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German Pages 402 [437] Year 2018
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 148 herausgegeben von Rolf Stürner
Philipp Heiner Hofmann
Der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers Versuch einer Systembildung
Mohr Siebeck
Philipp Heiner Hofmann, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau und Grenoble; Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg; 2017 Promotion; Rechtsreferendar am Kammergericht Berlin.
ISBN 978-3-16-155570-1 / eISBN 978-3-16-155571-8 DOI 10.1628/978-3-16-155571-8 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand vom Juni 2017. An dieser Stelle möchte ich mich zunächst bei meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Alexander Bruns, LL.M., bedanken, der mich nicht nur auf das Thema der Arbeit gestoßen, sondern dieser durch wertvolle Hinweise und kritische Nachfragen auch immer wieder wichtige Impulse gegeben hat. Hierfür bin ich ihm ebenso zu tiefstem Dank verpflichtet wie für die schnelle Anfertigung des Erstgutachtens. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Frau Professorin Dr. Katharina von Koppenfels-Spies für die besonders rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Ferner gilt mein Dank dem Herausgeber, Herrn Professor Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner, für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht“. Die Anfertigung dieser Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert, ihre Veröffentlichung durch Fördermittel der Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung sowie der Studienstiftung ius vivum. Auch bei diesen Fördereinrichtungen möchte ich mich hiermit ganz herzlich für ihre Unterstützung bedanken. Mein ganz besonderer Dank gilt darüber hinaus Dr. Katharina Stock für ihre wertvollen Hinweise und dafür, dass sie die Mühe auf sich genommen hat, das Manuskript dieser Arbeit Korrektur zu lesen. Nicht minder bedanken möchte ich mich bei Dr. Ferdinand Dreher, Dr. Alexander Klausmann und Martin Vocks, die ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass ich heute mit solch freudigen Erinnerungen auf meine Zeit als Doktorand zurückblicke. Der größte Dank gilt schließlich aber meinen Eltern, die mir das Studium und die Promotion überhaupt erst ermöglicht haben sowie Corinna für ihre unschätzbare Unterstützung sowohl während der Zeit der Promotion als auch darüber hinaus.
Berlin, März 2018
Philipp Heiner Hofmann
Inhaltsübersicht Vorwort ............................................................................................................... V Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. XI Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXVII
Einleitung.......................................................................................................... 1 § 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ................................................. 1 A. B. C. D. E.
Einführung in die Thematik ........................................................................... 1 Der status quo: ein disparater Befund ............................................................ 3 Zielsetzung: Versuch einer Systembildung .................................................... 7 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ............................................. 11 Methodisches Vorgehen ............................................................................... 11
Allgemeiner Teil: Verfassungsrechtliche, insolvenzrechtliche und versicherungsrechtliche Grundwertungen .................................... 15 § 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen: Der grundrechtliche Gehalt der par conditio creditorum ............................................................. 17 A. Der Begriff der par conditio creditorum ...................................................... 19 B. Der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum .................... 22 C. Zusammenfassung ........................................................................................ 47 § 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen: Wesensmerkmale von Aussonderung und Absonderung ................................................................. 48 A. Die Abgrenzung von Aus- und Absonderung im Kontext des Schutzes von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers.............. 49 B. Die dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten: Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage ........................................ 54
VIII
Inhaltsübersicht
C. Der Grundsatz einer für die Masse kostenneutralen Verwertung von Aus- und Absonderungsgütern ..................................................................... 71 D. Zusammenfassung ........................................................................................ 75 § 4 Versicherungsrechtliche Grundwertungen – Die Bindung des Versicherungsschutzes an das versicherte Interesse oder die Zustimmung der Gefahrperson .................................................................... 77 § 5 Maßgeblichkeit der dargelegten Grundwertungen ...................................... 79
Besonderer Teil: Die insolvenzrechtliche Stellung des Dritten in den einzelnen drittschützenden Versicherungsformen ................ 81 § 6 Der Schutz des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung ..................................................................................................... 83 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ........................................................... 83 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten ................................................................... 88 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten ................................................................................................. 88 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 150 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 164 § 7 Der Schutz des Bezugsberechtigten in der Lebensversicherung ............... 166 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ......................................................... 167 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten ...................................................... 172 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten .............................................................................. 177 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 202 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 215 § 8 Der Schutz des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ................... 217 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ......................................................... 218 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten ................................................................ 252 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten ........................................................................................ 257 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 301 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 317
Inhaltsübersicht
IX
§ 9 Der Schutz des Grundpfandgläubigers in der Sachversicherung ............. 320 A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen ..................................... 322 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Grundpfandgläubigers .................................................. 327 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung ........... 328 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 358 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 373
Schlussbetrachtung: Das System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers .................................................. 375 A. Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung ............................ 375 B. Insolvenzrechtliche Qualifikation der Rechtsstellung des Dritten ............. 376 C. Wege zur Realisierung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Privilegierung ............................................................................................. 376 D. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Dritten ............ 379 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 381 Sachregister ...................................................................................................... 401
Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................................... V Inhaltsübersicht ................................................................................................ VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XXVII
Einleitung.......................................................................................................... 1 § 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ................................................. 1 A. Einführung in die Thematik ........................................................................... 1 B. Der status quo: ein disparater Befund ............................................................ 3 I. Die drittschützende Wirkung der verschiedenen Versicherungsformen .. 3 II. Das Spannungsverhältnis zum insolvenzrechtlichen Prinzip der par conditio creditorum .................................................................................. 4 III. Die bestehende Ausgestaltung des insolvenzrechtlichen Drittschutzes als Stückwerk punktueller und inhaltlich disparater Regelungen ............ 5 1. Überblicksartige Darstellung der einzelnen Ausformungen des insolvenzrechtlichen Drittschutzes ...................................................... 5 2. Die wesentlichen Divergenzen zwischen den einzelnen Ausgestaltungen des insolvenzrechtlichen Drittschutzes .................... 6 C. Zielsetzung: Versuch einer Systembildung .................................................... 7 I. Der Systembegriff..................................................................................... 8 II. Der Nutzen des Systemdenkens für die insolvenzrechtliche Behandlung versicherungsrechtlichen Drittschutzes ................................ 9 D. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ............................................. 11 E. Methodisches Vorgehen ............................................................................... 11
Allgemeiner Teil: Verfassungsrechtliche, insolvenzrechtliche und versicherungsrechtliche Grundwertungen .................................... 15 § 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen: Der grundrechtliche Gehalt der par conditio creditorum ........................................................................ 17
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Inhaltsverzeichnis
A. Der Begriff der par conditio creditorum ...................................................... 19 I. Die par conditio creditorum als Prinzip gleichmäßiger Befriedigung .... 19 II. Die Manifestationen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im geltenden Insolvenzrecht ........................................................................ 21 B. Der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum .................... 22 I. Analyse der einzelnen verfassungsrechtlichen Garantien im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit zur Begründung der par conditio creditorum ............................................................................................... 22 1. Die par conditio creditorum als Ausfluss des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs? ....................................................... 23 a) Gläubigergleichbehandlung zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Zufälligkeiten bei der Gläubigerbefriedigung?.............. 25 b) Privilegierung einzelner Gläubiger als Beeinträchtigung des Justizgewährleistungsanspruchs konkurrierender Gläubiger? ..... 26 aa) Begründung: Kollision der Justizgewährleistungsansprüche konkurrierender Gläubiger ................................... 26 bb) Kritik: verfassungsrechtlich nicht tragfähige Gleichsetzung von Justizgewähr und effektiver Forderungsbefriedigung .... 27 c) Ergebnis: Par conditio creditorum kein Gebot der verfassungsrechtlichen Justizgewährleistung ............................... 29 2. Die par conditio creditorum als Ausfluss der Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG? ................................................................... 29 a) Begründung: Beeinträchtigung der Eigentumsrechte konkurrierender Gläubiger durch bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger ...................................................................... 29 b) Kritik: keine Garantie der Schuldnerbonität aus Art. 14 Abs. 1 GG ........................................................................ 30 3. Die par conditio creditorum als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 1 GG? ................................................................... 31 4. Die par conditio creditorum als Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes ................................................................................ 31 a) Adressaten des allgemeinen Gleichheitssatzes............................. 32 b) Auswirkungen des Gleichheitssatzes vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ............................................................... 33 aa) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Vermögensverteilung durch den Schuldner oder im Wege der Einzelvollstreckung ......................................................... 33 (1) Vermögensverteilung durch den Schuldner zum Zwecke der Forderungsbefriedigung ............................... 34 (2) Gläubigerzugriff im Wege der Einzelvollstreckung ........ 34 (3) Zwischenergebnis: Keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Vermögensverteilung vor Insolvenzeröffnung .......................................................... 37
Inhaltsverzeichnis
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bb) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens: verfassungsrechtlich gebundene Vermögensverteilung durch den Insolvenzverwalter ................................................ 37 II. Verfassungsrechtlich zulässige Ungleichbehandlungen ......................... 38 1. Maßstab der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung insolvenzrechtlicher Privilegierungen................................................ 39 a) Evolution des gleitenden Prüfungsmaßstabs in der Rechtsprechung ............................................................................ 39 b) Privilegierungen im Insolvenzverfahren: strenge Prüfung anhand der „neuen Formel“ .......................................................... 40 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit insolvenzrechtlicher Privilegierungen in Abhängigkeit von ihrer Zwecksetzung .............. 41 a) Zulässigkeit der Privilegierung von Dritten aufgrund einer gesicherten Rechtsstellung ........................................................... 41 b) Zulässigkeit der Privilegierung nach dem Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation................................................... 43 c) Eingeschränkte Zulässigkeit der Privilegierung von Dritten aufgrund sozialpolitischer Erwägungen ....................................... 44 3. Das verfassungsrechtliche Verbot, die Realisierung insolvenzrechtlicher Privilegien mit Mitteln der freien Insolvenzmasse zu finanzieren........................................................... 46 C. Zusammenfassung ........................................................................................ 47 § 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen: Wesensmerkmale von Aussonderung und Absonderung ................................................................. 48 A. Die Abgrenzung von Aus- und Absonderung im Kontext des Schutzes von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ............................. 49 I. Die eingeschränkte Tauglichkeit des Abgrenzungskriteriums der haftungsrechtlichen Zuordnung .............................................................. 49 II. Die potentielle Beteiligung der Insolvenzmasse am Verwertungserlös als zusätzliches Abgrenzungskriterium .................................................. 51 1. Das Kriterium der potentiellen Erlösbeteiligung als Aspekt der haftungsrechtlichen Zuordnung ......................................................... 51 2. Die potentielle Erlösbeteiligung als das den Regelungen der InsO zugrundeliegende Abgrenzungskriterium .......................................... 52 III. Ergebnis .................................................................................................. 53 B. Die dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten: Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage ........................................ 54 I. Anlass und dogmatische Implikationen der Fragestellung ..................... 54 1. Anlass der Fragestellung: Möglichkeit des Bestehens isolierter Absonderungsrechte? ......................................................................... 54
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2. Dogmatische Implikationen: materiellrechtlicher Gehalt von Aus- und Absonderungsrechten? ....................................................... 56 II. Das Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht ....................... 56 1. Rechtshistorische Grundlagen: Windscheids Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht .................................................. 57 2. Die Notwendigkeit der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht .................................................................................. 58 III. Die dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten: prozessuale Rechtspositionen zur Durchsetzung materieller subjektiver Zivilrechte ............................................................................ 59 1. Die dogmatische Qualifikation von Aus- und Absonderung als rein prozessuale Rechtspositionen ..................................................... 60 a) Funktionale Betrachtung: Aus- und Absonderungsrechte als Befreiung von verfahrensrechtlichen Restriktionen ..................... 60 b) Systematische Betrachtung: Aus- und Absonderungsrechte als insolvenzrechtliche Äquivalente zu Drittwiderspruchsklage und Klage auf vorzugsweise Befriedigung .................................. 62 2. Das Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage von Ausund Absonderung nach den gesetzlichen Regelungen der InsO ........ 64 3. Die Trennung von Aus- bzw. Absonderungsrechten und materiellrechtlicher Grundlage als Voraussetzung sachgerechter rechtspraktischer Ergebnisse .............................................................. 65 a) Wertungswidersprüche durch die Beschränkung der Wirkung isolierter Aus- oder Absonderungsrechte auf das Insolvenzverfahren ....................................................................... 65 b) Mangelnder Schutz isolierter Aus- oder Absonderungsrechte im internationalen Insolvenzrecht ................................................ 68 IV. Rechtsfortbildende Schaffung der notwendigen materiellrechtlichen Grundlagen scheinbar isolierter Absonderungsrechte ............................ 69 V. Ergebnis .................................................................................................. 71 C. Der Grundsatz einer für die Masse kostenneutralen Verwertung von Ausund Absonderungsgütern ............................................................................. 71 I. Die rechtstechnischen Instrumente zur Verteilung der Kostenlast: Zuweisung der Verwertungsbefugnis oder Regeln der Kostenerstattung ..................................................................................... 72 II. Die Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung von Absonderungsgütern ............................................................................... 73 III. Die Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung von Aussonderungsgütern ............................................................................. 74 IV. Ergebnis .................................................................................................. 75 D. Zusammenfassung ........................................................................................ 75
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§ 4 Versicherungsrechtliche Grundwertungen – Die Bindung des Versicherungsschutzes an das versicherte Interesse oder die Zustimmung der Gefahrperson .................................................................... 77 § 5 Maßgeblichkeit der dargelegten Grundwertungen ...................................... 79
Besonderer Teil: Die insolvenzrechtliche Stellung des Dritten in den einzelnen drittschützenden Versicherungsformen ................ 81 § 6 Der Schutz des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung .... 83 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ........................................................... 83 I. Die Versicherung für fremde Rechnung als Sonderform des bürgerlichrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter .................................. 83 II. Die gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den beteiligten Personen – Abwicklung im Dreiecksverhältnis .................................................................................. 84 1. Deckungs- und Vollzugsverhältnis: Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis .......................... 84 2. Das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem: lediglich punktuelle gesetzliche Regelung ................. 85 III. Gründe für die Abwicklung der Versicherung für fremde Rechnung im Dreiecksverhältnis ............................................................................. 87 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten ................................................................... 88 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten ................................................................................................. 88 I. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Versicherten: Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung ............................. 88 II. Verteilung der Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung ......................................................................... 90 1. Aufrechterhaltung der Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis – Abwicklung im Dreiecksverhältnis ....... 90 2. Kritik der Abwicklung im Dreiecksverhältnis ................................... 92 a) Unvereinbarkeit mit insolvenzrechtlichen Grundwertungen ....... 92 b) Unstimmigkeiten hinsichtlich des Übergangs der Einziehungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO ........................................................................... 92 c) Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ersatzaussonderung der eingezogenen Entschädigungssumme auf Grundlage des § 48 S. 2 InsO ............................................................................... 95
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d) Eingeschränktes Interesse des Versicherers an einer Abwicklung im Dreiecksverhältnis im Insolvenzfall ................... 98 e) Ergebnis ........................................................................................ 98 3. Alternativkonzeption: unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten .............................. 99 a) Kritische Betrachtung des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem ..................................... 99 aa) Determinanten des Valutaverhältnisses ............................... 100 bb) Historische Entwicklung des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem ............. 102 (1) Rein bürgerlichrechtliche Betrachtung des Valutaverhältnisses – Geschäftsführung ohne Auftrag als Auffanglösung .......................................................... 102 (2) Entwicklung der Konzeption eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses eigener Art ................................ 104 cc) Rechtsfolgen des gesetzlichen Treuhandverhältnisses nach heute h.M. ................................................................... 107 dd) Dekonstruktion: Trennung zwischen schuldrechtlicher Einordnung des Valutaverhältnisses und der Frage nach dessen Treuhandcharakter ................................................... 109 (1) Das Valutaverhältnis: in Ermangelung eines vertraglichen Schuldverhältnisses Geschäftsführung ohne Auftrag .................................................................. 111 (a) Die Unbegründetheit der Sorge einer zu weitreichenden Bindung des Versicherungsnehmers durch die §§ 677 ff. BGB ......................................... 111 (b) Sachgerechte Regelung des Valutaverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer durch die §§ 677 ff. BGB ......................................... 112 (c) Pflicht des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsforderung? ................................... 115 (d) Zwischenergebnis ..................................................... 116 (2) Treuhandcharakter des Valutaverhältnisses? ................. 117 (a) Begriffsklärung: Definition und Kategorisierung des Treuhandbegriffs ................................................ 117 (b) Voraussetzungen des Vollstreckungsschutzes des Treugebers ................................................................ 118 (c) Das „gesetzliche Treuhandverhältnis“ zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem auf dem Prüfstand ................................................................... 122 ee) Zwischenergebnis ................................................................ 125
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b) Deckungsverhältnis: Notwendigkeit einer Trennung von eigennütziger und fremdnütziger Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers ............................................................... 125 c) Unmittelbare Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers ...................... 127 aa) § 80 Abs. 1 InsO: Übergang nur der eigennützigen Einziehungsbefugnis gem. § 46 S. 2 VVG auf den Insolvenzverwalter............................................................... 127 bb) Schicksal der uneigennützigen Einziehungsbefugnis: schuldrechtliche Unterlassungspflicht hinsichtlich ihrer Ausübung ............................................................................. 128 d) Mittelbare Auswirkung der Insolvenzeröffnung: Befugnis des Versicherten zur Einziehung der Versicherungsforderung ........ 130 aa) Gesetzliche Ausgangslage: Einziehungsbefugnis des Versicherten auf Grundlage des Besitzes am Versicherungsschein oder der Zustimmung des Insolvenzverwalters ............................................................. 131 (1) Der Vindikationsanspruch des Versicherten auf Herausgabe des Versicherungsscheins aus § 985 BGB ..................................................................... 131 (2) Die Gegenrechte des Versicherungsnehmers: Recht zum Besitz aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG und Zurückbehaltungsrecht aus § 46 S. 1 VVG ................... 132 (3) Auswirkung der Insolvenzeröffnung: potentielles Erlöschen des Besitzrechts aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG, Fortbestand des Zurückbehaltungsrechts aus § 46 S. 1 VVG ................................................................ 134 (4) Alternative zur Einziehungsbefugnis aufgrund des Besitzes am Versicherungsschein: Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Einziehung .............................. 135 bb) Kautelarjuristischer Ausschluss der Einziehungsbefugnis kraft Zustimmung oder Besitz am Versicherungsschein im Insolvenzfall unwirksam ................................................ 137 e) Die Insolvenz des Versicherungsnehmers aus der Perspektive des Versicherers ......................................................................... 138 aa) Identifikation der zum Empfang der Versicherungsleistung berechtigten Person ................................................ 138 bb) Schutz vor der Inanspruchnahme durch unbekannte Forderungsprätendenten ...................................................... 140 4. Ergebnis ........................................................................................... 141 III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Versicherten .......................................................................................... 143 1. Aufrechnung..................................................................................... 143
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2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO ............................................ 144 a) Insolvenzrechtliche Grundlagen ................................................. 144 b) Auswirkungen der Erfüllungsablehnung auf den Versicherungsvertrag.................................................................. 145 3. Insolvenzanfechtung ........................................................................ 147 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 150 I. Frankreich ............................................................................................. 150 II. England ................................................................................................. 153 1. Die schwache Rechtsstellung vertragsfremder Dritter im englischen Recht .............................................................................. 153 2. Wege zur Stärkung der Rechtsstellung des Dritten ......................... 155 a) Der Dritte als beneficiary eines trust .......................................... 155 b) Das Durchsetzungsrecht des Dritten auf Grundlage des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 ............................. 158 c) Zusammenfassung ...................................................................... 159 III. USA ...................................................................................................... 160 1. Offenheit des US-amerikanischen Rechts für das Konzept drittbegünstigender Versicherungen ................................................ 160 2. Insolvenzrechtliche Behandlung drittbegünstigender Versicherungen ................................................................................ 162 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Betrachtung ...................................... 163 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 164 § 7 Der Schutz des Bezugsberechtigten in der Lebensversicherung ............... 166 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ......................................................... 167 I. Zeitpunkt des Forderungserwerbs durch den Bezugsberechtigten ....... 168 II. Gegenstand des Forderungserwerbs ..................................................... 169 III. Modalitäten des Forderungserwerbs ..................................................... 170 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten ...................................................... 172 I. Insolvenzrechtliche Privilegierung erfordert entsprechende Vermögensallokation vor Insolvenzeröffnung ..................................... 172 II. Folgen für die Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Begünstigten durch das Insolvenz- und Versicherungsrecht ......... 173 1. Allgemeine Leitlinien ...................................................................... 173 2. Beispiel für die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben: die Direktversicherung im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge .................................................................................. 175 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten .................................................................................... 177 I. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Bezugsberechtigten: Aussonderungsrecht nach Erwerb der Versicherungsforderung .......... 177
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1. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung.............................................. 177 2. Widerrufliche Bezugsberechtigung.................................................. 180 a) Kein Aussonderungsrecht am Anspruch auf den Rückkaufswert ............................................................................ 180 b) Kein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung .......... 181 3. Eingeschränkt unwiderrufliche und gespaltene Bezugsberechtigungen ..................................................................... 185 a) Die gespaltene Bezugsberechtigung ........................................... 185 b) Die eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsberechtigung ........... 187 aa) Rechtliche Struktur des eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts ........................................................................ 187 bb) Das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht aus einer Direktversicherung bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses ...................................................... 188 4. Mittelbare Auswirkungen des Valutaverhältnisses auf die insolvenzrechtliche Stellung des Bezugsberechtigten ..................... 192 5. Das Eintrittsrecht nach § 170 VVG ................................................. 194 II. Verteilung der Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung ....................................................................... 196 III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Bezugsberechtigten ............................................................................... 197 1. Aufrechnung..................................................................................... 197 2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO ............................................ 197 3. Insolvenzanfechtung ........................................................................ 197 a) Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung ............................. 198 b) Rechtsfolgen und Reichweite der Insolvenzanfechtung ............ 201 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 202 I. Frankreich ............................................................................................. 202 1. Das Recht des souscripteur zur Bestimmung eines bénéficiare sowie zur Aufhebung und Abänderung der Begünstigung .............. 202 2. Beschränkung des Gläubigerzugriffs auf eine Erstattung übermäßiger Prämienzahlungen ....................................................... 204 II. England ................................................................................................. 206 1. Das traditionelle englische Recht: Insolvenzfeste Stellung des Begünstigten nur bei Aufgabe der Dispositionsfreiheit durch den Versicherungsnehmer....................................................................... 206 a) Common law und equity ............................................................ 206 b) S. 11 Married Women’s Property Act 1882 ............................... 210 2. Umwälzung der tradierten Grundsätze durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999? ................................................. 211 III. USA ...................................................................................................... 211
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1. Grundsatz des bundesstaatlichen Insolvenzrechts: voller Zugriff des trustee in bankruptcy auf die in Lebensversicherungen verkörperten Vermögenswerte ......................................................... 211 2. Schutz der Versicherungsleistung vor Gläubigerzugriff durch statutory exemptions ........................................................................ 213 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Betrachtung ...................................... 214 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 215 § 8 Der Schutz des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung ................... 217 A. Versicherungsrechtliche Grundlagen ......................................................... 218 I. Entwicklungsgeschichte der Haftpflichtversicherung: von der eigennützigen Absicherung gegen Haftungsrisiken zum modernen System des Opferschutzes .................................................................... 218 1. Ursprünge der Haftpflichtversicherung: Entstehung aus der Abgrenzung zur Unfallversicherung für fremde Rechnung ............. 218 2. Hinzutreten des Schutzes der Geschädigten als eigenständiger Zweck der Haftpflichtversicherung: Die einzelnen Entwicklungsstadien ........................................................................ 221 a) Erhalt der Versicherungsforderung als Haftungsobjekt des Geschädigten – Verhinderung des Zugriffs anderer Gläubiger .................................................................................... 222 b) Gewährleistung des Bestands von Versicherungsschutz durch die Einführung von Versicherungspflichten............................... 223 c) Direktanspruch gegen den Versicherer ...................................... 224 d) Stärkung der Rechtsstellung des Geschädigten durch Einschränkungen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit von Versicherungsnehmer und Versicherer ...................................... 225 e) Gesamtschau: Strukturelle (Wieder-)Annäherung der Haftpflichtversicherung an die Versicherung für fremde Rechnung .................................................................................... 226 II. Wesentliche Strukturmerkmale der Haftpflichtversicherung ............... 228 1. Die versicherungsvertraglichen Pflichten des Versicherers ............. 228 a) Die Verpflichtung des Versicherers zur Gewährung von Rechtsschutz ............................................................................... 229 b) Die Verpflichtung des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers von den Haftpflichtforderungen des Dritten ......................................................................................... 231 c) Verhältnis von Rechtsschutz- und Freistellungsverpflichtung: einheitliche Versicherungsforderung mit rechtlich unterscheidbaren Komponenten ................................................. 232 2. Trennungsprinzip und Bindungswirkung......................................... 234 a) Materielles und prozessuales Trennungsprinzip ........................ 234
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b) Die Bindungswirkung von Urteilen, Vergleichen und Anerkenntnissen im Haftpflichtverhältnis.................................. 235 aa) Voraussetzungen der Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile .................................................................................. 237 (1) Bindungswirkung nur bei Prozessführung durch Versicherer oder unberechtigter Ablehnung der Abwehrdeckung? ........................................................... 237 (2) Bindungswirkung zumindest aller kontradiktorischen Haftpflichturteile? .......................................................... 239 (3) Quelle der Kontroverse: grundlegend verschiedene Konzeptionen vom Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung ................................................. 241 (4) Umfassende Bindungswirkung kontradiktorischer Haftpflichturteile als Folge der umfassenden Versicherungsdeckung der Haftpflichtversicherung ...... 243 (5) Eingeschränkte Bindungswirkung von Anerkenntnisurteilen – Umfassende Bindungswirkung von Versäumnisurteilen .................... 245 bb) Voraussetzungen der Bindungswirkung von Anerkenntnis und Vergleich ................................................ 248 cc) Voraussetzungen der Bindungswirkung einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle ............................................................. 248 (1) Einschränkung der Bindungswirkung nach denselben Grundsätzen wie bei Anerkenntnisurteilen, Anerkenntnissen und Vergleichen ................................. 248 (2) Praktische Folgen der eingeschränkten Bindungswirkung für den Insolvenzverwalter ............... 250 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten ................................................................ 252 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten .............................................................................................. 257 I. Allgemeine Grundlagen: keine Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch allein aufgrund der Insolvenzeröffnung ......................................................................... 257 II. Die freiwillige Haftpflichtversicherung................................................ 259 1. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Geschädigten .............. 259 a) Das Absonderungsrecht aus § 110 VVG und das ihm zugrundeliegende Pfandrecht ..................................................... 259 b) Objekt des Absonderungsrechts / des materiellen Vorzugsrechts ist ausschließlich der Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers ............................................................... 260
XXII
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c) Entstehung des materiellen Vorzugsrechts und des Absonderungsrechts ................................................................... 261 2. Wege zur Realisierung des Absonderungsrechts aus § 110 VVG im eröffneten Insolvenzverfahren .................................................... 263 a) Das reguläre Verfahren zur Realisierung des Absonderungsrechts ................................................................... 263 aa) Ganz h.M.: Alternative zwischen analoger Anwendung der Pfandrechtsvorschriften und Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter ........................................................ 263 (1) Analoge Anwendung der Vorschriften über Absonderungsrechte, die auf einem Pfandrecht an Forderungen basieren ..................................................... 263 (2) Unmittelbare Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung ................................................. 266 bb) Kritische Betrachtung der unmittelbaren Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter ............................................. 269 (1) Fehlerhafte methodische Prämissen ............................... 270 (2) Unerfüllbarkeit des im Urteil verkörperten gerichtlichen Leistungsbefehls ....................................... 272 (3) Konflikt mit dem Verbot, die freie Insolvenzmasse mit den Kosten der Realisierung des Absonderungsrechts zu belasten ...................................................................... 272 (4) Mangelnde materiellrechtliche Grundlage der Zahlungsklage ................................................................ 273 cc) Systemgerechte Lösung: Klage des Geschädigten auf Duldung der abgesonderten Befriedigung gestützt auf § 1277 BGB analog ............................................................. 273 b) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters .................................................................... 276 aa) Freigabe der Versicherungsforderung ................................. 276 bb) Zession der Versicherungsforderung ................................... 278 (1) Folge der Zession: unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten ............................ 279 (2) Anspruch des Geschädigten auf Abtretung der Versicherungsforderung aus § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB analog ............................................................ 282 (3) Vorteile einer Zession der Versicherungsforderung an Zahlungs statt für die Insolvenzmasse ........................... 284 (4) Folge: Starker faktischer Anreiz für den Insolvenzverwalter zur Abtretung der Versicherungsforderung an Zahlungs statt .................... 286
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XXIII
c) Stellung mehrerer Geschädigter bei nicht ausreichender Versicherungsdeckung ............................................................... 286 3. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Geschädigten .................................................................................... 287 a) Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen ............... 287 b) Nichterfüllungswahl gem. § 103 Abs. 2 InsO ............................ 288 c) Insolvenzanfechtung ................................................................... 289 4. Ergebnis ........................................................................................... 289 III. Die Pflichtversicherung ........................................................................ 290 1. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Geschädigten .............. 291 2. Realisierung des Direktanspruchs durch den Geschädigten ............ 291 a) Inhalt und Durchsetzung des Direktanspruchs ........................... 291 b) Stellung mehrerer Geschädigter bei nicht ausreichender Versicherungsdeckung ............................................................... 293 3. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Geschädigten .................................................................................... 293 IV. Vorschlag einer Neukonzeption de lege ferenda: Direktanspruch des Geschädigten unabhängig von der Form der Haftpflichtversicherung ........................................................................ 294 1. Kritische Würdigung der Rechtslage de lege lata ............................ 294 2. Schaffung eines allgemeinen, insolvenzbedingten Direktanspruchs des Geschädigten als system- und sachgerechte Lösung ................. 295 3. Rechtliche Ausgestaltung eines auf die Insolvenz des Versicherungsnehmers beschränkten Direktanspruchs .................... 296 4. Kein Konflikt mit dem prozessualen Trennungsprinzip .................. 297 5. Gewährleistung der Praktikabilität des Direktanspruchs durch den Insolvenzverwalter als Informationsintermediär ............................. 300 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 301 I. Frankreich ............................................................................................. 301 1. Action directe des Geschädigten ...................................................... 301 2. Eingeschränkte Akzessorietät der action directe zur Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers ....................... 304 II. England ................................................................................................. 306 1. Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 ...................... 307 2. Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ...................... 310 a) Kritik der bisherigen Rechtslage ................................................ 310 b) Zentrale Neuregelungen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 ...................................................................... 311 3. Besonderheiten der motor insurance ................................................ 312 III. USA ...................................................................................................... 313 1. Die uneinheitliche versicherungsrechtliche Ausgestaltung und insolvenzrechtliche Behandlung der liability insurance .................. 313
XXIV
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2. Gemeinsame Grundlinien der insolvenzrechtlichen Behandlung der liability insurance ....................................................................... 315 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Untersuchung ................................... 316 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 317 § 9 Der Schutz des Grundpfandgläubigers in der Sachversicherung ............. 320 A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen ..................................... 322 I. Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, §§ 1127, 1129 BGB .............................................................................. 322 II. Gebäudeversicherungen, § 1128 BGB ................................................. 323 III. Gebäudefeuerversicherungen, §§ 142 ff. VVG .................................... 324 B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Grundpfandgläubigers .................................................. 327 C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung ........... 328 I. Insolvenzrechtliche Stellung des Grundpfandgläubigers ..................... 328 II. Wege zur Realisierung der insolvenzrechtlichen Vorzugsstellung ...... 329 1. Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben .......... 329 a) Absonderungsrecht an Versicherungsforderungen nur bei Beschlagnahme ........................................................................... 329 b) Durchführung der abgesonderten Befriedigung ......................... 329 c) Die „kalte Zwangsverwaltung“ als alternativer Mechanismus der Haftungsrealisierung ............................................................ 332 d) Mangels Beschlagnahme Recht und Pflicht des Insolvenzverwalters zur Einziehung der Versicherungsleistung für die Insolvenzmasse ............................................................... 333 e) Enthaftung der Versicherungsforderung bei Wiederherstellung der versicherten Sache ................................................................ 334 2. Allgemeine Gebäudeversicherungen ............................................... 335 a) Realisierung des Absonderungsrechts aus § 49 InsO – Problematik der Zwangsverwaltung ........................................... 335 b) Verstärkung der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Realgläubigers durch § 1128 BGB ............................................. 335 c) Rechtsstellung des Realgläubigers bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung ............................. 337 d) Alternative Abwicklung nach dem Modell der „kalten Zwangsverwaltung“: Die „kalte Einziehung“ der Versicherungsforderung ............................................................. 340 e) Nachträglicher Wegfall des Absonderungsrechts in den Fällen des § 1127 Abs. 2 BGB und des § 1128 Abs. 1, 2 BGB ............ 341 3. Gebäudefeuerversicherungen ........................................................... 341 a) Insolvenzrechtlicher Schutz des Realgläubigers durch eigenständigen, unmittelbaren Anspruch aus § 143 VVG ......... 341
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b) Schutz des Versicherers bei Leistung an den Realgläubiger aufgrund von § 143 VVG: Übergang des Grundpfandrechts gem. § 145 VVG ........................................................................ 342 aa) Regelungszweck der §§ 143, 145 VVG: Stimulierung des Realkreditwesens durch Transfer von Insolvenzrisiken ...... 342 bb) Notwendigkeit einer persönlichen Forderung des Versicherers ......................................................................... 343 cc) Notwendigkeit eines derivativen Forderungserwerbs ......... 345 dd) Konstruktion des derivativen Forderungserwerbs: Abtretungsanspruch aus gesetzlichem Schuldverhältnis ..... 347 4. Besonderheiten bei Vorliegen einer Wiederherstellungsklausel ..... 348 a) Begriff und Typologie der Wiederherstellungsklauseln ............ 348 b) Modifikationen der materiellen Rechtslage bei Vorliegen einer Wiederherstellungsklausel.......................................................... 350 aa) Recht des Versicherers, die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung gegenüber dem Realgläubiger an den Versicherungsnehmer zu erbringen .............................. 350 bb) Ausschluss der Einziehungsbefugnis des Realgläubigers ... 351 c) Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche Stellung der Realgläubiger.............................................................................. 352 aa) Entscheidungsgewalt des Insolvenzverwalters über die Verwendung der Versicherungsleistung .............................. 352 bb) Möglicher Rechtsverlust der Realgläubiger ........................ 354 III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers .......................................................................... 354 1. Aufrechnung..................................................................................... 355 2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO ............................................ 356 3. Insolvenzanfechtung ........................................................................ 356 D. Rechtsvergleichende Betrachtung .............................................................. 358 I. Frankreich ............................................................................................. 358 1. Die Zuordnung der Versicherungsforderung an den Sicherungsnehmer gem. Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. ...................... 358 2. Beschränkungen der Rechtsstellung des Sicherungsnehmers .......... 359 a) Erfüllungswirkung einer gutgläubigen Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer gem. Art. L. 121-13 c.ass. ................................................................... 359 b) Einwendungen des Versicherers gegen das Recht des Sicherungsnehmers ..................................................................... 360 c) Das ungeklärte Verhältnis der Berechtigung des Sicherungsnehmers aus Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. zur Wiederaufbauverpflichtung des Versicherungsnehmers aus Art. L. 121-17 c.ass. ................................................................... 361
XXVI
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3. Die Stellung des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ..................................................................... 361 II. England ................................................................................................. 362 1. Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung ....................... 363 2. Rechte des mortgagee im Insolvenzverfahren des mortgagor ......... 366 III. USA ...................................................................................................... 368 1. Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung ....................... 368 2. Stellung des mortgagee im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers ..................................................................... 370 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Untersuchung ................................... 371 E. Zusammenfassung ...................................................................................... 373
Schlussbetrachtung: Das System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers .................................................. 375 A. Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung ............................ 375 B. Insolvenzrechtliche Qualifikation der Rechtsstellung des Dritten ............. 376 C. Wege zur Realisierung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Privilegierung ............................................................................................. 376 D. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Dritten ............ 379 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 381 Sachregister ...................................................................................................... 401
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. AcP A.C. a.F. AFB AHB Ala. ALB All E.R. Alt. Am. Bankr. Inst. L. Rev. Anm. App. App. Cas. Ariz. Ark. Art. Artt. Ass’n AStB AVB AWB
BAG Bankr.
anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis Law Reports, Appeal Cases (3rd Series) alte Fassung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Feuerversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Alabama Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Lebensversicherung All England Law Reports Alternative American Bankruptcy Institute Law Review Anmerkung Appellate Court Law Reports, Appeal Cases Arizona Arkinsas Artikel Artikel (Plural) Association Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Sturmversicherung Allgemeine Versicherungsbedingungen Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Leitungswasserversicherung Bundesarbeitsgericht United States Bankruptcy Court
XXVIII Bankr. Inst. L. Rev. BB B.C.C. B.C.L.C. Bd. Begr. BGB BGH BGHZ Zivilsachen B.R. B.&S. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE bzw. Cal. C. ass. C.c. C. cass. C. civ. c. com. Ch. Ch.D.
Abkürzungsverzeichnis
American Bankruptcy Institute Law Review Der Betriebs-Berater British Company Law Cases Butterworths Company Law Cases Band Begründer Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in West’s Bankruptcy Reporter Best & Smith's Queen's Bench Reports Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise California Code des assurances Code civil Cour de cassation Chambre civile Code de commerce Law Reports, Chancery Division (Third Series) Law Reports, Chancery Division (Second Series) chambre, chapter Circuit Civil, Urteil einer chambre civile der Cour
ch. Cir. Civ. de cassation C.L.C. Co. Col. L. R. com. C.P.C. Ct. App.
Commercial Law Cases Company Columbia Law Review commercial/e Code de procédure civile Court of Appeals
D. ders. d.h.
Dalloz (Recueil), District derselbe das heißt
Abkürzungsverzeichnis
dies. DJT DM D.N.J. of New Jersey D.N.H. DP DZWiR
€ E.D. ed. EG EGVVG tragsgesetz Einl. et al. etc. EU EuGH EuInsVO e.V. EWiR
XXIX
dieselbe/dieselben Deutscher Juristentag Deutsche Mark United States District Court for the District District of New Hampshire Dalloz Recueil Périodique et Critique Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Euro Eastern District edition Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum VersicherungsverEinleitung et alii/et aliae et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Insolvenzverordnung eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
f./ff. F.2d F.3d FK-InsO nung Fl. Fn. FS F.Supp.
folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Frankfurter Kommentar zur Insolvenzord-
Ga. Ga. App. GDV
Georgia Georgia Appeals Report Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Grundgesetz gemäß Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GG gem. GmbH
Florida Fußnote Festschrift Federal Supplement
XXX
Abkürzungsverzeichnis
GMU L. Rev. Gonz. L. Rev.
George Mason Law Review Gonzaga Law Review
Hdb. HGB h.L. h.M. Hrsg. Hs. HStR
Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland
Inc. Ins. InsO i.S.d. i.V.m.
Incorporated Insurance Insolvenzordnung im Sinne des/der in Verbindung mit
Jher. Jb. J.I.B.L. Jr. JZ
Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal of International Business and Law Junior Juristenzeitung
K.B. Kfz KG KO krit. KTS Ky.
Law Reports, King's Bench Kraftfahrzeug Kammergericht Konkursordnung Kritisch Zeitschrift für Insolvenzrecht Kentucky
La. LG lit. Lloyd’s Rep. L.Q.R. L.R. L.S.G. LZ
Louisiana Landgericht littera Lloyd’s Law Reports Law Quarterly Review Law Reports (First Series) Law Society Gazette Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht, ab 1914 Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
Abkürzungsverzeichnis
XXXI
m. M.D. Minn. Minn. Supr. Ct. Mio. m.N. Mo. m.w.N.
mit Middle District Minnesota, Minnesota Reporter Minnesota Supreme Court Million/Millionen mit Nachweisen Missouri mit weiteren Nachweisen
N.C. N.C. App. N.C.L.Rev. N.D. n.F. N.H. N.J. NJW NJW-RR
North Carolina North Carolina Appellate Reporter North Carolina Law Review Northern District neue Fassung New Hampshire New Jersey Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht numéro Nummer/n Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht North Western Reporter, Second Series New York Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht
nO Nr. NVersZ N.W.2d N.Y. NZI
OGH OLG
Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht
P.2d para./paras. P.N.L.R. Reports
Pacific Reporter, Second Series paragraph/paragraphs Professional Negligence and
Q.B. ries)
Law Reports, Queen's Bench (Third Se-
RG RGZ Zivilsachen RHPflG
Reichsgericht Entscheidungen
des
Reichshaftpflichtgesetz
Liability
Reichsgerichts
in
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
Rn. Rs. R.T.R. r+s
Randnummer/n Rechtssache Road Traffic Reports recht und schaden
s. ss. S. sch. schwVVG setz S.C. S.C. App. S.Ct.
siehe, section sections Satz, Seite schedule Schweizerisches Versicherungsvertragsge-
S.D. S.E.2d Sp. S.W.2d S.W.3d
South Carolina, South Carolina Reporter Court of Appeals of South Carolina Supreme Court of the United States, Supreme Court Reporter Southern District South Eastern Reporter, Second Series Spalte South Western Reporter, Second Series South Western Reporter, Third Series
Tenn. Tex. Tort & Ins. L.J. Tz.
Tennessee Texas Tort & Insurance Law Journal Textziffer
u.a. U.C.C. Urt. v. US USA U.S.C.
unter anderem/n Uniform Commercial Code Urteil vom United States United States of America United States Code
v. VA
versus Veröffentlichungen des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Variante Versicherungsrecht (Zeitschrift) Versicherungsrundschau (Österreich) vergleiche
VAG
Var. VersR VersRdsch vgl.
Abkürzungsverzeichnis
VuR VVG
Wash. Wash.2d Wash. Supr. Ct. W.D. W.L.R. WM WuB WuR z.B. ZfIR ZHR ZInsO ZIP zit. ZMR ZPO ZR zust. ZVersWiss ZVG
ZVI ZZP
XXXIII
Verbraucher und Recht - Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Washington Washington Reports, Second Series Washington Supreme Court Western District Weekly Law Reports Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapier-Mitteilungen Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Recht der Versicherung zum Beispiel Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Zivilrechtssenat zustimmend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) Zeitschrift für Verbraucher- und PrivatInsolvenzrecht Zeitschrift für Zivilprozess
Einleitung
§1
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit A. Einführung in die Thematik
A. Einführung in die Thematik
Die Versicherung als Instrument des Risikotransfers ist aus dem modernen Wirtschaftsleben nicht hinwegzudenken. Nahezu jedes Rechtssubjekt – egal ob natürliche oder juristische Person – genießt in irgendeiner Weise Versicherungsschutz. Im Gegensatz zur Insolvenz des Versicherers, die dank Solvabilitätsvorschriften und anderer Sicherungsmechanismen 1 eine Ausnahmeerscheinung darstellt, ist die Insolvenz des Versicherungsnehmers dementsprechend ein Massenphänomen.2 Cum grano salis lässt sich sogar sagen: Jedes Insolvenzverfahren ist Insolvenzverfahren eines Versicherungsnehmers. Umso erstaunlicher ist es, dass der Themenkomplex „Insolvenz des Versicherungsnehmers“ in der Rechtswissenschaft bislang eher ein Schattendasein fristete. Lediglich einzelne, gegenständlich eng begrenzte Fragestellungen aus diesem Problemkreis haben in der Vergangenheit eine vertiefte (monographische) Aufarbeitung erfahren.3 Umfassendere Arbeiten, die sich grundlegenderen Problemen aus dem Bereich der Insolvenz des Versicherungsnehmers widmen, sucht man dagegen vergeblich. Hier harren zahlreiche Schwierigkeiten nach wie vor einer vertieften wissenschaftlichen Aufarbeitung.
1
Von besonderer Bedeutung ist insoweit die unter dem Begriff „Solvency II“ firmierende Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit, ABl. Nr. L 335 S. 1, ber. 2014 Nr. L 219 S. 66, die den deutschen Gesetzgeber jüngst zu einer vollständigen Neufassung des VAG veranlasste, zum Ganzen ausführlich Beckmann, in: Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, E. VI. Versicherungsrecht Rn. 30 ff. und Dreher, VersR 2008, 998 ff. 2 Vgl. Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 166 Rn. 76; zweifelnd dagegen Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110, S. 3. 3 Zu nennen ist hier insbesondere die insolvenzrechtliche Behandlung der Lebensversicherung als Instrument der betrieblichen Altersvorsorge, vgl. hierzu z.B. Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, 2006. In jüngerer Zeit rückte auch die Stellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers wieder stärker in den Fokus der Jurisprudenz, vgl. hierzu Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110, S. 3 m.N.
§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
2
Die vorliegende Arbeit greift aus dem Bereich dieser Grundlagenprobleme eines heraus, das sowohl wissenschaftlich als auch rechtspraktisch von ganz besonderem Interesse ist: die insolvenzrechtliche Behandlung drittschützender Versicherungen. Gemeint sind hiermit Versicherungen, die vom Versicherungsnehmer nicht ausschließlich zum eigenen wirtschaftlichen Nutzen unterhalten werden, sondern – allein oder darüber hinaus – einem Dritten zugutekommen sollen. Solche Drittschützende Versicherungen sind weit verbreitet und von erheblicher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Dies verdeutlicht bereits eine Auflistung ihrer wichtigsten Vertreter, die gleichsam einen Querschnitt durch das weite Feld der Versicherungsprodukte darstellt: Versicherung für fremde Rechnung, Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten, Haftpflichtversicherung und Sachversicherung von Gegenständen, die in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts fallen.4 Das besondere Interesse am insolvenzrechtlichen Schicksal derartiger Versicherungen resultiert aus dem Spannungsverhältnis, das mit Insolvenzeröffnung zwischen der drittschützenden Zwecksetzung der Versicherung auf der einen und dem das Insolvenzverfahren beherrschenden Grundsatz der par conditio creditorum auf der anderen Seite entsteht. Aus der Sicht des geschützten Dritten stellt sich die drängende Frage, ob der durch die Versicherung vermittelte Drittschutz der Sogwirkung der par conditio creditorum widerstehen kann oder die Versicherungsleistung wie das restliche Schuldnervermögen als Teil der Insolvenzmasse zur gleichmäßigen Befriedgung der Insolvenzgläubiger verwendet wird. Angesichts notorisch ausgezehrter Insolvenzmassen und nach wie vor magerer Insolvenzquoten5 ist die wirtschaftliche Bedeutung dieser Fragestellung für die Beteiligten des Insolvenzverfahrens kaum zu überschätzen. Mit dem Spannungsverhältnis zwischen drittschützender Zwecksetzung und par conditio creditorum ist das hier zu untersuchende Problem freilich nur sehr grob umschrieben. Es lässt sich analytisch weiter aufgliedern in drei Einzelfragen: Erstens, inwieweit nimmt der Dritte im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers grundsätzlich eine privilegierte Stellung ein? Zweitens, auf welchem Wege kann der Dritte seine privilegierte Rechtsstellug verfahrensförmig für sich realisieren? Drittens, welchen nachträglichen, insolvenzspezifischen Beeinträchtigungen sieht sich die privilegierte Rechtsstellung des Dritten ausgesetzt? Betrachtet man die Antworten, die Gesetz und Rechtspraxis für diese Fragen derzeit bereithalten, so fällt auf, dass insoweit für die verschiedenen Formen drittschützender Versicherung kaum gemeinsame Grundsätze feststellbar sind. In einer gewissen Wechselwirkung hierzu steht der Umstand, dass weder in der Rechtswissenschaft noch in der Rechtspraxis bislang eine umfassende und vergleichende Betrachtung der 4 5
Ähnlich bereits die Aufzählung bei Möller et al., ZVersWiss 1970, 17 ff. Hierzu noch ausführlich unten sub § 2 B. I. b) bb).
B. Der status quo: ein disparater Befund
3
einzelnen Versicherungsformen im Hinblick auf ihre insolvenzrechtliche Behandlung gewagt wurde. Der Blick verengte sich vielmehr stets auf spezifische Probleme der individuellen Versicherungsformen. Es nimmt vor diesem Hintergrund nicht wunder, dass sich die gefundenen Lösungen eher durch ein hohes Maß an Pragmatismus und Simplizität auszeichnen als durch ihre dogmatische und systematische Konsistenz. Das Ergebnis ist ein Stückwerk punktueller und inhaltlich disparater Regelungen, die an zahlreichen Stellen erhebliche Friktionen zum geltenden Insolvenzrecht erzeugen. Die vorliegende Arbeit setzt es sich zum Ziel, diesem Zustand abzuhelfen. Es soll der Versuch unternommen werden, ein kohärentes System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers herauszubilden, das mit den Grundwertungen des Insolvenzrechts in Einklang steht.
B. Der status quo: ein disparater Befund B. Der status quo: ein disparater Befund
I. Die drittschützende Wirkung der verschiedenen Versicherungsformen Die drittschützende Zwecksetzung der eingangs beschriebenen Versicherungsformen variiert in ihrer Intensität und nimmt dementsprechend auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung unterschiedliche Formen an. Am augenfälligsten tritt sie bei der Versicherung für fremde Rechnung zutage. Hier soll die Versicherungsleistung unmittelbar und ausschließlich dem vom Versicherungsnehmer personenverschiedenen Versicherten zufließen. Dementsprechend stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich der Versicherungsforderung nach § 44 VVG allein dem Versicherten zu. Ähnlich verhält es sich gem. § 159 VVG bei Lebensversicherungsverträgen, wenn der Versicherungsnehmer einen Dritten als Bezugsberechtigten eingesetzt hat. Charakteristikum dieser Versicherungsformen ist mithin die ausschließliche Begünstigung des Dritten; sie sind zumindest ihrer Grundstruktur nach altruistischer Natur. Daneben bestehen aber auch Versicherungsformen, bei denen der Schutz des Dritten neben den Schutz des Versicherungsnehmers tritt, ohne diesen vollständig zu verdrängen. Dies ist zunächst bei Versicherungen der Fall, die eine in den Haftungsverband eines Grundpfandrechts fallende Sache zum Gegenstand haben. Die Versicherung schützt hier zum einen das Erhaltungsinteresse des Eigentümers an der Sachsubstanz. Zum anderen ordnen die §§ 1127, 1192 Abs. 1 BGB aber auch an, dass die entsprechenden Versicherungsforderungen ebenso vom Haftungsverband des Grundpfandrechts erfasst werden wie die versicherte Sache. Die Versicherungsforderungen dienen dem Realgläubiger damit als zusätzliche Sicherheit. Ebenfalls einen kumulativen Schutz von Versicherungsnehmer und Drittem generiert die Haftpflichtversicherung. Wirtschaftlich profitieren vom Bestand einer solchen Versicherung
§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
4
sowohl der schadensersatzpflichtige Versicherungsnehmer, der von seiner Haftpflichtschuld befreit wird, als auch der Geschädigte, zu dessen Gunsten der Bestand einer ausreichenden Haftungsmasse gewährleistet wird. Rechtlich hat der Schutz des Geschädigten allerdings eine eigentümliche Ausgestaltung erfahren. Bis heute ist die Haftpflichtversicherung von der Grundidee geprägt, dass dem Geschädigten keine unmittelbaren Rechte an der Versicherungsforderung zukommen sollen, er auf diese nur im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Versicherungsnehmer zugreifen kann. Diese Grundidee gilt heute allerdings nicht mehr in ihrer Reinform. Im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte wurde die drittschützende Wirkung der Haftpflichtversicherung durch Rechtsprechung und Gesetzgeber von einem anfänglich rein mittelbar wirkenden Rechtsreflex zunehmend zu einer rechtlich abgesicherten „Sozialbindung“ der Haftpflichtversicherung weiterentwickelt.6 II. Das Spannungsverhältnis zum insolvenzrechtlichen Prinzip der par conditio creditorum Ungeachtet der beschriebenen Unterschiede in der rechtlichen Ausformung ist allen genannten Versicherungsformen gemein, dass die Versicherungsleistung im wirtschaftlichen Ergebnis ganz oder teilweise einer bestimmten Drittpartei zufließen soll. Es bedarf keiner allzu großen Phantasie, um die Spannungen vorhersehen zu können, die ein solcher Drittschutz im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers hervorruft. Der das Insolvenzverfahren prägende Grundsatz der par conditio creditorum streitet dafür, sämtliche Vermögenswerte des Schuldners – und damit auch den Vermögenswert der von ihm abgeschlossenen Versicherungen – zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger zu verwenden, diese also gerade nicht allein einer bestimmten Drittpartei zukommen zu lassen.7 Aus anderen Rechtsgebieten ist wohlbekannt, dass die par conditio creditorum stets ins Feld geführt wird, wenn es gilt, insolvenzrechtliche Privilegien einzelner Beteiligter zu bekämpfen.8 Auch der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers 6
Ausführlich hierzu unten sub § 8 A. I. 2. RGZ 71, 363, 364 f. (zur Haftpflichtversicherung vor Einführung des § 157 VVG a.F.). 8 So z.B. zur Untermauerung der anlässlich der Insolvenzrechtsreform erhobenen Forderungen nach Abschaffung des insolvenzrechtlichen Vorrangs von Steuerforderungen des Fiskus und Sozialplanansprüchen von Arbeitnehmern sowie nach der Beschneidung der Insolvenzfestigkeit publizitätsloser Mobiliarsicherheiten, vgl. hierzu statt vieler Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 7 ff.; Uhlenbruck, NJW 1975, 897, 901 ff.; Kilger, KTS 1975, 142, 148; auch in jüngerer Zeit wurde das Argument der par conditio creditorum zur Kritik von Reformprojekten herangezogen, vgl. hierzu z.B. gegen den Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung statt vieler Vallender, NZI 2005, 599 ff. m.w.N.; gegen das Gesetz zur Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie Meyer/Rein, NZI 2004, 367 ff. 7
B. Der status quo: ein disparater Befund
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wird sich folglich an diesem Maßstab messen lassen müssen. Es stellt sich die Frage, wie das Spannungsverhältnis zwischen der drittschützenden Zwecksetzung der genannten Versicherungen und der par conditio creditorum aufzulösen ist und inwieweit der versicherungsrechtliche Drittschutz durch insolvenzrechtliche Mechanismen auch bei Vermögenslosigkeit des Versicherungsnehmers abgesichert werden kann. III. Die bestehende Ausgestaltung des insolvenzrechtlichen Drittschutzes als Stückwerk punktueller und inhaltlich disparater Regelungen Wie bereits angedeutet wurde, hält das geltende Recht für diese Frage keine einheitliche Antwort parat. Vielmehr wurden für jede der drittschützenden Versicherungsformen durch Gesetz oder Rechtspraxis eigenständige insolvenzrechtliche Regelungen entwickelt, die zumindest prima facie kaum auf gemeinsame Grundsätze zurückgeführt werden können. Der folgende kurze Überblick vermag dies zu verdeutlichen: 1. Überblicksartige Darstellung der einzelnen Ausformungen des insolvenzrechtlichen Drittschutzes Für die Versicherung für fremde Rechnung ist allgemein anerkannt, dass dem durch die Versicherung begünstigten Versicherten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers kraft seiner Stellung als Inhaber der Versicherungsforderung ein Aussonderungsrecht an dieser zukommt. Gleichwohl soll nach dem die Versicherung für fremde Rechnung prägenden Prinzip des Auseinanderfallens von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis grundsätzlich allein der Insolvenzverwalter dazu berechtigt sein, die Versicherungsforderung gegenüber dem Versicherer einzuziehen. Die Entschädigungsleistung habe er freilich unmittelbar nach ihrer Einziehung an den Versicherten auszuschütten.9 Soweit in einer Lebensversicherung einem Dritten eine unwiderrufliche oder eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt wurde, soll auch diesem ein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung zustehen. Im Unterschied zur Versicherung für fremde Rechnung sei der Bezugsberechtigte aber selbst dazu berechtigt, die Versicherungsleistung unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzufordern. Eine Einbeziehung des Insolvenzverwalters in die Abwicklung ist hier nicht vorgesehen.10 Eine eigenartige insolvenzrechtliche Rechtsstellung kommt dem Geschädigten in der Haftpflichtversicherung zu. Obwohl er außerhalb des Insolvenzverfahrens kein eigenes materielles Recht an der Versicherungsforderung innehat, ist er gem. § 110 VVG in der Insolvenz des Versicherungsnehmers 9
Zum Ganzen ausführlich unten sub § 6 C. I. und II. 1. Zum Ganzen ausführlich unten sub § 7 C. I. und II.
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§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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zur abgesonderten Befriedigung aus der Versicherungsforderung berechtigt. Gesetzlich nicht geregelt ist jedoch, wie der Geschädigte dieses Absonderungsrecht verfahrensförmig realisieren kann. In Rechtsprechung und Literatur haben sich diesbezüglich über die Zeit zwei unterschiedliche Wege herausgebildet, die heute gleichermaßen als anerkannt gelten. Zum einen komme dem Geschädigten in analoger Anwendung des § 1282 Abs. 1 BGB ein eigenes Einziehungsrecht an der Versicherungsforderung zu, welches es ihm ermögliche, diese selbst gegenüber dem Versicherer geltend zu machen. Zum anderen sei der Geschädigte aber auch dazu berechtigt, den Insolvenzverwalter (klageweise) auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, freilich beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung.11 Eine weitergehende Verstärkung der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Geschädigten blieb bislang auf den Bereich der Pflichtversicherung beschränkt. Gem. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG steht dem Geschädigten bei dieser im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers ein eigener Direktanspruch gegen den Versicherer zu.12 Mit Blick auf die Versicherung einer zum Haftungsverband eines Grundpfandrechts gehörigen Sache wurde bereits festgestellt, dass die Versicherungsforderung gem. §§ 1127, 1192 Abs. 1 BGB ebenfalls in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fällt. Der Realgläubiger kann mithin ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung erwerben. Die genaue Ausgestaltung seiner materiell- und insolvenzrechtlichen Rechtsstellung variiert jedoch in Abhängigkeit von Versicherungsobjekt und versichertem Risiko ganz erheblich.13 2. Die wesentlichen Divergenzen zwischen den einzelnen Ausgestaltungen des insolvenzrechtlichen Drittschutzes Bei diesem kurzen Überblick über den insolvenzrechtlichen Drittschutz in den einzelnen Versicherungsformen fallen drei Bereiche ins Auge, in denen die individuellen Ausgestaltungen in besonderem Maß divergieren: Erstens ist hier die unterschiedliche Ausformung der Rechtsstellung des Dritten teils als Aussonderungs-, teils als Absonderungsrecht zu nennen. Besonders erstaunlich ist diese Divergenz im Bereich der Haftpflichtversicherung. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung wird dem Geschädigten nur ein Absonderungsrecht zugestanden. Der in der Pflichtversicherung gegebene Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer vermittelt jenem dagegen eine aussonderungsähnliche Rechtsstellung.14 Der kategoriale Unterschied in der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Geschädigten kontras-
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Zum Ganzen ausführlich unten sub § 8 C. II. 1. und 2. a) aa). Ausführlich hierzu unten sub § 8 C. III. 13 Ausführlich hierzu unten sub § 9 C. I. und II. 14 Näher hierzu unten sub § 8 C. III. 1. 12
C. Zielsetzung: Versuch einer Systembildung
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tiert hier auffällig mit der einheitlichen Grundkonzeption der beiden Versicherungen. Zweitens variiert der Drittschutz hinsichtlich der Rechtsebene, auf der er rechtsdogmatisch ansetzt. Während der insolvenzrechtlichen Privilegierung in der großen Mehrzahl der Fälle eine entsprechende materiellrechtliche Rechtsstellung zugrunde liegt, räumt § 110 VVG dem Geschädigten in der Haftpflichtversicherung nur ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung ein, ohne dass eine zugrundeliegende materielle Berechtigung ersichtlich wäre. Drittens – und in praxi wohl am relevantesten – bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Weges, den der Dritte beschreiten muss, um seine insolvenzrechtliche Vorzugsstellung durchzusetzen. Die einzelnen Versicherungsformen lassen sich diesbezüglich grob in zwei Gruppen untergliedern: Bei einem Teil der drittschützenden Versicherungsformen wird es dem Dritten ermöglicht, die Versicherungsforderung selbst unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen. Dies ist der Fall bei der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten, bei Pflichthaftpflichtversicherungen und teilweise bei Realgläubiger schützenden Sachversicherungen. Die Abwicklung vollzieht sich hier ohne Beteiligung von Insolvenzmasse und Insolvenzverwalter ausschließlich im Verhältnis zwischen Drittem und Versicherer. Auf der anderen Seite stehen diejenigen Versicherungsformen, bei denen Insolvenzverwalter und Insolvenzmasse in die Abwicklung eingebunden sind. Hier ist dem Dritten die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers verwehrt, er muss vielmehr zunächst gegen Insolvenzverwalter oder Insolvenzmasse vorgehen, um im Anschluss hieran entweder selbst den Versicherer in Anspruch zu nehmen oder aber die Einziehung und Ausschüttung der Versicherungsleistung durch den Insolvenzverwalter abzuwarten. Eine derartige Beteiligung des Insolvenzverwalters an der Abwicklung ist derzeit vorgesehen für die Versicherung für fremde Rechnung, die freiwillige Haftpflichtversicherung und bestimmte Fälle der Realgläubiger schützenden Sachversicherung.
C. Zielsetzung: Versuch einer Systembildung C. Zielsetzung: Versuch einer Systembildung
Weitet man den Blick in der beschriebenen Weise über die einzelne Versicherungsform hinaus auf den Gesamtbestand des durch Versicherungen vermittelten Drittschutzes, so drängt sich die Frage auf, woher die geschilderten Unterschiede in der insolvenzrechtlichen Behandlung rühren. Reflektieren die Divergenzen in der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Dritten und deren Durchsetzung sachliche Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherungsformen im Hinblick auf den durch sie vermittelten Drittschutz? Oder sind sie lediglich das Produkt spezifischer historischer Entwicklungen und eher zufäl-
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§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
liger gesetzgeberischer Entscheidungen? Die vorliegende Arbeit setzt es sich zum Ziel, diese bislang unbeantworteten Fragen einer Klärung zuzuführen. Es sollen zum einen Kriterien herausgearbeitet werden, die einen Maßstab für die sachgerechte insolvenzrechtliche Ausgestaltung des durch die einzelnen Versicherungsformen vermittelten Drittschutzes liefern. Zum anderen sollen die Ausgestaltungen, die der insolvenzrechtliche Drittschutz bislang durch Gesetzgebung und Rechtspraxis gefunden hat, anhand dieses Maßstabes einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Soweit diese Ausgestaltungen mit den zuvor erarbeiteten Kriterien nicht in Einklang stehen, werden sowohl de lege lata als auch de lege ferenda Anpassungsmöglichkeiten zu suchen sein. Auf diese Weise sollen die im Hinblick auf ihre insolvenzrechtliche Behandlung bislang ungeordnet nebeneinanderstehenden Versicherungsformen in ein in sich konsistentes System eingegliedert werden. I. Der Systembegriff Unumgänglich ist es für ein solches Unterfangen freilich, sich zunächst Klarheit über den hier verwendeten Systembegriff zu verschaffen. Glücklicherweise herrscht über die wesentlichen Merkmale des (abstrakten15) Systembegriffs nicht nur innerhalb der Jurisprudenz, sondern gar Disziplinen übergreifend weitgehend Einigkeit.16 Von grundlegender Bedeutung ist insoweit auch heute noch die Begriffsdefinition Kants, wonach es sich bei einem System um „ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis“17 oder „die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee“18 handelt. Daneben zirkulieren zahlreiche jüngere Definitionen,19 die jedoch nahezu sämtlich in den beiden bereits bei Kant auffindbaren Grundelementen Einheit und Ordnung ihren gemeinsamen Nenner finden.20 Ordnung meint hier eine ratio15 Vgl. hierzu Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 5 ff. 16 Hierzu und zum Folgenden ausführlich Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 11 ff. 17 Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Vorrede, IV. 18 Kant, Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl., S. 860. 19 Z.B. Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. I, S. 214: „inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft“; Hegler, in: FS Heck/Rümelin/Schmidt, S. 216: „die Darstellung eines Wissensgebietes in einem Sinngefüge, das sich als einheitliche, zusammenhängende Ordnung desselben darstellt“; Prechtl/Burkhard, Metzler Lexikon Philosophie, S. 599: „Zusammenhang von einzelnen Teilen, die voneinander abhängig sind und so ein Ganzes bilden, das einer bestimmten Ordnung unterliegt“; weitere Beispiele bei Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 11 f. 20 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 12; vertiefend hierzu auch noch Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 3 ff.
C. Zielsetzung: Versuch einer Systembildung
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nal erfassbare, also von Sachgründen getragene Folgerichtigkeit. Die Einheit gewährleistet dagegen, dass die im Sinne der Ordnung folgerichtigen Erkenntnisse nicht unzusammenhängend – gleichsam „gleichgeordnet“21 – nebeneinanderstehen, sondern auf gemeinsame Grundprinzipien zurückführbar sind.22 Von einem System kann mithin erst dann gesprochen werden, wenn die in ihm zusammengefassten Erkenntnisse als folgerichtige Ableitungen aus gemeinsamen Grundsätzen erscheinen. II. Der Nutzen des Systemdenkens für die insolvenzrechtliche Behandlung versicherungsrechtlichen Drittschutzes Um bei Kant zu bleiben, lässt sich allerdings fragen: Das mag für die Theorie richtig sein, aber taugt es auch für die Praxis? Über den Nutzen des Systemdenkens für die Jurisprudenz wurde in der Vergangenheit immer wieder lebhaft gestritten.23 Berechtigt ist die Kritik am Systemdenken in der Jurisprudenz insoweit, als sie auf den in der Begriffsjurisprudenz begründeten Gedanken eines axiomatisch-logischen Systems abzielt, der vorgibt, die Lösung aller Einzelfälle ließe sich begriffslogisch aus allgemeinen Rechtsregeln ableiten.24 Dieser Gedanke ist freilich ohnehin längst überholt. Die vorliegende Arbeit geht dementsprechend auch nicht von einem solchen axiomatisch-logischen Systemgedanken aus, ihr liegt vielmehr das auf Canaris zurückgehende axiologisch-teleologische Systemkonzept zugrunde. Nach diesem ist Charakteristikum des Systems, dass sich die einzelnen Rechtsregeln als einheitliche und folgerichtige Ableitungen aus allgemeinen rechtlichen Grundwertungen darstellen.25 Ein solches Systemkonzept ist für die Herstellung materialer Gerechtigkeit von elementarer Bedeutung. Erst die 21
Vgl. hierzu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 13 Fn. 14. 22 Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 12 f.; ein anderes Verständnis der Begriffe Einheit und Ordnung legt Hilbert, Systemdenken und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9 ff. zugrunde. 23 Hierzu ausführlich Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 109 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 24 Vgl. zu diesem Systemgedanken die Ausführungen, mit denen Max Weber die Prämissen der deutschen zivilrechtlichen Pandektistik des 19. Jahrhunderts charakterisiert: „Die heutige juristische Arbeit […] geht von den Postulaten aus 1) daß jede konkrete Rechtsentscheidung „Anwendung“ eines abstrakten Rechtssatzes auf einen konkreten „Thatbestand“ sei, – 2) daß für jeden konkreten Thatbestand mit den Mitteln der Rechtslogik eine Entscheidung aus den geltenden abstrakten Rechtssätzen zu gewinnen sein müsse, – 3) daß also das geltende objektive Recht ein „lückenloses“ System von Rechtssätzen darstellen oder latent in sich enthalten oder doch als ein solches für die Zwecke der Rechtsanwendung behandelt werden müsse […]“ (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tb. 3, S. 305). Ausführliche Kritik dieses Systemgedankens bei Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 20 ff. 25 Grundlegend Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz.
§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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Einordnung partikularer Lösungen in ein einheitliches System verhilft dem grundlegenden Gerechtigkeitspostulat zur Verwirklichung, wonach im Wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln sind. Das Ideal der Gerechtigkeit verlangt, dass grundlegende Wertentscheidungen des Gesetzes konsequent und widerspruchsfrei, mit anderen Worten folgerichtig und einheitlich umgesetzt werden.26 Umgekehrt bedeutet dies, dass das hier zu entwickelnde System nur dann nutzbringend ist, wenn sich in den allgemeinen Prinzipien, die sein Fundament bilden, eben solche gesetzliche Grundwertungen manifestieren, die eine in diesem Sinne einheitliche und folgerichtige Anwendung erheischen.27 Es versteht sich fast von selbst, dass ein hierauf aufbauendes axiologisch-teleologisches System nicht eine starre Gleichbehandlung aller Sachverhalte fordert. Grundsätze und Grundwertungen tragen schon begrifflich die Möglichkeit von Ausnahmen in sich. Solche Ausnahmen können ohne systematischen Bruch aber nur insoweit zugelassen werden, als sie von rational nachvollziehbaren, sachlichen Gründen getragen werden.28 Für die hier in den Blick genommene Problemstellung des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers verspricht der axiologischteleologische Systemgedanke besonderen Gewinn. Das vom Kerngedanken der Gläubigergleichbehandlung geprägte Insolvenzrecht muss einer uneinheitlichen und inkonsequenten Rechtsanwendung besonders feindlich gegenüberstehen. Privilegierungen einzelner Gläubiger kann das Insolvenzverfahren nur insoweit akzeptieren, wie diese sachlich legitimiert sind. Darüber 26
Zum Ganzen ausführlich Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 16 f. Dies ist freilich eine Idealvorstellung, die im positiven Recht niemals vollständig umgesetzt werden kann, vgl. hierzu Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 80 f. 27 Zur Gründung rechtlicher Systeme auf rechtliche Grundprinzipien ausführlich Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 46 ff. 28 Vgl. hierzu Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, S. 16. Nicht verschwiegen werden soll hier, dass auch die von Canaris entwickelte und der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Systemkonzeption in der Vergangenheit erhebliche Kritik über sich ergehen lassen musste (vgl. hierzu Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 3 ff. m.w.N. in Fn. 15). Diese Kritik zielt aber in erster Linie auf die von Canaris vertretene exklusive Geltung dieser Systemkonzeption in der Jurisprudenz ab. Insoweit ist die Kritik berechtigt: das axiologischteleologische System beschreibt beileibe nicht die einzige Systemkonzeption, die für die wissenschaftliche Behandlung des Rechts fruchtbar gemacht werden kann. Diese Feststellung beeinträchtigt aber nicht den Wert, den das axiologisch-teleologische System für sich genommen besitzt. Die grundlegende Bedeutung, die Folgerichtigkeit und Widerspruchslosigkeit der Verwirklichung gesetzlicher Grundwertungen für eine material gerechte Rechtsordnung haben, lässt sich letztlich doch kaum ernsthaft in Abrede stellen (vgl. hierzu auch Hilbert, Systemdenken in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 5 Fn. 15).
E. Methodisches Vorgehen
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hinaus muss auch die rechtliche Ausformung der Privilegierungen von Einheitlichkeit und innerer Konsequenz geprägt sein, will man nicht im Verhältnis der privilegierten Gläubiger zueinander Ungerechtigkeiten herbeiführen.
D. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes D. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Regelungen über die insolvenzrechtliche Behandlung drittschützender Versicherungen nach den soeben beschriebenen Grundsätzen in ein einheitliches System einzugliedern. Den Rahmen einer solchen Arbeit würde es aber sprengen, wenn es unternommen würde, jede Form von Drittinteressen an Versicherungsverträgen auf ihre insolvenzrechtlichen Folgen hin zu untersuchen. Die Untersuchung beschränkt sich deshalb auf die insolvenzrechtliche Stellung von Dritten mit Blick auf die vier eingangs genannten Versicherungsformen, die bereits ihrer Natur nach eine drittschützende Komponente aufweisen. Unberücksichtigt bleiben dagegen alle Fallgestaltungen, in denen ein Dritter an einer vormals ausschließlich dem Versicherungsnehmer zugewiesenen Versicherungsforderung erst nachträglich durch Rechtsgeschäft eine besonders geschützte Rechtsstellung erlangt hat, also insbesondere alle Fälle der Zession oder Verpfändung von Versicherungsforderungen. Ebenfalls keine Berücksichtigung finden die Besonderheiten des Insolvenzplanverfahrens. Soweit dem Dritten in Bezug auf die Versicherungsforderung ein Aussonderungsrecht zukommt, erübrigen sich entsprechende Ausführungen bereits dadurch, dass Aussonderungsrechte von den Wirkungen eines Insolvenzplans unberührt bleiben.29 Aber auch in anderen Fällen, in denen dem Dritten eine insolvenzfeste Stellung in Bezug auf die Versicherungsforderung zugestanden wird, vermag der Insolvenzplan diese Stellung wegen § 251 InsO grundsätzlich nicht zu beeinträchtigen. Die hier untersuchte Rechtsstellung im Regelinsolvenzverfahren markiert mithin das Mindestmaß des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers und bietet insoweit auch für das Insolvenzplanverfahren den maßgeblichen Orientierungspunkt.
E. Methodisches Vorgehen E. Methodisches Vorgehen
Das Ziel der Systembildung soll in methodischer Hinsicht in drei aufeinanderfolgenden Schritten erreicht werden: Zunächst werden in einem allgemeinen Teil die für den Drittschutz maßgeblichen gesetzlichen Grundwertungen herausgearbeitet. Die für den Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versi29
Statt aller nur Uhlenbruck/Lüer/Streit, § 217 Rn. 15.
§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
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cherungsnehmers maßgebenden Grundprinzipien speisen sich naturgemäß zu einem großen Teil aus dem Insolvenz- und Versicherungsrecht. Vorrangige Beachtung erheischen aber die Vorgaben des Grundgesetzes. Freilich lassen sich die entscheidenden Grundwertungen nur selten unmittelbar dem Gesetzestext entnehmen. Im Bereich des Verfassungsrechts bildet der Text des Grundgesetzes lediglich einen groben Ausgangspunkt der interpretatorischen Tätigkeit. Um aus ihm die für den insolvenzrechtlichen Schutz der versicherungsrechtlich geschützten Dritten maßgeblichen Determinanten abzuleiten, bedarf es zusätzlich des Rückgriffs auf die umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG und die darin entwickelte verfassungsrechtliche Dogmatik. Obgleich die gesetzlichen Regelungen im Bereich des Insolvenz- und Versicherungsrechts ungleich detaillierter sind, werden die maßgeblichen Grundwertungen auch hier nicht explizit im Gesetzestext aufgeführt. Sie manifestieren sich aber in den einzelnen Gesetzesnormen. Jede einzelne Gesetzesnorm trägt – zumindest idealiter – zur Verwirklichung der einschlägigen Grundwertungen bei. Durch eine Gesamtschau der für den jeweiligen Regelungsgegenstand relevanten Normen lassen sich deshalb mosaikartig die maßgeblichen gesetzlichen Grundwertungen rekonstruieren.30 Im besonderen Teil der Arbeit wird die insolvenzrechtliche Stellung des Dritten in den einzelnen Versicherungsformen beleuchtet. Die Komplexität der hierbei aufgeworfenen insolvenz- und versicherungsrechtlichen Fragen macht es notwendig, zunächst jede einzelne Versicherungsform individuell und isoliert zu untersuchen. Hierbei wird der jeweilige status quo der Rechtspraxis einer kritischen Betrachtung unterzogen und insbesondere daraufhin untersucht, inwieweit er mit den im allgemeinen Teil der Arbeit herausgearbeiteten Prinzipien in Einklang steht. Wo Diskrepanzen zu diesen Prinzipien festgestellt werden, unterbreitet die Arbeit Änderungsvorschläge, die auf das Ziel eines in sich konsistenten Systems zuführen. Soweit dies innerhalb der gängigen methodologischen Grenzen möglich ist, wird versucht werden, dieses Ziel bereits de lege lata zu erreichen. Wo entsprechende Modifikationen jedoch die Grenzen zulässiger Auslegung oder Rechtsfortbildung überschreiten müssten, werden explizit de lege ferenda Rechtsänderungen vorgeschlagen. Die Untersuchung der einzelnen Versicherungsformen im Rahmen des besonderen Teils der Arbeit folgt dabei stets demselben Grundmuster: Zunächst werden in der gebotenen Kürze die versicherungsrechtlichen Grundzüge der jeweiligen Versicherungsform und des durch sie generierten Drittschutzes dargestellt und somit das Fundament für die nachfolgende insolvenzrechtliche Betrachtung gelegt. In deren Rahmen wird zunächst untersucht, inwieweit sich eine insolvenzrechtliche Privilegierung des geschützten Dritten vor dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum rechtfertigen 30
Vgl. hierzu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 142 f.
E. Methodisches Vorgehen
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lässt, bevor der Umfang und die Ausgestaltung dieser Privilegierung auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts kritisch analysiert wird. Zuletzt erfolgt eine rechtsvergleichende Betrachtung, deren Ziel es ist, ein umfangreicheres Portfolio an Modellen der insolvenzrechtlichen Behandlung drittschützender Versicherungen aufzufächern, vor dessen Hintergrund die zuvor im nationalen Recht herausgearbeiteten Regelungsmodelle noch einmal auf ihren Nutzen und ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden können. Angesichts zunehmender Europäisierung des Versicherungsrechts kommt hierbei dem Vergleich mit anderen europäischen Rechtsordnungen naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Außen vor gelassen werden kann allerdings der deutsche Rechtskreis31, da innerhalb desselben auch nach der deutschen VVG-Reform 2008 ein weitreichender Gleichlauf zu konstatieren ist.32 Eine eingehendere Untersuchung verdient dagegen der romanische Rechtskreis, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit durch das französische Recht repräsentiert wird. Ungeachtet des absehbaren EU-Austritts wird auch das englische Recht als europäischer Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtskreises näher zu betrachten sein. Nicht nur die ungebrochen enorme Bedeutung des englischen Rechts für transnationale Geschäftsbeziehungen und die – zumindest derzeit noch bestehende – Attraktivität des Insolvenzstandorts London33 legen dies nahe. Es ist auch damit zu rechnen, dass England selbst nach einem vollzogenen Austritt aus der Europäischen Union mit dieser wirtschaftlich und rechtlich eng verbunden bleiben wird. Die besondere Relevanz des europäischen Rechtsraumes soll gleichwohl auch nicht dazu führen, dass sich der rechtsvergleichende Blick vollständig auf diesen verengt. Deshalb wird zuletzt noch das US-amerikanische Recht Beachtung finden. Auch hier ist es nicht nur die enorme rechtspraktische Bedeutung der Rechtsordnung für den internationalen Geschäftsverkehr, die ihre nähere Betrachtung nahelegt. Vielmehr drängt sich diese auch wegen der Vorbildfunktion auf, die das USamerikanische Insolvenzrecht im Rahmen der deutschen Insolvenzrechtsreform 1999 eingenommen hat. In einer abschließenden Gesamtbetrachtung werden schlussendlich die für die einzelnen Versicherungsformen gewonnenen Ergebnisse zusammengeführt und in ein allgemeines System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers eingeordnet. Das Hauptaugenmerk wird hierbei darauf liegen, zum einen die Gemeinsamkeiten in der insolvenzrechtlichen Behandlung der unterschiedlichen Versicherungsformen herauszustellen und zum
31
Ausführlich zur Einteilung der einzelnen Rechtsordnungen in Rechtskreise Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 62 ff. 32 Vgl. hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 35 Rn. 4. 33 Hierzu und zu den möglichen Folgen des „Brexit“ in diesem Bereich Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378 ff.
14
§ 1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
anderen die sachlichen Gründe für bestehende Unterschiede klar zu benennen.
Allgemeiner Teil
Verfassungsrechtliche, insolvenzrechtliche und versicherungsrechtliche Grundwertungen
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen: Der grundrechtliche Gehalt der par conditio creditorum Wie eingangs bereits angesprochen wurde, wird sich der Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers primär am Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger messen lassen müssen. Dieses gemeinhin als par conditio creditorum1 bezeichnete Prinzip wird seit langem als „Kernstück des Konkurses“2, als „tragendes und beherrschendes Prinzip“ der Insolvenzordnung3 und sogar als „oberster Grundsatz eines jeden Insolvenzrechts“4 angesehen.5 So einhellig nun aber die Bedeutung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch immer wieder beschworen wird, so wenig besteht letztlich Klarheit und Konsens über den genauen Inhalt und die normative Bedeutung dieses Grundsatzes. Ein zentrales Problem im Umgang mit dem Begriff der par conditio creditorum ergibt sich daraus, dass dieser im wissenschaftlichen Diskurs häufig auf unterschiedlichen Argumentationsebenen eingeführt wird, ohne dass diese Ebenen immer hinreichend deutlich voneinander geschieden werden. Um aber die normativen Wirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes scharf zu konturieren, ist es unumgänglich, zwischen diesen Ebenen eine klare Trennung zu vollziehen. Wohl am häufigsten wird die par conditio creditorum als ein rein rechtspolitisches Postulat in den Diskurs eingebracht.6 In dieser Ausprägung des 1 Der Begriff der par conditio creditorum („gleiche Lage der Gläubiger“) geht zurück auf die von Ulpian stammende Digestenstelle D. 42, 8, 6, 7: „cum iam par condicio omnium creditorum facta esset“, die das an die Gläubiger gerichtete Verbot betraf, nach Einweisung eines Gläubigers in das Schuldnervermögen (missio in bona) weiterhin die Einzelbefriedigung aus diesem Vermögen zu suchen, vgl. hierzu Häsemeyer, KTS 1982, 507, 512. 2 BGHZ 41, 98, 101; ebenso auch Uhlenbruck, ZInsO 2005, 505, 510. 3 Prütting in: Kölner Schrift, Kapitel 1 Rn. 61. 4 Pape/Uhlenbruck, Kapitel 12 Rn. 10. 5 Kritisch hierzu Knospe, ZInsO 2014, 861 ff., der den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung pejorativ als „Zauberstab“ der Insolvenzrechtler und als „Monstranz“ bezeichnet. 6 Vgl. hierzu die Feststellung von Uhlenbruck/Lüer, Vor § 335 ff. Rn. 27, „kein anderes rechtspolitisches Prinzip des deutschen Insolvenzrechts [sei] in der Vergangenheit so
18
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen
Gleichbehandlungsgrundsatzes erschöpft sich sein Gehalt darin, dass es dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht und somit rechtspolitisch erwünscht ist, alle Insolvenzgläubiger gleich zu behandeln.7 Eine normative Wirkung kommt dem Grundsatz in dieser Ausformung dagegen nicht zu. 8 Dieser Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes spielt deshalb für die folgende Untersuchung keine Rolle. In Ermangelung eines normativen Gehalts kommt ihm insoweit nicht die Qualität einer verbindlichen gesetzlichen Grundwertung zu, die das hier herauszubildende System maßgeblich prägen könnte. Andererseits wird dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung aber regelmäßig auch ein verfassungsrechtlicher Gehalt zugesprochen.9 In dieser
häufig beschworen worden wie der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger, die Forderung nach der par conditio creditorum.“ 7 So zum Beispiel Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, S. 62: „Die konkursrechtliche Gleichbehandlung ist ein Billigkeitsgrundsatz und basiert auf der Idee, ein egoistischer Gläubigerzugriff sei unbillig, wenn das Vermögen nicht mehr zur vollen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht.“; ihm folgend Füßmann, Die Auswirkungen des reformierten Insolvenzanfechtungsrechts auf das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung, S. 45 („bloßes Billigkeitsprinzip“); ähnlich auch Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 11 f., nach dem der „Wille des Gesetzgebers“ die alleinige Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist. 8 Exemplarisch verdeutlicht dies das Fazit, das Vallender, NZI 2005, 599, 602 zum Abschluss seiner Ausführungen gegen den Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung zieht: „Sollte der Gesetzgeber trotz all der gewichtigen Argumente [in erster Linie das Argument der par conditio creditorum, Anm. d. Verf.], die gegen die geplante Änderung der Anfechtungsvorschriften und des § 55 II InsO ins Feld geführt werden, gleichwohl den Vorgaben des Regierungsentwurfs folgen, ist dies hinzunehmen.“; ähnlich auch Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 21: „Letztlich steht dem Gesetzgeber aber auch die Befugnis zur Durchbrechung der allgemeinen Dogmatik zu. Grundsätze müssen nicht stur durchgehalten werden. Auch der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ist kein unumstößliches Diktum.“; unklar hingegen Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, S. 62: „Durch seine Einstufung als Billigkeitsmaxime wird der Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht dem „willkürlichen Raubbau“ durch den Gesetzgeber preisgegeben, wie Teile der Literatur befürchten. Da der Gleichbehandlungsgrundsatz unbestritten gilt, muß im Einzelfall begründet werden, ob Ausnahmen zulässig sind.“ Welche normative Grundlage dieser Begründungszwang haben soll, wird nicht ausgeführt. 9 Stürner in Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Smid/Leonhardt, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, § 1 Rn. 34; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15; Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.; Bruns, KTS 2008, 41, 48 f.; von Gleichenstein, NZI 2015, 49, 51 ff.; Berges, KTS 1957, 49, 57 f.; Adam, DZWiR 2009, 441, 442; Heinze, KTS 1980, 1, 5 f.; andeutungsweise auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.20 und 18.05; dagegen jedoch Killinger, Insolvenzanfechtung gegen Insider, S. 61, der aus der Feststellung, dass das GG keine Gesamtentscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsverfassung enthalte, den Schluss zieht, dass diesem auch keine Entscheidung für oder gegen die Gleichbehandlung der
A. Der Begriff der par conditio creditorum
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Ausprägung ist die par conditio creditorum für die vorliegende Arbeit von geradezu überragender Bedeutung. Als verfassungsrechtlich abgesichertes Prinzip, das dem Gesetzgeber verbindliche Grenzen hinsichtlich der Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens zieht,10 ist sie Quelle der wichtigsten Grundwertungen des hier zu bildenden Systems. Gerade diesen verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum gilt es deshalb im Folgenden freizulegen.
A. Der Begriff der par conditio creditorum A. Der Begriff der par conditio creditorum
Bevor nun aber dieser verfassungsrechtliche Kern herausgearbeitet werden kann, ist es zunächst erforderlich, den Begriff der par conditio creditorum inhaltlich näher zu konturieren, um auf diese Weise das Objekt der verfassungsrechtlichen Untersuchung klar hervortreten zu lassen. Dies erfordert zum einen die Abgrenzung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung vom verwandten Prinzip der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung und zum anderen eine kurze Darstellung und Kategorisierung seiner wesentlichen Manifestationen im geltenden Insolvenzrecht. I. Die par conditio creditorum als Prinzip gleichmäßiger Befriedigung Der Begriff der par conditio creditorum kann nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Zwecksetzung des Insolvenzverfahrens hinreichend erschlossen werden. Das Insolvenzverfahren ist darauf ausgerichtet, die Problemlage zu bewältigen, die entsteht, wenn das schuldnerische Vermögen nicht mehr zur Befriedigung aller gegen den Schuldner gerichteten Ansprüche ausreicht. In dieser Situation würde das außerhalb des Insolvenzfalles zum Zuge kommende, vom Prioritätsgrundsatz geprägte Einzelvollstreckungsverfahren zu einer mehr oder minder zufälligen Verteilung des Schuldnervermögens führen. Diese Zufälligkeit resultiert vor allem daraus, dass der einzelne Gläubiger kaum Möglichkeiten hat, darauf Einfluss zu nehmen, wie schnell die staatlichen Vollstreckungsorgane einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners für die Befriedigung seiner Ansprüche sichern.11 Um dieser Situation Herr zu werden, wird das Einzelvollstreckungsverfahren im Fall der materiellen Insolvenz des Schuldners durch das Insolvenzverfahren verdrängt. Dieses wird Gläubiger im Insolvenzfall entnommen werden könne; ebenfalls dagegen Knospe, ZInsO 2014, 816 ff. 10 Dieser rechtsverbindliche Gehalt der par conditio creditorum wird freilich im juristischen Diskurs nicht immer hinreichend gewürdigt. Vgl. z.B. Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 21: „Auch der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ist kein unumstößliches Diktum.“ 11 Zum Ganzen statt aller Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15.
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen
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durch zwei Charakteristika geprägt, die zwar in enger Beziehung zueinander stehen, aber doch analytisch voneinander trennbar sind: das Verfahren der Gesamtvollstreckung als Modus der Verteilung des Schuldnervermögens unter den Gläubigern und das hier im Fokus stehenden Gleichbehandlungsgrundsatz als Maßstab dieser Verteilung.12 Die Befriedigung der Gläubiger im Wege der Gesamtvollstreckung hat zunächst nur eine ordnende Funktion. Sie zielt darauf ab, die oben beschriebenen Zufälligkeiten in der Verteilung des Schuldnervermögens zu vermeiden, welche die Anwendung des in der Einzelvollstreckung geltenden Prioritätsprinzips zur Folge hätte. Indem alle Gläubiger in einem Verfahren zusammengefasst werden, hängen deren Befriedigungschancen im Verhältnis zueinander nicht mehr von der Schnelligkeit der Vollstreckungsorgane, sondern nur noch von dem im folgenden Befriedigungsverfahren anzuwendenden Verteilungsschlüssel ab. Mit der Schaffung eines solchen Gesamtvollstreckungsverfahrens ist jedoch noch keine Entscheidung zugunsten eines bestimmten Verteilungsschlüssels gefallen.13 Zwar ist die gleichmäßige Verteilung des Schuldnervermögens auf alle Gläubiger eine mögliche Konsequenz der Gesamtvollstreckung. In Betracht kommt jedoch auch eine gestufte Befriedigung der Gläubiger bis hin zu einer völlig differenzierten Kategorisierung der Gläubiger in zahlreiche unterschiedliche Befriedigungsklassen.14 Die Gesamtvollstreckung ist mithin eine notwendige, nicht aber auch eine hinreichende Bedingung für eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung. 15 Es entspricht deshalb dogmatischer Präzision, den Begriff der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung, 12
Vgl. hierzu und zum Folgenden Weiland, Par condicio creditorum, S. 9 ff. So auch Weiland, Par condicio creditorum, S. 15; vgl. auch Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 204; a.A. dagegen Ganter in: Münchener Kommentar zur InsO, § 1 Rn. 52; differenzierend K. Schmidt, § 1 Rn. 5 („Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung bedeutet nicht notwendig gleichmäßige Befriedigung […], gibt aber die Gläubigergleichbehandlung als Regelkonzept vor“). 14 Wie sie historisch bspw. im gemeinen Konkursrecht praktiziert wurde, das fünf Klassen von Gläubigern unterschied, wobei innerhalb jeder Klasse noch einmal nach Rangordnungen unterschieden wurde, sodass sich im Ergebnis zeitweise über 300 Ränge ergaben, vgl. hierzu Gassert-Schumacher, Privilegien in der Insolvenz, S. 56 m.N. Zu den zahllosen Vorrechten der deutschen Partikularrechte des 18. und 19. Jahrhunderts Piekenbrock, ZZP 122 (2009), 63 f. 15 Weiland, Par condicio creditorum, S. 15. Nur scheinbar enthalten die Vollstreckungsrechte der romanischen Tradition, allen voran das französische, eine Abweichung von diesem Grundsatz, wenn sie im Rahmen der Einzelvollstreckung durch Sachpfändung das Gleichbehandlungsprinzip verwirklichen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass diese Vollstreckungsverfahren die vollstreckenden Gläubiger in einem einheitlichen Verfahren zusammenfassen, also ein auf diese Gläubiger beschränktes Gesamtvollstreckungsverfahren vorsehen, vgl. zum Ganzen Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 59.11, wo dies treffend als „kleiner Konkurs“ beschrieben wird. 13
A. Der Begriff der par conditio creditorum
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der in § 1 S. 1 InsO Verwendung findet und das Verfahren der Gesamtvollstreckung umschreibt, vom Begriff der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als Verteilungsmaßstab zu unterscheiden.16 Die Privilegierung bestimmter Beteiligter des Insolvenzverfahrens betrifft primär die Frage des Maßstabs der Verteilung des Schuldnervermögens und ist deshalb am Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu messen. Im Interesse einer klaren Begriffskonturierung soll die par conditio creditorum im Folgenden auch nur in diesem Sinne eines Verteilungsmaßstabs verstanden werden.17 II. Die Manifestationen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im geltenden Insolvenzrecht Um den so eingegrenzten Begriff der par conditio creditorum auf seinen verfassungsrechtlichen Gehalt zu untersuchen, ist es hilfreich, zunächst seine Manifestationen im geltenden Insolvenzrecht zu betrachten. Im Ausgangspunkt handelt es sich bei der par conditio creditorum um einen insolvenzspezifischen Verfahrensgrundsatz18, der in der Insolvenzordnung zwar nicht explizit normiert ist, 19 aber in einer Vielzahl von Einzelregelungen zum Ausdruck kommt.20 Hierbei ist es möglich, zwischen zwei Kategorien von Regelungen zu unterscheiden: Ihre primäre und historisch ursprüngliche21 Manifestation findet die par conditio creditorum in den Rechtsnormen, die ab dem Moment der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Zugriff der Gläubiger auf das Vermögen des Schuldners im Wege der Einzelvollstreckung unterbinden und durch die gleichmäßige, anteilige Verteilung des Schuldnervermögens auf alle Insolvenzgläubiger ersetzen. Zu nennen sind hier insbesondere das Verbot der
16 So auch Jaeger/Henckel, § 1 Rn. 6; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 61; a.A. K. Schmidt, § 1 Rn. 4; Ganter in: Münchener Kommentar zur InsO, § 1 Rn. 52; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 8. 17 Anders Weiland, Par condicio creditorum, S. 9 ff., 12 ff., der die gemeinschaftliche und die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung als zwei Schichten eines einheitlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verstanden wissen will. 18 Stürner in Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 62 f.; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht II, Rn. 5.36 ff. 19 Ausdrücklich normiert die InsO in ihrem § 1 S. 1 lediglich das Ziel einer gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung. Die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung ist hiervon zu unterscheiden, hierzu bereits soeben sub I. 20 Hierzu und zum Folgenden Prütting in: Kölner Schrift, Kapitel 1 Rn. 61; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 8. 21 Vgl. hierzu Fn. 1.
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Einzelvollstreckung (§ 89 InsO)22 sowie die Normen über die Verteilung des Schuldnervermögens (§§ 38, 187 ff. InsO). In die zweite Kategorie fallen dagegen diejenigen Normen, welche die par conditio creditorum auf den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung hinaus ausdehnen. Dies sind zum einen die Rückschlagsperre gem. § 88 InsO und zum anderen die Regelungen über die Insolvenzanfechtung in den §§ 129 ff. InsO.23 Im Unterschied zur ersten Kategorie von Regelungen betreffen diese Normen nicht die gleichmäßige Verteilung der bei Verfahrenseröffnung vorhandenen Vermögensmasse, sondern die Anreicherung dieser Masse durch Rückgängigmachung von vor der Insolvenzeröffnung erfolgten Vermögensabflüssen. Auch solche Gläubiger, die vor Verfahrenseröffnung bereits Befriedigung oder Sicherung aus dem Schuldnervermögen erlangen konnten, werden hierdurch in die par conditio creditorum zurückversetzt.24
B. Der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum B. Verfassungsrechtlicher Gehalt der par conditio creditorum
Nach den vorangegangenen Ausführungen tritt der Gegenstand der folgenden Untersuchung nun klarer hervor: Zu beantworten ist die Frage, inwieweit die Verfassung für das Insolvenzverfahren nicht nur die Form eines Gesamtvollstreckungsverfahrens, sondern darüber hinaus einen Verteilungsmaßstab zwingend vorgibt, nach dem alle Gläubiger im Grundsatz gleichmäßig zu befriedigen sind. Diese Untersuchung spaltet sich in zwei Teile auf. Zunächst werden einzelne verfassungsrechtliche Garantien auf ihre Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Begründung eines insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgebots hin analysiert. Im Anschluss hieran wird in einem zweiten Schritt zu untersuchen sein, inwiefern die hierbei als verfassungsrechtliche Grundlage der par conditio creditorum herausgearbeiteten Normen eine Ungleichbehandlung der Gläubiger im Insolvenzverfahren zulassen. I. Analyse der einzelnen verfassungsrechtlichen Garantien im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit zur Begründung der par conditio creditorum Zur verfassungsrechtlichen Fundierung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung sind in der Vergangenheit verschiedene Grundlagen angeboten 22
Hierzu Uhlenbruck/Mock, § 89 Rn. 1; Breuer in: Münchner Kommentar zur InsO, § 89 Rn. 4. 23 Vgl. zum Ganzen statt aller Uhlenbrock/Mock, § 89 Rn. 1; Breuer in: Münchener Kommentar zur InsO, § 88 Rn. 1. 24 Statt aller Jaeger/Eckardt, § 88 Rn. 6 m.w.N.
B. Verfassungsrechtlicher Gehalt der par conditio creditorum
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worden, namentlich der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch25, die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG26, der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG27 sowie das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip28. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit diesen Verfassungsnormen blieb dabei allerdings zumeist aus. Will man aber verhindern, dass der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum zu einer reinen Projektionsfläche für rechtspolitische Anschauungen und Begehrlichkeiten gerät und stattdessen die Grenzen einer zulässigen Privilegierung einzelner am Insolvenzverfahren Beteiligter klar konturieren, so kommt man nicht umhin, den verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum normativ eindeutig zu verankern. Aus diesem Grund soll im Folgenden die in der Literatur häufig anzutreffende Praxis vermieden werden, den Gleichbehandlungsgrundsatz aus einer Gesamtschau mehrerer Verfassungsgarantien abzuleiten. Eine solche verstellt letztlich nur den Blick auf die einzelnen Normen und deren individuelle Voraussetzungen und Grenzen. Die einzelnen, in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Grundlagen werden vielmehr zunächst isoliert auf ihre Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Begründung eines insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüft. Es ist hierbei unerlässlich, stets die Rückbindung der Untersuchung an die normativen Vorgaben des Grundgesetzes und die durch Lehre und Rechtsprechung gefestigte Dogmatik zu sichern. Dies wird erhellen, dass die meisten der traditionell in diesem Kontext genannten Verfassungsgarantien für die verfassungsrechtliche Absicherung der par conditio creditorum in Wirklichkeit keinerlei Gewinn bringen. 1. Die par conditio creditorum als Ausfluss des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs? Soweit der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum bislang Aufmerksamkeit erfahren hat, wurde zumeist versucht, diesen aus dem all-
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Stürner in Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15; Heinze, KTS 1980, 1, 5 f. 26 Berges, KTS 1957, 49, 58; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.20; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff. 27 Smid/Leonhardt, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, § 1 Rn. 34; Stürner in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Bruns, KTS 2008, 41, 48 f.; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15; Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71; von Gleichenstein, NZI 2015, 49, 51 ff. 28 Stürner in Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15.
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gemeinen verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch abzuleiten.29 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der aus dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den jeweils einschlägigen Grundrechten (insbesondere der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG) abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch30 in der Tat auch einen Anspruch auf ein effektives Vollstreckungsverfahren umfasst.31 Das Insolvenzverfahren als Verfahren der Gesamtvollstreckung dient damit ohne Zweifel der Verwirklichung des Justizgewährleistungsanspruchs.32 Um aber festzustellen, dass der Staat seiner Pflicht zur Justizgewährleistung im Insolvenzfall ausschließlich durch ein Verfahren genügen kann, das den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung verwirklicht, den Gesetzgeber also eine Pflicht zur Vorhaltung eines solchen Verfahrens trifft, bedarf es letztlich eines größeren Begründungsaufwandes. Aufgrund ihres Charakters als normgeprägtes Grundrecht33 belässt die Justizgewährleistung dem Gesetzgeber grundsätzlich einen erheblichen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Ausgestaltung der bereitgestellten Verfahren.34 Die Entscheidung, ob er zum Zwecke der Forderungsrealisierung ein das Prioritätsprinzip verwirklichendes Einzelvollstreckungsverfahren 35 oder aber ein Gesamtvollstreckungsverfahren mit einem anderen Verteilungsmaßstab vorhält, steht ihm deshalb im Ausgangspunkt frei.36 Würde sich der Staat auch im Insolvenzfall auf die Bereitstellung eines dem Prioritätsprinzip folgenden Einzelvollstreckungsverfahrens beschränken, so wären zwar diejenigen Gläubiger benachteiligt, die ihre Forderungen zu spät im Wege der Vollstreckung zu realisieren suchen, also erst dann, wenn andere Gläubiger ihrerseits bereits das Schuldnervermögen durch Vollstreckungshandlungen vollständig ausgezehrt haben. Jedoch würde sich darin in erster Linie kein Defizit der vom Staat bereitgestellten Zwangsmittel realisie29 Vgl. Stürner in Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15; Heinze, KTS 1980, 1, 5 f. 30 Hierzu BVerfGE 35, 348, 361 f.; 85, 337, 345 f.; 88, 118, 123 ff.; 93, 99, 107 f.; 97, 169, 185; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 3 Rn. 1 ff.; zur zivilprozessualen Dimension des Justizgewährleistungsanspruchs Bruns, in: Festschrift Stürner, S. 257 ff. 31 BGH NJW 2006, 1290; 1291; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 1.3. 32 Hierzu ausführlich statt aller Becker, Insolvenzrecht, Rn. 11 ff.; 15, 19. 33 Hierzu Degenhart in: HStR V, § 115 Rn. 10. 34 Papier in: HStR VI, 2. Aufl., § 153 Rn. 14. 35 Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der prioritätsbasierten Einzelvollsteckung außerhalb der materiellen Insolvenz des Schuldners vgl. Stürner, ZZP 99 (1986), 291, 326 ff.; Gaul, ZZP 112 (1999), 135, 156 f.; a.A. Schlosser, ZZP 97 (1984), S. 121, 127 ff. 36 Vgl. hierzu Stürner in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77.
B. Verfassungsrechtlicher Gehalt der par conditio creditorum
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ren, sondern nur das jeder Forderung inhärente Risiko einer mangelnden Bonität des Schuldners. Warum den Staat über die Bereitstellung eines Vollstreckungsverfahrens und entsprechender Zwangsmittel hinaus die Pflicht treffen soll, dieses Bonitätsrisiko einzudämmen und das Vorhandensein einer ausreichenden Vollstreckungsmasse zu sichern, ergibt sich aus dem Justizgewährleistungsanspruch allein nicht ohne Weiteres. a) Gläubigergleichbehandlung zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Zufälligkeiten bei der Gläubigerbefriedigung? Um ein aus dem Justizgewährleistungsanspruch entspringendes Gebot einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu begründen, wird deshalb häufig die bereits zuvor angesprochene Argumentation angeführt, nach der die Befriedigung der Gläubiger im Falle der materiellen Insolvenz des Schuldners nicht von den Zufälligkeiten des mehr oder weniger schnellen Zugriffs der staatlichen Vollstreckungsorgane abhängen dürfe.37 Diese Argumentation überzeugt im Grundsatz auch. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum zu vereinbaren, wenn ein Gläubiger bei gleichzeitiger oder sogar früherer Einleitung des Einzelvollstreckungsverfahrens leer ausgehen würde, nur weil die staatlichen Vollstreckungsorgane seinen Vollstreckungsauftrag langsamer vollzogen haben, als den eines konkurrierenden Gläubigers. Allerdings kann diese Argumentation nur ein rechtsstaatliches Gebot begründen, den Gläubigern die Möglichkeit einzuräumen, den Wettlauf um das Vermögen des Schuldners durch Initiierung eines der gemeinschaftlichen Befriedigung38 dienenden Gesamtvollstreckungsverfahrens zu beenden.39 Eine gleichmäßige Verteilung des Schuldnervermögens ist zur Vermeidung von Zufälligkeiten dagegen nicht erforderlich. Vielmehr erscheint unter diesem Gesichtspunkt auch eine abgestufte Verteilung nach zuvor festgelegten Befriedigungsklassen und gesetzlich normierten Privilegierungen als nicht zufällig und zumindest insoweit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar.
37 So z.B. Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15 (unter zusätzlicher Heranziehung von Art. 3 GG und dem Sozialstaatsprinzip); Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71; zur Anfälligkeit der Einzelvollstreckung für Zufälligkeiten auch Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 6.42. 38 Hierzu oben sub A. I. 39 In diese Richtung auch Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15.
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b) Privilegierung einzelner Gläubiger als Beeinträchtigung des Justizgewährleistungsanspruchs konkurrierender Gläubiger? aa) Begründung: Kollision der Justizgewährleistungsansprüche konkurrierender Gläubiger Ein neuerer Ansatz zur Ableitung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch sieht dagegen in jeder Privilegierung einzelner Gläubiger zugleich eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Justizgewährleistungsansprüche konkurrierender Gläubiger.40 Dieser Ansatz greift – bewusst oder unbewusst – den bereits in früheren Untersuchungen aufgeworfenen Gedanken einer durch die materielle Insolvenz des Schuldners verursachten Kollision der Befriedigungsrechte konkurrierender Gläubiger41 auf und transferiert diesen Gedanken auf die verfassungsrechtliche Ebene. Ausgangspunkt der Überlegungen ist auch hier der anerkannte Grundsatz, wonach die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes die Garantie eines effektiven Vollstreckungsverfahrens mit umfasst.42 Im Falle eines unzureichenden Schuldnervermögens führe aber der schnellere Vollstreckungszugriff eines Gläubigers notwendigerweise zur Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der konkurrierenden Gläubiger. Diese könnten ihre Forderungen deshalb ihrerseits durch ein staatliches Vollstreckungsverfahren nicht mehr effektiv realisieren. Der erfolgreiche Vollstreckungszugriff eines Gläubigers habe mithin eine ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Anspruchs der konkurrierenden Gläubiger auf ein effektives Vollstreckungsverfahren zur Folge. Das Gleiche gelte auch für Privilegierungen einzelner Gläubiger in der Verteilung des Schuldnervermögens im Rahmen eines Gesamtvollstreckungsverfahrens. Da aber die verfassungsrechtliche Justizgewährleistung für alle Gläubiger gleichermaßen gelte, könne der Staat dieser nur gerecht werden, indem er ein Verfahren installiert, in dem alle Gläubiger grundsätzlich gleichmäßige Befriedigung erlangen können.43
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Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.; ders., DZWiR 2007, 188, 189 f.; ders., ZInsO 2010, 1432, 1435 f.; Krumm, Steuervollzug und formelle Insolvenz, S. 37 ff.; Adam, DZWiR 2009, 441, 442; ähnlich auch Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71 ff., allerdings unter zusätzlicher Inbezugnahme von Art. 3 I GG, vgl. hierzu näher noch unten sub 4. 41 Vgl. zu diesem Ansatz Berges, KTS 1957, 49, 52 ff. 42 Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 31. 43 Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.
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bb) Kritik: verfassungsrechtlich nicht tragfähige Gleichsetzung von Justizgewähr und effektiver Forderungsbefriedigung Auch dieser Ansatz ist indes bei genauerer Betrachtung kritikwürdig. So erscheint es problematisch, die Garantie eines effektiven Vollstreckungsverfahrens mit der Garantie einer bestmöglichen Forderungsbefriedigung gleichzusetzen und deshalb in jeder Verkürzung des unzureichenden Schuldnervermögens durch konkurrierende Gläubiger eine Beeinträchtigung der Justizgewährleistung zu sehen. Diese Interpretation setzt voraus, dass die Justizgewährleistung den Staat nicht nur zur Bereitstellung eines Rechtsschutz- und Vollstreckungsverfahrens verpflichtet, sondern ihm darüber hinaus auch die Verantwortung zur Sicherung einer ausreichenden Haftungsmasse auferlegt. Wie in jeder extensiven Interpretation eines Grundrechts liegt aber auch hierin die Gefahr, entweder den Staat mit den daraus abzuleitenden Verpflichtungen zu überfordern oder aber die Verfassungsgarantie im Ergebnis zu denaturieren, da ihre Praktikabilität nur durch die großzügige Gewährung von Ausnahmen gewährleistet werden könnte. Das geltende Insolvenzrecht könnte den entsprechenden verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls nicht gerecht werden. In der Konsequenz einer solchen Interpretation der Justizgewährleistung als Gebot bestmöglicher Forderungsbefriedigung läge eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, ab Eintritt der Vermögensinsuffizienz des Schuldners sämtliche Maßnahmen der Einzelvollstreckung abzulehnen und stattdessen auf die Einleitung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens hinzuwirken. Diesen Anforderungen würde der Staat nur dann gerecht werden, wenn er ab Eintritt der materiellen Insolvenz zwangsweise ein die Einzelvollstreckung vollständig verdrängendes Gesamtvollstreckungsverfahren vorschriebe, oder aber zumindest jeden Schuldner unabhängig von seiner Rechtspersönlichkeit zur rechtzeitigen Einleitung eines Insolvenzverfahrens verpflichtete. Das geltende Insolvenzrecht geht so weit indes nicht. Die materielle Insolvenz des Schuldners allein führt noch nicht zur Unzulässigkeit der Einzelvollstreckung44 und eine durch die Vermögensinsuffizienz ausgelöste Rechtspflicht zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens trifft nur solche Rechtssubjekte, hinter denen keine unbeschränkt haftende natürliche Person steht, § 15 Abs. 1 und 2 InsO. Diese gesetzgeberische Zurückhaltung ist wohl eine der Ursachen für die in der Praxis nach wie vor feststellbare geringe Effektivität des Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die Befriedigung der Insolvenzforderungen. Im Zeit44 Diese kann vielmehr gem. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO und § 30d Abs. 4 ZVG frühestens nach Einleitung des Eröffnungsverfahrens eingeschränkt werden. Ein zwingendes Verbot der Zwangsvollstreckung tritt dagegen erst mit Eröffnung des formellen Insolvenzverfahrens ein, § 89 InsO. Zwar wird diese Wirkung durch die Rückschlagsperre des § 88 InsO in gewissen Grenzen vor den Eröffnungszeitpunkt vorverlagert, doch deckt auch dies nicht die gesamte Dauer der materiellen Insolvenz des Schuldners ab.
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raum von 2002 bis 2007 lag die Quote der mangels Masse nicht eröffneten Insolvenzverfahren bei Unternehmen und Freiberuflern noch immer bei 37,3 %.45 In den im Jahr 2009 eröffneten und bis zum 31.12.2013 beendeten Insolvenzverfahren lag die von den Insolvenzgläubigern durchschnittlich erzielte Befriedigungsquote46 nach den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes bei gerade einmal 2,7 %; insgesamt erlitten die Gläubiger dadurch einen Forderungsausfall i.H.v. 12,791 Mrd. €. 47 Würde man mit der hier im Fokus stehenden Interpretation der Justizgewährleistung deren Wirksamkeit an der erfolgreichen wirtschaftlichen Realisierung der Forderungen messen, so könnte man angesichts dieser Daten wohl kaum noch von einer effektiven Justizgewähr sprechen. Dieser Befund lässt nur zwei mögliche Schlussfolgerungen zu: Entweder das geltende Insolvenzrecht bleibt ganz erheblich hinter den Vorgaben der Verfassung zurück48 oder aber die Justizgewährleistung darf nicht in einem derart weitreichenden Sinn verstanden werden. Im Ergebnis entspricht die letztere Deutung eher den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Justizgewährleistung ist das rechtsstaatliche Surrogat für die dem Gläubiger durch das staatliche Gewaltmonopol und die hiermit korrespondierende Friedenspflicht genommenen Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen Durchsetzung seiner Forderungen im Wege der Selbsthilfe. Da der Staat durch das Verbot der Selbsthilfe die eigenmächtige Durchsetzung von grundrechtlich geschützten Rechtspositionen verhindert und damit in diese eingreift, trifft ihn im Gegenzug die Verantwortung, selbst effektive Verfahren zur Realisierung dieser Rechte bereitzustellen.49 Ebenso wenig wie aber die eigenmächtige Rechtsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe garantieren kann, dass der Schuldner über ein ausreichendes Vermögen zur Befriedigung der Forderung verfügt, kann folgerichtig die Justizgewährleistung als deren Surrogat dem Staat eine entsprechende Verantwortung überbürden. Die Pflicht des Staates beschränkt sich vielmehr darauf, solche Verfahren und Zwangsmittel bereitzustellen, die abstrakt – also eine ausreichende Haftungsmasse vorausgesetzt 45
Kranzusch/Icks, Die Quoten der Insolvenzgläubiger in Regel- und Insolvenzplanverfahren, S. 43. 46 Gemeint ist hier die Befriedigungsquote im engeren Sinne, also nur die Befriedigungsquote der Insolvenzforderungen unter Ausschluss von Absonderungsrechten und Masseforderungen. 47 Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1.1, S. 3. 48 So denn auch konsequenterweise Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 72 f. 49 Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 1.1 ff.; Papier in: HStR VI, 2. Aufl., § 153 Rn. 1, 8; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 4 ff., 11 ff.; in diese Richtung auch BVerfGE, 61, 126, 136; vgl. zur rechtsphilosophischen Herleitung der Justizgewährleistungspflicht aus dem Konzept des Gesellschaftsvertrages auch Wieczorek/Schütze/Paulus, Vor § 704 Rn. 1 m.w.N.
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– eine effektive Befriedigung des Gläubigers ermöglichen. Mithin kann in der Auszehrung des Schuldnervermögens durch konkurrierende Gläubiger keine Beeinträchtigung der verfassungsrechtlichen Justizgewährleistung gesehen werden, da hiervon nur die Haftungsmasse, nicht aber das Rechtsschutzverfahren selbst betroffen ist. c) Ergebnis: Par conditio creditorum kein Gebot der verfassungsrechtlichen Justizgewährleistung Diese Erwägungen erhellen, dass aus der verfassungsrechtlichen Justizgewährleistung auch für den Fall der Vermögensinsuffizienz des Schuldners kein Gebot der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger abgeleitet werden kann, will man die Verfassungsgarantie nicht über die durch ihre rechtsstaatliche Funktion vorgezeichneten Grenzen hinaus überspannen. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet den Staat in diesen Fällen lediglich dazu, den einzelnen Gläubigern die Möglichkeit zur Initiierung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens zu eröffnen, um auf diese Weise die Zufälligkeiten, die mit einer Vermögensverteilung im Wege von parallelen Einzelvollstreckungsverfahren einhergehen, vermeiden zu können. Ein bestimmter Verteilungsmaßstab im Sinne der par conditio creditorum ist damit jedoch noch nicht vorgegeben. 2. Die par conditio creditorum als Ausfluss der Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG? a) Begründung: Beeinträchtigung der Eigentumsrechte konkurrierender Gläubiger durch bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger Insbesondere in Verbindung mit der verfassungsrechtlichen Justizgewährleistung wird häufig auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage des Prinzips der par conditio creditorum genannt.50 Die Argumentation verläuft hier weitestgehend parallel zur soeben dargestellten Ableitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus der Justizgewährleistung: Soweit schnellere oder privilegierte Gläubiger das Schuldnervermögen auszehren, soll hierin eine Beeinträchtigung der – vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff mit umfassten51 – Forderungsrechte konkurrierender Gläubiger zu sehen sein.
50 Berges, KTS 1957, 49, 58; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.20; Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 72 ff.; ders., DZWiR 2007, 188, 189 f.; ders., ZInsO 2010, 1432, 1435 f.; Krumm, Steuervollzug und formelle Insolvenz, S. 37 ff.; Adam, DZWiR 2009, 441, 442; ablehnend Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 200 f. 51 BVerfGE 68, 193, 222; 83, 201, 208 ff.; 112, 93, 107 m.w.N.
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b) Kritik: keine Garantie der Schuldnerbonität aus Art. 14 Abs. 1 GG Aus ähnlichen Gründen wie schon bei der Justizgewährleistung vermag aber auch diese Argumentation eine verfassungsrechtliche Begründung der par conditio creditorum nicht zu tragen. Eine Beeinträchtigung der die Forderung schützenden Eigentumsgarantie könnte in der Auszehrung des Schuldnervermögens nur dann erblickt werden, wenn die Eigentumsgarantie nicht nur den Bestand und die rechtliche Durchsetzbarkeit der betreffenden Forderung schützen, sondern darüber hinaus auch das Vorhandensein einer ausreichenden Haftungsmasse gewährleisten würde, oder – in zivilrechtlicher Terminologie gesprochen – wenn die Eigentumsgarantie nicht nur die Verität, sondern auch die Bonität umfassen würde. Dies kann indes nicht angenommen werden. Der Markt- bzw. Tauschwert der verfassungsrechtlich geschützten Rechte ist nach der Rechtsprechung des BVerfG ebenso vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie ausgenommen52 wie einzelne wertbildende Faktoren53. Freilich wird man insoweit unterscheiden müssen zwischen solchen wertbildenden Faktoren, die als wesentliche Bestandteile des jeweiligen Eigentumsrechts am Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG partizipieren und anderen Faktoren, die diesen Schutz nicht genießen. So handelt es sich beispielsweise bei der Abtretbarkeit, der Belastbarkeit und der Durchsetzbarkeit von Forderungen zweifelsohne um wertbildende Faktoren. Diese müssen aber dennoch als wesentliche Bestandteile des Forderungsrechts dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unterfallen. Die Bonität des jeweiligen Schuldners fällt dagegen nicht in diese Kategorie. Das Vorhandensein einer ausreichenden Haftungsmasse ist nicht Bestandteil des jeweiligen Forderungsrechts; ganz im Gegenteil ist gerade die Gefahr der Insolvenz ein einer jeden Forderung inhärentes Risiko. Dementsprechend kann die Bonität des Schuldners auch nicht als von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt angesehen werden.54 Ebenso wenig wie die Justizgewährleistung gewährleistet folglich auch die Eigentumsgarantie das Vorhandensein einer ausreichenden Haftungsmasse.55 Auch sie scheidet damit als tragfähige verfassungsrechtliche Grundlage für das Prinzip der par conditio creditorum aus. 52
BVerfGE 105, 17, 30; zustimmend aus der Literatur z.B. Dreier/Wieland, Art. 14 Rn. 69; differenzierend v. Münch/Kunig/Bryde, Art. 14 Rn. 24; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rn. 160 ff., 184 ff. 53 BVerfG NJW 2012, 3081, 3082 ff. (Delisting). 54 So auch Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 73, der hierin freilich kein Hindernis für die Ableitung der par conditio creditorum aus Art. 14 GG sieht. 55 Der rechtliche Bestand der Forderungen bleibt dagegen sowohl von der materiellen Insolvenz des Schuldners als auch vom eröffneten Insolvenzverfahren zunächst unberührt. Auch nach der Insolvenzrechtsreform gilt insoweit gem. § 201 Abs. 1 InsO der Grundsatz der unbeschränkten Nachhaftung des schuldnerischen Vermögens: Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger ihre Forderungen wieder frei von rechtlichen
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3. Die par conditio creditorum als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 1 GG? Nur kurz soll hier auf das von Teilen der Literatur56 als verfassungsrechtliche Grundlage der par conditio creditorum angebotene Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG eingegangen werden. Die Ausführungen können sich hier auf ein Minimum beschränken, da das Sozialstaatsprinzip bislang nie als alleinige Grundlage für den Gleichbehandlungsgrundsatz herangezogen wurde, sondern stets nur in Verbindung oder zur Verstärkung anderer Verfassungsgarantien.57 Dies ist auch folgerichtig, da das Sozialstaatsprinzip nach seinem normativen Inhalt nicht in der Lage ist, für sich genommen einen insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung zu begründen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG kann dem Sozialstaatsprinzip aufgrund seiner Weite und Unbestimmtheit regelmäßig kein Gebot entnommen werden, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren.58 Ebenso wenig ist es dann aber möglich aus dem Sozialstaatsprinzip einen konkreten Verteilungsmaßstab für das Insolvenzverfahren im Sinne der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung abzuleiten. 4. Die par conditio creditorum als Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes Wie sich gezeigt hat, vermögen es die Verfassungsgarantien der Justizgewährleistung, des Grundrechts auf Eigentum und des Sozialstaatsprinzips nicht, eine tragfähige verfassungsrechtliche Grundlage für das Prinzip der par conditio creditorum zu legen. Der Blick muss sich deshalb nun auf diejenige verfassungsrechtliche Gewährleistung richten, die sich bereits terminologisch am ehesten dazu anbietet, ein insolvenzrechtliches Gleichbehandlungsgebot zu begründen: den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da dieser die Gleichbehandlung aller Grundrechtsträger fordert, liegt es ohne Zweifel nahe, hieraus mit einer in der Literatur verbreiteten Ansicht59 ein Beschränkungen gegenüber dem Schuldner geltend machen und auch zwangsweise durchsetzen. Allenfalls in Fällen der Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO oder der insolvenzbedingten Liquidation einer juristischen Person könnte deshalb unter diesem Gesichtspunkt eine Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG erwogen werden (mit guten Gründen dagegen allerdings Madaus, JZ 2016, 548, 551 f.). Zur Begründung eines allgmeinen Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes taugen diese Erwägungen freilich nicht. 56 Stürner in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15. 57 Stürner in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15 (jeweils neben verfassungsrechtlicher Justizgewährleistung und Art. 3 Abs. 1 GG). 58 BVerfGE 94, 241, 263; 110, 412, 445, st. Rspr. 59 Smid/Leonhardt, in: Leonhardt/Smid/Zeuner, § 1 Rn. 34; Stürner in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 77; Bruns, KTS 2008, 41, 48 f.; Becker, Insolvenzrecht, Rn. 15; Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71; von Gleichenstein,
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§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen
Recht aller Insolvenzgläubiger auf gleichmäßige Befriedigung aus dem Schuldnervermögen abzuleiten. Indes liegt der Fall auch hier so einfach nicht. Die verfassungsrechtliche Dogmatik erfordert vielmehr eine differenzierende Betrachtung der in der bevorzugten Befriedigung einzelner Gläubiger liegenden Ungleichbehandlung. a) Adressaten des allgemeinen Gleichheitssatzes Im Falle der Vermögensinsuffizienz des Schuldners resultiert die zu besorgende Ungleichbehandlung der Gläubiger aus einer möglicherweise ungleichen Verteilung des Schuldnervermögens. Diese Verteilung kann nun aber in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation auf völlig unterschiedliche Weise und durch unterschiedliche Akteure vollzogen werden: Einzelne Gläubiger können in das Schuldnervermögen unter Einschaltung staatlicher Vollstreckungsorgane vollstrecken, der Schuldner kann Teile seines Vermögens selbst auf bestimmte Gläubiger übertragen und schließlich kann die Verteilung des Schuldnervermögens auf die Gläubiger durch den Insolvenzverwalter erfolgen. Nicht alle der genannten Akteure unterliegen aber den Bindungen des Art. 3 Abs. 1 GG. Als staatliche Behörden ohne Weiteres an den Gleichheitssatz gebunden sind die Organe der Einzelvollstreckung (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht erster Instanz und andere Behörden60), Art. 1 Abs. 3 GG. Obgleich er nach heute ganz herrschender Ansicht nicht hoheitlich handelt, gilt dasselbe auch für den Insolvenzverwalter.61 Seine privatrechtliche Stellung hindert seine Bindung an die Grundrechte im Allgemeinen und an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Speziellen nicht.62 Durch die privatrechtliche Ausgestaltung des grundsätzlich öffentlich-rechtlich
NZI 2015, 49, 51 ff.; a.A. Bauer, Ungleichbehandlung der Gläubiger im geltenden Insolvenzrecht, S. 66 f.; Knospe, ZInsO 2014, 861, 862 f.; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 199 f. 60 Zu dieser Aufzählung Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 5.3. Zur Stellung des Gerichtsvollziehers als Beamter im staatsrechtlichen Sinne und zur rechtspolitischen Diskussion einer Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 12 f.; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 20 ff. 61 Zur privatrechtlichen Stellung des Insolvenzverwalters s. BVerfG NZI 2006, 453, Tz. 32; aus der Literatur statt vieler Graeber in: Münchener Kommentar zur InsO, § 56 Rn. 142. 62 Zum Ganzen ausführlich Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 34 ff. und Werres, Grundrechtsschutz in der Insolvenz, S. 30 ff., beide mit umfangreichen Nachweisen; a.A. Knospe, ZInsO 2014, 861, 862 f.
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verfassten Gesamtvollstreckungsverfahrens kann sich der Staat seiner grundrechtlichen Bindung nicht entziehen.63 Gänzlich anders stellt sich die Sachlage im Hinblick auf die privaten Beteiligten, also den Schuldner und die Gläubiger, dar. Diese sind nicht unmittelbar an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden (arg. e Art. 1 Abs. 3 GG). Auch die Grundsätze der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten im Privatrechtsverkehr64 können insoweit keine Anwendung finden, da der allgemeine Gleichheitssatz als Begründungsgebot mit dem das Privatrecht beherrschenden Grundsatz der Privatautonomie, der die Teilnehmer des Privatrechtsverkehrs gerade von jeder Begründungslast hinsichtlich ihrer Entscheidungen freistellen soll, unvereinbar ist.65 Mangels Bindung an den Gleichheitssatz sind der Schuldner und die Gläubiger damit zumindest nicht kraft Verfassungsrechts zu einer gleichmäßigen Verteilung des Schuldnervermögens verpflichtet. b) Auswirkungen des Gleichheitssatzes vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Auf Grundlage dieser Feststellungen zur personellen Bindungswirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes kann nun die Frage beantwortet werden, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sich diesem für die Verteilung des unzureichenden Schuldnervermögens auf die Gläubiger entnehmen lassen. Hierbei sind die Phasen vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterscheiden. aa) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Vermögensverteilung durch den Schuldner oder im Wege der Einzelvollstreckung Für die Phase vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern das Verfassungsrecht die Rückerstreckung der par conditio creditorum fordert, mit anderen Worten, dass in dieser Phase erfolgte Vermögensverschiebungen nach Insolvenzeröffnung rückgängig gemacht 63
Allgemein zur Grundrechtsbindung des Staates bei Anwendung privatrechtlicher Handlungsformen BVerfGE 128, 226, Tz. 46 ff. (Fraport). 64 Hierzu allgemein Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1 Rn. 303 ff. m.w.N. 65 v. Münch/Kunig/Boysen, Art. 3 Rn. 50. Aus demselben Grund muss die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Bereich des Privatrechts selbst dann ausscheiden, wenn man in diesem – mit dem BVerfG (BVerfGE 1, 208, 243) – einen überpositiven Rechtsgrundsatz erblickt, a.A. aber Gassert-Schumacher, Privilegien in der Insolvenz, S. 325 f. (Ableitung der par conditio creditorum aus diesem überpositiven Gleichheitssatz). Eine Bindung Privater an den Gleichheitssatz soll jedoch ausnahmsweise im Bereich von Monopolen und im Arbeitsrecht in Betracht kommen, vgl. zum Ganzen vertiefend Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 Rn. 291 ff.; Dreier/Heun, Art. 3 Rn. 70 f.; Epping/Hillgruber/Kischel, Art. 3 Rn. 93 jeweils m.w.N.
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werden (bspw. durch Anfechtung oder eine „Rückschlagsperre“).66 Ein verfassungsrechtliches Gebot zur Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen setzt voraus, dass diese Vermögensverschiebungen (zumindest retrospektiv) als verfassungswidrig zu bewerten sind, weil sie den allgemeinen Gleichheitssatz verletzen. Vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommen hierbei zwei Wege der Vermögensverschiebung in Betracht: Entweder der Schuldner selbst überträgt Teile seines Vermögens auf bestimmte Gläubiger, um diese zu befriedigen oder zumindest deren Forderungen zu sichern, oder aber einzelne Gläubiger greifen im Wege der Einzelvollstreckung auf die Vermögensgegenstände des Schuldners zu. (1) Vermögensverteilung durch den Schuldner zum Zwecke der Forderungsbefriedigung Die obigen Ausführungen zur personellen Bindungswirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes erhellen, dass im erstgenannten Falle einer vom Schuldner selbst vorgenommenen Vermögensverschiebung eine Verletzung des Gleichheitssatzes ausgeschlossen ist. Da weder der Schuldner noch die Gläubiger an den Gleichheitssatz gebunden sind, ist der Schuldner zumindest verfassungsrechtlich nicht gezwungen, bei der Verteilung seines Vermögens einen bestimmten Verteilungsmaßstab zu berücksichtigen. Auch einer willkürlichen Bevorzugung einzelner Gläubiger durch den Schuldner setzt das Verfassungsrecht grundsätzlich keine Grenzen,67 da sich insoweit lediglich die den Privatrechtsverkehr beherrschende Privatautonomie und – aus Sicht der benachteiligten Gläubiger – das den Forderungen anhaftende Bonitätsrisiko realisiert. (2) Gläubigerzugriff im Wege der Einzelvollstreckung Soweit die Verteilung des schuldnerischen Vermögens vor der Insolvenzeröffnung nicht freiwillig durch den Schuldner erfolgt, sondern von einzelnen Gläubigern im Wege der Einzelvollstreckung erzwungen wird, scheint sich die verfassungsrechtliche Bewertung prima facie anders darzustellen. In diesem Falle wird das Schuldnervermögen nicht mehr durch eine Privatperson (den Schuldner) verteilt, sondern durch die staatlichen, unmittelbar grundrechtsgebundenen Vollstreckungsorgane den vollstreckenden Gläubigern 66
Vgl. hierzu oben sub A. II. Eine Ausnahme mag bei diskriminierenden Benachteiligungen gelten, vgl. zu der hierfür relevanten Frage, inwiefern die besonderen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG mittelbare Drittwirkung im Privatrechtsverkehr entfalten können, Maunz/Dürig/Langenfeld, Art. 3 Abs. 3 Rn. 81 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 Rn. 370; Dreier/Heun, Art. 3 Rn. 139. 67
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zugewiesen. Bei näherer Betrachtung wird indes offenbar, dass auch hierdurch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG begründet werden kann. Würde man im Zugriff der Vollstreckungsorgane auf das schuldnerische Vermögen eine Verletzung des Gleichheitssatzes erblicken, würde dies zu erheblichen Wertungswidersprüchen führen. Wenn das Verfassungsrecht, wie soeben gezeigt, den Schuldner nicht daran hindert, einzelne Gläubiger bevorzugt zu befriedigen, kann es nicht recht einleuchten, warum umgekehrt dem Gläubiger bei der Befriedigung seiner Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung verfassungsrechtliche Beschränkungen auferlegt werden sollen. Die verfassungsrechtliche Bewertung der Vermögensverschiebung darf nicht davon abhängen, ob der Gläubiger in das schuldnerische Vermögen vollstreckt oder aber vom Schuldner freiwillig (vielleicht sogar gerade zur Abwendung einer sonst drohenden Zwangsvollstreckung) befriedigt wird. Dieser Befund lässt sich auch verfassungsdogmatisch abstützen. Allerdings greift es zu kurz, wenn teilweise der Versuch unternommen wird, die Vereinbarkeit des Gläubigerzugriffs mit Art. 3 Abs. 1 GG aus einer „Zeitpunktbezogenheit“ der Vollstreckung abzuleiten.68 Dieser Ansatz sieht auf Grundlage der „allgemeinen Gerechtigkeitsregel“ des „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ 69 im Zeitpunkt der Vollstreckung das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen verschiedenen Gläubigern. Dementsprechend sei der früher vollstreckende Gläubiger im Vergleich zu anderen, später oder gar nicht vollstreckenden Gläubigern eben nicht „wesentlich gleich“ und folglich auch keine Gleichbehandlung mit diesen geboten. Einer weiteren Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung bedürfe es nicht.70 Diese Begründung könnte nur dann verfangen, wenn in dem formalen Differenzierungsmerkmal des Zeitpunkts der Vollstreckung zugleich ein materieller Unterschied von solchem Gewicht zwischen den einzelnen Gläubigern enthalten wäre, dass eine Gleichbehandlung nicht mehr geboten erscheint. Dies ist indes nicht der Fall. Zwar könnte man annehmen, dass der aufmerksame Gläubiger, der sich frühzeitig um die Realisierung seiner Forderungen bemüht gegenüber den „zu spät“ vollstreckenden Gläubigern zu bevorzugen sei. Eine solche Argumentation würde aber voraussetzen, dass alle Gläubiger im Ausgangspunkt überhaupt die Möglichkeit haben, „rechtzeitig“ zu vollstrecken. Da einzelne Gläubiger aber häufig entweder faktisch oder aber rechtlich an einer solchen frühzeitigen Vollstreckung gehindert sind, ist diese Ausgangslage gerade nicht gegeben.71 Das formale Kriterium des Zeitpunkts der Vollstreckung wird deshalb zu einem gewissen Grad immer zu einer zufälligen Verteilung
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So aber von Gleichenstein, NZI 2015, 49, 51 ff. von Gleichenstein, NZI 2015, 49, 51. 70 von Gleichenstein, NZI 2015, 49, 52 f. 71 Vgl. hierzu Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 111 f. 69
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des Schuldnervermögens führen und kann mithin nicht als maßgebliches Unterscheidungskriterium im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG angesehen werden. Um zu verstehen, warum der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz die mit dem früheren Vollstreckungszugriff einhergehende Besserstellung eines Gläubigers nicht hindert, muss man vielmehr gedanklich einen Schritt zurückgehen. Sodann zeigt sich, dass es im Falle des Vollstreckungszugriffs eines Gläubigers auf das Schuldnervermögen zwar nicht an einer Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gläubigern mangelt, dass diese Ungleichbehandlung aber nicht dem Staat zuzurechnen und folglich nicht am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen ist.72 Zwar wird die Vermögensverschiebung unmittelbar durch die staatlichen Vollstreckungsorgane vollzogen. Die Entscheidung über Einleitung, Art und Objekt der Vollstreckung trifft jedoch grundsätzlich allein der private Gläubiger.73 Dieser nutzt die staatlichen Vollstreckungsorgane gleichsam als Werkzeug zur Verwirklichung seiner verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Forderung. Dies sowie die oben aufgezeigten wertungsmäßigen Parallelen zur freiwilligen Befriedigung des Gläubigers durch den Schuldner zeigen, dass das Vollstreckungsverhältnis trotz seiner öffentlich-rechtlichen Verfasstheit sehr stark vom Prinzip der Privatautonomie geprägt ist und insoweit eine erhebliche Sachnähe zum Privatrecht aufweist.74 Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht, die durch die Zwangsvollstreckung vorgenommene Vermögensverschiebung nicht überwiegend dem Staat zuzurechnen, sondern als in erster Linie privatautonom durch den Gläubiger herbeigeführt zu verstehen. 75 Da dieser aber ebenso wenig wie der Schuldner an den allgemeinen Gleichheitssatz gebun-
72
A.A. Schlosser, ZZP 97 (1984), 121, 123. Zum Grundsatz der Gläubigerherrschaft und dessen Beziehung zur von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 6.6 f. und 7.19 ff. 74 Vgl. hierzu vertiefend Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 3 Rn. 37 ff. m.w.N. 75 Dieser Schlussfolgerung kann auch nicht unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung entgegengetreten werden. Zwar nehmen BAG und BGH an, dass eine unter Einsatz von staatlichen Machtmitteln erzwungene Vermögensverschiebung nicht insolvenzfest sei und deshalb als inkongruente Deckung der erweiterten Insolvenzanfechtung gem. § 131 InsO unterliege. Dieser Befund wird aber nicht auf die Bindung der staatlichen Vollstreckungsorgane an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gestützt, sondern darauf, dass die Notwendigkeit der Zwangsvollstreckung aus Sicht des Gläubigers den Verdacht der materiellen Insolvenz des Schuldners nahelegen muss. Die Argumentation ist folglich nicht auf der Ebene des Verfassungsrechts, sondern auf der Ebene des einfachen Insolvenzanfechtungsrechts zu verorten, vgl. zum Ganzen BGH NZI 2014, 129, 131; BAG NZI 2011, 644, 646. 73
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den ist, können Art. 3 Abs. 1 GG auch für diese Form der Vermögensverschiebung keine verfassungsrechtlichen Grenzen entnommen werden.76 (3) Zwischenergebnis: Keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Vermögensverteilung vor Insolvenzeröffnung Es hat sich somit gezeigt, dass aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG für die zeitliche Phase vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Verteilung des Schuldnervermögens abgeleitet werden können.77 Konsequenterweise kann dem allgemeinen Gleichheitssatz damit aber auch kein verfassungsrechtliches Gebot entnommen werden, vor Insolvenzeröffnung zugunsten einzelner Gläubiger erfolgte Vermögensverschiebungen nach Insolvenzeröffnung rückgängig zu machen, die par conditio creditorum also insoweit auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung zurückzuerstrecken. bb) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens: verfassungsrechtlich gebundene Vermögensverteilung durch den Insolvenzverwalter Die verfassungsrechtliche Bewertung ändert sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts über das Vermögen vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO fundamental. An die Stelle der privatautonomen Gestaltung der Vermögensverhältnisse durch den Schuldner tritt nunmehr die Verwaltung und Verteilung des schuldnerischen Vermögens durch den Insolvenzverwalter. Da dieser aber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden ist,78 gibt der allgemeine Gleichheitssatz insoweit einen verfassungsrechtlich verbindlichen Verteilungsmaßstab vor. Hierin findet die par conditio creditorum ihre verfassungsrechtliche Grundlage. Das Insolvenzverfahren ist in seinem Kern staatliches Gesamtvollstreckungsverfahren, also staatliche Verteilung 76 Vgl. allerdings in diesem Zusammenhang auch Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 108 ff. und passim, wonach dem in der Einzelvollstreckung verwirklichten Prioritätsgrundsatz kein eigener Gerechtigkeitsgehalt zukomme. Diese Ansicht steht freilich nicht im Widerspruch zu den hier gefundenen verfassungsrechtlichen Ergebnissen. Hoffmanns Untersuchung widmet sich der Frage, inwieweit der Prioritätsgrundsatz in der Systematik des geltenden (einfachen) Vollstreckungsrechts verwirklicht wird und ob dieser Grundsatz als solcher zu gerechten Ergebnissen führt. In der vorliegenden Untersuchung steht demgegenüber die Frage im Vordergrund, inwiefern sich aus dem Verfassungsrecht überhaupt eine Verpflichtung des Staates ergibt, im Bereich der Einzelvollstreckung material gerechte Ergebnisse zu gewährleisten. Da diese Frage bereits verneint wird, stellt sich die Frage nach dem Gerechtigkeitsgehalt des Prioritätsgrundsatzes aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht mehr. 77 A.A. Adam, DZWiR 2009, 441, 443. 78 S.o. sub a) bb).
