Art. 103 11 GG hätte kaum eine eigenständige Bedeutung. wenn Art. 104 I 1 GG ebenfalls bereits die Strafdrohung beträfe.2 23 Straftatbestände. die lediglich Geldstrafen androhen und damit bei einer Anwendbarkeit von Art. 104 I 1 GG nicht von diesem erfaßt wären. gibt es nämlich heute ohnehin nicht mehr. Insbesondere wird man hier nicht die Ordnungswidrigkeiten anführen können. Einerseits stellten sie kurz nach dem Kriege noch kein nennenswertes Problem dar. das einer eigenen Verfassungsnorm bedurft hätte. Andererseits spricht Art. 103 11 GG explizit von "Strafbarkeit". was nicht recht verständlich wäre. ginge es vornehmlich um Geldbußen. Hingegen war schon bei Verabschiedung des GG nach § 29 StGB a.F. selbst für Übertretungen im Falle der Nichtbeitreibbarkeit einer Geldstrafe die Vollstrekkung von Ersatzhaft vorgesehen. so daß mindestens unter dem Gesichtspunkt der Ersatzvollstreckung jeder Straftatbestand zugleich auch Freiheitsentzug androht. 224 Eine Gruppe von Straftatbeständen. die nicht unter einen so verstandenen Art. 104 I 1 GG fallen und damit allein durch Art. 103 11 GG geregelt würden. hat mithin seit Inkrafttreten des GG niemals existiert. Art. 103 11 GG hätte auf diesem Hintergrund und bei einem Verständnis von Art. 104 I 1 GG im Sinne einer Freiheitsgarantie auch gegenüber Straftatbeständen nur noch den Zweck. die (Vor-)Bestimmtheit des Strafbaren zu postulieren. eine Funktion. die das Wort "gesetzlich" in dieser Vorschrift nicht erfordert hätte und sie im übrigen grundlegend entwertet. Auf der anderen Seite hat Art. 104 GG den Anspruch. staatlich vorgenommene Freiheitsentziehungen generell zu erfassen; er umfaßt daher außer strafrechtlichen Maßnahmen auch polizeiliche Gefahrenabwehr in vielfältiger Form. andere verwaltungsrechtliche Zwangsmaßnahmen und zivilprozessuale Zwangsmittel. Gibt man für den Bereich der Androhung von Freiheitsstrafe Art. 103 11 GG gleichsam als lex specialis den Vorzug. so führt dies jedenfalls nicht zum Leerlauf von Art. 104 I 1 GG.225 In den einschlägigen Entscheidungen des BVerfG. bei welchen ein Gesetzesvorbehalt zur Debatte stand. spielt Art 104 I 1 GG zumeist eine sehr untergeordnete Rolle. die seinem Verständnis als nur unmittelbare Freiheitsentziehungen betref223 Das wird besonders deutlich bei Schmidt-Aßmann in: Maunzl Dürig. Rd.-Nr. 169 zu Art. 103 II. der auch für Art. 103 II ein förmliches Gesetz verlangt und deshalb Art. 104 GG insoweit als bloße Bestätigung von Art. 103 11 GG ansieht. was sicherlich beiden Verfassungsvorschriften nur bedingt gerecht wird. Ähnlich unbefriedigend ist die Erklärung von Weidenhach. S. 106. der Unterschiede in der primären Zielrichtung beider Verfassungsvorschriften anführt. Eine überzeugende Erklärung für die weitgehende Deckungsgleichheit im übrigen liefert dies aber ebenfal1s nicht. 224 Lohberger; S. 154 ff.• hat dazu überzeugend ausgeführt. daß nicht etwa § 29 StGB a. F. die (selbständige) gesetzliche Grundlage für den Freiheitsentzug darstel1en konnte. weil dies gleichsam zur Schaffung eines Straftatbestandes der Zahlungsunfähigkeit zu Geldstrafen Verurteilter geführt hätte. 225 Anders Lohberger; S. 132. der einen wesentlichen Funktionsverlust für Art. 104 I I GG befürchtet. aber die umgekehrten Auswirkungen auf Art. 103 II GG ignoriert.

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fend eher entgegenkommt als es ausschließt. Vielfach, insbesondere in neueren Entscheidungen, wird die Vorschrift zwar erwähnt, aber gleichsam als Annex zu Art. 103 TI GG genannt und nicht mehr gesondert subsumiert;226 die Formulierungen der Anforderungen an den Gesetzgeber nähern sich in der Sache trotz ihres unterschiedlichen Wortlautes für beide Verfassungsvorschriften immer mehr an?27 Lediglich BVerfGE 14, 174 prüft Art. 104 I 1 GG explizit, wobei allerdings deutlich wird, daß nicht die materielle Strafvorschrift oder der Strafausspruch als solcher, sondern dieser im Zusammenhang mit dem folgenden Vollzug die eigentliche Freiheitsbeschränkung darstellt. 228 In BVerfGE 23, 265, 269 macht sich das BVerfG hingegen sogar die Mühe, den Vortrag des Beschwerdeführers, der nur die Verletzung von Art. 104 I 1 GG gerügt hatte, umzudeuten, um die Prüfung von Art. 103 11 GG zu rechtfertigen, obwohl die Entscheidung (Aufhebung des Strafurteils, weil die blankettergänzende Verordnung auf keiner ausreichenden Ermächtigung beruhte) mindestens genausogut über einen Verstoß gegen Art. 104 I 1 GG hätte hergeleitet werden können, wenn man ihn denn ernstlich als Maßstab für die Strafdrohung angesehen hätte. Ebenso bezeichnend ist die Argumentation in BVerfGE 22, 21, 25 f., wo nach der verneinten Verletzung von Art. 103 11 GG durch eine Verurteilung wegen Nichtbefolgens einer in der StVO geregelten Ladung zum Verkehrsunterricht Art. 104 I GG allein im Hinblick auf eine Freiheitsbeschränkung durch den Verkehrsunterricht, nicht aber durch die Verurteilung zu Geld- und ersatzweiser Haftstrafe erörtert und dann als nicht betroffen angesehen wird. Wenn danach ausgeführt wird, "Erst ... die Verurteilung zu einer Haftstrafe wegen der Nichtbeachtung der Vorladung wäre ein solcher Eingriff und dürfte nach Art. 104 I GG nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes geschehen", 229 das Gericht gleichwohl aber die geschehene Verurteilung offenbar nicht einmal als erwähnenswert befindet, obschon die verletzte Verhaltensnorm nur in einer Verordnung geregelt war, so spricht dies dafür, daß es hier deshalb gar nicht erst an einen Verfassungsverstoß gedacht hat, weil die Verurteilung auf dem unzweifelhaft formell-gesetzlich ausreichend geregelten Strafverfahrensrecht beruhte. Daß das BVerfG anfänglich in seinen Entscheidungen den Eindruck erweckt hat, als sei Art. 104 I 1 GG auch auf die materielle Strafvorschrift bezogen, lag nach Tiedemann möglicherweise am seinerzeitigen Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für den Vollzug von Freiheitsstrafen,23o ein Defizit, dem der Gesetzgeber erst durch das StVollzG vom 16. 03. 1976 abgeholfen hat. 226 Vgl. BVerfGE 14,245,251 ff.; 22, I, 18; 32, 346, 363; 75,329,343; 78, 374, 383 ff.; 80,244,256 f. In BVerfGE 14, 254, 258 wird Art. 104 I 1 GG zwar geprüft, jedoch nur als obiter dictum, da bereits wegen des zuvor erörterten Verstoßes gegen Art. 103 11 GG die Nichtigkeit der Strafbestimmung feststand. In BVerfG DAR 1968, 329 wird sogar auf die Verfassungsbeschwerde nur die Verletzung von Art. 103 11 GG erwogen und verneint, Art. 104 I 1 GG aber nicht einmal mehr erwähnt. Beträfe letztere Verfassungsbestimmung auch die Strafdrohung, wäre eine solche Unterlassung ein grober juristischer Anfängerfehler. 227 Vgl. Lohberger. S. 141 f.; Sachs, JuS 1990,58. 228 BVerfGE 14,174,186. 229 BVerfGE 22,21,26.

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Ein weiterer Gesichtspunkt ergibt sich selbst für den Fall, daß man Art. 104 I 1 GG im Grundsatz doch für anwendbar hielte, aus dessen abweichender Formulierung "auf Grund eines . . . Gesetzes" anstatt "gesetzlich bestimmt" in Art. 103 11 GG. Die allein verlangte gesetzliche Grundlage wird im Prinzip auch durch eine Ermächtigung geliefert,231 soweit diese mindestens den Anforderungen von Art. 80 I GG gerecht wird. Obwohl das BVerfG dies nirgends explizit ausspricht, scheinen seine Entscheidungen, soweit sie Art. 104 I I GG thematisieren, auf der Basis einer ähnlichen Differenzierung zwischen den bei den Verfassungsvorschriften zu beruhen. Richtigerweise wird somit Art. 104 I 1 GG als Beurteilungsmaßstab für Straftatbestände nicht in Frage kommen, so daß allein die oben gewonnenen Standards von Art. 103 11 GG heranzuziehen sind wenn es gilt, die Zulässigkeit der Delegation von Merkmalen der Verhaltensnorm auf untergesetzliche Akte zu prüfen.2 32 dd) Verwaltungsvorschriften und ihre Rolle bei der VerhaltensnormJestlegung

Aus dem Spektrum der Verwaltungsvorschriften interessieren an dieser Stelle solche, die für den Bürger verhaltenssteuernde Effekte haben, also über bloße Organisations- oder Zuständigkeitsregeln hinausgehend das Verhältnis des Staates zu seinen Bürger berühren und auf die Ausgestaltung von deren Pflichten Einfluß ausüben. 233 Hierzu zählen etwa Subventionsrichtlinien, die Kriterien für die Vergabe von Zuwendungen, damit natürlich auch für die miueilungspflichtigen Umstände liefern und auf diese Weise den Pflichtenkreis des Bürgers mit beschreiben können. Verwaltungsvorschriften nach §§ 13 IV, 21 KrW I AbfG über Entsorgungsverfahren dürften im Rahmen des § 326 StGB unter dem Gesichtspunkt einer "Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren" relevant werden. Die Regularien nach § 48 Nr. I BImSchG könnten Antworten auf die Frage nach der "Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" geben.

Bei näherer Betrachtung handelt es sich aber bei der strafrechtlichen Wirkung derartiger Vorschriften um eine vorwiegend mittelbare, das heißt, sie gewinnen ihre Bedeutung für eine konkrete Verhaltensnorm nicht aus sich selbst und kraft ihrer Geltung heraus, sondern allenfalls vermittelt über einen anderen Rechtsakt. Ihre strafrechtliche Unbeachtlichkeit ohne anderweitig vermittelte Geltungskraft folgt häufig schon aus der Verwendung des Wortes "Rechtsvorschrift" in einigen Straf1iedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 252 f. Vgl. Kistner; DRiZ 1%2, 118; Dürig, NJW 1961 , 1831. 232 Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Einzelanordnungen der Exekutive vgl. im 4. Kapitel bei A.II.3.b) ,c). 233 Zur Typologie der Verwaltungsvorschriften vgl. näher bei Ossenbühl in: Erichsen. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rd.-Nr. 32 ff.; Wolffl Bachof/ Stober; Verwaltungsrecht I, § 24, Rd.-Nr. 23 ff. 230

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tatbeständen, das nach der der tradierten verwaltungsrechtlichen Rechtsquellenlehre verhafteten Terminologie des Gesetzgebers Verwaltungsvorschriften gerade ausschließt. 234 Diese begründen mithin wegen § 330d Nr. 4a) StGB unmittelbar weder "verwaltungsrechtliche" noch nach § 264 I Nr. 2 StGB strafbewehrte Mitteilungspflichten. Aber auch im übrigen wird auf Grund der insoweit bislang eindeutigen Haltung des BVerfG zum Gesetzesbegriff des Art. 103 11 GG keine Eignung zur Normbegründung, wohl aber zur Normkonkretisierung behauptet. 235 Selbst dies ist, nimmt man Art. 103 11 GG ernst, kaum zu halten. Denn wenn man Bestimmtheit qua materiellem Gesetz verlangt, muß sich die Bestimmungsnorm notgedrungen bereits aus dem Gesetz ergeben und darf al1enfalls noch nach der Konkretisierung auf den Einzelfall verlangen. Zu einer solchen Konkretisierung der Norm ist aber eine wiederum al1gemeine Verwaltungsvorschrift nicht in der Lage, sondern al1enfalls der einzelfallbezogene Verwaltungsakt. Eine "normkonkretisierende" Verwaltungsvorschrift stellt daher bei Lichte betrachtet entweder eine normmodifizierende oder - bei nach den allgemeinen Bestimmtheitskriterien des Art. 103 n GG noch unbestimmter Norm - gar eine normbegründende Vorschrift dar, weil sie entweder eine gesetzliche Norm ihrem Inhalt nach veränden 236 oder gar eine solche für bestimmte Sachverhaltsgruppen erst begründet. Für heide Vorgänge bedürfte es der gerade mangelnden Qualifikation als materielles Gesetz. 237 Eine Ausnahme wird freilich für statische Verweisungen 238 auf Verwaltungsvorschriften zu machen sein: Der Gesetzgeber integriert diese in Kenntnis ihres Inhaltes in die Strafrechtsnorm und stellt zugleich sicher, daß eine Änderung der Verwaltungsvorschrift zum Leerlaufen (oder zur Fortgeltung der alten Fassung) der vollen Strafrechtsnorm fühn. 239 Soweit zusätzlich dem Verkündungserfordernis, das aus der Aufnahme der Verwaltungs vorschrift in die gesetzliche Bestimmung folgt, Rechnung getragen wird,24o wäre den verfassungsrechtlichen Bedürfnissen Genüge getan. Schmidr-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 213 zu An. 10311 GG. Schmidr-Aßmann in: Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 215 zu An. 10311 GG; vgl. auch Di Fabio. DVBI. 1992. 1342 ff.; Hili. NVwZ 1989,405 ff.; Sendler. UPR 1993.321 ff. 236 BVerwGE 77. 214. 217 f. zweifelt jedenfalls für den Fall, daß die Verwaltungsvorschrift den Anwendungsbereich eines Bußgeldtatbestandes einengt. an deren Vereinbarkeit mit An. 10311 GG. 237 Im Ergebnis ebenso Arndr. JuS 1979,787 f .• und Ossenbühl. Verwaltungs vorschriften. S. 498, die eine dynamische Verweisung auf Verwaltungsvorschriften außerdem wegen der Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutivgewalt für mit Demokratieprinzip und Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar halten. 23M Dazu näher sogleich unten bei ee). 239 Ossenbühl. DVBI. 1967. 402. 240 Arndr. JuS 1979.788, nennt hier im Anschluß an BVerwG NJW 1962,506 als Mindestvoraussetzungen eine hinreichende Bestimmung des Verweisungsobjektes und dessen Verlautbarung in für die Betroffenen zugänglicher und ihrer An nach für amtliche Anordnungen geeigneter Weise. Demgegenüber verlangt Ossenbühl. DVBI. 1967,406 f., darüber hinaus die Verkündung in einem für den Betroffenen bestimmten Gesetzblatt. Sein Argument, die Gesetzblätter seien Gesetzbücher mit dem Anspruch auf Vollständigkeit. hätte jedoch nur 234 235

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Gleichwohl können Verwaltungsvorschriften auch außerhalb der Fälle statischer Verweisung strafrechtliche Bedeutung gewinnen, wenn sie nämlich, wie dies wohl ohnehin überwiegend der Fall sein wird, zum Inhalt eines Verwaltungsaktes werden, soweit dieser wiederum seinerseits zur Begründung oder Änderung strafrechtlich sanktionierter Pflichten befähigt ist. Das ist etwa bei Genehmigungen der Fall, deren Umfang sich aus im Genehmigungsbescheid in Bezug genommenen Verwaltungsvorschriften wie etwa der TA-Luft im Falle des § 325 StGB oder von Abfallbehandlungsrichtlinien bei § 326 I StGB ergibt. Im Falle des § 264 StGB sind die jeweiligen Subventionsrichtlinien zur Grundlage der Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen zu machen, die die Bewilligungsbehörde gegenüber dem Zuwendungsempfänger vorzunehmen hat. 241 Soweit verwaltungsrechtliche Pflichten im Sinne von § 330d Nr. 4) StGB begründet werden sollen, muß eben per Verwaltungsakt die fragliche Verwaltungsvorschrift dem Bürger zur Pflicht gemacht werden, falls ihre Einhaltung strafrechtlichen Schutz genießen soll. Die Problematik ist dann allerdings keine solche der Verwaltungsvorschriften mehr, sondern des sie jeweils vermittelnden Genehmigungs- oder belastenden Verwaltungsaktes, der seinerseits verwaltungsrechtlich legitimiert und strafrechtlichem Schutz zugänglich sein muß. 242 Es bleibt mithin festzuhalten, daß Verwaltungsvorschriften weder Normmerkmale beinhalten noch diese definieren können, sofern sie nicht durch einen anderen Rechtsakt mit seinerseits hinreichender Legitimation vermittelt werden. ee) Statische und dynamische VeIWeisungen

Das Blankett kann die Ausfüllungsnorm einmal in ihrer dem Gesetzgeber bekannten Fassung in Bezug nehmen und dies ausdrücklich erklären (statische Verweisung).243 Änderungen der Ausfüllungsnorm führen dann dazu, daß sie nicht mehr als Blankettergänzung herangezogen werden kann. Dem Gewinn an Rechtsklarheit bei dieser heute relativ seltenen Form der Bezugnahme steht eine erhebliche Unpraktikabilität gegenüber, weil bei jedem Tätigwerden des Verordnungsgebers auch der Gesetzgeber aktiv werden muß, um die Strafbewehrung zu aktualidann entscheidendes Gewicht, wenn dies die Information entscheidend erleichterte. Daran wird man aber wegen des Umfangs, des chronologischen Aufbaus und der beim Bundesgesetzblatt vorgenommenen Aufteilung in drei unterschiedliche Teile zweifeln dürfen. Ein Verweis auf ein anderes, dem Normadressaten ebensogut zugängliches Publikationsorgan muß deshalb als ausreichend gelten können. 241 Vgl. § 2 SubvG. 242 Zu dieser speziellen Problematik vgl. im 3. Kapitel bei A.Y.4., 6., ferner im 4. Kapitel bei A.IV. 243 Ein Beispiel dieser mittlerweile selten gewordenen Konstruktion ist die Ausschlußklausel in Abs. 3 des Ordnungswidrigkeitentatbestand von § I SchwarbG. der Selbsthilfe im Sinne des § 36 des 2. WohnbauG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. 07. 1980 von der Ahndung ausschließt.

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sieren?44 Bei der sehr viel gängigeren dynamischen Verweisung24S hingegen wird die jeweils geltende Fassung der Blankettergänzung durch das Blankett in Bezug genommen, so daß sich mit Änderungen der Blankettergänzung automatisch auch die Strafnorm verändert. 246 Diese Form der Verweisung ist im Zweifel anzunehmen, solange die verweisende Vorschrift das Verweisungsobjekt ohne weiteren, auf eine bestimmte Fassung hinweisenden Zusatz angibt. 247 Dynamische Verweisungen werfen insbesondere bei einer Bezugnahme auf untergesetzliche oder von einem anderen Gesetzgeber stammende Verweisungsobjekte besondere verfassungsrechtliche Legitimationsprobleme auf, werden aber vom BVerfG nicht von vorneherein als unzulässig erachtet, wobei auch hier als Kriterium genannt wird, daß der (Bundes-)Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat. 248 Die Verweisungen des Bundes- auf den Landesgesetzgebe~49 wird man immerhin gegenüber dem Vorwurf eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip 2so für strafrechtliche Belange zusätzlich damit verteidigen können, daß Strafrecht Gegenstand konkurrierender Gesetzgebung ist (Art. 74 Nr. I GG) und es somit dem Bundesgesetzgeber freisteht, sich zugunsten eines Spielraumes für die Länder einer vollständigen Regelung zu enthalten. 2St Der ebenfalls vorgetragene Einwand einer Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen auf den Verordnungsgeber unter Mißachtung des Parlamentsvorbehaltes 2s2 berührt für strafrechtliche Regelungen vorrangig Art. 103 11 GG und wird bei Beachtung der oben beschriebenen Anforderungen 2S3 an die jeweilige Verordnungsermächtigung nicht durchgreifen. Es dürfte ohnehin gängige Praxis der Rechtsetzung sein, daß die Verordnung der Ermächtigung zeitlich nachfolgt, also die Ermächtigung einschließlich der Blankettnorm zunächst keine bestimmte existierende Blankettergänzung im Blick haben kann. Aus dieser Situation heraus erklären sich ja gerade die aus dem Parlamentsvorbehalt herrührenden Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsvorschrift. Wenn aber die darauf erlassene Verordnung, sofern sie der ErmächtiKühl, FS-Lackner, S. 831. Tenninologie nach Ossenbühl, DVBI. 1967,401. 246 Vgl. statt vieler § 28a Nr. 6 FlHG: .. Mit. .. wird bestraft. wer ... einer nach § 5 Nr. 6 erlassenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt. soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist." 247 Ossenbühl, DVBI. 1967,403. 248 BVerfGE 26,338,366 f. In BVerfGE 47,285,311 f. werden dynamische Verweisungen ebenfalls nicht generell als unzulässig angesehen, wenn auch im dort zur Entscheidung anstehenden Fall (§ 144 III KostO a. F.) die Verweisung in verfassungskonfonner Auslegung als statische behandelt wurde. 249 Z. B. § 329 StGB, soweit darin Wassergesetze oder Smog-Verordnungen der Länder in Bezug genommen werden. 250 So Arndt, JuS 1979,785; Ossenbühl, DVBI. 1967,404. m So allgemein bereits Ossenbühl, DVBI. 1967,404. 2j2 Amdt, JuS 1979,785 f.; Ossenbühl, DVBI. 1%7.403 ff.; ebenfalls erwähnt bei BVerfGE 47, 285, 311 f. 253 Vgl. oben bei III.l.b) cc). 244

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gung entspricht, zur Begründung von Strafnonnen tauglich ist, warum soll es dann nicht eine weitere, die erste Verordnung ersetzende gleichfalls sein, falls sie sich wiederum innerhalb der Ennächtigung hält?254 ff) Bestimmtheitsdejizite durch verweisungsbedingte Komplexität

Neben Defiziten bei der Wahrung parlamentarischer Kompetenz besteht bei der Verlagerung von Nonninhalten auf u.ntergesetzliche Rechtsvorschriften gelegentlich infolge der Vielfältigkeit möglicher Normkonstruktionen und der Unübersichtlichkeit bei mehrfacher Verweisung eine Gefahr für die freiheits gewährleistende Funktion von An. 10311 GG, hier in der konkreten Ausgestaltung des Gebotes der Gesetzesklarheit 255 bei der Verkoppelung sanktionierender und ausfüllender Vorschrift. Ein Beispiel für den erstgenannten Problemkreis stellen die §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 In sowie 328 In StGB dar, soweit diese pauschal die Verletzung "verwaltungs rechtlicher Pflichten" nach § 330d Nr. 4 a) StGB unter Strafe stellen. Exemplarisch für die zweite Gruppe ist das WeinG. (1) Undifferenziene Verkoppelung: Das Merkmal der Verletzung "verwaltungsrechtlicher Pflichten" Es ist unbestritten, daß Blankettstrafgesetz und Ausfüllungsvorschrift zusammengelesen die Bestimmtheitsanforderungen von An. 103 11 GG erfüllen müssen. 256 Dessen Kriterien, vor allem der Vorhersehbarkeit strafrechtlicher Verhaltensrelevanz, setzen jedoch voraus, daß auch der Zusammenhang von Blankett und seiner Ausfüllung deutlich wird, also der Bürger ersehen kann, welche Vorschriften als Blankettergänzung in Betracht kommen bzw. umgekehn, welche Nonnen Strafrechtsschutz genießen. Dies bedeutet grundsätzlich das Erfordernis eines jedenfalls einseitigen Verweises des Strafgesetzes auf die in Betracht kommenden Ausftillungsbestimmungen.257 Inzwischen entspricht der noch weitergehend aufhellende gegenseitige Hinweis in Blankettstrafgesetz und Ausftillungsvorschrift (sog. "Rückverweisungsklausel") in der Regel gesetzgeberischen Gepflogenheiten,258 254 Bei der sogenannten Binnenverweisung. also der Bezugnahme auf eine gleichrangige Blankettausfüllungsnorm. tauchen ebenfalls keine spezifischen Probleme einer dynamischen Verweisung auf (Beispiel: § 84 I AsylVfG. der z. T. auf § 51 I I AuslG ohne nähere Konkretisierung. also in der jeweils geltenden Form. Bezug nimmt). Hier ist derselbe Gesetzgeber für Blankettgesetz und Ausfüllungsnorm tätig geworden. so daß durch Modifikationen der Ausfüllungsnorm entstandene Änderungen der Strafnorm hinreichend parlamentarisch legitimiert sind. 255 Vgl. Schmidt-Aßmann in : Maunz/Dürig. Rd.-Nr. 201 zu Art. 1031\ GG. 256 Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Rd.-Nr. 208 zu Art. 1031\ GG; Ossenbühl. Verwaltungsvorschriften. S. 494. 257 Lohberger, S. 115. 258 Vgl. die Hinweise bei Kast, S. 6. 20. 26 f. Lenzen, JR 1980. 136. hält die Rückverweisungsklausel sogar aus dem Gesichtspunkt des Art. 80 I 2 GG für unabdingbar.

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unrühmliche Ausnahmen stellen hier jedoch gerade einige Tatbestände des StGB 259 und dort vor allem die relativ modernen Umweltstrafgesetze dar. Weder verweisen die Normen des materiellen Umweltrechts auf die Möglichkeit strafrechtlicher Sanktion, noch lassen sich einige Strafgesetze zu mehr als dem pauschalen Hinweis auf die geschützten "verwaltungsrechtlichen Pflichten" herab, ohne diese über ihre allgemeine Schutzrichtung in § 330d Nr. 4 StGB hinaus zu spezifizieren. Immerhin hat das BVerfG für § 327 11 StGB unter Hinweis auf die herausgehobene Stellung der Strafvorschriften im StGB einerseits und dem speziellen, mit den einschlägigen Regelungsmaterien notgedrungen vertrauten Kreis der Normadressaten es als noch hinnehmbar erscheinen lassen, daß weitergehende gegenseitige Bezugnahmen der zu verkoppelnden Vorschriften fehlen?60 Bei § 327 11 StGB ist indes nur ungenannt, welche Anlagen im einzelnen nach jeweils welchen verwaltungsrechtlichen Vorschriften einer Genehmigung bedürfen, wobei zudem immerhin das fragliche Gesetz (BlmSchG, WHG, KrW / AbfG) in der Strafvorschrift noch jeweils bezeichnet ist. Demgegenüber wird dem Normadressaten etwa bei § 325 StGB keinerlei Hilfestellung gegeben. Nicht nur muß er selbst erraten, daß sich die einschlägigen Pflichten aus dem BImSchG und der Vielzahl dazu erlassener Verordnungen ergeben können. Er muß zudem damit rechnen, daß Verwaltungsakte, öffentlich-rechtliche Verträge und gerichtliche Entscheidungen als Rechtsquellen in Betracht kommen, wobei ihm ferner abverlangt wird zu beurteilen, welche der vielen ihm insoweit obliegenden Pflichten zugleich im Sinne von § 330d Nr. 4 StGB der Verhütung von Gefahren oder schädlichen Einwirkungen dienen. Gerade letzteres etwa ist bei den Pflichten zur Reststoffvermeidung (§ 5 I Nr. 3 BlmSchG), zur Emissionserklärung (§ 27 I BlmSchG) oder zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten (§ 53 BlmSchG) keineswegs eindeutig. In einer solchen Konstellation wird eine einzige Strafvorschrift völlig undifferenziert mit einer Unzahl möglicher Blankeuergänzungen verkoppelt, wobei es zudem eines gewissen juristischen Sachverstandes bedarf, diese hinsichtlich einer ausreichenden Intention im Sinne des § 330d Nr. 4 StGB von insoweit untauglichen Normen abzugrenzen. Dem Bürger wird zugemutet, um es mit dem drastischen Wort von Lenzen 261 auszudrüken, "wie mit einer Stange im Nebel alle möglicherweise einschlägigen außerstrafrechtlichen Normen suchen (zu) müsen.,,262 Eine solche, zudem völlig unnötige, wie nahezu alle anderen, weitaus eindeutigeren und vielfach mit genaueren Verweisungen arbeitenden strafrechtlichen Nebengesetze zeigen,

Z. B. außerhalb des Umweltstrafrechts die §§ 104, 107c, 315a I Nr. 2 StGB. BVerfGE 75, 329, 343 f. 261 Lenzen, JR 1980, 137. 262 Kühl, FS-Lackner, S. 823, hält diese Kritik zwar für übertrieben, wobei er als Anhaltspunkte für den Bürger die Verwendung teilweise identischer Begriffe in Straf- und Verwaltungsrecht bemüht. Dies nutzbar zu machen setzt indes voraus, daß man den fraglichen Begriff in verwaltungsrechtliche Kategorien einordnen und diese sodann aufzufinden vennag. Dem Juristen ist dies sicherlich möglich; um diesen geht es aber nicht. 259

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Vernachlässigung des Gebotes der Gesetzesklarheit 263 ist mit Art. 103 II GG offensichtlich nicht mehr in Einklang zu bringen. 264 (2) Unübersichtlichkeit der Verweisung

Gelegentlich ist beklagt worden, die Trennung von Strafgesetz und materiellem (vor allem Umwelt-)Verwaltungsrecht, welches zur Blankettausfüllung heranzuziehen ist, erschwere die Übersichtlichk.eit und gefährde damit die Gesetzesklarheit. Vielmehr sei einzig richtiger Grundsatz, daß Strafvorschriften in dem Gesetz ihren Platz finden sollen, das die strafrechtlich geschützte Materie regele. 265 Ein Blick in das StGB lasse Grenzen und Umfang des Strafrechtsschutzes nicht mehr erkennen. 266 Soweit allerdings eindeutig ist, welches materielle Verwaltungsrecht jeweils einschlägig ist, der Normadressat zudem aus einem begrenzten Personenkreis stammt, der qua notwendigem Fachwissen regelmäßig Kenntnis der verwaltungsrechtlichen Regelungslage hat, wird dieses vergleichsweise geringe Manko einer auseinandergerissenen Gesetzesmaterie um des Vorzuges möglicherweise gesteigerter Präventionswirkung willen, vermittelt durch die Auszeichnung der Strafgesetze als der Aufnahme in den Kernbestand strafrechtlicher Materie würdig,267 hingenommen werden können. Selbstverständlich stößt die räumliche Trennung von Strafvorschrift, Verhaltensnorm und diese wiederum konkretisierenden Rechtsquellen dann auf ihre Grenzen, wenn, wie Schne1l 268 anhand des WeinG 269 aufgezeigt hat, dabei die begrenzte

menschliche Kapazität zur kurzzeitigen Informationsverarbeitung durch Quantität oder Komplexität der Vernetzungstrukturen derjenigen Vorschriften, die gleichzei263 Vg!. aus der Vielzahl der Entscheidungen BVerfGE 14, 174, 185 f.; 14,245,251; 14, 254,257; 22, I, 18; 22, 21, 25; 23, 265, 269; 32, 346, 362 f.; 55,144,152; 71,108,114 f. ; 78, 374, 382. 264 a.A. J.Pjeiffer. S. 46 f., zu § 325 StGB, dem es nur auf die Erkennbarkeit als individuelle umweltschützende Anordnung ankommt. Damit aber ist nur ein Ausschnitt der denkbaren Rechtsquellen erfaßt. 265 Lenzen, JR 1980, 134, wenn auch in anderem Zusammenhang. 266 Kühl, FS-Lackner, S. 819. 267 Kritisch zu diesem Gesichtspunkt Lenzen, JR 1980, 137, der eine gesteigerte Prävention bezweifelt, wenn die Norm sich ohnehin nur an einen begrenzten Personenkreis richtet. Indes lebt Strafrecht nicht nur von der Kenntnis und Achtung durch den konkreten Kreis der Normadressaten, sondern auch durch die Internalisierung seiner Normen in der breiten Öffentlichkeit. Diese ist aber sicherlich nicht einfacher zu erreichen, wenn sich die Strafnorm in einem wenig bekannten Fachgesetz versteckt. 268 Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität nebenstrafrechtlicher Tatbestände am Beispiel des Weingesetzes, vg!. dort insbesondere S. 107 ff., 116 ff. 269 In der bis zum 15.07. 1994 geltenden Fassung. Mittlerweile ist das WeinG neu gefaßt worden (WeinG vom 08. 07. 1994, BGB!. I 1467). Die a. F. gilt jedoch partiell bis zur Neuregelung auf Grund der zahlreichen Ermächtigungen des WeinG n. F. fort, was die Übersichtlichkeit weiter reduziert.

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tig wahrzunehmen sind, um die Verbotsmaterie exakt zu erfassen, überschritten wird. Gelinge diese vollständige Erfassung nicht mehr, weil der Normadressat mit seinen psycho-biologischen und informations psychologischen Fähigkeiten dazu nicht mehr in der Lage ist, so verlange der Gesetzgeber mehr, als der Rechtsunterworfene zu leisten imstande sei,27o das Gebot der Normklarheit wäre dann verletzt. Schnell unternimmt zwar gar nicht erst den Versuch einer deduktiven Festlegung von Grenzwerten für das noch Erfaßbare, nennt jedoch einige Umstände, die die Verständlichkeit im Einzelfall aufheben können und aus denen sie schließlich die vollständige Unverständlichkeit von § 67 WeinG a.F. sowie Bedenken gegen einzelne Alternativen der §§ 68, 69 WeinG a.F. ableitet. 271 So sind implizite 272 anstelle expliziter Verweisungen 273 zu vermeiden.274 Selbst explizite Verweisungen können unverständlich sein, wenn das Verweisungsobjekt für den Normadressaten nicht hinreichend erreichbar ist,275 die Verweisungskeuen im Nichts enden 276 oder fehlerhaft 277 sind. Mehrfache (Keuen-)Verweisungen, Verweisungen auf eine Vielzahl von gleichrangigen Verweisungsobjekten 278 oder eine umfangreiche negative Verweisung 279 bilden weitere Barrieren für eine Verständlichkeit der Strafvorschrift. 270 271

Schnell. S. 122. Vgl. Schnell. S. 139 ff., 153.

212 Beispiel § 331 StGB: Täter ist ein "Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter". Diese Begriffe sind in § 11 I Nr. 2,4 StGB definiert. auf den § 331 StGB somit implizit verweist. Angesichts der Häufigkeit der Verwendung der fraglichen Termini im StGB und der relativ schnell zu findenden FundsteIle des Verweisungsobjektes (im zweiten Titel des ersten Abschnitts mit der Bezeichnung "Sprachgebrauch") ergeben sich in diesem Fall impliziter Verweisung allerdings zweifellos keine Verständnisdefizite. 273 Beispiel § 316 I StGB: "Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ... " 274 Schnell. S. 130 f. 275 Schnell. S. 131 f.. nennt hier Bezugnahmen auf mehrfach veränderte Verordnungen, die nicht in bereinigter Fassung abgedruckt erhältlich sind. 276 Schnell. S. 132. Dazu zählen auch die §§ 16. 15 I Nr. I CWÜAG, § 44 I Nr. 5 MPG, wo der Verordnungsgeber bislang nirgends von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, entsprechende Verordnungen oder darin die notwendigen Tatbestände mit Rückverweisen zu erlassen. Die Strafvorschriften suggerieren eine tatsächlich gar nicht vorhandene Strafbarkeit. 277 Schnell. S. 133, weist hier auf eine zeitweise - nunmehr bereinigte - Diskrepanz zwischen dem Rückverweis in § 19 Schaumwein I Brandwein VO a. E und dem WeinG a. E hin 278 Beispiel ist § 67 I Nr. I WeinG a. E, der als weitere Voraussetzung der Tathandlung den gleichzeitigen Verstoß gegen in der Anlage I Abschnitt I zum WeinG aufgeführte EWG-Vorschriften nennt. In der fraglichen Anlage fanden sich aber zeitweise alleine 32 verschiedene europäische Rechtsquellen, die der Anwender dann aufsuchen und im einzelnen prüfen muß. Ähnlich unübersichtlich ist § 67 11 WeinG a. E (entsprechend § 48 I Nr. 2 WeinG n.E), der auf eine Vielzahl von bundesdeutschen Verordnungen Bezug nimmt. Vgl. ferner Schnell. S. 141 f. 279 Beispiel ist wiederum § 67 I Nr. I WeinG a. E, der nur in "anderen als den in § 69 li-V bezeichneten Fällen" eingreift. Hier müssen zunächst sämtliche der zahlreichen Tatbestände des § 69 li-V WeinG a. E geprüft werden, bevor man entscheiden kann, ob § 67 I Nr. 1 WeinG a. E einen Sachverhalt unter Strafe stellt, vgl. Schnell, S. 141. Dieselbe Regelungstechnik verwendet nunmehr § 48 I Nr. I, 3 WeinG n.E

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Freilich ist Schnells Blick allzu einseitig auf die Strafvorschrift und die Ableitung der Verhaltensnonn aus dieser selbst gerichtet. 280 Entscheidend ist aber zunächst die Erkennbarkeit der Verbotsmaterie, also die Klarheit der Verhaltensnonn, während die Möglichkeit, um die Strafbarkeit des erkanntennaßen Verbotenen zu wissen, hiervon gedanklich zu trennen ist. Sicherlich muß im Hinblick auf das Gebot der Gesetzesklarheit auch die Strafbarkeit erkennbar sein, jedoch dürfte es zulässig sein, wenn dies dem Betroffenen mehr als einen schnellen Blick in die einschlägige Vorschrift abverlangt. Wer anhand der verwaltungsrechtlichen Verhaltensnonn die Rechtswidrigkeit seines HandeIns erkennt, kann und soll sein Verhalten bereits danach einrichten; er trägt dann das Risiko einer Strafbarkeit, wenn er die sich aufdrängende Prüfung desselben unterläßt. Ein Sammelverweis im Straftatbestand auf Ausschnitte unübersichtlicher Ordnungswidrigkeitentatbestände wie in § 148 GewO berührt deshalb für sich genommen die Gesetzesklarheit noch nicht, sofern nur die den in Bezug genommenen Ordnungswidrigkeiten zugrunde liegenden Verhaltensnonnen ihrerseits klar auf der Hand liegen. Wer realisiert, daß sein Verhalten jedenfalls ordnungswidrig ist und zudem weiß, daß es möglicherweise auch strafbar sein könnte, dem ist auch, falls es für ihn eine Rolle spielt, ob das zu unterlassende Tun zusätzlich noch strafbar ist, zuzumuten, die Erkenntnis hierüber erst auf Grund einer komplizierteren gedanklichen Operation zu gewinnen. Ebenso ist ein negativer Verweis wie in dem völlig verunglückten § 67 I Nr. 1 WeinG a. F. letztlich unter Bestimmtheitsgesichtspunkten tolerierbar, solange lediglich die Einstufung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit unklar ist, der Umstand des Verbotenseins aber eindeutig bleibt. Allerdings, und damit ist Schnells Beurteilung des WeinG im Ergebnis dann doch weitgehend zutreffend, ist verweisungsbedingte Komplexität keine Eigenart der jeweiligen Strafvorschriften, sondern oftmals bereits ein Hindernis für die Verständlichkeit der verwaltungsrechtlichen Verhaltensnonn selbst. Die Strafvorschrift fügt der schon für sich genommen unverständlichen Vernetzungsstruktur dann nur noch eine weitere Ebene an. gg) Ausfüllung nonnativer Tatbestandsmerkmale durch untergesetzliche Rechtsquellen

Mit dem bei Nonnbestandteilen erzielten Ergebnis ist klar, daß die Ausfüllung nonnativer Tatbestandsmerkmale durch Verordnungen jedenfalls dann keinerlei Bedenken begegnet, wenn diese ihrerseits auf hinreichenden Ennächtigungsgrundlagen beruhen. 281 Denn was für die Begründung eines Nonnmerkmals ausreichend 280 Vgl. Schnell. S. 127 ff., die ausdrücklich ein sogenanntes Top·to-down-Modell anwendet und dabei allein von der Strafvorschrift her deduziert. 281 Entgegen der Auffassung von Kaschkat. FS-F.-W.Krause, S. 123 ff., ist deshalb auch die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "Betäubungsmittel" durch Verordnung nach § I II, IV BtMG als solche nicht zu beanstanden. Die spezifische Problematik liegt hier (wie auch bei dem gleichartigen § 1 KWG) vielmehr darin begründet, daß die Anlagen zu § 1 I BtMG formell Gesetzesbestandteile sind, die qua Verordnung änderbar sein sollen. Allerdings han-

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ist, muß zwangsläufig a maiore ad minus auch für ein von seiner Bestimmungskraft für die Grenzen der Strafbarkeit her geringeres Merkmal genügen. Bei der Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale durch Verwaltungsvorschriften ist die Situation freilich anders. Wenn Verwaltungsvorschriften keine Normmerkmale beinhalten können, so schließt dies nicht notwendig ihre Fähigkeit, die Anwendbarkeit einer Norm auf bestimmte Sachverhalte zu erstrecken, aus. Grundsätzlich ist der bei der Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale vorzunehmende Wertungsakt nicht auf die Bezugnahme von Rechtsquellen bestimmter Qualität oder Herkunft beschränkt. Vielmehr geht es hier um eine Begriffsauslegung, bei der im Prinzip Argumente jeder Art Verwendung finden können, was etwa der Blick auf die Herkunft der Definition des Urkundsbegriffs in § 267 StGB deutlich macht, der sich bestenfalls auf soziale Wertungen zurückführen läßt. 282 Von daher werden Verwaltungsvorschriften als denkbare Parameter für die Auslegung normativer Merkmale kaum auszuschließen sein?83 Derzeit wichtigster strafrechtlicher Anwendungsfall von Verwaltungsvorschriften sind zweifellos die Steuerrichtlinien mit ihren faktischen Auswirkungen auf die "steuerlich erheblichen Tatsachen" in § 370 AO. Hier mag es, vor allem auf dem Hintergrund einer Auffassung, die § 370 AO als Blankengesetz ansieht, zunächst so scheinen, als ginge es um die originäre Definition strafbaren Verhaltens. Indes bedarf es selbst auf dem Boden einer solchen Sichtweise von § 370 AO der Steuerrichtlinien zum Zwecke einer tauglichen Umgrenzung des Merkmals steuerlicher Erheblichkeit genaugenommen gar nicht, weil dies, was auch aus § 38 AO folgt, bereits nach dem jeweiligen Steuergesetz alle diejenigen Umstände sind, die einen möglichen Einfluß auf Grund und Umfang der Steuerpflicht ausüben?84 In weIcher Weise und ob die Steuerbehörde die mitgeteilten Tatsachen sodann über den Steuerbescheid in eine konkrete Reduzierung der Steuerschuld umsetzt, ist ihre, wenn auch durch Verwaltungsvorschrift gebundene, Entscheidung. Die Wahrheitspflicht des Bürgers geht somit weiter, als nach dem internen Entscheidungsprogramm der Finanzbehörde unabdingbar wäre. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich aus einem Vergleich mit dem strukturell verdelt es sich materiell um Rechtsvorschriften, die nicht notwendigerweise Gesetzesrang haben müßten, sondern auch als Verordnungen begriffen werden könnten. Daß der Gesetzgeber an sich keine Verordnungskompetenz haben mag, wie Kaschkat betont (a. a. 0., S. 127), dürfte insofern irrelevant sein, als er damit seine Kompetenz nicht über-, sondern allenfalls unterschritten hätte. Eine Nichtigkeit des BtMG insgesamt folgert aus dieser ungewöhnlichen Konstruktion jedenfalls nicht (im Ergebnis ebenso in einer Randbemerkung BVerfG NJW 1998,669,670; a.A. Kaschkat, a. a. 0., S. 134). 282 Daß etwa der berühmte Bierdeckel eine Urkunde sein soll, bedarf der materiellen Begründung über bestimmte Gepflogenheiten im sozialen Verkehr. Genaugenommen handelt es sich natürlich nunmehr um eine zu Richterrecht geronnene Erkenntnis und damit um eine eigenständige Kategorie; allerdings ist dies das Produkt, nicht aber das argumentative Instrument des ursprünglichen Wertungsvorgangs. 283 Zu der Frage, inwieweit sich die richterliche Auslegung an ihnen zu orientieren hat oder ob sie gar gebunden ist, vgl. unten im 3. Kapitel bei A.Y.l., B. 284 Vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Anm. 4a zu § 370 AO; Kohlmann, Rd.-Nr. 32 f. zu § 370 AO; unklar bei Joecks in: Franzen/Gast/Joecks, Rd.-Nr. 130 zu § 370 AO, sowie bei Hübschmann/Hepp/Spitaler-Engelhardt, Rd.-Nr. 41 zu § 370 AO; Horst Vogel, NJW 1985, 2990.