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des unzureichenden schuldnerischen Vermögens auf die Gläubiger.79 Wo der Staat aber Vermögensgegenstände verteilt, ist er an die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes gebunden und darf nur aus sachlichen Gründen Differenzierungen zwischen den einzelnen Leistungsempfängern vornehmen. Die hier vorgenommene verfassungsrechtliche Verankerung der par conditio creditorum mag auf den ersten Blick sehr, ja vielleicht zu formalistisch anmuten, indem sie allein an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Eingreifen eines rigiden Verteilungsmaßstabs knüpft. Dies ist jedoch hinzunehmen. Will man das verfassungsrechtlich verbürgte Prinzip der Gläubigergleichbehandlung justiziabel machen, kommt man nicht umhin, einen klaren Zeitpunkt festzulegen, ab dem dieses Prinzip die privatautonome Vermögensallokation durch den Schuldner verdrängt. Nur der gem. § 27 InsO eindeutig zu bestimmende Moment der Verfahrenseröffnung vermag insoweit eine klare Grenze zu ziehen. Gleichwohl bedeutet diese verfassungsrechtliche Grenzziehung nicht, dass der Übergang zwischen privatautonomer Vermögensverteilung und Gläubigergleichbehandlung auch auf der Ebene des einfachen Rechts so rigide gehandhabt werden muss. Tatsächlich sorgen hier die Regelungen der Insolvenzanfechtung für einen fließenden Übergang, indem sie unter Anwendung einer Vielzahl von Kriterien und unter Berücksichtigung der Interessen aller beteiligter Parteien eine punktuelle Erstreckung der par conditio creditorum auf den zeitlichen Bereich vor Insolvenzeröffnung ermöglichen. Die notwendige Flexibilität im Hinblick auf die hierbei zu treffenden rechtspolitischen Wertungen wird gerade dadurch gewährleistet, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich keinen spezifischen verfassungsrechtlichen Bindungen unterworfen ist. II. Verfassungsrechtlich zulässige Ungleichbehandlungen Die Verfassung verlangt somit ab Insolvenzeröffnung die grundsätzliche Gleichbehandlung aller am Insolvenzverfahren Beteiligter, im Ausgangs79 Anders wohl Häsemeyer, KTS 1982, 507, 515 f., der im Insolvenzverfahren kein Instrument der verteilenden (austeilenden) Gerechtigkeit (iustitia distributiva), sondern der ausgleichenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa) sieht. Dies verkennt jedoch, dass iustitia commutativa und iustitia distributiva im heutigen Privatrecht richtiger Weise nicht voneinander zu trennen sind, vgl. hierzu ausführlich Auer, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, S. 66 ff. Gegen die Vorstellung, durch das Insolvenzverfahren werde „ein Mangel staatlich verwaltet“ wendet sich auch Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 211. Letztlich beruht die scharfe Ablehnung der Idee staatlicher Mangelverwaltung bei beiden Autoren in erster Linie auf einem materiellen Verständnis dieser Idee im Sinne einer von sozialpolitischen Motiven geleiteten Vermögensverteilung. In der vorliegenden Arbeit wird die Vermögensverteilung durch den Staat dagegen rein formal-deskriptiv verstanden. Die Frage nach den Determinanten, die hierbei den materiellen Verteilungsmaßstab legitimer Weise prägen dürfen, wird erst an späterer Stelle aufgeworfen, hierzu unten sub II. 2.
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punkt also eine proportionale Verlustgemeinschaft der Gläubiger in dem Sinne, dass jeder Gläubiger zu einem bestimmten, einheitlichen Prozentsatz auf die Befriedigung seiner Forderung verzichten muss. Indes beschränkt sich der allgemeine Gleichheitssatz nicht auf ein solches Gebot formaler Gleichbehandlung. Es gilt vielmehr auch hier das Gebot „Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln.“ 80 Dementsprechend verlangt auch die par conditio creditorum nicht die strikte Gleichbehandlung aller Gläubiger, sondern lässt Privilegierungen einzelner Beteiligter durchaus zu oder fordert diese sogar.81 Entscheidend ist letzten Endes, welche Anforderungen der allgemeine Gleichheitssatz an die Zulässigkeit solcher Privilegierungen stellt. Diese Frage kennt indes keine einfachen Antworten, da das Verfassungsrecht insofern einen flexiblen, zwischen Willkürverbot und einer Art „Verhältnismäßigkeitsprüfung“82 schwankenden Maßstab vorgibt, an dem die einzelnen Kategorien von insolvenzrechtlichen Privilegierungen jeweils individuell zu messen sind. 1. Maßstab der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung insolvenzrechtlicher Privilegierungen a) Evolution des gleitenden Prüfungsmaßstabs in der Rechtsprechung Als Maßstab für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen vor Art. 3 Abs. 1 GG kommen in der Rechtsprechung des BVerfG bekanntermaßen zwei Formeln zur Anwendung: die ältere, maßgeblich von Gerhard Leibholz geprägte „Willkürformel“ sowie seit 1980 die sog. „neue Formel“.83 Während jene jeden sachlichen Grund für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ausreichen lässt84, fordert diese, dass zwischen den ungleich behandelten Gruppen von Normadressaten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen bzw. – in einer anderen Variante – Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.85 In der neueren Rechtsprechung des BVerfG zeichnet sich diesbezüglich ab, dass Willkürformel und neue Formel nicht als zwei eigenstän80
BVerfGE 103, 310, 318; ähnlich BVerfGE 13, 46, 53; 84, 133, 158; 98, 365, 385; vertiefend hierzu Huster, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 3 Rn. 24 ff.; dagegen jedoch Sachs, Verfassungsrecht II, Kap. 15 I. Rn. 9, 52 ff. 81 Vgl. zum Ganzen Stürner, in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 62; Werres, Grundrechtsschutz in der Insolvenz, S. 140. 82 Zur Problematik des Begriffs „Verhältnismäßigkeit“ vgl. unten Fn. 86. 83 Vertiefend hierzu Pietzcker, in: Handbuch der Grundrechte V, § 125 Rn. 40 ff. 84 Grundlegend BVerfGE 4, 144, 155. 85 Auf die Unterschiede zwischen den Gruppen von Normadressaten stellen z.B. ab: BVerfGE 55, 72, 88; 82, 126, 146; 85, 191, 210; 87, 1, 36; 88, 5, 12; 107, 26, 46; 110, 141, 167, auf Gründe für die Ungleichbehandlung stellen z.B. ab: BVerfGE 88, 87, 97; 91, 389, 401; 95, 267, 317; 111, 160, 170.
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dige, monolithische Prüfungsmaßstäbe angesehen werden, sondern vielmehr als die beiden Eckpunkte einer einheitlichen, sich mit der Schwere der Ungleichbehandlung graduell verschärfenden „Verhältnismäßigkeitsprüfung“.86 Der Grad der Bindungswirkung des Art. 3 Abs. 1 GG wird hierbei vor allem durch bestimmte von der Rechtsprechung entwickelte Kriterien konkretisiert, die hier nur stichwortartig aufgezählt werden können: die Unterscheidung zwischen personen- und sachbezogenen Ungleichbehandlungen, die Nähe des Differenzierungskriteriums zu den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten „verbotenen“ Kriterien, die Auswirkung auf den Gebrauch von Freiheitsrechten sowie der Bezug zu sonstigen Verfassungsbestimmungen.87 b) Privilegierungen im Insolvenzverfahren: strenge Prüfung anhand der „neuen Formel“ Ausgehend von diesen Kriterien ist für Privilegierungen im Insolvenzverfahren eine strenge Prüfung auf Grundlage der „neuen Formel“ zu fordern. Dies begründet sich mit der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung des Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit.88 Dieser steht nicht nur in engem Zusammenhang mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Rechtsstaatsprinzip, sondern wirkt sich auch in erheblicher Weise auf die Ausübung der im Justizgewährleistungsanspruch und der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG enthaltenen grundrechtlichen Freiheiten aus, die durch das Rechtsschutzverfahren ihre Verwirklichung finden sollen. An dieser Stelle erscheint es angezeigt, zu betonen, dass die Auswirkung einer Ungleichbehandlung auf den Gebrauch von grundrechtlichen Freiheitsrechten nicht gleichbedeutend ist mit einem Eingriff in diese.89 Die zuvor 86
Vgl. BVerfG, NVwZ 2011, 1316, 1317: „Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen“, vgl. hierzu auch Pietzcker, in: Handbuch der Grundrechte V, § 125 Rn. 45 ff.; Epping, Grundrechte, Rn. 798 ff. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der freiheitsrechtlichen Dogmatik, da das Ziel nicht der Ausgleich kollidierender Rechtsgüter, sondern die Herstellung von Proportionalität zwischen bestehenden Unterschieden und Ungleichbehandlung ist, vgl. hierzu Huster, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 3 Rn. 72 ff. m.w.N. 87 Vgl. zu diesen Kriterien vertiefend v. Münch/Kunig/Boysen, Art. 3 Rn. 105 ff.; Pietzcker, in: Handbuch der Grundrechte V, § 125 Rn. 45 ff. 88 Hierzu und zum Folgenden Sachs/Osterloh, Art. 3 Rn. 204 ff. Der Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit wird in Rechtsprechung und Literatur in erster Linie mit dem Recht auf Prozesskostenhilfe in Verbindung gebracht, vgl. hierzu insbesondere BVerfG NJW 1959, 715 f.; 1991, 413; 2015, 2173, 2174. Die Bedeutung des Anspruchs erschöpft sich jedoch nicht hierin. Vielmehr muss dem Gebot der Gleichbehandlung in allen Belangen der Justizgewährleistung besondere Bedeutung zukommen. 89 Pietzcker, in: Handbuch der Grundrechte V, § 125 Rn. 45.
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begründete Ablehnung eines Eingriffs in Art. 14 GG und den Justizgewährleistungsanspruch hindert deshalb nicht die Begründung einer stärkeren Bindungswirkung des Gleichheitssatzes aufgrund der besonderen Auswirkungen, die insolvenzrechtliche Ungleichbehandlungen auf den Gebrauch dieser Grundrechte haben. Insoweit bewirkt der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch in der Tat eine „Verschärfung“ des allgemeinen Gleichheitssatzes hinsichtlich insolvenzrechtlicher Privilegierungen.90 Es folgt hieraus, dass insolvenzrechtliche Privilegierungen im Grundsatz nur dann zulässig sind, wenn zwischen den privilegierten und den nachrangigen Gläubigern Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass die Privilegierung gerechtfertigt erscheint. 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit insolvenzrechtlicher Privilegierungen in Abhängigkeit von ihrer Zwecksetzung Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Privilegierungen Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers kommt grundsätzlich unter zwei Gesichtspunkten in Betracht: Zum einen könnte man die Ungleichbehandlung darauf stützen, dass einzelne Beteiligte bereits vor Insolvenzeröffnung eine gesicherte Rechtsstellung an der Versicherungsforderung erlangen konnten, die im Insolvenzverfahren anzuerkennen ist. Zum anderen könnte eine insolvenzrechtliche Privilegierung bestimmter Drittparteien aus sozialpolitischen Gründen erwogen werden, namentlich wenn die betreffende Partei besonders schützenswert erscheint. Eine solche sozialpolitisch motivierte Privilegierung scheint sich im Schlagwort der „Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“ zu spiegeln und liegt auch hinsichtlich der insolvenzrechtlichen Behandlung einer zum Zwecke der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossenen Lebensversicherung nahe. Die verfassungsrechtliche Legitimität dieser beiden Kategorien von Rechtfertigungsgründen ist jedoch höchst unterschiedlich zu bewerten. a) Zulässigkeit der Privilegierung von Dritten aufgrund einer gesicherten Rechtsstellung Als verfassungsrechtlich unbedenklich zu bewerten sind solche Privilegierungen, die auf einer vor Insolvenzeröffnung erlangten gesicherten Rechtsstellung des Dritten an der Versicherungsforderung beruhen, sei es, dass der Dritte bereits zuvor Inhaber der Forderung geworden ist, sei es, dass er zuvor ein Sicherungsrecht an dieser erlangt hat. Durch diese Rechtsstellung unterscheidet sich der Dritte so sehr von den nur durch schuldrechtliche Forderungen gegen den Schuldner berechtigten „einfachen“ Insolvenzgläubigern, dass
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So schon Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 71.
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seine Privilegierung im Insolvenzverfahren vor dem Gleichheitssatz Bestand haben kann.91 Soweit eine derartige Rechtsstellung auf eine Verfügung des Schuldners zurückgeht, wird die Berechtigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung zwar teilweise bestritten.92 Jedoch kann diese Kritik vor dem Hintergrund der oben erfolgten verfassungsrechtlichen Analyse des Zeitraums vor Insolvenzeröffnung nicht überzeugen. Die Kritik stützt sich auf das Argument, die eigenverantwortliche Schuldenregulierung durch den Schuldner selbst habe sich mit dem Insolvenzfall als untauglich erwiesen. Privatautonom eingeräumte Vorzugsrechte einzelner Gläubiger müssten damit ihre Wirkung verlieren, da die Vermögensverteilung andernfalls willkürlich erfolge.93 Indes wurde gezeigt, dass die Vermögensverteilung vor Insolvenzeröffnung frei von Bindungen an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz erfolgt94 und damit keiner Willkürkontrolle unterliegt. Die Privatautonomie ist selbst Ausdruck grundrechtlich geschützter Freiheit. Die Bindung an den Gleichheitssatz tritt erst in dem Moment ein, in dem der Staat die Verteilung des verbliebenen Schuldnervermögens an sich zieht und dem Insolvenzverwalter überträgt. Der Insolvenzverwalter kann jedoch nur das Vermögen verteilen, das er im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorfindet. Die bereits zuvor aus dem Schuldnervermögen ausgegliederten Rechte an der Versicherungsforderung hat der Insolvenzverwalter zu respektieren; dies umso mehr als diese Rechte als verfassungsrechtliches Eigentum den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen.95 Dass die hierdurch einzelnen Gläubigern zukommenden Sicherungs- und Vorzugsrechte willkürlich verteilt sein können, kann hiergegen nicht in Stellung gebracht werden, da diese Willkür im grundrechtlich durch
91 Auch an dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass hiermit nur eine Aussage über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit entsprechender Privilegierungen getroffen wird. In der – äußerst kontrovers geführten – Debatte um die rechtspolitische Sinnhaftigkeit und Legitimation der insolvenzrechtlichen Bevorzugung dinglich gesicherter Gläubiger wird dagegen keine Stellung bezogen, vgl. zu dieser Debatte stattdessen Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 290 ff. (mit umfangreichen Nachweisen sowohl zum nationalen wie auch zum internationalen Schrifttum). 92 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.21 ff. 93 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.23. Diese Kritik lässt eine Auffassung durchscheinen, die im Insolvenzverfahren nicht lediglich ein Verfahren zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung sieht, sondern ein Verfahren, das im öffentlichen Interesse eine Vermögensumverteilung vornimmt, vgl. hierzu aus englischer Perspektive Finch, Corporate Insolvency Law, S. 32 ff., 600 f., die freilich zugleich feststellt, dass sich die deutsche InsO fest dem Ziel der Gläubigerbefriedigung verschreibt (a.a.O., S. 33). 94 S.o. sub I. 4. b) aa). 95 Vgl. spezifisch zu den Rechten aus drittschützenden Versicherungen Bruns, Privatversicherungsrecht, § 7 Rn. 10.
B. Verfassungsrechtlicher Gehalt der par conditio creditorum
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Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls gesicherten96 Prinzip der Privatautonomie, das sich in der Einräumung von Sicherungsrechten manifestiert, gerade angelegt ist.97 Soweit durch insolvenzrechtliche Privilegierungen also lediglich vor Insolvenzeröffnung eingeräumte Sicherungs- und Vorzugsrechte realisiert werden, ist die darin enthaltene Ungleichbehandlung vor dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum grundsätzlich98 gerechtfertigt.99 b) Zulässigkeit der Privilegierung nach dem Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation Darüber hinaus erscheint auch eine Ausdehnung derartiger Privilegierung nach dem Gedanken einer haftungsrechtlichen Surrogation verfassungsrechtlich unbedenklich. Tritt an die Stelle eines Gegenstands, an dem ein Dritter eine gesicherte Rechtsposition erworben hat, ohne dessen Zustimmung – durch rechtswidrige Verfügung des Schuldners bzw. des Insolvenzverwalters oder durch tatsächliche Entwicklungen – ein Surrogat, so muss es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich gestattet sein, die insolvenzrechtliche Privilegierung auf dieses Surrogat zu erstrecken.100 Art. 3 Abs. 1 GG ist hierdurch nicht verletzt, da den Insolvenzgläubigern nur die gleichmäßige Befriedigung aus dem ihnen haftenden Schuldnervermögen verfassungsrechtlich verbürgt ist, nicht aber der Zugriff auf Vermögenswerte, die aus massefremden Ge-
96
BVerfG NJW 1994, 36, 38; 1994, 2749, 2750; 1996, 2021; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 Rn. 101 ff. 97 Vgl. hierzu auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Rn. 3: „Im Rahmen der [...] Gemeinverträglichkeit gehört zur Freiheit die Beliebigkeit.“ 98 Eine Ausnahme mag in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen der Schuldner vor Insolvenzeröffnung Vermögensbestandteile mit Schädigungsabsicht vor seinen Gläubigern in Sicherheit zu bringen versucht. Diese Spezialfälle sollen in der vorliegenden Arbeit jedoch keine weitere Berücksichtigung finden. 99 Ähnlich Gassert-Schumacher, Privilegien in der Insolvenz, S. 329 f., freilich mit – aus der Perspektive der hier vertretenen Ansicht überflüssiger – Flankierung durch wirtschaftspolitische Rechtfertigungserwägungen. Noch dezidierter Smid, WM 2002, 1033 f., demzufolge der Gesetzgeber sogar verfassungsrechtlich verpflichtet ist, diese Rechtspositionen im Insolvenzverfahren zu privilegieren. 100 Insbesondere als Grundlage der Ersatzaus- und -absonderung ist der Surrogationsgedanke weithin anerkannt, vgl. z.B. Uhlenbruck/Brinkmann, § 48 Rn. 1; Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, § 48 Rn. 3 f.; Braun/Bäuerle, § 48 Rn. 1; K. Schmidt/Thole, § 48 Rn. 1; Gerhardt, KTS 1990, 1 ff.; trotz seiner eher kritischen Betrachtung des Surrogationsgedankens anerkennt auch Ganter, NZI 2013, 583 ff., dass es sich bei diesem um eine „Billigkeitserwägung“ handele, welche die durch den Gesetzgeber geschaffenen Privilegierungen trägt; a.A. jedoch Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 274 ff., der folgerichtig für die Abschaffung des § 48 InsO eintritt.
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen
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genständen resultieren.101 Es ist freilich strikt darauf zu achten, dass der Surrogationsgedanke nicht zur juristischen „Wunderwaffe“102 verkommt, mit deren Hilfe sich insolvenzrechtliche Privilegierungen nach Belieben rechtfertigen lassen und letztlich die par conditio creditorum ausgehöhlt wird. Unter dem Gesichtspunkt der Surrogation ist eine insolvenzrechtliche Vorzugsstellung nur dort zu rechtfertigen, wo ein Surrogat des ursprünglichen Privilegierungsobjekts gegenständlich unterscheidbar und damit eindeutig identifizierbar in der Insolvenzmasse auffindbar ist. Weiter sei hier klargestellt, dass sich aus dem Surrogationsgedanken nicht zwingend eine insolvenzrechtliche Privilegierung ergibt. Ein allgemeingültiges Surrogationsprinzip ist dem deutschen Recht fremd.103 Das Verfassungsrecht erlaubt es dem Gesetzgeber lediglich, gestützt auf die haftungsrechtliche Surrogation insolvenzrechtliche Vorzugsrechte zu schaffen, es zwingt ihn aber nicht dazu. Vielmehr eröffnen sich in diesem Bereich verfassungsrechtliche Spielräume, innerhalb derer die Entscheidung über die Reichweite der insolvenzrechtlichen Privilegierungen dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber obliegt.104 c) Eingeschränkte Zulässigkeit der Privilegierung von Dritten aufgrund sozialpolitischer Erwägungen Gänzlich anders stellt sich die verfassungsrechtliche Bewertung solcher Privilegierungen dar, deren Zweck darin liegt, einem Dritten die Versicherungsleistung allein aufgrund seiner besonderen Schutzbedürftigkeit vorrangig zukommen zu lassen. Solche sozialpolitisch motivierten Privilegierungen können nur unter sehr engen Einschränkungen vor dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum gerechtfertigt werden.105 Gerade mit Blick auf das verfassungsrechtliche Sozialstaatsprinzip erscheint es prima facie zwar naheliegend anzunehmen, dass die besondere Schutzbedürftigkeit des Dritten auch hier zwischen diesem und den übrigen Gläubigern einen Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht begründet, dass die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen sei. Indes ist das Insolvenzrecht als ein auf Haftungsverwirklichung ausgerichtetes Gesamtvollstreckungsverfahren zur Erfüllung sozialpolitischer Aufgaben nur sehr einge101
Ähnlich, jedoch ohne Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Ebene, auch Jaeger/Henckel, § 48 Rn. 5 (von der Ersatzaussonderung erfasste Gegenstände sind haftungsrechtlich nicht dem Schuldnervermögen zugeordnet). 102 Mit diesem Begriff kennzeichnet Ganter, NZI 2013, 583 den Surrogationsgedanken mit Blick auf die Beliebtheit, den dieser in der zivilrechtlichen Literatur genießt. 103 Vgl. RGZ 105, 84, 87; BGH NJW 2008, 1732, 1734; Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1212 Rn. 4; Ganter, NZI 2013, 583 m.w.N. 104 Deshalb zu Recht gegen eine Ausweitung der insolvenzrechtlichen Privilegierungen über die gesetzlichen Tatbestände hinaus Ganter, NZI 2013, 583 ff. 105 Wohl noch schärfer Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 210 ff.; a.A. Gassert-Schumacher, Privilegien in der Insolvenz, S. 339 f.
B. Verfassungsrechtlicher Gehalt der par conditio creditorum
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schränkt geeignet.106 Dies folgt aus dem Umstand, dass jede insolvenzrechtliche Privilegierung einer schutzbedürftigen Partei wirtschaftlich den übrigen Gläubigern des Schuldners zur Last fällt, der soziale Schutz des Dritten also durch diese finanziert wird. Jede Privilegierung schutzbedürftiger Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers führt mithin zu einer sozialpolitisch motivierten Sonderbelastung der Insolvenzgläubiger. Die soziale Sicherung ist aber vorrangig staatliche Aufgabe, die primär durch staatliche Direktleistungen und damit letzten Endes durch die Gesamtheit der Steuerzahler zu gewährleisten ist.107 Die in sozialpolitischen Privilegierungen enthaltene Sonderbelastung der Insolvenzgläubiger lässt sich vor Art. 3 Abs. 1 GG nur dann rechtfertigen, wenn aus sachlichen Gründen gerade die Inanspruchnahme der Insolvenzgläubiger für diesen Schutz angezeigt ist.108 Ob dies der Fall ist, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Hierbei ist allerdings stets zu beachten, dass die Insolvenzgläubiger nicht immer dem „Idealtyp“ des Kreditgläubigers entsprechen, der bewusst und aus wirtschaftlichem Kalkül das Insolvenzrisiko des Schuldners in Kauf genommen hat. Auch deliktisch Geschädigte sind nach den Regelungen des deutschen Insolvenzrechts einfache Insolvenzgläubiger. Will man also insolvenzrechtliche Privilegien auf die besondere Schutzbedürftigkeit der betreffenden Personen stützen, ist hierbei immer zu berücksichtigen, dass diese Privilegien im Ergebnis nicht minder schutzbedürftigen Personen zur Last fallen können. Im Grundsatz ist deshalb festzustellen, dass sozialpolitische Zielsetzungen nicht durch insolvenzrechtliche Privilegierungen, sondern durch staatliche Direktleistungen und andere Sicherungssysteme zu verfolgen sind.109 Eine 106
Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.19 f.; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, S. 57; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 210 ff.; Uhlenbruck, ZInsO 2005, 505, 510; Adam, DZWiR 2009, 441, 443; vgl. hierzu auch BGH NZI 2004, 78, 80 (insolvenzrechtliche Privilegierung einzelner Personengruppen nach ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit sei der InsO fremd). 107 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 3 Rn. 6. 108 Vgl. zum Aspekt der verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG auch schon Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.20 a.E. 109 Freilich verschließt sich das Insolvenzrecht sozialpolitischen Erwägungen nicht gänzlich. Auch das Insolvenzverfahren respektiert das durch die verfassungsrechtliche Menschenwürdegarantie abgesicherte Existenzminimum und lässt das pfändungsfreie Vermögen des Schuldners unangetastet, § 36 InsO (vgl. hierzu Peters, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 36 Rn. 1). Hierbei geht es indes nicht um die Verteilung des haftenden Vermögens auf die Gläubiger, sondern um eine Begrenzung der zur Verteilung bereitstehenden Haftungsmasse, sodass das Prinzip der par conditio creditorum insoweit nicht tangiert ist. Eine sozialpolitische Privilegierung im Rahmen der Verteilung des Schuldnervermögens findet sich dagegen in § 123 InsO hinsichtlich der Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer. Diese gesetzliche Regelung lässt sich aber nach den dargelegten Grundsätzen durchaus verfassungsrechtlich rechtfertigen (zur Verfassungswidrigkeit einer rein richterrechtlich begründeten Privilegierung von Sozialplanansprüchen hingegen
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§ 2 Verfassungsrechtliche Grundwertungen
Privilegierung Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers aufgrund ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit ist grundsätzlich kritisch zu sehen und muss im Einzelfall genau daraufhin überprüft werden, ob sich hierfür eine ausreichende Rechtfertigung finden lässt, die die Inanspruchnahme gerade der Insolvenzgläubiger trägt. 3. Das verfassungsrechtliche Verbot, die Realisierung insolvenzrechtlicher Privilegien mit Mitteln der freien Insolvenzmasse zu finanzieren Die Vorgaben, die sich dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz in Bezug auf insolvenzrechtliche Privilegien entnehmen lassen, beschränken sich indes nicht auf die Eingrenzung der mit solchen Privilegien legitimer Weise verfolgten Zwecksetzungen. Zumindest im hier interessierenden Bereich der auf bestimmte Gegenstände beschränkten insolvenzrechtlichen Privilegierungen muss der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum auch hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung, insbesondere der Regelung ihrer verfahrensförmigen Realisierung, hinreichend Beachtung finden. Die Realisierung einer rechtlichen Vorzugsstellung an einem bestimmten Gegenstand ist stets mit einem gewissen zeitlichen und in den meisten Fällen auch mit einem mehr oder minder hohen finanziellen Aufwand verbunden. Dies gilt in besonderem Maße für Forderungen, die eingezogen (oder verkauft) werden müssen, um ihren wirtschaftlichen Wert zu entfalten. Die hierfür erforderlichen Aufwendungen können insbesondere dann ein erhebliches Ausmaß erreichen, wenn der Schuldner die Berechtigung der Forderung bestreitet und damit Klage und unter Umständen gar Zwangsvollstreckung notwendig werden. Eine Betrachtung im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG erhellt, dass die hiermit einhergehenden Belastungen im Ergebnis nicht der freien Insolvenzmasse zur Last fallen dürfen. Die Vorzugsstellung des Privilegierten ist gegenständlich beschränkt auf ihr jeweiliges Objekt, nur insoweit ist seine Besserstellung gegenüber den einfachen Insolvenzgläubigern durch die jeweilige Legitimationsgrundlage verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die hierdurch beschriebenen, verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Privilegierung wären überschritten, würde man es dem Privilegierten ermöglichen, die mit der Realisierung seiner Vorzugsstellung verbundenen Belastungen auf die freie Insolvenzmasse abzuwälzen. In diesem Fall würde die BVerfG NJW 1985, 475 f.). Zunächst einmal ist die Privilegierung gem. § 123 Abs. 2 InsO der Höhe nach beschränkt, wodurch eine übermäßige finanzielle Belastung der übrigen Gläubiger vermieden wird. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitnehmer durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft maßgeblich am Aufbau des zu verteilenden Schuldnervermögens beteiligt waren, ohne selbst unmittelbar an den Unternehmensgewinnen zu partizipieren. Es erscheint vor diesem Hintergrund durchaus sachgerecht, wenn die Gläubiger, die im Rahmen der Vermögensverteilung mittelbar von der Arbeitskraft der Arbeitnehmer profitieren, zumindest teilweise zu deren sozialer Absicherung beitragen.
C. Zusammenfassung
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Verwirklichung der Vorzugsstellung durch die Insolvenzgläubiger finanziert; diese erlitten damit eine doppelte Benachteiligung gegenüber dem Privilegierten: einerseits durch dessen haftungsrechtliche Vorzugsstellung in Bezug auf den jeweiligen Gegenstand und andererseits durch die Belastung mit dem Aufwand der Realisierung dieser Vorzugsstellung. Anders gewendet würde die gegenständlich beschränkte Vorzugsstellung des Privilegierten unter Sprengung ihrer verfassungsrechtlich gesetzten Grenzen über den jeweiligen Gegenstand hinaus auf die gesamte Insolvenzmasse erweitert. Dies gilt gleichermaßen für finanzielle Belastungen wie für rein zeitlichen Aufwand, da auch Letzterer, wenn er vom Insolvenzverwalter zu tragen ist, vermittels der Regelungen der InsVV 110 monetarisiert der Insolvenzmasse zur Last fällt. Der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum fordert mithin, dass die unbelastete Insolvenzmasse vom mit der Realisierung der Privilegierung verbundenen Aufwand verschont bleibt.
C. Zusammenfassung C. Zusammenfassung
1. Es bleibt festzuhalten, dass der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum seine Grundlage ausschließlich im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG findet. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben für eine gleichmäßige Verteilung des schuldnerischen Vermögens greifen erst ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ein, da der Staat in diesem Moment die Verteilung des schuldnerischen Vermögens an sich zieht und sich damit die Bindungswirkung des Art. 3 Abs. 1 GG aktualisiert. 3. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedarf jede Privilegierung eines Gläubigers vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung durch Gründe von solcher Art und solchem Gewicht, dass die Ungleichbehandlung angemessen erscheint. Die Privilegierung aufgrund vor Insolvenzeröffnung erlangter gesicherter Rechtspositionen an Versicherungsforderungen ist hierbei weitestgehend unproblematisch. Eine Privilegierung aufgrund sozialer Schutzbedürftigkeit des Dritten ist dagegen nur unter der sehr restriktiv zu handhabenden Voraussetzung zulässig, dass sachliche Gründe für die Inanspruchnahme gerade der Insolvenzgläubiger für diesen sozialen Schutz angeführt werden können.
110
Vgl. hierzu § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 lit. a InsVV.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen: Wesensmerkmale von Aussonderung und Absonderung Nachdem im vorangegangenen Kapitel die verfassungsrechtlichen Grenzen einer möglichen Privilegierung von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers abgesteckt wurden, sollen im Folgenden die Grundwertungen des Insolvenzrechts mit Blick auf die Privilegierungen einzelner Verfahrensbeteiligter untersucht werden. Das geltende Insolvenzrecht kennt für solche Privilegierungen im Wesentlichen die folgenden Instrumentarien: die Stellung als Massegläubiger, Aussonderungs- und Absonderungsrechte, die Gewährung von Aufrechnungsmöglichkeiten, sowie die Bildung von Sondermassen für bestimmte Gläubiger.1 Da die Privilegierung des jeweils geschützten Dritten bei den hier zu untersuchenden Versicherungsformen ausschließlich im Wege der Aus- und Absonderung erfolgt, kann sich die Analyse der insolvenzrechtlichen Parameter auf diese beiden Rechtsinstitute beschränken. Eine solche Analyse kann sich heute, anders als nach altem Recht, auf eine recht umfassende gesetzliche Grundlage stützen, da die Absonderungsrechte in den §§ 49 ff., 165 ff. InsO eine sehr viel schärfere Konturierung erfahren haben, als dies noch unter der KO der Fall war. Entscheidende Bedeutung kommt hierbei den Regelungen zur Verwertung von beweglichen Absonderungsgütern in den §§ 166 ff. InsO zu, die zu Recht als eines der Kernstücke der Insolvenzrechtsreform 2 identifiziert wurden. Zentral sind hierbei zwei Neuerungen gegenüber der KO: zum einen die zwingende Übertragung der Verwertungsbefugnis an bestimmten Absonderungsgütern auf den Insolvenzverwalter in § 166 InsO und zum anderen die im Falle der Verwertung durch den Insolvenzverwalter vorweg erfolgende Entnahme von Feststellungs- und Verwertungskosten aus dem Verwertungserlös zugunsten der Masse gem. §§ 170, 171 InsO. Diese Regelungen erlauben Rückschlüsse auf wesentliche Strukturmerkmale von Aus- und Absonderung im Hinblick auf die Abgrenzung der beiden Rechtsinstitute, ihre dogmatische Struktur und die Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung des betreffenden Gegenstandes.
1 2
Aufzählung nach Stürner, in: Münchener Kommentar zur InsO, Einl. Rn. 62. Leipold/Gottwald, Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, S. 197, 199.
A. Abgrenzung von Aus- und Absonderung
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A. Die Abgrenzung von Aus- und Absonderung im Kontext des Schutzes von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers A. Abgrenzung von Aus- und Absonderung
Zunächst soll die Frage nach dem richtigen insolvenzrechtlichen Instrument zur Realisierung des Drittschutzes näher beleuchtet werden. Wie soeben bereits kurz angesprochen wurde, wird der insolvenzrechtliche Drittschutz in der Insolvenz des Versicherungsnehmers entweder im Wege der Aussonderung oder im Wege der Absonderung gewährt. Auffällig hieran ist, dass der Schutz nicht für alle Versicherungsformen einheitlich durch dasselbe Rechtsinstrument verwirklicht wird, sondern die rechtliche Ausgestaltung von Versicherungsform zu Versicherungsform variiert. Dieser disparate Befund wirft die Frage auf, inwieweit die Anwendung unterschiedlicher insolvenzrechtlicher Institute auf die sich in ihrem Kern des Drittschutzes ähnelnden Fallgestaltungen mit den Vorgaben des Insolvenzrechts harmoniert. Um diese Frage beantworten zu können wird hier zunächst allgemein die der InsO zugrundeliegende Unterscheidung von Aus- und Absonderung zu analysieren sein. Hierbei wird sich zeigen, dass das von der h.M. bislang in den Vordergrund gestellte Abgrenzungskriterium der haftungsrechtlichen Zuordnung des betroffenen Gegenstandes im Hinblick auf Versicherungsforderungen nur von eingeschränkter Tauglichkeit ist. Eine klare Abgrenzung lässt sich in diesem Kontext vielmehr nur dann vollziehen, wenn zusätzlich auf das Kriterium einer potentiellen Erlösbeteiligung der Masse rekurriert wird. I. Die eingeschränkte Tauglichkeit des Abgrenzungskriteriums der haftungsrechtlichen Zuordnung Die Literatur stützt die Abgrenzung von Aus- und Absonderung heute ganz überwiegend auf die haftungsrechtliche Zuordnung des betroffenen Gegenstandes. Aussonderung bedeutet demnach „die haftungsrechtliche Trennung von der Insolvenzmasse, Absonderung hingegen die Zuerkennung eines Vorzugsrechts trotz haftungsrechtlicher Zuordnung zur Masse“.3 Diese Abgren3
Formel nach Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 12; ähnliche, teilweise in einzelnen Punkten abweichende Formeln finden sich bei Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 1; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 30; FK-InsO/Imberger, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 1. Eine andere Abgrenzung nimmt hingegen Häsemeyer vor. Entsprechend seiner dogmatischen Grundkonzeption der par conditio creditorum, nach der die Gläubiger einander für ihre Einflussnahme auf das Schuldnervermögen haften, soll die Aussonderung nur dann Anwendung finden, wenn der betroffene Gegenstand mit seinem Substanzwert keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des schuldnerischen Vermögens genommen hat, Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.03 ff., ihm folgend Smid/Leonhard, in: Leonhard/Smid/Zeuner, § 47 Rn. 2 und 20 ff. Allerdings soll dieser Ansatz hier außer Betracht bleiben, da die dogmatische Konzeption Häsemeyers – wie dieser selbst konzediert – vom
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§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
zungsformel ist indes auf Fälle gemünzt, in denen die haftungsrechtliche Zuordnung des jeweiligen Gegenstandes bereits feststeht. Im Fokus stehen hierbei zumeist die Fälle der echten Treuhand4 (fiduziarische Treuhand). Diese können durch die genannte Formel ohne Weiteres der Aussonderung zugeordnet werden,5 da die historische Entwicklungsgeschichte der Treuhand maßgeblich von dem Ziel bestimmt wurde, das Treugut haftungsrechtlich dem Treugeber zuzuweisen und dem Zugriff der Gläubiger des Treuhänders zu entziehen.6 Die Formel stößt indes in dem Moment an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, in dem die haftungsrechtliche Zuordnung des jeweiligen Gegenstandes nicht eindeutig erkennbar ist. Dies ist nun aber im Bereich des Drittschutzes in der Insolvenz des Versicherungsnehmers teilweise der Fall, wie das Beispiel der Haftpflichtversicherung zeigt. Grundsätzlich steht die Versicherungsforderung hier allein dem Versicherungsnehmer zu, während der geschädigte Haftpflichtgläubiger selbst – zumindest außerhalb der Pflichthaftpflichtversicherung – keine unmittelbaren Rechte an dieser geltend machen kann.7 Prima facie scheint die Versicherungsforderung damit auch haftungsrechtlich eindeutig dem Versicherungsnehmer zugeordnet zu sein. Hiervon geht ersichtlich auch § 110 VVG aus, wonach dem Geschädigten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers lediglich ein Absonderungsrecht zusteht. Andererseits soll die Versicherungsforderung aber nach dem bereits angesprochenen Prinzip der „Sozialbindung“ der Haftpflichtversicherung ausschließlich der Befriedigung des Geschädigten dienen.8 Aus diesem Grund verhindert insbesondere § 108 VVG den vollwirksamen Zugriff anderer
geltenden Insolvenzrecht nicht konsistent umgesetzt wird, vgl. z.B. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.36 („Chance einer konsequenten haftungsrechtlichen Regelung [...] leider vertan“) und speziell Rn. 11.10 zur Abgrenzung von Aus- und Absonderung, wonach die gesetzliche Regelung des Vorbehaltseigentums als Aussonderungsfall nicht mit der vorgeschlagenen haftungsrechtlichen Konzeption übereinstimmt. 4 Zur begrifflichen Unterscheidung von echter und unechter Treuhand noch ausführlich unten sub § 6 C. II. 3. a) dd) (2) (a). 5 Die Einordnung als Fall der Aussonderung entspricht nahezu einhelliger Ansicht, vgl. z.B. BGH NJW 1969, 942; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 5, 58, 68; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 369 f., 375; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 39; Kayser/Thole/Lohmann, § 47 Rn. 21 f. 6 Zur historischen Entwicklung der Treuhand als Instrument zur haftungsrechtlichen Zuweisung des Treuguts an den Treugeber vertiefend Löhnig, Treuhand, S. 46 ff. Der sachliche Grund und die Rechtfertigung dieser haftungsrechtlichen Zuordnung ist freilich bis heute unklar und umstritten, vgl. hierzu Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, passim. 7 Hierzu vertiefend unten sub § 8 A. II. 3. a). 8 Vgl. hierzu Motive zum VVG, S. 639 (zu Nr. 8); Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 1; sowie noch ausführlich unten sub § 8 A. I. 2.
A. Abgrenzung von Aus- und Absonderung
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Gläubiger auf die Versicherungsforderung.9 Dies spricht wiederum dafür, dass die Versicherungsforderung eben nicht der diesen Gläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse des Versicherungsnehmers zuzurechnen ist, sondern haftungsrechtlich in das Vermögen des Geschädigten fällt. Die haftungsrechtliche Zuordnung der Haftpflichtversicherungsforderung ist also ambivalent. Jeder Versuch, die Einordnung des Drittschutzes in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers auf Grundlage der haftungsrechtlichen Zuordnung der Versicherungsforderung vorzunehmen muss deshalb zwangsweise zu einer petitio principii führen. Um Aus- und Absonderung in diesem Kontext einer klaren Abgrenzung zuführen zu können, ist es mithin unumgänglich, ein weiteres Unterscheidungskriterium herauszuarbeiten. II. Die potentielle Beteiligung der Insolvenzmasse am Verwertungserlös als zusätzliches Abgrenzungskriterium Wo die Abgrenzung von Aus- und Absonderung nach dem Maßstab der haftungsrechtlichen Zuordnung versagt, kann auf das Abgrenzungskriterium der potentiellen Erlösbeteiligung der Insolvenzmasse rekurriert werden. Nach diesem Kriterium erfolgt die Abgrenzung zwischen Aus- und Absonderung wie folgt: Soweit Fälle denkbar sind, in denen durch einen ausreichend hohen finanziellen Verwertungserlös des betroffenen Gegenstandes nicht nur der geschützte Dritte vollständig befriedigt wird, sondern darüber hinaus ein der Insolvenzmasse zustehender Überschuss verbleibt, ist die Absonderung das adäquate Instrument zur insolvenzrechtlichen Verwirklichung des Drittschutzes. Wo aber eine finanzielle Beteiligung der Insolvenzmasse unabhängig von der im konkreten Einzelfall zu erzielenden Höhe des Verwertungserlöses bereits strukturell vollständig ausgeschlossen ist, kann allein die Aussonderung als anzuwendendes insolvenzrechtliches Instrument in Betracht kommen. Diese Unterscheidung lässt sich nicht nur aus dem eingangs beschriebenen Kriterium der haftungsrechtlichen Zuweisung ableiten, sondern liegt auch den Regelungen der InsO zugrunde. 1. Das Kriterium der potentiellen Erlösbeteiligung als Aspekt der haftungsrechtlichen Zuordnung Das Kriterium der potentiellen Erlösbeteiligung ist bereits in der Abgrenzung nach der haftungsrechtlichen Zuordnung des jeweiligen Gegenstandes ange9 Der Zugriff anderer Gläubiger auf die Versicherungsforderung ist schon durch deren rechtliche Ausgestaltung als Befreiungsanspruch (§ 100 VVG) gem. § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB ausgeschlossen, vgl. hierzu Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 3, 5 m.w.N. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung des § 108 VVG verstärkt diesen Schutz lediglich und schließt einige Schutzlücken, vgl. hierzu vertiefend Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 48.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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legt. Der Begriff der Haftung beschreibt in diesem Kontext10 „das Unterworfensein [des schuldnerischen] Vermögens unter den Zugriff der Gläubiger in der Zwangsvollstreckung“.11 Die haftungsrechtliche Zuordnung eines Gegenstandes bestimmt sich dementsprechend danach, wessen Gläubiger zur Befriedigung ihrer Ansprüche auf diesen Gegenstand zugreifen können. Wenn nun aber die Insolvenzmasse und damit die Gesamtheit der Gläubiger des Insolvenzschuldners aus strukturellen Gründen niemals an dem Erlös eines bestimmten Gegenstandes beteiligt sein können, steht dieser Gegenstand auch nicht zu deren Befriedigung zur Verfügung. Er ist damit haftungsrechtlich auch nicht dem Vermögen des Schuldners zugeordnet. Die zumindest potentielle Erlösbeteiligung der Insolvenzmasse ist also gerade ein essentieller Aspekt der haftungsrechtlichen Zuordnung eines Gegenstandes zur Insolvenzmasse.12 2. Die potentielle Erlösbeteiligung als das den Regelungen der InsO zugrundeliegende Abgrenzungskriterium Die potentielle Erlösbeteiligung der Masse ist aber nicht nur ein Aspekt der haftungsrechtlichen Zuordnung, sondern liegt darüber hinaus ersichtlich auch den Regelungen der InsO zur Absonderung zugrunde. Am deutlichsten kommt die Erwartung einer zumindest potentiellen Erlösbeteiligung der Masse in der von § 166 InsO begründeten, zwingenden Übertragung der Verwertungsbefugnis an bestimmten beweglichen Absonderungsgütern auf den Insolvenzverwalter zum Ausdruck. Ziel dieser durch die Insolvenzrechtsreform geschaffenen Neuregelung ist es, den Verwertungserlös der Absonderungsgüter zu steigern, namentlich durch die Möglichkeit, mehrere Massegegenstände als Gesamtheit zu veräußern.13 Diese Steigerung des Erlöses kann aber nicht primär im Interesse des Absonderungsberechtigten intendiert sein, hat dieser doch als Inhaber eines isolierten Sicherungsrechts an einem einzelnen Massegegenstand keinen Anspruch darauf, durch eine Gesamtveräußerung mehrerer Massegegenstände eine Besserstellung zu erlangen. Die Steigerung des Verwertungserlöses wird vielmehr im Interesse der Insolvenzmasse und damit der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger be10
Der Begriff der Haftung ist mehrdeutig. So beschreibt er in anderen Zusammenhängen teilweise die Pflicht zur Übernahme eines dem Rechtsgutträger zurechenbar verursachten Schadens, teilweise die Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten, vgl. zu dieser begrifflichen Mehrdeutigkeit z.B. Larenz, Schuldrecht I, § 2 IV, S. 22 und Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 3. 11 Larenz, Schuldrecht I, § 2 IV, S. 22. 12 So wohl auch Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 12; Jaeger/Henckel, Vor §§ 49–52 Rn. 9 und Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 236 f., freilich ohne die potentielle Erlösbeteiligung als Kriterium zur Abgrenzung von Aus- und Absonderung heranzuziehen. 13 Tetzlaff in Münchener Kommentar zur InsO, vor §§ 166 Rn. 21.
A. Abgrenzung von Aus- und Absonderung
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zweckt. Der Regelung liegt dementsprechend die Erwartung zugrunde, dass eine Steigerung des Verwertungserlöses letzten Endes der Insolvenzmasse zugutekommen kann. Umgekehrt erscheint es auch nur dann interessengerecht, den Insolvenzverwalter mit der Verwertung von Absonderungsgütern zu belasten, wenn hierdurch zumindest potentiell ein Gewinn für die Masse generiert werden kann. Auch in der Regelung des § 173 Abs. 2 InsO spiegelt sich die Erwartung einer potentiellen Erlösbeteiligung der Masse. Die Norm ermöglicht es dem Insolvenzverwalter auch dort auf eine Beschleunigung der Verwertung von Absonderungsgut hinzuwirken, wo das Verwertungsrecht dem Absonderungsberechtigten zusteht. Zweck dieser Regelung ist es, einer Verzögerung der Verwertung entgegenzuwirken, um zu verhindern, dass der der Insolvenzmasse zugutekommende Übererlös durch wachsende Zinsforderungen des Absonderungsberechtigten geschmälert wird.14 Die Regelungen der InsO zur Absonderung sind damit erkennbar auf eine zumindest potentielle Erlösbeteiligung der Masse zugeschnitten. Hierin unterscheiden sich diese Regelungen grundsätzlich von denjenigen der Aussonderung, die entsprechende Vorschriften nicht kennen. Auch nach der Regelungssystematik der InsO liegt damit das Charakteristikum der Absonderung gerade in dieser potentiellen Beteiligung der Masse am Verwertungserlös. III. Ergebnis Die Abgrenzung von Aus- und Absonderung im Kontext des Drittschutzes in der Insolvenz des Versicherungsnehmers hat mithin danach zu erfolgen, ob die Insolvenzmasse an der Versicherungsleistung potentiell beteiligt sein könnte. Ist dies der Fall, so ist dem Dritten ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung einzuräumen. Wo eine derartige Beteiligung hingegen nicht nur aufgrund der konkreten Umstände – namentlich einer zu geringen Versicherungsleistung – sondern bereits strukturell ausgeschlossen ist, sollte nach der Systematik der InsO allein die Aussonderung vorgesehen werden.
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Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 173 Rn. 15, Nerlich/Römermann/Becker, § 173 Rn. 15; vgl. auch Braun/Dithmar, § 173 Rn. 2: Normzweck sei die Verhinderung einer „Verzögerung zum Schaden der Masse“.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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B. Die dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten: Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
Nachdem Aus- und Absonderung damit jeweils nach außen voneinander abgegrenzt wurden, kann sich der Blick nun auf die innere Struktur dieser beiden Rechtsinstitute richten. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei die Frage, ob sich der Schutz des Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers auf die insolvenzrechtliche Ebene beschränken kann oder ob dem Dritten zwangsläufig eine korrespondierende materielle Rechtsposition an der Versicherungsforderung eingeräumt werden muss. Um dies beantworten zu können, ist eine eingehende Analyse der inneren dogmatischen Struktur von Aus- und Absonderung notwendig, die feststellt, ob Aus- und Absonderungsrechte ohne eine korrespondierende materielle Rechtsposition überhaupt existieren können. I. Anlass und dogmatische Implikationen der Fragestellung 1. Anlass der Fragestellung: Möglichkeit des Bestehens isolierter Absonderungsrechte? Anlass für eine eingehendere dogmatische Betrachtung des Verhältnisses von Aus- und Absonderung zum materiellen Recht bietet vor allem die Absonderung. Während hinsichtlich der Aussonderung in der Insolvenzrechtswissenschaft weitestgehend Konsens darüber zu bestehen scheint, dass diese ein anderweitig begründetes, materielles subjektives Zivilrecht als Grundlage erfordert,15 zeichnet sich hinsichtlich der Absonderung in der Literatur ein sehr viel diffuseres Bild ab. Soweit ersichtlich sprechen sich lediglich Brinkmann und Thole explizit für das Erfordernis einer gesonderten materiellrechtlichen Grundlage des Absonderungsrechts aus.16 Zwar scheinen auch andere Autoren häufig implizit von dieser Konzeption auszugehen, wenn beispiels-
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Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, § 47 Rn. 6; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 36; FK-InsO/Imberger, § 47 Rn. 4; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 5, 11; K. Schmidt/Thole, § 47 Rn. 1; Smid/Leonhard, in: Leonhard/Smid/Zeuner, § 47 Rn. 1; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 1 f.; HambKomm/Büchler, § 47 Rn. 2. Hiervon zu unterscheiden ist die umstrittene Frage, ob die Aussonderung bzw. Aussonderungsfähigkeit eines Gegenstandes dogmatisch zu trennen ist von dem Aussonderungsrecht, vgl, hierzu z.B. befürwortend Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 5, 11 und ablehnend Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 13. 16 Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 5; K. Schmidt/Thole, § 49 Rn. 1; in dieselbe Richtung Thole, NZI 2013, 665, 666; explizit gegen das Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 205 f.
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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weise das Pfandrecht als „Prototyp“17 oder als „Grundfall“18 des zur Absonderung berechtigenden Rechts bezeichnet wird. Zweifel an dieser Betrachtung schüren indes bestimmte Spezialregelungen, die einigen Gläubigern ein Absonderungsrecht einräumen, ohne dass eine hiermit korrespondierende materiellrechtliche Rechtsposition des Gläubigers am jeweiligen Absonderungsgut ersichtlich wäre. Solche Rechtspositionen sollen hier als „scheinbar isolierte Absonderungsrechte“ bezeichnet werden. Der Zusatz „scheinbar“ ist notwendig, da die folgenden Ausführungen zeigen werden, dass auch diese Absonderungsrechte zwingend ein (ungeschriebenes) materielles Recht des Berechtigten als Grundlage voraussetzen. Von diesen scheinbar isolierten Absonderungsrechten ist für die vorliegende Arbeit die Regelung des § 110 VVG von besonderer Relevanz. Diese Norm räumt dem Haftpflichtgläubiger in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung ein, obwohl jener grundsätzlich keine unmittelbare materielle Berechtigung an der Versicherungsforderung geltend machen kann. Dieses „Absonderungsrecht an sich“19 wurde bei seiner Einführung in § 157 des ursprünglichen VVG von 1908 von der Literatur als „gesetzgeberisches Unikum“20 und „absolutes Novum“21 eingeordnet. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich ein solches Absonderungsrecht in die insolvenz- bzw. konkursrechtliche Systematik integrieren lässt, blieb jedoch aus. Weitere derartige Spezialregelungen, die solche scheinbar „isolierte“ Absonderungsrechte begründen, begegnen heute insbesondere im von § 49 InsO geregelten Bereich der unbeweglichen Gegenstände.22
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Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 1. Andres/Leithaus, § 50 Rn. 1. 19 Kirchberger LZ 1910, 578. 20 Schmidtmüller LZ 1913, 928, 932. 21 Kirchberger LZ 1910, 578. 22 Insoweit richten sich die Absonderungsrechte nach der Rangfolge des § 10 ZVG. Die hieraus abzuleitenden Absonderungsrechte stützen sich aber nur teilweise auf dingliche Sicherungsrechte. Die Absonderungsrechte aus § 49 InsO i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1–3 ZVG ergeben sich dagegen zunächst allein aus der vollstreckungsrechtlichen Rangordnung ohne dass das Gesetz entsprechende materielle Sicherungsrechte normieren würde, vgl. Prütting, in: Kübler/Prütting/Bork, § 49 Rn. 21 f. Insbesondere für das auf § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG gestützte Absonderungsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich ihrer Hausgeldansprüche in der Insolvenz eines Wohnungseigentümers ist es aus diesem Grund umstritten, ob diesem ein ungeschriebenes dingliches Sicherungsrecht an der Wohnung zugrunde liegt, dafür die h.M., statt vieler Schneider, ZMR 2012, 749, 754 f. m.w.N.; wohl auch BGH, NJW 2011, 3098, 3100 f. („[...] dass auch die Hausgeldansprüche ähnlich einer privaten Last auf dem Grundstück ruhen [...]“); dagegen z.B. Kesseler, NJW 2009, 121, 122. 18
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2. Dogmatische Implikationen: materiellrechtlicher Gehalt von Aus- und Absonderungsrechten? Die Frage nach der Notwendigkeit einer materiellrechtlichen Grundlage für Aus- oder Absonderung führt zu tiefgreifenden Überlegungen hinsichtlich der dogmatischen Struktur von Aus- und Absonderung und zum Verhältnis von materiellem Recht und Verfahrensrecht im Bereich des Insolvenzverfahrens. Wie bereits zuvor im Rahmen der Abgrenzung von Aus- und Absonderung dargestellt wurde, bringen diese Rechtsinstitute im Insolvenzverfahren die haftungsrechtliche Zuordnung des betroffenen Gegenstandes zum Ausdruck.23 Diese haftungsrechtliche Zuordnung richtet sich nach dem materiellen Recht. Im Rahmen des „Prototyps“ der Absonderungsrechte, dem auf einem Pfandrecht basierenden Absonderungsrecht, ergibt sich die haftungsrechtliche Vorzugsstellung des Berechtigten beispielsweise aus dem materiellrechtlichen Pfandrecht, das dem Pfandrechtsgläubiger eine haftungsrechtliche Vorzugsstellung an dem Pfandobjekt zuweist. Mangels einer zugrundeliegenden materiellrechtlichen Rechtsposition ließe sich die Konzeption eines isolierten Aus- oder Absonderungsrechtes dementsprechend nur dann aufrechterhalten, wenn man dem Aus- oder Absonderungsrecht selbst eine materiellrechtliche Komponente im Sinne eines haftungsrechtlichen Zuweisungsgehaltes zuerkennen würde. Im Folgenden wird jedoch gezeigt werden, dass eine solche Auffassung mit der heutigen zivilrechtlichen Dogmatik, wie sie insbesondere seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewachsen ist, schlechthin unvereinbar ist. II. Das Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht Um die dogmatische Struktur der insolvenzrechtlichen Aus- und Absonderungsrechts korrekt zu erfassen, ist es zunächst notwendig, einige grundlegende Überlegungen zum Verhältnis von verfahrens- und materiellrechtlichen Regelungen im Bereich des Insolvenzrechts anzustellen. Im Hinblick auf das allgemeine Zivilprozessrecht besteht an Untersuchungen zu diesem Verhältnis kein Mangel.24 Im Bereich des Insolvenzrechts stellt sich die Problematik indes noch eine Spur komplexer dar, da hier verfahrens- und materiellrechtliche Regelungen in besonderer Weise miteinander verquickt sind. Bereits der Begriff des Insolvenzverfahrens und dessen Einordnung als Gesamtvollstre23
Vgl. oben sub A. I. Rechtshistorisch grundlegend für das heutige Zivilrecht Windscheid, Die Actio des römischen Civilrechts, vom Standpunkte des heutigen Rechts, vgl. hierzu sogleich sub 1.; an jüngeren Untersuchungen zu dieser Thematik seien hier exemplarisch genannt Henckel, Prozessrecht und materielles Recht; Simshäuser, Zur Entwicklung von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny; Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, vgl. weitergehend die umfangreiche Auflistung bei Stein/Jonas/Brehm, Einl. Vor § 1 Rn. 31. 24
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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ckungsverfahren deuten darauf hin, dass weite Teile des Insolvenzrechts Verfahrensrecht darstellen.25 Daneben enthält das Insolvenzrecht aber auch eine Reihe materiellrechtlicher Regelungen. Beispielhaft seien hier nur die Regelungen über die Verfügungsbefugnis und die (Un-)Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen in den §§ 80 ff. InsO genannt.26 Eine gesetzessystematische Trennung dieser beiden Materien – wie sie die KO mit ihrer Unterteilung in „Konkursrecht“ und „Konkursverfahren“ dem Anschein nach anstrebte – ist aufgrund ihrer engen Verflechtung nicht möglich.27 Schon hierdurch deutet sich an, dass der Problemkreis des Verhältnisses von materiellem und prozessualem Insolvenzrecht so umfangreich ist, dass er eine eigene Arbeit rechtfertigen könnte. Im Rahmen dieser Untersuchung müssen sich die Ausführungen dagegen auf einige Grundzüge beschränken. 1. Rechtshistorische Grundlagen: Windscheids Trennung von materiellem Recht und Prozessrecht Das heutige Verständnis von dem Verhältnis zwischen materiellem Recht und Prozessrecht gründet sich maßgeblich auf den von Windscheid als Gegenentwurf zur von Savigny entwickelten Konzeption der actio geschaffenen Begriff des materiellrechtlichen Anspruchs. Während Savigny das (verletzte) subjektive Recht und das entsprechende Klagerecht noch als in der actio verkörperte Einheit ansah28, löste Windscheid diese Einheit auf und spaltete sie in den materiellrechtlichen Anspruch auf der einen und das prozessuale Klagerecht auf der anderen Seite.29 Diese Aufspaltung führt Windscheid zurück auf eine gegenüber der römischen Sichtweise veränderte Rechtskonzeption des modernen Zivilrechts. Während der römische Prätor „[...] über dem Rechte stand“ 30, sei nach der modernen Auffassung „[...] das Recht das Prius, die Klage das Spätere, das Recht das Erzeugende, die Klage das Erzeug25
Vgl. hierzu Uhlenbruck/Pape, § 1 Rn. 2. Vgl. hierzu K. Schmidt, Einl. Rn. 20. 27 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 3.01; vertiefend Häsemeyer, Insolvenzrecht, 1. Auflage, S. 57 f.; vgl. auch Uhlenbruck/Pape, § 1 Rn. 2; a.A. wohl Jaeger/Henckel, Einl. Rn. 69. 28 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. V, S. 5 f.; ausführlich zur Entwicklungsgeschichte dieser Konzeption und ihren Wurzeln im römischen Recht Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, S. 34 ff. und S. 524 ff. 29 Windscheid, Die Actio, S. 3 ff.; ders., Lehrbuch des Pandektenrechts, § 44. 30 Windscheid, Die Actio, S. 4; diese Beurteilung der Stellung des römischen Prätors stützt sich insbesondere darauf, dass dieser kraft seiner Stellung einerseits eine actio auch dann gewähren konnte, wenn dem Kläger eine solche nach dem Gesetz nicht zustand, andererseits aber auch eine nach dem Gesetz bestehende actio zurückweisen konnte, vgl. hierzu vertiefend Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, S. 47 ff. 26
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te“31 und das Gericht damit „[...] nichts als der Diener des Rechts“32. Materielles und prozessuales Recht sind demnach strikt voneinander zu trennen. Diese Trennung wurde in der Folge auch dem BGB als einem zum größten Teil rein materiellrechtlichen System von Rechten und Ansprüchen zugrunde gelegt und prägt dadurch die Zivilrechtswissenschaft bis in die Gegenwart.33 Gleichwohl sind die beiden Rechtsmaterien entsprechend der Konzeption Windscheids funktional aufeinander bezogen. Der vorrangige Zweck des Zivilprozesses besteht in der Durchsetzung materieller subjektiver Zivilrechte.34 Das Ziel des Vollstreckungsverfahrens ist nach nahezu einhelliger Ansicht die Verwirklichung materieller Ansprüche des Gläubigers im Wege staatlichen Zwangs.35 Auch das Insolvenzrecht als Gesamtvollstreckungsrecht ist folglich auf die Verwirklichung materiellrechtlicher Positionen ausgerichtet.36 Die im Insolvenzrecht neben den entsprechenden verfahrensrechtlichen Regelungen ebenfalls enthaltenen materiellrechtlichen Regelungen haben – freilich ohne dass hierdurch ihre erhebliche Bedeutung für ein funktionierendes Insolvenzrecht angezweifelt werden könnte – nur eine flankierende bzw. unterstützende Funktion dahingehend, dass sie die geordnete Gesamtvollstreckung ermöglichen sollen.37 So dienen die eingangs beispielhaft genannten Regelungen hinsichtlich der Verfügungsbefugnis an Massegegenständen in den §§ 80 ff. InsO in erster Linie dem Zweck, eine Aushöhlung der Insolvenzmasse durch rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners zu vermeiden, um hierdurch die Effektivität des Gesamtvollstreckungsverfahrens zu gewährleisten.38 2. Die Notwendigkeit der Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht Die soeben in ihren Grundzügen umschriebene dogmatische Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht ist nicht bloßes wissenschaftliches
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Windscheid, Die Actio, S. 3. Windscheid, Abwehr gegen Muther, S. 25. 33 Zöllner, AcP 190 (1990), 471 ff. 34 Dies entspricht der wohl h.L., vgl. hierzu Bruns, ZZP 124 (2011), 29, 31; vertiefend Stein/Jonas/Brehm, Einl. Vor § 1 Rn. 5 ff. 35 Statt vieler Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 1.1 f.; Stein/Jonas/Münzberg, Vor § 704 Rn. 1; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1; anders dagegen Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 12 ff. („Verfahren, das im Falle der (unberechtigten) Leistungsverweigerung die Brechung des Schuldnerwillens unter dem Vorbehalt staatlicher Gewaltanwendung gewährleistet“). 36 Vgl. Uhlenbruck/Pape, § 1 Rn. 3. 37 Vgl. Baumann, Konkurs und Vergleich, S. 13 (zur KO). 38 Statt aller Ott/Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 80 Rn. 1. 32
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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Glasperlenspiel.39 Zwar erscheint es prima facie in den Wirkungen oftmals gleich und damit dem Belieben des Gesetzgebers überlassen, ob er ein bestimmtes Regelungsziel auf verfahrensrechtlicher oder materiellrechtlicher Ebene verfolgt. Deutlich wird dies gerade in den im Fokus dieser Arbeit stehenden Fällen des Schutzes von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers: Ob der Gesetzgeber dem Dritten ein materielles Vorzugsrecht an der Versicherungsforderung einräumt oder den Dritten in der insolvenzrechtlichen Erlösverteilung nur verfahrensrechtlich privilegiert, erscheint für das praktische Ergebnis der Besserstellung des Dritten zunächst irrelevant. Indes hat die dogmatische Verortung einer Rechtsnorm erhebliche, häufig zunächst unbedachte Fernwirkungen. Zuvörderst ist hier zu nennen, dass eine verfahrensrechtliche Regelung nur innerhalb des jeweiligen Verfahrens ihre Wirkungen entfalten kann. Dies kann zu Diskrepanzen und Wertungswidersprüchen mit der Rechtslage außerhalb des Verfahrens führen. Darüber hinaus kann die Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht im Bereich des internationalen Verfahrensrechts erhebliche Bedeutung entfalten.40 Wie an späterer Stelle noch dargelegt wird, sind diese Erwägungen zentral für die richtige dogmatische Erfassung von Aus- und Absonderungsrechten.41 III. Die dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten: prozessuale Rechtspositionen zur Durchsetzung materieller subjektiver Zivilrechte Auf dem Boden der soeben gelegten Grundlagen soll nun die dogmatische Struktur von insolvenzrechtlichen Aus- und Absonderungsrechten erörtert werden. Entsprechend der eingangs präzisierten Fragestellung steht hierbei die Frage im Vordergrund, ob diesen Rechtsinstituten selbst ein haftungsrechtlicher Zuweisungsgehalt zukommt oder ob sie sich insoweit stets auf eine gesonderte materiellrechtliche Grundlage stützen müssen. Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass allein die letztere Deutung der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik und den gesetzlichen Vorgaben der InsO entspricht. So ergibt sich das Erfordernis einer gesonderten materiellrechtlichen Grundlage zunächst aus der dogmatischen Qualifikation von Aus- und Absonderungsrechten als prozessualen Rechtspositionen. Weiterhin liegt diese Konzeption erkennbar auch den gesetzlichen Regelungen der InsO zugrunde. Schließlich können allein durch die Trennung von Aus- bzw. Absonderung als prozessualer Rechtsposition und zugrundeliegendem materiel-
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Vgl. zur erheblichen praktischen Bedeutung der richtigen Verortung einer Rechtsregelung Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140 ff. 40 Zum Ganzen und zu weiteren Folgewirkungen der dogmatischen Einordnung einer Rechtsnorm Stein/Jonas/Brehm, Einl. Vor § 1 Rn. 32 m.w.N. 41 S.u. sub III. 3.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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len Recht sachgerechte und widerspruchsfreie rechtspraktische Ergebnisse erzielt werden. 1. Die dogmatische Qualifikation von Aus- und Absonderung als rein prozessuale Rechtspositionen Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zum Verhältnis von materiellem und prozessualem Recht entscheidet sich die Frage nach dem Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage maßgeblich danach, ob Aus- und Absonderungsrechte als materiellrechtliche oder prozessuale Rechtspositionen zu qualifizieren sind. Wie sich gezeigt hat, stellt die strikte Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht einen Grundpfeiler moderner Zivilrechtsdogmatik dar. Soweit also Aus- und Absonderungsrechte als verfahrensrechtliche Rechte zu qualifizieren sind, können diesen nicht gleichzeitig die materiellrechtliche Wirkung einer haftungsrechtlichen Güterzuordnung zugeschrieben werden. Die exakte dogmatische Verortung von Aus- und Absonderungsrechten hat in der Insolvenzrechtswissenschaft bislang jedoch erstaunlich wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Soweit sich Aussagen hierzu finden lassen, scheint eine Mehrheit der Autoren zu einer materiellrechtlichen Qualifikation dieser Rechtspositionen zu tendieren.42 Eine nähere Betrachtung erhellt jedoch, dass Aus- und Absonderungsrechte als verfahrensrechtliche Rechtspositionen einzuordnen sind. Dies ergibt sich sowohl aus funktionalen als auch aus systematischen Erwägungen. a) Funktionale Betrachtung: Aus- und Absonderungsrechte als Befreiung von verfahrensrechtlichen Restriktionen Die Abgrenzung zwischen prozessualem und materiellem Recht hat vorrangig funktional43 und nach dem Sinn und Zweck der Norm44 zu erfolgen. Auf dieser Grundlage müssen Aus- und Absonderung in den Bereich des Verfahrensrechts eingeordnet werden, da sie eine verfahrensrechtliche Funktion erfüllen. In ihrem Kern dienen diese Rechtspositionen dazu, die jeweiligen Berechtigten von den verfahrensrechtlichen Restriktionen zu befreien, denen einfache Insolvenzgläubiger bei der Geltendmachung ihrer Forderungen un-
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Explizit für eine materiellrechtliche Einordnung sprechen sich aus K. Schmidt, Einl. Rn. 20; Zöllner, AcP 190 (1990), 471, 483 (letzterer zur KO) und zumindest für das Aussonderungsrecht unter der KO Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht II, Rn. 1.11; weniger deutlich dagegen Jaeger, Lehrbuch des Deutschen Konkursrechts, S. 17; eine verfahrensrechtliche Qualifikation befürwortet dagegen Thole, NZI 2013, 665, 666; tendenziell ebenso Bruns, KTS 2004, 1 und Uhlenbruck/Pape, § 1 Rn. 2. 43 So Rauscher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Einl. Rn. 28. 44 So Stein/Jonas/Brehm, Einl. Vor § 1 Rn. 33.
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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terliegen. Veranschaulicht werden kann dies besonders deutlich anhand der historischen Genese des Absonderungsrechts. Das durch die KO vom 10. Februar 1877 im gesamtdeutschen Raum eingeführte45 Absonderungsrecht bezweckte in erster Linie eine Verbesserung der verfahrensrechtlichen Stellung gesicherter Gläubiger. Im maßgeblich durch den spanischen Autor Salgado de Samoza46 beeinflussten gemeinen Konkursrecht waren diese noch vollständig in das Konkursverfahren eingebunden gewesen und lediglich im Rahmen der Masseverteilung durch Rangvorteile gegenüber den einfachen Konkursgläubigern bevorteilt.47 Sie hatten jedoch ebenso wie die Konkursgläubiger ihre Forderungen anmelden müssen und mithin erst nach Prüfung aller angemeldeter Forderungen (bevorzugte) Befriedigung aus der Masse erlangen können.48 Ziel der KO war es, die gesicherten Gläubiger durch das Absonderungsrecht von diesem „Zwang zur Theilnahme an dem allgemeinen Konkursverfahren“49 zu befreien.50 Aus diesem Grund legte § 4 Abs. 2 KO fest, dass die abgesonderte Befriedigung „unabhängig vom Konkursverfahren“ zu erfolgen hatte.51 Das Absonderungsrecht diente folglich dazu, die gesicherten Gläubiger von den verfahrensrechtlichen Restriktionen zu befreien, denen die einfachen Konkursgläubiger ab Verfahrenseröffnung unterworfen waren. Diese rein verfahrensrechtliche Funktion der Absonderung bringen die Motive zur KO deutlich zum
45
Das durch die KO eingeführte Absonderungsrecht war keine vollständige Neuschöpfung. Bereits in früheren Gesamtvollstreckungsverfahren wurden bestimmten Gläubigern ähnliche Rechtspositionen eingeräumt, vgl. hierzu Wolff, Das Absonderungsrecht im Konkurse, S. 1 ff. und Gassert-Schumacher, Privilegien in der Insolvenz, S. 13 und S. 46 f. m.w.N. 46 Der Einfluss de Samozas basiert auf seinem 1646 erschienenen Werk Labyrinthus creditorum concurrentium ad litem per debitorem communem inter illos causatam, vgl. hierzu vertiefend Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht II, Rn. 3.12 ff. und Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 24 ff. und S. 40 ff. 47 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungsrecht II, Rn. 3.13. Diese Einbeziehung der gesicherten Gläubiger in das Konkursverfahren ist zurückzuführen auf ein extrem weitreichendes Verständnis der „Universalität“ des Konkursverfahrens, vgl. hierzu Hahn, Materialien zur KO, S. 54. 48 Jaeger/Henckel, Vor §§ 49–52 Rn. 1 f. 49 Hahn, Materialien zur KO, S. 185. 50 Vgl. Hahn, Materialien zur KO, S. 54 ff. und S. 184 f.; Jaeger/Henckel, Vor §§ 49–52 Rn. 1 f. 51 Zwar standen die Absonderungsberechtigten nach der Grundkonzeption des Gesetzes nicht gänzlich außerhalb des Insolvenzverfahrens, lag die Befugnis zur Verwertung des Absonderungsgutes nach § 127 Abs. 1 KO doch grundsätzlich beim Konkursverwalter. Gem. § 127 Abs. 2 KO konnte diese Befugnis aber rechtsgeschäftlich auf den Gläubiger übertragen werden, was in der Praxis bekanntlich im Regelfall auch getan wurde, vgl. hierzu Tetzlaff, in: Münchener Kommtar zur InsO, Vor §§ 166–173 Rn. 1 f.
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Ausdruck: „Abgesondert ist nur das Verfahren zur Befriedigung der Pfandgläubiger.“52 In der InsO wurde die prägende Formulierung des § 4 Abs. 2 KO zwar nicht übernommen – es war ein zentrales Anliegen der Insolvenzrechtsreform, das Verfahren zur Befriedigung der Absonderungsberechtigten stärker in das Insolvenzverfahren einzubinden, um auf diese Weise die Belastungen für die einfachen Insolvenzgläubiger zu mindern53 – der Zweck einer verfahrensrechtlichen Privilegierung blieb jedoch als Kerngehalt des Absonderungsrechts erhalten. Wie sich aus § 52 S. 1 InsO e contrario ergibt, ist der Absonderungsberechtigte mit seinem Absonderungsrecht kein Insolvenzgläubiger und damit insoweit von der Teilnahme am Verteilungsverfahren nach den §§ 174 ff. InsO befreit. Er muss weder seine Forderung zur Tabelle anmelden54 noch den allgemeinen Prüftermin (vgl. §§ 187 Abs. 1, 176 InsO) abwarten, bis er Befriedigung erlangen kann. Für Absonderungsberechtigte normieren vielmehr die §§ 165 ff. InsO gesonderte Verfahren zur Verwertung des Absonderungsguts und zur Befriedigung des Berechtigten. Noch deutlicher kommt in der InsO die verfahrensrechtliche Privilegierung als Kerngehalt des Aussonderungsrechts zum Ausdruck. So stellt § 47 S. 1 InsO explizit fest, der Aussonderungsberechtigte sei „kein Insolvenzgläubiger“. Zweck der Aussonderung ist es, einen Gegenstand, der nicht zur (Soll-)Masse gehört, vor der Verwertung im Insolvenzverfahren zu bewahren.55 Der Aussonderungsberechtigte ist deshalb dazu befugt, sein Recht außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend zu machen.56 Die zentrale Funktion von Aus- und Absonderung ist mithin eine verfahrensrechtliche. Dem Berechtigten soll es ermöglicht werden, das ihm zukommende materielle subjektive Zivilrecht unabhängig von den Restriktionen des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Entsprechend der allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Funktion des Insolvenzverfahrens dienen damit auch Aus- und Absonderung dem Zweck der Durchsetzung der jeweiligen materiellen Rechtsposition und sind deshalb verfahrensrechtlich zu qualifizieren. b) Systematische Betrachtung: Aus- und Absonderungsrechte als insolvenzrechtliche Äquivalente zu Drittwiderspruchsklage und Klage auf vorzugsweise Befriedigung Diese verfahrensrechtliche Qualifikation kann durch eine systematische Betrachtung weiter untermauert werden. Aus- und Absonderung sind anerkann52
Hahn, Materialien zur KO, S. 57. Vgl. hierzu Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, Vor §§ 166–173 Rn. 12 ff. 54 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 1. 55 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.01; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 9. 56 Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 159; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 106. 53
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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termaßen die insolvenzrechtlichen Äquivalente zu den vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen der Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO und der Klage auf vorzugsweise Befriedigung gem. § 805 ZPO (die dementsprechend teilweise auch als „Absonderungsklage“ bezeichnet wird57).58 Wenn es sich hierbei aber um systematische Parallelinstitute handelt, müssen Aus- und Absonderung gleich den einzelvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen und damit verfahrensrechtlich qualifiziert werden. Dies gilt – anders als die verwendete Terminologie59 zunächst vermuten lässt – unabhängig von dem vor allem um die Drittwiderspruchsklage (aber auch teilweise um die Klage auf vorzugsweise Befriedigung) geführten Meinungsstreit zwischen der herrschenden „prozessrechtlichen“60 und der abweichenden „privatrechtlichen“61 Auffassung. Zwar sieht die „privatrechtliche“ Auffassung in der Drittwiderspruchsklage eine negatorische Klage und bezieht sich hierbei insbesondere auf den (materiellrechtlichen) § 1004 BGB.62 Gemeint ist hiermit aber nur, dass der materiellrechtliche Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch die Grundlage der Drittwiderspruchsklage bilden soll. Die Klage selbst – und allein diese bildet das Korrelat zur insolvenzrechtlichen Aussonderung – bleibt ein verfahrensrechtliches Institut. Sowohl die funktionale als auch die systematische Betrachtung von Ausund Absonderungsrechten zeigt damit, dass diese als verfahrensrechtliche Rechtspositionen einzuordnen sind. Mangels einer materiellrechtlichen Grundlage müsste ein isoliertes Aus- oder Absonderungsrecht neben diesem prozessualen Kerngehalt zusätzlich eine materiellrechtliche Komponente im Sinne einer haftungsrechtlichen Zuordnung des betroffenen Gegenstandes 57
Z.B. Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 623. 58 Zur Parallele zwischen Aussonderung und Drittwiderspruchsklage vgl. statt aller Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 10; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 10; Gottwald/Adolphsen, § 39 Rn. 2; FK-InsO/Imberger, § 47 Rn. 2. Zur Parallele zwischen Absonderung und Klage auf vorzugsweise Befriedigung vgl. statt aller Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 2; Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 1; Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 368. 59 Kritisch zu dieser Terminologie Stein/Jonas/Münzberger, § 771 Rn. 4. 60 Für die Drittwiderspruchsklage statt vieler BGH NJW 1972, 1048, 1049; Musielak/Voit/Lackmann, § 771 Rn. 1; K. Schmidt/Brinkmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 771 Rn. 3. Für die Klage auf vorzugsweise Befriedigung statt vieler Musielak/Voit/Becker, § 805 Rn. 1; Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 805 Rn. 3. 61 Für die Drittwiderspruchsklage Bettermann, FS Fr. Weber, S. 87 ff.; Blomeyer, AcP 165 (1965), 481, 486 ff. Für die Klage auf vorzugsweise Befriedigung vertritt Stamm eine der „privatrechtlichen“ Interpretation der Drittwiderspruchsklage angenäherte Auffassung, die die Klage nach § 805 ZPO als Leistungsklage versteht, vgl. Stamm, Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 629. 62 Blomeyer, AcP 165 (1965), 481, 486; vgl. auch Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht I, Rn. 46.2.
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enthalten. Ein solches hybrides Rechtsinstitut würde jedoch in anachronistischer Weise der actio Savignys ähneln, würde sie doch die materiellrechtliche Rechtsposition des Berechtigten und das verfahrensmäßige Instrument ihrer Durchsetzung in sich vereinen. Mit der modernen Zivilrechtsdogmatik, die sich maßgeblich auf die systematische Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht stützt, lässt sich diese Konzeption indes nicht in Einklang bringen. 2. Das Erfordernis einer materiellrechtlichen Grundlage von Aus- und Absonderung nach den gesetzlichen Regelungen der InsO Das Erfordernis einer gesonderten materiellrechtlichen Grundlage von Ausund Absonderungsrechten ergibt sich jedoch nicht nur aus der dogmatischen Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht, sondern liegt erkennbar auch den gesetzlichen Regelungen der InsO zugrunde. Besonders deutlich bringt die InsO dieses Erfordernis im Hinblick auf die Aussonderung zum Ausdruck. So ist gem. § 47 InsO aussonderungsberechtigt, „wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört“. Die Norm selbst stellt damit klar, dass die Aussonderung nur auf der Grundlage einer materiellrechtlichen Rechtsposition vorstellbar ist. Der insoweit eindeutige Wortlaut der Norm dürfte den Hauptgrund dafür darstellen, dass das Erfordernis einer gesonderten materiellrechtlichen Grundlage der Aussonderung in der Insolvenzrechtswissenschaft weitestgehend konsentiert ist.63 Im Hinblick auf die Absonderung enthält die InsO leider keine derart eindeutigen Aussagen bezüglich ihres Verhältnisses zum materiellen Recht. Allerdings lässt sich den Regelungen der InsO zumindest implizit die Annahme entnehmen, dass jedem Absonderungsrecht zwangsläufig eine entsprechende materiellrechtliche Rechtsposition zugrunde liegt. Diese Annahme kommt vor allem in der Regelung des § 173 Abs. 1 InsO zum Ausdruck, die die Verwertung beweglicher Absonderungsgüter durch den Berechtigten zum Gegenstand hat. Die Norm ordnet an, dass das Verwertungsrecht des Gläubigers „unberührt“ bleibe. Damit rekurriert die InsO erkennbar auf ein dem Insolvenzverfahren vorgelagertes, materiellrechtliches Verwertungsrecht des Berechtigten und setzt dessen Existenz als selbstverständlich voraus.64 Weiterhin ist hier die dem internationalen Insolvenzrecht zugehörige Regelung des § 351 InsO zu nennen, die von einem Recht an einem Gegenstand des Schuldners spricht, „das nach inländischem Recht einen Anspruch auf Aussonderung oder auf abgesonderte Befriedigung gewährt“. 63
Vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 15. So auch Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 173 Rn. 8 und Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004, der hieraus jedoch nicht den Schluss zieht, dass ein Absonderungsrecht zwingend eine materiellrechtliche Grundlage voraussetzt. 64
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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Die Regelungen der InsO gehen damit erkennbar davon aus, dass jedem Aus- und Absonderungsrecht stets eine entsprechende materiellrechtliche Rechtsposition zugrunde liegt. Isolierte Aus- oder Absonderungsrechte sind mit diesen Regelungen hingegen nicht vereinbar. Dies soll bereits hier an dem später noch genauer zu betrachtenden65 Absonderungsrecht des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers nach § 110 VVG illustriert werden. Soweit man dieses als isoliertes Absonderungsrecht begreift, müssten die gesetzlichen Regelungen zur Verwertung des Absonderungsgutes versagen. Dem Insolvenzverwalter steht die Verwertungsbefugnis nicht zu, da keiner der Tatbestände des § 166 InsO erfüllt ist. Ein materiellrechtliches Verwertungsrecht, auf das § 173 InsO in diesen Fällen zugunsten des Gläubigers rekurriert, besteht aber ebenso wenig. Es bleibt damit unklar, wem die Verwertungsbefugnis an der Haftpflichtversicherungsforderung zukommt und auf welche Rechtsgrundlage diese sich stützen soll. Das Beispiel zeigt deutlich, dass die Konzeption eines isolierten Absonderungsrechts mit den Regelungen der InsO letztlich nicht harmoniert. 3. Die Trennung von Aus- bzw. Absonderungsrechten und materiellrechtlicher Grundlage als Voraussetzung sachgerechter rechtspraktischer Ergebnisse Wie bereits zuvor dargestellt wurde, ist die richtige dogmatische Verortung rechtlicher Regelungen von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung.66 Dies gilt auch für die korrekte dogmatische Erfassung von Aus- und Absonderungsrechten. Die Konzeption eines isolierten Aus- oder Absonderungsrechtes müsste in der Rechtspraxis zu sachwidrigen und wertungswidersprüchlichen Ergebnissen führen, dies zum einen wegen der Beschränkung ihrer Wirkungen auf das Insolvenzverfahren und zum anderen wegen ihrer mangelnden Harmonisierung mit dem internationalen Insolvenzrecht. a) Wertungswidersprüche durch die Beschränkung der Wirkung isolierter Aus- oder Absonderungsrechte auf das Insolvenzverfahren Aus- und Absonderungsrechte sind rechtliche Instrumente des Insolvenzverfahrens und entfalten als solche auch nur innerhalb des Insolvenzverfahrens ihre Wirkungen.67 Aus diesem Grund müssten aber isolierte Aus- oder Absonderungsrechte – so man denn ihre Existenz akzeptieren würde – unweigerlich zu Wertungswidersprüchen mit der Rechtslage außerhalb des Insolvenzverfahrens führen. Diese Wertungswidersprüche sollen hier anhand einer 65
Vgl. hierzu unten sub § 8 C. II. S.o. sub II. 2. 67 Vgl. hierzu RGZ 135, 295, 298, wonach es ein Absonderungsrecht schon „begrifflich“ nur innerhalb des Konkursverfahrens geben kann. 66
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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Fallgestaltung illustriert werden, die einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 200968 zugrunde lag: Die Eigentümerin eines Betriebsgrundstückes nimmt die Insolvenzschuldnerin wegen Bodenverunreinigungen des Grundstücks in Anspruch. Die Verunreinigungsschäden sind nach dem Vorbringen der Grundstückseigentümerin von der Haftpflichtversicherung der Insolvenzschuldnerin gedeckt. Noch bevor die Grundstückseigentümerin gegen den Insolvenzverwalter oder den Haftpflichtversicherer Klage erhebt, gibt der Insolvenzverwalter etwaige Deckungsansprüche gegen den Haftpflichtversicherer aus der Insolvenzmasse frei. Ohne die Freigabe der Versicherungsforderung hätte der Grundstückseigentümerin gem. § 110 VVG69 an dieser Forderung – ihr Bestehen vorausgesetzt – ein Absonderungsrecht zugestanden, das ihr nach ganz h.M. gem. §§ 1282 BGB, 173 InsO analog die Einziehung der Versicherungsforderung gegenüber dem Versicherer ermöglicht hätte.70 Durch die – rechtlich zulässige71 – Freigabe der Versicherungsforderung aus der Insolvenzmasse muss das Absonderungsrecht jedoch zwingend entfallen, da dieses als insolvenzrechtliche Rechtsposition nur an Massegegenständen bestehen kann. Soweit man das Absonderungsrecht des § 110 VVG als isoliert und von einer materiellrechtlichen Grundlage unabhängig begreift, müsste man der Grundstückseigentümerin konsequenterweise nunmehr den Zugriff auf die Versicherungsforderung verweigern, da ihr keine Rechte mehr an dieser zustünden. Der Zugriff auf die Versicherungsforderung im Wege der Zwangsvollstreckung gegen die Insolvenzschuldnerin wäre der Eigentümerin für die Dauer des Insolvenzverfahrens ebenfalls versperrt, § 89 Abs. 1 InsO. Während die Eigentümerin also ohne Freigabe der Versicherungsforderung diese noch während des Insolvenzverfahrens für sich hätte realisieren können, müsste sie aufgrund der Freigabe erst die Aufhebung des Verfahrens abwarten bis sie auf die Forderung zugreifen könnte.72 Der BGH versucht diesen Wertungswiderspruch aufzulösen, indem er feststellt, das Absonderungsrecht „überdauere“ das Insolvenzverfahren als Pfandrecht an der Versicherungsforderung.73 Eine Erklärung dafür, wie sich ein insolvenzrechtliches Absonderungsrecht in
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BGH NJW-RR 2009, 964. In der Entscheidung des BGH ergab sich dieses Absonderungsrecht noch aus § 157 VVG a.F. 70 Zur Durchsetzung des Absonderungsrechtes gem. § 110 VVG vgl. vertiefend unten sub § 8 C. II. 2. 71 Hierzu vertiefend unten sub § 8 C. II. 2. b) aa). 72 Auf diese Ungereimtheiten eines isolierten Absonderungsrechts weist auch Thole, NZI 2013, 665, 666 hin. 73 BGH NJW-RR 2009, 964; zustimmend Wandt, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 108 Rn. 9 (Umwandlung des Absonderungsrechts in ein Pfandrecht). 69
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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ein bürgerlichrechtliches Pfandrecht verwandeln kann, bleibt der BGH in dieser Entscheidung jedoch schuldig.74 Eine sachgerechte und dogmatisch konsistente Lösung des Falls ergibt sich hingegen, wenn man die Konzeption eines isolierten Absonderungsrechts von vornherein ablehnt und stattdessen annimmt, dass dem Absonderungsrecht aus § 110 VVG ein ungeschriebenes materielles Vorzugsrecht an der Versicherungsforderung zugrunde liegt, das mit Insolvenzeröffnung entsteht.75 Unter dieser Prämisse, die der BGH bereits einer anderen Entscheidung aus dem Jahr 1996 zugrunde legte76 und die er in zwei jüngst ergangenen Entscheidungen explizit wieder aufgriff77, kann die Freigabe der Versicherungsforderung den Geschädigten nicht beeinträchtigen, da das materielle Vorzugsrecht unabhängig vom Insolvenzverfahren weiterbesteht. 74
Dogmatisch wenig stringent ist letztlich auch die Konstruktion Gnaucks, der ein echtes Pfandrecht des Geschädigten als materiellrechtliche Unterlage des Absonderungsrechts ablehnt (Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 65 ff.), für den Fall der Freigabe aber annimmt, dass dem Geschädigten aufgrund einer besonderen „Ausstrahlungswirkung“ des § 110 VVG in analoger Anwendung des § 1282 Abs. 1 BGB ein Einziehungsrecht an der Versicherungsforderung als materielles Vorzugsrecht zustehe (a.a.O., S. 149 ff.). Dies verkennt, dass das Einziehungsrecht aus § 1282 Abs. 1 BGB kein eigenständiges materielles Recht darstellt, sondern unselbständiger Ausfluss des Pfandrechts ist. Zudem liegt der Konzeption Gnaucks die fehlerhafte Annahme zugrunde, dass sich Wertungswidersprüche nur im Falle der Freigabe der Versicherungsforderung, nicht aber auch im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ergeben könnten. Ausgehend von dieser Prämisse lehnt er eine Erstreckung der Vorzugsstellung des Geschädigten über die zeitlichen Grenzen des Insolvenzverfahrens hinaus ab. Dass aber auch in diesen Fällen die Interessen des Geschädigten unzumutbar beeinträchtigt werden können, verdeutlicht folgende Überlegung: Hat der Geschädigte auf Grundlage seines Absonderungsrechts ein Gerichtsverfahren gegen den Versicherer eingeleitet, muss er sich darauf verlassen können, dass die materiellrechtliche Grundlage seiner Klage auch nach Insolvenzaufhebung fortbesteht. Fiele seine materiellrechtliche Vorzugsstellung an der Versicherungsforderung mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens weg, wäre seine Klage andernfalls als unbegründet abzuweisen. Der Ausgang des Verfahrens hinge damit in nicht sachgerechter Weise vom Schicksal des Insolvenzverfahrens ab. 75 Ebenso auch Thole, NZI 2013, 665, 666, der allerdings annimmt, dass sich dieses Ergebnis aus der genannten Rechtsprechung des BGH ergebe. 76 BGH NJW 1996, 2035, 2036 („Das früher zur Absonderung berechtigende Pfandrecht des geschädigten Dritten überdauert den Konkurs als Pfandrecht an der Entschädigungsforderung selbst“); unklar hingegen RGZ 135, 295, 297 f. (das Absonderungsrecht könne begrifflich zwar nur innerhalb des Konkursverfahrens bestehen, die auf das Absonderungsrecht gestützte Einziehungsbefugnis des Geschädigten müsse jedoch auch nach Beendigung des Konkursverfahrens fortgelten, um eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Geschädigten zu vermeiden.) 77 BGH NZI 2014, 998; 2016, 603, 604. In der zuletzt genannten Entscheidung verweist der BGH auf eine entsprechende „ständige Rechtsprechung“. Es ist mithin davon auszugehen, dass er auch seine vorangegangenen Entscheidungen in diesem Sinne verstanden wissen will.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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b) Mangelnder Schutz isolierter Aus- oder Absonderungsrechte im internationalen Insolvenzrecht Auch im Hinblick auf das internationale Insolvenzrecht würde die Konzeption eines isolierten Aus- oder Absonderungsrechtes zu Schutzlücken für den Berechtigten führen. Ein umfassender Schutz des Dritten ist nur dann gewährleistet, wenn dessen Privilegierung hinsichtlich der Versicherungsforderung sich auch dann durchzusetzen vermag, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers ein ausländisches Insolvenzverfahren eröffnet wird. Das deutsche und das europäische internationale Insolvenzrecht halten Mechanismen bereit, um dies sicherzustellen. Zu nennen sind hier § 351 Abs. 1 InsO und Art. 5 Abs. 1 EuInsVO78. Vor allem bei der letzteren Norm ist aber zweifelhaft, ob diese isolierten Aus- oder Absonderungsrechten in internationalen Insolvenzverfahren ausreichenden Schutz gewähren könnte. Nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO bleiben dingliche Rechte an in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Gegenständen von dem jeweiligen Hauptinsolvenzverfahren unberührt. Die Norm gewährt also ausschließlich „dinglichen Rechten“ einen besonderen Schutz in Insolvenzverfahren anderer Mitgliedstaaten. Richtigerweise wird die Kompetenz der Einzelstaaten zur Definition dinglicher Rechte entsprechend der rechtsvereinheitlichenden Zielsetzung der Verordnung durch Art. 5 EuInsVO eingeschränkt.79 Dingliche Rechte i.S.d. Norm können nur solche sein, die erstens direkt und unmittelbar an einen bestimmten Gegenstand gebunden sind und zweitens absolut gelten und gegenüber jedermann durchsetzbar sind.80 Es fällt schwer, ein isoliertes Ausoder Absonderungsrecht unter diesen Tatbestand zu subsumieren. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein solches Recht dem Gegenstand direkt und unmittelbar anhaften würde, kommt es doch nur innerhalb und vermittels des Insolvenzverfahrens zur Geltung. Noch problematischer erscheint es, einem isolierten Aus- oder Absonderungsrecht eine den dinglichen Rechten vergleichbare absolute Wirkung zuzusprechen. Sie sind als insolvenzrechtliche Rechtspositionen allein auf die Geltendmachung gegenüber dem Insolvenzverwalter ausgelegt.81 Folgerichtig wird rein insolvenzrechtlichen Vorzugs78
Mit Wirkung vom 26.6.2017 wird die Norm ersetzt durch den wortlautgleichen Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO 2015). 79 EuGH Rs. C-577/13, Schlussantnträge GA v. 27.11.2014, BeckRS 2014, 82455 Rn. 35; Virgós/Garcimartin, The European Insolvency Regulation, S. 96; Reinhart, in: Münchener Kommentar zur InsO, Art. 5 EuInsVO Rn. 3; Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Art. 5 EuInsVO Rn. 4 m.w.N. 80 Reinhart, in: Münchener Kommentar zur InsO, Art. 5 EuInsVO Rn. 5; Kindler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Art. 5 EuInsVO Rn. 5 f. 81 Dies zeigt sich deutlich daran, dass Aus- und Absonderungsrechtsstreitigkeiten stets mit dem Insolvenzverwalter geführt werden müssen, vgl. hierzu statt aller Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 478 und Vor §§ 49–51 Rn. 138.
B. Dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten
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rechten die Qualität eines dinglichen Rechts i.S.d. Art. 5 EuInsVO abgesprochen.82 Zumindest im Anwendungsbereich der EuInsVO bestünde deshalb die erhebliche Gefahr signifikanter Schutzlücken, würde man die Konstruktion isolierter Aus- und Absonderungsrechte bejahen. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen deutlich, dass die Konzeption isolierter Aus- oder Absonderungsrechte in der Rechtspraxis immer wieder zu Komplikationen, Wertungswidersprüchen und Schutzlücken für den Berechtigten führen müssten. Um zu vermeiden, dass diese Unzulänglichkeiten notdürftig mit dogmatisch fragwürdigen Behelfskonstruktionen wie der bereits angesprochenen „Umwandlung“ des Absonderungsrechts in ein Pfandrecht kompensiert werden müssen, sollte von vornherein ein der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik und gesetzlichen Systematik der InsO entsprechender Ansatz gewählt werden. Demnach muss jedem Aus- und Absonderungsrecht zwingend eine entsprechende materiellrechtliche Rechtsposition zugrunde liegen. IV. Rechtsfortbildende Schaffung der notwendigen materiellrechtlichen Grundlagen scheinbar isolierter Absonderungsrechte Die Feststellung, dass jedem Aus- und Absonderungsrecht zwingend eine gesonderte materiellrechtliche Rechtsposition zugrunde liegen muss, wirft die Frage auf, wie in der Rechtsanwendung zu verfahren ist, wenn der Gesetzgeber eine solche Grundlage nicht explizit normiert und damit ein scheinbar isoliertes Aus- oder Absonderungsrecht geschaffen hat. Da der Gesetzgeber bislang ausschließlich scheinbar isolierte Absonderungsrechte geschaffen hat, sollen sich die folgenden Ausführungen auf die Behandlung solcher Absonderungsrechte beschränken. Interessanterweise war die Problematik scheinbar isolierter Absonderungsrechte bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KO von erheblicher Bedeutung. Grund hierfür war der mangelnde Gleichlauf der Vereinheitlichung von Prozessrecht und materiellem Recht. Die vorweggenommene Schaffung eines einheitlichen Konkursverfahrens im Deutschen Reich durch die KO, der die Vereinheitlichung des materiellen Rechts durch das BGB erst nachfolgte, hatte zur Konsequenz, dass die reichseinheitlichen verfahrensrechtlichen Regelungen der Aus- und Absonderung zeitweise nicht vollständig mit den materiellrechtlichen Regelungen der Partikularrechtsordnungen korrespondierten. Insbesondere schuf die die KO teilweise dort Absonderungsrechte wo die Partikularrechte keine entsprechenden materiellen subjektiven Rechte vorsahen.83 Um diese Unstimmigkeiten aufzulösen machte Josef Kohler den Vorschlag, anzunehmen, dass sich das Reichsrecht in einem derartigen Fall 82
Paulus, EuInsvO, Art. 5 Rn. 17; in diese Richtung auch Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht, Tz. 102. 83 Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 163.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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nicht auf eine verfahrensrechtliche Regelung beschränkt, sondern ein entsprechendes materiellrechtliches Pfandrecht „im Keime“ anlegt, das „aber erst durch den Konkurs ins Leben tritt“.84 Diese Lösung ist für eine dogmatisch stringente Behandlung isolierter Absonderungsrechte bis heute tragfähig. Soweit das Gesetz scheinbar isolierte Absonderungsrechte normiert, muss die entsprechende materiellrechtliche Grundlage im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung85 geschaffen werden, wobei sich eine analoge Anwendung bereits bestehender materiellrechtlicher Regelungen anbietet. Die hierfür erforderliche planwidrige Regelungslücke86 ergibt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung scheinbar isolierter Absonderungsrechte übersehen hat, dass die zivilrechtliche Dogmatik eine materiellrechtliche Grundlage verlangt und dass das Absonderungsrecht ohne diese Grundlage zu den vorstehend beschriebenen Wertungswidersprüchen führt.87 Es stellt sich in der Folge nur noch die Frage, durch welche materiellrechtliche Grundlage diese Lücke auszufüllen ist. Kohler plädiert insoweit – wie soeben gesehen – für die Annahme eines ungeschriebenen Pfandrechts. In der Tat entspricht die im Wege der Analogie vollzogene Schaffung eines gesetzlichen Pfandrechts am ehesten den gesetzlichen Vorgaben der InsO. Diese zeigt durch ihre Systematik deutlich, dass sie das Pfandrecht als Archetyp des zur Absonderung berechtigenden materiellen Rechts ansieht. § 50 InsO behandelt dieses gesondert und vor allen anderen absonderungsrechtlichen Rechtsgrundlagen, während § 51 InsO die übrigen Absonderungsrechte durch eine bloße Gleichstellung mit dem Pfandrecht regelt. Wenn dementsprechend das Gesetz das Pfandrecht als „Standardfall“ des Absonderungsrechts ansieht, so entspricht es am ehesten der Konzeption des Gesetzes, wenn dieser „Standardfall“ auch dann zugrunde gelegt wird, wenn der Gesetzgeber es versäumt hat, eine materiellrechtliche Grundlage ausdrücklich zu normieren.88 Es muss jedoch beachtet werden, dass sich in der Normierung eines scheinbar isolierten Absonderungsrechts die Entscheidung des Gesetzgebers manifestiert, dem 84
Kohler, Lehrbuch des Konkursrechts, S. 163. Zur Unterscheidung von gesetzesimmanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff.; zum Ganzen und insbesondere zu den verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger zivilrechtlicher Rechtsfortbildung Bruns, JZ 2014, 162 ff. 86 Ausführlich zu dieser Voraussetzung der Rechtsfortbildung im Wege der Gesetzesanalogie Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff. 87 Genau genommen handelt es sich hierbei nicht nur um eine Gesetzeslücke, sondern – in der Terminologie von Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 193 – um eine Normlücke: Die scheinbar isolierten Absonderungsrechte sind vor dem Hintergrund des geltenden Insolvenzrechts unvollständig und können ohne Hinzutreten einer materiellrechtlichen Grundlage nicht realisiert werden. 88 A.A. Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 54 ff. 85
C. Der Grundsatz der kostenneutralen Verwertung
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Berechtigten erst ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung eine privilegierte Rechtsstellung einzuräumen.89 Dieser Entscheidung muss Rechnung getragen werden, indem das ungeschriebene Pfandrecht als durch die Insolvenzeröffnung aufschiebend bedingt verstanden wird, wie dies auch schon Kohler durch seine Formulierung vom „im Keime“ angelegten Pfandrecht, das „erst durch den Konkurs ins Leben tritt“, zum Ausdruck gebracht hat. Beachtet man diese Kautelen bei der Ausgestaltung des Pfandrechts, so steht einer solchen Rechtsfortbildung auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Bereich der Haftpflichtversicherung bei Einführung des § 156 VVG a.F. die Normierung eines Pfandrechts zugunsten des Geschädigten ausdrücklich abgelehnt hat.90 Damit hat der Gesetzgeber nur einer allgemeinen materiellen Berechtigung des Geschädigten an der Versicherungsforderung eine Absage erteilt, gegen ein bedingungsmäßig an das Insolvenzverfahren gebundenes Pfandrecht lässt sich diese Entscheidung nicht ins Feld führen. V. Ergebnis Bei Aus- und Absonderungsrechten handelt es sich um rein verfahrensrechtliche Rechtsinstitute, die sowohl aus dogmatischen als auch aus Gründen der Praktikabilität einer entsprechenden materiellrechtlichen Unterlage bedürfen. Wo das Gesetz scheinbar isolierte Absonderungsrechte normiert, muss diese materiellrechtliche Unterlage im Wege der Rechtsfortbildung geschaffen werden. Im Regelfall bietet sich hierfür ein im Wege der Analogie zu begründendes Pfandrecht an, das durch die Insolvenzeröffnung aufschiebend bedingt ist.
C. Der Grundsatz einer für die Masse kostenneutralen Verwertung von Aus- und Absonderungsgütern C. Der Grundsatz der kostenneutralen Verwertung
Nachdem in den beiden vorangegangenen Abschnitten die äußere und innere dogmatische Struktur von Aus- und Absonderungsrechten untersucht wurde, fällt der Blick nun auf die Vorgaben der InsO zur verfahrensförmigen Realisierung dieser Vorzugsrechte. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht hierbei die Frage, welche Partei die mit der Verwertung des aus- oder absonderungsfähigen Gegenstandes verbundenen Kosten zu tragen hat. Die Antwort des Verfassungsrechts auf diese Frage wurde bereits herausgearbeitet: die Kosten dürfen nicht der freien Insolvenzmasse zur Last fallen.91 Im Folgenden muss 89
Dazu, dass hiermit nicht gemeint sein kann, dass die Berechtigung ausschließlich innerhalb des Insolvenzverfahrens gelten kann, s.o. sub III. 3. a). 90 Vgl. hierzu Motive zum VVG, S. 639 (zu Nr. 8). 91 Hierzu oben sub § 2 B. II. 3.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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untersucht werden, ob und wie das Insolvenzrecht diese verfassungsrechtliche Vorgabe umsetzt. Die Problematik der Kostenlastverteilung hinsichtlich der Verwertung von Versicherungsforderungen für Aus- und Absonderungsrechte gemeinsam zu behandeln muss hierbei auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich erscheinen, weisen jene doch im Hinblick auf die Verwertung des betroffenen Guts eine völlig andere Struktur auf als diese. Während die Verwertung des jeweiligen Sicherungsgegenstandes integraler Bestandteil jeden Absonderungsrechtes ist, dient das Aussonderungsrecht grundsätzlich gerade dem Zweck, den betroffenen Gegenstand vor der Verwertung zu bewahren und dem Berechtigten der Substanz nach zu sichern.92 Die gemeinsame Behandlung der beiden Rechtsinstitute rechtfertigt sich jedoch durch eine Besonderheit, die bei der Aussonderung von Forderungen im Allgemeinen und Versicherungsforderungen im Speziellen zum Tragen kommt. Während es bei der Aussonderung anderer Gegenstände, insbesondere von Sachen, wirtschaftlich regelmäßig tatsächlich sinnvoll ist, diese vor der Verwertung zu bewahren, um auf diese Weise ihren Substanzwert zu erhalten und nutzbar zu machen, kann der Wert einer Forderung grundsätzlich nur durch ihre Verwertung – vor allem im Wege der Einziehung – realisiert werden. Da das wirtschaftliche Interesse des Berechtigten dementsprechend auch bei aussonderungsfähigen Versicherungsforderungen stets auf die Verwertung ausgerichtet ist, muss auch diesbezüglich die Verteilung der entsprechenden Kostenlast analysiert werden. Im Folgenden werden zunächst die beiden grundlegenden rechtstechnischen Möglichkeiten zur Verteilung der Kostenlast dargestellt, bevor die Verteilung der Kostenlast im Bereich der Ab- und Aussonderung analysiert wird. I. Die rechtstechnischen Instrumente zur Verteilung der Kostenlast: Zuweisung der Verwertungsbefugnis oder Regeln der Kostenerstattung Zur Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung von Aus- oder Absonderungsgütern stehen dem Gesetzgeber im Grundsatz zwei rechtstechnische Instrumente offen. Zunächst kann der Gesetzgeber bereits hinsichtlich der Verteilung der Verwertungsbefugnis eine Regelung treffen, die zu einer angemessenen Verteilung der Kostenlast führt. Dies soll hier als Primärebene bezeichnet werden. Insoweit begegnen im Gesetz zwei mögliche Regelungen: Entweder die Verwertungsbefugnis liegt beim Gläubiger, so dass die mit der Verwertung einhergehenden Belastungen ohne Weiteres auch diesen treffen, oder aber sie steht dem Insolvenzverwalter zu. In letzterem Fall treffen die durch die Verwertung entstehenden Belastungen im Ergebnis die Insolvenzmasse und damit die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger. Die durch Verwertungshandlun92
Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 9.
C. Der Grundsatz der kostenneutralen Verwertung
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gen des Insolvenzverwalters entstehenden Kosten – beispielsweise die Verfahrenskosten einer prozessualen Durchsetzung von Versicherungsforderungen93 – belasten die Masse gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeiten. Aber auch der rein zeitliche Aufwand, den der Insolvenzverwalter für die Feststellung und Verwertung der Absonderungsgüter betreiben muss, kann sich negativ auf die Insolvenzmasse auswirken, da dieser gem. §§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 3 Abs. 1 lit. a InsVV zu einer Erhöhung der Vergütung des Insolvenzverwalters führen kann. Teilweise ist es dem Gesetzgeber aber nicht möglich, die Kostenlast bereits durch Regelungen auf der Primärebene adäquat zu verteilen, da die Verwertungsbefugnis aus anderen Gründen einer Partei zukommen soll, die im Ergebnis nicht mit den Kosten der Verwertung belastet sein soll. In diesen Fällen müssen Regelungen geschaffen werden, die die Kosten auf die „richtige“ Partei verlagern. Diese Ebene der reinen Kostentragungsregeln soll hier als Sekundärebene bezeichnet werden. II. Die Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung von Absonderungsgütern Die Neuregelung der Kostenlast im Bereich der Verwertung beweglicher Absonderungsgüter war ein zentraler Bestandteil der Insolvenzrechtsreform. Leitidee dieser Neuregelung war das sogenannte Kostenverursachungsprinzip, nach dem die Kosten der Partei zur Last fallen sollen, zu deren Gunsten die Verwertung betrieben wird.94 Da der Verwertungserlös primär dem Absonderungsberechtigten zusteht, müssten die entsprechenden Kosten folglich diesem anfallen. Freilich hat das Kostenverursachungsprinzip im Ergebnis keine vollständige und ausnahmslose Verwirklichung gefunden. Insbesondere die durch die Rechtsprechung mit Billigung des Gesetzgebers95 eingeräumte Möglichkeit einer die Verfahrens- und Feststellungskosten abdeckenden Übersicherung versetzt den Absonderungsberechtigten in die Lage, sich vor den entsprechenden Belastungen zu schützen.96 Allerdings ist auch dann gewährleistet, dass die Verwertungskosten aus dem Verwertungserlös des 93
Zur Einordnung von Prozesskosten als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO Hefermehl, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 55 Rn. 41 ff. 94 Adolphsen, in: Kölner Schrift, Kapitel 41, Rn. 128; Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 170 Rn. 4; Uhlenbruck/Brinkmann, § 170 Rn. 1; Flöther, in: Kübler/Prütting/Bork, § 170 Rn. 2. Der Begriff „Kostenverursachungsprinzip“ scheint etwas unglücklich gewählt zu sein, ist doch nicht entscheidend wer die Kosten bzw. die Verwertung (beispielsweise durch die Bestellung einer Sicherheit) verursacht hat, sondern zu wessen Gunsten die Verwertung primär erfolgt. Da der Begriff jedoch weite Verbreitung gefunden hat, soll er auch hier beibehalten werden. 95 BT-Drucks. 12/2443, S. 181 zu § 195 RegE InsO a.E. 96 Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 170 Rn. 5; Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 185.
§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
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Absonderungsgutes und nicht aus der freien Insolvenzmasse bestritten werden. Den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verteilung der Kostenlast ist damit Genüge getan – wenngleich auch die verfassungsrechtliche Ebene in den einschlägigen Diskussionen bislang keine Berücksichtigung gefunden hat. Um die soeben dargestellte Kostenlastverteilung zu gewährleisten, setzt die InsO beide der eingangs beschriebenen rechtstechnischen Instrumente ein: Teilweise wird dem Absonderungsberechtigten gem. § 173 InsO bereits auf der Primärebene die Verwertungsbefugnis am Absonderungsgut zugesprochen, sodass ihn in der Folge auch die mit der Verwertung verbundenen Belastungen treffen.97 Für die übrigen Fälle, in denen die Verwertungsbefugnis gem. § 166 InsO dem Insolvenzverwalter zukommt, ordnet § 170 Abs. 1 S. 1 InsO dagegen auf der Sekundärebene an, dass die Verwertungskosten vorweg aus dem Verwertungserlös zu entnehmen sind, also von der zur Befriedigung des Absonderungsberechtigten zur Verfügung stehenden Geldmenge abgezogen werden.98 Der Aufwand der Verwertung wird damit aus dem Vermögenswert des Absonderungsgutes bestritten, ein verfassungswidriges Ausgreifen der durch das Absonderungsrecht verkörperten Privilegierung auf die unbelastete Insolvenzmasse bleibt aus. Ähnlich verhält es sich im Bereich der unbeweglichen Absonderungsgüter, deren Verwertung gem. § 49 InsO nach den Regelungen des ZVG erfolgt. Hier bestimmen die §§ 109 Abs. 1, 155 Abs. 1 ZVG, dass aus dem Erlös der Zwangsversteigerung bzw. den aus der Zwangsverwaltung gezogenen Nutzungen vorweg die Verfahrenskosten zu bestreiten sind. In Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben ist den Regelungen der InsO und des ZVG damit der Grundsatz zu entnehmen, dass die im Zuge der Verwertung von Absonderungsgütern entstehenden Kosten nicht der freien Insolvenzmasse zur Last fallen sollen, sondern entweder unmittelbar vom Absonderungsberechtigten zu tragen oder aus dem Erlös des Absonderungsgutes zu bestreiten sind. III. Die Verteilung der Kostenlast hinsichtlich der Verwertung von Aussonderungsgütern Auch für Aussonderungsrechte beansprucht das verfassungsrechtliche Verbot einer Belastung der freien Insolvenzmasse mit den Kosten der Realisierung 97
Eine Ausnahme besteht nach dem Grundsatz des Doppelumsatzes hinsichtlich der anfallenden Umsatzsteuer, die der Masse zur Last fällt. In analoger Anwendung der §§ 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, §§ 170, 171 Abs. 2 S. 3 InsO soll der Absonderungsgläubiger aber auch hier gegenüber der Masse zur Erstattung der Umsatzsteuer verpflichtet sein, vgl. zum Ganzen K. Schmidt/Sinz, § 171 Rn. 25, 27 m.N. 98 Kritisch zu dieser im Rahmen der Insolvenzrechtsreform 1999 eingeführten Regelung Gottwald, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S. 197, 205 f.
D. Zusammenfassung
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der Privilegierung Geltung. Dies umso mehr, als bei Aussonderungsrechten anders als im Falle der Absonderung eine Beteiligung der Insolvenzmasse am Vermögenswert des betroffenen Gegenstandes kategorisch ausgeschlossen ist. Es ist nicht einsichtig, warum die Insolvenzmasse mit den Kosten einer Verwertung belastet sein sollte, aus der sie keinerlei Nutzen ziehen kann. Fraglich ist lediglich, auf welchem Weg dieses Ergebnis nach den gesetzlichen Regelungen erreicht werden soll. Eine Kostentragungsregel auf der Sekundärebene, wie sie für die Absonderung in den §§ 170, 171 InsO enthalten ist, sieht die InsO für die Aussonderung nicht vor. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Kostenbelastung des Aussonderungsberechtigten durch eine Regelung auf der Primärebene gewährleistet sein muss. Dies deckt sich mit der bereits angesprochenen Grundkonzeption der InsO, nach der das Aussonderungsgut seiner Substanz nach aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und dadurch vor einer Verwertung im Insolvenzverfahren – also durch den Insolvenzverwalter – bewahrt wird. Nach den Regelungen der InsO ist mithin ausschließlich der Aussonderungsberechtigte zur Verwertung des Aussonderungsgutes berechtigt und mit den entsprechenden Kosten belastet. IV. Ergebnis Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben gilt damit für Ab- und Aussonderung der Grundsatz einer für die freie Insolvenzmasse kostenneutralen Verwertung der betroffenen Versicherungsforderungen. Während dieser Grundsatz im Bereich der Absonderung teilweise auf der Primär- und teilweise auf der Sekundärebene verwirklicht wird, gewährleistet im Bereich der Aussonderung ausschließlich die Zuteilung der Verwertungsbefugnis an den Berechtigten auf der Primärebene die geforderte Kostenneutralität für die Masse.
D. Zusammenfassung D. Zusammenfassung
1. Die Wahl des richtigen insolvenzrechtlichen Instruments zur Privilegierung des Dritten hängt maßgeblich von dem Kriterium der potentiellen Erlösbeteiligung der Insolvenzmasse ab. Soweit eine solche potentielle Erlösbeteiligung besteht bzw. bestehen soll, ist der Dritte als Absonderungsberechtigter einzuordnen. Soweit dagegen die Versicherungsleistung in jedem denkbaren Fall ausschließlich und vollständig dem Dritten zufließen soll, muss dieser als Aussonderungsberechtigter eingeordnet werden. Dies ergibt sich sowohl aus der haftungsrechtlichen Struktur von Aus- und Absonderung als auch aus den einzelnen Regelungen der InsO. 2. Weiterhin ist festzustellen, dass der Schutz des Dritten stets ein subjektives Zivilrecht als materielle Rechtsgrundlage erfordert. Dies resultiert aus
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§ 3 Insolvenzrechtliche Grundwertungen
der strikten Trennung von materiellem Recht und Verfahrensrecht, die einen Grundpfeiler moderner Zivilrechtsdogmatik bildet. Aus- und Absonderungsrechte sind als rein verfahrensrechtliche Rechtspositionen auf die Verwirklichung einer zugrundeliegenden materiellrechtlichen Rechtsposition ausgerichtet. Ein isoliertes Absonderungsrecht ohne materiellrechtliche Grundlage ist aus diesem Grund mit der zivilrechtlichen Dogmatik nicht vereinbar. Zudem würde ein solches zu erheblichen Schutzlücken in internationalen Insolvenzverfahren und zu Wertungswidersprüchen zur Rechtslage außerhalb des Insolvenzverfahrens führen. Soweit der Gesetzgeber scheinbar isolierte Absonderungsrechte normiert hat, muss deren materiellrechtliche Grundlage durch die rechtsfortbildende Schaffung eines durch die Insolvenzeröffnung aufschiebend bedingten Pfandrechts generiert werden. 3. Schließlich gilt entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Grundsatz der für die freie Masse kostenneutralen Verwertung von aus- oder absonderungsfähigen Versicherungsforderungen. Im Falle von Absonderungsrechten wird dies teilweise auf der Primärebene durch die Zuteilung der Verwertungsbefugnis an den Absonderungsberechtigten und teilweise auf der Sekundärebene durch die Kostentragungsregeln der §§ 170, 171 InsO gewährleistet. Im Bereich der Aussonderungsrechte wird die verfassungsrechtlich geforderte Kostenverteilung dagegen ausschließlich durch Regelungen auf der Primärebene herbeigeführt. Zur Verwertung berechtigt und dementsprechend mit den Kosten belastet ist ausschließlich der Aussonderungsberechtigte, nie der Insolvenzverwalter.
§ 4 Versicherungsrechtliche Grundwertungen – Die Bindung des Versicherungsschutzes an das versicherte Interesse oder die Zustimmung der Gefahrperson Nicht nur Verfassungsrecht und Insolvenzrecht prägen die Ausgestaltung des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, auch versicherungsrechtliche Grundwertungen präformieren deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren maßgeblich. Als Sonderprivatrecht1 weist das Versicherungsvertragsrecht einige Besonderheiten auf, die es in bestimmten Punkten vom allgemeinen Privatrecht abheben. Derartige Besonderheiten bestehen insbesondere dort, wo die Belange Dritter von der Versicherung betroffen sind. Neben spezifischeren Schutzerwägungen ist eines der Hauptanliegen hierbei die notwendige Abgrenzung des unverdächtigen Versicherungsvertrags von der rechtlich bemakelten Wette i.S.d. § 762 BGB. Im Einzelnen ist zu unterscheiden zwischen Schadensversicherungen und Summenversicherungen. Im Bereich der Schadensversicherung wird die Struktur des Versicherungsvertrages maßgeblich durch die Verteilung der vorhandenen versicherbaren Interessen vorgeprägt.2 Nach h.M. ist mit versicherbarem Interesse eine rechtliche Beziehung gemeint, kraft derer der Versicherungsnehmer oder der versicherte Dritte durch den Versicherungsfall einen Nachteil erleiden kann.3 Ein solches Interesse kann stets nur für Rechnung des jeweiligen Interesseträgers versichert werden.4 Diesem, nicht dem Versicherungsnehmer, fallen 1
Hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 2 Rn. 14. Hierzu und zum Folgenden auch schon Hofmann, KTS 2015, 55, 57 f. 3 Statt vieler Prölss/Martin/Armbrüster, Vor §§ 74–99 Rn. 28; Looschelders/Pohlmann/von Koppenfels-Spies, § 80 Rn. 5; diese Definitionen gehen zurück auf die ursprüngliche Definition von Ehrenberg, Versicherungsrecht, S. 8 („Beziehung […], kraft derer jemand durch eine gewisse Thatsache einen Vermögensschaden erleidet“); kritisch zur Voraussetzung einer „Beziehung“ Kisch, Handbuch des Privatversicherungsrechts III, S. 14 Fn. 5. 4 Prölss/Martin/Armbrüster, Vor §§ 74–99 Rn. 23 f.; Bruck/Möller/Brand, § 43 Rn. 7; Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 215. Der „absolute, durch Parteiwillkür nicht abzuändernde Rechtssatz, daß aus einem durch Mittelspersonen abgeschlossenen Versicherungsvertrag nie ein Anderer als der wahre Interessent berechtigt werden kann“ wird bereits von Ehrenberg, Jher. Jb. 30 (1891), 422, 425 als zentrales Prinzip des deutschen Versicherungsrechts herausgestrichen. 2
§ 4 Versicherungsrechtliche Grundwertungen
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gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu. Ein Vertrag, der ein fremdes Interesse für eigene Rechnung des Vertragspartners zu „versichern“ sucht, ist keine Versicherung, sondern Wette auf den Eintritt des Schadensfalles beim Dritten.5 Im Bereich der Schadensversicherung folgt die Versicherungsforderung mithin in ihrer personellen Zuordnung streng dem versicherten Interesse. Versicherungsrechtliche Grundsätze verhindern somit zumindest im Ausgangspunkt6, dass die Versicherungsforderung in das Vermögen einer Person fällt, die nicht Träger des versicherten Interesses ist.7 Auch im Bereich der Summenversicherung muss sichergestellt werden, dass die Versicherung nicht zu einem Wett- oder Spekulationsgeschäft degeneriert. Geleistet wird dies hier aber weniger durch die Bindung der Versicherungsleistung an das versicherte Interesse als durch spezifische Zustimmungserfordernisse: bei den wichtigsten Formen der Summenversicherung, namentlich der Lebens-, der Berufsunfähigkeits- und der Unfallversicherung, wird die Spekulation mit der Gesundheit anderer dadurch unterbunden, dass der Versicherungsvertrag ohne die schriftliche Einwilligung der Gefahrperson grundsätzlich unwirksam ist, §§ 150 Abs. 1 S. 1, 176, 179 Abs. 2 S. 1 VVG.8 Die beschriebenen versicherungsrechtlichen Grundwertungen sind für die rechtliche Struktur vieler drittschützender Versicherungen prägend. Insbesondere haben sie erheblichen Einfluss auf die Allokation der durch solche Versicherungen generierten wirtschaftlichen Werte. Ebenso wie die zuvor beschriebenen verfassungs- und insolvenzrechtlichen Grundwertungen müssen sie deshalb in der Untersuchung der insolvenzrechtlichen Behandlung der einzelnen drittschützenden Versicherungsforderungen stets mitgedacht werden und hinreichende Berücksichtigung finden.
5
Prölss/Martin/Armbrüster, Vor §§ 74–99 Rn. 24. Unbenommen bleibt es dem Träger des versicherten Interesses, dem die Versicherungsforderung erwachsen ist, selbstverständlich, diese nachträglich an eine andere Person abzutreten. 7 Ähnlich auch schon Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 50. 8 Vgl. hierzu BGH NJW-RR 1989, 1183, 1184; 1995, 476; NJW 1999, 950, 951, wonach das Einwilligungserfordernis bei der Lebensversicherung darauf abzielt, jede Spekulation mit dem Leben anderer zu unterbinden. 6
§5
Maßgeblichkeit der dargelegten Grundwertungen
Wie eingangs beschrieben wurde, liegt das prägende Charakteristikum des Systems in der Rückführbarkeit seiner einzelnen Komponenten auf gemeinsame Grundwertungen. Aufgeworfen ist damit freilich die Frage nach der richtigen Auswahl der maßgeblichen Grundwertungen. Warum sollen gerade die hier aufgezeigten Prinzipien die Ausgestaltung des Systems des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers determinieren und nicht andere? Warum sollte sich das materielle Versicherungsrecht diesen größtenteils verfahrensrechtlichen Grundwertungen anpassen müssen und nicht umgekehrt das Verfahrensrecht flexibel auf die jeweiligen materiellrechtlichen Eigenheiten der einzelnen Versicherungsformen reagieren? Eine rein logische Antwort auf diese Frage lässt sich nicht finden. Der Gedanke eines logischdeduktiven Rechtssystems, dessen Axiome sich zwingend aus dem geltenden Recht ergeben, gehört – wie bereits dargelegt wurde – der Rechtsgeschichte an. Die Auswahl der für das System maßgeblichen Grundwertungen ist vielmehr selbst stets eine Wertungsfrage. Wertungsmäßig ist es letztlich aber doch überzeugend, gerade die in den vorangegangenen Abschnitten aufgezeigten Prinzipien als diejenigen Fixpunkte anzusehen, an denen sich das System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers auszurichten hat. Hinsichtlich des versicherungsrechtlichen Grundsatzes der Bindung des Versicherungsschutzes an das versicherte Interesse oder die Zustimmung der Gefahrperson ergibt sich dies bereits aus dem geltenden Versicherungsrecht selbst. Dieser Grundsatz sowie die in ihm zum Ausdruck kommende Abgrenzung zwischen Versicherung und Wette durchziehen das gesamte materielle Versicherungsrecht und müssen deshalb auch im Insolvenzverfahren stets Beachtung erheischen. Drängender erscheint dagegen die Frage, warum auch den zuvor genannten verfahrensrechtlichen Grundwertungen die Kraft zukommen soll, im Interesse systematischer Einheit eine insolvenzbedingte Anpassung der materiellen versicherungsrechtlichen Regelungen einfordern zu können. Begründen lässt sich dies mit einer im Vergleich zum materiellen Versicherungsrecht geringeren Flexibilität des Insolvenzrechts. Der in Art. 3 Abs. 1 GG begründete verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum bindet den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens in besonders rigider Weise. Infolge der Berührung mit der verfassungsrechtlichen Justizgewährleis-
§ 5 Maßgeblichkeit der Grundwertungen
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tung, durch die der allgemeine Gleichheitssatz zum strengen Gebot der Rechtsschutzgleichheit „verschärft“ wird,1 verengen sich die legislatorischen Gestaltungsspielräume in diesem Bereich deutlich. Dies gilt sowohl für die Frage nach der Begründung insolvenzrechtlicher Privilegierungen als auch für ihre individuelle rechtliche Ausgestaltung. Der das gesamte Insolvenzrecht durchdringende Gedanke der par conditio creditorum strahlt insoweit auch auf die Abgrenzung und Ausformung von Aus- und Absonderungsrechten aus. Das Insolvenzrecht hat hier sicherzustellen, dass Parteien, deren haftungsrechtliche Stellung in Bezug auf das schuldnerische Vermögen in ihren wesentlichen Zügen vergleichbar ist, auch verfahrensrechtlich die gleiche Stellung einnehmen. Das materielle Versicherungsrecht erweist sich demgegenüber in seiner Ausgestaltung als sehr viel flexibler. Zwar unterliegt der Gesetzgeber auch insoweit den Bindungen des allgemeinen Gleichheitssatzes. Entsprechend dem gleitenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG sind die verfassungsrechtlichen Bindungen hier aber bei weitem weniger rigide ausgeprägt als im Bereich des Insolvenzrechts.2 Das vom Grundgedanken der Privatautonomie durchdrungene und auf den Ausgleich wirtschaftlicher Interessen ausgerichtete materielle Versicherungsrecht lässt dem Gesetzgeber insoweit sehr viel größere Einschätzungs- und Gestaltungsspielräume als das vom Prinzip der par conditio creditorum beherrschte Insolvenzrecht.3 Die für die Systematisierung maßgeblichen Grundwertungen müssen deshalb dem Insolvenzrecht entnommen werden. Wo es zu Diskrepanzen mit diesen Grundwertungen kommt, muss eine Harmonisierung in erster Linie durch entsprechende Modifikationen des materiellen Versicherungsrechts gesucht werden.
1
Hierzu oben sub § 2 II. 1. b). Zur Bindung des Gesetzgebers an Art. 3 Abs. 1 GG statt vieler BVerfGE 1, 14, 52; Dreier/Heun, Art. 3 Rn. 47. 3 Allgemein zu den weiten Gestaltungsspielräumen, die der Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber abseits besonderer Bindungen belässt BVerfGE 3, 162, 182; 78, 249, 287; Dreier/Heun, Art. 3 Rn. 52. 2
Besonderer Teil
Die insolvenzrechtliche Stellung des Dritten in den einzelnen drittschützenden Versicherungsformen Nachdem im vorangegangenen allgemeinen Teil die für den Schutz von Dritten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers maßgeblichen Grundwertungen dargestellt wurden, kann nun auf der hierdurch erarbeiteten Grundlage die rechtliche Ausgestaltung dieses Schutzes in den einzelnen Formen drittschützender Versicherungen einer eingehenden Analyse zugeführt werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Frage, inwieweit die insolvenzrechtliche Behandlung der einzelnen Versicherungsformen mit den zuvor dargestellten gesetzlichen Grundwertungen in Einklang steht. Wo sachlich nicht zu rechtfertigende Diskrepanzen festgestellt werden, muss im Interesse systematischer Konformität versucht werden, diese de lege lata oder de lege ferenda zu beseitigen. Wenn dies gelingt, steht am Ende der Arbeit ein konsistentes System, in dem sich die einzelnen Rechtsregeln als einheitliche und folgerichtige Ableitungen aus den einschlägigen Grundwertungen darstellen.
§6
Der Schutz des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung
Begonnen werden soll die Untersuchung mit der allgemeinsten Form drittschützender Versicherung, der Versicherung für fremde Rechnung. Die in den §§ 43 ff. VVG normierte Versicherung für fremde Rechnung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag zwar im eigenen Namen abschließt, mit diesem aber die Interessen eines Dritten (des Versicherten) schützen möchte.1 Der allgemeine Charakter dieser Versicherungsform rührt daher, dass sie – anders als die nachfolgend zu behandelnden Versicherungsformen – keinen eingegrenzten, auf ein bestimmtes Risiko ausgerichteten Versicherungszweig darstellt, sondern lediglich eine spezifische Ausgestaltung eines beliebigen2 Versicherungsvertrages beschreibt. Bevor die insolvenzrechtliche Behandlung dieser Versicherungsform in den Blick genommen werden kann, erfordert allerdings zunächst die besondere versicherungsrechtliche Ausgestaltung der durch sie generierten materiellen Rechtsverhältnisse eine intensivere Betrachtung.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
I. Die Versicherung für fremde Rechnung als Sonderform des bürgerlichrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter Entsprechend dem versicherungsrechtlichen Grundsatz, wonach die Versicherungsforderung dem versicherten Interesse folgt,3 stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG dem Versicherten zu. Nach heute ganz h.M. handelt es sich bei der Versicherung für fremde Rechnung 1
Bruck/Möller/Brand, Vor §§ 43–48 Rn. 1. In der Systematik des alten VVG war die Versicherung für fremde Rechnung noch in den §§ 74–80 ff. VVG als Teilbereich des Regelungskomplexes der Schadensversicherung normiert. Im Zuge der VVG-Reform wurden diese Normen jedoch in das Kapitel der für alle Versicherungszweige geltenden Vorschriften transferiert, so dass sie nunmehr grundsätzlich auf alle Versicherungsarten Anwendung finden können, vgl. hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 17 Rn. 2 f. 3 Hierzu ausführlich oben sub § 4. 2
§ 6 Versicherung für fremde Rechnung
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um eine Sonderform des bürgerlichrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter gem. §§ 328 ff. BGB.4 Die Grobstruktur des durch die Versicherung für fremde Rechnung generierten Dreipersonenverhältnisses entspricht deshalb auch der des Vertrags zugunsten Dritter: Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem sowie Dritt- oder Vollzugsverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem.5 Hinsichtlich des gesetzlichen Regelungsgrads ihrer Ausformung unterscheiden sich diese Rechtsverhältnisse allerdings erheblich voneinander. Während Deckungsverhältnis und Vollzugsverhältnis zum Versicherer in den §§ 43 ff. VVG eine detaillierte gesetzliche Regelung erfahren haben, beschränkt sich das Gesetz mit Blick auf das Valutaverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer auf die punktuelle Regelung eines Spezialfalls in § 46 VVG. II. Die gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den beteiligten Personen – Abwicklung im Dreiecksverhältnis 1. Deckungs- und Vollzugsverhältnis: Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis Deckungs- und Vollzugsverhältnis zum Versicherer werden maßgeblich geprägt durch die für die Versicherung für fremde Rechnung charakteristische Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung. Obgleich die Versicherungsforderung gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG dem Versicherten zufällt, ist nach den §§ 44 f. VVG regelmäßig allein der Versicherungsnehmer dazu befugt, über die Versicherungsforderung zu verfügen und diese einzuziehen.6 Vermittels dieser Einziehungsbe4
Statt vieler BGH VersR 2006, 686, 688; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 17 Rn. 1; Bruck/Möller/Brand, Vor §§ 43–48 Rn. 14 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 91; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 43 Rn. 10 jeweils m.w.N.; etwas anders dagegen noch BGH VersR 1988, 362, 363 („einem Vertrag zugunsten Dritter ähnlich“); a.A. aber Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 56. Früher wurde zur Rechtsnatur der Versicherung für fremde Rechnung eine Vielzahl unterschiedlicher Ansichten vertreten, die sich jedoch nicht durchzusetzen vermochten. Zu nennen sind hier die Interpretation als eine Form der mittelbaren Stellvertretung (so z.B. Corrodi, Die Versicherung für fremde Rechnung nach dem schweizerischen und dem deutschen Versicherungsvertragsgesetz, S. 82 ff.), als Kommissionsgeschäft mit Elementen eines Vertrages zugunsten Dritter (So z.B. Lenné, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, S. 10 ff.) oder aber als eine Mischform aus unmittelbarer Stellvertretung und Kommissionsgeschäft (so z.B. Ehrenberg, Jher. Jb. Bd. 30 (1891), 422 ff.), vertiefend hierzu und m.w.N. zu den einzelnen Ansichten Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 597 ff. 5 Hierzu ausführlich Bruns, Privatversicherungsrecht, § 17 Rn. 11 ff. 6 Die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers ergibt sich unmittelbar aus § 45 Abs. 1 VVG. Aus dieser gesetzlichen Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers wird
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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fugnis kann der Versicherungsnehmer die Leistung der Entschädigung an sich selbst fordern.7 Zugleich geht aus den gesetzlichen Regelungen implizit hervor, dass dem Versicherungsnehmer die Prozessführungsbefugnis zur gerichtlichen Geltendmachung der Versicherungsforderung im eigenen Namen zukommt (gesetzliche Prozessstandschaft).8 Dem Versicherten als Forderungsinhaber soll die Einziehungsbefugnis dagegen nur in Ausnahmefällen zukommen. Nach der gesetzlichen Ausgangslage gilt dies gem. § 44 Abs. 2 VVG, wenn er in den Besitz des Versicherungsscheins gelangt oder aber der Versicherungsnehmer der Einziehung durch den Versicherten zugestimmt hat.9 Allerdings wird die dispositive Norm des § 44 Abs. 2 VVG in der Kautelarpraxis häufig abbedungen, so dass die Einziehungsbefugnis auch in den dort geregelten Fällen beim Versicherungsnehmer verbleibt.10 2. Das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem: lediglich punktuelle gesetzliche Regelung Im Regelfall wird die Versicherungsleistung nach den soeben dargestellten gesetzlichen Vorgaben also zunächst an den Versicherungsnehmer gelangen. Da sie aber entsprechend der drittschützenden Zwecksetzung der Versichehäufig zugleich dessen Recht abgeleitet, die Versicherungsforderung im eigenen Namen einzuziehen (vgl. Motive zum VVG, S. 148; Bruck/Möller/Brand, § 45 Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 45 Rn. 3; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 4). Dies bedarf jedoch der Präzisierung: Die Einziehung einer Forderung stellt keine Verfügung über diese dar (vgl. BGH VersR 2014, 1118, 1120; Bayreuther, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 185 Rn. 7, 34; Larenz, Schuldrecht I, § 18 I und § 34 V; a.A. Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 16), die Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers kann sich mithin auch nicht unmittelbar aus der Verfügungsbefugnis gem. § 45 Abs. 1 VVG ergeben. Sie ist vielmehr implizit der Gesamtheit der gesetzlichen Regelungen über die Versicherung für fremde Rechnung, insbesondere den §§ 44 Abs. 2 und 45 Abs. 2 VVG zu entnehmen. 7 Vgl. BGHZ 125, 196, 205; BGH NJW 1999, 2110, 2111 (jeweils zur rechtsgeschäftlichen Einziehungsermächtigung). 8 OLG Hamm NJW-RR 1996, 1375, 1376; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen, § 23 Rn. 47; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 13. Kritisch zu sehen sind dagegen Äußerungen, wonach die Prozessführungsbefugnis in der Einziehungsbefugnis enthalten sein soll (so z.B. Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 45 Rn. 4 m.w.N.). Prozessführungsbefugnis und (materiellrechtliche) Einziehungsbefugnis sind grundsätzlich strikt voneinander zu trennen, vgl. BGH NJW 1980, 2461, 2462; Erman/H. P. Westermann, § 185 Rn. 16 f.; allgemein zur Trennung von Prozessrecht und materiellem Recht oben sub § 3 II. 9 Hierzu im Einzelnen Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 16 ff.; Looschelders/Pohlmann/ Koch, § 44 Rn. 20 ff. 10 Prölss/Martin/Klimke, § 44 Rn. 25; Langheid/Rixecker, § 44 Rn. 3; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 44 Rn. 35, jeweils m.N.
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§ 6 Versicherung für fremde Rechnung
rung für fremde Rechnung im Ergebnis für den Versicherten bestimmt ist, stellt sich die Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage dieser die Entschädigung vom Versicherungsnehmer herausverlangen kann. Die Antwort auf diese Frage muss im Valutaverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer gesucht werden. Während nun aber die Verteilung von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis in Deckungs- und Vollzugsverhältnis zum Versicherer eine klare gesetzliche Regelung erfahren hat, hält sich das VVG mit Äußerungen zu diesem Valutaverhältnis auffallend zurück. Lediglich für die Sachversicherung für fremde Rechnung enthält das Gesetz in § 46 VVG eine punktuelle Regelung für den Fall, dass dem Versicherungsnehmer gegen den Versicherten in Bezug auf die versicherte Sache eigene Ansprüche zustehen (gemeint sind hiermit insbesondere Ansprüche auf Erstattung der vom Versicherungsnehmer geleisteten Prämien sowie auf Ersatz von auf die versicherte Sache geleisteten Verwendungen11). Zur Absicherung dieser Ansprüche ordnet die Norm an, dass dem Versicherungsnehmer bis zu ihrer Befriedigung ein Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein zukommt und er zudem das Recht hat, sich wegen dieser Ansprüche aus der Versicherungsforderung bzw. nach deren Einziehung aus der geleisteten Entschädigung zu befriedigen. Darüber hinausgehende Vorgaben für das Rechtsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem können dem Gesetz nicht entnommen werden. Um aber ungeachtet dieses gesetzlichen Schweigens sicherzustellen, dass schlussendlich der Versicherte die Versicherungsleistung erhält, wird heute nahezu einhellig – jedoch ohne nähere dogmatische Begründung – das Bestehen eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses sui generis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem angenommen, aufgrund dessen der Versicherte berechtigt sein soll, vom Versicherungsnehmer die Auskehrung der eingezogenen Entschädigung zu verlangen.12 Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass die Abwicklung des Versicherungsverhältnisses für fremde Rechnung regelmäßig im Dreiecksverhältnis erfolgen soll: Der Versicherungsnehmer zieht die Forderung gegenüber dem Versicherer ein und kehrt den Erlös entsprechend der treuhänderischen Bindung an den Versicherten aus.
11 Motive zum VVG, S. 150; Gerhard/Hagen et al., § 77 Anm. 2 (beide zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängernorm des § 77 VVG a.F.); vgl. auch Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 21. 12 BGHZ 64, 260, 264; BGH NJW 1991, 3031, 3032; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 111; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 6 f. und 12; Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 4 f.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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III. Gründe für die Abwicklung der Versicherung für fremde Rechnung im Dreiecksverhältnis Die Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis sowie die hieraus resultierende Abwicklung im Dreiecksverhältnis dient nach der Intention des Gesetzgebers dem Schutz sowohl des Versicherungsnehmers als auch des Versicherers.13 Der Versicherer soll es im Versicherungsfall aus Gründen der Rechtssicherheit und der zweckmäßigen Abwicklung des Vertrages nur mit dem Versicherungsnehmer zu tun haben. Er soll davor bewahrt werden, einer Vielzahl ihm unbekannter Dritter gegenüberzustehen, die behaupten, ein Recht aus der Versicherung herleiten zu können.14 Daneben soll sich die gesetzliche Ausgestaltung auch zugunsten des Versicherungsnehmers auswirken, weil die ihm zufallende Einziehungsbefugnis der ergänzenden Sicherung geschäftlicher Forderungen diene, die ihm im Valutaverhältnis gegen den Versicherten zustehen. Derartige Forderungen sind regelmäßig durch gesetzliche Pfandrechte (§ 647 BGB, §§ 397, 440, 623 HGB) an den versicherten Sachen gesichert.15 Im Falle der Beschädigung oder Zerstörung der Sache soll die Versicherungsleistung, die wirtschaftlich an die Stelle der beschädigten oder zerstörten Sache tritt, ebenfalls Sicherheit für die entsprechenden Forderungen bieten.16 Diese Begründung ist freilich lückenhaft. Die Einziehungsbefugnis an sich vermag hier noch keinen ausreichenden Schutz zu gewährleisten, da der Versicherungsnehmer grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die eingezogene Versicherungsleistung vollständig an den Versicherten auszukehren. Erst die gesetzliche Regelung des § 46 VVG gewährleistet insoweit den Schutz des Versicherten, indem sie ihm die Befugnis einräumt, sich wegen seiner Forderungen aus der Versicherungsforderung bzw. deren Erlös vorzugsweise zu befriedigen.17 Bereits dieser Befund deutet darauf hin, dass es sich bei der allgemeinen Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers und dessen Befriedigungsvorrecht aus § 46 S. 2 VVG um zwei unterschiedlichen Zwecken dienende und deshalb voneinander zu trennende Befugnisse handelt. Dies wird an späterer Stelle noch genauer auszuführen sein.18
13
Hierzu und zum Folgenden Motive zum VVG S. 148; Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 3; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 44 Rn. 1; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 5. 14 Motive zum VVG, S. 148. 15 So z.B. Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 3; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 44 Rn. 1. 16 Motive zum VVG, S. 148. 17 Vgl. auch Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 5. 18 S.u. sub § 6 C. II. 3. b)
§ 6 Versicherung für fremde Rechnung
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B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Vor dem Hintergrund der soeben erläuterten materiellen Rechtsverhältnisse stellt sich nun die Frage, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers auf die Rechtsstellung des Versicherten auswirkt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten wirft hierbei keine größeren Probleme auf. Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG fällt die Versicherungsforderung nicht in das Vermögen des Versicherungsnehmers, sondern erwächst ausschließlich dem Versicherten. Bei Schadensversicherungen für fremde Rechnung beruht dies auf dem Grundsatz, dass die Versicherungsforderung dem versicherten Interesse folgt, bei Summenversicherung auf der privatautonomen Entscheidung des Versicherungsnehmers. Die Versicherungsforderung nimmt damit von vornherein nicht an der durch den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz geprägten Verteilung des schuldnerischen Vermögens teil.19
C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
Mit der Feststellung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer insolvenzrechtlichen Privilegierung des Versicherten ist freilich noch nichts über deren einfachgesetzliche Ausgestaltung gesagt. Diese bedarf im Folgenden einer eingehenderen Untersuchung. Hier wird zunächst gezeigt werden, dass der Versicherte in der Insolvenz des Versicherungsnehmers grundsätzlich aussonderungsberechtigt ist. Anschließend erfordert die Verteilung der Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung eine besonders genaue Analyse, da die eigentümliche Verteilung dieser Einziehungsbefugnis in der Versicherung für fremde Rechnung im Insolvenzfall höchst komplexe Probleme aufwirft. I. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Versicherten: Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung Im Normalfall ist der Inhaber einer Forderung, die der Insolvenzverwalter für die Masse beansprucht, zur Aussonderung dieser Forderung berechtigt.20 Dies gilt insbesondere für den Begünstigten eines Vertrages zugunsten Dritter.21
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Ausführlich zu diesem Rechtfertigungstopos oben sub § 2 B. II. 2. a). Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 204. 21 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 216. 20
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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Auch der Versicherte einer Versicherung für fremde Rechnung ist deshalb gem. § 47 InsO zur Aussonderung der Versicherungsforderung berechtigt.22 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz soll nach teilweise vertretener Ansicht jedoch für den Spezialfall der Versicherung sicherungsübereigneter Sachen durch den Sicherungsgeber gelten. In diesem Fall sei die dem Sicherungsnehmer zustehende Versicherungsforderung bloßes Surrogat für das Sicherungsgut und könne deshalb ebenso wie dieses lediglich zur Absonderung berechtigen.23 Eine nähere Betrachtung erhellt indes, dass die darin enthaltene Ausnahme vom Grundsatz der Aussonderungsfähigkeit der Versicherungsforderung nur teilweise erforderlich ist. Zwar ist es zutreffend, dass die Rechtsstellung des versicherten Sicherungsnehmers entsprechend des Sicherungszwecks seines Eigentums auch im Insolvenzfall beschränkt bleiben muss, ihm also nicht in jedem Fall die vollständige Versicherungsleistung zufließen darf. Allerdings ist es möglich – und durchaus auch verbreitete Praxis24 –, die Rechtsstellung des Sicherungsnehmers durch einen Sicherungsschein25 mit sog. Akzessorietätsklausel bereits auf versicherungsrechtlicher Ebene entsprechend zu begrenzen. In diesem Fall ist das Interesse des Sicherungsnehmers am Sicherungsgut nur in Höhe der ausstehenden gesicherten Forderung versichert.26 Gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG steht dem Sicherungsnehmer damit auch nur in dieser Höhe eine eigene Versicherungsforderung zu. Gegen die (vollständige) Aussonderung dieser in ihrer Höhe beschränkten Versicherungsforderung bestehen keine Bedenken. Die Insolvenzmasse ist dadurch ausreichend geschützt, dass ihr eine eigene Versicherungsforderung zusteht, soweit die Versicherungsleistung den Betrag der ausstehenden gesicherten Forderung übersteigt. In Fällen, in denen keine 22
BGHZ 10, 377, 379 ff.; BGH VersR 2014, 1118, 1119; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 312; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 107; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 157; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 2; K. Schmidt/Thole, § 47 Rn. 74; Braun/Bäuerle, § 47 Rn. 92; Hess, in: Kölner Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 309 (der das Aussonderungsrecht aber ohne nähere Begründung auf § 48 S. 2 InsO stützen möchte); bloß terminologisch anders Ritter/Abraham, § 55 Anm. 17 (dadurch, dass die Versicherungsforderung von vornherein dem Versicherten zustehe, brauche dieser die Forderung gar nicht „auszusondern“). 23 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 311; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 107; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 157; Braun/Bäuerle, § 47 Rn. 92; für ein auf die Höhe der gesicherten Forderung beschränktes Ersatzaussonderungsrecht des versicherten Sicherungsnehmers dagegen Hess, in: Kölner Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 309. 24 Vgl. z.B. BGHZ 40, 297, 300 f.; sowie die bei Gerding, Sicherungsscheine in der Mobiliarversicherung, S. 288, 292 abgedruckten Musterformulare. 25 Zum Instrument des Sicherungsscheins ausführlich Gerding, Sicherungsscheine in der Mobiliarversicherung. 26 Gerding, Sicherungsscheine in der Mobiliarversicherung, S. 93 ff.
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Akzessorietätsklausel vorliegt, steht dem versicherten Sicherungsnehmer dagegen regelmäßig gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG in Höhe der vollen Versicherungsleistung eine eigene Versicherungsforderung zu. Für diese Fälle – und nur für diese Fälle – ist der oben referierten Ansicht zuzustimmen und die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Sicherungsnehmers auf ein Absonderungsrecht zu beschränken. Dieses Absonderungsrecht kann auf eine analoge Anwendung des § 51 Nr. 1 Alt. 2 InsO gestützt werden.27 II. Verteilung der Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung Mit der soeben erfolgten Verortung der Rechtsstellung des Versicherten im insolvenzrechtlichen System der Aus- und Absonderungsrechte ist nur teilweise determiniert, welche Partei in der Insolvenz des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsforderung berechtigt ist. Recht eindeutig gestaltet sich die Rechtslage insoweit nur im zuletzt beschriebenen Spezialfall eines bloßen Absonderungsrechts des versicherten Sicherungsnehmers gem. § 51 Nr. 1 Alt. 2 InsO analog. Hier muss konsequenterweise auch die an § 51 Nr. 1 Alt. 2 InsO anknüpfende Regelung des § 166 Abs. 2 InsO analoge Anwendung finden, die die Verwertungsbefugnis an der Forderung dem Insolvenzverwalter überträgt. Zugleich greifen hiermit die Kostentragungsregelungen der §§ 170, 171 InsO Platz, die entsprechend dem im allgemeinen Teil dargestellten Grundsatz28 die Kostenneutralität der Forderungseinziehung für die freie Insolvenzmasse gewährleisten.29 Sehr viel weniger eindeutig stellt sich die Verteilung der Einziehungsbefugnis jedoch im Regelfall eines Aussonderungsrechts des Versicherten dar. Es stellt sich hier die Frage, ob die Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis auch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers aufrechterhalten wird, es also bei der Abwicklung im Dreiecksverhältnis verbleibt. 1. Aufrechterhaltung der Aufspaltung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis – Abwicklung im Dreiecksverhältnis Diese Frage wird heute von der nahezu einhelligen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bejaht. Es wird insoweit angenommen, dass die Berechtigung zur Einziehung der Versicherungsforderung mit Insolvenzeröffnung gem. § 80 Abs. 1 InsO vom Versicherungsnehmer auf den Insolvenzverwalter übergehe, grundsätzlich also nur dieser gegenüber dem Versicherer zur Ein-
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Ausführlich zum Ganzen Hofmann, KTS 2015, 55 ff. S.o. sub § 2 B. II. 3. und § 3 C. 29 Vgl. hierzu ausführlich Hofmann, KTS 2015, 55, 69 ff.
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ziehung berechtigt sei.30 Der Versicherte sei demgegenüber darauf verwiesen, das ihm zustehende Aussonderungsrecht mittels einer Feststellungsklage geltend zu machen.31 Sobald der Insolvenzverwalter die Versicherungsforderung einzieht, muss diese aber gem. §§ 362 BGB, 43 ff. VVG, 80 Abs. 1 InsO erlöschen und der Versicherte damit zwangsläufig auch das an der Forderung bestehende Aussonderungsrecht verlieren.32 Um die Versicherungsleistung entsprechend der Abwicklung im Dreiecksverhältnis dennoch dem Versicherten zukommen zu lassen, spricht die h.M. ihm gem. § 48 S. 2 InsO (analog33) ein Recht zur Ersatzaussonderung der eingezogenen Entschädigung zu, solange diese noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.34 Das Gleiche soll gelten, wenn der Schuldner die Versicherungsforderung bereits vor Insolvenzeröffnung eingezogen hat.35 Ist die Entschädigung dagegen nicht mehr unterscheidbar in der Insolvenzmasse vorhanden, soll der Versicherte hinsichtlich seines Anspruchs auf Auskehr der Entschädigung zumindest Massegläubiger gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO sein.36 30 BGH VersR 2014, 1118, 1119 (in casu wurde eine befreiende Wirkung der Zahlung an den Insolvenzverwalter zwar letztlich abgelehnt, dies beruhte jedoch zum einen darauf, dass der Rechtsschutzversicherer dem Versicherten eine Deckungszusage erteilt hatte sowie zum anderen auf der spezifischen Rechtsnatur der Versicherungsforderung als Befreiungsanspruch, vgl. hierzu Looschelders, r+s 2015, 581, 584 f.); OLG Köln NJWRR 2015, 725, 726; Bruck/Möller/Brand, § 45 Rn. 27; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314; Uhlenbruck/Brinkmann § 47 Rn. 107; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 157; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Gundlach DZWIR 2000, 309, 311; Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 57 ff.; a.A. Thiel VersR 1955, 726, 731 für die Unfallfremdversicherung. 31 Bruck/Möller/Brand, § 45 Rn. 27; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15. 32 So denn auch konsequenterweise die h.M., vgl. Gundlach, DZWiR 2000, 309, 310. 33 Vgl. hierzu vertiefend unten sub 2. c). 34 BGHZ 10, 376, 384; OLG Frankfurt a.M., NZI 2002, 262; Prölss/Martin/Klimke, § 44 Rn. 6; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 44 Rn. 10; Langheid/Rixecker, § 44 Rn. 6; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 107; K. Schmidt/Thole, § 47 Rn. 74; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Gundlach DZWIR 2000, 309, 310 ff.; ebenso wohl auch schon die Motive zum VVG, S. 151. 35 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314; Braun/Bäuerle, § 47 Rn. 92; a.A. OLG Celle VersR 1953, 489; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 2: in diesem Fall Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an der Entschädigungssumme; zu dieser Ansicht vertiefend unten sub 3. a) bb) (3). 36 Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 107; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; a.A. K. Schmidt/Thole, § 47 Rn. 74; Braun/Bäuerle, § 47 Rn. 92 (nur Insolvenzforderung).
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2. Kritik der Abwicklung im Dreiecksverhältnis Die soeben referierte Ansicht scheint dem insolvenzrechtlichen Grundsatz zu entsprechen, wonach der Insolvenzverwalter die Rechtslage so zu übernehmen hat, wie er sie im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorfindet.37 Hierin mag zugleich eine Erklärung dafür liegen, warum sie sich in jüngerer Zeit keiner nennenswerten Kritik mehr ausgesetzt sah. Doch greift eine solche Betrachtung zu kurz. Sie verkennt, dass sich die Interessenlage der Beteiligten infolge der Insolvenzeröffnung ganz wesentlich verschiebt und dass die Abwicklung im Dreiecksverhältnis erhebliche Friktionen zu den auf diese veränderte Interessenlage ausgerichteten Grundwertungen und Regelungen des Insolvenzrechts erzeugt. a) Unvereinbarkeit mit insolvenzrechtlichen Grundwertungen Zunächst ist eine Verletzung des Grundsatzes der für die freie Insolvenzmasse kostenneutralen Verwertung von Aussonderungsgütern zu monieren. Wie im Rahmen des allgemeinen Teils ausführlich dargelegt wurde, lässt sich aus den Regelungen der InsO die gesetzliche Grundwertung ableiten, dass die Verwertung von Aussonderungsgütern ausschließlich dem Aussonderungsberechtigten obliegt.38 Die von der h.M. im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung favorisierte Abwicklung im Dreiecksverhältnis konterkariert diese Konzeption. Der Insolvenzverwalter hätte demnach die Versicherungsforderung einzuziehen und den Erlös vollständig an den Versicherten auszuschütten. Mangels besonderer Kostentragungsregelungen müsste die Insolvenzmasse mit den Kosten dieser für sie nutzlosen Forderungseinziehung belastet bleiben. Dies bedeutet nicht nur einen eklatanten Bruch mit den Grundwertungen des reformierten Insolvenzrechts, sondern letztlich gar eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehalts der par conditio creditorum.39 b) Unstimmigkeiten hinsichtlich des Übergangs der Einziehungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO Naturgemäß manifestieren sich die Friktionen, die der von der h.M. befürwortete Abwicklungsmodus mit Blick auf die Grundwertungen der InsO erzeugt, auch auf der Ebene der gesetzlichen Einzelregelungen, die diese Grundwertungen zu verwirklichen suchen. Dies zeigt sich zunächst an der von der h.M. zugrunde gelegten Prämisse, die Einziehungsbefugnis an der 37 Vgl. zu diesem Grundsatz RGZ 137, 109, 111; BGH ZInsO 2004, 88 (beide zur Bindung des Konkursverwalters an vom Gemeinschuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarungen); Gursky, KTS 1973, 27, 32 m.w.N., der insoweit von einem der „grundlegenden Prinzipien des [damals, Anm. d. Verf.] geltenden Konkursrechts“ spricht. 38 Vgl. hierzu oben sub § 3 C. III. 39 Vgl. hierzu oben sub § 2 B. II. 3.
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Versicherungsforderung gehe mit Insolvenzeröffnung ohne Weiteres auf den Insolvenzverwalter über. Sie lässt sich mit der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 1 InsO kaum in Einklang bringen. Zwar bewirkt dieser mit dem Übergang der Verwaltungsbefugnis am Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter grundsätzlich auch den Übergang der dem Schuldner zustehenden Befugnisse zur Einziehung von Forderungen.40 Allerdings werden hiervon expressis verbis nur Befugnisse an solchen Gegenständen erfasst, die zur Insolvenzmasse zählen. Mit dem Begriff der Insolvenzmasse ist hier die bereinigte Sollmasse gemeint.41 Weder die Versicherungsforderung selbst noch die Einziehungsbefugnis an dieser gehören aber zu dieser Sollmasse. Für die Versicherungsforderung ergibt sich dies schon daraus, dass sie der Aussonderung unterliegt. Die Einziehungsbefugnis steht dagegen zwar dem Versicherungsnehmer zu. Richtigerweise sind aber derartige, von den Vollrechten zu unterscheidende Legitimationen nicht isoliert pfändbar.42 Ihnen kommt kein eigenständiger Vermögenswert zu, da der jeweilige Wert in der Inhaberschaft des Vollrechts – hier: der Versicherungsforderung – verkörpert ist. Augenfällig wird dies daran, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung grundsätzlich nicht zum eigenen Nutzen einziehen darf, sondern den Erlös an den Versicherten als den Forderungsinhaber auszukehren hat. Ist die Einziehungsbefugnis aber nach diesen Grundsätzen unpfändbar, so gehört sie nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO ebenfalls nicht zur Insolvenzmasse. Die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung dürfte dementsprechend nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 1 InsO ebenso wenig wie die Forderung selbst auf den Insolvenzverwalter übergehen.43 Dass dieses Ergebnis nicht etwa auf einer allzu formalistischen Auslegung des Wortlauts des § 80 Abs. 1 InsO beruht, sondern durchaus dem Sinn und Zweck der gegenständlichen Begrenzung seiner Rechtswirkung entspricht, zeigen die folgenden Überlegungen: Der insolvenzbedingte Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter erklärt sich aus der haftungsrechtlichen Funktion der Insolvenzmasse. Durch die 40 Da es sich bei der Einziehung von Forderungen nicht um eine Verfügung handelt (vgl. hierzu die Nachweise in Fn. 6), muss die Einziehungsbefugnis im Rahmen des § 80 Abs. 1 InsO als Teil der neben der Verfügungsbefugnis genannten Verwaltungsbefugnis angesehen werden, vgl. hierzu Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 158. 41 Jaeger/Windel, § 80 Rn. 10. 42 Zur Unpfändbarkeit der Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers: Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 45 Rn. 2; zum alten Recht RGZ 130, 237, 242; Bruck/Möller/Sieg, 8. Aufl., §§ 75, 76 Anm. 40; Kisch, Handbuch des Privatversicherungsrechts III, S. 491 (alle zur Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers, die aber mit der Einziehungsbefugnis gleichgesetzt wird, vgl. hierzu bereits oben Fn. 6). Allgemein zur Unpfändbarkeit von bloßen Legitimationen: Löhnig, Treuhand, S. 722; Stein/Jonas/Brehm, § 857 Rn. 3 (zur rechtsgeschäftlichen Einziehungsermächtigung). 43 So i.E. auch schon Rodiek, Der Versicherungsanspruch im Falle der Versicherung für fremde Rechnung, S. 59.
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Insolvenzeröffnung wird die Insolvenzmasse den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung ihrer Forderungen haftungsrechtlich zugeordnet.44 Der von § 80 Abs. 1 InsO bewirkte Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an diesen Gegenständen vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter soll verhindern, dass diese haftungsrechtliche Zuordnung durch Rechtshandlungen des ersteren vereitelt wird.45 Gleichzeitig wird es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, die Insolvenzmasse zu verwerten, um den Vermögenswert der in ihr enthaltenen Gegenstände für die Gläubiger zu realisieren. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ist also seinem Zweck nach funktional an die Verwirklichung der Haftung des schuldnerischen Vermögens für die Forderungen der Insolvenzgläubiger gekoppelt. Wo ein Gegenstand nicht zu diesem haftenden Vermögen zählt, entfallen im Gegenschluss die Gründe für den Übergang der entsprechenden Befugnisse. So verhält es sich nun aber mit der hier im Fokus stehenden, aussonderungsfähigen Versicherungsforderung. Da deren Vermögenswert grundsätzlich allein dem Versicherten zukommt und nicht den Insolvenzgläubigern als Haftungsobjekt zur Verfügung steht, besteht kein Grund, die Einziehungsbefugnis an dieser Forderung auf den Insolvenzverwalter übergehen zu lassen. Von Seiten der h.M. wird hiergegen unter Verweis auf die bereits bekannte Regelung des § 46 S. 2 VVG eingewandt, dass der Vermögenswert der Versicherungsforderung unter bestimmten Umständen doch der Insolvenzmasse und damit den Insolvenzgläubigern zugutekommen kann.46 Hieraus aber abzuleiten, dass die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung in jedem Fall auf den Insolvenzverwalter übergehen muss, geht zu weit. § 46 S. 2 VVG betrifft lediglich einen – wenn auch praktisch durchaus relevanten47 – Spezialfall. Im begrenzten Anwendungsbereich der Norm sprechen zwar durchaus gute Gründe dafür, die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung auf den Insolvenzverwalter übergehen zu lassen. Der Einziehungsbefugnis kommt hier ausnahmsweise ein eigenständiger Vermögenswert zu, sodass sie pfändbar ist und in die Insolvenzmasse fällt; der Insolvenzverwalter muss in der Lage sein, das aus § 46 S. 2 VVG entspringende Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus der Versicherungsforderung zugunsten der Masse zu verwerten. Abseits dieses Ausnahmetatbestandes bleibt es aber entsprechend den zuvor dargelegten Überlegungen dabei, dass der 44
Jaeger/Henckel, § 35 Rn. 5 f.; Peters, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 80 Rn. 22; Trautmann, Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 50 ff. 45 Jaeger/Henckel, § 35 Rn. 5 f.; Jaeger/Windel, § 80 Rn. 6; Peters, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 80 Rn. 22. 46 Hierzu und zum Folgenden Bruck/Möller/Brand, § 45 Rn. 27; Bruck/Möller/Sieg, 8. Aufl., §§ 75, 76 Anm. 41 (zum alten Recht). 47 Vgl. Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 2 („durchaus zahlreiche Fälle“).
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Übergang der Einziehungsbefugnis mit den Vorgaben des Insolvenzrechts nicht vereinbar ist.48 Geboten ist mithin entgegen der h.M. eine differenzierende Betrachtung: Grundsätzlich muss die Einziehungsbefugnis auch im Insolvenzfall beim Versicherungsnehmer verbleiben. Nur insoweit, als der Insolvenzmasse gem. § 46 S. 2 VVG ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus der Versicherungsforderung zusteht, kann sie ausnahmsweise auf den Insolvenzverwalter übergehen. Dies wird an späterer Stelle bei der Entwicklung einer alternativen Lösung noch zu berücksichtigen sein.49 c) Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ersatzaussonderung der eingezogenen Entschädigungssumme auf Grundlage des § 48 S. 2 InsO Weiter lässt sich auch das von der h.M. zum Schutz des Versicherten konstruierte Ersatzaussonderungsrecht an der eingezogenen Versicherungsleistung kaum mit den Vorgaben des Insolvenzrechts in Einklang bringen.50 Die Anwendung des § 48 S. 2 InsO hat zur Voraussetzung, dass die Einziehung der Versicherungsforderung durch den Insolvenzverwalter oder den Insolvenzschuldner „unberechtigt“ erfolgte. Nach der Konzeption der h.M. wäre der Insolvenzverwalter aufgrund des gesetzlichen Treuhandverhältnisses aber durchaus zur Einziehung der Versicherungsforderung berechtigt, ja sogar verpflichtet. Der Schutz des Versicherten durch § 48 InsO kann deshalb auf Grundlage der tradierten Konzeption nur dann gewährleistet werden, wenn das Tatbestandsmerkmal der „unberechtigten“ Forderungseinziehung in einem anderen, weiteren Sinne verstanden wird.51 Der Versuch einer solchen weiten Interpretation wurde insbesondere von Gundlach unternommen, der den Terminus in einem spezifisch haftungs48 So auch schon Ritter/Abraham, § 55 Anm. 17 (zur Seeversicherung); in dieselbe Richtung auch Thiel, VersR 1955, 726, 728 ff., der den Übergang der Einziehungsbefugnis aus demselben Grund nur für den Bereich der Sachversicherung anerkennen möchte, nicht aber für die Unfallfremdversicherung. 49 Unten sub 3. c) aa). 50 Unproblematisch ist insoweit freilich, dass der Wortlaut des § 48 InsO eigentlich die Veräußerung des aussonderungsfähigen Gegenstandes fordert. Es ist anerkannt, dass § 48 InsO über diesen Wortlaut hinaus auch auf die Einziehung von aussonderungsfähigen Forderungen analoge Anwendung finden muss; zutreffend BGH NJW 1957, 750, 752 (entsprechende Anwendung des § 48 InsO). Als dogmatisch ungenau sind dagegen die häufig anzutreffenden Ausführungen zu bewerten, wonach der Begriff der Veräußerung alle Verfügungen und damit auch die Einziehung einer Forderung umfasst, vgl. z.B. Jaeger/Henckel, § 48 Rn. 32; Häsemeyer Rn. 11.20; Ganter in Münchener Kommentar zur InsO, § 48 Rn. 20; Uhlenbruck/Brinkmann, § 48 Rn. 7; vgl. zur Problematik der Einordnung der Forderungseinziehung als Verfügung bereits oben Fn. 6. 51 Für eine solche extensive Interpretation Gundlach DZWIR 2000, 309, 313; Ganter in Münchener Kommentar zur InsO, § 48 Rn. 314; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93.
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rechtlichen Sinne verstanden wissen will.52 Maßgeblich für die Frage, ob der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter berechtigt handelt, sei demnach nicht die formalrechtliche Verfügungs- oder Einziehungsbefugnis des Handelnden am jeweiligen Aussonderungsgegenstand. Zu prüfen sei vielmehr, ob der Schuldner bzw. der Insolvenzverwalter aufgrund dieser Rechtsmacht auch dazu befugt war, das Aussonderungsrecht des Berechtigten zu vereiteln. Wegen der treuhänderischen Bindung der Einziehungsbefugnis sei dies im Fall der Versicherung für fremde Rechnung gerade nicht der Fall. Gestützt wird diese Ansicht auf eine Parallele zum handelsrechtlichen Kommissionsgeschäft. Dort berechtigt § 392 Abs. 2 HGB i.V.m. § 47 InsO den Kommittenten in der Insolvenz des Kommissionärs zur Aussonderung der aus dem Kommissionsgeschäft erlangten Forderungen, nach h.M. aber nicht zur Aussonderung des eingezogenen Forderungserlöses.53 Hat der Insolvenzverwalter eine solche Forderung nach Insolvenzeröffnung eingezogen, soll der Kommittent aber gem. § 48 S. 2 InsO durch ein Ersatzaussonderungsrecht am Erlös geschützt sein, obwohl der Kommissionär Forderungsinhaber und damit zur Einziehung befugt war.54 Gundlach sieht hierin die Bestätigung seiner These, dass sich die Berechtigung zur Einziehung der Forderung ausschließlich nach haftungsrechtlichen Gesichtspunkten richtet.55 Dieser Argumentation kann so indes nicht gefolgt werden. Die von der h.M. vertretene Konzeption der Versicherung für fremde Rechnung unterscheidet sich strukturell so stark von den Rechtsverhältnissen des Kommissionsgeschäftes, dass eine Übertragung der zum letzteren entwickelten Grundsätze nicht in Frage kommt. Im Falle des Kommissionsgeschäfts entspricht es dem Interesse des Kommittenten, dass sich der Kommissionär spätestens ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sämtlicher Einziehungshandlungen enthält, um die Rechtsstellung des Kommittenten nicht zu beeinträchtigen. Die Rechtsmacht des Kommissionärs muss deshalb als dahingehend schuldrechtlich vinkuliert angesehen werden, dass dieser in Krise und Insolvenz gegenüber dem Kommittenten nicht mehr zur Forderungseinziehung berech-
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Gundlach, DZWiR 2000, 309, 313; ihm folgend Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Jaeger/Henckel, § 48 Rn. 60; vgl. zu dieser Interpretation auch Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWiR 2000, 449, 451 ff. 53 Vgl. BGH NJW 1974, 456, 457; 1981, 918, 919; OLG Hamm ZInsO 2004, 97 f.; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 149 m.w.N., eine im Vordringen befindliche Ansicht möchte dem Kommittenten dagegen in analoger Anwendung des § 392 Abs. 2 HGB hinsichtlich des aus der Forderung Erlangten ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO zusprechen, so z.B. Füller, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, § 392 Rn. 6 f. m.w.N.; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 289; K. Schmidt, Handelsrecht, § 31 Rn. 138 ff. 54 Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 102; Jaeger/Henckel, § 48 Rn. 36; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWiR 2000, 449, 451 ff.; 55 Gundlach, DZWiR 2000, 309, 313.
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tigt ist.56 Auf dieses schuldrechtliche Verbot lässt sich auch die mangelnde Berechtigung zur Forderungseinziehung i.S.d. § 48 InsO stützen.57 Wenn man der tradierten Konzeption der Versicherung für fremde Rechnung folgt, verhält es sich bei dieser aber gänzlich anders. Da dem Versicherten hier keine eigene Einziehungsbefugnis zukommen soll, ist dieser weiterhin darauf angewiesen, dass die Forderung durch den Versicherungsnehmer bzw. dessen Insolvenzverwalter eingezogen wird. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens soll der Insolvenzverwalter deshalb aufgrund des Treuhandverhältnisses zur Einziehung der Forderung berechtigt und verpflichtet bleiben. Im Gegensatz zur Kommission besteht also im Insolvenzfall gerade kein schuldrechtliches Verbot der Forderungseinziehung, auf das sich die mangelnde Berechtigung stützen ließe. Die Forderung Gundlachs, hier eine im haftungsrechtlichen Sinne „unberechtigte“ Forderungseinziehung i.S.d. § 48 InsO anzunehmen, läuft mithin auf eine vollständige Entkoppelung dieses Begriffs von der allgemeinen Rechtslage hinaus. Damit wird aber das Kriterium der mangelnden Berechtigung – das auch andernorts bereits Quelle einiger Rechtsunsicherheit ist58 – noch schillernder. Es drängt sich gar der Verdacht einer petitio principii auf, wenn der Betroffene nach der Lesart Gundlachs überall dort zur Ersatzaussonderung berechtigt sein soll, wo das Aussonderungsrecht durch den Schuldner bzw. den Insolvenzverwalter nicht vereitelt werden dürfe. Die bislang vorherrschende Konzeption kann den effektiven insolvenzrechtlichen Schutz des Versicherten folglich nur durch eine erhebliche und letztlich nicht mehr tragbare Aufweichung des Tatbestandsmerkmals der unberechtigten Forderungseinziehung erkaufen. Hinzu kommt, dass der Schutz des Versicherten selbst dann, wenn man ihm mit der h.M. ein Ersatzaussonderungsrecht zuerkennt, bei der Abwicklung im Dreiecksverhältnis lückenhaft bleibt. Gem. § 48 S. 2 InsO könnte der Versicherte die Versicherungsleistung nur dann im Wege der Ersatzaussonderung an sich ziehen, wenn diese noch unterscheidbar59 in der Masse vorhanden ist. Soweit diese Unterscheidbarkeit nicht mehr gegeben ist, wird der Versicherte nach dieser Konzeption lediglich als Massegläubiger gem. § 55
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Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 149; Häuser, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 392 Rn. 37 f.; ähnlich Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2000, 449, 452 f. 57 So wohl auch Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 85, 87; a.A. Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 289 f. 58 Vgl. hierzu FK-InsO/Imberger, § 48 Rn. 12, der in diesem Kontext von einer „kaum nachvollziehbaren Kasuistik“ hinsichtlich der Reichweite von Veräußerungs- und Einziehungsbefugnissen spricht. 59 Zum Kriterium der Unterscheidbarkeit und insbesondere zur für Zahlungseingänge auf Bankkonten entwickelten sog. „Bodensatztheorie“ vgl. Gottwald/Adolphsen, § 41 Rn. 28 ff. m.w.N.
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Abs. 1 Nr. 1 oder 3 InsO angesehen.60 Im Fall einer Verfahrenseinstellung mangels Masse oder wegen Masseunzulänglichkeit versagt der Schutz dieser Konstruktion demnach, da der Versicherte dann gem. §§ 207 ff. InsO ganz oder teilweise mit seiner Masseforderung ausfällt. Die insolvenzrechtliche Abwicklung im Dreiecksverhältnis bedeutet damit für den Versicherten stets das Risiko des Verlusts der Versicherungsleistung. d) Eingeschränktes Interesse des Versicherers an einer Abwicklung im Dreiecksverhältnis im Insolvenzfall Aber auch das Interesse des Versicherers an der Abwicklung im Dreiecksverhältnis – das außerhalb des Insolvenzverfahrens ein maßgebliches Motiv für die Trennung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis darstellt61 – ist in der Insolvenz des Versicherungsnehmers üblicherweise durchaus abgeschwächt. Das Bedürfnis des Versicherers nach Schutz vor einer Inanspruchnahme durch ihm unbekannte Forderungsprätendenten besteht zwar grundsätzlich fort. Jedoch stellt sich auch die alleinige Inanspruchnahme durch den Versicherungsnehmer aus seiner Perspektive nicht länger als ideal dar. Kommt es hinsichtlich der Versicherungsdeckung zum Rechtsstreit mit der Insolvenzmasse, sieht sich der Versicherer nämlich mit einem signifikant erhöhten Prozesskostenrisiko konfrontiert. Zwar wäre der Versicherer im Falle einer erfolgreichen Prozessführung hinsichtlich der Erstattung der angefallenen Kosten gem. § 55 Abs. 1 Alt. 1 InsO Massegläubiger. Wenn man aber bedenkt, dass die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Massearmut nach wie vor keine Seltenheit ist, bestünde für den Versicherer immer noch ein erhebliches Risiko des Forderungsausfalls. Es wird für den Versicherer deshalb nicht selten vorzugswürdig erscheinen, sich im Prozess dem im Zweifel noch solventen Versicherten gegenüberzusehen. Soweit es sich bei dem Versicherungsnehmer um eine vermögenslose GmbH handelt, wird aus diesem Grund teilweise bereits eine Abkehr von der Abwicklung im Dreiecksverhältnis gefordert.62 e) Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben erhebliche Kritikpunkte an der Abwicklung im Dreiecksverhältnis zutage gefördert, deren Gesamtschau erhellt, dass dieser Abwicklungsmodus mit den Grundwertungen und Regelungen des geltenden Insolvenzrechts nicht vereinbar ist und letztlich auch den Interes60
Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 93; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 107; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 314. 61 S. o. sub A. III. 62 Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 45 Rn. 5; a.A. OLG Hamm NJW-RR 1996, 1375, 1376.
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sen der Beteiligten nicht gerecht wird: Die Insolvenzmasse wird durch diesen Abwicklungsmodus in verfassungswidriger Weise mit den Kosten einer Forderungseinziehung belastet, die für sie keinerlei Gewinn generieren kann, der Versicherte läuft Gefahr, die Versicherungsleistung zu verlieren, und der Versicherer sieht sich zwangsweise einem insolventen Prozessgegner ausgesetzt. Angesichts dieser Schwächen sollte die Abwicklung im Dreiecksverhältnis in der Insolvenz des Versicherungsnehmers künftig aufgegeben werden. Stattdessen sollte der Versicherte grundsätzlich in die Lage versetzt werden, die Versicherungsleistung selbst unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen. Freilich müssen hierbei auch die Interessen der Insolvenzmasse und des Versicherers hinreichend Berücksichtigung finden. Ausnahmsweise muss deshalb dem Insolvenzverwalter die Einziehungsbefugnis zustehen, wenn die Insolvenzmasse gem. § 46 VVG ein eigenes Interesse an der Realisierung der Versicherungsforderung hat. Zugunsten des Versicherers muss zudem sichergestellt werden, dass er sich nicht einer Inanspruchnahme durch eine Vielzahl ihm unbekannter Prätendenten ausgesetzt sieht, deren Berechtigung er nicht verlässlich prüfen kann. 3. Alternativkonzeption: unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten Eine alternative Konzeption, die die soeben beschriebenen Anforderungen erfüllt, erfordert nach dem hier vertretenen Standpunkt nicht etwa eine Modifikation der gesetzlichen Regelungen de lege ferenda, sondern lässt sich bereits de lege lata konstruieren. Hierbei müssen aber zunächst die zwischen den Beteiligten der Versicherung für fremde Rechnung bestehenden materiellen Rechtsverhältnisse noch einmal genauer betrachtet werden. Die Ungereimtheiten in der bisherigen insolvenzrechtlichen Behandlung dieser Versicherungsform beruhen nicht zuletzt auch darauf, dass diese Rechtsverhältnisse bislang dogmatisch noch nicht hinreichend durchdrungen sind und sämtliche insolvenzrechtliche Konstruktionen in diesem Bereich deshalb auf tönernen Füßen stehen. a) Kritische Betrachtung des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Insbesondere das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem wurde in der Versicherungsrechtswissenschaft bislang eher nachlässig behandelt. Wie bereits dargestellt wurde, beschränken sich die heutigen Ausführungen zu diesem Rechtsverhältnis zumeist auf die apodiktische Feststellung, dass es sich hierbei um ein gesetzliches Treuhandverhältnis eigener Art handele, aufgrund dessen der Versicherte vom Versicherungsnehmer die Auskehr der Versicherungsleistung verlangen könne. Neben der mangelnden Begründung dieser rechtlichen Qualifikation als Treuhandverhältnis muss
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besonders verwundern, dass aus ihr bisher kaum Folgen für den Schutz des Versicherten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers gezogen wurden. Der Vollstreckungsschutz ist ein prägendes Element des Treuhandrechts, das die historische Genese dieser Rechtsfigur seit ihrer Entstehung am Ende des 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusste.63 Eine der zentralen Rechtswirkungen des Treuhandverhältnisses ist es dementsprechend, in der Insolvenz des Treuhänders zugunsten des Treugebers ein Aussonderungsrecht am Treugut zu begründen.64 Vor diesem Hintergrund mutet es ausgesprochen seltsam an, dass dem nach h.M. zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bestehenden Treuhandverhältnis für die insolvenzrechtliche Stellung des Letztgenannten bislang kaum65 Bedeutung beigemessen wurde. Dieser Umstand gibt zu Zweifeln Anlass, ob es sich hierbei überhaupt um ein „echtes“ Treuhandverhältnis handelt. Will man die Rechtsstellung des Versicherten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers richtig erfassen, kann diese Frage nicht unbeantwortet bleiben. Im Folgenden muss das Valutaverhältnis deshalb einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden, die sich nicht scheut auch vermeintliche Gewissheiten infrage zu stellen. Wie bereits dargestellt wurde, hat das Valutaverhältnis abgesehen von der punktuellen Regelung des § 46 S. 2 VVG keine nähere gesetzliche Regelung erfahren. Die rechtliche Einordnung und Ausgestaltung des Valutaverhältnisses ist damit grundsätzlich Rechtsprechung und Lehre überlassen. In den nunmehr über 100 Jahren seit Schaffung des VVG dominierten hierzu sukzessive verschiedene Ansichten. Bevor diese historische Entwicklung im Einzelnen nachgezeichnet wird, sollen jedoch zunächst die rechtlichen Grundprinzipien aufgezeigt werden, die das Verhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer maßgeblich determinieren müssen. aa) Determinanten des Valutaverhältnisses Das Valutaverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer ist in seiner Ausgestaltung nicht der Beliebigkeit anheimgestellt. Vielmehr wird es durch bestimmte Rechtsprinzipien maßgeblich vorgeprägt. Zu nennen ist hier zunächst die versicherungstypische Bindung der Versicherungsleistung an das versicherte Interesse.66 Nicht nur fordert dieses Prinzip, dass die Versi63
Ausführlich und kritisch zu dieser auf die Vollstreckungsproblematik fokussierten Genese des deutschen Treuhandrechts Löhnig, Treuhand, S. 13 ff. m.N. 64 Vgl. Assfalg, Die Behandlung von Treugut im Konkurse des Treuhänders, S. 1, 123. Nach Bing, Die fiduziarischen Rechtsgeschäfte, S. 16 sind gar „alle Theorien, die über das Wesen des fiduziarischen Rechtsgeschäfts entstanden sind, auf die [...] Aussonderung fiduziarisch übertragener Werte im Konkurs des Treuhänders“ zugeschnitten, zustimmend Löhnig, Treuhand, S. 47 f. 65 Eine Ausnahme bildet das Urteil des OLG Celle VersR 1953, 489, hierzu noch vertiefend unten sub bb) (3). 66 Hierzu ausführlich oben sub § 4.
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cherungsforderung dem Träger des versicherten Interesses zugeordnet wird. Aus ihm ergibt sich vielmehr folgerichtig auch, dass der Versicherungsnehmer die von ihm eingezogene Entschädigung nicht behalten darf, sondern ebenfalls an den Versicherten auszukehren hat. Der Anspruch des Versicherten gegen den Versicherungsnehmer auf Auskehr der Versicherungsleistung ist mithin essentieller Bestandteil des Valutaverhältnisses.67 Auf der anderen Seite muss die rechtliche Ausgestaltung des Valutaverhältnisses aber auch den Interessen des Versicherungsnehmers Tribut zollen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Privatautonomie des Versicherungsnehmers. Es darf ob des drittschützenden Charakters der Versicherung für fremde Rechnung nicht in Vergessenheit geraten, dass der Versicherungsnehmer – wenn er nicht gesetzlich oder vertraglich zur Unterhaltung entsprechenden Versicherungsschutzes verpflichtet ist – den Versicherungsvertrag freiwillig abschließt. Ist der Versicherungsnehmer aber in der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages ungebunden, so muss er auch hinsichtlich der Ausgestaltung und der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes von rechtlichen Bindungen grundsätzlich frei bleiben. Wo allerdings berechtigte Interessen des Versicherten tangiert werden, ist ein angemessener Ausgleich zwischen diesen und der Privatautonomie des Versicherungsnehmers herzustellen. Eine solche Interessenkollision kann insbesondere hinsichtlich der Einziehung der Versicherungsforderung entstehen. Zwar muss der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung zwingend an den Versicherten abführen, wenn er sie erst einmal eingezogen hat. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob er die Versicherungsleistung auch wirklich einziehen muss. Gestützt auf die Überlegung, dass der Versicherte keinen Anspruch auf den Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer hatte, könnte man insoweit zunächst geneigt sein, anzunehmen, dass er auch hinsichtlich der Einziehung der Versicherungsleistung gänzlich der privatautonomen Entscheidung des Versicherungsnehmers ausgeliefert ist. Ein solches Ergebnis erscheint indes unbillig. Infolge des Versicherungsfalls hat der Versicherungsnehmer eine Versicherungsforderung erlangt, zugunsten des Versicherten steht also eine Entschädigungsleistung bereit. Es ist nicht recht einzusehen, warum der Versicherungsnehmer dazu berechtigt sein sollte, dem Versicherten diese Entschädigungsleistung willkürlich vorzuenthalten. Andererseits kann der Versicherungsnehmer durchaus gute Gründe dafür haben, die Versicherungsleistung nicht einziehen zu wollen. So mag er im Bereich der Sach- und Haftpflichtversicherung befürchten, dass der Versicherer infolge der Geltendmachung der Versicherungsforderung von seinem Sonderkündigungsrecht aus §§ 92, 111 VVG Gebrauch macht. Auch können Rabattver67
Vgl. hierzu BGH NJW 1960, 912, 913; 1973, 1368 („Die Rechtsordnung läßt eine Spekulation mit dem Leben und der Gesundheit anderer hinter deren Rücken nicht zu“); Enge, Der Anspruch der Insassen in der Kraftfahr-Unfallversicherung, S. 79.
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luste zu besorgen sein.68 Eine adäquate rechtliche Ausgestaltung des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem steht vor der Herausforderung, all diese widerstreitenden Interessen hinreichend zu berücksichtigen und die Einziehungspflicht des Versicherungsnehmers von den konkreten Umständen der individuellen Fallgestaltung abhängig zu machen. bb) Historische Entwicklung des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem Es wurde bereits angesprochen, dass in der Vergangenheit verschiedene Versuche unternommen wurden, dem Valutaverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer ein rechtliches Gepräge zu geben, das die genannten Determinanten hinreichend berücksichtigt. (1) Rein bürgerlichrechtliche Betrachtung des Valutaverhältnisses – Geschäftsführung ohne Auftrag als Auffanglösung Nach Inkrafttreten des VVG ging man zunächst davon aus, dass das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem – mit Ausnahme der punktuellen Regelung des § 77 VVG a.F. (heute § 46 VVG) – keine versicherungsrechtsspezifische Ausgestaltung erfuhr, sondern sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts zu richten habe.69 Soweit zwischen den Parteien ein vertragliches Verhältnis mit Bezug zu der betreffenden Versicherung bestand, sollte sich ihr Verhältnis hiernach richten. Für die (praktisch häufigen) Fälle, in denen ein solches vertragliches Verhältnis zwischen den Parteien nicht bestand, sollten dagegen die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag als eine Art Auffanglösung eingreifen.70 Da der Abschluss der Versicherung regelmäßig – insbesondere bei branchenüblichen Versicherungen wie Lagerversicherungen, etc. – im Interesse und entsprechend dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Versicherten erfolgte, konnte dieser zumeist als berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eingestuft werden. Der für das Valutaverhältnis essentielle Anspruch des Versicherten auf Auskehr der eingezogenen Versicherungsleistung ergab sich
68
Vgl. zu diesen aus der Inanspruchnahme des Versicherers potentiell resultierenden Nachteilen BGH NJW 1975, 1273, 1275; Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 12. 69 Gerhard/Hagen et al., §§ 75, 76 Anm. 1. 70 Gerhard/Hagen et al., §§ 75, 76 Anm. 1; Ruscher, Die Besonderheiten des Versicherungsanspruchs bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 69 ff.; Millauer, Rechtsgrundsätze der Gruppenversicherung, S. 81; Trautmann, Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 64 ff.; a.A. Haymann, VA 1937, 119, 124.
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dementsprechend aus den §§ 667, 677, 681 S. 2 BGB. Dieser Lösung schloss sich zunächst auch die Rechtsprechung an.71 Jedoch wurde die Überzeugungskraft dieser Konzeption in der Folge in Literatur und Rechtsprechung zunehmend in Zweifel gezogen.72 Die Kritik kristallisierte sich insbesondere an der praktisch besonders relevanten KfzInsassenunfallversicherung.73 Hier wurde verstärkt hinterfragt, ob der Versicherungsnehmer durch den Abschluss der Unfallversicherung denn tatsächlich ein Geschäft der späteren Insassen führen will oder nicht eher im Sinn hat, in ausschließlich eigenem Interesse einen zusätzlichen Versicherungsschutz für die mit dem Betrieb des Kfz verbundenen Gefahren zu schaffen. Tiefere Wurzel dieser Bedenken ist die Sorge, dass die durch eine Geschäftsführung ohne Auftrag entstehenden rechtlichen Bindungen die Privatautonomie des Versicherungsnehmers übermäßig beeinträchtigen könnten. Es sei nicht angemessen, den Versicherungsnehmer, der zum Abschluss der Versicherung nicht verpflichtet war, in Bezug auf die Verwaltung des Versicherungsvertrags den besonderen Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung ohne Auftrag zu unterwerfen und ihn hierdurch beispielsweise zur Erfüllung der versicherungsvertraglichen Obliegenheiten zu verpflichten. Auch könne nicht angenommen werden, dass sich der Versicherungsnehmer zur Fortführung des freiwillig abgeschlossenen Versicherungsvertrages oder zur Anzeige desselben gegenüber dem Versicherten (vgl. § 681 S. 1 BGB) verpflichten wollte.74 Aus diesen Gründen gab der BGH die Einordnung des Valutaverhältnisses als Fall der Geschäftsführung ohne Auftrag 1975 in einer Grundsatzentscheidung endgültig auf.75
71
BGHZ 32, 44, 51 ff. (zur Fremd-Unfallversicherung); LG Berlin VersR 1955, 166 f.; LG Kassel VersR 1955, 268. 72 Vgl. BGH NJW 1973, 1368 f.; Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl., S. 323; Marschall von Bieberstein, Reflexschäden und Regreßrechte, S. 257 f. 73 Zu dieser Zeit waren die Regelungen über die Versicherung für fremde Rechnung auf die Fremd-Unfallversicherung gem. § 179 Abs. 2 S. 2 VVG a.F. lediglich entsprechend anwendbar, da diese als Summenversicherung nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 75 ff. VVG a.F. fiel. Mit der Verlagerung der Vorschriften über die Versicherung für fremde Rechnung in den allgemeinen Teil des VVG durch die VVG-Reform 2008 finden diese nun aber auch auf die Fremd-Unfallversicherung unmittelbare Anwendung, vgl. hierzu BT-Drucks. 16/3945, S. 107 zu § 179 Abs. 2; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 43 Rn. 7 ff. 74 Zum Ganzen BGHZ 64, 260, 263 f.; Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 141 f. 75 BGHZ 64, 260, 262 ff.
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(2) Entwicklung der Konzeption eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses eigener Art Es stellte sich damit freilich die Frage, welches Rechtsverhältnis an Stelle der Geschäftsführung ohne Auftrag treten sollte, um das Valutaverhältnis rechtlich zu konturieren. Vorschläge aus der Literatur, das Valutaverhältnis bereicherungsrechtlich aufzufassen 76 oder dem Versicherten in Ermangelung entsprechender vertraglicher Abreden einen Anspruch auf Auskehr der Versicherungsleistung gänzlich zu versagen77, konnten sich insoweit zu Recht nicht durchsetzen. Der BGH nahm vielmehr den bereits beschriebenen Ansatz auf, wonach es sich beim Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem um ein gesetzliches Treuhandverhältnis eigener Art handele.78 Die Genese dieses Konstrukts stellt sich in der Retrospektive indes weniger als ganzheitlicher und rechtsfolgenorientierter Schöpfungsakt, sondern vielmehr als stark zufallsgetriebene Entwicklung dar. Diese Entwicklungsgeschichte mag zugleich erklären, warum dem Treuhandverhältnis für die insolvenzrechtliche Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung bislang kaum Bedeutung beigemessen wurde. In den Motiven zum VVG findet ein Treuhandverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem keinerlei Erwähnung.79 Von einer gewissen Bedeutung für die spätere Annahme eines solchen Treuhandverhältnisses mag aber eine darin enthaltene Formulierung gewesen sein, wonach die Versicherung für fremde Rechnung aufgrund des „ausgedehnten Verfügungsrecht[s]“ des Versicherungsnehmers voraussetze, „daß der Versicherte dem Versicherungsnehmer Vertrauen entgegenbringt“.80 Bemerkenswert ist jedoch die Folgerung, die die Gesetzesbegründung aus dieser Feststellung zieht. Diese schließt von dem besonderen Vertrauensverhältnis nicht etwa auf eine besondere (treuhänderische) Bindung des Versicherungsnehmers, sondern verweist den Versicherten für den Fall, dass jener dem Versicherungsnehmer das erforderliche Vertrauen nicht entgegenbringen kann, schlicht auf die Möglichkeit, die Versicherung in eigenem Namen abzuschließen.81 Soweit ersichtlich wird das Valutaverhältnis zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer erstmals 1905 von Konrad Schneider als ein der „Fiducia“ ähnliches Rechtsverhältnis eingeordnet.82 Diese Ansicht entwickelte 76
Möller, VersR 1950, 81, 82; Haymann, VA 1937, 119, 124. E. Hofmann, VersR 1960, 97, 101. 78 BGHZ 64, 260, 264 ff. 79 Motive zum VVG, S. 146 ff. 80 Motive zum VVG, S. 149. 81 Motive zum VVG, S. 149. 82 K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230, 246 (auf Grundlage des Gesetzesentwurfs zum VVG). Vgl. aber auch v. d. Thüsen, in: Rechtsfragen der Individualversicherung, S. 258, 260, der „das Verdienst“ der Qualifikation des Valutaverhältnisses als Treuhandverhältnis Prölss zuspricht, hierzu sogleich. 77
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Schneider jedoch auf Grundlage einer ganz eigenen Konzeption der Versicherung für fremde Rechnung, die sich in der Folge zu Recht nicht durchzusetzen vermochte. Demnach sollte der Versicherungsnehmer in seiner Rechtsstellung nicht auf die bloße Einziehungs- und Verfügungsermächtigung an der Versicherungsforderung beschränkt bleiben, sondern neben bzw. gemeinsam mit dem Versicherten „das volle Recht aus der Versicherung“ innehaben.83 Dem Versicherungsnehmer stehe dieses Recht aber nur rechtlich, nicht auch wirtschaftlich zu, womit die Parallele zur Treuhand gegeben sei. Welche Rechtsfolgen Schneider mit der von ihm vorgenommenen Qualifikation als Treuhandverhältnis verbindet, wird indes nicht ganz deutlich. Er nennt in diesem Zusammenhang aber bereits die Pflicht des Versicherungsnehmers, die eingezogene Versicherungsleistung an den Versicherten auszukehren.84 Hinsichtlich der Stellung des Versicherten im Konkurs des Versicherungsnehmers stellt Schneider fest, dass der Versicherte zur Aussonderung der Versicherungsforderung berechtigt sei.85 Dieses Recht ergibt sich aber auch nach seinen Ausführungen nicht erst aus der Stellung als Treugeber, sondern bereits daraus, dass das VVG die Versicherungsforderung dem Versicherten zuordne.86 Nach Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherungsnehmer spricht Schneider dem Treuhandverhältnis dagegen keine Wirkung mehr zu. Der Versicherte könne seinen Anspruch auf Auskehrung des Erlöses dann nur noch als „Masseschuld“ geltend machen.87 Soweit ersichtlich stießen die Ausführungen Schneiders allerdings auf keine große Resonanz. In der Folgezeit spielte die Konzeption eines Treuhandverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem im rechtswissenschaftlichen Diskurs vorerst keine nennenswerte Rolle mehr.88 Erst Prölss nahm diesen Gedanken knapp 50 Jahre später (bewusst oder unbewusst) wieder auf, indem er das Valutaverhältnis in seiner Kommentierung des VVG als
83
K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230 ff., 246. K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230, 246. 85 K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230, 246, vgl. aber auch 239 („Absonderung“). 86 K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230, 238 f., 246. 87 K. Schneider, ZVersWiss 1905, 230, 239. 88 Vgl. z.B. Lenné, Das Versicherungsgeschäft für fremde Rechnung, S. 156 f., 189 ff., der die Einordnung als Treuhandverhältnis oder Fiducia als „irreführend“ abweist; Rodiek, Der Versicherungsanspruch im Falle der Versicherung für fremde Rechnung, S. 53, 57, der zwar die Wendung der Motive vom besonderen „Vertrauensverhältnis“ zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer wieder aufnimmt, die wesentlichen Rechtsfolgen für das Valutaverhältnis aber entsprechend der damals h.M. aus dem jeweiligen bürgerlichrechtlichen Verhältnis (Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag) entnehmen möchte; Hager/Bruck, § 74 Anm. 1, wonach das Valutaverhältnis sich insbesondere auf Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag gründen, aber auch ganz fehlen könne und versicherungsrechtlich „belanglos“ sei. 84
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„eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis“ einordnete.89 Noch weniger als vor ihm Schneider verband er jedoch mit dieser rechtsdogmatischen Einordnung spezifische Rechtsfolgen. Im Zusammenhang mit der Annahme eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses werden in der Kommentierung lediglich die sich bereits aus dem Gesetz ergebenden Regelungen des Deckungsverhältnisses dargestellt, wonach dem Versicherungsnehmer alle vertraglichen Gestaltungsrechte zustehen und dieser bei der Schadensfeststellung mitwirken, Prozesse führen, sich mit dem Versicherer vergleichen und auf die Forderung verzichten kann.90 Im Hinblick auf die hier interessierende Problematik des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bleibt Prölss dagegen bei der damals vorherrschenden Ansicht, dass sich dieses Verhältnis nach dem allgemeinen bürgerlichem Recht richte, also nach den zwischen den Parteien bestehenden Vertragsbeziehungen oder aber subsidiär nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag.91 Die Einordnung des Valutaverhältnisses durch Prölss war demnach wohl weniger rechtsfolgenorientiert ausgerichtet als viel eher darauf angelegt, das Erscheinungsbild der Trennung von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis deskriptiv zu erfassen. Originäre Rechtsfolgen leitete dann aber das OLG Celle in einem 1953 ergangenen Urteil aus der Einordnung des Valutaverhältnisses als Treuhandverhältnis ab.92 Unter Inbezugnahme der Kommentierung von Prölss stellte das Gericht fest, dass die Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers treuhänderisch gebunden sei und dementsprechend auch die eingezogene Entschädigungsleistung derselben Treuhandbindung unterliegen müsse. Dem Versicherten komme deshalb im Konkurs des Versicherungsnehmers ein selbständiges Aussonderungsrecht zu und nicht lediglich ein Recht zur Ersatzaussonderung dieser Entschädigung. Während die Aussagen des Gerichts zur Aussonderungsfähigkeit der Entschädigung in der Folge kaum noch Beachtung erlangen konnten,93 fand die zugrundeliegende Annahme eines dem Treuhandverhältnis entstammenden Anspruchs des Versicherten auf Auskehr 89
Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 7. Aufl., § 76 Anm. 1; den Gedanken griffen daraufhin zahlreiche Autoren auf, unter anderem Raiser, VersR 1954, 201, 203; Thiel, VersR 1955, 726, 731; Schwan, Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenunfallversicherung, S. 79 ff. 90 Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 7. Aufl., § 76 Anm. 1. 91 Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 7. Aufl., § 77 Anm. 1. 92 OLG Celle VersR 1953, 489. 93 Ausnahmen bilden insoweit die zustimmenden Ausführungen bei OLG Düsseldorf NJW 1986, 62, 63; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 36; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 2; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 45 Rn. 15 a.E.; Schwan, Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenversicherung, S. 81 ff.; 91 f.; sowie die ablehnenden Ausführungen bei Gundlach, DZWIR 2000, 309, 311; hierzu noch vertiefend unten sub dd) (2) (c) (bb).
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der Entschädigung zunehmend Eingang in die Literatur.94 Auch der österreichische OGH ordnete das Valutaverhältnis in einer 1955 ergangenen Entscheidung als gesetzliches Treuhandverhältnis ein und leitete aus diesem den Anspruch des Versicherten auf Erlösauskehr ab.95 In Deutschland gelang dieser Konzeption der endgültige Durchbruch jedoch erst im Jahr 1975, als der BGH sie seiner bereits erwähnten Grundsatzentscheidung zugrunde legte. Seitdem entspricht die Einordnung des Valutaverhältnisses als gesetzliches Treuhandverhältnis hierzulande nicht nur ständiger Rechtsprechung, sondern auch der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur. 96 Dieses Treuhandverhältnis wurde jedoch entgegen der üblichen Tendenz des Treuhandrechts gerade nicht mit Blick auf dessen vollstreckungsrechtliche Wirkungen konstruiert, sondern diente ursprünglich lediglich der begrifflichen Einfassung des eigenartigen Valutaverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer. Wohl aus diesem Grunde hat das Treuhandverhältnis lediglich hinsichtlich der allgemein zwischen den beiden Parteien bestehenden Rechten und Pflichten Bedeutung erlangt, nicht jedoch im Hinblick auf den insolvenzrechtlichen Schutz des Versicherten. cc) Rechtsfolgen des gesetzlichen Treuhandverhältnisses nach heute h.M. Die heute ganz h.M. steht auf dem Standpunkt, dass aus dem gesetzlichen Treuhandverhältnis alle für das Valutaverhältnis relevanten Rechtsfolgen abzuleiten seien. Insbesondere die zentrale Verpflichtung des Versicherungsnehmers, die Versicherungsleistung dem Versicherten zukommen zu lassen, fließe unmittelbar aus diesem Treuhandverhältnis. Einem eventuell zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer bestehenden vertraglichen Rechtsverhältnis komme dagegen höchstens modifizierende Wirkung zu.97 Es werden zwei voneinander zu trennende Rechtspflichten des Versicherungsnehmers ausgemacht: zum einen die Pflicht, die Versicherungsforderung einzuziehen und zum anderen die Pflicht, den hieraus resultierenden Erlös an den
94
Vorsichtig noch Esser, Schuldrecht II, 4. Aufl., S. 323 f. Fn. 4; dezidiert bereits Enge, Der Anspruch des Insassen in der Kraftfahr-Unfallversicherung, S. 29 ff., 79 f. 95 OGH VersRdsch 1956, 109 ff. 96 BGHZ 64, 260, 264; BGH NJW 1991, 3031, 3032; 1998, 2357, 2358; OLG Köln VersR 1990, 847; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 111; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 6 f. und 12; Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 3; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 733; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 17 Rn. 11; Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 57 f.; Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 151 ff.; nicht ganz eindeutig dagegen Deutsch/Iversen, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 103. 97 BGHZ 113, 151, 154; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 6; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 6.
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Versicherten auszukehren.98 Während über die letztere Pflicht entsprechend den oben dargestellten versicherungsrechtlichen Grundsätzen Einigkeit besteht, wird die Pflicht zur Einziehung der Versicherungsforderung differenzierter betrachtet.99 Unbestritten ist wohl, dass der Versicherungsnehmer jedenfalls dann zur Einziehung der Versicherungsleistung verpflichtet ist, wenn er bereits gesetzlich oder vertraglich zum Abschluss der Versicherung für fremde Rechnung verpflichtet war.100 Mit Blick auf eine freiwillig eingegangene Versicherung für fremde Rechnung wird eine solche Pflicht vor dem Hintergrund der Privatautonomie des Versicherungsnehmers indes sehr viel kritischer gesehen. Teilweise wurde in der Vergangenheit gar angenommen, dass abseits gesetzlicher oder vertraglicher Pflichten zur Unterhaltung der Versicherung aus dem Treuhandverhältnis selbst keine Pflicht zur Einziehung der Versicherungsforderung abgeleitet werden könne.101 Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage bislang allerdings noch nicht abschließend geäußert. Der BGH hat lediglich festgestellt, dass eine Pflicht des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsleistung jedenfalls dann nicht bestehe, wenn der Versicherte einen anderen, sicher realisierbaren Anspruch gegen einen Dritten (bspw. einen Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung) hat. Teilweise wird hieraus gefolgert, dass stets eine Interessenabwägung vorzunehmen sei, um festzustellen, ob eine Einziehungspflicht besteht. Zu berücksichtigen seien hierbei die bereits skizzierten Nachteile, welche die Einziehung der Versicherungsforderung für den Versicherungsnehmer nach sich ziehen kann, namentlich mögliche Kündigungsrechte des Versicherers und zu besorgende Rabattverluste. Nur wenn das Interesse des Versicherten an der Versicherungsleistung diese Nachteile überwiege, sei eine Pflicht des Versi-
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Vgl. BGHZ 64, 260, 264; BGH NJW 1991, 3031, 3032; 1998, 2357, 2358; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 46 Rn. 6; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 111; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 6 f. und 12; Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 5. 99 Brand geht dagegen davon aus, dass der Versicherungsnehmer stets zur Einziehung der Versicherungsleistung verpflichtet ist. Eine Ausnahme soll nur für den Fall einer im Auftrag eines anderen genommenen Versicherung für Rechnung wen es angeht gelten, Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 12. 100 Vgl. BGHZ 113, 151, 155; BGH VersR 2011, 1435, 1436 (beide Urteile zur gem. § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO obligatorischen Vertrauensschadensversicherung der Notarkammer); Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 9; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 13; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 16; Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 160. 101 So noch Looschelders/Pohlmann/Koch, 1. Aufl., § 46 Rn. 10; differenzierter dann in der Folgeauflage unter expliziter Aufgabe der bisherigen Ansicht, Rn. 14.
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cherungsnehmers zur Einziehung anzunehmen.102 Die Rechtsprechung scheint dagegen der Haltung zuzuneigen, dass der Versicherungsnehmer im Falle einer freiwilligen Versicherung generell nicht zur Einziehung der Versicherungsleistung verpflichtet sei, der Versicherte aber dann, wenn der Versicherungsnehmer kein berechtigtes Interesse an der Nichtdurchsetzung der Versicherungsforderung hat, selbst unmittelbar gegen den Versicherer vorgehen könne.103 Einer normativen Grundlage entbehren freilich alle der genannten Ansichten. dd) Dekonstruktion: Trennung zwischen schuldrechtlicher Einordnung des Valutaverhältnisses und der Frage nach dessen Treuhandcharakter Der Blick auf die historische Genese hat offenbart, dass die Konzeption des gesetzlichen Treuhandverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer weitestgehend ohne Rücksicht auf die in der treuhandrechtlichen Dogmatik entwickelten Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Rechtsinstituts geschaffen wurde. Sie ist vielmehr das Resultat einer rein begrifflichen Einordnung des Valutaverhältnisses. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Konzeption hinsichtlich der aus ihr entspringenden Rechtsfolgen an erheblichen Unklarheiten leidet. Um diesem Zustand abzuhelfen und hier die notwendige Klarheit zurück zu gewinnen, ist es zunächst notwendig, den Begriff der Treuhand auf dessen rechtsdogmatischen Kern zurückzuführen. Hierdurch wird erhellt, dass aus diesem Begriff im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung derzeit Rechtsfolgen abgeleitet werden, die seinem Wesen nicht entsprechen. Die Entwicklung des deutschen Treuhandrechts wurde in der Vergangenheit maßgeblich durch drei zentrale Rechtsfragen bestimmt: Neben der bereits angesprochenen Problematik des Vollstreckungsschutzes des Treugebers sind dies der Schutz des Treugebers vor treuwidrigen Verfügungen des Treuhänders und die Frage der Aufrechnung sowie der Geltendmachung von Einwendungen durch Schuldner des Treuhänders gegenüber dem Treugeber.104 Gemeinsamer Nenner dieser drei Problemkreise ist die Frage, inwieweit ein bestehendes, im Ausgangspunkt rein schuldrechtlich strukturiertes Rechtsverhältnis unter bestimmten Umständen ungeachtet der ihm inhärenten Relativität Wirkungen gegenüber Dritten (in gewisser Weise also dingliche oder „quasi-dingliche“ Wirkungen105) zeitigen kann. Die Frage nach dem Bestehen eines schuldrechtlichen Verhältnisses und dessen Einordnung als Treuhand102 Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 5, 14; ähnlich Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 12; Langheid/Rixecker, § 46 Rn. 12; Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 160 ff. 103 Vgl. BGH NJW 1998, 2449, 2450. 104 Vgl. hierzu Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 8 ff. 105 Vgl. Canaris, FS Flume I, S. 372, 410 f. m.w.N.
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verhältnis betreffen folglich zwei unterschiedliche, dogmatisch klar zu trennende Ebenen: Die rein schuldrechtliche Ebene regelt die Ansprüche und Pflichten der Parteien untereinander, während die treuhandrechtliche Ebene die Frage betrifft, ob diesen Rechten und Pflichten eine Wirkung gegenüber Dritten zukommt.106 Wenn die h.M. nun aber aus der Einordnung des Valutaverhältnisses als Treuhandverhältnis schuldrechtliche Ansprüche des Versicherten gegen den Versicherungsnehmer ableitet, so wird diese Rechtsfigur zur Schaffung für Rechtsfolgen herangezogen, für die sie nicht konzipiert ist.107 Umgekehrt wird hierdurch ein Treuhandverhältnis konstatiert, ohne 106 Vgl. hierzu RGZ 59, 190, 191 f. („Die Zession zur Sicherheit enthält begrifflich einen Auftrag und begründet ein Treuhandverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar.“); BGHZ 32, 67, 69 f. („Der zwischen den Parteien abgeschlossene Treuhandvertrag unterscheidet sich danach nicht von ähnlichen Treuhandverhältnissen […]. Dort hat die Rechtsprechung den Treuhänder zutreffend für verpflichtet erachtet, die Interessen der Zedenten wahrzunehmen, die abgetretene Forderung ordnungsmäßig beizutreiben und so gut, wie möglich, zu verwerten. Diese Pflicht hat sie dem zwischen den Beteiligten bestehenden Auftragsverhältnis oder […] einem entsprechenden Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) entnommen.“); BGH WM 1969, 935 („Einen typischen Treuhandvertrag, der sich nach bestimmten Regeln richtet, gibt es nicht. Die Rechtsbeziehungen müssen vielmehr nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem zugrunde liegenden Auftrag [...] bestimmt werden.“) und Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 355 („In der Regel beruhen die Rechtsverhältnisse zwischen einem Treuhänder und einem Treugeber auf einem Auftrag oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag. […] Der Auftrag begründet aber für sich allein noch kein Treuhandverhältnis. […] Hat der Auftraggeber/Geschäftsherr hingegen dem Beauftragten/Geschäftsbesorger zur Ausführung des Auftrags/Geschäftsbesorgungsvertrags Sachen überlassen oder ihm ein Konto eingerichtet, hat der Herausgabeanspruch des Auftraggebers/Geschäftsherrn aus § 667 Alt. 1, 675 BGB Treuhandcharakter.“). A.A. z.B. Löhnig, Treuhand, S. 115 ff. und passim, der die Treuhand als schuldrechtliche Grundform einordnet und den Treuhandbegriff damit bewusst „sehr weit“ fasst (S. 832). Selbst wenn man aber ein solches schuldrechtliches Verständnis des Treuhandverhältnisses anlegt, erscheint es fragwürdig, aus diesem unmittelbar konkrete schuldrechtliche Rechte und Pflichten der Parteien abzuleiten. Indem Löhnig zahllose verschiedene Schuldverhältnisse unter dem Begriff der Treuhand versammelt, wird dieser auf einer sehr hohen Abstraktionsstufe verortet. Dies mag zum Zwecke der Systematisierung und zum Verständnis bestehender Gemeinsamkeiten sinnvoll sein. Die Ableitung konkreter Ansprüche des Versicherten aus diesem abstrakten Rechtsbegriff – wohlgemerkt ohne jede normative Grundlage! – erscheint jedoch in methodischer Hinsicht letztlich nicht haltbar. Auch Löhnig greift zur Begründung der einzelnen Ansprüche aus dem Treuhandverhältnis in erster Linie auf die gesetzlichen Regelungen des Schuldrechts, insbesondere auf § 675 Abs. 1 BGB zurück, vgl. Löhnig, Treuhand, S. 135 ff. 107 Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 151 ff. versucht dieses Problem zu umgehen, indem sie betont, dass es sich beim Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem um ein gesetzliches Treuhandverhältnis handele, aus dem – im Gegensatz zu vertraglichen Treuhandverhältnissen – auch schuldrechtliche Rechte und Pflichten abgeleitet werden könnten. Auch diese Ansicht verkennt aber, dass es sich bei der Frage nach den schuldrechtlichen Pflichten inter partes und der Frage nach der „quasi-dinglichen“ Wirkung dieser Pflichten erga omnes um zwei ganz
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genauer zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines solchen, die insbesondere mit Blick auf dessen besondere Rechtswirkungen gegenüber Dritten entwickelt wurden, hier vorliegen. Im Folgenden soll deshalb eine klare Trennung zwischen der schuldrechtlichen Einordnung des Valutaverhältnisses und der Frage nach dessen Treuhandcharakter gezogen werden. (1) Das Valutaverhältnis: in Ermangelung eines vertraglichen Schuldverhältnisses Geschäftsführung ohne Auftrag Wenn also aus dem vermeintlichen Treuhandverhältnis schuldrechtliche Rechte und Pflichten der Parteien nicht ableitbar sind, sieht man sich auf die Ausgangsfrage zurückgeworfen, wie das Valutaverhältnis schuldrechtlich zu kategorisieren ist, wenn zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem kein entsprechendes Vertragsverhältnis besteht. Richtigerweise sollte diesbezüglich zur ursprünglichen Konstruktion als Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgekehrt werden. Zwar wurde diese aufgrund der zuvor dargestellten Kritik in Rechtsprechung und Literatur schließlich verworfen. Diese Kritik beruht jedoch einerseits auf einer allzu rigiden Interpretation der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag und lässt andererseits wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht, die für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB sprechen. (a) Die Unbegründetheit der Sorge einer zu weitreichenden Bindung des Versicherungsnehmers durch die §§ 677 ff. BGB Die insbesondere durch den BGH geäußerte Sorge einer zu weitreichenden Bindung des Versicherungsnehmers durch die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB ist im Ergebnis unbegründet. Eine allgemeine Pflicht des Versicherungsnehmers zur Fortführung des freiwillig abgeschlossenen Versicherungsvertrages lässt sich den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gerade nicht entnehmen. Es ist seit langem anerkannt, dass der Geschäftsführer im Grundsatz jederzeit zum Abbruch der Geschäftsführung berechtigt ist.108 Auch unter Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag deshalb ohne Weiteres kündigen. Folgerichtig kann § 677 BGB grundsätzlich auch keine Pflicht des Versicherungsnehmers zur Erfüllung der versicherungsvertraglichen Obliegenheiten entnommen werden. Obliegenheitsverletzungen führen ebenso wie die Auflösung des Versicherungsvertrags zum Wegfall (oder zur Einschränkung) der Versicherungsdeckung, also zum Abbruch der Geschäftsunterschiedliche Probleme handelt, für die auch unterschiedliche Gesichtspunkte maßgeblich sein müssen. 108 So bereits das RG, RGZ 63, 280, 283; vgl. aus der aktuellen Kommentarliteratur nur Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 677 Rn. 118 m.w.N.
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führung. Auch die Sorge des BGH, die Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag hätte eine pauschale Pflicht des Versicherungsnehmers zur Anzeige der Versicherung dem Versicherten gegenüber zur Folge, kann durch eine sachgerechte Auslegung des § 681 S. 1 BGB ausgeräumt werden. Dieser verpflichtet den Geschäftsführer nämlich nur insoweit zur Anzeige, wie eine solche „tunlich“ ist. Gerade in den vom BGH in den Blick genommenen Fällen der Kfz-Insassenunfallversicherung entspricht eine solche Anzeige aber üblicherweise nicht den Gepflogenheiten und ist damit auch nicht tunlich. (b) Sachgerechte Regelung des Valutaverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer durch die §§ 677 ff. BGB Während die an der Geschäftsführung ohne Auftrag als rechtliche Grundlage des Valutaverhältnisses geübte Kritik mithin nicht verfängt, ist auf der anderen Seite positiv festzustellen, dass diese ein adäquates Instrument zur rechtlichen Konturierung des Valutaverhältnisses darstellt. Der Anwendungsbereich der §§ 677 ff. BGB ist durch die Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich eröffnet, da es sich bei dieser aus Sicht des Versicherungsnehmers um ein objektiv fremdes Geschäft handelt.109 Im Versicherungsrecht dient das Kriterium des versicherbaren Interesses als klare Demarkation zwischen den Rechts- und Interessekreisen der einzelnen Personen. Bringt ein Versicherungsnehmer das Interesse eines Anderen unter Versicherungsschutz, so greift der Versicherungsvertrag seinem Inhalt nach in den Interessenkreis des Versicherten ein.110 Besonders augenfällig wird dies an der auf Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag mühelos den §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB zu entnehmenden Pflicht des Versicherungsnehmers, die eingezogene Versicherungsleistung an den Versicherten auszukehren. Aber auch über die Pflicht zur Auskehr der Versicherungsleistung hinaus vermögen die Regelungen der §§ 677 ff. BGB insbesondere im Kernbereich der Versicherung für fremde Rechnung, der Schadensversicherung, einen wichtigen Beitrag zur sachgerechten Regulierung des Valutaverhältnisses zu leisten. Hier besteht ein besonderes Interesse des Versicherten daran, den Versicherungsnehmer bestimmten Bindungen zu unterwerfen. Dieses Interesse resultiert aus dem Umstand, dass der Versicherte im Falle einer bestehenden Versicherung für fremde Rechnung dasselbe Interesse selbst nur noch unter bestimmten Modifikationen versichern kann. Aufgrund des versicherungsrechtlichen Grundsatzes, nach dem die Schadensversicherung streng an das jeweils zu versichernde Interesse gebunden ist, führt die Neben- oder 109
Vgl. zum Tatbestandsmerkmal des objektiv fremden Geschäfts Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 13. 110 Ähnlich auch schon Trautmann, Das Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem bei der Versicherung für fremde Rechnung, S. 65.
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Mehrfachversicherung111 ein und desselben Interesses zu bestimmten, gesetzlich in den §§ 77 ff. VVG normierten Belastungen und Einschränkungen des Versicherungsnehmers. Im vorliegenden Kontext relevant sind insoweit vor allem die Pflicht zur Anzeige der Nebenversicherung gem. § 77 Abs. 1 VVG sowie die besondere gesamtschuldnerische Haftung der Versicherer im Falle der Mehrfachversicherung gem. § 78 Abs. 1 VVG. Wenn nun also der Versicherungsnehmer für Rechnung des Versicherten eine Versicherung über ein bestimmtes Interesse abschließt, hat dies Rechtsfolgen für eine künftig oder bereits zuvor von diesem über dasselbe Interesse abgeschlossene Versicherung. Illustriert werden soll dies anhand des folgenden 112
Beispielsfalls: V hat für sein Kfz bei VR1 eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Aufgrund eines Defekts des Kfz bringt er dieses in die Werkstatt des VN, der für Rechnung seiner Kunden bei VR2 eine Kaskoversicherung für die ihm in Obhut gegebenen Fahrzeuge abgeschlossen hat. Aufgrund leichter Fahrlässigkeit eines Angestellten des VN entsteht ein Schaden von 5.000 € am Kfz des V. Bei isolierter Betrachtung der beiden Versicherungsverträge wäre der Schaden von beiden Versicherungen vollständig gedeckt.
Dass VN in diesem Beispiel durch den Abschluss der Kaskoversicherung für Rechnung des V in dessen Geschäftsbereich eingreift, verdeutlichen die folgenden Überlegungen: Mit Blick auf das Sacherhaltungsinteresse am Kfz liegt eine Neben- und Mehrfachversicherung vor. Unter dem Aspekt der Nebenversicherung begründet dies zunächst eine schadensersatzbewehrte Rechtspflicht des V, die Nebenversicherung gegenüber den Versicherern anzuzeigen, wobei sowohl die Identität des jeweils anderen Versicherers als auch die Versicherungssumme offengelegt werden müssen, § 77 Abs. 1 VVG.113 Diese Informationen wird der Versicherte freilich im Regelfall nur vom Versicherungsnehmer erhalten können. Die Anzeigepflicht gem. § 77 Abs. 1 VVG bedingt damit einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen den Versicherungsnehmer. Hier offenbart sich die Sinnhaftigkeit der Annahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag, da sich aus dieser unproble-
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Zur begrifflichen Unterscheidung von Neben- und Mehrfachversicherung Langheid/Rixecker, § 77 Rn. 3 f. 112 Beispiel nach Bruns, Privatversicherungsrecht, § 20 Rn. 30. 113 Zwar sind in diesem Kontext einige Fragen höchst umstritten, die h.M. geht aber davon aus, dass § 77 Abs. 1 VVG eine echte Rechtspflicht zur Anzeige normiert, Bruck/Möller/Schnepp, § 77 Rn. 68; Langheid/Rixecker, § 77 Rn. 23; Prölss/Martin/Armbrüster, § 77 Rn. 17; Looschelders/Pohlmann/von Koppenfels-Spies, § 77 Rn. 16; Halbach, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 77 Rn. 29; a.A. Bruns, Privatversicherungsrecht, § 20 Rn. 28. Diese Rechtspflicht ist nach h.M. auch dann einschlägig, wenn die mehrfache Versicherung durch eine Konkurrenz von Eigen- und Fremdversicherung entsteht, Bruck/Möller/Schnepp, § 77 Rn. 19; Prölss/Martin/Armbrüster, § 77 Rn. 12; Halbach, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 77 Rn. 23; Looschelders/Pohlmann/von KoppenfelsSpies, § 77 Rn. 8.
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matisch ein entsprechender Auskunftsanspruch ergibt, §§ 681 S. 2, 666 Var. 2 BGB. Einen noch deutlicheren Einfluss auf den Geschäftsbereich des V zeitigt die Versicherung für fremde Rechnung aber dadurch, dass VR1 und VR2 gem. § 78 Abs. 1 VVG gesamtschuldnerisch haften, soweit die Versicherungssummen insgesamt den Versicherungswert übersteigen. Aufgrund dieser gesamtschuldnerischen Haftung können bestimmte, aufgrund der Versicherung für fremde Rechnung gegenüber VR2 vorgenommene Rechtshandlungen gem. § 422 BGB auch gegenüber VR1 Rechtswirkungen entfalten. Dies begründet für V die Gefahr, dass die von VN vorgenommenen Rechtshandlungen seine Rechtsstellung in der von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung beeinträchtigen. Am deutlichsten tritt diese Gefahr zutage, wenn VN die Versicherungsleistung gegenüber VR2 einzieht. Die Leistung des VR2 an VN zeitigt gem. § 422 Abs. 1 S. 1 BGB auch zugunsten von VR1 Erfüllungswirkung. V hat damit keine Möglichkeit mehr, die Versicherungsleistung selbst einzuziehen, obwohl er eine eigene Vollkaskoversicherung für sein Kfz abgeschlossen hatte. Er wird vielmehr darauf verwiesen, die Versicherungsleistung nun von VN herauszuverlangen und trägt damit anstelle des (de facto nahezu inexistenten) Insolvenzrisikos seines Versicherers dasjenige des VN. Doch hiermit hat es noch nicht sein Bewenden. Im hier vorliegenden Fall der Mehrfachversicherung trägt V nämlich auf eigentümliche Weise zusätzlich die Gefahr einer verzögerten Prämienzahlung durch VN. Erfüllt VN seine Prämienschuld nicht rechtzeitig, steht es seinem Versicherer VR2 offen, nach Eintritt des Versicherungsfalls mit der Prämienforderung gegen die Versicherungsforderung des V aufzurechnen. Die mangelnde Gegenseitigkeit der Forderungen hindert die Aufrechnung wegen § 35 VVG nicht.114 Nun könnte man freilich meinen, dass dieser Vorgang die Interessen des V nicht tangiert, da zwar VR2 infolge der Aufrechnung von seiner Leistungspflicht frei wird, dem V aber seine Versicherungsforderung gegen VR1 verbleibe. Jedoch zeitigt auch die Aufrechnung im Gefüge der Gesamtschuld gem. § 422 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BGB Gesamtwirkung, sodass sie beide Versicherungsforderungen – sowohl diejenige aus der Versicherung für fremde Rechnung als auch diejenige aus der Eigenversicherung – zum Erlöschen bringt. V gerät folglich durch jede Verzögerung der Prämienleistung des VN in die Gefahr, die aus der von ihm selbst abgeschlossenen Versicherung entspringende Versicherungsforderung gegen VR1 (teilweise) zu verlieren.115 Dieser Gefahr kann nur durch die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag begegnet werden, die VN gegenüber V gem. § 677 BGB zu einer sorgfältigen 114
Hierzu auch noch unten sub III. 1. Dass die beiden Versicherer jeweils die volle Versicherungsprämie erhalten, die Versicherungsleistung aber insgesamt nur einmal erbracht werden muss, ist eine Eigenart der Mehrfachversicherung, vgl. Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 800. 115
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Führung der Geschäfte und damit zu einer fristgerechten Zahlung der Prämien verpflichten. (c) Pflicht des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsforderung? Eine hinreichend flexible, die Interessen der Beteiligten angemessen in Rechnung stellende Lösung bieten die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch für die Frage, ob der Versicherungsnehmer zur Einziehung der Versicherungsforderung verpflichtet ist. Im Ergebnis übereinstimmend mit der heute schon h.M. lässt sich aus den §§ 677 ff. BGB keine pauschale Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Forderungseinziehung ableiten. Eine solche lässt sich insbesondere nicht der Herausgabepflicht aus §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB entnehmen. Vor der Einziehung der Versicherungsleistung hat der Versicherungsnehmer in dieser Hinsicht nichts erlangt, was er dem Versicherten herauszugeben hätte: Die Versicherungsforderung liegt ohnehin beim Versicherten; die Versicherungsleistung befindet sich noch im Vermögen des Versicherers. Die Einziehung der Versicherungsleistung stellt aber einen essentiellen Teil der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dar. In der Terminologie der Geschäftsführung ohne Auftrag handelt es sich bei der Einziehung der Versicherungsleistung deshalb um die Fortführung der begonnenen Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsführer. Hieraus folgt, dass der Versicherungsnehmer nur dann zur Einziehung der Versicherungsleistung verpflichtet ist, wenn auf ihm eine Pflicht zur Fortsetzung der Geschäftsführung lastet.116 Es wurde bereits festgestellt, dass eine solche Pflicht grundsätzlich nicht besteht. Wie jeder Grundsatz gilt aber auch dieser nicht ausnahmslos. Eine exzeptionelle Pflicht zur Fortführung der Geschäftsführung besteht vielmehr dann, wenn das Interesse des Geschäftsherrn dies gebietet.117 Als maßgebliche Kriterien werden hierbei zumeist die Zumutbarkeit der Geschäftsfortführung für den Geschäftsführer und die durch den Geschäftsabbruch entstehenden Nachteile des Geschäftsherrn genannt.118 Ob dem Versicherten auf dieser Grundlage ein Anspruch gegen den Versicherungsnehmer auf Fortführung der Geschäftsführung durch Einziehung der Versicherungsforderung zukommt, hängt folglich von einer Interessenabwägung im Einzelfall ab.
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Genauer gesagt handelt es sich hierbei um ein und dieselbe Pflicht. Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 677 Rn. 118. 118 Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 677 Rn. 118; Staudinger/Bergmann, § 677 Rn. 22; Erman/Dornis, § 677 Rn. 49; nur auf den Schaden des Geschäftsherrn abstellend Bamberger/Roth/Gehrlein, § 677 Rn. 19; einschränkend Soergel/Beuthien, § 677 Rn. 20. 117
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In die hier vorgefundenen Vorgaben des Rechts der Geschäftsführung ohne Auftrag lassen sich die durch Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze zur Einziehungspflicht des Versicherungsnehmers einfassen und in einer Weise normativ absichern, wie dies vormals nicht möglich war: Hat der Versicherte einen anderweitigen, sicher realisierbaren Anspruch auf Ersatz des infolge des Versicherungsfalls eingetretenen Schadens, so muss ein Anspruch auf Einziehung der Versicherungsforderung ausscheiden, da der Versicherte durch den Geschäftsabbruch keinen Schaden erleidet. Ebenso wenig besteht eine Einziehungspflicht, wenn dem Versicherungsnehmer die Einziehung aufgrund der damit verbundenen Nachteile nicht zumutbar ist. Hat der Versicherte dagegen gerade im Vertrauen auf das Bestehen des Vericherungsschutzes darauf verzichtet, eine eigene Versicherung abzuschließen, muss eine Einziehungspflicht des Versicherungsnehmers grundsätzlich bejaht werden. (d) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen lassen die Geschäftsführung ohne Auftrag als adäquates Instrument zur rechtlichen Konturierung des Valutaverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer erscheinen.119 Da die Regelungen der §§ 677 ff. BGB aufgrund des Charakters der Geschäftsführung ohne Auftrag als subsidiärer Auffangtatbestand120 in besonderem Maße durch Flexibilität geprägt sind und dadurch Raum für die Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls lassen, eignen sie sich in besonde119
Dies gilt auch für den Sonderfall, dass der Versicherungsnehmer die Versicherung für fremde Rechnung aufgrund eines unerkannt nichtigen Vertrags mit dem Versicherten abgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung sind auch auf derartige Fallgestaltungen die §§ 677 ff. BGB anzuwenden (statt vieler BGH NJW 1993, 3196; 1997, 47, 48). Selbst wenn man aber mit der h.L. davon ausgeht, dass die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag insoweit grundsätzlich keinen Anwendungsraum haben (statt vieler Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 677 Rn. 87 ff.), wird man für den Sonderfall der Versicherung für fremde Rechnung hiervon eine Ausnahme zulassen müssen. Der der h.L. zugrundeliegende Gedanke des Vorrangs der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB kann insoweit nämlich nicht verfangen, da die Regelungen des Bereicherungsrechts die besondere Konstellation der Versicherung für fremde Rechnung nicht hinreichend zu fassen vermögen. Auf Grundlage der §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB könnte zwar der Versicherungsnehmer von dem Versicherten den Vermögenswert des von ihm geleisteten Versicherungsschutzes zurückfordern (was wohl den aufgewendeten Versicherungsprämien entsprechen wird), während der Versicherte ein von ihm geleistetes Entgelt zurückverlangen könnte. Damit wäre aber noch keine Regelung über die nach wie vor bestehende versicherungsrechtliche Problemlage getroffen, die sich aus dem Auseinanderfallen von Forderungsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung ergibt. Insoweit ist ein Rückgriff auf die §§ 677 ff. BGB also auch hier unentbehrlich. 120 Vgl. hierzu Erman/H.P. Westermann, Vor §§ 677 ff., Rn. 1.
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rem Maß dafür, die Vielgestaltigkeit des versicherungsrechtlichen Valutaverhältnis rechtlich einzuhegen. Sie erzeugen Bindungen, wo diese notwendig sind und lassen Freiheiten, wo deren Beschränkung nicht gerechtfertigt ist. (2) Treuhandcharakter des Valutaverhältnisses? Hiermit ist freilich noch nichts darüber gesagt, ob diesem Valutaverhältnis wirklich Treuhandcharakter zukommt, dieses also dem Versicherten gegenüber den Gläubigern des Versicherungsnehmers Vollstreckungsschutz gewährt. (a) Begriffsklärung: Definition und Kategorisierung des Treuhandbegriffs Der Begriff der Treuhand ist vielgestaltig und schillernd.121 Bereits die allgemeine Definition des Treuhandverhältnisses variiert von Autor zu Autor. Darüber hinaus wird auf Grundlage verschiedener Kriterien eine Vielzahl von Unterformen des Treuhandverhältnisses unterschieden, wobei auch hier weder die Terminologie noch die Kategorisierung einheitlich sind.122 Für die vorliegende Untersuchung sind insoweit vor allem die folgenden Aspekte relevant: Zurückgehend auf den von Regelsberger geprägten Begriff des „fiduziarischen Geschäfts“123 und die grundlegende Habilitationsschrift Sieberts124 wird das für das Treuhandverhältnis prägende Element bis in die Gegenwart zumeist darin erblickt, dass dem Treuhänder ein Vermögensrecht übertragen wurde, er dieses Recht aber nicht oder zumindest nicht ausschließlich im eigenen, sondern im Interesse des Treugebers ausüben soll.125 Üblicherweise wird darüber hinaus zwischen echter (fiduziarischer) und unechter Treuhand unterschieden. Jene ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass dem Treuhänder das Vollrecht (also zumeist das Eigentum oder die Forderungsinhaberschaft) am jeweiligen Treugut übertragen wird, während ihm bei dieser nur eine Vollmacht oder eine Verfügungsermächtigung gem. § 185 BGB eingeräumt wird, das Vollrecht dagegen beim Treugeber ver-
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Vgl. nur Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 354; Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 21 m.w.N. 122 Beispielhaft genannt sei hier die Aufzählung bei Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 354. 123 Regelsberger, AcP 63 (1880), 157, 172 f. 124 Siebert, Treuhandverhältnis, S. 1. 125 Zum Ganzen ausführlich Löhnig, Treuhand, S. 23 ff. und 95 ff. m.w.N. Ein in jüngerer Zeit von Bitter begründeter Ansatz sieht den Kern der Treuhand dagegen im Auseinanderfallen von Rechtsträgerschaft und Gefahrtragung hinsichtlich des Treugutes, Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 265 ff.
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bleibt.126 Da es bei der unechten Treuhand nicht zu einem Auseinanderfallen von Vollrechtsinhaberschaft und wirtschaftlicher Zuordnung des Treugutes kommt, stellen sich die für die Treuhand typischen Rechtsprobleme im Verhältnis zu Dritten127 bei ihr nicht.128 Aus diesem Grund ist es unabdingbar, echte und unechte Treuhand klar voneinander zu scheiden.129 (b) Voraussetzungen des Vollstreckungsschutzes des Treugebers Wie bereits mehrfach angedeutet wurde, kreiste die dogmatische Entwicklung des Treuhandverhältnisses in der Vergangenheit primär um die Problematik des Schutzes des Treugebers in Einzel- und Gesamtvollstreckung vor dem Zugriff der Gläubiger des Treuhänders auf das Treugut. Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, wie ein Treuhandverhältnis beschaffen sein muss, um dem Treugeber hinsichtlich des Treugutes im Falle der Vollstreckung durch Gläubiger des Treuhänders die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO zu eröffnen oder ihm im Falle der Insolvenz des Treuhänders ein Aussonderungsrecht gem. § 47 ZPO einzuräumen. Prägend für die diesbezüglich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts geführte Diskussion waren die Bemühungen, einerseits den als wirtschaftlich notwendig und von der Billigkeit gefordert angesehenen Schutz des Treugebers zu gewährleisten, zugleich aber zu verhindern, dass der Begriff der Treuhand ins Unbestimmte zerfließt.130 Einigkeit konnte in dieser äußerst kontrovers geführten Diskussion bis heute nicht erzielt werden. Auf die zahllosen, im Laufe der mehr als hundertjährigen Entwicklungsgeschichte der Treuhanddogmatik hierzu vertretenen Ansichten kann im beschränkten Rahmen dieser Arbeit nicht im Einzelnen eingegangen werden.131 Es muss hier vielmehr genügen, die einflussreichsten Strömungen in dieser Diskussion – von einer h.M. kann man ob der erheblichen Dissonanzen sowohl zwischen den einzelnen Autoren als auch innerhalb der Rechtsprechung wohl kaum sprechen – kurz zu umreißen. 126
Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 354; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 32. Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, S. 21 spricht insoweit von Vollsrechts- und Ermächtigungstreuhand. 127 Vgl. zu den drei zentralen Problemen des Treuhandrechts bereits oben sub dd). 128 Geibel, Treuhandrecht als Gesellschaftsrecht, S. 22; vgl. auch Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 418 ff.; einschränkend dagegen Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 84. 129 Vgl. hierzu z.B. Henssler, AcP 196 (1996), 37, 42, der die Ermächtigungs- und Vollmachtskonstellationen deshalb nur als „treuhandähnlich“ bezeichnet wissen möchte. Auch K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 936 möchte den Begriff der Treuhand nur im Sinne der Vollrechtstreuhand verstanden wissen. 130 RGZ 84, 214, 217. 131 Stattdessen sei hier nur auf die umfassenden Untersuchungen bei Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 51 ff. und Löhnig, Treuhand, S. 46 ff., 720 ff. verwiesen.
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(aa) Grundvoraussetzung: Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Treuguts Lediglich im Hinblick auf die Minimalvoraussetzung des Vollstreckungsschutzes des Treugebers scheint inzwischen ein weitgehender Konsens hergestellt worden zu sein. In Rechtsprechung132 und weiten Teilen der Lehre133 ist heute akzeptiert, dass dem Treugeber Drittwiderspruchsklage und Aussonderung nur dann offenstehen können, wenn das Treugut gegenständlich bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar ist. Die Unklarheiten und Streitigkeiten beginnen jedoch schon bei der Frage, wie das Kriterium der Bestimmtheit letztlich zu verstehen ist. Die wohl überwiegende Ansicht nimmt an, dass insbesondere bei treuhänderisch gebundenen Geldbeträgen die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Treuguts in dem Moment entfällt, in dem der Treuhänder diese mit eigenen Geldbeträgen vermischt, insbesondere also dann, wenn diese auf ein Konto eingehen, das der Treuhänder auch zu eigenen Zwecken unterhält.134 Aus dem Bestimmtheitserfordernis wird damit das Erfordernis einer Trennung von Treuhand- und Eigenvermögen abgeleitet.135 (bb) Unmittelbarkeitsprinzip und Surrogationsverbot Nach der tradierten Rechtsprechung sowohl des RG als auch des BGH soll der Vollstreckungsschutz des Treugebers darüber hinaus bekanntlich durch das sog. Unmittelbarkeitsprinzip begrenzt werden. Ein den Vollstreckungsschutz des Treugebers begründendes Treuhandverhältnis soll demnach nur dort entstehen, wo der Treuhänder das Treugut unmittelbar aus dem Vermögen des Treugebers erhält.136 Im Falle eines Erwerbs des Treugutes von Dritten (sog. Erwerbstreuhand) oder der bloßen Vereinbarung einer treuhänderischen Bindung eines bereits im Vermögen des „Treuhänders“ vorhandenen Gegenstandes (sog. Vereinbarungstreuhand) soll dem „Treugeber“ der Schutz der §§ 771 ZPO, 47 InsO dagegen versagt bleiben, da es an dem für die Treu132 BGH WuB VI C. § 47 InsO 2.03; NJW 2008, 1152; vgl. auch BGHZ 58, 257, 258 (Aussonderungsrecht kann sich seinem Wesen nach nur auf individuell bestimmte Gegenstände beziehen). 133 Statt vieler Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S. 179; Canaris, FS Flume I, S. 372, 411 f.; Grundmann, Der Treuhandvertrag, S. 318 ff.; Henssler AcP 196 (1996), 37, 58 f.; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 358a; a.A. Bitter, WuB VI C. § 47 InsO 2.03. 134 BGH WuB VI C. § 47 InsO 2.03; NJW 2008, 1152; Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S. 179; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 358a; a.A. K. Schmidt, FS Wiegand, S. 933, 960 f. 135 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 358 f. spricht insoweit vom treuhandrechtlichen „Vermögenstrennungsprinzip“. 136 RGZ 84, 214, 217 f.; 103, 195, 199; BGHZ 111, 14, 17 f.; offen gelassen in BGHZ 155, 227, 231.
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hand typischen „Anvertrauen“ des Treuguts durch den Treugeber fehle.137 Eng verwandt mit dem Unmittelbarkeitsprinzip ist das Surrogationsverbot138, das den Vollstreckungsschutz des Treugebers hinsichtlich solcher Gegenstände ausschließt, die an die Stelle des Treugutes treten,139 insbesondere also hinsichtlich des Erlöses einer treuhänderisch gebundenen Forderung. Unmittelbarkeitsprinzip und Surrogationsprinzip sahen sich in der Vergangenheit freilich stetig zunehmender Kritik ausgesetzt. Heute muss man wohl gar annehmen, dass die h.L. das Unmittelbarkeitsprinzip ablehnt und durch andere Kriterien ersetzt wissen möchte.140 Auch die Rechtsprechung selbst scheint sich der Unzulänglichkeiten des Unmittelbarkeitsprinzips zunehmend bewusst zu werden und wendet dieses dementsprechend auch nicht in jeder Fallgestaltung mit letzter Konsequenz an.141 Von besonderer Bedeutung für die treuhandrechtliche Bewertung der Versicherung für fremde Rechnung ist insoweit die Entscheidung des BGH im „Vereinskassiererfall“ vom 7. April 1959.142 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kassierer des klagenden Vereins hatte in eigenem Namen ein Postscheckkonto unterhalten, auf das er die von ihm zu verwaltenden Gelder des Vereins eingezahlt und hieraus selbst Forderungen gegen die Bundespost erworben hatte. Der Beklagte war ein Gläubiger des Kassierers, der diese Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung pfänden und sich überweisen ließ. Der BGH entschied in diesem Fall, dass dem Verein aufgrund einer treuhänderischen Bindung der Forderungen als Treugeber gem. § 771 ZPO die Drittwiderspruchsklage bzw. nach durchgeführter Zwangsvollstreckung ein Berei137 BGH NJW-RR 1989, 252, 253 (zur Erwerbstreuhand, wobei der BGH diese Bezeichnung nicht verwendet, sondern das Bestehen eines Treuhandverhältnisses pauschal ablehnt); BGHZ 111, 14, 17 f. (zur Erwerbstreuhand); BGHZ 155, 227, 231 ff. (zur Vereinbarungstreuhand). 138 Unklarheit besteht darüber, ob es sich bei diesem Surrogationsverbot um eine bloße Folgewirkung des Unmittelbarkeitsprinzips (so z.B. Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 64 ff.) oder um einen eigenständigen Rechtsgrundsatz (so z.B. Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 357) handelt. 139 Vgl. hierzu RGZ 94, 305, 308; Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 64 ff.; Scharrenberg, Die Rechte des Treugebers in der Zwangsvollstreckung, S. 11 f. 140 Vgl. insbesondere die umfassende Kritik des Unmittelbarkeitsprinzips bei Assfalg, Behandlung, S. 167 ff.; Walter, Das Unmittelbarkeitsprinzip bei der fiduziarischen Treuhand, S. 113 ff. und Scharrenberg, Die Rechte des Treugebers in der Zwangsvollstreckung, S. 151 ff.; sowie die zusammenfassende Darstellung bei Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 37 ff., 51 ff. 141 Insbesondere bei treuhänderisch auf einem Bankkonto gehaltenen Geldbeträgen ersetzt die Rechtsprechung die Voraussetzung der Unmittelbarkeit durch andere Anforderungen, da andernfalls eine treuhänderische Bindung solcher Bankkonten kaum jemals möglich wäre; der Treuhänder erhält das Treugut (die Forderung gegen die Bank) praktisch nie vom Treugeber übertragen, vgl. hierzu ausführlich Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 87 ff. 142 BGH NJW 1959, 1223.
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cherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB zustand. In seiner Begründung stellte der BGH maßgeblich darauf ab, dass die Gelder, die von Dritten an den Kassierer gezahlt wurden, auf Forderungen geleistet wurden, die nicht dem Kassierer selbst, sondern dem Verein zustanden. Der Kassierer nahm die Zahlungen nur aufgrund einer Ermächtigung durch den Verein entgegen. Dieser Umstand genüge für die Annahme, dass die Gelder dem Kassierer durch den Verein treuhänderisch „anvertraut“ worden seien. Die treuhänderische Bindung bestehe dann grundsätzlich so lange, wie der Treuhänder den Geldbetrag als Treugut behandelt, also nicht unrechtmäßig über diesen verfügt.143 Zumindest in derartigen Fallgestaltungen spielen Unmittelbarkeitsprinzip und Surrogationsverbot heute folglich keine Rolle mehr. (cc) Offenkundigkeit Eine nennenswerte Strömung in Literatur und Rechtsprechung geht schließlich dahin, neben oder anstatt des Unmittelbarkeitsprinzips die Offenkundigkeit zur Voraussetzung eines rechtlichen Treuhandverhältnisses zu erklären.144 Demnach könne ein Vollstreckungsschutz generierendes Treuhandverhältnis nur dort gegeben sein, wo die Stellung des Rechtsinhabers als Treuhänder offenkundig ist. Diese Offenkundigkeit könne sich aus allen Umständen des jeweiligen Sachverhalts ergeben, insbesondere auch daraus, dass über ein bestimmtes Konto ausschließlich Geschäftsvorgänge für Rechnung des Treugebers abgewickelt werden. (dd) Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit Folgendes feststellen: Zur Begründung eines Vollstreckungsschutz generierenden Treuhandverhältnisses bedarf es nach nahezu allgemeiner Ansicht mehr als einer bloßen schuldrechtlichen Vinkulierung einer dinglichen Rechtsposition. Ein solches Treuhandverhältnis scheidet im hier interessierenden Fall von Geldbeträgen als potentiellem Treugut demnach insbesondere dann aus, wenn es zu einer Vermischung mit eigenen Geldmitteln kommt. Eine treuhänderische Bindung von Geldbeträgen wird aber von der ganz überwiegenden Ansicht zumindest dann bejaht, wenn diese Geldbeträge auf einem speziellen Treuhandkonto gehalten werden, das ausschließlich zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen für Rechnung Dritter Verwendung findet.
143
BGH NJW 1959, 1223, 1224 f. Z.B. BGH NJW 1959, 1223, 1225; Canaris, in: FS Flume I, S. 372, 413 f., 416 f.; Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 72; ablehnend dagegen Bitter, Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung, S. 141 ff. 144
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(c) Das „gesetzliche Treuhandverhältnis“ zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem auf dem Prüfstand An welcher Stelle in dem soeben beschriebenen Koordinatensystem des Treuhandrechts ist nun das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem zu verorten? Es ist insoweit zu unterscheiden zwischen der Situation vor und nach Einziehung der Versicherungsleistung durch den Versicherungsnehmer. (aa) Kein echtes Treuhandverhältnis vor Einziehung der Versicherungsleistung Soweit der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung noch nicht eingezogen hat, liegt ein echtes Treuhandverhältnis nicht vor.145 Der Versicherungsnehmer als vermeintlicher Treuhänder hat eben gerade nicht die Versicherungsforderung als Vollrecht inne, sondern lediglich die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung. Soweit man hier überhaupt mit dem Begriff der Treuhand operieren möchte, liegt ein Fall der unechten Treuhand vor.146 Eine solche generiert freilich gerade nicht den typischen Vollstreckungsschutz eines echten Treuhandverhältnisses. Dies ist auch gar nicht notwendig, da der Versicherte ja bereits aufgrund seiner Rechtsstellung als Vollrechtsinhaber in Bezug auf die Versicherungsforderung ausreichenden Vollstreckungsschutz genießt. Die Beschreibung der Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers als „treuhänderisch gebunden“ bzw. die Qualifikation des Valutaverhältnisses als gesetzliches Treuhandverhältnis eigener Art lässt folglich in dieser Situation keinen Schluss auf spezifische Rechtsfolgen zu und sollte deshalb im Interesse dogmatischer Klarheit aufgegeben werden. (bb) Treuhänderische Bindung des Versicherungsnehmers hinsichtlich der eingezogenen Versicherungsleistung? Sehr viel komplexer gestaltet sich dagegen die korrekte Einordnung der Situation, die entsteht, sobald der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung in Ausübung der ihm zustehenden Einziehungsbefugnis entgegengenommen hat. In diesem Moment erlangt der Versicherungsnehmer selbst das
145
In diese Richtung auch schon Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 147 f.; Schwan, Der Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Gruppenversicherung, S. 82 f. 146 Nur wenn man diesen Treuhandbegriff anlegt, sind mithin die Ausführungen Kochs zutreffend, wonach das in der Versicherung für fremde Rechnung enthaltene Auseinanderfallen von formeller und materieller Berechtigung für Treuhandverhältnisse charakteristisch sei, vgl. Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 3.
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Vollrecht an der Versicherungsleistung147, wohingegen die dem Versicherten zustehende Versicherungsforderung gem. § 362 Abs. 1 BGB (bzw. im praktischen Regelfall einer Überweisung nach h.M. gem. § 364 Abs. 1 BGB148) erlischt. Damit entsteht in der Tat eine Situation, die in ihren Grundzügen einem echten Treuhandverhältnis entspricht: Der Versicherungsnehmer hat eine Vollrechtsposition inne, die jedoch schuldrechtlich so vinkuliert ist, dass er diese nicht nach Belieben zum eigenen Vorteil nutzen darf, sondern verpflichtet ist, sie im Interesse des Versicherten auszuüben und schließlich auf ihn zu übertragen. Entscheidend ist nun jedoch die Frage, ob dieses Rechtsverhältnis zugunsten des Versicherten Vollstreckungsschutz vor dem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers entfalten kann, der Versicherte in der Insolvenz des Versicherungsnehmers also aufgrund einer treuhänderischen Bindung der eingezogenen Versicherungsleistung gem. § 47 InsO zu deren Aussonderung berechtigt ist. Das OLG Celle hat diese Frage in seinem bereits dargestellten Urteil aus dem Jahr 1953 bejaht.149 Freilich hat sich das Gericht nicht eingehend mit den Voraussetzungen des rechtlichen Treuhandverhältnisses auseinandergesetzt, sondern den Vollstreckungsschutz schlicht auf die von Prölss vorgenommene Qualifikation des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem als gesetzliches Treuhandverhältnis gestützt. Dieser Entscheidung blieb zudem ein größerer Einfluss auf die Diskussion um die Stellung des Versicherten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers versagt. Ohne sich mit dem Urteil näher zu befassen verwies die h.M. den Versicherten größtenteils auch weiterhin auf ein bloßes Ersatzaussonderungsrecht an der eingezogenen Versicherungsleistung und lehnte die Annahme des OLG Celle einer treuhänderischen Bindung und eines daraus resultierenden, originären Aussonderungsrechts damit implizit ab.150 Soweit das Urteil doch nähere
147 Nach der Grundkonzeption des Gesetzes Eigentum an den jeweiligen Geldwertzeichen, in der Praxis regelmäßig eine Forderung gegen seine Bank aufgrund der Überweisung des Geldbetrages durch die Versicherung. 148 Zur rechtlichen Einordnung der Überweisung als Fall des § 364 BGB statt vieler Jauernig/Stürner, Anm. zu §§ 364, 365 Rn. 4. 149 OLG Celle VersR 1953, 489, hierzu bereits eingehend oben sub bb) (3). 150 Besonders deutlich wird die mangelnde Beachtung, die das Urteil erfuhr, in den Folgeauflagen der Kommentierung von Prölss. So zieht dieser das Urteil zwar zur Stützung seiner These vom Treuhandverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem heran, (vgl. Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 10. Aufl., § 76 Anm. 1), möchte den Versicherten aber – gar unter Verweis auf das Urteil des OLG Celle! – im Konkurs des Versicherungsnehmers auch weiterhin auf ein bloßes Ersatzaussonderungsrecht nach § 46 S. 2 KO verweisen (vgl. Prölss, Versicherungsvertragsgesetz, 10. Aufl., § 75 Anm. 2).
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Beachtung fand, wurde die Einordnung als Treuhandverhältnis unter Verweis auf Unmittelbarkeitsprinzip und Surrogationsverbot verworfen.151 Vor dem Hintergrund des heutigen Stands der Treuhanddogmatik wird indes deutlich, dass sowohl die ein Treuhandverhältnis bejahende Lösung des OLG Celle als auch die ablehnende Lösung der h.M. in ihrer jeweiligen Pauschalität nicht überzeugen können. Der bloße Verweis auf Unmittelbarkeitsprinzip und Surrogationsverbot genügen heute nicht mehr, um eine treuhänderische Bindung der eingezogenen Versicherungsleistung abzulehnen. Im Regelfall besteht die Versicherungsleistung in einer Geldzahlung, die dem Versicherungsnehmer auf dessen Bankkonto überwiesen wird. Für die Frage, ob der Versicherte mit Blick auf diesen Geldbetrag als Treugeber anzusehen ist, müssen folglich die zuvor geschilderten besonderen Grundsätze zur Treuhandbindung von auf Bankkonten gehaltenen Geldbeträgen zum Tragen kommen. Hier fällt die strukturelle Ähnlichkeit der Konstellation der Versicherung für fremde Rechnung mit der Situation im „Vereinskassiererfall“ in den Blick: Ebenso wie bei diesem steht die Geldforderung, auf die der Schuldner (Versicherer) leistet, nicht dem Kontoinhaber (Versicherungsnehmer), sondern einem Dritten (dem Versicherten) zu. Entsprechend der Argumentation des BGH 152 muss dies für ein „Anvertrauen“ des Geldbetrags durch den Versicherten an den Versicherungsnehmer genügen, das Unmittelbarkeitsprinzip insoweit mithin als obsolet angesehen werden. Selbst wenn man also entgegen der heute h.L. prinzipiell am Unmittelbarkeitsprinzip festhalten wollte, könnte es für den Regelfall der Einziehung der Versicherungsleistung durch den Versicherungsnehmer keine Geltung beanspruchen. Entscheidend für die Treuhandbindung der eingezogenen Versicherungsleistung ist lediglich, ob die übrigen Voraussetzungen eines Treuhandverhältnisses erfüllt sind. Maßgeblich ist insoweit vor allem, ob der Versicherungsnehmer die eingezogene Versicherungsleistung mit seinem eigenen Vermögen vermischt hat oder aber getrennt von diesem auf einem separaten Konto hält. Zumindest dann, wenn der Versicherungsnehmer ein ausschließlich für die Verwaltung „fremder“ Gelder genutztes, spezifisches „Treuhandkonto“ unterhält und die Versicherungsleistung hierauf überweisen lässt, ist diese zugunsten des Versicherten mithin als treuhänderisch gebunden anzusehen. Geht die Versicherungsleistung dagegen auf ein Konto ein, das der Versicherungsnehmer auch zu eigenen Zwecken nutzt, müsste die Treuhandbindung nach der derzeit wohl ganz überwiegenden Ansicht abgelehnt werden.
151
So Gundlach, DZWIR 2000, 309, 311 f.; in diese Richtung auch Nießen, Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung, S. 147 f. 152 Vgl. oben sub (2) (b) (bb).
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ee) Zwischenergebnis Will man das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem dogmatisch präzise nachzeichnen, so ist es notwendig, zwischen der schuldrechtlichen Ebene und der Ebene des Treuhandrechts eine klare Trennung zu vollziehen. Auf schuldrechtlicher Ebene ist das Valutaverhältnis in Ermangelung einer vertraglichen Abrede zwischen den Parteien als Geschäftsführung ohne Auftrag zu qualifizieren. Ob diesem Geschäftsführungsverhältnis Treuhandcharakter zukommt, hängt sowohl von dessen Abwicklungsstadium ab, als auch von den konkreten Umständen des Einzelfalls. Ein echtes Treuhandverhältnis kann erst dann entstehen, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung einzieht; zuvor liegt das Vollrecht ohnehin beim Versicherten. Zu einem Treuhandverhältnis kommt es aber auch in diesem Abwicklungsstadium nur dann, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung von seinem restlichen Vermögen getrennt hält. b) Deckungsverhältnis: Notwendigkeit einer Trennung von eigennütziger und fremdnütziger Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers Nachdem das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem damit auf eine dogmatisch tragfähige Grundlage gestellt wurde, verdienen auch das Deckungs- und das Vollzugsverhältnis zum Versicherer noch einmal eine vertiefende Betrachtung. Von Interesse ist hier insbesondere die Befugnis des Versicherungsnehmers zur Einziehung der dem Versicherten zustehenden Versicherungsforderung. Die bislang ganz allgemeine Ansicht, die auch in den Motiven zum VVG zum Ausdruck kommt, geht insoweit von einer einheitlichen Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers aus, die – wie bereits dargestellt wurde – zugleich mehreren Zwecken dienen soll.153 Zum einen soll der Versicherer davor bewahrt werden, von einer Vielzahl ihm möglicherweise unbekannter Forderungsprätendenten in Anspruch genommen zu werden. Zum anderen soll dem Versicherungsnehmer die an die Stelle der beschädigten oder zerstörten Sache tretende Versicherungsforderung in gleichem Maße wie jene als Sicherheit für seine Forderungen gegen den Versicherten dienen. Bereits diese Vermischung zweier unterschiedlicher Zwecksetzungen deutet indes an, dass das Konzept einer einheitlichen Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers die rechtliche Ausgestaltung von Deckungs- und Vollzugsverhältnis dogmatisch nicht präzise erfasst. Treffender erscheint es vielmehr, das Vorliegen zweier unterschiedlicher Einziehungsbefugnisse anzunehmen, die in ihrem rechtlichen Schicksal voneinander unabhängig sind. Die allgemeine, implizit in den §§ 43 ff. VVG zum Ausdruck kommende Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers ist von der spezielleren 153
Motive zum VVG, S. 148; vgl. hierzu auch schon oben sub A. III.
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Einziehungsbefugnis nach § 46 S. 2 VVG zu trennen. Diese These findet ihre Stütze in der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung des Gesetzes. Der Wortlaut des § 46 S. 2 VVG und dessen Stellung im System der §§ 43 ff. VVG legen es nahe, dass dieser eine eigenständige Befugnis des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsforderung normiert.154 Nach dem Wortlaut der Norm kann sich der Versicherungsnehmer wegen bestimmter Forderungen „aus der Entschädigungsforderung gegen den Versicherer und nach deren Einziehung aus der Entschädigungssumme vor dem Versicherten und dessen Gläubigern befriedigen.“ Die Norm statuiert damit ganz eindeutig zwei Befriedigungsvorrechte: ein vorgelagertes an der Versicherungsforderung und ein nachgelagertes an der eingezogenen Versicherungsleistung. Die Befriedigung aus einer Forderung erfolgt durch deren Einziehung. Die separate Nennung eines Rechts des Versicherungsnehmers zur Befriedigung aus der Versicherungsforderung wäre aber schlicht überflüssig, wenn die Versicherungsforderung auch hier auf Grundlage der allgemeinen Einziehungsbefugnis aus den §§ 43 ff. VVG erfolgen würde. Nur die Annahme einer von der allgemeinen Einziehungsbefugnis zu unterscheidenden, spezifischen Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers wird dem Wortlaut des § 46 S. 2 VVG und der Systematik des Gesetzes mithin vollständig gerecht. Die allgemeine Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers und die spezifische Einziehungsbefugnis aus § 46 S. 2 VVG unterscheiden sich zudem durch ihre Zwecksetzung wesensmäßig so stark voneinander, dass sie nur als voneinander getrennte Befugnisse dogmatisch stringent zu erfassen sind. Die allgemeine Einziehungsbefugnis, wie sie den §§ 43 ff. VVG zugrunde liegt, soll im Interesse des Versicherers die Abwicklung im Dreiecksverhältnis gewährleisten. Entsprechend dem Grundsatz, dass die Versicherungsleistung dem versicherten Interesse folgt, soll die Entschädigung im Ergebnis an den Versicherten gelangen, der Versicherungsnehmer hier also nur als „Mittelsmann“ dienen. Aus der Perspektive des Versicherungsnehmers ist diese Einziehungsbefugnis mithin als ausschließlich fremdnützig zu qualifizieren. Dem steht die eigennützige Einziehungsbefugnis des § 46 S. 2 VVG gegenüber, die dem Versicherungsnehmer in seinem eigenen Interesse die Befriedigung aus der Versicherungsleistung ermöglichen soll. Dieser signifikante Unterschied in der Zwecksetzung muss auch bei der rechtlichen Handhabe der beiden Einziehungsrechte Berücksichtigung finden. Sie sind deshalb dogmatisch voneinander zu trennen. Dies bedeutet freilich nicht, dass die beiden Befugnisse sich in jeder Hinsicht unterscheiden. In vielen Bereichen unterliegen sie tatsächlich denselben 154
Ähnlich Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 31 („Kraft seines Befriedigungsvorrechts nach § 46 S. 2 kann der VN die Versicherungsleistung einziehen.“).
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versicherungsrechtlichen Grundsätzen. Insbesondere muss der Versicherungsnehmer unabhängig davon, auf welche Grundlage er seine Einziehungsbefugnis stützt, den besonderen Regelungen des § 45 Abs. 2 VVG unterworfen sein. Auch dann, wenn er die Versicherungsleistung eigennützig einziehen möchte, muss er also grundsätzlich durch den Besitz des Versicherungsscheins oder die Zustimmung des Versicherten dazu legitimiert sein.155 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die beiden Einziehungsrechte an anderen Stellen signifikante Unterschiede aufweisen. Trennt man allerdings in diesem Sinne die beiden Einziehungsrechte voneinander, so stellt sich die Folgefrage nach dem Umfang der auf § 46 S. 2 VVG gestützten eigennützigen Einziehungsbefugnis: Begründet diese für den Versicherungsnehmer nur das Recht, die Versicherungsleistung in Höhe der im Valutaverhältnis gegen den Versicherten bestehenden Forderungen einzuziehen, oder kann der Versicherungsnehmer auf dieser Grundlage ebenso wie auf Grundlage der allgemeinen Einziehungsbefugnis die gesamte Versicherungsleistung beanspruchen? Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für die erstgenannte Auslegung. Das Befriedigungsvorrecht aus § 46 S. 2 VVG dient der Sicherung der im Valutaverhältnis ausstehenden Forderungen und ist insoweit seiner Struktur nach einem Forderungspfandrecht ähnlich.156 Es erscheint deshalb angemessen, hinsichtlich der Reichweiter der aus ihm folgenden Einziehungsbefugnis § 1282 Abs. 1 S. 2 BGB zur analogen Anwendung zu bringen. Demnach ist die Einziehungsbefugnis aus § 46 S. 2 VVG entsprechend ihrem Sicherungszweck der Höhe nach auf den Umfang der im Valutaverhältnis bestehenden Forderungen begrenzt. c) Unmittelbare Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf die Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers Die vorangegangenen Ausführungen haben ein sehr viel differenziertes Bild der Rechtsverhältnisse zwischen den an einer Versicherung für fremde Rechnung beteiligten Personen zutage gefördert, als es den bisherigen Betrachtungen dieser Versicherungsform zugrunde lag. Es gilt nun im Einzelnen präzise zu analysieren, wie sich die Insolvenzeröffnung auf diese Rechtsverhältnisse auswirkt. aa) § 80 Abs. 1 InsO: Übergang nur der eigennützigen Einziehungsbefugnis gem. § 46 S. 2 VVG auf den Insolvenzverwalter Wie bereits aufgezeigt wurde, ist an der h.M. zur insolvenzrechtlichen Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung unter anderem zu monieren, 155
Vgl. hierzu Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 22; Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 31. 156 Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 31; Prölss/Martin/Klimke, § 46 Rn. 20.
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dass diese einen undifferenzierten Übergang der Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung auf den Insolvenzverwalter befürwortet, obwohl ein solcher mit Wortlaut und Grundgedanken des § 80 Abs. 1 InsO kaum in Einklang zu bringen ist. Auf der Grundlage der soeben herausgearbeiteten differenzierten Betrachtung lässt sich nun eine den gesetzlichen Vorgaben und wirtschaftlichen Bedürfnissen sehr viel besser entsprechende Lösung dieser Problematik darstellen. Da die Befugnis des Versicherungsnehmers zur Einziehung der Versicherungsforderung nach hier vertretener Ansicht auf zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsgrundlagen gestützt werden kann, sind diese beiden unterschiedlichen Befugnisse auch insolvenzrechtlich getrennt voneinander zu bewerten. Die allgemeine, fremdnützige Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers verbleibt auch im Insolvenzfall beim Versicherungsnehmer. Sie bildet keinen Bestandteil der den Gläubigern zustehenden Haftungsmasse, da ihr kein eigener Vermögenswert zukommt.157 Mangels Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse kann diese Befugnis damit auch nicht gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen. Insolvenzrechtlich gänzlich anders zu bewerten ist dagegen die auf § 46 S. 2 VVG gestützte, eigennützige Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers. Diese ermöglicht dem Versicherungsnehmer die Befriedigung einer eigenen Forderung aus der Versicherungsleistung und weist damit sehr wohl einen eigenen, der Insolvenzmasse zustehenden Vermögenswert auf. Folgerichtig geht die eigennützige Einziehungsbefugnis aus § 46 S. 2 VVG – soweit sie im konkreten Fall besteht – gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter kann die Versicherungsforderung auf dieser Grundlage freilich gem. § 1282 Abs. 1 S. 2 BGB analog nur insoweit einziehen, wie dies zur Befriedigung der im Valutaverhältnis ausstehenden Forderungen notwendig ist. Hinsichtlich der restlichen Versicherungsforderung bleibt es bei den oben dargelegten Grundsätzen. bb) Schicksal der uneigennützigen Einziehungsbefugnis: schuldrechtliche Unterlassungspflicht hinsichtlich ihrer Ausübung Ist § 46 S. 2 VVG im konkreten Fall nicht anwendbar, so kommt dem Insolvenzverwalter wie erläutert keine Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung zu. Allerdings führt die Insolvenzeröffnung auch nicht dazu, dass die allgemeine Einziehungsbefugnis sich nunmehr sofort in der Person des Versicherten mit der Forderungsinhaberschaft vereint. Sie verbleibt vielmehr zunächst wie gehabt beim Versicherungsnehmer. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Versicherungsnehmer die Einziehungsbefugnis auch weiterhin ungehindert ausüben kann. Die Einziehung der Versicherungsleistung durch den 157
Ausführlich hierzu oben sub 2. b).
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insolventen Versicherungsnehmer wäre für den Versicherten mit erheblichen Gefahren verbunden. Die eingezogene Entschädigungsleistung würde gem. § 35 Abs. 1 InsO grundsätzlich als Neuerwerb in die Insolvenzmasse fallen. Nur wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung auf ein spezielles Treuhandkonto einziehen würde, könnte der Versicherte diese als Treugut aussondern.158 Dies wird im Regelfall aber nicht geschehen, zumal der Versicherungsnehmer nach Insolvenzeröffnung kaum noch in der Lage sein wird, ein neues Treuhandkonto zu diesem Zweck zu eröffnen. Angesichts dieser Gefahren muss der Versicherungsnehmer einem schuldrechtlichen Verbot unterliegen, von seiner Einziehungsbefugnis Gebrauch zu machen. Normativ begründen lässt sich ein entsprechendes schuldrechtliches Einziehungsverbot wie folgt: Der Versicherungsnehmer unterliegt im Valutaverhältnis stets gewissen schuldrechtlichen Bindungen, sei es auf Grundlage eines Vertrages, sei es auf Grundlage der §§ 677 ff. BGB. Aufgrund dieser Bindungen ist er dazu verpflichtet, die eingezogene Versicherungsleistung an den Versicherten auszukehren. Diese Leistungspflicht wird gem. § 241 Abs. 2 BGB flankiert durch leistungssichernde Nebenpflichten (Leistungstreuepflichten), die darauf gerichtet sind, alles zu unterlassen, was die Erzielung des Leistungserfolges gefährdet.159 Angesichts der soeben beschriebenen Gefahren, die für den Versicherten als Gläubiger der Leistungspflicht mit der 158
Hierzu oben sub a) dd) (2) (c). Vgl. statt aller nur Bachmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 241 Rn. 85 und Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 Rn. 46. Solche Nebenpflichten entspringen auch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag, vgl. Staudinger/Olzen, § 241 Rn. 61 f. Die Voraussetzungen des § 311 BGB müssen hierfür nicht erfüllt sein (in diese Richtung aber Staudinger/Bergmann, Vor § 677 Rn. 215). Die Anwendbarkeit des § 241 Abs. 2 BGB setzt lediglich das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. § 311 regelt zwar die Entstehung solcher Schuldverhältnisse, beschränkt sich dabei aber auf vertragliche (und quasivertragliche) Schuldverhältnisse. Die Rechtsfolgen des § 241 Abs. 2 BGB knüpfen sich aber genauso an gesetzliche Schuldverhältnisse, die unabhängig von § 311 BGB entstehen. Dies ergibt sich schon aus der systematischen Stellung des § 241 Abs. 2 BGB, der – anders als § 311 BGB – eben gerade nicht in den dritten Abschnitt („Schuldverhältnisse aus Verträgen“) des zweiten Buches des BGB eingegliedert ist, sondern diesem vorangestellt wurde und damit für gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse gleichermaßén Geltung beansprucht. Ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet die Geschäftsführung ohne Auftrag aber ohne weiteres, Schäfer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 677 Rn. 13; Staudinger/Bergmann, Vor § 677 Rn. 209; Erman/Dornis, Vor § 677 Rn. 12; Jauernig/Mansel, Vor § 677 Rn. 4. Freilich werden die Nebenpflichten im Falle eines gesetzlichen Schuldverhältnisses üblicherweise weniger rigide ausgestaltet sein als im Falle eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Deshalb ist es zustimmungswürdig, wenn eine Pflicht des Geschäftsherrn, den Geschäftsführer von einer unerwünschten Geschäftsführung abzuhalten, abgelehnt wird (so z.B. Staudinger/Bergmann, Vor § 677 Rn. 215). Zumindest muss aber eine Nebenpflicht bestehen, solche Handlungen zu unterlassen, die den Erfolg der nach dem gesetzlichen Schuldverhältnis geschuldeten Leistung konkret gefährden würden. 159
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Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherungsnehmer einhergehen, trifft diesen daher eine schuldrechtliche Pflicht, die Einziehung der Versicherungsforderung während der Dauer eines Insolvenzverfahrens zu unterlassen. Da dieselben Gefahren aber auch dann drohen, wenn das Insolvenzverfahren erst nach Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherungsnehmer eröffnet wird, muss das Einziehungsverbot auch schon im Vorfeld der Insolvenzeröffnung, also im Stadium der wirtschaftlichen Krise gelten. Hier zeigt sich die Parallele zur Rechtslage im Falle der handelsrechtlichen Kommission, die auf Grundlage der tradierten Konzeption der Versicherung für fremde Rechnung nicht gezogen werden konnte,160 auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht aber überzeugt: Ebenso wie der Kommissionär ist der Versicherungsnehmer ab Eintritt der Krise auf schuldrechtlicher Ebene nicht mehr dazu berechtigt, die ihm zustehende Einziehungsbefugnis zu nutzen. Die Stellung des insolventen Versicherungsnehmers ist mithin geprägt durch eine Diskrepanz zwischen rechtlichem Können und Dürfen. Zwar ist er aufgrund der gesetzlichen Einziehungsbefugnis im Deckungsverhältnis zum Versicherer zur Einziehung der Versicherungsforderung berechtigt. Im Valutaverhältnis zum Versicherten ist er aber schuldrechtlich dazu verpflichtet, von dieser Einziehungsbefugnis keinen Gebrauch mehr zu machen. Zieht der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung dennoch ein, so steht dem Versicherten an der Entschädigung gem. § 48 S. 2 InsO ein Ersatzaussonderungsrecht zu, solange diese noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist. Auf Grundlage der hier entwickelten Konzeption fügt sich dieses Ersatzaussonderungsrecht reibungslos in die insolvenzrechtliche Dogmatik ein. Der Versicherungsnehmer, der die Versicherungsforderung entgegen seiner schuldrechtlichen Unterlassungspflicht einzieht, handelt insoweit ebenso wie der Kommissionär im vergleichbaren Fall des Kommissionsgeschäfts im Sinne des § 48 S. 2 InsO „unberechtigt“. Es bedarf damit nicht einer unscharfen haftungsrechtlichen Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals, um den notwendigen Schutz des Versicherten zu gewährleisten. d) Mittelbare Auswirkung der Insolvenzeröffnung: Befugnis des Versicherten zur Einziehung der Versicherungsforderung Wie bereits ausführlich dargelegt wurde, ist im Insolvenzfall die unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten der Abwicklung im Dreiecksverhältnis vorzuziehen. Der Grundstein für die rechtliche Konstruktion einer solchen Lösung wurde im vorigen Abschnitt bereits gelegt: Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 46 S. 2 VVG ist die Abwicklung im Dreiecksverhältnis ausgeschlossen, weil der Insolvenzverwalter die 160
S.o. sub 2. c).
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Forderung nicht einziehen kann und der Versicherungsnehmer sie nicht einziehen darf. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob und auf welcher rechtlichen Grundlage der Versicherte die Versicherungsforderung selbst unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend machen kann. Einen naheliegenden Anknüpfungspunkt für die Lösung dieser Problematik bildet die gesetzliche Regelung des § 44 Abs. 2 VVG, die dem Versicherten unter bestimmten Umständen ausnahmsweise die Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung zuspricht. Diese Regelung wird freilich in der Kautelarpraxis regelmäßig abbedungen.161 Es muss deshalb im Folgenden für die gesetzliche Ausgangslage und die verbreitete kautelarjuristische Umgestaltung der Versicherung für fremde Rechnung eine getrennte Betrachtung erfolgen. In beiden Fällen darf aber nicht aus dem Blick verloren werden, dass die Rechtsstellung des Versicherten in Bezug auf die Versicherungsforderung außerhalb der Insolvenz des Versicherungsnehmers durchaus eingeschränkt ist. Nicht immer hat er gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Einziehung der Versicherungsforderung. Diese Einschränkung seiner Rechtsstellung erheischt auch im Insolvenzfall Beachtung. Soweit der Versicherungsnehmer außerhalb der Insolvenz berechtigt war, die Einziehung der Versicherungsforderung zum Schutz seiner eigenen Interessen zu verweigern, muss auch dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit eingeräumt werden, die Geltendmachung der Versicherungsforderung zu unterbinden. aa) Gesetzliche Ausgangslage: Einziehungsbefugnis des Versicherten auf Grundlage des Besitzes am Versicherungsschein oder der Zustimmung des Insolvenzverwalters (1) Der Vindikationsanspruch des Versicherten auf Herausgabe des Versicherungsscheins aus § 985 BGB Gem. § 44 Abs. 2 VVG kommt dem Versicherten selbst die Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung und die entsprechende Prozessführungsbefugnis zu, wenn er im unmittelbaren162 Besitz des Versicherungsscheins ist. Allerdings sichert § 44 Abs. 1 S. 2 VVG zunächst dem Versicherungsnehmer den Besitz am Versicherungsschein, indem diesem das alleinige Recht auf Aushändigung des Scheins zugesprochen wird. Nicht ausgeschlossen wird hierdurch jedoch, dass der Versicherte den Versicherungsschein unter bestimmten Umständen vom Versicherungsnehmer bzw. dessen Insolvenzverwalter herausverlangen kann. Tatsächlich besteht ab Insolvenzeröffnung unter gewissen Umständen ein entsprechender Anspruch des Versicherten. 161 162
Zum Ganzen bereits oben sub A. II. 1. Vgl. zu diesem Erfordernis Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 22.
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§ 6 Versicherung für fremde Rechnung
Als normative Grundlage eines solchen Anspruchs bietet sich primär § 985 BGB an. Der Versicherungsschein ist Schuldschein.163 Gem. § 952 Abs. 1 BGB steht das Eigentum an ihm mithin dem Gläubiger der Versicherungsforderung zu,164 im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung also dem Versicherten.165 Dem Grunde nach muss dem Versicherten damit gegenüber jedem Besitzer des Versicherungsscheins – und damit auch gegenüber dem Versicherungsnehmer – der Vindikationsanspruch des § 985 BGB zugesprochen werden.166 Es ist deshalb zumindest missverständlich, wenn teilweise zu lesen ist, ein Anspruch des Versicherten auf Herausgabe des Versicherungsscheins könne sich nur aus einem zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer bestehenden „Rechtsverhältnis“167 oder dem „Innenverhältnis“168 ergeben. Freilich können sich zusätzlich zum Vindikationsanspruch auch aus dem schuldrechtlichen Valutaverhältnis entsprechende Herausgabeansprüche ergeben, sei es aufgrund vertraglicher Abreden, sei es aufgrund der §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB. Im Folgenden soll jedoch aus Gründen der Vereinfachung ausschließlich der Vindikationsanspruch in Bezug genommen werden. Für die übrigen Ansprüche müssen die Ausführungen aber mutatis mutandis ebenso gelten. (2) Die Gegenrechte des Versicherungsnehmers: Recht zum Besitz aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG und Zurückbehaltungsrecht aus § 46 S. 1 VVG Es ist klar, dass die gesetzliche Konzeption der Abwicklung im Dreiecksverhältnis konterkariert würde, räumte man dem Versicherten jederzeit die Mög163
OLG Rostock, BeckRS 2014, 18548; Prölss/Martin/Rudy, § 3 Rn. 1; Füller, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 952 Rn. 3; Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn. 929; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 82; ausführlich Staudinger/Gursky/Wiegand, § 952 Rn. 3, 5; a.A. RGZ 51, 83, 85; Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 9, 22 (Urkunde i.S.d. § 952 Abs. 2). 164 Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 82. 165 I.E. ebenso Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 9, 22 a.E. 166 In diese Richtung schon Bruck/Möller/Brand, § 46 Rn. 30; Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 19, die den Vindikationsanspruch aus §§ 985, 952 BGB aber ohne Angabe von Gründen nur dem Insolvenzverwalter des Versicherten zubilligen wollen. 167 Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 44 Rn. 20; Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 21, noch stärker bei § 46 Rn. 20 (Herausgabeanspruch nur „wenn ein weiteres Schuldverhältnis zwischen beiden dies anordnet“), in die entgegengesetzte Richtung wiederum bei Rn. 8 (Herausgabeanspruch im Umkehrschluss aus § 46 S. 1 VVG immer dann, wenn dem Versicherungsnehmer keine Ansprüche gegen den Versicherten zustehen) und bei Rn. 30 (Anspruch aus § 985 BGB des Insolvenzverwalters). 168 Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster, § 6 Rn. 115; Schwintowski/Brömmelmeyer/Hübsch, § 46 Rn. 2; vgl. auch Looschelders/Pohlmann/Koch, § 46 Rn. 19 (Herausgabeanspruch des Versicherten „nur aus einem vertraglichen Schuldverhältnis“, in der Insolvenz des Versicherten habe der Insolvenzverwalter aber einen Herausgabeanspruch aus §§ 985, 952 BGB).
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lichkeit ein, sich über die Vindikation des Versicherungsscheins die Einziehungsbefugnis gem. § 44 Abs. 2 VVG zu verschaffen. Aus diesem Grund müssen dem Versicherungsnehmer Gegenrechte zustehen, die den Vindikationsanspruch ausschließen oder aber zumindest seine Durchsetzbarkeit hindern. Nach der Systematik der §§ 43 ff. VVG sind hierbei zwei Gegenrechte voneinander zu unterscheiden. Zunächst fällt insoweit das in § 46 S. 1 VVG ausdrücklich normierte Zurückbehaltungsrecht des Versicherungsnehmers am Versicherungsschein ins Auge. Dieses besteht indes nur unter bestimmten Umständen, namentlich soweit dem Versicherungsnehmer im Valutaverhältnis zum Versicherten Ansprüche in Bezug auf die versicherte Sache zustehen. Im Regelfall eines solventen Versicherungsnehmers soll die Abwicklung im Dreiecksverhältnis aber auch abseits dieses Sonderfalls gewährleistet bleiben. Es ist deshalb anzunehmen, dass dem Versicherungsnehmer unabhängig von § 46 S. 1 VVG ein allgemeines Besitzrecht am Versicherungsschein zusteht. Dieses allgemeine Besitzrecht lässt sich § 44 Abs. 1 S. 2 VVG entnehmen. Die Norm will gewährleisten, dass der Besitz am Versicherungsschein zunächst stets dem Versicherungsnehmer zufällt. Hiermit ist zweierlei bezweckt: Einerseits wird hierdurch die Funktionsfähigkeit der Abwicklung im Dreiecksverhältnis gewährleistet, da der Versicherungsnehmer zur Einziehung der Versicherungsforderung gem. § 45 Abs. 2 VVG auf die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins angewiesen ist. Zum anderen wird mittels des Besitzes am Versicherungsschein sichergestellt, dass der Versicherungsnehmer die alleinige Entscheidungsgewalt darüber behält, ob die Versicherungsforderung realisiert wird; ohne Schein oder Zustimmung des Versicherungsnehmers kann der Versicherte die Versicherungsforderung nicht geltend machen, § 44 Abs. 2 VVG.169 Diese Funktion des Besitzes am Versicherungsschein ist von erheblicher praktischer Bedeutung: Nur wenn der Versicherungsnehmer eine eigenmächtige Einziehung der Versicherungsleistun durch den Versicherten verhindern kann, ist er vor den damit potentiell verbundenen Nachteilen (Sonderkündigungsrecht, Rabattverluste) 170 effektiv geschützt. Soweit der Versicherte gegen den Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Einziehung der Versicherungsforderung geltend macht, ist er darauf verwiesen, diesen im gerichtlichen Verfahren durchzusetzen, wo die Interessen beider Beteiligten hinreichend berücksichtigt werden können. Die Rechtsfolge des § 44 Abs. 1 S. 2 VVG kann sich vor diesem Hintergrund aber nicht darauf beschränken, zugunsten des Versicherungsnehmers einen Anspruch auf Übermittlung des Scheins zu generieren. Es würde kaum Sinn ergeben, dem Versicherungsnehmer das Recht zur Entgegennahme des Versicherungsscheins einzuräumen, wenn dieser im nächsten Moment gem. 169
Vgl. hierzu Motive zum, VVG, S. 148; Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 2; Dageförde, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 44 Rn. 3 ff. 170 Hierzu oben sub a) aa).