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wandten Betrug. Der Betrüger kann sein Opfer ebenfalls nicht nur durch Vorspiegelung relevanter. sondern auch durch die Vorgabe von Tatsachen täuschen. die für die Willensbildung des Opfers aus dessen subjektiver Einschätzungen heraus. die der Tater aber nicht kennt. unwichtig sind. Die Tatvollendung scheitert dann erst an Verfügung und Schaden. ein (untauglicher) Versuch läge aber gleichwohl vor. Entsprechend ist auch bei § 370 AO jede Falschangabe einer qua Steuergesetz potentiell bedeutsamen Tatsache normwidrig. wobei die wegen anderslautender Steuerrichtlinien tatsächlich irrelevanten Umstände mangels Erfolges kein vollendetes Delikt begründen können. Kennt der Täter die Steuerrichtlinie. wonach der Umstand nicht entscheidungsrelevant ist. fehlt ihm der für die Versuchsstrafbarkeit erforderliche Vorsatz eines denkbaren Erfolges. Meint er in Unkenntnis der Richtlinie dagegen. seine Unterlassung könne ihn steuerlich begünstigen. bleibt er wegen (untauglichen) Versuchs der Steuerhinterziehung nach § 370 II AO strafbar.

c) Strafvorschriften mit vollständiger Verhaltensbeschreibung Strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Norm können sich als Ergebnis der bisherigen Gedanken in Teilbereichen decken; eine Verhaltensnorm des Strafrechts mit eigenem Standort im Straftatbestand ist also nicht zwingend. Vielmehr ist es möglich, daß diese in der Verwaltungsrechtsnorm angesiedelt ist und einen Ausschnitt derselben bildet. ohne deshalb ihre logische Eigenständigkeit, die sich auf der reduzierten Regelungsmaterie gründet, zu verlieren. Allerdings gilt diese eingeschränkte Bestätigung von Bindings umfassender Annahme des Vorrangs außerstrafrechtlicher Regelungen zunächst nur für den Fall eines ausdrücklichen Verweises auf die Verwaltungsrechtsnorm. Vielfach wiederholt jedoch der Straftatbestand zugleich Teile einer positiven Norm, so daß sich anders als in den vorgenannten Fällen jedenfalls die Möglichkeit eröffnet, eine im Straftatbestand inkorporierte Norm zu konstruieren. Ein Beispiel hierfür wäre etwa § 53 III Nr. 5 WaffG: .. Mit ... wird bestraft. wer entgegen § 39 I bei öffentlichen Veranstaltungen eine Schuß-. Hieb- oder Stoßwaffe führt." § 39 I WaffG bietet demgegenüber allenfalls eine weitere Veranschaulichung: ..Wer an öffentlichen Veranstaltungen. insbesondere an Volksfesten und öffentlichen Vergnügungen teilnimmt. darf keine Schußwaffen. Hieb- oder Stoßwaffen führen." Der Verweis auf § 39 I WaffG wäre dabei im Grunde überflüssig. weil der Straftatbestand in sich verständlich und vollständig ist; die Präzisierung des Begriffs ..öffentliche Veranstaltungen" könnte theoretisch auch der Auslegung überlassen bleiben. ohne daß damit das Bestimmtheitsgebot vernachlässigt würde.

Damit ist aber noch nicht gesagt. daß der Strafrechtssatz in diesen Fällen eine eigenständige Verhaltensnorm inkorporiert hätte. Im Gegenteil: Die Suche nach einer weiteren. identischen Verhaltensanweisung in dem Strafrechtssatz neben einer bereits existenten Verhaltensnorm in der Verwaltungsrechtsmaterie erscheint zunächst wenig sinnvoll. Zudem wiesen die zu suchenden Strafrechtsnormen vielfach ein Weniger an Regelungsmaterie auf als die Normen des Verwaltungsrechts. weil das Delikt häufig enger als die Verwaltungsrechtsnorm gefaßt ist. Nicht jede objektive Verwaltungsnormwidrigkeit gefährdet nämlich das zu schützende Rechtsgut in

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gleichem Maße oder erscheint ebenso strafwürdig und strafbedürftig wie ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Kernbereiche der Norm. Es gäbe daher im Falle der Annahme einer weiteren Verhaltensnorm im Straftatbestand letztlich zwei unterschiedliche Verhaltensanweisungen an den Bürger, von denen eine allgemein eine bestimmte Handlung verlangt oder verbietet, während ein zweiter Befehl einen Ausschnitt des bereits ge- oder verbotenen Tuns erneut ge- oder verbietet. Davon wiederum logisch gelöst stellt der Strafrechtssatz einen Verstoß gegen dieses zweite Ge- oder Verbot aus präventiven und Strafwürdigkeitserwägungen unter Kriminalstrafe. Beispielsweise regelt § 8 II 2 StVO, daß der nicht vorfahrtberechtigte Verkehrsteilnehmer nur weiterfahren darf. wenn er übersehen kann. daß er den Vorfahrtsberechtigten weder gefährdet noch wesentlich behindert. Demgegenüber bestraft § 315c I Nr. 2a) StGB nur die grob verkehrswidrige und rücksichtslose Nichtbeachtung der Vorfahrt. addiert jedoch als weiteres Erfordernis die konkrete Gefährdung bestimmter Rechtsgüter. Die Verbotsmaterie hinsichtlich des Verkehrs verhaltens ist hier nur teilidentisch. weil schlicht verkehrswidrige. nicht rücksichtslose Vorfahrtsverletzungen strafrechtlich nicht erfaßt sind. Hinsichtlich der Gefährdung ist die Situation ähnlich. Während § I 11 StVO als entsprechende Nonn jede Schädigung. Gefährdung und darüber hinaus jede venneidbare Behinderung und Belästigung verbietet. beschränkt sich das Strafgesetz auf Gefährdungen (und damit implizit auch Schädigungen) von Leben. Gesundheit und - teilweise - Eigentum. klammert aber bloße Belästigungen und Behinderungen aus. Die Brisanz derartiger Konstellationen wird allerdings erst dort in vollem Umfang deutlich. wo der Bezug zwischen Straftatbestand und Verwaltungsrechtsnonn weniger ausgeprägt zu Tage tritt. direkte Bezugnahmen fehlen. die Wortwahl der Bestimmungen differiert oder eben. wie im Umweltstrafrecht. die Interessenlage der Beteiligten komplexer ist und akzentuierter formuliert wird. Ein Beispiel für eine weniger eindeutige Lage bieten § 324 StGB einerseits. welcher die unbefugte Verunreinigung von Gewässern bestraft. und die Nonnen der §§ la - 3 WHG. die eine .. Verunreinigung" nicht absolut verbieten. sondern eine Vielzahl verschiedener Gewässernutzungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen und in diesem Zusammenhang lediglich Sorgfaltsregeln zur Verhinderung von Verunreinigungen statuieren. Nun wäre es in derartigen Fallgestaltungen zwar auf den ersten Blick theoretisch denkbar. die Existenz eines engeren zweiten Befehls qua strafrechtlicher Verhaltensnorm mit der durch die Strafdrohung bekundeten Steigerung des staatlichen Gehorsamsanspruchs zu rechtfertigen. Die Unhaltbarkeit dieses Gedankens wird aber deutlich. wenn man sich seine Konsequenz. nämlich die Anerkennung von Gehorsamspflichten unterschiedlicher Qualität. vor Augen führt. Der positivrechtlichen Verwaltungsrechtsnorm wäre dann ein weniger an Gehorsam geschuldet als der Strafrechtsnorm. Ein Mehr oder Weniger an Gehorsam ist jedoch undenkbar: Entweder man folgt einer Verhaltensnorm oder man tut dies nicht; man kann sie logischerweise aber nicht nur ein bißehen übertreten. Ebensowenig vermag der Gedanke einer Abstufung der Gehorsamspflichten im Sinne eines der einen Norm nur bedingt geschuldeten Gehorsams zu überzeugen. Zwar steht die aktuelle Normgeltung für den Handelnden immer unter verschiedenen Bedingungen, etwa seiner

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Handlungsfähigkeit, fehlender Rechtfertigung des Normbruches u. a. Darüber hinausgehende allgemeine Bedingungen der Geltung der positivrechtlichen Nonn, die nicht gleichennaßen für Strafrechtsnonnen hinsichtlich der entsprechenden Regelungsmaterie gelten müßten, sind dem Recht aber fremd. Man könnte weiterhin an eine KlarsteIlungsfunktion einer eigenständigen Strafrechtsnonn im Hinblick auf die andersartige Sanktionierung der Nonnmißachtung denken. Die erforderliche Klarheit ergibt sich aber bereits aus dem Wortlaut des Straftatbestandes, und zwar unabhängig davon, ob man ihm eine Verhaltensnonn unterlegt oder insoweit auf anderweitige Regelungen rekurriert. Zudem bedeutet die sich aus dem Wortlaut der Strafbestimmung ergebende Möglichkeit einer dortigen Ansiedlung der Verhaltensnonn nicht, daß diese theoretische Möglichkeit auch genutzt werden müßte, solange kein konkretes Bedürfnis dazu besteht. Vielmehr spricht der sonst drohende Verlust an Präventions wirkung hinsichtlich der nicht zugleich parallel strafrechtlich sanktionierten Verhaltensanweisungen eher dafür, diese nicht durch die Statuierung einer weiteren und in den Augen der Betroffenen alles andere überstrahlenden Strafrechtsnonn zu entwerten. Wenn hier gleichwohl an der Existenz einer im Straftatbestand integrierten Verhaltensnonn festgehalten werden soll, so beruht dies auf folgenden Erwägungen: In jedem Fall ist die Verhaltensnonn, die als Grundlage der strafrechtlichen Zurechnung benötigt wird, nicht mit der Verwaltungsrechtsnonn identisch. Im Gegensatz zu den bereits besprochenen Fällen eines schlichten Verweises auf die Verwaltungsrechtsnonn im Straftatbestand fehlt dort, wo der Straftatbestand eine eigene Verhaltensbeschreibung liefert, häufig ein entsprechender Verweis auf die jeweilige Verwaltungsrechtsnonn,285 jedenfalls aber wird dessen Sinn fraglich, wenn er sich neben einer ansonsten vollständigen Verhaltensumschreibung findet. 286 Es fehlt also zunächst schon der fonnale Anknüpfungspunkt an die Verwaltungsrechtsnonn. Dieses Defizit wird umso bedeutsamer, je mehr der Straftatbestand in seiner Diktion von der Verwaltungsrechtsnorm abweicht. Vollends unklar wäre die Situation, sobald ein Tatbestand wie § 315c StGB mehrere unterschiedliche Verwaltungsrechtsnonnen und diese zudem nur teilweise erfaßt. Neben diesem fonnalen Argument, das allerdings hinsichtlich der Gefahr einer Nonnenunklarheit durchaus auch materielle Bezüge aufweist, wiegt ein anderes Bedenken noch schwerer. Bezöge man sich gerade bei einem deutlich enger gefaßten Strafgesetz als Grundlage des Vorwurfs nur auf den Verstoß gegen derart aufgefächerte und weitgefaßte Pflichtenbeschreibungen, wie sie die Verwaltungsrechtsordnung gelegentlich liefert, so geriete diese Pflichtwidrigkeit in die Schwierigkeit, eine taugliche Legitimation für den gesteigerten Schuldvorwurf kaum liefern zu können. Die Feststellung krimineller Schuld und die darauf aufbauende Verhängung von Strafe ist nur auf der Basis eines gegenüber schlichter Verwaltungswidrigkeit mindestens 285 286

Vgl. das bereits genannte Beispiel des § 315c StGB. Wie im ebenfalls bereits erwähnten Beispiel des § 53 III Nr. 5 WaffG.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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quantitativ gesteigerten Unrechts 287 denkbar. Solange also die fragliche Verwaltungsnonn auch eindeutig nicht strafwürdige Verhaltensweisen verbietet, ist die Feststellung eines Verstoßes gegen eine derart diffuse Nonn noch nicht gleichbedeutend mit dem Nachweis einer kriminellen Pflichtwidrigkeit. Wenn es demzufolge einer Festlegung derjenigen Nonninhalte bedarf, deren Mißachtung auch strafwürdig ist, so ist es nahezu zwangsläufig, diese reduzierte Verhaltenspflichtbeschreibung, deren Merkmale sich ja allein im Straftatbestand finden, dann auch originär dort zu suchen. Jede andere Lösung könnte demgegenüber nicht erklären, warum allein schon die Existenz einer außerstrafrechtlichen Verhaltensnonn dazu führen sollte, eine bislang in einem Straftatbestand mit vollständiger Verhaltensbeschreibung inkorporierten Verhaltensnonn nunmehr dort zu eleminieren. Als Ergebnis läßt sich mithin festhalten, daß, soweit eine vollständige Handlungsumschreibung im Straftatbestand enthalten ist, dies bedeutet, daß auch die erforderliche Verhaltensnonn dort angesiedelt ist. Die Rolle eines darüber hinaus im Tatbestand enthaltenen und scheinbar funktionslosen Verweises wie in § 28 I Nr. 3 FlHG 288 läßt sich hierbei unschwer als Hinweis darauf deuten, daß die Verhaltensbeschreibung ihren Ursprung im verwaltungsrechtlichen Kontext und die Strafrechtsnonn diesen im Rahmen der Auslegung zu beachten hat. Es ist allerdings einzuräumen, daß diese fonnalen Argumente für die nunmehr im Vordergrund stehende These eines erforderlichen inhaltlichen Rückgriffs auf die Verwaltungsrechtsnonnen, soweit sich derartige Nonnen finden lassen, noch zu untennauem sind, weil sie nur vor dem Hintergrund eines prinzipiell sekundären Charakters des Strafrechts bestehen können. Sie verlören sofort jegliche Durchschlagskraft, käme dem Strafrecht die Befugnis einer eigenständigen Zielsetzung zu, insbesondere einer unabhängigen Wertentscheidung hinsichtlich potentiell schützenswerter Rechtsgüter. Im bereits genannten Beispiel des § 324 StGB, wo zudem ein ausdrücklicher Verweis auf bestimmte Verwaltungsrechtsnonnen fehlt,289 wird dies besonders anschaulich. Solange das Strafrecht die (primär wasserwirtschaftliche) Ausrichtung der einschlägigen Verwaltungsrechtsnonnen zu respektieren hat, ist 287 Eine qualitative Unterscheidbarkeit des strafrechtlich relevanten von dem nur verwaltungswidrigem Verhalten hat sich bekanntlich als nicht durchführbar erwiesen, vgl. Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 4, Rd.-Nr. 12, 16; Jakobs, Strafrecht AT, 3.Abschnitt, Rd.-Nr. 7 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 58 f.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § I, Rd.-Nr. 35; Roxin, Strafrecht AT I, § 2, Rd.-Nr. 41; AK-StGB-Hassemer, Rd.-Nr. 376 ff. vor § 1 StGB; Erbs/Kohlhaas-Göhler/Buddendiek/Lenzen, Einführung, Rd.-Nr. 19; Guderian, ZStW 21, 849 ff., 856 ff., 871; Stienen, ZStW 35, 652 ff. 288 § 28 1 Nr. 4 FlHG lautet: .. Mit ... wird bestraft, wer entgegen § I I 4 Fleisch von Affen, Hunden oder Katzen zum Genuß für Menschen gewinnt." Die in Bezug genommene (hier explizite Verhaltens-)Nonn des § I I 4 ist damit vollständig identisch: .. Fleisch von Affen, Hunden oder Katzen darf zum Genuß für Menschen nicht gewonnen werden." 289 Insbesondere das Merkmal .. unbefugt" wird jedenfalls von der h. M. nur - wenn auch zu Unrecht - als allgemeines Rechtswidrigkeitsmerkmal verstanden, vgl. dazu näher unten im 3. Kapitel bei A.I1I. Einen direkten Bezug zu bestimmten Verwaltungsnonnen stellt es aber unzweifelhaft in keinem Fall dar.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

klar, daß die Auslegung des § 324 StGB stets mit den Regelungen des WHG und insbesondere dessen Verhaltensnormen hannonieren muß. Ist das Strafrecht hingegen zu einer eigenen Wertentscheidung in der Lage, so könnte es auch daran ausgerichtete und mit den Regelungen des WHG nicht in Einklang stehende Verhaltensnormen kreieren, die dann beispielsweise etwas aus ökologischen Gründen heraus verbieten könnten, was das WHG mit ökonomischen Erwägungen noch hinnimmt.

2. Konkurrenz von strafrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Verhaltensnorm - sekundärer Charakter des Strafrechts? a) Die Einheit der Rechtsordnung Ein gängiger Argumentationstopos290 für einen sekundären Charakter des Strafrechts ist das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung,291 welche nicht gewährleistet sei, wenn das Strafrecht mit eigenen Zielvorstellungen in Gegensatz zu den übrigm Teilrechtsordnungen träte. Indes ist eine darauf gegründete Beweisführung gleich in mehrfacher Hinsicht unschlüssig. Zwar soll der Wert des Einheitsprinzips und seine Beachtlichkeit im Hinblick auf Gleichheitsgrundsatz, Rechtsstaatsprinzip, Rechtssicherheit und -klarheit 292 an dieser Stelle keineswegs in Frage gestellt werden. Immerhin ist aber darauf hinzuweisen, daß die Einheit der Rechtsordnung ohnehin nicht im Sinne einer Gleichheit entsprechender Regelungen zu verstehen ist, weil die verschiedenen Aufgaben der Teilrechtsordnungen es sogar erfordern können, dieselben Sachverhalte unterschiedlich zu regeln. Ein geläufiges Beispiel hierfür ist der von der verwaltungsrechtlichen Begrifflichkeit abweichende, auf strafrechtsspezifischen Strafwürdigkeitsgesichtspunkten beruhende Rechtmäßigkeitsbegriff der Diensthandlung in § 113 III StGB.293 So reduziert sich das Axiom 290 Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 89, spricht insoweit treffend von einer "handlichen Allzweckwaffe in juristischer Begründungsnot", Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 1, von einem "so oft mißbrauchten" Grundsatz. 291 Vgl. etwa Breuer, DÖV 1987, 180; ders., NJW 1988,2080; ders., JZ 1994, 1083 f.; Dahs / Redeker, DVBI. 1988, 804; Dölling, ZRP 1988, 338; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 8 f.; Heine, NJW 1990,2426; Heine / Meinberg, Gutachten, S. D 48 f.; Kloepjer /Vierhaus, Rd.-Nr. 8; Lenckner, FS-Pfeiffer, S. 30; Ossenbühl/Huschens, UPR 1991, 166; Rengier, 'ZStW 101,892; Rogall, FS-Uni Köln, S. 521; von Rohr, S. 146; Rudolphi, NStZ 1984,197; Scheele, S. 57 ff.; Schöndorj. NJ 1991, 529; Schwarz, GA 1993, 323 ff.; kritisch dagegen Hundt, S. 47 ff.; Meinhard Schröder, VVDStrL 50, 205 f. 292 Vgl. zur Ableitung des Einheitspostulats die eingehenderen Darstellungen bei Canaris, S. 16 ff.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 90 ff.; Hallwaß, Behördliche Duldung, S. 79 ff.; Jarass, VVDStrL 50, 260; Scheele, S. 60 ff. 293 Vgl. dazu auch BVerfG NJW 1990, 241, wo es als "keineswegs ungewöhnlich" bezeichnet wird, wenn der Begriff ,,rechtswidrig" in verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedliche Bedeutung habe; ferner BVerfG UPR 1988, 16, 18 zur Verneinung einer generellen Bindung des Strafrichters an das Verwaltungsrecht. Zu § 113 StGB näher unten bei IIl.2.c) bb).

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der Einheit auf ein Postulat der Widerspruchsfreiheit zwischen den Teilrechtsordnungen,294 wobei Nonn- und Wertungswidersprüche zu unterscheiden und differenziert zu behandeln sind. 295 Bei ersteren lassen sich die jeweiligen Folgen von Regelungen der Teilrechtsordnungen logisch nicht miteinander vereinbaren, was zur Unwirksamkeit einer oder gar bei der Nonnen führt. Ein solcher Nonnwiderspruch läge vor, wenn die eine Teilrechtsordnung dieselbe Handlung fordert, die eine andere Teilrechtsordnung ausdrücklich verbietet. 296 Andererseits ist es logisch denkbar und daher kein Nonnwiderspruch, daß eine Teilrechtsordnung die betreffende Handlung verbietet, eine andere Teilrechtsordnung dies aber nicht tut und sich vielmehr einer Bewertung enthält. 297 Nicht unumstritten ist die dazwischen anzusiedelnde Konstellation, daß eine verbotene Handlung andernorts zwar nicht gefordert, wohl aber ausdrücklich erlaubt ist. 298 Hier handelt es sich richtigerweise ebenfalls nicht mehr um einen Nonnen-, sondern um einen bloßen Wertungswiderspruch, weil zwar die Rechtsfolgen miteinander vereinbar sind (die Erlaubnis muß ja nicht ausgenutzt werden), aber die zu Grunde liegenden Wertungen (als zulässig und daher erlaubnisfähig einerseits, als unzulässig andererseits) einander widersprechen. Wertungswidersprüche sind zwar nach Möglichkeit 299 aufzulösen, ohne 294 Vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 55 ff., 69; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 94 f.; Haaf, S. 45 f.; Heider, S. 125 f.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 209 ff.; Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 8; Ossenbühl, DVBl. 1990, 964, %7 f.; Peine, JZ 1990,210; Scheele, S. 65 ff. 295 Vgl. Canaris, S. 112 ff., 117; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 96 f.; Jarass, VVDStrL 50, 261 f.; Scheele, S. 67 ff.; Schilling, S. 377 f.; Sendler, NJW 1998, 2876. Zum Teil wird stattdessen zwischen Widerspruchlichkeiten logischer (= Nonnwiderspruche), axiologischer und teleologischer Natur (= Wertungswiderspruche) bzw. zwischen Nonn-, Wertungs- und Prinzipienwidersprüchen unterschieden, vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 43 ff., ders., Einführung, S. 162 ff.; ferner die Darstellung bei Canaris, S. 113 ff., 122 f. Kritisch dazu Peine, S. 102 ff. , ders., JZ 1990, 210, der den jeweils letztgenannten Kategorien weitgehend ihre Berechtigung abspricht. 296 Vgl. Engisch. Einheit der Rechtsordnung, S. 42 f., 54 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 97; Peine, S. 99 ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 209; Schilling, S. 386 f., 391; ferner die Beispiele bei Jarass, VVDStrL 50, 261. 297 Man denke hier nur an die vielfältigen Einschränkungen des Eigentumsrechts, etwa das Verbot des Fällens von Bäumen auf dem eigenen Grundstück in kommunalen Baumschutzsatzungen. 298 Als Verstoß gegen das Einheitsprinzip sehen dies an Breuer, JZ 1994, 1083; Cramer, Vennögensbegriff, S. 91; Freund, Erfolgsdelikt, S. 29; Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 8 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 97; Hallwaß, Behördliche Duldung, S. 81; Heine, NIW 1990, 2426; Hermes/Wieland, S. 97 f.; Lenckner, FS-Pfeiffer, S. 30; Ossenbühl, DVBl. 1990,968; Ossenbühl/Huschens, UPR 1991, 166; Peine, JZ 1990, 210 f.; Rengier, ZStW 101, 892; Rogall, FS-Uni Köln, S. 521; von Rohr, S. 146; Rudolphi, NStZ 1984, 197; Schilling, S. 388; Schöndorj, NI 1991, 529. Demgegenüber ist das Einheitsprinzip hier nicht betroffen nach Auffassung von Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17, Rd.-Nr. 129; Hübenett, S. 21 f.; Hundt, S. 43 ff., 48; Paeffgen, FS-Stree/Wessels, S. 596 f.; Schmitz, S. 34 ff., 39. 299 Dem sind Grenzen dort gesetzt, wo die Auslegungsmöglichkeiten - wie im Strafrecht im Hinblick auf Art. 103 11 GG - limitiert sind. Canaris weist hier treffend auf den Wider-

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

daß dies freilich, insbesondere bei Kompromißlösungen zwischen divergierenden Wertungsprinzipien, zu letztlich spannungsfreien Lösungen führen müßte,300 wie etwa im Verwaltungsrecht der in §§ 43 f. VwVfG erfolgte Ausgleich zwischen materielIer Rechtmäßigkeit und Vertrauensschutz oder im Strafrecht der Komprorniß zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit in den Verjährungsvorschriften der §§ 78 ff. StGB zeigen. Ein Teil der hier interessierenden FalIgestaltungen, vor allem die Delikte, die Handeln ohne Genehmigung sanktionieren, ließen sich im FalIe einer abweichenden strafrechtlichen Sicht als bloße Wertungs widersprüche einordnen, bei denen das Einheitspostulat nur eingeschränkt durchgreift und somit Sonderlösungen nicht von vorneherein ausschließt. Darüber hinaus krankt die Zuhilfenahme des Einheitsprinzips als Argumentationsmuster für die Bestimmung des Vorranges einer der Teilrechtsordnungen bereits daran, daß diese schon in sich keineswegs spannungs- und widerspruchsfrei strukturiert sind. Dies wird im Strafrecht etwa mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe deutlich, die auf Grund einer Interessenabwägung ein an sich verbotenes Verhalten im AusnahmefalI erlauben. Die durch Notwehr gedeckte Tötung eines Menschen kann man im Hinblick auf die strafrechtliche Wertordnung keinesfalIs als befriedigende, von der Strafrechtsordnung erwünschte Handlung empfinden, sondern nur als das kleinere Übel mehrerer, von der Strafrechtsordnung im RegelfalI zu unterbindender Rechtsgutsverletzungen. Im Verwaltungsrecht kann hier erneut auf die Regelungen der §§ 43 f. VwVfG verwiesen werden, die etwa einer den Zielvorstellungen des materie lIen Verwaltungsrechts zuwiderlaufenden und somit materielI rechtswidrigen Genehmigung gleichwohl formelIe Wirksamkeit zubilligen. Ist aber in diesem FalI die Verwaltungsrechtsordnung schon in sich nicht widerspruchsfrei, so ist es aus der Sicht des Strafrechts folglich jederzeit argumentativ möglich, das Einheitsprinzip je nach erwünschtem Resultat in Beziehung zu der materielIen 301 oder aber der forme lIen Rechtslage 302 zu setzen, womit die Beliebigkeit und folglich Untauglichkeit einer solchen Argumentation hinreichend deutlich ist. spruch zwischen der Strafbarkeit des Versuchs bei § 303 StGB und der früheren Straflosigkeit des Versuchs bei § 223 StGB a. F. angesichts der sonst in der Rechtsordnung recht eindeutigen Favorisierung der Unversehrtheit des Körpers gegenüber dem Eigentumsschutz hin (Canaris. S. 120). Das BVerfG operiert bei Wertungswidersprüchen ferner mit dem Begriff der Systemwidrigkeit und gelangt vor allem dort über Art. 3 I GG zur Nichtigkeit von Rechtsvorschriften, wenn die abweichende Regelung nicht sachlich gerechtfertigt ist, vgl. BVerfGE 13, 31, 37 f.; 13,331,339 f.; 34,103,115; 45, 363, 375 f. 300 Vgl. Canaris. S. 115 f.; Engisch. Einheit der Rechtsordnung, S. 59 ff., 63; Jarass. VVDStrL 50, 262; Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 30, 38; Larenz. Methodenlehre, S. 488 f.; Scheele. S. 72 ff. 301 An die materielle Rechtslage knüpfen etwa an Schmitz. S. 38 ff.; Schwarz. GA 1993, 324 f.; ebenso wohl auch Rademacher, S. 249; und teilweise Hübenett. S. 77 ff., die allerdings ergänzend das formelle Kriterium der Aufhebungspflichtigkeit heranzieht (S. 102 ff.). 302 Hierauf nehmen Bezug z. B. Breuer, DÖV 1987, 180, ders. NJW 1988.2080; Scheele. S. 166 f.

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Eine weitere Schwachstelle bei der Gegenüberstellung von Verwaltungs- und Strafrechtsordnung ist, daß dabei häufig die Relevanz der entsprechenden, unterschiedlich strukturierten Verfahrensordnungen für die jeweilige Bewertung eines Sachverhalts übersehen wird. Die Verwaltungsrechtsordnung etwa arbeitet in weit höherem Maße mit infonnellen Instrumentarien und pflegt zunehmend das Kooperationsprinzip,303 das notwendigerweise die Akzeptierung von Kompromissen auch vorübergehend unter Hintanstellung materiellrechtlicher Zielvorgaben zugunsten schnellerer, allseits gebilligter und daher im schließlichen Endergebnis aus Sicht des Schutzgutes sogar möglicherweise effektiverer ..Entscheidungen" nach sich zieht. Demgegenüber wird das Strafverfahrensrecht trotz etlicher Durchbrechungen in den §§ 153 ff., 376 StPO und einer um sich greifenden Verständigungspraxis letztlich immer noch vom Legalitätsprinzip geprägt, das es, sind erst einmal die Grenzen geringer Schuld überschritten, nahezu unmöglich macht, tatbestandlich-rechtswidriges Verhalten unsanktioniert hinzunehmen. Die Bedeutsamkeit der sich daraus ergebenden Konflikte wird in besonderem Maße durch die Schwierigkeiten des Strafrechts deutlich, die verwaltungsrechtlichen Duldungen adäquat und spannungsfrei zu verarbeiten.304 Schließlich, und dies macht ein näheres Eingehen an dieser Stelle von vorneherein entbehrlich, bedeutet ein festgestellter Verstoß gegen das Einheitsprinzip keineswegs, daß es das Strafrecht sein müsse, weIches daraufhin zurückzustecken habe, obschon dies vielfach als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Vielmehr bedürfte es zuvor der Klärung, ob nicht eine Abwägung der Wertordnungen dazu käme, den strafrechtlichen Zielvorgaben eine höhere Bedeutung und damit den Vorrang gegenüber dem Verwaltungsrecht einzuräumen. 305 b) Strafrecht als generell primäre oder sekundäre Ordnung? aa) Vertretene Positionen

Eine Lösung des Vorrangproblems muß also an früherer Stelle ansetzen, nämlich bei der Rollenverteilung und der sich daraus ergebenden Ordnung der einzelnen Teilrechtsgebiete. Die Durchsicht der Literatur zu der Frage nach dem Rangverhältnis des Strafrechts im Verhältnis zu den übrigen Teilrechtsordnungen ergibt freilich nur wenige ausführlichere Stellungnahmen, was verständlich sein mag, solange Strafrechtsdogmatik exemplarisch anhand des Kernstrafrechts betrieben wird, das sich ja weitgehend nicht vor die Verlegenheit gestellt sieht, eine Auseinandersetzung mit konkurrierenden positiven außerstrafrechtlichen Nonnen führen Vgl. Heine. NJW 1990.2427; von Rohr, S. 209 f.; Albrecht. KrimsozBibl55, 12. Vgl. dazu näher im 3. Kapitel bei A.VII.1. 305 Für NonnwiderspTÜche ist nach Canaris sogar von der Ungültigkeit beider Nonnen auszugehen; jede andere Lösung wäre letztlich willkürlich (Canaris. S. 124). 303

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zu müssen. Die vorhandenen Äußerungen im Schrifttum nehmen mit unterschiedlichen Begründungen überwiegend einen sekundären Charakter des Strafrechts gegenüber dem Verwaltungsrecht an. Soweit überhaupt Argumente. die dieses Ergebnis dogmatisch begründen sollen. vorgetragen werden. 306 sind dies eher schlaglichtartig die sonst drohende Vermengung von Straf- und Verwaltungsrecht bei der Frage der Beschreibung der Pflichten des Bürgers. 307 die fehlende Kompetenz des Strafrechts zur Güterordnung 308 und dessen alleinige Aufgabe, vorgefundene Ordnungen oder Wertabwägungen durch Ahndung bestimmter Rechtsgutsverletzungen zu schützen. 309 der ultima-ratio-Charakter des Strafrechts 310 oder die staatliche Anerkennung von konkreten, durch kompetente staatliche Organe gesetzten Verhaltensordnungen. 311 Die Überzeugungskraft solch thesenhafter Ableitungen leidet indes darunter. daß sie entgegenstehende Phänomene vor allem im Kernstrafrecht ignorieren und nicht integrativ verarbeiten. Hier ist einerseits auf das teilweise Fehlen von positiven außerstrafrechtlichen Normen etwa im Bereich der Sexual-, Beleidigungs- oder Geheimnisschutzdelikte zu verweisen. wo die Verhaltensnormen des Strafrechts wegen ihrer konkurrenzlosen Stellung offenkundige Primärnormen sind. Andererseits setzt sich das Strafrecht im Verhältnis zum Zivilrecht gelegentlich ohne größere Skrupel über dessen Wertungen hinweg. wenn beispielsweise § 263 StGB auch den Schutz bestimmter nichtiger. wirtschaftlich aber realisierbarer vermögensrechtlicher Ansprüche umfaßt. 312 Eingehendere Darstellungen finden sich weitaus seltener. Schwarz etwa unternimmt den Versuch einer induktiven Begründung anhand des Straßenverkehrs- und Produkthaftungsrechts, deren Pflichtenbeschreibungen Auswirkungen auch auf das Kernstrafrecht. insbesondere die Frage einer Pflichtwidrigkeit bei Tötungs- und Körperverletzungsdelikten. hätten und von diesem insoweit zu berücksichtigen seien. 313 Indes liefert dieser partielle Befund weder einen Beweis für seine Allgemeingültigkeit noch dafür. daß dieses Phänomen überhaupt materiell zu rechtfertigen ist. Eher zweifelnd äußert sich Kühl. dessen Besorgnis vor allem der - von 306 Ohne nähere Begründungen bleiben die entsprechenden Äußerungen bei Dölling. ZRP 1988,337; Dreher. NJW 1952, 1282, soweit nicht die Fälle unterschiedlicher Gesetzgebungskompetenz vorliegen; Göhler/Buddendiek/Lenzen in: Erbs/Kohlhaas, Einführung, Rd.Nr. 5 f.; Freund. Erfolgsdelikt, S. 29; Frisch. Verwaltungsakzessorietät, S. 7; Rainer Keller. S. 388; Lenzen. JR 1980, 138; Seier. JA 1985. 25; Winkelbauer. NStZ 1986, 149. 307 Leuthold. GS 30, 213 ff. 308 Graf zu Dohna. VerwA 30, 235 f.; Günther. Strafrechtswidrigkeit. S. 154 ff.; Ossenbühl. DVBI. 1990.969; v. Rohr, S. 212 f., 214. 309 Hallwaß. Behördliche Duldung. S. 94 f.; Ossenbühl/Huschens. UPR 1991, 166. 310 Meinhard Schröder. VVDStRL 50, 208. 311 Frisch. Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 112 f.; ähnlich Kuhlen. WiVerw 1991,230; Schmidt-Aßmann in: Maunz I Dürig. Rd.-Nr. 205 zu Art. 10311 GG. 312 Weitere zahlreiche Beispiele für abweichende strafrechtliche Interpretationen im Zivilrecht beheimateter Begriffe finden sich bei Bruns. Befreiung des Strafrechts. insbesondere S. 171 ff. 313 Schwarz. GA 1993.319 f.; ähnlich Horn. NStZ 1984,194.

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ihm jedoch nur angerissenen - Frage gilt, ob die Verzahnung des präventiven Verwaltungsrechts mit dem repressiven Strafrecht für letzteres ohne Wesensverlust zu überstehen ist, insbesondere im Hinblick auf notwendige Strafwürdigkeitserwägungen, die bei der strafrechtlichen Bewehrung von verwaltungsrechtlichen Verboten, welche dieses Kriterium nicht reflektierten, zu kurz kämen. 314 In ähnlicher Weise betont Tiedemann den dem präventiven Verwaltungsrecht fremden Vergeltungsgedanken des Strafrechts, der auch bei den Voraussetzungen der Strafbarkeit es nicht zulasse, Strafrecht als bloßen Annex des Verwaltungsrechts im Sinne einer schlichten Ordnungsgewalt zu begreifen. 315 Solange freilich die Verwaltungsrechtswidrigkeit nicht zwangsläufig als einzige Voraussetzung, sondern vielmehr als zwar erforderliche, nicht aber in jedem Fall auch ausreichende Bedingung der Strafbarkeit verstanden wird, dürfte diesen Bedenken genügend Rechnung getragen werden können. Meinhard Schröder verweist als Erklärung für eine differenzierende strafrechtliche Normierung darauf, daß der Strafgesetzgeber in der administrativen Konkretisierung eines Lebensbereiches keinen sicheren oder flächendeckenden Schutz erblickt und aus diesem Grund zu eigenen und dann auch selbständigen Regelungen greife. 316 Nun ist die Sorge vor mangelnder Normbefolgung und darauf drohenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen allerdings in jedem Fall erst das Motiv strafrechtlicher Sanktionierung, wie auch immer diese aussehen mag, ohne daß dies bereits die Kompetenz auch zu einer der verwaltungsrechtlichen Normierung gegenläufigen Verhaltenssteuerung bedeuten müßte. Allerdings trägt auch die Gegenposition einer Selbständigkeit strafrechtlicher Bestimmungsnormen, soweit sie in der aktuellen Diskussion überhaupt ausdrücklich formuliert oder gar begründet wird 317 und man sich nicht auf die an Bruns angelehnte Parole der Lösung vom "publizistischen Denken" 318 zurückzieht, kein haltbares Fundament für ihre Auffassung vor. Der gelegentlich anzutreffende Hinweis auf historische Prioritäten vermag gegenüber einer rechtslogischen Betrachtungsweise nicht zu bestehen. 319 Sobald die Komplexität einer Gesellschaftsordnung ein (kodifiziertes) eigenständiges Verwaltungs- und Zivilrecht erfordert, muß die Rolle eines bis dahin allein vorhandenen Rechtsgebiets "Strafrecht" schon deshalb neu definiert werden, weil sonst die nahezu zwangsläufige Existenz konkurKühl, FS-Lackner, S. 826 f. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 275 f. 316 Meinhard Schröder, VVDStRL 50,215 . 317 Ohne nähere Begründung bleiben etwa Bloy, JuS 1997, 587 (der am Beispiel von § 330d Nr. 5 StGB für eine strafrechtliche Regelungsautonomie plädiert); Hopf, ZUR 1990, 64, sowie Paeffgen, FS-Stree/Wessels, S. 597; ähnliche Positionen zum Verhältnis Strafrecht/Zivilrecht finden sich außer bei Bruns noch bei Lobe, FS-Frank, S. 35 f., Hellmuth Mayer, GS 104, 105 f. 318 Loos, JuS 1979, 701, in Anlehnung an den Titel der Schrift von Bruns, Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken. 319 So aber Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 53 f.; ähnliche Erwägungen finden sich bei Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 29, 31, 118, 298 f.; Hellmuth Mayer, GS 104, 105 f. 314

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rierender Regelungen zu unaufgelösten Kompetenzkonflikten führen müßte. Strafrecht kann, ohne sich dem Vorwurf der Irrationalität auszusetzen, bei der scheidung über die Behandlung beiderseits geregelter Sachverhalte die in der stenz weiterer Rechtsgebiete begründeten veränderten Umstände nicht einzig halb ignorieren, weil es vormals konkurrenzlos dominiert hat.

Das EntExides-

Den bemerkenswertesten Versuch, dem Strafrecht eine "primäre Stellung im Rechtssystem,,320 zuzuschreiben, hat Bruns unter dem Schlagwort der "Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen D~nken,,321 bereits vor geraumer Zeit im Zuge einer seinerzeit lebaft geführten Debatte um das Verhältnis von Straf- und Zivilrecht 322 unternommen, bei weIcher es freilich nicht so sehr um das Verhältnis der Normen als vielmehr der Begrifflichkeiten und Auslegungsmethodik ging, weshalb ein weiterreichendes Eingehen auf die Einzelheiten dieser Diskussion hier nicht einträglich erscheint. Ausgehend von einer Darstellung zahlreicher Divergenzen bei der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Interpretation gleichgeIagerter Begriffe 323 wie "Vormund", ,,Bevollmächtigter", "Besitz" und vielen anderen 324 vermeint Bruns grundsätzlich die "aus der verfehlten Lehre von der akzessorischen Natur des Strafrechts hergeleitete begriffliche Bindung der strafrechtlichen Bestimmungen durch ihre Neuausrichtung nach der ... spezifisch strafrechtlichen Betrachtungsweise,,325 ersetzen zu können. Er übersieht dabei aber, daß ein akzessorischer (sekundärer) Charakter der Strafrechtsnorm nicht notwendig mit einer ausnahmslosen begrifflichen Entsprechung einzelner Merkmale korrespondieren muß,326 wie noch näher zu zeigen sein wird. 327 Angedeutet sei hier nur, daß (im Verhältnis zur Norm aus Zivil- oder Verwaltungsrecht) restriktive Auslegungen einzelner Tatbestandsmerkmale oder auch eine ausdehnende Interpretation bei Qualifikations- oder Privilegierungsmerkmalen die Normwidrigkeit selber nicht unbedingt berühren, also auch einem sekundären Charakter der Strafrechtsnorm nicht entgegenstehen. Da Bruns aber weitere sachliche Argumente fehlen,328 gerät Bruns. Befreiung des Strafrechts, S. 297. So der gleichnamige Titel seiner 1938 erschienenen Schrift; vgl. ferner ders., FS-Mezger, S. 359. sowie FS-Lent. S. 107 ff. 322 Vgl. dazu weiter die Beiträge von Lobe. FS-Frank, S. 33 ff.; Hellmuth Mayer, GS 104. 105 f.;J.U.Schroeder, AcP97, 361 ff. 323 Hierauf beziehen sich auch Jescheck/Weigend. Strafrecht AT. S. 53, zur Begründung ihrer Position. 324 Bruns. Befreiung des Strafrechts. S. 171 ff.; weitere Beispiele bei Haaf, S. 31. 325 Bruns. Befreiung des Strafrechts. S. 332. 326 Eine Verknüpfung, die Bruns hingegen mehrfach ausdrücklich bejaht. vgl. Befreiung des Strafrechts, S. 70, 75, 227. 327 Vgl. unten bei 1Y.2. 328 Was Bruns allerdings. ganz im Sinne der damaligen Zeit. durch abqualifizierende Äußerungen über ,juristische Konstruktionen und strafrechtsfremde gesetzliche Begriffsumschreibungen", die durch den natürlichen •.Lebenssprachgebrauch, das gesunde Volksempfinden als oberste Richtlinie. nach der die an sich nicht näher umschriebenen spezifisch strafrechtlichen Begriffe des StGB unter freier Berücksichtigung der jeweiligen Strafrechts320 321

III. Außertatbestandliche Norm und Strafrechtssatz

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sein Verdikt über die auf Bindings Normentheorie beruhende Akzessorietätslehre letztlich nicht überzeugend. Es bleiben diffuse Äußerungen über eine spezifisch strafrechtliche, am "Tatsächlichen" orientierte Auslegungsmethode, 329 die zu Ende gedacht notfalls zu einer Normenkonkurrenz führen müßte, für deren Auflösung Bruns dann aber keine Hinweise mehr liefert. bb) Die nur teilweise sekundäre Natur des Strafrechts

Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei vorab angemerkt, daß die häufig anzutreffenden Hinweise auf Kompetenzen des Zivil-, des Verwaltungs- oder des Strafrechtsgesetzgebers in der Diskussion nicht falsch verstanden werden dürfen. Zivil-, Verwaltungs- oder Strafrechtsgesetzgeber ist - mit Ausnahme der gelegentlichen Fälle einer Gesetzgebungskompetenz der Länder330 oder im Falle einer Delegation auf die Exekutive bei Verordnungen und anderen untergesetzlichen Rechtsquellen dasselbe Organ. Es gibt insoweit nur einen einheitlichen Gesetzgeber, dem alle von ihm erlassenen Gesetze einheitlich zuzurechnen sind. 331 Vor diesem Hintergrund erweist sich der gelegentlich vorgetragene Gedanke, der Strafgesetzgeber entmachte sich selbst, wenn er Voraussetzungen der Strafbarkeit an normative Entscheidungen des Verwaltungsgesetzgebers knüpfe,332 als Scheinargument. In der Sache geht es folglich nicht um Gesetzgebungskompetenzen irgendeines Gesetzgebers, sondern um die Kompetenzen der Teilrechtsgebiete zur materiellen Regelung von Sachgebieten und deren Grenzen. Es kann als allgemein konsentiert gelten, daß die Aufgabe des Strafrechts darin besteht, dem Rechtsgüterschutz zu dienen. 333 Die Frage ist nun, ob sich die zwecke" (Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 332) zu ersetzen seien, verdeckt. Vgl. dazu auch Bruns, a. a. 0., S. 12, 21. 329 Vgl. Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 303 ff. 330 Für diesen FalI mag in der Tat eine unmittelbare Abhängigkeit des (Bundes-)Strafgesetzgebers von dem (Landes-)VerwaItungsrechtsgesetzgeber bestehen, vgl. Dreher, NJW 1952, 1282. Derartige FälIe fehlender Gesetzgebungskompetenz des Bundes sind jedoch in den strafrechtlich interessanten Bereichen nicht alIzu häufig. Mindestens besteht, wie im Wasserhaushalts- oder Naturschutzrecht, eine Rahmengesetzgebungskompetenz (Art. 75 GG). 331 Vgl. Breuer, NJW 1988,2077; Ossenbühl, DVBI. 1990,967; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 113 f.; Kühl, FS-Lackner, S. 829 f.; Winkelbauer, DÖV 1988,724. m Vgl. Otto, Jura 1991,310. 333 AK-StGB-Hassemer, Rd.-Nr. 247 f. vor § I StGB m. w. N.; BaumannlWeberlMitsch, Strafrecht AT, § 3, Rd.-Nr. 10 ff.; Dohna, VerwA 30, 235; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 149 f.; Jakobs, Strafrecht AT, 2.Abschnitt, Rd.-Nr. I ff.; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, S. 7 f.; MaurachlZipf, Strafrecht AT I, § 19, Rd.-Nr. 4; SK-StGB-Rudolphi, Rd.-Nr. I f. vor § I StGB; Müller-Dietz, Strafe und Staat, S. 32 ff.; 1iedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 46; Wolter, Zurechnung I, S. 24; BVerfGE 39, 1,46. Roxin, JuS 1966,381 f., ergänzt diese Funktion des Strafrechts noch um die Sicherung der Durchsetzung öffentlicher Leistungszwecke, womit aber letztlich offensichtlich auch nur die ansonsten als überindividuelIen Rechtsgüter bezeichneten Werte gemeint sind.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Rechtsgüter (auch) daraus und gerade wegen des strafrechtlichen Schutzes definieren 334 oder aber vorgegeben, vom Strafrecht also vorgefunden sind und dieses sich daher als schlichtes Mittel zum Zweck aus der Notwendigkeit eines jeweiligen Rechtsgüterschutzes heraus versteht. Der Begriff des Rechtsgutes wird dabei trotz eines seit seiner ,.Entdeckung" durch Bimbaum 335 nahezu ständigen Ringens um Bedeutung und Inhalt336 nach wie vor keineswegs einheitlich verstanden. Grundsätzlich können mit Hassemer337 ein systemimmanenter und ein systemkritischer Rechtsgutsbegriff unterschieden werden. Der systemimmanente Rechtsgutsbegriff dient dabei vorwiegend als strafrechts"dogmatisches Arbeitsinstrument, 338 indem er das Schutzgut einer Strafbestimmung bezeichnet und damit ermöglicht, die Auslegung des Tatbestandes daran auszurichten und im Einzelfall die Strafwürdigkeit eines Verhaltens zu überprüfen. 339 Entstehung des Rechtsgutes und Legitimation seines Schutzes sind hierbei nicht (mehr) zu thematisieren, weshalb unser Blick an dieser Stelle notwendigerweise auf den systemkritischen Rechtsgutsbegriff gerichtet werden muß. Dieser ist im Prinzip vorpositiv zu verstehen und bestimmt über die Legitimation eines Straftatbestandes im Rahmen einer rationalen Kriminalpolitik. 340 Nur ein als Rechtsgut erkanntes Gut darf strafrechtlich geschützt werden. Was aber ein potentiell schützenswertes Rechtsgut ist, ergibt sich nicht mehr im Wege der Auslegung des Straftatbestandes. Vielmehr erfolgt die Feststellung der Rechtsgutsqualität abstrakt anhand bestimmter, im einzelnen freilich umstrittener Kriterien. So werden als GeItungsgründe für ein Rechtsgut beispielsweise ein von der Gesamtheit oder der relevanten Mehrheit der staatlichen Gemeinschaft anerkanntes Interesse,341 die Zugehörigkeit zu den für Bestand und Funktionsfähigkeit der Gesellschaft unerläßlichen Werten,342 die Sozialschädlichkeit seiner Beeinträchtigung 343 oder ein strafrechtlich schutzbedürftiges menschliches Interesse344 So zuletzt Hoyer. Strafrechtsdogmatik, S. 176 f. Birnbaum. Neues Archiv d. Criminalrechts 15. 149 ff., insbesondere S. 171 ff. 336 Vgl. dazu im einzelnen die ausflihrliche Darstellung bei Amelung. Rechtsgüterschutz, S. 15 ff. 337 Hassemer. Theorie und Soziologie, S. 27 ff., 41 ff.; AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 259 vor § I StGB. 338 Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 19, Rd.-Nr. 6. 339 Vgl. dazu Amelung. Rechtsgüterschutz, S. 135; Gössel. FS-Oehler, S. 102 ff.; Sax. JZ 1976,9 ff.; Schönke/Schröder-Eser. Rd.-Nr. 52 zu § I StGB; SK-StGB-Rudolphi. Rd.-Nr. 3 vor § I StGB. 340 AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 261 vor § I StGB; Michael Marx. S. 17; SK-StGB-Rudolphi. Rd.-Nr. 6 vor § I StGB. Skeptisch vor allem Prittwitz. S. 240 f., der insoweit einen Funktionsverlust des Rechtsgüterschutzprinzips konstatiert. 341 Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 19, Rd.-Nr. 8. 342 Gössel. FS-Oehler, S. 99 f.; Binding. Normen I, S. 339 f., 353 ff.; Jescheck/Weigend. Strafrecht AT, S. 257 f.; ähnlich SK-StGB-Rudolphi. Rd.-Nr. 8 vor § I StGB. 343 Vgl. Amelung. Rechtsgüterschutz. S. 366 ff.; Günther. JuS 1978.9; J. Vogel. StV 1996, 111; kritisch dazu Hassemer. ZStW 87. 158 ff. 344 AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 287 vor § I StGB. 334

33S

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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genannt. Ohne der Untersuchung einen völlig anderen Schwerpunkt zu geben, kann freilich an dieser Stelle der Thematik des Rechtsgutsbegriffs nicht der ihr an sich zukommende Raum gewidmet, sondern nur in aller Kürze der im folgenden vertretene, in dieser Form auf Michael Marx zurückgehende personale Rechtsgutsbegriff als Konsequenz eines liberalen Strafrechtsverständnisses vorgestellt werden.345 Die Frage nach der Aufgabe des (Straf-)Rechts ist verbunden mit der Frage nach dem Zweck des Staates. 346 Dieser ergibt sich aus dem Gedanken des Art. I GG als Fundamentalnorm des Verfassungssystems. 347 Aufgabe des Staates und damit des von ihm gesetzten Rechts ist demnach der Schutz des Menschen als Person,348 genauer die Schaffung und der Erhalt der äußeren Bedingungen, die der Person ihre freie Entfaltung ermöglichen. 349 Dazu zählen nicht nur individuelle Freiheit, körperliche Unversehrtheit und vergleichbare Individualgüter, sondern auch die Gewährleistung eines Minimums materieller Teilhabe im Sinne staatlicher Daseinsvorsorge, weil Freiheit alleine in materieller Not wertlos bleibt. 350 Rechtsgüter sind danach "diejenigen Gegenstände, die der Mensch zu seiner freien Selbstverwirklichung braucht",351 was überindividuelle Rechtsgüter wie das Funktionieren staatlicher Einrichtungen, die Rechtspflege oder die Volkswirtschaft durchaus einschließt, soweit sie darauf gerichtet sind, die menschliche Entfaltung zu fördern und nicht, wie reine Ordnungsinteressen, zum Selbstzweck verkommen sind. 352 Es soll ferner noch angedeutet werden, daß es sich trotz des vermeintlich nur abstrakten Blickwinkels nicht ausschließlich um eine Definition aus vorpositiver Sicht handelt, weil über die Grundrechte und das Gebot des Strafrechtsschutzes für das friedliche Zusammenleben der Völker in Art. 26 I GG bereits ein positiver, wenn auch nicht abschließender Katalog von Rechtsgütern vorzufinden und als solcher hinzunehmen ist. Entscheidend ist, daß sich die Legitimation der Rechtsgüter aus Wertentscheidungen ergibt, die mit der Strafrechtsordnung (jedenfalls zunächst) nicht identisch sind, mögen sie nach dem Gesetzgebungsakt auch mit dieser kongruent erscheinen. Vielmehr ist die Strafrechtsordnung mit ihren "Strafrechtsgütern" ein - wegen des fragmentarischen Charakters des Strafrechts zudem 345 Vgl. neben Michael Marx dazu AK-StGB-Hassemer, Rd.-Nr. 274 ff. vor § I StGB; Kuhlen. ZStW 105.703; Hohmann. GA 1992,77 ff. 346 Michael Marx. S. 25. 347 Michael Marx. S. 32 f., 38 ff. 348 Vgl. Michael Marx. S. 41 ff. 349 Michael Marx. S. 48 f. 350 Vgl. Michael Marx. S. 56 ff. 351 Michael Marx. S. 62; auf seinem Verständnis der modemen Gesellschaft als Interaktions- und Kommunikationssystem gelangt Cal/iess zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er Rechtsgüter als Partizipationschancen begreift (vgl. Calliess. passim, vor allem S. 143 ff.) 352 Vgl. Michael Marx. S. 79 f.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

unvollständiges - Produkt jener auf den Grundgedanken der Verfassung beruhenden Wertentscheidungen. Ein "Strafrechtsgut" ist als solches existenzberechtigt, weil eine andere, logisch vorrangige Wertordnung dieses Gut als Rechtsgut anerkannthat. Es obliegt also dem Strafrecht nicht originär, die GüterweIt selbst zu ordnen, die Grenzen der Inanspruchnahme von Gütern des einzelnen durch die Allgemeinheit und umgekehrt zu bestimmen oder regelnd auf die existenziellen gesellschaftlichen Lebensbedingungen Einfluß zu nehmen,353 sondern es findet eine bereits hinsichtlich ihrer Werthaftigkeit geordnete, in sich abgeschlossene Reihe von Gütern vor. Die Umsetzung dieser Wertordnung in eine reale Form gesellschaftlichen Zusammenlebens unter Gewährleistung freier Persönlichkeitsentfaltung aber ist unbestreitbar zunächst die Aufgabe des Verfassungsrechts, das die gesellschaftlichen Grundpositionen in Gestalt der unabdingbaren Menschen- und Bürgerrechte festzulegen, zu wahren und den Einfluß des Staates auf diese zu begrenzen hat. Soweit darüberhinaus eine ordnende Funktion des Rechts erforderlich ist, obliegt es nunmehr den jeweils betroffenen Teilrechtsordnungen, innerhalb des ihnen gesteckten Rahmens dafür zu sorgen, daß die Gemeinschaftsgüter und gesellschaftlichen Ressourcen im notwendigen Umfang der Allgemeinheit wie dem Einzelnen zur Verfügung stehen, und die Interessensphären der Individuen untereinander sowie gegenüber der Allgemeinheit abzugrenzen. Soweit es um die Gewährleistung gesellschaftlicher Ressourcen und anerkannter (Mindest-) Lebensbedingungen geht, ist hierzu primär das Verwaltungsrecht berufen. Aufgabe des Zivilrechts ist es dagegen, die Beziehungen der Bürger untereinander denjenigen rechtlichen Regularien zu unterwerfen, die letztlich einen optimalen Interessenausgleich gewährleisten. Auf diese Weise entsteht das Grundgerüst einer demokratisch legitimierten gesellschaftlichen Ordnung, die nicht statisch, sondern auf Grund wandelbarer gesellschaftlicher Verhältnisse in den durch Art. 79 m GG gezogenen Grenzen durchaus auch veränderbar ist. Entsprechend ist die daraus ableitbare Rechtsgüterwelt wandelbar und somit historisch relativ.354 Aus idealtypischer Sicht ist damit das soziale Zusammenleben vollständig und optimal gewährleistet. Eines Strafrechts bedarf es unter diesem Blickwinkel nicht, sondern erst beim Hinzutreten drohender Störungen. Das entworfene Bild gesellschaftlichen Zusammenlebens ist allerdings ein gesellschaftliches Programm und bleibt als Ideal in der sozialen Realität selbstverständlich weitgehend unerreicht; ohne Verteidigung gegenüber den stetigen und nach historischer Erfahrung nie endenden, möglicherweise für das Überleben des Systems sogar notwendigen 355 Übergriffen einzelner oder gesellschaftlicher Gruppen würde aber selbst der jeweils erreichte Zustand auf dem Weg zur VerwirkliSo schon angedeutet bei Michael Marx. S. 60 (dort Fn. 215). AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 283 vor § I StGB. 355 Vgl. Hassemer. 'ZStW 87, 163; Popitz. S. 3, 17 ff. m. w. N.; Kaiser. Kriminologie, S. 188 f.; Eisenberg. Kriminologie. S. 36 f. 353

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chung des politisch als ideal definierten gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht gehalten werden können und die soziale Ordnung insgesamt über kurz oder lang in sich zusammenbrechen. Die Verteidigung gegenüber derartigen Angriffen erfolgt einerseits durch das Polizeirecht, das vor allem Störungen im Vorfeld zu verhindern und deren unmittelbare Folgen zu beseitigen hat. Andererseits ist es Aufgabe des Strafrechts, durch die vergeltende Reaktion auf bestimmte Angriffe deren Wiederholung zu unterbinden, sei es durch Abschreckung, durch (Re-)Sozialisation der Delinquenten oder durch die Bestätigung der angegriffenen Werte infolge der strafrechtlichen Reaktion auf den Angriff. Die strafrechtliche Prävention gegenüber Angriffen auf die gesellschaftliche Ordnung hat dabei - im Gegensatz zur vom Anspruch her umfassenden polizeilichen Prävention - einen sehr fragmentarischen Charakter. Sie beschränkt sich auf schuldhafte Angriffe von (menschlichen) Individuen gegen bestimmte, als Rechtsgüter anerkannte Werte und auch insoweit nur auf die in den Straftatbeständen fest umrissenen Angriffsformen. Strafrecht ist mit anderen Worten die ultima ratio der Gesellschaft,356 vorbehalten für die besonders gefährlichen Anschläge ihrer Mitglieder gegen gesellschaftliche Grundwerte, letztlich also ein bloßes Hilfsmittel zur Festigung des sozialen status quO. 357 Die Aussage, das Strafrecht benötige die vorangehende Definition strafrechtlich schützenswerter Rechtsgüter, könne also nicht seinerseits auf den gesellschaftlichen Idealzustand regelnd eingreifen, sondern setze diesen als Objekt des eigenen Eingreifens voraus,358 bedarf freilich noch einer relativierenden Ergänzung, weil die Sichtweise ansonsten in Gefahr geriete, zu sehr zu vereinfachen. Es darf nämlich nicht verkannt werden, daß die Aufstellung einer Ordnung und die Verteidigung ihrer Werte eine gegenseitige Wechselbeziehung eingehen. Unter der - hier unterstellten - Voraussetzung, daß Strafrecht überhaupt eine wie auch immer geartete Präventionswirkung erzielt, können auf Grund seines fragmentarischen Charakters und der unterschiedlichen Verfolgungsintensität bestimmte gesellschaftliche Werte, die im Gegensatz zu anderen Werten (besserem) strafrechtlichem Schutz unterliegen, gegenüber diesen strafrechtlich vernachlässigten Werten tendenziell aufgewertet werden. Eine solche Besserstellung kann sich einerseits aus unterschiedlichen Strafdrohungen, aber sicherlich auch aus Differenzierungen in der Realisierung des Strafanspruchs ergeben, die aus geringerer Verfolgungswahrscheinlichkeit oder -intensität bei bestimmten Formen der Kriminalität folgen. Eine derartige normative oder faktische Bevorzugung bestimmter Werte schlägt auf deren Stellenwert im Bewußtsein der Gesellschaft,359 damit auf ihren Wert im 356 BVerfGE 39, 1,47; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 3, Rd.-Nr. 19; Günther. JuS 1978, 11; Kindhiiuser, FS-Helmrich, S. 979; Roxin, Strafrecht AT I, § 2, Rd.-Nr. 28, ders., JuS 1966,382; SK-StGB-Rudolphi, Rd.-Nr. 14 vor § I StGB. 357 Ob Strafrecht tatsächlich zur Großsteuerung von Verhaltensweisen tauglich ist, ist bekanntlich umstritten und kann hier nicht thematisiert werden. Erinnert sei nur an die Bedenken von Prittwitz. S. 247 ff., Strafrecht könne möglicherweise sogar kontraproduktiv wirken. 358 Vgl. Gra/zu Dohna, VerwA 30, 235 f.; Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 154 f. 359 Vgl. 1iedemann, Umweltstrafrecht, S. 18.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

System und auf Grund der damit einhergehenden Veränderungen auf die Gesellschaftsstruktur insgesamt zurück. Umgekehrt wird eine Zurücknahme des strafrechtlichen Schutzes eines Gutes trotz gleichbleibender außerstrafrechtlicher Normierung als Minderung seines Wertes empfunden. 360 So steht etwa die Steuerhinterziehung zwar im Prinzip unter derselben Strafdrohung wie Diebstahl. Andererseits dürfte klar sein, daß sich sowohl die Entdeckungswahrscheinlichkeit und damit die Chance, daß ein Delikt strafrechtlich sanktioniert wird, als auch die Höhe der Strafen im Verhältnis zum jeweiligen materiellen Schaden zwischen beiden Straftaten in erheblichem Umfang unterscheiden. Während Steuerhinterziehung im gesellschaftlichen Bewußtsein auch daher tendenziell als Kavaliersdelikt gilt, wird Diebstahl in viel stärkerem Maße als strafwürdig angesehen. Die Folge ist, daß selbst geringfügiges Eigentum auf Grund des effektiveren Schutzes einen vermeintlich höheren Stellenwert einnimmt als der staatliche Steueranspruch. Unter gesellschaftstheoretischem Blickwinkel erscheint diese Wertrangfolge hingegen als mindestens fragwürdig. Zwei andere Beispiele: Die schrittweise Abschaffung des zuletzt nur noch durch den Jugendschutz legitimierten § 175 StGB 361 vollzog zwar an sich nur einen Wandel in den gesellschaftlichen Auffassungen zur Sexualität nach. Gleichwohl dürfte die Entkriminalisierung auch unabhängig von diesem Hintergrund eine Aufwertung männlicher Homosexualität nach sich ziehen, indem sie diese von dem Geruch einer potentiell kriminellen Abartigkeit befreit. Umgekehrt sollte die Einstellung des Umweltstrafrechts in das StGB und die Ausweitung der fraglichen Tatbestände auf bislang strafloses Verhalten ursprünglich auch 362 dazu dienen, das gesellschaftliche Bewußtsein von der Bedeutung der Umwelt zu stärken,363 wobei hier die als ungenügend empfundene Verfolgungswirklichkeit 364 den Erfolg der gesetzgeberischen Bemühungen in der Rechtswirklichkeit allerdings augenscheinlich wiederum schwächt. 360 So befürchtet von Schall, Wistra 1992, 3, für den Fall einer Aufgabe strafrechtlichen Umweltschutzes. 361 Reduzierung auf die Gewährleistung der ungestörten Entwicklung männlicher Jugendlicher durch das 4. StrRG vom 23. 11. 1973 (BGBI.I, 1725 ff.), schließliche Abschaffung durch das 29. StÄG vom 31. 05. 1994 (BGBI. I, 1168). 362 Es soll hier nicht verschwiegen werden, daß Erkenntnisse der Normgeneseforschung für das Umweltstrafrecht auch einen reaktiven Charakter belegen, mithin jedenfalls zum Teil neben einer beabsichtigten Normstärkung auch eine retrospektive Anpassung an im öffentlichen Bewußtsein bereits veränderte Wertvorstellungen als Hintergrund der strafrechtlichen Normsetzung angenommen werden muß, vgl. Rüther, KrimJour 1982, 183 ff., 188. Beide Funktionen der Normsetzung widersprechen sich indes nicht. 363 Vgl. BT-Drucksache 8/2382, S. I, 10; Dölling; Grundprobleme, S. 81; Heine, ZUR 1995,63; Hümbs-KruschelKrusche, ZRP 1984,62; KloepjerlVierhaus, Rd.-Nr. 7; Kuhlen, WiVerw 1991, 184; Kühl, FS-Lackner, S. 824; Odersky, FS-Tröndle, S. 291; Rogall. FS-UniKöln, S. 504; Schall. NJW 1990, 1264; ders., Wistra 1992, I; Seier, JA 1985,23 f.; ferner Möhrenschlager, NStZ 1994, 514. 364 Vgl. Albrecht, KrimsozBibl55, 13 ff.; ders., MSchKrim 1983,281 ff.; Dölling. Grundprobleme, S. 92 ff., 102 f.; ders., ZRP 1988,335; Geulen. ZRP 1988, 323; Hansmann. NVwZ 1989,913 f.; Heine, ZUR 1995,63 ff.; HeinelMeinberg. Gutachten, D 72 ff.; Hümbs-Krusche I Krusche, Umweltbelastungen, passim, insbesondere die Zusammenfassung S. 284 ff.; Kuhlen. ZStW 105,699; Kunert. S. 131 ff.; Meinberg. NuR 1986,56 ff.; Ouo. Jura 1991, 308 f.; Rogall. Amtsträgerstrafbarkeit, S. 30 ff.; ders., FS-Uni Köln, S. 506 f.; Schall. NJW 1990,1263 f.; Schünemann. Wistra 1986,235 f.

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Es wäre somit unzureichend, die Wirkungsweise des Strafrechts als nur wertbewahrend zu beschreiben. Ihm kommt nebenher auch eine wertverstärkende Funktion ZU,365 und insoweit ist ihm im besten Sinne ein symbolischer Charakter zu Eigen, indem es rechtstreues Verhalten gegenüber definierten Werten durch die Ächtung normabweichenden HandeIns positiv überhöht. 366 Allerdings bildet das Strafrecht dabei keine neuen, in der Rechts- oder Sozialordnung bislang nicht existenten Werte, sondern es verstärkt nur vorgefundene, ausgewählte Werte in Relation zu anderen, nicht oder schwächer geschützten Gütern. Die Qualität einer "sittenbildende Kraft,,367 im Sinne einer Fähigkeit zur Aufrichtung neuer Werte, wie sie Hellmuth Mayer noch diagnostiziert hatte,368 wäre deshalb eine zu weitgehende, irreführende Feststellung. Auch Prittwitz, der hier in jüngster Zeit ähnlich und unter Hinweis auf Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht mißverständlich von einer gestaltenden Wirkungsweise spricht,369 übersieht Existenz und Funktion der bereits bestehenden Ordnungen. Dies wird besonders deutlich bei seinem Beispiel der Bußgeldbewehrung der Pflicht zum Anlegen des Sicherheitsgurtes nach den §§ 21a I 1,49 I Nr. 20a StVO. 370 Sicherlich ist die fehlende Internalisierung der Norm im Bewußtsein der Bevölkerung das ausschlaggebende Moment für die Sanktionsbewehrung; allein ändert dies nichts daran, daß die fragliche Rechtsnorm bereits demokratisch legitimiert vorexistent war, es also nicht ihrer Kreation, sondern lediglich der Sicherung ihrer Beachtung durch das Sanktionenrecht bedurfte. Die daher zutreffender als wertstärkende denn als wertbildende oder -gestaltende Funktion bezeichnete Wirkungsweise des Strafrechts ändert folglich nichts an dem bisherigen Befund, daß die Ordnung der Güterwelt prinzipell gerade nicht zu den strafrechtlichen Aufgaben gehört. Aber auch soweit es um die relativ wertverstärkende Funktion des Strafrechts geht, vermag dieses nur innerhalb bestimmter Grenzen zu agieren. Es dürfte bekanntlich kaum vorkommen, daß die Entscheidung für einen strafrechtlichen Schutz eines Gutes nicht zwangsläufig ein anderes Gut tangiert. Dies beruht auf dem Umstand, daß ein erheblicher Teil der anerkannten Güter dies nur in relativem Umfang ist. Handlungsfreiheit, Eigentum, Versammlungsfreiheit, Berufs(aus365 Zu eng ist deshalb auch die Auffassung GÜnthers. JuS 1978, 11, der eine wertbildende Kraft leugnet und dem Strafrecht lediglich eine werterhaltende Funktion zubilligen will (a. a. 0 ., Fn. 37). 366 Vgl. zum ambivalenten Begriff des symbolischen Strafrechts die eingehende Darstellung bei Prittwitz. S. 255 ff., der die erwünschte Symbolsetzung streng von einer bloß vortäuschenden Symbolik unterscheidet, die, wie nach seiner Auffassung vor allem bei neueren Strafrechtsmaterien, wozu er BtMG, KWG, Umwelt- und Wirtschaftsstrafrecht zählt, gesellschaftlich verlangte Lösungen verspreche, diese Versprechungen aber mangels Fähigkeit zur Großsteuerung (dazu eingehender Prittwitz., S. 247 ff.) nicht einlösen könne. Vgl. zur Thematik des täuschend-symbolischen im Strafrecht auch Hassemer, NStZ 1989,555 f. 367 Hellmuth Mayer, Strafrechtsrefonn, S. 15. 368 Hellmuth Mayer, Strafrechtsrefonn, S. 16. 369 Vgl. Prittwitz. S. 262 f. 370 Vgl. Prittwitz. S. 263.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

übungs)freiheit sind jeweils keine absoluten Freiheiten, sondern nur insoweit gewährleistet, als ihre Ausübung nicht andere geschützte und in der Abwägung schließlich vorrangige Rechte und Güter beeinträchtigt. Die Mehrzahl der Regelungen innerhalb einer Rechtsordnung baut auf derartigen Güterabwägungen auf oder soll diese gewährleisten. Folglich greift die Entscheidung für den strafrechtlichen Schutz eines Gutes nahezu unvermeidlich in den Bestand eines anderen Gutes ein. Das einfachste und stets tangierte Beispiel hierfür ist die Handlungsfreiheit, die, obwohl selbst vielfach strafrechtlich geschützt, notgedrungen durch jede strafrechtliche Verhaltenssanktionierung im Interesse anderer Güter eingeschränkt Werden muß. 371 In dem Augenblick jedoch, wo ein anderes Rechtsgebiet bereits zwischen den nämlichen Gütern eine Abwägung vorgenommen hat, kann strafrechtlich diese Güterentscheidung nicht mehr konterkariert werden, indem einer der betreffenden Werte nunmehr in anderer Weise bewertet und damit das Resultat der Abwägung verschoben wird. Dies würde nämlich bedeuten, daß sich das Strafrecht in eine vorgefundene Güterordnung in einer Weise einmischt (oder, um das berühmte Wort Horns zu gebrauchen, dort "wildert,,372), die der primär zur Ordnung berufenen Rechtsordnung die Kompetenz, diesen Sachverhalt adäquat zu regeln, abspricht und dieser gleichsam ein Versagen durch seine, das falsche Resultat hervorrufende Wertentscheidung attestiert. Ein solches Versagen, was ja im Prinzip auf Grund veränderter Verhältnisse durchaus hin und wieder denkbar erscheint, zu beheben ist aber originäre Aufgabe nicht des Strafgesetzgebers,373 sondern des (mit diesem ja ohnehin zumeist identischen) Verwaltungs- oder Zivilrechtsgesetzgebers. Es ist lediglich möglich, dem Ergebnis einer solchermaßen als falsch erkannten Güterabwägung einen noch vorhandenen strafrechtlichen Schutz künftig zu versagen. So erscheint es schlechterdings ausgeschlossen, daß eine strafrechtliche Wertentscheidung in offenen Gegensatz zu einer Wertentscheidung eines anderen Rechtsgebietes tritt, indem es einen dort als schützenswert anerkannten Wert negiert. So wäre es, um ein krasses Beispiel zu nennen, unzulässig, etwa die gesetzlich zugelassene Möglichkeit des Vermieters zur Kündigung bei Zahlungsverzug des Mieters (§ 554 BGB) im Zuge eines zu bekämpfenden Wohnungsmangels unter Strafe zu stellen. Zwar ist sicherlich die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum ein schützenswertes Gut, das möglicherweise auch im Einzelfall den Vorzug vor der Dispositionsfreiheit des Eigentümers verdient. Andererseits ist für diesen bestimmten Konfliktfall zwischen Wohnraumbedarf und Eigentumsverwertung eine gesetzliche Wertentscheidung bereits zugunsten des Eigentums getroffen. Ohne diese zuvor (ggfs. ersatzlos) außer Kraft zu setzen, ist eine divergierende strafrechtliche Bewertung verwehrt.

Vgl. dazu auch die anschaulichen Beispiele bei Günther. JuS 1978, \0. Horn. NJW 1981, 3. 373 Vgl. DahslRedeker. DVBI. 1988,805; unklar bei SchmidtlSchöne. NJW 1994,2516, die davon sprechen, auch das Strafrecht müsse auf Fehlentwicklungen reagieren. wenn nur der Gesetzgeber eine Entwicklung als strafwürdig ansehe. 371

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Nur dort, wo im Recht 374 bislang keine ausreichende Güterabwägung stattgefunden hat, kann auch das Strafrecht vermeintlich unmittelbar regulierend eingreifen, wie etwa im Beispiel des § 218 StGB, wo die Grenzziehung zwischen Mutter- und Kindrechten innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Eckdaten präzisiert wird. Aber auch hier wird nur eine gesellschaftliche oder politische Wertentscheidung strafrechtlich nachvollzogen, und selbst dies gelingt nur deshalb, weil andere Rechtsgebiete sich mit unmittelbaren Regulierungen für den Konfliktfall zwischen ungeborenem Leben und Handlungsfreiheit der Mutter zurückhalten. 375 Die Übertragung dieser Gedanken auf die Frage nach dem primären oder sekundären Charakter des Strafrechts führt nun dazu, daß eine eindeutige Antwort nicht mehr möglich erscheint. Zwar bleibt Strafrecht selbstverständlich zunächst insoweit sekundär, als es nur innerhalb der Schranken der Verfassung zu agieren vermag, diese als primäre Ordnung daher stets zu respektieren ist. Es ist ferner gegenüber anderen Rechtsordnungen eine sekundäre Ordnung, soweit diese Regelungen für die anstehende Lösung eines Interessenkonfliktes zwischen den einzelnen Gütern bereits enthalten. Diese Regelungen darf es nicht durch eigene Regelungen ersetzen, vielmehr auf deren Basis allein noch über das Ob und Wie eines strafrechtlichen Schutzes befinden. Darüber hinaus aber ist es sehr wohl zu originären Bewertungen und Interessenentscheidungen befähigt, sobald nämlich derartige außerstrafrechtliche Regularien im Einzelfall fehlen. 376 So wäre beispielsweise § 202a StGB als originär strafrechtliche Wertentscheidung zu begreifen, die im Prinzip und rein theoretisch auch ohne Verstoß gegen Wertentscheidungen anderer Rechtsordnungen zum Teil umgekehrt hätte getroffen werden können, indem etwa - im Interesse einer Datentransparenz für den Betroffenen - die besondere Zugangssicherung von bestimmten personen bezogenen Daten gegen Einsichtnahme unter Strafe gestellt worden wäre. 377 Dagegen wäre der Handlungsspielraum bei § 170 StGB sehr viel geringer. Zwar könnte auf strafrechtlichen Schutz auch gänzlich oder teilweise verzichtet werden, ohne daß dies die vorrangigen Entscheidungen etwa der §§ 1360 ff., 1569 ff. BGB in Frage stellte. Es wäre also beispielsweise denkbar, die Strafvorschrift auf den Unterhalt gegenüber minderjährigen Kindern zu beschränken. Eine andersartige, den Wertungen des Unterhaltsrechts zuwider374 Dies schließt nicht aus, daß es kulturelle Nonnen und Wertentscheidungen bereits gibt. m Diese Möglichkeit verkennt Kindhäuser, FS-Helmrich, S. 979 f., wenn er für strafrechtliches Tatigwerden eine negative Vorwertung nach zivil- oder verwaltungsrechtlichen Kriterien verlangt. 376 Dies ist übrigens eine nicht nur auf das Kernstrafrecht beschränkte Erscheinung. Auch die §§ 89 BörsenG (Verleiten zu Börsenspekulationsgeschäften), 63 BSeuchenG (Verbreiten übertragbarer Krankheiten) oder 403, 404 AktG (Verletzung der Berichtsptlicht bzw. der Geheimhaltungspflicht), um nur einige Beispiele zu nennen, beruhen nicht auf expliziten Normen des jeweiligen Gesetzes, sondern enthalten originäre, primäre strafrechtliche Verhaltensnonnen. 377 Daß dies illusorisch und wohl auch weder wünschenswert noch politisch durchsetzbar wäre, steht außer Frage. Mir geht es bei diesem Beispiel nur darum, die theoretischen Handlungsmöglichkeiten des Strafgesetzgebers zu verdeutlichen.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

laufende Wertentscheidung wäre aber verwehrt, so eine zum Zwecke des Schutzes der Ehe als Institution jedenfalls in der Utopie denkbare Kriminalisierung der Leistung von Unterhalt an den getrennt lebenden Ehegatten. c) Konsequenzen für Konstellationen einer Normenkonkurrenz Folglich ergibt sich für eine Konkurrenz von verwaltungsrechtlicher und im Straftatbestand inkorporierter strafrechtlicher Verhaltensnorm, daß letztere mit ersterer in keinen Wertungswiderspruch treten darf, der nicht seinerseits auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechtsschutzes zurückgeführt werden kann. Die Strafrechtsnorm kann also durchaus, sei es vom Wortlaut her oder qua Auslegung, von der Verwaltungsrechtsnorm abweichen, muß dabei aber nach den vorangehenden Überlegungen bestimmte Grenzen beachten. Folgende drei Fallgruppen einer legitimen Divergenz erscheinen denkbar: • Die Strafrechtsnorm ist enger, indem sie bestimmte, von der Verwaltungsrechtsnorm erfaßte Verhaltensweisen strafrechtlich ignoriert. Beispielsweise erfaßt § 324 StGB nur das unbefugte Verunreinigen von Gewässern, während §§ 2, 3 I Nr. 1 WHG darüberhinaus die Entnahme von Wasser unter Erlaubnisvorbehalt stellen. • Die Strafrechtsnorm ist enger, weil sie zusätzliche Anforderungen an das verbotene Verhalten stellt. So verlangt die Strafrechtsnorm des § 39 III i.Y.m. § 38 I Nr. 2 GenTG neben der § 8 I 1 GenTG zuwiderlaufenden Durchführung gentechnischer Arbeiten außerhalb gentechnischer Anlagen auch einen Gefahrdungserfolg. 378 • Die Strafrechtsnorm erfaßt (auch) andere Verhaltensweisen, als sie die Verwaltungsrechtsnorm regelt. So verbietet die Strafrechtsnorm in § 29 I Nr. 1, VI BtMG über § 3 BtMG hinaus auch das Handeltreiben mit Stoffen, die keine Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden. Diese Konstellation wird von § 3 BtMG in keiner Weise normiert, vor allem nicht im Gegensatz zur Strafrechtsnorm das fragliche inkriminierte Verhalten explizit oder auch nur konkludent erlaubt. Hier ist also das Strafrecht in Ermangelung einer vorangehenden Wertung zu einer eigenen Wertentscheidung befugt. Anders wäre dies, wenn sich aus dem Zusammenhang der Verwaltungsrechtsnormen oder ihrer Entstehungsgeschichte ergäbe, daß der Gesetzgeber das nämliche Verhalten nur deshalb nicht geregelt hat, weil er es auf Grund positiver Bewertung gerade nicht verbieten wollte. In einem solchen Fall läge eine Wertentscheidung der vorrangigen Wertordnung vor, an welcher das Strafrecht nicht vorbeikäme.

378 Weitere Beispiele finden sich in den §§ 329 111, 330 I StGB, 69, 70 BSeuchenG, 145, 146 BBergG, 27 11, 26 I Nr. 1,4,5, 8b, 10, II ChemG, 39 III, 38 I Nr. 2, 8, 9, 12 GenTG, 24, 25 LadenschlußG, 21 MuSchG, 41, 42 SprengG, 19,20 TiefseebergbauG.

III. Außertatbestandliche Nonn und Strafrechtssatz

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Strafrecht hat mithin keinen sekundären (oder bei Einschließung der Verfassung gar tertiären) Charakter in dem Sinne, daß es stets von Wertungen vorrangiger rechtlicher Ordnungen abhängig wäre. Es darf jedoch mit seinen VerhaItensnormen nicht in einen Wertungswiderspruch zu vorgefundenen Wertentscheidungen der Verfassung oder einer anderen Teilrechtsordnung treten, es sei denn, durch selektive Schutzlosstellung von Gütem. 379 Inwieweit mit diesen Grundsätzen die zweifellos partieIl vorhandenen und augenscheinlich über die jeweilige Primärordnung hinausgehenden strafrechtlichen Interpretationen einzelner Tatbestände und ihrer Merkmale in Einklang zu bringen sind, soll exemplarisch anhand der Divergenzen beim Vermögensbegriff in § 263 StGB und beim Rechtmäßigkeitsbegriff in § 113 m StGB untersucht werden. aa) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff in § 263 StGH und das Zivilrecht

Nachdem der rein juristische Vermögensbegriff in § 263 StGB als überholt geIten kann, erfassen aIle derzeit noch vertretenen Lehren von den juristisch-ökonomischen Vermittlungslehren bis hin zum extremen wirtschaftlichen Vermögensbegriff 380 im Ergebnis auch einige vermögensrechtliche Ansprüche, die zivilrechtlich aus den unterschiedlichsten Gründen nicht durchsetzbar sind, angefangen von Wettverbindlichkeiten über Forderungen aus auf Grund Formmangels nichtigen Geschäften bis hin zu Ansprüchen aus wegen Sittenwidrigkeit nichtigen Verträgen. Es kann an dieser SteIle offen bleiben, ob die Erstreckung des Strafrechtsschutzes auf derartige Vermögensbestandteile unter Rechtsgutsaspekten hinnehmbar ist oder nicht; das Erkenntnisinteresse besteht vielmehr darin zu prüfen, ob damit, wie auf den ersten Blick naheliegend, eine Widersprüchlichkeit auf Verhaltensnormebene entstanden ist, die nach den oben entwickelten Grundsätzen inakzeptabel wäre. Insoweit täuscht allerdings die Gegenüberstellung von zivilrechtlicher Anspruchslage und strafrechtlicher Verhaltenssanktionierung über die unterschiedliche Perspektive beider Blickrichtungen hinweg. Während das bürgerliche Recht vornehmlich Rechte zu- oder abspricht, statuiert das Strafrecht Pflichten. Die strafrechtliche Verhaltensnorm verbietet es beispielsweise dem am zivilrechtlich mißbilligten Grundgeschäft unbeteiligten Täter, auf das zivilrechtswidrig entstandene fremde Vermögen einzuwirken. Die Regeln des bürgerlichen Rechts erlauben ihm dies aber ebensowenig, selbst wenn es sich um deliktischen Besitz oder Ansprüche aus nichtigen Geschäften handelt. Dritte haben keinen Anspruch, sich selbst in den Besitz rechtswidrig erlangter Vermögensbestandteile zu setzen.

379 Dies gilt selbstverständlich nur soweit, als die Verfassung nicht einen Strafrechtsschutz bestimmter Güter verlangt, vgl. etwa rur den Schutz des ungeborenen Lebens zuletzt BVerfGE 88. 203, 252. ferner Art. 26 I 2 GG. 380 Zur Entwicklung des Vennögensbegriff vgl. die Darstellung bei eramer. Vennögensbegriff. S. 33 ff.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Deshalb ist es zulässig, wenn dem Dieb strafrechtlicher Schutz zugesprochen wird,381 zumal es auch für den Bestohlenen und die Realisierbarkeit seines Rückgabeanspruch von Vorteil ist, eine weitere Verschiebung der Beute auf ihm (erneut) unbekannte Dritte zu verhindern. 382 Eine Ausnahme gilt nur für den jeweiligen Beteiligten (und Geschädigten) des ursprünglichen Schuldverhältnisses, der möglicherweise über § 812 BGB einen Anspruch auf Rückgewähr etwa auf Grund eines Wuchergeschäfts verlorener Vermögensteile besitzt. 383 Diesen Anspruch dürfte das Strafrecht nicht verbieten, was es allerdings auch gar nicht tut, da der Täter in diesen Fällen regelmäßig nicht die erforderliche Absicht rechtswidriger Bereicherung oder Zueignung hat. Handelt es sich um ein beiderseitig sittenwidriges Geschäft oder um unvollkommene Verbindlichkeiten wie bei Wette oder Ehemaklerlohn, so toleriert das bürgerliche Recht im Grunde den jeweiligen status quo, indem es sowohl die Durchsetzbarkeit derartiger Ansprüche verneint als auch die Rückforderung des Geleisteten ausschließt (§§ 656, 762, 814, 817 S. 2 BGB). Ein strafrechtliches Verbot, sich über diese Tolerierung hinwegzusetzen, steht deshalb nicht in Widerspruch zum bürgerlichen Recht. 384 Ähnlich ist die Situation beim Dieb, der seinen Komplizen durch Täuschung um dessen Beuteanteil bringt. Keinem von bei den billigt das Zivilrecht einen Anspruch zu. Entsprechendes gilt beim Einsatz des Vermögens zu sittenwidrigen Zwecken, beispielsweise zur Bestechung eines Amtsträgers. Auch hier ist der "Anspruch" wegen Nichtigkeit ebensowenig durch381 Vgl. Bruns, Befreiung des Strafrechts, S. 230 ff., ders., FS-Mezger, S. 351. Allerdings ist es zugegebenermaßen mißverständlich, wenn der Akzent hier auf den strafrechtlichen Schutz des Diebes gesetzt wird, weil es vorwiegend um die Normwidrigkeit des HandeIns eines zweiten Täters geht. Die Norm lautet auf ein Verbot der Gewahrsamsentziehung; eine Beschränkung auf legalen Gewahrsam ist dem so noch nicht zu entnehmen. Es handelt sich wegen der Tangierung der Interessen des rechtmäßigen Eigentümers auch um kein Verhalten, das wegen der Entziehung fehlerhaften Besitzes überhaupt nicht rechtsgutsbeeinträchtigend wäre. Auch in den übrigen Fällen, wo es nicht um Besitz, sondern um Inhaberschaft nichtiger Forderungen geht, werden durch die Verschiebung derartiger Ansprüche die Interessen des Schuldners berührt, der dem neuen Gläubiger gegenüber zwar möglicherweise materiellrechtlich dieselbe Stellung hat wie zuvor (§ 404 BGB), dessen Chancen aber durch die schlechter gewordene prozessuale Stellung - der ursprüngliche Gläubiger kann nunmehr als Zeuge auftreten - reduziert werden. Daß es mithin nicht nur um den Schutz des Diebes bzw. des Inhabers der mißbilligten Forderung geht, wird jedoch vielfach verkannt, vgl. Cramer; Vermögensbegriff, S. 91 f. 382 Vgl. Bruns, FS-Mezger. S. 342. 383 Ähnlich ist die Situation des Diebes, der zwar im Prinzip - wie allerdings auch der Bestohlene - den possessorischen Besitzschutz nach §§ 859 f. BGB in Anspruch nehmen kann, jedoch andererseits keinen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes hat (§ 861 II BGB) und sich vielmehr selbst einem solchen Anspruch des Geschädigten gegenübersieht (§ 861 I BGB). 384 Deshalb wäre es zwar nicht zwingend. aber durchaus zulässig, den heftig umstrittenen Dirnenlohn strafrechtlichem Schutz zu untersteHen, wenngleich dies heute überwiegend verneint wird. vgl. LK-Lackner; Rd.-Nr. 241 zu § 263 StGB; MaurachlSchroederlMaiwald, Strafrecht BT I, § 41, Rd.-Nr. 99 ff., 102; SchönkeISchröder-Cramer; Rd.-Nr. 93 zu § 263 StGB; SK-StGB-SamsonIGünther; Rd.-Nr. 124 zu § 263 StGB, jeweils m. w. N.; BGHSt 4. 373; a.A. Triindle, Rd.-Nr. 29 zu § 263 SIGB m. w. N.

III. Außertatbestandliche Norm und Strafrechtssatz

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setzbar wie die Rückforderung des Geleisteten nach § 817 S. 2 BGB. Das Zivilrecht hat sich also dafür entschieden, beiden Parteien das Risiko des gesellschaftlich mißbilligten Geschäfts in voller Höhe zu belassen. Der strafrechtliche Schutz des sittenwidrig einzusetzenden, aber rechtmäßig erworbenen Vermögens 385 bleibt damit durchaus möglich,386 weil auf diese Weise nicht das Geschäft als solches, sondern nur die Beachtung von Minimalstandards des Rechtsverkehrs durchgesetzt werden soll, zu denen das bürgerliche Recht in concreto gerade keine anderslautende Stellung bezieht. Bei unmittelbaren, potentiell konkurrierenden Verhaltensanweisungen, etwa im Falle des Unterlassensanspruches nach den §§ 1004, 823 11 BGB i.Y.m. § 263 StGB, wird umgekehrt deutlich, daß das Zivilrecht bei seinen Wertungen dort, wo sonst eine Widersprüchlichkeit von Verhaltensnormen drohen könnte, diese durch eine Bezugnahme auf die strafrechtlichen Handlungsanweisungen von sich aus vermeidet. Bei Lichte betrachtet besteht daher jedenfalls auf der Ebene der Verhaltensnormen selbst vor dem Hintergrund eines wirtschaftlichen Vermögensbegriffs im Grunde keine explizite Widersprüchlichkeit zwischen dem bürgerlichen und dem Strafrecht. 387

bb) Rechtmäßigkeit der Diensthandlung in § 113 StGB und nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben Die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung wird in § 113 III StGB bekanntlich überwiegend - wenngleich keineswegs einhellig und zum Teil heftig umstritten anders verstanden als im Verwaltungsrecht, nämlich im wesentlichen reduziert auf eine "formale" Rechtmäßigkeit im Sinne einer sachlich-örtlichen Zuständigkeit und der Einhaltung wesentlicher gesetzlicher Förmlichkeiten. 388 Trotz dieser Differenzierung, wenn man sie denn akzeptiert,389 ergeben sich auf Normebene keine Vgl. Bruns. FS-Mezger, S. 352; Cramer, Vermögensbegriff. S. 94. Tatsächlich dürfte die Problematik bei derartigen Konstellationen mehr bei der Frage liegen, ob die bewußte Selbstschädigung überhaupt zur rechtsgutsrelevanten Schädigung führt, vgl. Schönke/Schröder-Cramer, Rd.-Nr. 150 zu § 263 StGB; Cramer, Vermögensbegriff, S. 96 f. 387 Dies bedeutet nicht, daß der wirtschaftliche Vermögensbegriff die vorzugswürdige dogmatische Konstruktion darstellt; ich beabsichtigte nur zu zeigen, daß selbst er aus dem Blickwinkel der verschiedenen Verhaltensnormen eine jedenfalls denkbare Alternative darstellt. 388 Einzelheiten bei LK(lI)-v. Bubnoff, Rd.-Nr. 25 ff. zu § 113 StGB; Schönke/SchröderEser, Rd.-Nr. 21 ff. zu § 113 StGB; Tröndle. Rd.-Nr. 11 ff. zu § 113 StGB; SK-StGB-Hom. Rd.-Nr. 9 ff., jeweils m. w. N.; kritisch z. B. AK-StGB-Zielinski. Rd.-Nr. 22 zu § 113 StGB; Amelung. JuS 1986,335 f.; Backes/Ransiek. JuS 1989.627; Reinhart. NJW 1997.911 ff.; Roxin. FS-Pfeiffer, S. 48 ff. 389 Der Versuch, dies abschließend zu entscheiden, soll hier nicht unternommen werden, wenn ich auch aus dem Gedanken des Schutzes der Person des Amtsträger Sympathien für einen engeren Rechtmäßigkeitsbegriff nicht verhehlen will. Es geht hier allein um die Frage, ob ein modifizierter strafrechtlicher Rechtrnäßigkeitsbegriff NormenwiderspTÜche aufwirft. 385 386

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Gegensätze zur verwaltungsrechtlichen Lage. Denn während dort der Gehorsamsanspruch gegenüber dem Täter hinsichtlich al1er wirksamen Verwaltungs akte steht, verbietet die Strafrechtsnorm den Widerstand gegen al1e Diensthandlungen und bestraft schließlich nach einschränkenden Strafwürdigkeitserwägungen solchen, der sich gegen Vol1streckungshandlungen mit (vorwiegend formalen) Mindeststandards richtet. Das Strafrecht fordert demnach keineswegs Gehorsam gegenüber dem Verwaltungshandeln, was schon anhand der Straflosigkeit rein passiven Widerstandes deutlich wird, sondern verbietet al1ein die aktive Auflehnung, und zwar weniger im Interesse der Diensthandlung, als vielmehr im Interesse der verletzlichen Person des Amtsträgers. Es sol1 also keinesfal1s die verwaltungsrechtlich rechtswidrige, jedoch den Anforderungen von § 113 StGB noch genügende Diensthandlung durchgesetzt, sondern die Person des Amtsträgers geschützt werden, wobei es hinsichtlich verwaltungsrechtswidriger (aber aus Sicht des § 113 1lI 1 StGB rechtmäßiger) Diensthandlungen in der Sache um eine, mit der Abwägung der entgegenstehenden Individualinteressen von Täter und Opfer begründbare, Einschränkung des Notwehrrechts des Taters geht. 390 Dieser Strafrechtsschutz endet erst dort, wo das Ausmaß der Rechtswidrigkeit der Diensthandlung die Strafwürdigkeit eines aktiven Widerstandes des in seinen Interessen betroffenen Bürgers entfal1en läßt. d) Zusammenfassung Es bleibt festzuhalten, daß die strafrechtliche Verhaltensnorm zwar eine eigenständige, meist im Straftatbestand begründete Verhaltensnorm darstel1t. Fal1s und soweit jedoch daneben eine Verwaltungsrechtsnorm positiv existiert, hat sich die Strafrechtsnorm an dieser in der Weise zu orientieren, daß sie bei der Bestimmung des strafrechtlich verbotenen Verhaltens innerhalb des Anwendungsgebietes der Verwaltungsrechtsnorm wohl weniger, aber nicht mehr an Verhaltenssteuerung verlangen darf, als bereits nach der Verwaltungsrechtsnorm geschuldet wird. Die strafrechtliche Verhaltensnorm erfahrt also nur in einer Richtung eine Limitierung, sie ist im übrigen aber zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes und nach konkreten Strafwürdigkeitsbedürfnissen durch Strafgesetzgeber, Rechtslehre und -anwender im Rahmen zulässiger Auslegung frei von verwaltungsrechtlichen Vorgaben zu formulieren und daher, sofern man den Ausdruck überhaupt verwenden will, al1enfal1s begrenzt akzessorisch.

390 Amelung, JuS 1986,335. Hingegen geht es nicht um eine Erweiterung von Rechten des Amtsträgers, wie Reinhart, NJW 1997,912, vermutet. Dessen Risiko, eine rechtswidrige Diensthandlung mit strafrechtlichen Folgen für ihn selber (z. B. nach den §§ 123,239, 240 StGB) durchzusetzen, bleibt unvermindert bestehen. Vielmehr soll die u. U. diffizile Klärung der Rechtmäßigkeit von Behördenhandeln ggfs. vor dem Verwaltungsgericht, aber nicht bereits mit Hilfe des Faustrechts geführt werden.

IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes

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IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes In den weiteren Überlegungen wird zu zeigen sein, welche Implikationen sich aus den dargestellten Grundsätzen der Orientierung an der Verwaltungsrechtsnorm für die Auslegung der Straftatbestände im einzelnen ergeben, wobei es in diesem Kontext nach wie vor nur um diejenigen Delikte geht, deren Verwirklichung nicht von einer Einzelfallentscheidung der Verwaltung abhängt. 391 Das Augenmerk wird dabei vorwiegend auf den Teil des Tatbestandes zu richten sein wird, der auf ein verwaltungsrechtlich besetztes Terrain stößt.

1. Nonnwidrigkeit und Tatbestandserfüllung

Soweit die Strafrechtsnorm sich an der Verwaltungsrechtsnorm zu orientieren hat, kann die fehlende Normwidrigkeit, insoweit auch als Verwaltungsrechtswidrigkeit zu verstehen, nur zu einem Tatbestandsausschluß führen. Ist die Verhaltensnorm des Strafrechts nicht verletzt, kann denknotwendig auch der Tatbestand nicht erfüllt sein. 392 Ist nicht einmal die gegenüber der Strafrechtsnorm weitere Verwaltungsrechtsnorm mißachtet, muß das Resultat demzufolge dasselbe sein. Ein Verhalten, das der verwaltungsrechtlichen Verhaltensnorm entspricht, kann daher ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, die eine Normwidrigkeit unter dem Aspekt einer anderen strafrechtlichen Verhaltensnorm begründen, bereits nicht tatbestandsmäßig sein. Natürlich mag auch ein Verhalten, das zunächst normwidrig ist, im Ergebnis doch noch verwaltungsrechtlich und / oder strafrechtlich erlaubt sein, etwa durch Notstand, Einwilligung oder Duldung. Dies ändert jedoch nichts am Ausgangspunkt der zunächst einmal gegebenen Normwidrigkeit. Ob und ggfs. wie derartige verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Erlaubnissätze außerhalb der strafrechtlichen Verhaltensnorm die Zurechnung beeinflussen, insbesondere das Entstehen einer Folgepflicht verhindern, muß hier noch nicht geklärt werden, weil Verhaltensnormwidrigkeit zwar die Voraussetzung der Tatbestandsmäßigkeit, diese aber keineswegs die zwingende Folge aus jener ist. 2. Die "begriffliche Akzessorietät" von Tatbestandsmerkmalen

Findet sich also eine für den Straftatbestand relevante Verhaltensnorm im geschriebenen (Verwaltungs-)Recht, dann kann dies nur dazu führen, daß ein Nichtverstoßen gegen dieses (Verwaltungs-)Recht zwingend das Entfallen des Tatbestandes zur Folge hat. Dies bedeutet allerdings noch nicht zwangsläufig, daß die Vgl. dazu näher im 3. und 4. Kapitel. Anderslautende Auffassung wie etwa ein Ausschluß erst der Rechtswidrigkeit, so z. B. vertreten durch v. Hippel, Strafrecht I, S. 120, können als überholt gelten. 391

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im Rahmen der strafrechtlichen Subsumtion erforderliche Auslegung (des Straftatbestandes und darüber der Verwaltungsrechtsnorm) sich ihrerseits alleine an der Verwaltungsrechtswissenschaft und -rechtsprechung und den dort entwickelten Auslegungsmethoden zu orientieren hätte. Nun wäre es ein merkwürdiges Vorgehen, bei der Prüfung der Normwidrigkeit eines Verhaltens einen Maßstab anzulegen, der der Norm selbst nicht entspricht. Die verwaltungsrechtliche Norm steht im Kontext des materiellen wie formellen Verwaltungsrechts. Ihre Fassung und die sie ergänzenden Vorschriften nehmen auf die formellen Besonderheiten des VerwaItungsverfahrensrechts Rücksicht.' Ohne diesen Bezugspunkt wäre sie möglicherweise ergänzungs- oder änderungsbedürftig weil unverständlich, jedenfalls liefe man aber Gefahr, etwa nicht Normwidriges als strafbar zu definieren. Beispielsweise verbietet § 4 I des KulturgutschutzG die Ausfuhr eines Kulturgutes nach der Einleitung des Verfahrens zur Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes, und zwar bis die Entscheidung über die Eintragung "unanfechtbar" geworden ist. Eine Ausfuhr entgegen dieses vorläufigen Ausfuhrverbotes wird durch § 16 I b) KulturgutschutzG unter Strafe gestellt. 393 Mangels spezieller Regelungen bestimmt sich die Anfechtbarkeit (und damit die Dauer der Normgeltung für den Adressaten) nach den §§ 68, 74 VwGO, sie endet also ggfs. mit dem Ablauf der Klagefrist. Eine andere Auslegung der Norm des § 4 I KulturgutschutzG, insbesondere des die Geltungsdauer der Norm bestimmenden Merkmals der Verfahrenseinleitung, etwa im Sinne der Einbeziehung von informellen VOTÜberlegungen seitens der Behörde, im Rahmen der Anwendung der sie in Bezug nehmenden Strafbestimmung des § 16 I b) KulturgutschutzG könnte dazu fUhren, daß etwas unter Strafe gestellt wird, was die Norm nicht verbietet.

Diese unter der Überschrift einer "begrifflichen Akzessorietät,,394 diskutierte grundsätzliche Orientierung am Verwaltungsrecht kann freilich schon vom Ansatz her keine ausnahmslose Geltung beanspruchen. Unterlegen Verwaltungslehre oder -rechtsprechung etwa im Wege der Analogie einem Norm merkmal der Verwaltungsrechtsnorm eine über den Wortsinn hinausgehende Bedeutung, geriete ein strafrechtlicher NachvoIIzug dessen in Konflikt mit dem Analogieverbot nach Art. 103 11 GG, § I StGB. Während sich hier das Ausweichen auf eine strafrechtliche Methodik als zwingend darsteIIt, erweist sich die strafrechtlich eigenständige Auslegung bei der restriktiven Interpretation von Normmerkmalen immerhin noch als möglich. Da die Verwaltungsrechtswidrigkeit zwar notwendige, aber nicht unbedingt hinreichende Voraussetzung einer strafrechtlichen Normwidrigkeit ist, kann diese theoretisch durch ein einengendes Verständnis von Normmerkmalen zu 393 Nach Unanfechtbarkeit der Eintragung ist die Ausfuhr gemäß § I IV I KulturgutschutzG genehmigungsptlichtig, die ungenehmigte Ausfuhr ist sodann r.ach § 16 I a) KulturgutschutzG strafbar. 394 Vgl. Pfohl in: Müller-Gugenberger, § 44, Rd.-Nr. 77; Ossenbühl/Huschens, UPR 1991,163 (,,Begriffsakzessorietät"); Dito, Jura 1991, 309 f.; Perschke. Wistra 1996,162; Rogall, FS-Uni Köln, S. 522; ders., GA 1995,302; Schall. NJW 1990, 1265; Winkelbauer; Verwaltungsakzessorietät. S. 11; ebenso fUr das Verhältnis zu zivilrechtIichen Begriffen bereits Bruns. Befreiung des Strafrechts, S. 15.51 ff.; kritisch zu dem Begriff Hundt, S. 20 f., der seine Notwendigkeit in Frage stellt.

IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes

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einem nicht mit dem Verwaltungsrecht in Einklang stehenden Ergebnis gelangen . Es versteht sich von selbst, daß eine solche Umformung von Normmerkmalen aus sachlichen, insbesondere Strafwürdigkeitserwägungen heraus begründbar sein muß, um dem Postulat einer Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu genügen. Zudem sollte im Hinblick auf die Gesetzesklarheit grundsätzliche Zurückhaltung bei divergierender Begriffsinterpretation geübt und diese nicht ohne Not vorgenommen werden,395 wenn auch die durch einschränkende Interpretation der strafrechtlichen Begrifflichkeit verursachte Unklarheit hier letztlich dem Täter zugute kommt, weil in dem unterschiedlich interpretierten Sinnbereich keine Strafbarkeit droht und diese erst dort beginnt, wo beide Rechtsgebiete sich über die Geltung des Merkmals einig sind. Wenn also in den §§ 30a 11, 30 I BNatSchG das Töten von Tieren einer "vom Aussterben bedrohten Art" unter Strafe steht und die entsprechende Norm (§ 20 f. I Nr. I i.v.m. § 20e I 1, 2 BNatSchG) als vom Aussterben bedrohte Arten nur solche versteht, die in einer Rechtsverordnung (hier der BundesartenschutzV0 396 ) ausdrücklich genannt werden, so kann der Strafrichter das Töten einer dort nicht genannten Art nicht nach § 30a 11 BNatSchG ahnden. Er wäre aber nicht gehindert, das Töten einer in der BundesartenschutzVO genannten Art gleichwohl im Wege teleologischer Reduktion deshalb als nicht tatbestandsmäßig zu erachten, weil etwa empirisch-wissenschaftlich mittlerweile festgestellt worden ist, daß diese Art gar nicht mehr bedroht ist, ein Verstoß gegen die noch unverändert bestehende Verwaltungsnorm insoweit daher nur in weit geringerem Maße das Rechtsgut tangiert als in den verbleibenden Fällen. Während sich derartige Abkopplungsversuche dort, wo sich Strafbestimmung und materielles Verwaltungsrecht in demselben formellen Gesetz befinden, kaum feststellen lassen, ist ein abweichendes Begriffsverständnis bei den in das StGB ausgelagerten Strafbestimmungen nicht ungewöhnlich und teilweise bereits durch differenzierende Legaldefinitionen vorgezeichnet. § 330d Nr. I StGB etwa dehnt den Gewässerbegriff von § I WHG auf die dort nicht berücksichtigten internationalen Gewässer aus und schließt auch die auf Grund der Ermächtigung des § I n WHG ausgenommenen Kleingewässer ein. Während § 327 11 StGB auf den jeweiligen Anlagenbegriff von BImSchG, WHG und KrW I AbfG verweist, geht § 325 StGB bewußt über den Anlagenbegriff nach § 3 V BImSchG hinaus. 397 Ebenso ist der Abfallbegriff in § 326 StGB teilweise weiter398 als in § 3 I KrW I AbfG, wobei vor allem die Beschränkungen nach § 211 KrW I AbfG nicht gelten,399 was prakVg\. Otto, Jura 1991,310; Perschke, Wistra 1996, 162. BGB\. 1989 11677, 2011. 397 BT-Drucksache 8/2382, S. 34; Tröndle, Rd.-Nr. 4 zu § 325 StGB; Schönke/SchröderStree, Rd.-Nr. 4 f. zu § 325 StGB; Winkelbauer. Verwaltungsakzessorietät, S. 12. 398 Der strafrechtliche Abfallbegriff erfasst hingegen einige Fiktionen des subjektiven Abfallbegriffes nicht, etwa nach § 3 m Nr. 2 KrW / AbfG, vg\. Heine, NJW 1998,3667. 399 Vg\. Tröndle, Rd.-Nr. 2 zu § 326 StGB; Heine, NJW 1998,3668; ferner zum alten, allerdings insoweit prinzipiell übereinstimmenden Rechtszustand nach § I AbfG BT-Drucksache 8/2382, S. 17; BGH NStZ 1990,438; OLG Braunschweig, ZfW 1991, 52, 58; Schönke/ 395

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

tisch wichtig wird bei der wegen § 2 11 Nr. 6 KrW / AbfG vom Abfallrecht nicht erfaßten Einleitung gefährlicher Abfallstoffe in Kläranlagen, deren Reinigungskraft eine Gewässerverunreinigung im Sinne des § 324 StGB verhindert und die daher nur über den weiten strafrechtlichen Abfallbegriff erfaßbar bleiben. 4OO Derartige Überschreitungen verwaltungsrechtlicher Begriffsdefinitionen sind jedenfalls dort unzulässig, wo ein Merkmal erst über einen singulären Festsetzungsoder Widmungsakt konstituiert wird. Ein Naturschutzgebiet (§ 329 m StGB) etwa bedarf nach §§ 12 f. BNatSchG ei!1er rechtsverbindlichen Festlegung als solches,401 die besonders geschützte Tier- oder Pflanzenart (§§ 30a I, 30 I Nr. 1,2 BNatSchG) wird erst durch Rechtsverordnung nach § 20e I NatSchG unter besonderen Schutz gestellt. Einen solchen Definitionsakt der Exekutive kann die strafrechtliche Dogmatik ebensowenig ersetzen,402 wie sie Gestaltungsurteile des Ziviloder Strafrichters ignorieren kann. 403 Bei allgemein-abstrakt definierbaren Merkmalen wie "Gewässer", "Abfall" oder "Anlage" ist demgegenüber zu fragen, ob die Abkopplung von vorgegebenen öffentlichrechtlichen Begriffsbestimmungen zu Wertungswidersprüchen auf der Verhaltensnormebene führt, ob also das strafrechtliche Verbot auf eine bewußte verwaltungsrechtliche Freigabe stößt. Ein solcher Konflikt ist von vorneherein dort ausgeschlossen, wo ein Regelungsanspruch des materiellen Verwaltungsrechts ausdrücklich negiert ist, etwa soweit das WHG als nationales Recht Regelungen internationaler Gewässer explizit unterläßt (§ 1 I Nr. la WHG). Im bereits angesprochenen Fall der Einleitung von Abfällen in eine Kläranlage sind zwar die Normen des KrW / AbfG nicht einschlägig, das Verhalten widerspricht aber gleichwohl der Norm des § la 11 WHG, so daß von einem Wertungswiderspruch nicht die Rede sein kann, wenn das Einleiten strafrechtlich sanktioniert wird. 404 Die Vorschriften des BImSchG mit ihrer Beschränkung auf Anlagen im Sinne von § 3 V BlmSchG schließlich lassen nicht auf eine Freigabe aller anderweitig verursachten Luftveränderungen schließen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den §§ I, 2 n BImSchG, die zwar eine sachliche Beschränkung des Gesetzes, aber ersichtlich keine Freigabe der ausgegliederten Sachgebiete erklären. Solange das Strafrecht wie in den hier genannten Beispielen entweder lediglich an eine andere verwaltungsrechtliche Norm anknüpft oder aber eine primäre Verhaltensnorm aufstellt, die der Wertordnung des materiellen Verwaltungsrechts nicht zuwiderläuft, ist strafrechtlich auch eine ausdehnende Interpretation von Schröder-Lenckner. Rd.-Nr. 2 zu § 326 StGB; Kuhlen, WiVerw 1991,206 f.; Pfohl, Wistra 1994, 7; Rogall, NStZ 1992, 363; eingehend Gradl, S. 16 ff., und kritisch Lamberg, NJW 1991,1996 f. 400 Vgl. Franzheim, JR 1988,320; Rengier. Umweltstrafrecht, S. 19 ff., 28 f.; a.A. insoweit Lamberg, NJW 1991, 1998. 401 Vgl. OssenbühllHuschens, UPR 1991, 163. 402 Vgl. Winkelbauer. Verwaltungsakzessorietät, S. 12; Haa/. S. 72 f. 403 Haa/. S. 69 ff. 404 Ebenso Lamberg, NJW 1991, 1998.

IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes

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Merkmalen verwaltungsrechtlicher Normen mit der Folge zulässig, daß die Strafrechtsnorm primäre Verhaltensnorm wird (oder, soweit wie im Beispiel des flüssigen Abfalls vorhanden, zugleich eine zweite positive Norm in Bezug nimmt). Eine Wechselbeziehung zwischen dem Befund einer sekundären Strafrechtsnorm und einer begrifflichen Akzessorietät ist also entgegen der Annahme von Bruns405 nicht zwingend. Wohl aber darf eine Uminterpretation von Tatbestandsmerkmalen nicht zu strafrechtlichen Normen führen, die den Wertungen verwaltungsrechtlicher Normen zuwiderlaufen. Diesen Gesichtspunkt übersieht Paeffgen,406 wenn er auf Grund fehlender gesetzlicher Erstreckungsregelung eine strafrechtliche Definitionskompetenz für alle vom Strafrechtssatz erfaßten Merkmale postuliert. Denn damit würden konkret widersprüchliche Verhaltensbefehle möglich, und dieses Ergebnis wäre nach den bisherigen Überlegungen als Verstoß gegen die vom Gesetzgeber gewollte Normenordnung unzulässig.

3. Strafwürdigkeitsmerkmale

Unbedenklich ist es, aus Erwägungen fehlender Strafwürdigkeit geringfügige Normverletzungen (z. B. § 326 VI StGB) oder spezielle Formen der Normwidrigkeit straflos zu belassen (z. B. bei § 315c I Nr. 2 StGB hinsichtlich des den dort aufgezählten "Todsünden" in der Gerahrlichkeit vergleichbaren, aber nicht strafbaren Nichteinhaltens des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO) oder als bloße Ordnungswidrigkeiten zu ahnden (z. B. die nicht gewerbsmäßige Totung wildlebender Tiere einer besonders geschützten Art nach §§ 30a I, 30 I Nr. 1 BNatSchG). Das Vorliegen oder Fehlen solcher ergänzenden Merkmale der strafbaren Handlung hat keinerlei Rückwirkungen auf den Befund der Normwidrigkeit. Merkmale, die innerhalb eines Kataloges normwidriger Handlungen solche selektieren sollen, die nicht nur normwidrig, sondern zugleich auch strafwürdig sind, können daher ohne Rücksicht auf verwaltungsrechtliche Vorgaben ausgelegt werden. Hier liegt eine strafrechtlich orientierte Betrachtung sogar nahe, weil die Verwaltungsrechtsdogmatik mangels Anlasses hierzu regelmäßig noch keine entsprechenden Vorgaben liefert. Soweit etwa in § 329 III StGB von der ,,Beeinträchtigung wesentlicher Bestandteile" eines Gebietes die Rede ist, handelt es sich um ein verwaltungsrechtlich unbesetztes Terrain, das damit einer strafrechtlich orientierten Auslegung nicht nur zugänglich bleibt,407 sondern ihrer geradezu bedarf. Die Notwendigkeit, die Auslegungsparameter solcher Merkmale aus dem Strafrecht zu gewinnen, ergibt sich schon aus einem Vergleich der Aufgabenstellung von Straf- und Verwaltungsrecht. Vgl. oben bei III.2.b) aal. Paeffgen, FS-Stree/Wessels, S. 597 ff. 407 Vgl. zu strafrechtlichen Definitionsversuchen E-1. UKG, BT-Drucksache 8/2382, S. 22; Tröndle, Rd.-Nr. JI zu § 329 StGB; Laufhütte / Möhrenschlager; ZStW 92, 912, 950; skeptisch Meinberg, NuR 1986, 54, der eigenständige strafrechtliche Begriffsbildungen nicht erwartet. 405

406

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

Strafrecht dient allein dem Rechtsgüterschutz, während dies zwar auch eine Funktion des öffentlichen Rechts ist, jedoch keineswegs die einzige, was besonders deutlich im Polizeirecht, aber auch in anderen Gebieten des materiellen Verwaltungsrechts zu Tage tritt. 408 Vielmehr hat dieses daneben das Rechtsverhältnis des Staates zu seinen Bürgern und öffentlicher Verbände untereinander sowie zu seinen Mitgliedern zu regeln, auch ohne daß eine solche soziale Ordnung unmittelbar rechtsgüterbewahrend sein müßte. Deshalb wird beispielsweise als Aufgabe des öffentlichen Wasserrechts eben nicht nur der Gewässerschutz, sondern auch die Bewirtschaftung und Ordnung der natürlichen Gewässer durch diese zwar betreffende, in ihrer Wasserqualität aber nicht beeinträchtigende und vielmehr im Interesse der Gesellschaft diese sogar steigernde Maßnahmen verstanden. 409 Auf der anderen Seite beschränkt sich das Strafrecht nicht auf den einzelfallbezogenen Güterschutz vermittels der jeweiligen strafbewehrten Verbotswirkung. Durch die Drohung und notfalls Verhängung und Vollstreckung der Kriminalstrafe wirkt es zugleich präventiv über das "Reparieren" eines vorgefundenen Unrechts hinaus.410 Soweit ein Verhalten daher nach verwaltungsrechtlichen Vorgaben als normwidrig festgestellt ist, können die auch anderen Zwecken dienenden Regelungen des Verwaltungsrechts und hierzu gewonnene Erkenntnisse der Verwaltungsrechtslehre keine Hilfe mehr dafür darstellen, weitere einengende Merkmale des Straftatbestandes auszulegen; sie würden auf Grund ihrer andersartigen Ausrichtung das Ergebnis des Auslegungsvorganges möglicherweise verfälschen. Derartige Merkmale können nur die Aufgabe haben, unter Orientierung an kriminal politischen Bedürfnissen, materiellem Unrechtsgehalt, Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit aus dem Fächer normwidriger Handlungen solche herauszulesen, deren strafrechtliche Verfolgung angemessen und erforderlich ist, um eine optimale Prävention zu erzielen. 411 Dasselbe gilt selbstverständlich für die zahlreichen Tatbestände, die Tatbestandsmerkmale außerhalb des von einer oder einer Mehrheit von Verwaltungsnormen erfaßten Bereiches enthalten. Insbesondere gibt es Delikte, deren Tatbestände einen (Gefährdungs- oder Verletzungs-)Erfolg beinhalten,412 den herbeizuführen die jeweiligen Verwaltungsnormen oft nicht explizit verbieten. 413 408 Vgl. die Bestimmungen über die Gesetzeszwecke z. B. in den §§ 1 Nr. 1 GenTG, 1 BlmSchG, 1 AtomG, 1 Nr. 4 PfISchG. 409 Vgl. § la I WHG und die einzelnen erlaubnisptlichtigen Maßnahmen im Katalog von § 3 WHG, die nicht in jedem FaH - wie etwa das Entnehmen von Treibgut, § 3 I Nr. 3 WHG - gewässerbeeinträchtigend sein müssen. 410 nedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 47, 49. 411 Es entspricht ja gesicherter Erkenntnis, daß eine umfassende Verfolgung von Normverstößen eher destabilisierend als normbestärkend wirkt, vgl. Kaiser, Kriminologie, S. 188 f.; Eisenberg, Kriminologie, S. 36 f.; und auch Popitz, insbesondere S. 17 ff. 412 Z. B. §§ 329 III, 330 I StGB, 148 Nr. 2 GewO, 145, 146 BBergG, 27 11 ChemG, 24, 25 Ladensch1ußG, 21 MuSchG, 41, 42 SprengG, 19, 20 TiefseebergbauG 413 Es gibt aHerdings, insbesondere bei moderneren Gesetzesfassungen, auch Verwaltungsrechtsnormen, die mehr oder weniger ausdrücklich auch derartige (Gefahrdungs-)Erfolge verbieten. Hierunter faHen z. B. § 5 I AtomG (§ 328 I Nr. 2 StGB), § 10 IV KrW I AbfG

IV. Konsequenzen für die Auslegung des Straftatbestandes

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Beispielsweise bestraft § 148 Nr. 2 i.v.m. § 1441 Nr. Ib GewO u. a. den unkonzessionierten Betrieb einer Privatkrankenanstalt. Die entsprechende Verwaltungsrechtsnorm (§ 30 GewO) statuiert zwar die Erlaubnispflicht und regelt einige spezielle Versagungsgründe. Eine allgemeine Pflicht, beim Betrieb jedwede Lebens-, Gesundheits- und gar Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert zu unterlassen, läßt sich aber weder ihr noch anderen anwendbaren materiellen Vorschriften der GewO entnehmen. Wer den Tatbestand von § 148 Nr. 2 GewO erfüllt, handelt daher in zweifacher Hinsicht normwidrig, weil er einmal die Handlungsanweisung des § 30 GewO, ungenehmigtes Betreiben des Krankenhauses zu unterlassen, als auch die weitere Anweisung, das Leben anderer nicht in Gefahr zu bringen, übertritt.

Der Unterschied zu den bereits beschriebenen Fällen der engeren Tatbestandsfassung liegt hier darin, daß das Strafgesetz ein weiteres Rechtsgut schützt, das nicht Objekt des unmittelbaren Schutzbedürfnisses der Verwaitungsrechtsnorm oder einer anderen expliziten Norm des positiven Rechts ist. Die vom Straftatbestand (ausdrücklich oder konkludent) in Bezug genommene Norm schützt unmittelbar nur diejenigen subjektiven Rechte, Werte und Beziehungen, die durch den Normverstoß selbst tangiert werden; bei § 30 GewO handelt es sich um das Verwaltungsinteresse an einer Zulassungsbeschränkung bei Unzuverlässigkeit, baubedingten Hygienemängeln und gefährdeten Nachbarrechten. Im weitesten Sinne geht es um die Gewährleistung einer allgemein ordnungsgemäßen Klinikführung, -verwaltung und -sicherheit. Die körperliche Integrität anderer wird dadurch aber nur sehr abstrakt und im weitesten Gefahrdungsvorfeld abgesichert. Sie zählt deshalb nicht zum direkten Schutzgut der Verwaltungsrechtsnorm. Der Versuch, eine zum Tatbestand passende positive Norm zu finden, die die Gefahrdung fremden Lebens, fremder Gesundheit und fremden Eigentums verbietet, stößt hier auf dieselben Probleme wie bei zahlreichen Tatbeständen des Kernstrafrechts und ist daher aus dem Tatbestand selbst zu entwickeln. Auch in diesen Fällen decken sich jedoch die nicht den Erfolg beschreibenden Handlungsmerkmale des Straftatbestandes regelmäßig mit der positivrechtIichen Norm, so daß auch jede strafbare Handlung zugleich einen verwaltungsrechtlichen Normverstoß darstellt, dieser aber umgekehrt erst mit dem zusätzlichen Erfolgseintritt auf Grund eines weiteren Normverstoßes strafbar wird. Die Auslegung des mit der verwaltungsrechtlichen Norm in Einklang stehenden Teil des Tatbestandes wird hier entsprechend der oben entwickelten Lösung im Grundsatz in erster Linie nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben erfolgen müssen, jedoch einer strafrechtlichen Begrenzung zugänglich sein. Hingegen ist der Teil des Tatbestandes, der eine andere als die Verwaltungsrechtsnorm sanktioniert, mangels verwaltungsrechtlicher Vorgaben ausschließlich nach strafrechtlichen Kriterien anzuwenden.

(§ 3261 StGB) oder § la WHG (§§ 330 I Nr. 1,3241 StGB); weniger deutlich in § 8 I I i. V. m. § 3 Nr. 4 und § 1 GenTG (§§ 39111 i.V.m. 38 I Nr. 2 GenTG).

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

V. Normwidrigkeit und Rechtswidrigkeit Die normwidrige und - nach Hinzutreten gegebenenfalls erforderlicher weiterer Merkmale - auch tatbestandsmäßige Handlung ist damit typischerweise auch (straf-)rechtswidrig. Das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen läßt demgegenüber im Einzelfall das (Straf-) Rechtswidrigkeitsurteil entfallen. In welcher Weise eine Rechtfertigung darüber hinaus Einfluß auf die Frage der Normwidrigkeit hat und wie andererseits verwaltungsrechtliche Erlaubnisse strafrechtliche Auswirkungen hervorrufen, ist weit weniger eindeutig. Dies gilt selbst dann, wenn zunächst die Gruppe der Delikte gegen ungenehmigtes Verhalten zur Vereinfachung weiterhin ausgeklammert bleibt. 414 Nach Binding ist keine Verhaltensnorm ohne Ausnahme. Vielmehr kann das Gesetz vorsehen, daß, etwa wegen Notwehr oder Notstandes, das Handlungsverbot in der konkreten Situation aufgehoben wird. Dabei soll aus dem Handlungsbegriff der Norm qua Erlaubnisnorm eine Gruppe von Handlungen ausgesondert werden, wodurch die Norm zu einer bedingten werde, nämlich unter dem Vorbehalt des Eingreifens einer Ausnahme stehe. 415 Die Ausnahme "verringert ... das Geltungsgebiet der Norm" und macht dieses unsicher. "Die unbedingte Norm alleine reicht nicht mehr aus, um die verbotene Handlung als solche genau zu umschreiben.,,416 Damit allerdings ist noch unklar, ob die gerechtfertigte Handlung gar nicht mehr der Norm unterfällt oder dies nach wie vor tut, für sie aber die Normgeltung suspendiert wird. Bereits Armin Kaufmann hat die Unmöglichkeit, den originären Normbereich negativ durch das Fehlen von Erlaubnissätzen einzugrenzen, nachgewiesen. 417 Eine quasi-tatbestandliche Umschreibung der Abwesenheit von Rechtfertigungsgründen würde ohne Zweifel die Bestimmungsnormen überfrachten und damit die Anforderungen an den Vorsatz des Täters überspannen. 418 Es ist jedoch auch gar nicht erforderlich, die abstrakte Norm überhaupt in irgendeiner Form einzuschränken, um die Wirkung von Rechtfertigungsgründen darzustellen. Der bereits angesprochenen Differenzierung von Norm und Pflicht entspricht nämlich die Differenzierung zwischen Normwidrigkeit als Tatbestandsmäßigkeit und Pflichtwidrigkeit als (Straf-)Rechtswidrigkeit. Wer der Verhaltensnorm zuwiderhandelt, erfüllt möglicherweise den Tatbestand, er handelt aber nicht zwangsläufig, sondern nur typischerweise rechtswidrig. Wenn Binding also Rechtswidrigkeit als Resultat der Normwidrigkeit versteht,419 so ist dies zwar im Regelfall zutreffend, ansonsten aber unpräzise. Steht dem Täter nämlich ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund als Erlaubnissatz zur Seite, so erstarkt die auf die Situation konkretisierte Norm 414 415 416 417 418 419

Vgl. dazu näher im 3. Kapitel, dort vor allem bei B.II. Binding. Normen I, S. 129 ff.; ebenso Schoetensack. GS 83,17 f. Binding. Normen I, S. 130; vgl. Annin Kaufmann. Normentheorie, S. 239 f. Annin Kaufmann. Normentheorie, S. 241 ff., 247; ebenso Hallwaß. S. 66 ff. Annin Kaufmann. Normentheorie, S. 243. Binding. Normen I, S. 134.

V. Nonnwidrigkeit und Rechtswidrigkeit

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nicht zur Pflicht. 42o Die Handlung (etwa die Tötung aus Notwehr) bleibt normwidrig (also tatbestandsmäßig) und damit typischerweise Unrecht und ist als unerwünscht und rechtsgutsbeeinträchtigend nach wie vor abstrakt-generell verboten. Nur ist die gerechtfertigte Tötung eben nicht pflichtwidrig und wird von der Rechtsordnung zwar nicht gutgeheißen, aber dennoch hingenommen, um einen unausweichlichen, anders nicht zu bewältigenden Wertekonflikt zu lösen. Dies verdeutlicht, daß die Entstehung einer Pflicht logisch von der Konkretisierung auf die Situation zu unterscheiden ist. Die abstrakte Verhaltensnorm existiert und konkretisiert sich in der Entscheidungssituation auf den Tater zu einer konkreten und normalerweise nun zu erfüllenden Verhaltenserwartung. Zugleich existieren indes abstrakte Normen wie etwa die Bewertungsnorm des § 34 StGB, die sich ebenfalls auf die jeweilige Situation mit einem gegenläufigen Bewertungsurteil konkretisieren können. Soweit der Verhaltenserwartung dieses andere Bewertungsurteil entgegensteht, vermag eine Pflicht nicht zu entstehen. Bei der gegenläufigen Norm kann es sich sowohl um Bewertungsnormen, als auch um Verhaltensnormen handeln, wie die Fälle der Pflichtenkollision zeigen, wobei dieser Begriff von daher ungenau ist, weil jedenfalls strafrechtlich eine Pflicht ja noch gar nicht entstanden ist. Der Vorgang der Pflicht(nicht)entstehung weist in bei den Fällen dieselbe Struktur auf. Auch wenn die Rechtfertigung bereits auf der Ebene der (Verwaltungsrechts-) Normwidrigkeit ansetzt, ergibt sich kein anderes Bild, solange die Handlung weiterhin dem abstrakten Normbefehl zuwiderläuft. Die förmliche Ausnahmegenehmigung gegenüber einem ansonsten strikt untersagten Handeln421 ändert nichts daran, daß die Handlung dem abstrakten Verbot zuwiderläuft. Die Zulassung verhindert hier jedoch, daß der Betroffene die Bestimmungsnorm in concreto zu befolgen hat. Die Handlung bleibt daher abstrakt normwidrig und damit tatbestandsmäßig, ist jedoch ausnahmsweise nicht pflichtwidrig und wird daher strafrechtlich auch erst auf der Rechtswidrigkeitsstufe aus der Zurechnung genommen.

420 Vgl. Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 238 ff. , 250 ff.; ders., FS-Klug, S. 281; ebenso Goldmann, S. 46 ff.; das Stufenmodell Neumanns (GA 1985,398 ff.), das auf einem Zurechnungsmodell Hruschkas aufbaut, ist letztlich ähnlich: Die Verpflichtung zur Nonnbefolgung wird durch eine zweite Regel suspendiert. In einer weiteren Stufe entscheiden sekundäre Regeln der Strafrechtsdogmatik darüber, wann sich der Täter auf die Erlaubnisnonn nicht berufen kann, beispielsweise bei Provokation der Notwehrlage. Vgl. dazu auch Hruschka, Strafrecht, S. 287 f., 328 ff. 42\ Gemeint sind hier nicht die Fälle, in welchen ein Dispens bereits spezialgesetzlich vorgesehen ist, wie etwa bei repressiven Verboten mit Dispensvorbehalt. Vielmehr sind Konstellationen gemeint, in welchen von einem unbedingtes Verbot, etwa dem Verbot jeglicher Einfuhr von Affentleisch (§§ 15, 28a Nr. 4 FlHG), aus übergeordneten Gründen (etwa der Notwendigkeit der Futterbeschaffung für eine zoologisch gehaltene. bedrohte Tierart) ausnahmsweise dispensiert wird.

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2. Kapitel: Delikte ohne Bezugnahme auf behördliche Einzelakte

VI. Ergebnis

Die Besinnung auf das von Binding erschaffene und von Armin Kaufmann auf die Bedürfnisse moderner Strafrechtsdogmatik zugeschnittene Modell des Straftatbestandes mit zugrundeliegender Verhaltensnonn, gegen die der Täter als Voraussetzung des strafrechtlichen Schuldvorwurfs verstößt, hat sich als geeignetes dogmatisches Werkzeug erwiesen, die besondere Problematik zunächst der einfacher strukturierten Delikte gegen Verwaltungsrecht und -handeln herauszukristallisieren und zu lösen. Allerdings ist zu beachten, daß die strafrechtliche Verhaltensnonn einerseits mit vorhandenen Verhaltensnonnen des Verwaltungsrechts allenfalls in Teilbereichen identisch ist, andererseits im Straftatbestand angesiedelt und aus diesem heraus zu entwickeln ist. Die Strafrechtsnonn vennag dabei aus Strafwürdigkeitserwägungen von der Verwaltungsrechtsnonn abzuweichen, darf dabei aber nur dann Verhalten sanktionieren, das nicht zugleich der Verwaltungsrechtsnonn zuwiderläuft, wenn es damit nicht in Widerspruch zu konkreten Wertentscheidungen einer korrespondierenden Verwaltungsrechtsnonn bzw. anderer, logisch vorrangiger Teilrechtsgebiete gerät. Für die Strafrechtsdogmatik bedeutet dies, daß bd der Auslegung stets im Blick zu behalten ist, wie die entsprechende Verwaltungsrechtsnonn lautet, und daß diese den übergeordneten Orientierungsmaßstab für die Zurechnung liefert, ohne jedoch allseits bindend zu sein. Insbesondere die restriktive Konstruktion oder Auslegung der Strafrechtsnonn bleibt möglich, während die aus venneintlich vorrangigen Erwägungen eines Güterschutzes betriebene Ausdehnung des strafrechtsnonnwidrigen Bereiches über die Regelungen des Verwaltungsrechts hinaus nur dann zulässig ist, solange damit die durch die Verwaltungsnonnen geschaffene Wertordnung nicht konterkariert wird. Diese Erkenntnisse werden nun auf Delikte zu übertragen sein, bei weIchen es nicht mehr allein um die Auslegung abstrakter Nonnbefehle geht, sondern die Strafbarkeit auch von Einzelfallentscheidungen der Verwaltung abhängt, wobei dort primär fraglich ist, inwieweit sich die Verwaltungsentscheidung als Faktum oder gar inhaltlich in der Verhaltensnonn wiederfindet.

3. Kapitel

Die strafbarkeitsausschließende Wirkung behördlicher Einzelakte A. Strafgesetze gegen ungenehmigtes genehmigungsbedürftiges Verhalten I. Erscheinungsformen und tatbestandliche Strukturen Sowohl struktureller Aufbau als auch sprachliche Ausgestaltung der Straftatbestände, welche die ungenehmigte l Vornahme einer genehmigungspflichtigen Handlung bestrafen, sind uneinheitlich. So wird die fehlende Genehmigung als Handeln "ohne (behördliche) Genehmigung (Erlaubnis pp.)",2 andernorts als Handeln "ohne die erforderliche Genehmigung (Erlaubnis pp.)",3 schlicht als "unerlaubt,,4 oder "unbefugt"S oder gar nur als "rechtswidrig,,6 umschrieben. Andere Tatbestände stellen weiterhin explizite inhaltliche Anforderungen an die Genehmigung, etwa die Genehmigung der Behörde "im Rahmen ihrer Befugnisse".7 Darüberhinaus gibt es Vorschriften, die nur qua Verweis das Fehlen einer Genehmigung als strafbegründend heranziehen. 8 Zu letzteren zählen auch diejenigen StrafI Verwendet werden neben dem Begriff der Genehmigung in den einschlägigen Gesetzen auch die Termini Erlaubnis, Verleihung, Befreiung, Konzession; in der Verwaltungsrechtslehre finden sich weiterhin die Begriffe Dispens, Ausnahmebewilligung, Gestattung u. a., die jeweils, z. T. nur in Nuancen, Unterschiedliches meinen. Hier soll als verallgemeinernder Oberbegriff derjenige der Genehmigung Verwendung finden, der noch am ehesten wertungsfrei und geeignet erscheint, unterschiedliche Formen des Erlaubens zu erfassen. 2 Z. B. §§ 284, 286, 323b StGB, 92 1 Nr. lAusIG. 3 Z. B. §§ 32611,327,3281 StGB, 21 StVG, 541 Nr. 2 KreditwesenG, 53 1 Nr. I, 3a, 111 Nr. I WaffG. 4 Z. B. §§ 291 Nr. 1,301 Nr. I BtMG. S Z. B. §§ 324, 326 1 StGB. Daß sich hier die "Befugnis" grundsätzlich auch aus anderen RechtsQuellen als einer Genehmigung ergeben kann, sei unbenommen; dazu näher unten bei

A.III .

6 So etwa in § 304 StGB hinsichtlich der Alternativen der Zerstörung von öffentlichen (Bau-) Denkmälern oder Gegenständen zur Verschönerung öffentlicher Wege, Plätze und Anlagen. Eine entsprechende Abrißgenehmigung etwa wegen Baufälligkeit führt insoweit jedenfalls im Ergebnis zur Straflosigkeit. 7 §§ 331 111,333111 StGB, dort im Text formuliert als Bedingung fehlender Strafbarkeit.

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3. Kapitel: Stratbarkeitsausschließende Behördenakte

tatbestände des Umweltstrafrechts, die ein Handeln "unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" sanktionieren,9 womit allerdings neben Verstößen gegen Genehmigungserfordernisse auch andere Pflichtverstöße erfaßt werden. Wiederum andere verzichten bei der eigentlichen Tatumschreibung auf das Merkmal der Genehmigung, statuieren deren Nichtvorliegen aber gleichwohl als explizite Strafbarkeitsbedingung. 10 Nicht in diesen Kontext fallen dagegen Delikte gegen unangemeldetes Verhalten,11 setzt doch ordnungsgemäßes Verhalten dabei gerade kein zulassendes Tätigwerden der Behörde voraus, sondern nur ein aktives Tun des Bürgers, das seinerseits dann der Behörde die faktische Chance zur eigenständigen Verbotssetzung gegenüber an sich zulassungsfreiem Verhalten eröffnet. 12 Die sprachliche Fassung der Tatbestände bei der Erwähnung einer fehlenden Genehmigung ist jedenfalls allein nicht immer in der Lage, die verbrechenssystematische Rolle der fehlenden behördlichen Zulassung im Einzelfall hinreichend klarwerden zu lassen. 13 So ist folgerichtig bei § 284 StGB umstritten, ob die "behördliche Erlaubnis" den Tatbestand ausschließt oder erst als Rechtfertigung wirkt. 14 Strukturell übereinstimmend umschreiben die hier fraglichen Tatbestände neben dem Fehlen der Genehmigung die jeweilige Handlung, deren Vornahme ohne die Genehmigung strafbedroht sein soll. Diese Handlungsbeschreibung muß mit den vom Verwaltungsrecht als genehmigungspflichtig bezeichneten Handlungsformen keineswegs deckungsgleich sein. Teilweise wird nur ein Ausschnitt nach Verwaltungsrecht genehmigungspflichtiger Handlungen auch bestraft, wie etwa § 325 StGB nur das Verändern der Luftqualität, und auch das nur in bestimmten Fällen 8 Etwa § 60 I Nr. 5a LuftverkehrsG, der das Mitführen von Funkgeräten "entgegen § 27 I 3" unter Strafe stellt. In § 27 I 3 LuftverkehrsG wiederum ist geregelt, daß das Mitführen von Funkgeräten nur mit Erlaubnis zulässig ist. 9 §§ 311, 324a, 325, 325a, 326 III, 328 III StGB. Die Legaldefinition des § 330d Nr. 4a) StGB stellt klar, daß hierunter jede umweltschützende Rechtspflicht flillt, also neben vielen anderen auch eine etwa bestehende Genehmigungspflicht. 10 Z. B. § 109g I, IV 2 StGB; ähnlich §§ 331 111, 333 111 StGB, dort jedoch überwiegend als Rechtfertigungsgrund ausgelegt. 11 Z. B. die Durchführung einer unangemeldeten Versammlung unter freiem Himmel nach § 26 Nr. 2 VersammlungsG; BGHSt 23, 46, 58 f. spricht hier zutreffend von einem schlichten "U ngehorsamstatbestand". Ein anderes Beispiel stellt die Anzeigepflicht für Altanlagen nach § 67 11 BImSchG dar, die bei diesen an die Stelle der sonst einschlägigen Genehmigungspflicht tritt. 12 Vgl. Wüterich. NStZ 1990, 113, der zudem darauf hinweist. daß das Unterlassen der erforderlichen Anzeige für sich alleine noch nicht die Untersagung des Betriebs rechtfertigt. 13 Claudius Marx. S. 109 f. 14 Für negatives Tatbestandsmerkmal Beiz. S. 97 f.; Tröndle. Rd.-Nr. 15; Lackner. Rd.Nr. 12; SchönkeISchröder-Eser. Rd.-Nr. 18, jeweils zu § 284 StGB; und früher auch Roxin. Offene Tatbestände, S. 90 f.; für Rechtfertigungsgrund dagegen JeschecklWeigend. Strafrecht AT, S. 368; Maurach/Schroeder/Maiwald. Strafrecht BT I. § 44 Rd.-Nr. 9; We/zel. S. 391; Goldmann, S. 181 ff., 207; Gü/zow. Jura 1983, 103; Kirchhof, S. 27; und neuerdings Roxin. Strafrecht AT, § 10 Rd.-Nr. 32; ausführliche Darstellung des Streits bei Goldmann. S. 21 ff.