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§ 985 BGB zur Herausgabe desselben an den Versicherten verpflichtet wäre. Der Norm muss mithin folgerichtig zugleich ein Besitzrecht des Versicherungsnehmers am Versicherungsschein i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB entnommen werden, da andernfalls ihr Regelungszweck unterlaufen würde.171 Es wurden damit zwei Gegenrechte des Versicherungsnehmers identifiziert, die sich sowohl in ihrer Zwecksetzung als auch in ihrer Rechtsnatur (hier die Einwendung aus § 986 Abs. 1 BGB172, dort eine bloße Einrede aus § 46 S. 1 VVG) ganz erheblich voneinander unterscheiden. Parallel zur unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Behandlung der beiden voneinander zu trennenden Einziehungsbefugnisse des Versicherungsnehmers erfahren auch diese beiden dem Vindikationsanspruch des Versicherten entgegenstehenden Gegenrechte im Insolvenzfall ein unterschiedliches Schicksal. (3) Auswirkung der Insolvenzeröffnung: potentielles Erlöschen des Besitzrechts aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG, Fortbestand des Zurückbehaltungsrechts aus § 46 S. 1 VVG Der Bestand der Einrede aus § 46 S. 1 VVG wird durch die Insolvenzeröffnung nicht in Frage gestellt. Sie behält auch im Insolvenzfall ihren Zweck. Die Insolvenzmasse hat ebenso sehr wie der Versicherungsnehmer zuvor ein berechtigtes Interesse daran, hinsichtlich der im Valutaverhältnis zum Versicherten wegen der versicherten Sache bestehenden Ansprüche durch das Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein Sicherung zu erlangen. Unter den Voraussetzungen des § 46 S. 1 VVG steht darüber hinaus dem Insolvenzverwalter gem. §§ 46 S. 2 VVG, 80 Abs. 1 InsO die Befugnis zu, die Versicherungsforderung selbst einzuziehen, um hieraus die entsprechenden Ansprüche der Masse zu befriedigen. Hierfür ist er aber wiederum auf die Legitimationswirkung des Scheins gem. § 45 Abs. 2 VVG angewiesen. Das Zurückbehaltungsrecht des § 46 S. 1 VVG muss damit im Insolvenzfall erhalten bleiben und gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen. Sehr viel facettenreicher gestalten sich dagegen die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf das Besitzrecht aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG. Dessen erste Zwecksetzung, die Abwicklung im Dreiecksverhältnis zu ermöglichen, wird infolge der Insolvenz des Versicherungsnehmers obsolet. Die Abwicklung im Dreiecksverhältnis ist nunmehr gehindert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit auch das Besitzrecht des Versicherungsnehmers stets erlöschen müsste. Vielmehr kann es mit Blick auf seine zweite Zwecksetzung weiterbestehen und gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen, um fortan diesem die Entscheidung darüber vorzubehalten, ob die Versicherungsforde171
In diese Richtung auch Bruck/Möller/Brand, § 44 Rn. 9. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB begründet nach zutreffender Ansicht eine Einwendung, keine Einrede, vgl. hierzu Baldus, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 986 Rn. 76 ff. m.N. auch zur Gegenansicht. 172
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rung geltend gemacht werden soll. Der Versicherte soll aufgrund der Insolvenzeröffnung nicht bessergestellt werden als er außerhalb des Insolvenzverfahrens stand. Zugleich haben Insolvenzmasse und Insolvenzverwalter ein ebenso berechtigtes Interesse daran, vor den mit der Einziehung der Versicherungsleistung potentiell verbundenen Nachteilen im Deckungsverhältnis (Sonderkündigungsrecht, Rabattverluste) geschützt zu werden, wie der Versicherungsnehmer. Auch dem Insolvenzverwalter muss deshalb im Grundsatz vermittels des Besitzes am Versicherungsschein die Rechtsmacht zukommen, die Einziehung der Versicherungsleistung zu ermöglichen oder zu verhindern. Freilich ist in dieser Hinsicht eine Harmonisierung mit den Vorgaben des Valutaverhältnisses zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem erforderlich: Der Insolvenzverwalter kann nur insoweit zur Verweigerung der Herausgabe des Versicherungsscheins berechtigt sein, als der Versicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens dazu berechtigt gewesen wäre, die Einziehung der Versicherungsforderung zu verweigern. Entscheidend für den Bestand des Besitzrechts ist folglich, ob der Versicherte außerhalb des Insolvenzverfahrens einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer auf Einziehung der Versicherungsforderung (oder zumindest auf Herausgabe des Versicherungsscheins) gehabt hätte. War der Versicherungsnehmer vertraglich zur Einziehung der Versicherungsleistung verpflichtet, muss deshalb auch ein Besitzrecht des Insolvenzverwalters ausscheiden. Der Versicherte kann dann vorbehaltlich der Einrede aus § 46 S. 1 VVG den Versicherungsschein gem. § 985 BGB vindizieren und gem. § 47 InsO aus der Insolvenzmasse aussondern, um im Anschluss hieran gem. § 44 Abs. 2 VVG selbst den Versicherer in Anspruch zu nehmen. Besteht dagegen keine vertragliche Verbindung zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer, ist auch hier Raum für eine Abwägung zwischen den Nachteilen die der Insolvenzmasse durch die Einziehung der Versicherungsforderung in Bezug auf den Versicherungsvertrag erwachsen könnten und dem Schaden des Versicherten im Falle der ausbleibenden Realisierung der Versicherungsforderung. Entfällt das Besitzrecht nach dieser Abwägung nicht, liegt es in der Entscheidung des Insolvenzverwalters, ob er dem Versicherten durch Herausgabe des Versicherungsscheins die Einziehung der Versicherungsforderung ermöglicht. Soweit die Abwägung dagegen zugunsten des Versicherten ausfällt, steht ihm wiederum die Vindikation des Versicherungsscheins offen. (4) Alternative zur Einziehungsbefugnis aufgrund des Besitzes am Versicherungsschein: Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Einziehung In bestimmten Fällen mag es für den oder die Versicherten indes nicht praktikabel sein, die Einziehungsbefugnis durch den Besitz am Versicherungsschein zu erlangen. Dies betrifft zum einen Fallgestaltungen, in denen ein
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Versicherungsschein nicht ausgestellt wurde oder dieser nachträglich verloren ging und zum anderen Situationen, in denen unter der entsprechenden Versicherung einer größeren Zahl Versicherter gleichzeitig Versicherungsforderungen zukommen.173 Dies hindert eine unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den Versicherten jedoch nicht; § 44 Abs. 2 VVG erlaubt diese alternativ vielmehr auch dann, wenn der Versicherungsnehmer der Einziehung durch den Versicherten zugestimmt hat. Dieses Zustimmungsrecht muss mit Insolvenzeröffnung gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen, da die Einziehung der Versicherungsforderung negative Rückwirkungen auf die Versicherungsdeckung und damit auf die Insolvenzmasse haben kann. Die Ausübung des Zustimmungsrechts durch den Insolvenzverwalter wird durch die folgenden rechtlichen Rahmenbedingungen geprägt: Zum einen ist der Insolvenzverwalter im Grundsatz dazu verpflichtet, alles zu tun, was notwendig ist, um einem Aussonderungsberechtigten die Realisierung seines Aussonderungsrechts zu ermöglichen.174 Hieraus lässt sich ein Anspruch des Versicherten auf Erteilung der Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung ableiten. Andererseits muss aber auch hier das Interesse der Insolvenzmasse Berücksichtigung finden, die Entscheidungsgewalt über die Einziehung zu behalten, soweit durch eine solche Nachteile für die Versicherungsdeckung entstehen können oder aber die Versicherungsleistung gem. § 46 VVG als Sicherheit für Ansprüche im Valutaverhältnis dient. Dem Versicherten steht also ein Anspruch gegen den Insolvenzverwalter gerichtet auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung zu, allerdings wiederum nur in den bereits beschriebenen Grenzen. Die dargelegten Grundsätze über die insolvenzrechtliche Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung seien illustriert anhand des folgenden 175
Beispielsfalls: Die Ehefrau des K übergibt dem Juwelier B in dessen Geschäftsräumen diverse im Eigentum des K stehende Schmuckstücke im Gesamtwert von 3.000 € zur Reparatur. B unterhält für Rechnung seiner Kunden bei VR eine Versicherung, die unter anderem das Verlustrisiko durch Diebstahl oder Raub abdeckt. Wenig später kommt es zu 173
Freilich könnten im letztgenannten Fall die Versicherten, in deren Miteigentum der Versicherungsschein gem. § 952 Abs. 1 BGB steht, gem. §§ 1011, 432 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Versicherungsscheins zum Mitbesitz aller Versicherten oder alternativ dessen Hinterlegung verlangen. Dies würde jedoch in praxi insbesondere mit Blick auf möglicherweise nachfolgenden Prozesse gegen den Versicherer, in denen der Versicherungsschein als Beweismittel benötigt wird, einen unverhältnismäßigen logistischen Aufwand bedeuten. 174 Bezieht sich das Aussonderungsrecht auf Sachen ist der Insolvenzverwalter beispielsweise über die bloße Herausgabe hinaus dazu verpflichtet, für die Sicherung der Sache Sorge zu tragen und alles zu unterlassen, was eine reibungslose Aussonderung verhindern könnte, Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 133. 175 Angelehnt an BGH r+s 2016, 347.
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einem Raubüberfall auf das Geschäft des B, bei dem unter anderem sämtliche Schmuckstücke des K geraubt werden. B befand sich bereits zuvor in finanziellen Schwierigkeiten und so wird bald darauf das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. K möchte nun auf die Versicherungsleistung zugreifen. Ansprüche des B gegen K bestehen nicht.
K kann VR nicht sofort selbst in Anspruch nehmen. Ihm mangelt es hierfür an der erforderlichen Einziehungsbefugnis. Der Insolvenzverwalter kann VR ebenfalls nicht in Anspruch nehmen. Die allgemeine Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers B an der Versicherungsforderung geht nicht gem. § 80 Abs. 1 InsO auf ihn über. Die besondere Einziehungsbefugnis aus § 46 S. 2 VVG kommt ihm hier mangels gesicherter Ansprüche ebenso wenig zu. K erlangt die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung aber, wenn er den Versicherungsschein in Besitz nimmt oder der Insolvenzverwalter seine Zustimmung erteilt, § 44 Abs. 2 VVG. Den Besitz am Versicherungsschein kann K als dessen Eigentümer grundsätzlich im Wege der Vindikation gem. § 985 BGB, 47 InsO herausverlangen. Auf Grundlage des § 46 S. 1 VVG kann der Insolvenzverwalter die Herausgabe des Scheins nicht verweigern, da Ansprüche im Valutaverhältnis nicht bestehen. Jedoch könnte ihm das Besitzrecht aus § 44 Abs. 1 S. 2 VVG zur Seite stehen. Dies setzt aber voraus, dass B außerhalb des Insolvenzverfahrens die Einziehung der Versicherungsleistung hätte verweigern können. Nach den insoweit einschlägigen Grundsätzen der Fortführung einer Geschäftsführung ohne Auftrag bestimmt sich dies auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Ein durchsetzbarer Vindikationsanspruch des K ist demnach insbesondere dann zu verneinen, wenn infolge der Einziehung der Versicherungsleistung eine Kündigung der Versicherung durch VR zu befürchten ist und die Versicherung zum Zwecke der Unternehmensfortführung aufrechterhalten werden soll. Dagegen ist ein Vindikationsanspruch zu bejahen, wenn B seine Kunden über den Versicherungsschutz informiert hat und diese deshalb im Vertrauen auf diesen vom Abschluss einer eigenen Versicherung abgesehen haben. Ebenso verhält es sich, wenn eine entsprechende Versicherung branchenüblich ist. Besteht nach dem Gesagten ein durchsetzbarer Vindikationsanspruch des K, so kommt ihm zugleich ein Anspruch gegen den Insolvenzverwalter auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung zu. Sobald eine der Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VVG erfüllt ist, kann K den VR ungehindert durch das Insolvenzverfahren selbst unmittelbar in Anspruch nehmen. bb) Kautelarjuristischer Ausschluss der Einziehungsbefugnis kraft Zustimmung oder Besitz am Versicherungsschein im Insolvenzfall unwirksam Mit den Ansprüchen des Versicherten auf Herausgabe des Versicherungsscheins und auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung sind Instrumente gefunden, welche die hier befürwortete unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten rechtlich zu fundie-
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ren vermögen. Doch kann diese Lösung auch dann Platz greifen, wenn die in § 44 Abs. 2 VVG vorgesehene Einziehungsbefugnis des Versicherten kraft Zustimmung des Versicherungsnehmers oder Besitz am Versicherungsschein, wie im praktischen Regelfall, durch den Versicherungsvertrag ausgeschlossen wurde? Die Antwort auf diese Frage muss – durchaus kontraintuitiv – positiv ausfallen. Obgleich die kautelarjuristische Abbedingung dieser Einziehungsbefugnis des Versicherten im Normalfall ohne Weiteres zulässig und wirksam ist, gelten auch diesbezüglich im eröffneten Insolvenzverfahren andere Regeln. Die Regelungen der InsO zur Realisierung der Aus- und Absonderungsrechte sind grundsätzlich zwingender Natur. Da sie einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen im multipolaren Konfliktfeld zwischen Insolvenzgläubigern, Aus- bzw. Absonderungsberechtigtem und Insolvenzschuldner bezwecken, sind sie einer kautelarjuristischen Modifikation im Regelfall nicht zugänglich.176 Wie im allgemeinen Teil der Untersuchung aufgezeigt wurde, wird der genannte Interessenausgleich im Bereich der Aussonderung von Forderungen nach dem der InsO zugrundeliegenden Konzept dadurch gewährleistet, dass die Einziehung dieser Forderungen ausschließlich durch den Aussonderungsberechtigten selbst und damit auf dessen Kosten erfolgt. Könnte der im Versicherungsvertrag vereinbarte Ausschluss der Einziehungsbefugnis kraft Zustimmung oder Besitz am Versicherungsschein auch im Insolvenzverfahren Geltung beanspruchen, müsste dieser die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den aussonderungsberechtigten Versicherten vereiteln und entgegen den Vorgaben der InsO die Last der Forderungseinziehung der Insolvenzmasse aufbürden. Entsprechenden Klauseln muss deshalb im Insolvenzverfahren die Wirksamkeit versagt werden. Auch bei Vorliegen einer entsprechenden Klausel richtet sich die Abwicklung im Insolvenzverfahren folglich nach den zuvor dargelegten Grundsätzen. e) Die Insolvenz des Versicherungsnehmers aus der Perspektive des Versicherers aa) Identifikation der zum Empfang der Versicherungsleistung berechtigten Person Die vorstehenden Ausführungen zeichnen ein äußerst komplexes Bild der Rechtslage nach Insolvenzeröffnung. Vor diesem Hintergrund stellt sich für den Versicherer die drängende Frage, an welche Partei er im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers überhaupt noch mit befreiender Wirkung leisten kann. Die Antwort variiert je nach Fallgestaltung, den Versicherer stellt dies aber nicht vor unlösbare Aufgaben. 176
Aus diesem Grund wird beispielsweise die Regelung des § 166 InsO allgemein als zwingend angesehen, vgl. hierzu statt aller BGH NZI 2009, 312, 313; Uhlenbruck/Brinkmann, § 166 Rn. 2; K. Schmidt/Sinz, § 166 Rn. 1.
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Da die allgemeine Einziehungsbefugnis des Versicherungsnehmers durch die Insolvenzeröffnung unberührt bleibt und nicht auf den Insolvenzverwalter übergeht, kann der Versicherer die Entschädigung im Grunde an den Versicherungsnehmer auszahlen und damit seine Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag gem. §§ 362 Abs. 1 BGB, 43 ff. VVG zum Erlöschen bringen. Allerdings ist zu beachten, dass der Versicherungsnehmer schuldrechtlich gegenüber dem Versicherten dazu verpflichtet ist, die Einziehung der Versicherungsforderung zu unterlassen. Wegen der relativen Wirkung dieser Unterlassungspflicht ist der Versicherer hieran zwar nicht unmittelbar gebunden, aufgrund der besonderen schuldrechtlichen Beziehung zwischen ihm und dem Versicherten ist er aber dennoch gem. § 241 Abs. 2 BGB dazu verpflichtet, in besonderer Weise auf die Interessen des Letzteren Rücksicht zu nehmen.177 Wenn der Versicherer durch freiwillige Leistung der Entschädigung an den Versicherungsnehmer das Aussonderungsrecht des Versicherten zum Erlöschen bringt und dadurch dessen insolvenzrechtliche Stellung beeinträchtigt, ist hierin eine Verletzung dieser Schutzpflicht zu sehen.178 Soweit der Versicherer diese zu vertreten hat, steht dem Versicherten damit gem. § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen ihn zu. Dieser wird in praxi aber nur dann relevant, wenn die Entschädigung in der Insolvenzmasse nicht mehr unterscheidbar vorhanden ist, da dem Versicherten ansonsten gem. § 48 S. 2 InsO ein Ersatzaussonderungsrecht zusteht, das den Verlust des Aussonderungsrechts kompensiert. Da die allgemeine Einziehungsbefugnis nicht auf den Insolvenzverwalter übergeht, kann der Versicherer dagegen an die Insolvenzmasse grundsätzlich nicht mit befreiender Wirkung leisten. Dies ändert sich jedoch, wenn der Insolvenzmasse gegen den Versicherten solche Ansprüche zustehen, die das Befriedigungsvorrecht des Versicherungsnehmers nach § 46 S. 2 VVG auslösen. Die Abhängigkeit der Zuordnung der Einziehungsbefugnis von der Beschaffenheit des Valutaverhältnisses kann für den Versicherer freilich eine erhebliche Ungewissheit hinsichtlich der Person des Leistungsempfängers 177
Zur Einordnung des Drittverhältnisses zwischen Versicherer und Versichertem als vertragsähnliches Schuldverhältnis, aus dem Schutzpflichten abgeleitet werden können Bruns, Privatversicherungsrecht, § 17 Rn. 18 und allgemein zu Verträgen zugunsten Dritter BGH NJW 2005, 3778 (dort nur betreffend Pflichten des Drittbegünstigten) sowie Jauernig/Stadler, § 328 Rn. 11. 178 Als freiwillige Leistung wird hier eine solche verstanden, die der Versicherer erbringt, ohne vom Versicherungsnehmer ernstlich in Anspruch genommen worden zu sein, wenn also der Versicherer nach Kenntniserlangung vom Eintritt des Versicherungsfalls gleichsam spontan an den als insolvent erkannten Versicherungsnehmer leistet. Nimmt der Versicherungsnehmer den Versicherer dagegen – unter Verletzung seiner schuldrechtlichen Unterlassungspflicht – auf Leistung in Anspruch, kann die Leistungserbringung durch den Versicherer nicht als Schutzpflichtverletzung gegenüber dem Versicherten angesehen werden.
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begründen. Zwar sollten genau solche Ungewissheiten durch die gesetzliche Ausgestaltung der Versicherung für fremde Rechnung verhindert werden. In der besonderen Situation der Insolvenz sind sie jedoch unvermeidlich. Die hinsichtlich der Verteilung der Einziehungsbefugnis bestehenden Unklarheiten wiegen auch nicht so schwer, als dass sie die hier entwickelte Konzeption der insolvenzrechtlichen Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung infrage stellen könnten. Teilweise wird sich insoweit eine Klärung bereits durch Verhandlungen zwischen den Parteien ergeben, wenn nämlich entweder der Insolvenzverwalter keinerlei Ansprüche im Valutaverhältnis geltend macht oder aber der Versicherte das Bestehen solcher Ansprüche von vornherein bestätigt. Selbst wenn aber über das Bestehen der Ansprüche im Valutaverhältnis Streit herrscht, lässt sich die Problemlage für den Versicherer ohne größeren Aufwand beseitigen. Da der Versicherer unverschuldet über die Person des Empfangsberechtigten im Unklaren ist, steht es ihm nach § 372 S. 2 BGB frei, die Entschädigungssumme unter Verzicht auf sein Rücknahmerecht zu hinterlegen und sich damit gem. §§ 378, 362 Abs. 1 BGB von seiner Schuld zu befreien. An den Versicherten kann der Versicherer schließlich spätestens dann mit befreiender Wirkung leisten, wenn dieser durch den Besitz des Versicherungsscheins zur Entgegennahme der Entschädigung legitimiert ist. Leistet der Versicherer bereits zuvor an den Versicherten, hat dies nur dann negative Konsequenzen für ihn, wenn der Insolvenzmasse auf Grundlage des § 46 S. 2 VVG die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung zusteht. In diesem Fall kann der Insolvenzverwalter die (teilweise) fortbestehende Versicherungsforderung einziehen. Der Versicherer ist dagegen darauf verwiesen, die bereits an den Versicherten geleistete Entschädigung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB von diesem zu kondizieren. War der Insolvenzverwalter dagegen nicht zur Einziehung der Versicherungsforderung befugt, steht dem Versicherten die Forderung zwar weiterhin zu. Der Versicherer kann aber mit dem ihm zustehenden Kondiktionsanspruch gegen diese aufrechnen. bb) Schutz vor der Inanspruchnahme durch unbekannte Forderungsprätendenten Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die außerhalb der Insolvenz praktizierte Abwicklung im Dreiecksverhältnis den Versicherer insbesondere davor schützen soll, sich einer Vielzahl ihm unbekannter Forderungsprätendenten gegenüberzusehen, deren Berechtigung in Bezug auf die Versicherungsleistung er nicht hinreichend prüfen kann. Wenn nun für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers eine Abkehr von der Abwicklung im Dreiecksverhältnis gefordert wird, muss sichergestellt werden, dass dieser Schutz nicht vollständig verloren geht. Nach der hier vorgeschlagenen Konzeption ist dies freilich auch nicht der Fall. Wegen der Regelung des § 44
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Abs. 2 VVG setzt die erfolgreiche Inanspruchnahme des Versicherers durch einen (vermeintlichen) Versicherten voraus, dass Letzterer durch die Zustimmung des Insolvenzverwalters oder den Besitz des Versicherungsscheins zur Forderungseinziehung legitimiert ist. Der Insolvenzverwalter darf die entsprechende Zustimmung aber nicht jedermann erteilen und schon gar nicht den Versicherungsschein an beliebige Dritte aushändigen. Er ist vielmehr kraft seines Amtes dazu verpflichtet das durch den jeweiligen Forderungsprätendenten geltend gemachte Aussonderungsrecht unter Anwendung der üblichen Sorgfalt auf seine Berechtigung zu prüfen.179 Hierbei ist er insbesondere gehalten, die gem. §§ 36 Abs. 2, 148 Abs. 1 InsO in seinen Besitz gelangten Geschäftsunterlagen des Versicherungsnehmers zu Rate zu ziehen. Die Kombination aus Prüfungspflicht des Insolvenzverwalters und Erfordernis der Legitimation des Forderungsprätendenten durch Zustimmung oder Besitz am Versicherungsschein gewährleistet einen hinreichenden Schutz des Versicherers vor der Konfrontation mit unklärbaren Forderungen. 4. Ergebnis Es hat sich gezeigt, dass die bislang von der ganz h.M. favorisierte generelle Aufrechterhaltung der Abwicklung im Dreiecksverhältnis auch im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers mit den Grundwertungen des geltenden Insolvenzrechts nicht in Einklang zu bringen ist. Vorzugswürdig ist demgegenüber eine Alternativkonzeption, die dem Versicherten grundsätzlich die unmittelbare Einziehung der Versicherungsleistung erlaubt und eine Einziehung durch den Insolvenzverwalter nur für diejenigen Fälle vorsieht, in denen der Insolvenzmasse ein besonderes Befriedigungsvorrecht an der Versicherungsleistung zukommt. Die folgenden beiden Beispielsfälle sollen diese Alternativkonzeption noch einmal abschließend illustrieren: Beispielsfall 1: VN ist gewerblicher Lagerhalter, in dessen Lager zahlreiche Kunden Güter einlagern. Wie von den meisten seiner Kunden verlangt, hat VN die eingelagerten Sachen bei VR hinsichtlich der Risiken aus Einbruchsdiebstahl, Feuer, Leitungswasser und Sturm unter Versicherungsschutz gebracht. Kurze Zeit nachdem über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet und IV zur Insolvenzverwalterin ernannt wurde, brennt das Lager samt seinem Inhalt vollständig ab; die Ursache des Feuers lässt sich nicht feststellen. V macht geltend, er habe bei VN Güter im Wert von 10.000 € eingelagert. Den infolge des Brandes angeblich erlittenen Schaden möchte er durch VR ersetzt wissen. IV weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass V zunächst einmal der Insolvenzmasse die für die Versicherung seiner Güter aufgewendeten Prämienleistungen zu ersetzen habe.
V kann VR zunächst nicht unmittelbar in Anspruch nehmen, es mangelt ihm an der hierfür notwendigen Einziehungsbefugnis. Solange er weder den Besitz des Versicherungsscheins noch eine entsprechende Zustimmung der IV 179
Allgemein zur Pflicht des Insolvenzverwalters, geltend gemachte Aussonderungsrechte auf ihre Berechtigug zu prüfen Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 33.
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gem. § 44 Abs. 2 VVG nachweisen kann, kann VR ihm gegenüber die Leistung ohne nähere Prüfung der Sachlage verweigern. Die allgemeine Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung liegt ungeachtet der Insolvenzeröffnung weiterhin bei VN. Dieser ist jedoch schuldrechtlich gegenüber V dazu verpflichtet, von der Befugnis keinen Gebrauch mehr zu machen. Soweit V tatsächlich Güter bei VN eingelagert hatte und damit Versicherter ist, steht der Insolvenzmasse gegen ihn ein Anspruch auf Ersatz der zu seinen Gunsten aufgewendeten Prämienleistungen aus § 474 HGB zu.180 Gestützt auf diesen Anspruch erwächst der Insolvenzmasse gegen V aus § 46 S. 1 VVG ein Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein sowie an der Versicherungsforderung das Befriedigungsvorrecht aus § 46 S. 2 VVG. Diese Gegenrechte kann IV einem Verlangen des V auf Herausgabe des Versicherungsscheins oder auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung entgegenhalten. Zudem kann IV gestützt auf § 46 S. 2 VVG den VR auf Erbringung der Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse in Anspruch nehmen. VR, der typischerweise nicht wissen kann, ob die Ansprüche der Insolvenzmasse aus § 474 HGB tatsächlich gegeben sind und deshalb unverschuldet über das Einziehungsrecht der IV im Unklaren ist, kann sich den entsprechenden Streitigkeiten durch Hinterlegung der Versicherungsleistung gem. § 372 S. 2 BGB entziehen. Beispielsfall 2: Wie oben, jedoch macht IV keine Ansprüche auf Erstattung aufgewendeter Prämienleistungen gegen V geltend.
V ist es auch hier zunächst verwehrt, unmittelbar gegen VR vorzugehen. Jedoch kann er IV gem. § 985 BGB auf Herausgabe des Versicherungsscheins oder auf Grundlage seines Aussonderungsrechts auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung in Anspruch nehmen. Gem. § 472 Abs. 1 S. 1 HGB war VN zum Abschluss der Sachversicherung für Rechnung des V verpflichtet, VN stand deshalb hinsichtlich der Einziehung der Versicherungsleistung kein Entscheidungsspielraum offen. Folgerichtig ist nach Insolvenzeröffnung auch IV dazu verpflichtet, dem V die Einziehung der Versicherungsforderung zu ermöglichen. IV hat zuvor freilich nach ihren Möglichkeiten zu prüfen, ob V auch tatsächlich eine Versicherungsforderung zusteht und er somit aussonderungsberechtigt ist. Die für diese Prüfung notwendigen Informationen werden sich regelmäßig in den Geschäftsunterlagen des Schuldners finden, insbesondere, ob der V tatsächlich Güter bei VN eingelagert hatte, inwieweit diese Güter tatsächlich durch den Brand zu Schaden kamen und ob die Güter dem Versicherungsschutz unterfielen. Ermöglicht IV dem V in der Folge die Einziehung der Versicherungsforderung, kann VR deshalb davon ausgehen, dass die geltend gemachte Forderung bereits einer ersten Plausibilitätskontrolle unterzogen wurde. 180
Vgl. hierzu Frantzioch, in: Münchener Kommentar zum HGB, § 472 Rn. 5.
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III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Versicherten Die vorstehenden Ausführungen beschreiben die Rechtsstellung, die der Versicherte infolge der Insolvenzeröffnung zunächst innehat. Damit ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Die Rechtsstellung des Versicherten kann auch nach Insolvenzeröffnung noch Beeinträchtigungen erleiden. Von zentraler Bedeutung sind insoweit die Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen durch den Versicherer sowie die Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO oder die Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO durch den Insolvenzverwalter. Ein Sonderkündigungsrecht für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers kann sich der Versicherer dagegen nicht mehr ausbedingen, da die entsprechende Sonderregelung des § 14 VVG a.F. im Zuge der VVG-Reform 2008 ersatzlos gestrichen wurde.181 1. Aufrechnung Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers werden nicht selten noch unbezahlte Prämienforderungen ausstehen. War der Versicherer aufgrund des Prämienverzugs gem. § 38 Abs. 2 VVG bei Eintritt des Versicherungsfalls leistungsfrei, so kann er dies gem. § 334 BGB ohne Weiteres auch dem Versicherten entgegenhalten.182 War Leistungsfreiheit noch nicht eingetreten, verbleibt dem Versicherer die Möglichkeit, mit den rückständigen Prämienforderungen gegen die Versicherungsforderung aufzurechnen. Die mangelnde Gegenseitigkeit der Forderungen (die Prämienforderung ist gegen den Versicherungsnehmer gerichtet, die Versicherungsforderung steht aber dem Versicherten zu) steht der Aufrechnung gem. § 35 VVG nicht entgegen. Insolvenzbedingt ergeben sich jedoch gewisse Einschränkungen der Aufrechenbarkeit. Soweit der Versicherungsfall bereits vor Insolvenzeröffnung eingetreten ist und die Prämienforderungen ebenfalls bereits vor diesem Zeitpunkt fällig wurden, bleibt es bei der uneingeschränkten Aufrechenbarkeit, § 94 InsO.183 Tritt der Versicherungsfall dagegen erst nach Insolvenzeröffnung ein, kann der Versicherer gem. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO nur mit solchen Prämienforderungen aufrechnen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig geworden sind. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist dagegen nicht einschlägig, da der Versicherer die Versicherungsleistung nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Versicherten schuldet. Abgesehen von Prämienforderungen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls und Insolvenzeröffnung fällig geworden sind, kann der Versicherer 181 Vgl. hierzu BT-Drucks. 16/3945, S. 64; Prölss/Martin/Armbrüster, Anh. zu § 16 Rn. 1; Bruck/Möller/Johannsen, Anh. zu § 16 Rn. 1 ff. Auch gegen die Möglichkeit einer Kündigung wegen Prämienverzugs auf Grundlage des § 38 VVG, Prahl, ZInsO 2015, 2565, 2566 f. (zweifelhaft). 182 Werner, ZInsO 2014, 1940, 1941. 183 Prahl, ZInsO 2015, 2565, 2567.
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folglich gegenüber der Versicherungsleistung alle ausstehenden Prämienschulden in Abzug bringen. 2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO Neben der Möglichkeit zur Aufrechnung stellt sich die Frage, wie sich eine Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters gem. § 103 InsO auf die Rechtsstellung des Versicherten auswirkt. Versicherungsverträge sind gegenseitige Verträge i.S.d. § 103 InsO, die aus ihnen resultierenden Ansprüche sind bei Insolvenzeröffnung regelmäßig beiderseitig noch nicht vollständig erfüllt,184 sodass dem Insolvenzverwalter die Wahl eröffnet ist, ob er den Vertrag fortführt oder aber dessen Erfüllung ablehnt.185 Da der Insolvenzmasse aus einer Versicherung für fremde Rechnung keine unmittelbaren Vorteile erwachsen, wird der Insolvenzverwalter die Erfüllung solcher Verträge regelmäßig ablehnen.186 Anders mag es sein, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fortführt und die Versicherung für diesen von essentieller Bedeutung ist (z.B. die Lagerversicherung eines gewerblichen Lagerhalters). a) Insolvenzrechtliche Grundlagen Das dogmatische Verständnis des § 103 InsO unterlag bekanntlich in jüngerer Zeit erheblichen Wandlungen in Rechtsprechung und Literatur.187 Obgleich dieses gewandelte Normverständnis erhebliche Auswirkungen auf das rechtliche Schicksal der Versicherungsforderung hat, ist es in der Versicherungsrechtswissenschaft bislang allerdings noch nicht vollständig rezipiert worden.188 Es soll deshalb hier noch einmal kurz resümiert werden: Während früher die Auffassung vorherrschte, dass die Insolvenzeröffnung ipso iure zum Erlöschen der Forderungen aus dem nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag führe und die Erfüllungswahl diese Forderungen neu herstelle (sog. Erlö184
Ausnahmen hiervon bilden bspw. Fälle einer bereits entrichteten Einmalprämie, vgl. hierzu Bruck/Möller/Johannsen, Anh. zu § 16 Rn. 11. 185 BGH NZI 2014, 369, 370 (in casu abgelehnt, weil Ansprüche aus privater Krankenkostenversicherung gem. § 36 Abs. 1 S. 1 InsO i.V.m. § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht in die Insolvenzmasse fielen); NZI 2012, 76, 77; 2008, 36, 37; VersR 1993, 689, 690 (zu § 17 KO); Prölss/Martin/Armbrüster, Anh. zu § 16 Rn. 3; Bruck/Möller/Johannsen, Anh. zu § 16 Rn. 10; Huber, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 44; Beckmann/Matusche-Beckmann/Köhler, § 23a Rn. 15. 186 Maßstab für die Ausübung des Wahlrechts ist einzig, welche Entscheidung für die Masse günstiger ist. Die Interessen Dritter finden keine Berücksichtigung, vgl. hierzu Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 97; Jansen, NZI 2016, 580, 582. 187 Ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung des Normverständnisses von § 103 InsO bzw. § 17 KO Kreft, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 8 ff. m.N.; Riehm, KTS 2016, 143, 145 ff. 188 Hierzu sogleich sub b).
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schenstheorie), gilt es heute als konsolidiert, dass lediglich die Durchsetzbarkeit der Forderungen bis zur Erfüllungswahl gehemmt bleibt. Diese Hemmung der Durchsetzbarkeit leitet sich aus dem Gedanken des funktionellen Synallagmas ab. Aufgrund der synallagmatischen Verknüpfung ist gem. § 320 BGB die Durchsetzbarkeit jeder Forderung bis zur Erbringung der Gegenleistung ausgeschlossen, vorgesehen ist die Erfüllung Zug-um-Zug. Solange die Forderung des Gläubigers Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO ist, kann der Insolvenzverwalter die geschuldete Leistung jedoch nicht erbringen und damit auch nicht die Durchsetzbarkeit der der Insolvenzmasse zustehenden Gegenforderung herbeiführen. Die Regelung des § 103 Abs. 1 InsO soll es dem Insolvenzverwalter vor diesem Hintergrund ermöglichen, die Forderung des Vertragspartners durch Erfüllungswahl zur Masseforderung zu erheben, diese zu erfüllen und damit zugunsten der Masse die Durchsetzbarkeit der Gegenforderung herbeizuführen.189 Bei teilbaren Leistungen bleiben freilich diejenigen Teilleistungsansprüche von den Rechtswirkungen des § 103 InsO unberührt, deren Gegenleistungen bei Insolvenzeröffnung bereits vollständig erbracht waren (teilweise geregelt in § 105 InsO).190 Versicherungsverträge werden von der h.M. zumindest im Rahmen des § 103 InsO als Verträge begriffen, die solche teilbare Leistungen zum Gegenstand haben. Den einzelnen Prämienleistungen steht demnach als Leistung des Versicherers die Risikoübernahme pro rata temporis gegenüber.191 b) Auswirkungen der Erfüllungsablehnung auf den Versicherungsvertrag Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Versicherungsvertrags für fremde Rechnung gem. § 103 Abs. 2 InsO ab, kommt es nach dem Vorstehenden maßgeblich darauf an, ob die Versicherungsprämie für diejenige Versicherungsperiode, in der sich der Versicherungsfall ereignet, bereits entrichtet wurde. Ist die Prämie bezahlt, bleibt die Versicherungsforderung von den 189 Zum Ganzen BGH NJW 2002, 2783, 2785; Kreft, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 2, 14 ff.; K. Schmidt/Ringstmeier, § 103 Rn. 1 ff.; Riehm, KTS 2016, 143, 145 ff. 190 BGH NJW 1995, 1966, 1967 f.; ZIP 1997, 688, 689 f.; Kreft, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 4 f., 30 ff.; Uhlenbruck/Wegener, § 105 Rn. 2 ff. 191 OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 494, 495; Beckmann/Matusche-Beckmann/Köhler, § 23a Rn. 22; Jaeger/Jacoby, § 105 Rn. 51; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 44; Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 105 Rn. 63; K. Schmidt/Ringstmeier, § 105 Rn. 28. Freilich steht diese Ansicht in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur in Bezug auf die dogmatische Konstruktion des Versicherungsvertrags vorherrschenden Geldleistungstheorie, welche die Risikoübernahme gerade nicht als geschuldete Leistung des Versicherers ansieht, vgl. hierzu statt vieler Prölss/Martin/Armbrüster, § 1 Rn. 121, 128 ff. Allgemein zum Streit um die dogmatische Einordnung der Leistungspflichten des Versicherers Bruns, Privatversicherungsrecht, § 14 Rn. 3 ff.
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Rechtswirkungen des § 103 Abs. 2 InsO verschont,192 die Rechtsstellung des Versicherten erfährt keine Beeinträchtigung. Ist die entsprechende Prämienschuld dagegen noch offen – sei es, weil sich der Versicherungsfall erst nach Insolvenzeröffnung ereignet, sei es, weil bereits vor Insolvenzeröffnung Prämienzahlungen ausblieben – wird die Versicherungsforderung des Versicherten von den Rechtswirkungen des § 103 Abs. 2 InsO erfasst. Im versicherungsrechtlichen Schrifttum ist zu lesen, die Erfüllungsablehnung führe insoweit zum Erlöschen der Versicherungsforderung.193 An dieser Stelle offenbart sich die mangelnde Rezeption des gewandelten Normverständnisses durch die Versicherungsrechtswissenschaft. Richtigerweise führt die Erfüllungsablehnung ebenso wenig wie die Verfahrenseröffnung ipso iure zu einer materiellrechtlichen Umgestaltung der vertraglichen Forderungen. Vielmehr bleibt zunächst lediglich das Hindernis der mangelnden Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung bestehen.194 Dieses vermag der Versicherte jedoch zu überwinden. Gem. § 34 Abs. 1 VVG ist er dazu berechtigt, fällige Prämienschulden des Versicherungsnehmers selbst gegenüber dem Versicherer zu begleichen. Zahlt der Versicherte in Ausübung dieser Befugnis die ausstehende Versicherungsprämie an den Versicherer, so wird die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung nach den Grundsätzen des funktionellen Synallagmas wiederhergestellt. Die Erfüllungsablehnung hat damit üblicherweise zur Folge, dass der Versicherte die Versicherungsleistung auch weiterhin erhalten kann, jedoch nur abzüglich der ausstehenden Prämie für die entsprechende Versicherungsperiode. Dieses Ergebnis überzeugt auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wegen des Charakters der Versicherung als gegenseitiger Vertrag darf der Versicherer darauf vertrauen, dass er die Versicherungsleistung nur erbringen muss, wenn er im Gegenzug die ausstehende Versicherungsprämie erhält. Der Insolvenzverwalter (bzw. die Insolvenzmasse) kann indes nicht dazu gezwungen sein, diese Prämie zugunsten des Versicherten aufzubringen. Selbst wenn der Versicherte vor Insolvenzeröffnung einen Anspruch gegen den Versicherungsnehmer auf Finanzierung der Versicherung hatte, wäre dieser im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung einzuordnen und würde folglich nur noch zu quotaler Befriedigung berechtigen. Will der Versicherte die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen, muss er deshalb selbst die ausstehende Prämie für die jeweilige Versicherungsperiode aufbringen, um der synallag192
Vgl. OLG Karlsruhe NVersZ 2002, 328; zu pauschal dagegen Prölss/Martin/Armbrüster, Anh. zu § 16 Rn. 7 und Bruck/Möller/Johannsen, Anh. zu § 16 Rn. 17 (trat Versicherungsfall vor Zugang der Ablehnungserklärung ein, müsse die Versicherungsleistung entrichtet werden). 193 Langheid/Rixecker, § 16 Rn. 8; Bruck/Möller/Johannsen, Anh. zu § 16 Rn. 17; Prölss/Martin/Armbrüster, Anh. zu § 16 Rn. 7; Werner, ZInsO 2014, 1940, 1944. 194 Richtig Beckmann/Matusche-Beckmann/Köhler, § 23a Rn. 36; vgl. auch BGH NZI 2013, 296 m.w.N.
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matischen Verknüpfung der Leistungspflichten gerecht zu werden. Andere offene Prämienforderungen kann der Versicherer darüber hinaus – wie im vorigen Abschnitt dargelegt – im Wege der Aufrechnung in Abzug bringen. Zum Untergang der Versicherungsforderung könnte es dagegen infolge der Erfüllungsablehnung nur kommen, wenn der Versicherer gem. § 103 Abs. 2 S. 1 InsO eine Forderung wegen Nichterfüllung des Vertrages geltend macht.195 Mit der Geltendmachung dieser Forderung tritt an die Stelle des gegenseitigen Vertragsverhältnisses ein einseitiges Abrechnungsverhältnis, in das die einzelnen Ansprüche als unselbständige Verrechnungsposten Eingang finden.196 Hierbei handelt es sich jedoch weitestgehend um eine rein theoretische Möglichkeit. Zur Ermittlung des Anspruchs aus § 103 Abs. 1 S. 1 InsO werden die gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis kapitalisiert und saldiert.197 Da der Wert der Versicherungsleistung denjenigen der ausstehenden Prämienforderungen aber im Normalfall übersteigt, wird der Saldo für den Versicherer üblicherweise negativ ausfallen, sodass dieser den Anspruch gem. § 103 Abs. 1 S. 1 InsO nicht geltend machen kann. 3. Insolvenzanfechtung Angesichts der enormen praktischen Bedeutung der Insolvenzanfechtung und des steten Bemühens der Insolvenzverwalter, neue Quellen der Masseanreicherung zu erschließen, muss es sehr verwundern, dass der Möglichkeit einer Anfechtung im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung bislang keine größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Soweit ersichtlich, beschränkt sich die zu dieser Thematik auffindbare Rechtsprechung auf ein 2007 ergangenes Urteil des LG München,198 das ungeachtet seiner erheblichen praktischen Implikationen199 in der Literatur bislang kaum Beachtung gefunden hat.200 Das LG München sieht in der Einbeziehung des Versicherten in den Versicherungsschutz eine mittelbare Zuwendung des Versicherungsnehmers, die der Insolvenzanfechtung unterliegen könne. Steht der Einräumung des Versi195
Ausführlich zum Streit um die Rechtsgrundlage dieser Forderung Riehm, KTS 2016, 143, 149 m.N. 196 BGH NZI 2004, 214, 215; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 169; Kreft/Huber, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 22, 185. 197 BGH NJW 2001, 1136, 1137 f.; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 169; Dahl/Schmitz, NZI 2013, 631, 632; Fischer, NZI 2001, 281, 283. 198 LG München BeckRS 2008, 05048. Gegen das Urteil wurde zwar Berufung eingelegt. Wie das LG München auf Anfrage des Autors mitteilte, wurde das Berufungsverfahren jedoch nicht durch Urteil beendet. 199 Vgl. hierzu auch Stahlschmidt, EWiR 2008, § 134 InsO 1/08, 627, 628 („Das Urteil ist in seiner praktischen Konsequenz gar nicht hoch genug einzuschätzen“). 200 Ausnahmen bilden die kurzen Anmerkungen von Stahlschmidt, EWiR 2008, § 134 InsO 1/08, 627 und Blum, WuB VI A. § 129 InsO 2.08.
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cherungsschutzes im Valutaverhältnis zum Versicherungsnehmer keine Gegenleistung des Versicherten gegenüber, handele sich um eine unentgeltliche Leistung, wodurch der vierjährige Anfechtungszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO eröffnet werde. Das Gericht lässt offen, welcher Zeitpunkt hierbei gem. § 140 Abs. 1 InsO für die Anfechtbarkeit maßgeblich wäre. In Betracht kommen insbesondere der Abschluss der Versicherung für fremde Rechnung und der Eintritt des Versicherungsfalls.201 Sei die durch die Versicherung für fremde Rechnung begründete Zuwendung des Versicherungsnehmers nach diesen Grundsätzen anfechtbar, so habe der Versicherte die Versicherungsleistung vollständig an die Insolvenzmasse abzuführen. 202 Diese Rechtsprechung vermag nicht zu überzeugen, da sie unbesehen die Grundsätze zur Anfechtung bürgerlichrechtlicher Verträge zugunsten Dritter auf die Versicherung für fremde Rechnung überträgt203 ohne den versicherungsrechtlichen Besonderheiten hinreichend Beachtung zu schenken. Diese Besonderheiten verhindern, dass die Zuwendung der Versicherungsleistung an den Versicherten unmittelbar mit einer Benachteiligung der Gläubiger des Versicherungsnehmers korreliert, wie sie die Insolvenzanfechtung gem. § 129 Abs. 1 InsO stets zur Voraussetzung hat. Jede erfolgreiche Anfechtung setzt voraus, dass ihr Gegenstand ohne die angefochtene Rechtshandlung zum haftenden Vermögen des Insolvenzschuldners gehört, also dem Zugriff der Insolvenzgläubiger offen gestanden hätte.204 In dem vom LG München entschiedenen Fall stand eine Schadensversicherung (Vertrauensschadensversicherung) in Rede. Schützt eine solche Versicherung die Interessen eines Dritten, so verhindert das versicherungsrechtliche Prinzip der Bindung der Versicherungsforderung an das versicherte Interesse, dass die Versicherungsforderung in das Vermögen des Versicherungsnehmers fällt. Für eigene Rechnung kann der Versicherungsnehmer das fremde Interesse nicht unter Versicherungsschutz bringen. Durch die Rechtshandlung des Schuldners wird den Gläubigern folglich nicht ein Vermögensgegenstand entzogen, der andernfalls ihrem Vollstreckungszugriff unterlegen hätte. Vielmehr wird ein Vermögensgegenstand generiert, der dem Vermögen des Schuldners und folgerichtig auch dem Vollstreckungszugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers kategorisch entzogen ist. Da die Versicherungsleistung demnach nie als Haftungsobjekt für die Gläubiger in Betracht kam, kann sie auch nicht im Wege der Insolvenzanfechtung zur Masse gezogen werden.205
201
Zur parallelen Fragestellung bei der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten unten sub § 7 C. III. 3. a). 202 Zustimmend Stahlschmidt, EWiR 2008, § 134 InsO 1/08, 627, 628. 203 Das LG München stützt sich in seinem Urteil explizit auf die Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzanfechtung bei bürgerlichrechtlichen Verträgen zugunsten Dritter. 204 BGH NZI 2007, 98 f. m.w.N. 205 Ähnlich auch schon Blum, WuB VI A. § 129 InsO 2.08.
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Anders verhält es sich dagegen mit den Prämienzahlungen die der Versicherungsnehmer an den Versicherer erbracht hat und die sich anfechtungsrechtlich ebenfalls als mittelbare Zuwendungen an den Versicherten darstellen. Diese Zahlungen führten unmittelbar zu einem Abfluss von Vermögenswerten aus dem Vermögen des Schuldners und damit zu einer Verringerung der den Gläubigern zur Verfügung stehenden Haftungsmasse. Soweit diese Prämienzahlungen im kritischen Zeitraum erbracht wurden, unterliegen sie mithin der Insolvenzanfechtung.206 Handelt es sich um eine Versicherung, die sowohl eigene als auch fremde Interessen abdeckt, muss ermittelt werden, inwieweit sich die Prämie durch die Einbeziehung der Fremdinteressen erhöht hat.207 Diese Grundsätze hindern die Insolvenzanfechtung nicht nur im Bereich der Schadensversicherung für fremde Rechnung. Sie lassen sich ebenso auf die Fremdunfallversicherung als praktisch wichtigsten Anwendungsfall der Summenversicherung für fremde Rechnung übertragen. Wenngleich der Abschluss einer Unfallversicherung auf die Person eines Dritten für eigene Rechnung nicht ausgeschlossen ist, setzt § 179 Abs. 2 S. 1 VVG doch voraus, dass die Gefahrperson hierzu ihre schriftliche Einwilligung erteilt. Andernfalls ist eine solche Versicherung nur als Versicherung für fremde Rechnung wirksam. Da eine solche schriftliche Einwilligung im Regelfall der Fremdversicherung nicht vorliegen wird – man denke nur an den Fall der KfzInsassenunfallversicherung – ist auch hier der Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsforderung kategorisch ausgeschlossen. Eine Insolvenzanfechtung mit der Versicherungsleistung als Anfechtungsobjekt kommt mithin ebenso wenig wie bei der Schadensversicherung in Betracht.208 In den anderen Fällen der Summenversicherung ist die Ausgestaltung als Versicherung für fremde Rechnung dagegen, obgleich seit der VVGReform grundsätzlich möglich, nicht sonderlich verbreitet.209
206
Ebenso Blum, WuB VI A. § 129 InsO 2.08. Blum, WuB VI A. § 129 InsO 2.08. 208 I.E. ebenso Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 55; wegen der Besonderheiten der Unfallversicherung lässt sich mit Blick auf die Anfechtbarkeit die von Blum, WuB VI A. § 129 InsO 2.08 angedeutete Trennung zwischen Schadens- und Summenversicherung nicht konsequent durchführen. 209 Bei Lebensversicherungen richten sich etwaige Dreipersonenverhältnisse zumeist nach den Regelungen über die Bezugsberechtigung (§ 159 VVG) und die Bestimmung der Gefahrperson (§ 152 VVG). Diese sind von der Versicherung für fremde Rechnung zu unterscheiden, Bruck/Möller/Brand, § 43 Rn. 7, 13 f.; Prölss/Martin/Klimke, Vor § 43 Rn. 3 ff. 207
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D. Rechtsvergleichende Betrachtung D. Rechtsvergleichende Betrachtung
Die vorstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass sich der deutsche Rechtsanwender bei der insolvenzrechtlichen Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sieht. Es drängt sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, wie andere Rechtsordnungen mit der komplexen Interessenlage umgehen, die entsteht, wenn der insolvente Versicherungsnehmer die Interessen Dritter versichert hat. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse mögen als Folie dienen, vor der die hier vorgeschlagene Neukonzeption der deutschen Versicherung für fremde Rechnung noch einmal auf ihre Tragfähigkeit und ihren Nutzen überprüft werden kann. I. Frankreich Der deutschen Versicherung für fremde Rechnung entspricht im französischen Versicherungsrecht die Figur der assurance pour compte. Ebenso wie im deutschen Recht wird der Versicherungsvertrag in diesem Fall vom souscripteur mit dem Versicherer abgeschlossen, soll aber das Interesse eines Dritten, des assuré, versichern.210 Parallel zur deutschen Unterscheidung zwischen Versicherung für Rechnung eines bestimmten Dritten und Versicherung für Rechnung „wen es angeht“ unterscheidet der französische Code des assurances in Abhängigkeit davon, ob die Person des assuré zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bestimmt ist, zwischen der assurance pour compte d’une personne déterminée (Art. L. 112-1 Abs. 1 C. ass.) und der assurance pour compte de qui il appartiendra (Art. L. 112-1 Abs. 2 und 3 C. ass.). In der französischen Versicherungsrechtswissenschaft findet die gesetzlich vorgegebene Unterscheidung zwischen den beiden Ausgestaltungen freilich kaum Beachtung.211 Zumeist konzentrieren sich die entsprechenden Ausführungen vielmehr allein auf die assurance pour compte de qui il appartiendra und sehen in dem allgemeinen Begriff der assurance pour compte lediglich eine Abkürzung für jene. Die assurance pour compte d’une personne déterminée wird dagegen kaum explizit behandelt.212 Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum sich die insolvenzrechtliche Behandlung der Versicherung danach unterscheiden soll, ob der assuré zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bestimmt ist. Es ist deshalb davon auszugehen, dass 210
Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 126 f. Ebenso Fontaine, Droit des assurances, Tz. 215 m.N. (obwohl das Lehrbuch das belgische Versicherungsrecht zum Gegenstand hat, nimmt Fontaine hier explizit auch die französische Versicherungsrechtswissenschaft mit in Bezug). 212 Vgl. Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 199; Groutel/Leduc/ Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1450; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 127. 211
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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die entsprechenden Ausführungen zur assurance pour compte de qui il appartiendra auch für Fälle gelten, in denen die Person des assuré bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt ist.213 Nach französischer Lesart sichert die assurance pour compte zumindest in ihrem Hauptanwendungsbereich der Sachversicherung stets sowohl Interessen des assuré als auch des souscripteur ab. Neben dem Interesse des ersteren an der Sache selbst (nach deutscher Lesart das Sacherhaltungsinteresse) wird demnach immer das Risiko des Letzteren mitversichert, dem assuré im Schadensfall zum Ersatz der Sache verpflichtet zu sein (Sachersatzinteresse). Die assurance pour compte vereinigt damit in sich Elemente der Sachversicherung mit solchen der Haftpflichtversicherung.214 Wie bei der deutschen Versicherung für fremde Rechnung sind auch bei der französischen assurance pour compte allein der Versicherer und der souscripteur Parteien des Versicherungsvertrages.215 Ebenfalls wie im deutschen Recht entsteht in der Person des assuré aber originär eine eigene Versicherungsforderung.216 Mangels eines Durchgangserwerbs des souscripteur steht dessen Gläubigern damit keine Möglichkeit des Zugriffs auf diese Versicherungsforderung offen.217 Sie fällt mithin im Falle der Insolvenz des souscripteur auch nicht in die Insolvenzmasse. Anders als das deutsche Recht kennt das französische Versicherungsrecht jedoch keine Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung. Mangels einer solchen Trennung kommt dem assuré damit das Recht zu, die ihm zustehende Versicherungsforderung im Wege einer action directe unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen.218 Eine gewisse Unklarheit herrscht jedoch über die exakte rechtliche Grundlage dieser action directe. Insoweit wurde zunächst angenommen, dass sich das Recht des assuré zur eigenständigen Geltendmachung der Versicherungsforderung schlicht aus dem Versicherungsvertrag ergebe, der ihm die Versicherungsforderung und damit – mangels abweichender normativer Vor213
Vgl. hierzu wiederum Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 131, die die beiden Fälle des bestimmten und lediglich zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles bestimmbaren assuré als gleich zu behandelnde Unterfälle der assurance pour compte ansehen. 214 C. cass. 1re civ., 18.5.1989, No 87-12064; 12.5.1993, No 90-17157; 18.2.1997, No 9510278; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1450. Dass das Sachersatzinteresse durch eine Sachversicherung mitversichert werden kann, ist heute auch im deutschen Recht weitgehend anerkannt, ausführlich hierzu Armbrüster, Der Schutz von Haftpflichtinteressen in der Sachversicherung. 215 Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 133; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1453. 216 Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 134; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1456. 217 Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 134. 218 Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 134; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1456.
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gaben – auch die Befugnis zu deren Einziehung zuordnet. Später wendete sich die Rechtsprechung indes von dieser Lösung ab und rückte verstärkt die Doppelnatur der assurance pour compte in den Fokus. Demnach ergebe sich die action directe des assuré zwar grundsätzlich aus dem Versicherungsvertrag, nicht aber soweit der souscripteur für den durch den Versicherungsfall an der versicherten Sache eingetretenen Schaden haftet. In diesem Fall sei die Versicherung als Haftpflichtversicherung aufzufassen, sodass dem assuré die versicherungsrechtliche Stellung eines Geschädigten (tiers victime oder tiers lésé) zukomme, die ihm gem. Art. L. 124-3 Abs. 1 C. ass. auf gesetzlicher Grundlage eine action directe gegen den Versicherer vermittele.219 Ob die Rechtsprechung allerdings aus der unterschiedlichen dogmatischen Verortung der action directe auch konkrete Rechtsfolgen ableiten möchte (beispielsweise im Hinblick auf die Verjährungsdauer oder mögliche Einwendungen), blieb bislang noch unklar.220 Ungeachtet dieser Detailfragen steht dem assuré aber in jedem Fall das Recht zu, die Versicherungsforderung selbst unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, sei es auf vertraglicher, sei es auf gesetzlicher Grundlage. Damit gestaltet sich die Verwirklichung des Schutzes des assuré auch im Falle der Insolvenz221 des souscripteur sehr viel einfacher als im deutschen Recht: Der assuré ist weiterhin in der Lage, die Versicherungsforderung im Wege der action directe gegenüber dem Versicherer einzuziehen, um auf diese Weise an die Entschädigung zu gelangen. Auch im französischen Recht vollzieht sich die Abwicklung der assurance pour compte damit im Insolvenzfall grundsätzlich ohne Einbeziehung des Insolvenzschuldners (débiteur) bzw. des Insolvenzverwalters (administrateur judiciare) oder des Liquidators (liquidateur).222 C. cass. 1re civ., 18.5.1989, No 87-12064; 12.5.1993, No 90-17157; vgl. auch Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1457 m.w.N. 220 Hierzu ausführlich Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1468 m.N. 221 Die französischen Insolvenzverfahren (sauvegarde, redressement und liquidation) können grundsätzlich nur über das Vermögen von juristischen Personen und natürlichen Personen, die einer kaufmännischen, landwirtschaftlichen, handwerklichen oder freiberuflichen Tätigkeit nachgehen, eröffnet werden, Art. L. 620-2 c. com., Art. 631-2 c. com., Art. 640-2 c. com. Die Besonderheiten der Insolvenz anderer natürlicher Personen bleiben hier und im Folgenden außer Betracht. 222 Im französischen Insolvenzrecht gestaltet sich die Verteilung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis am schuldnerischen Vermögen recht differenziert in Abhängigkeit von der Art des jeweiligen Verfahrens. In der procédure de sauvegarde verbleibt die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis gem. Art. L. 622-1 c. com. beim Schuldner, während der administrateur judiciare lediglich Überwachungs- und Unterstützungsfunktionen übernimmt, vgl. hierzu Jacquemont/Vabres, Droit des entreprises en difficulté, Tz. 358 ff. Im Verfahren des redressement judiciare entscheidet dagegen gem. Art. L. 631-12 c. com. das Gericht darüber, ob die entsprechenden Befugnisse beim Schuldner verbleiben oder auf 219
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II. England 1. Die schwache Rechtsstellung vertragsfremder Dritter im englischen Recht Die Rechtsstellung von Dritten, deren Interessen durch eine vom Versicherungsnehmer abgeschlossene Versicherung (mit-)versichert werden, ist im englischen Recht traditionell sehr viel schwächer ausgestaltet als im deutschen Recht. Grund hierfür ist zum einen der Grundsatz der privity of contract und zum anderen die im Vergleich zum deutschen Recht zumindest im Bereich der Sachversicherung sehr viel geringere Bindung der Versicherungsausgestaltung an das jeweils versicherte Interesse. Der Grundsatz der privity of contract bestimmt – ähnlich wie sein deutsches Äquivalent der Relativität von Schuldverhältnissen –, dass ausschließlich die Parteien eines Vertrages aus diesem Rechte ableiten können, nicht aber Dritte.223 In engem Verhältnis hierzu steht das Erfordernis der consideration, nach der eine vertragliche Verpflichtung nur dann bindend ist, wenn der Versprechensempfänger im Gegenzug etwas von Wert aufgibt oder aber dem Versprechenden etwas von Wert verschafft.224 Die Konzeption einer Versicherung für fremde Rechnung, die dem Versicherten die Versicherungsforderung zuspricht, ohne diesen zur Vertragspartei zu machen und ihn zur Zahlung der Prämien zu verpflichten, lässt sich mithin nicht ohne Weiteres mit den tradierten Grundsätzen des common law vereinbaren. Dies bedeutet indes nicht, dass die Versicherung fremder Interessen im englischen Versicherungsrecht ausgeschlossen wäre. Insbesondere im Bereich der Schadensversicherung steht es dem Versicherungsnehmer vielmehr offen, auch fremde Interessen zu versichern. Ermöglicht wird dies durch eine im Vergleich zum deutschen Versicherungsrecht stärkere Entkoppelung von versichertem Interesse und Ausgestaltung des Versicherungsvertrags. Während der Begriff des versicherbaren bzw. versicherten Interesses im deutschen Versicherungsrecht vorrangig im Bereich der Schadensversicherung Verwendung findet und dort eine strikte Koppelung der Versicherungsforderung an den Bestand und die Verortung des Interesses bewirkt, spielt der englische Begriff des insurable interest vor allem im Bereich der Lebensversicherung eine zentrale Rolle. Der Bestand eines versicherbaren Interesses ist im englischen Recht kein allgemeines Wirksamkeitserfordernis des Versicherungsden administrateur judiciare übergehen. Im Verfahren der liquidation judiciare wird dem Schuldner die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis schließlich gem. Art. L. 641-9 Abs. 1 c. com. stets entzogen und auf den liquidateur übertragen, vgl. Jacquemont/Vabres, Droit des entreprises en difficulté, Tz. 889 ff. 223 Tweddle v Atkinson, (1861) 1 B. & S. 398; Dunlop Pneumatix Tyre Co Ltd v Selfridge & Co Ltd, [1915] A.C. 847; Treitel, The law of contract, S. 580 ff.; Beale et al., Chitty on Contracts, Rn. 18-001 ff. 224 Thomas v Thomas, (1842) 2 Q.B. 851; Currie v Misa, (1874-1875) L.R. 10 Ex. 153; Treitel, The law of contract, S. 67 ff.; Beale et al., Chitty on Contracts, Rn. 3-001 ff.
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vertrages. Nur punktuell bestimmen gesetzliche Vorschriften, dass ein Versicherungsvertrag unwirksam ist, wenn der jeweilige Versicherungsnehmer kein versicherbares Interesse aufweist. Dies gilt gem. s. 1 des Life Assurance Act 1774 insbesondere für Lebensversicherungsverträge. Aufgrund der weiten Formulierung der Norm ist umstritten, ob sie darüber hinaus auch auf Versicherungen von Grundeigentum (real property) Anwendung findet.225 Explizit ausgeschlossen ist das in s. 1 normierte Interesseerfordernis dagegen gem. s. 4 desselben Gesetzes für den Bereich der Versicherung beweglicher Sachen (goods). Die Wirksamkeit solcher Sachversicherungen setzt nicht voraus, dass der Versicherungsnehmer ein versicherbares Interesse an der versicherten Sache aufweist. Zwar waren Versicherungsverträge, die von einem Versicherungsnehmer ohne jedes versicherbare Interesse abgeschlossen wurden, als Wettverträge lange Zeit wegen Verletzung der s. 18 des Gaming Act 1845 nichtig. Diese Vorschrift wurde jedoch durch s. 335(1) des Gambling Act 2005 ersetzt, die nunmehr vorsieht, dass Wettverträge nicht bereits als solche unwirksam sind. Zumindest im Bereich der Versicherung beweglicher Sachen setzt ein Versicherungsvertrag deshalb zu seiner Wirksamkeit seit 2005 nicht länger den Bestand eines versicherbaren Interesses in der Person des Versicherungsnehmers voraus.226 Es ist dem Versicherungsnehmer seitdem im Ausgangspunkt unbenommen, ein fremdes Interesse für eigene Rechnung zu versichern. Anders als unter deutschem Versicherungsrecht steht die Versicherungsforderung damit auch nicht ipso iure dem Träger des versicherten Interesses zu, sondern erwächst dem Versicherungsnehmer. Eine gewisse Einschränkung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers erfolgt lediglich auf der Ebene der Auslegung des Versicherungsvertrags. Aus der Einordnung der Sachversicherung als indemnity contract wird abgeleitet, dass der Versicherungsnehmer nach den vertraglichen Bestimmungen grundsätzlich nur insoweit eine Versicherungsleistung einfordern kann, als ihm selbst durch den Versicherungsfall ein Schaden (loss) entstanden ist.227 Da es sich hierbei jedoch nur um ein vertragliches und kein (zwingendes) gesetzliches Erfordernis handelt, kann dieses jederzeit durch die Vertragspar-
225
Vgl. zu diesem Streit Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 56 ff. m.N. Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 1-042; vgl. auch Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 42. Unklarheit herrscht jedoch darüber, ob der Marine Insurance Act 1788 heute auch außerhalb des Bereichs der Seeversicherung verlangt, dass Versicherungsverträge, die bewegliche Sachen zum Gegenstand haben, den Träger des versicherten Interesses namentlich aufführen, vgl. Hierzu LeighJones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 1-042 Fn. 131; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 42. Zumindest in der Rechtspraxis scheint diesem Erfordernis aber kaum Bedeutung beigemessen zu werden, vgl. hierzu die in den nachfolgenden Fn. zitierten Entscheidungen. 227 Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 1-014, 1-039, 1-042. 226
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teien (und damit ohne Beteiligung des Interesseträgers) abbedungen werden.228 Die soeben dargestellten Grundsätze des englischen Versicherungsrechts führen dazu, dass der Versicherungsnehmer auch dann, wenn er fremde Interessen versichert, selbst Inhaber sämtlicher aus dem Versicherungsvertrag fließender Rechte einschließlich der Entschädigungsforderung wird. Insbesondere im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers bedeutet dies für den Träger des versicherten Interesses eine erhebliche Schwächung seiner Rechtsposition. Die Versicherungsforderung fällt hier grundsätzlich in die Insolvenzmasse (estate) des Versicherungsnehmers und steht damit allen Insolvenzgläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung.229 2. Wege zur Stärkung der Rechtsstellung des Dritten Freilich wurde auch in England das wirtschaftliche Bedürfnis gesehen, denjenigen Dritten, deren Interessen durch die Versicherung abgesichert werden, zumindest in bestimmten Fällen eine rechtlich gesicherte Stellung einzuräumen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden in der Vergangenheit verschiedene Wege eingeschlagen.230 Von besonderer praktischer Bedeutung und deshalb sogleich näher zu untersuchen ist insoweit der traditionelle, in common law und equity wurzelnde Weg, den Schutz des Dritten über die Rechtsfigur des trust herbeizuführen. Jüngeren Datums ist dagegen der Versuch, dem Dritten durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 im Wege des statutory law eine bessere Stellung einzuräumen. a) Der Dritte als beneficiary eines trust Ebenso wie im deutschen Recht die Figur des Treuhandverhältnisses in der rechtlichen Analyse der Versicherung für fremde Rechnung eine besondere Rolle einnimmt, kommt der verwandten Rechtsfigur des trust bei der Bewertung der Versicherung fremder Interessen in der englischen Rechtswissenschaft und -praxis erhebliche Bedeutung zu. Erstaunlicherweise war die englische Rechtsbetrachtung insoweit lange Zeit mit ganz ähnlichen Unklarheiten belastet, wie es die deutsche bis heute ist. Für den englischen Rechtsraum
228
Prudential Staff Union v Hall, [1947] K.B. 685; Thomas v National Farmers’ Union Mutual Insurance Society, [1961] 1 W.L.R. 386; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 66 f.; vgl. auch Williams v Baltic Insurance Association of London, Limited, [1924] 2 K.B. 282. 229 Vgl. Re E. Dibbens & Sons (in liquidation), [1990] B.C.L.C. 577, 578 ff.; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 75 f.; Adams, [1992] J.B.L. 291. 230 Umfassend zu den verschiedenen, in diesem Kontext erwogenen Konstruktionen Clarke, The Law of Insurance Contracts, S. 162 ff.
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brachte indes ein von Harman J. am 29. November 1989 in der Sache E. Dibbens & Sons gesprochenes Urteil231 vorerst Klarheit. Im Ausgangspunkt steht die englische Rechtswissenschaft vor einer ähnlichen Problemlage wie die deutsche: Da die Versicherungsforderung allein dem Versicherungsnehmer und nicht dem Dritten zusteht, kann (zumindest wenn man den anschließend noch zu behandelnden Contracts [Rights of Third Parties] Act 1999 außer Acht lässt) auch nur jener die Versicherungsforderung einziehen. Im wirtschaftlichen Ergebnis soll die Entschädigung aber an den Dritten als den Träger des versicherten Interesses gelangen. Vor dem Hintergrund des bis 2005 geltenden Verbots von Wettgeschäften war dies sogar rechtlich zwingend. Nur wenn der Versicherungsnehmer zur Auskehr der Versicherungsleistung an den Dritten verpflichtet war, konnte der Versicherung des fremden Interesses der Wettcharakter abgesprochen und der Vertrag für wirksam erachtet werden. Eine Rechtsgrundlage für eine solche Auskehrverpflichtung des Versicherungsnehmers wurde zum ersten Mal in der Entscheidung Waters v Monarch Fire and Life Assurance Co. gesucht.232 Hier stellten die Richter fest, dass ein Lagerhalter auch solche Waren im Umfang ihres vollen Wertes versichern könne, die im Eigentum von Dritten stehen. Hinsichtlich der sein eigenes versichertes Interesse übersteigenden Versicherungsleistung sei er als trustee der Dritten zu qualifizieren. Bestätigt wurde diese Entscheidung über ein Jahrhundert später in der Entscheidung Hepburn v A. Tomlinson (Hauliers) Ltd.233 Ebenso wie die deutsche Treuhand bewirkt der englische trust im Insolvenzfall eine besondere Schutzwirkung für den beneficiary dahingehend, dass das jeweilige Objekt nicht in den estate des Insolvenzschuldners fällt und folglich auch nicht dem Zugriff der Insolvenzgläubiger unterliegt. Indes hatten die soeben aufgeführten Entscheidungen keine Insolvenzfälle zum Gegenstand, sodass die besondere Schutzwirkung des trust in diesen auch keine nähere Betrachtung erfuhr. Hier liegt die bemerkenswerte Parallele zur deutschen Rechtsentwicklung: Das Valutaverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem wurde auch hier mit der besonderen Rechtsfigur des trust umschrieben, ohne deren spezifische insolvenzrechtliche Rechtsfolgen genauer in den Blick zu nehmen. Die mehr oder minder pauschale Annahme eines trust im Falle der Versicherung fremden Interesses erschien zudem insoweit erstaunlich, als englische Gerichte grundsätzlich hohe Anforderungen an die Begründung eines trust stellen. Insbesondere wird gefordert, dass der Wille zur Begründung des trust deutlich zutage tritt. Hinsichtlich der konkludenten Begründung eines trust (implied trust) sind die Gerichte dagegen traditionell sehr zurückhaltend.234 Es war aus 231
Re E. Dibbens & Sons (in liquidation), [1990] B.C.L.C. 577. (1856) 5 E. & B. 870. 233 [1966] A.C. 451. 234 Zum Ganzen Clarke, The Law of Insurance Contracts, S. 171 m.N.
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diesen Gründen lange Zeit unklar, ob die Versicherung fremder Interessen tatsächlich per se einen echten trust mit insolvenzrechtlicher Schutzwirkung zugunsten der Interesseträger begründen konnte.235 Klarheit brachte insoweit die Entscheidung im Fall Dibbens. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschaft E. Dibbens & Sons Ltd. betrieb ein Lagerhaus, in dem sie Möbel ihrer Kunden einlagerte. Dibbens hatte für den gesamten Inhalt des Lagerhauses eine Sachversicherung abgeschlossen. Einige der Kunden hatten eine solche Versicherung explizit verlangt und bezahlten Dibbens einen Aufpreis für diese Versicherung. Andere Kunden hatten dies dagegen nicht getan. Durch ein Feuer wurde das gesamte Lagerhaus samt seinem Inhalt zerstört. Hierdurch wurde Dibbens in ein insolvenzrechtliches Liquidationsverfahren gezwungen. Für die Kunden stellte sich nun die Frage, ob sie die vollständige Versicherungsleistung erhalten würden oder auf die bloße Insolvenzquote verwiesen blieben. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage war, ob die Kunden hinsichtlich der Versicherungsleistung als beneficiaries eines echten trust anzusehen waren. Harman J. stellte diesbezüglich in seinem Urteil klar, dass die Verwendung des Begriffs des trust in den vorangegangenen Entscheidungen in einem untechnischen Sinne zu verstehen sei, die bloße Versicherung fremder Interessen also nicht bereits für sich genommen einen echten trust mit insolvenzrechtlicher Schutzwirkung begründen könne.236 Gleichwohl müsse aber eine besondere fiduciary obligation237 da angenommen werden, wo einzelne Kunden Dibbens ausdrücklich zum Abschluss der Versicherung verpflichtet und für diese Versicherung einen Aufpreis bezahlt haben.238 Aufgrund dieser fiduciary relationship konnten diese Kunden die vollständige Versicherungsleistung für sich beanspruchen, diese fiel also nicht in den estate der Versicherungsnehmerin. Die übrigen Kunden, die eine Versicherung nicht ausdrücklich verlangt hatten, hätten dagegen nur ein vertragliches Recht auf Auskehr der Versicherungsleistung und seien damit einfache Insolvenzgläubiger. Eine privilegierte Stellung kommt dem Dritten, dessen Interesse vom Versicherungsnehmer (mit-)versichert wird, im traditionellen englischen Recht also nur dann zu, wenn die Versicherung aufgrund einer spezifischen vertraglichen Vereinbarung im Valutaverhältnis abgeschlossen wurde. Ist der 235
Aus diesen Gründen enthielt sich Lord Reid in Hepburn explizit einer Entscheidung darüber, ob es sich bei dem Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Drittem um einen „trust in the strict sense“ handele, [1966] A.C. 451, 467. 236 Re E. Dibbens & Sons (in liquidation), [1990] B.C.L.C. 577, 579 ff.; zustimmend Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 75. 237 In Anlehnung an eine von Fletcher Moulton LJ in Re Coomber, Coomber v Coomber, [1911] 1 CH. 723, 728 ergangene Entscheidung verwendet Harman J. hier den im Vergleich zur Konzeption des trust flexibleren Begriff der fiduciary relations, Re E. Dibbens & Sons (in liquidation), [1990] B.C.L.C. 577, 581 f. 238 Re E. Dibbens & Sons (in liquidation), [1990] B.C.L.C. 577, 581 ff.
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Dritte aber aufgrund einer solchen Vereinbarung als beneficiary einer fiduciary relationship einzuordnen und als solcher insolvenzrechtlich privilegiert, so ist der Dritte zumindest dann, wenn der Versicherungsnehmer sich weigert, die Versicherungsleistung einzuziehen, dazu berechtigt, die Versicherungsforderung selbst gegenüber dem Versicherer einzuziehen.239 Besteht dagegen im Valutaverhältnis keine spezifische vertragliche Abrede hinsichtlich des Abschlusses einer Versicherung, ist die Rechtsstellung des Dritten äußerst schwach ausgestaltet. An der Versicherungsforderung kommt ihm keine eigenständige Rechtsposition zu und hinsichtlich des Anspruchs auf Auskehr der Versicherungsleistung ist er im Insolvenzfall einfacher Insolvenzgläubiger. b) Das Durchsetzungsrecht des Dritten auf Grundlage des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 Der auf das Prinzip der privity of contract gestützte weitgehende Ausschluss von aus einem Vertrag erwachsenden Rechten Dritter stieß in England in der jüngeren Vergangenheit indes zunehmend auf Kritik. Mit Blick auf das wirtschaftliche Bedürfnis, auch Dritten Rechte aus einem Vertrag zukommen lassen zu können, das nicht zuletzt im Bereich des Versicherungsrechts erkannt wurde, erging deshalb schließlich der Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999. Dieser sollte die Rechtsstellung von solchen Dritten, die durch einen Vertrag begünstigt werden, maßgeblich verbessern, indem diesen unter bestimmten Voraussetzungen ein eigenes Recht zur Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtungen (right of enforcement) eingeräumt wird. Nach s. 1(3) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 kann dieses Recht nur solchen Parteien zukommen, die im Vertrag namentlich, als Mitglied einer bestimmten Gruppe oder aufgrund einer bestimmten Beschreibung identifiziert sind. Das Gesetz sieht zwei Tatbestände vor, die ein eigenes Durchsetzungsrecht des Dritten zur Folge haben. Gem. s. 1(1)(a) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 steht dem Dritten ein solches Recht zunächst dann zu, wenn der Vertrag ihm ein solches ausdrücklich einräumt. Gem. s. 1(1)(b) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 kommt dem Dritten aber auch dann ein eigenes Durchsetzungsrecht zu, wenn ihm eine vertragliche Bestimmung einen Vorteil gewährt („purports to confer a benefit on him“), vorausgesetzt aus dem Vertrag geht nicht hervor, dass ihm ein solches Durchsetzungsrecht gerade nicht zukommen soll, s. 1(2) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999. Die englische Literatur geht davon aus, dass es auf dieser gesetzlichen Grundlage keine Probleme bereiten wird, den jeweiligen Dritten im Falle der (Mit-)Versicherung fremder Interessen eigene Rechte zur Durch-
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Clarke, The Law of Insurance Contracts, S. 172.
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setzung des Versicherungsvertrages einzuräumen.240 Damit kommt es im Vergleich zur traditionellen, von der Regel der privity of contract geprägten Rechtslage zu einer signifikanten Verbesserung der Rechtsstellung der Träger des versicherten Interesses. Allerdings ist zweifelhaft, ob damit auch eine Verbesserung der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung dieser Personen einhergeht. In der englischen Rechtswissenschaft wird insoweit argumentiert, dass der Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 dem jeweiligen Dritten lediglich das Recht zur Durchsetzung der vertraglichen Pflichten des Versicherers zuspricht, nicht aber ein Recht auf die Versicherungsleistung selbst. Besonders deutlich werde die beschränkte Rechtswirkung, die diesem Gesetz zukomme, im Vergleich zu anderen im selben Kontext ergangenen Gesetzen. So mache der im Bereich der Lebensversicherung relevante Married Women’s Property Act 1882 die jeweils geschützte Drittpartei zum beneficiary eines statutory trust241 und der im Bereich der Haftpflichtversicherung ergangene Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 übertrage die Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den Geschädigten.242 Da der Contracts (Righs of Third Parties) Act 1999 keine dieser Regelungstechniken übernommen habe,243 sondern die Rechtsstellung des Dritten auf ein Durchsetzungsrecht beschränke, stehe dem Dritten auf dieser gesetzlichen Grundlage gerade keine eigene Berechtigung an der Entschädigungsleistung zu. Im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers könne er zwar die Versicherungsleistung gegenüber dem Versicherer einfordern. Mangels einer eigenständigen Berechtigung an der Versicherungsforderung – insbesondere aufgrund eines trust – müsse die so eingezogene Entschädigung aber dennoch in den estate des Versicherungsnehmers fallen und allen Insolvenzgläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stehen.244 Ob die Rechtsprechung dieser Interpretation folgen oder dem Dritten auch insolvenzrechtlich eine geschützte Stellung einräumen wird, ist derzeit noch nicht absehbar. c) Zusammenfassung Es hat sich gezeigt, dass die Rechtsstellung eines vom Versicherungsnehmer personenverschiedenen Trägers des versicherten Interesses im traditionellen englischen Recht grundsätzlich sehr viel schwächer ausgestaltet ist als im deutschen Recht. Ihm kommt grundsätzlich kein eigenes Recht an der Versicherungsforderung zu. Nur wenn er aufgrund spezifischer vertraglicher Abre240
Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 76 f.; Clarke, The Law of Insurance Contracts, S. 164. 241 Hierzu noch vertiefend unten sub § 7 D. II. 1. b). 242 Hierzu noch vertiefend unten sub § 8 D. II. 1. 243 Vgl. hierzu auch Beale et al., Chitty on Contracts, Rn. 18-090. 244 Vgl. Stevens, (2004) 120 L.Q.R. 292, 318; Clarke, The Law of Insurance Contracts, S. 166.
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den im Valutaverhältnis zum Versicherungsnehmer als beneficiary einer fiduciary relationship qualifiziert werden kann, ist er auch im Insolvenzverfahren privilegiert und kann die gesamte Versicherungsleistung für sich beanspruchen. Andernfalls ist er auf eine Stellung als einfacher Insolvenzgläubiger beschränkt. Eine erhebliche Stärkung seiner insolvenzrechtlichen Rechtsstellung könnte der Dritte durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 erlangt haben. Hier gilt es aber noch den Urteilsspruch der Rechtsprechung abzuwarten. Wenn aber eine insolvenzrechtliche Privilegierung des Dritten eingreift, so ist dieser stets selbst zur Geltendmachung der Versicherungsforderung gegenüber dem Versicherer berechtigt, sei es auf Grundlage der allgemeinen Rechtsgrundsätze des trust, sei es auf Grundlage des Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999. Eine Abwicklung im Dreiecksverhältnis ist damit auch hier nicht notwendig. III. USA 1. Offenheit des US-amerikanischen Rechts für das Konzept drittbegünstigender Versicherungen Obgleich das US-amerikanische Recht den Grundsatz der privity of contract aus dem englischen Recht übernahm, wird dieser dort heute bei Weitem weniger streng gehandhabt als in England.245 Zwar lehnten die prägenden Autoren des sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelnden, klassischen US-amerikanischen Vertragsrechts – namentlich Oliver Wendell Holmes, Jr., Christopher Columbus Langdell und (etwas zurückhaltender) Samuel Williston – die Idee einer Ableitung von Rechten Dritter aus einem Vertrag noch kategorisch ab.246 Bereits früh im 20. Jahrhundert und teilweise unter Anknüpfung an ältere Traditionen begründete die Rechtspraxis aber Ausnahmen von diesem Grundsatz.247 Besonders deutlich manifestierte sich diese neuere Tendenz im 1932 veröffentlichten ersten Restatement of Contracts des American Law Institute. Dieses sah in s. 133(1)(a) und (b) zwei bestimmte Typen von Drittbegünstigten (donee beneficiary und creditor benificiary) vor, die gem. s. 135(a) und 136(1)(a) aus dem Vertrag unmittelbar eigene Rechte ableiten können. Die Konzeption drittbegünstigender Verträge hat sich damit in den USA vollständig etablieren können. Das 1981 veröffentlichte zweite Restatement of Contracts änderte die Regelung des ersten Restatement dementsprechend auch lediglich in ihren Voraussetzungen, nicht aber in ihren Rechtsfolgen. Nach dessen s. 304 sollen nunmehr die in s. 302(1) definierten intended beneficiaries unmittelbar aus dem Vertrag berechtigt sein. Anders als im englischen Recht ist die Ableitung von Rechten 245
Hierzu und zum Folgenden ausführlich Eisenberg, 92 Col. L. R. 1358 ff. Vgl. hierzu Eisenberg, 92 Col. L. R. 1358, 1365 f. m.N. 247 Ausführlich hierzu Eisenberg, 92 Col. L. R. 1358, 1371 ff. m.N. 246
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Dritter aus einem Vertrag im US-amerikanischen Recht also bereits seit Langem akzeptiert. Auf dieser Grundlage kann die US-amerikanische Rechtspraxis auch im Bereich des Versicherungsvertragsrechts den vertragsfremden Inhabern versicherbarer Interessen in weiterem Umfang eigene Rechte an der Versicherungsforderung einräumen, als dies der englischen bislang möglich war.248 Allgemein ermöglichen es die Rechtsordnungen der Einzelstaaten, die Versicherungsdeckung auf Drittparteien auszuweiten, indem diese als named oder additional insureds249 in den Versicherungsvertrag aufgenommen werden, sei es, dass diese namentlich benannt werden, sei es, dass sie lediglich anhand allgemeiner Eigenschaften identifizierbar sind.250 Auch eine konkludente Erstreckung der Versicherungsdeckung auf Dritte ist möglich.251 Soweit eine Drittpartei auf einem der genannten Wege als additional insured in den Versicherungsvertrag aufgenommen wurde, kommt ihr im Umfang ihres insurable interest ein eigenes Recht auf die Versicherungsleistung zu, das sie vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen im Wege einer direct action unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend machen kann.252 Schließlich kennt das US-amerikanische Versicherungsrecht die Kategorie des sogenannten loss payee. Hiermit werden Sicherungsgläubiger bezeichnet, an die im Falle des Versicherungsfalls im Rahmen ihres Sicherungsinteresses
248
Vgl. zur Einordnung der additional insureds als third-party-beneficiaries Richmond, 33 Tort & Ins. L.J. 945, 947 (1997–1998). 249 Die Terminologie ist in diesem Bereich uneinheitlich. Teilweise wird als named insured ausschließlich der policy holder, also der Versicherungsnehmer, der auch die Versicherungsprämie schuldet, bezeichnet, so z.B. Stempel, Stempel on Insurance Contracts, § 2.06 [D]. Andernorts werden dagegen auch Drittbegünstigte als named insureds bezeichnet, so z.B. In re Louisiana World Exposition, Inc., 832 F.2d 1391, 1399 (5th Cir. 1987); allgemein zu den terminologischen Unklarheiten in diesem Bereich Richmond, 33 Tort & Ins. L.J. 945 f., 947 f. (1997–1998) m.w.N. 250 Stempel, Stempel on Insurance Contracts, § 2.06 [D]. 251 Vgl. hierzu Goodwin/Duke/Rubio, in: New Appleman Library Ed., § 41.05[2], m.N. Im Bereich der Versicherung fremder Sachen sehen US-amerikanische Gerichte den Eigentümer des versicherten Objekts beispielsweise regelmäßig als mitversichert an, wenn eine Auslegung des Versicherungsvertrags ergibt, dass über das Interesse des Versicherungsnehmers hinaus der volle Wert der Sache versichert sein soll, vgl. hierzu beispielsweise die Entscheidungen United States v. Globe & Rutgers Fire Ins. Co., 104 F. Supp. 632 (N.D. Tex. 1952), affirmed, 202 F.2d 696 (5th Cir. 1953); Folger Coffee Co. v. Great American Insurance Co., 333 F. Supp. 1272 (W.D. Mo. 1971) und Cumis Insurance Society, Inc. v. Republic National Bank of Dallas, 480 S.W.2d 762 (Tex. Civ. App. 1972). 252 Goodwin/Duke/Rubio, in: New Appleman Library Ed., § 41.05[3][b] m.N.; Richmond, 33 Tort & Ins. L.J. 945, 947 (1997–1998); vgl. hierzu auch die in der vorangegangenen Fn. zitierten Entscheidungen, sowie den ausführlichen Überblick über hierzu ergangene Entscheidungen in Annotation, 61 A.L.R. 720 und Annotation, 64 A.L.R.3d 1207.
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die Versicherungsleistung ausbezahlt werden soll.253 Da der praktisch wichtigste Fall eines solchen loss payee der Hypothekengläubiger (mortgagee) ist,254 soll dessen Rechtsstellung erst an späterer Stelle im Kontext der Gebäudeversicherung näher behandelt werden.255 2. Insolvenzrechtliche Behandlung drittbegünstigender Versicherungen Nach den Vorgaben des US-amerikanischen Bankruptcy Code hängt die insolvenzrechtliche Behandlung einer Versicherungsforderung – unabhängig davon, ob ein Verfahren nach Chapter 7, 11 oder 13 des Bankruptcy Code initiiert wurde – in erster Linie davon ab, ob diese gem. 11 U.S.C. § 541 in die Insolvenzmasse (estate) des insolventen256 Versicherungsnehmers fällt. Soweit dies der Fall ist, steht die Versicherungsleistung grundsätzlich allen Gläubigern als Haftungsobjekt zur Verfügung. Darüber hinaus hindert der automatic stay gem. 11 U.S.C. § 362 grundsätzlich alle gerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit einer derart in den estate des Schuldners fallenden Versicherungsforderung. Mit Blick auf Versicherungen des Insolvenzschuldners unterscheidet das US-amerikanische Insolvenzrecht: Einerseits wird angenommen, dass der vom Versicherungsnehmer geschlossene Versicherungsvertrag (insurance policy) ausnahmslos in dessen estate fällt. Damit ist nach US-amerikanischer Lesart aber noch nicht determiniert, ob auch die aufgrund des Vertrags geschuldete Versicherungsleistung (insurance proceeds) der Insolvenzmasse zugehörig ist. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Versicherungsnehmer dazu berechtigt ist, die Versicherungsleistung selbst entgegenzunehmen und auch zu behalten.257 Dies bestimmt sich indes nicht nach den Vorgaben des bundesrechtlichen bankruptcy law, sondern durch Auslegung des Versicherungsvertrags auf Grundlage des einzelstaatlichen Versicherungsrechts.258 Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargelegt wurde, anerkennen die einzelstaatlichen Rechtsordnungen grundsätzlich durchaus die Möglichkeit, die Versicherungsdeckung dergestalt auf Dritte auszuweiten, dass diese eine eigene, durch sie selbst einziehbare Ver253
Gummow, in: New Appleman Library Ed., § 108.01[2][b]. Vgl. Gummow, in: New Appleman Library Ed., § 108.01[2][b]; Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:8. 255 Unten sub § 9 D. III. 1. 256 Obwohl ein durch den Schuldner selbst initiiertes Insolvenzverfahren nach USamerikanischer Lesart nicht die materielle Insolvenz des Schuldners voraussetzt (vgl. Grauke/Horwitz, in: Münchener Kommentar zur InsO, Länderberichte – USA Rn. 17), soll hier der Einfachheit halber vom „insolventen Versicherungsnehmer“ gesprochen werden. Der Begriff ist mithin in einem formellen Sinn zu verstehen. 257 Zum Ganzen In re Louisiana World Exposition, Inc., 832 F.2d 1391, 1399 f. th (5 Cir. 1987); In re Edgeworth, 993 F.2d 51, 55 f. (5th Cir. 1993); Gummow, Bankruptcy and Insurance Law Manual, Ch. 10 A. 258 Gummow, in: New Appleman Library Ed., § 108.01[2][a] m.N. 254
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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sicherungsforderung erlangen. Die Versicherungsforderungen begünstigter named oder additional insureds fallen folgerichtig nicht in den estate des Versicherungsnehmers. Die Drittbegünstigten bleiben damit unabhängig vom Insolvenzverfahren und dem automatic stay dazu berechtigt, die Versicherungsforderung unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen.259 Illustriert werden können diese Grundsätze am Beispiel der Entscheidung In re Amiel Restaurant Partners, LLC. Der Pächter mehrerer Gebäude hatte für das Inventar dieser Gebäude eine flood insurance abgeschlossen, die den Grundstückseigentümer als additional insured aufführte. Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags war der Pächter dazu verpflichtet, dem Grundstückseigentümer nach Beendigung des Pachtverhältnisses das Grundstück einschließlich des gesamten Inventars zu übergeben. 2012 wurden das Grundstück und das Inventar durch den Hurricane „Sandy“ schwer beschädigt. Wenig später wurde auf Antrag des Pächters ein Chapter 11-Verfahren über dessen Vermögen eröffnet. Der Bankruptcy Court entschied, dass die infolge der Beschädigung des Inventars geleisteten insurance proceeds nicht zum estate des Pächters gehörten, sondern vollständig an den Grundstückseigentümer auszuzahlen seien.260
IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Betrachtung Die insolvenzrechtliche Privilegierung eines vom Versicherungsnehmer personenverschiedenen Trägers versicherter Interessen ist auch in den anderen untersuchten Rechtsordnungen weit verbreitet. Lediglich das englische Recht ist hier auf Grundlage der privity of contract-Doktrin traditionell zurückhaltend, wobei noch abzuwarten ist, wie sich der Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 in diesem Bereich auswirkt. In der rechtlichen Ausgestaltung der Versicherung für fremde Rechnung geht das deutsche Recht indes einen Sonderweg. Das eigentümliche Auseinanderfallen von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung begegnet so in keiner der anderen untersuchten Rechtsordnungen. Dementsprechend er259
Gummow/Eggum, in: New Appleman Library Ed., § 109.03[1][a] m.N. In re Amiel Restaurant Partners, LLC, 510 B.R. 744 ff. (Bankr. D.N.J. 2014). Als weiteres Beispiel mag die Entscheidung In re Louisiana World Exposition, Inc., 832 F.2d 1391, 1398 ff. (5th Cir. 1987) dienen: Die insolvente Schuldnerin hatte zugunsten ihrer Geschäftsführer eine D&O-Versicherung genommen. Die Geschäftsführer forderten aufgrund dieser Versicherung vom Versicherer Entschädigungsleistungen für aufgewendete Rechtsschutzkosten. Das creditor’s committee der Schuldnerin beantragte unter Berufung auf den automatic stay die Auszahlung dieser Versicherungsleistungen im Wege einer injunction zu unterbinden. Das U.S. Court of Appeals, 5th Circuit lehnte dieses Gesuch mit der Begründung ab, die Versicherungsleistung stehe allein den Geschäftsführern zu und falle damit nicht in den estate der Schuldnerin; dagegen jedoch In re Jasmine, Ltd., 258 B.R. 119, 128 f. (D.N.J. 2000) m.w.N. 260
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§ 6 Versicherung für fremde Rechnung
lauben es die anderen untersuchten Rechtsordnungen dem Träger des versicherten Interesses auch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ohne Weiteres, die Versicherungsforderung unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen. Nicht nur steht die hier vorgeschlagene Lösung damit im Einklang mit den Regelungsmodellen anderer Rechtsordnungen. Da diese Regelungsmodelle teilweise auf eine lange Tradition zurückblicken können, weist die rechtsvergleichende Betrachtung auch darauf hin, dass die unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten die Versicherer in praxi nicht etwa vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellt.
E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung
1. Die insolvenzrechtliche Privilegierung des Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung ist verfassungsrechtlich ohne Weiteres gerechtfertigt. Die Versicherungsforderung erwächst von vornherein außerhalb des Vermögens des Versicherungsnehmers und nimmt deshalb nicht an der insolvenzrechtlichen Vermögensverteilung teil. In der Schadensversicherung beruht dies auf der Bindung der Versicherungsforderung an das versicherte Interesse, in der Summenversicherung auf der privatautonomen Entscheidung des Versicherungsnehmers. 2. Die rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung durch die bisherige Rechtspraxis erscheint jedoch in hohem Maße kritikwürdig. Während die Abwicklung der Versicherung für fremde Rechnung im Dreiecksverhältnis außerhalb von Insolvenzverfahren zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten führt, resultieren aus ihr im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers unweigerlich gewisse Friktionen mit den Grundsätzen und Normen des geltenden Insolvenzrechts. Gemeinsames Gravitationszentrum dieser Friktionen ist der Umstand, dass eine Abwicklung im Dreiecksverhältnis den Insolvenzverwalter auf Kosten der Insolvenzmasse zur Einziehung einer Forderung verpflichten würde, an der die Insolvenzmasse keinerlei Interesse hat. 3. Eine genaue Betrachtung der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisse erhellt indes, dass bereits de lege lata eine Lösung dieser Problematik konstruierbar ist, die sich sehr viel reibungsloser mit den Grundwertungen des Verfassungs- und Insolvenzrechts in Einklang bringen lässt. Da die allgemeine Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung für die haftungsrechtliche Funktion der Insolvenzmasse keinerlei Nutzen aufweist, kann sie nicht gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehen. Sie muss vielmehr beim Versicherungsnehmer verbleiben. Dieser ist jedoch schuldrechtlich gegenüber dem Versicherten dazu verpflichtet, die Einziehungsbefugnis nicht länger auszuüben. Als Eigentümer des Versicherungsscheins kann der Versicherte diesen aus der Insolvenzmasse aussondern
E. Zusammenfassung
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und vindizieren, um auf diese Weise gem. § 44 Abs. 2 VVG die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung zu erlangen. Dies gilt indes nur unter denselben Voraussetzungen, unter denen dem Versicherten außerhalb der Insolvenz des Versicherungsnehmers gegen diesen ein Anspruch auf Einziehung der Versicherungsforderung zustehen würde. Im selben Rahmen steht dem Versicherten zudem auch ein Anspruch gegen den Insolvenzverwalter auf Zustimmung zur Einziehung der Versicherungsforderung zu. 4. Soweit der Insolvenzmasse aus dem Valutaverhältnis zum Versicherungsnehmer noch bestimmte, das Befriedigungsvorrecht des § 46 VVG auslösende Ansprüche zukommen, kann der Insolvenzverwalter dagegen gem. § 46 S. 1 VVG den Versicherungsschein bis zur Befriedigung dieser Ansprüche zurückhalten und die Versicherungsforderung gem. § 46 S. 2 VVG selbst einziehen, um die Insolvenzmasse wegen dieser Ansprüche aus der Entschädigungsleistung zu befriedigen. 5. Im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers wird die Abwicklung im Dreiecksverhältnis somit im Regelfall durch die unmittelbare Einziehung der Versicherungsforderung durch den Versicherten ersetzt. Dies steht im Einklang mit dem Ergebnis der rechtsvergleichenden Untersuchung. Soweit die anderen untersuchten Rechtsordnungen dem vom Versicherungsnehmer personenverschiedenen Träger des versicherten Interesses im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers überhaupt eine geschützte Position einräumen, ist diese stets so ausgeformt, dass sie dem Dritten die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglicht.
§7
Der Schutz des Bezugsberechtigten in der Lebensversicherung
Wenngleich ihr klassisches Modell durch die anhaltende Niedrigzinsphase und verschärfte Eigenkapitalanforderungen zunehmend in Bedrängnis gerät, ist die Lebensversicherung in Deutschland nach wie vor von eminenter wirtschaftlicher Bedeutung.1 Die enorme Verbreitung der Lebensversicherung lässt sich nicht zuletzt mit der großen Varietät der mit ihr verfolgten Zwecke erklären. Von der Absicherung Dritter vor den negativen Folgen des eigenen Todes über die private oder betriebliche Altersvorsorge bis hin zur Kreditsicherung ist ihr wirtschaftlicher Anwendungsbereich breit gefächert.2 Die meisten dieser Zwecksetzungen – mit der privaten Altersvorsorge als wichtigster Ausnahme – haben die Begünstigung Dritter zum Gegenstand. Infolgedessen macht der Versicherungsnehmer im praktischen Regelfall von seinem in § 159 Abs. 1 VVG vorgesehenen Gestaltungsrecht3 Gebrauch, andere Personen im Hinblick auf die Versicherungsleistung als Bezugsberechtigte einzusetzen.4 Hierdurch wird der Versicherungsvertrag seiner Struktur nach zu einem echten Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. §§ 328 ff. BGB.5 Neben der Einsetzung Angehöriger oder sonstiger nahestehender Personen als Bezugsberechtigte einer Todesfallversicherung bildet die im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge zur Anwendung kommende Direktversicherung einen praktisch besonders relevanten Anwendungsfall dieser Gestaltung. Hier sichert der Arbeitgeber eine dem Arbeitnehmer gemachte Versorgungszusage dadurch finanziell ab, dass er eine auf die Person des Arbeitnehmers bezogene Lebensversicherung abschließt und diesen oder seine Hinterbliebenen als Bezugsberechtigte einsetzt, § 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG. Durch den zuletzt genannten Aspekt unterscheidet sich die Direktversicherung von der zur Ab-
1
Vgl. hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 26 Rn. 3 m.N. Bork, in: Recht und Risiko, Bd. 1, S. 57; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481 f. 3 Zur Qualifikation der Befugnis des Versicherungsnehmers zur Bestimmung eines Bezugsberechtigten als Gestaltungsrecht RGZ 154, 102, 106; BGH r+s 1988, 381, 382; sowie Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 75 m.w.N. 4 Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 482 f. 5 Statt aller Heiss, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 159 Rn. 1; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 26 Rn. 57. 2
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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sicherung von Versorgungszusagen an Führungskräfte verwendeten6 Rückdeckungsversicherung, bei welcher der Versicherungsnehmer selbst Begünstigter ist.7 Obgleich die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten der Versicherung für fremde Rechnung aufgrund des von beiden geteilten Charakters als echter Vertrag zugunsten Dritter strukturell eng verwandt ist, wirft die Insolvenz des Versicherungsnehmers bei jener ganz andere Probleme auf. Dies lässt sich vorrangig auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen kennt die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten nicht die für die Versicherung für fremde Rechnung charakteristische Trennung von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis. Zum anderen begegnet die Bezugsberechtigung in verschiedenen rechtlichen Ausgestaltungen, die in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ganz unterschiedliche Wirkungen zeitigen. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Bezugsrechts werden im Folgenden zunächst näher beleuchtet, bevor die insolvenzrechtliche Behandlung der Lebensversicherung einer eingehenden Untersuchung nach dem bereits bekannten Muster unterzogen wird.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
Räumt der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung einem Dritten gem. § 159 Abs. 1 VVG eine Bezugsberechtigung ein,8 so hat dies grundsätzlich zur Folge, dass der Dritte gem. § 328 Abs. 1 BGB die Versicherungsforderung erwirbt. Allerdings variieren Zeitpunkt und Gegenstand des Rechtserwerbs in Abhängigkeit von der rechtlichen Ausgestaltung des Bezugsrechts erheblich. Nach wie vor umstritten sind zudem die Modalitäten des Forderungserwerbs.
6
Da der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung im Gegensatz zur Direktversicherung nicht die Befreiung von den Beitragspflichten zum Insolvenzsicherungsfonds nach sich ziehen kann (vgl. § 10 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG), findet diese in praxi regelmäßig nur bei solchen Personen Anwendung, die gem. § 17 Abs. 1 BetrAVG vom persönlichen Anwendungsbereich der gesetzlichen Insolvenzsicherung ausgeschlossen sind, Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 17. 7 Vgl. zur Unterscheidung von Direkt- und Rückdeckungsversicherung Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 3; Stahlschmidt, NZI 2006, 375, 378. 8 Die Vertragsbestimmungen sehen regelmäßig vor, dass die Einräumung einer Bezugsberechtigung durch Anzeige gegenüber dem Versicherer in Schriftform zu erfolgen hat, vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 ALB 2014.
168
§ 7 Lebensversicherung
I. Zeitpunkt des Forderungserwerbs durch den Bezugsberechtigten Der Begünstigte erlangt die Versicherungsforderung nur dann bereits im Moment der Ausübung des Gestaltungsrechts durch den Versicherungsnehmer, wenn dieser die Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung ausschließt, § 159 Abs. 3 VVG. In diesem Fall bewirkt die Einsetzung des Dritten als Bezugsberechtigten den unmittelbaren dinglichen Erwerb der aufschiebend bedingten Versicherungsforderung.9 Ist die Bezugsberechtigung dagegen – wie im Regelfall10 – als widerrufliche ausgestaltet, fällt dem Dritten die Versicherungsforderung gem. § 159 Abs. 2 VVG erst mit Eintritt des Versicherungsfalls zu. Zuvor hat er keine gesicherte Rechtsstellung inne, ihm kommt lediglich eine rechtlich nicht geschützte Erwerbsaussicht zu.11 Die gesetzlichen Regelungen des § 159 VVG werden regelmäßig auch von den der Lebensversicherung zugrundeliegenden AVB aufgenommen, vgl. § 9 Abs. 2 ALB 2014. Durch diese rechtliche Ausgestaltung wird die wirtschaftliche Vermögenslage stimmig abgebildet: Solange das Bezugsrecht frei widerruflich ist und der Versicherungsfall noch nicht eingetreten, ist die Rechtsposition des Begünstigten noch so volatil, dass sie nicht als Aktivum zu dessen Vermögen gerechnet werden kann. Der Versicherungsnehmer auf der anderen Seite behält sich durch die Widerruflichkeit die Dispositionsbefugnis über die Versicherungsforderung vor, sodass deren wirtschaftlicher Wert in seinem Vermögen verbleibt. Besonders augenfällig wird dies daran, dass der Versicherungsnehmer ungeachtet des Bezugsrechts des Dritten dazu in der Lage ist, die Versicherungsforderung im Wege der Verpfändung oder Sicherungszession als Kreditunterlage zu verwenden.12 9
BGHZ 45, 162, 164 ff.; BGH VersR 2003, 1021 f. (beide zum alten Recht); Bruns, Privatversicherungsrecht, § 26 Rn. 66. 10 Nach der Auslegungsregel des § 159 Abs. 1 VVG ist im Zweifel von einer Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung auszugehen, Looschelders/Pohlmann/Patzer, § 159 Rn. 15. 11 BGH VersR 2005, 923; 2004, 93, 94; 2002, 1294; 1993, 689; BAG VersR 2009, 134, 136 (alle zum alten Recht); Bruns, Privatversicherungsrecht, § 26 Rn. 64; berücksichtigt man, dass die widerrufliche Bezugsberechtigung nach Eintritt des Versicherungsfalles den Erwerb der Versicherungsforderung durch den Dritten bewirkt und in § 159 Abs. 2 VVG eine explizite gesetzliche Regelung erfahren hat, erscheint die teilweise anzutreffende Ansicht, die widerrufliche Bezugsberechtigung sei rechtlich gesehen ein „Nullum“, dagegen als etwas zu weit gegriffen, so aber z.B. BGH VersR 2010, 1021; Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 15; Langheid/Rixecker, § 159 Rn. 13. 12 Die Sicherungszession oder Verpfändung der Versicherungsforderung führt hierbei nicht zum vollständigen Widerruf der Bezugsberechtigung, sondern lediglich zum Vorrang des Sicherungsgläubigers gegenüber dem Dritten, vgl. zum Ganzen BGH VersR 1989, 1289; 2001, 883, 884; 2004, 93, 94; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ortmann/Rubin, § 159 Rn. 72; Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 234 ff.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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II. Gegenstand des Forderungserwerbs In engem Zusammenhang mit der zeitlichen Komponente unterscheiden sich widerrufliche und unwiderrufliche Bezugsberechtigung auch mit Blick darauf, welche Rechte der Begünstigte durch sie erwirbt. Da die widerrufliche Bezugsberechtigung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls einen Rechtserwerb des Dritten ermöglicht, bleiben grundsätzlich all jene Forderungen aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherungsnehmer vorbehalten, die zu einem früheren Zeitpunkt entstehen und fällig werden.13 Dies schließt für den widerruflich Bezugsberechtigten insbesondere den Erwerb des Anspruchs auf den Rückkaufswert aus, der gem. § 169 VVG bei vorzeitiger Beendigung des Lebensversicherungsvertrags entsteht.14 Ebenso verbleiben auch die Ansprüche auf eine jährliche Überschussbeteiligung beim Versicherungsnehmer, soweit nicht zwischen diesem und dem Versicherer vereinbart ist, dass die jährliche Überschussbeteiligung zur Erhöhung der Versicherungssumme oder zur verzinslichen Ansammlung beim Versicherer verwendet werden soll. 15 Im Falle einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung erwirbt der Begünstigte die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dagegen sofort und damit grundsätzlich auch all jene Ansprüche, die bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls entstehen. Die Ansprüche auf den Rückkaufswert und etwaige vor Vertragsbeendigung auszuzahlende Überschussbeteiligungen stehen damit im Regelfall ihm und nicht dem Versicherungsnehmer zu.16 Allerdings ist zu beachten, dass der Umfang der Bezugsberechtigung der privatautonomen Ausgestaltung durch den Versicherungsnehmer anheimgestellt ist, dieser also einzelne Ansprüche von der Reichweite der Bezugsberechtigung ausnehmen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer zu erkennen gibt, dass die jährlichen Überschussanteile mit der zu zahlenden Versicherungsprämie verrechnet werden sollen.17 In jedem Fall verbleiben dem Versicherungsnehmer die aus dem Versicherungsvertrag resultierenden 13
Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 85 ff., 212; § 153 Rn. 144 ff.; Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 86, 212; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 70; unklar hingegen BGH NJW 2005, 2231, 2232: obwohl der BGH davon ausgeht, dass vor Eintritt des Versicherungsfalls alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherungsnehmer bzw. dessen Insolvenzmasse verbleiben, hält er es für möglich, dass ein Widerruf der Bezugsberechtigung notwendig ist, um den Rückkaufswert „zur Masse zu ziehen“, ebenso unklar auch Kayser, ZInsO 2001, 1321, 1322; vgl. hierzu auch noch unten sub C. I. 2. a). 15 Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 85. 16 Vgl. hierzu BGH NJW 2013, 232, 233; Prölss/Martin/Reiff/Schneider, § 9 ALB 2012 Rn. 25 sowie zum alten Recht BGH NJW-RR 2010, 544, 545; NJW 2003, 2679 f.; OLG Frankfurt r+s 2001, 478, 479; Blomeyer/Kanz, KTS 1985, 169, 175. 17 Zum Ganzen Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 166 ff. m.w.N.; zur Rechtsstellung des Bezugsberechtigten im Falle der Vereinbarung einer Verrechnung der Überschussanteile mit der Versicherungsprämie auch OLG Frankfurt r+s 2001, 478, 479. 14
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§ 7 Lebensversicherung
oder auf diesen bezogenen Gestaltungsrechte, namentlich die Rechte, die Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung zu verlangen, den Versicherungsvertrag zu kündigen oder diesen anzufechten.18 III. Modalitäten des Forderungserwerbs Die rechtsdogmatische Konstruktion des Forderungserwerbs durch den Begünstigten bildet den Gegenstand einer zentralen Streitfrage, die die geschichtliche Genese des Vertrags zugunsten Dritter maßgeblich prägte und bis heute keine endgültige Klärung erfahren hat. Es ist dies die Frage, ob der Begünstigte die Forderung aus dem Vertrag originär als gänzlich neues Recht oder lediglich derivativ vom Versprechensempfänger erlangt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts bildet die Lebensversicherung mit Drittbegünstigung einen zentralen Kristallisationspunkt dieses Streits. 19 Heute geht die ganz h.M. davon aus, dass der Bezugsberechtigte die Versicherungsforderung stets originär erwirbt, unabhängig davon, ob der Erwerb auf ein widerrufliches oder ein unwiderrufliches Bezugsrecht zurückgeht. Diese Konstruktion führt allerdings teilweise zu durchaus kontraintuitiven Ergebnissen. Dies betrifft vor allem die widerrufliche Bezugsberechtigung, bei welcher der Bezugsberechtigte die Versicherungsforderung gem. § 159 Abs. 2 VVG erst mit Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt und diese bis dahin (als aufschiebend bedingte Forderung) beim Versicherungsnehmer verbleibt. Hier liegt die Annahme eines Forderungsübergangs vom Versicherungsnehmer auf den Begünstigten sehr nahe. Eine solche Betrachtungsweise lassen auch zahlreiche Ausführungen in Rechtsprechung und Literatur durchscheinen.20 Konsequent umgesetzt führt die Konstruktion des originären Forderungserwerbs jedoch zu einem anderen Ergebnis. Demnach entfällt die aufschiebend bedingte Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers mit Eintritt des Versicherungsfalls, während im selben Moment eine inhaltsgleiche Forderung in der Person des Bezugsberechtigten neu entsteht.21 Historisch betrachtet fand diese eigentümliche Konstruktion ihren Nährboden22 vor allem in dem Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt artikulierten 18
Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 89 m.N. Vgl. hierzu Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 103 (Lebensversicherung als „Katalysator“ für die Anerkennung der Theorie vom unmittelbaren und selbständigen Rechtserwerb des Dritten). 20 So z.B. BGH NJW 2002, 3253, 3254 (zu einem Fall in dem der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war: „Die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag waren in der Person der Gemeinschuldnerin entstanden und auch dort verblieben“); Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 17 („Bei Eintritt des VersFalles spaltet sich der Anspruch auf die VersLeistung aus dem Vermögen des VN ab und wächst dem Berechtigten endgültig und unwiderruflich zu.“). 21 So denn auch explizit BGH NZI 2010, 646, 647. 22 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 103 spricht von einem „Katalysator“. 19
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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rechtspolitischen Desiderat, den Bezugsberechtigten einer Todesfallversicherung vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger auf die Versicherungsforderung zu schützen.23 Die Lehre vom originären Forderungserwerb konnte dieses rechtspolitische Postulat erfüllen, indem sie dem Begünstigten eine gänzlich neue Versicherungsforderung verschaffte, die von einem etwaigen Nachlasskonkursverfahren ausgenommen blieb.24 Abgesehen davon, dass die zugrundeliegende rechtspolitische Forderung äußerst streitbar25 und nach geltendem Recht wegen der regelmäßig gegebenen Anfechtbarkeit der Vermögenszuwendung ohnehin nicht erfüllt ist,26 kann retrospektiv auch festgestellt werden, dass es des dogmatischen „Kniffs“ eines originären Forderungserwerbs gar nicht bedurft hätte, um das erwünschte Ergebnis zu erzielen. Die Annahme eines derivativen Rechtserwerbs hat mitnichten zwangsläufig zur Folge, dass die Versicherungsforderung in den Nachlass des Versicherungsnehmers fällt und damit vom Nachlassinsolvenzverfahren erfasst wird. Da die Versicherungsforderung dem Begünstigten mit und nicht erst nach Eintritt des Versicherungsfalls zukommt, ist es dogmatisch durchaus konstruierbar, dass der Abfluss der Versicherungsforderung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers mit dessen Tod bereits abgeschlossen ist und damit außerhalb des Nachlasses erfolgt.27 Gerade für den Fall der widerruflichen Bezugsberechtigung ist die Lehre vom originären Forderungserwerb dementsprechend auch nicht unumstritten. Eine teilweise vertretene Ansicht geht in Abweichung von der h.M. davon aus, dass in all denjenigen Fällen des Vertrags zugunsten Dritter, in denen zunächst der Versprechensempfänger die Forderungen aus dem Vertrag erwirbt und diese erst nachträglich dem Drittbegünstigten zufallen, ein derivativer Erwerb durch den Dritten vorliegt.28 Zu diesen Fällen soll neben der nachträglichen Umgestaltung eines bestehenden Vertrages in einen Vertrag zu-
23
Besonders prominent wurde dieser rechtspolitische Wunsch im Rahmen des 16. Deutschen Juristentages 1882 geäußert, vgl. hierzu Malz, 16. DJT, Gutachten, S. 141 ff. und Elster, 16. DJT, Gutachten, S. 200 ff. 24 Ausführlich zur historischen Entwicklung der Lehre vom originären Forderungserwerb Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 82 ff. mit umfassenden Nachweisen. 25 Hierzu noch ausführlich im Folgenden. 26 Hierzu ausführlich unten sub C. III. 3. 27 Dies befürwortend Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 284 ff., 294 ff.; in dieselbe Richtung auch Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 17; differenzierend dagegen Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343, 347 f. (Erwerb aus dem Nachlass, aber keine Anwendung des § 2301 Abs. 1 BGB, da Vollzug der Schenkung eo ipso mit Eintritt des Todes, § 2301 Abs. 2 BGB). 28 Soergel/Hadding, § 328 Rn. 32; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 276 ff. m.w.N.; dagegen jedoch NK-BGB/Preuß, § 328 Rn. 10; Staudinger/Klumpp, § 328 Rn. 30 ff.
172
§ 7 Lebensversicherung
gunsten Dritter vor allem auch die Lebensversicherung mit widerruflicher Bezugsberechtigung eines Dritten zählen.29
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
I. Insolvenzrechtliche Privilegierung erfordert entsprechende Vermögensallokation vor Insolvenzeröffnung Eine klare Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Dritten ist im Bereich der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung ganz besonders gewinnbringend. Sie vermag das Verständnis der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Bezugsberechtigten erheblich zu fördern. Insbesondere die durch das Insolvenz- und Versicherungsrecht gezogenen Grenzen der Privilegierung des Bezugsberechtigten werden nur dann recht verständlich, wenn man die verfassungsrechtlichen Determinanten fest im Blick behält. Wie jede insolvenzrechtliche Privilegierung bedarf auch der vorrangige Zugriff des Bezugsberechtigten auf die Lebensversicherungsleistung einer verfassungsrechtlich tragfähigen Rechtfertigung. Hier liegt nun zunächst der Versuch nahe, insoweit die sozialpolitische Versorgungsfunktion der Lebensversicherung fruchtbar zu machen.30 Sowohl im privaten Bereich der Versorgung Angehöriger als auch im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge erfüllt die Lebensversicherung zunehmend wichtige und aus diesem Grunde auch staatlicherseits geförderte Funktionen der sozialen Sicherung. Indes lassen sich auf diese Versorgungsfunktion keine umfassenden insolvenzrechtlichen Privilegierungen der Begünstigten in Bezug auf die Versicherungsleistung stützen. Die eingeschränkte Eignung insolvenzrechtlicher Privilegierungen zur Verfolgung sozialpolitischer Zielsetzungen wurde im Rahmen des allgemeinen Teils dieser Arbeit bereits dargelegt.31 Auch im Bereich der Lebensversicherung ist es verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, dass die einfachen Insolvenzgläubiger – unter denen sich, dies sei hier noch einmal wiederholt, auch deliktisch Geschädigte und andere schutzbedürftige Personen befinden können – die umfassende Versorgung des Bezugsberechtigten finanzieren. Folgerichtig anerkennt das geltende Recht eine insolvenz29 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 280 ff., 308; Elfring spricht sich gar in allen Fällen der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten für einen derivativen Forderungserwerb des Begünstigten aus, Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, S. 24 ff.; ders., NJW 2004, 483, 484. 30 So z.B. Möller et al., ZVersWiss 1970, 17, 45. 31 S.o. § 2 C. II. 2. c).
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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feste Versorgungsfunktion der Lebensversicherung auch nur in den engen Grenzen der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO i.V.m. § 36 InsO,32 also nur insoweit als die Versicherungsleistung zur Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage notwendig ist. Eine über diesen engen Rahmen hinausreichende Privilegierung des Begünstigten lässt sich ebenso wie bei der Versicherung für fremde Rechnung verfassungsrechtlich nur darauf stützen, dass der Dritte bereits vor Verfahrenseröffnung eine gesicherte Rechtsstellung erlangt hat, der Versicherungsnehmer mit anderen Worten den in der Versicherungsforderung verkörperten wirtschaftlichen Wert bereits vor Insolvenzeröffnung aus seinem Vermögen ausgegliedert hat. Freilich wird das Motiv hinter dieser Vermögensallokation regelmäßig gerade die Versorgung des Begünstigten sein. Entscheidend für die Privilegierung des Begünstigten ist jedoch nicht die Motivation des Versicherungsnehmers, sondern allein die vollzogene Ausgliederung der Versicherungsforderung aus seinem Vermögen.33 II. Folgen für die Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Begünstigten durch das Insolvenz- und Versicherungsrecht 1. Allgemeine Leitlinien Diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen lassen sich einige klar konturierte Vorgaben für die Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Begünstigten auf der Ebene des einfachen Rechts ableiten. Demnach kann dem Begünstigten nur dann eine insolvenzfeste Stellung eingeräumt werden, 32
Vgl. hierzu ausführlich Lange, ZVI 2012, 403, 404 ff.; für eine Ausweitung dieses Vollstreckungsschutzes durch die Anwendung des § 850i Abs. 1 ZPO auch auf die Kapitallebensversicherung Sieg, ZVersWiss 1974, 97, 99 ff.; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 273 ff. 33 A.A. wohl Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 52, der allerdings seine Thesen auf eine fehlerhafte Interpretation des § 167 Abs. 2 S. 2 VVG a.F. (heute § 160 Abs. 2 S. 2 n.F.) stützt. Kayser nimmt an, dass § 167 Abs. 2 S. 2 VVG a.F. den Erben selbst dann den originären Erwerb der Versicherungsforderung einer Todesfallversicherung erlaubt, wenn der Versicherungsnehmer keinen Bezugsberechtigten benannt hat. Allein aufgrund der objektiven Versorgungsfunktion der Lebensversicherung seien diese mithin vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger geschützt. Richtigerweise ist aber Anwendungsvoraussetzung des § 167 Abs. 2 S. 2 VVG a.F., dass der Versicherungsnehmer gerade die „Erben“ als Bezugsberechtigte bestimmt hat (vgl. OLG Hamburg, VersR 1957, 677, 678; Prölss/Martin/Kollhosser, 27. Aufl., § 167 Rn. 2, vgl. ferner auch noch OLG Düsseldorf NZI 2008, 501). Der Erwerb der Versicherungsforderung vollzieht sich auch hier aufgrund der privatautonomen Bestimmung durch den Versicherungsnehmer und nicht kraft einer objektiven Versorgungsfunktion der Lebensversicherung. Die Norm stellt lediglich fest, dass dieser Erwerb und der erbrechtliche Erwerb des restlichen Nachlasses getrennt voneinander erfolgen, die Ausschlagung des Letzteren also nicht auf den Erstgenannten durchschlägt.
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§ 7 Lebensversicherung
wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus seinem Vermögen abgespalten hat. Auf Grundlage des geltenden Versicherungsrechts ergeben sich damit im Groben die folgenden Leitlinien: Wurde dem Begünstigten vor Insolvenzeröffnung eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt, ist seine insolvenzrechtliche Privilegierung in Bezug auf die aus dem Versicherungsvertrag entspringenden Rechte grundsätzlich verfassungskonform. War die Bezugsberechtigung dagegen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch widerruflich, so würde eine insolvenzrechtliche Privilegierung des Begünstigten den verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum verletzen.34 Eine Ausnahme gilt nur insoweit, als vor Insolvenzeröffnung bereits der Versicherungsfall eingetreten ist und dem Begünstigten damit gem. § 159 Abs. 2 VVG die Versicherungsforderung zugefallen ist. Vollkommen außer Betracht bleiben müssen nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben dagegen die Bestimmungen des zwischen dem Begünstigten und dem Versicherungsnehmers bestehenden Valu34
Die Abhängigkeit der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten von der Ausgestaltung des Bezugsrechts als widerruflich oder unwiderruflich hat in Deutschland eine lange Tradition die weit vor das Inkrafttreten des GG zurückreicht. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entsprach es der ganz h.M., dass die Versicherungsforderung nur dann dem Zugriff der Gläubiger entzogen war, wenn ein Widerruf des Bezugsrechts ausgeschlossen war, vgl. hierzu RG LZ 1914, Sp. 955 f.; Zeigner, Der Einfluss des Konkurses auf privatrechtliche Lebensversicherungsverhältnisse, S. 60 ff.; Jaeger, LZ 1917, Sp. 36, 37 m.w.N. Teilweise erhoben sich in der Vergangenheit aber auch kritische Stimmen, die eine bessere rechtliche Absicherung der Versorgungsfunktion der Lebensversicherung forderten Die Möglichkeit, den Schutz der begünstigten Personen durch eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung zu gewährleisten wurde insoweit als nicht praktikabel angesehen. Wegen der typischerweise langen Laufzeiten von Lebensversicherungsverträgen sei es dem Versicherungsnehmer nicht zuzumuten, sich seiner Dispositionsbefugnis über die Versicherungsforderung vollständig zu begeben. Insbesondere wurde hierbei das Interesse des Versicherungsnehmers betont, die Versicherungsforderung während der Vertragslaufzeit als Kreditunterlage einsetzen zu können. In Anlehnung vor allem an das schweizerische Recht (vgl. Art. 80 schwVVG) wurde vor diesem Hintergrund eine Gesetzesänderung angemahnt, die die Versicherungsforderung auch im Falle einer widerruflichen Bezugsberechtigung dem Gläubigerzugriff entzieht, wenn diese einem Familienangehörigen des Versicherungsnehmers eingeräumt wurde (so z.B. Bruck, LZ 1932, Sp. 661, 665 ff.). Diese Bemühungen vermochten sich indes zu Recht nicht durchzusetzen. Verfassungsrechtlich ist es nicht tragfähig, dem Dritten eine insolvenzfeste Stellung einzuräumen und gleichzeitig dem Versicherungsnehmer die volle Dispositionsbefugnis über die Versicherungsforderung zu belassen. Insbesondere wenn der Versicherungsnehmer sich den Widerruf der Bezugsberechtigung vorbehält, um die Versicherungsforderung weiterhin als Kreditunterlage nutzen zu können, zeigt sich hieran deutlich, dass diese Forderung weiterhin Teil seines Vermögens ist und damit im Gegenzug auch dem Zugriff seiner Gläubiger unterliegen muss (in diese Richtung auch schon Sieg, ZVersWiss 1974, 97, 102).
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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taverhältnisses.35 Diese haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die vermögensrechtliche Zuordnung der Versicherungsforderung, sondern verpflichten den Versicherungsnehmer allenfalls dazu, eine Veränderung der vermögensrechtlichen Zuordnung vorzunehmen. Sie vermögen es deshalb nicht, eine insolvenzrechtliche Privilegierung des Begünstigten verfassungsrechtlich zu tragen. 2. Beispiel für die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben: die Direktversicherung im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge Dass das geltende Insolvenz- und Versicherungsrecht die soeben skizzierten verfassungsrechtlichen Leitlinien durchaus konsequent umsetzt, offenbart sich mit ganz besonderer Deutlichkeit im Bereich der vieldiskutierten Direktversicherung zur betrieblichen Altersvorsorge. Hinsichtlich deren Ausgestaltung macht das Gesetz dem versicherungsnehmenden Arbeitgeber in § 1b Abs. 2 BetrAVG detaillierte Vorschriften. Es soll gewährleistet werden, dass die Versicherung ihren Versorgungszweck zugunsten des Arbeitnehmers erfüllen wird. Insbesondere ist es dem Arbeitgeber gem. § 1b Abs. 2 S. 1 BetrAVG untersagt, das Bezugsrecht des Arbeitnehmers zu widerrufen, sobald die Anwartschaft aus der Versorgungszusage gem. § 1b Abs. 1 S. 1 und 2 BetrAVG unverfallbar geworden ist. Wird die Direktversicherung im Wege der Entgeltumwandlung durch den Arbeitnehmer finanziert, ist der Arbeitgeber gem. § 1b Abs. 5 S. 2 BetrAVG gar verpflichtet, das Bezugsrecht von vornherein als unwiderrufliches auszugestalten. Diese die sozialpolitisch gewünschte Absicherung der betrieblichen Altersvorsorge bezweckenden gesetzlichen Vorgaben generieren nun aber lediglich schuldrechtliche Pflichten des Arbeitgebers im Valutaverhältnis und gerade keine insolvenzrechtlichen Privilegien des Arbeitnehmers. Es bleibt vielmehr auch hier bei dem Grundsatz, dass sich die insolvenzrechtliche Stellung des begünstigten Arbeitnehmers in Bezug auf die Lebensversicherung ausschließlich nach der vom Arbeitgeber im Deckungsverhältnis vorgenommenen Ausgestaltung der Bezugsberechtigung bemisst.36 Ist diese frei widerruflich, so fallen die Rechte aus der Versicherung grundsätzlich in die Insolvenzmasse, dem Arbeitnehmer kommt mithin keine insolvenzfeste Stellung zu.37 Die Unverfallbarkeit der 35 Dass das Valutaverhältnis für die insolvenzrechtliche Privilegierung des Bezugsberechtigten ohne Bedeutung ist, entspricht heute der ganz h.M. Freilich wird dieses Ergebnis bislang nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen abgeleitet, vgl. zur h.M. beispielsweise BAG NZA 1999, 1103, 1104; NZI 2010, 674, 675; 2011, 30, 32; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 315, 317; Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1323. 36 BAG NZI 2011, 30, 32; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 315, 317; Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1323. 37 Statt aller nur BAG NZI 2011, 30, 32; BGH NJW 2002, 3253, 3254; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 316 f. m.w.N.
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Versorgungszusage hat hierauf keinen Einfluss und hindert den Insolvenzverwalter auch nicht, die Rechte aus der Versicherung für die Masse zu verwerten.38 Selbst im Falle einer entgeltfinanzierten Direktversicherung kann der Arbeitnehmer die Versicherungsforderung nicht für sich beanspruchen, wenn der Arbeitgeber das Bezugsrecht unter Verletzung seiner Pflicht aus § 1b Abs. 5 S. 2 BetrAVG nicht unwiderruflich gestellt hat.39 Die sozialpolitische Versorgungsfunktion der Direktversicherung, die im Valutaverhältnis ihren Ausdruck findet, hat auf die Stellung des Arbeitnehmers im Insolvenzverfahren folglich in Konformität mit den dargelegten verfassungsrechtlichen Grundsätzen keinerlei Relevanz. Freilich bleibt der Arbeitnehmer auch in solchen Fällen nicht schutzlos. Die Insolvenzsicherung wird aber nicht über den Weg insolvenzrechtlicher Privilegien gewährleistet, sondern durch den Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV), gegen den der Arbeitnehmer infolge der Insolvenz des Arbeitgebers gem. § 7 Abs. 1 BetrAVG einen Entschädigungsanspruch erwirbt. In Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben wird hierdurch gewährleistet, dass die Kosten der sozialpolitisch erwünschten Versorgung der Arbeitnehmer nicht den Gläubigern des Arbeitgebers anfallen, sondern letztendlich von der Gesamtheit der Arbeitgeber getragen werden, die den Pensionssicherungsverein gem. § 10 BetrAVG finanzieren. Dass Personen, die gem. § 17 BetrAVG nicht die Insolvenzsicherung durch den PSV genießen,40 in der Insolvenz des Versicherungsnehmers mit ihren Versorgungsansprüchen teilweise ausfallen, ist de lege lata nicht nur hinzunehmen, sondern nur folgerichtig. Schließlich kommt in der Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs der Insolvenzsicherung gerade der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, den ausgeschlossenen Personen keinen 38
BAG NZI 2011, 30, 32; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 316 ff.; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 111; Heiss, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 159 Rn. 125; Langheid/Rixecker, § 159 Rn. 36; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 40 f.; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 491. 39 In der Vergangenheit gab es Versuche, im Falle einer entgeltfinanzierten Direktversicherung ein Treuhandverhältnis zugunsten des Arbeitnehmers zu konstruieren, welches es diesem erlauben würde, die Rechte aus der Versicherung aus der Insolvenzmasse auszusondern, vgl. hierzu OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 798, 799; zustimmend Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 266 f.; Kießling, NZI 2008, 469, 470 ff. Diese Konstruktion wird heute indes von der ganz h.M. abgelehnt, so z.B. von BGH NJW 2002, 3253, 3255; BAG NZI 2010, 674, 675; 2011, 30, 32; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 319a; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 111; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 491; Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1323; Stahlschmidt, NZI 2006, 375. 40 Dies betrifft insbesondere solche Personen, die für das eigene Unternehmen tätig sind, z.B. geschäftsführende Alleingesellschafter, BGH NJW 1980, 2254 f. und persönlich haftende Gesellschafter mit Geschäftsführungsbefugnis, BGH NJW 1980, 2257 f.; allgemein zur schwierigen und umstrittenen Eingrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des BetrAVG Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 BetrAVG Rn. 42 ff.
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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Insolvenzschutz angedeihen zu lassen. Ein solcher darf dann aber auch nicht unter Verletzung der par conditio creditorum auf dem Rücken der Insolvenzgläubiger begründet werden.41
C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Bezugsberechtigten C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
I. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Bezugsberechtigten: Aussonderungsrecht nach Erwerb der Versicherungsforderung Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu den Grenzen insolvenzrechtlicher Privilegierungen hängt die insolvenzrechtliche Stellung des Begünstigten von der Ausgestaltung seines Bezugsrechts ab. Als Grundsatz kann hierbei gelten: War das Bezugsrecht bereits vor Insolvenzeröffnung unwiderruflich und die Versicherungsforderung damit aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers ausgegliedert, so hat der Begünstigte – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung – eine insolvenzfeste Stellung erlangt, er kann die Rechte aus dem Versicherungsvertrag aus der Masse aussondern.42 Im Falle eines frei widerruflichen Bezugsrechts ist eine insolvenzrechtliche Privilegierung des Begünstigten dagegen grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn der Versicherungsfall war bei Insolvenzeröffnung bereits eingetreten.43 Diese verfassungsrechtlich vorgeprägten Leitlinien konkretisieren sich im Einzelnen wie folgt: 1. Unwiderrufliche Bezugsberechtigung Hat der Versicherungsnehmer dem Begünstigten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt, so ist dieser Inhaber aller aus dem Versicherungsvertrag erwachsenen Forderungen geworden und mithin zu deren Aussonderung berechtigt. Die 41
In diese Richtung auch schon Jauch, KTS 1989, 809, 817. BGH NJW 2015, 341, 342; NZI 2012, 762; 2005, 555 f.; BAG NZI 2011, 30, 32; NZA 1991, 60, 61; 1991, 144; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 320; Uhlenbruck/Brinkmann; § 47 Rn. 113; Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 37; Heiss, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 159 Rn. 119; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 68; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 58; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 486 f.; Stegmann/Lind, NVersZ 2002, 193, 194. 43 BGH NJW 2015, 341 f.; NJW 2002, 3253, 3254; NZI 2005, 384; r+s 1993, 354, 355; BAG NZI 2011, 30, 32; NZA 1991, 845; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 316; Uhlenbruck/Brinkmann; § 47 Rn. 111; Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 38; Heiss, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 159 Rn. 125, 128; Gottwald/Adolphsen, § 40 Rn. 70; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 48; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 484 f.; Kießling, NZI 2008, 469, 470. 42
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konkrete Rechtsstellung des Begünstigten hängt dabei vom Zustand des Versicherungsverhältnisses ab. Ist der Versicherungsfall bereits eingetreten, so steht ihm – neben den Ansprüchen auf Auszahlung der Überschussbeteiligung gem. § 153 VVG – vor allem die Forderung auf Auszahlung der Versicherungssumme zu. Komplexer gestaltet sich die Rechtslage, wenn der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Hier stellt – wiederum abgesehen von etwaigen Ansprüchen auf (jährliche) Überschussanteile – vor allem der Anspruch auf den Rückkaufswert der Versicherung ein potentielles Aussonderungsobjekt dar.44 Der Anspruch auf den Rückkaufswert entsteht jedoch entgegen der früher herrschenden Ansicht nicht ipso iure mit Insolvenzeröffnung.45 Seit der Abkehr des BGH von der Erlöschenstheorie wird § 103 InsO (vormals § 17 KO) nicht länger dahingehend verstanden, dass die Insolvenzeröffnung eine materiellrechtliche Umgestaltung des Versicherungsvertrages bewirkt, die gem. § 169 Abs. 1 VVG den Anspruch auf den Rückkaufswert zur Entstehung bringt. Der Anspruch auf den Rückkaufswert setzt vielmehr auch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers weiterhin die Kündigung des Versicherungsvertrages voraus.46 Nach h.M. geht das entsprechende Kündigungsrecht aus § 168 Abs. 1 VVG auch dann gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über, wenn einem Dritten eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt wurde.47 An den Inhalt der Kündigungserklärung werden freilich keine hohen Anforderungen gestellt. Bringt der Insolvenzverwalter durch eine Erfüllungsablehnung i.S.d. § 103 Abs. 2 InsO zum Ausdruck, dass der Versicherungsvertrag nicht fortgesetzt werden soll, 44
Vorausgesetzt natürlich, ein solcher Anspruch ist für die jeweilige Versicherung vorgesehen, ausführlich zum sachlichen Anwendungsbereich des Anspruchs auf den Rückkaufswert Bruck/Möller/Winter, § 169 Rn. 36 ff. 45 So aber auf Grundlage der „Erlöschenstheorie“ noch BGH NJW 1993, 1994, 1995; auch auf dem Boden der neuen Interpretation des § 103 InsO halten hieran fest Janca, ZInsO 2003, 449 f.; Flitsch/Herbst, BB 2003, 317, 319. 46 BGH NJW 2015, 341, 343; BB 2012, 343, 344 f.; Prölss/Martin/Reiff, § 168 Rn. 13; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 320; Huber, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 44; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 485; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 51; Elfring, BB 2004, 617, 619; a.A. Mönnich, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 168 Rn. 28 f. (Erfüllungsverweigerung gem. § 103 Abs. 2 InsO sollte unmittelbar Anspruch auf den Rückkaufswert auslösen); ähnlich Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 465 (Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter hat analoge Anwendung des § 169 Abs. 1 VVG zur Folge); kritisch zur h.M. auch Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 103 Rn. 111. 47 BGH NJW 2011, 216; Mönnich, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 168 Rn. 34; Heiss, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 159 Rn. 121; Prölss/Martin/Reiff, § 168 Rn. 13; Langheid/Rixecker, § 168 Rn. 14; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 487; a.A. Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 58; Sieg, in: FS Klingmüller, S. 447, 459.
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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ist hierin zugleich eine Kündigungserklärung gem. § 168 Abs. 1 VVG zu sehen.48 Da der Insolvenzverwalter im Falle einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung die Erfüllung des Versicherungsvertrags in praxi nahezu immer ablehnen wird, um eine Belastung der Insolvenzmasse mit der Prämienzahlungspflicht zu vermeiden, erlangt der Bezugsberechtigte im Regelfall ein Aussonderungsrecht an dem ihm hierdurch zufallenden Anspruch auf den Rückkaufswert. Dies kann für den Bezugsberechtigten indes auch nachteilig sein, da der Rückkaufswert üblicherweise hinter dem wirtschaftlichen Wert der zu einem späteren Zeitpunkt auszuzahlenden Versicherungsleistung zurückbleibt. Diese kann er sich allerdings dann sichern, wenn ihm gem. § 170 Abs. 1, 3 VVG das Recht zum Eintritt in den Versicherungsvertrag zusteht.49 Besteht ein solches Eintrittsrecht, ist dem Insolvenzverwalter eine wirksame Kündigung bis zum Ablauf der in § 170 Abs. 3 S. 2 VVG normierten Monatsfrist nicht möglich,50 da er andernfalls in der Lage wäre, das Eintrittsrecht des Begünstigten zu unterlaufen.51 Besonderheiten ergeben sich in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer vor Insolvenzeröffnung seine Prämienzahlungspflichten bereits vollständig erfüllt hat, sei es, weil es sich um den praktisch seltenen Fall einer Einmalprämie handelte oder weil die Versicherung in eine prämienfreie umgewandelt wurde oder aber weil der Versicherungsfall einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eingetreten ist.52 Da der Versicherungsvertrag hier von Seiten des Versicherungsnehmers bereits vollständig erfüllt wurde, greift die Regelung des § 103 InsO nicht Platz, dem Insolvenzverwalter steht also das spezifisch insolvenzrechtliche Erfüllungswahlrecht nicht zu. Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob dem Insolvenzverwalter in einem solchen Fall das versicherungsrechtliche Kündigungsrecht aus § 168 Abs. 2 VVG zusteht.53 Dies wird man im Regelfall verneinen müssen, da die Insolvenzmasse nicht mit Prämienzahlungspflichten belastet ist, der Insolvenzverwalter mithin kein Interesse an einer Kündigung geltend machen kann, das es rechtfertigen würde, dem Begünstigten den (aufschiebend bedingten) Anspruch auf die Versi48 BGH BB 2012, 343, 347; Huber, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 103 Rn. 118; Uhlenbruck/Wegener, § 103 Rn. 44; Prölss/Martin/Reiff, § 168 Rn. 13; Elfring, BB 2004, 617, 619. 49 Hierzu noch ausführlich unten sub 5. 50 Umstritten ist, ob eine Kündigung vor Fristablauf schlechthin unwirksam ist oder deren Wirksamkeit lediglich bis zum Fristablauf aufgeschoben ist, vgl. hierzu Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 19 m.N. zu beiden Ansichten. 51 Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 19; vgl. auch BGH VersR 2012, 425, 426. Auf das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO hat § 170 VVG hingegen keine Auswirkungen, hierzu ausführlich unten sub III. 2. 52 Vgl. hierzu Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 486; Stegmann/Lind, NVersZ 2002, 193, 196. 53 Dafür BGH NJW 2011, 216 f.; OLG Karlsruhe VersR 2001, 1501; Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 103 Rn. 112.