A. I. Erscheinungsfonnen und tatbestandliche Strukturen

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der Schädigungseignung, unter Strafe stellt, während § 4 BImSchG im Gegensatz dazu schon die Anlagenerrichtung und deren bloßen Betrieb unabhängig von einer konkreten Immission dem Erfordernis vorheriger Genehmigung unterwirft. Umgekehrt wird gelegentlich ein weitergehender tatbestandlicher Erfolg verlangt, etwa in §§ 42, 41 I Nr. 13,27 I SprengG die Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für Sachen von bedeutendem Wert oder in § 324 StGB 15 die nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaft durch die nicht nach §§ 7 und 8 WHG genehmigten Benutzungen des Wassers nach § 3 WHG. 16 Die dem Strafgesetz, soweit es auf die Genehmigung abstellt, entsprechenden Normen des Verwaltungsrechts regeln die Genehmigungspflichtigkeit und verbieten wenn nicht ausdrücklich, so doch mindestens ihrem eindeutigen Sinn nach die ungenehmigte Handlung, wobei es sich dabei um eine Vielfalt unterschiedlicher Tätigkeiten handelt, denen im Prinzip nur gemein ist, daß ihre jeweilige Ausübung für ein oder mehrere Rechtsgüter mindestens potentiell gefährdend ist. Jeder weitere Versuch einer Klassifizierung nach dem Charakter der genehmigungspflichtigen Handlung 17 führt, wie sogleich zu zeigen sein wird, nicht entscheidend weiter. Liegt eine Genehmigung vor, so ist die Handlung jedenfalls nicht mehr verboten, das ursprüngliche Verbot wenigstens für den jeweils Handelnden in der konkreten Situation außer Kraft und die Handlung zumindest im Ergebnis dann auch nicht mehr strafbedroht. Diese noch recht einfache Ausgangssituation verkompliziert sich freilich in dem Augenblick, wo die Genehmigung nicht mehr im Einklang mit den Vorgaben des materiellen Verwaltungsrechts steht, gleichwohl aber formell wirksam bleibt (§ 43 VwVfG). So bleibt die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte (§ 28 WaffG) durch die zuständige Behörde auch dann im verwaltungsrechtlichen Kontext wirksam, wenn der Antragsteller überIS Daß es sich bei § 324 StGB um ein Erfolgsdelikt handelt, entspricht zwar der herrschenden Auffassung (vgl. Trifterer, Umweltstrafrecht, S. 38; Lodener, Rd.-Nr. I zu § 324 StGB; LK-Steindoif, Rd.-Nr. 40; Schönke/Schröder-Cramer, Rd.-Nr. 16; SK-StGB-Horn, Rd.-Nr. 2a zu § 324 StGB), ist im übrigen aber umstritten. Vgl. dazu Rogall, FS-Uni Köln, S. 519 f., der unter Bezugnahme auf ökologische Güter ein potentielles Gefährdungsdelikt annimmt; ferner Kuhlen, GA 1986,396 ff., 399 ff.; ZStW 105,715 ff., der § 324 StGB als ein sogenanntes Kumulationsdelikt ansieht, bei dem die potentielle Gefährdung darin besteht, daß erst durch die mögliche Addition mehrerer, je für sich unbedenklicher Gewässerbelastungen eine Rechtsgutsbeeinträchtigung verursacht werden kann. Kritisch dazu vor allem Rengier, Rechtsgüter und Deliktstypen, S. 50 ff. Die Einordnung des Delikts ist natürlich auch davon abhängig, was man jeweils als geschütztes Rechtsgut begreift, ob man in diesem Fall also einer eher streng ökologischen, einer ökologisch-anthropozentrischen oder einer administrativ-ökologischen Auffassung anhängt. Wie noch zu zeigen sein wird, fügt sich allein letztere widerspruchsfrei in das Spannungsverhältnis von Straf- und Verwaltungsrecht ein. 16 Zwar soll das Merkmal des Verunreinigens auch andere als die in § 3 WHG genannten Benutzungsarten erfassen, vgl. Tröndle, Rd.-Nr. 5 zu § 324 StGB; Wernicke, NJW 1977, 1663; auf der anderen Seite sind kaum Verunreinigungen denkbar, die nicht den z. T. sehr weitgefaßten Umschreibungen des § 3 WHG entsprechen, vgl. auch LK-Steindoif, Rd.-Nr. 36, 38 zu § 324 StGB. 17 Vgl. etwa die Darstellung bei Goldmann, S. 4 - 11.

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

haupt kein Bedürfnis zum Waffenbesitz (§ 30 I Nr. 3, 32 WaffG) hat oder sogar wegen einschlägiger Vorbelastungen als unzuverlässig und damit gefahrlich anzusehen gewesen wäre (§§ 30 I Nr. 2, 5 11 Nr. le WaffG). Auch die Erlaubnis zur vermeidbaren Einleitung von ungeklärtem, hoch belastetem Abwasser in ein Gewässer hätte zwar nach §§ 2, 3 I Nr. 4, 7a WHG nicht erteilt werden dürfen, behält jedoch bis zu ihrer Zurücknahme gemäß § 48 VwVfG Wirksamkeit.

In solchen Fällen handelt derjenige, der die ihm erteilte Genehmigung ausnutzt, in Einklang mit der - fonnell - verwaltungsrechtlichen Lage, so daß vordergründig eine Strafbarkeit (in den genannten Beispielsfällen nach den §§ 53 I Nr. 3a, III Nr. la WaffG bzw. 324 StGB) ausscheiden könnte. Gleichwohl wird das von den Handlung und Genehmigungspflicht regelnden, strafbewehrten Nonnen im Hintergrund geschützte Rechtsgut möglicherweise in schwerster Fonn angegriffen. Ein solcher Befund einer Handlung, die nach den materiell-verwaltungsrechtlichen Maßstäben an sich nonnwidrig hätte sein sollen und tatsächlich rechtsgutsbeeinträchtigend ist, inspiriert Auffassungen, die sich für die strafrechtliche Relevanz eines Tuns bereits mit einem Widerspruch zum materiellen Verwaltungsrecht zufriedengeben und nicht darüber hinaus auch die fonnelle Unwirksamkeit der Genehmigung fordern wollen. 18 Derartige Ablösungsversuche vom angewandten Verwaltungsrecht werden begünstigt durch gelegentlich anzutreffende sprachliche und inhaltliche Divergenzen zwischen Strafrechtssatz und Verwaltungsnonn. Wo sich dagegen das Strafgesetz auf die Sanktionierung des HandeIns mit fehlender Genehmigung beschränkt, ohne durch weitere Merkmale Hinweise für die Verwirklichung überschießenden, originären Strafunrechts zu liefern, 19 wird bezeichnenderweise soweit ersichtlich von niemandem ernsthaft in Abrede gestellt, daß jede wirksame Genehmigung zur Straflosigkeit führt.

11. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit I. Denkbare Typen der Verhaltensnorm

Bei der oben festgestellten grundSätzlichen Orientierung der strafrechtlichen Verhaltensnonn an der verwaltungsrechtlichen Nonnwidrigkeit 20 hängt die Beurteilung eines Handeins ohne oder mit nur mängelbehafteter Genehmigung vor allem davon ab, wie in Fällen der Genehmigungspflichtigkeit die - zunächst verwaltungsrechtliche - Verhaltensnonn zu definieren ist und wann gegen sie verstoßen 18 Z. B. Bartholme, S. 218 ff.; Geulen, ZRP 1988, 325; Hübenett, S. 20 ff., 51 ff., 103 ff.; Rademacher. S. 96 ff.; 160 f.; Schmitz, S. 49 ff., 141 ff.; Schwarz, GA 1993, 321 ff.; SKStGB-Horn, Rd.-Nr. 18 ff. vor § 324 StGB, der zusätzlich allerdings die (nachträgliche) Beseitigung der fehlerhaften Genehmigung verlangt. 19 So etwa die §§ 21 StVG, 40 I SprengG, 53 WaffG, 23 ApothekenG u. v. a. 20 Vgl. dazu im 2. Kapitel bei II1.2.c).

A. 11. Fehlen einer Genehmigung und Nonnwidrigkeit

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wird. Hierzu bieten sich auf den ersten Blick drei Lösungen an. Einerseits könnte die Verhaltensnorm lauten "Es ist verboten - Handlung - zu tun, wenn (oder wem) sie nicht zuvor erlaubt wurde". Das Verbot ist somit ein besonderes im Armin Kaufmannsehen Sinne, weil es nur für eine bestimmte Personengruppe, nämlich die Nichtbesitzer der Genehmigung, gilt. 21 Zum Zweiten könnte auch von einer einfachen (allgemeinen) Verbotsnorm ,,Es ist verboten - Handlung - zu tun" ausgegangen werden, von dem die Genehmigung im Einzelfall dispensiert. Drittens wäre es denkbar, entsprechend einer Idee von Frisch die Normkonkretisierung im Sinne einer Tatbestandskonturierung der Behörde zu überlassen: 22 ,,Es ist verboten, was die Behörde nicht als unverboten bezeichnet hat. ,,23 Wahrend die erstgenannte Norm, indem sie das Vorhandensein der Genehmigung als Voraussetzung normgemäßen Verhaltens nennt, unmittelbar einleuchtend die Grenzen der Normwidrigkeit absteckt, aber dafür das Verbot an sich relativiert, bedarf die offensichtlich mit stärkerem Appellcharakter ausgestattete zweite Alternative hinsichtlich ihrer Systematik näherer Betrachtung. Vor allem ist danach zu fragen, welche Bedeutung es hier für Normgeltung und -widrigkeit hätte, wenn eine Genehmigung vorliegt. Die dritte Lösung impliziert eine tendenziell der Sache nach festliegende Grenzlinie zwischen materiell erlaubter und nicht erlaubter Tätigkeit, deren Sichtbarmachung Aufgabe der Behörde ist. Betrachtet man hier unter norm theoretischer Sicht die Funktion der Genehmigung, so konkretisiert diese entgegen dem ersten Augenschein nicht erst die abstrakte Verhaltensnorm zur Pflicht, denn die ohne jede Einschaltung der Behörde vorgenommene Handlung soll ja offensichtlich bereits (unterlassens-)pflichtwidrig sein. Die Funktion der Genehmigung kann hier mithin nur eine andere sein, nämlich die bereits entstandene Unterlassenspflichtwidrigkeit nachträglich wieder zu beseitigen. Frischs Konturierungslösung stellt sich daher bei Licht betrachtet lediglich als Unterfall der zweiten Normfassung dar. Die genehmigte Handlung unterfällt beim unbedingten Verbot der Handlung zunächst nach wie vor der Norm, wobei für sie aber die konkretisierte Bestimmungsnorm keine Verpflichtungswirkung hat. Zwar wäre es auch denkbar, eine Art bedingter Verhaltensnorm nach dem Muster "es ist verboten, es sei denn mit Genehmigung" zu formulieren. 24 Die Bedenken Armin Kaufmanns, die Eingrenzung des originären Normbereich durch das beschriebene Fehlen von Erlaubnissätzen vorzunehmen,25 weil dies die Normen zu überfrachten drohe und die Anforderungen Vgl. Armin Kaufmann. Nonnentheorie. S. 250 f. Vgl. Frisch. Verwaltungsakzessorietät, S. 60 ff. 23 In ähnliche Richtung geht die Idee Hundts. S. 150. die Genehmigung selber als Nonn zu begreifen. Indes verkennt dies. daß die Genehmigung allenfalls Bewertungsnonn sein kann und als solche etwas zu erlauben imstande ist. Charakteristikum der Bestimmungsnonn ist dagegen. daß sie zur Pflicht erstarken kann. Die Genehmigung dagegen muß nicht ausgelebt werden. sie darf es nur. 24 Vgl. Armin Kaufmann. FS-Klug. S. 281 f. 2~ Armin Kaufmann. Nonnentheorie. S. 241 ff.• 247; ebenso Hallwaß. S. 66 ff. 21

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

an den Vorsatz des Taters zu überspanne, bestehen gegenüber der genau bezeichenbaren, in einem förmlich geordneten Verfahren zu erteilenden Genehmigung bzw. ihrem Fehlen nicht. Eine "Tatbestandseinschränkung durch gegenläufige Handlungsumschreibung,,26 in dieser Form wäre von daher denkbar. Indes gleicht eine Konstruktion unter Zuhilfenahme eines (negativen) Tatbestandsmerkmals der fehlenden Genehmigung wiederum der oben angedeuteten ersten Möglichkeit der Normfassung, dem Verbot der ungenehmigten Handlung, die ja von vorneherein das Fehlen der Genehmigung als konstitutives Element enthält; neue Erkenntnisse sind damit also nicht gewonnen. Allerdings ist die Ausgliederung der genehmigten Handlung aus dem Bereich des von der Norm erfaßten Verhaltens bei der einfachen Verbotsnorm zum Verständnis der Genehmigung auch gar nicht erforderlich. "Verboten" (normwidrig) und "erlaubt" sind nämlich nur solange gegensätzlich und einander ausschließend, als sie sich bereits auf eine konkrete einzelne Handlung beziehen. Die Existenz der Norm allein begründet jedoch noch keine subjektiven Pflichten. 27 Diese entstehen frühestens, nachdem sich die abstrakte Norm auf die jeweilige Situation und auf den Handlungsfahigen konkretisiert hat. 28 Die Erlaubnis nunmehr "hindert die (weitere) Konkretisierung der Norm zur Pflicht".29 Nicht die (abstrakte) Normgeltung, ja nicht einmal die grundsätzliche Anwendbarkeit der Verhaltensnorm auf den fraglichen Sachverhalt wird also durch die singuläre Genehmigung eingeschränkt, sondern das durch die Bestimmungs- und damit zugleich Bewertungsnormwidrigkeit an sich indizierte Unwerturteil gelangt im Einzelfall wegen des konträren Werturteils der Genehmigung in concreto nicht zur Wirksamkeit. 30 Die Handlung fallt mithin unter die Verbotsmaterie (und damit unter den Tatbestand), während die Geltung des Verhaltensbefehls (die Pflicht- uild damit Rechtswidrigkeit) fehlt. Damit ist auch klar, daß die Konstruktion einer einfachen Verbotsnorm, und zwar auch in der modifizierten Version von Frisch, dazu führen muß, der Genehmigung nicht tatbestandsausschließende, sondern (nur) rechtfertigende Wirkung zuzuschreiben. Die genehmigte Handlung bleibt (abstrakt) normwidrig, weil sie dem durch die Verhaltensnorm beschriebenen Verbots(unrechts-)typus entspricht. Die Rechtspflicht, sie zu unterlassen, gelangt jedoch nicht zur Entstehung, weshalb sie nicht (mehr) im Gegensatz zum Recht steht. Die Handlung ist also nur konkret nicht pflichtwidrig.

Armin Kaufrrumn, FS-Klug, S. 280. Armin Kaufmann. Norrnentheorie. S. 129. 28 Armin Kaufmann. Norrnentheorie. S. 138 ff. 29 Armin Kaufmann. Norrnentheorie. S. 250. 30 Vgl. Armin Kaufmann. Norrnentheorie, S. 255. 26

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A. 11. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit

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2. Verwaltungsrechtliche Verbotsmaterie

Die für die Einordnung der Genehmigung - und damit auch für die Bedeutung von ihr anhaftenden Fehlern - entscheidende Frage, wie die Verhaltensnorm zu begreifen ist, wenn eine Handlung an sich zwar verboten, ihre Genehmigung jedoch vom materiellen Verwaltungsrecht grundsätzlich ermöglicht wird, erfordert daher einen Blick auf die Struktur der jeweiligen Verbotsmaterie. Denn nur, wenn die beschriebene Handlung typisiertes Unrecht darstellen kann, darf sie im Sinne einer einfachen Verbotsnorm abstrakt verboten sein. Ist die Handlung dagegen typischerweise rechtlich nicht mißbilligt, widerspräche dies einer solchen Konstruktion. Vielmehr läge dann eine Bestimmungsnorm näher, die allein das noch ungenehmigte Handeln verbietet, das bereits genehmigte Verhalten aber von vorneherein aus dem Bereich der abstrakten Normgeltung ausklammert. In der Verwaltungsrechtslehre werden die hier in Rede stehenden Konstruktionen eines Genehmigungserfordernisses im Unterschied zur allgemeinen Gewährung mit dem Vorbehalt des Einzelfallverbots 31 seit Otto Mayer als Verbote mit Erlaubnisvorbehalt bezeichnet,32 wobei in der Folge zwischen dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und dem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt differenziert wurde.33 Das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt soll ein im Prinzip sozial erwünschtes, im Einzelfall unter besonderen Umständen jedoch potentiell gefährliches Handeln einer vorherigen Kontrolle auf seine Ungefährlichkeit in der konkreten Situation hin unterwerfen. 34 Die Genehmigung stellt die Unbedenklichkeit des Handeins fest und die allgemeine Handlungsfreiheit wieder her. 35 Demgegenüber wird gemeinhin als Charakteristikum des repressiven Verbots bezeichnet, daß die von ihm verbotene Handlung in jedem Fall sozial unerwünscht und nur im Ausnahmefall wegen überwiegender Interessen einmal zu tolerieren Vgl. dazu Krüger, DÖV 1958,673 ff. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. I, S. 239 ff. 33 Vgl. ThollUl. VerwA 32, 247 ff.; Huber, AöR 78, 113.; ForsthojJ. Lehrbuch Bd.I, S. 267 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rd.-Nr. 54 f.; Wolffl BachoflStober, Verwaltungsrecht I, § 46, Rd.-Nr. 36 ff.; Friauf, JuS 1962, 422 ff.; Ossenbühl/Huschens. UPR 1991, 166; Schwabe. JuS 1973, 133 ff. Aus der strafrechtlichen Literatur bauen auf einer derartigen Differenzierung auf: Berg· IIUlnn. S. 44 f.; Englisch. S. 2 f.; Heine I Meinberg. GA 90, 14 f.; Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 147 f.; HübeneIl. S. 46 f.; JeschecklWeigend. Strafrecht AT, S. 368 f.; Kindhäuser, FSHeimrich, S. 981 ff.; KK-OwiG·Rengier, Rd.-Nr. 37 zu § 11 StGB; Lenckner, FS-Pfeiffer, S. 27 f.; Malitz. S. 90 f.; Mumberg. S. 7 ff.; Pottmeyer. Rd.-Nr. 10 f. zu § 22a KWG; Roxin. Strafrecht AT, § 17 Rd.-Nr. 44 ff.; Scheele. S. 31; SchönkeiSchröder·Lenckner, Rd.-Nr. 61 vor § 32 StGB; Steindorj. FS-Salger, S. 173 ff., 179; TiedellUlnnl Kindhäuser. NStZ 1988, 342 f.; Tiessen. S. 124 ff.; Wasmuthl Koch. NJW 1990, 2437; Winkelbauer. Verwaltungsakzessorietät, insbesondere S. 20 ff., z. T. aufgegeben in NStZ 1988, 202 f.; andeutungsweise auch bei Tröndle, Rd.-Nr. 4b vor § 324 StGB. 34 Friauf, JuS 1962,423; ForsthojJ. Lehrbuch I, S. 267, Thoma. VerwA 32, 248. 3S Sach. S. 38. 31

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sei. 36 Die Genehmigung wirkt hier auch materiell begünstigend, da sie konstitutiv ein zuvor nicht existentes Recht verleiht und nicht nur ein latent vorhandenes aktualisiert. 37 Als Beispiel für ein präventives Verbot gilt die Erlaubnispflichtigkeit des Führens von Kraftfahrzeugen nach § 4 I I FeV (strafrechtlich sanktioniert über § 21 StVG). während etwa die Vorschriften über den Waffenbesitz (z. B. § 28 I WaffG mit der Strafdrohung nach § 53 I Nr. 3a a), III Nr. 1a) WaffG oder die §§ 2 ff. KWG mit der entsprechenden Strafvorschrift in § 22a KWG) typische repressive Verbote darstellen sollen. 38 Eine derartige Differenzierung im Verbotscharakter könnte nun prinzipiell auch für die strafrechtliche Bewertung von Bedeutung sein. Wenn beim präventiven Verbot nicht die Handlung selbst, sondern nur die Handlungsaufnahme vor der Prüfung im Genehmigungsverfahren verboten ist,39 dann wäre die genehmigungsfähige weil absolut ungefährliche Handlung im materiell-verwaltungsrechtlichen Sinne nicht problematisch und daher nur formell (noch) nicht erlaubt; eine Strafbarkeit wäre mangels Gefährdung von Rechtsgütern außerhalb des Verwaltungsinteresses an vollständiger Kontrolle mindestens fragwürdig. Entsprechend geringe Bedeutung hätten möglicherweise Genehmigungsfehler für die Strafbarkeit. Hingegen stünde beim repressiven Verbot auch die genehmigte Handlung im Widerspruch zur abstrakten Verhaltensnorm, die lediglich im Ausnahmefall für nicht geltend erklärt und daher nicht (unterlassens-) pflichtbegründend wäre. Bei Fehlern dieses Normdispenses könnte es dann zur Strafbarkeit der Normwidrigkeit kommen. Allerdings hat die jüngere Verwaltungsrechtslehre die ursprünglich recht scharfe Trennung zwischen präventivem und repressivem Verbot bereits in der Theorie als unrealistisch erkannt. Offensichtlich bestehen zwischen den Verbotsgruppen geringere Unterschiede als zunächst abstrakt idealtypisch postuliert, und es handelt sich dabei weniger um qualitative als um quantitative Differenzierungen. 4o So ist die Annahme. es sei ein Charakteristikum der repressiven Verbote, daß der Bürger im Gegensatz zum präventiven Verbot hier keinen Rechtsanspruch auf die (Ausnahme-)Bewilligung. sondern nur auf fehlerfreie Ermessensausübung habe,41 die erteilte Genehmigung vielmehr sogar nach freiem Ermessen widerrufbar sei,42 einer 36 WolfflBachoflSlober, Verwaltungsrecht I, § 46, Rd.-Nr. 44; Forslhoff, Lehrbuch I, S. 267; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rd.-Nr. 55; ebenso Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 20; BVerfGE 28, 119, 148 (zu Spielbanken und § 284 StGB). 37 Sach. S. 40; Claudius Marx. S. 60 f. 38 V gl. für das KWG BGH NStZ 1993, 594 f. Die anderslautende Auffassung von Pottmeyer, Rd.-Nr. 11 zu § 22a KWG. die Verbote des KWG seien präventive Verbote, erscheint angesichts von § 6 I KWG als kaum haltbar. Ein weiteres repressives Verbot soll das Verbot von Spielbanken (BVerfGE 28. 119, 148) sein. 39 So Thoma. VerwA 32,248. 40 Schwabe. JuS 1973, 135; Gusy. JA 1981. 81; ebenso Wimmer, JZ 1993, 69; und wohl auch WolfflBachoflSlober, § 46, Rd.-Nr. 44. 41 Vgl. Forslhoff, Lehrbuch Bd I, S. 268; E. R. Huber, AöR 78, 113; Hili. GewA 1981, 155; Claudius Marx. S. 60; insoweit nicht ganz eindeutig BVerfG NJW 1982,745,752. 42 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch I, S. 268; E. R. Huber, AöR 78, 114 f.

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differenzierteren Betrachtungsweise gewichen. Soweit ein Grundrecht, und sei es das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 11 2 GG, durch ein Verbot berührt wird, kann bei einer wegen der Besonderheiten des Einzelfalls übermäßig wirkenden, unverhältnismäßigen Grundrechtsbeeinträchtigung ein Anspruch auf Dispens auch gegenüber einem als repressiv begriffenen Verbot bestehen. 43 Eine nicht an den Grundrechten orientierte, völlig freie Ermessensausübung steht der Verwaltungsbehörde in keinem Fall zu. 44 Damit wird auch die Herkunft der Gründe einer Genehmigung als Unterscheidungskriterium fragwürdig. Wurde zunächst darauf abgestellt, daß beim präventiven Verbot die Individualgrundrechte zur Genehmigung führen, während vom repressiven Verbot nur öffentliche Interessen zu dispensieren vermögen,45 so ist auch dies nunmehr unter dem Vorbehalt zu sehen, daß jegliche Abwägung auch einer Betrachtung im Lichte der Grundrechte des Antragstellers standhalten können muß. Die Motivation zur Zulassung wird im Zweifel nicht monokausal aus öffentlichen Interessen herzuleiten, sondern diese vielmehr ihrerseits in eine Wechselbeziehung zur Freiheitssphäre des Einzelnen zu setzen sein. Beispielsweise mag eine Genehmigung zur Ausfuhr von Kriegswaffen, bei denen öffentliche Interessen alleine noch nicht zu einem eindeutigen Urteil führen, auch deshalb schließlich erteilt werden, weil dem Antragsteller immense wirtschaftliche Nachteile, etwa der Konkurs mangels anderer Aufträge, bei einer Versagung drohen. Auch hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, daß eine von einem repressiven Verbot betroffene Handlung nicht durchgängig sozial zu mißbilligen ist, sondern im Einzelfall geradezu positiv bewertet sein kann. Trotz einer generellen Mißbilligung privaten Waffenführens ist es gesellschaftlich etwa im Interesse der Verhütung von Straftaten durchaus erwünscht, wenn Begleiter von privaten Geldtransporten Schußwaffen tragen. 46 Ebenso mag zwar die Benutzung von Gewässern im Sinne von §§ 2, 3 WHG im allgemeinen als umweltbeeinträchtigend und damit mißbilligenswert gelten. 47 Andererseits gilt dies kaum für Wasserentnahmen aus größeren fließenden Gewässern zu Zwecken der Trinkwasserversorgung (§ 3 I Nr. 1 WHG). Auf der anderen Seite ist auch eine nur präventiv verbotene Hand43 Vgl. Schwabe. JuS 1973, 137 f.; Friauf, JuS 1%2,424 f.; WolfflBachoflStober, § 46, Rd.-Nr. 46; Verwaltungsrecht I, S. 407; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rd.Nr. 55; Wallerath. S. 123 ff.; Pottmeyer, Rd.-Nr. 23 ff. zu § 6 KWG; a.A. zum Wasserrecht, jedoch ohne nähere Begründung, Hili. GewA 1981, 155. 44 Vgl. Schwabe. JuS 1973, 139; Friauf, JuS 1962,425 f. 45 Gusy. JA 1981,81,83, der damit allerdings den Kreis der repressiven Verbote deutlich einschränkt. So sollen Vorschriften des WaffG nicht mehr dazu zählen. Es verbleiben Vorschriften wie § 6 AtomG, §§ 2 ff., 6 I KWG. Selbst hier dürfte aber zweifelhaft sein, ob bei den Erwägungen der Genehmigungsbehörde nicht mindestens dann auch Individualrechte zu berücksichtigen sind, wenn aus öffentlichen Erwägungen die Versagung nicht zwingend ist. vgl. auch Maurer, Verwaltungsrecht, S. 183. 46 Schwabe. JuS 1973, 134. 47 Vgl. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 24; Hübenett. S. 19. 47; 1iedemannl Kindhäuser, NStZ 1988, 343; Rademacher, S. 5.

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lung keineswegs ausnahmslos gesellschaftlich erwünscht: Daß etwa der private Kraftfahrzeugverkehr nur in Maßen positiv bewertet werden kann, ab einer gewissen Verkehrsdichte es aber ökologisch, verkehrspolitisch und letztlich auch auf Grund gesellschaftlicher Folgekosten wirtschaftlich wünschenswerter wäre, die Zahl zugelassener Autofahrer zugunsten alternativer Fortbewegungsmittel geringer zu halten, dürfte unmittelbar einleuchten. Überlegungen zu Fahrverboten bei Smoglagen, Feiertagsfahrverbote für Lkw und die Tendenz zu autofreien Innenstädten sprechen hier eine deutliche Sprache. Letztlich hängt die Einstufung als gesellschaftlich wünschenswert damit auch von der Auswahl und Gewichtung der Bewertungskriterien ab, ob also ökonomische, ökologische, soziale oder kulturelle Gesichtspunkte im Einzelfall ausschlaggebend sein sollen.48 Ebenso wie der soziale Nutzen einer Tätigkeit demzufolge nicht generalisierend verneint oder bejaht werden kann, ist aber auch die Möglichkeit zur Feststellung einer Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit in dem idealtypischen Sinne, wie sie vor allem der Idee präventiver Verbote zugrunde liegt, eher wirklichkeitsfremd. Der Führerscheinneuling, der die Fahrprüfung bestanden hat, ist keineswegs ein künftig ungefährlicher Verkehrsteilnehmer, sondern stellt vielmehr mindestens für einige Zeit statistisch gesehen ein nicht unerhebliches, überproportionales Unfallrisiko dar. Also nicht die amtlicherseits festgestellte Ungefährlichkeit, sondern das Maß der nach gesetzgeberischer Entscheidung noch hinnehmbaren Gefahr, festgemacht am Ausschluß typischer Risikofaktoren wie bestimmten, abzuprüfenden fahrerischen Grundfertigkeiten bzw. deren Fehlen, markiert daher die Zulassungsgrenze. Das Maß des noch Hinnehmbaren steht aber wiederum in einer Wechselbeziehung zur Bewertung der Tätigkeit selbst. Eine als gesellschaftlich notwendig erachtete Tätigkeit (wie etwa z.zt. noch die Stromerzeugung durch Kernkraftwerke) darf im Einzelfall daher riskanter sein als eine ohnehin nicht als nützlich erachtete (wie der private Besitz von Kriegswaffen). Umgekehrt bestimmt der Risikofaktor in gewissem Umfang auch die gesellschaftliche Bewertung: Was als gefährlich gilt - wie der Waffenbesitz - wird auch deshalb und nicht nur wegen seiner objektiven Nützlichkeit bzw. deren Fehlen als repressiv zu behandeln eingeschätzt. Die Einteilung zulassungsfähiger Handlungen in ein Raster ungefährlich-erwünschten I gefährlich-mißbilligten Verhaltens läßt sich mithin nicht nach objektiven Kriterien nachvollziehen, sondern beruht auf einer - notgedrungen pauschalisierenden und vereinfachenden - Bewertung des Gesetzgebers. 49 Diese mag zwar auf einem objektiv-realen Hintergrund beruhen, muß dies aber nicht (mehr) tun. Vielmehr sind gesellschaftliche Anschauungen wie wissenschaftliche Erkenntnisse einem stetigen Wandel unterworfen, der eine einmal als richtig empfundene Bewertung zu einer späteren Zeit als unverständlich erscheinen läßt. So ist heute nur noch historisch erklärlich, ansonsten aber kaum nachvollziehbar, warum die Wasserbenutzung repressiv, die Luftverunreinigung aber nur präventiv verboten ist. 48

Vgl. Claudius Man:. S. 61 f.

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Vgl. Claudius Marx. S. 62.

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Die Bedeutung der Wasserreinhaltung als Lebensgrundlage der Gesellschaft und ihrer Mitglieder wurde eben historisch schon viel früher erkannt als die Gefahren der Luftverschmutzung. 5o Damit soll nicht die grundsätzliche Möglichkeit zu einer zwar pauschalen, im Grundsatz aber - jedenfalls nach dem jeweiligen Stand der Erkenntnis - zutreffenden Bewertung einer Tätigkeit geleugnet werden. Andererseits muß man sehen, daß die vorhandenen Verbotsstrukturen sich mit einer nach aktuellen Kriterien vorgenommenen Einschätzung nicht decken müssen. Wo es wie im Verhältnis Wasserrecht / Immissionsschutzrecht zu Divergenzen kommt, führt ein Rekurs auf die verwaltungsrechtliche Ausgestaltung des Verbots aber dazu, nicht an die sachliche, sondern an die historische Richtigkeit einer Bewertung anzuknüpfen. Strafrechtliche Konsequenzen einer solchen Vorgehensweise würden sich dann zwar in das Verwaltungsrecht schlüssig einfügen, darüber hinaus aber unter Strafwürdigkeitsgesichtspunkten zu inadäquaten Definitionen der Verbotsmaterie führen. Als alternatives Unterscheidungsmerkmal zwischen präventivem und repressivem Verbot wird anstelle des somit untauglichen Rückgriffs auf Gefährlichkeit und Nutzen das (dann aber schon eher quantitative) Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Verbot und Genehmigung genannt. Während beim präventiven Verbot die Genehmigung, soll beim repressiven Verbot deren Versagung die Regel sein. 51 Allerdings geriete ein Versuch, hierauf eine tragfähige Unterscheidung zu stützen, in letztlich kaum lösbare Abgrenzungsschwierigkeiten. Wenn sich nämlich wie gezeigt durchgängige strukturelle Unterschiede von präventiv bzw. repressiv geregelter Materie nicht finden lassen, so läßt sich abstrakt-theoretisch im Zweifelsfall kaum beurteilen, ob nach dem Willen des Gesetz- oder Verordnungsgebers die Genehmigung die Regel oder vielmehr die Ausnahme sein soll. Immerhin gibt es insoweit klare Fälle wie die Genehmigungen zum Umgang mit Kriegswaffen nach dem KWG, bei denen unmittelbar einleuchtend ist, daß nur ein kleiner Teil möglicher Bewerber zugelassen werden soll. Schon bei einigen Vorschriften des WaffG, die an sich ebenfalls klassische repressive Verbote darstellen,52 wird die Einordnung unter der Regel-Ausnahme-Perspektive aber undeutlich: Die Genehmigung zum Waffenbesitz erfordert zwar grundsätzlich den Nachweis eines Bedürfnisses (§§ 28, 30 I Nr. 3, 32 WaffG). Der Katalog möglicher Begründungen für ein Bedürfnis (§ 32 WaffG) ist jedoch breit gefächert und erlaubt schon nach seinem bloso Vgl. Claudius Marx, S. 62 f. Interessanter Beleg ist zudem der überkommene Tatbestand der Gemeingefährlichen Vergiftung, § 314 StGB, für den ein die Luftvergiftung etwa durch giftige Gase kriminalisierendes Gegenstück stets gefehlt hat. 51 Vgl. E. R. Huber. AöR 78, 113; Schwabe, JuS 1973,134 f.; auf strafrechtlicher Seite Rengier. ZStW 101 , 875. 52 Schwabe, JuS 1973, 135; WolfflBachoflStober. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 46, Rd.-Nr. 44; Roxin, Strafrecht AT I, § 17. Rd.-Nr. 46. der deshalb waffenrechtlichen Erlaubnissen bei § 53 WaffG auch nur rechtfertigende Wirkung beimißt. Differenzierend Steindorf, FS-Salger. S. 172 ff., der für Waffenbesitz und -führen lediglich ein präventives Verbot annimmt, die Vorschriften der §§ 37 - 39 WaffG hingegen als repressive Verbote einstuft.

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ßen Wortlaut beispielsweise über die Mitgliedschaft in Schützenvereinen letztlich jedermann einen relativ ungehinderten Zugang zur Schußwaffe (§§ 28 n, 32 I Nr. 2, 11 Nr. 3 WaffG). Eine Feststellung der Art, daß die Versagung der Waffenbesitzkarte nach der Fassung des Gesetzes die Regel darstellen soll, ist deshalb ohne weitere Differenzierungen nach den Gruppen potentieller Nutzer nicht möglich. 53 Die theoretisch danach übrigbleibende empirische Feststellung dürfte, abgesehen von methodischen Schwierigkeiten,54 sich schon deshalb verbieten, weil eine Genehmigungshäufigkeit von nur 49% bei 51 % Versagungen wohl kaum als "Ausnahme" definiert werden kann. Wo dann, etwa bei einer Genehmigungshäufigkeit von 70% oder erst bei 80%, eine "Regel" vorliegen soll, kann letztlich nur willkürlich festgelegt werden und ist sachlich kaum vermiuelbar. 55 Zudem wären derartige Zahlen von flexiblen und zudem irreführenden Faktoren wie der Häufigkeit der AntragsteIlung oder des Anteils unbegründbarer Anträge abhängig.56 Schließlich bliebe eine begrifflich ungeklärte Grauzone in dem Bereich, wo sich Genehmigungen und Versagungen zahlenmäßig nicht mehr signifikant unterscheiden. Zudem verwischen sich die Unterschiede der Verbotsgruppen in der verwaltungsrechtlichen Gesetzgebungspraxis zunehmend. So muß das präventive Verbot in steigendem Maße komplexere Gefahrdungspotentiale abarbeiten. Beispielsweise gilt die atomrechtliche Betriebsgenehmigung zwar als präventives Verbot, die Genehmigungserteilung und ihre Voraussetzungen (§ 7 AtomG) ähneln aber in ihrer Struktur eher einem klassischen repressiven Verbot. 57 Die Wahl der Verbotsnorm mit der Folge jeweils unterschiedlicher Zuweisung von Kompetenzen an Antragsteller (Durchsetzbarkeit des Begehrens, Beweislast für Eignung), Exekutive (finale oder konditionale Programmierung des VerwaltungshandeJns) und Judikative (Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage) hat somit zwar eine Gestaltungsfunktion für das Genehmigungsverfahren. Sie ist aber ihrerseits von politischen Einschätzungen sowie Durchsetzbarkeiten abhängig58 und jedenfalls - von klaren ExtremfälIen wie dem Kriegswaffen- oder dem Stiftungsrecht einmal abgesehen nicht immer eindeutig verfassungsrechtlich vorgegeben oder gesellschaftlich, ethisch oder kulturell konsentiert. Nun gibt es - unabhängig von repressiver oder präventiver Regelung in der Gesetzestechnik - in dem Kanon vorläufig verbotener Handlungen zweifelIos stets auch solche, bei denen das vorläufige Verbot in Wahrheit ein endgültiges darstellt. 53 Schwabe. JuS 1973, 135, weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß § 28 WaffG rechtskonstruktiv mit anerkannt präventiven Verboten wie § 4 StVZO a. F. (abgelöst durch die ähnliche Regelung in § 41 3 FeV) völlig deckungsgleich ist. 54 Abgesehen vom Aufwand besteht auch das Problem, daß Antragshäufigkeit und Genehmigungspraxis nicht notwendig konstant sind. 5S Vgl. Schwabe, JuS 1973, 134. 56 Claudius Marx. S. 64 f. 57 Vgl. Sach. S. 41 ; BVerfGE 49,89, 145 f. (Kalkar-Entscheidung). 58 Vgl. Claudius Marx. S. 71, unter Hinweis auf das GenTG und hierzu geäußerte Begründungen für eine jeweils unterschiedliche Ausgestaltung (a. a. 0 ., Fn. 67).

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Ist nämlich eine bestimmte Handlung auf Grund der Besonderheiten von Situation oder Antragsteller nicht genehmigungsfähig (etwa das Tragen einer Schußwaffe durch einen Geistesgestörten nach den §§ 36 11,30 11 Nr. 2, Nr. 5 II Nr. 4 WaffG), so kann es auch nach Durchführung des Genehmigungsverfahrens nur bei dem Verbot verbleiben. Die Genehmigungsfähigkeit wäre damit für die Verbotsstruktur in dem Sinne bedeutsam, als nicht genehmigungsfähige Tatigkeiten generell, genehmigungsfähige aber nur bis zu ihrer Zulassung verboten sein müßten. Die nun denkbare Differenzierung der Handlungen nach der - notfalls zu prognostizierenden - schließlichen Genehmigung bzw. ihrer Versagung scheitert jedoch aus zwei Erwägungen. So käme es einerseits zu neuen Unsicherheiten zumindest hinsichtlich der Einordnung derjenigen Handlungen, bei welchen die Verwaltung rechtsfehlerfrei sowohl genehmigen als auch verbieten könnte. Zwar wurde bereits darauf hingewiesen, daß den Genehmigungsbehörden in keinem Fall ein freies Ermessen zusteht. Gleichwohl reduziert sich der Entscheidungsspielraum nicht immer nur auf eine einzige mögliche Entschließung, sondern es mag Alternativen geben. Beispielsweise ist die Erteilung der Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung u. a. davon abhängig, ob ein Bedürfnis hierfür besteht (§ 6 II AtomG), wobei hierunter nur öffentliche Bedürfnisse zu verstehen sind. 59 Ergibt sich dieses Bedürfnis aus einem Mangel an staatlichen Lagermöglichkeiten, so stünde es der Verwaltung sicherlich frei, entweder diesem Mangel abzuhelfen oder stattdessen die Genehmigung zur außerstaatlichen Lagerung zu erteilen. Zudem ist eine nur teilweise oder modifizierte Genehmigung im Rahmen eines der Verwaltung zustehenden Auswahlermessens60 denkbar, wenn etwa nur geringere Abwassermengen oder -belastungen erlaubt oder über Nebenbestimmungen Ausgleichsrnaßnahmen angeordnet werden. Folglich lassen sich die Verbote auch nicht vor tatsächlicher Durchführung des Genehmigungsverfahrens zuverlässig in solche mit vorläufigem oder endgültigem Charakter scheiden. Der einzig übrigbleibende Weg, nämlich die Differenzierung nach dem tatsächlichen Resultat des Genehmigungsverfahrens, ist andererseits verwehrt. Die Verhaltensnorm muß als taugliche Verhaltensregel für den Bürger schon in der Entscheidungssituation vor Durchführung eines Genehmigungsverfahrens erkennen lassen, was genau verboten ist. Die Notwendigkeit, den Bereich der Normwidrigkeit bereits hier festzustellen, verbietet ein Abwarten späterer, möglicherweise gar nicht abschätzbarer Entwicklungen oder Entschließungen.

Gusy, JA 1981,84. Zum Begriff vgl. Wolf!/ Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, § 31, Rd.-Nr. 35; Achterberg, AlIgemeines Verwaltungsrecht, § 18, Rd.-Nr. 53 ; ferner Ossenbühl in Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10, Rd.-Nr. 6 59

60

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte 3. Das Erfordernis einer einheitlichen Struktur der Verhaltensnorm

Alle geschilderten Differenzierungsbemühungen sind daher, soweit sie sich nicht ohnehin als kaum (noch) tragfähig erwiesen haben, wenig geeignet, die Verbotsstruktur hinreichend präzise zu beschreiben, weil sich die Handlungen als fragliche Verbotsobjekte einer abstrakt differenzierenden Bewertung entziehen. Es gibt, wenn schon die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit besteht, genau deshalb keinen bestimmten, abstrakt zu definierenden Typus von in jeder denkbaren Situation endgültig verbotenen Handlungen. Das Tragen von Schußwaffen ist zwar zunächst generell verboten, kann im Einzelfall nach Ausweis des Genehmigungsverfahrens aber sowohl erlaubt (und gar erwünscht) wie auch verboten sein. Das (präventive wie auch das repressive) Verbot mit Genehmigungsvorbehalt ist damit zwangsläufig zunächst ein bloß vorläufiges Verbot des Beginns der Handlung vor ihrer Prüfung in einem Erlaubnisverfahren. 61 Die Verbote mit Genehmigungsvorbehalt lassen sich demnach nicht in Gruppen mit qualitativen Unterschieden hinsichtlich der Geltungskraft des Verbotes differenzieren. Damit bleibt die Entscheidung zwischen den bereits aufgezeigten Alternativen des generellen Verbots (unabhängig davon, ob die Materie präventiv oder repressiv geregelt ist) bzw. des Verbots vor Genehmigungserteilung nach den bisherigen Überlegungen noch offen. Klar ist nur, daß eine grundsätzliche, für alle Genehmigungsvorbehalte einheitliche Lösung erforderlich ist, weil sich eine taugliche Differenzierung nicht vornehmen läßt.