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cherungsleistung zu entziehen und seine Rechtsposition stattdessen auf den Rückkaufswert zu beschränken.54 Sind die besonderen Voraussetzungen des § 170 VVG erfüllt, kann allerdings der Bezugsberechtigte in den Versicherungsvertrag eintreten und diesen selbst kündigen. Dies ermöglicht es ihm, sofort auf den Rückkaufswert zuzugreifen, wenn ihm dies wirtschaftlich opportun erscheint. 2. Widerrufliche Bezugsberechtigung Die insolvenzrechtliche Stellung des nur durch eine widerrufliche Bezugsberechtigung Begünstigten ist naturgemäß sehr viel schwächer ausgestaltet. War der Versicherungsfall vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eingetreten und hat der Bezugsberechtigte damit gem. § 159 Abs. 2 VVG die Versicherungsforderung erworben, kann er diese zwar auch hier aus der Insolvenzmasse aussondern.55 Blieb der Versicherungsfall jedoch bis zur Insolvenzeröffnung aus, so kommt dem Begünstigten im Insolvenzverfahren keine gesicherte Rechtsposition zu. a) Kein Aussonderungsrecht am Anspruch auf den Rückkaufswert Der Anspruch auf den Rückkaufswert fällt in die Insolvenzmasse. Indem er den Versicherungsvertrag gem. § 168 Abs. 1 VVG kündigt, kann der Insolvenzverwalter diesen Anspruch zur Entstehung bringen und für die Insolvenzmasse geltend machen. Entgegen der wohl h.M.56 bedarf es hierzu keines zusätzlichen Widerrufs der Bezugsberechtigung durch den Insolvenzverwalter.57 Da eine widerrufliche Bezugsberechtigung den Anspruch auf den Rück54
So auch Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 464; Hasse, VersR 2005, 15, 27; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 267 f. Fn. 339; Blomeyer/Kanz, KTS 1985, 169, 176. 55 Handelt es sich beim eingetretenen Versicherungsfall um den Tod des Versicherungsnehmers, führt nach h.M. der originäre Rechtserwerb des Begünstigten dazu, dass die Versicherungsforderung nicht in den Nachlass fällt, der Begünstigte diese also auch in einem Nachlassinsolvenzverfahren aus der Masse aussondern kann, vgl. zum Ganzen Bork, in: Recht und Risiko Bd. I, S. 57, 62; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 490; Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, S. 127 (alle zum alten Recht). Wie bereits dargestellt wurde, lässt sich dasselbe Ergebnis auch auf Grundlage eines derivativen Rechtserwerbs begründen, vgl. hierzu oben sub A. III. 56 Vgl. BGH NJW 2005, 2231, 2232; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 316; Uhlenbruck/Hirte, § 35 Rn. 219; in diese Richtung auch Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 485. 57 Wie hier auch schon Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 485; Hasse, VersR 2005, 15, 32 (beide allerdings auf Grundlage der hier abgelehnten Ansicht, dass der Anspruch auf den Rückkaufswert allein durch die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters entstehe, es also keiner Kündigung bedarf, vgl. hierzu oben sub 1.). Die h.M. kommt freilich in praxi regelmäßig zum selben Ergebnis, indem sie annimmt, dass in einer Kündigung, die der Insolvenzverwalter mit der Aufforderung verbindet, den Rückkaufswert an die Masse zu
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kaufswert gegenständlich von vornherein nicht erfasst,58 muss der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht auch nicht beseitigen, um den Anspruch zur Insolvenzmasse zu ziehen.59 Handelt es sich um eine Lebensversicherung auf den Erlebensfall und steht der Eintritt des Versicherungsfalls kurz bevor, kann es aus Sicht des Insolvenzverwalters aber auch lohnend sein, auf die Kündigung zu verzichten und die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls gem. § 103 Abs. 1 InsO fortzuführen, um auf die vollständige Versicherungsleistung zugreifen zu können.60 Obgleich es makaber anmutet, sei hier der Vollständigkeit halber doch erwähnt, dass selbiges auch für eine Todesfallversicherung gelten kann, wenn der Versicherungsnehmer schwer krank und der zeitnahe Eintritt des Versicherungsfalls deshalb zu erwarten ist.61 b) Kein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung Fraglich ist allerdings, wie es sich verhält, wenn der Versicherungsfall eintritt bevor der Insolvenzverwalter den Versicherungsvertrag gekündigt oder die Bezugsberechtigung widerrufen hat.62 Kann der Begünstigte in diesem Fall auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Versicherungsforderung erwerben und diese aussondern? Gestützt auf die herrschende Ansicht, wonach § 159 Abs. 2 VVG mit Eintritt des Versicherungsfalls den originären Erwerb der Versicherungsforderung durch den Begünstigten bewirkt63, hat der IX. Zivilrechtssenat des BGH diese Frage wiederholt bejaht. In den entschiedenen Fällen wurde den Bezugsberechtigten deshalb ungeachtet ihrer ursprünglich ungesicherten Rechtsstellung nachträglich ein Aussonderungsrecht zugesprochen. Die Regelung des § 91 Abs. 1 InsO, die einen Abfluss von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse zu hindern sucht, könne angesichts des originären Forderungserwerbs nicht eingreifen.64 entrichten, üblicherweise ein konkludenter Widerruf der Bezugsberechtigung mitenthalten sei, vgl. hierzu nur BGH NJW 2005, 2231, 2232; Uhlenbruck/Hirte, § 35 Rn. 219 m.w.N. 58 Hierzu oben sub A. II. 59 So auch schon Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 260 f. für den Bereich der Einzelzwangsvollstreckung. 60 Peters, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 35 Rn. 414 f.; Stahlschmidt, NZI 2006, 375. 61 Vgl. hierzu König, NVersZ 2002, 481, 482. 62 Handelt es sich beim Versicherungsfall um den Tod des Versicherungsnehmers, so geht das über sein Vermögen eröffnete Regelinsolvenzverfahren in ein Nachlassinsolvenzverfahren über, vgl. Siegmann, in: Münchener Kommentar zur InsO, vor §§ 315 bis 331 Rn. 3 m.w.N. 63 Hierzu oben sub A. III. 64 BGH NZI 2010, 646 f. m. zustimmender Anm. Gebert; BGH NJW 2015, 341, 343; ebenso Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 482; Tintelnot, in: Kübler/Prütting/Bork, § 103
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Ausgehend von dieser Rechtsprechung wäre der Insolvenzverwalter gehalten die Bezugsberechtigung im Anschluss an die Insolvenzeröffnung umgehend zu widerrufen, um einen Abfluss von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse zu verhindern. Dies ist indes leichter gesagt als getan. In praxi wird sich der Insolvenzverwalter hierbei nicht selten mit zwei Hindernissen konfrontiert sehen, von denen das eine praktischer und das andere rechtlicher Natur ist. In praktischer Hinsicht kann der Insolvenzverwalter an einem Widerruf der Bezugsberechtigung dadurch gehindert sein, dass er entweder von der Lebensversicherung im Ganzen oder aber vom Bezugsrecht des Begünstigten keine Kenntnis hat. Dies muss nicht auf einer Nachlässigkeit des Insolvenzverwalters beruhen, sondern kann insbesondere auch darauf zurückzuführen sein, dass der Versicherungsnehmer ihm entsprechende Informationen bewusst vorenthalten hat.65 In rechtlicher Hinsicht kann sich eine Einschränkung des Widerrufsrechts des Insolvenzverwalters dann ergeben, wenn einem namentlich bezeichneten Bezugsberechtigten das Recht zum Eintritt in den Versicherungsvertrag aus § 170 Abs. 1, 3 VVG zusteht. Um die Wirksamkeit dieses Rechts zu gewährleisten ist nicht nur die Kündigung des Versicherungsvertrages bis zum Ablauf der einmonatigen Sperrfrist des § 170 Abs. 3 S. 2 VVG gehindert,66 sondern auch der Widerruf der Bezugsberechtigung.67 Betrachtet man die Rechtsprechung des BGH vor diesem Hintergrund, so wird deutlich, welch schwerwiegende Konsequenzen sie nach sich zieht: Da es dem Insolvenzverwalter während der Sperrfrist an einem effektiven Widerrufsrecht mangelt, müsste der namentlich bezeichnete Begünstigte ungeachtet der Widerruflichkeit seiner Bezugsberechtigung immer dann ein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung erwerben können, wenn der Versicherungsfall innerhalb eines Monats nach Insolvenzeröffnung eintritt.68 Darüber hinaus schafft die Rechtsprechung für den Versicherungsnehmer Anreize, dem Insolvenzverwalter gegenüber eine bestehende Bezugsberechtigung Rn. 113; Westhelle/Micksch, ZIP 2003, 2054, 2056; i.E. ebenso auch Hasse, VersR 2005, 15, 32; unklar dagegen Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 48: Rechtserwerb des Bezugsberechtigten stehe § 91 Abs. 1 InsO entgegen, S. 51 f.: Bezugsberechtigter erwerbe Versicherungsforderung ungehindert durch das Insolvenzverfahren originär. 65 So geschehen in BGH NZI 2010, 646: der Versicherungsnehmer verheimlichte dem Insolvenzverwalter hier das Bestehen der Lebensversicherung. Der Letztgenannte erlangte erst vier Monate nach Insolvenzeröffnung durch einen Brief des Versicherers Kenntnis vom Bestehen der Lebensversicherung und der widerruflichen Bezugsberechtigung der Witwe des inzwischen verstorbenen Versicherungsnehmers. 66 Hierzu bereits oben sub 1. 67 Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 19; Hasse, VersR 2015, 15, 34 f.; für den Widerruf der Bezugsberechtigung durch einen in die Versicherungsforderung vollstreckenden Gläubiger ebenso BGH VersR 2012, 425, 426; Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 53; Langheid/Rixecker, § 170 Rn. 8. 68 Vgl. hierzu auch Lange, ZVI 2012, 403, 410.
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zu verheimlichen, um die Versicherungsleistung vor dem Zugriff der Gläubiger zu bewahren und dem Begünstigten zukommen zu lassen. Bedenkt man, dass das Insolvenzverfahren seinem Zweck nach gerade darauf ausgerichtet ist, Zufälligkeiten in der Verteilung des schuldnerischen Vermögens auszuschalten, muss es sehr verwundern, dass ausgerechnet der von zahlreichen praktischen und rechtlichen Unwägbarkeiten abhängige Widerruf der Bezugsberechtigung durch den Insolvenzverwalter für die Zuordnung der Versicherungsforderung maßgeblich sein soll. Dies ist rechtspolitisch nicht überzeugend und letztlich auch verfassungsrechtlich nicht haltbar. In der nachträglichen Einräumung eines Aussonderungsrechts liegt eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehalts der par conditio creditorum. Wie eingangs dieses Kapitels beschrieben wurde, ist die insolvenzrechtliche Privilegierung des Bezugsberechtigten ausschließlich dann gerechtfertigt, wenn sie einer bereits vor Insolvenzeröffnung vorgenommenen Vermögensallokation Rechnung trägt. Die Einräumung einer frei widerruflichen Bezugsberechtigung zeichnet sich indes gerade dadurch aus, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung zunächst nicht aus seinem Vermögen ausgliedert, er sich vielmehr bis zum Eintritt des Versicherungsfalls einer endgültigen Vermögensallokation enthält. Akzeptierte man die Rechtsprechung des BGH, so würde dieser zunächst in der Insolvenzmasse vorhandene Vermögenswert mit Eintritt des Versicherungsfalls an den Bezugsberechtigten abfließen. Diese wirtschaftliche Feststellung lässt sich durch die formaljuristische Konstruktion des originären Rechtserwerbs nicht überspielen. Da der Vermögensabfluss einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage entbehrt, kann er ohne Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehalts der par conditio creditorum nicht zugelassen werden. Der BGH scheint das Spannungsverhältnis, in dem seine Rechtsprechung zum Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung steht, durchaus zu sehen. Der Weg, den er zur Auflösung dieser Spannungen vorsieht, ist indes rechtlich letztlich nicht gangbar. In seinem entsprechenden Beschluss deutete der IX. Zivilsenat an, dass der Rechtserwerb des Bezugsberechtigten der Insolvenzanfechtung in Gestalt der Schenkungsanfechtung gem. § 134 InsO unterliegen könnte.69 Eine Insolvenzanfechtung ist jedoch ausgeschlossen, da die hier in Rede stehende Rechtshandlung nach den Maßstäben des Insolvenzrechts erst nach Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde. Solche Rechtshandlungen unterliegen grundsätzlich nicht der Insolvenzanfechtung, vgl. §§ 129 Abs. 1, 147 InsO. Gem. § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Im Falle einer widerruflichen Bezugsberechtigung ist dies wegen § 159 Abs. 2 VVG der Eintritt des Versicherungsfalls. Ein Rechtserwerb des widerruf-
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BGH NZI 2010, 646, 647; vgl. hierzu auch die Anm. von Gebert.
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lich Bezugsberechtigten nach Insolvenzeröffnung kann mithin nicht im Wege der Anfechtung rückgängig gemacht werden.70 Die Befürwortung einer Insolvenzanfechtung offenbart letztlich nur die mangelnde Konsistenz der Rechtsauffassung des BGH. Insolvenzanfechtung und § 91 Abs. 1 InsO bilden ein komplementäres System zum Schutz der par conditio creditorum. Im Grundsatz71 verhindert § 91 Abs. 1 InsO hierbei gemeinsam mit § 81 InsO entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben den Abfluss von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung, während die Insolvenzanfechtung die par conditio creditorum zeitlich in den Bereich vor Insolvenzeröffnung vorverlagert.72 Der Versuch des BGH, den nach Insolvenzeröffnung erfolgenden Erwerb der Versicherungsforderung durch den Bezugsberechtigten der Insolvenzanfechtung zu unterstellen, ist mithin systematisch verfehlt. Tiefere Wurzel dieser Inkonsistenz ist, dass der BGH für die Insolvenzanfechtung einen anderen Maßstab hinsichtlich des Abflusses von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse anlegt als im Rahmen des § 91 Abs. 1 InsO. So soll für die Insolvenzanfechtung auch eine mittelbare Zuwendung aus der Insolvenzmasse genügen, wie sie beim originären Forderungserwerb des Bezugsberechtigten gegeben sei,73 während die Anwendung des § 91 Abs. 1 InsO zwingend einen unmittelbaren derivativen Forderungserwerb erfordere. In Anbetracht des Umstands, dass Insolvenzanfechtung und § 91 Abs. 1 InsO gleichermaßen auf den Schutz der par conditio creditorum abzielen, muss das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverschiebung für beide Institute aber am selben Maßstab gemessen werden. Richtigerweise muss dem Erwerb der Versicherungsforderung durch den Bezugsberechtigten nach Insolvenzeröffnung folglich § 91 Abs. 1 InsO entgegenstehen.74 Wie dies auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts dogmatisch exakt zu begründen ist, erscheint angesichts der klaren verfassungs70
Ebenso Lange, ZVI 2012, 403, 410 und Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 52. 71 Mit Ausnahme der in § 147 InsO normierten Sonderfälle. 72 Vgl. hierzu auch BGH NZI 2004, 78, 80 („Diese rechtliche Sicht entspricht der Funktion der Anfechtung in der Insolvenz. Das Rechtsinstitut setzt grundsätzlich voraus, dass der Empfänger der Leistung eine Rechtsstellung erhalten hat, die bei Insolvenzeröffnung sich gegenüber den Rechten der Masse durchsetzen würde, wenn es die Insolvenzanfechtung nicht gäbe“). 73 Hierzu ausführlich unten sub III. 3. a); kritisch hierzu Grziwotz, ZIP 2012, 715, 716 ff. 74 So auch schon FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 27; Lange, ZVI 2012, 403, 410; Elfring, BB 2004, 617, 620 und Stegmann/Lind, NVersZ 2002, 193, 196; i.E. auf Grundlage des alten Rechts ebenso Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 433 f. (Begünstigter könne die Versicherungsleistung nur unter Konkursbeschlag erwerben); ähnlich auch Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 53, der annimmt, dass der Insolvenzverwalter die Bezugsberechtigung auch nach Eintritt des Versicherungsfalls noch widerrufen könne.
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rechtlichen Vorgaben eher sekundär. Angesichts der gemachten Beobachtungen spricht vieles dafür, dass wenigstens für den Fall der widerruflichen Bezugsberechtigung die Lehre vom derivativen Erwerb der Versicherungsforderung gegenüber der herrschenden Ansicht doch vorzugswürdig ist. Wenn man aber bei der herrschenden Lehre vom originären Erwerb bleiben möchte, muss den verfassungsrechtlichen Vorgaben zumindest durch eine extensive Auslegung des § 91 Abs. 1 InsO oder durch dessen analoge Anwendung Genüge getan werden. 3. Eingeschränkt unwiderrufliche und gespaltene Bezugsberechtigungen Die vorangegangene Darstellung hat mit der vollständig unwiderruflichen und der frei widerruflichen Bezugsberechtigung die beiden gesetzlich in § 159 Abs. 1 und 2 VVG vorgesehenen Archetypen des Bezugsrechts behandelt. Zwischen diesen beiden Polen entfaltet sich allerdings ein beträchtlicher Spielraum für die kautelarjuristische Gestaltung, den Versicherungsnehmer in praxi regelmäßig dazu nutzen, die Bezugsberechtigung des Dritten den individuellen Anforderungen des Einzelfalls anzupassen. Das Resultat sind hybride Formen der Bezugsberechtigung, die gemeinhin unter den Schlagworten der eingeschränkt unwiderruflichen und der gespaltenen Bezugsberechtigung firmieren. Diese begriffliche Einfassung darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass der Erkenntniswert entsprechender Kategorisierungen durchaus begrenzt ist. Da die Ausgestaltung der Einziehungsbefugnis der Privatautonomie des Versicherungsnehmers unterliegt, verbieten sich vollständig pauschalisierte Aussagen über den Inhalt einzelner „Typen“ von Bezugsrechten, welche die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls unbeachtet lassen.75 Gleichwohl lassen sich aber bestimmte Fallgestaltungen ausmachen, die in praxi immer wieder auftreten und sich durch eine regelmäßig ähnlich ausgestaltete Interessenlage auszeichnen. Im Hinblick auf solche Fallgestaltungen lassen sich bestimmte generalisierende Aussagen über die typische Ausgestaltung der Einziehungsbefugnisse treffen, die als Ausgangspunkt für die individuelle Betrachtung des Einzelfalls dienen mögen.76 a) Die gespaltene Bezugsberechtigung Die gespaltene Bezugsberechtigung ist eine Gestaltung, die in der gemischten Versicherung auf den Erlebens- und den Todesfall begegnet.77 Regelmäßig wird hier einem Dritten für den Todesfall eine Bezugsberechtigung einge75 Vgl. hierzu BGH NJW 2003, 2679: „Entscheidend für die Zuordnung der Ansprüche ist daher nicht eine theoretische rechtliche Konstruktion, sondern der im rechtlich möglichen Rahmen geäußerte Gestaltungswille des Versicherungsnehmers.“ 76 Vgl. auch hierzu noch einmal BGH NJW 2003, 2679. 77 Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 24; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 482, 484, 488; kritisch zu dieser Terminologie Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 20.
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räumt, während die Versicherung im Erlebensfall zugunsten des Versicherungsnehmers selbst wirken soll. Wenngleich in praxi selten genutzt78 ist es aber auch möglich, einen Bezugsberechtigten nur für den Erlebensfall einzusetzen, sodass die Versicherungsforderung im Todesfall in den Nachlass fällt, oder aber für den Erlebensfall eine andere Person als Bezugsberechtigten zu bestimmen als für den Todesfall.79 Soweit die auf diese Weise eingeräumten Bezugsberechtigungen widerruflich sind, ergeben sich keine Besonderheiten. Die Rechte aus der Versicherung verbleiben auch hier bis zum Eintritt des Versicherungsfalls beim Versicherungsnehmer, sodass die Begünstigten keine insolvenzfeste Stellung erlangen können.80 Spezielle Fragen ergeben sich jedoch, wenn nur für den Erlebens- oder nur für den Todesfall eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung geschaffen wurde oder aber für den Erlebensund den Todesfall unterschiedlichen Personen jeweils eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt wurde. Hier stellt sich die Frage, ob die Versicherungsforderung in die Insolvenzmasse fällt bzw. – bei unwiderruflichen Bezugsberechtigungen zweier unterschiedlicher Personen – wer die Versicherungsforderung aus dieser aussondern kann. Auch hier muss letztlich die im rechtlich möglichen Rahmen vorgenommene privatautonome Vermögensallokation durch den Versicherungsnehmer entscheidend sein.81 In der Regel ist anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung sofort aus seinem Vermögen ausgliedern wollte, um sie vor dem Zugriff seiner Gläubiger zu bewahren und dem Begünstigten zu sichern.82 Konstruktiv kann dies dadurch erreicht werden, dass die unwiderrufliche Bezugsberechtigung als durch den Erlebensfall (bzw. in Ausnahmefällen durch den Todesfall) auflösend bedingt ausgestaltet wird.83 Auf dieser Grundlage kann der Bezugsberechtigte den Anspruch auf den Rückkaufswert aus der Insolvenzmasse aussondern, solange der Erlebensfall (bzw. der Todesfall) noch nicht eingetreten ist.84 Bestehen unwiderrufliche Bezugsberechtigungen zweier unterschiedlicher Begünstigter, muss durch Auslegung ermittelt werden, welcher Person der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung im 78 Zu einem der seltenen Fälle einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung für den Erlebensfall BGH NJW 2003, 2679. 79 Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 62 f.; Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 24; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 488; Hasse, VersR 2005, 1176. 80 Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 488; vgl. auch Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 497 ff. 81 BGH NJW 2003, 2679; Hasse, VersR 2005, 1176,1177. 82 BGH NJW 1966, 1071, 1072; 2003, 2679; 2013, 232, 233; Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 69; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 489; Hasse, VersR 2005, 1176, 1178 ff.; a.A. Baroch Castellví, VersR 1998, 410, 412 ff. 83 BGH NJW 1966, 1071, 1072; 2003, 2679, 2680; 2013, 232, 233; Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 68 ff.; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 489; a.A. Baroch Castellví, VersR 1998, 410, 412 ff. 84 Vgl. Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 489.
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Falle einer vorzeitigen Kündigung der Versicherung zukommen lassen wollte. Die entsprechende Bezugsberechtigung ist als auflösend, die andere als aufschiebend bedingt anzusehen. b) Die eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsberechtigung aa) Rechtliche Struktur des eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts Hauptanwendungsfall der eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist die im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge abgeschlossene Direktversicherung. Der Arbeitgeber behält sich hier den Widerruf der Bezugsberechtigung häufig nur für einige tatbestandlich genau umschriebene Situationen vor. Besondere praktische Relevanz hat insoweit die Widerruflichkeit der Bezugsberechtigung für den Fall eines Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb bevor die Versorgungszusage gem. § 1b Abs. 1 S. 1 und 2 BetrAVG unverfallbar geworden ist.85 Mit dieser Ausgestaltung der Bezugsberechtigung möchte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer üblicherweise die gesicherte Rechtsstellung eines unwiderruflichen Bezugsrechts einräumen, sich gleichzeitig jedoch die Möglichkeit bewahren, bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers die Dispositionsbefugnis über die Versicherungsforderung zurückerlangen zu können. Auf Grundlage derselben Erwägungen wie bei der gespaltenen unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist eine solche eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsberechtigung ihrem Wesen nach grundsätzlich als unwiderrufliche Bezugsberechtigung anzusehen, die aber an die auflösende Bedingung des Vorbehalts gekoppelt ist.86 Mithin fällt die Versicherungsforderung solange nicht in die Insolvenzmasse, wie die Voraussetzungen der Widerruflichkeit nicht eingetreten sind. 87 Ist der Tatbestand des Vorbehalts dagegen erfüllt, wandelt sich die Bezugsberechti-
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Vgl. hierzu beispielhaft die Vertragsklausel, die der Entscheidung BAG NZI 2007, 647 zugrunde lag: „Bezugsberechtigung: Der versicherten Person wird auf die Leistung aus der auf ihr Leben abgeschlossenen Versicherung ein nicht übertragbares und nicht beleihbares unwiderrufliches Bezugsrecht unter nachstehendem Vorbehalt eingeräumt: Dem Versicherungsnehmer bleibt das Recht vorbehalten, alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalls endet, es sei denn, die versicherte Person hat die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit nach dem [BetrAVG] erfüllt.“ 86 BGH NJW 2015, 341, 342; Armbrüster/Piltz, KTS 2004, 481, 493 f.; a.A. dagegen noch Blomeyer/Kanz, KTS 1985, 169, 177 (für eine Einordnung als dem widerruflichen Bezugsrecht wesensgleich); ähnlich auch Hinkel/Laskos, ZInsO 2006, 1253, 1256. 87 BGH NJW 2015, 341, 342; NJW-RR 2014, 543, 544; NZI 2006, 527, 528; NJWRR 2005, 1412, 1413; BAG NZI 2011, 30, 32; 2007, 674, 676; NZA 1991, 60, 61 f.; 140; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 321; Uhlenbruck/Brinkmann, § 47 Rn. 114; Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 37.
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gung gem. § 158 Abs. 2 BGB ipso iure in eine widerrufliche um, womit die Versicherungsforderung vom Insolvenzbeschlag erfasst wird.88 Unproblematisch sind diese Grundsätze in ihrer praktischen Anwendung, wenn die auflösende Bedingung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits eingetreten ist oder aber ihr Eintritt mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Der erstgenannte Fall ist beispielsweise dann gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung und vor Unverfallbarkeit der Versorgungszusage beendet worden ist, der zweite Fall wenn die Unverfallbarkeit zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits eingetreten ist. bb) Das eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht aus einer Direktversicherung bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses Nach wie vor mit erheblichen Unklarheiten behaftet ist dagegen die Behandlung solcher Fälle, in denen der Bedingungseintritt bei Insolvenzeröffnung noch offen ist. In praxi wird dieses Problem vor allem virulent, wenn die Unverfallbarkeit der Versorgungszusage noch nicht eingetreten ist und das Arbeitsverhältnis sodann im Insolvenzverfahren gerade aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers beendet wird. An dieser Fallgestaltung entzündete sich in der Vergangenheit eine Kontroverse zwischen BGH und BAG, die im Anschluss an die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens zum Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nur vordergründig einer Lösung zugeführt wurde, in ihrem Kern aber bis heute weiterschwelt. Den Ausgangspunkt bildet eine Entscheidung des IV. Zivilsenats des BGH aus dem Jahr 2005. In diesem wurde eine versicherungsvertragliche Klausel, welche die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts unter den Vorbehalt der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellte, dahingehend ausgelegt, dass der Vorbehalt nicht erfüllt sei, wenn das Arbeitsverhältnis insolvenzbedingt beendet wurde. Mit dem Vorbehalt wolle sich der Arbeitgeber vor allem die Betriebstreue des Arbeitnehmers sichern. Dieser Zweck sei aber infolge der Insolvenz obsolet geworden. Grundsätzlich seien mit dem Vorbehalt nur Beendigungsgründe gemeint, die in der Person des Arbeitnehmers oder seinem betrieblichen Verhalten wurzeln. Die insolvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zähle nicht dazu. Obwohl das Arbeitsverhältnis vor Eintritt der Unverfallbarkeit vom Insolvenzverwalter gekündigt worden war, der Vorbehalt also seinem Wortlaut nach erfüllt war, erkannte der Senat dem Arbeitnehmer deshalb ein unwiderrufliches Bezugsrecht und damit ein Aussonderungsrecht am Anspruch auf den Rückkaufswert der Versicherung zu.89
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OLG Frankfurt ZIP 2005, 1036, 1037; i.E. ebenso BAG NZI 2007, 674, 676. BGH NJW-RR 2005, 1412, 1413 f.; dem folgend LAG Köln BeckRS 2006, 43561; LAG Niedersachsen BeckRS 2006, 45061; LAG Hamm BeckRS 2006, 45077; zustimmend auch Hess, WuB VI A. § 47 InsO 1.06; i.E. ebenso bereits zuvor OLG Düsseldorf 89
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Dieser Haltung schloss sich im selben Jahr auch der IX. Zivilrechtssenat an90 und auch der IV. Senat bekräftigte das Auslegungsergebnis im folgenden Jahr in einer weiteren Entscheidung noch einmal91. Der Lösung des BGH trat nun aber 2007 der III. Senat des BAG in einem Vorlagebeschluss zum Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe zunächst ganz entschieden entgegen.92 Nach Ansicht des Senats richtet sich das mit dem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht verfolgte Interesse des Arbeitgebers nicht nur darauf, die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu sichern. Vielmehr wolle sich der Arbeitgeber ganz allgemein die Möglichkeit vorbehalten, bei verfrühter Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Versicherungsforderung verfügen zu können, unabhängig davon, aus welchen Gründen das Arbeitsverhältnis endet. Eine „insolvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ gebe es rechtlich auch gar nicht, es gälten im Insolvenzverfahren die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze und Beendigungsgründe.93 Schließlich sei die vom BGH vertretene Auslegung des Vorbehalts mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nicht zu vereinbaren, da sie bewirke, dass die Versicherungsforderung nur im Insolvenzfall aus dem Vermögen des Arbeitgebers ausgeschieden und damit den Gläubigern entzogen werde.94 Zur Klärung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe kam es indes wider Erwarten nicht. Hauptgrund hierfür war, so hat es zumindest den Anschein, dass dem Vorlagebeschluss des BAG eine besonders gelagerte Fallkonstellation zugrunde lag. Auslöser des Rechtsstreits war dort nicht eine insolvenzbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber gem. § 613a BGB. Ursprünglich sah das BAG auch in einem solchen Übergang eine „Beendigung“ des Arbeitsverhältnisses, welche die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts entfallen lassen habe. Während des Verfahrens vor dem Gemeinsamen Senat besann sich das BAG aber eines anderen und vertrat fortan die Ansicht, der Übergang des Arbeitsverhältnisses erfülle nicht den versicherungsvertraglichen Vorbehalt und führe mithin auch nicht zur Widerruflichkeit des Bezugsrechts. Auf diesem Weg kam das BAG schließlich zum VersR 2002, 86, 87; OLG Karlsruhe VersR 2001, 1501 f.; a.A. OLG Hamm NZI 2006, 406, 407 f. 90 BGH ZIP 2005, 1836 f. 91 BGH NZI 2006, 527, 528 f. 92 BAG NZI 2007, 674; zustimmend Rößler, NZI 2007, 631, 633 f. Bereits zuvor sah sich die Rechtsprechung des BGH von Seiten der Literatur einiger Kritik ausgesetzt, vgl. Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 56; Stahlschmidt, NZI 2006, 375, 376 f.; Hinkel/Laskos, ZInsO 2006, 1253, 1255 f.; Hinkel/Flitsch, ZInsO 2005, 796, 797; Blank/Petersen, EWiR 2005, § 47 InsO 1/05, 801, 802. 93 BAG NZI 2007, 674, 677 m.N. 94 BAG NZI 2007, 674, 678.
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selben Ergebnis wie der BGH: dem Arbeitnehmer wurde ein Aussonderungsrecht zugesprochen.95 Das bereits eingeleitete Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat konnte mittels einer geschickten Umformulierung der vorgelegten Frage ohne Entscheidung in der Sache beendet werden.96 Aus Sicht der Praxis stellt sich die Situation nun freilich als durchaus misslich dar, wurde die dem Vorlageverfahren zugrunde liegende Kontroverse doch gerade nicht ausgeräumt.97 Der BGH hat vielmehr explizit klargestellt, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalte98 und auch das BAG hat seine grundsätzliche Haltung abseits der spezifischen Fallkonstellation des Betriebsübergangs bislang nicht aufgegeben.99 Es ist dringend ange95
BAG NZI 2011, 30, 31 ff. Die durch das BAG zur Entscheidung vorgelegte Frage lautete nach einer Präzisierung durch Beschluss vom 26. Mai 2009: „Gilt bei einem eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht aus einer Direktversicherung zur betrieblichen Altersversorgung ein in den Versicherungsvertrag zu Gunsten des Versicherungsnehmers aufgenommener Vorbehalt, ‚alle Versicherungsleistungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles endet, es sei denn, die versicherte Person hat die Voraussetzung für die Unverfallbarkeit nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt’, ohne Weiteres auch für den Fall einer insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses?“ (zit. nach BAG NZI 2011, 30, 34, Hervorhebung hinzugefügt). Der BGH stellte gestützt auf den Zusatz „ohne Weiteres“ fest, dass er die Vorlagefrage ebenso wie das BAG bejahen würde, also keine Divergenz zwischen den Gerichten bestehe. Die Unbeachtlichkeit der insolvenzbedingten Beendigung des Arbeitsvertrages für das Fortbestehen der unwiderruflichen Bezugsberechtigung des Arbeitnehmers habe sich in den entschiedenen Fällen nicht „ohne Weiteres“ aus dem Wortlaut der jeweiligen versicherungsvertraglichen Klausel ergeben. Die entsprechende Auslegung habe sich vielmehr aus Umständen ergeben, die außerhalb der Vertragsklausel lagen. Der BGH habe somit in den betreffenden Entscheidungen keine allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Auslegung entsprechender AVB aufgestellt, sondern seine Auslegung auf die individuellen Umstände der Einzelfälle gestützt, vgl. hierzu die Wiedergabe der Stellungnahme des BGH in BAG NZI 2011, 30, 33. Sehr kritisch zu diesem Ansatz einer einzelfallbezogenen Auslegung Reinecke, ZIP 2014, 1970, 1971 f. 97 Vgl. hierzu auch Priebe, ZInsO 2010, 2307, 2312 („Streit nur scheinbar beendet“); Reinecke, ZIP 2014, 1970, 1971 („Ob die [...] Einschätzung, BAG und BGH hätten sich im Rahmen des Verfahrens vor dem Gemeinsamen Senat aufeinander zubewegt, zutrifft, erscheint [...] äußerst zweifelhaft“); Hinkel, DZWiR 2015, 53, 55 („Der Vorlagebeschluss führte nicht zu einer Vereinheitlichung der divergierenden Rechtsprechung des BGH und des BAG“). 98 BGH NJW-RR 2014, 543, 544 (vgl. hierzu die Besprechungen durch Hinkel, DZWiR 2015, 53, 56 und Reinecke, ZIP 2014, 1970 ff.); BGH, NJW 2015, 341, 342; dem folgend OLG München, BeckRS 2016, 13089. 99 Der IV. Senat des BGH gibt zwar vor, seine Rechtsprechung stehe nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des BAG, BGH NJW-RR 2014, 543, 545. Diese Aussage wird jedoch ausschließlich auf die bereits aus dem Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat bekannte Argumentation gestützt, wonach es vermeintlich nach Ansicht beider Gerichte jeweils auf eine Auslegung im Einzelfall ankomme, hierzu bereits oben Fn. 96. Dies kann 96
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zeigt, dass in diesem Punkt durch eine Harmonisierung der Rechtsprechung der beiden Gerichte die notwendige Rechtssicherheit hergestellt wird. Hierbei sollte der Auffassung des BAG der Vorzug eingeräumt werden. Die Zuerkennung eines Aussonderungsrechts trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Unverfallbarkeit der Versorgungszusage ist mit dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum nicht zu vereinbaren. Es muss an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass sozialpolitische Schutzerwägungen, wie sie den Entscheidungen des BGH maßgeblich zugrunde liegen,100 keine tragfähige Grundlage für die Zuerkennung insolvenzrechtlicher Privilegien bieten. Die insolvenzrechtliche Rechtslage hat vielmehr auch hier strikt die vor Insolvenzeröffnung erfolgte Vermögensallokation nachzuzeichnen. Zwar gliedert der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung durch die Einräumung des grundsätzlich unwiderruflichen Bezugsrechts vor Insolvenzeröffnung aus seinem Vermögen aus. Diese Ausgliederung erfolgt jedoch nicht vollständig, sondern nur unter den im Deckungsverhältnis vereinbarten Vorbehalten. Der Arbeitnehmer darf nicht dadurch überprivilegiert werden, dass den betreffenden Vorbehalten in der Insolvenz ihre Bedeutung aberkannt wird.101 Entscheidend muss deshalb letzten Endes die Interessenlage des Versicherung nehmenden Arbeitgebers sein, der das Bezugsrecht des Arbeitnehmers in Ausübung seiner Privatautonomie rechtlich ausgestaltet und dadurch über die vermögensrechtliche Zuordnung der Versicherungsforderung bestimmt. Gerade das Interesse des Arbeitgebers stellt der BGH nun aber verkürzt dar, wenn er in seinen Entscheidungen davon ausgeht, jener bezwecke mit dem Vorbehalt der Widerruflichkeit ausschließlich, den Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten. Üblicherweise ist der Wille des Arbeitgebers vielmehr darauf gerichtet, in jedem Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die volle Dispositionsbefugnis über die Versicherungsforderung zurückzuerlangen, um deren Vermögenswert für sich selbst nutzen zu können.102 Scheidet der Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Betrieb aus, ist der Arbeitgeber gem. § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG nicht dazu verpflichtet, die vereinbarten Leistungen der Altersversorgung zu erbringen. Wie sich aus § 1b jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Grundaussagen der beiden Gerichte diametral entgegenstehen. 100 Vgl. hierzu BGH NJW-RR 2005, 1412, 1413 f. 101 I.E. ebenso Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 56 und Hinkel/Laskos, ZInsO 2006, 1253, 1255 f.; Hinkel, DZWiR 2015, 53, 54 f. Die von diesen Autoren bemühte Heranziehung von § 91 Abs. 1 InsO vermag jedoch nicht zu überzeugen. Da die Versicherungsforderung dem Arbeitnehmer bereits vor Insolvenzeröffnung zustand, handelt es sich nicht um einen Fall des Abflusses von Vermögenswerten aus der Insolvenzmasse. Vielmehr geht es um die Erhaltung einer Rechtsposition, welche die Rückführung von Vermögenswerten in die Masse erlaubt. 102 Ähnlich auch schon OLG Hamm NZI 2006, 406, 407.
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Abs. 1 S. 1 BetrAVG im Umkehrschluss ergibt, führt insoweit jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erfüllung der dort aufgeführten Unverfallbarkeitsvoraussetzungen zum Verlust der Versorgungsanwartschaft.103 Dasselbe muss dann aber auch für den Vorbehalt der Widerruflichkeit gelten, der die gesetzlichen Vorgaben des § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG nachzeichnet und auf sie Bezug nimmt.104 Da die Direktversicherung in erster Linie ein Mittel zur Finanzierung der Versorgungszusage ist, wird der Arbeitgeber regelmäßig auch deren Vermögenswert für sich beanspruchen wollen, wenn seine Verpflichtung zur Erbringung der Versorgungsleistungen entfällt. Eine abweichende Bewertung der Interessenlage im Insolvenzfall drängt sich nicht auf. Die Auffassung des BGH, in der Insolvenz habe der Arbeitgeber kein Interesse mehr am Vermögenswert der Versicherungsforderung, basiert auf einer recht eindimensionalen Sichtweise des Insolvenzverfahrens, nach der sich dieses in der Abwicklung des schuldnerischen Unternehmens und der Befriedigung der Gläubiger erschöpft. Sie lässt außer Acht, dass der Arbeitgeber in einem auf Sanierung des schuldnerischen Unternehmens ausgerichteten Insolvenzverfahren nach wie vor ein erhebliches Interesse daran hat, durch den Zugriff auf die Rückkaufswerte der Direktversicherungen zusätzliche Liquidität zu generieren.105 Diesem Interesse wird man nur gerecht, wenn man die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts auch im Insolvenzverfahren infolge jedes vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis entfallen lässt. 4. Mittelbare Auswirkungen des Valutaverhältnisses auf die insolvenzrechtliche Stellung des Bezugsberechtigten Bedingt durch die hohe Varietät der Lebenssachverhalte, in denen die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten Verwendung findet, sind auch die Valutaverhältnisse vielgestaltig, die der in der Einräumung der Bezugsberechtigung enthaltenen Zuwendung des Versicherungsnehmers an den Drittbegünstigten zugrunde liegen. In Betracht kommen hier vor allem 103 Vgl. Blomeyer/Rolfs/Otto, § 1b BetrAVG Rn. 79; Steinmeyer, in: Erfurter Kommentar, § 1b BetrAVG Rn. 24. 104 Ähnlich auch schon Rößler, NZI 2007, 631, 634. Die Beschränkung des Vorbehalts auf bestimmte, qualifizierte Beendigungsgründe lässt sich auch nicht mit dem Argument begründen, die gesetzliche Bestimmung des § 1b BetrAVG sei dem Versicherungsnehmer in der Regel unbekannt (so aber BGH NJW-RR 2014, 543, 545). Es erscheint nicht realitätsgerecht anzunehmen, den Vertragsparteien seien die gesetzlichen Vorschriften unbekannt, auf die sie sich in den vertraglichen Bestimmungen explizit beziehen. Hinzu kommt, dass die Regelung des § 1b BetrAVG für den Versicherung nehmenden Arbeitgeber erhebliche praktische Bedeutung hat, sodass diesbezüglich kaum von einer allgemeinen Unkenntnis ausgegangen werden kann, so auch schon Hinkel, DZWiR 2015, 53, 57 f. 105 So auch schon OLG Hamm NZI 2006, 406, 407; in dieselbe Richtung auch Hinkel/Flitsch, ZInsO 2005, 796, 797; Stahlschmidt, NZI 2006, 375, 377; Hinkel, DZWiR 2015, 53, 57.
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unterhaltsrechtliche Beziehungen, Arbeits- oder Dienstverträge sowie Schenkungen.106 Das Valutaverhältnis ist Keim einer ganzen Reihe diffiziler Rechtsfragen; erinnert sei hier nur an das hinlänglich bekannte Problem der durch postmortale Einigung herbeigeführten Schenkung als Rechtsgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall.107 Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben hat das Valutaverhältnis jedoch zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche Stellung des Bezugsberechtigten. Im Ausgangspunkt richtet sich diese ausschließlich nach der versicherungsrechtlichen Ausgestaltung der Bezugsberechtigung im Deckungsverhältnis.108 Mittelbar kann das Valutaverhältnis für die Stellung des Begünstigten im Insolvenzverfahren indes doch von durchaus erheblicher Bedeutung sein, dies sowohl im positiven wie im negativen Sinne. Negativ wirkt sich das Valutaverhältnis auf die Rechtsstellung des Bezugsberechtigten aus, wenn diesem aufgrund einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung zunächst eine gesicherte Rechtsstellung zukommt, dieser aber kein hinreichender Rechtsgrund im Valutaverhältnis zugrunde liegt. In diesem Fall sieht sich der Bezugsberechtigte den Kondiktionsansprüchen des Insolvenzverwalters ausgesetzt. Allerdings handelt es sich hierbei um keine spezifisch insolvenzrechtliche Problematik, da die entsprechenden Kondiktionsansprüche außerhalb der Insolvenz auch dem Versicherungsnehmer bzw. dessen Erben zustehen würden. Dieser Gesichtspunkt soll deshalb hier ausgeblendet bleiben. Positiv mag sich das Valutaverhältnis auf die Stellung eines nur widerruflich Bezugsberechtigten auswirken, wenn die Rechtsmacht des Versicherungsnehmers in Bezug auf die Versicherungsforderung im Valutaverhältnis vinkuliert ist. Prominentestes Beispiel hierfür ist erneut die Direktversicherung. Die hier im Valutaverhältnis bestehenden Pflichten des Arbeitgebers, die Bezugsberechtigung unter bestimmten Umständen nicht zu widerrufen oder dem Arbeitnehmer ein unwiderrufliches Bezugsrecht einzuräumen, wurden bereits angesprochen.109 Aber auch in anderen Valutaverhältnissen sind entsprechende Pflichten des Versicherungsnehmers denkbar. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, wie sich die Bindungen des Versicherungsnehmers im Valutaverhältnis auf die insolvenzrechtliche Stellung des Bezugsberechtigten auswirken.
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Vgl. hierzu ausführlich Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 254 ff. Vgl. hierzu ausführlich Musielak, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2301 Rn. 31 ff. m.N. 108 BAG NZI 2011, 30, 31 f.; NZA-RR 2008, 32, 33; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 315; Kayser, ZInsO 2004, 1321, 1323. 109 Hierzu oben sub B. II. 2. Soweit sich die entsprechenden Pflichten nicht bereits aus § 1b Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2 BetrAVG ergeben, können sie üblicherweise dem Arbeitsvertrag entnommen werden, BAG NZA 1991, 845, 847. 107
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Auch hier wird das Ergebnis durch die nunmehr bereits wohlbekannten verfassungsrechtlichen Determinanten vorgeprägt. In Ermangelung einer entsprechenden Vermögensallokation durch den Versicherungsnehmer darf dem Bezugsberechtigten gegenüber den einfachen Insolvenzgläubigern keine Vorzugsstellung eingeräumt werden. Schon aus diesem Grund vermögen es die schuldrechtlichen Bindungen des Valutaverhältnisses nicht, den Insolvenzverwalter an der Einziehung der Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse zu hindern.110 Gleichermaßen ist es aber auch ausgeschlossen, dem Bezugsberechtigten über den Umweg eines aus dem Valutaverhältnis entspringenden Ausgleichsanspruchs zur vollständigen Befriedigung seines Interesses an der Versicherungsleistung zu verhelfen.111 Die heute ganz h.M. geht im Einklang mit diesen Vorgaben davon aus, dass dem Bezugsberechtigten zwar Schadensersatzansprüche erwachsen, wenn der Insolvenzverwalter entgegen der Bindungen im Valutaverhältnis die Versicherungsleistung für die Insolvenzmasse in Anspruch nimmt, diese Ansprüche aber nur die Qualität einfacher Insolvenzforderungen aufweisen.112 Eine persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 InsO scheidet mangels Insolvenzspezifität113 der verletzten Pflichten aus.114 Ganz im Gegenteil müsste gerade die Nichteinziehung der Versicherungsleistung wegen der darin enthaltenen Masseverkürzung die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters nach sich ziehen.115 5. Das Eintrittsrecht nach § 170 VVG Wie an voriger Stelle bereits erwähnt wurde, steht dem Bezugsberechtigten in bestimmten Fällen gem. § 170 VVG das Recht zu, infolge der Insolvenz des 110
Insbesondere bilden § 1b Abs. 2 S. 1, Abs. 5 S. 2 BetrAVG keine gesetzlichen Verbote i.S.d. § 134 BGB, die den – nach hier vertretener Ansicht ohnehin entbehrlichen – Widerruf der Bezugsberechtigung durch den Insolvenzverwalter unwirksam machen würden, BAG NZA 1991, 845, 846; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 40; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 491; Flitsch/Herbst, BB 2003, 317, 318. Gegen ein Widerrufsrecht des Insolvenzverwalters nach Unverfallbarkeit der Versorgungszugsage jedoch Nerlich/Römermann/Andres, § 47 Rn. 43. 111 Für einen solchen Ausgleichsanspruch in Form eines als Masseforderung ausgestalteten Schadensersatzanspruchs aber noch Heilmann, KTS 1986, 251, 254 f. 112 BAG NZA 1991, 845, 847 f.; NZA-RR 1996, 343, 346; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 47 Rn. 318; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 491; Westhelle/Micksch, ZIP 2003, 2054, 2056. 113 Grundlegend zur Beschränkung der persönlichen Haftung des Konkursverwalters auf Verletzungen konkursspezifischer Pflichten BGH NJW 1987, 844, 845. Heute ist diese Einschränkung in § 60 Abs. 1 S. 1 InsO ausdrücklich verankert („Pflichten […], die ihm nach diesem Gesetz obliegen“), vgl. hierzu Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 12. 114 BAG NZA, 1991, 845, 848; NZA-RR 1996, 343, 346; Kießling, NZI 2008, 469, 470; i.E. ebenso Blomeyer/Kanz, KTS 1985, 169, 179 ff.; Jauch, KTS 1989, 809, 817. 115 Ebenso Kießling, NZI 2008, 469, 470.
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Versicherungsnehmers mit dessen116 Zustimmung in den Versicherungsvertrag einzutreten. Der Anwendungsbereich des Eintrittsrechts ist allerdings auf Lebensversicherungen mit unbedingter Leistungspflicht beschränkt.117 Voraussetzung des Eintrittsrechts ist gem. § 170 Abs. 1 S. 1 VVG, dass der Bezugsberechtigte dem Versicherer gegenüber namentlich benannt wurde, hierbei ist es unerheblich, ob das Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich ist. Subsidiär steht das Eintrittsrecht dem Ehegatten oder den Kindern des Versicherungsnehmers zu, § 170 Abs. 2 VVG. Der Eintritt erfolgt durch Anzeige gegenüber dem Versicherer, die binnen eines Monats nach Erlangung der Kenntnis von der Insolvenzeröffnung zu erfolgen hat. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es dem Insolvenzverwalter innerhalb dieser Monatsfrist verwehrt ist, die Versicherung zu kündigen oder das Bezugsrecht des Eintrittsberechtigten zu widerrufen.118 Der Nutzen des Eintrittsrechts ist freilich beschränkt. Insbesondere führt es nicht etwa entgegen den zuvor herausgearbeiteten Grundsätzen dazu, dass ein widerruflich Bezugsberechtigter den Gläubigern durch Eintritt in den Versicherungsvertrag den Vermögenswert der Versicherung entziehen und diesen für sich beanspruchen könnte. Macht der Bezugsberechtigte von seinem Eintrittsrecht Gebrauch, muss er vielmehr den derzeitigen Rückkaufswert der Versicherung zur Insolvenzmasse entrichten, § 170 Abs. 1 S. 2 VVG.119 Dasselbe gilt für Ehegatten und Kinder.120 Auch hier vermag sich die sozialpolitische Zielsetzung des Eintrittsrechts folglich nicht gegenüber dem insolvenzrechtlichen Prinzip der par conditio creditorum durchzusetzen. In Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben verbleibt der Vermögenswert, den die Versicherung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung verkörpert, vielmehr den Gläubigern verhaftet. Das Eintrittsrecht will dem Berechtigten nicht diesen Vermögenswert zuerkennen, sondern ihn nur vor den Nachteilen schützen, die mit dem ansonsten notwendigen Neuabschluss einer 116
Das Zustimmungsrecht des Versicherungsnehmers geht nicht gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über, Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 30; Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 9; Mönnich, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 170 Rn. 17.; König, NVersZ 2002, 481, 484, Fn. 37. 117 Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 13; Prahl, VersR 2005, 1036, 1037; teilweise wird eine „rückkaufswertfähige“ Versicherung gefordert (so z.B. Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 3), wobei nicht ganz klar ist, ob es genügt, dass die Versicherung potentiell rückkaufsfähig ist oder ob ein bereits vorhandener positiver Rückkaufswert gefordert wird. 118 Oben sub 1. und sub 2. b). 119 Die Rechtsfolge des § 170 Abs. 1 S. 2 VVG ist umstritten. Nach einer Ansicht löst die Ausübung des Eintrittsrechts eine entsprechende Zahlungspflicht des Eintretetenden aus, so z.B. Mönnich, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 170 Rn. 22. Andere sehen in der Zahlung des Rückkaufswerts an die Masse dagegen eine Voraussetzung des Eintritts, die innerhalb der Monatsfrist des § 170 Abs. 3 VVG erfüllt werden muss, so z.B. Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 10 f. m.w.N. 120 Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 43.
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weiteren Lebensversicherung einhergehen.121 Wohl auch auf diese sehr stark eingeschränkte Schutzwirkung ist es zurückzuführen, dass das Eintrittsrecht in praxi kaum eine Rolle spielt.122 Steht dem zum Eintritt Berechtigten ein unwiderrufliches Bezugsrecht zu, ist er freilich nicht zur Zahlung des Rückkaufswerts in die Insolvenzmasse verpflichtet, da der Vermögenswert der Versicherung ja gerade ihm zugeordnet ist.123 II. Verteilung der Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung Hinsichtlich der Verteilung der Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung im Insolvenzfall wirft die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten keine besonderen Probleme auf.124 Im Unterschied zur Versicherung für fremde Rechnung kennt die Lebensversicherung mit Bezugsrecht keine Aufspaltung von Rechtsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis. Mithin ist der Bezugsberechtigte, soweit ihm ein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung zukommt, dazu berechtigt, diese selbst gegenüber dem Versicherer einzuziehen.125 Die Insolvenzmasse und der Insolvenzverwalter bleiben somit von der Forderungseinziehung unberührt.
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Z.B. erneutes Anfallen von Abschlusskosten, höhere Prämien aufgrund veränderter Risikoeinschätzung, vgl. hierzu Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 3. 122 Vgl. zur geringen Praxisrelevanz der Norm Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 1 („Soweit ersichtlich ist zu ihr nur eine AG-Entscheidung veröffentlicht, die mittlerweile schon mehr als 50 Jahre zurückliegt (AG München VersR 1960, 362)“; zur inhaltsgleichen Vorgängernorm ähnlich auch schon Sieg, ZVersWiss 1974, 97, 98 („Wir wissen alle: § 177 VVG spielt im Leben kaum eine Rolle“). 123 Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 12; Elfring, BB 2004, 617, 620; a.A. jedoch Prahl, VersR 2005, 1036, 1040. Demgegenüber geht Sieg, in: FS Klingmüller, S. 447, 458 f. davon aus, dass § 170 VVG (Sieg bezieht sich auf die inhaltsgleiche Vorgängernorm des § 177 VVG a.F.) im Falle eines unwiderruflichen Bezugsrechts keine Anwendung findet. Dies vermag nicht zu überzeugen, da auch der unwiderruflich Bezugsberechtigte ein Interesse daran haben kann, die Versicherung fortzuführen, um sich die vollständige Versicherungsleistung zu sichern (hierzu bereits oben, sub I. 1.) und nicht einleuchtet, warum dieser schlechter stehen soll als ein widerruflich Bezugsberechtigter. 124 Zur Bedeutung des Versicherungsscheins als qualifizierten Legitimationspapiers gem. § 808 BGB für die Auszahlung der Versicherungsleistung Hempler, ZinsO 2007, 423, 424 ff. 125 Wohl weil das Zusammenfallen von Anspruchsinhaberschaft und Einziehungsbefugnis für selbstverständlich gehalten wird, findet dieser Grundsatz nur selten explizite Erwähnung. Deutlich zutage tritt er aber beispielsweise, wenn der BGH eine Zahlungsklage des Insolvenzverwalters gegen den Versicherer mit der Begründung abweist, dem Bezugsberechtigten stehe ein Aussonderungsrecht an der Versicherungsforderung zu, vgl. BGH NZI 2005, 555 ff. Für ein Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters dagegen Jaeger/Henckel, § 47 Rn. 157, der freilich Lebensversicherung und Versicherung für fremde Rechnung miteinander vermischt.
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III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Bezugsberechtigten 1. Aufrechnung Hinsichtlich der Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen durch den Versicherer stellt sich die Rechtslage des Bezugsberechtigten nicht anders dar als diejenige des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung. § 35 VVG hebt auch zulasten des Bezugsberechtigten das Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen auf.126 In den Grenzen der §§ 95, 96 InsO 127 ist dem Versicherer damit die Möglichkeit eröffnet, offene Prämienschulden gegenüber der Versicherungsforderung des Bezugsberechtigten in Abzug zu bringen. 2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO Auch hinsichtlich der Auswirkungen einer Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter unterscheidet sich die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten nicht von der Versicherung für fremde Rechnung. Die Versicherungsforderung bleibt bestehen. Der Bezugsberechtigte kann diese jedoch nur gegen Zahlung der ausstehenden Prämie gem. § 34 Abs. 1 VVG durchsetzen. Auch wenn dem Bezugsberechtigten ein Eintrittsrecht aus § 170 VVG zusteht, ergeben sich keine Änderungen dieser Rechtslage. Teilweise ist im versicherungsrechtlichen Schrifttum zwar zu lesen, dass während der Sperrfrist des § 170 Abs. 3 VVG neben dem vertraglichen Kündigungsrecht128 auch das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO suspendiert sei.129 Es zeigt sich hier aber wieder, dass die Versicherungsrechtswissenschaft in manchen Punkten der Entwicklung der Insolvenzrechtsdogmatik hinterherhinkt. Da die Erfüllungsablehnung den Versicherungsvertrag in seinem materiellrechtlichen Bestand unberührt lässt, ergeben sich aus ihr keine Beeinträchtigungen des Eintrittsrechts der Bezugsberechtigten. Eine Einschränkung des Wahlrechts ist also zum Schutz des Eintrittsrechts nicht erforderlich. 3. Insolvenzanfechtung Anders als hinsichtlich Aufrechnung und Erfüllungsablehnung bestehen mit Blick auf die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung signifikante Unterschiede 126 Statt aller Prölss/Martin/Knappmann, § 35 Rn. 2; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 35 Rn. 10. 127 Hierzu bereits oben sub § 6 C. III. 1. 128 Hierzu oben sub I. 1. 129 Prölss/Martin/Reiff, § 170 Rn. 20; Beckmann/Matusche-Beckmann/Brömmelmeyer, § 42 Rn. 239; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481, 502 f.; König, NVersZ 2002, 481, 483.
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zwischen Lebensversicherung und Versicherung für fremde Rechnung. Der Insolvenzanfechtung kommt hier in praxi eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Die Versicherungsforderung bzw. der Anspruch auf den Rückkaufswert verkörpern regelmäßig erhebliche Vermögenswerte,130 nicht selten handelt es sich gar um die einzigen signifikanten Vermögensgegenstände, die für die Befriedigung der Gläubiger in Betracht kommen. a) Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung Im Fokus der Bemühungen des Insolvenzverwalters um die Rückführung dieser Werte in die Masse steht zumeist die Insolvenzanfechtung wegen unentgeltlicher Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO. Die Einräumung eines Bezugsrechts stellt eine Rechtshandlung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO dar, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer die Widerruflichkeit ausgeschlossen hat oder nicht.131 Steht der Zuwendung des Bezugsrechts im Valutaverhältnis keine ausgleichende Gegenleistung des Begünstigten gegenüber, so liegt eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO vor.132 Dies stellt nach herrschender Ansicht den praktischen Regelfall dar,133 eine Ausnahme gilt jedoch für die Bezugsberechtigung aus einer Direktversicherung, die üblicherweise Teil des Arbeitsentgelts oder durch dieses finanziert ist und damit nicht unentgeltlich gewährt wird.134 Während Bezugsrechte aus Direktversicherungen der Insolvenzanfechtung damit weitestgehend entzogen sind,135 eröffnen sich dem Insolvenzverwalter im übrigen Bereich durch 130
Vgl. Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413. BGH NZI 2016, 35. 132 BGH NZI 2004, 78, 79; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 86; Leithaus, NZI 2016, 35, 37. 133 Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 134 Rn. 16; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 46; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 53; Bork, in: Kübler/Prütting/Bork, § 134 Rn. 69; Nerlich/Römermann, § 134 Rn. 31; Huber, NZI 2004, 78, 81; Westhelle/Micksch, ZIP 2003, 2054, 2059; Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 414; vgl. hierzu auch BGH NZI 2004, 78, 79; NJW 2013, 232, 233; anders aber wohl Bruck/Möller/Winter, § 159 Rn. 460 ff., wonach Bezugsberechtigungen regelmäßig in Erfüllung arbeits- oder unterhaltsrechtlicher Pflichten und damit gerade nicht unentgeltlich eingeräumt würden. 134 Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 100; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 73 ff.; Westhelle/Micksch, ZIP 2003, 2054, 2059; nach LG Görlitz KTS 2003, 683, 684 soll Unentgeltlichkeit aber vorliegen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung einräumt ohne arbeitsvertraglich dazu verpflichtet zu sein. 135 Vgl. hierzu OLG Brandenburg NZA-RR 2002, 486, 488: Die für jede Form der Insolvenzanfechtung notwendige Gläubigerbenachteiligung ist bereits zweifelhaft, da die Einräumung der Bezugsberechtigung als gleichwertiges Entgelt für die dem Vermögen des Schuldners zugeflossenen Arbeitsleistungen des Begünstigten angesehen werden. Eine Vorsatzanfechtung scheitert regelmäßig daran, dass ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und entsprechende Kenntnis des Arbeitnehmers nicht nachgewiesen werden 131
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§ 134 Abs. 1 InsO recht weitreichende Anfechtungsmöglichkeiten. Im Deckungsverhältnis zum Versicherer liegt dagegen immer ein entgeltliches Geschäft vor.136 Die Insolvenzanfechtung richtet sich deshalb in nahezu allen Fällen ausschließlich gegen den Bezugsberechtigten. Anders als bei der Versicherung für fremde Rechnung scheitert die Insolvenzanfechtung bei der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten nicht am Kriterium der Gläubigerbenachteiligung. Hier kommt ein wesentlicher struktureller Unterschied zwischen der Versicherung für fremde Rechnung und der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten zum Tragen. Die aus einer Lebensversicherung resultierende Versicherungsforderung ist in ihrer vermögensrechtlichen Zuordnung flexibler als diejenige, die aus einer Schadensversicherung für fremde Rechnung herrührt. Eine Bindung an ein versichertes Interesse besteht hier nicht. Auch ist die Rechtslage eine andere als bei der Unfallfremdversicherung. Der Versicherungsnehmer nimmt die Lebensversicherung in der Regel nicht auf eine fremde Person, sondern auf seine eigene, sodass es der Zustimmung des Dritten nicht bedarf. Anders liegt der Fall zwar bei der Direktversicherung, hier greift aber regelmäßig entweder die Ausnahme vom Einwilligungserfordernis des § 150 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 VVG oder die erforderliche Einwilligung des Arbeitnehmers liegt tatsächlich vor. Vor diesem Hintergrund ist der Versicherungsnehmer hinsichtlich der vermögensmäßigen Allokation der Versicherungsforderung frei. Er kann die Versicherungsforderung ebenso gut in seinem Vermögen entstehen lassen, wie sie durch Einräumung eines Bezugsrechts einem Dritten zuwenden. In letzterem Fall beeinträchtigt der Versicherungsnehmer durch seine Rechtshandlung die Befriedigungschancen der Gläubiger, womit die Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung eröffnet ist. Entgegen der Rechtsprechung des RG137 macht es hierbei ungeachtet des nach h.M. originär erfolgenden Rechtserwerbs keinen Unterschied, ob die Bezugsberechtigung bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrages oder erst nachträglich eingeräumt wurde. Wie der BGH in einer 2003 ergangenen können. Vgl. darüber hinaus auch Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 73 ff. 136 Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 46; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 25; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 134 Rn. 52. 137 RG SeuffA 48 Nr. 284; RGZ 51, 403, 405 f.; 61, 217, 219; 62, 46, 47 f.; 66, 158, 161 f. Das RG ging davon aus, dass die Versicherungsforderung bei anfänglicher Einräumung einer Bezugsberechtigung niemals Teil des Vermögens des Versicherungsnehmers wurde und damit auch keine Minderung dieses Vermögens eintrat, auf die sich eine Insolvenzanfechtung stützen könnte. In der Literatur herrschte um die Anfechtbarkeit der Einräumung eines Bezugsrechts lange Zeit ein tiefer Streit, der zahlreiche unterschiedliche Ansichten hervorbrachte, vgl. hierzu nur die Darstellungen bei Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 303 ff. und Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, S. 134 ff. jeweils mit umfangreichen Nachweisen.
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Grundsatzentscheidung unter expliziter Abwendung von der Rechtsprechung des RG festgestellt hat, liegt in jedem Fall eine mittelbare Zuwendung des Versicherungsnehmers vor, die so zu behandeln ist, als habe der Begünstigte die Leistung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers erlangt.138 Erfolgte diese Zuwendung innerhalb der Vierjahresfrist des § 134 Abs. 1 InsO, steht dem Insolvenzverwalter die Anfechtung offen. Maßgeblich ist hierbei gem. § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt, zu dem die Rechtsfolgen der angefochtenen Rechtshandlungen eintreten. Dies ist im Falle einer widerruflichen Bezugsberechtigung wegen § 159 Abs. 2 VVG der Eintritt des Versicherungsfalls.139 Trat der Versicherungsfall innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung ein, kann der Insolvenzverwalter die Einräumung des Bezugsrechts somit anfechten.140 Bei einer unwiderruflichen Bezugsberechtigung ist hingegen auf den Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts abzustellen, da dieses seine Rechtsfolgen gem. § 159 Abs. 3 VVG sofort entfaltet.141 Liegt die Einräumung des Bezugsrechts nach diesen Maßgaben außerhalb des Anfechtungszeitraums, bleibt dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die innerhalb des Vierjahreszeitraums erfolgten Prämienzahlungen anzufechten. Auch diese stellen sich als mittelbare Zuwendungen an den Bezugsberechtigten dar, wenn dessen Bezugsrecht insolvenzfest ist.
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BGH NZI 2004, 78, 79; bestätigt in BGH NZI 2016, 35, 36 f. und BeckRS 2016, 08881. Die Entscheidungen des BGH betrafen bislang zwar nur widerrufliche Bezugsrechte, die Argumentation lässt sich jedoch ohne Weiteres auf unwiderrufliche Bezugsrechte übertragen (a.A. Hasse, VersR 2005, 15, 22). Eine Anfechtbarkeit der Bezugsrechtseinräumung unabhängig von ihrem Zeitpunkt entspricht heute auch der ganz herrschenden Ansicht in der Literatur, vgl. Prölss/Martin/Schneider, § 159 Rn. 43; Jaegeer/Henckel, § 134 Rn. 51; Nerlich/Römermann, § 134 Rn. 33.; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 26 f.; Braun/de Bra, § 134 Rn. 21 f.; Armbrüster/Piltz, KTS 2004, 496 f.; Bork, in: Recht und Risiko Bd. I, S. 57, 66 f.; so auch schon Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, S. 27 ff.; vgl. ferner die umfassenden Nachweise bei Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, S. 141 Fn. 421. Die Anfechtbarkeit der Bezugsberechtigung aus einer Risikolebensversicherung ablehnend Grziwotz, ZIP 2012, 715, 716 ff.; hiergegen jedoch explizit BGH NZI 2016, 35, 36. 139 Die Regelung des § 140 Abs. 3 InsO greift hier nicht Platz, da der widerruflich Bezugsberechtigte vor Eintritt des Versicherungsfalls kein Anwartschaftsrecht erwirbt, näher hiezu Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 417. 140 BGH NZI 2004, 78, 79 f.; 2016, 35; BeckRS 2016, 08881; Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 134 Rn. 90; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 27; Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 417; a.A. Bork, in: Recht und Risiko Bd. I, S. 59, 67. 141 BGH NJW 2013, 232, 233; BeckRS 2016, 08881; Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 134 Rn. 92; FK-InsO/Dauernheim, § 134 Rn. 26; Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 417 (die dort als maßgeblich angesehene Bestätigung des Versicherers über den Ausschluss der Widerruflichkeit nach § 13 Abs. 2 S. 1 ALB 2000 ist in § 9 ALB 2014 nicht länger vorgesehen).
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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b) Rechtsfolgen und Reichweite der Insolvenzanfechtung Die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung hängen von den konkreten Umständen des jeweiligen Falls ab. Ficht der Insolvenzverwalter die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts an, bevor der Versicherungsfall eingetreten ist, so ist der aus § 143 Abs. 1 InsO erwachsende Rückgewähranspruch auf die Aufhebung der Bezugsberechtigung gerichtet. Der Bezugsberechtigte hat diesen Anspruch durch Zurückweisung der Begünstigung gem. § 333 BGB oder durch Zustimmung zur Aufhebung der Unwiderruflichkeit zu erfüllen.142 Wird ein unwiderrufliches oder ein widerrufliches Bezugsrecht angefochten, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, so ist der Rückgewähranspruch auf Abtretung der Versicherungsforderung oder – wenn die Auszahlung durch den Versicherer bereits erfolgt ist – auf Zahlung der Versicherungssumme zur Insolvenzmasse gerichtet.143 Eine teilweise vertretene, aber abzulehnende Ansicht möchte diesen Grundsatz durch analoge Anwendung des § 170 VVG einschränken.144 In der Norm komme der allgemeine Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, dass der Zugriff der Gläubiger zugunsten der eintrittsberechtigten Bezugsrechtsinhaber auf den Rückkaufswert der Versicherung beschränkt sei. Hierdurch solle die Versorgungsfunktion der Lebensversicherung geschützt werden. Der Insolvenzverwalter könne deshalb nur den Rückkaufswert, nicht aber die darüber hinausgehende Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse ziehen. Die praktische Relevanz dieser Beschränkung wird erkennbar, wenn man an Fallgestaltungen denkt, in denen der Versicherungsnehmer einer gemischten Lebensversicherung auf den Erlebens- und den Todesfall bereits kurze Zeit nach Abschluss des Versicherungsvertrages verstirbt.145 Hier steht der wirtschaftlich unter Umständen ganz erheblichen Versicherungsleistung nur ein sehr geringer oder gar überhaupt kein Rückkaufswert gegenüber. Eine Einschränkung der Insolvenzanfechtung auf diesen Rückkaufswert entbehrt einer tragfähigen rechtlichen Grundlage. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass dem deutschen Recht eine gegen den Vollstreckungszugriff der Gläubiger immunisierte Versorgungsfunktion der 142
Ähnlich Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 418. BGH NZI 2004, 78, 79 ff. mit zustimmender Anmerkung von Huber; BGH NZI 2016, 35 ff.; Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 51; Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343, 349 f.; Heilmann, VersR 1972, 997, 1001; ders., KTS 1972, 14, 19;; Reinicke/Reinicke, NJW 1956, 1053, 1054 f. 144 Bruck/Möller/Winter, § 170 Rn. 67 f.; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 309 ff.; Scherer, Die Gläubigeranfechtung der Bezugsberechtigung, S. 142 ff.; Prahl, VersR 2005, 1036, 1040 ff.; für einen besonderen Schutz nur des in § 170 Abs. 2 VVG (bzw. im inhaltsgleichen § 177 Abs. 2 VVG a.F.) genannten Personenkreises König, NVersZ 2002, 481, 484. 145 Vgl. hierzu auch den Beispielsfall bei Scherer, Die Gläubigeranfechtung der Bezugsberechtigung, S. 145 ff., 147. 143
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§ 7 Lebensversicherung
Lebensversicherung fremd ist. In Übereinstimmung hiermit hat der BGH wiederholt festgestellt, „dass eine Einschränkung [der Insolvenzanfechtung] im Interesse unterhalts- oder versorgungsberechtigter Empfänger nicht möglich ist, weil dies in unvereinbarem Widerspruch zu den grundsätzlichen Wertungen des Insolvenzrechts stünde.“146 Folgerichtig kann der Insolvenzverwalter stets die Zahlung der gesamten Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse verlangen, wenn die Bezugsrechtseinräumung erfolgreich angefochten wurde.147 War dem Insolvenzverwalter nur die Anfechtung der Prämienzahlungen im kritischen Zeitraum möglich, so richtet sich der Rückgewähranspruch nicht auf den Nominalbetrag der gezahlten Prämien. Zumindest bei einem gutgläubigen Begünstigten ist der an die Insolvenzmasse zu zahlende Betrag vielmehr in Anwendung des § 143 Abs. 2 InsO beschränkt auf die tatsächliche Wertsteigerung, die das Bezugsrecht durch die Zahlung der Prämien im kritischen Zeitraum erlangt hat.148 Diese ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Wert, den die Versicherung gem. § 165 VVG hätte, wäre sie für den kritischen Zeitraum in eine prämienfreie umgewandelt worden, und ihrem tatsächlichen Wert, der entweder in der auszuzahlenden Versicherungssumme oder ihrem Rückkaufswert zum Ausdruck kommt.149
D. Rechtsvergleichende Betrachtung D. Rechtsvergleichende Betrachtung
I. Frankreich 1. Das Recht des souscripteur zur Bestimmung eines bénéficiare sowie zur Aufhebung und Abänderung der Begünstigung Ebenso wie das deutsche Versicherungsrecht gesteht auch das französische dem Versicherungsnehmer (souscripteur) das Recht zu, durch einseitige Erklärung gegenüber dem Versicherer einen Begünstigten (bénéficiare) zu bestimmen, an den der Versicherer die Versicherungsleistung zu erbringen hat, 146
BGH NZI 2016, 35, 36; ebenso auch schon BGH NZI 2004, 78, 80. Ebenso Elfring, Drittwirkung der Lebensversicherung, S. 153 ff.; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 69 ff. Auch der BGH scheint die Beschränkung der Anfechtung auf den Rückkaufswert abzulehnen, die Entscheidungen NZI 2016, 35 und NZI 2004, 78 gehen auf eine mögliche analoge Anwendung des § 170 VVG mit keinem Wort ein. 148 Str., wie hier Jaeger/Henckel, § 134 Rn. 54; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 134 Rn. 96; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 72 f.; a.A. KohlerGehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 147; offen gelassen in BGH NZI 2012, 246, 247. 149 Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers, S. 72; Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, S. 50. 147
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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Art. L. 132-8 Abs. 6 c. ass. Auch die rechtliche Einordnung der hieraus resultierenden Vertragsgestaltung erfolgt parallel zum deutschen Recht: sie gilt als versicherungsrechtliche Sonderform der allgemeinen stipulation pour autrui gem. Art. 1121 c. civ.150 Die kategoriale Unterscheidung zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Bezugsberechtigung ist dem französischen Versicherungsrecht dagegen fremd. Im Ausgangspunkt ist der souscripteur stets zur Aufhebung der Begünstigung berechtigt. 151 Entsprechend dem in Art. 1121 c. civ. niedergelegten Grundprinzip152 der stipulation pour autrui verliert er dieses Recht aber, sobald der bénéficiare erklärt hat, die Begünstigung annehmen153 zu wollen, Art. L. 132-9 I Abs. 1 c. ass. Ebenso geht der souscripteur mit der Annahme der Begünstigung durch den bénéficiaire seines Rechts zum Rückkauf (rachat)154 der Lebensversicherung verlustig. Ursprünglich war die Annahme des bénéficiare als einseitige, keiner besonderen Form bedürftige Erklärung konzipiert. In dieser Regelung wurde jedoch eine übermäßige Einschränkung der Dispositionsfreiheit des souscripteur erblickt. Nach französischer Lesart ist die Entscheidungsfreiheit des souscripteur hinsichtlich der Zuordnung der Versicherungsforderung wegen der besonderen sittlichen und moralischen Bedeutung der entsprechenden Allokationsentscheidung besonders schützenswert.155 Als problematisch wurde insbesondere angesehen, dass der souscripteur bereits durch eine konkludente Erklärung des bénéficiare die Möglichkeit verlor, das in der Lebensversicherung gebundene Kapital zu anderen Zwecken zu verwenden.156 Um dem zu begegnen, verabschiedete der Gesetzgeber 2007 eine Neufassung des Art. L. 132-9 c. ass., nach der die Annahme des bénéficiare zu Lebzeiten des souscripteur nur dann rechtliche Wirkung entfaltet, wenn der Letztgenannte
150
Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 954; ausführlich zur historischen Genese dieser rechtstechnischen Qualifikation Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2226 m.N. 151 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 956. 152 Vgl. Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2279: „L’article L. 132-9, alinéa 1 du Code des assurance, en affirmant l’irrévocabilité des droits du bénéficiaire, réitère l’un des principes majeurs de la stipulation pour autrui.“ 153 Es handelt sich hierbei nicht um die Annahme eines Vertragsangebots des souscripteur. Der bénéficiare erlangt sein Recht auf die Versicherungsleistung unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag, Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2269. 154 Zum Rückkaufsrecht des souscripteur im französischen Versicherungsrecht ausführlich Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 992 ff. 155 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 956: „Le droit de révocation qui appartient au stipulant manifeste l’importance des motivations morales de l’assurance sur la vie qui militent en faveur de la très grande liberté du contractant.“ Ähnlich auch Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2234. 156 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 957.
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§ 7 Lebensversicherung
ihr zustimmt.157 Bestimmt der souscripteur seinen Ehegatten zum bénéficiare, so gelten teilweise besondere Regeln. Diese führen aber nicht zu einer Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Versicherungsnehmers, sondern ganz im Gegenteil zu deren noch stärkeren Ausweitung in bestimmten Fällen (z.B zur Aufrechterhaltung der Widerrufsmöglichkeit auch nach rechtswirksamer Annahme gem. Art. L. 132-9 II Abs. 1 c. ass.).158 Der bénéficiaire erwirbt ein eigenes, unmittelbar gegen den Versicherer gerichtetes Recht auf die Versicherungsleistung.159 Unabhängig vom Zeitpunkt seiner Einsetzung und der Annahmeerklärung wird er gem. Art. 132-12 c. ass. rechtlich so behandelt, als habe er dieses Recht bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags erlangt. Der bénéficiare erwirbt das Recht originär, ein Durchgangserwerb des souscripteur ist ausgeschlossen.160 Folgerichtig stellt Art. 132-12 c. ass. klar, dass die Versicherungsleistung auch nicht zum Nachlass des souscripteur zählt. 2. Beschränkung des Gläubigerzugriffs auf eine Erstattung übermäßiger Prämienzahlungen Ist ein Dritter zum bénéficiaire der Lebensversicherung bestimmt, schließt das französische Recht jeden Zugriff der Gläubiger des souscripteur auf die Versicherungsleistung aus. Dieses erstmals in einer Grundsatzentscheidung der Cour de cassation aus dem Jahre 1884161 ausgesprochene Prinzip ist heute in Art. 132-14 c. civ. auch gesetzlich fest verankert. Es gilt selbst dann, wenn die Begünstigung noch nicht durch rechtswirksame Annahme von Seiten des bénéficiare konsolidiert wurde. Das Recht des souscripteur zur Aufhebung der Begünstigung ist höchstpersönlichen Charakters162, sodass sich seine Ausübung durch die Gläubiger 163 oder den Insolvenzverwalter (administrateur judiciare / liquidateur) verbietet, Art. 132-9 I Abs. 2 c. ass. Ebenso ver-
157
Im Einzelnen fordert Art. L. 132-9 II Abs. 1 c. ass., dass die Annahme entweder in einem von allen drei Parteien (Versicherer, souscripteur, bénéficiare) unterzeichneten Nachtrag (avenant) zum Versicherungsvertrag erklärt wird oder aber in einem vom souscripteur und dem bénéficiare unterzeichneten Schriftstück, wobei in letzterem Fall eine schriftliche Benachrichtigung des Versicherers zur Wirksamkeit der Annahme notwendig ist. 158 Hierzu ausführlich Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 960 ff. 159 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 968. 160 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2226 m.N. 161 C. cass., 2.7.1884, D. 1885, I, 1, 150, 151. 162 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 953 (droit strictement personnel). 163 In Betracht käme die Ausübung des Rechts im Wege der action oblique gem. Art. 1166 c. civ.
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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hält es sich mit dem Recht zum Rückkauf der Lebensversicherung.164 Der in der Versicherungsleistung verkörperte wirtschaftliche Wert ist einem über das Vermögen des souscripteur eröffneten Insolvenzverfahren mithin kategorisch entzogen.165 In beschränktem Maß erlaubt es Art. L. 132-14 c. ass. den Gläubigern aber, Erstattung der durch den souscripteur vor Verfahrenseröffnung166 geleisteten Prämienzahlungen zu verlangen. Ermöglicht wird der Gläubigerzugriff insoweit entweder durch die action paulienne gem. Art. 1167 c. civ. oder durch die Artt. L. 632-1, 632-2 c. com.167, welche die Nichtigkeit bestimmter durch den Schuldner während der période suspecte erbrachter Leistungen anordnen. Zusätzlich zu den allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Normen168 setzt die Erstattungsfähigkeit nach Artt. L. 132-14, 132-13 c. ass. jedoch voraus, dass die Prämienzahlungen die finanzielle Leistungsfähigkeit des souscripteur offensichtlich überstiegen haben (manifestement exagérées eu égard à ses facultés169).170 Auch in Bezug auf die gezahlten Prämien sieht sich der Gläubigerzugriff damit erheblichen Einschränkungen ausgesetzt. Für das französische Recht ist mithin eine besonders weitreichende Einschränkung des Gläubigerzugriffs in Bezug auf drittbegünstigende Lebensversicherungen prägend. Hierin kommt der überragende Stellenwert zum Ausdruck, den das französische Versicherungsrecht der Versorgungsfunktion solcher Lebensversicherungen beimisst.171 Nur wenn es den Gläubigern des souscripteur gelingt, das Gericht davon zu überzeugen, dass es sich bei dem in Rede stehenden Vertrag in Wahrheit nicht um eine Lebensversicherung handelt, sondern um eine reine Geldanlage (capitalisation), eröffnet sich C. cass. 1re civ., 2.7.2002, No 99-14819; 28.4.1998, No 96-10333; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 992; Bigot, RGDA 1998, 309, 310 ff. 165 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 972; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 1013. 166 Nach Verfahrenseröffnung geleistete Prämienzahlungen des souscripteur verstoßen ohnehin gegen das Zahlungsverbot aus Artt. L-622-7, 631-14 c. com. und sind auf Antrag eines Beteiligten rückgängig zu machen. 167 Art. L-132-14 c. ass. verweist noch auf die Vorgängernormen Artt. 621-107, 621-108 c. com. 168 Ausführlich hierzu Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2308 f. 169 Vgl. zu diesem Tatbestandsmerkmal C. cass. ch. mixte, 23.11.2004 (zwei Urteile), o N 02-17507; 01-13592; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2297 ff. : Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 1002. 170 Umstritten ist, ob sich der Gläubigerzugriff auf den die Leistungsfähigkeit des Schuldners übersteigenden Prämienanteil beschränkt oder die gesamten geleisteten Prämien erfasst, für Letzteres Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 2308 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 171 Vgl. Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 968, 972-1. 164
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ihnen der Zugriff auf den darin verkörperten Vermögenswert. In der Entscheidung „Lerroux“ vom 18. Juli 2000 stellte die Cour de cassation fest, dass Verträge, die zwar unter der Bezeichnung „assurance-vie“ firmieren, ihrem Inhalt nach aber reine Sparanlagen sind, nicht den Regeln der Artt. L. 132-8 ff. c. ass. unterfallen,172 folglich auch der besondere versicherungsrechtliche Vollstreckungsschutz nicht eingreift. Eine reine capitalisation soll vorliegen, wenn es dem Vertrag an dem für die Versicherung prägenden aleatorischen Element (aléa) mangelt. Die Rechtsprechung ist freilich mit der Annahme solcher capitalisation-Geschäfte äußerst zurückhaltend. In drei Entscheidungen aus dem Jahr 2004 anerkannte die Cour de cassation, dass regelmäßig bereits durch die Unsicherheit in Bezug auf die Dauer des Lebens ein ausreichendes aleatorisches Element in den Versicherungsvertrag Eingang findet.173 Abgesehen von Extremfällen174 werden die Gläubiger folglich auch auf diesem Weg kaum je Zugriff auf die Vertragsleistung erlangen können. II. England Für das englische Recht fördert die rechtsvergleichende Betrachtung ein zwiespältiges Bild zutage. Die Grundsätze, denen das traditionelle englische Recht folgt, weisen hierbei durchaus Ähnlichkeiten zu denen des deutschen Rechts auf. Eine insolvenzfeste Stellung kann der beneficiary einer Lebensversicherung demnach nur erwerben, wenn der Versicherungsnehmer seine Dispositionsfreiheit in Bezug auf die Versicherungsforderung aufgegeben hat. Ausgesprochen zweifelhaft ist jedoch, ob diese Grundsätze auch vor dem Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 noch Bestand haben. 1. Das traditionelle englische Recht: Insolvenzfeste Stellung des Begünstigten nur bei Aufgabe der Dispositionsfreiheit durch den Versicherungsnehmer a) Common law und equity Auch im Bereich der Lebensversicherung bleibt das traditionelle englische Recht grundsätzlich seiner strengen Interpretation der privity of contract verhaftet. Eine insolvenzfeste Rechtsstellung kann ein Drittbegünstigter demnach nur erlangen, wenn zu seinen Gunsten in Bezug auf die Versicherungsforderung ein trust begründet wurde. Zwar zeigte sich die Rechtsprechung hier in der Vergangenheit bereitwilliger darin, die Voraussetzungen eines
C. cass. 1re civ., 18.7.2000, No 97-21535. C. cass. ch. mixte, 23.11.2004, No 03-13673; 02-17507; 02-11352. 174 Vgl. das Beispiel bei Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 969: Schlechter Gesundheitszustand des souscripteur lässt den Eintritt des Versicherungsfalls in sehr naher Zukunft erwarten. 172
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trust anzunehmen als in anderen Rechtsgebieten.175 Die bloße Benennung eines Begünstigten, an den im Versicherungsfall die Versicherungssumme auszuzahlen ist, genügt jedoch nicht.176 Ist ein trust nicht feststellbar, so hat der Begünstigte keine gesicherte Rechtsstellung erlangt. In mehreren Entscheidungen – namentlich Cleaver v. Mutual Reserve Fund Life Association, In re Engelbach’s Estate und In re Sinclair’s Life Policy – kamen englische Gerichte dementsprechend zu dem Schluss, dass die Versicherungsleistung in Ermangelung eines trust nicht dem Begünstigten, sondern dem estate des Versicherungsnehmers zufalle.177 Eine gewisse Durchbrechung erfuhr dieses Prinzip jedoch mit der 1944 durch den Court of Appeal gefällten Entscheidung In re Schebsman,178 die zwar keinen Versicherungsvertrag im eigentlichen Sinne zum Gegenstand hatte, deren Grundsätze sich aber ohne Weiteres auf Lebensversicherungsverträge übertragen lassen.179 Ein Arbeitgeber hatte einem Arbeitnehmer als Abfindung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehrere zu festgelegten Daten in der Zukunft zu erbringende Zahlungen versprochen. Im Falle des vorzeitigen Versterbens des Arbeitnehmers sollten die Zahlungen an dessen Witwe erbracht werden. Wenig später wurde gerichtlich die bankruptcy des ehemaligen Arbeitnehmers festgestellt, der wiederum kurz darauf verstarb. Unter Verweis auf die Entscheidungen Cleaver, Engelbach und Sinclair machte der trustee in bankruptcy geltend, dass alle künftigen Zahlungen des Arbeitgebers zum estate des ehemaligen Arbeitnehmers gehörten und nicht an die Witwe zu erbringen seien.180 Der Court of Appeal wies dieses Ansin175
Vgl. hierzu bspw. die Entscheidungen Re Webb, [1941] Ch. 225 und Re Foster’s Policy, [1966] 1 W.L.R 222. Die Entscheidungen hatten sich mit sog. endowment policies zu befassen. Solche Versicherungen werden vom Versicherungsnehmer zugunsten eines Minderjährigen abgeschlossen und sehen die Zahlung einer bestimmten Summe an den Begünstigten vor, wenn dieser ein bestimmtes Lebensalter (meist die Volljährigkeit) erreicht. Ausschlaggebend für die Annahme eines trust war in den genannten beiden Fällen eine Bestimmung in den Versicherungsverträgen, nach der mit Eintritt der Volljährigkeit des Begünstigten alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag vom Versicherungsnehmer auf jenen übergehen sollten. 176 Zum Ganzen Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-145 ff.; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 383. 177 Cleaver v. Mutual Reserve Fund Life Association, [1892] 1 Q.B. 147, 151 ff.; In re Engelbach’s Estate, [1924] 2 Ch. 348, 351 ff.; In re Sinclair’s Life Policy, [1938] Ch. 799, 802 ff.; abweichend hiervon aber In re A Policy No. 6402 of the Scottish Equitable Life Assurance Society, [1902] 1 Ch. 282, 284 ff., kritisch zu dieser Entscheidung In Re Engelbach’s Estate, [1924] 2 Ch. 348, 354. 178 In re Schebsman, [1944] Ch. 83; diese Entscheidung fand später auch die Zustimmung von Teilen des House of Lords, vgl. die Begründungen von Lord Reid und Lord Upjohn in Beswick v. Beswick, [1968] A.C. 58, 71, 96. 179 Vgl. Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-157 f. 180 In re Schebsman, [1944] Ch. 83, 86 f.
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nen indes zurück und stellte fest, dass der trustee die Zahlungen nicht für den estate in Anspruch nehmen konnte. Die Richter Lord Greene, M.R., Luxmoore L.J. und Du Parcq L.J. stützten ihre entsprechenden Entscheidungen vornehmlich auf die Ausgestaltung des zugrundeliegenden Vertrages. Dieser legte nach ihrer Interpretation verbindlich fest, dass die Zahlungen ausschließlich an die Witwe erfolgen sollten. Eine Änderung dieser vertraglichen Bestimmung wäre nur durch eine entsprechende Vereinbarung der Vertragsparteien möglich gewesen. Da der trustee in bankruptcy keine weitergehenden vertraglichen Rechte geltend machen konnte als der Arbeitnehmer, war er nicht dazu berechtigt, Zahlung an den estate zu verlangen. Der Arbeitgeber war weiterhin dazu verpflichtet, die Zahlungen an die Witwe zu erbringen. Mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage konnte der trustee auch von dieser die geleisteten Zahlungen nicht herausverlangen.181 Die Witwe hatte damit eine insolvenzfeste Stellung erlangt. Angesichts ihrer sich diametral gegenüberstehenden Ergebnisse stellt sich die Frage, wie die Entscheidungen Cleaver, Engelbach und Sinclair auf der einen Seite mit der Entscheidung Schebsman auf der anderen Seite vereinbar sind. Maßgebliches Unterscheidungskriterium der beiden Fallgruppen ist, ob im jeweiligen Vertrag die Zahlung an die begünstigte Drittpartei verbindlich festgelegt wurde. In den Entscheidungen Cleaver, Engelbach und Sinclair erfolgte die Benennung des Leistungsempfängers im Versicherungsvertrag lediglich unverbindlich, dem Versicherungsnehmer war es jederzeit möglich, unilateral einen anderen Begünstigten zu benennen.182 In einem solchen Fall soll es dem trustee in bankruptcy auch nach der Logik von Schebsman möglich sein, die Versicherungsleistung für den estate des Versicherungsnehmers zu beanspruchen. War die Bestimmung des Dritten als Empfänger der Versicherungsleistung dagegen ein beide Parteien bindender Vertragsbestandteil geworden, ist ein Zugriff des trustee auf die Versicherungsleistung grundsätzlich ausgeschlossen.
181
In re Schebsman, [1944] Ch. 83, 89 ff., 98 ff., 100 ff. Vgl. hierzu das Urteil von Simonds J. im Fall In Re Stapleton-Bretherton, [1941] Ch. 482, 485 f.: „Where, as in Cleaver v. Mutual Reserve Fund Life Association and the other insurance policy cases which I have cited, the proper inference from the document itself and from such circumstances as may properly be taken into consideration, is that the destination of the covenanted sums is a matter of indifference to the covenantor, so that the designated payee may be regarded as the nominee of the covenantee, and, as a matter of construction, the covenant can be read as if the words "or as the covenantee may direct" were inserted after the name of the payee, it may well be that the covenantee or his executors can unilaterally vary the terms of the obligation and require a mode of payment different from that expressly prescribed.“ Zustimmung erfuhr diese Interpretation durch Lord Greene, M.R. und Luxmoore L.J. in ihren Entscheidungen zur Rechtssache In re Schebsman, [1944] Ch. 83, 95 f., 100. 182
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Das englische common law knüpft die Stellung des Begünstigten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers mithin ganz ähnlich dem deutschen Recht daran, ob sich der Versicherungsnehmer bis zur Insolvenzeröffnung die Dispositionsfreiheit über die Person des Leistungsempfängers erhalten hat. Gegenüber dem deutschen Recht fallen jedoch zwei Eigentümlichkeiten ins Auge. Erstens ist nach dem common law entscheidend, ob es der Zustimmung des Versicherers zur Änderung der Bestimmung des Leistungsempfängers bedarf, während nach deutschem Recht maßgeblich ist, ob die Änderung des Bezugsrechts an die Zustimmung des Begünstigten gebunden ist. Zweitens führt die rigide privity-Doktrin des englischen common law dazu, dass auch die in Schebsman entwickelten Grundsätze nur eine faktische, nicht aber eine rechtliche Insolvenzsicherung des Begünstigten zu schaffen vermögen. Leistet der Versicherer nicht freiwillig an den begünstigten Dritten, so steht diesem, weil er nicht Vertragspartei geworden ist, nach common law und equity keine Möglichkeit der Klage gegen den Versicherer offen.183 Dem trustee in bankruptcy des Versicherungsnehmers mag dagegen zwar unter bestimmten Voraussetzungen die in equity wurzelnde Klage auf specific performance zustehen.184 An der Erhebung dieser Klage wird der trustee indes kaum je Interesse haben, da der estate durch sie nichts zu gewinnen hat. Eine Schadensersatzklage, die der trustee auf den Vertragsbruch des Versicherers stützen könnte und die auf Zahlung an den estate gerichtet wäre, wird wiederum regelmäßig nicht in Höhe des vollen Nominalbetrags der Versicherungsleistung berechtigt sein. Der trustee muss vielmehr einen konkreten Schaden darlegen, der dem estate durch die Nichterbringung der Versicherungsleistung an den Begünstigten entstand. Bei Lebensversicherungen, die zum Zweck der Versorgung Angehöriger und damit gleichsam altruistisch abgeschlossen wurden, ist dies üblicherweise gerade nicht möglich.185
183 Vgl. hierzu die Ausführungen von Lord Greene, M.R. in Schebsman, [1944] Ch. 83, 92 f.: „The debtor makes a contract intended to secure benefits for his wife and daughter after his death. It is true that they obtain no right to call for those benefits, but the debtor with good reason trusts the company to make them.“ Allgemein zu diesem Grundsatz des common law auch Beswick v. Beswick, [1968] A.C. 58, 71 f. 184 Vgl. hierzu Beswick v. Beswick, [1968] A.C. 58, 70 ff. 185 Vgl. hierzu Beswick v. Beswick, [1968] A.C. 58, 72 ff. Hier hatte sich der Vertragspartner des Verstorbenen verpflichtet, Geldzahlungen an dessen Witwe zu erbringen. Mögliche Schadensersatzansprüche des estate des Verstorbenen gegen den Vertragspartner wären mangels eines konkreten Vermögensschadens des estate auf nominal damages i.H.v. 40 shillings begrenzt gewesen. Eine Besonderheit der Fallkonstellation führte hier indes dazu, dass die Witwe die volle Vertragsleistung für sich beanspruchen konnte. Sie war als administratrix des estate ihres verstorbenen Mannes eingesetzt und konnte in dieser Eigenschaft die Klage auf specific performance erheben.
210
§ 7 Lebensversicherung
b) S. 11 Married Women’s Property Act 1882 Die vorangegangene überblicksartige Darstellung hat gezeigt, dass das common law dem Dritten ebenso wie bei der Versicherung fremder Sachen auch im Bereich der Lebensversicherung traditionell nur eine schwache Stellung einräumt. Jedoch blieb auch in England das praktische Bedürfnis, Lebensversicherungen zur insolvenzfesten Versorgung Angehöriger nutzen zu können, nicht unbemerkt. Früher noch als in den meisten anderen Rechtsordnungen führte dieses Bedürfnis hier zu einer Stärkung der Rechtsstellung des Begünstigten. Diese Rechtsentwicklung vollzog sich im Wege des statutory law. Normative Grundlage war zunächst s. 10 des 1870 verabschiedeten Married Women’s Property Act, die wenige Jahre später durch s. 11 des Married Women’s Property Act 1882 abgelöst wurde.186 Hat der Versicherungsnehmer die Lebensversicherung ausdrücklich zugunsten seines Ehegatten, seines civil partner187 oder seiner Kinder abgeschlossen, begründet die Norm zu deren Gunsten einen statutory trust.188 Die Versicherungsleistung fällt mithin nicht in den estate des Versicherungsnehmers.189 Indem sie die insolvenzfeste Stellung des Begünstigten an die Konstruktion eines trust knüpft, bleibt die gesetzliche Regelung allerdings den Vorgaben des common law im Wesentlichen treu. Wie jeder trust generiert auch der statutory trust aus s. 11 Married Women’s Property Act erhebliche Bindungen des trustee, also des Versicherungsnehmers. Er kann den in der Lebensversicherung verkörperten wirtschaftlichen Wert grundsätzlich nicht für seine eigenen Zwecke nutzen, beispielsweise indem er auf deren Rückkaufswert (surrender value) zugreift oder die Versicherung als Kreditsicherungsmittel einsetzt.190 Auch hier ist eine insolvenzfeste Stellung des Begünstigten folglich nur dadurch zu erlan-
186
Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-168. Die Einbeziehung des civil partner in den Anwendungsbereich der Norm erfolgte durch section 70 des Civil Partnership Act 2004, Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-169; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 18-017. 188 S. 11 Married Women’s Property Act 1882: „Moneys payable under policy of assurance not to form part of estate of the insured. [...] A policy of assurance effected by any man on his own life, and expressed to be for the benefit of his wife, or of his children, or of his wife and children, or any of them, or by any woman on her own life, and expressed to be for the benefit of her husband, or of her children, or of her husband and children, or any of them, shall create a trust in favour of the objects therein named, and the moneys payable under any such policy shall not, so long as any object of the trust remains unperformed, form part of the estate of the insured, or be subject to his or her debts [...].“ 189 Vgl. hierzu bspw. In Re Gladitz, [1937] Ch. 588, 593. 190 Ausführlich zu diesen Beschränkungen der Rechtsmacht des trustee LeighJones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-214 ff. 187
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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gen, dass der Versicherungsnehmer seine Dispositionsfreiheit über den wirtschaftlichen Wert der Lebensversicherung zu weiten Teilen aufgibt. 2. Umwälzung der tradierten Grundsätze durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999? Im Gegensatz zu s. 11 des Married Women’s Property Act 1882 hat der Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 das Potential, die tradierten Grundsätze des common law nahezu vollständig aus den Angeln zu heben. Soweit die Anwendungsvoraussetzung der s. 1(1), (3) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 erfüllt sind,191 kann auch der Begünstigte einer Lebensversicherung die Rechte aus dem Vertrag selbst geltend machen.192 Vorausgesetzt die Rechtsprechung kommt zu dem Schluss, dass hiermit auch eine insolvenzfeste Rechtsstellung des Dritten begründet wird,193 wäre die insolvenzrechtliche Privilegierung des Begünstigten weitestgehend der privatautonomen Entscheidung der Vertragsparteien anheimgestellt. Die traditionell geltende Bindung der Privilegierung an den Verlust der Dispositionsfreiheit des Versicherungsnehmers wäre aufgehoben.194 Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung eine derart tiefgreifende Umwälzung der tradierten Grundsätze anerkennen wird. III. USA Das bundesstaatliche US-amerikanische Insolvenzrecht räumt dem trustee in bankruptcy grundsätzlich weitreichende Möglichkeiten zum Zugriff auf die in Lebensversicherungen des Insolvenzschuldners enthaltenen Vermögenswerte ein. Allerdings normieren insbesondere einzelstaatliche Gesetze weitreichende statutory exemptions, welche die Versicherungsleistung unter bestimmten Voraussetzungen der Insolvenzmasse entziehen. 1. Grundsatz des bundesstaatlichen Insolvenzrechts: voller Zugriff des trustee in bankruptcy auf die in Lebensversicherungen verkörperten Vermögenswerte Wie andere Versicherungsverträge auch fallen vom Insolvenzschuldner abgeschlossene Lebensversicherungen mit Verfahrenseröffnung in dessen bank191
Hierzu bereits oben sub § 6 D. II. 2. b). Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 18-028;.Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 24-146. 193 Zu dieser Streitfrage ausführlich oben sub § 6 D. II. 2. b). 194 Nach section 2(1) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 verlieren die Vertragsparteien die Befugnis zur Aufhebung der Begünstigung des Dritten nur unter bestimmten Umständen. Darüber hinaus ist auch diese Norm gem. section 2(3) des Act durch die Verrtragsparteien abdingbar. 192
212
§ 7 Lebensversicherung
ruptcy estate, 11 U.S.C. § 541. In der Folge gehen alle Rechte, die dem Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zustanden, ipso iure auf den trustee in bankruptcy über. Hierzu zählt einerseits das dem Versicherungsnehmer üblicherweise zukommende Recht, einen Begünstigten (beneficiary) zu bestimmen und diese Bestimmung nachträglich durch einseitige Erklärung zu ändern oder aufzuheben,195 sowie andererseits das Recht, den Rückkaufswert (surrender value) der Lebensversicherung geltend zu machen.196 Auch wenn ein Dritter als beneficiary eingesetzt ist, bleibt es dem trustee in bankruptcy deshalb regelmäßig197 möglich, den Vermögenswert der Lebensversicherung für die Insolvenzmasse zu realisieren. Nicht endgültig geklärt ist, ob sich der Zugriff der Insolvenzmasse auf den surrender value der Lebensversicherung beschränkt oder darüber hinaus die gesamte Versicherungsleistung erfasst. Unter Geltung des Bankruptcy Act vertrat die US-amerikanische Rechtsprechung angeführt durch den USSupreme Court die Ansicht, dass der trustee in bankruptcy stets nur den surrender value für die Masse in Anspruch nehmen konnte, eine darüber hinausgehende Versicherungsleistung dagegen dem beneficiary zukommen müsse.198 Gestützt wurde diese Rechtsprechung auf s. 70(a) des Bankruptcy Act, die bestimmte, dass der Versicherungsnehmer die Lebensversicherung gegen Zahlung des surrender value an die Insolvenzmasse vom Insolvenzbeschlag befreien konnte.199 Obgleich sich eine solche Regelung im neuen Recht nicht 195
Ebenso wie in Deutschland gestehen die Bedingungswerke US-amerikanischer Lebensversicherungen dem Versicherungsnehmer regelmäßig ein solches Recht zu. Dies war allerdings nicht immer so. Früher erlangte der Dritte regelmäßig bereits mit seiner Einsetzung als beneficiary ein vested right in the policy, das nicht durch einseitige Erklärung des Versicherungsnehmers entziehbar war, zum Ganzen Stempel, Stempel on Insurance Contracts, § 18.02[A] m.N. 196 Vgl. In re Meyers, 483 B.R. 89, 96 ff. (Bankr. W.D.N.C. 2012); In re Monahan, 171 B.R. 710, 715 ff. (Bankr. D.N.H. 1994). 197 Eine Ausnahme gilt, wenn es dem Versicherungsnehmer nach den Bestimmungen des Vertrages verwehrt ist, sich selbst bzw. seinen Nachlass als Begünstigten des Versicherungsvertrages einzusetzen. In diesem Fall bewirkt 11 U.S.C. § 541(b)(1), dass das Bestimmungsrecht nicht in den bankruptcy estate fällt und mithin auch nicht auf den trustee übergeht. Dies wird freilich nicht häufig der Fall sein, da das Bestimmungsrecht üblicherweise keine derartige Beschränkung kennt, vgl. zum Ganzen In re Meyers, 483 B.R. 89, 103 (Bankr. W.D.N.C. 2012). 198 Statt vieler Everett v. Judson, 33 S.Ct. 568 (1913); Burlingham v. Crouse, 33 S.Ct. 564 (1913). 199 S. 70(a) Bankruptcy Act: “[…] Provided, that when any bankrupt shall have any insurance policy which has a cash surrender value payable to himself, his estate, or personal representatives, he may, within thirty days after the cash surrender value has been ascertained and stated to the trustee by the company issuing the same, pay or secure to the trustee the sum so ascertained and stated, and continue to hold, own, and carry such policy free from the claims of the creditors participating in the distribution of his estate under the bankruptcy proceedings, otherwise the policy shall pass to the trustee as assets.”
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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wiederfindet, hielten Gerichte auch nach der Ablösung des Bankruptcy Act durch den Bankruptcy Code noch an der tradierten Rechtsprechung fest.200 In der jüngst ergangenen Entscheidung Gladstone v. U.S. Bancorp wandte sich der U.S. Court of Appeal (9th Cir.) indes nach vertiefter Auseinandersetzung mit der Gesetzeshistorie explizit von dieser Haltung ab.201 Demzufolge steht dem trustee in bankruptcy vorbehaltlich des Eingreifens einer statutory exemption der Zugriff auf den gesamten Vermögenswert der Lebensversicherung offen. 2. Schutz der Versicherungsleistung vor Gläubigerzugriff durch statutory exemptions Statutory exemptions ermöglichen es dem Insolvenzschuldner, bestimmte Vermögensgegenstände vom Insolvenzbeschlag zu befreien. Sie begegnen sowohl auf der Ebene des Bundesrechts als auch auf der Ebene des einzelstaatlichen Rechts. Auf der Ebene des Bundesrechts normiert 11 U.S.C. § 522(d)(7) eine solche exemption für bestimmte Lebensversicherungsverträge. Die – in ihrer Schutzwirkung durchaus beschränkte202 – Norm spielt in praxi jedoch nur eine geringe Rolle, da die Mehrzahl der Einzelstaaten von der in 11 U.S.C. § 522 vorgesehenen Möglichkeit eines opt-out Gebrauch gemacht haben, der die Anwendbarkeit der federal statutory exemptions auf in ihrem Territorium ansässige Schuldner verhindert.203 Größere Bedeutung haben die in den Gesetzen und Verfassungen der Einzelstaaten vorgesehenen exemptions.204 Verbreitet sind gesetzliche Regelungen, nach denen die Leistungen einer Lebensversicherung vom Insolvenzbeschlag ausgenommen sind, wenn der Ehegatte oder die Kinder des Versicherungsnehmers als Begünstigte eingesetzt sind.205 Diese exemptions greifen 200
In re Herrell, 210 B.R. 386, 388 ff. (Bankr. N.D.Fl. 1997); In re Lekas, 299 B.R. 597, 602 (Bankr. D. Ariz. 2003). 201 Gladstone v. U.S. Bancorp, 811 F.3d 1133 (9th Cir. 2016); ebenso bereits In re Meyers, 483 B.R. 89, 96 ff. (Bankr. W.D.N.C. 2012). 202 Hierzu Vukowich, 58 N.C.L.Rev. 769, 785 ff. (1980). 203 Ausführlich zu dieser opt-out-Möglichkeit Ulrich, 8 GMU L. Rev. 1 ff. (1985); vgl. auch In re Meyers, 483 B.R. 89, 99 f. (Bankr. W.D.N.C. 2012). 204 Hierzu und zum Folgenden Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 66:13 ff. 205 Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 66:18; vgl. z.B. Art. X s. 5 der Verfassung North Carolinas: “A person may insure his or her own life for the sole use and benefit of his or her spouse or children or both, and upon his or her death the proceeds from the insurance shall be paid to or for the benefit of the spouse or children or both, or to a guardian, free from all claims of the representatives or creditors of the insured or his or her estate. Any insurance policy which insures the life of a person for the sole use and benefit of that person's spouse or children or both shall not be subject to the claims of
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§ 7 Lebensversicherung
regelmäßig auch dann ein, wenn dem Versicherungsnehmer das Recht zur Benennung eines anderen Begünstigten206 verblieb oder er dazu befugt war, den surrender value der Versicherung für sich selbst zu nutzen207. IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Betrachtung Im Zuge der historischen Entwicklung der Lebensversicherung hin zu einem bedeutenden Instrument der Familienfürsorge wurden alle untersuchten Rechtsordnungen des praktischen Bedürfnisses der Versicherungsnehmer gewahr, die Versorgungsfunktion der Versicherung gegen die Auswirkungen der eigenen Insolvenz absichern zu können. Die rechtlichen Antworten auf dieses praktische Bedürfnis variieren jedoch von Rechtsordnung zu Rechtsordnung ganz erheblich. In der weiten Spanne der Ausgestaltungen markieren das deutsche und das französische Recht gleichsam die beiden Pole. Das deutsche Recht bindet den insolvenzrechtlichen Schutz des Bezugsberechtigten in ganz besonders rigider Weise an das Erfordernis einer vor Insolvenzeröffnung erfolgten Ausgliederung der Versicherungsforderung aus dem schuldnerischen Vermögen. Nur wenn der Versicherungsnehmer die Dispositionsfreiheit über den wirtschaftlichen Wert der Versicherung aufgegeben hat, kann der Zugriff seiner Gläubiger verhindert werden – wobei selbst in diesem Fall eine Rückführung im Wege der Insolvenzanfechtung nicht ausgeschlossen ist. Das französische Recht gewährt dem Begünstigten dagegen in Bezug auf die Versicherungsleistung einen umfassenden Schutz gegen den Vollstreckungszugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers. Gleichzeitig wird die Dispositionsfreiheit des Versicherungsnehmers über die in der Versicherung gebundenen Vermögenswerte besonders weitreichend aufrechterhalten. Im Kontext des französischen Insolvenzrechts überraschen diese Regelungen nicht. Nach französischer Lesart ist das Insolvenzverfahren nicht allein auf die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ausgerichtet, sondern dient gleichermaßen auch sozialen Zwecken.208 Die Betonung der sozialen Versorgungsfunktion der Lebensversicherung und die daraus abgeleitete insolvenzcreditors of the insured during his or her lifetime, whether or not the policy reserves to the insured during his or her lifetime any or all rights provided for by the policy and whether or not the policy proceeds are payable to the estate of the insured in the event the beneficiary or beneficiaries predecease the insured.” 206 Z.B. Turner v. Bovee, 92 F.2d 791, 794 (9th Cir. 1937); Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 66:20. 207 Z.B. In re Elliott, 74 Wash.2d 600, 620 ff. (Wash. Supr. Ct. 1968); Fox v. Swartz, 235 Minn. 337, 341 ff. (Minn. Supr. Ct. 1952); Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 66:20. 208 Vgl. hierzu Bourassin/Brémond/Jobard-Bachellier, Droit des sûretés, Tz. 2369 („Le droit de surendettement sacrifie pareillement l’intérêt des créanciers au profit des débiteurs les plus démunis, au nom de la solidarité et de la lutte contre la marginalisation.“) sowie Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 212 f.
E. Zusammenfassung
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rechtliche Privilegierung der Bezugsberechtigten steht dementsprechend durchaus im Einklang mit der französischen Konzeption des Insolvenzrechts – im deutschen Recht müsste sie dagegen als Fremdkörper erscheinen. Die anderen untersuchten Rechtsordnungen folgen heute in der Mehrzahl eher dem französischen Modell als dem deutschen. Das traditionelle englische Recht weist zwar durchaus Ähnlichkeiten zum hiesigen auf. Vorbehaltlich einer einschränkenden Auslegung durch die Rechtsprechung wurde durch den Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 jedoch ein Übergang zum französischen Modell vollzogen. Die meisten Einzelstaaten der USA haben vermittels der statutory exemptions zumindest zugunsten bestimmter Begünstigter einen Insolvenzschutz begründet, der dem französischen in seiner Intensität ähnelt und die Dispositionsfreiheit des Versicherungsnehmers unangetastet lässt. Die vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts entfalteten Bemühungen, das französische (oder das einen ähnlich starken Schutz gewährende schweizerische) Modell nach Deutschland zu importieren,209 konnten sich indes zu Recht nicht durchsetzen. Nicht nur verhindert der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum eine derart weitreichende insolvenzrechtliche Privilegierung der Begünstigten. Auch ist eine solche sozialpolitisch verfehlt, da sie die Beschränkung des Gläubigerzugriffs nicht an eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Begünstigten knüpft, sondern pauschal unterstellt, dass die Lebensversicherung stets eine essentielle Versorgungsfunktion erfüllt. Nicht zuletzt wird dadurch die Gefahr geschaffen, dass der Versicherungsnehmer die Lebensversicherung als Vehikel missbraucht, um Vermögenswerte dem Gläubigerzugriff zu entziehen, ohne diese aus dem eigenen Vermögen ausscheiden zu müssen.210
E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung
1. Für die Stellung des Bezugsberechtigten in der Insolvenz des Lebensversicherungsnehmers sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben der par conditio creditorum in besonderem Maße prägend. Eine insolvenzrechtliche Privilegierung des Bezugsberechtigten kommt nur dort in Betracht, wo dieser im Vorfeld der Insolvenz bereits eine gesicherte Rechtsposition an der Versiche-
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Vgl. hierzu ausführlich Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 267 ff. m.N. Der U.S. Supreme Court besorgte bereits in der Entscheidung Cohen v. Samuels, 38 S.Ct. 36 (1917) eine solche Konsequenz eines zu weit gefassten Vollstreckungsschutzes: “Under such conditions to hold that there was nothing of property to vest in a trustee would be to make an insurance policy a shelter for valuable assets and, it might be, a refuge for fraud.” 210
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§ 7 Lebensversicherung
rungsforderung erlangt hat, der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung also bereits zuvor aus seinem Vermögen ausgegliedert hat. 2. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob sich der Versicherungsnehmer das Recht zum Widerruf der Bezugsberechtigung vorbehalten hat. War das Widerrufsrecht ausgeschlossen, so hat der Bezugsberechtigte bereits mit Einräumung des Bezugsrechts die Versicherungsforderung erlangt und kann diese damit – ebenso wie alle anderen Forderungen aus dem Versicherungsvertrag – im Insolvenzverfahren aussondern. Hat sich der Versicherungsnehmer dagegen den Widerruf der Bezugsberechtigung vorbehalten, so verbleibt die Versicherungsforderung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls in seinem Vermögen. War der Versicherungsfall im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht eingetreten, muss ein Aussonderungsrecht des Versicherungsnehmers selbst dann ausscheiden, wenn der Versicherungsfall nachträglich noch eintritt. Der nachträgliche Erwerb der Versicherungsforderung wird entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben durch § 91 Abs. 1 InsO gehindert. 3. Die deutschen Regelungen über die insolvenzrechtliche Behandlung der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten unterscheiden sich damit ganz erheblich vom französischen Modell, das heute international zunehmend Verbreitung zu finden scheint und einen umfassenden Schutz des Begünstigten vor dem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers begründet. Eine Übernahme des französischen Modells auch in Deutschland ist jedoch abzulehnen. Weder ist dieses mit dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum vereinbar, noch vermag es rechtspolitisch zu überzeugen.
§8
Der Schutz des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung
Die vorstehenden Ausführungen zur Versicherung für fremde Rechnung und zur Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten haben offenbart, dass es an einer detailgenauen Abstimmung mit den Prinzipien und Regelungen des Insolvenzrechts häufig mangelt. In noch stärkerem Maße gilt dies für die Haftpflichtversicherung. Zwar haben sich für die insolvenzrechtliche Behandlung der Haftpflichtversicherung in der Rechtspraxis durchaus einige gefestigte Grundsätze und Abläufe etabliert. Eine normative oder dogmatische Verankerung dieser Regelungen sucht man aber oftmals vergeblich. Es nimmt deshalb nicht wunder, dass Thole in Bezug auf die wissenschaftliche Erfassung der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers konstatiert: „Die aktuelle insolvenz- wie versicherungsrechtliche Kommentarliteratur beschränkt sich häufig auf eine eher unreflektierte Wiedergabe von Leitsätzen und Entscheidungsinhalten.“ 1 Erschwert wird eine umfassende, dogmatisch konsistente Konturierung der Rechtsstellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers insbesondere durch zwei Faktoren: Zum einen weist die Haftpflichtversicherung bedingt durch ihre Entwicklungsgeschichte im Hinblick auf die Rechtsstellung des Geschädigten eine ganz eigenartige Struktur auf. Zum anderen – und damit unmittelbar verbunden – ist die rechtliche Ausgestaltung der Haftpflichtversicherung und der aus ihr entspringenden Rechte und Pflichten höchst komplex. Bevor die Rechtsstellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers nach dem nunmehr bereits bekannten Schema aufgearbeitet werden kann, müssen deshalb diese Hintergründe zunächst genauer ausgeleuchtet werden.
1
Thole, NZI 2013, 665; ähnlich auch schon ders., NZI 2011, 41: „Obwohl die Insolvenz des Versicherungsnehmers ein Massenphänomen ist, hat das Absonderungsrecht (nach § 110 VVG, Anm. d. Verf.) bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erfahren. In insolvenzrechtlichen Kommentierungen wird es vergleichsweise wenig gewürdigt; in versicherungsrechtlichen Werken findet es nur beiläufige und kursorische Erörterung.“
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§ 8 Haftpflichtversicherung
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
Im Vergleich zu den zuvor behandelten Versicherungsformen weist der Drittschutz im Bereich der Haftpflichtversicherung eine gänzlich andere Struktur auf. Zwar wird der Geschädigte auch durch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung wirtschaftlich bessergestellt, indem hinter seinen eigentlichen Schuldner der zahlungskräftige Versicherer tritt. Während die Versicherung für fremde Rechnung und die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten die Begünstigung des Dritten aber unmittelbar als primäres Ziel bezwecken, ist der Schutz des Geschädigten durch die Haftpflichtversicherung im Ausgangspunkt bloßer Reflex der vom Versicherungsnehmer angestrebten Absicherung gegen fremde Haftpflichtforderungen. Um zu verstehen, wie hieraus eine rechtlich geschützte Position des Geschädigten erwachsen konnte, die diesem auch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers eine privilegierte Stellung einräumt, ist es unabdingbar, zunächst die historische Entwicklung dieser Versicherungsform in den Blick zu nehmen. I. Entwicklungsgeschichte der Haftpflichtversicherung: von der eigennützigen Absicherung gegen Haftungsrisiken zum modernen System des Opferschutzes 1. Ursprünge der Haftpflichtversicherung: Entstehung aus der Abgrenzung zur Unfallversicherung für fremde Rechnung Historisch betrachtet war der einleitend beschriebene Unterschied zwischen der drittbegünstigenden Versicherung für fremde Rechnung und der eigennützigen Haftpflichtversicherung für die Letztere zunächst von identitätsstiftender Bedeutung. Als „Geburtsstunde“2 der modernen Haftpflichtversicherung wird weithin der Erlass des Reichshaftpflichtgesetzes (RHPflG) vom 7. Juni 18713 angesehen.4 In Reaktion auf die mit der fortgeschrittenen Industrialisierung einhergehenden Schadensrisiken lastete dieses den Betreibern 2
So z.B. Jannott, Zur Vervollkommnung der Haftpflichtversicherung, S. 5; v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 296. 3 RGBl. 1871, S. 207. 4 Der Haftpflichtversicherung ähnliche Erscheinungen lassen sich freilich auch schon früher in der Geschichte finden, vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 17 ff., sowie v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 3; ders., Versicherungsrecht II, S. 305; Späte/Schimikowski/v. Rintelen, Einl. Rn. 21 ff. Die anlässlich des Reichshaftpflichtgesetzes entwickelten Versicherungsformen weisen aber zum ersten Mal erkennbar die Konturen einer eigenständigen Haftpflichtversicherung auf, vgl. Manes, Die Haftpflichtversicherung, S. 10; v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 3 f.; v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 296; kritisch zum Zusammenhang zwischen RHPflG und Entwicklung der Haftpflichtversicherung als selbständigem Versicherungszweig dagegen Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 41 f.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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bestimmter, als besonders gefährlich eingestufter Betriebe eine verschärfte Haftung gegenüber solchen Personen auf, die durch den Betrieb zu Schaden kamen.5 Auf Seiten der Betriebsunternehmer entstand hierdurch ein enormes wirtschaftliches Bedürfnis, sich gegen die neu entstandenen Haftungsrisiken abzusichern. Die Versicherungsunternehmen sahen schnell den hierdurch geschaffenen Raum zur Erschließung neuer Geschäftsfelder und so wurden bald nach Inkrafttreten des RHPflG neuartige Versicherungspolicen angeboten, die Versicherungsschutz gegen das Risiko der „Haftpflicht“ boten.6 Die so geschaffenen Policen hatten sich indes noch nicht als gänzlich eigenständige Versicherungsform emanzipiert, sondern wiesen zunächst eine erhebliche Nähe zur Unfallversicherung für Rechnung des Unfallopfers auf. Am deutlichsten äußerte sich dies darin, dass sie regelmäßig Elemente der Haftpflichtversicherung mit solchen der Unfallversicherung für fremde Rechnung kombinierten, indem sie gleichermaßen haftpflichtige wie nichthaftpflichtige Unfälle in die Deckung einbezogen.7 Aber auch dort, wo die Versicherer eigenständige Haftpflichtversicherungen anboten, standen diese zunächst im Schatten der Unfallversicherung. So wurden Haftpflichtversicherungen grundsätzlich nur zur Absicherung der aus dem RHPflG resultierenden Haftungsrisiken angeboten, also nur zur Absicherung gegen die Haftung für Betriebsunfälle.8 Zudem unterschieden weder Presse noch die Versicherer in ihren Geschäftsberichten zwischen Haftpflicht- und Unfallversicherung. All dies hatte zur Folge, dass der Unterschied zwischen Unfall- und Haftpflicht5
Die Betreiber von Eisenbahnunternehmen unterlagen nach § 1 RHPflG hinsichtlich der Tötung oder körperlichen Verletzung Dritter einer Gefährdungshaftung, die lediglich in Fällen höherer Gewalt oder eines eigenen Verschuldens des Geschädigten ausgeschlossen war. Die Betreiber von Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien (Gruben) und Fabriken hafteten dagegen gem. § 2 RHPflG nur für das Verschulden ihrer Bevollmächtigten, Repräsentanten und leitenden Angestellten, dies allerdings ihrerseits wiederum verschuldensunabhängig. 6 v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 296 ff.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen, Einl. Rn. 25. 7 Der hybride Charakter dieser Versicherungsformen kommt beispielsweise im Titel der von der Magdeburger Allgemeinen Versicherungs-AG ab 1872 verwendeten „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Versicherungen der Betriebsunternehmer von Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien oder Fabriken gegen die Folgen der gesetzlichen Haftpflicht für körperliche Unfälle bzw. gegen die Folgen körperlicher Unfälle überhaupt, auch wenn solche nicht innerhalb der Grenzen der gesetzlichen Haftpflicht liegen“ zum Ausdruck (auszugsweise abgedruckt bei Jannot, Zur Vervollkommnung der Haftpflichtversicherung, S. 51 ff.). Ob sich die deutsche Versicherungswirtschaft bei der Entwicklung dieser Versicherungsformen auf französische Vorbilder stützte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des RHPflG bereits seit einiger Zeit in Gebrauch waren, ist unklar, tendenziell dafür Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 46 Fn. 208; dagegen v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 4 Fn. 11. 8 Eine Ausnahme bildete die ab Ende der 1870er Jahre entstandene Bienenhaftpflichtversicherung für Imker, vgl. hierzu v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 9; Manes, Die Haftpflichtversicherung, S. 234 ff.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
versicherung sowohl in der breiten Gesellschaft als auch in der Rechtswissenschaft zunächst kaum wahrgenommen wurde.9 Die ab 1871 angebotenen Frühformen der modernen Haftpflichtversicherung standen freilich wirtschaftlich unter keinem guten Stern. Aufgrund fehlerhafter Risikobeurteilungen und einer dementsprechend mangelhaften Prämienkalkulation erwiesen sich diese Policen für die meisten Versicherungsunternehmen bald als Verlustgeschäft.10 Einen weiteren Schlag erlitten die Haftpflichtversicherer 1884 durch die Bismarck’sche Sozialgesetzgebung. Fortan wurde der Schutz der Betriebsangehörigen vor den Gefahren des Betriebs durch die gesetzliche Unfallversicherung und nicht länger durch die Haftungsvorschriften des RHPflG gewährleistet. Den Versicherern gingen damit die größten Teile ihres Geschäftsfeldes verloren.11 Während eine Vielzahl von Haftpflichtversicherern durch diese Entwicklungen in die Liquidation gezwungen wurden, suchte der Allgemeine Deutsche Versicherungsverein unter Führung seines Direktors Carl Gottlob Molt nach neuen Anwendungsfeldern für die Haftpflichtversicherung. Er fand diese sowohl im Bereich der auf das RHPflG gestützten Haftung gegenüber Personengruppen, die nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterfielen (den sog. „Haftpflichtresten“) als auch in anderen Lebensbereichen abseits des sachlichen Anwendungsbereiches des RHPflG.12 Für diese Haftungsrisiken wurde fortan eine reine, also um die Elemente der Unfallversicherung bereinigte Versicherung angeboten.13 Die Emanzipation der Haftpflichtversicherung als eigenständige Versicherungsform war damit bestimmt von ihrer scharfen Abgrenzung gegenüber der Unfallversicherung für fremde Rechnung. Dies bedingte in dieser Phase ihrer Entwicklung einen besonderen Fokus auf die Interessen des Versicherungsnehmers bei gleichzeitiger Abwendung von den Interessen des Geschädigten. Nach Molt hat die Haftpflichtversicherung „nur für die Besitzenden, für die Arbeitgeber, einen Wert, sie steht der Versorgung der Arbeiter nicht bloß fremd gegenüber, sondern sie nimmt in gewissem Sinne eine gegensätzliche Stellung gegen diese ein, sie kann in eine Abwehr gegen Schadensersatzansprüche verunglückter Arbeiter ausarten.“ 14 In Abgrenzung zur „altruistischen“ Unfallversicherung für fremde Rechnung wurde diese Ur-Form der modernen Haftpflichtversicherung 9
Zum Ganzen ausführlich Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 42 ff. Ausführlich hierzu Manes, Die Haftpflichtversicherung, S. 21 ff. 11 v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 297 f.; Späte/Schimikowski/v. Rintelen, Einl. Rn. 28 f. 12 v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 10; Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 43 f. 13 v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 10; Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 43 f. 14 Molt, Zur Haftpflichtversicherung, S. 29 f. (der sich mit dieser Begründung Versuchen entgegenstellt, auch den Betrieb der Haftpflichtversicherung den die gesetzliche Unfallversicherung tragenden Berufsgenossenschaften zu überantworten). 10
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rein „egoistisch“ gedacht. Entsprechend dieser Betrachtungsweise sah man in der aus der Versicherung fließenden Entschädigungsforderung zunächst einen dem Versicherungsnehmer zur freien Verfügung überlassenen Vermögenswert, an welchem dem Geschädigten keinerlei Berechtigung zukam.15 Konsequenterweise musste die Versicherungsforderung damit aber auch allen Gläubigern des Versicherungsnehmers gleichermaßen als Haftungsobjekt zur Verfügung stehen. Die insolvenzrechtlichen Konsequenzen dieser Betrachtungsweise offenbarten sich in einem Urteil des RG vom 2. Juli 1909:16 Der Konkursverwalter eines insolventen Versicherungsnehmers durfte die aus einer Haftpflichtversicherung entspringende Versicherungsforderung vollständig zur Konkursmasse einziehen, die Entschädigung war zur gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger zu verwenden.17 Dem Geschädigten kam dagegen keine bevorzugte Rechtsstellung zu, er blieb auf die Konkursquote verwiesen.18 2. Hinzutreten des Schutzes der Geschädigten als eigenständiger Zweck der Haftpflichtversicherung: Die einzelnen Entwicklungsstadien Bereits früh vollzog sich indes ein Perspektivwechsel in der Betrachtung der Haftpflichtversicherung. Zunehmend trat der Schutz des Geschädigten als eigenständiger Zweck der Haftpflichtversicherung in den Vordergrund19 und schon mit Einführung des VVG 1908 unternahm es der Gesetzgeber, diesen Schutz konkursrechtlich abzusichern. In § 157 VVG a.F. (heute § 110 VVG n.F.) wurde dem Geschädigten fortan im Konkurs des Versicherungsnehmers ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung eingeräumt. Daneben wurde der Schutz des Geschädigten auch auf anderen Ebenen sukzessive ausgebaut.
15 Vgl. Georgii, Die Haftpflichtversicherung, S. 93; Meuret, LZ 1908, 900, 912; v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 308 m.w.N. 16 Der 1908 in Kraft getretene § 157 VVG, der dem Geschädigten ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung einräumte (hierzu sogleich), war hier noch nicht anwendbar. 17 RGZ 71, 363, 364 ff. 18 RGZ 71, 363, 366. 19 Erste Ansätze hierzu finden sich bereits bei Toussaint, Ass. Jb. Bd. 3 (1882), 229, 275, der in der Haftpflichtversicherung ein probates Mittel sieht, den vom Entwurf eines österreichischen Haftpflichtgesetzes bezweckten Geschädigtenschutz abzusichern. Später begegnet der Gedanke des Geschädigtenschutzes dann in unterschiedlicher Intensität auch bei von Weinrich, ZVersWiss 1902, 340, 349 ff.; Hiestand, ZVersWiss 1903, 4 f. und Dieterich, Soziale Entwicklungsmomente, S. 33 ff.; vgl. zum Ganzen auch Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 62 f. m.w.N.
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a) Erhalt der Versicherungsforderung als Haftungsobjekt des Geschädigten – Verhinderung des Zugriffs anderer Gläubiger Auf einer ersten Ebene sind hierbei die Bemühungen zu verorten, dem Geschädigten im Falle bestehenden Haftpflichtversicherungsschutzes die Versicherungsforderung als Haftungsobjekt zu sichern, diese also dem Zugriff anderer Gläubiger zu entziehen. Einen wesentlichen Grundstein hierfür legte –nach Vorarbeiten durch Wissenschaft20 und Kautelarpraxis21 – das RG in einem Urteil vom 5. Februar 1909, in dem es die dem Versicherungsnehmer zustehende Versicherungsforderung nicht als Zahlungs-, sondern als Befreiungsanspruch einordnete.22 Hiermit anerkannte das Gericht ausdrücklich, dass der Haftpflichtgläubiger zwar nicht rechtlich, wohl aber „wirtschaftlich […] erheblich an der Versicherung beteiligt ist“ und deshalb vor Schädigungen durch den Versicherungsnehmer oder dessen Gläubiger zu schützen sei. Die Einordnung der Versicherungsforderung als Befreiungsanspruch trägt diesem Schutzbedürfnis Rechnung. Sie hindert den Versicherungsnehmer wegen § 399 Alt. 1 BGB daran, die Versicherungsforderung an eine andere Person als den Geschädigten abzutreten.23 Zugleich ist damit gem. § 851 Abs. 1 ZPO der Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsforderung im Wege der Einzelvollstreckung gehindert.24 Nach anfänglicher Kontroverse25 fand diese Auffassung schließlich auch in der 20
Leibl vertrat bereits in seiner 1898 erschienen Dissertation die Auffassung, dass die dem Versicherungsnehmer zustehende Versicherungsforderung vor Befriedigung des Geschädigten nur als Befreiungsanspruch qualifiziert werden könne, Leibl, Die juristische Natur der Haftpflichtversicherung, S. 38 f. (wobei nicht ganz deutlich wird, ob er das Bestehen eines solchen Anspruchs stets annimmt oder nur aufgrund einer von ihm favorisierten kautelarjuristischen Ausgestaltung der Versicherung); eindeutig bereits aufgrund der gesetzlichen Ausgangslage einen Freistellungsanspruch bejahend dann aber Flechtheim, LZ 1908, 801, 808 ff. 21 Schon früh in der Entwicklungsgeschichte der Haftpflichtversicherung kamen AVB auf, die den Versicherer unter bestimmten Umständen berechtigten oder verpflichteten, die Versicherungsleistung unmittelbar an den Geschädigten zu erbringen, so z.B. die AVB der Oldenburgischen Haftpflichtversicherungsanstalt, zitiert bei v. Gierke, ZHR 60 (1907), 1, 39 f. Fn. 103. 22 RGZ 70, 257, 258 ff. 23 So schon Flechtheim, LZ 1908, 801, 812; allgemein zur beschränkten Abtretbarkeit von Befreiungsansprüchen Roth/Kieninger, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 399 Rn. 16 m.w.N. 24 Vgl. Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 5. § 851 Abs. 2 ZPO findet auf Ansprüche, die gem. § 399 Alt. 1 BGB nicht abtretbar sind entgegen des zu weit gefassten Wortlauts keine Anwendung, Musielak/Voit/Becker, § 851 Rn. 3. 25 Gegen die Einordnung der Versicherungsforderung als Befreiungsanspruch noch Georgii, Die Haftpflichtversicherung, S. 93 Fn. 1; Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 904; ders., LZ 1910, Sp. 63 f.; v. Seuffert, LZ 1909, Sp. 97, 106; Kirchberger, LZ 1910, Sp. 508 ff.; Franke, LZ 1910, Sp. 675, 677 f.; Werneburg, ZVersWiss 1915, 620, 623 ff.
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Literatur nahezu einhellig Anerkennung 26 und ist heute in § 100 VVG auch gesetzlich abgesichert.27 Weitere Absicherung erfuhr die Rechtsstellung des Geschädigten hinsichtlich bestehender Haftpflichtversicherungsforderungen durch das Gesetz über die Einführung der Pflichtversicherung für Kfz-Halter und die Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Kfz sowie des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 7. November 1939. Die dadurch begründete Neufassung des § 156 Abs. 1 VVG a.F. (heute im Wesentlichen inhaltsgleich in § 108 VVG n.F.) normierte zugunsten des Geschädigten ein die Versicherungsforderung betreffendes Verfügungsverbot, das in Bezug auf die Forderung auch Zwangsvollstreckungshandlungen anderer Gläubiger hindert.28 b) Gewährleistung des Bestands von Versicherungsschutz durch die Einführung von Versicherungspflichten Auf einer zweiten Ebene wurden die soeben beschriebenen Schutzmechanismen ergänzt durch Bemühungen, zugunsten bestimmter Geschädigter nicht nur bestehende Versicherungsforderungen als Haftungsobjekt zu sichern, sondern darüber hinaus auch schon das Vorhandensein von Haftpflichtversicherungsschutz zu gewährleisten. Bereits 1922 normierte der Gesetzgeber zu diesem Zweck in § 29 LuftVG erstmalig eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Diese Pflicht traf die Halter von Luftfahrzeugen und ergänzte den Schutz der Geschädigten durch den Gefährdungshaftungstatbestand des § 19 LuftVG.29 Dasselbe Zusammenspiel von Versicherungspflicht und Gefährdungshaftung 30 wurde durch das bereits genannte Gesetz vom 7. November 1939 auch für die Halter von Kraftfahrzeugen eingeführt.31 Durch die Versicherungspflicht wird sichergestellt, dass den Opfern bestimmter, als besonders hoch eingeschätzter Schadensrisiken stets die Versicherungsforderung des Schädigers als werthaltiges Haftungsobjekt zur Verfügung steht, deren Vorhandensein also nicht länger von der
26
Vgl. statt vieler Schneider, LZ 1912, Sp. 26, 28; Helbig, LZ 1913, Sp. 34, 35; Schmidtmüller, LZ 1913, Sp. 928, 929; Herr, ZVersWiss 1916, 611 ff. 27 Vgl. hierzu Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vor §§ 100–124 Rn. 65 f. m.w.N. 28 Vgl. hierzu Bruck/Möller/Koch, § 108 Rn. 1; v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 311. 29 v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 314 f. 30 Eingehend zum Zusammenspiel von Gefährdungshaftung und Versicherungspflicht Hedderich, Pflichtversicherung, S. 252 ff. 31 v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 315 f. (auch zur bereits 1934 eingeführten Versicherungspflicht für Jäger, die die Besonderheit aufweist, dass sie nicht mit einer Gefährdungshaftung des Versicherungsnehmers einhergeht). Zum Ganzen auch Hedderich, Pflichtversicherung, S. 12.
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willkürlichen Entscheidung des Schädigers zum Unterhalt einer Haftpflichtversicherung abhängt.32 Zusätzlich wurde die Stellung der Geschädigten durch die Regelungen über das „kranke Pflichtversicherungsverhältnis“ in den §§ 158b ff. VVG a.F. erheblich gestärkt. Vor allem ist hier die Norm des § 158c Abs. 1 VVG a.F. (heute § 117 Abs. 1 VVG n.F.) zu nennen, die bestimmt, dass die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten auch dann bestehen bleibt, wenn er dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei ist. In der Pflichthaftpflichtversicherung tritt der Schutz des Geschädigten damit ganz deutlich als eigenständiger, teilweise gar primärer Zweck in den Vordergrund.33 Der Anwendungsbereich derartiger Pflichtversicherungen wurde in der Folgezeit stetig weiter ausgebaut.34 c) Direktanspruch gegen den Versicherer Zurückgehend auf das sog. „Straßburger Abkommen“35 wurde dem Geschädigtenschutz durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vom 5. April 1965 erstmalig ein weiteres Element hinzugefügt: ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer (auch action directe36 genannt).37 Im Bereich der KfzPflichtversicherung war es dem Geschädigten fortan möglich, den Versicherer ohne den Umweg über den Versicherungsnehmer sofort unmittelbar in Anspruch zu nehmen (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F.). Dieser zusätzliche Schutz des Geschädigten im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung ist heute auch europarechtlich verbürgt und deshalb Bestandteil der Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten.38 Ebenso wie die Versicherungspflicht blieb aber auch der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer – in Deutschland wie auch in anderen europäischen Rechtsordnungen – nicht auf seinen ursprünglichen Anwendungsbereich beschränkt, sondern erfuhr in der weiteren geschichtlichen Entwicklung eine zunehmende Ausweitung seines Anwendungsbereichs. Im Rahmen der VVG-Reform 2008 war zunächst gar die Einführung eines all32
Vertiefend hierzu Hedderich, Pflichtversicherung, S. 161 ff., 248 ff. So auch v. Bar, AcP 181 (1981), 289, 322 f. 34 Vgl. den Überblick über die Pflichthaftpflichtversicherungen bei Hedderich, Pflichtversicherung, S. 322 ff. 35 Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge. 36 Zum Ursprung dieses Begriffs im französischen Recht unten sub D. I. 37 Vgl. Feyock/Jacobsen/Lemor, Vor § 1 PflVG Rn. 1. 38 Heute in Art. 18 Richtlinie 2009/103/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht; ausführlich hierzu und zur Entwicklungsgeschichte Micha, Der Direktanspruch im europäischen Internationalen Privatrecht, S. 68 ff. 33
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gemeinen Direktanspruchs des Geschädigten in allen Formen der Pflichtversicherung vorgesehen.39 Dies rief jedoch massiven Widerstand von Seiten der Versicherungswirtschaft hervor. Es begegnet hier das gleiche Leitmotiv wie im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung: Das Interesse der Versicherer geht dahin, sich hinsichtlich der Versicherungsforderung ausschließlich mit dem Versicherungsnehmer als ihrem Vertragspartner auseinandersetzen zu müssen und nicht von dem jeweils geschädigten Dritten in Anspruch genommen zu werden. Die Bemühungen der Versicherungswirtschaft blieben nicht ohne Erfolg, der allgemeine Direktanspruch des Geschädigten wurde noch kurz vor Verabschiedung des Reformgesetzes vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages aus § 115 des Regierungsentwurfes entfernt. Vollständig konnten die Versicherer die Ausweitung der Direktansprüche durch die Reform indes nicht verhindern. Für zwei Fälle im Bereich der Pflichtversicherung, die der Gesetzgeber als „die unter Verbraucherschutzgesichtspunkten wesentlichen Problemfälle“ einstufte,40 wurden in § 115 Abs. 1 VVG n.F. doch neue Direktansprüche der Geschädigten gegen die Versicherer eingeführt: zum einen für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers (§ 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG n.F.) und zum anderen für den Fall, dass der Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers unbekannt ist (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 VVG n.F.). d) Stärkung der Rechtsstellung des Geschädigten durch Einschränkungen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit von Versicherungsnehmer und Versicherer Wie vorstehend dargestellt wurde, trug die VVG-Reform 2008 vor allem dadurch zum Geschädigtenschutz bei, dass sie bestehende Schutzkonzepte bestätigte (gesetzliche Verankerung des Freistellungsanspruchs in § 100 VVG n.F.) oder in ihrem Anwendungsberecih erweiterte (§ 115 VVG n.F.). Daneben ergänzte sie den Schutz des Geschädigten aber auch durch gänzlich neue Komponenten, namentlich die in §§ 105 und 108 Abs. 2 VVG n.F. enthaltenen Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit von Versicherer und Versicherungsnehmer im Hinblick auf den Versicherungsvertrag. Die in § 105 VVG n.F. normierte Unwirksamkeit vertraglich vereinbarter Anerkennungs- und Befriedigungsverbote dient zwar in erster Linie dem Schutz des Versicherungsnehmers als Adressat derartiger Verbote.41 Mit ihr geht aber mittelbar auch eine Besserstellung des Geschädigten einher, da
39
BT-Drucks. 16/3945, S. 50, 88 f. Hierzu und zum Folgenden Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 2; Schneider, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 115 Rn. 5 f.; Littbarski, Phi 2007, 176, 182 ff. 40 BT-Drucks. 16/5862, S. 99 (zu § 115). 41 Hierzu ausführlich Bruck/Möller/Koch, § 105 Rn. 1 ff. m.w.N.
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die rasche Befriedigung seiner Forderungen durch den Versicherungsnehmer nunmehr nicht länger durch entsprechende Vertragsklauseln gehindert wird. Die Neuregelung des § 108 Abs. 2 VVG zielt dagegen ausweislich der Gesetzesbegründung ganz unmittelbar auf eine Besserstellung des geschädigten Dritten ab.42 Die Norm stellt eine Reaktion des Gesetzgebers auf die vor der Reform geübte AVB-Praxis dar, die es Versicherungsnehmern untersagte, die Versicherungsforderung vor ihrer endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers auf Dritte zu übertragen. 43 Wegen der besonderen rechtlichen Ausgestaltung der Versicherungsforderung als Freistellungsanspruch kam hierbei als möglicher Zessionar ohnehin nur der Geschädigte in Betracht.44 Auch hierdurch suchten die Versicherer sicherzustellen, dass sie sich im Versicherungsfall ausschließlich mit dem jeweiligen Versicherungsnehmer und nicht mit dem geschädigten Dritten auseinanderzusetzen hatten. Insbesondere sollte hierdurch auch verhindert werden, dass der Versicherungsnehmer zum Nachteil des Versicherers kollusiv mit dem Geschädigten zusammenwirkt und in dem vom Geschädigten gegen den Versicherer geführten Prozess zu dessen Lasten als Zeuge auftritt.45 Der Reformgesetzgeber sah in diesen Interessen der Versicherer indes keine tragfähige Grundlage für ein pauschales, formularmäßig vereinbartes Abtretungsverbot und erklärte deshalb in § 108 Abs. 2 VVG entsprechende AVB für unwirksam. Zur Begründung dieses Klauselverbots stützt sich der Gesetzgeber zum einen auf das Interesse des Versicherungsnehmers, in bestimmten Fällen keinen Rechtsstreit gegen den Geschädigten führen zu müssen, beispielsweise aufgrund seiner besonderen Beziehung zu ihm.46 Darüber hinaus betont der Gesetzgeber aber auch besonders, dass dem Geschädigten nach erfolgter Zession die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglicht werden soll.47 e) Gesamtschau: Strukturelle (Wieder-)Annäherung der Haftpflichtversicherung an die Versicherung für fremde Rechnung Durch die sukzessive Stärkung der Rechtsstellung des Geschädigten hat sich die Haftpflichtversicherung im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte immer weiter von ihren historischen Wurzeln einer ausschließlich auf die eigennützige Absicherung von Haftungsrisiken ausgerichteten Versicherungsform entfernt. Die Haftpflichtversicherung ist heute elementarer Bestandteil eines 42
Hierzu und zum Folgenden Bruck/Möller/Koch, § 108 Rn. 3 ff. Bruck/Möller/Koch, § 108 Rn. 3. 44 Vgl. hierzu bereits oben, sub a). 45 Bruck/Möller/Koch, § 108 Rn. 3 m.w.N. 46 BT-Drucks. 16/3945, S. 87 (zu § 108). 47 BT-Drucks. 16/3945, S. 87 (zu § 108); hierzu noch sub C. II. 2. b) bb) (1). 43
ausführlich
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vom Gesetzgeber aus dem Zusammenspiel von Haftungs- und Versicherungsrecht geschaffenen Systems zum Schutz Geschädigter. Entsprechend dieser gewandelten Zwecksetzung hat sich auch die Rechtsstellung des Geschädigten verändert. War dieser ursprünglich am Versicherungsverhältnis gänzlich unbeteiligt, hat er heute in Bezug auf die Versicherungsforderung eine rechtlich in mehrfacher Hinsicht geschützte Position inne. Zusammenfassend wird dieser drittschützende Aspekt als „Sozialbindung“ der Haftpflichtversicherung bezeichnet.48 Das Ausmaß des durch diese „Sozialbindung“ generierten Schutzes variiert graduell zwischen den verschiedenen Unterformen der Haftpflichtversicherung. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung stellen die gesetzlichen Regelungen lediglich sicher, dass dort, wo eine Versicherungsforderung besteht, diese auch dem Geschädigten als Haftungsobjekt zur Verfügung steht. Im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen wird darüber hinaus zugunsten des Geschädigten auch das Vorhandensein einer Versicherungsforderung gewährleistet und ihm zudem unter bestimmten Umständen ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt. In der Pflichtversicherung für Kfz-Halter steht dem Geschädigten schließlich stets ein Direktanspruch gegen den Versicherer zu. Anhand dieser Gesamtschau wird nun die erstaunliche, gleichsam kreisförmige Entwicklung deutlich, die die Haftpflichtversicherung in den vergangenen 150 Jahren durchlaufen hat. Ursprünglich in enger Verbindung zur Unfallversicherung entwickelt, musste sie sich zur Gewinnung einer eigenen Identität zunächst scharf von Letzterer abgrenzen, nur um sich anschließend im Interesse des Geschädigtenschutzes sukzessive wieder an diese anzunähern.49 Durch den Direktanspruch, der dem Geschädigten in der KfzPflichtversicherung immer und in anderen Pflichtversicherungen zumindest unter bestimmten Umständen zusteht, kann der Geschädigte heute in ähnlicher Weise wie bei einer Versicherung für fremde Rechnung unmittelbar aus dem Versicherungsvertrag eigene Rechte ableiten. Bemerkenswert ist hierbei nicht zuletzt, dass die Rechtsstellung des Geschädigten in diesen Fällen gar stärker ausgestaltet ist als diejenige des Versicherten in der Versicherung für fremde Rechnung, bleibt diesem doch im Regelfall die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers versagt.50 Die Rechtsstellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung erschöpft sich damit nicht mehr in der rein faktischen Begünstigung durch einen bloßen Rechtsreflex. Vielmehr kommt ihm in jeder Form der Haftpflichtversicherung eine mehr oder minder stark geschützte Rechtsstellung 48
BGH VersR 1987, 655 f.; 1993, 1222, 1223; NJW-RR 2001, 316; Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 6; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 11. 49 Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei v. Bar, AcP 181 (1981), 289 ff. 50 S.o. sub § 5 A. II. 1.
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zu. Die wirtschaftliche Zwecksetzung der Haftpflichtversicherung erfährt hierdurch eine Zweiteilung: Auf der Passivenseite soll die Versicherungsleistung das Vermögen des Versicherungsnehmers von einer Verbindlichkeit befreien; das in der Versicherungsleistung verkörperte Aktivum soll hingegen dem Geschädigten zufließen. In der Insolvenz des Versicherungsnehmers besteht die besondere Herausforderung für Legislative, Rechtspraxis und Rechtswissenschaft darin, eine insolvenzrechtliche Gestaltung zu finden, welche diese doppelte Zweckrichtung der Haftpflichtversicherung adäquat widerspiegelt. II. Wesentliche Strukturmerkmale der Haftpflichtversicherung Bevor aber die insolvenzrechtliche Behandlung der Haftpflichtversicherung in den Blick genommen werden kann, muss zunächst deren allgemeine rechtliche Struktur genauer betrachtet werden, da diese die insolvenzrechtliche Rechtslage maßgeblich präformiert. 1. Die versicherungsvertraglichen Pflichten des Versicherers Für die Haftpflichtversicherung ist die außerordentlich komplexe Struktur der den Versicherer treffenden Leistungspflichten charakteristisch. Wie sich aus § 100 VVG ergibt, beschränkt sich die im Versicherungsfall bestehende Hauptleistungspflicht des Haftpflichtversicherers nicht auf die Freistellung des Versicherungsnehmers von Ansprüchen Dritter. Vielmehr ist er darüber hinaus auch zur Gewährung von Rechtsschutz gegen die erhobenen Ansprüche verpflichtet. Bevor diese unterschiedlichen Pflichten im Einzelnen betrachtet werden, erscheinen zunächst zwei terminologische Klarstellungen angezeigt: Zum einen ist vorauszuschicken, dass die Begriffe Freistellungsanspruch und Befreiungsanspruch hier entsprechend einem verbreiteten Verständnis in Literatur und Rechtsprechung synonym verwendet werden.51 Zum anderen soll der Begriff des Freistellungs- bzw. Befreiungsanspruchs hier entsprechend der terminologischen Verwendung in §§ 100, 106 S. 1 VVG52 ausschließlich den auf die Befriedigung des Drittgläubigers gerichteten Anspruch des Freistellungsgläubigers bezeichnen. Diese Klarstellung ist notwendig, da bürgerlichrechtliche Freistellungsansprüche die Ansprüche auf Befriedigung berechtigter Forderungen und auf Abwehr unberechtigter For51
Vgl. hierzu statt vieler BGH NJW 2010, 2197, 2199 (zum Freistellungsanspruch aus §§ 670, 257 BGB); Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 2 (zum Freistellungsanspruch aus § 100 VVG); Bischoff, ZZP 120 (2007), 237 (allgemein zu Freistellungsansprüchen); anders dagegen Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 4 f. (Freistellungsanspruch als speziellerer Begriff, der ausschließlich arbeitsrechtliche Befreiungsansprüche kennzeichnet). 52 Baumann, VersR 2010, 984, 985 hält den Wortlaut des § 100 VVG dagegen insoweit für nicht eindeutig.
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derungen in sich vereinen, die in § 100 VVG separat genannte Rechtsschutzkomponente nach bürgerlichrechtlichem Verständnis also integraler Bestandteil des Freistellungsanspruchs ist.53 Teilweise wird insoweit vom Freistellungsanspruch im weiteren Sinne gesprochen.54 Entsprechend der Terminologie des § 100 VVG wird im Folgenden aber zwischen dem Freistellungsanspruch und dem Rechtsschutzanspruch des Versicherungsnehmers unterschieden, mit anderen Worten ist der Begriff des Freistellungsanspruchs hier ausschließlich im engeren Sinne zu verstehen. a) Die Verpflichtung des Versicherers zur Gewährung von Rechtsschutz Obgleich im Bewusstsein der breiten Bevölkerung nicht immer hinreichend präsent55 ist die Verpflichtung des Versicherers zur Gewährung von Rechtsschutz zentraler Bestandteil jeder Haftpflichtversicherung. Anders als dies der Wortlaut des § 100 VVG nahelegt, hat der Versicherer Rechtsschutz sowohl gegen unbegründete als auch gegen begründete Ansprüche Dritter zu gewähren.56 Die Rechtsschutzverpflichtung des Versicherers umfasst die Prüfung der geltend gemachten Ansprüche57 sowie die Führung aller Verhandlungen und Prozesse58 über diese.59 Um diese Verpflichtungen erfüllen zu können, lassen sich die Versicherer in den AVB des jeweiligen Versicherungsvertrages regelmäßig für außergerichtliche Verhandlungen über die Ansprüche eine Regulierungsvollmacht (Nr. 5.2 Abs. 1 AHB)60 und für gerichtliche Verfahren eine Prozessvollmacht (Nr. 5.2 Abs. 2 AHB) einräumen. Auf Grundlage der Letzteren kann der Versicherer den jeweiligen Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers61 führen und ist dazu berechtigt
53
Vgl. BGH NJW-RR 2008, 256, 258; NJW 1983, 1729, 1730. So z.B. Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 2 f.; Baumann, VersR 2010, 984, 985 ff. 55 Vgl. hierzu BGH NJW 2007, 2258, 2260; Littbarski, AHB, Vorb. Rn. 48. 56 Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 9; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 18. 57 Die Prüfung der Ansprüche ist notwendige Vorbedingung der Entscheidung darüber, ob diese erfüllt werden sollen oder ob und wie gegen diese eine Verteidigung angezeigt ist. Aus diesem Grund ist die Prüfungspflicht integraler Bestandteil der Rechtsschutzverpflichtung des Versicherers, vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 85 (zu § 100); Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 102 ff.; Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 9; die ausdrücklich Erwähnung dieser Prüfungspflicht in Ziff. 5.1 Abs. 1 AHB hat deshalb nur deklaratorischen Charakter. 58 Zu den verschiedenen Formen möglicher Prozesse, die der Versicherer in Erfüllung seiner Rechtsschutzverpflichtung zu führen haben kann ausführlich Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 127 ff. 59 Vgl. Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 9; Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn. 1653. 60 Ausführlich zum Umfang dieser Vollmacht und den damit verbundenen Streitfragen Armbrüster, r+s 2010, 441, 443 f. m.w.N. 61 Aus diesem Grund ist es ungenau von der „Prozessführungsbefugnis“ des Versicherers zu sprechen, steht diese doch nur dann in Rede, wenn fremde Rechte in eigenem Na54
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(und aufgrund seiner Rechtsschutzpflicht auch dazu verpflichtet), einen Rechtsanwalt zu bestellen, der seinen Weisungen unterliegt.62 Der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Gewährung von Rechtsschutz wird in dem Moment fällig, in dem ein Dritter einen in den Bereich des versicherten Risikos fallenden Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend macht.63 Flankiert wird die Verpflichtung des Versicherers zur Gewährung von Rechtsschutz durch die Regelung des § 101 Abs. 1 VVG. Demnach hat der Versicherer die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu tragen, die im Rahmen des Rechtsschutzes anfallen. Soweit der Versicherer entsprechend seiner vertraglichen Pflicht den Rechtsschutz selbst gewährt, er also selbst die Verhandlungen führt und einen Anwalt beauftragt, hat die Regelung freilich nur deklaratorischen Charakter. Die entsprechenden Kosten fallen in diesem Fall ohnehin in der Person des Versicherers an, sodass kein Raum für einen Kostenerstattungsanspruch des Versicherungsnehmers bleibt. Eigene Ansprüche kann der Versicherungsnehmer aber zumindest in drei Fällen aus der Regelung ableiten: Zunächst ist hier der Fall zu nennen, dass der Versicherer es auf einen Prozess mit dem Dritten ankommen lässt und hierbei unterliegt. Da die hierdurch gem. § 91 ZPO entstehende Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten den Versicherungsnehmer als Prozesspartei trifft, muss diesem aus §§ 100, 101 Abs. 1 S. 1 VVG ein Anspruch gegen den Versicherer auf Erstattung dieser Kosten zukommen.64 Hiervon sind sowohl die Gerichtskosten als auch die nach § 91 ZPO erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten des Dritten umfasst. Des Weiteren kommt der Pflicht des Versicherers zur Kostentragung eine eigenständige Bedeutung zu, soweit der Versicherer seiner Rechtsschutzverpflichtung unberechtigter Weise nicht nachkommt und die Regulierung des Haftpflichtanspruchs damit in die Hände des Versicherungsnehmers fällt. Gem. §§ 100, 101 Abs. 1 S. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer in diesem Fall die Erstattung der ihm hierdurch anfallenden Kosten verlangen, soweit die Aufwendung dieser Kosten den Umständen nach geboten war.65
men geltend gemacht werden (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 1); so aber u.a. Armbrüster r+s 2010, 441, 444 f. 62 Armbrüster, r+s 2010, 441, 444 f.; Prölss/Martin/Lücke, AHB Ziff. 5 Rn. 24, 31. 63 Statt vieler Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 14 m.w.N.; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 18. 64 Vgl. hierzu Bruck/Möller/Koch, § 101 Rn. 19 (dort allerdings wohl bezogen auf den Fall, dass aufgrund einer unberechtigten Deckungsverweigerung durch den Versicherer der Versicherungsnehmer selbst die Abwehr des Anspruchs übernahm). 65 Ausführlich hierzu Bruck/Möller/Koch, § 101 Rn. 6, 15 ff.
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b) Die Verpflichtung des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers von den Haftpflichtforderungen des Dritten Neben die Pflicht zur Gewährung von Rechtsschutz tritt die Pflicht des Versicherers, berechtigte Haftpflichtforderungen Dritter zu befriedigen. Wie bereits dargelegt wurde, hat die Rechtsprechung den entsprechenden Anspruch des Versicherungsnehmers bereits frühzeitig richterrechtlich als Freistellungsanspruch ausgeformt, was schließlich in § 100 VVG n.F. gesetzliche Bestätigung gefunden hat. Dieser Freistellungsanspruch ist seiner Rechtsnatur nach gerade kein Zahlungsanspruch, sondern auf die Vornahme einer vertretbaren Handlung gerichtet.66 Obwohl die Versicherungsforderung in das Vermögen des Versicherungsnehmers fällt, kann dieser nicht verlangen, dass der Versicherer die Entschädigungsleistung an ihn auszahlt. Er ist vielmehr darauf beschränkt, die Befreiung von der Haftpflichtforderung des Geschädigten zu verlangen. Seine Pflicht zur Schuldbefreiung wird der Versicherer hierbei zumeist durch Befriedigung der Haftpflichtforderung erfüllen. Soweit die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen, steht es dem Versicherer aber gleichermaßen offen, die Befreiung durch ein Erfüllungssurrogat oder auf anderem Wege (bspw. durch Vergleich oder privative Schuldübernahme) herbeizuführen.67 In dieser Ausgestaltung der Versicherungsforderung spiegelt sich die wirtschaftlich doppelte Zweckrichtung der Haftpflichtversicherung wider, wie sie sich aus der eingangs beschriebenen historischen Entwicklung ergab: Der Versicherungsnehmer kann lediglich die Befreiung seines Vermögens von dem jeweiligen Passivum verlangen. Das in der Versicherungsleistung verkörperte Aktivum fließt dagegen im Regelfall dem Geschädigten zu.68 Anders als der Anspruch auf Rechtsschutzgewährleistung wird der Freistellungsanspruch nicht bereits mit der Geltendmachung der Haftpflichtforderung durch den Dritten fällig. Gem. § 106 VVG setzt die Fälligkeit vielmehr voraus, dass die Haftpflichtforderung mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt wurde. Dem muss die widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle gleichgestellt werden, soweit sie im Deckungsverhältnis Bindungswirkung zeitigt. Die einzelnen Voraussetzungen und Rechtsfolgen
66
Vgl. allgemein zu Befreiungsansprüchen BGHZ 25, 1, 7; Körner, Der Schuldbefreiungsanspruch in der Insolvenz des Befreiungsgläubigers, S. 25; Ehricke, KTS 2008, 257, 258; Bischoff, ZZP 120 (2007), 237 f.; Gursky, KTS 1973, 27, 28; a.A. Trinkl, NJW 1968, 1077. 67 Zum Ganzen statt vieler Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 121 m.w.N.; allgemein zum Inhalt von Freistellungsansprüchen Gursky, KTS 1973, 27, 28. 68 Allgemein zu dieser wirtschaftlichen Struktur zivilrechtlicher Freistellungsansprüche Ehricke, KTS 2008, 257 f.; Gursky, KTS 1973, 27, 29.
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dieser Bindungswirkung werden an späterer Stelle noch einer genaueren Untersuchung unterzogen.69 Die ganz h.M. nimmt an, dass sich der Freistellungsanspruch aus § 100 VVG zumindest in vier Fällen in einen Zahlungsanspruch verwandelt.70 Dies ist demnach der Fall, wenn der Freistellungsgläubiger den Drittgläubiger mit bindender Wirkung gem. § 106 S. 2 VVG befriedigt71 (bzw. dieser die Befriedigung im Wege des zwangsweisen Zugriffs auf das Vermögen des Freistellungsgläubigers erreicht72), wenn der Freistellungsanspruch im Wege der Individualrechtsnachfolge (Zession)73 oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Erbfolge) auf den Drittgläubiger übergeht74, wenn der Drittgläubiger im Wege der Pfändung und Überweisung auf den Freistellungsanspruch zugreift75 und schließlich auch in der Insolvenz des Versicherungsnehmers76. c) Verhältnis von Rechtsschutz- und Freistellungsverpflichtung: einheitliche Versicherungsforderung mit rechtlich unterscheidbaren Komponenten Nach heute ganz h.M. handelt es sich bei den aus § 100 VVG entspringenden Ansprüchen auf Rechtsschutz und auf Freistellung nicht um zwei voneinander getrennte Ansprüche, sondern lediglich um zwei Ausprägungen einer einheitlichen Versicherungsforderung.77 Zur Vermeidung von Missverständnissen bedarf dies allerdings der Präzisierung: Die Versicherungsforderung ist insoweit als einheitlich zu verstehen, als die Verjährungsfrist für alle Aus69
Unten sub 2. b) cc). Aufzählung im Wesentlichen nach Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 15. 71 Zu § 100 VVG statt vieler: Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 8; Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 114; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider, § 24 Rn. 144c; zum alten Recht: BGH NJW 1968, 836; allgemein zu Freistellungsansprüchen: Bischoff, ZZP 120 (2007), 237, 238. 72 Anders noch zum alten Recht BGH VersR 1959, 701, 703 (kein Primäranspruch des Freistellungsgläubigers auf Zahlung, sondern Schadensersatzansprüche wegen Unmöglichkeit der Freistellung); dagegen z.B. Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 114 m.w.N. 73 Zu § 100 VVG statt vieler: Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 7; Klimke, r+s 2014, 105, 110; zum alten Recht: BGH VersR 1975, 655, 656 (zum Spezialfall einer gem. § 27 Abs. 1 GüKG a.F. abgeschlossenen Pflichtversicherung); allgemein zu Freistellungsansprüchen: Bischoff, ZZP 120 (2007), 237, 246. 74 Die Haftpflichtforderung, von welcher der Freistellungsgläubiger freizustellen ist, erlischt in diesem Fall nach ganz h.M. ausnahmsweise nicht durch Konfusion, vgl. zum Ganzen Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 100 Rn. 76 ff. 75 Zu § 100 VVG statt vieler: Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 7; Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 109; zum alten Recht: BGH r+s 2007, 191, 195. 76 Hierzu noch ausführlich unten, sub C. I. 77 BGH NJW 1956, 826, 827; 1960, 1346, 1347; VersR 1966, 229; 1971, 333; 2003, 900, 901; Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 12; Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 84; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 100 Rn. 58; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 149 Rn. 4; a.A. Langheid/Rixecker, § 100 Rn. 31. 70
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prägungen des Anspruchs, also sowohl für die Rechtsschutz- als auch für die Freistellungskomponente zu einem einheitlichen Zeitpunkt zu laufen beginnt.78 Die einheitliche Versicherungsforderung entsteht – zumindest auf dem Boden der herrschenden „Geldleistungstheorie“79 – als aufschiebend bedingter Anspruch gem. § 158 Abs. 1 BGB mit Eintritt des Versicherungsfalls. Sie trägt bereits zu diesem Zeitpunkt das Potential all ihrer unterschiedlichen Ausprägungen in sich. Durch die Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts wird in § 106 VVG allerdings geregelt, dass die Versicherungsforderung einige ihrer potentiellen Ausprägungen erst später oder – bei Nichteintritt des fälligkeitsauslösenden Ereignisses – nie entfaltet.80 Die Einheitlichkeit der Versicherungsforderung in Bezug auf ihren Entstehungszeitpunkt schließt es freilich nicht aus, ihre verschiedenen Ausprägungen als abtrennbare Komponenten zu begreifen, die auch einer individuellen rechtlichen Behandlung unterworfen werden können. So bringt insbesondere § 108 Abs. 2 VVG zum Ausdruck, dass der versicherungsrechtliche Freistellungsanspruch im Wege der Zession auf den Geschädigten übertragen werden kann. Im Falle einer solchen Abtretung bleibt die Rechtsschutzkomponente der Versicherungsforderung beim Versicherungsnehmer zurück und es kommt zu einer Aufspaltung der vormals einheitlichen Versicherungsforderung.81 Nach h.M. soll dem Versicherer zunächst ein Wahlrecht zwischen der Gewährung von Rechtsschutz und der Freistellung des Versicherungsnehmers zukommen.82 Dies darf allerdings nicht dahin missverstanden werden, dass dieses Wahlrecht eine eigenständige Einwendung oder Einrede des Versicherers gegen das Freistellungsverlangen des Versicherungsnehmers begründet.83 Das Wahlrecht folgt vielmehr allein aus dem Umstand, dass der Freistellungsanspruch vor der bindenden Feststellung der Haftpflichtforderung zwar erfüllbar, gem. § 106 Abs. 1 VVG aber noch nicht fällig ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers ganz verschiedene Leistungspflichten zum Inhalt 78 BGH NJW 1960, 1346, 1347; Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 12; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 100 Rn. 58. 79 Zu dieser bereits oben § 6 Fn. 191. 80 A.A. Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 2, der meint, dass § 106 VVG auch die Entstehung des Freistellungs- oder Zahlungsanspruchs regelt, freilich ohne zu erklären, wie dies mit der von ihm geteilten Annahme einer einheitlichen Versicherungsforderung zu vereinbaren ist; dagegen Thole, NZI 2013, 665, 667. 81 Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 31; Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 89; Armbrüster, r+s 2010, 441, 448 f.; Lange, r+s 2007, 401, 403; Winter, r+s 2001, 133, 135; a.A. Baumann, VersR 2010, 984, 986. 82 Statt vieler Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 85 ff. m.w.N.; a.A. Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 2. 83 So aber z.B. Wolf/Schramm, r+s 2009, 358, 361; Lange, r+s 2007, 401, 403, vgl. hierzu noch eingehender unten sub C. II. 2. b) bb) (1).
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haben kann. Zu nennen sind der Anspruch auf Rechtsschutzgewährleistung (§ 100 VVG) und damit zusammenhängend verschiedene Ansprüche auf Kostenerstattung (§§ 100, 101 VVG) sowie der Freistellungsanspruch (§ 100 VVG), der sich unter Umständen in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Diese Gemengelage unterschiedlicher Ansprüche bzw. Anspruchsinhalte trägt zur besonderen Schwierigkeit des Unterfangens bei, die insolvenzrechtliche Stellung des Geschädigten richtig zu erfassen. Insbesondere wird an späterer Stelle noch zu untersuchen sein, auf welche dieser Ansprüche bzw. Anspruchsinhalte sich die insolvenzrechtlichen Privilegierungen des Geschädigten im Einzelnen beziehen.84 2. Trennungsprinzip und Bindungswirkung a) Materielles und prozessuales Trennungsprinzip Wird die Stellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung behandelt, so fehlt selten ein Verweis auf das grundlegende Prinzip der Trennung von Deckungs- und Haftpflichtverhältnis.85 Dieses Trennungsprinzip lässt sich in eine materielle und eine prozessuale Komponente unterteilen.86 Aus seiner materiellrechtlichen Ausprägung folgt, dass der Geschädigte grundsätzlich keinerlei Rechte an der Versicherungsforderung hält, er vielmehr im Ausgangspunkt auf seine Haftpflichtforderung gegen den Versicherungsnehmer beschränkt bleibt. Anknüpfend an diese materielle Rechtslage fordert das prozessuale Trennungsprinzip, dass Haftpflicht- und Deckungsprozess strikt voneinander zu trennen sind. Über die Fragen nach Bestand und Höhe der gegenüber dem Geschädigten bestehenden Haftpflicht des Versicherungsnehmers soll demnach ausschließlich in einem zwischen diesen Parteien zu führenden Haftpflichtprozess entschieden werden. Die Prüfung der versicherungsvertraglichen Pflichten des Versicherers bleibt dagegen einem zwischen diesem und dem Versicherungsnehmer zu führenden Deckungsprozess vor-
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Unten sub C. II. 1. b). Dieses Prinzip fand bereits früh die Anerkennung des RG und liegt bis heute der ständigen Rechtsprechung des BGH zugrunde, vgl. RGZ 113, 286, 290; 135, 368, 369; 141, 185, 187; 141, 410, 414; 148, 282, 285; 154, 340, 341; BGH r+s 2001, 408, 409; 2004, 232, 233; 2006, 149; 2007, 241, 242; 2011, 66; 2011, 430, 431; aus der Literatur seien hier exemplarisch statt vieler nur genannt Bruck/Möller/Koch, Vor §§ 100–112 Rn. 92 ff.; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 4 und Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1087 ff. 86 Hierzu und zum Folgenden Bruck/Möller/Koch, Vor §§ 100–112 Rn. 92 f.; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1087 f.; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, Vor § 100 Rn. 9; Armbrüster, r+s 2010, 441, 442 f.; anders dagegen BGH VersR 1980, 625, 627; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vor §§ 100–124 Rn. 102 (Trennungsprinzip im Kern prozessualer Natur). 85
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behalten. Das prozessuale Trennungsprinzip soll damit vor allem die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten hindern. Es ist offenkundig, dass das Trennungsprinzip ein Produkt der die Frühphase der Haftpflichtversicherung prägenden „egoistischen“ Konzeption 87 dieser Versicherungsform ist. Für diese Konzeption war es geradezu prägend, dass der Geschädigte in keine unmittelbare rechtliche Beziehung zum Versicherer und zu dessen Versicherungsleistung trat.88 Das Trennungsprinzip sicherte dem Versicherungsnehmer die Rechtsmacht, autonom über das Schicksal der Versicherungsforderung entscheiden zu können. In dem Maße, in dem der Schutz des Geschädigten im Laufe der Entwicklungsgeschichte der Haftpflichtversicherung zunehmend ausgebaut wurde, musste sich freilich auch das Bild des „reinen“ Trennungsprinzips eintrüben. Evident ist dies dort, wo dem Geschädigten ein Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird. Aber auch die allgemeine Regelung des § 108 Abs. 1 VVG relativiert das Trennungsprinzip bereits erheblich. Zwar erlangt der Geschädigte durch sie kein Recht an der Versicherungsforderung im eigentlichen Sinne. Gleichwohl wird durch die darin enthaltenen Verfügungsbeschränkungen sichergestellt, dass die Versicherungsforderung ausschließlich ihm als Haftungsobjekt zur Verfügung steht, er also eine rechtlich geschützte Stellung in Bezug auf diese einnimmt. Auch das Absonderungsrecht aus § 110 VVG (genauer: das ihm zugrundeliegende ungeschriebene Pfandrecht) durchbricht das materielle Trennungsprinzip deutlich. Das Trennungsprinzip ist im Lichte des Prinzips der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung also zunehmend verblasst. b) Die Bindungswirkung von Urteilen, Vergleichen und Anerkenntnissen im Haftpflichtverhältnis Ergänzt89 wird das Trennungsprinzip durch die Bindungswirkung, die auf das Haftpflichtverhältnis bezogene rechtskräftige Urteile, Anerkenntnisse und Vergleiche im Deckungsverhältnis entfalten. Aufgrund der bis zur VVGReform 2008 rechtlich zulässigen und in nahezu allen AVB enthaltenen kautelarjuristischen Anerkenntnisverbote erlangte die Bindungswirkung von Anerkenntnissen und Vergleichen bislang kaum praktische Bedeutung.90 Im Fokus der Aufmerksamkeit stand vielmehr die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile. Primäre Rechtsfolge dieser Bindungswirkung ist, dass die Fest87
Hierzu ausführlich oben sub A. I. 1. Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 67. 89 Es besteht eine Kontroverse darüber, ob die Bindungswirkung das Trennungsprinzip ergänzt (so z.B. BGH r+s 2011, 430, 431; Bruck/Möller/Koch, Vor §§ 100–112 Rn. 94) oder durchbricht (so z.B. Armbrüster, r+s 2010, 441, 443). Praktische Bedeutung kommt der jeweils vorgenommenen Einordnung freilich nicht zu. 90 Vgl. hierzu Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 28; Klimke, r+s 2014, 105 f. 88
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stellungen eines im Haftpflichtprozess zwischen Geschädigtem und Versicherungsnehmer ergangenen Urteils über Bestand und Umfang der Haftung auch für das Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer verbindlich sind, diese mithin im Deckungsprozess keiner erneuten Prüfung unterzogen werden dürfen.91 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die jeweiligen Feststellungen nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz für das Haftpflichturteil bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung entscheidungserheblich waren (Erfordernis der Voraussetzungsidentität).92 Bei der Bindungswirkung handelt es sich allerdings nicht um einen Fall der Rechtskrafterstreckung.93 Die Bindung der Parteien im Deckungsverhältnis ergibt sich vielmehr aus einer (ergänzenden) Auslegung des Versicherungsvertrages.94 Die Verbindlichkeit der Feststellungen des Haftpflichturteils für den Deckungsprozess ist indes nicht die einzige Rechtsfolge der Bindungswirkung. Wie bereits dargestellt wurde, ist auch die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs des Versicherungsnehmers gem. § 106 VVG an sie geknüpft. Für die Rechtsstellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers ist die Bindungswirkung von ganz erheblicher Bedeutung. Die Ausübung des ihm an der Versicherungsforderung gem. § 110 VVG zustehenden Absonderungsrechts wird maßgeblich davon beeinflusst, wann die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs eintritt und inwiefern dieser durch im Haftpflichtverhältnis erfolgte Feststellungen vorgeprägt wird. Für den Geschädigten von besonderem Interesse ist hierbei, inwiefern die Bindungswirkung auch durch eine widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle herbeigeführt werden kann. Diese – bislang zumeist nur am Rande erörterte – Frage kann nur dann abschließend beantwortet werden, wenn zunächst Gewissheit gewonnen wurde über Grund 91 Statt aller BGH r+s 2011, 66; 2011, 430, 431; 2007, 241, 242; 2004, 232, 233; Bruck/Möller/Koch, Vor §§ 100–112 Rn. 94; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1089. 92 BGH VersR 2004, 590 f.; 2006, 106, 107 f.; 2007, 641, 642; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 5, § 33 Rn. 77; Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1089. 93 Ausführlich zu den Unterschieden der Wirkungsweise der Bindungswirkung gegenüber derjenigen einer Rechtskrafterstreckung Peters, Die Bindungswirkung, S. 75 ff. 94 So wohl bereits RGZ 3, 21, 24 f. In der Rechtsprechung des BGH wurde dieser Ansatz indes zunächst verdrängt durch eine Ableitung der Bindungswirkung aus der vermeintlich in den gesetzlichen Regelungen der §§ 149, 154 Abs. 1, 156 Abs. 2 VVG a.F. zum Ausdruck kommenden „Natur“ der Haftpflichtversicherung. Seit der Entscheidung BGHZ 119, 276, 280 f. wird die Bindungswirkung aber in ständiger Rechtsprechung wieder auf die (ergänzende) Auslegung des Versicherungsvertrages gestützt, vgl. BGH NVersZ 2001, 473, 474; r+s 2006, 149, 150. Ausführlich zu dieser Entwicklungsgeschichte und zur Begründung der Vertragsauslegung als dogmatischer Grundlage der Bindungswirkung Peters, Die Bindungswirkung, S. 3 ff., 35 ff.; zustimmend heute auch die h.L., vgl. statt vieler Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 5; Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 14 ff. m.w.N; Hagen, NVersZ 2001, 341, 342 m.w.N.
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und Umfang der Bindungswirkung von Urteilen, Anerkenntnissen und Vergleichen. aa) Voraussetzungen der Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile Obwohl die Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile nunmehr seit über 100 Jahren fester Bestandteil der haftpflichtversicherungsrechtlichen Dogmatik ist, konnte dieses Rechtsinstitut bis heute keiner abschließenden dogmatischen Konturierung zugeführt werden. Der exakte rechtliche Grund und damit einhergehend die Voraussetzungen der Bindungswirkung bilden vielmehr den Gegenstand einer seit langem schwelenden Kontroverse. Durch die Neufassung des § 106 S. 1 VVG im Rahmen der VVG-Reform 2008 wurde dieser Streit jüngst erneut angefacht. Zwar spielen die Meinungsverschiedenheiten in praxi nur in (pathologischen) Spezialfällen eine Rolle. Wie sich noch zeigen wird, ist die Kontroverse für die Frage der Bindungswirkung einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle aber von ganz zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund ist sie hier einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. (1) Bindungswirkung nur bei Prozessführung durch Versicherer oder unberechtigter Ablehnung der Abwehrdeckung? In ihrem Kern dreht sich die Auseinandersetzung um die Frage, auf welche Weise ein Haftpflichturteil zustande gekommen sein muss, um die beschriebene Bindungswirkung zeitigen zu können. Teilweise wird insoweit angenommen, dass Haftpflichturteile nur dann Bindungswirkung entfalten, wenn der Versicherer die Prozessführung in Erfüllung seiner Pflicht zur Rechtsschutzgewährleistung selbst übernommen oder aber die Abwehrdeckung unberechtigterweise verweigert hat.95 Praktisch relevant ist diese Begrenzung vor allem für Fälle, in denen der Versicherungsnehmer den Versicherer entgegen seiner Anzeigeobliegenheiten (§ 104 Abs. 2 VVG) nicht über den Prozess informiert hat und der Versicherer aus diesem Grund seiner Pflicht zur Rechtsschutzgewährleistung nicht nachkommen konnte. Hier will die genannte Ansicht eine Bindungswirkung des ohne Beteiligung des Versicherers zustande gekommenen Haftpflichturteils ablehnen.96 Um die Bindungswirkung herbeizuführen sei in solchen Fällen ein besonderer, gegen den Versicherer zu führender „Bindungsprozess“ notwendig.97
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So Langheid, VersR 2009, 1043, 1045 f.; Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 19 ff.; Thume, VersR 2010, 849, 851 f.; ähnlich auch Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 106 Rn. 17. 96 Vgl. Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 24. 97 Langheid, VersR 2009, 1043, 1046; Thume, VersR 2010, 849, 852.
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Dieser Auffassung liegt eine ganz bestimmte, grundlegend von Wolfgang Peters in seiner 1985 veröffentlichten Dissertation entwickelte Deutung des rechtlichen Grundes der Bindungswirkung zugrunde. Nach dieser ist die dem Versicherungsvertrag durch Auslegung zu entnehmende Bindungswirkung das notwendige Korrelat zur umfassenden Dispositionsbefugnis des Versicherers über das Haftpflichtverhältnis.98 Da die Führung des Haftpflichtprozesses nach dem Versicherungsvertrag in der Verantwortung des Versicherers liegen soll, sei es interessengerecht, diesen auch an das Ergebnis des Prozesses zu binden. Soweit der Versicherer seiner vertraglichen Pflicht zur Führung des Prozesses nachkommt, ergebe sich dies bereits aus dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Da der Versicherer selbst auf den Haftpflichtprozess Einfluss nehmen konnte, müsse es ihm verwehrt sein, später dessen Ergebnis infrage zu stellen und dem Geschädigten damit ein doppeltes Prozessrisiko aufzuladen.99 Die eigenverantwortliche Prozessführung begründe für den Versicherer eine „akzeptable Richtigkeitsgewähr“ hinsichtlich des Prozessergebnisses, die seine Bindung an das Haftpflichturteil zumutbar erscheinen lasse.100 Dieser Gedankengang wurde später von Udo Fetzer pointiert auf die Formel gebracht, „aus der Abwehrzuständigkeit des Versicherers folg[e] seine Ergebnisverantwortlichkeit.“101 Aber auch dann, wenn der Versicherer die Erfüllung seiner vertraglichen Abwehrverpflichtung verweigert und die Führung des Versicherungsprozesses damit in die Hände des Versicherungsnehmers legt, sei es interessengerecht, jenen an das Prozessergebnis zu binden. Der Versicherer dürfe aus seiner Pflichtverletzung keine Vorteile ziehen und sei deshalb so zu behandeln als habe er dem Versicherungsnehmer die Prozessführung gestattet.102 Kern dieser Ansicht ist mithin ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Dispositionsbefugnis des Versicherers über das Haftpflichtverhältnis auf der einen und der Bindungswirkung auf der anderen Seite. Aus diesem Abhängigkeitsverhältnis wird gefolgert, dass die Bindungswirkung ausgeschlossen sein müsse, wenn die Dispositionsbefugnis des Versicherers faktisch vereitelt wurde und dieser von vornherein keinerlei Möglichkeit hatte, den Haftpflichtprozess zu beeinflussen, weil der Versicherungsnehmer ihn nicht über den Prozess informiert hat. 98
Peters, Die Bindungswirkung, S. 45 ff.; dem folgend Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 15 ff.; Fetzer, VersR 1999, 793, 797 und wohl auch Langheid/Rixecker, § 100 Rn. 33 f. 99 Peters, Die Bindungswirkung, S. 50 f.; Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 17 ff. 100 Hierzu Peters, Die Bindungswirkung, S. 46 ff. 101 Fetzer, VersR 1999, 793, 797. 102 Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 26; etwas andere Begründung dagegen bei Peters, Die Bindungswirkung, S. 56 f., der die Bindungswirkung hier zum einen auf den Gedanken des Schadensersatzes und zum anderen auf eine in der Deckungsablehnung begründete konkludente Gestattung der Prozessführung durch den Versicherungsnehmer stützt; vgl. auch BGH r+s 1992, 406, 408.
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Die Vertreter dieser Ansicht sehen sich durch die VVG-Reform 2008 bestätigt. Insbesondere Langheid geht davon aus, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 106 S. 1 VVG zum Ausdruck bringen wollte, dass die Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile im soeben beschriebenen Sinne beschränkt werden sollte.103 Im Unterschied zur Vorgängernorm des § 154 Abs. 1 S. 1 VVG legt der § 106 S. 1 VVG fest, dass die Fälligkeit des Freistellungsanspruchs nur dann durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich herbeigeführt werden kann, wenn diese gegenüber dem Versicherer bindende Wirkung entfalten. Indem der Gesetzgeber den Zusatz „mit bindender Wirkung“ hierbei nicht nur auf Anerkenntnis und Vergleich, sondern auch auf die rechtskräftigen Urteile bezogen hat, habe er nach der Deutung Langheids zum Ausdruck bringen wollen, dass auch rechtskräftigen Haftpflichturteilen nur unter besonderen – eben den zuvor beschriebenen – Bedingungen diese Bindungswirkung zukommen solle. Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung gestützt. Nach dieser sei der Zusatz „mit bindender Wirkung für den Versicherer“ zwar „vor allem“ im Hinblick auf den Wegfall der vertraglichen Anerkenntnis- und Befriedigungsverbote eingefügt worden.104 Mit dieser Wortwahl komme aber implizit zum Ausdruck, dass das Erfordernis daneben auch für die Fallgruppe der rechtskräftigen Urteile Bedeutung haben müsse. (2) Bindungswirkung zumindest aller kontradiktorischen Haftpflichturteile? Die wohl nach wie vor h.M. lehnt eine solche Einschränkung der Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile indes ab. Vor der VVG-Reform ging die Mehrzahl der Autoren davon aus, dass rechtskräftige Haftpflichturteile den Versicherer im Deckungsverhältnis auch dann binden, wenn dieser mangels Benachrichtigung durch den Versicherungsnehmer nicht am vorangegangenen Prozess beteiligt war.105 Auch der BGH schien dieser Ansicht zuzuneigen, wenn er wiederholt feststellte, die Bindungswirkung trete ohne Rücksicht darauf ein, ob der Versicherer am Haftpflichtprozess beteiligt war.106 Als maßgebliches Argument gegen eine Beschränkung der Bindungswirkung wurde angeführt, dass eine solche Beschränkung das diffizile Regelungssystem der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten unterlaufen wür-
103
Hierzu und zum Folgenden Langheid, VersR 2009, 1043, 1045 f.; zustimmend Thume, VersR 2010, 849, 851 f. 104 Vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 86 (zu § 106). 105 So z.B. Bruck/Möller/Johannsen, 8. Aufl., §§ 149 bis 158a Anm. B 64 m.w.N.; Prölss/Martin/Voit/Knappmann, 27. Aufl., § 149 Rn. 29; wohl auch Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 163. 106 BGH NJW 1963, 441; BGH VersR 1977, 174, 175.
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de.107 Wie bereits angedeutet wurde, liegt in der mangelnden Anzeige des Haftpflichtprozesses durch den Versicherungsnehmer eine Verletzung entsprechender gegenüber dem Versicherer bestehender Obliegenheiten (vgl. § 153 Abs. 2, 4 VVG a.F., heute § 104 Abs. 2 S. 1 VVG) begründet. Eine solche Obliegenheitsverletzung kann jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen, insbesondere muss hierzu ein zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers vorliegen (vgl. § 6 Abs. 3 VVG a.F., heute § 28 Abs. 2 VVG). Verneine man nun aber aufgrund einer mangelnden Anzeige des Haftpflichtprozesses die Bindungswirkung des Haftpflichturteils und erlaube man es dem Versicherer in der Folge, dem Deckungsbegehren des Versicherungsnehmers Einwendungen aus dem Haftpflichtverhältnis entgegenzuhalten, so könne die Obliegenheitsverletzung auf diesem Wege unabhängig vom Verschulden des Versicherungsnehmers zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Dies sei mit den soeben geschilderten versicherungsrechtlichen Vorgaben unvereinbar. Auch heute hält die h.M. an dieser Ansicht fest. Die maßgeblich von Langheid entwickelte Deutung, durch die VVG-Reform habe der Gesetzgeber die Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile einschränken wollen, wird mehrheitlich abgelehnt.108 Demnach könne nicht angenommen werden, dass das bisher nahezu allgemein akzeptierte und für die Funktionsweise der Haftpflichtversicherung elementare Grundprinzip der Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile ohne weitere Erläuterung in der Gesetzesbegründung allein durch die Einfügung des oben genannten Passus wesentlich eingeschränkt werden sollte.109 Gleichwohl sieht auch die h.M. ein gewisses Bedürfnis, die Bindungswirkung in Reaktion auf die VVG-Reform für bestimmte Haftpflichturteile auszuschließen. Wenn unter der alten Rechtslage weithin auch Anerkenntnisurteilen gem. § 307 ZPO die Bindungswirkung zuerkannt wurde,110 so geschah dies vor dem Hintergrund, dass die Versicherer in diesen Fällen als durch die regelmäßig in den Versicherungsverträgen enthaltenen Anerkenntnisverbote ausreichend geschützt angesehen wurden. Mit der Unzulässigkeit versicherungsvertraglicher Anerkenntnisverbote gem. § 105 VVG läuft der Versicherer indes nunmehr Gefahr, dass es ohne seine Mitwirkung zu einem Anerkenntnisurteil oder zu einem Prozessvergleich kommt, ohne dass er hierdurch von seiner Leistungspflicht befreit wird. Um die hierdurch für den Versiche107
Bruck/Möller/Johannsen, 8. Aufl., §§ 149 bis 158a Anm. B 64; ebenso heute Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 5; Klimke, r+s 2014, 105, 109. 108 LG Bonn, r+s 2013, 493, 494; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 106 Rn. 20 ff., 50 ff.; Schimikowski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 106 Rn. 2; Armbrüster, r+s 2010, 441, 446; Schlegelmilch, VersR 2009, 1467; Klimke, r+s 2014, 105, 108 f.; ebenso wohl auch Harsdorf-Gebhardt, r+s 2012, 261, 262. 109 Schlegelmilch, VersR 2009, 1467; Armbrüster, r+s 2010, 441, 446. 110 Vgl. Prölss/Martin/Voit/Knappmann, 27. Aufl., § 149 Rn. 29 m.w.N.
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rer begründeten Gefahren einzugrenzen, wird heute weithin angenommen, dass Anerkenntnisurteile und Prozessvergleiche nur insoweit Bindungswirkung entfalten können, wie eine Haftpflichtforderung des Geschädigten auch nach materieller Rechtslage wirklich bestand.111 Anders als ein prozessuales Anerkenntnis gem. § 307 ZPO sollen bloße Tatsachengeständnisse des Versicherungsnehmers gem. § 288 ZPO die Bindungswirkung eines auf deren Grundlage gegen ihn ergehenden Haftpflichturteils dagegen grundsätzlich nicht schmälern.112 Hier soll die Bindungswirkung lediglich im Ausnahmefall eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Versicherungsnehmer und dem (vermeintlich) Geschädigten ausgeschlossen sein.113 Recht unklar ist wiederum, inwieweit nach § 331 ZPO gegen den Versicherungsnehmer ergehende Versäumnisurteile Bindungswirkung zulasten des Versicherers entfalten können. Wohl mehrheitlich wird angenommen, dass die Bindungswirkung von Versäumnisurteilen denselben Beschränkungen unterliegt wie diejenige von Anerkenntnisurteilen.114 (3) Quelle der Kontroverse: grundlegend verschiedene Konzeptionen vom Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung Wie die vorangegangene Darstellung des Streitstands gezeigt hat, wird die Kontroverse um Grund und Voraussetzungen der Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile vorrangig auf Grundlage einzelner, spezifischer Normen des VVG (insbesondere § 106 S. 1 VVG sowie §§ 104 Abs. 2 S. 1, 28 Abs. 2 VVG) ausgefochten. Hierdurch wird indes der Blick darauf verstellt, dass die Wurzeln dieser Auseinandersetzung tiefer reichen, da den beiden großen „Meinungsblöcken“ in dieser Diskussion (weitgehend unausgesprochen) grundlegend unterschiedliche Konzeptionen des Deckungsumfangs der Haftpflichtversicherung zugrunde liegen. Die Ansicht, die Bindungswirkung rechtskräftiger Haftpflichturteile müsse eingeschränkt werden, soweit der Versicherer keine Gelegenheit zur Beteili111 LG Bonn r+s 2013, 493, 494; Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 106 Rn. 31; Klimke, r+s 2014, 105, 109. Diese Ansicht liegt erkennbar auch der Gesetzesbegründung des reformierten § 105 VVG zugrunde, BTDrucks. 16/3945, S. 86. 112 LG Bonn, r+s 2013, 493, 494; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 106 Rn. 30; Klimke, r+s 2014, 105, 109. 113 LG Bonn r+s 2013, 493, 494; ähnlich auch Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 6, wobei hiernach bereits eine leichtfertige Herbeiführung des nachteiligen Urteils durch den Versicherungsnehmer ausreichen soll, um die Bindungswirkung entfallen zu lassen. 114 LG Bonn r+s 2013, 493, 494; Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 5; ähnlich Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 106 Rn. 18, wobei allerdings unklar bleibt, ob die Bindungswirkung gänzlich oder nur für den Zeitraum entfallen soll, in dem noch Einspruchsmöglichkeiten des Säumigen nach §§ 338 ff. ZPO bestehen; a.A. Klimke, r+s 2014, 105, 109 f.
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gung am vorangegangenen Haftpflichtprozess hatte, fußt auf der Annahme, die Haftpflichtversicherung biete Versicherungsdeckung im Wege der Freistellung grundsätzlich nur gegen tatsächlich bestehende materiellrechtliche Haftpflichtforderungen. Ausgehend von dieser Prämisse müsste die Frage, ob eine solche Forderung begründet und durchsetzbar ist, als Vorfrage im Deckungsprozess unabhängig vom Bestehen eines rechtskräftigen Haftpflichturteils vollständig überprüfbar sein. Mit anderen Worten müsste dem Versicherer der Einwand möglich sein, eine vom Deckungsumfang umfasste materiellrechtliche Haftpflichtforderung bestehe nicht. Die Bindung des Deckungsverhältnisses – insbesondere die Bindung des Versicherers – an die Feststellungen eines im Haftpflichtverhältnis ergangenen Urteils bildet vor diesem Hintergrund eine rechtfertigungsbedürftige Ausnahme.115 Unter dieser Prämisse ist es nur konsequent, die Bindungswirkung nur insoweit zu bejahen, wie der Versicherer tatsächlich in der Lage war, seine Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auszuüben. Der h.M. liegt dagegen die Annahme zugrunde, die Haftpflichtversicherung gewährleiste Deckung gegen alle „Vermögenseinbußen, die dem Versicherungsnehmer oder einem Mitversicherten dadurch entstehen, dass er von Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird“.116 Nach dieser Interpretation fällt das gegen den Versicherungsnehmer ergangene rechtskräftige Haftpflichturteil unabhängig davon in den Deckungsumfang der Versicherung, ob die zugrundeliegende materiellrechtliche Haftpflichtforderung tatsächlich bestand. In diesem Sinne kann auch die verbreitete Formulierung verstanden werden, die Bindungswirkung ergebe sich durch Auslegung aus dem Leistungsversprechen des Versicherers.117 Durch diese Interpretation der Haftpflichtversicherung kommt es im Vergleich zur Gegenansicht zu einer Umkehr der Begründungslast im Hinblick auf die Bindungswirkung: Nunmehr wäre besonders zu begründen, warum der Versicherer trotz einer bestehenden Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers durch ein rechtskräftiges Haftpflichturteil nicht dazu verpflichtet wäre, den Versicherungsnehmer von der titulierten Forderung freizustellen. Das Gebot, den Versicherer – namentlich durch eine entsprechende Anzeige – in die Lage zu versetzen, auf den Haftpflichtprozess Einfluss zu nehmen, ist vor diesem Hintergrund nicht als auf die Herstellung der Bindungswirkung gerichtet zu sehen. Es handelt sich demnach vielmehr um ein für Versicherungsverträge 115
Vgl. zum Ganzen Petersen, Die Bindungswirkung, S. 35 ff. Harsdorf-Gebhardt, r+s 2012, 261, 262; in dieselbe Richtung, wenngleich noch schärfer formuliert RGZ 3, 21, 25: „Der Nachteil, gegen welchen der Unternehmer eines Betriebes Deckung sucht, ist nicht der, daß auf Grund des Haftpflichtgesetzes eine Forderung entsteht, sondern daß er auf Grund des Haftpflichtgesetzes v e r u r t e i l t wird“ [Hervorhebung im Original]. 117 So z.B. BGHZ 119, 276, 280 f.; BGH r+s 2001, 408, 409; Harsdorf-Gebhardt, r+s 2012, 261, 262 116
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typisches Gebot risikoadäquaten Verhaltens des Versicherungsnehmers, wie es dem Grundgedanken der Gefahrengemeinschaft entspricht. Entsprechend dem Zweck des Versicherungsvertrages, verlässlichen Versicherungsschutz für das versicherte Risiko zu gewährleisten, darf aber nicht jede leicht fahrlässige Verletzung derartiger Verhaltensgebote zum Wegfall der Versicherungsdeckung bzw. zu einer Schadensersatzhaftung des Versicherungsnehmers führen. Dies wird durch das Rechtsinstitut der Obliegenheiten gewährleistet, das zugunsten des Versicherungsnehmers eine haftungsbegrenzende Funktion erfüllt, indem es dessen Verantwortlichkeit grundsätzlich auf vorsätzliches und grobfahrlässiges Fehlverhalten beschränkt.118 Unter den genannten Prämissen ist es daher nur folgerichtig, davon auszugehen, dass grundsätzlich jedes rechtskräftige Haftpflichturteil das Deckungsverhältnis bindet, da eine Einschränkung der Bindungswirkung die haftungsbegrenzende Funktion der in § 104 Abs. 2 S. 1 VVG normierten Obliegenheiten aushebeln würde. (4) Umfassende Bindungswirkung kontradiktorischer Haftpflichturteile als Folge der umfassenden Versicherungsdeckung der Haftpflichtversicherung Angesichts dieser grundlegend verschiedenen Konzeptionen stellt sich die Frage, welcher Deutung der Vorzug zu gewähren ist, denn diese Entscheidung wird auch den Umfang der Bindungswirkung einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle maßgeblich determinieren. Im Ergebnis ist hierbei festzustellen, dass die der h.M. zugrundeliegende Interpretation die größere Überzeugungskraft für sich beanspruchen kann. Auf dem Boden der auch verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsätze von Privatautonomie und Vertragsfreiheit ist der Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung grundsätzlich durch Auslegung des konkreten Versicherungsvertrages zu ermitteln. Da den individuellen Versicherungsbedingungen hinsichtlich der hier im Fokus stehenden Frage jedoch regelmäßig keine genaueren Bestimmungen entnommen werden können119 und da die Interessenlage der Parteien in dieser Hinsicht üblicherweise einheitlich ist, erscheint es trotz des Gebots individueller Auslegung möglich, generalisierende Aussagen zu treffen. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vertrag kommen insoweit zumeist die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zur Anwendung. Als Vertragsinhalt muss deshalb gem. §§ 133, 157, 242 BGB dasjenige ange118 Vgl. zum Ganzen Bruns, Privatversicherungsrecht, § 16 Rn. 15 ff. und Scherpe, Das Prinzip der Gefahrengemeinschaft, S. 257 ff. 119 Vgl. beispielhaft Nr. 1.1 AHB: „Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer […] aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.“
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sehen werden, was von beiden Vertragsparteien redlicher Weise nach Treu und Glauben als ein gerechter Interessenausgleich gewollt oder akzeptiert worden wäre, wenn sie die jeweilige Fragestellung bei den Vertragsverhandlungen bedacht hätten.120 Hierbei kommt zunächst dem Interesse des Versicherungsnehmers an einer möglichst umfassenden Absicherung der durch Haftpflichtforderungen drohenden Risiken erhebliche Bedeutung zu. Bereits das RG stellte in einer frühen Entscheidung hinsichtlich der damals neu aufkommenden Haftpflichtversicherung fest, dass es für den Versicherungsnehmer wirtschaftlich „unvernünftig“ wäre, eine Versicherung abzuschließen, die auch dann, wenn bereits ein Haftpflichturteil zu seinen Lasten ergangen ist, nur für tatsächlich bestehende Haftpflichtforderungen Deckung gewährleistet.121 Zwar erscheint die hieraus vom RG gezogene Schlussfolgerung, die Versicherung gewährleiste Versicherungsschutz ganz allgemein nicht gegen die materiellrechtliche Haftpflichtforderung, sondern gegen hierauf gestützte Urteile,122 als zu weit gegriffen. Die zugrundeliegende Prämisse büßt dadurch aber nichts an ihrer Richtigkeit ein. Der Versicherungsnehmer verfolgt mit der Haftpflichtversicherung als Passivenversicherung das Ziel, sein Vermögen gegen alle Belastungen abzusichern, die aus der Geltendmachung von Haftpflichtforderungen durch Dritte resultieren. Für den Versicherungsnehmer steht hierbei nicht die Frage des materiellrechtlichen Bestehens einer entsprechenden Forderung im Mittelpunkt, sondern die Frage, ob durch eine solche (vermeintliche) Forderung sein Vermögen wirtschaftlich belastet wird. Aus diesem Grund kann der Versicherungsnehmer trotz materiellrechtlich bestehender Haftpflichtschuld die Versicherungsleistung so lange nicht einfordern, wie der Haftpflichtgläubiger seine Forderung nicht ernstlich geltend macht.123 Umgekehrt liegt es aber im Interesse des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer dann, wenn das Vermögen des Ersteren durch ein rechtskräftiges Haftpflichturteil belastet ist, die Versicherungsleistung nicht unter Berufung auf das Nichtbestehen der Haftpflichtforderung verweigern darf. Dem Versicherer muss deshalb bei Abschluss des Versicherungsvertrages bewusst sein, dass nach dem Willen des Versicherungsnehmers zur Vermeidung von Deckungslücken rechtskräftige Haftpflichturteile unabhängig vom Bestand der zugrundeliegenden Haftpflichtforderung vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen.124 120 Statt vieler BGH NJW 2010, 1742, 1743; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 35 Rn. 66. 121 RGZ 3, 21, 24 f. 122 RGZ 3, 21, 25, vgl. hierzu auch schon Fn. 116. 123 Vgl. hierzu ausführlich Bruck/Möller/Koch, § 100 Rn. 20 ff. m.N. 124 Eine rechtsvergleichende Betrachtung stützt diese Interpretation zusätzlich. So kennt auch das französische Recht eine der deutschen Bindungswirkung ähnliche Wirkungsweise rechtskräftiger Haftpflichturteile, die von der Cour de cassation wie hier für das deutsche Recht aus dem Deckungsumfang des Versicherungsvertrages abgeleitet wird. Demnach
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Auch die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung gleichermaßen zu beachtenden Interessen des Versicherers werden durch eine solche, weite Interpretation des versicherungsvertraglichen Deckungsumfangs nicht über Gebühr beeinträchtigt. Allerdings ist es richtig, dass der Versicherer bzw. die Gefahrengemeinschaft vor einer übermäßigen Belastung durch die gerichtliche Bestätigung materiellrechtlich nicht bestehender Haftpflichtforderungen geschützt werden muss. Dieser Schutz kann jedoch am angemessensten durch das System der versicherungsrechtlichen Anzeigeobliegenheiten gewährleistet werden, das einerseits den Versicherer durch die Sanktion der Leistungsfreiheit schützt, dabei aber andererseits stets auch die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers im Blick behält. Die Bindungswirkung ist mithin keine einer besonderen Begründung oder Legitimation bedürftige Ausnahmeerscheinung, sondern vielmehr unmittelbare Folge des umfassenden Deckungsumfangs der Haftpflichtversicherung im Hinblick auf alle wirtschaftlichen Folgen der Geltendmachung von Haftpflichtforderungen gegen den Versicherungsnehmer. Kontradiktorische Haftpflichturteile entfalten die Bindungswirkung deshalb unabhängig von der Beteiligung des Versicherers am Haftpflichtprozess. (5) Eingeschränkte Bindungswirkung von Anerkenntnisurteilen – Umfassende Bindungswirkung von Versäumnisurteilen Die eingeschränkte Bindungswirkung von Anerkenntnisurteilen, wie sie von der ganz h.M. befürwortet wird, wirkt auf dem Boden dieser Deutung zunächst wie ein Fremdkörper, müsste doch auch ein solches Urteil grundsätzlich vom weiten Deckungsumfang der Haftpflichtversicherung erfasst werden und damit den Versicherer umfassend binden können. Folgerichtig entsprach diese Ansicht vor der VVG-Reform 2008 auch noch der h.M.125 Durch die Reform haben sich jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche die ergänzende Vertragsauslegung maßgeblich präformieren, derart stark verändert, dass diese insoweit heute zu einem anderen Ergebnis kommen muss. Wie bereits ausgeführt wurde, zielt die ergänzende Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB darauf ab, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Versicherungsnehmers an einer möglichst umfassenden Versicherungsdeckung und den Interessen des Versicherers bzw. der Gefahstellt der Erlass des gegen den Versicherungsnehmer ergehenden Urteils gerade die Realisierung des versicherten Risikos dar und löst damit die Leistungspflicht des Versicherers aus, sodass dieser insoweit an das Urteil gebunden ist, Civ. 1re, 12 juin 1968, No 65-14399; vgl. hierzu auch Chagny/Perdrix, Droit des Assurances, Tz. 699 ff.; LambertFaivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 682. 125 Vgl. hierzu BGH VersR 1977, 174, 175; NJW-RR 2004, 829, 830; Bruck/Möller/Johannsen, 8. Aufl., §§ 149 bis 158a Anm. B 64; Prölss/Martin/Voit/Knapp–mann, 27. Aufl., § 149 Rn. 29, § 154 Rn. 22.
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rengemeinschaft am Schutz vor übermäßigen Belastungen herzustellen. Wie gesehen wird dieser Ausgleich üblicherweise durch die Kombination aus einem weiten, eine umfassende Bindungswirkung begründenden Deckungsumfang der Versicherung auf der einen Seite und versicherungsvertraglichen Obliegenheiten des Versicherungsnehmers auf der anderen Seite gewährleistet. Durch die Einführung des § 105 VVG n.F. im Rahmen der VVG-Reform, der die Unzulässigkeit kautelarjuristischer Anerkenntnisverbote begründete, brach im Hinblick auf prozessuale und außergerichtliche Anerkenntnisse des Versicherungsnehmers die zweite Komponente dieses Interessenausgleichs weg. Zu erwägen wäre freilich, ob die hierdurch für die Versicherer aufgebrochenen Schutzlücken durch die Rettungsobliegenheit des Versicherungsnehmers aus § 82 Abs. 1 VVG geschlossen werden könnten. Anerkennt der Versicherungsnehmer Haftpflichtforderungen eines Dritten, die nach materieller Rechtslage nicht bestehen, so könnte darin durchaus eine Verletzung der Obliegenheit zur Abwendung oder Minderung von Schäden erblickt werden.126 Der durch die Rettungsobliegenheit zugunsten von Versicherer und Gefahrengemeinschaft insoweit geschaffene Schutz ist jedoch im Vergleich zu den früheren Anerkenntnisverboten ausgesprochen defizitär. Leistungsfrei wäre der Versicher auf dieser Grundlage nur, wenn der Versicherungsnehmer die Rettungsobliegenheit vorsätzlich verletzt hätte, § 82 Abs. 3 S. 1 VVG. Will man die Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Unzulässigkeit vertraglicher Anerkenntnisverbote nicht konterkarieren, kann ein solcher Vorsatz allerdings nicht schon dann angenommen werden, wenn der Versicherungsnehmer abstrakt erkannt hat, dass sein Anerkenntnis die Verteidigungsmöglichkeiten im Haftpflichtverhältnis beeinträchtigt. Vielmehr wird man fordern müssen, dass der Versicherungsnehmer gerade die mangelnde Berechtigung der Haftpflichtforderung und damit die Schädigung des Versicherers billigend in Kauf genommen hat.127 Im Ergebnis könnte sich der Versicherer mithin nur dann von seiner Leistungspflicht befreien, wenn er dem Versicherungsnehmer betrügerisches Verhalten nachweist. In anderen Fällen bliebe ihm nur die Möglichkeit, gem. § 82 Abs. 3 S. 2 VVG eine anteilige Leistungskürzung wegen grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers geltend zu machen. Abgesehen davon, dass die Gefahrengemeinschaft hier trotz mangelnder Berechtigung der Haftpflichtforderung 126
A.A. Bruck/Möller/Koch, § 105 Rn. 23 (Rückgriff auf Rettungsobliegenheiten wegen § 105 VVG versperrt). 127 Vorsatz i.S.d. § 82 Abs. 3 S. 1 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von der verletzten Verhaltensnorm hat und deren Verletzung billigend in Kauf nimmt, Looschelders, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 82 Rn. 63; Prölss/Martin/Voit, § 82 Rn. 27. Wegen § 105 VVG kann die maßgebliche Verhaltensnorm aber nicht darin bestehen, kein Anerkenntnis abzugeben, sondern nur darin, kein der materiellen Rechtslage widersprechendes Anerkenntnis abzugeben.
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mit einer verminderten Leistungspflicht belastet bliebe, stellt sich die Frage, ob der Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit in praxi häufig erreicht würde. Zu Streitigkeiten im Deckungsverhältnis werden vor allem solche Fälle Anlass geben, in denen die Haftpflicht des Versicherungsnehmers wegen Unklarheiten im Tatsächlichen oder im Rechtlichen nicht eindeutig ist. Ob die Abgabe eines Anerkenntnisses in derartigen Situationen als grob fahrlässig qualifiziert werden kann, erscheint aber – gerade vor dem Hintergrund, dass ein allgemeines Anerkenntnisverbot nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bestehen soll – mehr als zweifelhaft. Ein nur fahrlässig entgegen der materiellen Rechtslage abgegebenes Anerkenntnis müsste den Versicherer dagegen zur Erbringung der vollständigen Versicherungsleistung verpflichten. Dies würde aber bedeuten, dass der Versicherer in zahlreichen Fällen auch nicht berechtigte Haftpflichtforderungen befriedigen müsste. Die damit verbundene Belastung der Gefahrengemeinschaft erscheint indes kaum noch zumutbar. Auch der Gesetzgeber lehnt eine solche Ausweitung der Leistungspflicht ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 105 VVG explizit ab.128 Infolge der Unzulässigkeit vertraglicher Anerkenntnisverbote sind Versicherer folglich nunmehr nicht länger in der Lage, die mit Anerkenntnissen verbundenen Gefahren übermäßiger Belastungen durch entsprechende Obliegenheiten des Versicherungsnehmers hinreichend einzudämmen. Um das hierdurch gestörte Gleichgewicht zwischen den Interessen der Gefahrengemeinschaft und denjenigen des Versicherungsnehmers wieder herzustellen, ist deshalb im Hinblick auf Anerkenntnisse des Versicherungsnehmers und hierauf gestützte gerichtliche Urteile eine eingeschränkte Auslegung des Deckungsumfangs vonnöten. Bindungswirkung kann Anerkenntnisurteilen deshalb nur noch insoweit zukommen, als die zugrundeliegende Haftpflichtforderung auch ohne das Anerkenntnis bestanden hätte. Diese Begrenzung des Deckungsumfangs ist in den Versicherungsbedingungen sogar regelmäßig explizit vorgesehen, vgl. Nr. 5.1 Abs. 2 S. 2 AHB. Soweit der Versicherer der Abgabe des Anerkenntnisses zustimmt oder dieses in Ausübung seiner Prozessvollmacht gar selbst abgibt, ist er freilich im Deckungsverhältnis stets daran gebunden. Die Bindungswirkung von Versäumnisurteilen bedarf dagegen keiner Einschränkung. Die Interessen der Gefahrengemeinschaft sind hier durch die Anzeigeobliegenheiten des Versicherungsnehmers gem. § 104 Abs. 2 VVG ausreichend geschützt. Erfüllt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheiten, so hat der Versicherer es in der Hand, durch Ausübung der ihm im Versicherungsvertrag eingeräumten Prozessvollmacht den Erlass eines Versäumnisurteils zu verhindern. Verletzt der Versicherungsnehmer hingegen die Anzeigeobliegenheiten, so gewährleistet das diffizile versicherungsrechtliche 128
BT-Drucks. 16/3945, S. 86.
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Regelungssystem einen angemessenen Schutz der Gefahrengemeinschaft bei gleichzeitiger Wahrung der berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers. bb) Voraussetzungen der Bindungswirkung von Anerkenntnis und Vergleich Für die Bindungswirkung von Anerkenntnissen und Vergleichen gilt dasselbe wie für die soeben besprochenen Anerkenntnisurteile: Eine Auslegung des Versicherungsvertrages ergibt regelmäßig, dass vom Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers abgegebene Anerkenntnisse oder auf diese Weise abgeschlossene Vergleiche nur insoweit Bindungswirkung zeitigen, als die zugrunde liegende Haftpflichtforderung auch ohne das Anerkenntnis oder den Vergleich bestand.129 Dies ist zum einen in Nr. 5.1 Abs. 2 S. 2 AHB festgelegt, dasselbe würde sich aber auch ohne eine solche explizite Regelung durch (ergänzende) Auslegung des Versicherungsvertrages ergeben.130 Ausnahmsweise binden aber auch nicht der Sach- und Rechtslage entsprechende Anerkenntnisse und Vergleiche den Versicherer, wenn dieser zu Unrecht die Abwehrdeckung verweigert hat.131 cc) Voraussetzungen der Bindungswirkung einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle (1) Einschränkung der Bindungswirkung nach denselben Grundsätzen wie bei Anerkenntnisurteilen, Anerkenntnissen und Vergleichen Im Gegensatz zur Bindungswirkung von Haftpflichturteilen in ihren verschiedenen Ausgestaltungen sowie von außergerichtlichen Anerkenntnissen und Vergleichen konnte die Bindungswirkung einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle bislang nur geringe Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass die Feststellung zur Insolvenztabelle grundsätzlich Bindungswirkung entfalten kann.132 Über die genauen Voraussetzungen bestehen aber auch hier Mei129
I.E. ebenso die ganz h.M., vgl. statt vieler Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 10; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 106 Rn. 47 ff.; Armbrüster, r+s 2010, 440 f.; vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/3945, S. 86 (zu § 105). 130 I.E. ebenso Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 10, allerdings ohne Begründung. 131 Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 10; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 106 Rn. 41; Langheid/Rixecker, § 106 Rn. 4. 132 Vgl. OLG Celle VersR 2002, 602; OLG Köln VersR 2006, 1207 f.; LG Koblenz r+s 2012, 447, 448; Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 11; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 3 f.; Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 33; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 105 ff.; Thole, NZI 2013, 665, 669 f.; Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004; Mokhtari, VersR 2014, 665, 667 f.
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nungsverschiedenheiten, freilich ohne dass es je zu einem ähnlich vertieften Meinungsaustausch wie hinsichtlich der Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile gekommen wäre. Zumeist wird die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung zur Insolvenztabelle nur am Rande und ohne nähere Begründung entweder schlicht generell bejaht133 oder aber denselben Voraussetzungen wie im Falle eines Anerkenntnisses unterstellt134. Die Rechtsprechung der Instanzgerichte – höchstrichterliche Rechtsprechung liegt insoweit bislang nicht vor – folgt der zuletzt genannten Ansicht. Sie sieht in der widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle bzw. genauer im ausbleibenden Widerspruch des Insolvenzverwalters 135 einen Spezialfall des Forderungsanerkenntnisses durch den Insolvenzverwalter.136 Im Ergebnis, nicht aber in der Begründung ist dieser Auffassung zuzustimmen. Das Unterlassen eines Widerspruchs durch den Insolvenzverwalter kann nicht ohne Weiteres der Anerkennung der Forderung durch den Versicherungsnehmer gleichgestellt werden. Als Organ der Rechtspflege137 unterliegt der Insolvenzverwalter im Verfahren der Forderungsfeststellung strengeren Bindungen als der Schuldner, der privatautonom über die Anerkennung der Forderung entscheidet. Gleichwohl ergibt sich aus den in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeiteten Prinzipien unschwer, dass die Bindungswirkung der Forderungsfeststellung zur Insolvenztabelle denselben Einschränkungen unterliegen muss, wie diejenige eines privatautonomen Anerkenntnisses. Auch hier wurde der sorgfältig austarierte Interessenausgleich zwischen Gefahrengemeinschaft und Versicherungsnehmer durch den Fortfall der versicherungsvertraglichen Anerkenntnisverbote beeinträchtigt. Zwar muss der Insolvenzverwalter – der grundsätzlich in die Obliegenheiten des insolventen Versicherungsnehmers eintritt138 – dem Versicherer gegen133
Prölss/Martin/Lücke, § 106 Rn. 11; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 105 ff., 195; ebenso wohl auch Thole, NZI 2013, 665, 669 f. und Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004; etwas ausführlicher in der Begründung und nur für eine zwar nicht in ihren Voraussetzungen wohl aber in ihren Wirkungen eingeschränkte Bindungswirkung dagegen Mokhtari, VersR 2014, 665, 667 f. 134 Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 3 f.; Bruck/Möller/Koch, § 106 Rn. 33. 135 Vgl. hierzu Thole, NZI 2013, 665, 670. 136 OLG Celle VersR 2002, 602; OLG Köln VersR 2006, 1207; LG Koblenz r+s 2012, 447, 448; ebenso Prölss//Martin/Lücke, § 110 Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 110 Rn. 13; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 24; eine strikte Unterscheidung zwischen der Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle und einem Anerkenntnis dieser Forderung durch den Insolvenzverwalters vollzieht dagegen Thole, NZI 2013, 665, 669 f. 137 Vgl. zur Stellung des Insolvenzverwalters als Organ der Rechtspflege K. Schmidt/Ries, § 56 Rn. 56; Marotzke, ZInsO 2009, 1929 ff. 138 Vgl. hierzu OLG Celle VersR 2002, 602; KG Berlin, r+s 2005, 502, 503; OLG Köln VersR 2006, 1207, 1208; Thume, VersR 2006, 1318, 1321 (alle zur Verletzung eines nach altem Recht zulässigen Anerkenntnisverbots durch den Insolvenzverwalter); allgemein
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über die Geltendmachung der Haftpflichtforderung gem. § 104 Abs. 1 S. 2 VVG anzeigen. Im Forderungsfeststellungsverfahren selbst unterliegt er aber mangels vertraglichen Anerkenntnisverbotes keinen versicherungsvertraglichen Bindungen. Der Versicherer selbst kann dagegen nur in beschränktem Maße auf dieses Verfahren Einfluss nehmen. Lediglich wenn er wegen ausstehender Prämien oder anderer Forderungen als Insolvenzgläubiger am Verfahren beteiligt ist, steht ihm gem. § 178 Abs. 1 S. 1 InsO das Recht zu, durch seinen Widerspruch die wirksame Feststellung der Forderung zur Tabelle zu verhindern. Ob dies der Fall ist, hängt aber weitgehend von Zufälligkeiten ab. Um die Gefahrengemeinschaft effektiv gegen die Feststellung unbegründeter Haftpflichtforderungen zu schützen, bleibt deshalb nur die Möglichkeit, die Bindungswirkung entsprechend den für Anerkenntnisurteile geltenden Grundsätzen einzuschränken. Sie kann also nur insoweit eintreten, als die Haftpflichtforderung materiellrechtlich tatsächlich bestand. (2) Praktische Folgen der eingeschränkten Bindungswirkung für den Insolvenzverwalter Für den Insolvenzverwalter hat diese Einschränkung der Bindungswirkung die schwerwiegende Konsequenz, dass er im Falle einer widerspruchslosen Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle Gefahr läuft den Versicherungsschutz zu verlieren. Zwar kommt Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nicht in Betracht. Dem Versicherer stünde es aber offen, im Deckungsverhältnis die materiellrechtliche Existenz der Haftpflichtforderung zu bestreiten. Hat der Versicherer mit diesem Einwand Erfolg, muss der Insolvenzverwalter für die entstandene Belastung der Insolvenzmasse gem. §§ 60, 92 S. 2 InsO haften.139 140
Beispielsfall: Der bei VR haftpflichtversicherte VN nimmt zusammen mit G zum zweiten Mal an einem Basketball-Trainingsabend für Amateurspieler teil. Hierbei wird ein regelrechtes Übungsspiel veranstaltet, wobei die Mannschaften aus den Trainingsteilnehmern gebildet werden. Im Laufe des Übungsspiels begeht VN ein Foulspiel an G, in dessen Folge dieser einen Achillessehnenriss erleidet. Wenig später wird über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet. G meldet eine Schadensersatzforderung aus § 823 Abs. 1 BGB zur Tabelle an. Nachdem der Insolvenzverwalter IV die Geltendmachung der Forderung dem VR gegenüber anzeigt, fordert dieser den IV dazu auf, der Forderung im zum Eintritt des Insolvenzverwalters in die Pflichtenstellung des Insolvenzschuldners Ott/Vuia, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 80 Rn. 46 ff. 139 Vgl. hierzu Münzel, NZI 2007, 441, 443 f. (zum alten Recht). Die Pflichtverletzung liegt hierbei nicht so sehr im Ausbleiben des Widerspruchs gegen die nicht begründete Haftpflichtforderung als in der hiermit einhergehenden Beeinträchtigung des Versicherungsschutzes, vgl. allgemein zur Pflicht des Insolvenzverwalters zur Aufrechterhaltung angemessenen Versicherungsschutzes Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 24; Brandes/Schoppmeyer, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 60 Rn. 15. 140 Nach BGH VersR 1976, 775.
A. Versicherungsrechtliche Grundlagen
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Feststellungsverfahren zu widersprechen. Aufgrund eigener Prüfung der Rechtslage kommt IV aber zu dem Schluss, dass die Forderung berechtigt sei und unterlässt deshalb einen Widerspruch. Die Forderung wird wirksam zur Insolvenztabelle festgestellt. Da VR die Versicherungsleistung verweigert, erhebt IV Leistungsklage gegen VR. Dieser verteidigt sich, indem er die materiellrechtliche Berechtigung der Haftpflichtforderung bestreitet und vorbringt, dem VN könne kein fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Wegen der eingeschränkten Bindungswirkung der Forderungsfeststellung zur Insolvenztabelle steht ihm dieser Einwand offen. Das Gericht folgt der Rechtsauffassung des VR und weist die Deckungsklage ab. Die Insolvenzmasse bleibt mit der ordnungsgemäß festgestellten Insolvenzforderung belastet. IV haftet den Insolvenzgläubigern für den entstandenen Quotenschaden gem. §§ 60 Abs. 1, 92 S. 2 InsO.
In praxi leiten sich hieraus für den Insolvenzverwalter die folgenden Verhaltensregeln ab: Zunächst ist er ohnehin gem. § 104 Abs. 1 S. 2 VVG gehalten, dem Versicherer die angemeldete Haftpflichtforderung anzuzeigen. Hat der Versicherer die Berechtigung der Forderung bis zum Prüfungstermin geprüft und dem Insolvenzverwalter gestattet, diese anzuerkennen, so kann dieser einen Widerspruch im Prüfungstermin gefahrlos unterlassen. Der Versicherer ist aufgrund seines Einverständnisses an die Feststellung der Forderung zur Tabelle gebunden. Hat der Versicherer die Prüfung dagegen bis zum Prüfungstermin nicht abgeschlossen oder weist er den Insolvenzverwalter an, die Forderung zu bestreiten, so muss der Insolvenzverwalter der Forderung im Prüfungstermin widersprechen und den Forderungsprätendenten dadurch auf die Möglichkeit der Feststellungsklage gem. § 179 Abs. 1 InsO verweisen, um die umfassende Versicherungsdeckung weiterhin aufrechtzuerhalten.141 Da der Widerspruch des Insolvenzverwalters dazu dient, die umfassende Bindungswirkung gegenüber dem Versicherer sicherzustellen und dadurch mittelbar auch zugunsten des Haftpflichtgläubigers wirkt, kann hierin grundsätzlich keine die Insolvenzverwalterhaftung gem. § 60 InsO auslösende Pflichtverletzung gesehen werden.142 Kommt es schließlich zu einem rechtskräftigen Feststellungsurteil, durch das der Widerspruch des Insolvenzverwalters überwunden wird, so ist der Versicherer nach den allgemeinen Grundsätzen umfassend an dieses gebunden.
141 So auch Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 11 und Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 236 a.E. (Letzterer allerdings ohne Begründung und wahrscheinlich unter Außerachtlassung der in § 105 VVG n.F. normierten Unzulässigkeit vertraglicher Anerkenntnisverbote); i.E. ebenso Thume, VersR 2006, 1318, 1321 und Münzel, NZI 2007, 441 ff. vor dem Hintergrund der nach altem Recht zulässigen Anerkenntnisverbote. 142 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz mag gelten, wenn die Berechtigung der Haftpflichtforderung so eindeutig ist, dass es völlig ausgeschlossen erscheint, dass der Versicherer diese im Deckungsverhältnis erfolgreich angreifen können wird.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Auf dem Boden der in den vorangegangenen Abschnitten gewonnenen Erkenntnisse kann nunmehr begonnen werden, die insolvenzrechtliche Stellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers zu analysieren. Es ist auch hier zunächst zu klären, wie sich die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten vor dem auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum rechtfertigen lässt. Obgleich die ausschließliche Zuordnung der Versicherungsforderung an den Geschädigten intuitiv ohne Weiteres richtig erscheint, stellt sich eine rationale, den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdende Begründung der Begünstigung des Geschädigten als nicht völlig unproblematisch dar. Im Ausgangspunkt ist der Geschädigte mit seiner Schadensersatzforderung einfacher Insolvenzgläubiger gem. § 38 InsO. Eine Privilegierung der Gläubiger vertraglicher oder deliktischer Schadensersatzforderungen im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse ist dem deutschen Insolvenzrecht fremd.143 Da die Versicherungsforderung trotz aller Entwicklungen der Haftpflichtversicherung hin zu einem Instrument des Opferschutzes rechtlich immer noch dem Vermögen des Versicherungsnehmers zugeordnet ist, müsste auch deren Erlös grundsätzlich gleichmäßig an alle Gläubiger verteilt werden.144 Die Privilegierung des Geschädigten hinsichtlich der Versicherungsforderung bedarf deshalb einer Rechtfertigung vor dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum. Die Motive zum VVG begründen die konkursrechtliche Privilegierung des Geschädigten in § 157 VVG a.F. wie folgt: „Fällt hier [im Konkurs des Versicherungsnehmers, Anm. d. Verf.] die von dem Versicherer zu leistende Entschädigung einfach in die Konkursmasse, so wird der ersatzberechtigte Dritte verkürzt und den übrigen Gläubigern ein Vorteil zugewendet, der nicht für sie 145 bestimmt ist.“
Es handelt sich hierbei freilich um eine Tautologie. Eine Begründung dafür, warum die Versicherungsforderung, die ja Teil des Vermögens des Versicherungsnehmers ist, nicht zur Befriedigung aller Gläubiger bestimmt ist, bleibt der Gesetzgeber gerade schuldig. Ausgeschlossen ist es zumindest, eine solche Zweckbestimmung auf eine privatautonome Entscheidung des Versicherungsnehmers zu stützen. Dem 143 Für eine Privilegierung der Gläubiger deliktischer Schadensersatzforderungen aus Körperverletzung dagegen – freilich de lege ferenda – Häsemeyer, KTS 1982, 507, 570. 144 A.A. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 254, der den insolvenzrechtlichen Schutz des Geschädigten als Fall der externen Insolvenzsicherung einordnet. 145 Motive zum VVG, S. 211 f.
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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Haftpflichtversicherungsnehmer geht es regelmäßig nicht darum, dem Geschädigten die Leistung des Versicherers zukommen zu lassen. Er will sich lediglich selbst vor den Haftpflichtforderungen des Dritten schützen.146 Insoweit ist die „egoistische“ Urkonzeption der Haftpflichtversicherung bis heute lebendig. Die insolvenzrechtliche Privilegierung des Dritten lässt sich mithin nicht durch eine privatautonom vorgenommene Vermögensallokation des Haftpflichtversicherungsnehmers begründen. Die vom Gesetzgeber angenommene drittschützende Bestimmung der Versicherungsforderung muss also – so sie denn überhaupt begründbar ist – einen heteronomen Grund haben. In der Literatur wird der besondere insolvenzrechtliche Schutz des Geschädigten meist mit der „Sozialbindung“ oder dem „sozialen Gedanken“147 der Haftpflichtversicherung erklärt. Ebenso wie bei der vom Gesetzgeber angeführten „Bestimmung“ der Haftpflichtversicherung bleibt aber auch bei diesem „sozialen Gedanken“ unklar, woher dieser eigentlich rührt und was sein sachlicher Gehalt ist. Möchte man die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten damit rechtfertigen, dass die Versicherungsforderung nach der gesetzlichen Konzeption der Haftpflichtversicherung als einer „sozialen Versicherung“ gerade für ihn bestimmt sei, so liegt darin eine petitio principii: die Entscheidung des Gesetzgebers wird mit der Konzeption des Gesetzes begründet. Ebenso inhaltsleer bleibt auch die Begründung, der Freistellungsanspruch stelle lediglich einen „durchlaufenden Vermögensbestandteil“ des Versicherungsnehmers dar, „der wirtschaftlich für den Geschädigten bestimmt“ sei.148 Auch hier bleibt letztlich unbegründet, woher diese „wirtschaftliche Bestimmung“ der Versicherungsforderung rührt bzw. warum diese hier insolvenzfest ausgestaltet sein soll. Anders läge es hingegen, wenn der „soziale Gedanke“ der Haftpflichtversicherung einen über die gesetzgeberische Entscheidung hinausgehenden sachlichen Gehalt hätte. Das Schlagwort „sozial“ lässt hierbei zunächst an eine besondere Schutzwürdigkeit des Geschädigten als maßgeblichen Gesichtspunkt denken.149 Zumindest im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung vermag es indes auch dieser Gedanke nicht, die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten zu tragen. Wie im Rahmen des allgemeinen Teils der Untersuchung aufgezeigt wurde, taugen insolvenzrechtliche Privile146
So schon Georgii, Die Haftpflichtversicherung, S. 93. So z.B. BGH NZI 2014, 998; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 3; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 1. 148 So Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 110 Rn. 2 im Anschluss an Schneider, Reichsgesetz über den Versicherungsvertrag, § 157 S. 448; ähnlich auch Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 112 (der versicherungsrechtliche Freistellungsanspruch sei „zweckgebunden“ und „wirtschaftlich für den geschädigten Dritten bestimmt“). 149 Vgl. hierzu z.B. Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, S. 78 (Motiv des Absonderungsrechts sei ein „besonderes Schutzbedürfnis des Dritten“). 147
§ 8 Haftpflichtversicherung
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gierungen nur in sehr beschränktem Maße zur Verfolgung sozialpolitischer Ziele, würde die Finanzierung des sozialen Schutzes hierdurch doch den insoweit grundsätzlich nicht verantwortlichen Insolvenzgläubigern aufgebürdet.150 Dass eben dieser Aspekt auch eine sozialpolitisch motivierte Besserstellung des Geschädigten in der Insolvenz des Versicherungsnehmers einer freiwilligen Haftpflichtversicherung problematisch macht, erhellen die folgenden beiden Beispielsfälle: 151
Beispielsfall 1: VN unterhält eine freiwillige Haftpflichtversicherung bei Versicherer VR. Im Verlauf eines Streits stößt er den offensichtlich alkoholisierten G1 eine achtstufige Treppe hinunter. Dass dies schwere Verletzungen des G1 einschließlich schwerer Knochenbrüche nach sich ziehen kann, sieht VN voraus und nimmt dies billigend in Kauf. G1 bricht sich beim darauffolgenden Sturz einen Lendenwirbel und leidet daraufhin unter Lähmungserscheinungen in den Beinen, die seine zumindest partielle Berufsunfähigkeit zur Folge haben. Wenig später ist VN zu Gast bei G2 und zerstört hier leicht fahrlässig eine wertvolle Vase.
Hinsichtlich der Haftung des VN gegenüber G1 ist VR wegen der vorsätzlichen, widerrechtlichen Herbeiführung des Schadens gem. § 103 VVG leistungsfrei. Im Hinblick auf die Schadensersatzforderung des G2 besteht dagegen Versicherungsdeckung. Wird über das Vermögen des VN nun ein Insolvenzverfahren eröffnet, steht G2 an der Versicherungsforderung gem. § 110 VVG ein Absonderungsrecht zu, G1 ist dagegen mit seiner Schadensersatzforderung einfacher Insolvenzgläubiger. Die insolvenzrechtliche Privilegierung des einen bloßen Sachschaden erleidenden G2 gegenüber dem (vorsätzlich!) auf Dauer existentiell geschädigten G1 lässt sich hier aber wohl kaum sozialpolitisch mit der besonderen Schutzwürdigkeit des Erstgenannten begründen. Beispielsfall 2: VN hält in Freiburg einen Golden Retriever. Da in Baden-Württemberg für Hundehalter keine Pflicht zum Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung be152 steht , verzichtet VN zunächst auf eine solche. In der Folge beißt der Hund bei einem Spaziergang den Passanten G1, dessen Kleidung hierbei erheblich beschädigt wird. Anlässlich dieses Vorfalls schließt VN nun doch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung ab. Kurze Zeit später beißt der Hund den G2, der hierbei ebenfalls Schäden an seiner Kleidung erleidet. Als die beiden Geschädigten nach einiger Zeit die ihnen aus § 833 S. 1 BGB zustehenden Schadensersatzansprüche gegenüber VN geltend machen wollen, ist über dessen Vermögen bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Auch in diesem Fall kommt es zu einer insolvenzrechtlichen Ungleichbehandlung der beiden Geschädigten. Während G2 gem. § 110 VVG abgesonderte Befriedigung aus der Versicherungsforderung des VN verlangen kann, 150
S.o. sub § 2 B. II. 2. c). Teilweise angelehnt an OLG Hamburg VersR 1992, 1127. 152 Vgl. hierzu die Auflistung bei Brand, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vor §§ 113–124 Rn. 20. 151
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
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muss sich G1 auf die Insolvenzquote verweisen lassen. Ebenso wie im Beispielsfall 1 lässt sich aber auch hier nicht erkennen, wie die Privilegierung des G2 auf eine im Vergleich zu G1 höhere soziale Schutzbedürftigkeit gestützt werden könnte.153 Die beiden Beispielsfälle illustrieren mit besonderer Deutlichkeit die Schwächen des Versuchs, die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten mit seiner vermeintlich besonderen Schutzwürdigkeit zu begründen. Da die Privilegierung zumindest im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung nicht allein von der Bedürftigkeit des Geschädigten oder dem Ausmaß des jeweiligen Schadens, sondern zuvörderst vom willkürlichen Verhalten des Versicherungsnehmers abhängt, ist nicht sichergestellt, dass die Versicherungsleistung tatsächlich den schutzwürdigsten Gläubigern zugutekommt.154 Im Bereich der Pflichthaftpflichtversicherungen mag dies anders sein, da der Gesetzgeber durch diese gerade sicherstellen will, dass die Opfer typischerweise besonders schadensintensiver Versicherungsfälle den Schutz der Haftpflichtversicherung erlangen.155 Sucht man aber nach einer allgemeingültigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung, die sowohl für den Bereich der freiwilligen als auch der obligatorischen Haftpflichtversicherung Geltung beanspruchen kann, muss die vermeintliche soziale Schutzbedürftigkeit der Geschädigten außer Betracht bleiben. Wenn die Privilegierung des Geschädigten aber weder auf eine privatautonome Vermögensallokation des Versicherungsnehmers noch auf die besondere Schutzwürdigkeit des Geschädigten gestützt werden kann, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt vor Art. 3 Abs. 1 GG zu rechtfertigen ist. Diese Frage ist zu bejahen. Zur Rettung der Privilegierung vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit kann ein Gedanke fruchtbar gemacht werden, den Flechtheim bereits in einem 1908 erschienenen Beitrag zum Absonderungsrecht des Geschädigten äußerte, der aber seitdem in der Literatur eher ein Schattendasein fristete: „Es gilt schlechthin als unbillig, dass ein fremder Gläubiger den Vorteil von dem Schaden hat, den der Schuldner einem Dritten zufügt.“156 Auf diesen rechtsethischen Grundgedanken lässt sich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Privilegierung des Geschädigten stützen. Die Versi153
Ein ähnliches Beispiel findet sich auch schon bei Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 914. Häsemeyer, KTS 1982, 507, 535 lehnt die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung dementsprechend auch als „nicht berechtigt“ ab, wobei allerdings unklar bleibt, ob hierin nur eine rechtspolitische Missbilligung oder ein (verfassungs-)rechtlicher Einwand gegen das Absonderungsrecht des Geschädigten liegt. 155 Ausführlich zu Rechtfertigung und verfassungsrechtlichen Grenzen der Statuierung von Versicherungspflichten Hedderich, Pflichtversicherung, S. 144 ff. 156 Flechtheim, LZ 1908, Sp. 801, 807; ähnlich auch Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 63 und jüngst Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 20. 154
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§ 8 Haftpflichtversicherung
cherungsforderung als Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers entsteht unmittelbar durch den Schaden, den dieser einem Dritten zufügt und stellt ein wirtschaftliches Korrelat zu diesem Schaden dar. Könnte die Versicherungsleistung nun aber als Bestandteil der gleichmäßig zu verteilenden Insolvenzmasse den übrigen Gläubigern zugutekommen, würde sich der Schaden des Dritten für jene als unverdienter Vorteil in Form eines windfall profit erweisen. Rechtsethisch ist es nur dann unbedenklich, dass der Schaden einer Person unmittelbar zum Gewinn eines anderen führt, wenn der Geschädigte dem zugestimmt hat. Dieser rechtsethische Grundgedanke ist eng verwandt mit demjenigen, der auch die Bindung der Schadensversicherung an das versicherbare Interesse verlangt157 und für den Abschluss einer auf die Person eines Dritten für eigene Rechnung bezogenen Lebens- oder Unfallversicherung die Einwilligung des Dritten fordert158. Um zu verhindern, dass die übrigen Gläubiger vom Schaden des Dritten profitieren, ist es notwendig, sicherzustellen, dass die Entschädigungsleistung ausschließlich dem Geschädigten zugutekommt. Auch dieser Gedanke kann anhand der beiden Beispielsfälle verdeutlicht werden: Würde man in diesen Fällen eine Privilegierung des jeweiligen G2 in Bezug auf die Versicherungsforderung verneinen, so könnte der jeweilige G1 von dieser profitieren. Der Umstand, dass VN neben dem jeweiligen G1 zusätzlich noch einer weiteren Person Schaden zugefügt hat, würde sich für den Ersteren als regelrechter Glücksfall erweisen. Die Gläubiger eines Haftpflichtversicherungsnehmers müssten mit Blick auf dessen mögliche Insolvenz geradezu darauf hoffen, dass dieser möglichst viele Personen schädigt, um durch die entsprechenden Versicherungsforderungen die Insolvenzmasse zu mehren. Dies ist rechtsethisch nicht hinnehmbar. Im Sinne der „neuen Formel“159 stellt die Vermeidung eines solchen Ergebnisses einen ausreichend gewichtigen Grund für die Privilegierung des Geschädigten dar, um diese vor dem allgemeinen Gleichheitssatz zu rechtfertigen.
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Vgl. hierzu oben sub § 4. Vgl. hierzu § 150 Abs. 2 S. 1 VVG und § 179 Abs. 2 S. 1 VVG. Entsprechend dem genannten Grundgedanken zielt das Einwilligungserfordernis darauf ab, jedes Spiel und jede Spekulation mit dem Leben und der Gesundheit anderer zu unterbinden, BGH NJW-RR 1989, 1183, 1184; 1995, 476; NJW 1999, 950, 951; Prölss/Martin/Schneider, § 150 Rn. 4. 159 Hierzu bereits oben sub § 2 B. II. 1. a). 158
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
Entsprechend der graduellen Abstufung des Geschädigtenschutzes in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der jeweiligen Haftpflichtversicherung als freiwilliger Versicherung oder Pflichtversicherung muss auch die nun folgende Untersuchung der insolvenzrechtlichen Stellung des Geschädigten zwischen diesen beiden Versicherungsformen differenzieren. Hierbei soll zuerst der gesetzliche Normalfall der freiwilligen Haftpflichtversicherung untersucht werden, bevor auf die Pflichtversicherung eingegangen wird, die zumindest nach der Regelungssystematik des VVG die speziellere Versicherungsform darstellt. Zuvor soll jedoch untersucht werden, welche Auswirkungen die Insolvenzeröffnung allgemein auf Bestand und Struktur der Versicherungsforderung hat. I. Allgemeine Grundlagen: keine Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch allein aufgrund der Insolvenzeröffnung Verbreitet wird im insolvenz- und versicherungsrechtlichen Schrifttum angenommen, dass sich der Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure in einen reinen Zahlungsanspruch verwandle.160 Eine genauere Betrachtung erhellt jedoch, dass diese Ansicht das Resultat einer unbesehenen Übertragung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze auf den versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch ist, welche die Besonderheiten der Haftpflichtversicherung nicht hinreichend berücksichtigt. Hinsichtlich bürgerlichrechtlicher Freistellungsansprüche ist der weithin anerkannte Grundsatz der insolvenzbedingten Umwandlung in einen Zahlungsanspruch161 durchaus sachgerecht. Zwar gilt auch hier der Grundsatz, 160
RGZ 71, 363, 365 f.; 81, 250, 253 f.; 93, 209, 212; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 236; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 2; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 25; Mokhtari, VersR 2014, 665, 666; differenzierter dagegen Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 2 (Umwandlung in Zahlungsanspruch erst in der Hand des Geschädigten); ähnlich auch Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 15 und Prölss/Martin/Lücke, § 100 Rn. 7 (Umwandlung in Zahlungsanspruch im Falle eines Absonderungsverlangens des Dritten gem. § 110 VVG). 161 Zu diesem Grundsatz BGH NJW 1971, 2218; 1994, 49, 50 f.; NJW-RR 2001, 1490, 1491; Staudinger/Bittner, § 257 Rn. 15; Erman/Artz, § 257 Rn. 4; Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 257 Rn. 11; Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 102 ff.; Körner, Der Schuldbefreiungsanspruch in der Insolvenz des Befreiungsgläubigers, S. 57 ff.; Bischoff, ZZP 120 (2007), 237, 247; Ehricke, KTS 2008, 257, 264 ff.; a.A. Gursky, KTS 1973, 27 ff.; Kretschmer, Der Schuldbefreiungsanspruch im Konkurs des Befreiungsgläubigers, S. 34 ff.; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 76 ff.; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 255 f.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
dass der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse so zu übernehmen hat, wie er sie vorfindet.162 Von diesem Grundsatz ist aber mit Blick auf bürgerlichrechtliche Freistellungsansprüche eine Ausnahme zu machen, um eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehalts der par conditio creditorum zu vermeiden. Wie bereits dargestellt wurde, reflektiert die rechtliche Struktur eines Freistellungsanspruchs dessen doppelte wirtschaftliche Zwecksetzung, die darin besteht, einerseits das Vermögen des Freistellungsgläubigers von einem Passivum zu befreien, andererseits dem Vermögen des Drittgläubigers das in ihr verkörperte Aktivum zufließen zu lassen. Im Falle eines bürgerlichrechtlichen Freistellungsanspruchs ist die Begünstigung des Letzteren aber eine bloße Reflexwirkung des Freistellungsanspruchs, mit der keine rechtlich gesicherte Stellung des Dritten einhergeht. Erkennbar wird dies daran, dass Freistellungsgläubiger und Freistellungsschuldner nicht daran gehindert sind, über den Freistellungsanspruch zu verfügen, beispielsweise indem sie seinen Inhalt hin zu einem reinen Zahlungsanspruch abändern oder den Anspruch durch Erlassvertrag gem. § 397 Abs. 1 BGB gänzlich aufheben. Würde man nun aber den Befreiungsanspruch auch in der Insolvenz des Freistellungsgläubigers als solchen aufrechterhalten, also die Umwandlung in einen Zahlungsanspruch ablehnen, so würde der Drittgläubiger hierdurch in unzulässiger Weise insolvenzrechtlich privilegiert. Der Insolvenzverwalter könnte vom Freistellungsschuldner nur die Befreiung von der Forderung des Drittgläubigers verlangen, was im Regelfall durch Leistung des Freistellungsschuldners an den Drittgläubiger erfolgen würde. Die Forderung des Drittgläubigers würde damit vollständig befriedigt. Dies stünde aber in einem unübersehbaren Wertungswiderspruch zur Stellung des Drittgläubigers als Insolvenzgläubiger.163 Die Aufrechterhaltung des Befreiungsanspruchs als solchen liefe auf eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gehalts der par conditio creditorum hinaus. Es ist deshalb verfassungsrechtlich gefordert, den Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umzuwandeln, um sicherzustellen, dass der darin verkörperte Vermögenswert der Insolvenzmasse zufließt.164 Mit Blick auf den haftpflichtversicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch aus § 100 VVG verliert diese Begründung indes ihre Tragfähigkeit. Die historische Entwicklung der Haftpflichtversicherung hat dazu geführt, dass der Geschädigte heute durch den versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch gerade nicht mehr bloß reflexhaft begünstigt wird. Sein Interesse, das in der Versicherungsforderung enthaltene Aktivum zu seinem Vermögen zu erhalten, erfährt vielmehr gestützt auf die zuvor dargelegten rechtsethischen Erwägungen eine umfassende rechtliche Absicherung, sowohl außer162
Vgl. zu diesem Grundsatz die Nachweise in § 6 Fn. 37. Vgl. hierzu Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 104. 164 Vgl. zum Ganzen BGH NJW 1994, 49, 50 f.; Bischoff ZZP (120) 2007, 237, 247; Gerhardt, Der Befreiungsanspruch, S. 102 ff. 163
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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halb (§ 108 Abs. 1 VVG) als auch innerhalb (§ 110 VVG) des Insolvenzverfahrens. Durch das in § 110 VVG normierte Absonderungsrecht soll gerade verhindert werden, dass der Vermögenswert der Versicherungsforderung zum Zwecke der gleichmäßigen Verteilung auf die Insolvenzgläubiger für die Masse realisiert wird. Vor diesem Hintergrund ergibt es für die Insolvenzmasse auch keinerlei erkennbaren Sinn, den Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umzuwandeln.165 Aufgrund der inhaltlichen Beziehung zwischen Freistellungsanspruch und Haftpflichtforderung kann der Vermögenswert des Ersteren den der zuletzt Genannten nicht übersteigen. Soweit die Haftpflichtforderung des Geschädigten nicht zuvor durch den Versicherungsnehmer befriedigt wurde und bereits hierdurch eine Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch erfolgte, ist deshalb kein Fall denkbar, in dem der Vermögenswert des Freistellungsanspruchs zur gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendet werden könnte. Anders als im Falle eines bürgerlichrechtlichen Freistellungsanspruchs besteht beim versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch mithin kein Bedürfnis, diesen infolge der Insolvenzeröffnung ipso iure in einen Zahlungsanspruch umzuwandeln. Jedoch muss der Freistellungsanspruch immer dann den Charakter eines Zahlungsanspruchs annehmen, wenn er vom Geschädigten gegenüber dem Versicherer geltend gemacht wird. Ein entsprechendes Recht zur Geltendmachung kann der Geschädigte insbesondere aus § 110 VVG ableiten. II. Die freiwillige Haftpflichtversicherung 1. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Geschädigten a) Das Absonderungsrecht aus § 110 VVG und das ihm zugrundeliegende Pfandrecht Im Rahmen der Ausführungen über die geschichtliche Genese des Geschädigtenschutzes in der Haftpflichtversicherung wurde bereits angesprochen, dass der Gesetzgeber dem Geschädigten in § 110 VVG ein Absonderungsrecht am versicherungsvertraglichen Freistellungsanspruch eingeräumt hat. Diese rechtliche Ausgestaltung mag – was noch zu zeigen sein wird166 – nicht gerade glücklich gewählt sein. Aufgrund der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung ist an ihr jedoch de lege lata nicht zu rütteln. Im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung ist das Absonderungsrecht aus § 110 VVG für die insolvenzrechtliche Stellung des Geschädigten von zentraler Bedeutung. Im Bereich der Pflichtversicherung ist die Norm im Grunde zwar ebenfalls anwendbar. Aufgrund des Bestehens eines Direktanspruchs aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG, der dem Geschädigten einen sehr viel we165 166
Ähnlich auch schon Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 81. Hierzu ausführlich unten sub IV.
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niger steinigen Weg zur Befriedigung eröffnet, spielt sie dort aber praktisch keine Rolle.167 Wie im Rahmen des allgemeinen Teils der Untersuchung bereits ausführlich dargelegt wurde, kann das in § 110 VVG normierte Absonderungsrecht nicht ohne ein zugrundeliegendes materielles Recht gedacht werden. 168 Da das VVG eine solche Rechtsposition des Geschädigten in Bezug auf die Versicherungsforderung jedoch nicht vorsieht, liegt insoweit eine gesetzliche Regelungslücke vor, die im Wege gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung geschlossen werden muss. In Analogie zu den Regelungen der §§ 50 InsO, 1273 ff., 1204 ff. BGB ist dem Geschädigten deshalb ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung zuzugestehen, welches durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers aufschiebend bedingt ist.169 Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch der BGH explizit angeschlossen.170 Für den Insolvenzfall erfährt das materielle Trennungsprinzip folglich insoweit eine Durchbrechung, als der Geschädigte nunmehr doch eine unmittelbare materielle Berechtigung an der Versicherungsforderung erwirbt. Mit seiner Haftpflichtforderung ist der Geschädigte einfacher Insolvenzgläubiger gem. §§ 38, 51 S. 1 InsO. Am Verfahren der gleichmäßigen Befriedigung kann er jedoch gem. § 51 S. 2 InsO nur insoweit teilnehmen, als er auf das Absonderungsrecht verzichtet oder aber mit diesem keine Befriedigung der Haftpflichtforderung erreichen kann, z.B. weil diese die Versicherungssumme übersteigt. b) Objekt des Absonderungsrechts / des materiellen Vorzugsrechts ist ausschließlich der Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers Wie jedes Absonderungsrecht bezieht sich auch das in § 110 InsO normierte auf ein bestimmtes Objekt der Insolvenzmasse, in diesem Fall auf die Versicherungsforderung.171 Wie eingangs bereits erläutert wurde, ist die aus einer Haftpflichtversicherung entspringende Versicherungsforderung aber in ihrer 167
Vgl. hierzu Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 4; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 11; Looschelders/Pohlmann/Schwartze, § 115 Rn. 10. 168 Oben sub § 3 B. 169 Ähnlich Thole, NZI 2013, 665, 666; a.A. Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 65 ff. 170 BGH NZI 2014, 998. 171 Obwohl der Freistellungsanspruch nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB nur eingeschränkt, nämlich nur durch den Gläubiger der Haftpflichtforderung pfändbar ist, fällt er ungeachtet der Regelung des § 36 Abs. 1 S. 1 InsO in die Insolvenzmasse. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 110 VVG, da ein Absonderungsrecht begrifflich voraussetzt, dass der Absonderungsgegenstand zur Insolvenzmasse zählt, vgl. zum alten Recht OGH VersRdsch 1958, 366, 367; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 2.
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Struktur ausgesprochen komplex. Es muss deshalb geklärt werden, auf welchen Forderungsinhalt sich das Vorzugsrecht des Geschädigten im Einzelnen erstreckt. Im versicherungsrechtlichen Schrifttum ist insoweit umstritten, ob sich das Absonderungsrecht nur auf den Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers bezieht172 oder darüber hinaus auch auf etwaige aus §§ 100, 101 VVG resultierende Kostenerstattungsansprüche173. Zutreffend ist die erste Ansicht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 110 VVG, der dem Geschädigten das Recht zur abgesonderten Befriedigung „aus dem Freistellungsanspruch“ zuspricht, sondern auch aus dem der Privilegierung zugrundeliegenden und diese verfassungsrechtlich rechtfertigenden Zweck. Das Absonderungsrecht des Geschädigten soll verhindern, dass andere Gläubiger des Versicherungsnehmers aus seinem Schaden Profit schlagen. Die Versicherungsforderung, die unmittelbar infolge der Schädigung entsteht und wirtschaftlich mit dieser korreliert, wird deshalb nicht gleichmäßig an die Gläubiger verteilt, sondern bleibt der vorzugsweisen Befriedigung des Geschädigten verhaftet. Die Kostenerstattungsansprüche aus §§ 100, 101 VVG entstehen indes nicht unmittelbar aus der Schädigung des Dritten und bilden wirtschaftlich betrachtet auch keine Kompensation dieses Schadens. Die rechtsethischen Erwägungen, die eine Privilegierung des Geschädigten in Bezug auf den Freistellungsanspruch verfassungsrechtlich legitimieren, greifen deshalb in Bezug auf solche Ansprüche nicht durch.174 Das Absonderungsrecht des Geschädigten muss sich aus diesem Grund auf den Freistellungsanspruch beschränken. Eine weitergehende Privilegierung wäre mit dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum nicht zu vereinbaren. c) Entstehung des materiellen Vorzugsrechts und des Absonderungsrechts Soweit der Versicherungsfall bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist, bereitet die Entstehung des materiellen Pfandrechts und des darauf basierenden Absonderungsrechts des Geschädigten keine Schwierigkeiten: Mit Eintritt des Versicherungsfalls entsteht die Versicherungsforderung im Vermögen des Versicherungsnehmers belastet mit dem aufschiebend bedingten Pfandrecht des Geschädigten. Durch die Insolvenzeröffnung tritt 172
So Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 32; Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 87 f.; zum alten Recht ebenso Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 1 und auch schon Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 905 f. 173 So Prölss/Martin/Lücke, § 110 Rn. 5; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 5; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 2; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 25. 174 In diese Richtung auch schon Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 905 f.
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die aufschiebende Bedingung ein, das Pfandrecht wird wirksam und begründet zugunsten des Geschädigten das Absonderungsrecht aus § 110 VVG. Problematischer gestaltet sich die Behandlung von Fällen, in denen der Versicherungsfall erst nach Insolvenzeröffnung eintritt. Praktische Relevanz hat diese Problemstellung vor allem im Bereich der D&O-Versicherungen, da die hier übliche Implementierung des claims-made-Prinzips zu einer zeitlichen Verschiebung des Versicherungsfalls führt.175 Da die Versicherungsforderung gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Versicherungsfall entsteht, stellt sich in Parallele zur Situation bei der Lebensversicherung mit widerruflicher Bezugsberechtigung176 die Frage, ob nicht § 91 Abs. 1 InsO dem Erwerb des Pfandrechts und damit auch der Entstehung des Absonderungsrechts entgegensteht. Richtigerweise muss dem Geschädigten aber auch in diesen Fällen das Absonderungsrecht zuerkannt werden.177 Aufgrund der eigentümlichen Beziehung zwischen der Versicherungsforderung und dem Schaden des Dritten ist jene als bereits ihrer Natur nach ipso iure mit dem Pfandrecht des Geschädigten belastet anzusehen. Die Masse kann die Versicherungsforderung dementsprechend von Beginn an nur mit dieser Belastung erwerben. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Rechtslage bei einem widerruflich eingesetzten Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung. Dem Lebensversicherungsnehmer steht jederzeit die Rechtsmacht zu, die Versicherungsforderung durch Aufhebung der Bezugsberechtigung unbelastet von Rechten Dritter in seinem Vermögen entstehen zu lassen. Deshalb ist der Erwerb der Versicherungsforderung durch den Bezugsberechtigten als ein mittelbarer Erwerb aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers anzusehen, den § 91 Abs. 1 InsO im Insolvenzfall verhindern muss. Den aktiven Vermögenswert der Haftpflichtversicherungsforderung kann sich der Versicherungsnehmer dagegen wegen deren Sozialbindung schlechthin nicht selbst zueignen, er ist seiner Verfügungsmacht entzogen. Der Geschädigte erwirbt das Pfandrecht an der Forderung deshalb im engsten Sinne des Wortes originär. Auf einen solchen originären Erwerb kann § 91 Abs. 1 InsO, der den Abfluss von Vermögensbestandteilen aus der Masse verhindern soll, seinem Sinn und Zweck nach keine Anwendung finden.178
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Vgl. Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 110 Rn. 7. Hierzu oben sub § 7 C. I. 2. b). 177 H.M.: Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 237; Gottwald/Adolphsen, § 42 Rn. 68; Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 63; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 110 Rn. 7; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 40 ff.; zum alten Recht ebenso Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 4. 178 I.E. ebenso Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 40 ff. 176
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2. Wege zur Realisierung des Absonderungsrechts aus § 110 VVG im eröffneten Insolvenzverfahren Wie kann der Geschädigte nun in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers das ihm durch § 110 VVG eingeräumte Absonderungsrecht für sich realisieren? Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden zwischen den Verfahrensvorgaben, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und alternativen Regulierungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters. Der erstere Realisierungsmodus soll im Folgenden als „reguläres Verfahren“ bezeichnet werden, wobei dies ausschließlich normativ zu verstehen ist und keine Aussage über die Häufigkeit der Anwendung dieses Realisierungsmodus in praxi enthält. a) Das reguläre Verfahren zur Realisierung des Absonderungsrechts aa) Ganz h.M.: Alternative zwischen analoger Anwendung der Pfandrechtsvorschriften und Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter Bereits sehr früh nach Einführung des Absonderungsrechts des Geschädigten in § 157 VVG a.F. stellten Rechtsprechung und Literatur fest, dass diese Regelung insoweit lückenhaft sei, als sie keine Vorgaben darüber enthalte, wie das Absonderungsrecht des Geschädigten im Insolvenzverfahren zu realisieren ist;179 ein Befund, der heute weitestgehend als konsolidiert gilt.180 Mit der Feststellung dieser (vermeintlichen181) Regelungslücke eröffnete sich der Rechtspraxis ein Spielraum, der es erlaubte, das Verfahren zur Verwirklichung des Absonderungsrechts im Wege der Rechtsfortbildung selbst zu konturieren. Es etablierten sich in der Folge zwei voneinander zu unterscheidende Wege zur Geltendmachung des Absonderungsrechts, die heute beide die nahezu einhellige Zustimmung von Rechtsprechung und Schrifttum finden. (1) Analoge Anwendung der Vorschriften über Absonderungsrechte, die auf einem Pfandrecht an Forderungen basieren Zunächst setzte sich in Schrifttum182 und im Anschluss hieran auch in der Rechtsprechung183 die Ansicht durch, auf die Verwirklichung des Absonde179 RGZ 93, 209, 212; v. Seuffert, LZ 1909, Sp. 97, 107; Flechtheim, LZ 1908, Sp. 801, 817 f. 180 Vgl. Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 3; Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 65; Mokhtari, VersR 2014, 665, 666; Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 5. 181 Zur Kritik s.u. sub bb) (1). 182 Jaeger, KO, 5. Auflage, § 49 Anm. 12; v. Seuffert, LZ 1909, Sp. 97, 107 Josef, Jherings Jahrb. 56 (1910), 159, 172 f.; a.A. dagegen Flechtheim, LZ 1908, Sp. 801, 819 (Pfändung der Versicherungsforderung erforderlich) und Kirchberger, LZ 1910,
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rungsrechts aus § 110 VVG seien diejenigen Regeln analog anzuwenden, die für solche Absonderungsrechte gelten, die auf einem Pfandrecht an einer zur Insolvenzmasse gehörigen Forderung basieren. Für den Geschädigten bedeutete dies Folgendes: Gem. § 4 Abs. 2 KO war er dazu berechtigt, das Absonderungsrecht außerhalb des Konkursverfahrens geltend zu machen. Durch die Gleichstellung mit dem Inhaber eines Forderungspfandrechts wurde ihm gem. § 1282 Abs. 1 BGB eine eigene Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung eingeräumt, sodass er diese unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend machen konnte. Auch unter Geltung des heutigen Rechts wird an dieser Analogiebildung festgehalten.184 Durch die Insolvenzrechtsreform ergaben sich jedoch gewisse Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen: Die Verwirklichung von Absonderungsrechten ist nicht länger vollständig aus dem Insolvenzverfahren ausgegliedert, sondern grundsätzlich gem. §§ 165 ff. InsO in das Insolvenzverfahren integriert. Da die Einziehungsbefugnis an einer mit einem Pfandrecht belasteten Forderung in § 166 InsO aber nicht dem Insolvenzverwalter zugewiesen wird,185 richtet sich die Verwertung einer solchen gem. § 173 Abs. 1 InsO auch weiterhin nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Regeln. Auch unter neuem Recht ist der Geschädigte damit im Insolvenzverfahren dazu befugt, die ihm aus der analogen Anwendung des § 1282 Abs. 1 BGB zufließende Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung auszuüben.186 Allerdings kann das Insolvenzgericht dem Geschädigten nunmehr auf Antrag des Insolvenzverwalters gem. § 173 Abs. 2 InsO eine Frist zur Verwertung der Versicherungsforderung setzen, nach deren fruchtlosem Verstreichen die Verwertungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergeht. Sp. 577, 581 ff. (Legitimation zur Einziehung unmittelbar aus § 157 VVG a.F., allerdings erst nach Anerkennung des Absonderungsrechts durch den Konkursverwalter). 183 RGZ 93, 209, 212; BGH VersR 1954, 578, 579; 1987, 655; NJW-RR 1993, 1306. 184 BGH NZI 2013, 886, 888; 2014, 998 f.; 2016, 603, 604; Prölss/Martin/Lücke, § 110 Rn. 5; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 2; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 24; Schimikowski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 110 Rn. 2; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 110 Rn. 8; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 238; Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 65; Kayser/Thole/Lohmann, § 51 Rn. 53; Thole, NZI 2013, 665, 666; Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004 f.; Gnauck, NZI 2016, 603, 606. 185 § 166 Abs. 2 InsO ist auf Forderungen, an denen ein Pfandrecht besteht, nicht (auch nicht analog) anwendbar, BGH VersR 2012, 1520, 1523 m.w.N. 186 Vgl. zum Ganzen Thole, NZI 2011, 41, 44; das Zusammenspiel von § 173 InsO und § 1282 Abs. 1 BGB analog wird häufig verkannt, die Einziehungsbefugnis deshalb oftmals unvollständiger Weise allein auf § 1282 Abs. 1 BGB gestützt, vgl. z.B. Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 24; Prölss/Martin/Lücke, § 110 Rn. 5; explizit gegen eine Anwendung des § 173 Abs. 1 InsO dagegen Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2004.
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Das Einziehungsrecht des Geschädigten aus § 1282 Abs. 1 BGB analog entsteht mit Eintritt der Pfandreife, gem. § 1228 Abs. 2 S. 1 BGB analog also mit Fälligkeit der Haftpflichtforderung. Es besteht aus einer prozessualen und einer materiellrechtlichen Komponente. In prozessualer Hinsicht vermittelt es dem Geschädigten die Prozessführungsbefugnis in Bezug auf die Versicherungsforderung. Materiellrechtlich folgt aus der Einziehungsbefugnis die Sachlegitimation des Geschädigten, Leistung an sich selbst zu verlangen.187 Selbstverständlich kann der Geschädigte jedoch durch das ihm zufallende Einziehungsrecht keine bessere Position erlangen als der Versicherungsnehmer.188 Dies bedeutet zum einen, dass der Versicherer dem Leistungsverlangen des Geschädigten alle versicherungsrechtlichen Einwendungen (bspw. aufgrund von Obliegenheitsverletzungen) entgegensetzen kann, die ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer zustehen.189 Zum anderen erfordert die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung auch weiterhin, dass die Voraussetzungen ihrer Fälligkeit gem. § 106 S. 1 VVG eingetreten sind, die Haftpflichtforderung also mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis, Vergleich oder durch widerspruchslose Feststellung zur Insolvenztabelle festgestellt wurde.190 Der Geschädigte ist folglich weiterhin dazu gezwungen, seine Haftpflichtforderung zunächst im Haftpflichtverhältnis zum Versicherungsnehmer geltend zu machen. Im Gegensatz zum materiellen Trennungsprinzip bleibt das prozessuale Trennungsprinzip damit auch im Insolvenzfall in seinen Grundzügen erhalten.191 Für den Geschädigten bedeutet dies in praxi Folgendes: Sobald das Insolvenzverfahren eröffnet und die Pfandreife gem. § 1228 BGB analog eingetreten ist, steht ihm gem. § 1282 Abs. 1 BGB analog das Einziehungsrecht an der Versicherungsforderung zu. Mangels Fälligkeit kann er diese aber noch 187
Zum Ganzen Thole, NZI 2013, 665, 667. BGH VersR 1991, 414, 415; r+s 2004, 281, 282; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 9; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 6. 189 Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 13; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 26. Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, dass die Obliegenheitsverletzung darin besteht, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber wahrheitswidrig behauptet, die Haftpflichtforderung des Geschädigten bereits befriedigt zu haben. Dem Versicherer ist es in solchen Fällen unter analoger Anwendung des § 108 Abs. 1 VVG versagt, die Leistungsfreiheit dem Geschädigten gegenüber geltend zu machen, BGH VersR 1993, 1222, 1223. 190 Vgl. hierzu Thole, NZI 2013, 665, 666 ff., der überzeugend die verbreitete Ansicht widerlegt, die Fälligkeit der Versicherungsforderung gem. § 106 Abs. 1 VVG sei Voraussetzung dafür, dass der Geschädigte das Einziehungsrecht an dieser gem. § 1282 BGB analog erwerbe, so aber z.B. Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 236; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 2; gegen das Erfordernis der vorgehenden Feststellung der Haftpflichtforderung im Haftpflichtverhältnis dagegen Mitlehner, NZI 2014, 998, 1000. 191 Ähnlich Thole, NZI 2011, 41, 42, der aber nicht zwischen materiellem und prozessualen Trennungsprinzip differenziert. 188
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nicht gegenüber dem Versicherer durchsetzen. Er muss vielmehr zunächst in seiner Eigenschaft als Insolvenzgläubiger (§§ 52 S. 1, 38 InsO) die Haftpflichtforderung gem. § 174 InsO zur Insolvenztabelle anmelden. Wird die Forderung daraufhin widerspruchslos zur Tabelle festgestellt, so tritt gem. § 106 S. 1 VVG insoweit die Fälligkeit der Versicherungsforderung ein, als diese Feststellung nach den zuvor beschriebenen Grundsätzen Bindungswirkung entfaltet, also nur, wenn die Haftpflichtforderung auch tatsächlich besteht. Im Regelfall wird der Insolvenzverwalter die Haftpflichtforderung jedoch ohnehin bestreiten.192 Der Geschädigte muss in diesem Fall versuchen, den Widerspruch gem. §§ 179 Abs. 1, 180 InsO durch eine Feststellungsklage zu überwinden, sei es durch erstmalige Erhebung einer Klage, sei es durch Aufnahme eines gem. § 240 S. 1 ZPO unterbrochenen Haftpflichtprozesses. Ergeht daraufhin ein rechtskräftiges Feststellungsurteil zugunsten des Geschädigten, so erzeugt dieses nach den allgemeinen Grundsätzen im Deckungsverhältnis eine umfassende Bindungswirkung und führt damit gem. § 106 S. 1 VVG die Fälligkeit der Versicherungsforderung herbei. Nunmehr kann der Geschädigte in Ausübung der ihm zustehenden Einziehungsbefugnis die Versicherungsforderung gegenüber dem Versicherer durchsetzen und unmittelbare Zahlung an sich selbst verlangen. Besteht vor Eintritt der Fälligkeit die Gefahr, dass die Versicherungsforderung aufgrund der Untätigkeit von Versicherungsnehmer und Insolvenzverwalter – insbesondere durch Verjährung – ihre Durchsetzbarkeit verliert, so steht dem Geschädigten zudem die Möglichkeit offen, gegen den Versicherer auf Feststellung des Versicherungsschutzes zu klagen.193 (2) Unmittelbare Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung Mit der analogen Anwendung des § 1282 Abs. 1 BGB war ein Weg zur Realisierung des Absonderungsrechts geschaffen, der einerseits die weitgehende Aufrechterhaltung des prozessualen Trennungsprinzips ermöglichte, andererseits aber auch die unmittelbare und damit masseschonende Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten erlaubte. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst erstaunlich, dass sich Rechtsprechung und Literatur mit diesem Verfahren nicht begnügten, sondern sich veranlasst sahen, dem Geschädigten einen zweiten Weg zur Realisierung seines Absonderungsrechts zu eröffnen. Demnach steht es dem Geschädigten frei, alternativ zum zuvor beschriebenen Verfahren ohne vorherige Anmeldung der Haftpflichtforderung zur Tabelle Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter zu erheben, 192
S. o. sub A. II. 2. b) cc) (2). Hierzu statt vieler BGH VersR 2001, 90, 91; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 18; Thole, NZI 2013, 665, 667 f.; diese Kriterien werden in der Rechtspraxis aber überaus restriktiv gehandhabt, vgl. OLG Köln r+s 2016, 238 ff. 193
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soweit diese beschränkt bleibt auf Leistung aus der Versicherungsforderung.194 Einer solchen Klage stehe § 87 InsO nicht entgegen, da der Geschädigte durch sie nicht seine Insolvenzforderung, sondern sein Absonderungsrecht geltend mache.195 War bereits vor Insolvenzeröffnung ein Haftpflichtprozess anhängig, soll dem Geschädigten auf Grundlage von § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO auch die Aufnahme des gem. § 240 S. 1 ZPO unterbrochenen Prozesses möglich sein, vorausgesetzt der Klageantrag wird auch hier auf Leistung aus der Versicherungsforderung beschränkt.196 Ähnlich wie schon das Konstrukt des „gesetzlichen Treuhandverhältnisses eigener Art“ im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung erscheint auch diese Zahlungsklage nicht als Resultat eines ganzheitlichen, auf Wahrung systematischer Konsistenz ausgerichteten Akts der Rechtsschöpfung, sondern vielmehr als pragmatische Lösung, deren historische Genese eher sprunghaft als zielgerichtet ablief. Erste Wurzeln einer solchen Zahlungsklage lassen sich bereits in einem der ersten Standardwerke zum VVG von 1908, dem Kommentar von Gerhard, ausmachen.197 Dort wurde vertreten, die Verwirklichung des Absonderungsrechts solle im Dreiecksverhältnis erfolgen, der Geschädigte solle den Konkursverwalter auf Einziehung der Versicherungsforderung und Auskehrung des Erlöses in Anspruch nehmen. Diese Lösung konnte sich jedoch – zu Recht198 – nicht durchsetzen. Das Konzept einer Leistungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter verschwand dann auch zunächst für einige Jahrzehnte nahezu vollständig aus dem rechtswissenschaftlichen Diskurs.199
194
BGH VersR 1956, 625, 626; 1981, 328; 1989, 730; NZI 2016, 603, 604; Prölss/Martin/Lücke, § 110 Rn. 6; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 17; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 110 Rn. 9; Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 110 Rn. 16; Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 11; Langheid/Rixecker, § 110 Rn. 4; Schimikowski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 110 Rn. 3; Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 65; Thole, NZI 2013, 665, 668 f.; ders., NZI 2011, 41, 42; Stiller, ZInsO 2003, 207, 208; Schnepp, NZI 2013, 886, 888; a.A. Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2005. 195 Hierzu ausführlich Thole, NZI 2013, 665, 669. 196 Thole, NZI 2011, 41, 42. 197 Gerhard/Hagen et al., §§ 156, 157 Anm. 3, S. 619. 198 Hierzu noch ausführlich unten sub bb) (3). 199 Vgl. z.B. Bruck, Das Privatversicherungsrecht, S. 705, wo eine solche Klage keinerlei Erwähnung findet. Eine Ausnahme bildet die von Sieg im Anschluss an Flechtheim (Fn. 182) vertretene Ansicht, nach welcher der Geschädigte die Versicherungsforderung erst nach Pfändung und Überweisung gegenüber dem Versicherer geltend machen könne, vgl. Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, S. 209 f. Dies impliziert, dass der Geschädigte zunächst einen vollstreckbaren Titel gegen den Versicherungsnehmer erwirken müsste, ihm also die Möglichkeit einer Klage gegen diesen eingeräumt ist.
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Erst in einem Urteil vom 13.7.1956 hauchte der BGH dieser Idee neues Leben ein.200 Der Entscheidung lag ein eigentümlicher Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Erben der (infolge des schädigenden Ereignisses verstorbenen) Geschädigten Klage gegen den haftpflichtversicherten Schädiger erhoben hatten, war über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden. Noch bevor der BGH sein Urteil fällte, war das Konkursverfahren jedoch infolge eines Zwangsvergleichs bereits wieder aufgehoben worden. Die Entscheidung des BGH ist offenkundig durch das Bemühen geprägt, die bereits rechtshängigen Klagen nicht an dem zwischenzeitlichen Konkursverfahren scheitern zu lassen. Dementsprechend wurde konstatiert, dass die Klagen auf abgesonderte Befriedigung gerichtet waren und deshalb gem. § 4 Abs. 2 KO ungeachtet des Konkursverfahrens weiterverfolgt werden konnten. Um dieses Ergebnis zu stützen, interpretierte der BGH die Schadensersatzklagen dahingehend, dass sie darauf beschränkt waren, Befriedigung aus den entsprechenden Versicherungsforderungen zu erlangen – ungeachtet des Umstands, dass dies in den Anträgen der Parteien nie zum Ausdruck kam. Die rechtliche Begründung dieser Entscheidung erschöpft sich in der Feststellung, dass die Klagen andernfalls keinen Erfolg haben konnten. Der nächsten Entscheidung des BGH vom 30.6.1964 lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde: Auch hier hatte der Kläger (in diesem Fall der Versicherer des Geschädigten) die Klage gegen den Schädiger bereits vor Konkurseröffnung erhoben. Die Fortführung des Prozesses wurde ebenfalls ungeachtet des Konkursverfahrens zugelassen, erneut blieb die rechtliche Begründung dünn.201 Aufbauend auf diese beiden Entscheidungen entschied der BGH fortan in ständiger Rechtsprechung ganz allgemein, dass es dem Geschädigten auch nach Konkurs- bzw. Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Versicherungsnehmers unbenommen bleibe, gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung zu klagen, sofern sich die Klage auf Leistung aus der Versicherungsforderung beschränke.202 Wiederum gestützt auf diese Rechtsprechungspraxis fand die Konstruktion der gegen den Insolvenzverwalter gerichteten Zahlungsklage auch Eingang in die Literatur.203 Bemerkenswert an dieser Entwicklung ist, dass die Lösung des BGH bislang keine über die ursprünglichen Ausführungen des Gerichtshofs hinausführende rechtliche Einordnung oder normative Verankerung erfahren hat, sondern – wenn überhaupt – ausschließlich mit pragmatischen Erwägungen begründet wurde. Es ist wohl auch auf dieses Versäumnis zurückzuführen, dass die genaue Zielsetzung der Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter bis heute nicht 200
BGH VersR 1956, 625, 626. BGH VersR 1964, 966 f. 202 BGH VersR 1989, 730, 731; BeckRS 2013, 14787 Rn. 10. 203 Vgl. die Nachweise in Fn. 194.
201
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ganz klar ist. Teilweise scheinen die entsprechenden Ausführungen dahin zu tendieren, dass die Zahlungsklage lediglich das Ziel hat, mittels des aus ihr resultierenden Urteils gem. § 106 S. 1 VVG die Fälligkeit der Versicherungsforderung herbeizuführen, um deren Einziehung durch den Geschädigten auf Grundlage des § 1282 Abs. 1 BGB analog zu ermöglichen.204 In ihren Rechtswirkungen schießt die Zahlungsklage freilich über dieses Ziel hinaus. Ein entsprechendes Zahlungsurteil beschränkt sich in seinen Wirkungen nicht auf die Herbeiführung der Fälligkeit der Versicherungsforderung, sondern enthält einen an den Insolvenzverwalter gerichteten Leistungsbefehl dahingehend, den Geschädigten durch Zahlung aus der Versicherungsforderung zu befriedigen. Wollte der Insolvenzverwalter diesem Leistungsbefehl nachkommen, müsste er zunächst die Versicherungsforderung einziehen und die Entschädigungsleistung sodann an den Geschädigten ausschütten.205 Das Resultat wäre eine Abwicklung im Dreiecksverhältnis, wie sie bereits im Gerhard’schen Kommentar vorgeschlagen wurde. Darauf, dass die Zahlungsklage in diesem Sinne zu verstehen ist und damit mehr ist als ein bloßes Hilfsmittel zur raschen Fälligstellung der Versicherungsforderung, weisen denn auch zahlreiche Äußerungen in der Literatur hin, wonach sie einen neben die Einziehung nach § 1282 Abs. 1 BGB analog tretenden und damit eigenständigen Weg zur Realisierung des Absonderungsrechts darstellen soll.206 bb) Kritische Betrachtung der unmittelbaren Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter Die Konstruktion einer Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter bietet gleich in mehrerer Hinsicht Raum für Kritik. Ihre rechtsfortbildende Schöpfung fußt methodisch auf fehlerhaften Prämissen, sie ist aus Sicht des Insolvenzverwalters auf eine unmögliche Leistung gerichtet und es mangelt ihr an einer hinreichenden materiellrechtlichen Grundlage.
204
Sehr deutlich in diese Richtung Armbrüster, r+s 2010, 441, 453; Thume, VersR 2006, 1318, 1321; tendenziell ebenso Uhlenbruck/Brinkmann, § 51 Rn. 65. 205 In diese Richtung Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 166 Rn. 84. 206 Vgl. Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 238; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 23; Looschelders/Pohlmann/Schulze Schwienhorst, § 110 Rn. 9; Mokhtari, VersR 2014, 665, 666; in dieselbe Richtung weisen Äußerungen, wonach der Geschädigte durch die Zahlungsklage selbst bereits die abgesonderte Befriedigung verwirkliche, also nicht erst durch eine anschließende Inanspruchnahme des Versicherers, so z.B. BGH BeckRS 2013, 14787 Rn. 10; Bruck/Möller/Koch, § 110 Rn. 17.
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(1) Fehlerhafte methodische Prämissen Literatur und Rechtsprechung sehen den Raum für die von ihnen geschaffenen Rechtsfortbildungen dadurch eröffnet, dass die Durchsetzung des in § 110 VVG normierten Absonderungsrechts gesetzlich nicht geregelt sei.207 Diese Prämisse trifft indes nicht ganz das Richtige und führt aus diesem Grund zu zwei Schlussfolgerungen, von denen eine zumindest unpräzise und die andere schlechthin fehlerhaft ist. Unpräzise ist die immer wieder anzutreffende Feststellung, in Ausfüllung der Regelungslücke habe die Durchsetzung des in § 110 VVG normierten Absonderungsrechtes durch analoge Anwendung der Vorschriften über das auf einem Pfandrecht beruhende Absonderungsrecht zu erfolgen.208 Wie bereits erläutert wurde, muss die analoge Anwendung der Pfandrechtsvorschriften bereits auf einer vorgelagerten Stufe eingreifen: Nicht lediglich die Vorschriften über die Durchsetzung des Pfandrechts müssen zur analogen Anwendung kommen, rechtsfortbildend ist dem Absonderungsrecht vielmehr ein echtes Pfandrecht zugrunde zu legen. Die Durchsetzung hat also nicht wie auf Grundlage eines Pfandrechts zu erfolgen, sie erfolgt vielmehr wirklich auf Grundlage eines Pfandrechts.209 Auch der BGH folgt in seinen jüngsten Entscheidungen zu § 110 VVG dieser Ansicht.210 Die Unterscheidung mag zunächst subtil wirken, sie ist aber in methodischer Hinsicht von erheblicher Bedeutung. Denn nur, wenn die Regelungslücke die Durchsetzung des Absonderungsrechts beträfe, bliebe Raum für die rechtsfortbildende Schaffung eines zweiten Durchsetzungsmodus, namentlich der Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter.
207
S. die Nachweise in Fn. 179 f. Ausdrücklich findet sich diese Terminologie vor allem in der älteren Literatur, vgl. Kirchberger, ZHR 68 (1910), 147, 197 ff. (der aber die analoge Anwendung der Pfandrechtsvorschriften letzten Endes ganz ablehnt); Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 902. Aus neuerer Zeit explizit für eine Beschränkung der Analogie auf die Durchsetzungsmodalitäten des Absonderungsrechts Baumann, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 157 Rn. 5 und Gnauck, Das Absonderungrecht nach § 110 VVG, S. 65 ff. 209 So bereits Thole, NZI 2013, 665, 666. Allerdings kommt Thole hierbei entgegen der hier vertretenen Ansicht zu dem Schluss, die h.M. gehe bereits implizit von der Existenz einer dem Absonderungsrecht zugrundeliegenden pfandrechtsähnlichen Vorzugsstellung aus. Diese Annahme wird vornehmlich auf die Rechtsprechung des BGH gestützt, nach der dem Geschädigten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung zusteht. Diese Rechtsprechung ist indes nicht eindeutig und zumindest missverständlich, vgl. hierzu bereits oben sub § 3 B. III. 3. a). Schlussendlich verträgt sich die Konzeption eines bestehenden pfandrechtsähnlichen Vorzugsrechts des Geschädigten aber vor allem nicht mit den Schlussfolgerungen der h.M. in Bezug auf die Möglichkeit einer Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter, wie die folgenden Ausführungen erhellen werden. A.A. Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 68. 210 BGH NZI 2014, 998; 2016, 603, 604. 208
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Eine solche Regelungslücke besteht jedoch gerade nicht. Die Realisierung aller Absonderungsrechte – und damit auch des Absonderungsrechts aus § 110 VVG – erfuhr bereits unter Geltung der KO eine umfassende Regelung und ist auch in der InsO gesetzlich abschließend normiert. Die entsprechende Regelung in der KO war zwar zurückhaltend aber gleichwohl lückenlos. § 4 Abs. 2 KO stellte schlicht fest, dass die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren zu erfolgen habe. Damit wurde klargestellt, dass das – dem Absonderungsrecht notwendig zugrundeliegende – materielle Recht des Absonderungsberechtigten vom Konkursverfahren unberührt blieb, dessen Verwirklichung also denselben Regeln unterlag wie außerhalb eines Konkursverfahrens. E contrario waren andere als die bereits außerhalb des Insolvenzverfahrens anwendbare Verwertungsverfahren gesetzlich ausgeschlossen. Die InsO begründet in ihren §§ 165 ff. ein sehr viel ausdifferenzierteres, aber ebenso umfassendes Regelungssystem zur Realisierung von Absonderungsrechten. Im hier interessierenden Bereich der beweglichen Absonderungsgüter setzt sich dieses System zusammen aus zwei komplementären Komponenten: Auf der einen Seite steht die punktuelle Zuweisung der Verwertungsbefugnis an den Insolvenzverwalter (§ 166 InsO), die durch Regelungen zum Verwertungsverfahren und zur Verteilung des Erlöses ergänzt wird (§§ 167 ff. InsO). Auf der anderen Seite steht die allgemeine Auffangregelung des § 173 Abs. 1 InsO, die für alle übrigen Fälle ähnlich der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 2 KO bestimmt, dass das materielle Recht des Absonderungsberechtigten vom Insolvenzverfahren unberührt bleibt, sich die Verwertung also nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Regeln zu vollziehen hat. Die Realisierung von Absonderungsrechten findet in der InsO folglich eine umfassende und abschließende Regelung, freilich teilweise unter Rekurs auf die jeweils zugrundeliegende materielle Rechtsposition.211 Wie bereits gezeigt wurde, liegt in der mangelnden Normierung dieser materiellrechtlichen Grundlage des Absonderungsrechts in § 110 VVG die eigentliche Regelungslücke der Norm. Ist diese aber durch die rechtsfortbildende Kreation eines Pfandrechts gefüllt worden, so muss sich die Realisierung des Absonderungsrechts ausschließlich nach den §§ 173 Abs. 1 InsO, 1282 Abs. 1 BGB richten. Die Anerkennung eines weiteren Durchsetzungsmodus in Form der Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter ist dagegen mangels Regelungslücke als Rechtsfortbildung contra legem zu qualifizieren und unterläuft das sorgfältig austarierte Regelungssystem der §§ 166 ff. InsO.