4. Die relative Verbotsnorm

Die Suche gilt daher einer einheitlichen Bestimmungsnorm, die sich mit allen (repressiven wie präventiven) Verboten mit Erlaubnisvorbehalt vereinbaren läßt. Dabei dürfte sich eine Verhaltensnorm des Inhalts "Es ist (stets) verboten - Handlung - zu tun" nach den bisherigen Erwägungen nicht in jedem Fall bruchlos in die Regelungsstrukturen des materiellen Verwaltungsrechts einfügen lassen. Solange das Verbot nur eine Verwaltungskontrolle ermöglichen, jedoch die Mehrzahl der Bewerber im Ergebnis von der Zulassung nicht ausschließen soll, entspricht eine derartige Verbotsnorm nicht der vom Normadressaten wahrgenommenen Realität, wonach sich die Genehmigung letztlich doch nur als lästige Formalie darstellt, die auszuübende Tätigkeit im Kern aber keineswegs als staatlich verboten oder gar verpönt gilt. Eine Verhaltensnorm "Es ist verboten, Kraftfahrzeuge zu lenken!" etwa wäre in dieser Form realitätsfern,62 wie ein Blick auf die Straßen beweist. Das Führen von Kraftfahrzeugen ist nicht typischerweise verboten und nicht nur ausSo R. Thoma. VerwA 32, 248, allerdings seinerzeit nur für das präventive Verbot. Und wäre möglicherweise sogar verfassungswidrig, wie Schwabe. JuS 1973, 133, 136 ff., ausführt. 61

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A. H. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit

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nahmsweise auf Grund der Fahrerlaubnis entfällt ein sonst unvenneidliches Unwerturteil. Vielmehr handelt es sich um eine regelmäßig erlaubte, wenn nicht gar erwünschte Ausübung der von der Verfassung garantierten Handlungsfreiheit, die nur bestimmten Personengruppen aus Gründen der Gefahrenabwehr vorenthalten bleibt. Daher kann die Verhaltensnonn sich hier nur auf ein Verbot der Tätigkeit vor ihrer Zulassung beschränken, diese aber nicht mehr generell untersagen. Eine solche Verhaltensnonn wäre eine relative Verbotsnorm, weil sie Handlung und Genehmigungsverfahren in Relation zueinander setzt. Sie müßte lauten: "Es ist verboten, damit - Handlung - zu beginnen, wenn es nicht zuvor im Genehmigungsverfahren gestattet worden ist!" Eine derartige relative Verbotsnonn fügt sich zwanglos in die klassischen präventiven Verbote des materiellen Verwaltungsrechts ein. 63 Sie stellt klar, daß nicht die Tätigkeit an sich verboten ist, sondern diese nur ohne ihre vorherige Überprüfung auf die subjektive Ungefahrlichkeit beim Ausübenden hin. Ihre Struktur ähnelt derjenigen der Fahrlässigkeitsdelikte, bei welchen ebenfalls die Handlung nur insoweit verboten ist, als nicht zuvor eine Risikoprüfung vorgenommen ist und / oder erkannte Risikofaktoren ausgeschaltet worden sind. 64 Nur obliegt die Risikoprüfung hier nicht dem Handelnden selbst, sondern ist Gegenstand eines verobjektivierten Prüfungs verfahrens durch einen Dritten in Gestalt der Genehmigungsbehörde. Für die Annahme einer nur relativen Verbotsnonn auch bei klassischen repressiven Verboten spricht, daß der Gesetzgeber selbst bei ausgesprochen rigiden Regelungswerken wie dem KWG die Möglichkeit der ausnahmsweisen Genehmigung ausdrücklich vorgesehen hat (§§ 6 ff. KWG). Mag er dabei die Hürden auch noch so hoch gelegt haben und nicht einmal einen Genehmigungsanspruch zulassen (§ 6 I KWG), so zeigt er damit doch, daß eben nicht in jedem Einzelfall die Handlung letztlich verboten bleiben soll, er sich bzw. der zuständigen Verwaltungsbehörde dabei aber sehr wohl vorbehält, in dem Genehmigungsverfahren zu bestimmen, wer in welchen Situationen mit Kriegswaffen umgehen dürfen soll und wer nicht. Er besteht daher letztlich nur auf der Einhaltung des Genehmigungsverfahrens (und selbstverständlich der Akzeptierung einer Versagung der Genehmigung als dessen möglichem Resultat). Soweit es dem Gesetzgeber darüber hinaus um ein generelles, unbedingtes Verbot der Tätigkeit geht, so kann er das, soweit dies verfassungsrechtlich legitim ist, ohne entsprechenden Ausnahmevorbehalt zum Ausdruck bringen. Beispielsweise ist die Herstellung von Erzeugnissen, die Lebensmitteln zum Verwechseln ähneln, jedoch keine Lebensmittel sind, uneingeschränkt verboten (§§ 8 Nr. 3, 51 I Nr. I LMBG), ein Dispens nicht vorgesehen. 65 Hingegen ist etwa das Verbot der Tierquälerei nach 63 Ein derartiger Verbotsinhalt ist für präventive Verbote in dieser Form schon bei R. Thoma, VerwA 32, 247 f., angedeutet worden. M Vgl. näher im 2. Kapitel bei II.3. 6S Die generelle Ermächtigung zur Ausnahmezulassung nach § 37 I I LMBG gilt für die Verbote u. a. nach § 8 LMBG nicht (§ 37 I 2 LMBG). Soweit andererseits § 37 I I LMBG

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

§ 17 Nr. 2 b) TierSchG, obwohl auf den ersten Blick ein unbedingtes, in Wahrheit auch nur ein relatives Verbot, da durch die reguläre gesetzliche Möglichkeit der Zulassung für bedeutsame Tierversuche nach §§ 8, 7 III 2 TierSchG klargestellt ist, daß die Zufügung von länger anhaltenden Schmerzen auch gegenüber einem Wirbeltier nicht stets, sondern nur bei Mißachtung des Zulassungserfordernisses normwidrig sein soll.

Solange der Gesetzgeber also die Zulassung - wenn auch nur ausnahmsweise in Aussicht stellt, verbietet er durch die Statuierung der Genehmigungspflicht und das Verbot der ungenehmigten Handlung eben nur die nicht genehmigte Handlung, nicht jedoch die Handlung selbst. Es gibt selbst theoretisch genausowenig innerhalb einer Gruppe gleichartiger Handlungen einen nach materiell-verwaltungsrechtlichen Kriterien abstrakt umgrenzbaren Bereich verbotener Handlungen, dessen bloße Konturierung gegenüber dem Antragsteller Aufgabe der Behörde ist. Vielmehr definiert diese originär - wenn auch nach dem Entscheidungsprogramm des materiellen Verwaltungsrechts - eine Handlung als erlaubt. 66 Wer danach dieordnungsgemäße - Genehmigung besitzt und ihr folgend handelt, verhält sich der Norm gemäß. 67 Wer hingegen handelt, ohne daß es ihm im Genehmigungsverfahren gestattet worden ist, verhält sich normwidrig.

5. Relative Verbotsnorm und geschütztes Rechtsgut

Die Geltung einer relativen Verbotsnorm bedarf aber bei eindeutig repressiven Verboten noch der näheren Überprüfung. Indem die Tatigkeit selbst in ihrem Kern nicht mehr als verboten, also auch nicht mehr als gesellschaftlich verpönt dargestellt wird, reduziert sich die intendierte Normwirkung auf den Zwang zur Einhaltung des vorgesehenen verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahrens. Primäres Schutzziel ist damit allerdings auch nicht mehr die Erhaltung der von der TätigAnwendung findet, beziehen sich die entsprechenden Verbote z. T. ebenfalls auf "zugelassene" Stoffe (§§ ll, l3 LMBG) und enthalten somit bereits selbst den Genehmigungsvorbehalt. Aber selbst wo das nicht der Fall ist (z. B. bei dem Verbot gewerblichen Inverkehrbringens von z. B. mit Ptlanzenschutzmitteln belasteten Lebensmitteln nach § 14 LMBG), steht das Verbot so offensichtlich unter dem Dispensvorbehalt des § 37 LMBG, daß der Schwerpunkt des Normeninteresses dem Vorbehalt der behördliche Kontrolle, nicht aber dem Verbot als solches gilt. 66 Wobei zu beachten ist, daß es hier nicht um die Umdefiniton verbotenen in erlaubtes Handeln geht, wie Frisch annimmt (vgl. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 58). Die ungenehmigte Handlung ist nämlich nicht als Handlung an sich verboten, sondern in ihrer Qualität als ungenehmigte Handlung. 67 Das ändert nichts daran, daß gleichwohl andere Normen mißachtet sein können. So bleibt es normwidrig, wenn der zugelassene Kfz-Führer bei einem Verkehrunfall oder der Gewässerbenutzer durch die ihm grundsätzlich erlaubte Einleitung schädlicher Stoffe fahrlässig Gesundheitsschäden verursacht. Die verletzte Norm ist hier jedoch nicht die, sich zunächst eine Genehmigung zu besorgen und ohne sie nicht zu handeln. Vielmehr werden die Regeln der StVO in dem einen oder jedenfalls des § 229 StGB in dem anderen Fall nicht eingehalten.

A. 11. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit

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keit möglicherweise gefahrdeten Rechtsgüter des einzelnen oder der Allgemeinheit, sondern die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als Kontrollinstanz. Es wird ja nicht mehr die Rechtsgutsgefährdung durch die Vornahme der Handlung verboten, sondern die Nichteinhaltung eines geordneten staatlichen Genehmigungsverfahrens sanktioniert. Aus strafrechtlicher Sicht erhebt sich gegen eine solche Konstruktion der immerhin ernstzunehmende Einwand, nur noch der Verwaltungsungehorsam sei damit unter Strafe gestellt, der als solcher üblicherweise klassisches Ordnungsunrecht, nicht aber strafbares Fehlverhalten darstellt. 68 Dabei impliziert das Schlagwort des Ordnungsunrechts nach tradierter Auffassung eine rechtsgutsirrelevante Handlung, während Strafunrecht eine Verletzung oder zumindest abstrakte Gefährdung von Rechtsgütern voraussetzt. Allerdings hat die lange Zeit geführte Auseinandersetzung um den qualitativen Unterschied zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit mittlerweile zu der wohl überwiegenden Einsicht geführt, daß die Differenzierungen nur quantitativer Natur sind. 69 Straftatbestände weit im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung, insbesondere also die abstrakten Gefährdungsdelikte, ähneln in ihrem Bezug zum Rechtsgüterschutz vielen Ordnungswidrigkeiten, die zwar ebenfalls keine unmittelbare Rechtsgutsbeeinträchtigung voraussetzen, wohl aber Verhaltenspflichten normieren, deren Intention letztlich wiederum die Verhütung konkret rechtsgutsgefährdender Situationen ist. Dies ist im Fall alkoholisierter Teilnahme am Straßenverkehr evident, wo sich Straftat (§ 316 StGB) und Ordnungswidrigkeit (§ 24a StVG) allein noch im Maß der Gefährlichkeit unterscheiden. Aber auch auf den ersten Blick so klassische Ungehorsamsdelikte wie das unterlassene Führen des Waffenhandelsbuches (ordnungswidrig nach §§ 55 I Nr. 4, 12 11 WaffG) entbehren nicht jeglichen Bezugs zum Rechtsgüterschutz. Immerhin gewährleistet die in § 12 11 WaffG normierte Aufzeichnungspflicht auch die Einhaltung der Vorschriften über die Überlassung von Waffen ausschließlich an Berechtigte (§ 34 WaffG), welche wiederum ihrerseits sicherstellt, daß nur zuverlässige und damit prinzipiell ungefährliche Personen Waffen erwerben, und somit die Gefahr subjektiver Rechtsverletzungen durch Schußwaffengebrauch reduziert. Zwar wird durch die Verlagerung der sanktionierten Handlungspflicht in das weite Vorfeld einer Verletzung subjektiver Rechte der Bezug zum letztlich geschützten Objekt undeutlich; gleichwohl kann er nicht geleugnet werden, zumal auch Strafvorschriften wie der Verkauf von an sich erlaubnisfreien Hieb- und Stoßwaffen im Reisegewerbe (§ 53 111 Nr. 4 WaffG) ihren Rechtsgutsbezug nur über etliche gedankliche Zwischenschritte vermitteln.

Nun soll aus dieser am Vorhandenen orientierten und daraus gewonnenen Einsicht in das prinzipielle Fehlen eines qualitativen und in das Vorhandensein eines nur quantitativen Unterschiedes zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten 68 Vgl. Haaf, S. 262; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 73; J. Vogel, StV 1996, 112; Weidenbach, S. 82 f.; mißverständlich insoweit Ocker, S. 53 f., der möglicherweise einen schlichten Ungehorsam zwar für das Nebenstrafrecht, nicht jedoch für das Kernstrafrecht akzeptieren will . 69 Vgl. auch AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 376 ff. vor § I StGB; Gähler/Buddendiek/Lenzen in: Erbs/Kohlhaas, Einführung, Rd.-Nr. 19; Jakobs, Strafrecht AT, S. 54 f.; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, S. 58 f.; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § I, Rd.-Nr. 35; Roxin, Strafrecht AT I, § 2, Rd.-Nr. 41; bedenklich J. Vogel, StV 1996, 112, der offenbar immer noch eine klare Grenzziehung andeutet.

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selbstverständlich nicht die Unbedenklichkeit von Vorfeldkriminalisierung in jeglicher Form abgeleitet werden. Auf der anderen Seite muß sich die radikale Sicht Felix Herzogs,70 der das von ihm konstatierte Abgehen vom klassischen Rechtsgüterschutzstrafrecht als ..Gefahrdung des Strafrechts durch Gefährdungsstrafrecht,,71 anprangert, bei allen Verdiensten um das Bewußtmachen der Überstrapazierung des Strafrechts für momentane politisch-gesellschaftliche Bedürfnisse entgegenhalten lassen, daß die Abkehr von der Selbstbeschränkung des Strafrechts auf die Sanktionierung von Beeinträchtigungen der klassischen Individualrechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Eigentum und Ehre keine Entwicklung ausschließlich der jüngsten Vergangenheit ist. Vielmehr gehören Delikte zum Schutz überindividueller Rechtsgüter ebenso wie Gefahrdungsdelikte mittlerweile so sehr zum selbstverständlichen strafrechtlichen Repertoire,72 daß ihre Berechtigung nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden kann, ohne damit zugleich für ein Strafrecht mit völlig anderen Zielen und Funktionen zu plädieren. Wenn also von der prinzipiellen Zulässigkeit der Bestrafung schlichter (konkreter) Rechtsgutsgefährdungen sowie der Beeinträchtigung anerkannter überindividueller Rechtsgüter ausgegangen und diese hier nicht in Frage gestellt werden soll, so entbindet dies doch nicht von einer kritischen Prüfung derjenigen Delikte, die ein Verhalten im Vorfeld ohne jede konkrete Gefahr für das im Hintergrund geschützte Gut inkriminieren. Hierzu gehört nun allerdings auch die Gruppe der Tatbestände, die die ungenehmigte Handlung strafrechtlich sanktionieren. Bei Delikten dieser Art wie § 21 StVG spielt es offenkundig nach ihrem Wortlaut und für die herrschende Auffassung überhaupt keine Rolle, ob die ungenehmigte Handlung tatsächlich Individualrechtsgüter gefahrdet oder ebenso ungefährlich ist wie dasselbe, jedoch genehmigte Verhalten. Zwar ist die Zugangskontrolle durch das Genehmigungserfordernis und -verfahren hier nicht Selbstzweck, sondern ausschließlich wegen der potentiellen Gefahrlichkeit und Sozialschädlichkeit der zu prüfenden Tatigkeit vom Gesetzgeber installiert worden;73 es dient mithin ebenfalls einem - wenn auch vorgelagerten - Rechtsgüterschutz, den damit auch das flankierende Strafgesetz für sich als Zielvorstellung reklamieren kann. Auf das hinter einem Genehmigungserfordernis regelmäßig stehende Gefahrenpotential bei unkontrollierter Handlungsvornahme wurde bereits hingewiesen. Gleichwohl ist die (präventiv oder repressiv) verbotene Handlung trotz ihrer potentiellen Gefahrlichkeit für Allgemein- oder Individualrechtsgüter nicht zwangsläufig auch wirklich rechtsgutsbedrohend und mag im Einzelfall sogar völlig harmlos sein. 70 GeseUschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge, insbesondere S. 70 ff., 158. 71 So Felix Herzogs Überschrift für sein Kapitel 11.6. 72 Vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 259 f., 264 f.; Jakobs, Strafrecht AT, S. 46 ff.; Maurach/Zipf, § 19 Rd.-Nr. 4 ff., § 20 Rd.-Nr. 29 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 11, Rd.Nr. 119 ff.; Kuhlen, ZStW lOS, 702 f.; nach wie vor ablehnend aUerdings Hohmann, GA 1992, 85 f., der immer auch eine abstrakte Gefährdung eines Individualrechtsgutes verlangt. 73 Vgl. Krüger; DÖV 1958,674; Schwabe, JuS 1973, 133; Gusy, JA 1981,80.

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a) Die Problematik abstrakter Gefährdung von Rechtsgütern Auf den ersten Blick bietet es sich auf der Basis der vorstehenden Überlegungen an, diejenigen Delikte, welche die Vornahme einer ungenehmigten Handlung bestrafen, als abstrakte Gefährdungsdelikte anzusehen und den Versuch ihrer Legitimation von daher zu unternehmen. 74 Immerhin wird deren Berechtigung heute im allgemeinen nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen;75 als solche empfundene kriminalpolitische Erfordernisse haben ihre Akzeptanz dabei zweifellos gefördert. 76 Problematisch stellt sich aber auch heute noch der Fall dar, daß sich die abstrakt gefährliche Handlung im konkreten Einzelfall als tatsächlich völlig ungefährlich herausstellt. Bedenken gegen eine Strafbarkeit ergeben sich bei einer solchen Konstellation aus der Besinnung auf die originäre Aufgabe des Strafrechts, als ultima ratio des sozialen und politischen Handlungskataloges Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Fehlt es wegen der Ungefährlichkeit der Handlung aber objektiv wie subjektiv an einem Angriff auf ein Rechtsgut, dann, so die Kritik, lasse dies das materielle Unrecht der Tat entfallen, eine Bestrafung stehe deshalb nicht mehr in Einklang mit dem Schuldgrundsatz. 77 Damit wird weniger die allgemein als notwendig anerkannte Legitimation des jeweiligen Strafrechtssatzes vom Rechtsgüterschutz her78 als vielmehr seine unreflektierte Anwendung im tatsächlich unge-

74 So etwa für § 326 StGB: Lackner, Rd.-Nr. I; LK-Steindoif, Rd.-Nr. I; SchönkelSchröder-Lenckner, Rd.-Nr. I, SK-StGB-Horn, Rd.-Nr. 2, jeweils zu § 326 StGB; Schittenhelm. GA 1983,318 ff.; für § 327 StGB: Lackner, Rd.-Nr. I; SchönkeISchröder-Cramer, Rd.-Nr. I; SK-StGB-Horn. Rd.-Nr. 2, jeweils zu § 327 StGB; Dölling. Grundprobleme, S. 84; Kareklas. S. 142; für § 21 StVG: Seiler, DAR 1983,383. 7S Zum Ringen um die Dogmatik der abstrakten Gefährdungsdelikte vgl. die zusammenfassenden Darstellungen bei Cramer, Vollrausch. S. 51 ff.; Felix Herzog. S. 3 ff.; Horn. Gefährdungsdelikte, S. 20 ff.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 225 ff. 76 Vgl. Jakobs. Strafrecht AT, S. 172 ff.; JeschecklWeigend. Strafrecht AT, S. 264 f.,; SKStGB-Horn. Rd.-Nr. 15 ff. vor § 306 StGB; SchönkeISchröder-Cramer, Rd.-Nr. 3 ff. vor § 306 StGB; Tröndle. Rd.-Nr. 13a vor § 13 StGB; Dölling. JZ 1985,463; Kratsch. GA 1989, 67 ff.; Rogall. FS-Uni Köln. S. 514; Schünemann. JA 1975, 797 f.; Wolter, Zurechnung I. S. 277 f.; im Grundsatz auch Jakobs. ZStW 97, 767 ff.; sowie TIedemannl Kindhäuser, NStZ 1988, 343, die, insoweit allerdings fragwürdig, zusätzlich auf das subjektive Sicherheitsbedürfnis der Bürger verweisen und daraus eine Legitimation ableiten wollen. Kritisch andererseits insbesondere Felix Herzog. passim, vor allem aber S. 20 ff.; ferner Hassemer, NStZ 1989,557 ff., mit seiner grundSätzlichen Kritik am ..symbolischen Strafrecht", das eine vermeintliche, tatsächlich aber nicht mögliche Risikobeherrschbarkeit suggeriere und so als "Bluff' wirke (a. a. 0 ., S. 558). 77 Vgl. dazu Arthur Kaufmann. JZ 1963,432; Rudolphi. FS-Maurach, S. 59 f.; Schünemann. JA 1975.797; Cramer, Vollrausch, S. 65 f., 74 f.; Horn. Gefährdungsdelikte, S. 90 ff.; Brehm. JuS 1976,24 f.; BGHSt 19.221,224 (zu § 93 StGB a. F.); Wolter, Zurechnung 11, S. 276 ff., 296 ff. (zu § 306 Nr. 2 StGB); differenzierend Schröder, ZStW 81, 15 f.; und andererseits LK(ll)-Wolf.f, Rd.-Nr. 3 zu § 306 StGB; Bohnert. JuS 1984, 184 ff. 78 AK-StGB-Hassemer, Rd.-Nr. 260 f., 289 vor § 1 StGB; BaumannlWeberl Mitsch. Strafrecht AT. § 3. Rd.-Nr. 10 ff.; Dohna. VerwA 30. 235; Günther, Strafrechtswidrigkeit. S. 149 f.; Jakobs. Strafrecht AT, 2.Abschnitt, Rd.-Nr. I ff.; JeschecklWeigend. Strafrecht AT, S. 7 f.;

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fährlichen Einzelfall, die aber ihrerseits an sich rechtsgutsbezogen vorzunehmen wäre,79 in Frage gestellt. Die vom Ansatz der Kritik abstrakter Gefahrdungsdelikte her geforderte systemkritische Dimension des Rechtsgutsbegriffs 80 bleibt, zumal sie vor den kriminal politischen Sachzwängen zu versagen scheint, im Hintergrund; an ihrer Stelle wird seine systemimmanente Dimension8l als arbeitstechnische Auslegungshilfe bemüht, indem auf verschiedenste Weise versucht wird, konkret rechtsgutsirrelevante Verhaltensweisen von der Zurechnung auszunehmen. Indes führen die Lösungswege, die unter Festhalten an der Figur des abstrakten Gefährdungsdelikts zur systemkonformen Bewältigung der geschilderten Bedenken diskutiert werden, etwa die generelle Zulassung eines Ungefährlichkeitsbeweises82 oder die Forderung nach einer Gefährdungswahrscheinlichkeit, 83 zu keineswegs befriedigenden Resultaten. Teilweise scheitern sie bereits im Ansatz daran, daß sie die kriminalpolitischen Bedürfnisse, die zur Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte beigetragen haben, nur unzureichend in Rechnung und diese damit gleichsam durch die prozessuale Hintertür nun doch wieder in Frage stellen. Ihr Sinn ist es ja gerade, unabhängig von der konkreten Gefahrlichkeit eine generell gefährliche Handlung ausnahmslos zu verbieten und dieses Verbot deshalb strafrechtlich zu sichern, weil jede Übertretung potentiell Rechtsgüter beeinträchtigt. Eine Relativierung dieses Verbotes durch die Ausklammerung ausnahmsweise einmal (vermeintlich) ungefährlicher Handlungen führt dazu, die gerade gewonnenen Vorteile des Deliktstypus wieder über Bord zu werfen, insbesondere die Gewährleistung einer strikten Befolgung des Handlungsverbots und die justiziable Verarbeitung von Verbotsübertretungen. Kann sich nämlich der betrunkene Autofahrer gegenüber dem Vorwurf aus § 316 StGB jederzeit auf die tatsächliche Ungefahrlichkeit seiner Fahrt berufen, dann ist es völlig klar, daß die Neigung, bei der Entscheidung über den Fahrtbeginn vor dem Verbot zurückzuschrecken, deutlich sinken würde, weil ja das (oft unberechtigte und dazu alkoholbedingt verstärkte) Vertrauen, es werde schon alles gutgehen, den Blick für die Realität verstellt. Hinzu träte, ließe man sich erst einmal auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Gefährdungslage ein, auf prozessualer Ebene ein weiteres Problem: Es beMaurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 19, Rd.-Nr. 4; Müller-Dietz. Strafe und Staat. S. 32 ff.; Ttedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 46; Wolter, Zurechnung I, S. 24; BVerfGE 39, 1,46. 19 Gössel. FS-Oehler, S. 102 f.; JeschecklWeigend. Strafrecht AT, S. 258 f.; Baumannl Weber/Mitsch. Strafrecht AT, § 9, Rd.-Nr. 68 f. 80 Nach Hassemer, Theorie und Soziologie, S. 27 ff.; vgl. auch MaurachlZipf, § 19 Rd.Nr. 6; Gössel. FS-Oehler, S. 101 f. 81 Nach Hassemer, Theorie und Soziologie, S. 41 ff. 82 Vgl. Henkel. FS-Eberhard Schmidt, S. 594; Schittenhelm. GA 1983,320; für Tatbestände mit konkretisierten Schutzobjekten auch Horst Schröder, ZStW 81,16 f. 83 Cramer, Vollrausch, S. 68 f.; Friedrich-Christian Schroeder, S. 310 f.; dazu kritisch vor allem Arthur Kaufmann. JZ 1963,433, der einen darin steckenden logischen Fehler moniert: Bereits die Gefahr stelle begrifflich die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsbeeinträchtigung dar. Die Wahrscheinlichkeit dieser Wahrscheinlichkeit zu fordern, ergebe keinen Sinn .

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dürfte im Einzelfall vor einer Verurteilung der Feststellung des Fehlens absoluter Ungefährlichkeit der Handlung oder, andersherum, der positiven Feststellung ihrer Gefährlichkeit. Nun liegt aber die Gefährlichkeit einer Tat selbst ex post betrachtet keinesfalls immer auf der Hand. Hat etwa der betrunkene Autofahrer bereits unbemerkt eine längere Strecke zurückgelegt, bevor er in die Polizei kontrolle geraten ist, so läßt sich im Zweifel nie völlig klären, ob er beispielsweise stets ausreichenden Abstand zu parkenden Fahrzeugen eingehalten, niemand die Vorfahrt genommen und immer angemessen schnell reagiert hat. Damit erhielte die Frage, wer im Fall des insoweit fast stets zu erwartenden non liquet das Beweisrisiko trägt, entscheidende Bedeutung. Bürdete man, wie es das Zivilrecht in vergleichbaren Konstellationen mit den dort bewährten Mitteln des Anscheinsbeweises oder der Gefährdungshaftung tut,84 die Beweislast dem Täter auf, der also (was ihm im Beispiel der Trunkenheitsfahrt regelmäßig kaum möglich sein dürfte) die Ungefährlichkeit zu belegen hätte,85 bestünde die Gefahr einer Verdachts strafe unter Mißachtung des Grundsatzes "in dubio pro reo".86 Soll den Beweis der Gefährlichkeit hingegen das Gericht führen (was es im genannten Beispiel im Zweifel genausowenig könnte), so verwandelten sich die abstrakten Gefährdungsdelikte auf diese Weise zwangsläufig in konkrete Gefährdungstatbestände mit ihrer generell deutlich schwierigeren Beweisbarkeit und in der Folge auch geschwächten Präventionswirkung. 87 Dementsprechend hat sich mittlerweile jedenfalls dort, wo staatliche Ordnungsinteressen in Form überindividueller Rechtsgüter berührt sind oder aber ansonsten wie im Straßenverkehr massenhafte Verstöße drohen, ein Konsens gebildet, der letztlich darauf hinausläuft, die Gefährlichkeit unwiderleglich zu fingieren. Hier liege eben niemals der besondere Einzelfall vor, der nach menschlichem Erfahrungswissen mit Sicherheit nicht zu dem schädlichen Erfolg führen könne, dessen Vermeidung die ratio legis ist. 88 Dieser Gedanke soll vor allem auch für das Nebenstrafrecht in gleicher Form gelten. 89 Breuer, JZ 1994, 1089. SO etwa der Vorschlag von Henkel. FS-Eberhard Schmidt, S. 594 f .• der die eventuelle Nichtgefährdung als negative Strafbarkeitsbedingung auffassen will, was aber an der Problematik letzI ich wenig ändert. 86 Cramer, Vollrausch, S. 56 ff.; Schünemann. JA 1975,797; Horn. Gefährdungsdelikte, S. 25 ff. Der Hinweis von Ocker auf die entsprechende Funktion des Wahrheitsbeweises in § 186 StGB verkennt, daß der Wahrheitsgehalt einer Tatsache im Zweifel relativ leicht - für wen auch immer - zu beweisen ist und der Strafgrund der Behauptung selber bereits in dem Umstand begründet ist. daß die wahre wie die später widerlegte Äußerung denselben, weitgehend nicht wiedergutzumachenden Schaden anrichten. Bei der wahren Behauptung allerdings verdient das Opfer letztlich keinen Schutz. obwohl das Rechtsgut betroffen bleibt. Beim typischen abstrakten Gefährdungsdelikt ist einmal die Ungefährlichkeit selten zu klären, so daß die problematischen non-Iiquet-Situationen sehr viel häufiger auftreten werden. Zum anderen geht es hier bereits um die Grundfrage nach der Rechtsgutsbetroffenheit und nicht erst wie bei § 186 StGB der Sache nach um Strafwürdigkeitsaspekte. 87 Schünemann. JA 1975,797; Bohnert. JuS 1984. 186. 88 Roxin. Strafrecht AT \, § 11, Rd.-Nr. 125; SchönkeISchröder-Cramer, Rd.-Nr. 3a vor § 306 StGB; ebenso Schünemann, JA 1975,798; Wolter, Zurechnung I. S. 277. Vgl. ferner 84

8S

11 Heghmanns

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

Überdies erscheint die Frage nach der Gefährlichkeit im Einzelfall schon vom Ansatz her als verfehlt, sofern man die generelle Gefährlichkeit der Handlungsklasse (z. B. des betrunkenen Fahrens als solches) als Strafgrund definiert. Einmal ist damit bereits die Zugehörigkeit der einzelnen Handlung zur Handlungsklasse unabhängig von konkreter Gefahr das entscheidende Moment der Normwidrigkeit; konkrete Gefahr oder gar Erfolg führen hingegen zur Strafbarkeit wegen ergänzender konkreter Gefährdungs- (z. B. § 315c I Nr. 1 StGB) oder Erfolgsdelikte (z. B. §§ 222, 229 StGB). Wollte man die konkrete Ungefährlichkeit im Einzelfall berücksichtigen, wäre damit der Deliktstypus entbehrlich geworden. 90 Zum zweiten kann die einzelne Handlung schon begrifflich bei isolierter Betrachtung nicht abstrakt gefährlich sein, weil die singuläre Betrachtung keine Abstraktionsleistung ist und von daher auch zu keinem abstrahierenden Befund zu gelangen vermag. Wenn ein bestimmter Handlungstypus in einem bestimmten Anteil n von 100 Fällen zum Schaden führt, so ist damit schließlich über die Gefährlichkeit der jeweils einzelnen Handlung keine Aussage getroffen, weil diese nur entweder (konkret) gefährdend ist oder aber nicht. Sie kann es jedoch nicht zu einem n/ JOO sein. 91

b) Die Konstruktion vorgeschalteter Sicherheitsgüter Strafgrund ist mit dieser gedanklichen Konstruktion aber nicht mehr nur die tatsächlich nicht vorhandene und daher bestenfalls fingierte - Gefahr für subjektive Güter wie Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, sondern die Beeinträchtigung eines überindividuellen (Sicherheits-) Gutes wie der Sicherheit des Straßenverkehrs, welches als "Zwischenrechtsgut,,92 bereits durch nur potentielle Gefahren berührt wird. 93 Durch die Konstruktion eines derartigen vorgeschalteten BGHSt 23,313,315 ff. (Verkehrsverstöße), 23, 308, 311 (zu § 109 f. StGB); OLG Braunschweig, NJW 1951,613,614 (zu § 15 FAG a. F.); offengelassen für § 306 StGB a. F. (= § 306a I Nr. I StGB n. F.) bei BGHSt 26, 121, 124 f.; BGH NJW 1982,2329; BGH NStZ 1985,408,409; kritisch dazu Bohnert. JuS 1982. 186 f. Die von Schittenhelm. GA 1983,320, vorgeschlagene Differenzierung danach. ob die Ungefährlichkeit auf dem Umstand, daß die Einzelhandlung niemals das Rechtsgut beeinträchtigen kann (dann Strafbarkeit), oder auf anderen Gründen, z. B. besonderer Vorsorgemaßnahmen seitens des Täters (dann Straflosigkeit), beruht, könnte allenfalls für die Delikte eine denkbare Lösung bereitstellen, bei denen gerade Kumulationseffekte typischerweise gehäuft auftreten. Bei den meisten abstrakten Gefährdungsdelikten ist aber nicht die Kumulation. sondern die Zufälligkeit. mit der bereits die singuläre Zuwiderhandlung schwerste Folgen zeitigen kann, Hintergrund der strafrechtlichen Sanktionierung. 89 Schönke/Schröder-Cramer; Rd.-Nr. 3a vor § 306 StGB (a. F.). 90 Vgl. Kindhäuser; Gefährdung, S. 226 f. 91 Vgl. Kindhäuser; Gefährdung, S. 232 ff. 92 Schünemann. JA 1975,798. Ähnlich dürfte die Auffassung Kratschs zu verstehen sein, Rechtsgut sei die "Gesamtordnung" aller denkbaren, das Individualrechtsgut treffenden Gefährdungshandlungen (GA 1989,67).

A. 11. Fehlen einer Genehmigung und Nonnwidrigkeit

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Rechtsguts wandelt sich allerdings der Deliktscharakter und verschiebt sich in der Folge die Grenze zwischen noch abstrakter und schon konkreter Rechtsgutsgefährdung. Was für das individuelle Rechtsgut ungefährlich bleibt, mag das daraus abstrahierte überindividuelle Gut bereits berühren. Der betrunkene Autofahrer, um bei diesem Beispiel zu bleiben, kann durchaus Glück haben und keine andere Person oder Sache auch nur entfernt in Gefahr bringen. Gleichwohl wird er die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigen, denn wo er fährt, ist diese für etwaige andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr gewährleistet. Wo die Hilfskonstruktion eines vorgeschalteten Gemeinschaftsgutes möglich ist,94 gewinnen die abstrakten Gefährdungsdelikte im Grunde genommen eine Doppelnatur: Hinsichtlich subjektiver (Hintergrund-)Rechtsgüter schützen sie weiterhin vor abstrakten Gefahren. Zusätzlich aber bewahren sie überindividuelle Güter vor konkreter Beeinträchtigung. Die Folge ist auch eine Verlagerung der Legitimationsproblematik. Nicht mehr die Bestrafung rechtsgutsirrelevanter Handlungen, sondern die Rechtsgutsqualität der jeweiligen überindividuellen Interessen ist zu rechtfertigen. Gelingt dies, so stellt sich das Problem tatsächlich ungefährlicher Handlungen gar nicht erst; es gibt solche dann nämlich nicht mehr. Natürlich steht das Vorschieben solcher Sicherheitsgüter im Geruch eines "formalen Tricks", wie dies Horn beklagt. 95 Andererseits führt Horns Verzicht auf einen unmittelbaren Rechtsgutsbezug der Gefährdungsde1ikte zugunsten einer Unrechtsbegründung vermittels eines Auswahlaktes des Gesetzgebers, der als generell rechtsgutsgefährlich erkannte Handlungen verbietet, zu der mindestens ebenso unbefriedigenden Feststellung, das (qua richtigem Auswahlakt legitime) Verbotensein begründe erst das Unrecht, die Handlung sei also deshalb Unrecht, weil sie verboten ist96 und nicht, weil sie ein Rechtsgut beeinträchtige. Wer sich auf eine solche formale Ungehorsamskonzeption, die letztlich auf Binding zurückgeht,97 einlassen will, muß freilich auch eingestehen, damit den Rechtsgüterschutz als tragenden Gedanken des Strafrechts zugunsten eines positivistisch geprägten Modells von Pflicht und Gehorsam zu verabschieden, das auch keine Chance mehr hat, mit strafrechtswissenschaftlicher Argumentation dann korrigierend einzugreifen, wenn die Weisheit 93 So schon angedeutet bei F.-c. Schroeder, S. 310, alIerdings beschränkt auf konkrete Angriffsobjekte, im Straßenverkehr etwa die Zerstörung einer Ampelanlage. Die Rotlichtverletzung sieht F.-c. Schroeder hingegen noch als bloßen Ungehorsam an. 94 Bei § 306a I Nr. I StGB fällt dies dagegen schwer: Hier ist nicht ein abstrahiertes Gemeininteresse bedroht, sondern die Sicherheit von Individuen. Sind solche tatsächlich aber nicht in Gefahr, bleibt das Dilemma des fehlenden Unrechtsgehalts. 95 Horn, Gefährdungsdelikte, S. 90. Allerdings bezieht Horn diese Bemerkung auf die Erhebung der "Ordnung" zum Rechtsgut, wobei er freilich die Verwendung des Begriffs Verkehrssicherheit anstelle einer vagen OrdnungsvorstelIung genausowenig gutheißt, vgl. S. 91. 96 Horn, Gefährdungsdelikte, S. 85 f., 95. 97 V gl. dazu auch Armin Kaufmann, Nonnentheorie, S. 120 f. Nach Hassemer; Theorie und Soziologie, S. 46, soll Binding sich indes zwar mißverständlich ausgedrückt haben, seine Konzeption aber gleichwohl auf dem Hintergrund des Rechtsgüterschutzes über eine bloße Ungehorsamspönalisierung hinausgehen.

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des Gesetzgebers erst einmal versagt und dieser eine unangemessene Verhaltensnorm statuiert hat. 98 Ebensowenig hilfreich ist der Weg Kindhäusers, generalisierend auf die Sicherheit, verstanden als objektiv begründete Erwartung, gefahrlos (Rechts-)Güter zur Verwirklichung bestimmter Zwecke einsetzen zu können, abzustellen. 99 Zwar kann damit die Benennung einzelner Sicherheits güter zugunsten eines allgemeinen Sicherheitsumfeldes originärer Rechtsgüter unterbleiben. Gerade die Verselbständigung der Sicherheitsgüter bietet aber den unschätzbaren Vorteil, den Rechtsgutsbegriff systemkritisch wie systemimmanent als Argumentations- und Auslegungshilfe nutzbar zu machen, während Kindhäuser - wegen der unbestreitbaren Legitimation der originär geschützten Rechtsgüter - darauf verzichten muß; er hat sich mit der Norm als solcher abzufinden und kann allenfalls ihre Anwendbarkeit in concreto zum Gegenstand kritischer Untersuchung machen. 100 Somit ist das Augenmerk auf die Frage nach der möglichen Rechtsgutsqualität von allgemeinen Sicherheitsinteressen zu richten, mithin auf die systemkritische Dimension des Rechtsgutsbegriffs. Allerdings ist das Auffinden von Rechtsgütern als taugliche Schutzobjekte von Straftatbeständen nicht allein über den personalen Rechtsgutsbegriff 101 mit verfassungsrechtlichen Instrumentarien oder Mitteln (sozialer) Empirik zu leisten. 102 Vielmehr werden Rechtsgüter abschließend erst durch eine demokratisch legitimierte, politische Entscheidung des Gesetzgebers kreiert und gestaltet. 103 Aufgabe der Strafrechtsdogmatik - und damit dieser Untersuchung - kann es nicht sein, diesen Entscheidungsprozeß mit theoretischen Mitteln nachzuvollziehen und sein jeweiliges Ergebnis in jeglicher Hinsicht dogmatisch zu hinterfragen, weil eine politische Entscheidung als solche dogmatischer 98 Vgl. auch Felix Herzog. S. 11 ff., der Bindings Vertrauen in den Gesetzgeber mit der Bemerkung, dieser besitze danach ein Monopol richtiger Wahrnehmung, ad absurdum führt. Ähnlich kritisch bereits Hassemer; Theorie und Soziologie, S. 47 f. 99 Vgl. Kindhiiuser; Gefahrdung, S. 277 ff.• 282; kritisch dazu Horn. JZ 1990. 334. 100 Dies wird bei Kindhäusers Argumentation (Gefährdung, S. 288 ff.) deutlich. Die Prüfung der Normwidrigkeit im Einzelfall anhand der von ihm aufgezeigten fünf Analyseschritte (Art und Weise der Verfügbarkeit über Güter. Gegenstand der Sorge bei der Güterverfügung, Berechtigung dieser Sorge wegen der Gefährlichkeit bei Vornahme der beabsichtigten Verfügung, Bestimmung des für die Schadensvorsorge Zuständigen, Auslegung des Deliktstatbestands nach dem Ergebnis der vorhergehenden Schritte) mag hilfreich sein; diese Methodik ist aber nicht davon abhängig. ob man Kindhäusers Modell folgt oder nicht. 101 Vgl. dazu oben im 2. Kapitel bei 1IJ.2.b) bb). 102 Das hat auch Michael Marx schon erkannt. vgl. dort S. 89. 103 AK-StGB-Hassemer; Rd.-Nr. 284 vor § I StGB; Jescheck/Weigend. Strafrecht AT, S. 258; Müller-Dietz. Strafe und Staat, S. 35 f. Horns Auffassung ist bei allen Unterschiedlichkeiten letztlich auf denselben Kern zurückzuführen, wenn er das Unrecht der Gefährdungsdelikte bzw. der konkret verbotenen Handlung über den Auswahlakt des Gesetzgebers rechtfertigt, welcher solche Handlungen verboten hat, weil sie sich als häufige Verletzungsursachen erwiesen haben (Gefährdungsdelikte, S. 85 f.).

A. 11. Fehlen einer Genehmigung und Nonnwidrigkeit

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Kritik nur begrenzt zugänglich iSt. 104 Immerhin hat der Gesetzgeber diejenigen Grenzen zu beachten, die ihm die Verfassung und ein hierauf gegründetes liberaldemokratisches Strafrechtsverständnis auferlegen. Insoweit ist strafrechtsdogmatische Argumentation und Kritik wohl möglich und auch erforderlich, \05 und deshalb geht es eben nicht nur um die formale Legitimationswirkung des Gesetzgebungsaktes, was nach Horn wohl zur Begründung des Strafunrechts schon ausreichen würde, sondern auch um die materiale Legitimation der Auswahl eines vom sozialen Gefährdungspotential her tauglichen Rechtsguts. Eine Erkenntnis der personalen Rechtsgutslehre ist es, daß nur solche überindividuellen Interessen als Rechtsgüter geeignet sind, die zugleich auch vermittelte Individualinteressen darstellen. Ein Ordnungsinteresse um seiner selbst willen oder, allgemeiner, ein staatliches Interesse, das sich nicht auf ein schützens wertes Interesse seiner Bürger zurückführen läßt, ist von daher mangels Sozialschädlichkeit strafrechtlichem Schutz nicht zugänglich. Auf der anderen Seite ist beispielsweise die bereits zitierte Sicherheit des Straßenverkehrs vor allem eine Sicherheit der (anderen) Verkehrsteilnehmer und von daher als Rechtsgut grundsätzlich legitimierbar. Während die Rückführung auf Individualinteressen bei einer Vielzahl von Strafvorschriften, insbesondere, wenn diese gesundheitliche Gefährdungen Dritter verhindern sollen,l06 noch relativ leicht gelingt, fällt dies andererseits überall dort, wo primär wirtschaftliche oder - wie im Steuerstrafrecht - staatliche Interessen im Hintergrund stehen, deutlich schwerer. Hieraus jedoch das Fehlen einer jeden inhaltlichen Beziehung von individuellen und überindividuellen Rechtsgütern und damit die selbständige, unabhängige Existenz der letzteren im Sinne einer dualistischen Rechtsgutslehre herauszulesen, wie dies für das Nebenstrafrecht vor allem Tiedemann postuliert, \07 löst das Legitimationsproblem nicht, sondern verschärft es eher noch. Tiedemanns Ausweg, die Rechtspflicht gegenüber dem Rechtsgut in den Vordergrund zu stellen und seine Rechtfertigung aus dieser zu gewinnen, \08 löst den Begriff des Rechtsguts auf und ersetzt dieses 104 Dies spricht natürlich entsprechender Kritik am Gesetzgeber keinesfalls ihre Daseinsberechtigung ab; nur handelt es sich dann um eine (kriminal-, sozial- oder gar partei-)politische Auseinandersetzung, die dann auch ehrlicherweise als solche geführt werden sollte. 105 Vgl. dazu vor allem Kindhäuser. Gefährdung, S. 277 ff.; Roxin. Strafrecht AT I, § 2, Rd.-Nr. 9 ff. ; ders .• JuS 1966,381 f.; ferner zu Wert und Funktion des Rechtsgutsbegriffs als Argumentationstopos insoweit AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 289 f. vor § I StGB; ders .• NStZ 1989,557f. 106 Dazu zähle ich auch die §§ 324 ff.StGB, die die Umwelt als Lebensgrundlage für den Menschen und damit letztlich die individuellen Lebensrechte schützen. Vgl. zum Streit um den Rechtsgutsbegriff im Umweltstrafrecht vor allem Bloy. ZStW 100, 487 ff., 496; Dölling. Grundprobleme, S. 82 ff.; HeinelMeinberg. Gutachten, S. D 28 ff.; Hohmann. GA 1992, 76 ff.; Kareklas. passim; Kuhlen. ZStW 105, 701 ff.; LaujhüttelMöhrenschlager. ZStW 92, 914 ff.; Papier. Gewässerverunreinigung, S. 3 ff.; Rengier. NJW 1990,2506 ff.; Rogall. FSUni Köln, S. 509 ff.; TiedemannlKindhäuser. NStZ 1988, 339 ff. 107 Tiedemann. Tatbestandsfunktionen. S. 119 f. 108 Tiedemann. Tatbestandsfunktionen, S. 126 f., 128.

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

durch denjenigen der Rechtsordnung mit ihren vielfachen subjektiven Pflichten.!09 Eine Abgrenzung strafrechtlich sanktionierbaren vom sonstigen Unrecht aus der Sicht des geschützten Interesses heraus ist damit kaum noch möglich. Dabei ist selbst für das Steuerstrafrecht ein Rekurs auf Individualgüter ohne weiteres möglich. Der als Rechtsgut des § 370 AO geschützte Steueranspruch des Staates gewährleistet die staatliche Finanzkraft, die wiederum als unabdingbare Voraussetzung staatlicher Daseinsvorsorge die Bewahrung der Bürger vor u. a. Armut, Gefahr und Kriminalität ermöglicht, mithin die materiellen Minimalvoraussetzungen freier Persönlichkeitsentfaltung. Wegen der Abhängigkeit der so verstandenen Daseinsvorsorge von der finanziellen staatlichen Leistungsfähigkeit und ihrem Stellenwert für die von der Rechtsordnung zu gewährleistende Chance zur Entfaltung bestehen überhaupt keine Zweifel, daß auch der Steueranspruch des Staates Rechtsgutscharakter aufweist llO und deshalb taugliches Objekt strafrechtlichen Schutzes ist. Mit dem personalen Rechtsgutsbegriff ist indes nur eine erste Minimalvoraussetzung überindividueller Rechtsgüter aufgestellt. Ob ein Gemeinschaftsinteresse als Rechtsgut strafrechtlichen Schutz genießen darf, ist darüber hinaus sicherlich nicht anhand statischer Parameter zu beurteilen, sondern von wandelbaren ökonomischen, kulturellen und gesellschaftlichen Gegenheiten abhängig. Rechtsgüter sind deshalb, so anschaulich von Hassemer ausgedrückt, "historisch relativ".!!! Ist ein auf Individualgüter rückführbarer Gemeinschaftswert gesellschaftlich anerkannt, durch abweichendes Verhalten gefährdet und strafrechtlicher Schutz ein mutmaßlich taugliches und verhältnismäßiges Gegenmittel, so hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, ihn zum Strafrechtsgut zu erheben. Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers einerseits wie andererseits die Unmöglichkeit, die Gesamtheit überindividueller Rechtsgüter schärfer zu profilieren oder diese gar enumerativ zu umreißen, relativieren allerdings die Chance, mittels einer Argumentation vom Rechtsgutsbegriff her zur trennscharfen Abgrenzung legitimer und illegitimer strafrechtlicher Bestimmungsnormen zu gelangen.!!2 Immerhin erscheint es potentiell möglich, extreme Fälle der Vorfeldkriminalisierung zu erkennen und ihre Fragwürdigkeit darzustellen.

109 Vgl. Maurach/Zipf, Strafrecht AT, § 19 Rd.-Nr. 12 f.; kritisch zum Wertgehalt einer Ordnung Horn. Gefahrdungsdelikte. S. 90 f. 110 Ob man das steuerstrafrechtliche Rechtsgut darüberhinaus auf die Gewährleistung gerechter Besteuerung reduzieren kann. wie dies Kohlmann/Hi/gers-K/aulzsch. Wistra 1998. 165 f., vorschlagen, erscheint mir hingegen zweifelhaft. In der Sache geht es hier weniger um eine Frage des Rechtsguts als. und insoweit durchaus berechtigt, der Strafwürdigkeit. 111 AK-StGB-Hassemer. Rd.-Nr. 283 vor § I StGB. 112 Vgl. Müller-Dielt.. Strafe und Staat, S. 35 f.. der hier von einem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Nonnsetzung spricht.

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c) Funktionsfähigkeit der behördlichen Zugangskontrolle als Rechtsgut Überträgt man die so skizzierten Gedanken auf die Delikte gegen ungenehmigtes Verhalten, so ist allerdings vorab eines zu bedenken: Die unbesehene Einstufung als abstrakte Gefahrdungsdelikte \13 verkennt einen grundlegenden Unterschied zu diesen. Abstrakte Gefährdungstatbestände verbieten - etwa mit dem betrunkenen Fahren - eine Handlung, die erfahrungsgemäß generell als gefährlich gilt, deren tatsächliche Schädlichkeit aber grundsätzlich vorab nicht zuverlässig zu beurteilen ist. Ein entsprechend abgeleitetes Gemeinschaftsinteresse (wie die Sicherheit des Verkehrs) ist in der Regel deshalb unmittelbar betroffen.1I4 Bei den hier fraglichen Delikten dagegen ist zwar ebenfalls eine potentielle Gefährlichkeit für Individualgüter gegeben. Diese kann indessen, jedenfalls in der Theorie, durch eine unabhängige Instanz, nämlich die Genehmigungsbehörde, relativ zuverlässig eingeschätzt werden, so daß Schäden und selbst Gefahren im Idealfall sicher zu verhindern sind, soweit sie nicht als Verwirklichung erlaubten Risikos ohnehin gesellschaftlich hingenommen werden sollen. Das unbedingte Handlungs- und damit Gefährdungsverbot gewöhnlicher Gefährdungsdelikte wird auf diese Weise unnötig weil unverhältnismäßig; es wird deshalb von dem Gebot abgelöst, durch die Einhaltung des Genehmigungsverfahrens dafür Sorge zu tragen, daß bereits Gefährdungen vermieden werden. Der Versuch, sich wie bei gewöhnlichen abstrakten Gefährdungsdelikten auf ein "vergeistigtes Zwischenrechtsgut" im Sinne Schünemanns,115 das wegen der potentiellen Gefährlichkeit der Handlung für Individualgüter ein taugliches Angriffsobjekt für strafwürdiges Unrecht darstellt, zurückzuziehen, scheitert hier daran, daß bei tatsächlicher Ungefährlichkeit der genehmigungspflichtigen Handlung auch keine vorgelagerten unmittelbaren gemeinschaftlichen Sicherheitsinteressen mehr berührt werden. Der Autofahrer, der zwar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, aber sämtliche im Straßenverkehr notwendigen Fertigkeiten beherrscht, stellt, anders als der betrunkene Fahrer, keine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs dar, sondern allenfalls noch eine (abstrakte) Gefährdung derselben. 1I6 Auf eine (weitere) Abstraktion kann sich aber nur einlassen, wer diese wiederum legitimiert. Eine Rechtfertigung für die Strafbarkeit ist daher auf anderem Wege zu suchen. 113 So aber z. B. Kindhäuser. Gefährdung, S. 322 für § 327 StGB; ferner Lackner. Rd.Nr. I; Schönke/Schröder-Cramer; Rd.-Nr. I; SK-StGB-Hom, Rd.-Nr. 2. jeweils zu § 327 StGB; Dölling. Grundprobleme. S. 84; Kareklas. S. 142. 114 Lediglich dort. wo es kein entsprechendes Gemeinschaftsinteresse gibt, etwa bei § 306a StGB, versagt dieser Ausweg. Nicht umsonst sind gerade derartige Delikte. anders als etwa § 316 StGB. nach wie vor dogmatisch umstritten. 115 Schiinemann. JA 1975. 798; Roxin. Strafrecht AT I. § 11. Rd.-Nr. 126, versteht den Begriff offenbar als Bezeichnung bloßen Handlungsunrechts, was aber nicht der Intention Schünemanns entspricht. 116 Das wird bei der pauschalisierenden Rückführung von § 21 StVG auf das Rechtsgut "Sicherheit des Straßenverkehrs" leicht übersehen. vgl. etwa Gössel, FS-Oehler. S. \07 f.; Seiler. DAR 1983.379 ff.

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3. Kapitel: Stratbarkeitsausschließende Behördenakte

Man könnte zwar nun auf die Idee kommen, in der strafbewehrten Genehmigungspflicht (nur) die Konstruktion einer benannten Sorgfaltspflicht in Bezug auf die letztlich geschützten Individalrechtsgüter zu erblicken.1l7 Wird die erforderliche Genehmigung eingeholt, so ist sorgfaltig gehandelt worden, ein möglicher Erfolg (z. B. die Verunreinigung eines Gewässers oder die Verletzung eines Verkehrsteilnehmers durch einen unerkannt körperlich fahruntüchtigen Autofahrer) könnte als nicht sorgfaltswidrig dann auch nicht zugerechnet werden. Derjenige, der nun der Auffassung ist, die Gefährlichkeit seines Tuns selbst einschätzen zu sollen, handelt demgegenüber in jedem Fall pflichtwidrig, selbst wenn tatsächlich einmal, sei es zufällig oder wegen anderweitiger Vorkehrungen, keine Gefährdung der letztendlich geschützten Individual- oder Allgemeingüter eintreten sollte. Eine derartige strafbewehrte Sorgfaltspflicht hätte indes ihrerseits dieselben Legitimationsprobleme zu bewältigen wie diejenigen abstrakten Gefährdungsdelikte, die sich nicht auf ein zugleich verletztes überindividuelles Rechtsgut berufen können. Der rechtgutsirrelevanten Pflichtwidrigkeit mangelt es nämlich ebenso wie der für Dritte ungefährlichen Brandstiftung nach § 306a I Nr. I StGB am materiellen Unrechtsgehalt; sie bleibt allein formaler Ungehorsam. Ein dies in Rechnung stellender Verzicht auf die Strafbarkeit in derartigen Fällen hätte wiederum Präventionsdefizite zur Folge und stellte damit die Tauglichkeit des Strafgesetzes als Garant für die Normeinhaltung und damit sich selbst in Frage. Um in jedem Fall ungenehmigten HandeIns zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung zu gelangen, bleibt mithin nur übrig, das Genehmigungsverfahren selbst als das schutzwürdige Rechtsgut zu begreifen, also nicht abstrakte Sicherheitsinteressen, sondern die Funktionsfähigkeit einer Zugangskontrolle zu gefahrlichen Handlungen in den Vordergrund zu rüken. Von der Normgestaltung her ist dies naheliegend. Wenn gerade das Fehlen der Genehmigung Tatbestandsmerkmal und damit gelegentlich das einzige, jedenfalls aber ein markantes von mehreren typisierenden Unrechtsmerkmalen ist, so ist es jedenfalls aus dem Regelungszusammenhang heraus sicherlich nicht abwegig, hierhinter auch das (mit-)betroffene Rechtsgut zu vermuten. 118 Ein Vergleich mit der strukturell ähnlichen, in Details jedoch differenzierenden Verhaltensnorm der Fahrlässigkeitsdelikte liefert einen weiteren Hinweis. Während dort Gegenstand des Unrechtsvorwurfs die Sorgfaltswidrigkeit in Gestalt unterlassener Prüfung oder unterlassener Minderung erkannter Risiken ist, entspricht dem hier die unterlassene Einholung der Genehmigung (bzw. die Nichtakzeptanz der wegen erkannter Gefährlichkeit genehmigungsversagenden Entscheidung). Anders Vgl. Brauer, S. 95 f. Für einzelne Tatbestände wird dies gelegentlich auch eingeräumt, vgl. Dölling, JZ 1985,466; Rengier, ZStW 101, 880 f.; ders., NJW 1990,2513 (flir § 327 StGB); dazu kritisch, aber wohl auf der mißverstandenen Inhomogenität der Vorschrift gegründet Ocker, S. 54 f. Teilweise wird ein derartiges Rechtsgut als durch die Handlung mitbetroffenes Interesse bezeichnet, vgl. Haaf, S. 251. Eindeutig ablehnend Rogall, NStZ 1992,564, der offenbar eine nicht zu rechtfertigende Gleichstellung mit den Hintergrundrechtsgütern befürchtet. 117

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als bei den Fahrlässigkeitsdelikten ist dabei jedoch die Risikoprüfung nicht subjektive Angelegenheit des Handelnden, sondern Aufgabe einer objektiven Instanz. Während dem Fahrlässigkeitstäter mithin vorgeworfen wird, er habe sein - objektiv gefährliches - Handeln nicht geprüft, ist dem ohne Genehmigung Handelnden anzulasten, daß er sein potentiell gefährliches Verhalten nicht hat prüfen lassen. Die Verobjektivierung der Risikoprüfung einerseits und der Verzicht auf eine konkrete Gefahrlichkeit andererseits deuten also darauf, daß die Prüfung (abweichend zu den Fahrlässigkeitsdelikten) ihrerseits als Wert zu begreifen ist. Gemeinhin entspricht es heutiger Auffassung, daß der Gesetzgeber den Genehmigungsvorgang jedenfalls dann zum schutzwürdigen Gut erheben kann, wenn sich aus der potentiellen Gefährlichkeit unkontrollierter Handlung für andere Rechtsgüter die kriminalpolitische Notwendigkeit einer Vorfeldstrafbarkeit ergibt und die Kontrolle durch die Verwaltungsbehörde als geeignete Gefahrenabwehrmaßnahme erscheint. lJ9 Insoweit decken sich straf- und verwaltungsrechtliches Begründungsmuster, weil die Gefahrlichkeit unkontrollierter Handlung ja bereits im Vorfeld möglicher strafrechtlicher Flankierung zunächst einmal die materielle Begründung für die Installation des Genehmigungsvorbehalts liefert,120 wobei allerdings klar ist, daß die verfassungsrechtlichen Schranken eines bloßen verwaltungsrechtlichen präventiven oder repressiven Verbots deutlich niedriger liegen als die seiner zusätzlichen Strafbewehrung. Insbesondere die Auswahl derjenigen im Gefährdungs- oder Schadensfall betroffen Güter, die zugleich zur Legitimation einer Strafbarkeit tauglich sind, ist vergleichsweise begrenzt. Beispielsweise ist die Ausübung eines Handwerks als stehendes Gewerbe ohne Eintragung in die Handwerksrolle nach §§ 117 I Nr. I, I I HandwO zwar ordnungswidrig und der entsprechende Zulassungsvorbehalt u. a. aus wettbewerbs-, markt- und ausbildungspolitischen Erwägungen heraus sicherlich begründbar. Auf der anderen Seite erschiene eine Strafbewehrung undenkbar, weil die genannten Interessen, soweit sie durch einen Verstoß überhaupt betroffen werden können, individuelle Rechtsgüter nicht einmal mittelbar einbeziehen.

119 Vgl. Claudius Marx, S. 137 f. Soweit Marx an späterer Stelle auf das "verwaltete Interesse" als Rechtsgut abstellt (S. 172), betrifft dies Fälle, in welchen er der Genehmigung ohnehin nur rechtfertigende Wirkung zubilligt. Dies wiederum gilt für Erfolgsdelikte, bei welchen die Strafwürdigkeit bereits oder gar nur durch den Erfolg eintritt, die also weitere Rechtsgüter schützen (S. 141 ff.). Allerdings ist die Argumentation von Marx für derartige Tatbestandskonstruktionen letztlich unklar: Um eine Durchlöcherung des Schutzes der "eigentlichen" Rechtsgüter zu verhindern, indem nur die "Behördenkontrolle im (erfolgs-)qualifizierten Fall" sanktioniert wird, soll das Vorliegen der Genehmigung nur noch rechtfertigend wirken. Wo jedoch dann der Unterschied zu dem "qualifizierten Verwaltungsungehorsam" liegt, der ebenfalls durch die Gefährdung weiterer Rechtsgüter überhaupt erst strafwürdig sein soll, gleichwohl aber auch die Behördenkontrolle als Rechtsgut und das Fehlen der Genehmigung als Tatbestandsmerkmal beinhaltet (S. 139 ff.), leuchtet nicht ein. Woraus Marx die jeweilige Rechtsgutsqualität herleitet, bleibt für beide Konstellationen offen; sie wird von ihm im Grunde vorausgesetzt und nicht abgeleitet, weshalb seine Differenzierung nicht überzeugt. 120 Vgl. Gusy, JA 1981,80 f.; Krüger, DÖV 1958,674 f.; Schwabe, JuS 1973, 134; Faber, S. 111 ff.

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3. Kapitel: Stratbarkeitsausschließende Behördenakte

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus Grad bzw. Häufigkeit der Gefahrdung im Falle unkontrolIierter Handlungsvornahme. Je eher und je größer dann der Schaden für das jeweilige Gut ist, desto eher ist neben einer verwaltungsrechtlichen Zugangskontrolle auch eine Strafbarkeit unkontrolIierten Verhaltens denkbar. Beispielsweise rechtfertigt es u. a. der Gesundheitsschutz, die Befugnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes an das Vorliegen einer Erlaubnis zu knüpfen (§§ 2 I, I I GaststättenG). Hingegen sind die möglichen Gesundheitsgefahren, etwa durch die Abgabe verdorbener Lebensmittel, durch eine präventive Kontrolle nur in beschränktem Ausmaße zu verhindern und zudem anderweitig strafrechtlich sanktioniert (§ 229 StGB, §§ 51 f. LMBG), so daß eine kausale Verknüpfung von fehlender Kontrolle und tatsächlicher Rechtsgütergefährdung höchst selten eintreten dürfte. Eine Stratbarkeit, die nur an den ungenehmigten Betrieb anknüpfte, wäre deshalb kaum zu legitimieren. Berücksichtigt man die oben herausgearbeiteten Minimalkriterien für legitime überindividuelle Rechtsgüter, also ihre Rückführbarkeit auf Individualinteressen und gesellschaftlicher Konsens über ihre Werthaltigkeit, so liegen diese zweifellos jedenfalls dann vor, wenn das Genehmigungserfordernis tatsächlich zur Abwehr ernsthafter gesundheitlicher oder individueller materieller Schäden notwendig und geeignet erscheint. Für diesen Fall geht es dann auch nicht mehr um die befürchtete Pönalisierung bloßen Verwaltungsungehorsams, sondern über die erzwungene Einhaltung von Verfahrensregularien materiell um den Schutz unbestreitbarer, anerkannter GüterP' Letzteres ist bei der Mehrzahl der in Frage kommenden Straftatbestände problemlos festzustellen. Der Genehmigungsvorbehalt hinsichtlich des Betriebs einer Apotheke (§§ I 11,23 ApothekenG) schützt die Bevölkerung vor den gesundheitlichen Gefahren unsachgemäßer Behandlung und Abgabe von Arzneimitteln. Die Erlaubnispflichten nach dem AWG dienen letztlich der Friedenssicherung und damit dem Schutz von Leben und Gesundheit wenn nicht der Bundesbürger, so doch in jedem Fall der Bewohner betroffener Regionen. 122 Einreiseund Aufenthaltserlaubnispflichten nach dem AuslG sollen auch die Sicherheit der Bundesbürger vor Kriminalität und gewaltsamer Austragung importierter politischer Konflikte gewährleisten. Die Vorschriften des AFG (§§ 227, 19 I AFG, ferner § 15 AÜG) dienen letztlich neben volkswirtschaftlichen Interessen auch dem Schutz der betroffenen Arbeitnehmer vor Ausbeutung. Problematisch dürften sich hingegen die Vorschriften der § 16 I a), I IV KulturgutSchG über die Stratbarkeit der ungenehmigten Ausfuhr von eingetragenen Kulturgütern darstellen, die allenfalls mühsam auf anerkennensfähige Individualinteressen wie die - zum Teil ohnehin nur theoretische - Verfügbarkeit kultureller Werte für Studien-, Unterichts- oder Besichtigungszwecke zurückführbar wäre. Diese Zweifel stellen allerdings weniger in Frage, daß das Genehmigungsverfahren auch insoweit als das relevante Schutzinteresse zu gelten hat, als vielmehr die Berechtigung des Gesetzgebers, eine derartige Pflichtverletzung unter Strafe (und nicht nur unter Bußgeldandrohung) zu stellen. Die Konzentration auf die Funktionsfahigkeit der Zugangskontrolle als schützenswertes Gut impliziert allerdings weiter, sich bei der Frage, welche Aspekte des 121 122

Vgl. von Rohr, S. 216 f. Zu den Rechtsgütern des § 34 AWG vgl. bei Trouet. FS-Krause. S. 414 ff.

A. H. Fehlen einer Genehmigung und Nonnwidrigkeit

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zunächst noch vagen, umfassenden Begriffs in den Vordergrund zu rücken sind, auf die verwaltungsrechtlichen Bewertungen einzulassen. Die Zugangskontrolle erfolgt in einem Verfahren, das durch bestimmte Regeln des formellen und materiellen Verwaltungsrechts beschrieben ist. Nur in dem durch sie gesteckten Rahmen entspricht das Verwaltungshandeln dem Recht, weshalb auch das Strafrecht sich gleichermaßen an diesen Regeln zu orientieren hat. Eine andere Ausrichtung strafrechtlicher Bewertungen trüge die Gefahr in sich, das Verwaltungsrecht zu überlagern, weil die strafrechtlichen Verhaltensanforderungen schon auf Grund ihres Durchsetzungspotentials gegenüber anderen Normen zwangsläufig jedenfalls faktisch dominieren. aa) Schutz der Entscheidung Dies bedeutet, daß wie im formellen Verwaltungsrecht nicht die Qualität eines Ergebnisses l23 im Sinne einer fehlerfreien Entscheidung über die Zulassung der potentiell gefährlichen Handlung unmittelbares Schutzobjekt sein kann. Ein falsches Ergebnis ist zwar vom materiellen Verwaltungsrecht her unerwünscht, wird jedoch vom formellen Recht akzeptiert. Unmittelbar geschützt kann daher nur das wertungsfrei betrachtete Ergebnis als solches, ob nun richtig oder falsch, sowie seine Herbeiführung, also der Entscheidungsprozeß sein. Natürlich profitiert die Qualität des Resultates mittelbar von dem Verfahren selbst. Ein optimal ausgestattetes und durchgeführtes Verfahren hat bessere Chancen, ein zutreffendes Verfahrensprodukt zu erzeugen als ein überhastetes, ungeeignetes oder sonst fehlerhaftes Verfahren. Ergebnisschutz in diesem wertungsfreien Sinne bedeutet daher nur, daß das Resultat des Genehmigungsprozesses als solches, unbeschadet der Möglichkeit, es im Rechtsmittelverfahren beseitigen zu lassen, vom Bürger zu akzeptieren ist. Hat die Behörde also die Genehmigung versagt, so ist die in Aussicht genommene Handlung, um deren Genehmigung nachgesucht wurde, zu unterlassen, und zwar unabhängig von der materiellrechtlichen Bewertung der Versagung solange, wie sie vom Verwaltungsrecht als existent betrachtet und nicht durch eine Genehmigung ersetzt wird. Diesen Aspekt des bloßen Entscheidungsschutzes vernachlässigt Samson, wenn er in den Fällen des Nichthandelns der Behörde oder der Untersagung trotz materiell-verwaltungsrechtlich unzulässigen Einschreitens oder bestehenden Erlaubnisanspruches eine Rechtsgutsverletzung des gleichwohl Handelnden verneint, weil die Behörde so ja eigentlich nicht hätte agieren dürfen. 124 Es geht eben nicht um die Dispositionsbefugnis über das zu verwaltende Medium, sondern um die Dispositionsmöglichkeit und -macht in einem geordneten Verfahren. Diese Reduktion des Schutzgutes auf die Gewährleistung der Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung im Kontrollverfahren ist auch vernünftig, entlastet sie 123 124

Claudius Marx, S. 138 f. Samson, JZ 1988,804.

172

3. Kapitel: Stratbarkeitsausschließende Behördenakte

doch die strafrechtliche Beurteilung von diffizilen, vom Normadressaten nicht immer nachvollziehbaren Bewertungsfragen aus dem materiellen Verwaltungsrecht. bb) Schutz des Verfahrens

Neben der Beachtung der Entscheidung ist die Einhaltung des Verfahrens durch den Bürger zu gewährleisten. Dieser darf sich der Zugangskontrolle nicht entziehen, indem er ohne sie handelt. Dazu gehört zumindest die Pflicht zur Information über das bevorstehende Handeln, und zwar selbst dann, wenn die Behörde mutmaßlich eine Genehmigung im Einzelfall gar nicht versagen dürfte, um der Behörde überhaupt eine Reaktion zu ermöglichen. Fehlende Information vereitelt nämlich einesteils die Chancen zur Überwachung und Rücknahme oder Modifizierung der Genehmigung bei veränderten Umständen, anderenteils erscheinen weitere Genehmigungsanträge möglicherweise in dem falschen Licht einer anderweitig bislang nicht in Anspruch genommenen, von der Behörde zu verwaltenden Ressource, was insbesondere bei Kumulationseffekten zulasten des eigentlichen Schutzgutes falsche Ergebnisse produzieren kann. 125 Es läge nahe, aus dem Schutz des Informationsanspruchs der Behörde auch einen Anspruch auf richtigen und vollständigen Tatsachenvortrag abzuleiten. Allerdings stünde dies in einem Spannungsverhältnis zur verwaltungsrechtlichen Regelung, die zwar ein Genehmigungsverfahren erfordert, in der Regel aber dessen falsches Ergebnis akzeptiert und dies in § 48 n 3 Nr. 2 VwVfG auch ausdrücklich auf erschlichene Genehmigungsakte bezieht. Zudem ist das Verwaltungsverfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht (§ 24 I VwVfG). Die Behörde ist also gehalten und in der Lage, den Vortrag des Antragstellers zu überprüfen. Von daher hieße es, mehr als das Verfahren selbst zu gewährleisten, würde man an sein Vorbringen weitergehende inhaltliche Anforderungen stellen. 126

6. Zusammenfassung

Damit sind die Umrisse eines Schutzgutes "Funktionsfähigkeit der Zugangskontrolle" deutlich: Geschützt sind die Einhaltung des vorgesehenen Verfahrens und die Geltung der verfahrensabschließenden Verwaltungsentscheidung, solange sie verwaltungsrechtlich wirkt. Legitim ist der strafrechtliche Schutz dieses Gutes dort, wo die Einhaltung des Genehmigungsverfahrens erhebliche potentielle Ge125 Selbst Samson. JZ 1988, 804, hält bei aller Kritik im übrigen das bloße Informationsinteresse der Behörde für schutzwürdig. 126 Hier geht es wohlgemerkt nicht um die Sonderfälle der §§ 330d Nr. 5 StGB. 34 VIII AWG und 16 IV CWÜAG, sondern um den Normalfall. der Stratbarkeit nur an das ungenehmigte Handeln anknüpft. Wo derartig weitergehende explizite Inhaltsanforderungen durch das Strafrecht gestellt werden, stellt sich nämlich auch die Rechtsgutsfrage unter einem völlig anderen Gesichtspunkt.

A. H. Fehlen einer Genehmigung und Normwidrigkeit

173

fahren für anerkannte individuelle oder überindividuelle Rechtsgüter regulierbar erscheinen läßt. Für das - insoweit nachhaltig umstrittene - Umweltstrafrecht wird die Richtigkeit der Auffassung, daß die Funktionsfähigkeit der Zugangskontrolle (einzig) relevantes Schutzgut der hier einschlägigen Delikte sein muß, zusätzlich durch einen Blick auf die Rechtswirklichkeit des Umweltschutzrechts gestützt. Wenn die qua Genehmigung legalisierten UmweItbelastungen die illegalen bei weitem übersteigen, wie nach den bisherigen empirischen Untersuchungen als gesichert gelten darf,127 so deutet dies darauf hin, daß weniger die ohnehin belastete Umwelt in ihrer Gesamtheit als vielmehr die Chance zur Regulierung des Zugangs zu den verbleibenden Ressourcen zu schützen ist. Die Funktionsfähigkeit der Zugangskontrolle kann als bestehender Wert noch mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg strafrechtlich konserviert werden, die Umweltmedien selber sind in ihrer Gesamtheit hingegen als "reine Umwelt" eine Fiktion und wären allenfalls hinsichtlich des ihnen verbliebenen Restbestandes mit strafrechtlichen Mitteln erhaltbar. Aber auch dieser Restbestand läßt sich nur über die in einer komplexen Industriegesellschaft unumgänglichen Belastungen definieren, ist also bereits begrifflich von dem Verwaltungsverfahren zur Feststellung des zulässigen Gebrauchs abhängig. Wenn der Gesetzgeber - im Rahmen des ihm von Verfassung wegen Erlaubten ein Handeln ohne Genehmigung unter Strafe stellt, so sanktioniert er damit weder bloßen Ungehorsam noch die unmittelbare Gefährdung der Rechtsgüter, die zu bewahren die Genehmigungspflicht statuiert wurde, sondern den Angriff auf die Funktionsfähigkeit der Zugangskontrolle zu einer potentiell gefährlichen Handlung. Die oben abgeleitete Fassung der Verhaltensnorm als relative Verbotsnorm fügt sich dem nahtlos ein, weil sie den Bürger verpflichtet, das Genehmigungsverfahren einzuhalten und ein etwaiges negatives Ergebnis zu respektieren. Umgekehrt handelt von vorneherein nicht normwidrig, wer eine wirksame, ordnungsgemäße und im vorgesehenen Verfahren erteilte Genehmigung vorweisen kann. Er hat genau das getan, was die Verhaltensnorm von ihm verlangt. Zur Verbotsmaterie gehört damit nicht das Handeln an sich, sondern nur das Handeln ohne Genehmigung. Das Fehlen der Genehmigung stellt sich als konstitutives Merkmal des verbotenen Verhaltens und gerade nicht als negative Bedingung der VerbotsgeItung dar, weshalb es - weil Merkmal der Norm - zwingend als Tatbestandsmerkmal und die Genehmigung andererseits nicht als der Konkretisierung der Norm zur Pflicht entgegenstehender Rechtfertigungsgrund anzusehen ist.

127 So der Befund von Hümbs-KruschelKrusche, ZRP 1984,63; entsprechende Äußerungen bei Heine. ZUR 1995. 67 f .. ders .. Verwaltungsakzessorietät, S. 55 f.; Rademacher, S. 3.

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3. Kapitel : Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

IH. Normwidrigkeit und unbefugtes Handeln

Einige Strafgesetze sanktionieren nicht ausdrücklich ungenehmigtes, sondern "unbefugtes,,128 oder "rechtswidriges,,129 Handeln. Die einfache Übertragung der soeben entwickelten Gedanken auf derartige Delikte stößt schon deshalb auf Vorbehalte, weil der Kreis möglicher "Befugnisse" oder "Rechte" grundsätzlich nicht auf die behördliche Genehmigung beschränkbar ist. "Unbefugt" wird unter Berufung auf eine Passage in der Begründung des Entwurfs zum EGStGB I30 oft und pauschal als allgemeines Rechtswidrigkeitsmerkmal verstanden. 131 Indes wollte der Gesetzgeber, liest man die zitierte Stelle der Entwurfsbegründung im Zusammenhang, augenscheinlich die Interpretation für alle dogmatisch nur denkbaren Möglichkeiten zur Herleitung von Straflosigkeit offenhalten. 132 Deshalb kann eine Einstufung als Rechtswidrigkeitsmerkmal allenfalls für einige Delikte des Kernstrafrechts l33 gelten, bei welchen ein befugtes Handeln als von der Rechtsordnung gebilligtes Vorgehen auf besondere, untypische Konstellationen wie die Einwilligung des Verletzten, anderweitig gesetzlich geregelte Ausnahmen, Notwehr- und Notstandssituationen beschränkt ist. Hingegen würde wohl h~ute niemand mehr auf die Idee kommen, "unbefugt" beispielsweise bei § 107a StGB nicht als Tatbestandsmerkmal anzusehen,134 weil sonst nämlich bereits das Wahlen selbst den Tatbestand erfüllte und dann typisches Unrecht darstellte; in einer Demokratie ein untragbares Ergebnis. Ähnliche Tatbestandsstrukturen, bei denen das Handeln ohne das ergänzende Merkmal der fehlenden Befugnis einen alltäglichen und in keiner Weise negativ bewerteten oder rechtsgüterbeeinträchtigenden Vorgang darstellt, finden sich in den §§ 132, 132a, 263a und 290 128 Vgl. §§ 324, 326 I StGB. 129 Z. B. § 304 StGB. E-EGStGB, BT-Drucksache 7/550, S. 236. Vgl. Dahs, NStZ 86,101 f.; Perschke, Wistra 1996, 162; ferner zu einzelnen Vorschriften: zu § 201 Tröndle, Rd.-Nr. 7 i.V.m. Rd.-Nr. 27 zu § 203 StGB; SK-StGB-Samson, Rd.Nr. 23 ; zu § 203 Tröndle, Rd.-Nr. 27; SK-StGB-Samson, Rd.-Nr. 36; zu § 324 StGB Tröndle, Rd.-Nr. 7; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, Rd.-Nr. 30; LK-Steindorf, Rd.-Nr. 72 f.; Schönke/Schröder-Cramer, Rd.-Nr. 11; SZDK, Rd.-Nr. 11; 1iedemann, Umweltstrafrecht, S. 15; zu § 353b Tröndle, Rd.-Nr. 12. 132 Vgl. dazu auch Trifterer, S. 84 ff., 88; Won, S. 27 f.; Erdt, S. 63 ff. Der Text des Entwurfs lautet an dieser Stelle wie folgt: "Der Entwurf verwendet deshalb .. . das umfassende Merkmal 'unbefugt' als Hinweis darauf, daß nach einschlägigen gesetzlichen Regelungen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu prüfen ist, ob das im übrigen tatbestandsmäßige Verhalten straflos ist. Die Abgrenzung, unter welchen Voraussetzungen dies im einzelnen zu bejahen ist, wird ... damit der Rechtsprechung überlassen, der auch die Aufgabe zufällt, nach den besonderen Umständen des Falles zu entscheiden, ob das Handeln als nicht tatbestandsmäßig oder zumindest als gerechtfertigt oder als entschuldigt anzusehen ist." (Hervorhebungen von mir). 133 Z. B. §§ 127,201 ff., 353b, 355 StGB. 134 Vgl. Tröndle, Rd.-Nr. 2 zu § 107a StGB; Gall, S. 7; LK(lI)-Laujhütte, Rd.-Nr. 2 f. zu § 107a StGB; SK-StGB-Rudolphi, Rd.-Nr. 4 zu § 107a StGB. 130 131

A. III. Normwidrigkeit und unbefugtes Handeln

175

StGB. 135 Begreift man den Tatbestand aber als typisiertes Unrecht,136 so wird es sich mindestens in den Fällen, in welchen befugtes Handeln eine ausdrücklich vorgesehene und prinzipiell für jedermann zugängliche Handlungsweise darstellt, verbieten, das Handeln an sich bereits als regelmäßig tatbestandserfüllend aufzufassen, weil es eben nicht grundsätzlich rechtswidrig sein kann, einen Titel zu führen (§ 132a I Nr. 1 StGB) oder zu wählen (§ 107a StGB). Genau dies wäre aber indiziert, überließe man "unbefugt" lediglich die Funktion eines allgemeinen, nicht zum Garantietatbestand gehörenden Rechtswidrigkeitsmerkmals. In diesen Fällen bedarf es der fehlenden Befugnis des Taters als zusätzliches Merkmal des Tatbestands, um eine typische Unrechtshandlung zu beschreiben. 137 Der einfache Schluß, wenn der Gesetzgeber statt der Formel "ohne die erforderliche Genehmigung / Erlaubnis" das Wort "unbefugt" verwende, sei die fehlende Befugnis nicht Tatbestandsmerkmal, dürfte aus diesen Erwägungen heraus zu sehr an Äußerlichkeiten verhaften 138 und in dieser Form keineswegs ausnahmslos zutreffen. 139 Im Prinzip muß dasselbe für das Merkmal "rechtswidrig" gelten. Daß es sich hierbei nur um einen Hinweis auf Rechtfertigungsmöglichkeiten handelt, ist jedenfalls dann nicht die einzig denkbare Interpretation, wenn - wie bei dem unter Denkmalschutz gestellten, gegen Zerstörung durch § 304 StGB geschützten Haus zum typischen Unrechtsgehalt das Handeln entgegen dem Willen der (im Beispiel: Denkmalschutz-)Behörde als Sachwalter des jeweiligen Rechtsguts gehört. In solchen Situationen, wo die (im Beispiel: Abriß-)Genehmigung einen dem Einverständnis verwandten Charakter hat, liegt es vielmehr nahe, sie dann auch bereits als tatbestandsausschließend zu werten. Es ist somit eine differenzierte Betrachtung dahingehend erforderlich, welche Regelungsmaterie vom jeweiligen Strafgesetz sanktioniert wird, um die Funktion des Merkmals "unbefugt" bzw. ,,rechtswidrig" im Einzelfall zu bestimmen. Wo es nach dem Zusammenhang mit dem materiellen Verwaltungsrecht in der Sache als "ohne (grundsätzlich mögliche und gesetzlich vorgesehene) Genehmigung" ver135 Die h. M. begreift "unbefugt" daher bei diesen Tatbeständen insoweit konsequent als Tatbestandsmerkmal, oftmals ohne ausdrückliche Erwähnung, vgl. nur beispielhaft Tröndle. Rd.-Nr. 4; Lackner; Rd.-Nr. 5; SchönkeISchröder-Cramer; Rd.-Nr. 3. 8, jeweils zu § 132 StGB; GoU. S. 7 f. 136 Mißverständlich insoweit Kuhlen. WiVerw 1991, 190, wenn er (zu § 324 StGB) meint, daß ein Verhalten einen Straftatbestand erfülle, sei noch nicht mit einer (definitiven) rechtlichen Bewertung dieses Verhaltens verbunden. In der Tat fehlt es an dem endgültigen Unwerturteil, gleichwohl besagt die Tatbestandlichkeit eben mehr als den Befund einer Wertneutralität, nämlich die - wenn auch noch unter Vorbehalt stehende, aber regelmäßig doch endgültig zutreffende - Abqualifizierung als Unwert. 137 GoU. S. 7

138

Wimmer; JZ 1993, 68.

So aber, allerdings auch ohne nähere Begründung, z. B. HübeneIl. S. 43; Scheele. S. 103. Nach den amtlichen Gesetzgebungstechnischen Leitsätzen liegt eine solche Auslegung zwar nahe, ist aber - in Anbetracht vieler älterer Tatbestände - nicht zwingend, vgl. Kast. S. 12. 139

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

standen werden muß, liegt kein klassisches absolutes Verbot, sondern eine relative Verbotsnorm im oben geschilderten Sinne zugrunde. 140 Nicht die Handlung an sich ist dann typischerweise Unrecht, sondern nur die ungenehmigte Handlung. In diesen Fällen muß "unbefugt" stets als Tatbestandsmerkmal begriffen werden. Hingegen wäre eine Funktion als Rechtswidrigkeitsmerkmal dann anzunehmen, wenn sich eine fragliche Befugnis zur umschriebenen Handlung auf Erlaubnissätze außerhalb des jeweiligen materiell-verwaltungsrechtlichen Regelungszusammenhanges, insbesondere auf Fälle von Pflichtenkollisionen oder notstandsähnlichen Ausnahmesituationen, beschränkt. Goll und für § 324 StGB auch Winkelbauer wollen bei einer unzureichenden Unrechtsbeschreibung durch den Resttatbestand dem Merkmal "unbefugt" darüber hinaus eine Doppelfunktion zumessen. Im Hinblick auf die fehlende Genehmigung wäre es danach Tatbestands-, im übrigen aber Rechtswidrigkeitsmerkmal. 141 Ob dies überall und gerade bei § 324 StGB mit seiner relativ einfachen Struktur sinnvoll ist, erscheint indes mehr als zweifelhaft. Die Hinweisfunktion eines Rechtswidrigkeitsmerkmals ist durch das Verständnis desselben Merkmals als Tatbestandsmerkmal hinsichtlich der einschlägigen Erlaubnissätze der jeweiligen Regelungsmaterie im Grunde obsolet geworden. Der Hinweis kann sich dann nämlich allenfalls noch auf allgemeine Rechtfertigungsgründe wie Notwehr oder Notstand beziehen; schon die (private) Einwilligung ist durch den öffentlich-rechtlichen Zugangsvorbehalt ausgeschlossen. Anderweitige (öffentlich-rechtliche) Erlaubnisse hingegen enthalten entweder inhaltlich auch die vorgesehene - tatbestandsausschließende - Genehmigung l42 oder sind insoweit irrelevant. 143 Ein solchermaßen inhaltsleer gewordener Hinweis ist aber - weil irreführend - eher schädlich als nutzbringend und jedenfalls unnötig; nicht umsonst fehlt er bei allen Strafvorschriften, wo, etwa bei den Tötungsdelikten, eine über Notwehr und Notstand hinausgehende Rechtfertigung allenfalls noch in atypischen Extremfällen in Betracht kommt. Zudem macht eine Doppelfunktion eines Merkmals das Delikt für Anwender wie Betroffene nicht gerade verständlicher. Allein dann, wenn eine Strafvorschrift wie § 304 StGB eine ganze Reihe unterschiedlicher Tathandlungen nennt, bei welchen eine Vielzahl strafbarkeitsausschließender Befugnisse denkbar erscheint, mag ein genereller Hinweis auf Tatbestandsausschließungs- oder Rechtfertigungsgründe und somit eine Doppelfunktion von Merkmalen wie "unbefugt" oder "rechtswidrig" sinnvoll sein. 140 Ebenso Winke/bauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 17; nach Kast. S. 12, ist die Verwendung des Merkmals in derartigen Fällen vom Gesetzgeber künftig zu unterlassen. 141 Goll. S. 8; Winke/bauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 24. 142 Vgl. § 19 f. I WHG, der für das Zusammentreffen von Genehmigungserfordernissen nach dem GerSiG oder nach bergrechtlichen Vorschriften mit dem wasserrechtlichen Erlaubnisvorbehalt bestimmt, daß die jeweilige andere Behörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde auch über die wasserrechtliche Genehmigung entscheidet. 143 Vgl. etwa § la III WHG, der dem Erlaubnisvorbehalt nach dem Wasserrecht Vorrang vor dem Eigentumsrecht einräumt.