211
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(2) Unerfüllbarkeit des im Urteil verkörperten gerichtlichen Leistungsbefehls Die Friktionen, die eine gegen den Insolvenzverwalter gerichtete Zahlungsklage im Hinblick auf die §§ 166 ff. InsO erzeugen, werden in besonderem Maße daran augenfällig, dass es dem Insolvenzverwalter auf Grundlage des geltenden Insolvenzrechts schlechthin unmöglich ist, einem entsprechenden Zahlungsurteil nachzukommen. Der in einem solchen Urteil verkörperte Leistungsbefehl ist darauf gerichtet, die Versicherungsleistung an den Geschädigten auszuzahlen, was deren vorherige Einziehung gegenüber dem Versicherer bedingt. Dem Insolvenzverwalter mangelt es jedoch an der hierfür erforderlichen Rechtsmacht. Die Einziehungsbefugnis an der Versicherungsforderung ist – wie bereits dargelegt wurde – gem. §§ 173 Abs. 1, 1282 Abs. 1 BGB dem Geschädigten zugewiesen. Eine simultane Einziehungsbefugnis sowohl des Absonderungsberechtigten als auch des Insolvenzverwalters ist dem geltenden Insolvenzrecht fremd.212 (3) Konflikt mit dem Verbot, die freie Insolvenzmasse mit den Kosten der Realisierung des Absonderungsrechts zu belasten Doch selbst wenn man dem Insolvenzverwalter die notwendige Einziehungsbefugnis zubilligen wollte, wären damit nicht alle Probleme ausgeräumt. Der hieraus resultierenden Abwicklung im Dreiecksverhältnis würden vielmehr dieselben Einwände entgegenstehen wie im Bereich der Versicherung für fremde Rechnung. Auch hier würde die Insolvenzmasse entgegen der Vorgaben der InsO mit den Kosten einer Forderungseinziehung belastet, die in erster Linie dem Dritten zugutekommt.213 Um dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum gerecht zu werden, müssten deshalb zumindest die Kostentragungsregeln der §§ 170, 171 InsO (analoge) Anwendung finden.214 Da der versicherungsrechtliche Freistellungsanspruch seinem Wert nach die Haftpflichtforderung niemals übersteigen kann, hätte dies jedoch wiederum zur Folge, dass der Geschädigte bei der abgesonderten Befriedigung regelmäßig mit 9 % der Haftpflichtforderung (§ 171 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 InsO) ausfällt. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zum Regelungsziel der §§ 108, 110 VVG, sicherzustellen, dass die Versicherungsleistung „unter allen Umständen“ dem Geschädigten zugutekommt.215 Es lässt sich auch nicht argumentieren, dass der Forderungsausfall 212
Ebenso jüngst Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 208 ff.; explizit gegen ein Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters auch BGH NZI 2014, 998, 999. 213 Diesen Einwand brachten bereits Flechtheim, LZ 1908, Sp. 801, 818 und Meuret, LZ 1908, Sp. 900, 907 f. gegen die im Gerhard’schen Kommentar (Fn. 197) favorisierte Abwicklung im Dreiecksverhältnis in Stellung. 214 Dafür Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 166 Rn. 85. 215 Vgl. zu diesem Regelungsziel Motive zum VVG, S. 639 (zu Nr. 8).
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des Geschädigten durch die Einsparungen aufgewogen wird, die daraus folgen, dass er selbst nicht mit der Einziehung der Versicherungsforderung belastet ist. Aufgrund der Ausgestaltung des Kostenbeitrags in § 171 InsO als Pauschalbetrag ist nicht gewährleistet, dass dieser mit den ersparten Aufwendungen des Geschädigten vollständig deckungsgleich wäre. (4) Mangelnde materiellrechtliche Grundlage der Zahlungsklage Schließlich fehlt es einer Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter auch an einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. Jede Leistungsklage bedarf zu ihrem Erfolg grundsätzlich eines materiellrechtlichen Anspruchs, der das Leistungsverlangen des Klägers stützt.216 In Literatur und Rechtsprechung wurden bislang indes noch keinerlei Bemühungen entfaltet, eine solche materiellrechtliche Grundlage für die Zahlungsklage des Geschädigten zu identifizieren. Die Haftpflichtforderung kommt hierfür nicht in Betracht, da § 87 InsO eine klageweise Geltendmachung derselben aufgrund ihrer Eigenschaft als Insolvenzforderung verhindert. Das Absonderungsrecht hingegen vermittelt grundsätzlich erst dann einen Anspruch auf Auszahlung des Erlöses, wenn der Insolvenzverwalter das Absonderungsgut bereits verwertet hat (vorausgesetzt freilich ihm steht die Verwertungsbefugnis überhaupt zu), vgl. § 170 Abs. 1 InsO. Dagegen kann der Absonderungsberechtigte den Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht klageweise dazu zwingen, das Absonderungsgut zu verwerten und ihn aus dem Erlös zu befriedigen. Vielmehr ist der Gläubiger in Fällen, in denen der Insolvenzverwalter die Verwertung verzögert, auf Schadensersatzansprüche aus § 60 InsO und die Kompensation aus § 169 InsO beschränkt.217 Das Absonderungsrecht vermag die Zahlungsklage des Geschädigten mithin ebenso wenig wie die Haftpflichtforderung zu stützen. cc) Systemgerechte Lösung: Klage des Geschädigten auf Duldung der abgesonderten Befriedigung gestützt auf § 1277 BGB analog Ausgehend von einer fehlerhaften methodischen Prämisse wurde mit der Zahlungsklage folglich ein Verwertungsverfahren konstruiert, das in einem erheblichen Konflikt zu den Regelungen der §§ 166 ff. InsO steht und in praxi zu keinen sinnvollen Ergebnissen führt. Die Konstruktion einer unmittelbaren Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter, beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung sollte deshalb fallen gelassen werden. Gleichwohl ist das Bedürfnis des Geschädigten nach einer Vereinfachung des ihm zur Realisierung seines Absonderungsrechts offenstehenden Weges nicht von der Hand zu weisen. Die Notwendigkeit einer Gel216 217
Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 89 Rn. 1. Lwowski/Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 169 Rn. 18.
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tendmachung seiner Haftpflichtforderung im insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahren bedeutet für ihn eine nicht unerhebliche und letztlich durch Sachgründe nicht zu rechtfertigende Belastung. Wie bereits dargelegt wurde, wird der Insolvenzverwalter die Haftpflichtforderung nach ihrer Anmeldung in aller Regel zunächst bestreiten. Für den Geschädigten bedeutet das Prüfungsverfahren damit lediglich eine Verzögerung des ohnehin unabwendbaren Haftpflichtprozesses gegen den Insolvenzverwalter. Ob der potentiell langen Dauer des insolvenzrechtlichen Prüfungsverfahrens, kann diese Verzögerung für den Geschädigten eine ganz erhebliche Belastung bedeuten.218 Es erscheint deshalb durchaus notwendig, eine Möglichkeit zu finden, die Fälligkeit der Versicherungsforderung auch ohne den mühsamen Weg über das Prüfungsverfahren herbeizuführen. Diesem Bedürfnis kann aber auch ohne die rechtlich nicht haltbare Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter entsprochen werden. Weithin unbeachtet von der Literatur hat der IX. Zivilsenat des BGH in einem 2014 ergangenen Beschluss einen dogmatisch konsistenten Lösungsweg angedeutet:219 eine Klage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter gerichtet auf Duldung der abgesonderten Befriedigung.220 Bestreitet der Insolvenzverwalter das Bestehen eines Absonderungsrechts, so ist dem Prätendenten stets die Möglichkeit einer klageweisen Geltendmachung desselben eröffnet. Sofern er sich hierbei auf ein Absonderungsrecht beruft, das ihm selbst die Verwertung des Absonderungsguts ermöglichen würde, ist die Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung zu richten.221 Eine solche Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung – die insolvenzrechtliche Fortführung der außerhalb des Insolvenzverfahrens einschlägigen Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung 222 – muss auch dem Geschädigten mit Blick auf die Haftpflichtversicherung eröffnet sein. Das 218 Aufgrund der Fristenregelungen der §§ 28 Abs. 1 S. 2, 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO können zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Prüfungstermin bis zu fünf Monate liegen, in besonders gelagerten Fällen kann der Prüfungstermin gem. § 4 InsO i.V.m. § 277 ZPO gar noch weiter nach hinten verschoben werden, vgl. zum Ganzen Schmahl/Busch, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 29 Rn. 82 f. Für den Geschädigten bedeutet dies in praxi, dass er schlimmstenfalls über fünf Monate zuwarten muss, bevor er ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung seiner Insolvenzforderung überhaupt einleiten kann, vom Abschluss eines solchen Verfahrens ganz zu schweigen. 219 BGH NZI 2014, 998, 999. 220 Ebenso wie hier auch schon Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 197 ff. 221 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, §§ 49 bis 52 Rn. 142; spezifisch zum Absonderungsrecht aufgrund eines Pfandrechts: Uhlenbruck/Brinkmann, § 50 Rn. 60; K. Schmidt/Thole, § 50 Rn. 22 (der allerdings gleichrangig neben der Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung die Feststellungsklage nennt, was vor dem Hintergrund der Subsidiarität der Feststellungsklage fragwürdig ist). 222 Vgl. hierzu Soergel/Habersack, § 1233 Rn. 3.
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Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage ist ohne Weiteres gegeben: Indem der Insolvenzverwalter der Haftpflichtforderung widerspricht, bestreitet er implizit auch das Absonderungsrecht des Geschädigten. Dies eröffnet die Möglichkeit klageweisen Vorgehens.223 Materiellrechtliche Grundlage der entsprechenden Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung ist in analoger Anwendung des § 1277 BGB das Pfandrecht des Geschädigten an der Versicherungsforderung,224 genauer der aus dieser Norm resultierende materiellrechtliche Duldungsanspruch.225 Im Gegensatz zur von der h.M. befürworteten Zahlungsklage reflektiert die Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung in ihrer Struktur als Haftungsklage226 exakt die materiellrechtliche Vorzugsstellung des Geschädigten in Bezug auf die Versicherungsforderung. Sie ist gerade keine Zahlungsklage,227 sondern beschränkt sich darauf, die besondere haftungsrechtliche Zuordnung der Versicherungsforderung zur Befriedigung der Haftpflichtforderung des Geschädigten zu realisieren. Soweit die Duldungsklage von Erfolg gekrönt ist, führt das entsprechende Urteil gem. § 106 S. 1 VVG die Fälligkeit der Haftpflichtforderung herbei.228 Hiergegen könnte zwar eingewandt werden, mit dem Urteil sei lediglich über das Absonderungsrecht entschieden und gerade nicht die Haftpflichtforderung (für den Versicherer verbindlich) festgestellt. Bei Lichte besehen vermag dieser Einwand jedoch nicht zu verfangen. Essentielle Voraussetzung für die Existenz des Absonderungsrechts und maßgeblich für dessen Umfang ist die dem Geschädigten gegen den insolventen Versicherungsnehmer zustehende Haftpflichtforderung. Obgleich nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist deren Berechtigung und Höhe damit eine notwendig zu klärende Vorfrage im Prozess über die Duldung der abgesonderten Befriedigung.229 Die versicherungsrechtliche Bindungswirkung ist nun aber gerade keine Form der Rechtskrafterstreckung und damit gegenständlich nicht auf den prozessualen Streitgegenstand beschränkt. Maßgeblich ist vielmehr das 223
Dies verkennt Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2005. Jauernig/Berger, § 1277 Rn. 1, § 1233 Rn. 2. 225 Vgl. zu diesem Duldungsanspruch, der seiner Struktur nach dem aus § 1147 BGB entspringenden Anspruch entspricht Soergel/Habersack, § 1233 Rn. 3 (zur Parallelregelung für das Pfandrecht an beweglichen Sachen). 226 Vgl. zu diesem Begriff Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 89 Rn. 11. 227 Vgl. Bamberger/Roth/Sosnitza, § 1277 Rn. 2; Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1277 Rn. 2. 228 So auch schon Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 200 und jüngst auch BGH NZI 2016, 603, 604 m. zust. Anm. Gnauck für den Fall der Duldungsklage gegen den Versicherungsnehmer nach Freigabe der Versicherungsforderung, hierzu noch ausführlich unten sub b) aa). 229 Aus diesem Grund gilt allgemein für auf Pfandrechte gestützte Klagen auf Duldung der Zwangsvollstreckung / der abgesonderten Befriedigung, dass die gesicherte Forderung in den Klageantrag mitaufgenommen werden muss, vgl. Soergel/Habersack, § 1233 Rn. 3. 224
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Kriterium der Voraussetzungsidentität. Dementsprechend müssen die das Duldungsurteil tragenden Feststellungen über die Haftpflichtforderung als den Versicherer bindend erachtet werden.230 Mit der Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung ist ein Instrument gefunden, das einerseits dem berechtigten Interesse des Geschädigten an einer zügigen Fälligstellung der Versicherungsforderung ohne den langwierigen Gang über das insolvenzrechtliche Prüfungsverfahren hinreichend Rechnung trägt und sich andererseits dogmatisch reibungslos in das insolvenzrechtliche Regelungssystem einfügt. Es wird hier keine neue, neben die Regelungen des Pfandrechts tretende Lösung geschaffen, sondern in konsequenter Weiterführung der notwendigen rechtsfortbildenden Schaffung eines Pfandrechts aus diesem der adäquate Rechtsbehelf des Geschädigten abgeleitet. b) Alternative Gestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters Neben dem soeben dargestellten, regulären Verfahren zur Durchsetzung des Absonderungsrechts bestehen für den Insolvenzverwalter Möglichkeiten, den Geschädigten auf alternative Wege zur Realisierung seines Absonderungsrechts zu verweisen. Er kann die Versicherungsforderung entweder aus der Insolvenzmasse freigeben oder aber an den Geschädigten abtreten. Gemein ist diesen beiden Gestaltungsmöglichkeiten, dass der Insolvenzverwalter durch sie die Insolvenzmasse von den Belastungen des Haftpflichtprozesses freihalten kann. Zwar wären diese Belastungen bei bestehender Versicherungsdeckung gem. §§ 100, 101 VVG letztlich vom Versicherer zu tragen. Allerdings trüge die Insolvenzmasse insoweit das Risiko, dass der Versicherer die Versicherungsdeckung unter Berufung auf Obliegenheitsverletzungen verweigert oder eine Leistungskürzung geltend macht. Freigabe und Abtretung der Versicherungsforderung können die Insolvenzmasse von diesem Risiko entlasten aa) Freigabe der Versicherungsforderung In einer 2009 ergangenen Entscheidung hat der BGH zu Recht festgestellt, dass es dem Insolvenzverwalter offen steht, die Versicherungsforderung aus der Insolvenzmasse freizugeben.231 Das Verfügungsverbot des § 108 Abs. 1 VVG steht der Freigabe nicht entgegen. Von eher untergeordneter Bedeutung ist insoweit, dass es sich bei der Freigabe schon gar nicht um eine Verfügung handelt und dass das Verfügungsverbot wegen § 80 Abs. 2 230
Ebenso schon für die bislang praktizierte Zahlungsklage Thole, NZI 2013, 665, 669. BGH VersR 2009, 821 f.; so auch schon zur KO BGH VersR 1997, 61, 62; zustimmend Oepen, EWiR 2009, 459 f.; Mitlehner, ZIP 2012, 2003, 2005; Mokhtari, VersR 2014, 665, 669; kritisch dagegen Seyboldt/Wendt, VersR 2011, 458 ff. 231
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S. 1 InsO im Insolvenzverfahren ohnehin keine Wirkung beanspruchen kann. Entscheidend ist letztlich, dass der Schutzzweck des § 108 Abs. 1 VVG dessen (analoge) Anwendung auf die Freigabe nicht erfordert. Das Verfügungsverbot soll den Geschädigten davor schützen, dass ihm die Versicherungsforderung als Haftungsobjekt verlustig geht. Auch nach der Freigabe der Versicherungsforderung bleibt der Geschädigte jedoch durch das vormals dem Absonderungsrecht zugrundeliegende und nun allein weiterbestehende Pfandrecht an der Versicherungsforderung hinreichend geschützt.232 Nicht abschließend äußern musste sich der BGH im Rahmen der 2009 ergangenen Entscheidung jedoch zu der Frage, wie der Geschädigte seine haftungsrechtliche Vorzugsstellung an der Versicherungsforderung nach deren Freigabe für sich realisieren kann. Eine Klage gegen den Insolvenzverwalter kommt nicht in Betracht. Soweit sich eine solche auf die weiterhin gegen die Insolvenzmasse gerichtete Haftpflichtforderung stützt, steht ihr § 87 InsO entgegen.233 Aber auch gestützt auf das Pfandrecht kann der Geschädigte nicht länger gegen den Insolvenzverwalter vorgehen, da die belastete Versicherungsforderung nicht länger zur Insolvenzmasse zählt. Der BGH weist in seiner Entscheidung jedoch darauf hin, dass der Geschädigte anstelle des Insolvenzverwalters fortan den Versicherungsnehmer in Anspruch nehmen könne. Als Pfandgläubiger könne er auch während des Insolvenzverfahrens ungehindert durch § 89 Abs. 1 InsO die Zwangsvollstreckung gegen diesen betreiben. Zur Frage, woher ein entsprechender Vollstreckungstitel rühren sollte, äußerte sich der BGH zunächst nicht. Während sich die Literatur auf dem Boden der bislang herrschenden Ansicht bei der Lösung dieses Problems mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sah,234 fällt die Antwort auf Grundlage der hier entwickelten Konzeption leicht. Dem Geschädigten steht auch nach Freigabe der Versicherungsforderung weiterhin die auf § 1277 BGB analog gestützte Haftungsklage offen. Modifikationen im Vergleich zur Rechtslage vor der Freigabe ergeben sich nur insoweit, als die Klage nunmehr inhaltlich auf Duldung der Zwangsvollstreckung und personell gegen den Geschädigten zu richten ist. Hat die Klage Erfolg, so kann der Geschädigte die hierdurch fällig gestellte Versicherungsforderung wie gehabt in Ausübung seiner Einziehungsberechtigung aus § 1282 Abs. 1 BGB analog gegenüber dem Versicherer durchsetzen. Es zeigt sich hier noch einmal in besonders prägnanter Weise, dass erst die rechtsfortbildende Schaffung eines dem Absonderungsrecht zugrundeliegen232
Zum Ganzen BGH VersR 2009, 821, 822. BGH VersR 2009, 821, 822. 234 Vgl. Mokhtari, VersR 2014, 665, 669. Thole, NZI 2011, 41, 43; Wazlawik, EWiR 2008, 287, 288 und Oepen, EWiR 2009, 459, 460 begnügen sich mit der Feststellung, nach Freigabe der Versicherungsforderung sei die Zahlungsklage gegen den Versicherungsnehmer zu richten. Auf welche Grundlage eine solche Zahlungsklage gestützt werden kann und wie sich diese mit § 87 InsO verträgt, erörtern sie jedoch nicht. 233
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den Pfandrechts sowie die konsequente Ableitung aller aus einem solchen Vorzugsrecht entspringender Rechtsfolgen eine vollständige Harmonisierung der Rechtslagen innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens gewährleistet. In einer jüngst ergangenen Entscheidung erhielt die hier entwickelte Konzeption den Segen des BGH. Auch der BGH verweist den Geschädigten nunmehr explizit auf eine Duldungsklage gegen den Versicherungsnehmer; dies allerdings nur für den Fall der Freigabe der Versicherungsforderung.235 Soweit die Versicherungsforderung noch zur Insolvenzmasse zählt, hält der BGH in derselben Entscheidung explizit an der Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter fest.236 Es offenbart sich hierin, dass der BGH ungeachtet entgegenstehender Beteuerungen237 die Konzeption eines dem Absonderungsrecht aus § 110 VVG zugrundeliegenden ungeschriebenen gesetzlichen Pfandrechts noch nicht vollständig rezipiert hat. Abschließend muss in diesem Kontext noch angemerkt werden, dass der Geschädigte auch nach Freigabe der Versicherungsforderung vorrangig aus dieser Befriedigung zu suchen hat. Obgleich das Absonderungsrecht aus § 110 VVG mit der Freigabe untergeht, muss § 52 S. 2 InsO weiterhin Anwendung finden. Eine Geltendmachung der Haftpflichtforderung als Insolvenzforderung kann also nur insoweit erfolgen, als der Geschädigte auf das Pfandrecht an der Versicherungsforderung verzichtet oder mit diesem ausfällt.238 bb) Zession der Versicherungsforderung Neben die insolvenzrechtliche Freigabe tritt für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Versicherungsforderung im Wege der Zession auf den Geschädigten zu übertragen. Infolge der Einführung des § 108 Abs. 2 VVG n.F. durch die VVG-Reform 2008 kann diese Möglichkeit nicht länger kautelarjuristisch ausgeschlossen werden.239 Die früher allgemein üblichen vertraglichen Abtretungsverbote können seitdem nur noch als Individualabrede wirk-
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BGH NZI 2016, 603, 604 f. m. zust. Anm. Gnauck. BGH NZI 2016, 603, 604. 237 Vgl. hierzu die Nachweise oben in Fn. 210. 238 BGH VersR 2009, 821, 822; allgemein zur Anwendbarkeit des § 52 S. 2 InsO nach Freigabe eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Massegegenstands Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 52 Rn. 10 m.w.N. 239 Eine Ausnahme hiervon mag höchstens für solche Klauseln gelten, die im Bereich der Haftpflichtversicherung für fremde Rechnung die Zession der Versicherungsforderung vom Versicherten an den Versicherungsnehmer verhindern sollen. Zu dieser – insbesondere für die D&O-Versicherung relevanten – Streitfrage Armbrüster, r+s 2010, 441, 448 m.N. 236
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
279
sam vereinbart werden, was jedoch nur sehr selten praxisrelevant werden dürfte.240 Wie bereits erläutert wurde, erfasst die Abtretung der Versicherungsforderung nur deren Freistellungskomponente.241 Infolge der Zession an den Geschädigten verwandelt sich diese in einen Zahlungsanspruch.242 Die Rechtsschutzkomponente der Versicherungsforderung verbleibt dagegen beim Versicherungsnehmer. Sie kann aufgrund ihrer Bindung an die Stellung als (vermeintlicher) Schuldner der Haftpflichtforderung nicht ohne Inhaltsänderung auf einen Dritten übertragen werden und ist deshalb der Zession nicht zugänglich, § 399 Alt. 1 BGB.243 (1) Folge der Zession: unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten Infolge der Zession steht dem Geschädigten ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Versicherer zu. Bedenkt man allerdings, dass dem Geschädigten auch schon vor der Zession gem. § 1282 Abs. 1 BGB analog ein Einziehungsrecht an der Versicherungsforderung zustand, so stellt sich die Frage, ob für ihn – oder den Insolvenzverwalter – durch die Zession wirklich etwas gewonnen wird. Richtiger Ansicht nach ist diese Frage zu bejahen. Durch die Zession der Versicherungsforderung wird der Geschädigte in die Lage versetzt, die Versicherungsforderung ohne vorherige Geltendmachung der Haftpflichtforderung unmittelbar gegenüber dem Versicherer einzuziehen.244 Zwar werden in der Literatur verschiedentlich Bedenken gegen die (sofortige) Durchsetzbarkeit des infolge der Zession erlangten Zahlungsanspruchs erhoben.245 Diese Bedenken halten einer näheren Prüfung indes allesamt nicht stand. 240
Vgl. hierzu Schwintowski/Brömmelmeyer/Retter, § 108 Rn. 15. Oben sub C. II. 1. b). 242 Oben sub A. II. 1. b). 243 Statt vieler Armbrüster, r+s 2010, 441, 448 f.; Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 31; Lange, r+s 2007, 401, 403; kritisch in Bezug auf die getrennte Abtretbarkeit jedoch Schramm/Wolf, r+s 2009, 358; Baumann, VersR 2010, 984, 986. 244 So auch die h.M.: BGH BeckRS 2016, 08080; VersR 1975, 655, 656 f.; VersR 1980, 522; Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 8 f.; Koch, r+s 2009, 133, 134 f.; von Rintelen, r+s 2010, 133 ff.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449 f.; Hösker, VersR 2013, 952, 953 ff. m.w.N.; Grote/Schneider, BB 2007, 2689, 2698; a.A. Wolf/Schramm, r+s 2009, 358, 360 f.; Lange, VersR 2008, 713, 714 ff. 245 Zu betonen ist hierbei, dass der Geschädigte ausschließlich den versicherungsrechtlichen Deckungsanspruch gegen den Versicherer geltend macht. Das Bestehen und die Durchsetzbarkeit der Haftpflichtforderung sind hierbei allerdings (aber auch nur) als Vorfrage zu prüfen. Verfehlt ist es deshalb, wenn Langheid, VersR 2007, 865, 866 ff. als entscheidend für die Möglichkeit einer unmittelbaren Inanspruchnahme des Versicherers ansieht, ob die Zession der Versicherungsforderung auch die Übertragung der Passivlegitimation hinsichtlich der Haftpflichtforderung auf den Versicherer zur Folge hat. Diese 241
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§ 8 Haftpflichtversicherung
Teilweise wird geltend gemacht, der Versicherer könne dem Zahlungsanspruch des Geschädigten bis zur verbindlichen Feststellung der Haftpflichtforderung das ihm zustehende Wahlrecht zwischen der Abwehr der Haftpflichtforderung (Gewährung von Rechtsschutz) oder der Freistellung von der Forderung entgegenhalten. Dieses von der h.M. dem Versicherer zugebilligte Wahlrecht müsse der Versicherer gem. § 404 BGB auch dem Geschädigten gegenüber in Stellung bringen können, da mit der Zession keine Verschlechterung seiner Rechtsstellung einhergehen dürfe.246 Diese Argumentation verkennt jedoch, dass das „Wahlrecht“ des Versicherers keine eigenständige Einwendung oder Einrede darstellt, sondern lediglich die praktischen Auswirkungen der Fälligkeitsregelung des § 106 VVG umschreibt.247 Weiterhin wird zu Recht darauf hingewiesen, dass das Wahlrecht des Versicherers durch die Zession in jedem Fall unberührt bleibt. Die Wahlmöglichkeit besteht fort: Entweder er unternimmt den Versuch der Forderungsabwehr, indem er sich auf einen Prozess mit dem Geschädigten einlässt, oder er befriedigt den Zahlungsanspruch des Geschädigten sofort und befreit damit zugleich den Versicherungsnehmer von seiner Haftpflichtschuld.248 Sehr viel mehr Gewicht hat dagegen zumindest prima facie der ebenfalls vorgetragene Einwand, der dem Geschädigten infolge der Zession zustehende Zahlungsanspruch unterliege denselben Fälligkeitsregeln wie der Freistellungsanspruch. Da der Zahlungsanspruch eine Transmutation des Freistellungsanspruchs darstelle, müsse auch auf jenen § 106 S. 1 VVG Anwendung finden. Die Folge wäre, dass der Geschädigte auch weiterhin zunächst die bindende Feststellung der Haftpflichtforderung im Haftpflichtverhältnis herbeiführen müsste, um den Versicherer in Anspruch zu nehmen.249 Dem wird von der Gegenmeinung entgegengehalten, dass § 106 S. 1 VVG seinem Wortlaut nach lediglich die Fälligkeit von Freistellungsansprüchen regele, hier aber ein Zahlungsanspruch in Rede stehe. Dieser werde gem. § 14 Abs. 1 VVG schon mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Versicherungsleistung notwendigen Frage ist eindeutig zu verneinen, da eine Schuldübernahme ohne Mitwirkung des Neuschuldners ausgeschlossen ist, so auch schon Lange, r+s 2007, 401, 403 f.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449; Hösker, VersR 2013, 952, 955 f. 246 Wolf/Schramm, r+s 2009, 358, 361; Lange, r+s 2007, 401, 403; a.A. Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 9; von Rintelen, r+s 2010, 133, 135; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449; Hösker, VersR 2013, 952, 954. 247 S.o. sub A. II. 1. c); a.A. Wolf/Schramm, r+s 2009, 358, 361. 248 Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 9; von Rintelen, r+s 2010, 133, 135; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449; Hösker, VersR 2013, 952, 954. 249 Wolf/Schramm, r+s 2009, 358, 360; Lange, VersR 2008, 713, 715 f.; ebenso zum alten Recht KG Berlin, VersR 2007, 349, 350; in dieselbe Richtung wohl auch Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 238 (Zession sei für den Geschädigten „unzweckmäßig, weil sie nicht die Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Deckungsanspruchs herbeiführt und nicht die versicherungsrechtliche Bindungswirkung auslöst“).
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Erhebungen fällig, oder aber mit der Ablehnung der Leistung bzw. der Weigerung, den Schaden festzustellen250.251 Zielführend sind diese formaljuristischen Argumente kaum. Entscheidend muss letztlich eine teleologische Analyse der Gesetzeslage sein. Maßgeblich für eine Anwendung der Fälligkeitsregelung des § 14 VVG spricht hierbei der Gesetzeszweck des § 108 Abs. 2 VVG, wie er in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt. Entgegen vereinzelten Stimmen, die die Aussagekraft der Gesetzesbegründung infrage stellen,252 hat der Gesetzgeber die Zielrichtung der Norm deutlich vorgegeben. Die Unzulässigkeit formularmäßig vereinbarter Abtretungsverbote wird dort im Wesentlichen wie folgt begründet: „Der Versicherungsnehmer kann nämlich ein Interesse daran haben, den Geschädigten an den Versicherer zu verweisen, wenn dieser einen Haftpflichtanspruch in Frage stellt, den der Versicherungsnehmer – vielleicht wegen seiner Beziehungen zu dem Geschädigten – nicht einfach zurückweisen möchte. Die neue Regelung entspricht auch den Interessen des Geschädigten. […]; auch im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers ist die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Haftpflichtversicherer erschwert. § 108 Abs. 2 VVG-E hat zum Ergebnis, dass der schädigende Versicherungsnehmer seinen Befreiungsanspruch gegen den Versicherer an den geschädigten Dritten – und nur an diesen – abtreten kann; dieser wird dadurch in die Lage versetzt, den Versicherer direkt in Anspruch zu 253 nehmen.“
Demnach zielt die Regelung des § 108 Abs. 2 VVG gerade darauf ab, im Interesse des Versicherungsnehmers und des Geschädigten eine Abwicklung ohne Einbeziehung des Ersteren zu ermöglichen. Besonders betont sei an dieser Stelle, dass dem Geschädigten diese Möglichkeit insbesondere für den Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers eingeräumt werden sollte. Dieser Regelungszweck würde konterkariert, forderte man auch nach erfolgter Zession weiterhin, dass der Geschädigte zur Herbeiführung der Fälligkeit der Versicherungsforderung zunächst gegen den Versicherungsnehmer vorgehen muss.254 Vermittels der Regelung des § 108 Abs. 2 VVG hat der Reformgesetzgeber damit gleichsam „durch die Hintertür“ die Möglichkeit eines allgemeinen – also nicht auf die Pflichtversicherung beschränkten – Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Versicherer eröffnet.
250
Zu diesen fälligkeitsauslösenden Tatbeständen statt vieler Prölss/Martin/Armbrüster, § 14 Rn. 3 m.w.N. 251 Bruck/Möller/Koch, § 108 Rn. 37 ff.; Koch, r+s 2009, 133, 135; von Rintelen, r+s 2010, 133, 137 f.; Armbrüster, r+s 2010, 441, 449 f.; Hösker, VersR 2013, 952, 954 f.; i.E. ebenso BGH BeckRS 2016, 08080. 252 Schramm/Wolf, r+s 2009, 358, 360 („sehr kurz und zudem sehr allgemein gehalten“, „nicht zweifelsfrei“); Lange, VersR 2008, 714, 716 („höchst unklar“).; a.A. die h.M., vgl. die zahlreichen Nachweise bei von Rintelen, r+s 2010, 133, 134 m.w.N. 253 BT-Drucks. 16/3945, S. 86 f. (zu § 108). 254 Ähnlich schon Langheid/Rixecker, § 108 Rn. 16; Hösker, VersR 2013, 952, 954 f.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
Tritt der Insolvenzverwalter die Versicherungsforderung an den Geschädigten ab, so verbessert sich dessen Rechtsstellung mithin ganz erheblich: Ohne den Umweg über das Haftpflichtverhältnis kann der Geschädigte sofort unmittelbar gegen den solventen Versicherer vorgehen – ein Ergebnis, das jüngst auch die ausdrückliche Anerkennung des BGH fand.255 Für den Geschädigten drängt sich vor diesem Hintergrund die Frage auf, ob er die Zession der Versicherungsforderung auch dann erzwingen kann, wenn der Insolvenzverwalter diese nicht bereits aus eigenen Stücken anbietet, um sich selbst und die Insolvenzmasse von den mit dem Haftpflichtprozess einhergehenden Belastungen freizuhalten. (2) Anspruch des Geschädigten auf Abtretung der Versicherungsforderung aus § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB analog Führt man die hier vertretene Konzeption eines dem Absonderungsrecht zugrundeliegenden Pfandrechts konsequent fort, so muss dem Geschädigten in analoger Anwendung des § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB auch ein gegen den Insolvenzverwalter gerichteter Anspruch auf Abtretung der Versicherungsforderung an Zahlungs statt eingeräumt werden. Dies ist unabhängig davon der Fall, ob man mit der h.M. davon ausgeht, dass sich die versicherungsrechtliche Freistellungsforderung bereits mit Insolvenzeröffnung in einen Zahlungsanspruch verwandelt oder mit der hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass diese Umwandlung erst in der Hand des Geschädigten erfolgt. Aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten handelt es sich stets um eine „Geldforderung“ im Sinne des § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB.256 Dass der Anspruch auf Abtretung an Zahlungs statt gerichtet ist, dürfte für den Geschädigten keine Belastung von solchem Gewicht darstellen, dass sie die Geltendmachung des Anspruchs als in jedem Fall untunlich erscheinen lässt. Zwar verliert der Geschädigte infolge der Zession an Zahlungs statt seine gegen den Versicherungsnehmer gerichtete Haftpflichtforderung, § 364 Abs. 1 BGB. Charakteristisch für die Abtretung einer Forderung an Zahlungs statt ist jedoch, dass der Leistungsempfänger in Bezug auf die zedierte Forderung lediglich das Bonitäts- nicht aber das Veritätsrisiko übernimmt.257 Stehen der Forderung Einwendungen oder Einreden entgegen, so kann der Zessionar aufgrund dieser Rechtsmängel vermittels § 365 BGB die ursprüngliche Forderung – hier:
255
BGH VersR 2016, 783 f.; zustimmend Koch, VersR 2016, 765, 766. A.A. Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 89. 257 Ebenso verhält es sich auch im ähnlich gelagerten Fall der zwangsvollstreckungsrechtlichen Überweisung einer Forderung an Zahlungs statt, Smid, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 835 Rn. 25. 256
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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die Haftpflichtforderung – wieder herstellen258.259 Mit Blick auf die Verität der Versicherungsforderung geht der Geschädigte folglich keine Risiken ein. Das (faktisch minimale) Bonitätsrisiko des Versicherers wird der Geschädigte dagegen im Austausch für das Bonitätsrisiko des insolventen Versicherungsnehmers herzlich gerne übernehmen.260 Da auch der Anspruch auf Abtretung aus § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB analog dem zur Absonderung berechtigenden Pfandrecht entspringt, kann der Geschädigte diesen gegenüber dem Insolvenzverwalter gerichtlich geltend machen, ohne hieran durch § 87 InsO gehindert zu sein.261 In einem entsprechenden Prozess müsste sowohl das Bestehen und die Durchsetzbarkeit der Haftpflichtforderung als auch das Bestehen der Versicherungsforderung geprüft werden. Keine Beachtung finden dürfte dagegen die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung, da das Pfandrecht und die Abtretbarkeit der Forderung von ihr nicht abhängen. Die praktisch besonders bedeutsamen Gegenrechte der Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung aufgrund von Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers dürften mithin – zumindest dann, wenn man diese mit der h.M. als Einreden qualifiziert262 – in diesem Prozess keiner Prüfung unterzogen werden. Allerdings wäre für den Geschädigten mit einem solchen Prozess – zumindest dann, wenn dieser bis zum Urteil durchgerungen wird – in praxi nichts gewonnen. Das soeben skizzierte Prüfungsprogramm des Zessionsprozesses unterscheidet sich nicht nennenswert von demjenigen eines Prozesses über die Duldung der abgesonderten Befriedigung. Es macht für den Geschädigten mithin prima facie keinen Unterschied, ob er die eine oder die andere Klage erhebt, um im Anschluss an ein entsprechendes Urteil die Versicherungsforderung einziehen zu können. Und doch kann die Möglichkeit einer Klage auf 258
Dies erfolgt im Wege des Rücktritts oder im Wege des Schadensersatzes nach den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften, vgl. hierzu Fetzer, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 365 Rn. 3. 259 Aus diesem Grund verfängt der Einwand Langes, der Geschädigte habe kein Interesse daran, den Versicherungsnehmer aus seiner Haftung zu entlasten und werde deshalb stets auf einer Zession erfüllungshalber bestehen, nicht, vgl. hierzu Lange, r+s 2007, 401, 403. 260 Zurückhaltender Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110, S. 90. 261 Für die Möglichkeit einer Klage des Geschädigten auf Abtretung der Versicherungsforderung auch schon Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 51 Rn. 238, allerdings unter Berufung auf die zum alten Recht ergangene Entscheidung OLG Brandenburg VersR 2003, 183, 185, welche den Anspruch auf Abtretung auf § 12 Abs. 1 S. 1 GesO stützen konnte. 262 Statt vieler BGH NJW 1974, 1241 f. m.w.N.; VersR 1990, 384 f.; 2005, 493 f.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 28 Rn. 183 m.w.N.; a.A. für Leistungsfreiheit des Versicherers infolge von Obliegenheitsverletzungen Bruns, Privatversicherungsrecht, § 16 Rn. 56; Bruck/Möller/Matusche-Beckmann § 26 Rn. 8 (beide befürworten eine Qualifikation als Einwendung).
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Abtretung der Versicherungsforderung für den Geschädigten auf anderem Wege einen ganz erheblichen praktischen Nutzen entfalten: Es ist zu erwarten, dass der Insolvenzverwalter infolge der Androhung oder Erhebung einer solchen Klage regelmäßig bereits aus freien Stücken die Abtretung der Versicherungsforderung anbieten wird, da die Zession an Zahlungs statt im Regelfall auch für die Insolvenzmasse nur von Vorteil ist. (3) Vorteile einer Zession der Versicherungsforderung an Zahlungs statt für die Insolvenzmasse Die Vorteile einer Zession der Versicherungsforderung an Zahlungs statt lassen sich am eindrücklichsten illustrieren, indem man die verschiedenen denkbaren Szenarien (reguläre Abwicklung, Freigabe, Zession) miteinander vergleicht und hierbei die Stellung der Insolvenzmasse in den Fokus rückt. Im Falle der regulären Abwicklung sieht sich die Insolvenzmasse regelmäßig zunächst der Klage des Geschädigten auf Duldung der abgesonderten Befriedigung ausgesetzt, die darauf abzielt, die Versicherungsforderung fällig zu stellen. Aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtsschutz hat zwar grundsätzlich der Versicherer die mit einem solchen Prozess verbundenen Belastungen zu tragen. Die Insolvenzmasse trifft jedoch das Risiko, dass der Versicherer die Abwehrdeckung aus versicherungsrechtlichen Gründen verweigert. In diesem Fall kann der Insolvenzverwalter die mit dem Duldungsprozess verbundenen Belastungen nur dann auf den Versicherer abwälzen, wenn er gegen diesen erfolgreich auf Gewährung der Abwehrdeckung und die entsprechende Kostentragung gem. §§ 100, 101 VVG klagt. Hat der Geschädigte mit seiner Haftpflichtklage Erfolg, kann er in der Folge gegen den Versicherer vorgehen. Hierbei verhindert die Bindungswirkung des im Duldungsprozess ergangenen Urteils, dass der Versicherer sich erfolgreich auf eine mangelnde Berechtigung der Haftpflichtforderung beruft. Möglich bleibt es dem Versicherer aber, seine Leistungspflicht aus versicherungsrechtlichen Gründen zu bestreiten. Von besonderer praktischer Relevanz ist insoweit der Einwand der Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen. Scheitert die Inanspruchnahme des Versicherers aus solchen versicherungsrechtlichen Gründen, ist hiervon auch die Insolvenzmasse betroffen. Mangels Versicherungsdeckung sieht sie sich der Belastung mit der Haftpflichtforderung ausgesetzt. Gibt der Insolvenzverwalter dagegen die Versicherungsforderung aus der Insolvenzmasse frei, so bedeutet dies eine erhebliche Entlastung der Insolvenzmasse. Der Geschädigte muss den Duldungsprozess in diesem Fall gegen den Versicherungsnehmer führen, die Insolvenzmasse bleibt von den entsprechenden Prozesskosten frei.263 Kann der Geschädigte in der Folge durch Rea263
Vgl. oben sub aa).
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lisierung seines gesetzlichen Pfandrechts an der Versicherungsforderung Befriedigung erlangen, so wird die Insolvenzmasse insoweit auch von der Haftpflichtforderung befreit. Da die Insolvenzmasse unter diesen Voraussetzungen von der Haftpflichtforderung entlastet wird, ohne in die entsprechenden Verfahren einbezogen zu werden, wird sich diese Gestaltung aus Sicht des Insolvenzverwalters häufig als gegenüber der regulären Abwicklung vorzugswürdig darstellen.264 Scheitert aber der Deckungsprozess des Geschädigten, so kann er die Haftpflichtforderung gem. § 52 S. 2 InsO wieder im Insolvenzverfahren geltend machen. Da die Haftpflichtforderung von der Freigabe unberührt bleibt, gilt dies selbst dann, wenn das Scheitern der Deckungsklage auf eine Nachlässigkeit des Geschädigten zurückzuführen ist, z.B. weil dieser den Prozess nicht sachgerecht geführt hat oder aber die Versicherungsforderung hat verjähren lassen. Infolge der Freigabe trägt die Insolvenzmasse folglich das Risiko einer nachlässigen Rechtsverfolgung durch den Geschädigten. Die Zession der Versicherungsforderung verbindet nun die Vorteile der Freigabe mit denjenigen der regulären Abwicklung. Ebenso wie jene führt sie zunächst dazu, dass die Insolvenzmasse von den Belastungen eines Duldungsprozesses frei bleibt. Im Falle der Zession kann der Geschädigte den Versicherer sogar unmittelbar in Anspruch nehmen, ohne sich zuvor an die Insolvenzmasse oder den Versicherungsnehmer wenden zu müssen. Im Gegensatz zur Freigabe entlastet die Zession an Zahlungs statt die Insolvenzmasse aber zusätzlich auch vom Risiko einer nachlässigen Prozessführung durch den Geschädigten. Anders als die Freigabe bringt sie die Haftpflichtforderung des Geschädigten gem. § 364 Abs. 1 BGB unmittelbar zum Erlöschen. Im Einzelnen stellt sich die Rechtslage nach einem gescheiterten Deckungsprozess des Geschädigten damit wie folgt dar: Scheiterte die Deckungsklage des Geschädigten aus versicherungsrechtlichen Gründen, so kann sich der Geschädigte auf Grundlage des § 365 BGB darum bemühen, die gegen die Insolvenzmasse gerichtete Haftpflichtforderung wieder aufleben zu lassen. Zu diesem Zweck müsste der Geschädigte aber in einem gegen die Insolvenzmasse zu führenden Rechtsstreit nachweisen, dass der Versicherungsforderung versicherungsrechtliche Einwendungen oder Einreden entgegenstanden, die einen Rechtsmangel begründeten. Dem Insolvenzverwalter, der an die Feststellungen des im Deckungsprozess ergangenen Urteils nicht gebunden ist,265 steht demgegenüber der Einwand offen, dass die Versiche264
Vgl. Mokhtari, VersR 2014, 665, 669; Oepen, EWiR 2009, 459, 460. Selbst wenn man mit einer teilweise vertretenen Ansicht für Zessionsfälle die analoge Anwendung der Rechtskrafterstreckung des § 124 Abs. 1 VVG befürwortet, könnte diese hier keine Bindung des Insolvenzverwalters herbeiführen. § 124 Abs. 1 VVG betrifft lediglich die Abweisung der Klage des Geschädigten wegen mangelnder Haftpflichtforderung und bewirkt eine Rechtskrafterstreckung ausweislich des Wortlauts nur „zugunsten“ des Versicherungsnehmers. 265
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rungsforderung materiellrechtlich bestand und durchsetzbar war, die gerichtliche Niederlage des Geschädigten also auf dessen Nachlässigkeit beruht. Wurde die Deckungsklage des Geschädigten dagegen abgewiesen, weil das Gericht zu dem Schluss kam, dass diesem eine Haftpflichtforderung gegen den Versicherungsnehmer nicht zustand, so ist ein Vorgehen des Geschädigten gegen die Insolvenzmasse von vornherein aussichtslos. Mangels versicherungsrechtlicher Einwendungen oder Einreden ist es dem Geschädigten versagt, die Haftpflichtforderung über § 365 BGB wieder aufleben zu lassen. Auch insoweit steht die Insolvenzmasse im Falle der Zession an Zahlungs statt besser als im Falle der Freigabe der Versicherungsforderung. (4) Folge: Starker faktischer Anreiz für den Insolvenzverwalter zur Abtretung der Versicherungsforderung an Zahlungs statt Sieht sich der Insolvenzverwalter mit der auf § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB gestützten Forderung eines Dritten konfrontiert, die Versicherungsforderung an Zahlungs statt an diesen abzutreten, so spricht vor dem Hintergrund der vorangegangenen Feststellungen vieles dafür, dieser Forderung zu entsprechen, ohne einen entsprechenden Prozess zu riskieren. Durch die Zession an Zahlungs statt hält der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse von den Belastungen der Abwicklung des Versicherungsfalls frei und bringt gleichzeitig die gegen die Masse gerichtete Haftpflichtforderung zum Erlöschen. Auch hier zeigt sich die Überlegenheit einer Konzeption, die dem Absonderungsrecht rechtsfortbildend ein gesetzliches Pfandrecht an der Versicherungsforderung zugrunde legt und sämtliche hieraus abzuleitende Rechtsfolgen konsequent zu Ende denkt. Indem dem Geschädigten durch die analoge Anwendung des § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB ein Mittel an die Hand gegeben wird, den Insolvenzverwalter zur Zession der Versicherungsforderung zu bewegen, findet der in der Regierungsbegründung zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck des § 108 Abs. 2 VVG seine Verwirklichung: In Reaktion auf die besondere Schwierigkeit, die Ansprüche gegen den Versicherer in der Insolvenz des Versicherungsnehmers durchzusetzen, wird der Geschädigte „in die Lage versetzt, den Versicherer direkt in Anspruch zu nehmen.“266 c) Stellung mehrerer Geschädigter bei nicht ausreichender Versicherungsdeckung Die vorangegangenen Ausführungen hatten Situationen zum Gegenstand, in denen dem haftpflichtversicherten Schädiger nur ein Geschädigter gegenübersteht. Abschließend muss sich der Blick aber noch kurz auf die besondere Situation richten, die entsteht, wenn sich die Insolvenzmasse mit mehreren Haftpflichtgläubigern konfrontiert sieht und die Summe der Haftpflichtforde266
BT-Drucks. 16/3945, S. 86 f. (zu § 108).
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rungen die Versicherungsdeckung übersteigt. In diesem Fall greift die Regelung des § 109 VVG ein. Grundsätzlich hat der Versicherer demnach alle Gläubiger quotal gleichmäßig nach dem Verhältnis ihrer Forderungen zu befriedigen, § 109 S. 1 VVG. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht unbeschränkt. Gläubiger, die ihre Haftpflichtforderungen erst geltend machen, nachdem die Versicherungssumme erschöpft ist, können den Versicherer nicht erfolgreich in Anspruch nehmen, wenn der Versicherer mit der Geltendmachung dieser Forderung nicht gerechnet hat und auch nicht rechnen musste, § 109 S. 2 VVG. Diese Haftpflichtgläubiger sind folglich auf ihre gegen die Insolvenzmasse gerichteten Insolvenzforderungen verwiesen.267 3. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Geschädigten a) Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen Wie gesehen genießt der Geschädigte in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers vermittelt durch das Absonderungsrecht aus § 110 VVG eine recht starke insolvenzrechtliche Stellung. Indes reicht dieser Schutz nicht so weit, dass der Geschädigte vor allen nachträglichen Beeinträchtigungen der Versicherungsforderung geschützt wäre. Der Versicherer ist auch hier in der Lage, rückständige Prämienforderungen im Wege der Aufrechnung in Abzug zu bringen. Wie sich aus § 121 VVG e contrario unschwer ergibt, ist § 35 VVG im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung anwendbar und eröffnet dem Versicherer damit – über die Grenzen der §§ 1275, 406 BGB hinaus268 – die Möglichkeit der Aufrechnung gegenüber dem Geschädigten.269 Auch das Problem der Gleichartigkeit der Forderungen stellt sich nicht,270 da sich die Versicherungsforderung in einen Zahlungsanspruch wandelt, sobald sie durch den Geschädigten geltend gemacht wird. Allerdings unterliegt die Befugnis des Versicherers zur Aufrechnung stärkeren Einschränkungen als in anderen Versicherungszweigen. In analoger Anwendung des § 108 VVG ist es dem Versicherer verwehrt, gegenüber dem
267
Ausführlich und kritisch zur Regelung des § 109 VVG Schultheiß, VersR 2016, 497 ff. 268 Prölss/Martin/Knappmann, § 35 Rn. 1; Langheid/Rixecker, § 35 Rn. 1. 269 BGH VersR 1987, 655 (zum alten Recht); Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 14; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 35 Rn. 6; Bruck/Möller/Beckmann, § 35 Rn. 6; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 35 Rn. 3; Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 35; Langheid/Rixecker, § 35 Rn. 3; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 15 Rn. 20; Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 173 ff. 270 I.E. ebenso Bruck/Möller/Beckmann, § 35 Rn. 12; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 35 Rn. 3.
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Geschädigten solche Prämienforderungen zur Aufrechnung zu bringen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig werden.271 Die grundsätzlich gegebene aber in ihrer Reichweite beschränkte Aufrechnungsbefugnis spiegelt die eigenartige Natur des durch die freiwillige Haftpflichtversicherung vermittelten Drittschutzes wider: Anders als bei der Pflichtversicherung ist die Existenz des Versicherungsschutzes zugunsten des Geschädigten rechtlich nicht abgesichert, sie wird vielmehr durch den Versicherungsnehmer – wie der Name schon sagt – freiwillig erkauft. Es ist daher nur konsequent, dass der Versicherer dem Geschädigten die mangelnde Finanzierung des erworbenen Versicherungsschutzes entgegenhalten kann. Gleichzeitig muss aber nach den bereits bekannten Grundsätzen verhindert werden, dass der Versicherungsnehmer aus dem Schaden des Dritten finanzielle Vorteile schlägt. Diese Möglichkeit wäre ihm aber eröffnet, wenn er nach dem Versicherungsfall die Zahlung der Versicherungsprämien einstellen und den Versicherer so zur Aufrechnung veranlassen könnte, um im Ergebnis den fortdauernden Versicherungsschutz aus der Versicherungsleistung zu finanzieren.272 b) Nichterfüllungswahl gem. § 103 Abs. 2 InsO Hinsichtlich der Folgen einer Nichterfüllungswahl des Insolvenzverwalters ergeben sich für die freiwillige Haftpflichtversicherung keine Besonderheiten. Das Versicherungsverhältnis bleibt in seinem materiellrechtlichen Bestand unberührt. Soweit aber die Versicherungsprämie für die Versicherungsperiode, in der der Versicherungsfall eingetreten ist, noch nicht entrichtet wurde, mangelt es der Versicherungsforderung an der Durchsetzbarkeit. Sie lässt sich wiederherstellen, wenn der Geschädigte im Gegenzug die ausstehende Prämienforderung begleicht.273 Dieses Ergebnis ist durchaus sachgerecht. Wie soeben bereits dargestellt, muss es dem Versicherer im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung möglich sein, dem Geschädigten die mangelnde Finanzierung des Versicherungsschutzes entgegen zu halten. Auch der die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten tragende Grundsatz, wonach dessen Schaden nicht einem Dritten zum Vorteil gereichen soll, steht dem nicht entgegen. Der Eintritt des Versicherungsfalls löst erst die Leistungspflicht des Versicherers aus und ist für diesen somit ohnehin in erster Linie nachteilig. Die Möglichkeit, dem Leistungsverlangen des 271
BGH VersR 1987, 655 f.; OLG Köln, VersR 2009, 391, 394; Prölss/Martin/Lücke, § 108 Rn. 14; Bruck/Möller/Beckmann, § 35 Rn. 6; Wandt, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 108 Rn. 35; Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 134 f.; abweichend Gnauck, Das Absonderungsrecht nach § 110 VVG, S. 177 ff. 272 BGH VersR 1987, 655, 656. 273 A.A. Bruns, Privatversicherungsrecht, § 22 Rn. 32 (weder Durchsetzungssperre noch Insolvenzverwalterwahlrecht).
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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Geschädigten die ausstehende Prämienzahlungspflicht entgegenzuhalten, mindert diesen Nachteil lediglich und gewährleistet, dass dem Versicherer der Schutz der synallagmatischen Verknüpfung von Versicherungsleistung und Prämienzahlung auch im Insolvenzfall zugutekommt. Dieser Schutz wird aber nicht erst durch den Versicherungsfall begründet, sondern ist dem Versicherungsvertrag von Beginn an inhärent.274 Der Zahlung der Versicherungsprämie durch den Dritten stehen keine praktisch relevanten rechtlichen Hindernisse entgegen. Zwar greift die Regelung des § 34 Abs. 1 VVG zugunsten des Geschädigten nicht Platz.275 Er kann die Prämie aber auf Grundlage der allgemeinen Regelung des § 267 BGB leisten. Die Möglichkeit einer Ablehnung dieser Zahlung durch den Versicherer gem. § 267 Abs. 2 BGB bleibt eine rein theoretische, da sie einen Widerspruch des Insolvenzverwalters voraussetzt. Ein solcher Widerspruch müsste jedoch die Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 Abs. 1 InsO nach sich ziehen, da ein solcher die Durchsetzung des Absonderungsrechts aus § 110 VVG vereiteln würde. Auch wird der Insolvenzverwalter gar kein Interesse an einem solchen Widerspruch haben, da die Insolvenzmasse durch die Auszahlung der Versicherungsleistung an den Geschädigten von der Haftpflichtschuld befreit wird. c) Insolvenzanfechtung Für die Insolvenzanfechtung besteht im Bereich der Haftpflichtversicherung kein Raum. Die gesetzlichen Regelungen der §§ 108, 110 VVG zielen gerade darauf ab, die Versicherungsforderung dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Es wäre mit diesen Vorschriften nicht zu vereinbaren, wenn der Insolvenzmasse über den Weg der Insolvenzanfechtung doch der Zugriff auf den in der Versicherungsforderung verkörperten Vermögenswert eröffnet wäre. 4. Ergebnis Im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung wird dem Geschädigten im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers durch § 110 VVG ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung zugewiesen, das im Wege der Rechtsfortbildung um ein zugrundeliegendes ungeschriebenes Pfandrecht ergänzt werden muss. Dem Geschädigten wird hierdurch gem. § 173 Abs. 1 InsO i.V.m. § 1282 Abs. 1 BGB analog die Einziehung der Versicherungsforderung ermöglicht – wegen § 106 VVG jedoch nur unter der Voraussetzung der vorherigen Feststellung der Haftpflichtforderung im Haftpflichtverhältnis. Diese kann erreicht werden durch Feststellung der Haftpflichtfor274
Hierzu bereits oben sub § 6 C. III. 2. b). Prölss/Martin/Knappmann, § 34 Rn. 5; Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 34 Rn. 2. 275
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§ 8 Haftpflichtversicherung
derung zur Insolvenztabelle oder durch durch Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung gem. § 1277 BGB analog. Im Grundsatz wird damit das prozessuale Trennungsprinzip auch in der Inolvenz des Versicherungsnehmers aufrechterhalten. Seit der VVG-Reform 2008 zeichnen sich jedoch erhebliche Risse in diesem Dogma ab. Mit der in § 108 Abs. 2 VVG n.F. angeordneten Unwirksamkeit formularmäßig vereinbarter Abtretungsverbote wird dem Geschädigten – wie vom Gesetzgeber explizit beabsichtigt – infolge der Zession der Freistellungsforderung die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglicht. Es ist damit zu rechnen, dass die Zession der Freistellungsforderung und die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten Usus werden, sobald die Vorteile dieses Abwicklungsmodus ins Bewusstsein der Insolvenzverwalter dringen. III. Die Pflichtversicherung Wie in der einleitenden Darstellung der historischen Entwicklung bereits angerissen wurde, hat die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des geschädigten Dritten im Bereich der Pflichtversicherung durch die VVG-Reform 2008 eine ganz erhebliche Verbesserung erfahren. Soweit die jeweilige Haftpflichtforderung der Versicherungsdeckung einer Pflichtversicherung unterfällt,276 räumt § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG dem Geschädigten277 in der Insolvenz des Versicherungsnehmers nunmehr einen eigenen, auf Schadensersatz gerichteten Direktanspruch gegen den Versicherer ein. Der Direktanspruch entsteht, sobald über das Vermögen des Versicherungsnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet, die Insolvenzeröffnung mangels Masse abgelehnt oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Seiner Rechtsnatur nach wird der Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 VVG ganz überwiegend – mit einigen Nuancen in den Details – als deliktischer oder quasi-deliktischer Anspruch eingestuft, der aus einem gesetzlich angeordneten Schuldbeitritt des Versicherers resultiert.278 Gem. § 115 Abs. 1 S. 4 VVG haften der Versicherungsnehmer und der Versicherer als Gesamtschuldner. 276
Dass der Anwendungsbereich des § 115 VVG auf die Pflichtversicherung beschränkt ist, ergibt sich aus der systematischen Stellung der Norm im Abschnitt 2: Pflichtversicherung, Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 11 m.w.N. 277 § 115 Abs. 1 VVG räumt den Direktanspruch allgemein „dem Dritten“ ein, wobei Dritter neben dem Geschädigten auch eine andere Person sein kann, insbesondere ein Rechtsnachfolger des ursprünglich Geschädigten, ausführlich hierzu Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 14 ff. Hier soll gleichwohl aus Gründen der Vereinfachung weiterhin vom „Geschädigten“ gesprochen werden. 278 Looschelders/Pohlmann/Schwartze, § 115 Rn. 3; Prölss/Martin/Knappmann, § 115 Rn. 11; Langheid/Rixecker, § 115 Rn. 10; Schneider, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 115 Rn. 1; zu § 3 Nr. 1 PflVG a.F. auch schon BGH NJW 1972, 387, 388; NJW 1981, 925; kritisch zur Konzeption eines „eigenständigen Schadensersatzanspruchs“ des Dritten dagegen Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 8.
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1. Die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Geschädigten Die Einordnung der durch den Direktanspruch vermittelten Rechtsstellung des Dritten in insolvenzrechtliche Kategorien fällt schwerer als in den anderen Fällen drittschützender Versicherungsformen. Da durch den Direktanspruch eine neue Rechtsbeziehung zwischen Geschädigtem und Versicherer generiert wird, die außerhalb des Insolvenzverfahrens steht, könnte man geneigt sein, auf eine insolvenzrechtliche Kategorisierung gänzlich zu verzichten. Jedoch ist es das Anliegen der vorliegenden Arbeit, einen Vergleich der unterschiedlichen insolvenzrechtlichen Ausgestaltungen des versicherungsrechtlichen Drittschutzes zu vollziehen und hierzu erscheint die begriffliche Einordnung in das bestehende System insolvenzrechtlicher Privilegierungen durchaus nutzbringend. Am treffendsten lässt sich die durch den Direktanspruch begründete Rechtsstellung des Geschädigten als „aussonderungsähnlich“ beschreiben. Mit dem Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO hat die Rechtsstellung des Geschädigten gemein, dass die Realisierung des Direktanspruchs vollständig außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt und der Wert des Direktanspruchs ungeschmälert dem Geschädigten zufließt, eine Beteiligung der Insolvenzmasse also ausgeschlossen ist. Gleichwohl handelt es sich nicht um ein echtes Aussonderungsrecht, da ein solches schon begrifflich voraussetzen würde, dass ein Gegenstand aus der (Ist-)Masse ausgesondert, also entfernt wird. Der Insolvenzmasse bleibt aber die ursprüngliche Versicherungsforderung erhalten, der Direktanspruch des Geschädigten tritt zusätzlich neben diese. Aufgrund der Gleichförmigkeit hinsichtlich der anderen charakteristischen Strukturelemente erscheint es dessen ungeachtet zum Zweck des hier angestrebten Vergleichs als sinnvoll, die Rechtsstellung des Geschädigten als „aussonderungsähnlich“ einzustufen. 2. Realisierung des Direktanspruchs durch den Geschädigten a) Inhalt und Durchsetzung des Direktanspruchs Im Insolvenzfall wirft die Realisierung des Direktanspruchs in der Pflichtversicherung sehr viel weniger Probleme auf als die Realisierung des Absonderungsrechts aus § 110 VVG in der freiwilligen Haftpflichtversicherung. Aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung von Versicherer und Versicherungsnehmer kann der Geschädigte den Versicherer ungehindert durch das Insolvenzverfahren sofort in Anspruch nehmen. Einer vorgeschalteten Feststellung der Haftpflichtforderung im Haftpflichtverhältnis bedarf es gerade nicht. Das prozessuale Trennungsprinzip ist hier vollständig aufgehoben. Die inhaltliche Ausgestaltung des Direktanspruchs variiert jedoch in Abhängigkeit davon, ob es sich bei dem Versicherungsverhältnis um ein „gesundes“
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§ 8 Haftpflichtversicherung
oder ein „krankes“ handelt, ob also dem Versicherungsnehmer eine durchsetzbare Versicherungsforderung zusteht oder nicht. Im Falle eines „gesunden“ Versicherungsverhältnisses ist der Direktanspruch gem. § 115 Abs. 1 S. 2 VVG seinem Bestand und Inhalt nach grundsätzlich akzessorisch zur Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers.279 Insbesondere begrenzt eine im Versicherungsvertrag vereinbarte Versicherungssumme auch die Höhe des Direktanspruchs, vorausgesetzt sie erreicht die gesetzlich bestimmte Mindestversicherungssumme. Eine Durchbrechung der Akzessorietät besteht jedoch insoweit, als ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers dem Direktanspruch des Geschädigten nicht entgegengehalten werden kann, § 114 Abs. 2 S. 2 VVG. Ist das Versicherungsverhältnis dagegen pathologisch, so bestimmt sich der Inhalt des Direktanspruchs gem. § 115 Abs. 1 S. 3 VVG nach den Vorgaben des § 117 Abs. 1 bis 4 VVG. Demnach kann sich der Versicherer gegenüber dem Geschädigten nicht auf eine gegenüber dem Versicherungsnehmer eingetretene Leistungsfreiheit berufen, § 117 Abs. 1 VVG. Ein Umstand der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wirkt gegenüber dem Geschädigten erst mit Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der zuständigen Stelle angezeigt hat, § 117 Abs. 2 S. 1 VVG. Nicht gehindert ist der Versicherer aber daran, dem Geschädigten entgegenzuhalten, dass die geltend gemachte Haftpflichtforderung nicht von der Versicherungsdeckung erfasst wird. Da § 103 VVG nach h.M. einen subjektiven Risikoausschluss normiert,280 entfällt der Direktanspruch dementsprechend insbesondere bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer. In der Literatur wird überwiegend angenommen, dass die durch § 115 Abs. 1 VVG begründete Passivlegitimation auch dann bestehen bleibt, wenn ihre Voraussetzungen im Laufe des Verfahrens bis zur letzten mündlichen Verhandlung wieder entfallen.281 Die hierin begründete Durchbrechung zivilprozessualer Grundsätze lässt sich durch den Gesetzeszweck des § 115 Abs. 1 VVG rechtfertigen, einen möglichst effektiven Schutz des Geschädigten zu gewährleisten.282 Auch hier bleibt die Privilegierung des Geschädigten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens also zumindest in Teilen erhalten. Gleichwohl kann diese Privilegierung dann nicht mehr Platz greifen, wenn der Geschädigte vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch keine Klage gegen den Versicherer erhoben hatte. Freilich findet auch im Bereich der 279
Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 23, 38. Statt vieler BGH VersR 1971, 439, 440; Prölss/Martin/Lücke, § 103 Rn. 1. 281 Prölss/Martin/Knappmann, § 115 Rn. 10a; Schneider, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 115 Rn. 18; Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 32; Armbrüster, r+s 2010, 441, 454; a.A. Looschelders/Pohlmann/Schwartze, § 115 Rn. 11; Thume, VersR 2010, 849, 855. 282 Armbrüster, r+s 2010, 441, 454. 280
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Pflichtversicherung die Regelung des § 110 VVG Anwendung. Dem Geschädigten steht damit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens in jedem Fall zumindest ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung zu. b) Stellung mehrerer Geschädigter bei nicht ausreichender Versicherungsdeckung Für den Fall mehrerer Haftpflichtgläubiger, deren Forderungen ihrer Summe nach die Versicherungsdeckung übersteigen, enthält § 118 VVG im Bereich der Pflichtversicherung eine den § 109 VVG verdrängende Sonderregelung. Im Gegensatz zur zuletzt genannten Norm fordert § 118 VVG nicht die gleichmäßige quotale Befriedigung aller Haftpflichtgläubiger, sondern gliedert diese in eine Rangordnung ein, in der sie der Versicherer zu befriedigen hat. Für Gläubiger, die ihre Haftpflichtforderung zu spät geltend machen, trifft § 118 S. 2 VVG dieselbe Regelung wie § 109 S. 2 VVG. Diese bleiben also auch hier auf ihre Insolvenzforderung gegen den Versicherungsnehmer beschränkt, soweit der Versicherer mit der Geltendmachung ihrer Forderung nicht gerechnet hat und mit dieser auch nicht rechnen musste. 3. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Geschädigten In Übereinstimmung mit der rechtspolitischen Zielsetzung der Pflichtversicherung, zugunsten des Geschädigten den Bestand des Versicherungsschutzes zu garantieren, ist bei dieser eine nachträgliche Beeinträchtigung der Rechtsposition des Geschädigten weitestgehend ausgeschlossen. Die Regelung des § 35 VVG greift gem. § 121 VVG nicht Platz, sodass eine Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen nicht in Betracht kommt. Möglich bleibt aber die Aufrechnung mit Forderungen, die dem Versicherer gegen den Dritten selbst zustehen.283 Der Direktanspruch bleibt auch vom Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO gänzlich unberührt. Da der Direktanspruch zu den Prämienforderungen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis steht, ist dessen Durchsetzbarkeit durch die Insolvenzeröffnung nicht gehemmt. Unabhängig von der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters kann der Geschädigte deshalb die Forderung stets gegenüber dem Versicherer geltend machen, ohne rückständige Prämien zahlen zu müssen. Die Insolvenzanfechtung ist ebenso wie bei der freiwilligen Haftpflichtversicherung ausgeschlossen.
283
BT-Drucks. 16/3945, S. 90; Prölss/Martin/Knappmann, § 121 Rn. 1; Langheid/ Rixecker, § 121 Rn. 1, 3; Bruck/Möller/Beckmann, § 35 Rn. 6.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
IV. Vorschlag einer Neukonzeption de lege ferenda: Direktanspruch des Geschädigten unabhängig von der Form der Haftpflichtversicherung 1. Kritische Würdigung der Rechtslage de lege lata Wie unter einem Brennglas bündeln sich in der Haftpflichtversicherung sämtliche Variationen einer möglichen insolvenzrechtlichen Ausgestaltung des durch Versicherungen vermittelten Drittschutzes: Aussonderungsrecht und Absonderungsrecht, Abwicklung im Dreiecksverhältnis und unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers. Der in allen Fällen einheitlichen Problematik des Geschädigtenschutzes in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers stehen damit ganz verschiedene rechtliche Lösungen gegenüber. Auf der Mikroebene der Haftpflichtversicherung spiegeln sich hier dieselben Diskrepanzen in der rechtlichen Ausgestaltung, die bereits auf der Makroebene im Vergleich der unterschiedlichen Versicherungsformen festgestellt werden konnten. Diese Diskrepanzen wären gerechtfertigt, wenn zwischen den unterschiedlichen Ausformungen der Haftpflichtversicherung sachliche Unterschiede von solchem Gewicht bestünden, dass hierauf Variationen der insolvenzrechtlichen Stellung des Geschädigten und Abweichungen in den Verfahren zur Realisierung dieser Rechtspositionen gestützt werden könnten. Entgegen anderslautender Äußerungen in der Literatur284 ist dies indes nicht der Fall. Wie der historische Abriss zu Beginn dieses Kapitels deutlich gemacht hat, besteht im Hinblick auf die drittschützende Zwecksetzung zwischen freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung heute nur noch ein gradueller, jedoch längst kein qualitativer Unterschied mehr. Die „egoistische“ Urform der freiwilligen Haftpflichtversicherung ist Geschichte. Der rechtlich abgesicherte Schutz des Geschädigten ist spätestens seit der Schaffung des § 156 Abs. 1 VVG a.F. essentieller Bestandteil jeder Haftpflichtversicherung. Der graduelle Unterschied im Schutzniveau zwischen freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung vermag zwar einzelne Besonderheiten in der Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Geschädigten im Bereich der Pflichtversicherung zu legitimieren, insbesondere die Begründung eines Direktanspruchs auch bei „krankem“ Versicherungsverhältnis. Eine grundsätzlich andersartige Ausgestaltung ist vor dem Hintergrund des durch beide Ausformungen der Haftpflichtversicherung vermittelten Drittschutzes heute jedoch nicht mehr sachgerecht.
284
Vgl. z.B. Bruck/Möller/Beckmann, § 115 Rn. 7, die dort vorgetragene Ansicht, die freiwillige Haftpflichtversicherung diene im Unterschied zur Pflichtversicherung ausschließlich den Interessen des Versicherungsnehmers ist historisch überholt, vgl. hierzu ausführlich oben sub A. I. 2.
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2. Schaffung eines allgemeinen, insolvenzbedingten Direktanspruchs des Geschädigten als system- und sachgerechte Lösung Angezeigt ist mithin eine einheitliche gesetzliche Neugestaltung des Schutzes Geschädigter in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers. Zu erwägen wäre insoweit zunächst eine „große Lösung“ in Form eines auf alle Arten der Haftpflichtversicherung erstreckten, allgemeinen Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Versicherer. Bedenkt man aber, dass im Zuge der VVG-Reform 2008 bereits die Einführung eines auf die Pflichtversicherung beschränkten allgemeinen Direktanspruchs an den Einwänden der Assekuranz gescheitert ist,285 erscheinen die Chancen eines neuen gesetzgeberischen Anlaufs zur Schaffung eines allgemeinen Direktanspruchs, der dazu auch noch auf die freiwillige Haftpflichtversicherung erstreckt würde, als äußerst gering. Um dennoch die gebotene Harmonisierung der insolvenzrechtlichen Behandlung von freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung zu erreichen, soll hier deshalb eine „kleine Lösung“ vorgeschlagen werden: Auch diese sieht für die freiwillige Haftpflichtversicherung die Neuschaffung eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Versicherer vor. Nach dem Vorbild des § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG sollte der Anwendungsbereich dieses Direktanspruchs aber auf die Insolvenz des Versicherungsnehmers beschränkt werden. Wie sogleich noch gezeigt werden wird, vermögen die Einwände, die gegen den im Rahmen der VVG-Reform zunächst vorgesehenen allgemeinen Direktanspruch vorgebracht wurden, hinsichtlich dieser „kleinen Lösung“ nicht zu verfangen.286 Die Vorteile einer solchen Neuregelung beschränken sich demgegenüber nicht darauf, die sachlich nicht zu rechtfertigenden Unterschiede in der insolvenzrechtlichen Behandlung von freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung zu beseitigen. Sie kann vielmehr im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage auch ein höheres Maß an Praktikabilität und rechtssystematischer Konsistenz für sich verbuchen. Wie im Rahmen des allgemeinen Teils der vorliegenden Abhandlung dargelegt wurde, muss sich die Grenzziehung zwischen Absonderung und Aussonderung nach dem Kriterium einer potentiellen Beteiligung der Insolvenzmasse am Vermögenswert des betreffenden Gegenstandes orientieren. Aufgrund der Akzessorietät des versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruchs zur Haftpflichtforderung des Geschädigten ist es indes strukturell ausgeschlossen, dass der Insolvenzmasse auch nur der geringste Anteil des im Freistellungsanspruch verkörperten Aktivums zukommt. Die Regelungen der §§ 108, 110 VVG sind ja gerade darauf gemünzt, dies aus rechtsethischen Gründen zu verhindern. Die Ausgestaltung der Rechtsstellung des Geschädig285 286
Hierzu bereits oben sub A. I. 2, c). Hierzu unten sub 4. und 5.
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ten als Absonderungsrecht, wie sie in § 110 VVG erfolgte, ist aus diesem Grund systematisch verfehlt. Die Schaffung eines Direktanspruchs, der für den Geschädigten eine aussonderungsähnliche Rechtsstellung begründet, wird den insolvenzrechtlichen Vorgaben demgegenüber sehr viel besser gerecht. In praktischer Hinsicht entfiele durch die Schaffung des Direktanspruchs für den Geschädigten zudem die Notwendigkeit einer zeitaufwendigen doppelten Prozessführung. Er müsste nicht länger zunächst im Haftpflichtverhältnis die bindende Feststellung der Haftpflichtforderung betreiben, um gem. § 106 VVG die Fälligkeit der Versicherungsforderung herbeizuführen. Vielmehr stünde ihm fortan sofort die unmittelbare Leistungsklage gegen den Versicherer offen, ein Vorteil, der angesichts der insbesondere bei höheren Streitwerten nach wie vor erheblichen Dauer eines Gerichtsverfahrens287 aus Sicht des Geschädigten kaum zu überschätzen sein dürfte. 3. Rechtliche Ausgestaltung eines auf die Insolvenz des Versicherungsnehmers beschränkten Direktanspruchs Gegenüber § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG sollte der Anwendungsbereich des hier vorgeschlagenen Direktanspruchs allerdings dahingehend beschränkt werden, dass zu seiner Entstehung die tatsächliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erforderlich ist. Möglich wäre die Ersetzung des bisherigen § 110 VVG durch eine Neuregelung nach folgendem Vorbild: § 110 VVG n.F. 1
(1) Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen. 2Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis. 3Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner, im Verhältnis zueinander ist der Versicherer allein verpflichtet. (2) Hinsichtlich des Anspruchs des Dritten aus Abs. 1 gilt § 35 entsprechend. Die Aufrechnung mit Ansprüchen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig wurden, ist ausgeschlossen. (3) Soweit durch rechtskräftiges Urteil festgestellt wird, dass dem Dritten ein Anspruch auf Ersatz des Schadens nicht zusteht, wirkt das Urteil, wenn es zwischen dem Dritten und
287 Nach den Erhebungen des statistischen Bundesamtes betrug 2014 die durchschnittliche Dauer der in erster Instanz erledigten Zivilverfahren vor den Landgerichten 9,1 Monate, vor den Amtsgerichten dagegen nur 4,8 Monate. Endet das Verfahren mit einem Urteil, verlängert sich die durchschnittliche Verfahrensdauer freilich noch einmal erheblich auf 14,5 Monate vor den Landgerichten und 7,5 Monate vor den Amtsgerichten, Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.1, 2014, S. 26, 50.
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dem Versicherer ergeht, auch zugunsten des Versicherungsnehmers, wenn es zwischen dem Dritten und dem Versicherungsnehmer ergeht, auch zugunsten des Versicherers.
Um den graduellen Unterschied im Niveau des Drittschutzes zwischen freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung abzubilden, ist der Direktanspruch im hier vorgestellten Regelungsvorschlag streng akzessorisch ausgestaltet. Da die Begründung des Versicherungsschutzes im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung allein von der privatautonomen Entscheidung des Versicherungsnehmers abhängt, sich der Geschädigte also nicht auf den Bestand einer Versicherungsforderung verlassen kann, ist es folgerichtig, dem Geschädigten gegenüber dem Versicherer keine bessere Rechtsstellung einzuräumen als dem Versicherungsnehmer. Nach Abs. 1 S. 2 der vorgeschlagenen Norm wäre es dem Versicherer deshalb anders als im Bereich der Pflichtversicherung möglich, dem Geschädigten sämtliche Einwendungen und Einreden aus dem Deckungsverhältnis zum Versicherungsnehmer entgegenzuhalten. Dies umfasst insbesondere auch die Einrede der Verjährung der Versicherungsforderung, was eine Regelung nach dem Vorbild des § 115 Abs. 2 VVG überflüssig macht. Die strenge Akzessorietät des Direktanspruchs manifestiert sich darüber hinaus in der durch Abs. 2 S. 1 des Vorschlags begründeten Möglichkeit zur Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen. Abs. 2 S. 1 wiederholt lediglich die anerkannte Einschränkung der Aufrechenbarkeit durch den Rechtsgedanken des § 108 Abs. 1 VVG.288 Um zu verhindern, dass der Dritte durch den Direktanspruch ungerechtfertigt bevorteilt wird, sieht der hier vorgestellte Regelungsvorschlag schließlich in Abs. 3 eine dem § 124 VVG nachgebildete Rechtskrafterstreckung vor. 4. Kein Konflikt mit dem prozessualen Trennungsprinzip Bedenkt man, welche Opposition der im Rahmen der VVG-Reform unternommene Vorstoß zur Schaffung eines allgemeinen Direktanspruchs im Bereich der Pflichtversicherung hervorgerufen hat, ist freilich nicht damit zu rechnen, dass der hier unterbreitete Vorschlag auf ungeteilte Zustimmung stoßen wird. Zu erwarten ist insbesondere, dass ihm eine vermeintliche Durchbrechung des prozessualen Trennungsprinzips zum Vorwurf gemacht werden wird. Betrachtet man dieses Trennungsprinzip jedoch im Lichte seiner heutigen Funktion, so zeichnet sich deutlich ab, dass es einem auf die Insolvenz des Versicherungsnehmers beschränkten Direktanspruch wenig entgegenzusetzen hat. Eine tiefer greifende Auseinandersetzung mit der Funktion des prozessualen Trennungsprinzips im rechtlichen Gefüge der Haftpflichtversicherung sucht man in der aktuellen Literatur vergeblich. Das Prinzip wird heute viel288
Hierzu oben sub II. 3. a).
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mehr gleichsam axiomatisch als gegeben vorausgesetzt. Dies ist insoweit problematisch, als das Trennungsprinzip in seiner prozessualen ebenso wie in seiner materiellen Ausformung seine Wurzeln in der „egoistischen Urform“ der Haftpflichtversicherung findet, die durch den zunehmenden Einfluss des Prinzips der Sozialbindung im Laufe der Zeit eine erhebliche Umbildung erfahren hat. Die unkritische Aufrechterhaltung des prozessualen Trennungsprinzips als zentraler Grundsatz der Haftpflichtversicherung erscheint vor diesem Hintergrund zunächst bedenklich. Gleichwohl handelt es sich beim prozessualen Trennungsprinzip auch nicht um einen von der Rechtsentwicklung vollständig überholten Atavismus. Es erfüllt vielmehr nach wie vor essentielle Funktionen im rechtlichen Gefüge der Haftpflichtversicherung. Ein wissenschaftlich und praktisch tragfähiger Umgang mit dem Prinzip erfordert jedoch, dass diese Funktionen exakt benannt werden und die Leistungsfähigkeit des Prinzips an diesen gemessen wird. Zunächst mag das prozessuale Trennungsprinzip dazu dienen, eine sinnvolle Ordnung des Prozessstoffes herbeizuführen. Gleichwohl darf der Nutzen des Prinzips in diesem Bereich nicht überschätzt werden. Da die deliktischen Gerichtsstände im deutschen Zivilprozessrecht ebenso wie im Unionsrecht nicht als ausschließliche konzipiert sind, kann das Trennungsprinzip nicht etwa gewährleisten, dass über die Haftpflichtfrage das sachnächste Gericht entscheidet. Auch das insbesondere von Seiten der Versicherungswirtschaft wiederholt vorgebrachte Argument, das prozessuale Trennungsprinzip hindere den Versicherungsnehmer daran, hinsichtlich der Haftpflichtfragen zulasten des Versicherers als Zeuge aufzutreten, wurde in der Vergangenheit unter Verweis auf die freie richterliche Beweiswürdigung bereits zur Genüge entkräftet oder zumindest in seiner Überzeugungskraft erheblich abgeschwächt.289 Durch die Neufassung des § 108 Abs. 2 VVG, die dem Geschädigten gerade die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglichen soll,290 hat im Übrigen auch der Reformgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die entsprechenden Bedenken der Versicherungswirtschaft nicht teilt.291 Um die zentrale Funktion des prozessualen Trennungsprinzips im derzeitigen Gefüge der Haftpflichtversicherung aufzudecken, muss man vielmehr zurückgehen zu dessen Ursprung: der Privatautonomie des Versicherungsnehmers. Wenngleich der Versicherungsnehmer heute aufgrund zahlreicher Einschränkungen zum Schutz des Geschädigten kaum noch frei über die Versicherungsforderung zu verfügen vermag, bleibt doch immer noch erkennbar, dass diese im Grundsatz eine ihm allein zugeordnete Rechtsposition darstellt. Sobald der Versicherungsnehmer die Haftpflichtforderung befrie289
Vgl. hierzu nur BGH VersR 1975, 655, 657. Hierzu oben sub II. 2. b) bb) (1). 291 So auch schon Koch, r+s 2009, 133, 136.
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digt, erlangt er die volle Verfügungsmacht über die Versicherungsforderung zurück. Von praktischer Relevanz ist dies vor allem hinsichtlich der in der Verfügungsmacht verkörperten negativen Freiheit des Versicherungsnehmers, den Versicherer nicht in Anspruch zu nehmen. Um Nachteile wie eine Erhöhung der Versicherungsprämie oder die Kündigung des Versicherungsverhältnisses zu vermeiden, ziehen es Haftpflichtversicherungsnehmer nicht selten vor, bestimmte Haftpflichtforderungen selbst zu befriedigen und auf eine Inanspruchnahme des Versicherers zu verzichten. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird durch das prozessuale Trennungsprinzip rechtlich abgesichert.292 Könnte der Geschädigte den Versicherer unmittelbar in Anspruch nehmen, läge die Entscheidung über die Geltendmachung der Versicherungsforderung nicht länger ausschließlich beim Versicherungsnehmer. Freilich besteht die Autonomie des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Inanspruchnahme des Versicherers nur insoweit, als er auch tatsächlich in der Lage ist, den Geschädigten aus eigener finanzieller Kraft zu befriedigen. Kann er dies nicht, bleibt die Versicherungsforderung zugunsten des Geschädigten rechtlich gebunden. In der Insolvenz des Versicherungsnehmers verliert damit auch diese Funktion des Trennungsprinzips ihre Bedeutung. Der Versicherungsnehmer hat kein berechtigtes Interesse mehr daran, den Geschädigten an der unmittelbaren Einziehung der Versicherungsforderung zu hindern, da er selbst nicht in der Lage ist, die Haftpflichtforderung zu befriedigen. Gerade im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers kann die Trennung von Haftpflicht- und Deckungsprozess überdies zu einer Quelle erheblicher Ineffizienz der Prozessführung werden. In der Insolvenz des Versicherungsnehmers konzentriert sich das Interesse des Geschädigten zumeist darauf, Befriedigung durch den Versicherer zu erlangen. An einem Haftpflichtprozess gegen die Insolvenzmasse wird der Geschädigte dagegen angesichts magerer Insolvenzquoten häufig kein eigentliches Interesse mehr haben. Das prozessuale Trennungsprinzip zwingt ihn gleichwohl zu einem solchen Prozess. Dies ist vor allem in solchen Fällen misslich, in denen sich nach einem erfolgreichen Haftpflichtprozess im darauffolgenden Deckungsprozess herausstellt, dass der Versicherer leistungsfrei ist. Gerade wenn der Haftpflichtprozess eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig macht, werden hierdurch erhebliche Ressourcen in einem Verfahren gebunden, das für den Kläger kaum praktischen Nutzen hat. Der hier vorgeschlagene Direktanspruch ermöglicht es dagegen, den gesamten relevanten Prozessstoff in einem Ver292
Dieser Aspekt des prozessualen Trennungsprinzips wurde im Rahmen der Diskussion um die Reform des VVG von der Versicherungswirtschaft gegen den Plan des Gesetzgebers zur Einführung eines allgemeinen Direktanspruchs in der Pflichtversicherung in Stellung gebracht, vgl. GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 74.
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fahren zu bündeln und hierdurch eine effizientere Streitentscheidung zu ermöglichen: Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass Versicherungsdeckung nicht besteht, wird die Prüfung der Haftpflichtforderung obsolet. Die vorstehenden Ausführungen erhellen, dass das prozessuale Trennungsprinzip ungeachtet der erheblichen Umgestaltungen, die die Haftpflichtversicherung im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte erfahren hat, nach wie vor Geltung beanspruchen kann. Dies gilt indes nur außerhalb der Insolvenz des Versicherungsnehmers. Ist der Versicherungsnehmer insolvent, verliert das Trennungsprinzip dagegen seine zentrale Funktion und kann zudem einer effizienten Prozessgestaltung entgegenstehen. Es zeigt sich erneut, dass spezifisch versicherungsrechtliche Regelungen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens eine wichtige Funktion erfüllen, durch die insolvenzbedingten Verschiebungen der Interessenlage mitunter ihre Berechtigung verlieren. Hierauf muss adäquat reagiert werden, indem die außerhalb der Insolvenz geltenden Regelungen nicht unbesehen auf den Insolvenzfall übertragen werden. 5. Gewährleistung der Praktikabilität des Direktanspruchs durch den Insolvenzverwalter als Informationsintermediär Anders als im Hinblick auf den im Rahmen der VVG-Reform vorgesehenen allgemeinen Direktanspruch bestehen mit Blick auf einen Direktanspruch, der die Insolvenz des Versicherungsnehmers voraussetzt, keine Bedenken in Bezug auf seine Praktikabilität. In seiner Stellungnahme zum Kommissionsentwurf der VVG-Reform gab der GDV zu bedenken, dass die Begründung eines allgemeinen Direktanspruchs die Schaffung behördlicher Institutionen nach dem Vorbild der Kfz-Zulassungsstellen erforderlich machen würde. Anders wäre nicht hinreichend sichergestellt, dass die Geschädigten die zur Durchsetzung ihres Direktanspruchs notwendigen Informationen über die Identität des jeweiligen Versicherers erlangen könnten.293 Im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers besteht ein solches Bedürfnis indes nicht, da insoweit der Insolvenzverwalter als Informationsintermediär agieren kann. Aufgrund der allgemeinen Justizgewährleistung steht den Beteiligten des Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein verfassungsrechtlich fundierter Informationanspruch gegen den Insolvenzverwalter zur Seite, der auf Erteilung aller für die Realisierung der jeweiligen Rechtsposition notwendiger Auskünfte gerichtet ist.294 Entsprechende Informationspflichten müssen dem Insolvenzverwalter auch gegenüber den Geschädigten obliegen, die infolge eines Direktanspruchs eine aussonderungsähnliche Rechtsposition einnehmen. Der Insolvenzverwalter ist dementsprechend ihnen gegenüber zur Aus293
GDV, Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 71 f. 294 Ausführlich hierzu Heese, Gläubigerinformation in der Insolvenz, S. 403 ff.
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kunft über den Bestand von Haftpflichtversicherungsschutz und die Identität des Versicherers verpflichtet.295 Der hier vorgeschlagene Direktanspruch ist folglich praktikabel, steigert die Effizienz der gerichtlichen Verfahren und fördert eine Harmonisierung der insolvenzrechtlichen Behandlung von freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung. Es steht deshalb zu hoffen, dass ein solcher allgemeiner insolvenzbedingter Direktanspruch zeitnah Aufnahme in das Gesetz findet. Einen zusätzlichen Anreiz für eine entsprechende Reform mag es auch darstellen, dass eine solche im Einklang stünde mit den Entwicklungslinien anderer europäischer Rechtsordnungen.
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I. Frankreich 1. Action directe des Geschädigten Der französischen Rechtsordnung wird gemeinhin das Verdienst der „Erfindung“ eines Direktanspruchs des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers zugeschrieben.296 Zurückgehend auf diese Pionierleistung hat sich der Begriff action directe insbesondere auf europäischer Ebene als allgemeine Bezeichnung des versicherungsrechtlichen Direktanspruchs etabliert. Die Ursprünge der der Haftpflichtversicherung entspringenden action directe liegen in einer Gesetzesnovelle vom 28. Mai 1913, die den damaligen Art. 2102 C.c. (heute Art. 2332 C.c.) um eine neue No 8 ergänzte. Nach dieser sind die durch einen Unfall Verletzten in Bezug auf die durch den Haftpflichtversicherer anerkannte oder gerichtlich festgestellte Versicherungsforderung des Schädigers privilegiert. Zudem wirkt die Zahlung des Versicherers an den Versicherungsnehmer für jenen so lange nicht befreiend, wie die privilegierten Gläubiger noch nicht befriedigt wurden.297 Gestützt auf diese Regelung räumte die Cour de cassation dem Geschädigten in einer Grund295
Für einen Auskunftsanspruch des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter bezüglich Gegenstand und Umfang des Versicherungsvertrages im Anwendungsbereich des § 110 VVG OLG Düsseldorf NZI 2002, 262 f.; kritisch hierzu aber Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 110 Rn. 40. 296 Vgl. Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1961. 297 Art. 2332 No 8 c. civ.: Les créances nées d'un accident au profit des tiers lésés par cet accident ou leurs ayants droit, sur l'indemnité dont l'assureur de la responsabilité civile se reconnaît ou a été judiciairement reconnu débiteur à raison de la convention d'assurance. Aucun paiement fait à l'assuré ne sera libératoire tant que les créanciers privilégiés n'auront pas été désintéressés
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satzentscheidung vom 14. Juni 1926 das Recht ein, den Versicherer im Wege der action directe unmittelbar in Anspruch zu nehmen.298 Obwohl die action directe durch diese Grundsatzentscheidung fest etabliert und in der Folge durch die Rechtsprechung wiederholt bestätigt wurde299, fand sie zunächst keine Berücksichtigung durch den Gesetzgeber, weder bei der ersten umfassenden Normierung des Versicherungsrechts durch Gesetz vom 13. Juli 1930300 noch im Rahmen der Kodifikation durch den Code des assurances 1976. Erst 2007 wurde der Direktanspruch des Geschädigten in Art. L. 124-3 Abs. 1 C. ass. gesetzlich verankert.301 Mit der Anerkennung der action directe erfuhr die Rechtsstellung des Geschädigten eine ganz erhebliche Stärkung. Zwar eröffnete das französische Zivilrecht dem Geschädigten mit der action oblique gem. Art. 1166 C.c. bereits zuvor unter bestimmten Umständen die Möglichkeit, die Versicherungsforderung des Schädigers selbst gegenüber dem Versicherer geltend zu machen.302 Im Gegensatz zur action directe hat die Ausübung der action oblique jedoch zur Folge, dass die Versicherungsleistung in das Vermögen des Versicherungsnehmers fällt und damit allen Gläubigern als Befriedigungsobjekt zur Verfügung steht.303 Die action directe vermeidet dies und dient folglich dem Schutz des Geschädigten gerade in der Insolvenz des Versicherungsnehmers.304 Es hieße nun aber einem Irrtum aufzusitzen, würde man annehmen, die französische Rechtsprechung hätte durch die frühzeitige Anerkennung der allgemeinen action directe all jene Klippen umschifft, die in Deutschland aus der Konstruktion des Absonderungsrechts erwuchsen. Vielmehr wurde auch in Frankreich die Frage aufgeworfen, ob die Inanspruchnahme des Versicherers nicht voraussetzte, dass zuvor die Haftpflicht des Schädigers im Verhältnis zum Geschädigten gerichtlich festgestellt worden war. Tatsächlich ging die französische Rechtsprechung zunächst davon aus, dass die action directe nur dann erfolgreich durchgeführt werden könne, wenn entweder die Haftpflichtforderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer bereits zuvor gerichtlich festgestellt oder vom Versicherer anerkannt wurde, oder aber der Versicherungsnehmer in den Prozess der 298
C. cass. DP 1927, I, 57, 62 f.; zustimmend Josserand, DP 1927, I, 57 ff. Z.B. C. cass., 1re Civ., 10.6.1997, No 95-16185; 24.10.1979, No 77-12556. 300 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1966. 301 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 684. 302 Allgemein zur action oblique und zu ihren Voraussetzungen Malaurie/Aynès/StoffelMunck, Droit des obligations, Tz. 1149 ff. 303 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1962; Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 684; Malaurie/Aynès/Stoffel-Munck, Droit des obligations, Tz. 1152 f. 304 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1962; Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 684; vgl. hierzu auch schon Josserand, DP 1927, I, 57, 58. 299
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action directe mit einbezogen werde.305 Die Einbeziehung des Versicherungsnehmers in das Verfahren konnte der Geschädigte im Wege der intervention forcée, geläufiger bezeichnet als mettre en cause, erreichen (heute geregelt in Art. 331 C.P.C.).306 Aus rechtsvergleichender Perspektive bemerkenswert ist hieran, dass die zwingende Einbeziehung des Erstschuldners eine Eigenheit der versicherungsrechtlichen action directe ist, die so weder anderen Formen der action directe noch der verwandten action oblique gemein ist.307 In einer erstaunlichen Parallele zum deutschen Absonderungsrecht aus § 157 VVG a.F./§ 110 VVG n.F. wurde deshalb in Bezug auf die versicherungsrechtliche action directe festgestellt, dass diese nicht den hergebrachten, gesetzlich fixierten Formen dieses Rechtsinstituts gleiche,308 mit anderen Worten ein „Unikum“ darstelle. Diese eigenartige Ausgestaltung der action directe sollte zum einen gewährleisten, dass stets zunächst in Anwesenheit des Versicherungsnehmers über Bestand und Umfang seiner Haftpflicht kontradiktorisch verhandelt und gerichtlich entschieden wurde, bevor ein Urteil über den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer erging. Zum anderen sollten hierdurch widersprüchliche Urteile verhindert werden, indem ein Urteil über die action directe aufgrund der intervention forcée auch gegenüber dem Versicherungsnehmer Rechtskraft wirkt.309 Problematisch wurde dieses Konzept indes im hier interessierenden Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers. Wird über das Vermögen des Versicherungsnehmers eine procédure collective eröffnet, so führt dies auch nach französischem Recht dazu, dass Insolvenzforderungen fortan nicht länger im Wege der Klage verfolgt werden können (suspension des poursuites individu305
C. cass. C. civ., 13.12.1938 (drei Urteile), DP 1939, I, 33 ff. („l’exercice de l’action directe contre l’assureur […] exige nécessairement, en l’absence d’un texte contraire, la présence de l’assuré (auteur de l’accident) aux débats, lorsqu’en dehors de toute reconnaissance de la responsabilité par l’assureur, aucune condamnation n’est préalablement intervenue contre lui, à l’effet de fixer contradictoirement entre les parties, d’abord l’existence de la créance de réparation et son montant, en second lieu l’indemnité due par l’assureur et que ce dernier sera tenu de verser jusqu’à due concurrence entre les mains de la victime”); dieser Gedanke klang bereits im Grundsatzurteil C. cass. C. Civ., 14.6.1926, DP 1927, I, 57, 62 f. an („une action directe permettant de mettre en cause l’assureur en même temps que l’assuré à l’effet de fixer contradictoirement entre les parties, d’abord l’existence de la créance de réparation et son montant et, en second lieu, l’indemnité due par l’assureur […]“); zustimmend Picard, DP 1939, I, 33 ff. m.w.N.; a.A. Josserand, DP 1933, I, 5, 8 f. m.w.N. 306 Vgl. hierzu Guinchard/Chainais/Ferrand, Procédure Civile, Rn. 314 ff.; Cadiet/Jeuland, Droit judiciaire privé, Tz. 467. 307 Josserand, DP 1933, I, 5, 8. 308 Picard, DP 1939, I, 33, 34 („cette action directe ne peut être assimilée à aucune autre"). 309 Ausführlich zu diesen hinter dem Erfordernis des mettre en cause stehenden Überlegungen Picard, DP 1939, I, 33 ff.
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elles), diese vielmehr in einem besonderen Verfahren, der procédure de vérification des créances, anzumelden sind.310 Die Cour de cassation entschied indes 1979, dass der Geschädigte seine Haftpflichtforderung nur insoweit in der procédure de vérification des créances anzumelden habe, als er Befriedigung durch den Versicherungsnehmer anstrebt.311 Um den Versicherer im Wege der action directe in Anspruch zu nehmen, genügte es demnach dagegen, den insolventen Versicherungsnehmer im Wege der intervention forcée afin de rendre commun le jugement312 in das Verfahren einzubinden. Dem stand die suspension des poursuites individuelles nicht entgegen.313 Dem Geschädigten wurde damit wie auch im deutschen Recht ein vereinfachter Weg eröffnet, um die zwingend vorgeschaltete Klärung der Haftpflichtfrage herbeizuführen. Damit hatte es indes nicht sein Bewenden. Durch eine grundlegende Rechtsprechungsänderung im Jahr 2000 wurde die Rechtsstellung des Geschädigten noch einmal signifikant gestärkt. In einem Urteil vom 7. November entschied die Cour de cassation, dass die action directe nicht länger die Einbeziehung des Versicherungsnehmers in das Verfahren zur Voraussetzung hat.314 Seitdem ist es dem Geschädigten stets möglich, den Versicherer unabhängig vom Versicherungsnehmer im Wege der action directe in Anspruch zu nehmen. Dem Geschädigten bleibt es zwar weiterhin möglich, den Versicherungsnehmer in das Verfahren einzubeziehen, um die Rechtskraftwirkung des Urteils auf diesen zu erstrecken.315 Er ist hierzu aber nicht länger gezwungen. 2. Eingeschränkte Akzessorietät der action directe zur Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers Die action directe ist grundsätzlich akzessorisch zur Versicherungsforderung des Versicherungsnehmers.316 Gem. Art. L. 112-6 C. ass. kann der Versicherer dem Dritten sämtliche Einwendungen (exceptions) entgegenhalten, die ihm im Verhältnis zum Versicherungsnehmer zustehen. Hierunter fallen so310
Ausführlich hierzu Jacquemont/Vabres, Droit des entreprises en difficulté, Tz. 518 ff. 311 C. cass. Ch. mixte, 15.6.1979, No 77-10150; No 77-14549. 312 Vgl. zu dieser Unterform der intervention forcée und ihrem Verhältnis zur intervention forcée aux fins de condamnation Guinchard/Chainais/Ferrand, Procédure Civile, Rn. 314. 313 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1996; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 737. 314 C. cass. 1re Civ., 7.11.2000, No 97-22582 (“Attendu que la recevabilité de l'action directe n'est pas subordonnée à l'appel en la cause de l'assuré par la victime”). 315 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 690. 316 Ausführlich hierzu und zum Folgenden Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 696 ff.; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 743 ff.
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wohl Einwendungen, die sich auf den Bestand oder die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags beziehen, als auch solche, welche die Reichweite der Versicherungsdeckung betreffen.317 Der Grundsatz des Art. L. 112-6 C. ass. wird jedoch teilweise durchbrochen, sodass die Akzessorietät der action directe keine vollständige ist. Zum einen ist hier die nur für Automobilversicherungen geltende Regelung des Art. R. 211-13 C. ass. zu nennen, die verhindert, dass sich der Versicherer dem Geschädigten gegenüber auf bestimmte Beschränkungen der Versicherungsdeckung berufen kann. Darüber hinaus wird die Akzessorietät der action directe jedoch auch generell für alle Versicherungsformen zugunsten des Geschädigten punktuell durchbrochen. So darf eine Verwirkung (déchéance) der Versicherungsforderung, die sich aus einer nach Eintritt des Versicherungsfalls erfolgten Verletzung versicherungsvertraglicher Pflichten durch den Versicherungsnehmer ergibt, auf die action directe des Geschädigten keinen Einfluss haben, Art. R. 124-1 C. ass.318 Hintergrund ist die Überlegung, dass der Direktanspruch des Geschädigten mit Eintritt des Versicherungsfalls vollwirksam entstanden und gleichsam „fixiert“ ist. Spätere Entwicklungen im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer können deshalb nach französischer Lesart keinen Einfluss auf die Rechtsstellung des Geschädigten haben.319 Mit Blick auf ausstehende Prämienforderungen ging die französische Rechtsprechung lange Zeit davon aus, dass der Versicherer aufgrund des Art. L. 112-6 C. ass. dazu berechtigt sei, die Versicherungsleistung in Höhe der rückständigen Prämien zu kürzen.320 1993 vollzog die Cour de Cassation jedoch auch in diesem Punkt eine grundlegende Rechtsprechungsänderung.321 Gestützt auf den Grundsatz, dass die französische compensation gem. Art. 1289 C.c. (ebenso wie ihr deutsches Äquivalent der Aufrechnung) die Gegenseitigkeit der betreffenden Forderungen zur Voraussetzung hat, folgerte das Gericht, dass die ausstehenden Prämienforderungen dem Geschädigten gegenüber nicht in Abzug gebracht werden können.322 Übersteigen die Haftpflichtforderungen mehrerer Geschädigter die Versicherungsdeckung, hat der Versicherer die Versicherungsleistung quotal auf die Geschädigten zu verteilen (au marc le franc). Soweit allerdings einzelne 317
Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 701 ff.; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 747 f. 318 Diese Einschränkung der Akzessorietät war bereits vor Einführung des Art. R. 124-1 C. ass. in der Rechtsprechung anerkannt, vgl. C. cass. C. Civ., 15.6.1931, DH 1931, 411; 1re Civ., 2.4.1974, No 73-10356. 319 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 704; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 749. 320 re 1 Civ., 28.1.1975, No 73-13284. 321 re 1 Civ., 31.3.1993, No 91-13637. 322 Zum Ganzen ausführlich Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1830.
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Haftpflichtgläubiger es versäumen, ihre Forderungen gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, wird der Versicherer auch dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn er die Versicherungsleistung auf die ihm bekannten Gläubiger verteilt. Die zu spät kommenden Gläubiger bleiben dann auf ihre Haftpflichtforderung gegen den Versicherungsnehmer verwiesen. 323 II. England Im Hinblick auf die historische Entwicklung der Rechtsstellung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers weist die englische Rechtsordnung geradezu erstaunliche Parallelen zur deutschen auf. Dies beginnt bereits damit, dass im herfür bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts maßgeblichen common law die Überzeugung vorherrschte, die Versicherungsleistung müsse in die Insolvenzmasse bzw. den estate des Versicherungsnehmers fallen und damit allen Gläubigern gleichermaßen als Befriedigungsobjekt zur Verfügung stehen.324 Ebenso wie in Deutschland blieb der Geschädigte demnach mit seiner Haftpflichtforderung zunächst auf die Insolvenzquote beschränkt.325 Da aber auch in England bald die Gerechtigkeitsdefizite und rechtsethischen Unzulänglichkeiten326 dieser Lösung gesehen wurden, entschied die Legislative, die insolvenzrechtliche Stellung des Geschädigten vermittels statutory law zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde 1930 der Third Parties (Rights against Insurers) Act verabschiedet.327 Dieser bewirkt im Falle der 323 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 703; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 748. 324 Hood’s Trustees v Southern Union General Insurance Co of Australia, [1928] Ch. 793, 801 ff.; Re Harrington Motor Co [1928] Ch. 105, 110 ff. Wohlgemerkt bringen die Richter in beiden Entscheidungen zum Ausdruck, dass das gefundene Ergebnis ihrem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Gleichwohl sahen sie sich durch die insoweit eindeutigen Rechtsregeln des common law gebunden. 325 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-001; Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Tz. 30.1; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 388. 326 Vgl. hierzu ausführlich oben sub B. 327 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-002; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 388. Gemeinsam mit dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 wurde der Road Traffic Act 1930 verabschiedet, der eine obligatorische Kfz-Haftpflichtversicherung einführte. Die beiden in Fn. 324 genannten Entscheidungen, durch die das Bedürfnis nach einem stärkeren Schutz des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt war, betrafen Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Kfz. Die in Reaktion auf diese Entscheidungen 1930 verabschiedeten Gesetzeswerke bildeten dementsprechend eine auf diese Problemfälle gemünzte Einheit. Die im Folgenden noch zu beschreibenden Schutzlücken des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 resultieren wohl nicht zuletzt daraus, dass dieser ursprünglich auf das Zusammenspiel mit dem Road Traffic Act 1930 ausgelegt war, durch die später enorm zunehmende Verbreitung der Haftpflichtversicherung aber eine zum
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Insolvenz des Versicherungsnehmers einen gesetzlichen Übergang der aus dem Versicherungsvertrag entspringenden Rechte auf den Geschädigten. Die Interpretation, die der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 durch die Rechtsprechung erfuhr, führte allerdings dazu, dass sich die Geschädigten bei der Realisierung ihrer Rechtsposition in praxi mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sahen. Aus diesem Grund setzten zum Ende des 20. Jahrhunderts Reformdiskussionen ein, die schließlich 2010 in der Verabschiedung eines neuen Third Parties (Rights against Insurers) Act mündeten.328 Das reformierte Gesetz trat zum 1. August 2016 in Kraft.329 1. Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 Der Anwendungsbereich des Third Parties (Rights against Insurers) Act ist sowohl in seiner Fassung aus dem Jahre 1930 wie auch in seiner Neufassung aus dem Jahre 2010 auf die Insolvenz des Haftpflichtversicherungsnehmers begrenzt. Da das englische Recht jedoch kein einheitliches Insolvenzverfahren kennt, knüpft sich die Anwendung des Gesetzes gem. s. 1(1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 (bzw. s. 1(1) i.V.m. s. 4 bis 7 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010) an die Implementierung verschiedener insolvenzrechtlicher Verfahren und Instrumente. Kam es bevor oder nachdem in diesem Sinne die Insolvenz des Versicherungsnehmers eingetreten ist zum Versicherungsfall, so gehen gem. s. 1 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930/2010 die aus dem Vertrag resultierenden Rechte des Versicherungsnehmers ipso iure auf den Geschädigten über. Freilich hat diese Ausgestaltung zur Folge, dass der Geschädigte grundsätzlich keine weitergehenden Rechte gegenüber dem Versicherer geltend machen kann, als dies dem Versicherungsnehmer möglich gewesen wäre,330 ein Prinzip, das Harman LJ bildhaft umschrieb mit den Worten „you cannot pick out one bit – pick out the plums and leave the duff behind.“ 331 Hieraus ergeben sich für den Geschädigten schwerwiegende Konsequenzen hinsichtlich der Realisierung der auf ihn übergegangenen Rechte. Auch nach englischer Lesart setzt die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung Zeitpunkt seiner Verabschiedung nicht vorhergesehene Ausweitung seines Anwendungsbereichs erfuhr, vgl. zum Ganzen Birds, Birds‘ Modern Insurance Law, S. 388 Fn. 7. 328 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-003; Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 396 f. 329 S. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 (Commencement) Order 2016 i.V.m. s. 21(2) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. 330 So erstmals Lord Denning: „Under the section it is clear to me that the injured person cannot sue the insurance company except in such circumstances as the insured himself could have sued the insurance company“, Post Office v Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 QB 363, 374; bestätigt durch das House of Lords in Bradley v Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] A.C. 957, 966. 331 Post Office v Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 QB 363, 376.
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voraus, dass die Haftpflicht des Versicherungsnehmers zuvor sowohl ihrem Bestand als auch ihrer Höhe nach durch Urteil, Schiedsspruch oder Vergleich festgestellt wurde. In der Grundsatzentscheidung Post Office v Norwich Union Fire Insurance Society Ltd kam der Court of Appeal dementsprechend zu dem Schluss, dass der Geschädigte den Versicherer auf Grundlage von s. 1(1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 nicht in Anspruch nehmen kann, bevor die Haftpflichtforderung in der dargestellten Weise verbindlich festgestellt wurde.332 Das Verfahren, nach welchem der Geschädigte die notwendige Feststellung der Haftpflichtforderung erreichen kann, variiert in Abhängigkeit von der Art des Insolvenzverfahrens bzw. des Rechtsinstruments das die Anwendbarkeit des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 ausgelöst hat. Im Regelfall wird dem Geschädigten hierzu die gerichtliche Klage offenstehen. Bei bestimmten Verfahren wie der liquidation oder administration bedarf die Klage der Zustimmung des Gerichts (leave of the court) oder des administrator.333 Der Court of Appeal stellte insoweit jedoch fest, dass die Zustimmung automatisch erteilt werden sollte, wenn die Klage zur Realisierung von Rechten nach dem Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 notwendig ist.334 Handelt es sich beim Versicherungsnehmer um eine Gesellschaft, die infolge eines Insolvenzverfahrens bereits aufgelöst wurde, muss der Geschädigte zunächst gem. s. 1029 bis 1031 Companies Act 2006 ein Verfahren zur Wiederherstellung der Gesellschaft einleiten, um anschließend die gerichtliche Feststellung der Haftpflichtforderung gegen diese betreiben zu können.335 Ist über den Versicherungsnehmer ein bankruptcy-Verfahren eröffnet, so muss die Haftpflichtforderung im Verfahren der Forderungsanmeldung festgestellt werden. Anerkennt der trustee in bankruptcy die Haftpflichtforderung, so genügt dies als Grundlage für ein Vorgehen gegen den Versicherer.336 Infolge der Ausgestaltung des Drittschutzes als Legalzession ist die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Geschädigten grundsätzlich strikt an das Schicksal der zedierten Versicherungsforderung geknüpft. Der Versicherer 332
Post Office v Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 QB 363, 373 f.; bestätigt durch das House of Lords in Bradley v Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] A.C. 957, 966 ff. 333 Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 28-014; Bailey/Groves, Corporate Insolvency, Tz. 30.4. 334 Post Office v Norwich Union Fire Insurance Society Ltd [1967] 2 QB 363, 375. 335 Bevor dem Geschädigten gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Wiederherstellung der schuldnerischen Gesellschaft zu veranlassen, war es ihm nicht möglich auf Grundlage des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 gegen den Versicherer vorzugehen, vgl. Bradley v Eagle Star Insurance Co Ltd [1989] A.C. 957 ff.; zur historischen Entwicklung ausführlich Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-014. 336 Law Society of England and Wales v Shah [2009] Ch. 223, 233, 239 f.; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-015.
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kann dem Geschädigten alle versicherungsrechtlichen Einwendungen entgegenhalten, die ihm im Verhältnis zum Versicherungsnehmer zugestanden hätten, insbesondere solche die aus der Verletzung von warranties oder der duty of utmost good faith resultieren.337 Praktisch besonders relevant sind Einwendungen, die sich darauf stützen, dass der Versicherungsnehmer bestimmte Anzeigen unterlassen hat, die conditions precedent der Versicherungsdeckung bilden.338 Auch die Aufrechnung (set-off) mit ausstehenden Prämienforderungen steht dem Versicherer grundsätzlich offen.339 Durch sog. paid-to-be-paid-clauses bzw. pay-first-clauses340, nach denen der Versicherer erst dann zur Zahlung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer die Haftpflichtforderung selbst erfüllt hat, kann ein Vorgehen des Geschädigten gegen den Versicherer auf Grundlage des Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 gar vollständig vereitelt werden.341 Auch Verfügungen, die der Versicherungsnehmer vor seiner Insolvenz – insbesondere im Rahmen eines mit dem Versicherer geschlossenen Vergleichs – über die Versicherungsforderung getroffen hat, entfalten dem Geschädigten gegenüber volle Wirksamkeit.342 Eine Ausnahme gilt nur für solche Verfügungen, die nach Eintritt der Insolvenz erfolgen. Diese können die Rechtsstellung des Geschädigten gem. s. 3 Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 nicht mehr beeinträchtigen. Übersteigt die Summe der Forderungen mehrerer Haftpflichtgläubiger die Versicherungsdeckung, so verfährt die englische Rechtsprechung nach einem rigiden „first past the post“-System: Diejenigen Geschädigten, die den Ver337
Vgl. hierzu Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-022 m.N. Vgl. z.B. Farrell v Federated Employers Insurance Asscociation Ltd. [1970] 1 W.L.R. 1400 ff.; Pioneer Concrete (UK) Ltd v National Employers Mutual Insurance Co Ltd, [1985] 2 All E.R. 395 ff.; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-023 m.w.N. sowie Rn. 21-058. 339 Cox v. Bankside Members Agency Ltd. [1995] C.L.C. 180, 200; restriktiver noch Murray v. Legal and General Assurance Society Ltd. [1970] 2 Q.B. 495, 500 ff.; ausführlich hierzu Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-025. 340 Solche Klauseln finden üblicherweise nur in den Seeversicherungen der Protection and Indemnity Clubs Verwendung, vgl. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21060, allerdings wurde bereits befürchtet, dass diese auch weitere Verbreitung finden könnten, vgl. Law Commission/Scottish Law Commission, Third Parties – Rights against Insurers, para. 5.28. 341 Ursprünglich war zweifelhaft, ob solche Klauseln nicht gem. s. 1(3) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 unwirksam sind, dafür sprach sich Staughton J in der Entscheidung The Fanti [1987] 2 Lloyd’s Rep. 299 aus, dagegen Saville J in der Entscheidung The Padre Island (No. 2) [1987] 2 Lloyd’s Rep. 529. Dieser Konflikt wurde schließlich durch das House of Lords zugunsten der Wirksamkeit derartiger Klauseln aufgelöst, The Fanti and the Padre Island [1991] 2 A.C. 1, 28 ff.; vgl. hierzu auch Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-037 und Birds, Birds’ Modern Insurance Law, S. 394 ff. 342 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-038. 338
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sicherer zuerst erfolgreich in Anspruch nehmen, können die Versicherungsleistung vollständig einziehen. Sobald die Versicherungsleistung hierdurch erschöpft ist, gehen später agierende Gläubiger leer aus.343 2. Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 a) Kritik der bisherigen Rechtslage Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930 erfuhr – zumindest in der Gestalt, die er durch richterliche Interpretation erlangt hat – über die Jahre hinweg zunehmend Kritik. Diese wurde in besonders markanter Weise 2001 durch die Law Commissions Englands und Schottlands geäußert, die zugleich einen Vorschlag zur Reform der gesetzlichen Regelungen vorlegten.344 Nach einiger Verzögerung verabschiedete das Parlament den Reformvorschlag der Law Commissions schließlich als Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010.345 Zwei Aspekte der bisherigen Rechtslage wurden besonders kritisiert: An erster Stelle wurde die Notwendigkeit einer mehrfachen Prozessführung moniert, die sich für den Geschädigten daraus ergibt, dass er zunächst die Haftpflichtforderung verbindlich feststellen lassen muss, bevor er den Versicherer in Anspruch nehmen kann. Besonders misslich gestaltet sich hierbei die Lage des Geschädigten, wenn er zunächst eine voll-liquidierte Gesellschaft wiederherstellen lassen muss und damit im Ganzen drei Verfahren zu führen hat. Nach Ansicht der Law Commission sind der Aufwand und die Kosten, die dem Geschädigten durch die doppelte oder mehrfache Prozessführung anfallen, nicht gerechtfertigt.346 Darüber hinaus sah man die Rechtsstellung des Geschädigten durch die Befugnis des Versicherers, sich ihm gegenüber umfassend auf versicherungsvertragliche Einwendungen berufen zu können, als empfindlich beeinträchtigt an. Im Fokus standen hierbei zum einen Einwendungen, die daraus resultieren, dass der Versicherungsnehmer notwendige Anzeigen gegenüber dem Versicherer unterlassen hat, und zum anderen Einwendungen aus pay-firstKlauseln.347
343
Cox v. Bankside Members Agency Ltd. [1995] C.L.C. 180, 186 ff. (der entscheidende Richter Phillips J bezeichnete dieses “first past the post“-System zwar selbst als unfair, sah eine gleichmäßige Verteilung der Versicherungsleistung auf die Haftpflichtgläubiger aber als rechtlich unhaltbar und praktisch undurchführbar an). 344 Law Commission/Scottish Law Commission, Third Parties – Rights against Insurers. 345 Zum Ganzen Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-003. 346 Law Commission/Scottish Law Commission, Third Parties – Rights against Insurers, paras. 3.7 ff., 3.13 ff. 347 Law Commission/Scottish Law Commission, Third Parties – Rights against Insurers, paras. 1.22 ff., 5.13 ff., 5.28 ff.
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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b) Zentrale Neuregelungen des Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 Der Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 sucht die dargestellten Kritikpunkte der bisherigen Rechtslage durch einige Neuregelungen zu beheben. An erster Stelle steht hierbei die Vereinfachung des Verfahrens zur Realisierung der auf den Geschädigten übergegangenen Versicherungsforderung. Nach s. 1(3) des reformierten Act kann der Geschädigte die Versicherungsforderung unmittelbar gegenüber dem Versicherer geltend machen. Allerdings erfordert die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung auch weiterhin, dass die Haftpflichtforderung zuvor ihrem Bestand und ihrer Höhe nach verbindlich festgestellt wurde. Gem. s. 1(4)(a) i.V.m. s. 2 Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 erfordert diese Feststellung aber nicht mehr einen separaten Haftpflichtprozess, sondern kann im Wege einer richterlichen declaration auch im Prozess gegen den Versicherer erfolgen. Ist der Versicherungsnehmer insolvent, wird der Geschädigte folglich künftig die Feststellung der Haftpflichtforderung und die Leistung aus der Versicherungsforderung sinnvoller Weise in einem einheitlichen, gegen den Versicherer geführten Prozess beantragen.348 Gem. s. 2(9) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 kann der Geschädigte den Versicherungsnehmer zudem als zusätzlichen defendant in das Verfahren miteinbeziehen, um sicherzustellen, dass die gerichtliche Feststellung der Haftpflichtforderung gem. s. 2(10) auch diesem gegenüber wirksam ist. In England ist damit dieselbe Rechtsentwicklung zu beobachten wie in Frankreich: weg von einer obligatorischen vorgeschalteten Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers, hin zu seiner fakultativen Einbeziehung in den gegen den Versicherer geführten Prozess. Die dem Versicherer zur Verfügung stehenden Einwendungen werden, soweit sie sich auf unterlassene Anzeigen des Versicherungsnehmers stützen, teilweise beschnitten. Insbesondere zeitigen solche conditions, die die Versicherungsdeckung von der Anzeige der gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Haftpflichtforderungen abhängig machen, dem Geschädigten gegenüber keine Wirkung mehr, s. 9(4) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Ebenso wenig kann der Versicherer dem Geschädigten 348
Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 21-049. Bemerkenswert ist hieran, dass sich die Law Commissions Englands und Schottlands in ihren Reformüberlegungen auch explizit mit dem Regelungskonzept Australiens auseinandergesetzt haben, das dem deutschen nicht unähnlich ist. Das australische Recht räumt dem Geschädigten ebenso wie das deutsche ein Vorzugsrecht an der dem Versicherungsnehmer zustehenden Versicherungsforderung ein. Die Law Commissions lehnten eine solche Konzeption ausdrücklich ab und hielten an der überkommenen Lösung der Legalzession fest. Begründet wurde dies mit dem Argument, dass eine Einbeziehung der Insolvenzmasse in die Realisierung der Versicherungsforderung, welche die australische – ebenso wie die deutsche – Konstruktion mit sich bringt, nicht angemessen ist, vgl. hierzu Law Commission, Third Parties, para. 3.12.
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künftig eine pay-first-Klausel entgegenhalten, s. 9(5) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010. Eine (beschränkte) Ausnahme von dieser Regel gilt gem. s. 9(6) Third Parties (Rights against Insurers) Act 2010 nur im Bereich der Seeversicherung. Das Recht des Versicherers zur Aufrechnung mit eigenen, gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Forderungen aus dem Versicherungsvertrag wird hingegen in s. 10 des reformierten Act ausdrücklich anerkannt. 3. Besonderheiten der motor insurance Auch im englischen Recht nimmt der Geschädigte im Bereich der als Pflichtversicherung ausgestalteten motor insurance eine besonders geschützte Stellung ein. Neben den Privilegierungen in Fällen „kranker“ Versicherungsverhältnisse349 sind dem Geschädigten vor allem alternative Wege zur Befriedigung seiner Haftpflichtforderung eröffnet. Hierbei ist die traditionelle, im Road Traffic Act 1988 vorgesehene Möglichkeit, auf Grundlage eines gegen den Versicherungsnehmer ergangenen Urteils den Versicherer in Anspruch zu nehmen, von der auf Grundlage EU-rechtlicher Vorgaben350 eingeführten primary direct action gegen den Versicherer zu unterscheiden. Ebenso wie die Vorgängerfassungen seit 1934 enthält der derzeit geltende Road Traffic Act 1988 in seiner s. 151 eine Regelung, nach welcher ein Haftpflichturteil, das zugunsten des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer ergangen ist, in den Grenzen der Versicherungspflicht auch den Versicherer zur Zahlung verpflichtet.351 In der englischen Literatur ist diesbezüglich teilweise zu lesen, die Norm ermögliche es dem Geschädigten, ein gegen den Versicherungsnehmer erlangtes Haftpflichturteil gegenüber dessen Versicherer zu vollstrecken (to enforce).352 Jedoch spricht der Gesetzestext nur davon, dass der Versicherer infolge des Haftpflichturteils in den Grenzen der Versicherungspflicht zur Zahlung der dem Geschädigten zugesprochenen Summen verpflichtet ist. Eine Ausweitung der Vollstreckbarkeit des Urteils in personeller Hinsicht scheint hierdurch nicht bezweckt zu sein. In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung. So erhob der Geschädigte im Fall Harrington v Link Motor Policies at Lloyd’s, nachdem er gegen den Versi349
Geregelt in s. 148 Road Traffic Act 1988, ausführlich hierzu Birds, Birds‘ Modern Insurance Law, S. 425 ff. 350 Damals Art. 3 Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie), ABl. Nr. L 181 S. 65, heute geregelt in Art. 18 Richtlinie 2009/103/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. Nr. L 263 S. 11. 351 Vgl. hierzu Harrington v Link Motor Policies at Lloyd’s, [1989] R.T.R. 345, 347. 352 So z.B. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 22-062.
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cherungsnehmer ein default judgment erlangt hatte, eine neue (erfolgreiche) Leistungsklage gegen den Versicherer.353 In der Insolvenz des Versicherungsnehmers bewirkt s. 151 Road Traffic Act damit im Vergleich zu s. 1(1) Third Parties (Rights against Insurers) Act 1930/2010 keine wesentliche Veränderung der Rechtsstellung des Geschädigten. Eine erhebliche Stärkung seiner Rechtsstellung innerhalb wie außerhalb der Insolvenz des Versicherungsnehmers erfuhr der Geschädigte dagegen durch die European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002. Nach deren reg. 3(2) kommt einer vom Schutzbereich der Regulations umfassten Person354, die gegen eine andere Person eine in den Deckungsbereich einer Pflichtversicherung gem. s. 143 ff. Road Traffic Act 1988 fallenden Anspruch aus tort hat, zusätzlich ein unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer zu.355 Der hierdurch geschaffene Direktanspruch (direct action) ermöglicht es dem Geschädigten ohne vorangegangene verbindliche Feststellung der Haftpflichtforderung unmittelbar gegen den Versicherer zu klagen.356 III. USA 1. Die uneinheitliche versicherungsrechtliche Ausgestaltung und insolvenzrechtliche Behandlung der liability insurance Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Behandlung der liability insurance bietet die US-amerikanische Rechtsordnung ein recht uneinheitliches Bild, geprägt durch eine erhebliche Disparität zwischen den versicherungsrechtlichen Regelungen der Einzelstaaten und eine im hohen Maße einzelfallorientierte Rechtsprechung. Ein großer Teil der Jurisdiktionen geht ähnlich dem deutschen Modell davon aus, dass der Geschädigte kein Recht dazu hat, den Versicherer unmittelbar in Anspruch zu nehmen. Dort gilt der Grundsatz, dass der Geschädigte zunächst eine verbindliche Feststellung der Haftpflichtforderung herbeiführen muss – insbesondere in Form eines entsprechenden Urteils – und erst im Anschluss hieran dazu berechtigt ist, gegen den Versi-
353
Harrington v Link Motor Policies at Lloyd’s, [1989] R.T.R. 345 (auf Grundlage der Vorgängerregelung s. 149 Road Traffic Act 1972). 354 Gem. reg. 2(1) gehören hierzu alle Personen, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR haben. 355 Reg. 3(2) European Communities (Rights against Insurers) Regulations 2002: Where this paragraph applies, the entitled party may, without prejudice to his right to issue proceedings against the insured person, issue proceedings against the insurer which issued the policy of insurance relating to the insured vehicle, and that insurer shall be directly liable to the entitled party to the extent that he is liable to the insured person. 356 Vgl. hierzu und zu den Einzelheiten der direct action Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 22-080 ff. und Birds, Birds‘ Modern Insurance Law, S. 430 f.
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cherer vorzugehen.357 Andere Staaten räumen dem Geschädigten dagegen in direct action statutes358 das Recht ein, den Versicherer unmittelbar in Anspruch zu nehmen, wobei dieses Recht allerdings oftmals nur im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers oder im Bereich der motor insurance gewährt wird.359 Doch nicht nur aufgrund dieser Diskrepanzen zwischen den einzelstaatlichen Rechtsordnungen ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung mit Blick auf die insolvenzrechtliche Behandlung der liability insurance gespalten. Bereits über die Antwort auf die grundlegende Frage, ob die Versicherungsleistung in den estate des Versicherungsnehmers fällt, herrscht – unabhängig davon, ob dem Geschädigten eine direct action zusteht oder nicht – Uneinigkeit.360 Einige Entscheidungen gehen in strenger Anwendung der in Edgeworth dargelegten Prinzipien361 davon aus, dass die Versicherungsleistung nicht in den estate des Versicherungsnehmers fallen könne. Da die Versicherungsleistung in der liability insurance ausschließlich an den Geschädigten auszuzahlen sei, habe der Versicherungsnehmer keinen cognizable claim in Bezug auf diese.362 Andere Entscheidungen möchten die Versicherungsleistung dagegen als vom estate des Versicherungsnehmers erfasst verstehen.363 Diese Entscheidungen betreffen zumeist mass-tort-Verfahren, in denen dem Versicherungsnehmer eine Vielzahl von Haftpflichtgläubigern gegenüber357 Die dogmatische Ausformung des Wegs, auf dem der Geschädigte den Versicherer nach Erlangung eines Haftpflichturteils in Anspruch nehmen kann, variiert von Staat zu Staat. So sieht z.B. das Recht Connecticuts vor, dass der Geschädigte 30 Tage nach Erlass des Haftpflichturteils in die Rechte des Versicherungsnehmers eintritt (subrogation), wenn er bis dahin keine Befriedigung erlangen konnte, § 38a-321 Connecticut General Statutes. In Maryland wird dem Geschädigten dagegen ein Recht zur Klage (action) gegen den Versicherer eingeräumt, wenn ein Vollstreckungsversuch gegen den Versicherungsnehmer nicht zur Befriedigung geführt hat, § 19-102(b)(2) Maryland Code, Insurance. 358 Dieser Terminus findet in der US-amerikanischen Literatur uneinheitliche Verwendung. Teilweise werden hierunter auch solche Gesetze gefasst, die dem Geschädigten erst nach einem gegen den Versicherungsnehmer erstrittenen Haftpflichturteil das Recht zur Inanspruchnahme des Versicherers einräumen (so z.B. Van Cleve, 21 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 99, 104 [2013]). Hier soll der Begriff dagegen nur solche Gesetze bezeichnen, die dem Geschädigten die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglichen. 359 Exemplarisch seien hier genannt: § 632.24 Wisconsin Statutes and Annotations; § 22:1269 Louisiana Revised Statutes; § 27-7-2.4 General Laws of Rhode Island. 360 Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Gummow, in: New Appleman Library Ed., § 108.01[2][c]. 361 Hierzu bereits ausführlich oben sub § 6 D. III. 2. 362 So bereits In Re Edgeworth, 993 F.2d 51, 55 f. (5th Cir. 1993); dem folgend Landry v. Exxon Pipeline Co., 260 B.R. 769, 785 ff. (Bankr. M.D. La. 2001); Sosebee v. Steadfast Ins. Co., 701 F.3d 1012, 1023 f. (5th Cir. 2012). 363 Tringali v. Hathaway Machinery Co., Inc., 769 F.2d 553, 560 f. (1st Cir. 1986); MacArthur Co. v. Johns-Manville Corp., 837 F.2d 89, 91 ff. (2nd Cir. 1988); In re Vitek, Inc., 51 F.3d 530, 533 ff. (5th Cir. 1995).
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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steht.364 Primäres Motiv der in diesen Fällen vorgenommenen Ausweitung des estate über die Edgeworth-Prinzipien hinaus ist es, ein andernfalls besorgtes race to the courthouse der Haftpflichtgläubiger zu vermeiden:365 Um zu verhindern, dass bei einer die Versicherungsdeckung übersteigenden Summe von Haftpflichtforderungen nur diejenigen Gläubiger Befriedigung ihrer Forderungen erlangen können, die den Versicherer am schnellsten in Anspruch nehmen, soll die Verteilung der Versicherungsleistung geordnet und gleichmäßig innerhalb des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden. 2. Gemeinsame Grundlinien der insolvenzrechtlichen Behandlung der liability insurance All den geschilderten Diskrepanzen in den Details zum Trotz ist es möglich, mit groben Pinselstrichen ein allgemeines Bild der insolvenzrechtlichen Behandlung der liability insurance im US-amerikanischen Recht zu zeichnen. Konsens besteht zunächst darüber, dass die Versicherungsleistung im Ergebnis ausschließlich den Geschädigten zugutekommen kann, diese also auch dann nicht den übrigen Insolvenzgläubigern als Haftungsobjekt zur Verfügung steht, wenn sie als dem estate zugehörig erachtet wird. In Bezug auf den Abwicklungsmodus lassen sich im Wesentlichen zwei Linien ausmachen: Soweit dem Geschädigten – wie in der Mehrzahl der Staaten – keine direct action gegen den Versicherer zusteht, muss er zunächst gegen den Versicherungsnehmer vorgehen und zu diesem Zweck beim zuständigen Insolvenzgericht gem. 11 U.S.C. § 362(d) eine Aufhebung des automatic stay beantragen.366 Der stay hindert den Geschädigten grundsätzlich an einer Klage gegen den Versicherungsnehmer, ganz unabhängig davon, ob die Versicherungsleistung in den estate fällt oder nicht.367 Soweit Versicherungsdeckung durch eine liability insurance besteht, wird dem Antrag des Geschädigten regelmäßig stattgegeben, freilich mit der Einschränkung, dass eine Vollstreckung des im Folgenden erstrittenen Haftpflichturteils gegen den Versicherungsnehmer ausgeschlossen ist.368 Im Rahmen seiner Entscheidung über die Aufhebung des automatic stay hat das Insolvenzgericht allerdings 364
Exemplarisch hierfür steht die Entscheidung MacArthur Co. v. Johns-Manville Corp., 837 F.2d 89 (2nd Cir. 1988): Die insolvente Johns-Manville Corporation sah sich mit den potentiellen Haftpflichtforderungen zehntausender Asbest-Geschädigter konfrontiert. 365 So ausdrücklich Tringali v. Hathaway Machinery Co., Inc., 769 F.2d 553, 560 st (1 Cir. 1986); In re Vitek, Inc., 51 F.3d 530, 535 (5th Cir. 1995). 366 Zu den Voraussetzungen und dem Verfahren einer Aufhebung des automatic stay Gummow/Eggum, in: New Appleman Library Ed., § 109.01[3]. 367 Landry v. Exxon Pipeline Co., 260 B.R. 769, 795 (Bankr. M.D. La. 2001): Eine Klage gegen den insolventen Versicherungsnehmer unterfällt gem. 11 U.S.C. § 362(a)(1) stets dem automatic stay. 368 Vgl. z.B. In re Holtkamp, 669 F.2d 505 ff.
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auch zu berücksichtigen, ob die Versicherungsleistung zur Befriedigung aller Haftpflichtforderungen ausreicht. Ist dies nicht der Fall, so ist es regelmäßig gehalten, den Antrag des Geschädigten abzuweisen und die Versicherungsleistung innerhalb des Insolvenzverfahrens gleichmäßig an die Haftpflichtgläubiger zu verteilen.369 Kann sich der Geschädigte auf ein direct action statute stützen, so hängt das weitere Vorgehen davon ab, ob die Versicherungsleistung als dem estate zufallend angesehen wird oder nicht. Im zuerst genannten Fall hindert der automatic stay auch hier ein unmittelbares gerichtliches Vorgehen gegen den Versicherer, 11 U.S.C. § 362(a)(3). Das direct action statute entbindet den Geschädigten damit nicht von der Notwendigkeit, zunächst beim Insolvenzgericht die Aufhebung des automatic stay zu beantragen. Wird die Versicherungsleistung dagegen als nicht dem estate zugehörig betrachtet, kann der Geschädigte ungehindert durch das Insolvenzverfahren unmittelbar gegen den Versicherer vorgehen. Gleichwohl bleibt dem Insolvenzgericht die Befugnis vorbehalten, auf Antrag eines Beteiligten die Versicherungsleistung in das Insolvenzverfahren einzubeziehen und gleichmäßig an die Haftpflichtgläubiger zu verteilen. Auch diese auf die in 11 U.S.C. § 105 normierten equitable powers des Insolvenzgerichts gestützte Befugnis dient in erster Linie der Vermeidung eines Gläubigerwettlaufs in mass-tort-Verfahren.370 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Untersuchung Es zeigt sich, dass die rechtsethischen Grundsätze, die eine Privilegierung des Geschädigten in der Insolvenz des Haftpflichtversicherers notwendig machen, in allen untersuchten Rechtsordnung Anerkennung gefunden haben. Die rechtliche Ausgestaltung dieser Privilegierung, insbesondere der Modus ihrer Realisierung, hat hierbei in allen Rechtsordnungen im Wesentlichen dieselben Fragen aufgeworfen. Während das deutsche Recht insoweit aber nach wie vor der Abwicklung in zwei getrennten Prozessen verhaftet bleibt, ist die Rechtsentwicklung zumindest in den beiden anderen europäischen Rechtsordnungen weiter vorangeschritten und favorisiert nunmehr die unmittelbare Abwicklung im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Versicherer. Die Einbeziehung des Versicherungsnehmers in diesen Prozess wird dort nur 369 Die exakte rechtliche Grundlage für die Verteilung der (nicht zum estate gehörigen) Versicherungsleistung durch das Insolvenzgericht wird nicht ganz deutlich. Entsprechende Befugnisse des Insolvenzgerichts ließen sich wohl aber zumindest auf die gem. 11 U.S.C. § 105(a) bestehenden equitable powers des Gerichts stützen, vgl. zum Ganzen Landry v. Exxon Pipeline Co., 260 B.R. 769, 796 (Bankr. M.D. La. 2001); Gummow, Bankruptcy and Insurance Law Manual, ch. 18 L; ähnlich auch Stempel, Stempel on Insurance Contracts, § 12-02. 370 Zum Ganzen Landry v. Exxon Pipeline Co., 260 B.R. 769, 785 ff. (Bankr. M.D. La. 2001).
E. Zusammenfassung
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noch als eine Option des Geschädigten angesehen, um die Rechtskraft des Urteils auf diesen zu erstrecken. Hierdurch soll eine ineffiziente Prozessdoppelung ebenso vermieden werden wie die Einbeziehung der Insolvenzmasse in ein Verfahren, an dem sie nur ein nachgeordnetes Interesse hat. Es wäre wünschenswert, dass diese Rechtsentwicklung in Zukunft auch für Deutschland Vorbildfunktion entfaltet. Die US-amerikanische Zurückhaltung gegenüber der unmittelbaren Abwicklung zwischen Geschädigtem und Versicherer ist dagegen vor dem spezifischen Hintergrund der US-amerikanischen Zivilrechtsordnung zu sehen. Die ihr zugrundeliegenden Überlegungen können nur sehr eingeschränkt auf das deutsche Recht übertragen werden. Der in mass tort-Verfahren befürchtete Befriedigungswettlauf der Gläubiger wird in Deutschland bereits durch die spezifischen Regelungen der §§ 109 und 118 VVG eingedämmt. Einer Einbeziehung der Geschädigten in das Insolvenzverfahren bedarf es hierfür nicht. Zudem erfüllt die Trennung von Haftpflicht- und Deckungsprozess, welche die Realisierung des Drittschutzes in der großen Mehrzahl der USamerikanischen Einzelstaaten prägt, dort eine ganz besondere, rein endemische Funktion. Angesichts der stets mitzuberücksichtigenden Möglichkeit eines jury-trials haben US-amerikanische Versicherer ein ganz erhebliches Interesse daran, eine unmittelbare Inanspruchnahme durch Geschädigte zu verhindern. Sie hegen die berechtigte Sorge, dass eine jury sehr viel eher geneigt sein wird, das Bestehen einer Haftpflicht zu bejahen, wenn dem Geschädigten im Prozess nicht der Versicherungsnehmer, sondern der als gesichtslose „deep pocket“ wahrgenommene Versicherer gegenüber steht.371 Dieser spezifischen Gefahr sehen sich Versicherer in Deutschland nicht im selben Maße ausgesetzt.372
E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung
1. Die insolvenzrechtliche Privilegierung des Geschädigten in Bezug auf die Haftpflichtversicherungsforderung des Versicherungsnehmers kann sich zu 371
Vgl. Stempel, Stempel on Insurance Law, § 9.14: “Where in force, direct action statutes disturb insurers largely because of their ever-present discomfort of being before jurors who might be more interested in soaking a deep pocket rather than giving strict interpretation to a contract.” 372 Zwar kann sich auch in Deutschland das Bestehen von Versicherungsschutz auf die Bewertung der Haftpflicht auswirken, vgl. hierzu Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vor §§ 100–124 Rn. 121 ff. und Armbrüster, NJW 2009, 187 ff. Entscheidend für den Eintritt entsprechender „Reflexwirkungen“ ist aber weniger die emotionale Beeinflussung des Richters durch die Person des vor ihm auftretenden Beklagten als vielmehr der objektive Bestand von Versicherungsschutz und die damit einhergehende Möglichkeit einer Sozialisierung des vom Kläger erlittenen Schadens.