A. 111. Normwidrigkeit und unbefugtes Handeln

177

Mit diesen Erwägungen wird man bei § 324 StGB im Hinblick auf die umfänglichen Erlaubnis- und Bewilligungsmöglichkeiten auch für das Verunreinigen und nachteilige Verändern eines Gewässers durch das Wasserrecht (§§ 7. 8. 15. 17 WHG) eine relative Verbotsnorm anzunehmen haben. 144 "unbefugt" daher als "ohne Genehmigung"145 und somit als Tatbestandsmerkmal verstehen müssen. 146 Rechtsgut ist damit nicht mehr unmittelbar das Gewässer. sondern die Wahrung der Bewirtschaftungsfahigkeit durch die Wasserbehörde als vorgelagertes Zwischenrechtsgut. wodurch das Rechtsgut "Gewässer" bereits im Vorfeld Schutz genießt. Bei § 326 I StGB andererseits sind die Fälle vorhandener Genehmigungen bereits durch die Formulierung "außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren" als nicht tatbestandlich gekennzeichnet. Die übrigbleibenden Fälle einer Befugnis dürften sich auf die klassischen Rechtfertigungsgründe der §§ 32. 34 StGB beschränken. so daß hier "unbefugt" in der Tat als bloßes Rechtswidrigkeitsmerkmal zu begreifen ist. 147 144 Wobei allerdings zu beachten ist. daß neben der Tathandlung der ungenehmigten Benutzung des Gewässers im Sinne von § 3 WHG auch der Erfolg der nachteiligen Veränderung der Gewässereigenschaft bzw. der Verunreinigung als zusätzliches. originär strafrechtliches Merkmal zum Tatbestand zählt und dessen Anwendung auf die strafwürdigen Fälle ungenehmigter Benutzung reduziert. 145 So weist schon Schall, NJW 1990. 1266. zutreffend darauf hin. daß der Gesetzgeber genauso gut die Fassung "ohne die erforderliche Erlaubnis oder Bewilligung" hätte wählen können. 146 Anders freilich die h. M .• vgl. Baumann/Weber/Mitsch. Strafrecht AT. § 17. Rd.Nr. 126; Tröndle, Rd.-Nr. 7 zu § 324 StGB; Gieseke/Wiedemann/Czychowski. Rd.-Nr. 30 zu § 324 StGB; Lackner, Rd.-Nr. 8 f. zu § 324 StGB; Schönke/Schröder-Cramer, Rd.-Nr. 14 vor § 324 StGB; Sack, Umweltschutz-Strafrecht. Rd.-Nr. 60 ff. zu § 324 StGB; Bickel. ZfW 1979. 140. 146; Breuer, NJW 1988.2079; Dahs, NStZ 1986. 102; Dahs/Pape. NStZ 1988. 393; Dölling. JZ 1985. 468. Englisch, S. 2 f .• Ensenbach. S. 29; Fischer / Leirer, ZfW 1996. 349 f.; Rainer Frank, S. 4 ff.; Franzheim. Umweltstrafrecht. S. 9. 15; ders .• ZfW 1985. S. 145; Gentzcke. S. 135 ff .• 138; Heine. ÖJZ 1991.371; Hübenett. S. 19.151; Kareklas. S. 122; Kindhäuser, FS-Helmrich. S. 982; Kloepjer /Vierhaus. Rd.-Nr. 90; Otto. Jura 1995. 142; Papier, Gewässerverunreinigung. S. 13.29; ders., NuR 1986.3; Perschke. Wistra 1996. 162; Rademacher, S. 5. 13 ff.; Randelzhojer/Wilke. S. 20 ff.; Rengier, NJW 1990.2508; Rudo/phi, ZfW 1982.201 ff .• ders., FS-Dünnebier. S. 563; Schmitz. S. 25 ff.; Scheele, S. 32. 104; Schuck, MDR 1986.811 f.; Schünemann. Wistra 1986.238; Seier, JA 1985.24; SZDK. Rd.-Nr. 11 zu § 324 StGB; 1iedemann/Kindhäuser, NStZ 1988.342 f.; Wasmuth/Koch. NJW 1990.2435; Won. S. 28 f.; Zeitler, S. 133 ff.; OLG Braunschweig. ZfW 1991.52.61; OLG Frankfurt/M., NStZ 1987.508.510 = MDR 1988. 160. 161; OLG Saarbrücken. NJW 1991.3045.3046; ferner LK-Steindorf, Rd.-Nr. 72 f. unter Hinweis auf die Begründung im E-l. UKG. BT-Drucksache 8/2382. S. 14. wo jedoch mit der Sozialadäquanz auch eine üblicherweise tatbestandsausschließende Befugnis aufgezählt ist; zweifelnd Trifterer, S. 88 ff. Eine völlig andere Auffassung hat unlängst Erdt. S. 127 ff .• entwickelt. wonach das Fehlen der Befugnis nur objektive Bedingung der Strafbarkeit sein soll. Dies hätte indes die untragbare Konsequenz. dass der Genehmigungsinhaber weiterhin strafrechtswidrig. zugleich aber verwaltungsrechtlich in jeder Hinsicht rechtmäßig handelte. Eine Tatbestandslösung vertreten Bergmann, S. 234 ff.; Frisch, S. 37 ff.; Nisipeanu. ZfW 1990.379; LG Bonn. NStZ 1988.224.225; wohl auch Kühne, NJW 1991.3020. Schünemann, Wistra 1986. 238. will der Ausuferung des Tatbestands bei einer Rechtfertigungslösung durch einen Verweis auf die - mittlerweile allerdings weitgehend abgelehnte - Lehre vom Gesamttatbestand (vgl. dazu näher bei Jescheck/Weigend. Strafrecht AT. S. 249 ff.) begegnen. 12 Heghmanns

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen

Bislang war auf der Basis einer grundsätzlichen Identität verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Verbotsmaterie die skizzierte Struktur der Verhaltensnorm abgeleitet worden. Allerdings ist die tatbestandsausschließende Wirkung der (fehlerfreien) Genehmigung wie bereits angedeutet in der strafrechtlichen Diskussion keineswegs unbestritten. 148 Vielmehr wird überwiegend, wenn auch mit unterschiedlichen Erwägungen, mindestens für Teilbereiche, und dabei vor allem am Beispiel des § 324 StGB, eine Rechtfertigung diskutiert. 149 Nach der hier vertretenen einheitlichen Lösung für Delikte gegen Handeln ohne Genehmigung sind die vorgetragenen Bedenken jedoch zum Teil auch für andere Tatbestände bedeutsam. Im übrigen ist die Einordnung im Verbrechensaufbau entgegen der Auffassung von RUdolphi 15o keineswegs nur von akademischem Interesse oder gar, wie Otto 151 mutmaßt, zufälliges Produkt gesetzgeberischer Formulierungskunst und als solches folgenlos: Abgesehen von Konsequenzen bei Irrtumsfällen 152 wäre es im Hinblick auf die Garantiefunktion des Tatbestandes problematisch, den Gedanken des Rechtsmißbrauchs auf Tatbestandsebene nutzbar zu machen, wollte man dem Täter eine Berufung auf von ihm verursachte fehlerhafte Genehmigungen abschneiden. Auch Auswirkungen auf die Amtsträgerstrafbarkeit lassen sich kaum leugnen. 153

147 Hier ebenso die h. M., vgl. Tröndle, Rd.-Nr. 10; Ladener; Rd.-Nr. 11, Sack., Umweltschutz-Strafrecht, Rd.-Nr. 243, jeweils zu § 326 StGB; Englisch, S. 2 f.; Gradl, S. 15,61 f.; Kuhlen, WiVerw 1992,217; Perschke, Wistra 1996, 162; Rogall, NStZ 1992, 563; Trifterer; S. 205; Wessei, S. 41; undeutlich noch bei BGH Wistra 1994, 101, 103, während BGH Wistra 1997, 147, 149 eine Genehmigung offenbar als Rechtfertigung ansehen will; differenzierend auch hier Winkelbauer; VerwaItungsakzessorietät, S. 25 f.; und wohl auch Frisch, S. 36; eine Doppelfunktion wird von SchönkeISchröder-Lenckner; Rd.-Nr. 16 zu § 326 StGB, vertreten. 148 Im Ergebnis wie hier - soweit ersichtlich - bislang nur Hundt, S. 105, jedoch ausgehend von dem bedenklichen Ansatz, auch jegliche Einwilligung schließe den Tatbestand aus; Genehmigung und Einwilligung seien aber strukturell gleich. 149 Hallwaß, Behördliche Duldung, S. 98 ff.; für repressive Verbote Winkelbauer; Verwaltungsakzessorietät, S. 20,; Scheele, S. 31; und ohne nähere Begründung Laufhütte / Möhrenschlager; ZStW 92, 931; Horn, NJW 1981, I ff., jedoch für Strafausschluß nunmehr in UPR 1983, 365 f.; zum Merkmal unbefugten Handeins ferner die bei Fn. 146 Erwähnten. 150 Rudolphi, DVBI. 1986,302; ähnlich äußern sich Breuer; NJW 1988,2079, der die dem Grunde nach erfolgende Kriminalisierung auch erlaubter Tätigkeit als bloßen ,juristischen Schönheitsfehler" abtut; ferner DahslRedeker; DVBI. 1988,805. 151 Otto, Jura 1991,313. 152 So wäre etwa im Falle irrtümlicher Annahme einer fehlenden Genehmigung bei einer Tatbestandslösung ein untauglicher Versuch anzunehmen. Billigt man der Genehmigung hingegen bloße Rechtfertigungswirkung zu, käme etwa die Rspr. zur Strafbarkeit wegen Vollendung, vgl. BGHSt 2, 111, 114 f.; ebenso Tröndle, Rd.-Nr. 14 zu § 32 StGB; Alwart, GA 1983, 454 f. Zu der umstrittenen Behandlung fehlender subjektiver Rechtfertigungselemente vgl. im übrigen näher die Darstellung bei SchönkeISchröder-Lenckner; Rd.-Nr. 15 vor § 32 StGB; SK-StGB-Samson, Rd.-Nr. 41 ff. vor § 32 StGB; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, S. 328 ff., jeweils m. w. N.

A. IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen

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1. Bloßes Kontrollanliegen oder materielles Strafunrecht - Ostendorf

Für Ostendorf ist die rechtmäßige lS4 Genehmigung offenbar in jedem Fall nur rechtfertigend, weil ansonsten mit dem bloßen Verstoß gegen ein Kontrollanliegen kein materielles Strafunrecht unter Strafe gestellt wäre. ISS Dies unterstellt, ließe sich allerdings schon die Existenz einer Strafvorschrift in Ennangelung jeden strafwürdigen Unrechts nicht mehr legitimieren; das Problem einer Einordnung der fehlenden Genehmigung im Verbrechensaufbau stellte sich gar nicht erst. Enthält ein Tatbestand hingegen bereits (weitere) Unrechtsmerkmale, so kann die Beschränkung der Strafbarkeit auf ungenehmigtes Verhalten auch dann im Tatbestand stattfinden, wenn die Umgehung der staatlichen Kontrolle alleine nicht unrechtsbegründend wäre. Das Merkmal fehlender Genehmigung diente dann ja nicht mehr der Konstituierung, sondern der Begrenzung strafwürdigen Unrechts; in dieser Eigenschaft wäre es sicherlich unbedenklich. Im übrigen ist die Strafbarkeit der ungenehmigten Handlung jedenfalls dann legitim, wenn bereits die unkontrollierte Handlung ein so hinreichend hohes Gefahrpotential aufweist, daß ein vorgelagerter Rechtsgüterschutz unumgänglich erscheint. Solange diese Voraussetzungen vorliegen, ist mit dem Angriff auf die Funktionsfähigkeit der Zugangskontrolle - wie gezeigt - materielles Unrecht eigener Art verwirklicht, Ostendorfs Einwand damit gegenstandslos.

2. Genehmigung als typischerweise rechtfertigende Interessenabwägung - Goldmann, Rudolphi und andere

Goldmann hat in seiner lange zu Unrecht unbeachtet gebliebenen Dissertation lS6 eine differenzierte Einordnung ebenfalls auf der Basis der Nonnentheorie unternommen, wobei er die Genehmigung jeweils dort als Rechtfertigungsgrund ansieht, wo Kriterien der Erforderlichkeit oder Angemessenheit im Rahmen einer Gegenwertung ein abstrakt-generelles Handlungsverbot strafrechtlich irrelevant werden lassen. 1S7 Während die Herausnahme bestimmter Handlungen oder Personen aus einer Verbotsmaterie durch den Gesetzgeber auf Grund einer generalisierenden Wertabwägung erfolge, sei es analog zu allen übrigen Rechtfertigungsgrün153 Vgl. Kühne. NJW 1991,3020; Rengier, NJW 1990,2509 f.; Erdt, S. 19 f. Bei nur rechtfertigender Genehmigung läßt sich eine Strafbarkeit im Falle rechtswidriger Genehmigungserteilung zwangloser ableiten als bei einer Tatbestandslösung, wo die Rechtsgutsbeeinträchtigung bestreitbar sein könnte. 154 Die rechtswidrige Genehmigung soll hingegen über die Sozialadäquanz des auf sie gestützten Verhaltens sogar zum Tatbestandsausschluß führen, vgl. Ostendorf, JZ 1981, 174 f., ein im höchsten Maße widersprüchliches Resultat. 155 Ostendorf, JZ 1981, S. 168 (dort Fn. 51). 156 Die behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund, Freiburg I Brsg. 1967. 157 Goldmann. S. 75 ff.

12"

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

den Charakteristikum der Genehmigung, daß sie nicht auf Grund allgemeiner Kriterien, sondern einer Einzelabwägung die Verpflichtungs grenzen des Verbots abstecke. 158 Mit dieser Überlegung ordnet Goldmann allerdings sämtliches monopolwidriges 159, marktordnungswidriges!60 wegen potentieller Gefährlichkeit überwachungsbedürftiges 161 sowie riskant-sozialnützliches Verhalten 162 dem Kreis der Delikte zu, deren Unwert sich bereits abstrakt erst durch das Fehlen der Genehmigung ergebe. Das Verhalten sei hier nicht grundsätzlich als sozial unerträglich bewertet und könne daher nicht als solches generell verboten sein. 163 Im Unterschied dazu sollen die Genehmigungen nach' § 367 I Nr. 8, 11 a. F. StGB,I64 aber auch die Erlaubnis zur Ausfuhr eingetragenen Kulturguts lediglich rechtfertigend wirken. 165 Diese Differenzierung überzeugt freilich nicht, weil sie eine generelle Trennbarkeit sozialnützlichen und sozialschädlichen Verhaltens voraussetzt, die wie gezeigt künstlich wäre und sich nicht konsequent durchhalten läßt, wie schon Goldmanns Beispiele zeigen. 166 Es wäre stattdessen auf seiner Grundlage konsequenter gewesen, der Genehmigung als Einzelfallabwägung divergierender Interessen generell nur rechtfertigenden Stellenwert einzuräumen.

Diesen Schritt ist Rudolphi gegangen, der in der behördlichen Erlaubnis einen Anwendungsfall des allgemeinen Rechtfertigungsprinzips des überwiegenden Interesses sieht,167 weil die Verwaltungsbehörde bei ihrer Entscheidung zwischen Umwelt- und Nutzerinteressen abzuwägen habe. 168 Seine Argumentation betrifft unmittelbar zwar nur § 324 StGB, gleichwohl ist sie auf andere Genehmigungen zwanglos übertragbar,169 die ja in aller Regel ebenfalls einen Interessenausgleich Vgl. Goldmann. S. 68 ff., 72. Etwa unerlaubte Arbeitsvermittlung, vgl. Goldmann. S. 84 f. 160 Z. B. Außenhandelswirtschaftsverstöße nach § 34 AWG, vgl. Goldmann. S. 90 ff. 161 Etwa Betreiben von Bankgeschäften. Gewerbebetrieben, vgl. Goldmann. S. 92 ff. 162 So Waffenbesitz. Kriegswaffenhandel, Handel mit Betäubungsmitteln. vgl. Goldmann. S. 98 ff. 163 Goldmann. S. 102. 164 Unerlaubtes Anlegen von Selbstschußanlagen (nach Wegfall der Privilegierung jetzt strafbar nach §§ 28.53 III Nr. I a WaffG) oder Schießen an bewohnten Orten und Abbrennen von Feuerwerkskörpern (ähnlich jetzt die Ordnungswidrigkeit nach §§ 45 I. 55 I Nr. 25 WaffG). das Halten gefährlicher Tiere (heute § 121 OWiG. der jedoch anders strukturiert ist). 16S Vgl. Goldmann. S. 128 ff .. 241 f. 166 Es ist schlicht nicht einzusehen. daß der Handel mit Kriegswaffen generell sozial nützlieh. das Abbrennen von Feuerwerkskörpern aber stets sozial schädlich sein soll. 167 Vgl. zur Systematik der Rechtfertigungsgründe insoweit Baumann/Weber/ Mitsch. Strafrecht AT. § 16. Rd.-Nr. 50 ff.; Jescheck/Weigend. Strafrecht AT. S. 325 f.; Roxin. Strafrecht AT I. § 14. Rd.-Nr. 39 ff. 168 Rudolphi. ZfW 82. 201. ders. NStZ 1984. 196; ebenso Hübenett. S. 53; Schmitz. S. 27 ff.; Scheele. S. 30 ff.; Won. S. 41 ff. 169 Rudolphi. NStZ 1984.253. billigt konsequenterweise daher auch der Genehmigung im Rahmen des § 325 I. IV StGB (a. F.) im Gegensatz zur h. M .. die eine Tatbestandslösung vertritt. nur rechtfertigende Bedeutung zu. IS8

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A. IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen

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zwischen Nutzer und öffentlichen oder privaten Rechten Dritter vorzunehmen suchen. Differenzierend fragt Winkelbauer - unter Aufgabe seiner ursprünglichen Auffassung, es käme auf den jeweiligen (präventiven oder repressiven) Verbotscharakter der Verwaltungsrechtsnorm an 170 - nach einer Rechtsgutsbeeinträchtigung. Tangiert das genehmigte Verhalten immer noch das geschützte Rechtsgut, so rechtfertigt die fehlerfreie Genehmigung, während sie dort bereits den Tatbestand ausschließt, wo das Verhalten rechtsgutsirrelevant iSt. 171 Winkelbauers Argumentation ähnelt dabei hinsichtlich der letztgenannten Gruppe der hier vertretenen Auffassung, wonach der Tatbestand ohne Einengung durch das Merkmal der fehlenden Genehmigung zu weit ge faßt wäre. Hinsichtlich der rechtfertigenden Genehmigungen bezieht er sich zur Begründung wie Goldmann, Rudolphi und jüngst auch Heider auf Paralellen zur Interessenabwägung im Rahmen des Notstandes. 172 Allerdings ist der Schluß, weil die Genehmigung wie Notwehr und Notstand den Schutz des Rechtsguts gegenüber vorrangigen subjektiven Interessen zurücktreten lasse, sei auch sie (nur) rechtfertigend, keineswegs zwingend. Denn abwägende Interessenentscheidungen des Gesetzgebers findet man nicht nur auf Rechtfertigungs-, sondern in ähnlicher Weise schon auf Tatbestandsebene. Indem nämlich hier überhaupt nur bestimmte Angriffe auf Rechtsgüter deskriptiv genannt werden, findet bereits eine Grenzziehung zwischen geschütztem Rechtsgut und Handlungsfreiheit des Rechtsgutsverletzers statt, die ebenso wie die Notstandsregeln auf der Abwägung des Gesetzgebers zwischen bedrohtem Rechtsgut und zu seinem Schutz in Anspruch genommenem Gut (hier jedenfalls die Handlungsfreiheit) beruht. So ist der Eigentums- und Besitzschutz bekanntlich nicht umfassend, vielmehr sind einfache Besitzentziehung oder fahrlässige Sachbeschädigung schon nicht tatbestandsmäßig. 173 Der Einwand, derartige Abwägungen seien generalisierend erfolgt, während die Genehmigung im Einzelfall und damit wie eine typische Rechtfertigung singulär wirke, 174 verkennt demgegenüber, daß auch die Abhängigkeit des Nichtverbotenseins von der Genehmigung eine allgemeine Dimension aufweist. Nicht nur das singuläre Verhalten ist wegen einer Genehmigung erlaubt, sondern jedes genehmigte Verhalten fcillt gar nicht erst unter die Verbotsmaterie. Die Grenzziehung zwischen verbotenem (ungenehmigten) und unverbotenem (genehmigtem) Handeln ist zwar nun in tatsächlicher Hinsicht auch von einer Abwägung abhängig, die sich aber völlig wertungsfrei in der realen Existenz oder NichtSo noch Winkelbauer. VelWaltungsakzessorietät, S. 20 ff. Winkelbauer. NStZ 1988, 203. 172 Vgl. Winkelbauer. NStZ 1988, 203 f.; Heider. S. 174 ff. 173 Daher kommt es auf die von Horn. UPR 83, 365 f., angedeutete Problematik hinsichtlich des bei der Genehmigung fehlenden Kriteriums der Erforderlichkeit, die nach Armin Kaufmann Charakteristikum strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe sei (vgl. Armin Kaufmann. Normentheorie, S. 254), nicht an. Im übrigen berücksichtigt die Genehmigung im Rahmen der notwendigen Interessenabwägung den Gedanken der Erforderlichkeit ohnehin, vgl. Hallwaß. Behördliche Duldung, S. 73 ff.; Schmitz. S. 28 f. 174 So Goldmann, S. 82 f. 170 171

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3. Kapitel: Stratbarkeitsausschließende Behördenakte

existenz eines Verwaltungshandelns manifestiert und in diesem Akt der Manifestation die generalisierungsfähige Grenzlinie zum Verbotenen markiert, und zwar zunächst völJig unabhängig von dessen Zustandekommen. Demgegenüber ist die konkrete Erforderlichkeit einer bestimmten Notwehr- oder Notstandshandlung nirgends in einem ErJaubnisakt dokumentiert, sondern unmittelbar bei der Bewertung des Notwehrsachverhalts nachzuvollziehen. Es verbleibt ein praxisorientierter Gedanke Rudolphis: Nur bei einer Ansiedlung der Genehmigung als Rechtfertigungsgrund ließen sich die materiellrechtlichen Genehmigungsregelungen als lex specialis gegenüber § 34 StGB begreifen. Solange dieser nämlich anwendbar bleibe, drohe eine Umgehung der behördlichen Regelungsakte, weil jeder Nutzer darauf bauen könne, bei einer strafrichterlichen Überprüfung über § 34 StGB seine venneintlich überwiegenden Privatinteressen zur Geltung bringen und damit die Interessenentscheidung der Behörde negieren zu können. 175 Aber auch hier lassen sich andere Wege finden, sei es über die von Rudolphi als "Kurieren an den Symptomen,,176 abqualifizierten, letztlich aber diskutablen Einschränkungen des Notstandsrechts, 177 sei es durch die regelmäßig vorhandenen Möglichkeiten der Behörde, im Wege des Verwaltungszwanges und der Gefahrenabwehr eine Respektierung ihrer Entscheidung, so sie rechtmäßig ist, durchzusetzen. Eine Notwendigkeit, aus praktischen Erwägungen zur Rechtfertigungslösung zu kommen, besteht von daher nicht.

3. Ausschluß oder Inlwufnahme von Rechtsgutsge/ahren - Ocker und Hoyer

Nicht ausdrücklich auf eine verwaltungsrechtliche Unterscheidung zwischen präventiven und repressiven Verboten, aber in ähnlicher Weise nach den Aufgaben Rudolphi, ZfW 82, 2\0; ders., NStZ 84, 196. Rudolphi, ZfW 82. 2\0; ders., NStZ 84,196. 177 So wird einerseits das allgemeine Betreiberinteresse als grundsätzlich nachrangig gegenüber dem geschützten Rechtsgut angesehen. was schon in der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Strafbarkeit zum Ausdruck komme. Auch ist eine sorgfältige Prüfung angezeigt. ob die Tat wirklich den einzigen Weg zur Rettung darstellt. Vgl. im einzelnen bei LKSteindorf, Rd.-Nr. 100 zu § 324 StGB; Horn, UPR 1983. 366. Bei Tatbeständen. die einen Erfolg nicht voraussetzen (z. B. § 21 StVG). wird ein Handeln ohne den Versuch einer Genehmigungserlangung damit von vorneherein nicht gerechtfertigt sein können (Horn, UPR 83. 366). Nach - ordnungsgemäß - versagter Genehmigung kann eine Abwägung nach § 34 StGB im Prinzip kein anderes Ergebnis bringen. Im übrigen trägt der Täter das Risiko. ob der Strafrichter bei Fehlern im Genehmigungsverfahren zur Rechtfertigung wegen Notstandes gelangt. Nach h. M. bleibt § 34 StGB im Ergebnis auf die Fälle plötzlicher und unerwarteter Gefahren beschränkt. bei denen eine Genehmigung auch im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren nicht zu erlangen ist. vgl. Horn, UPR 1983.366. Gradl, S. 60 f. und im Ergebnis ebenso Winkelbauer, NStZ 1988. 204. 175 176

A. IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen

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der Genehmigung differenziert Ocker zwischen Genehmigungsverfahren, deren Aufgabe der Ausschluß von Rechtsgutsgefahren ist und die deshalb bereits den Tatbestand ausschließen, und solchen, die zwischen (Rest-)Gefahren einerseits und öffentlichen oder Betreiberinteressen andererseits abzuwägen haben. Im letzteren Fall nimmt die erteilte Genehmigung eine Rechtsgutsbeeinträchtigung in Kauf; sie könne deshalb nur rechtfertigend wirken. 178 Ähnlich argumentiert Hoyer, wenn er darauf abstellt, ob ein (präventives) Verbot nur ein Kontrollanliegen verfolge oder ein (repressives) auch den Schutz materieller Rechtsgüter, deren Inanspruchnahme im gesellschaftlichen Interesse im Einzelfall tolerabel sei. Während die Genehmigung im ersten Fall den Tatbestand ausschließe, rechtfertige sie im zweiten. 179 Beiden Auffassungen ist freilich entgegenzuhalten, daß es den Idealtypus des völlig ungefährlichen HandeIns in den fraglichen Materien realiter in einer hochkomplexen Gesellschaft nicht gibt und auch präventive Verbote natürlich zugleich den Schutz materieller Güter verfolgen. Sicherlich lassen sich graduelle Unterschiede der gesellschaftlich inkaufgenommenen Restrisiken ausmachen, welche als Grenze noch rechtmäßiger Genehmigungserteilungen definiert sind. Ein qualitativer Unterschied, der eine so gravierende Abstufung zwischen typischem Unrecht und Recht erlaubt, wie sie eine Differenzierung in tatbestandsausschliessend oder rechtfertigend voraussetzt, läßt sich dagegen nicht ausmachen. 4. Genehmigung als öffentlich-rechtlicher Unteifall der Einwilligung

Eine weitere Begründung für die Einordnung der Genehmigung als Rechtfertigungsgrund zieht als Vergleich die private Einwilligung heran. Die behördliche Erlaubnis entspreche dieser im öffentlichen Bereich. 180 Allerdings setzt eine Beachtlichkeit der Einwilligung stets voraus, daß der Einwilligende selbst Träger des betroffenen Rechtsgutes ist. 181 Die Verwaltungsbehörde ist dies jedoch regelmäßig nicht, weil sie entweder Rechtsgüter der Allgemeinheit (z. B. die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder die Reinheit von Luft, Boden und Wasser) oder Dritter (z. B. Leib und Leben Privater im Gefährdungsvorfeld) zu wahren hat. 182 Zwar mögen ihr Allgemeingüter zur Verwaltung übertragen sein, allerdings

Ocker, S. 130 f. Hoyer, Strafrechtsdogmatik, S. 148 f. 180 Trondle. Rd.-Nr. 5 vor § 32 StGB; Bickel. ZfW 1979, 146 f.; ähnlich Hüting. S. 118 ff. im Kontext der Duldung. 181 Baumann/Weber/Mitsch. Strafrecht AT. § 17. Rd.-Nr. 102; Jakobs. Strafrecht AT. 14.Abschnitt, Rd.-Nr. 7; Jescheck/Weigend. Strafrecht AT, S. 377 f.; Roxin. Strafrecht AT I, § 13. Rd.-Nr. 3. 31 ff.; SK-StGB-Samson. Rd.-Nr. 73 vor § 32 StGB. 182 Einzig wenn man die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder das finanzielle Vermögen einer Behörde als Rechtsgüter ansehen würde. wäre eine Rechtsgutsinhaberschaft durch diese denkbar. Allerdings fehlte es selbst dann an einer freien Dispositionsbefugnis. weil die Verwaltung auch insoweit nur im Interesse des Staates wirken darf. Im übrigen fällt es 178

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

nicht zur schrankenlosen und willkürlichen Bewirtschaftung, sondern nur in engen Grenzen und unter Beachtung der gesetzlichen Zielsetzungen. 183 Hundt l84 unternimmt - in anderem Kontext l 85 - den Versuch, die Genehmigung als eine Art demokratisch legitimierter Vertretung im Willen des ansonsten handlungsunfahigen Rechtsgutsträgers "Allgemeinheit" zu begreifen, sie so mit der Vertretung des Einwilligungsunfahigen gleichzusetzen und auf diese Weise zu einer Paralellität von Einwilligung und Genehmigung zu gelangen. 186 Nun vertritt zwar die Behörde letztlich als Organ der zweiten Gewalt den Staat, sicherlich aber nicht mehr. Nicht der Staat aber ist Rechtsgutsträger der Allgemeingüter, sondern eben die besagte Allgemeinheit als Inbegriff der Gesellschaft und aller ihrer Mitglieder. Der Staat hingegen ist zur Wahrung der Güterwelt verpflichtet. Die Macht, Rechtsgüter zu schaffen und aufzugeben, besitzt - in seinen Grenzen allenfalls der demokratisch legitimierte Gesetzgeber. Dieser wird freilich nicht durch die Behörde vertreten, sondern diese führt lediglich seine Aufträge - ohne weitergehende Vertretungsmacht - aus.

Die behördliche Befugnis, Rechtsgutsbeeinträchtigungen um eines höheren Zieles willen in beschränktem Maße zu erlauben, ist daher mit der privaten Einwilligung, die nur bei den Gütern Leben und Gesundheit gewisse Einschränkungen erfahrt, sonst aber prinzipiell bis hin zur völligen Aufgabe eigener Rechtspositionen gehen kann, in keiner Weise deckungsgleich. 187 Vielmehr gleicht die Genehmigung dann schon eher einem tatbestandsausschließenden Einverständnis, das nach herkömmlichem Verständnis voraussetzt, daß der Tatbestand typischerweise nur gegen den Willen des Betroffenen - nämlich ohne Genehmigung der Behörde verwirklicht werden kann. 188 Allerdings scheitert eine unmittelbare Übernahme der Einverständnisrege\n gleichfalls an der fehlenden Rechtsgutsträgereigenschaft der Behörde.

schwer, sich die ausschließliche Beeinträchtigung solcher Güter durch eine Genehmigung vorzustellen. 183 Vgl. Schmitz, S. 26 f.; Fortun, S. 97. 184 Ebenso Hüting, S. 126 f., bei der Frage nach der behördlichen Rechtsgutsdispositionsbefugnis im Falle einer Duldung. 185 Hundt geht von einem Tatbestandsausschluß auch im Falle der Einwilligung aus, weil die Dispositionsbefugnis immanenter Bestandteil des Rechtsguts und dieses im Falle der Einwilligung gar nicht tangiert sei (Hundt, S. 89 ff.). Auf dieser Basis erklärt er die Tatbestandslosigkeit beim Vorliegen einer ordnungsgemäßen Genehmigung (a. a. 0., S. 98 ff.). 186 Hundt, S. 105. 187 Ebenso Hübenett, S. 49 ff., die ergänzend auf die Unterschiede bei der Widerruflichkeit oder der Relevanz von Willensmängeln verweist. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 32 f., deutet zudem Friktionen bei fehlerhaften Verwaltungsakten an. Vgl. ferner Winkelbauer. Verwaltungsakzessorietät, S. 63 f.; sowie Rudolphi, ZfW 1982,201. 188 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, S. 372 f.; vgl. auch Roxin, Strafrecht AT I, § 17, Rd.-Nr. 43 .

A. IV. Von einer Tatbestandslösung abweichende Auffassungen

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5. Überlagerung durch den integrierten Schutz höherwertiger Rechtsgüter - Claudius Marx u. a. Am Beispiel des § 324 StGB wird ferner diskutiert, ob nicht wegen der andersartigen Zielsetzung dieser Vorschrift, die den absoluten Gewässerschutz bezwekke,189 und den Zielen des WHG, welches die optimale Wasserbewirtschaftung, notfalls unter Einschluß notwendiger und unvermeidbarer Beeinträchtigungen der Wasserqualität zur Erreichung höherwertiger Gemeinschaftsinteressen, ermöglichen SOIl,19O die Entscheidung des Strafgesetzgebers für einen unbedingten Schutz jede Verunreinigung als den Tatbestand erfüllend, d. h. als typisches (Straf-) Unrecht, erscheinen lasse, gegenüber dem die Genehmigung nur noch zu rechtfertigen vermöge. 191 Claudius Marx hat dies nunmehr in allgemeiner Form auf alle diejenigen Fälle übertragen, in welchen nicht die behördliche Kontrolle, sondern das behördlich verwaltete Interesse selbst strafrechtlich geschützt werden sol1. 192 Er begründet seine Auffassung letztlich mit Effizienzerwägungen: Wird sowohl eine materielle Rechtsgutsverletzung als auch das Fehlen einer Genehmigung im Tatbestand verlangt, fallen die ungenehmigten, aber genehmigungsfähigen Aktivitäten mangels Rechtsgutsverletzung, die verwaltungsrechtswidrig genehmigten Rechtsgutsbeeinträchtigungen aber wegen der Beachtlichkeit der Genehmigung aus dem Strafrechtsschutz heraus. 193 Jeweils eine dieser Gruppen wäre aber vollständig er189 LK-Steindorf, Rd.-Nr. 7 zu § 324 StGB; Hübenett, S. 51; Rudolphi, ZfW 1982, 198; a.A. (im Sinne eines wasserwirtschaftlich orientierten Schutzzweckes) insbesondere Papier, Gewässerverunreinigung, S. JO ff., 20; differenzierend insoweit Rademacher, S. 3. 190 Rudolphi, ZfW 1982, 198 f. 191 Vgl. LK-Steindorf, Rd.-Nr. 72 zu § 324 StGB; Ensenbach, S. 28 ff.; Hübenett, S. 19 f., Mumberg, S. 7 f.; Rengier, ZStW JOI, 878 f. Ähnlich BGH NStZ 1993,594, 595, wo aus dem Umstand der Verwirklichung schweren Unrechts auf Grund der Gefährlichkeit des Handelns für § 22a KWG gefolgert wird, Genehmigungen könnten demgegenüber nur noch rechtfertigen. Soweit Rengier, NJW 1990, 2508, unter vergleichender Bezugnahme auf ordnungsgemäßes und dennoch im Sinne der §§ 123, 223, 239, 240 StGB tatbestandliches Verhalten von Polizeibeamten zur Begründung einer Rechtfertigungslösung darauf verweist, das strafrechtliche Unwerturteil müsse sich nicht ohne weiteres aus der Tatbestandserfüllung ergeben, ist dieser Blickwinkel allerdings schon vom Ansatz her zu sehr verengt. Denn daß der Tatbestand nicht abschließend über Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit bestimmen kann ist klar. Er muß jedoch in der Lage sein, typisches Unrecht zu benennen. Bei den genannten Delikten handelt es sich um an jedermann gerichtete Verbote. Die Aufhebung ihrer Wirksamkeit in einem regulären Verfahren ist weder gegenüber jedermann noch gegenüber speziellen Normadressaten vorgesehen. Auch die Polizei darf nicht generell strafrechtliche Verbote mißachten, sondern nur bei Vorliegen einzelfallbezogener Gründe und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Deshalb ist beispielsweise eine Körperverletzung, selbst von einem Polizisten begangen, typisches Unrecht und von daher tatbestandsmäßig. Die Situation ist jedoch eine völlig andere, wenn die Aufhebung des Verbots qua Genehmigung in einem formalisierten Verfahren grundsätzlich für jeden Normadressaten vorgesehen ist. 192 Claudius Marx, S. 172. 193 Vgl. Claudius Marx, S. 141 ff.

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

faßbar. beschränkte sich der Tatbestand entweder auf den bloßen Verwaltungsungehorsam oder aber den Schutz des materiellen Interesses. Dem ist allerdings entgegenzuhalten. daß ein im Vergleich zur Verwaltungsmaterie reduzierter Strafrechtsschutz mittels einer von der Verwaltungsrechtsnorm abweichenden. restriktiven Fassung des Strafgesetzes 194 durchaus gewollt sein kann. jedenfalls aber für sich genommen noch keinen Grund zu liefern vermag. über die Eliminierung eines Tatbestandsmerkmals vermeintlich ungewollte Strafbarkeitslücken (wieder) zu schließen. Es erscheint nämlich sehr fraglich. ob der Gesetzgeber etwa mit § 324 StGB tatsächlich etwas anderes wollte. als die Regelungen des WHG strafrechtlich zu flankieren. Der Wunsch. prinzipiell jede Verunreinigung und nicht nur die unbefugte als grundsätzlich illegal behandeln zu wollen. läßt sich der Begründung des Gesetzes so nicht entnehmen. Vielmehr ist es eindeutig. daß wasserrechtlich legale Verunreinigungen jedenfalls im Ergebnis straflos bleiben sollten. 195 Auf der anderen Seite will aber auch das WHG keine schrankenlose Wasserbewirtschaftung. sondern Beeinträchtigungen 196 nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. diese ansonsten jedoch strikt verbieten. 197 Mit den ungenehmigten Verunreinigungen erfaßt das Strafgesetz nur einen kleinen Ausschnitt der wasserrechtlich verbotenen Handlungen. läßt hingegen eine Vielzahl weiterer. ebenfalls vom WHG erfaßter und den Naturzustand des Gewässers verändernde Nutzungen straflos. Aus diesem Blickwinkel erscheint die Fassung des Tatbestandes von § 324 StGB nun aber keineswegs mehr als der Ausdruck eines Willens zum absoluten Gewässerschutz. 198 Vielmehr wird durch die aus Strafwürdigkeitsgesichtspunkten erfolgende Beschränkung auf Verunreinigungen nur ein hinter § 2 WHG deutlich zurückbleibender Strafrechtsschutz gewährt. Claudius Marx ist zwar darin beizupflichten. daß die Nennung eines (weiteren) Rechtsgutes dies verbirgt und tatsächlich eine nicht vorhandene Schärfe des Strafgesetzes suggeriert. Diese Suggestion mag jedoch generalpräventiv sogar durchaus ihren Sinn haben. Andererseits erscheint es geradezu widersinnig. aus dem tatsächlich erfolgten Akt der Reduktion hinsichtlich des noch verbleibenden. nunmehr auch strafrechtlich relevanten Handlungskataloges die Überhöhung der von ihm beschriebenen Handlungen zu einer absolut verbotenen Materie herauszulesen. was nicht einmal die Vgl. statt vieler die §§ 37 I, 53 III Nr. 3 WaffG oder die §§ 14 1,39 II Nr. I GenTG. Vgl. BT-Drucksache 8/2382, hiervor al1em S. 13 f. 196 Wozu hier nicht nur Verunreinigungen, sondern auch Entnahmen, Aufstauungen, Absenkungen u. a. zählen, vgl. § 3 WHG. 197 Vgl. die Grundsätze in § la WHG, die Versagungsgründe in § 6 WHG und die Vorschriften zur Minimierung der Abwasserbelastung z. B. in den §§ 7a I, 8 I1I WHG. Nicht umsonst gelten die Verbote des WHG als repressive Verbote. 198 So im übrigen auch angedeutet bei Rudolphi, ZfW 1982,200, wenn er die Auffassung, die Reinheit des Wassers sei Schutzgut des § 324 StGB, als zu vordergründig bezeichnet und letztlich die Funktion der Behörden, den Wasserhaushalt zum Wohle der Al\gemeinheit und im Einklang damit zum Nutzen der einzelnen Bürger in einer optimalen Weise zu ordnen und zu bewirtschaften, als maßgebend erachtet. 194 195

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wasserrechtlichen Regelungen leisten wollen. Nicht die Verunreinigung allein begründet das Unrecht, sondern die fehlende Genehmigung der genehmigungspflichtigen Handlung des Verunreinigens. Allenfalls dort, wo die ansonsten vom Tatbestand umschriebene Handlung bereits für sich genommen in jedem Fall als normwidrig gelten kann, wäre deshalb überhaupt nur an eine Rechtfertigungswirkung einer Genehmigung zu denken. Alle Delikte, die gleichzeitig das Fehlen der Genehmigung als tatbestandliche Voraussetzung benennen, die verwaltungsrechtliche Norm somit unmittelbar unter Verzicht auf eine originär strafrechtliche Verhaltensnormsetzung in Bezug nehmen, erfüllen diese Voraussetzung jedoch soweit ersichtlich nicht. 199 6. Begrenzung der Tatbestandslösung auf Fälle allgemein zugestandener Handlungsfreiheit - Frisch

Differenzierend zählt Frisch die Genehmigung dort zum Tatbestand, wo die Rechtsordnung das Verhalten dem Bürger (beim Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen) als Teil seiner Handlungsfreiheit ohne das zusätzliche Erfordernis besonderer subjektiver Interessen zugesteht. 2OO Hierunter fallen neben den gebundenen Genehmigungen 201 auch solche, bei denen der Behörde ein Ermessen zusteht. Dieses ermächtige ja nicht zur willkürlichen Entscheidung, sondern beruhe darauf, daß auf Grund der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen sowie der Dynamik von Beurteilungskriterien und Bedürfnissen wegen eine abschließende gesetzliche Regelung oft nicht zu formulieren ist. Die Behörde habe sich jedoch daran zu orientieren, wie der Gesetzgeber entschieden hätte, wäre er dazu imstande gewesen. 202 Mit dieser Argumentation gerät Frisch allerdings in das - von ihm auch nicht aufgelöste - Dilemma, einerseits das Fehlen einer Genehmigung unabhängig von der materiell-verwaltungsrechtlichen Situation auf Grund der Inkompetenz des Bürgers zur Beurteilung der güterbezogenen Folgen seines Tuns als tatbestandlich ansehen zu müssen, andererseits aber konsequent auf ebendiese materiellrechtliche Lage abzustellen, wenn es um die Beurteilung fehlerhafter Genehmigungen geht. 203 Die Schwäche der Lösung liegt aber schon in ihrem Ansatz begründet: Es hieße, die Entscheidung des Gesetzgebers übermäßig zu strapazieren, wollte man 199 Dies betrifft vielmehr vor allem Fälle wie etwa den Abriß des denkmalgeschützten Hauses nach § 304 StGB, bei dem die Genehmigung schon deshalb den Tatbestand nicht auszuschließen vermag, weil der Gesetzgeber die Zerstörung uneingeschränkt als vertyptes Unrecht begriffen hat, so daß jede Form von Erlaubnissatz nur in der Funktion als Gegennorm rechtfertigen kann.

Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 35 ff., 42 f. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 39 ff.; vgl. zum Begriff der gebundenen Genehmigung WoljfIBachoj/Stober, Verwaltungsrecht I, § 46, Rd.-Nr. 40. 202 Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 46 ff., insbesondere S. 48 f. 203 Vgl. Frisch, Verwaltungsakzessorietät, S. 52 f., 57. 200

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3. Kapitel: Strafbarkeitsausschließende Behördenakte

in ihr bereits eine prinzipiell für jeden Einzelfall taugliche Abschichtung erlaubten und verbotenen Verhaltens erblicken. Zwar ist es richtig, daß die Behörde das Gesetz nachvollzieht; sie beschränkt sich aber nicht auf bloße Subsumtion. Ware dies nämlich möglich, so wäre andererseits die vielfach anzutreffende Gewährung von Beurteilungs- oder Ermessensspielräumen204 grundsätzlich überflüssig. Gefragt ist vielmehr eine wertende Beurteilung der auf dem Spiel stehenden Interessen, deren Ergebnis sicherlich nicht in jedem Fall eindeutig ist. Ferner bedarf die Genehmigung häufig der Konkretisierung hinsichtlich des danach unverbotenen Verhaltens205 oder der Auswahl von aufzuerlegenden Kompensationsmaßnahmen. Das verbotene Verhalten ist daher erst nach der Entscheidung der Behörde bestimmbar; zuvor sind häufig mindestens die Grenzen der Handlungsfreiheit unklar und somit offen, wie die Handlungsanweisung an den Bürger letztlich einmal lauten wird.206 Von Frisch nicht ausdrücklich gesagt, aber implizit ist demgegenüber die Zuweisung solcher Genehmigungen zur Rechtfertigungsebene, die keine allgemeine gesetzgeberische Entscheidung des Interessenkonflikts zwischen Rechtsgut und Handlungsfreiheit im Wege der Einzelfallsubsumtion nachvollziehen, sondern bei denen nur - und möglicherweise sogar nur - öffentliche Sonderinteressen zur Erlaubnis führen. Zu denken wäre hier beispielsweise an die bereits erwähnten Genehmigungen nach dem KWG. Die Vorentscheidung des Gesetzgebers lautet hier relativ eindeutig dahin, daß nur nach seinem Willen, zu konkretisieren im Behördenverhalten, eine Zulassung erfolgen soll. Die Negierung jeglichen Gewährungsanspruchs in § 6 I KWG deutet darauf hin, daß dabei die subjektive Handlungsfreiheit, die ja ansonsten ggfs. zum Gewährungsanspruch führen müßte, von vorneherein keine Rolle zu spielen hat, zumal es dem Gesetzgeber genauso freigestanden hätte, das Tun ausnahmslos zu verbieten. Auf die Unmöglichkeit einer einleuchtenden Grenzziehung zwischen nur rechtfertigenden und bereits tatbestandsausschließenden Genehmigungen anhand der verwaltungsrechtlichen Regelungsmaterie war aber bereits hingewiesen worden. Auch mit Frischs Ansatz lassen sich strukturelle Unterschiede nicht finden . Denn mit welchen Ermessenserwägungen die Behörde zu ihrer Entscheidung gelangt, ist im Grunde genommen insoweit ohne Belang. Ob die gesetzliche Regelung die Grenzziehung zwischen potentieller Rechtsgutsbeeinträchtigung auf der einen Seite und entweder Handlungsfreiheit oder aber öffentlichen Handlungsbedürfnissen auf der anderen Seite vornimmt, wäre unter dem Gesichtspunkt, daß die Behörde diese vom Gesetzgeber grundsätzlich vorgezeichnete Abgrenzung letztlich nur auf den Einzelfall anwendet, bedeutungslos. Im Ergebnis wäre auch in diesen Fällen 204 Vgl. u. a. § 71 AuslG, § 511 BTMG, § 27 IV SprengG, § 301 Nr. 3 i. V. m. § 32, § 30111 WaffG. 205 Man denke hier an die Festsetzung von Grenzwerten und die zeitliche oder räumliche Beschränkung von Erlaubnissen. 206 Ob ungenehmigte, aber genehmigungsfahige Handlungen deshalb immer strafbar sind, ist damit nicht präjudiziert.

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der Bereich der Handlungsfreiheit bereits im materiellen Recht vorherbestimmt, so daß selbst, wenn Frischs Ansatz ansonsten schlüssig wäre, dann richtigerweise nur eine Tatbestandslösung in Betracht käme. Eine in ähnlicher Weise differenzierende Lösung hat Friedrich-Christian Schroeder, wenn auch primär an die Adresse des Gesetzgebers gerichtet, angeboten. Das Fehlen einer Genehmigung sei zum Tatbestandsmerkmal zu erheben, wenn ihr Vorliegen die Regel darstelle. Hingegen habe die für gewöhnlich fehlende Genehmigung, ist sie doch einmal vorhanden, nur rechtfertigenden Charakter.207 Daß das Regel-Ausnahme-Verhältnis allerdings kein taugliches Differenzierungskriterium sein kann, ist bereits in anderem Zusammenhang dargestellt;208 es mag ausreichen, hierauf Bezug zu nehmen. 7. Genehmigung als Strafaujhebungsgrund - Horn Horn hat nach anfänglicher Favorisierung einer Rechtfertigungslösung209 der Genehmigung nach dem WHG eine nur noch strafausschließende Wirkung zugebilligt, allerdings vornehmlich mit Blick auf eine rechtswidrige Verweigerung der Genehmigung durch die Behörde und deren nachträgliche Erteilung oder Aufhebung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Durch die Verschiebung der Genehmigungswirkungen auf die Ebene denkbarer Strafausschließungsgründe erreicht Horn auf Rechtswidrigkeitsebene die unbeschränkte Zulassung von Rechtfertigungsgründen und eröffnet damit den Durchgriff auf materiell-verwaltungsrechtliche Argumente, während er zugleich einer Berücksichtigung verwaltungverfahrensrechtlicher Rückwirkungsfiktionen den nur jenseits der Unrechtsbegründung tauglichen Riegel originär strafrechtlicher Definitionsmacht vorschiebt. 210 Die so adäquat lösbaren Sonderfalle fordern ihren Preis jedoch darin, das ordnungsgemäß genehmigte Verhalten im Gegenzug als tatbestandIich und sogar (straf-)rechtswidrig bezeichnen zu müssen. In letzter Konsequenz würde diese Lösung, worauf bereits Schünemann hingewiesen hat, einem unmittelbar betroffenen Dritten Notwehrrechte und selbst einem völlig Unbeteiligten die Nothilfe gegen die Ausnutzung einer ordnungsgemäßen, jedoch Rechtsgüter der Allgemeinheit tangierenden Genehmigung eröffnen. 211 Dies bedeutete faktisch das Ende der staatlichen Exekutivgewalt. Friedrich-Christian Schroeder. Schutz von Staat und Verfassung, S. 316 f. Vgl. oben bei A.1.2. 2(J