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§ 8 Haftpflichtversicherung
seiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung auf den rechtsethischen Grundsatz stützen, wonach der Schaden einer Person nicht einem anderen zum unmittelbaren Vorteil gereichen soll. 2. In der freiwilligen Haftpflichtversicherung ist die insolvenzrechtliche Stellung des Geschädigten in § 110 VVG als Absonderungsrecht ausgeformt. Diese eindeutige gesetzgeberische Entscheidung ist rechtspolitisch verfehlt weil mit der Systematik der InsO unvereinbar. Da der in der Versicherungsforderung verkörperte aktive Vermögenswert stets vollständig dem Geschädigten zufließt, eine Beteiligung der Insolvenzmasse also ausgeschlossen ist, wäre die Rechtsstellung des Geschädigten systemkonform als Aussonderungsrecht bzw. aussonderungsähnliches Recht auszugestalten. In der Pflichtversicherung ist dies durch den Direktanspruch aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG bereits geschehen. 3. Dem de lege lata unumstößlichen Absonderungsrecht des Geschädigten aus § 110 VVG ist im Wege der Rechtsfortbildung ein ungeschriebenes Pfandrecht an der Versicherungsforderung zugrunde zu legen. Die Realisierung des Absonderungsrechts vollzieht sich mithin nach den Regelungen, die allgemein für auf Pfandrechten basierenden Absonderungsrechten gelten. Die Einziehung der Versicherungsforderung gem. §§ 1282 Abs. 1 BGB, 173 Abs. 1 InsO kann jedoch erst erfolgen, wenn gem. § 106 S. 1 VVG die Fälligkeit der Forderung herbeigeführt wurde. Die hierzu erforderliche bindende Feststellung der Haftpflichtforderung im Haftpflichtverhältnis kann im Wege des insolvenzrechtlichen Forderungsanmeldungsverfahrens erfolgen oder aber durch Klage auf Duldung der abgesonderten Befriedigung. Die von der h.M. zugelassene Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter ist als mit dem geltenden Recht unvereinbar abzulehnen. 4. Neben dem regulären Verfahren zur Realisierung des Absonderungsrechts stehen dem Insolvenzverwalter alternative Gestaltungsmöglichkeiten zu Gebote, namentlich Freigabe und Zession der Versicherungsforderung. In praxi erweist sich die Zession der Versicherungsforderung an Zahlungs statt als die für den Geschädigten und die Insolvenzmasse günstigste Gestaltungsform. Dem Geschädigten wird hierdurch die unmittelbare Inanspruchnahme des Versicherers ermöglicht, während die Insolvenzmasse von den meisten Belastungen der Forderungsrealisierung freigehalten wird. Der Geschädigte hat gem. § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB analog einen Anspruch auf Zession der Versicherungsforderung an Zahlungs statt. 5. De lege ferenda sollte das Absonderungsrecht des Geschädigten auch in der freiwilligen Haftpflichtversicherung durch einen insolvenzbedingten Direktanspruch gegen den Versicherer ersetzt werden. Ein solcher Direktanspruch ist praktikabel, steigert die Effizienz der gerichtlichen Verfahren und fördert die sachlich angezeigte Harmonisierung der insolvenzrechtlichen Behandlung von freiwilliger Haftpflichtversicherung und Pflichtversicherung. Nicht zuletzt stünde die Einführung eines allgemeinen, insolvenzbedingten
E. Zusammenfassung
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Direktanspruchs im Einklang mit den Entwicklungen in anderen europäischen Rechtsordnungen.
§9
Der Schutz des Grundpfandgläubigers in der Sachversicherung
A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen
Kreditgeber, die ihr Ausfallrisiko durch Realsicherheiten einhegen, sind üblicherweise nicht so leichtsinnig, sich allein auf die fortbestehende Werthaltigkeit des Sicherungsgutes zu verlassen.1 Die Beschädigung oder Zerstörung desselben ist gerade bei besitzlosen Sicherheiten – wie sie in der heutigen Wirtschaft von eminenter praktischer Bedeutung sind – eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Absicherung vermögen auch hier Versicherungsverträge zu bieten, wobei der Sicherungsnehmer die Prämienlast üblicherweise dem Sicherungsgeber aufbürdet. Im Bereich der Mobiliarsicherheiten, allen voran der Sicherungsübereignung, wird dies durch eine vom Sicherungsgeber abzuschließende Sachversicherung bewerkstelligt, die durch kautelarjuristische Ausgestaltung und Vertragsauslegung den Charakter einer kombinierten Eigen- und Fremdversicherung annimmt. Die geschützte Rechtsstellung des Sicherungsgebers wird dort mithin durch die Regeln über die Versicherung für fremde Rechnung vermittelt.2 Im Bereich der Grundpfandrechte verhält es sich dagegen anders. Das Ziel einer Stimulierung des Realkreditwesens vor Augen3 hat der Gesetzgeber den Grundpfandgläubigern die Last der kautelarjuristischen Ausformung des Versicherungsschutzes weitgehend abgenommen und den Drittschutz durch besondere Regelungen gesetzlich konturiert.4 Die §§ 1127 ff., 1192 Abs. 1 BGB bewirken, dass Versicherungen, die in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fallende Sachen zum Gegenstand haben, bereits ipso iure drittschützende Wirkungen zugunsten des Grundpfandgläubigers entfalten. Dieser kann sich folglich darauf beschränken, den Sicherungsgeber vertraglich zum Unterhalt einer entsprechenden Versiche1
Ähnlich auch schon Schütz, VersR 1987, 134. Hierzu ausführlich Hofmann, KTS 2015, 55 ff.; Gerding, Sicherungsscheine in der Mobiliarversicherung. 3 Vgl. hierzu Motive zum VVG, S. 168 f.; BGH VersR 1989, 912, 913; Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 4; Prölss/Martin/Klimke, § 143 Rn. 1; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 143 Rn. 1; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 186 ff. 4 Ausführlich zur historischen Entwicklung Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 3 ff., Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 3 ff. 2
A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen
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rung zu verpflichten.5 Einen ganz eigentümlichen, besonders intensiven Schutz erfährt der Grundpfandgläubiger darüber hinaus im Bereich der Gebäudefeuerversicherung durch die Regelungen der §§ 142 ff. VVG. Hier ist zugunsten des Realgläubigers insbesondere eine Nachhaftung des Versicherers über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses hinaus angeordnet sowie eine Haftung in bestimmten Fällen eines „kranken“ Versicherungsverhältnisses, § 143 VVG. Die materiellrechtliche Ausgestaltung dieses durch BGB und VVG begründeten Drittschutzes konnte in der Vergangenheit erhebliche Aufmerksamkeit von Seiten der Wissenschaft auf sich ziehen. Die Beiträge hierzu sind – insbesondere was monographische Bearbeitungen anbelangt – Legion.6 Äußerst spärlich gesät sind dagegen Abhandlungen, die sich mit der Stellung des Grundpfandgläubigers im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers auseinandersetzen. Dies muss verwundern, stellt die Insolvenz doch die Feuerprobe dar, in der sich die grundpfandrechtliche Sicherung bewähren muss. Vor dem Hintergrund dieser literarischen Landschaft konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die bislang vernachlässigte insolvenzrechtliche Stellung des Grundpfandgläubigers. Dabei kommt man freilich nicht umhin, auch die materiellrechtlichen Verhältnisse mit in den Blick zu nehmen. Sie werden im Folgenden in der gebotenen Kürze – und nur insoweit, als dies zum Verständnis der insolvenzrechtlichen Rechtslage notwendig ist – vorweg dargestellt.
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Dies entspricht gängiger Praxis, vgl. nur das von Epp, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Anhang zu § 94 Nr. 2 abgedruckte Muster einer Sicherungsvereinbarung für eine Grundschuld. Ob sich aus § 1134 Abs. 2 S. 2 BGB eine gesetzliche Pflicht des Eigentümers zum Unterhalt zumindest einer Feuerversicherung konstruieren lässt, ist dagegen umstritten, vgl. hierzu Staudinger/Wolfsteiner, § 1134 Rn. 16 f. m.N. 6 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier genannt Goltermann, Hypothekengläubiger und Gebäudeversicherung nach BGB, 1907; Gottschald, Die hypothekarische Haftung der Versicherungsforderung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1908; Oelert, Realkredit und Feuerversicherung, 1914; Oertmann, WuR 1916, 424 ff.; Kisch, WuR 1918, 1 ff.; Scherb, Die Rechte des Hypothekengläubigers an der Forderung gegen den Versicherer gem. §§ 1127 ff. BGB und §§ 101 ff. VVG, 1933; Schnabel, Die Rechtsstellung der Realgläubiger nach den §§ 100, 101 VVG, 1934; Beyer, Gebäudefeuerversicherung und Hypothek, 1937; Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, 1937; Wiesinger, Die Rechtsstellung des Hypothekengläubigers im privaten Feuerversicherungsrecht, 1940; Schorling, ZHR 112 (1949), 12 ff.; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, 1964; Petersen, Der Schutz der Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, 1964; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, 1996.
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§ 9 Sachversicherung
A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen A. Versicherungs- und sachenrechtliche Grundlagen
Betrachtet man den materiellrechtlichen Schutz des Realgläubigers hinsichtlich der Versicherungsforderungen, fällt zunächst die gestufte Intensität dieses Schutzes in Abhängigkeit vom Gegenstand der jeweiligen Versicherung auf. Das niedrigste Schutzniveau begegnet bei Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, eine erhebliche Steigerung erfährt es bei Gebäudeversicherungen, seinen höchsten Grad erreicht der Drittschutz schließlich im speziellen Fall der Gebäudefeuerversicherung.7 I. Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, §§ 1127, 1129 BGB § 1127 BGB enthält die zivilrechtliche Grundregel für den Schutz des Realgläubigers, die hinsichtlich aller Versicherungsformen unabhängig von ihrem Gegenstand Platz greift: Die Versicherungsforderungen fallen in den Haftungsverband des Grundpfandrechts. Für Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, belässt es das Gesetz im Wesentlichen bei dieser Grundregel und präzisiert in § 1129 BGB lediglich, dass sich die Ausgestaltung der Haftung nach den für Miet- und Pachtforderungen geltenden Regelungen der §§ 1123 Abs. 2 S. 1, 1124 Abs. 1 und 3 BGB richtet. Nach richtiger – und inzwischen auch vom BGH geteilter – Auffassung haben diese Regelungen zur Folge, dass der Realgläubiger erst mit der Beschlagnahme ein dingliches Recht an den betroffenen Miet- und Pachtforderungen erlangt.8 Zuvor ist ihm an diesen Forderungen keine sachenrechtliche Rechtsposition zugeordnet, er kann vielmehr aus dem Grundpfandrecht nur ein dingliches Recht auf die Miet- und Pachtforderungen ableiten, nicht aber ein dingliches Recht an diesen Forderungen.9 Besonders augenfällig wird dies daran, dass der Grundstückseigentümer vor der Beschlagnahme in seiner Dispositionsbefugnis über die Forderungen nicht eingeschränkt ist (§ 1124 Abs. 1 S. 1 BGB), Dritte diese lastenfrei erwerben können (§ 1124 Abs. 1 S. 2 BGB) und dem Grundpfandgläubiger auch gegen die Vollstreckung Dritter in die Forderungen keine Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.10 Die für Miet- und Pachtforderungen geltenden Grundsätze sind auf Versicherungsforderungen
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Vgl. Schütz, VersR 1987, 134, 135. BGHZ 182, 264, 270 f.; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 49 Rn. 28 (auch zur vormals schwankenden Rechtsprechung bezüglich dieser Fragestellung); Bork, ZIP 2013, 2129 ff. 9 So die prägnante Formulierung von Bork, ZIP 2013, 2129 ff. 10 Bork, ZIP 2013, 2129, 2130. 8
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i.S.d. § 1129 BGB zu übertragen: Auch an ihnen erwirbt der Grundpfandgläubiger erst mit der Beschlagnahme ein dingliches Sicherungsrecht.11 II. Gebäudeversicherungen, § 1128 BGB Mit Blick auf Gebäudeversicherungen bewirkt § 1128 BGB eine Erweiterung des in § 1127 BGB begründeten Schutzes.12 Die Norm bestimmt zunächst in ihrem Abs. 1, dass der Versicherer die Versicherungsleistung nur dann mit befreiender Wirkung an den Versicherungsnehmer erbringen kann, wenn dem Realgläubiger der Eintritt des Schadens angezeigt wurde und dieser der Auszahlung nicht binnen eines Monats widerspricht. § 1128 Abs. 2 BGB enthält eine nochmalige Verschärfung dieser Regelung für den – in praxi regelmäßig gegebenen13 – Fall, dass der Realgläubiger das Grundpfandrecht beim Versicherer angemeldet hat. Hier erfordert die befreiende Leistung an den Versicherungsnehmer die schriftliche Zustimmung des Realgläubigers. Gem. § 1128 Abs. 3 BGB greifen im Übrigen zugunsten des Realgläubigers die Regelungen über das Forderungspfandrecht Platz. Es ergibt sich aus diesen Regelungen, dass dem Realgläubiger im Bereich der Gebäudeversicherung anders als bei Versicherungen i.S.d. § 1129 BGB unabhängig von der Beschlagnahme ein dingliches Sicherungsrecht an den Versicherungsforderungen erwachsen kann.14 Die dogmatische Einfassung dieses Sicherungsrechts wurde allerdings in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Es stehen sich im Wesentlichen zwei Ansichten gegenüber: Die heute wohl ganz herrschende Ansicht geht davon aus, dass § 1128 BGB dem Realgläubiger ein Pfandrecht an den Versicherungsforderungen vermittele.15 Demgegenüber wird andernorts vertreten, 11
Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 27; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1129 Rn. 5; Prölss/Martin/Klimke, Anh. II zu §§ 142–149 Rn. 18; Langheid/Rixecker, Vor §§ 142–149 Rn. 20; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 50; Schütz, VersR 1987, 134, 135 f.; unklar dagegen Wussow, Feuerversicherung, § 1129 BGB Nr. 2 (Pfandrecht bereits ab Entstehung der Hypothek, Wirkungen aber erst mit Beschlagnahme). 12 Soweit Zubehör des Gebäudes vom Versicherungsschutz mitabgedeckt ist, findet § 1128 BGB auch insoweit Anwendung, RGZ 69, 316, 317 ff.; 157, 314, 316; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1128 Rn. 4; allgemein zum sachlichen Anwendungsbereich des § 1128 BGB Staudinger/Wolfsteiner, § 1128 Rn. 2 m.w.N. 13 Bei den Realgläubigern handelt es sich zumeist um Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen. Diese pflegen das Grundpfandrecht unmittelbar nach seiner Bestellung formularmäßig anzumelden, Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 21. 14 Vgl. RGZ 122, 131, 133; Soergel/Konzen, § 1128 Rn. 2; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1128 Rn. 15. 15 Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 49 Rn. 34; Staudinger/Wolfsteiner, § 1128 Rn. 6 f.; Erman/Wenzel, § 1128 Rn. 8; Soergel/Konzen, § 1128 Rn. 2; Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 1128 Rn. 3; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 12; Prölss/Martin/Armbrüster, § 94 Rn. 1; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 21 Rn. 15; Ho-
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dass das aus § 1128 BGB ableitbare Sicherungsrecht an den Versicherungsforderungen kein eigenständiges dingliches Recht sei, sondern unselbständiger Bestandteil des Grundpfandrechts.16 Im Ergebnis gebührt in dieser Streitfrage der herrschenden Ansicht der Vorzug. Die Einordnung als unselbständiger Bestandteil des Grundpfandrechts wird der durch § 1128 BGB geschaffenen Rechtslage nicht gerecht. Die Befriedigung aus Grundpfandrechten vollzieht sich gem. § 1147 BGB ausschließlich im Wege der Zwangsvollstreckung. Zur Realisierung des Sicherungsrechts an den Versicherungsforderungen räumt § 1128 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1282 Abs. 1 S. 1 BGB dem Realgläubiger dagegen ein eigenes Einziehungsrecht an den Forderungen ein. Es handelt sich deshalb bei dem Sicherungsrecht aus § 1128 BGB um ein eigenständiges Pfandrecht, das neben das Grundpfandrecht tritt. Gänzlich ohne dogmatische Verwerfungen kommt freilich auch diese Konstruktion nicht aus. Handelt es sich bei dem in Rede stehenden Grundpfandrecht nämlich um eine Grundschuld17, so kann aus § 1128 Abs. 3 BGB kein Forderungspfandrecht im herkömmlichen Sinne abgeleitet werden; aus der nicht-akzessorischen Grundschuld kann schlechterdings kein akzessorisches Pfandrecht entspringen.18 Ob man das Sicherungsrecht aus § 1128 Abs. 3 BGB in diesem Fall begrifflich als nicht-akzessorisches Pfandrecht fassen will19 oder aber als pfandrechtsähnliches Sicherungsrecht sui generis, erscheint letztlich sekundär. Wichtig ist nur, dass man die besondere Ausgestaltung des Sicherungsrechts bei den einzelnen Rechtsfragen im Blick behält. Im Folgenden soll der Einfachheit halber grundsätzlich nur vom Pfandrecht des Realgläubigers gesprochen werden. Das eigentümliche Sicherungsrecht bei zugrundeliegender Grundschuld wird nur dort gesonderte Berücksichtigung finden, wo sich aus dessen mangelnder Akzessorietät Abweichungen in der rechtlichen Behandlung ergeben. III. Gebäudefeuerversicherungen, §§ 142 ff. VVG Auch für die Gebäudefeuerversicherung gelten zunächst die Regelungen der §§ 1127, 1128 BGB, im Regelfall beanspruchen also auch hier die im voranes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 355; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 54 ff.; Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, S. 17; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 27. 16 Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 20 ff.; in diese Richtung auch Piepenbrock, VersR 2006, 1195 f. 17 Zur Anwendbarkeit des § 1128 Abs. 3 BGB auf Grundschulden Staudinger/Wolfsteiner, § 1128 Rn. 21; Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 1128 Rn. 7; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1128 Rn. 19. 18 Vgl. Oertmann, WuR 1916, 424, 466. 19 In diese Richtung etwa Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, S. 18.
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gegangenen Abschnitt dargelegten Grundsätze Geltung. Besonderheiten ergeben sich jedoch aus der Spezialvorschrift des § 143 VVG, die für bestimmte Fälle der Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer eine zeitlich begrenzte Nachhaftung des Versicherers gegenüber solchen Realgläubigern anordnet, die ihr Grundpfandrecht angemeldet haben. Um diesen besonderen Schutz der Realgläubiger im Bereich der Gebäudefeuerversicherung wurde in den Verhandlungen über die VVG-Reform 2008 lange gerungen. Die Reformkommission empfahl die vollständige Streichung der entsprechenden Regelungen,20 der Gesetzgeber folgte diesem Vorschlag jedoch nicht.21 Gegenüber den Vorgängernormen der §§ 102, 103 VVG a.F. wurde der Anwendungsbereich der Regelung zwar eingeschränkt. Leistungsfreiheit, die auf ein Verhalten des Versicherungsnehmers zurückzuführen ist, kann fortan auch dem angemeldeten Realgläubiger entgegengehalten werden.22 Für andere Fälle bleibt die Nachhaftung des Versicherers aber auch nach dem reformierten VVG erhalten, insbesondere für den Fall des Zahlungsverzugs bei Folgeprämien (§ 143 Abs. 1 VVG), der Beendigung des Versicherungsverhältnisses (§ 143 Abs. 2 VVG) sowie der Nichtigkeit des Versicherungsvertrages (§ 143 Abs. 4 VVG). Die weitergehenden Regelungen der §§ 102, 103 VVG a.F. finden darüber hinaus nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 EGVVG auch noch in Zukunft Anwendung, soweit das betreffende Grundpfandrecht vor dem 31.12.2008 begründet wurde.23 Die dogmatische Konstruktion dieser Privilegierung des Realgläubigers im Falle eines „kranken“ Versicherungsverhältnisses ist seit jeher umstritten. Zu Recht nicht durchzusetzen vermochte sich insoweit die Ansicht, die Haftung des Versicherers gründe sich auch hier auf das Pfandrecht des Realgläubigers.24 Da das Pfandrecht den Bestand der Versicherungsforderung voraussetzt, ließ sich diese Auffassung schlüssig nur mittels einer Fiktion der Versicherungsforderung oder der Figur einer relativen Unwirksamkeit begrün-
20 Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 77. 21 Vgl. hierzu BT-Drucks. 16/3945, S. 93: Nach der Regierungsbegründung zielen die entsprechenden Vorschriften nicht allein auf den Schutz der Kreditgeber ab, sondern mittelbar auch auf den Schutz der Kreditnehmer (Verbraucher). 22 Dies betrifft vor allem die Fälle der grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls, die nach § 81 VVG das Recht zur Kürzung der Versicherungsleistung bzw. die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers nach sich ziehen. Kritisch zu dieser Neuregelung Johannsen/Johannsen, in: Liber amicorum Winter, S. 237 ff. 23 Ausführlich zum intertemporalen Recht Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 3. 24 Dafür z.B. Oertmann, WuR 1916, 424, 456 ff.; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 70 f.; ähnlich auch Kisch, WuR 1918, 1, 11 ff.; Wussow, Feuerversicherung, § 102 Anm. 1.
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den.25 Derartige Konstruktionen wurden mit Recht als „gekünstelt“ bezeichnet.26 Die heute ganz herrschende Ansicht geht deshalb davon aus, dass § 143 VVG einen neuen, eigenständigen Anspruch des Realgläubigers gegen den Versicherer generiert.27 Nicht nur vermeidet diese Auffassung die komplizierten Konstruktionen der Gegenansicht, sie führt vielmehr auch insolvenzrechtlich zu konsistenteren Ergebnissen, wie später noch an verschiedenen Stellen gezeigt werden wird.28 Allerdings ist zu beachten, dass dem Realgläubiger mit dem neuen, eigenständigen Anspruch aus § 143 VVG zumindest bei streng dogmatischer Betrachtung eine bessere Rechtsstellung eingeräumt wird, als er bei „gesundem“ Versicherungsverhältnis inne gehabt hätte.29 Die hieraus resultierenden Bedenken können jedoch zerstreut werden, wenn bei der Ausgestaltung des Anspruchs aus § 143 VVG streng darauf geachtet wird, dass dieser dem Realgläubiger keine reellen Vorteile gegenüber der Rechtslage bei ungestörtem Versicherungsverhältnis vermittelt, sich die Besserstellung also in einer formalen Rechtsposition erschöpft. Insbesondere ist der Anspruch, dessen Umfang sich grundsätzlich nach dem Realrecht nebst Zinsen und Kosten richtet, seiner Höhe nach begrenzt durch die Höhe des nach dem Versicherungsvertrag zu ersetzenden Schadens nebst Zinsen.30 Im Einzelnen ist sowohl die Ausgestaltung31 als auch die dogmatische Grundlage32 des Anspruchs aus § 143 VVG in vielen Punkten nach wie vor umstrit25 So denn auch Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 70 f. 26 Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 23. 27 RGZ 102, 350, 352; 124, 91, 95; 151, 389, 392; BGH NJW 1981, 1671, 1672; NJWRR 1997, 406; 2005, 1054, 1055; Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 22 ff.; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 143 Rn. 17; Prölss/Martin/Klimke, § 143 Rn. 4; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 143 Rn. 10; Schwintowski/Brömmelmeyer/Pagel, § 143 Rn. 6; Johannsen, NVersZ 2000, 410, 411; Piepenbrock, VersR 2006, 1195, 1197; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 358; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 190 ff.; Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, S. 40 ff. Auch der Reformgesetzgeber ging bei der Schaffung des § 143 VVG von dieser Konzeption aus, vgl. BT-Drucks. 16/3945, S. 94. 28 Sub C. I. und sub C. 3. a). 29 Aus diesem Grund kritisch zur h.M. Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 24 a.E. 30 Johannsen, NVersZ 2000, 410, 411. 31 Im Mittelpunkt stehen hierbei zwei Streitfragen: Besteht der Anspruch aus § 143 VVG nur dann, wenn das Grundpfandrecht durch Grundstück und mithaftende Gegenstände infolge des Versicherungsfalls nicht länger gedeckt ist und entfällt der Anspruch, wenn sich herausstellt, dass das Grundpfandrecht bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht mehr werthaltig war? Vgl. zu diesen Fragen Johannsen, NVersZ 2000, 410, 412 f. m.N. 32 Hier geht es vor allem um die Frage, wie das durch § 143 VVG begründete Schuldverhältnis zwischen Versicherer und Realgläubiger rechtlich zu qualifizieren ist: vertragliches Versicherungsverhältnis für Rechnung des Realgläubigers (Wiesinger, Die Rechtsstel-
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ten. Diese Streitfragen haben jedoch auf die spezifisch insolvenzrechtliche Stellung des Realgläubigers keine unmittelbaren Auswirkungen und sollen deshalb hier außer Betracht bleiben.
B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Grundpfandgläubigers B. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Die soeben dargestellten Regelungen bilden die materiellrechtliche Grundlage des insolvenzrechtlichen Schutzes des Realgläubigers in der Insolvenz des Versicherungsnehmers. Verfassungsrechtlich lässt sich dessen insolvenzrechtliche Vorzugsstellung durch den Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation rechtfertigen.33 Zumindest bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise stellen die Versicherungsforderungen ein Surrogat der versicherten Sachen dar.34 Der verfassungsrechtliche Gehalt der par conditio creditorum steht einer Ausdehnung der durch das Grundpfandrecht erworbenen Vorzugsstellung an den versicherten Sachen auf die Versicherungsforderungen deshalb nicht entgegen. Andererseits ist eine solche Ausdehnung auch nicht zwingend.35 In der Vergangenheit unternommene Versuche, die gesetzlichen Regelungen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung
lung des Hypothekengläubigers im privaten Feuerversicherungsrecht, S. 30 ff., 50 ff.), gesetzliches Versicherungsverhältnis für Rechnung des Realgläubigers (so z.B. Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 614; Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, S. 40 ff.) oder gesetzliches Schuldverhältnis sui generis (so die heute ganz h.M., vgl. statt vieler Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 143 Rn. 17; Johannsen, NVersZ 2000, 410, 411 f. m.w.N.). Relevanz hat die dogmatische Einordnung des Schuldverhältnisses vor allem für die Frage, ob den Realgläubiger versicherungsrechtliche Obliegenheiten treffen. 33 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Tragfähigkeit dieses Gedankens ausführlich oben sub § 2 B. II. 2. b). 34 Vgl. OLG Frankfurt NJOZ 2006, 4176, 4177; Mot. III, S. 660; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 1; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1127 Rn. 1; Jauernig/Berger, Anm. zu §§ 1127–1130 Rn. 1; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 39 Rn. 60; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 355; Schütz, VersR 1987, 134; Kalter, KTS 1962, 142, 152; a.A. Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 34 f. (der jedoch letztlich nicht überzeugend vom Mangel eines allgemeinen Surrogationsgrundsatzes im deutschen Recht auf die fehlende Surrogatseigenschaft der Versicherungsforderung schließt). 35 Vgl. Mot. III, S. 659, wonach „die Erstreckung der Hypothek auf die Forderungen aus der Versicherung nicht in der Rechtskonsequenz liegt“. Allgemein dazu, dass insolvenzrechtliche Privilegierungen aufgrund des Gedankens haftungsrechtlicher Surrogation nicht zwingend sind oben sub § 2 B. II. 2. b).
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auf andere Ersatzansprüche wie z.B. Schadensersatzforderungen zu übertragen, sind deshalb zu Recht gescheitert.36 Die besondere Privilegierung des Realgläubigers im Bereich der Gebäudefeuerversicherung wirft mit Blick auf die par conditio creditorum keine besonderen Probleme auf. Soweit der Versicherer dem Realgläubiger gegenüber auch im Falle eines „kranken Versicherungsverhältnis“ leistungspflichtig bleibt, ist nur jener belastet, nicht aber die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger. Befriedigt der Versicherer in der Folge den Realgläubiger, geht zwar dessen Grundpfandrecht gem. §§ 145 S. 1, 148 VVG auf ihn über. Zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse kommt es hierdurch jedoch nicht.
C. Rechtliche Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
I. Insolvenzrechtliche Stellung des Grundpfandgläubigers Grundpfandrechte vermitteln dem Realgläubiger in der Insolvenz des Grundstückseigentümers bekanntlich ein Absonderungsrecht an den in den Haftungsverband fallenden Gegenständen.37 Für die von den §§ 1127 ff. BGB erfassten Versicherungsforderungen gilt im Grundsatz nichts anderes. Dies ist auch systemgerecht, da die Insolvenzmasse am Forderungserlös partizipiert, wenn die Versicherungsleistung den zur Befriedigung des Realgläubigers erforderlichen Betrag übersteigt. Besonderheiten ergeben sich allerdings, wenn dem Realgläubiger durch § 143 VVG im Falle eines „kranken“ Versicherungsverhältnisses ein Recht auf die Versicherungsleistung eingeräumt wird. Da der Versicherer in diesen Fällen der Insolvenzmasse gegenüber leistungsfrei bleibt, ist deren Partizipation an der Versicherungsleistung gerade ausgeschlossen. Die allgemeinen insolvenzrechtlichen Prinzipien sprechen deshalb eher dafür, die Rechtsposition des Realgläubigers als Aussonderungsrecht einzuordnen. Bereits hier zeigt sich, dass sich die Konstruktion eines eigenständigen, unmittelbaren Anspruchs des Realgläubigers aus § 143 VVG reibungsloser in das Gefüge des Insolvenzrechts einordnen lässt als die konkurrierende Konzeption einer Fortführung der pfandrechtlichen Haftung: Ebenso wie der Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer aus § 115 VVG38 führt die Konstruktion eines eigenständigen Anspruchs des Realgläubigers aus § 143 VVG in systemgerechter Weise zu einer aussonderungsähnlichen Rechtslage. 36
Vgl. BGH NJW 1989, 2123, 2124; 2006, 771, 772; §§ 93, 94 Rn. 9. 37 Statt aller Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.12. 38 Hierzu oben sub § 8 C. III. 1.
Bruck/Möller/Johannsen,
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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II. Wege zur Realisierung der insolvenzrechtlichen Vorzugsstellung Die Realisierung der Vorzugsstellung des Realgläubigers variiert in Abhängigkeit von der in Rede stehenden Versicherungsart ganz erheblich. Die unterschiedliche Intensität des materiellrechtlichen Drittschutzes spiegelt sich hier auf der Ebene des Insolvenzrechts wider. 1. Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben a) Absonderungsrecht an Versicherungsforderungen nur bei Beschlagnahme Bei Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, ist auch der insolvenzrechtliche Drittschutz am schwächsten ausgestaltet. Da der Realgläubiger bis zur Beschlagnahme kein dingliches Recht an den Versicherungsforderungen erwirbt, setzt auch die Entstehung eines insolvenzrechtlichen Absonderungsrechts an diesen die Beschlagnahme voraus. Hatte der Realgläubiger bei Insolvenzeröffnung die Beschlagnahme noch nicht erwirkt, hat er deshalb zunächst kein Absonderungsrecht inne. Ihm steht allerdings gem. § 49 InsO die Möglichkeit offen, die Beschlagnahme auch noch während des Insolvenzverfahrens herbeizuführen und dadurch nachträglich ein Absonderungsrecht an den Versicherungsforderungen zu begründen.39 § 91 Abs. 1 InsO steht dem nachträglichen Erwerb des Absonderungsrechts nicht entgegen, da dem Realgläubiger schon vor Insolvenzeröffnung ein dingliches Recht auf diese Forderungen zustand. Hierin unterscheidet sich der Grundpfandgläubiger vom widerruflich Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung, der vor Insolvenzeröffnung überhaupt kein Recht, sondern lediglich eine tatsächliche Aussicht oder Hoffnung auf die Versicherungsforderung hatte und diese deshalb während des Insolvenzverfahrens nicht mehr erwerben kann.40 b) Durchführung der abgesonderten Befriedigung Um die Beschlagnahme der Versicherungsforderungen herbeizuführen, stehen dem Realgläubiger im Ausgangspunkt drei verschiedene Wege offen:41 Erwirkung der Anordnung der Zwangsversteigerung,42 Erwirkung der Anordnung der Zwangsverwaltung oder Pfändung und Überweisung der Versicherungsforderungen im Wege der Mobiliarvollstreckung gem. §§ 829, 835
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Bork, ZIP 2013, 2129, 2130 (zu Miet- und Pachtforderungen). Hierzu oben sub § 7 C. I. 2. b). 41 Palandt/Herrler, § 1129 Rn. 2; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1129 Rn. 6 f.; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 81. 42 In diesem Fall wirkt die Beschlagnahme mit Blick auf Versicherungsforderungen aus Versicherungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse nur eingeschränkt, § 21 Abs. 1 ZVG. 40
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ZPO43. Hatte der Realgläubiger vor Insolvenzeröffnung im zuletzt genannten Wege die Pfändung und Überweisung der Versicherungsforderungen zur Einziehung erwirkt, ist er gem. § 173 Abs. 1 InsO selbst zur Einziehung der Forderungen berechtigt. Wurde dagegen die Zwangsverwaltung angeordnet, sind die Versicherungsforderungen gem. § 152 ZVG durch den Zwangsverwalter einzuziehen.44 Die Beschlagnahme erfasst hierbei gem. §§ 20 Abs. 2, 148 Abs. 1 S. 1 ZVG alle in den Haftungsverband fallenden Versicherungsforderungen, einschließlich solcher für vom Boden getrennte land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse. In die Verteilungsmasse können jedoch nur solche Versicherungsleistungen Eingang finden, die für zerstörte oder beschädigte Früchte erbracht werden. Entschädigungsleistungen für Zubehör sind dagegen Surrogate der Grundstückssubstanz, die im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht zu verteilen ist.45 Zieht der Zwangsverwalter entsprechende Versicherungsforderungen ein, hat er die ausgezahlten Gelder anzulegen und nach Aufhebung des Verfahrens an die Insolvenzmasse auszuschütten.46 Lediglich die Zinsen fließen in die Verteilungsmasse.47 Die Realgläubiger können ihre Rechte an den Versicherungsleistungen für beschädigtes oder zerstörtes Zubehör nur wahren, indem sie vor ihrer Auszahlung an den Zwangsverwalter die Anordnung der Zwangsversteigerung erwirken.48 Wird die Zwangsversteigerung des Grundstücks durchgeführt, so unterfallen der Beschlagnahme Versicherungsforderungen für vom Boden getrennte land- oder forstwirtschaftliche Erzeugnisse nicht, § 21 Abs. 1 ZVG. Auf diese Forderungen kann nur im Wege der Zwangsverwaltung zugegriffen werden. Alle anderen Versicherungsforderungen werden gem. § 55 ZVG von der
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Die Beschlagnahme setzt in diesem Fall voraus, dass die Pfändung auf Grundlage eines dinglichen Schuldtitels erfolgt, RGZ 76, 116, 118 ff.; 81, 146, 147 ff.; 103, 137, 138 f.; Staudinger/Wolfsteiner, § 1123 Rn. 20; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 49 Rn. 28 (alle zu den gem. § 1123 BGB in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fallenden Miet- und Pachtforderungen). 44 OLG Schleswig-Holstein InVo 2001, 76; Böttcher/Keller, § 152 Rn. 35, § 148 Rn. 5a. 45 Zum Ganzen Stöber, § 152 Rn. 16.5; Haarmeyer/Hintzen, § 3 ZwVwV Rn. 20; Depré/Mayer, Praxis der Zwangsverwaltung, Rn. 755; Mohrbutter, in: FS Herbert Schmidt, S. 111, 120; Piepenbrock, VersR 2006, 1195, 1197. 46 Vgl. Stöber, § 152 Rn. 16.5; Depré/Mayer, Praxis der Zwangsverwaltung, Rn. 755; Mohrbutter, in: FS Herbert Schmidt, S. 111, 120; a.A. Haarmeyer/Hintzen, § 9 ZwVwV Rn. 27 (Hinterlegung beim Amtsgericht, allerdings wohl in erster Linie für Gebäudeversicherungen). 47 Einhellige Ansicht, Stöber, § 152 Rn. 16.5; Haarmeyer/Hintzen, § 9 ZwVwV Rn. 27; Depré/Mayer, Praxis der Zwangsverwaltung, Rn. 755; Mohrbutter, in: FS Herbert Schmidt, S. 111, 120; Piepenbrock, VersR 2006, 1195, 1197. 48 Depré/Mayer, Praxis der Zwangsverwaltung, Rn. 755 f.
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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Zwangsversteigerung erfasst.49 Der Ersteher des Grundstücks erwirbt die Forderungen lastenfrei, die Rechte des Realgläubigers an den Versicherungsforderungen erlöschen gem. § 91 Abs. 1 ZVG.50 Der wirtschaftliche Wert der Versicherungsforderungen schlägt sich im Bargebot des Erstehers nieder.51 Alternativ kann gem. § 65 Abs. 1 ZVG Antrag auf gesonderte Verwertung der Versicherungsforderung gestellt werden, insbesondere auf Einziehung der Versicherungssumme zur Teilungsmasse.52 Die Wahl zwischen Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung wird nach dem soeben Dargelegten durch den Gegenstand der jeweiligen Versicherung bestimmt: Zwangsverwaltung bei Versicherung von Früchten, Zwangsversteigerung bei Versicherung von Zubehör. Die Wahl zwischen der Realisierung des Absonderungsrechts im Wege der Mobiliar- oder der Immobiliarvollstreckung ist dagegen nicht in diesem Sinne determiniert, sie steht vielmehr zunächst im Belieben des Realgläubigers. Dies bedeutet freilich nicht, dass beide Vollstreckungswege wirtschaftlich gleichwertig sind, zwischen ihnen bestehen vielmehr signifikante Unterschiede. Zunächst eröffnet die zeitige Mobiliarvollstreckung dem Gläubiger eines rangschlechten Grundpfandrechts die Möglichkeit, seine Befriedigungsaussichten zu erhöhen. Gem. §§ 1129, 1124 Abs. 1 BGB führt die Forderungspfändung nämlich zum Ausscheiden der Forderung aus dem Haftungsverband des Grundstücks, sodass sich die Befriedigung nach dem Prioritätsgrundsatz bemisst und nicht nach der Rangordnung der Grundpfandrechte.53 Signifikante Unterschiede bestehen zwischen Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung zudem mit Blick auf die Verteilung der Kostenlast. Die Mobiliarvollstreckung überlässt die Einziehung der Versicherungsforderungen dem Realgläubiger. Er hat die Kosten dieser Einziehung zu tragen, jedoch keine weiteren. Ganz anders verhält es sich bei der Immobiliarvollstreckung: Über die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens (§§ 109 Abs. 1, 155 Abs. 1 ZVG) hinaus haften die Versicherungsforderungen hier auch für die öffentlichen Lasten des Grundstücks (§§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 156 ZVG) und im Falle der Zwangsversteigerung auch für die Feststellungskosten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG vorrangig. Aus der Perspektive des Insolvenzrechts betrachtet stellt die Mobiliarvollstreckung deshalb eine erhebliche Belastung der Insolvenzmasse dar,
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Böttcher, § 55 Rn. 2, §§ 20, 21 Rn. 47 ff. Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 29, dort auch zur Möglichkeit, die Versicherungsforderung in den Versteigerungsbedingungen vom Zuschlag auszunehmen oder diese im Rahmen eines Bietabkommens an den Realgläubiger abzutreten. 51 Zur Neufestsetzung des Verkehrswertes gem. § 74a Abs. 5 ZVG infolge des Eintritts des Versicherungsfalls Mohrbutter, in: FS Herbert Schmidt, S. 111, 112 ff. 52 Hierzu ausführlich Mohrbutter, in: FS Herbert Schmidt, S. 111, 112 ff. 53 Vgl. Staudinger/Wolfsteiner, § 1123 Rn. 21, § 1124 Rn. 12 f.; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1124 Rn. 14 f. (alle zu Miet- und Pachtforderungen). 50
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da sie die Versicherungsforderungen der Haftung für diese Lasten und Kosten entzieht.54 Sinnvollerweise werden die Möglichkeiten des absonderungsberechtigten Realgläubigers zum Zugriff auf die Versicherungsforderungen im Wege der Mobiliarvollstreckung deshalb durch die Regelungen des Insolvenzrechts eingeschränkt.55 Hatte der Realgläubiger die Beschlagnahme im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht erwirkt, so kann er die nachträgliche Beschlagnahme nur noch im Wege der Immobiliarvollstreckung erwirken. Der Zugriff auf die Versicherungsforderungen im Wege der Pfändung und Überweisung wird durch § 89 Abs. 1 InsO gesperrt. § 49 InsO hilft hierüber nicht hinweg, da die Norm die abgesonderte Befriedigung nur im Wege der Verfahren des ZVG erlaubt. In konsequenter Fortführung dieses – für in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fallende Miet- und Pachtforderungen bereits weithin anerkannten56 – Grundsatzes muss darüber hinaus auch die Rückschlagsperre des § 88 InsO Anwendung finden. c) Die „kalte Zwangsverwaltung“ als alternativer Mechanismus der Haftungsrealisierung Alternativ zu den genannten Wegen der Immobiliarvollstreckung kann die Haftung der Versicherungsforderungen auch durch eine „kalte Zwangsverwaltung“ realisiert werden. Sie besteht in einer Vereinbarung zwischen dem Realgläubiger und dem Insolvenzverwalter, wonach jener auf die Zwangsvollstreckung verzichtet, während dieser im Gegenzug die Versicherungsforderung für den Realgläubiger einzieht.57 Hierdurch wird das aufwendige förmliche Verfahren der Zwangsverwaltung nach den Vorgaben des ZVG vermieden, das die komplexe multipolare Situation des Insolvenzverfahrens
54
Vgl. hierzu BGHZ 168, 339, 343 f.; Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 165 Rn. 191; Keller, NZI 2013, 265, 266; Mylich, WM 2010, 1923, 1926 (alle zu Mietund Pachtforderungen). 55 Vgl. auch hierzu BGHZ 168, 339, 343 f.; Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 165 Rn. 191; Keller, NZI 2013, 265, 266; Mylich, WM 2010, 1923, 1926 (alle zu Miet- und Pachtforderungen). 56 BGHZ 168, 339, 340 ff.; Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 165 Rn. 190 f.; Staudinger/Wolfsteiner, § 1123 Rn. 23; Bamberger/Roth/Rohe, § 1123 Rn. 5; Bork, ZIP 2013, 2129, 2130; Keller, NZI 2013, 265, 266; Mylich, WM 2010, 1923, 1926; a.A. LG Traunstein, NZI 2000, 438. 57 Die „kalte Zwangsverwaltung“ wird üblicherweise mit Blick auf in den Haftungsverband des Grundpfandrechts fallende Miet- und Pachtforderungen durchgeführt, vgl. hierzu Tetzlaff, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 165 Rn. 187 ff.; Uhlenbruck/Brinkmann, § 165 Rn. 34; K. Schmidt/Sinz, § 165 Rn. 28 f.; Bork, ZIP 2013, 2129 ff.; Keller, NZI 2013, 265 ff. Ihre Grundsätze lassen sich aber ohne Weiteres auf die gem. § 1129 BGB in gleichem Umfang haftenden Versicherungsforderungen übertragen.
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mit dem Zwangsverwalter um eine zusätzliche Partei erweitern würde.58 Es darf freilich durch die „kalte Zwangsverwaltung“ nicht zu einer Benachteiligung der Insolvenzmasse gegenüber der „echten“ Zwangsverwaltung kommen.59 Die der „kalten Zwangsverwaltung“ zugrundeliegende Vereinbarung muss deshalb entsprechend den §§ 155, 156 ZVG vorsehen, dass die eingezogene Versicherungsleistung vorrangig zur Begleichung der öffentlichen Grundstückslasten und der durch die Forderungseinziehung anfallenden Kosten (einschließlich einer durch sie gesteigerten Vergütung des Insolvenzverwalters60) verwendet werden. Nur der nach Abzug dieser Posten übrigbleibende Erlös ist an den Realgläubiger auszukehren.61 Wird die zwischen Realgläubigern und Insolvenzverwalter abgeschlossene Vereinbarung diesen Anforderungen nicht gerecht, kann dies die Haftung des Insolvenzverwalters gem. § 60 Abs. 1 InsO wegen Masseverkürzung zur Folge haben, auch die Nichtigkeit der Abrede wegen offensichtlicher Insolvenzzweckwidrigkeit kommt in Betracht.62 d) Mangels Beschlagnahme Recht und Pflicht des Insolvenzverwalters zur Einziehung der Versicherungsleistung für die Insolvenzmasse Solange der Realgläubiger die Beschlagnahme nicht herbeigeführt hat und auch eine „kalte Zwangsverwaltung“ nicht vereinbart wurde, handelt es sich bei den Versicherungsforderungen um freie Insolvenzmasse.63 Der Insolvenzverwalter kann die Versicherungsforderungen gem. §§ 1129, 1124 Abs. 1 BGB i.V.m § 80 Abs. 1 InsO mit Wirkung gegenüber dem Realgläubiger für die Insolvenzmasse einziehen,64 ja, er ist kraft seines Amtes hierzu gar verpflichtet.65 Der Realgläubiger erwirbt kein Ersatzabsonderungsrecht am Erlös, da die Einziehung nach den genannten Normen rechtmäßig erfolgt.66 Abgesehen von einer zeitigen Beschlagnahme kann der Realgläubiger insolvenzfesten Schutz nur dadurch erlangen, dass er sich die Versicherungsforderungen, beispielsweise mittels eines Hypothekensicherungsscheins,
58
Zu den Vorteilen der „kalten Zwangsverwaltung“ Bork, ZIP 2013, 2129, 2132; Keller, NZI 2013, 265, 267. 59 Bork, ZIP 2013, 2129, 2131 f. 60 Hierzu ausführlich Bork, ZIP 2013, 2129, 2134 ff. 61 Zu den Einzelheiten Bork, ZIP 2013, 2129, 2133 ff.; Keller, NZI 2013, 265, 270 f. 62 Bork, ZIP 2013, 2129, 2131. 63 Vgl. Bork, ZIP 2013, 2129, 2131 (zu Miet- und Pachtforderungen). 64 RGZ 64, 28, 30 ff.; Jaeger/Henckel, § 49 Rn. 54; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 49 Rn. 35; Kalter, KTS 1962, 142, 151 f.; ebenso für Miet- und Pachtforderungen Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 40. 65 RGZ 64, 28, 32; vgl. zu Miet- und Pachtforderungen auch RGZ 52, 138, 142. 66 Jaeger/Henckel, § 49 Rn. 54; Ganter, in: Münchener Kommentar zur InsO § 49 Rn. 35.
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verpfänden lässt67 oder auf die Einbeziehung der versicherten Sachen in eine einheitliche Gebäudeversicherung besteht68. e) Enthaftung der Versicherungsforderung bei Wiederherstellung der versicherten Sache Wird die versicherte Sache wiederhergestellt oder Ersatz für sie beschafft, so fällt die Versicherungsforderung grundsätzlich ipso iure wieder aus dem Haftungsverband des Grundpfandrechts heraus, § 1127 Abs. 2 VVG. Eine teilweise Wiederherstellung hat ein anteiliges Erlöschen der Haftung zur Folge.69 Mit der Haftung muss folgerichtig auch ein bereits entstandenes Absonderungsrecht wieder entfallen. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich zwingend. Wird mit der versicherten Sache das ursprüngliche Haftungsobjekt wiederhergestellt, so verliert die Versicherungsforderung ihre Eigenschaft als haftungsrechtliches Surrogat.70 Es entfällt mithin die verfassungsrechtliche Grundlage der insolvenzrechtlichen Privilegierung des Realgläubigers. Zugleich zieht der Gedanke der haftungsrechtlichen Surrogation der Anwendbarkeit des § 1127 Abs. 2 VVG aber auch Grenzen: Insoweit als die wiederhergestellte Sache nicht in den Haftungsverband des Grundpfandrechts eintritt, kann auch eine Enthaftung der Versicherungsforderung nicht Platz greifen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen nach Insolvenzeröffnung Ersatz für zerstörtes Grundstückszubehör beschafft wird. Erfolgt die Wiederbeschaffung durch den Insolvenzschuldner, so können die als Ersatz beschafften Sachen wegen § 91 Abs. 1 InsO nicht die Zubehöreigenschaft erlangen und nicht gem. § 1120 BGB in den Haftungsverband eintreten.71 Der Schutz der Realgläubiger erfordert in diesen Fällen eine eingeschränkte Auslegung des § 1127 Abs. 2 BGB oder dessen teleologische Reduktion. Dies gilt dagegen nicht, wenn der Insolvenzverwalter den Ersatzgegenstand beschafft und diesen als Zubehör widmet. Da er gem. § 80 Abs. 1 InsO hierzu befugt ist, steht § 91 Abs. 1 InsO dem Eintritt des Gegenstands in den Haftungsverband des Grundpfandrechts nicht entgegen.72
67
Langheid/Rixecker, Vor §§ 142–149 Rn. 20; Prölss/Martin/Klimke, Anh. II zu §§ 142–149 Rn. 19; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 31. 68 Jaeger/Henckel, § 49 Rn. 54; vgl. hierzu auch oben Fn. 12. 69 RGZ 78, 23, 24 f.; Bamberger/Roth/Rohe, § 1127 Rn. 4. 70 Ähnlich bereits Mot. III, S. 665. 71 Teilweise wird dieses Ergebnis auch aus § 81 Abs. 1 InsO abgeleitet, vgl. zum Ganzen Jaeger/Windel, § 91 Rn. 43; Breuer, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 91 Rn. 34; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 63; Gottwald/Eickmann, § 31 Rn. 64. 72 Jaeger/Windel, § 91 Rn. 43; Breuer, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 91 Rn. 34; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 63; Gottwald/Eickmann, § 31 Rn. 65.
C. Ausgestaltung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
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2. Allgemeine Gebäudeversicherungen a) Realisierung des Absonderungsrechts aus § 49 InsO – Problematik der Zwangsverwaltung Auch für Versicherungsforderungen aus Gebäudeversicherungen gelten zunächst die §§ 1127 BGB, 49 InsO. Dem Realgläubiger stehen im Ausgangspunkt dieselben Zugriffsmöglichkeiten zu Gebote wie im Bereich der NichtGebäudeversicherungen i.S.d. § 1129 BGB. Allerdings hat die Erwirkung der Zwangsverwaltung insoweit keinen Nutzen, da die Versicherungsleistungen für Gebäude und Zubehör im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht in die Teilungsmasse fallen. Wird dennoch die Zwangsverwaltung angeordnet, müssen die Beschränkungen des § 1128 BGB richtigerweise auch den Zwangsverwalter binden.73 Nur unter den Voraussetzungen der § 1128 Abs. 1, 2 ZVG kann die Auszahlung der Versicherungssumme an den Zwangsverwalter gegenüber den Realgläubigern Wirkung entfalten. Andernfalls wäre der Schutz der Realgläubiger gefährdet, da der Zwangsverwalter nach Aufhebung der Zwangsverwaltung die nicht zur Teilungsmasse gehörigen Versicherungsleistungen an die Insolvenzmasse abzuführen hat.74 b) Verstärkung der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Realgläubigers durch § 1128 BGB Im Hinblick auf Gebäudeversicherungen gestaltet sich die insolvenzrechtliche Stellung des Realgläubigers allerdings ungleich stärker als im Anwendungsbereich des § 1129 BGB. Mit dem aus § 1128 Abs. 3 BGB resultierenden Pfandrecht an den Versicherungsforderungen gehen zwei Verbesserungen der insolvenzrechtlichen Rechtsposition des Realgläubigers einher: Zum einen erwirbt er gestützt auf das Pfandrecht unabhängig von der Beschlagnahme ein Absonderungsrecht an bestehenden Versicherungsforderungen.75 Zum anderen ist dieses Absonderungsrecht normativ nicht in § 49 InsO verankert, sondern in § 50 Abs. 1 InsO. Der Realgläubiger ist deshalb zur Realisierung seines Absonderungsrechts nicht auf die Mechanismen der Immobiliarvollstreckung beschränkt, die §§ 173 InsO, 1282 Abs. 1 BGB ermächtigen ihn vielmehr (ebenso wie den Geschädigte in der Haftpflichtversicherung) zur selbständigen Einziehung der Versicherungsforderung, soweit diese zu seiner Befriedigung erforderlich ist. Ist das Grundstück mit mehreren Grundpfand-
73
So auch Piepenbrock, VersR 2006, 1195, 1197 f.; ähnlich Haarmeyer/Hintzen, § 9 ZwVwV Rn. 27; a.A. OLG Schleswig-Holstein InVo 2001, 76 f. 74 S. o. sub 1. b). 75 Uhlenbruck/Brinkmann, § 49 Rn. 40; FK-InsO/Imberger, § 49 Rn. 26; Kayser/Thole/Lohmann, § 49 Rn. 16; vgl. auch RGZ 122, 131, 133.
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rechten belastet, steht das Einziehungsrecht gem. §§ 1128 Abs. 3, 1290 BGB nur dem Inhaber des erstrangigen Rechts zu.76 Handelt es sich bei dem Grundpfandrecht des Realgläubigers um eine Hypothek und ist der Grundstückseigentümer auch der persönliche Schuldner, so hat die Einziehung der Versicherungsforderung gem. §§ 1288 Abs. 2, 1128 Abs. 3 BGB zur Folge, dass die gesicherte Forderung in Höhe des eingezogenen Betrags als durch den Grundstückseigentümer befriedigt gilt. Unklar ist dagegen, welche Auswirkungen dies auf die Hypothek hat. In Betracht kommt das Erlöschen der Hypothek gem. § 1181 Abs. 1 BGB (analog)77 oder die Entstehung einer Eigentümergrundschuld gem. §§ 1163 Abs. 1 S. 2, 1177 Abs. 1 BGB78. Zumindest seitdem anerkannt ist, dass § 1179a Abs. 1 BGB den nachrangigen Grundpfandgläubigern einen insolvenzfesten Löschungsanspruch vermittelt,79 kommt dieser Streitfrage freilich nur noch geringe praktische Relevanz zu. Dank des insolvenzfesten Löschungsanspruchs erleiden nachrangige Grundpfandgläubiger auch bei Entstehung einer Eigentümergrundschuld zugunsten der Insolvenzmasse keine Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung im Insolvenzverfahren. Sobald die Eigentümergrundschuld gelöscht ist, steht dem Realgläubiger des nächsten Rangs das Einziehungsrecht aus §§ 1282 Abs. 1, 1290, 1128 Abs. 3 BGB zu. Besteht zwischen Grundstückseigentümer und persönlichem Schuldner keine Personenidentität, hat die Einziehung der Versicherungsforderung gem. §§ 1273 Abs. 2 S. 1, 1225, 1128 Abs. 3 BGB zur Folge, dass die gesicherte Forderung auf den Grundstückseigentümer übergeht80 und damit gem. § 35 Abs. 1 InsO in die Insolvenzmasse fällt. Hinsichtlich des Schicksals der Hypothek bestehen auch hier wieder zwei Möglichkeiten: Erlöschen gem. § 1181 Abs. 1 BGB (analog) oder akzessorischer Übergang der Hypothek gem. §§ 1273 Abs. 2 S. 1, 1225, 1128, 412, 401 Abs. 1 BGB auf den Grundstückseigentümer. Nimmt man Letzteres an, kommt zugunsten nachrangiger Realgläubiger wiederum der insolvenzfeste Löschungsanspruch des § 1179a Abs. 1 BGB zum Tragen. Trotz der fehlenden Akzessorietät des Sicherungsrechts ergeben sich im Falle der Grundschuld nur geringfügige Abweichungen. Das Schicksal der 76 Vgl. BGH NJW 1981, 1671, 1672; Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 1128 Rn. 3. 77 So die heute h.L., Staudinger/Wolfsteiner, § 1181 Rn. 7; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1181 Rn. 12; Erman/Wenzel, § 1128 Rn. 9; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 25; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 27 f.; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 91 ff.; Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 17 ff. 78 So RGZ 56, 322, 323 ff.; Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 1128 Rn. 3; Beyer, Gebäudefeuerversicherung und Hypothek, S. 46. 79 Grundlegend BGH NJW 2012, 2274, 2275 f. 80 Vgl. hierzu Damrau, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1288 Rn. 4.
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Grundschuld entspricht dem der Hypothek: Erlöschen gem. §§ 1181 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB oder Übergang auf den Eigentümer.81 Handelte es sich um eine valutierte Sicherungsgrundschuld und besteht Personenidentität zwischen Eigentümer und persönlichem Schuldner, erlischt auch die persönliche Forderung in Höhe des eingezogenen Betrags.82 Sind dinglicher und persönlicher Schuldner personenverschieden, ist mit der h.M. davon auszugehen, dass keine Legalzession der persönlichen Forderung stattfindet, die Insolvenzmasse vielmehr lediglich einen Anspruch auf Abtretung erwirbt.83 c) Rechtsstellung des Realgläubigers bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung Die soeben beschriebene Einziehung der Versicherungsforderung auf Grundlage der §§ 1128 Abs. 3, 1282 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 50 Abs. 1, 173 Abs. 1 InsO erlaubt dem Realgläubiger eine rasche und unkomplizierte Realisierung seiner Vorzugsstellung. Diese Einziehungsbefugnis kommt dem Realgläubiger allerdings nur zugute, wenn der Versicherungsfall bereits vor Insolvenzeröffnung eingetreten war. Kommt es dagegen erst nach Verfahrenseröffnung zum Versicherungsfall, ist der Realgläubiger wie bei Versicherungen i.S.d. § 1129 BGB auf die Durchsetzung seines Absonderungsrechts im Wege der Immobiliarvollstreckung beschränkt. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen: Als aufschiebend bedingte Forderungen gelangen Versicherungsforderungen erst mit Eintritt des Versicherungsfalls zur Entstehung.84 Für den Realgläubiger hat dieser Grundsatz eine ganz erhebliche – und in ihren insolvenzrechtlichen Implikationen bislang vernachlässigte – Konsequenz: Auch das Pfandrecht aus § 1128 BGB kann erst mit Eintritt des Versicherungsfalls rechtswirksam entstehen, da seine Existenz die Existenz der belasteten Forderung voraussetzt.85 War der Versicherungsfall bei Verfahrenseröffnung noch 81
Vgl. zum Übergang der Grundschuld auf den Eigentümer bei Tilgung durch diesen sowie zum Streit um die normative Begründung dieses Ergebnisses Baur/Stürner, Sachenrecht, § 44 Rn. 23 ff. m.N. 82 Vgl. BGH NJW 1980, 2198, 2199; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1191 Rn. 141. 83 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 Rn. 82 m.N. auch zur Gegenansicht. 84 Dies gilt zumindest dann, wenn man der herrschenden Geldleistungstheorie folgt, vgl. zu dieser bereits oben § 6 Fn. 191. 85 Allgemein zur Entstehung des Forderungspfandrechts an aufschiebend bedingten Forderungen BGH NZI 2012, 319, 322; Staudinger/Wiegand, § 1273 Rn. 14 ff. Ebenso zum Sicherungsrecht des Realgläubigers aus § 1128 BGB Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 13; ähnlich auch Wussow, Feuerversicherung, § 1127 BGB Anm. 6; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 73 ff.; Gürtler, Die Rechtsstellung der Realgläubiger in der Feuerversicherung, S. 14 ff. In der Kommentarliteratur wird dagegen teilweise angenommen, das Pfandrecht entstehe bereits
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nicht eingetreten, erwirbt der Realgläubiger deshalb zunächst kein Absonderungsrecht aus § 50 Abs. 1 InsO. Ein nachträglicher Erwerb des Pfandrechts während des Insolvenzverfahrens ist aber wegen § 91 Abs. 1 InsO ebenfalls ausgeschlossen. Es ist anerkannt, dass § 91 Abs. 1 InsO den Erwerb eines Pfandrechts an einer zur Insolvenzmasse gehörenden, aufschiebend bedingten Forderung hindert, wenn die Bedingung erst nach Verfahrenseröffnung eintritt.86 Zwar ist hiervon eine Ausnahme zu machen, wenn der Pfandgläubiger bereits zuvor eine gesicherte Stellung erlangt hat. Dies ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Entstehung des Pfandrechts durch Schuldner und Gläubiger der verpfändeten Forderung nicht mehr vereitelt werden kann.87 Der Versicherungsnehmer und der Versicherer haben es jedoch ungeachtet des § 1128 BGB in der Hand, den Versicherungsvertrag vor Eintritt des Versicherungsfalls zu beenden88 und damit die Entstehung der Versicherungsforderung samt dem Pfandrecht des Realgläubigers zu verhindern. Von einer gesicherten Stellung des Realgläubigers kann deshalb nicht die Rede sein. Die Vereitelung des Pfandrechtserwerbs durch § 91 Abs. 1 InsO ist auch in der Sache gerechtfertigt, ja letztlich gar verfassungsrechtlich geboten. Wenn die insolvenzrechtliche Privilegierung verfassungsrechtlich auf dem Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation fußt, muss sie die Rechtsstellung des Realgläubigers am ursprünglichen Absonderungsgegenstand strikt nachzeichnen. Würde dem Realgläubiger an der Versicherungsforderung eine bessere Rechtsposition eingeräumt als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls an der versicherten Sache gehabt hätte, wäre der verfassungsrechtlich sichere Boden der Surrogation verlassen und der Grundsatz der par conditio creditorum in verfassungsrechtlich relevanter Weise verletzt. Genau dies wäre aber vor Eintritt des Versicherungsfalls, vgl. Palandt/Herrler, § 1128 Rn. 2; Staudinger/Wolfsteiner, § 1128 Rn. 6; Waldner, in: Prütting/Wegen/Weinreich, § 1128 Rn. 3. Eine Begründung dafür, warum die allgemeinen Grundsätze des Sachenrechts hier nicht gelten sollen, bleiben die Vertreter dieser Ansicht allerdings schuldig. Auch Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 23 weist bereits auf die Inkonsistenz dieser Auffassung hin. Es sei hier betont, dass eine zeitliche Vorverlagerung der Pfandrechtsentstehung nicht etwa im Interesse eines umfassenden Schutzes des Realgläubigers notwendig ist. Der Rang des Pfandrechts bestimmt sich gem. § 1209 BGB nach dem Zeitpunkt der Bestellung, nicht nach dem Zeitpunkt der Entstehung, vgl. Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 13. Auch im Verhältnis zu Verfügungen des Versicherungsnehmers – die ebenfalls erst mit Entstehung der Forderung wirksam werden – gilt das Prioritätsprinzip. 86 BGH NZI 2012, 319, 322; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 43; FK-InsO/Wimmer-Amend, § 91 Rn. 22; Kayser/Thole, § 91 Rn. 34. 87 BGH NZI 2012, 319, 322; Uhlenbruck/Mock, § 91 Rn. 43; Kayser/Thole, § 91 Rn. 34. 88 §§ 1128 Abs. 3, 1276 BGB hindern die Beendigung des Versicherungsvertrages durch die Vertragsparteien nach ganz h.M. nicht, vgl. statt vieler Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1128 Rn. 17.
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der Fall, würde man den Erwerb des Pfandrechts aus § 1128 Abs. 3 BGB entgegen § 91 Abs. 1 InsO zulassen. Wie schon im Bereich der zuvor behandelten Nicht-Gebäudeversicherung hätte die Einziehung der Versicherungsforderung durch den Realgläubiger den Entzug von Haftungsmasse zur Folge. Das Absonderungsrecht an den versicherten Gebäuden hätte gem. § 49 InsO nur im Wege der Immobiliarvollstreckung realisiert werden können, was die vorrangige Haftung der Gebäude für Verfahrenskosten und öffentliche Grundstückslasten zur Folge gehabt hätte. Auf Grundlage des Absonderungsrechts aus § 50 Abs. 1 InsO könnte der Realgläubiger die Versicherungsforderung dagegen selbst einziehen und ihre vorrangige Haftung für die Grundstückslasten umgehen. Die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger insolvenzrechtlicher Privilegierungen wären dadurch überschritten. Dies bedeutet freilich nicht, dass der Realgläubiger bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung schutzlos bliebe. Die Regelung des § 1127 BGB bleibt anwendbar, die Versicherungsforderungen fallen in den Haftungsverband des Grundpfandrechts. Ebenso wie bei NichtGebäudeversicherungen ist es dem Realgläubiger gem. § 49 InsO möglich, die Haftung der Versicherungsforderungen durch Immobiliarvollstreckung für sich zu realisieren. Darüber hinaus muss auch § 1128 Abs. 1, 2 BGB unabhängig von der Entstehung des Pfandrechts Anwendung finden. Um den Schutz des Realgläubigers nicht zu beeinträchtigen, muss angenommen werden, dass die dort geregelten Beschränkungen nicht unmittelbar an das Pfandrecht geknüpft sind, sondern allgemein die grundpfandrechtliche Haftung der Versicherungsforderungen ausgestalten. Im Gegensatz zur Situation in der Nicht-Gebäudeversicherung kann der Insolvenzverwalter deshalb die Versicherungsleistung auch dann nicht zur Insolvenzmasse einziehen, wenn die Beschlagnahme zunächst ausbleibt. Der Ausschluss des Pfandrechtserwerbs nach Insolvenzeröffnung hat im Ergebnis nur zur Folge, dass der Realgläubiger zur Realisierung seiner weiterhin insolvenzfesten Rechtsposition gem. § 49 InsO zwingend den Weg der Immobiliarvollstreckung beschreiten muss. 89
Beispielsfall: VN ist Eigentümerin eines Grundstücks in der Gemeinde G, das mit einem bei VR feuerversicherten Bürogebäude bebaut ist. Auf dem Grundstück lasten mehrere Grundschulden. Als über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist Grundsteuer i.H.v. insgesamt 15.352,34 € nicht bezahlt. Nach Insolvenzeröffnung fällt weitere Grundsteuer an, die gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO Masseverbindlichkeiten begründet. Noch während das Insolvenzverfahren andauert, brennt das Bürogebäude aus unbekanntem Grund vollständig ab.
Würde man den Pfandrechtserwerb der Realgläubiger hier zulassen, könnten diese die entstandene Versicherungsforderung unbelastet von der Grundsteuer gem. §§ 1282 Abs. 1, 1128 Abs. 3 BGB i.V.m. § 173 InsO (sukzessive) einziehen. Soweit die Grundsteuer den verbliebenen Wert des Grundstücks über89
Teilweise angelehnt an BGH NJW-RR 2010, 1022.
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steigt, fiele sie der freien Insolvenzmasse zur Last. Eine solche Belastung der Insolvenzmasse insbesondere durch Masseverbindlichkeiten lässt sich nur vermeiden, indem man den Pfandrechtserwerb gem. § 91 Abs. 1 InsO ausschließt und die Realgläubiger auf das Verfahren der Zwangsversteigerung beschränkt. d) Alternative Abwicklung nach dem Modell der „kalten Zwangsverwaltung“: Die „kalte Einziehung“ der Versicherungsforderung Nimmt man mit der hier vertretenen Ansicht einen Ausschluss des Pfandrechtserwerbs nach Insolvenzeröffnung an, wird sich für die Realgläubiger die Frage stellen, ob neben dem regulären Mechanismus zur Realisierung der Absonderungsrechte im Wege der Zwangsversteigerung die Möglichkeit einer informellen Abwicklung nach dem Modell der „kalten Zwangsverwaltung“ besteht. Anstatt die Versicherungsforderung durch Mitversteigerung oder Einziehung gem. § 65 Abs. 1 S. 2 ZVG im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens zu verwerten, könnte eine „kalte Einziehung“ durch den Insolvenzverwalter mit anschließender Ausschüttung des Erlöses vereinbart werden. Ein solches Vorgehen hätte durchaus Vorteile: Da nicht zu erwarten ist, dass die Versicherungsforderung im Rahmen der Zwangsversteigerung ihren vollen Nominalwert erzielen wird, stellt sich die Einziehung grundsätzlich als lukrativere Verwertungsmethode dar. Im Vergleich zur Einziehung gem. § 65 Abs. 1 S. 2 ZVG besteht der Vorteil eines geringeren Verfahrensaufwands, insbesondere ist kein neben den Insolvenzverwalter tretender Verwalter zu bestellen, der die Forderung einzieht. Die Zulässigkeit einer solchen Abrede wurde bislang freilich – soweit ersichtlich – weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung erörtert, ein Umstand, der sich wohl zum einen aus der praktisch überragenden Bedeutung von Wiederherstellungsklauseln90 erklärt und zum anderen aus der bislang vorherrschenden Überzeugung, die §§ 1282 Abs. 1, 1128 Abs. 3 BGB, 173 InsO erlaubten dem (erstrangigen) Realgläubiger auch im Insolvenzverfahren stets die eigenverantwortliche Einziehung der Versicherungsforderung. Die Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung steht dem Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO zu. Soweit die Realgläubiger der „kalten Einziehung“ zustimmen, stehen auch die Beschränkungen der § 1128 Abs. 1, 2 BGB einer Leistung des Versicherers an den Insolvenzverwalter nicht im Wege. Maßgeblicher Prüfstein für die Zulässigkeit einer entsprechenden Abrede ist deshalb wie bei der „kalten Zwangsverwaltung“, ob durch sie eine Verkürzung der Insolvenzmasse zu besorgen ist. Vorausgesetzt, die Abrede gewährleistet im selben Maße wie die Zwangsversteigerung die vorrangige Haftung der Versicherungsleistung für Verfahrenskosten und öffent90
Hierzu noch ausführlich unten sub 4.
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liche Lasten, kann eine solche Masseverkürzung zumindest nicht pauschal angenommen werden. Im jeweiligen Einzelfall ist es dann Aufgabe des Insolvenzverwalters zu prüfen, ob die „kalte Einziehung“ für die Insolvenzmasse wirtschaftlich vorteilhaft oder nachteilig ist. Sind wirtschaftliche Nachteile für die Insolvenzmasse ausgeschlossen, ist die „kalte Einziehung“ rechtlich unbedenklich. e) Nachträglicher Wegfall des Absonderungsrechts in den Fällen des § 1127 Abs. 2 BGB und des § 1128 Abs. 1, 2 BGB Es hat sich gezeigt, dass das Absonderungsrecht des Realgläubigers mit Blick auf Versicherungsforderungen aus Gebäudeversicherungen sehr viel stärker ausgestaltet ist als dasjenige in Bezug auf Forderungen aus NichtGebäudeversicherungen i.S.d. § 1129. Allerdings kann auch dieses Absonderungsrecht des Realgläubigers nachträglich entfallen. Dies ist zum einen ebenso wie bei Nicht-Gebäudeversicherungen der Fall, wenn die versicherte Sache wiederhergestellt wird oder Ersatz für sie beschafft wird und die Ersatzsache in den Haftungsverband fällt, § 1127 Abs. 2 BGB.91 Zum anderen entfällt das Absonderungsrecht zusammen mit der Versicherungsforderung, wenn der Versicherer gem. § 1128 Abs. 1, 2 BGB die Versicherungsleistung mit Wirkung gegen den Realgläubiger an die Insolvenzmasse erbringt. Da die Realgläubiger ihre Grundpfandrechte in praxi üblicherweise anmelden und im Falle der Insolvenz des Versicherungsnehmers kaum geneigt sein werden, der Leistung des Versicherers an die Insolvenzmasse zuzustimmen, dürfte es sich hierbei jedoch weitestgehend um eine rein theoretische Möglichkeit handeln. 3. Gebäudefeuerversicherungen a) Insolvenzrechtlicher Schutz des Realgläubigers durch eigenständigen, unmittelbaren Anspruch aus § 143 VVG Soweit das Versicherungsverhältnis keine Störungen aufweist, gelten die vorangegangenen Ausführungen auch für die insolvenzrechtliche Behandlung der Gebäudefeuerversicherung. Handelt es sich dagegen um ein „krankes“ Versicherungsverhältnis, bei dem eine Leistungspflicht des Versicherers gem. § 143 VVG nur gegenüber dem Realgläubiger besteht, gestaltet sich die insolvenzrechtliche Rechtslage anders. Es zeigt sich hier mit ganz besonderer Deutlichkeit, dass die Ansicht, § 143 VVG ordne lediglich den Fortbestand der pfandrechtlichen Haftung an, letztlich nicht tragfähig ist. Wäre dies der Fall, müsste der Realgläubiger zur Verwirklichung seines Vorzugsrechts dieselben Wege einschlagen wie im Falle eines „gesunden“ Versicherungs91
Hierzu ausführlich oben, sub 1. e).
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verhältnisses. Das Verfahren der Zwangsversteigerung, auf das der Realgläubiger bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Insolvenzeröffnung beschränkt wäre, könnte diesem aber im Bereich des § 143 VVG keine Befriedigung verschaffen. Zwar müsste die fingierte Versicherungsforderung von der Beschlagnahme erfasst werden und gem. § 90 Abs. 2 ZVG mit dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung auf den Ersteher des Grundstücks übergehen. Da die Fiktion aber nur zugunsten des Realgläubigers wirkt, könnte der Ersteher des Grundstücks die Versicherungsforderung nicht gegenüber dem Versicherer geltend machen. Sie ist für ihn mithin wertlos und wird sich im Versteigerungserlös nicht niederschlagen. Gleichzeitig müsste durch den Zuschlag das Sicherungsrecht des Realgläubigers an der fingierten Versicherungsforderung untergehen, § 91 Abs. 1 ZVG.92 Der von § 143 VVG bezweckte Schutz des Realgläubigers lässt sich im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers also nur dann ohne dogmatische Brüche aufrechterhalten, wenn dem Realgläubiger ein eigenständiger, unmittelbarer Anspruch gegen den Versicherer zugestanden wird. Diesen kann der Realgläubiger unabhängig vom Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer geltend machen. b) Schutz des Versicherers bei Leistung an den Realgläubiger aufgrund von § 143 VVG: Übergang des Grundpfandrechts gem. § 145 VVG aa) Regelungszweck der §§ 143, 145 VVG: Stimulierung des Realkreditwesens durch Transfer von Insolvenzrisiken Soweit der Versicherer den Realgläubiger nach § 143 VVG befriedigt, geht nach dem Wortlaut des § 145 VVG die Hypothek auf den Versicherer über. Entsprechendes soll gem. § 148 VVG für Grundschulden gelten. Um die dogmatische Konstruktion des in § 145 VVG normierten Rechtsübergangs rankt sich jedoch ein Streit, der bereits so lange geführt wird, dass die verhärteten Positionen heute kaum noch versöhnbar erscheinen. Der Blick durch die insolvenzrechtliche Linse vermag allerdings auch hier neue Impulse zu setzen, die der Hoffnung auf eine Auflösung der Kontroverse neuen Auftrieb geben könnten. Unabdingbar ist es hierbei, sich zunächst den Normzweck klar vor Augen zu führen. Wenn in der Literatur häufig zu lesen ist, der Rechtsübergang solle dem Versicherer einen „gewissen Ausgleich für die Erfüllung seiner außerordentlichen Pflichten verschaffen“,93 so kommt der 92 Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 19; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 176; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 73; Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 24; vgl. auch BGH NJW 1981, 1671, 1672. 93 Bruck/Möller/Johannsen, § 145 Rn. 2; im Wesentlichen gleich Prölss/Martin/Klimke, § 145 Rn. 1; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 145 Rn. 1; Rainer Schmidt, Die recht-
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Normzweck dadurch nur verkürzt zum Ausdruck. Es handelt sich bei dem Übergang des Grundpfandrechts nicht etwa um einen reinen Billigkeitsannex94 zur Norm des § 143 VVG, sondern um einen integralen Bestandteil des durch die §§ 143, 145 VVG geschaffenen Regelungsgefüges. Dieses zielt nicht etwa auf eine grundlegende Verschiebung der materiellrechtlichen Haftungsverhältnisse ab. Bezweckt ist vielmehr lediglich eine Verschiebung des Insolvenzrisikos vom Realgläubiger auf den Versicherer: Im Rahmen der nominellen Versicherungsleistung soll der Realgläubiger ungeachtet der Leistungsfreiheit den solventen Versicherer in Anspruch nehmen können und damit von der finanziellen Leistungsfähigkeit seines Schuldners unabhängig bleiben. Nicht aber soll dem im Innenverhältnis leistungsfreien Versicherer auch die endgültige Haftung für die betreffenden Verbindlichkeiten aufgebürdet werden. Die außerordentliche Leistung des Versicherers dient ausschließlich den geschützten Realgläubigern, sie darf keine Besserstellung des Versicherungsnehmers, des persönlichen Schuldners oder anderer haftender Personen bewirken. Es müssen deshalb entsprechende Regressmöglichkeiten des leistenden Versicherers gewährleistet sein. Aus eben diesem Grund ordnen die §§ 145, 148 VVG den Übergang des Grundpfandrechts auf den Letztgenannten an. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers sollen sich die Regressmöglichkeiten des Versicherers freilich nicht im Zugriff auf das Grundstück erschöpfen. Ganz im Gegenteil soll der Übergang des Grundpfandrechts vielmehr den vom Gesetzgeber als ohnehin gegeben vorausgesetzten Schutz durch persönliche Regressforderungen noch zusätzlich verstärken.95 bb) Notwendigkeit einer persönlichen Forderung des Versicherers Um den geschilderten Regelungszweck des § 145 VVG zu erfüllen, kann es indes mit dem Übergang des Grundpfandrechts nicht sein Bewenden haben. Erhielte der Versicherer im Gegenzug für seine Leistung an den Realgläubiger nur dessen Grundpfandrecht übertragen, so müsste sein Schutz notwendig unvollständig bleiben. Wegen § 145 S. 2 VVG ist das übergegangene Grundpfandrecht des Versicherers gegenüber sämtlichen anderen angemeldeten
liche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 218; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 121. 94 In diese Richtung Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 121. 95 Motive zum VVG, S. 171 (zur Vorgängernorm § 102 VVG a.F.). Der historische Gesetzgeber ging freilich davon aus, dass sich die entsprechenden persönlichen Regressforderungen des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer, den persönlichen Schuldner und andere Personen (gemeint sind wohl andere Sicherungsgeber) bereits aus dem Bereicherungsrecht ergeben würden. Jedoch vermag es das Bereicherungsrecht nicht, die materiellrechtliche Haftungslage hier adäquat nachzuzeichnen, hierzu noch unten sub cc).
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Grundpfandrechten nachrangig.96 Ist das Grundstück – wie es in der Insolvenz nicht selten der Fall sein wird – über seinen erzielbaren Wert hinaus mit (angemeldeten) Grundpfandrechten belastet, muss der Versicherer mit den gem. § 145 S. 1 VVG auf ihn übergegangenen Grundpfandrechten deshalb notwendig ausfallen. 97
Beispielsfall: Das bebaute Grundstück des VN ist zur Sicherung verschiedener Darlehen mit mehreren Hypotheken belastet (erster Rang: 1,5 Mio. €, zweiter Rang: 500.000 €, dritter Rang: 750.000 €). Alle Hypotheken wurden beim Versicherer VR, bei dem die Gebäude gegen Feuer versichert sind, angemeldet. Die Hypothekengläubiger wurden jedoch nicht darüber unterrichtet, dass der Versicherungsvertrag auf zehn Jahre befristet abgeschlossen wurde. Kurz nach Fristablauf brennen die Gebäude bis auf die Grundmauern ab, wenig später wird über das Vermögen des VN das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Versicherer zahlt die Versicherungsleistung i.H.v. 2 Mio. € gem. § 143 Abs. 2 VVG an die Hypothekengläubiger des ersten und des zweiten Rangs aus. In der Zwangsversteigerung erzielt das Grundstück noch einen Erlös von 500.000 €.
Der Erlös fließt – nach Abzug von Kosten und öffentlichen Lasten – vollständig an den Hypothekengläubiger des dritten Rangs. Zwar sind die vorrangigen Hypotheken gem. § 145 S. 1 VVG auf VR übergegangen, sie treten jedoch nunmehr gem. § 145 S. 2 VVG im Rang hinter die angemeldete drittrangige Hypothek zurück. VR kann mithin aus den auf ihn übergegangenen Hypotheken keine Befriedigung erlangen. Beließe man es bei diesem Ergebnis, wäre die Insolvenzmasse ungeachtet der Beendigung des Versicherungsvertrags durch Leistungen des Versicherers von Verbindlichkeiten i.H.v. 2 Mio. € befreit worden.98 Der Versicherer trüge demgegenüber nicht lediglich das Insolvenzrisiko des Versicherungsnehmers, sondern das schärfere Risiko der Wertlosigkeit des besicherten Grundstücks. Neben dem Kritikpunkt der Durchbrechung des sachenrechtlichen Akzessorietätsprinzips99 spricht diese Benachteiligung des Versicherers entscheidend gegen die verbreitet vertretene Ansicht, § 145 VVG bewirke lediglich den Erwerb einer forderungsentkleideten Hypothek.100 Nur wenn dem Versicherer neben dem dinglichen Sicherungsrecht auch eine persönliche Forderung gegen den Versicherungsnehmer oder – soweit keine Personenidentität vorliegt – gegen den persönli96
Ganz h.M., vgl. BGH VersR 2005, 785, 786 f.; OLG Hamm NVersZ 2002, 467, 469; Bruck/Möller/Johannsen, § 145 Rn. 10 ff.; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 145 Rn. 16 ff.; Prölss/Martin/Klimke, § 145 Rn. 6; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 145 Rn. 7; a.A. Langheid/Rixecker, § 145 Rn. 13; Langheid, NVersZ 2002, 529 ff. 97 Ähnliches Beispiel bereits bei Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 36 f. 98 Diesen Kritikpunkt nennt auch schon Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 36 f. 99 Vgl. hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 28. 100 Diese Ansicht vertreten Bruck/Möller/Johannsen, § 145 Rn. 6; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 145 Rn. 4; Langheid/Rixecker, § 145 Rn. 4; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 145 Rn. 13; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 221 f.
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chen Schuldner zugebilligt wird, kann er bei unzureichender Werthaltigkeit des Grundstücks (teilweise) Kompensation seiner Leistung erlangen. Richtet sich die persönliche Forderung gegen den insolventen Versicherungsnehmer, kann der Versicherer dann gem. § 52 InsO am Insolvenzverfahren partizipieren und zumindest quotale Befriedigung erlangen. Richtet sich die Forderung dagegen gegen einen solventen Schuldner, kann der Versicherer gar vollständige Erstattung seiner Leistung erhalten. Nur unter der Annahme einer dem Versicherer neben dem Grundpfandrecht zustehenden persönlichen Forderung wird der Regelungszweck der §§ 143, 145 VVG mithin vollumfänglich erreicht: Der Versicherer trägt das Insolvenzrisiko des letztlich haftenden Schuldners – jedoch kein darüber hinausgehendes Risiko. cc) Notwendigkeit eines derivativen Forderungserwerbs Zur Begründung der entsprechenden persönlichen Forderung des Versicherers werden bislang zwei Ansichten vertreten: cessio legis der persönlichen Forderung des Realgläubigers101 oder Entstehung einer bereicherungsrechtlichen Regressforderung des Versicherers gegen den Versicherungsnehmer, die im Falle der Hypothek im Wege der Forderungsauswechslung analog § 1164 Abs. 1 S. 1 BGB an die Stelle der ursprünglich gesicherten Forderung tritt102. Betrachtet man die zuletzt genannte Konstruktion einer eigenständigen Regressforderung jedoch genauer, so zeigen sich auch bei dieser schnell eklatante Schwachstellen im Schutz des Versicherers. Neben dem Grundpfandrecht bestehende Sicherheiten der ursprünglichen Forderung könnten nämlich bei Annahme einer originären bereicherungsrechtlichen Regressforderung nicht auf den Versicherer übergehen. Soweit der Realgläubiger durch den Versicherer befriedigt wird, wären die Sicherungsgeber durch die Leistung des Versicherers grundsätzlich von ihrer Haftung befreit. Es ist aber nicht ersichtlich, wieso die Sicherungsgeber durch die außerordentliche Leistung des im Innenverhältnis leistungsfreien Versicherers eine Besserstellung erlangen können sollten.103 Auch die vom historischen Gesetzgeber für möglich gehaltene bereicherungsrechtliche Haftung der Sicherungsgeber 104 erscheint insoweit nicht wertungsgerecht. Sie hätte bei Realsicherheiten zur Folge, dass das Sicherheitsrecht durch eine persönliche Haftung ersetzt würde. Für eine solche Umgestaltung der Haftungslage besteht jedoch kein erkennbarer 101
Dafür Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarversicherung, S. 123; Wiesinger, Die Rechtsstellung des Hypothekengläubigers im privaten Feuerversicherungsrecht, S. 62; Gerhard/Hagen et al., § 102 Anm. 1; Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 37 f. 102 Dafür RGZ 124, 91, 94; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 29; Wussow, Feuerversicherung, § 104 VVG Anm. 4. 103 In diese Richtung auch schon Schorling, ZHR 112 (1949), 12, 33 f. 104 Hierzu oben Fn. 95.
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Grund. Auch hier gilt vielmehr: Die materiellrechtliche Haftungslage soll durch die Regelung des § 143 VVG keine Veränderung erfahren, die Sicherungsgeber sollen weiterhin im vollen Umfang der bereitgestellten Sicherheit haften. Zur Verdeutlichung mögen zwei Beispiele dienen: Beispielsfall 1: Das bebaute Grundstück des VN ist bei VR gegen Feuer versichert. Zur Sicherung eines an S ausgereichten Darlehens hat sich RG sowohl eine Hypothek am Grundstück des VN bestellen lassen als auch eine Bürgschaft durch B und eine weitere Hypothek am Grundstück des H. Die Hypothek am Grundstück des VN hatte RG bei VR angemeldet. Aufgrund Verzugs der Zahlung von Folgeprämien ist VR dem VN gegenüber gem. § 38 Abs. 2 VVG leistungsfrei, als der Versicherungsfall eintritt und die versicherten Gebäude abbrennen. VR hatte den Prämienverzug indes nicht dem RG gegenüber angezeigt und zahlt diesem daher gem. § 143 Abs. 1 VVG in Höhe der gesicherten Forderung die Versicherungsleistung aus. VR versucht nun Regress zu nehmen, das Grundstück des VN erweist sich jedoch als nahezu wertlos und S als insolvent.
VR muss es hier möglich sein, den B in Anspruch zu nehmen und auf die Hypothek am Grundstück des H zuzugreifen, um die übrigen Sicherungsgeber anteilig in Regress zu nehmen. Wäre es nicht zum Versicherungsfall gekommen und hätte RG sich durch Zugriff auf das Grundstück Befriedigung verschafft, wäre dessen persönliche Forderung auf VN übergegangen. B und H hätten VN gegenüber gem. §§ 1143 Abs. 1, 412, 401 Abs. 1, 774 Abs. 2, 426 Abs. 1 BGB anteilig gehaftet.105 Lehnte man eine Haftung der übrigen Sicherungsgeber gegenüber dem VR infolge der Leistung gem. § 143 VVG ab, würden jene vom Eintritt des Versicherungsfalls in ungerechtfertigter Weise profitieren. Nähme man aber eine Haftung auf bereicherungsrechtlicher Grundlage an, so würde die Hypothek am Grundstück des H ohne ersichtlichen Grund durch eine schuldrechtliche Forderung gegen H ersetzt. Beispielsfall 2: Wie oben, jedoch sichert die Hypothek ein an VN ausgegebenes Darlehen, es besteht also Personenidentität zwischen Grundstückseigentümer und persönlichem Schuldner.
Hier könnte zunächst erwogen werden, dass B infolge der Leistung des VR von seiner Haftung befreit wird. Wäre der Versicherungsfall nicht eingetreten und hätte sich RG aus dem Grundstück befriedigt, wäre ein Regress des VN nämlich ausgeschlossen gewesen, da dieser im Innenverhältnis zu B die vollständige Haftung zu tragen hat. Jedoch muss auch hier der Regress des VR gegen B möglich bleiben. VR ist grundsätzlich leistungsfrei. Die außerordentliche Leistungspflicht aus § 143 Abs. 1 VVG soll ausschließlich dem angemeldeten Realgläubiger zugutekommen, nicht aber dem Bürgen. B muss deshalb VR gegenüber weiterhin vollständig haften.
105
Zum Problem des Innenausgleichs zwischen den Sicherungsgebern statt vieler Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1143 Rn. 18 ff.
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dd) Konstruktion des derivativen Forderungserwerbs: Abtretungsanspruch aus gesetzlichem Schuldverhältnis Es zeigt sich damit, dass nur ein derivativer Erwerb der ursprünglichen Forderung durch den Versicherer dem Regelungszweck der §§ 143, 145 VVG vollständig gerecht wird. Allerdings kann ein solcher Forderungserwerb nicht auf eine cessio legis analog § 1143 Abs. 1 BGB gestützt werden. Bereits die Planwidrigkeit einer entsprechenden Regelungslücke erscheint angesichts des Schweigens des Reformgesetzgebers zweifelhaft. Zudem bewirkt der Forderungsübergang gem. § 1143 Abs. 1 BGB üblicherweise, dass der Zessionar auf mit übergehende Sicherheiten analog §§ 774 Abs. 2, 769, 426 Abs. 1 BGB nur anteilig zugreifen kann.106 Dem Versicherer soll aber – wie oben ausführlich dargelegt wurde – der volle Zugriff auf die Sicherheiten eingeräumt werden. Zwischen dem Forderungsübergang gem. § 1143 BGB und einem solchen im Rahmen der §§ 143, 145 VVG bestehen deshalb strukturelle Unterschiede, die einer Analogiebildung im Wege stehen müssen. Schließlich kommt eine solche Analogie überhaupt nur für den in der heutigen Praxis nahezu bedeutungslosen Fall der Hypothek in Betracht, im Bereich der Grundschuld ist die Anwendung des § 1143 Abs. 1 BGB dagegen nach h.M. ohnehin generell ausgeschlossen.107 Zumindest das reformierte VVG erlaubt aber auch eine alternative Konstruktion des derivativen Forderungserwerbs, die für Hypothek und Grundschuld gleichermaßen Geltung beanspruchen kann. Im Unterschied zum alten Recht gesteht § 143 VVG das Privileg des Direktanspruchs nur noch angemeldeten Realgläubigern zu. Die Anmeldung des Grundpfandrechts lässt ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Realgläubiger und Versicherer entstehen.108 Aus diesem Schuldverhältnis muss infolge einer Leistung des Versicherers gem. § 143 VVG die Nebenpflicht des Realgläubigers zur Abtretung der gesicherten Forderung nebst nicht-akzessorischer Sicherheiten entspringen.109 Die persönliche Forderung bleibt von der Leistung des Versiche106 H.M., vgl. statt vieler Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1143 Rn. 20 f. m.w.N. 107 Vgl. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 45 Rn. 82 m.N. auch zur Gegenansicht. 108 H.M., vgl. Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 5; Looschelders/Pohlmann/Stagl/ Brand, § 142 Rn. 5; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 142 Rn. 7; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 16. 109 Wenn teilweise zu lesen ist, aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis könnten sich nur Pflichten des Versicherers ergeben (so z.B. Bruck/Möller/Johannsen, § 142 Rn. 5, ähnlich auch Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 142 Rn. 7), so kann dem nicht zugestimmt werden. Wie jedes Schuldverhältnis ist auch das aus der Anmeldung des Grundpfandrechts entspringende gesetzliche Schuldverhältnis durch Treu und Glauben geprägt und verpflichtet gem. § 241 Abs. 2 BGB beide Teile zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils, vgl. hierzu Bachmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 241 Rn. 49 f.
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rers unberührt, da dieser ausschließlich auf seine eigene Verbindlichkeit aus § 143 VVG leistet.110 Der Realgläubiger kann an ihr aber kein berechtigtes Interesse mehr geltend machen, da ihrer Geltendmachung durch ihn das Verbot der Doppelbefriedigung entgegensteht.111 Dem mangelnden Interesse des Realgläubigers an der Forderung steht das zuvor bereits ausführlich dargelegte Schutzbedürfnis des Versicherers gegenüber. Nach Treu und Glauben muss aus dieser Interessenlage ein Anspruch des Versicherers auf Zession der Forderung folgen. 4. Besonderheiten bei Vorliegen einer Wiederherstellungsklausel Die vorstehenden Ausführungen beschreiben die Rechtslage im gesetzlichen „Normalfall“ der §§ 1127 ff. BGB. Gem. § 1130 BGB und §§ 93, 94 VVG ergeben sich jedoch erhebliche Modifikationen dieser Rechtslage, wenn der Versicherungsvertrag eine sog. „Wiederherstellungsklausel“ enthält. Da solche Klauseln in der heutigen Kautelarpraxis zum Standard zählen,112 kann die Regelungstechnik des Gesetzes durchaus als fragwürdig angesehen werden.113 Auch die Verstreuung der relevanten Regelungen auf BGB und VVG trägt nicht gerade zur Verständlichkeit der Gesetzesnormen bei.114 a) Begriff und Typologie der Wiederherstellungsklauseln Im Grundsatz sehen Wiederherstellungsklauseln vor, dass die Versicherungsleistung oder ein Teil von dieser erst erbracht wird, wenn die durch den Versicherungsfall zerstörte oder beschädigte Sache wiederhergestellt bzw. wiederbeschafft wurde oder aber eine solche Restitution zumindest gesichert ist. Im Einzelnen werden traditionell zwei Formen der Wiederherstellungsklausel unterschieden: Sog. „einfache“ Wiederherstellungsklauseln schieben lediglich die Fälligkeit der Versicherungsforderung bis zur Restitution bzw. ihrer Sicherung hinaus.115 Derartige Klauseln dienen ausschließlich dem Schutz der Real110
A.A. Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 30 (Leistung auf die Grundschuld). Vgl. zu dem aus Treu und Glauben abzuleitenden Verbot der doppelten Befriedigung RGZ 150, 371, 374; BGH NJW 1988, 2730, 2731; Soergel/Konzen, § 1191 Rn. 45. 112 Vgl. A. § 8 Nr. 2 AFB 2010; A. § 8 Nr. 2 AStB 2010; A. § 11 Nr. 9 AWB; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 34; Staudinger/Wolfsteiner, § 1130 Rn. 1; Schwintowski, VuR 2013, 291, 292; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 356. 113 Vgl. hierzu Langheid/Rixecker, § 94 Rn. 6 („Regelung in § 1128 BGB nahezu überflüssig“). 114 Kritisch zu dieser Regelungssystematik auch Langheid/Rixecker, Vor §§ 142– 149 VVG Rn. 10. 115 Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 35; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 5; Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 8; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 21 Rn. 6; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 117; Schwintowski, VuR 2013, 291 f. 111
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gläubiger,116 was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass die Versicherungsleistung insoweit sofort fällig wird, als die Realgläubiger eine entsprechende Zustimmung erteilen oder aber selbst zur Einziehung berechtigt sind.117 In der heutigen Kautelarpraxis spielen solche einfachen Wiederherstellungsklauseln allerdings kaum noch eine Rolle.118 Auch finden die einschlägigen gesetzlichen Regelungen nach h.M. auf sie keine Anwendung.119 Sie bleiben deshalb im Folgenden außer Betracht. „Strenge“ Klauseln regulieren dagegen den Entstehungszeitpunkt der Versicherungsforderung. Sie bestimmen bei Neuwertversicherungen üblicherweise, dass der Teil der Versicherungsforderung, der den Zeitwert der versicherten Sache übersteigt (sog. Neuwertspitze) erst zur Entstehung gelangt, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der Sache gesichert ist (vgl. § 93 VVG).120 Derartige Klauseln dienen vorrangig dem Schutz des Versicherers. Es soll für den Versicherungsnehmer der finanzielle Anreiz ausgeschlossen werden, durch Herbeiführung oder Vortäuschung des Versicherungsfalls liquide Mittel in Höhe des vollen Neuwerts erlangen zu kön116
Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 35; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 5; Martin, Sachversicherungsrecht, R IV Rn. 4; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 116; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 49 f.; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 31; Schwintowski, VuR 2013, 291. 117 Vgl. hierzu das seinerzeit verbreitetste Exponat der einfachen Wiederherstellungsklausel, § 17 Abs. 3 AFB 1930: „Für Gebäude, die zur Zeit des Schadensfalles mit Hypotheken, Reallasten, Grund- oder Rentenschulden belastet sind, wird die Entschädigung nur gezahlt, soweit ihre Verwendung zur Wiederherstellung gesichert. Die Zahlung wird vorbehaltlos geleistet, soweit die am Schadentage eingetragenen Realgläubiger sich schriftlich einverstanden erklären oder selbst zur Empfangnahme der Entschädigung berechtigt sind. Eine mit dem Versicherungsnehmer besonders getroffene Wiederherstellungsvereinbarung wird hierdurch nicht berührt.“ (zit. nach Martin, Sachversicherungsrecht, Texte-5/6). 118 Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Rn. 5. Der praktische Bedeutungsverlust der traditionellen einfachen Wiederherstellungsklauseln ist darauf zurückzuführen, dass in ihrem primären Anwendungsbereich – der Gebäudeversicherung – der Schutz der Realgläubiger bereits durch die § 1128 BGB gewährleistet ist. Ihre langjährige Verwendung auch unter Geltung des BGB hat vornehmlich historische Gründe, vgl. hierzu Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 50. 119 Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 35; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 6; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 25 Rn. 6; a.A. (zumindest hinsichtlich § 1130 BGB) Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 31. 120 Vgl. § 8 Nr. 2 AFB 2010; BGH r+s 2011, 433; VersR 2007, 489, 491; Bruck/Möller/ Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 36; Bruns, Privatversicherungsrecht, § 21 Rn. 7; Schwintowski, VuR 2013, 291, 292; soweit die Versicherung nur den Zeitwert der versicherten Sache abdeckt, entsteht die Versicherungsforderung zunächst nur in Höhe des gemeinen Werts, vgl. zum Ganzen Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Rn. 6; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 6; Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 9 ff.
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nen121 (ein Vorgang, der teilweise pointiert als „warme Liquidation“ beschrieben wird122). b) Modifikationen der materiellen Rechtslage bei Vorliegen einer Wiederherstellungsklausel aa) Recht des Versicherers, die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung gegenüber dem Realgläubiger an den Versicherungsnehmer zu erbringen Von zentraler Bedeutung für die Rechtsstellung des Realgläubigers bei Vorliegen einer Wiederherstellungsklausel ist die Norm des § 1130 BGB. Nach dieser kann der Versicherer die Versicherungsleistung ungeachtet der §§ 1127 ff. BGB mit Wirkung gegenüber dem Realgläubiger an den Versicherungsnehmer erbringen, soweit die Leistung in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Wiederherstellungsklausel erfolgt. Ohne eine solche Regelung wäre die Funktionsfähigkeit der Wiederherstellungsklauseln nicht gewährleistet.123 Um die Wiederherstellung herbeiführen zu können, bedarf es regelmäßig der Vorleistung des Versicherers, da die hierbei anfallenden Kosten die Finanzkraft des Versicherungsnehmers meist übersteigen. Eine solche Vorleistung wird der Versicherer aber nur dann erbringen, wenn gesichert ist, dass sie auch den Realgläubigern gegenüber befreiende Wirkung zeitigt.124 Freilich wird auch hierbei der Schutz der Realgläubiger nicht völlig außer Acht gelassen. Kommt es infolge der Versicherungsleistung tatsächlich zur Restitution der versicherten Sachen, ist auch die Werthaltigkeit der Grundpfandrechte wieder vollständig hergestellt.125 Zuvor gewährleistet die Vorschrift des § 94 VVG einen weitgehenden Schutz der Realgläubiger. Sie konkretisiert die allgemeiner gehaltene Regelung des § 1130 BGB dahingehend, dass eine Leistung des Versicherers an den Versicherungsnehmer nur dann ohne Weiteres auch gegenüber dem Realgläubiger befreiend wirkt, wenn die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache gesichert126 ist. Für die befreiende Wirkung von Leistungen des Versicherers, die 121
BGH r+s 2016, 302, 303; VersR 2007, 489, 491; NJW-RR 2004, 753, 754; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 40; Looschelders/Pohlmann/Heyers, § 94 Rn. 7; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 136; kritisch zu dieser Zwecksetzung Schwintowski, VuR 2013, 291, 294 f. 122 Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 136. 123 Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1130 Rn. 1. 124 Vgl. Wussow, Feuerversicherung, § 97 VVG Anm. 2. 125 Vgl. Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1130 Rn. 1; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 356. 126 Zur schwierigen Frage, wann eine ausreichende Sicherung der Wiederherstellung vorliegt Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Rn. 26 m.w.N.
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ohne eine derartige Sicherung erbracht werden, stellt § 94 VVG zusätzliche Voraussetzungen auf, die denjenigen der § 1128 Abs. 1 und 2 VVG nachgebildet sind127: Die Befreiungswirkung tritt nur ein, wenn dem Realgläubiger mitgeteilt wurde, dass ohne Sicherung der Wiederherstellung (§ 94 Abs. 1 VVG) oder gar nicht zum Zwecke der Wiederherstellung geleistet werden soll (§ 94 Abs. 2 VVG) und der Realgläubiger der Leistungserbringung nicht binnen Monatsfrist widerspricht (§ 94 Abs. 3 S. 1 VVG). Für den praktischen Regelfall des angemeldeten Grundpfandrechts setzt die Befreiungswirkung der Leistungserbringung ebenso wie im Falle des § 1128 Abs. 2 VVG die Zustimmung des Realgläubigers voraus (§ 94 Abs. 4 VVG), lediglich das Erfordernis der Schriftform ist hier zur Textform abgemildert. bb) Ausschluss der Einziehungsbefugnis des Realgläubigers Die sich aus dem Wortlaut des § 1130 BGB unmittelbar ergebenden Rechtswirkungen sind zwar notwendige, nicht aber bereits hinreichende Bedingungen für die Funktionsfähigkeit der Wiederherstellungsklauseln. Beließe man es bei ihnen allein, bliebe es den Realgläubigern unbenommen, die Versicherungsforderung auf Grundlage der §§ 1128 Abs. 3, 1282 Abs. 1 BGB oder nach erfolgter Pfändung selbst einzuziehen und dem Versicherungsnehmer dadurch die für die Restitution benötigten Finanzmittel zu entziehen. Methodisch durchaus fragwürdig aber letztlich in sachlicher Hinsicht überzeugend wird dem § 1130 BGB deshalb über dessen Wortlaut hinaus 128 der Ausschluss jeglicher Einziehungsbefugnis der Realgläubiger entnommen.129 Die Anwendbarkeit des § 1128 Abs. 3 BGB wird demnach durch § 1130 BGB ebenso ausgeschlossen wie die Möglichkeit der Realgläubiger, die Versicherungsforderung im Wege der Mobiliarvollstreckung zu pfänden.130 Eine Einziehung der Versicherungsforderung durch die Realgläubiger ist selbst dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Wiederherstellung ver127
Ähnlich auch Langheid/Rixecker, § 94 Rn. 6: „deutliche Parallelen“ zwischen § 1128 BGB und § 94 VVG. 128 Anders dagegen Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 356: Wortlaut der Norm insoweit „offen“. 129 OLG Hamm, r+s 2007, 20; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 32; Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 18; Soergel/Konzen, § 1130 Rn. 2; Staudinger/Wolfsteiner, § 1130 Rn. 2; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 133 ff.; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 50; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 33 f.; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 356; Schütz, VersR 1987, 134, 136. 130 Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 18; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 133 ff., 139. Betroffen hiervon ist die Versicherungsforderung in ihrer vollen Höhe, nicht lediglich die Neuwertspitze, vgl. Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 133 ff.; Hoes/Tetzlaff, ZfIR 2001, 354, 356.
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weigert.131 Die Realgläubiger können in diesem Fall gem. § 1134 Abs. 2 BGB beim zuständigen Gericht die Einsetzung eines Verwalters beantragen, der die Versicherungsleistung einzieht und zur Wiederherstellung verwendet.132 Ist die Wiederherstellung dagegen objektiv unmöglich, so verliert die Wiederherstellungsklausel ihren Zweck und § 1130 BGB steht einer Einziehung der Versicherungsforderung durch die Realgläubiger nicht länger im Weg.133 Freilich bleibt die Versicherungsforderung in diesem Fall der Höhe nach auf den Zeitwert beschränkt.134 c) Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche Stellung der Realgläubiger aa) Entscheidungsgewalt des Insolvenzverwalters über die Verwendung der Versicherungsleistung Die mit einer strengen Wiederherstellungsklausel einhergehenden Modifikationen der materiellen Rechtslage wirken sich selbstverständlich auch im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers aus. Von besonderer Bedeu131
Palandt/Herrler, § 1130 Rn. 4; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 135 ff.; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 34 f. 132 Palandt/Herrler, § 1130 Rn. 4; Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 33; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 138; Petersen, Der Schutz des Realberechtigten in der Immobiliarfeuerversicherung, S. 35 f. 133 OLG Hamm, r+s 2007, 20; Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 18; Lieder, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1130 Rn. 7; Palandt/Herrler, § 1130 Rn. 3; Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 138 f. 134 Lange Zeit war heftig umstritten, ob die objektive Unmöglichkeit der Wiederherstellung stets die Beschränkung der Versicherungsleistung auf den Zeitwert zur Folge hat. Eine früher verbreitet vertretene Ansicht sah in der Wiederherstellung lediglich eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sodass ausschließlich das vorsätzliche oder grob fahrlässige Unterlassen der Restitution zum Ausschluss des Anspruchs auf die Neuwertspitze führen konnte, so z.B. RGZ 133, 117, 122 f.; Brisken, Der Schutz der Hypothekengläubiger bei Gebäudeversicherung, S. 50; weitere Nachweise bei Rainer Schmidt, Die rechtliche Stellung des Realgläubigers gegenüber dem Versicherer, S. 142 Fn. 1. Heute wird die Wiederherstellung bei Vorliegen einer strengen Wiederherstellungsklausel hingegen nahezu einhellig als schlichte Entstehungsvoraussetzung des Anspruchs auf die Neuwertspitze verstanden. Erfolgten die Wiederherstellung bzw. ihre Sicherung nicht innerhalb der in der Klausel vorgesehenen Frist, so ist der Anspruch auf die Neuwertspitze demnach unabhängig von einem Verschulden des Versicherungsnehmers ausgeschlossen, vgl. BGH r+s 2011, 433; VersR 2004, 512, 513; VersR 2001, 326; OLG Hamm r+s 2007, 20 f.; Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Rn. 11; Langheid/Rixecker, § 93 Rn. 21; Schwintwoski/Brömmelmeyer/Hammel, § 93 Rn. 21, 35; Dörner/Staudinger, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 97 Rn. 29; unklar dagegen Bruck/Möller/Johannsen, §§ 93, 94 Rn. 36 (bei Unmöglichkeit der Wiederherstellung Anspruch auf Neuwertversicherung) und Rn. 44 (gelingt Sicherstellung der Widerherstellung nicht, entfällt Anspruch auf Neuwert unabhängig vom Verschulden).
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tung ist insoweit, dass dem Insolvenzverwalter durch die Wiederherstellungsklausel die Möglichkeit eingeräumt wird, selbst über die Verwendung der Versicherungsleistung zu bestimmen. Wenn er auf Grundlage einer umfassenden Bewertung der wirtschaftlichen Sachlage zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Restitution der versicherten Sachen zur Erreichung der Zwecke des Insolvenzverfahrens förderlich ist, kann er die Versicherungsleistung unter den Voraussetzungen der §§ 1130 BGB, 94 VVG ungeachtet der bestehenden Grundpfandrechte für die Insolvenzmasse einziehen und zur Restitution verwenden. Der Ausschluss der Einziehungsbefugnis der Realgläubiger durch § 1130 BGB gewährleistet, dass diese eine entsprechende Entscheidung des Insolvenzverwalters nicht unterminieren. Freilich lebt die Einziehungsbefugnis der Realgläubiger wieder auf, sobald der Insolvenzverwalter die Restitution der versicherten Sachen abgelehnt hat. Die außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehende Möglichkeit, zum Zwecke der Wiederherstellung gem. § 1134 Abs. 2 BGB die Bestellung eines Verwalters zu beantragen, muss innerhalb des Insolvenzverfahrens ausscheiden. Die Entscheidung über die angemessene Verwaltung des schuldnerischen Vermögens bleibt allein dem Insolvenzverwalter (ggf. unter Mitwirkung von Gläubigerausschuss und -versammlung) vorbehalten. Hat dieser die Restitution abgelehnt, muss sie deshalb als endgültig ausgeschlossen angesehen werden. Ebenso wie im Falle der objektiven Unmöglichkeit der Wiederherstellung verliert die Wiederherstellungsklausel damit ihren Sinn. Die vorangegangenen Ausführungen offenbaren die eminente Bedeutung der Wiederherstellungsklausel für das Insolvenzverfahren. Sie gewährleistet, dass die Entscheidung über die Restitution der versicherten Sachen dem Insolvenzverwalter anheimgestellt ist. Zwar ist der Insolvenzverwalter rechtlich nicht daran gehindert, auch ohne Wiederherstellungsklausel die Restitution der zerstörten oder beschädigten Sachen zu betreiben. De facto ist er hierfür aber auf die in der Versicherungsleistung verkörperten Finanzmittel angewiesen. Erst die Wiederherstellungsklausel ermöglicht es dem Insolvenzverwalter gem. § 1130 BGB, auf diese Finanzmittel zuzugreifen. Dies kann insbesondere dann von essentieller Bedeutung für den Erfolg des Insolvenzverfahrens sein, wenn die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens angestrebt wird und die zerstörten oder beschädigten Sachen hierfür benötigt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Entscheidung über die Verwendung der Versicherungsleistung an das Vorhandensein einer vertraglichen Wiederherstellungsklausel zu knüpfen. Freilich handelt es sich hierbei um eine Frage, die meist nur von theoretischem Interesse ist, da zumindest im Bereich der Gebäudeversicherung Verträge ohne Wiederherstellungsklauseln selten sind.
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bb) Möglicher Rechtsverlust der Realgläubiger Kommt es wie soeben geschildert zur Restitution der versicherten Sachen unter Verwendung der Versicherungsleistung, so geht damit keine Verschlechterung der insolvenzrechtlichen Stellung der Realgläubiger einher. Durch die Wiederherstellung der zum Haftungsverband zählenden Sachen wird auch die Werthaltigkeit des Grundpfandrechts wiederhergestellt. Anders verhält es sich aber, wenn die Versicherungsleistung zwar aufgrund gesicherter Restitution ausgezahlt wurde, die Wiederherstellung aber später trotz erfolgter Sicherung ausbleibt. Die befreiende Wirkung der Versicherungsleistung gem. §§ 1130 BGB, 94 VVG bleibt auch in diesem Fall erhalten.135 Hat also der versicherte Grundstückseigentümer die Wiederherstellung eines zerstörten Gebäudes vor Insolvenzeröffnung sichergestellt, beispielsweise durch Abschluss eines entsprechenden Bauvertrages, so erlischt die Versicherungsforderung auch dann durch die Leistung des Versicherers an den Grundstückseigentümer, wenn der Wiederaufbau durch die später eintretende Insolvenz des Letztgenannten vereitelt wird. Die Realgläubiger haben in diesem Fall ihre insolvenzrechtliche Vorzugsstellung an der Versicherungsforderung verloren, an ihre Stelle tritt kein insolvenzfestes Recht an der ausgezahlten Versicherungsleistung. Ein gewisser Schutz der Realgläubiger kann insoweit nur dadurch gewährleistet werden, dass Anzeichen einer drohenden Insolvenz des Versicherungsnehmers in die Beurteilung Eingang finden, ob eine ausreichende Sicherung der Wiederherstellung gegeben ist. Zeichnet sich die Insolvenz bereits ab, so begründet dies Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung, die einer Sicherung i.S.d. §§ 93, 94 VVG entgegenstehen.136 III. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers Wenngleich den Realgläubigern durch die zuvor beschriebenen gesetzlichen Regelungen in der Insolvenz des Versicherungsnehmers grundsätzlich eine privilegierte Rechtsstellung zukommt, ist nicht ausgeschlossen, dass diese Rechtsstellung nachträglich beeinträchtigt oder gar gänzlich aufgehoben wird. Auch hier ergeben sich gewisse Unterschiede in Abhängigkeit von Objekt der Versicherung und versichertem Risiko.
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Staudinger/Wolfsteiner, § 1130 Rn. 2; Bamberger/Roth/Rohe, § 1130 Rn. 4; Palandt/Herrler, § 1130 Rn. 2. 136 Die Sicherstellung der Wiederherstellung ist nur dann gegeben, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Wiederherstellung bestehen, vgl. statt vieler BGH VersR 2004, 512, 513; Prölss/Martin/Armbrüster, § 93 Rn. 26.
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1. Aufrechnung Mit Blick auf die Möglichkeit einer Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen gelten für die einzelnen Versicherungsformen unterschiedliche Regelungen, wobei sich allerdings die Ergebnisse nur geringfügig unterscheiden. Im Grundsatz gilt für alle Versicherungsformen, dass eine Aufrechnung durch den Versicherer möglich ist.137 Bei ungestörten Versicherungsverhältnissen ist die erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen ohne Weiteres gegeben. Soweit dem Realgläubiger bei einer „kranken“ Gebäudefeuerversicherung ein eigener Anspruch aus § 143 VVG zusteht, hilft § 35 VVG über die mangelnde Gegenseitigkeit der Forderungen hinweg.138 Es gelten jedoch für jede der einzelnen Versicherungsformen gewisse Einschränkungen der Aufrechenbarkeit. Im Falle der Nicht-Gebäudeversicherung i.S.d. § 1129 BGB greift ab dem Zeitpunkt der Beschlagnahme die Beschränkung des § 392 BGB ein. Eine Aufrechnung mit eigenen Forderungen des Versicherers ist fortan nur noch möglich, wenn diese Forderungen vor der Beschlagnahme entstanden sind und vor der Versicherungsforderung fällig waren. Die für Miet- und Pachtforderungen geltende Norm des § 1125 BGB greift dagegen nicht ein, da sie von der Verweisung des § 1129 BGB ausgenommen ist. Bei der Gebäudeversicherung ergeben sich ähnliche Beschränkungen aus den Regelungen der §§ 1128 Abs. 3, 1275, 406 BGB. Eine Aufrechnung ist nur dann möglich, wenn die aufzurechnende Forderung entstanden ist, bevor der Versicherer vom Pfandrecht des Realgläubigers Kenntnis erlangt hat und die aufzurechnende Forderung vor Erlangung der Kenntnis oder vor der Versicherungsforderung fällig wurde. Die Kenntnis des Versicherers vom Pfandrecht setzt begriffslogisch die Existenz des Pfandrechts und damit die Entstehung der Versicherungsforderung durch den Eintritt des Versicherungsfalls voraus. Eine Aufrechnung ist damit möglich, wenn die Gegenforderung des Versicherers vor der Versicherungsforderung entstanden und fällig war. 139 Hinsichtlich der Aufrechnung gegen den aus § 143 VVG resultierenden Anspruch des Realgläubigers im Falle der „kranken“ Gebäudefeuerversicherung bestehen prima facie keine entsprechenden Beschränkungen. Allerdings wäre es mit dem Normzweck des § 143 VVG, den Realgläubiger so zu stellen, wie er stünde, wenn das Versicherungsverhältnis intakt wäre, kaum zu vereinbaren, wenn die Aufrechnungsmöglichkeiten des Versicherers hier erweitert würden. Die §§ 1128 Abs. 3, 1275, 406 BGB müssen deshalb ana137
Prölss/Martin/Armbrüster, § 94 Rn. 1; Langheid/Rixecker, § 94 Rn. 7. Vgl. Prölss/Martin/Knappmann, § 35 Rn. 2; Bruck/Möller/Beckmann, § 35 Rn. 9; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 35 Rn. 10; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 35 Rn. 4; Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 35 Rn. 2. 139 Vgl. zum Ganzen LG Darmstadt, VersR 1979, 418, 419. 138
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loge Anwendung finden, sodass sich dieselben Beschränkungen der Aufrechenbarkeit wie im Bereich des ungestörten Gebäudeversicherungsverhältnisses ergeben. Relevant ist dies vor allem für den Fall der Leistungsfreiheit wegen Verzugs der Zahlung von Folgeprämien gem. § 143 Abs. 1 VVG. 2. Erfüllungsablehnung gem. § 103 InsO Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter gem. § 103 Abs. 2 InsO gelten die bereits bekannten Grundsätze: Undurchsetzbarkeit der Versicherungsforderung bis zur Zahlung der entsprechenden Prämie. Das privilegierte Ablösungsrecht aus § 34 VVG steht hierbei nur dem Inhaber eines Pfandrechts an der Versicherungsforderung, also dem Realgläubiger nur bei Vorliegen einer Gebäudeversicherung zu.140 Bei Nicht-Gebäudeversicherungen hätte der Widerspruch des Insolvenzverwalters gem. § 267 Abs. 2 BGB jedoch dieselbe Haftung aus § 60 Abs. 1 InsO zur Folge wie im Bereich der Haftpflichtversicherung. Die ganz h.L. in der Versicherungsrechtswissenschaft geht davon aus, dass die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters bei Gebäudefeuerversicherungen die (analoge) Anwendung des § 143 Abs. 2 VVG nach sich ziehen müsse.141 Dies ist indes abzulehnen. Da Insolvenzeröffnung und Erfüllungsablehnung nach der heute vorherrschenden Interpretation des § 103 InsO das Versicherungsverhältnis in seinem materiellrechtlichen Bestand unberührt lassen, liegt weder eine „Beendigung“ dieses Verhältnisses i.S.d. § 143 Abs. 2 VVG noch eine vergleichbare Interessenlage vor. Mit dem Anspruch aus § 143 Abs. 2 VVG würde der Realgläubiger auch keine nennenswerten Vorteile erlangen, da ihm der Versicherer den Prämienrückstand im Wege der Aufrechnung auch weiterhin entgegenhalten könnte. 3. Insolvenzanfechtung Eine vollständige Beseitigung sämtlicher insolvenzrechtlicher Privilegierungen des Realgläubigers in Bezug auf die Versicherungsforderung ergibt sich naturgemäß, wenn der Insolvenzverwalter erfolgreich die Bestellung des zugrundeliegenden Grundpfandrechts anficht. Liegt die Bestellung dagegen außerhalb des anfechtbaren Zeitraums, ergibt sich für die einzelnen Versicherungsformen das folgende Bild: Im Bereich der Nicht-Gebäudeversicherung i.S.d. § 1129 BGB muss sich die Reichweite einer möglichen Insolvenzanfechtung nach denjenigen Regeln 140 Prölss/Martin/Knappmann, § 34 Rn. 4 f.; tendenziell weiter Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 34 Rn. 8 (in allen Fällen des § 1127 BGB). 141 Prölss/Martin/Klimke, § 143 Rn. 19; Bruck/Möller/Johannsen, § 143 Rn. 10; Looschelders/Pohlmann/Stagl/Brand, § 143 Rn. 7; Staudinger, in: Münchener Kommentar zum VVG, § 143 Rn. 13; Schwintowski/Brömmelmeyer/Pagel, § 143 Rn. 5; zum alten Recht ebenso Johannsen, NVersZ 2000, 410, 415; Schütz, VersR 1987, 134, 138.
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richten, die auch für in den Haftungsverband fallende Miet- und Pachtforderungen gelten. Insoweit konnten sich – nach einigen Kontroversen142 – inzwischen weitestgehend konsolidierte Grundsätze herausbilden. Hat der Realgläubiger in der kritischen Zeit im Wege der Mobiliarvollstreckung auf die in den Haftungsverband fallenden Forderungen zugegriffen oder hat der Grundstückseigentümer zugunsten des Realgläubigers über diese Forderungen verfügt, so sind diese Rechtshandlungen selbst dann anfechtbar, wenn die Bestellung des Grundpfandrechts vor der Krise erfolgt ist. Es liegt in diesem Fall kein mangels Gläubigerbenachteiligung unanfechtbarer Austausch gleichwertiger Sicherheiten vor, da der Realgläubiger vor der Beschlagnahme noch kein dingliches Sicherungsrecht an den Forderungen innehatte.143 Unanfechtbar ist hingegen die Realisierung der grundpfandrechtlichen Haftung im Wege der Immobiliarvollstreckung, da andernfalls ein Wertungswiderspruch zu § 49 InsO i.V.m. § 1127 BGB entstünde. 144
Beispielsfall: IV ist Verwalterin in dem auf Gläubigerantrag vom 7.7.2006 am 12.12.2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der VN. Die seit Mai 2006 zahlungsunfähige VN war Eigentümerin eines Grundstücks, welches im Jahre 1998 zu Gunsten der RG mit einer Buchgrundschuld über 1.000.000 DM belastet wurde. Die Schuldnerin unterwarf sich durch notarielle Urkunde vom 22.1.1998 wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde in das belastete Pfandobjekt. Ein als Zubehör auf dem Grundstück befindlicher Lkw war bei der VR kaskoversichert. In der Nacht vom 30. auf den 31.4.2006 wurde der Lkw von Unbekannten entwendet. Auf der Grundlage der Zwangsvollstreckungsunterwerfung erwirkte die RG gegen die VN einen auf die Versicherungsforderung gerichteten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher der VR am 1.6.2006 zugestellt wurde. In der Folge zieht RG die Versicherungsleistung ein. IV klagt gestützt auf Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr der Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse.
Die Klage hat Erfolg! Eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung oder Sicherung ist als inkongruent i.S.d. § 131 InsO anzusehen.145 Pfändungen, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag Wirksamkeit erlangt haben, sind damit anfechtbar, wenn der Schuldner in diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war, § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Die Pfändung der Versicherungsforderung war der Insolvenzanfechtung nicht wegen
142
Vgl. hierzu Bork, ZIP 2013, 2129, 2130; Wazlawik, NZI 2007, 320 ff.; Mitlehner, ZIP 2007, 804, 805 f.; Bräuer, ZInsO 2006, 742, 743 ff. 143 BGH NZI 2010, 58; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 375; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 129 Rn. 71; Bork, ZIP 2013, 2129, 2130; Mitlehner, ZIP 2007, 804, 805 f.; Wazlawik, NZI 2007, 320, 321 ff.; a.A. BGH NZI 2007, 98 f.; Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 129 Rn. 158; Bräuer, ZInsO 2006, 742, 749 ff. 144 Abwandlung von BGH NZI 2010, 58. 145 Ganz h.M., vgl. nur BGH NZI 2010, 58, 59; 2008, 563; 2006, 397, 398; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 Rn. 36; Kayser, in: Münchener Kommentar zur InsO, § 131 Rn. 26; Uhlenbruck/Ede/Hirte, § 131 Rn. 60, alle m.w.N.
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Masseneutralität entzogen, da RG zuvor kein dingliches Sicherungsrecht an der Forderung erlangt hatte. Bei Gebäudeversicherungen ist die Insolvenzanfechtung dagegen ausgeschlossen. Mit Eintritt des Versicherungsfalls entsteht gem. § 1128 Abs. 3 VVG ipso iure, also ohne hinzutretende Rechtshandlung des Versicherungsnehmers oder des Realgläubigers, ein Pfandrecht an der Versicherungsforderung. Spätere Verfügungen des Versicherungsnehmers über die Versicherungsforderung zugunsten des Realgläubigers oder Vollstreckungshandlungen des Letztgenannten in Bezug auf die Forderung führen deshalb hier zu keiner Gläubigerbenachteiligung.
D. Rechtsvergleichende Betrachtung D. Rechtsvergleichende Betrachtung
I. Frankreich 1. Die Zuordnung der Versicherungsforderung an den Sicherungsnehmer gem. Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. Das französische Recht weist in seinen Grobstrukturen Ähnlichkeiten mit der Rechtslage in Deutschland auf, in den Details ergeben sich jedoch teilweise ganz erhebliche Abweichungen. Ebenso wie in Deutschland hat der rechtspolitische Wunsch nach einer Stärkung des Kreditwesens zur gesetzlichen Absicherung der Rechtsstellung der Realgläubiger in Bezug auf die Versicherungsforderung geführt.146 Gem. Art. L. 121-3 Abs. 1 c.ass. wird den Hypothekengläubigern (créanciers hypothécaires) die Versicherungsforderung aus einer Sachversicherung ipso iure entsprechend ihrem Rang zugeordnet.147 Der Anwendungsbereich dieser Schutznorm ist indes sehr viel weiter gezogen als derjenige der deutschen Parallelvorschriften. So genießen ausweislich des Gesetzestextes auch die Inhaber von Mobiliarsicherheiten den Schutz des Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. Ebenso wie die deutsche operiert auch die französische Rechtswissenschaft zur dogmatischen Einordnung des gesetzlichen Schutzes der Sicherungsnehmer mit dem Gedanken der Surrogation: Anders als es der Gesetzestext bei unbefangener Lektüre nahelegt, wird die Berechtigung der Sicherungsnehmer an der Versicherungsforderung nicht auf eine Legalzession 146
Vgl. hierzu Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1476; ausführlich zur historischen Genese des gesetzlichen Schutzes der Realgläubiger a.a.O., Tz. 1473 f. 147 Art. L. 121-13 c.ass.: „Les indemnités dues par suite d'assurance contre l'incendie, contre la grêle, contre la mortalité du bétail, ou les autres risques, sont attribuées sans qu'il y ait besoin de délégation expresse, aux créanciers privilégiés ou hypothécaires, suivant leur rang.“
D. Rechtsvergleichende Betrachtung
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zurückgeführt, sondern auf eine subrogation réelle.148 Die Friktionen, die diese dogmatische Konstruktion gegenüber dem Gesetzestext erzeugt, werden freilich darin deutlich, dass der Surrogationsgedanke in der Rechtspraxis letztlich nicht konsequent realisiert wird. So kommen Rechtsprechung und Literatur darin überein, dass dem Realgläubiger infolge der Anwendung des Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. im Umfang seiner gesicherten Forderung das Vollrecht (droit propre) an der Versicherungsforderung zusteht,149 ungeachtet des Umstands, dass er an der versicherten Sache nur ein Sicherungsrecht innehatte. Gestützt auf dieses droit propre ist dem Realgläubiger eine action directe gegen den Versicherer eröffnet, ohne dass er zuvor gegen den Sicherungsgeber vorgehen müsste.150 Ganz bewusst wird die Rechtsstellung des Sicherungsnehmers damit derjenigen des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung gleichgestellt.151 2. Beschränkungen der Rechtsstellung des Sicherungsnehmers a) Erfüllungswirkung einer gutgläubigen Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer gem. Art. L. 121-13 c.ass. Im Interesse des Schutzes des Versicherers unterliegt das Recht des Sicherungsnehmers indes gewissen Einschränkungen. Zu nennen ist insoweit zunächst die Regelung des Art. L. 121-13 Abs. 2 c.ass., wonach eine gutgläubige Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer dem Sicherungsnehmer gegenüber wirksam ist, soweit sie vor einem Widerspruch (opposition) erfolgte. Diese Ausnahmeregel ist insoweit problematisch, als der vage Gesetzestext Quelle erheblicher Rechtsunsicherheit ist. Unklar und Gegenstand rechtswissenschaftlicher Kontroversen ist insbesondere, ob es zwingend eines Widerspruchs im Sinne der Norm bedarf, um den guten Glauben des Versicherers zu zerstören oder ob sich eine Hinderung der Gutgläubigkeit auch aus anderen Umständen, insbesondere der Einhaltung der Vgl. C. cass. Ch. com., 25.6.1969, No 67-14.017; Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 588; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1475 m.w.N.; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 566; Bonnard, Droit des assurances, Tz. 415. 149 C. cass. Ch. com., 12.5.1998, No 95-17757; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1499 m.w.N.; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 573. 150 C. cass. 1re Civ., 30.3.1978, No 76-14784; Ch. com. 12.5.1998, No 95-17757; Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 594; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1500; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 573; Bonnard, Droit des assurances, Tz. 409. 151 Vgl. C. cass., 4.12.1946, JCP 1947, II, 3546 m. krit. Anm. Besson; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1500. 148
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für die Bestellung von Realsicherheiten notwendigen Publizitätsvorschriften, ergeben kann. Die Rechtsprechung hat hierbei lange Zeit eine ausgewogene Mittelposition eingenommen: eine bloß potentielle Kenntnis des Versicherers von der Realsicherheit genügte demnach nicht,152 soweit aber positive Kenntnis des Versicherers vorlag, war es unerheblich, woher diese rührte.153 In mehreren Urteilen jüngeren Datums scheint die Rechtsprechung jedoch einer restriktiveren Handhabe des Art. L. 121-13 Abs. 2 c.ass. zuzuneigen. In diesen Urteilen klingt an, dass nur ein nach Eintritt des Versicherungsfalls durch den Sicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer erhobenes Zahlungsverlangen die Erfüllungswirkung einer Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer hindern könne.154 Dies ist für den Sicherungsnehmer umso misslicher, als der Versicherer in Ermangelung einer entsprechenden vertraglichen Bestimmung wohl auch nicht dazu verpflichtet ist, den Sicherungsnehmer über den Eintritt des Versicherungsfalls zu informieren.155 b) Einwendungen des Versicherers gegen das Recht des Sicherungsnehmers Nach der Regelung des Art. L. 112-6 c.ass. kann der Versicherer dem Sicherungsnehmer grundsätzlich alle Einwendungen entgegenhalten, die ihm auch gegen den Versicherungsnehmer zustünden.156 In einer weiteren Parallele zur Stellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung 157 schränkt die Rechtsprechung diesen Grundsatz indes hinsichtlich solcher Einwendungen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls entstehen (déchéances), ein. Da der Sicherungsnehmer gem. Art. 121-13 c.ass. mit Eintritt des Versicherungsfalls ein eigenes Recht auf die Versicherungsleistung erhalte, könne ein nachträgliches Fehlverhalten des Versicherungsnehmers diese gefestigte Rechtsstellung nicht mehr beeinträchtigen. Entsprechende Einwendungen könne der Versicherer dem Sicherungsnehmer mithin nicht entgegenhalten.158 Ob die C. cass. 1re Civ., 17.6.1969, No 67-13017; Ch. com., 2.6.1969, No 68-10.126; 25.6.1969, No 67-14.017. 153 C. cass 1re Civ., 6.10.1971, No 70-11330 (Mitteilung durch den Sicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls genügt). 154 C. cass 1re Civ., 29.2.2000, No 97-21099; 2ème Civ., 30.1.2002, No 00-1295; 1re Civ., 13.11.2002, No 98-22462; vertiefend hierzu Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1495 f. 155 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1497; Bonnard, Droit des assurances, Tz. 416. 156 Lambert-Faivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 596-1; Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1503. 157 Hierzu oben sub § 8 D. I. 158 C. cass., 4.12.1946, RGAT 1947, 63 f. m. kritischer Anm. Picard; LambertFaivre/Leveneur, Droit des assurances, Rn. 596-1; kritisch hierzu Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1501 f.; Bonnard, Droit des assurances, Tz. 417. 152
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Parallele zur Rechtsstellung des Geschädigten in der Haftpflichtversicherung auch mit Blick auf die Möglichkeit einer Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen gezogen wird, diese also wegen mangelnder Gegenseitigkeit der Forderungen gem. Art. 1289 C. civ. ausgeschlossen ist,159 harrt noch der höchstrichterlichen Entscheidung. Die Literatur sieht es aber als wahrscheinlich an, dass die Rechtsprechung auch diesbezüglich den Gleichlauf mit dem Recht der Haftpflichtversicherung herstellen wird.160 c) Das ungeklärte Verhältnis der Berechtigung des Sicherungsnehmers aus Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. zur Wiederaufbauverpflichtung des Versicherungsnehmers aus Art. L. 121-17 c.ass. Ebenfalls nicht geklärt ist bislang, in welchem Verhältnis die Berechtigung des Sicherungsnehmers aus Art. L. 121-13 c.ass. zu einer etwaigen Wiederherstellungsverpflichtung des Versicherungsnehmers steht. Eine solche Verpflichtung ist für versicherte Bauwerke gesetzlich in Art. L. 121-17 c.ass. verankert, wonach die Versicherungsleistung zur Restitution des zerstörten oder beschädigten Gebäudes verwendet werden muss. Zur Frage, ob diese Norm die Anwendbarkeit des Art. L. 121-13 c.ass. ausschließt oder einschränkt finden sich in Literatur und Rechtsprechung kaum eindeutige Stellungsnahmen. Soweit die Frage überhaupt Erörterung findet, sind die Stimmen in der Literatur diesbezüglich aber eher verhalten, dem Schutz des Sicherungsnehmers wird insoweit wohl eher Vorrang eingeräumt.161 3. Die Stellung des Sicherungsnehmers in der Insolvenz des Versicherungsnehmers In der Insolvenz des Versicherungsnehmers führen die dargestellten Regelungen des französischen Versicherungsrechts zu einer Situation, die als ausgesprochen unbalanciert bezeichnet werden darf. Einerseits kommt dem Sicherungsnehmer eine äußerst starke Rechtsstellung in Bezug auf die Versicherungsforderung zu. Da ihm das Vollrecht an dieser und mit diesem eine action directe gegen den Versicherer zugebilligt wird, bleibt er insoweit von den Beschränkungen des Insolvenzverfahrens unberührt.162 Er kann die Versicherungsleistung einziehen, ohne dass für den administrateur judiciaire 159 Zum Ausschluss der Aufrechnungsmöglichkeit im Bereich der Haftpflichtversicherung oben sub § 8 D. I. 160 Vgl. Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1504 ff.; Chagny/Perdrix, Droit des assurances, Tz. 575; Bonnard, Droit des assurances, Tz. 418. 161 Vgl. z.B. Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1479, 1491 Fn. 586. 162 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1479, 1499; vgl. auch C. cass., 25.5.1943, JCP 1943, II, 2498 (in casu abgelehnt).
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oder den Schuldner die Möglichkeit bestünde dies zu verhindern, um mithilfe der Versicherungsleistung den Wiederaufbau des zerstörten oder beschädigten Gebäudes zu betreiben.163 Die Regelung des Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. steht damit in einem unübersehbaren Spannungsverhältnis zur jüngeren Tendenz des französischen Insolvenzrechts, die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens in den Mittelpunkt zu stellen.164 Ungeachtet ihrer starken Ausgestaltung ist die Rechtsstellung des Sicherungsnehmers im Insolvenzverfahren aber andererseits auch extrem verwundbar. Zumindest wenn die Rechtsprechung ihre neuere Linie beibehält, tritt der Sicherungsnehmer mit Eintritt des Versicherungsfalls zwangsläufig in einen Wettlauf gegen die Insolvenzmasse. Kommt es zur Auszahlung der Versicherungsleistung an die Insolvenzmasse, bevor der Sicherungsnehmer seinerseits ein Zahlungsverlangen an den Versicherer richten konnte, muss seine gesicherte Rechtsstellung wegen Art. L. 121-13 Abs. 2 c.ass. entfallen.165 Entgegen der allgemeinen Zielsetzung des Insolvenzverfahrens wird damit doch wieder die Schnelligkeit der Forderungseinziehung zum entscheidenden Faktor bei der Allokation der in der Versicherungsleistung verkörperten Vermögenswerte. II. England Die Nutzbarmachung eines Grundstücks zur Kreditsicherung erfolgt in England durch das Rechtsinstitut der mortgage. Ursprünglich als Rechtsübertragung ausgestaltet, nimmt sie heute üblicherweise den Charakter einer Belastung (charge) des Herrschaftsrechts166 an einem Grundstück an.167 Auch in England ist es üblich, die Werthaltigkeit des Grundpfandrechts durch Versicherungsschutz abzusichern.168 163
Kritisch hierzu Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1479 f. (mit dem Vorschlag de lege ferenda, das Recht des Sicherungsnehmers aus Art. L. 121-13 Abs. 1 c.ass. unter den Vorbehalt der Restitution der versicherten Sache zu stellen). 164 Groutel/Leduc/Pierre/Asselain, Traité du contrat d’assurance terrestre, Tz. 1479; allgemein zum Stellenwert der Sanierung im französischen Insolvenzverfahren Jacquemont/Vabres, Droit des entreprises en difficulté, Tz. 22 ff. 165 So z.B. in C. cass. 1re Civ., 13.11.2002, No 98-22462. 166 Eine Eigentümlichkeit des englischen Grundstücksrechts besteht darin, dass es den einzelnen Bürgern grundsätzlich kein Volleigentum an Grundstücken zugesteht. Zurückgehend auf William the Conqueror wird vielmehr das gesamte Territorium als Eigentum der Krone angesehen. Abgeleitet vom Eigentum der Krone wird dem einzelnen Bürger nur ein zeitlich begrenztes Nutzungs- und Herrschaftsrecht, ein sog. estate (abgeleitet von lat. status) zugebilligt, vgl. hierzu Rink, Die Sicherheit von Grundpfandrechten, S. 14 ff.; Harpum/Bridge/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 2-001 ff. 167 Ausführlich zur historischen Entwicklung der mortgage und des Modus ihrer Bestellung Harpum/Bridge/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 24-006 ff. 168 Vgl. Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 23-001.
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1. Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung Hinsichtlich der Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung gestaltet sich das englische Recht einigermaßen undurchsichtig. Allgemein lässt sich konstatieren, dass es die Ausgestaltung dieser Rechte in stärkerem Umfang der Privatautonomie überantwortet, als dies das deutsche Recht tut.169 Als Grundregel des common law gilt, dass der mortgagee aus der mortgage selbst kein Recht auf die Versicherungsleistung abzuleiten vermag, sich entsprechende Rechte aber vertraglich einräumen lassen kann.170 Der das deutsche Recht in diesem Bereich prägende Surrogationsgedanke ist dem englischen common law fremd.171 Vorrangig bestimmt sich die Rechtsstellung des mortgagee an der Versicherungsforderung deshalb nach den individuellen vertraglichen Abreden, wobei statutory law und equity aber zugunsten des mortgagee flankierend eingreifen. Aus dieser Vielschichtigkeit der relevanten Rechtsebenen und der Varietät der vertraglichen Gestaltungen ergibt sich ein nur schwer zu überschauendes Gesamtbild. Zunächst steht es dem mortgagee selbstverständlich offen, in eigenem Namen Versicherungsschutz zu erwerben und diesen selbst zu finanzieren. Die mortgage vermittelt ihm das hierfür – zumindest nach teilweise vertretener Ansicht172 – erforderliche versicherbare Interesse am Grundstück.173 Freilich ist diese Gestaltungsmöglichkeit hier nicht weiter von Interesse, da der mortgagor in einem solchen Fall vollständig außen vor bleibt, dessen Insolvenz also keinen Einfluss auf das Versicherungsverhältnis hat. Daneben eröffnen sich dem mortgagee mehrere Wege, die Finanzierung des Versicherungsschutzes dem mortgagor aufzubürden ohne den privilegierten Zugriff auf die Versicherungsleistung zu verlieren. Für sich genommen nicht ausreichend hierfür ist jedoch die Aufnahme einer sog. loss payable clause in den Versicherungsvertrag, die die Auszahlung der Versicherungsleistung an den mortgagee vorsieht. Solche Klauseln machen den mortgagee nur zu einem Empfangsberechtigten (appointee) ohne klagbares Recht auf die
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Rink, Die Sicherheit von Grundpfandrechten, S. 82. Lees v. Whiteley, (1866) L.R. 2 Eq. 143, 148 ff.; Sinnott v. Bowden, [1912] 2 Ch. 414, 419; Halifax BS v. Keighley, [1931] 2 K.B. 248, 254 ff.; In re CCG International Enterprises Ltd, [1993] B.C.C. 580, 586; Harpum/Bridge/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 24-054; Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 20-034; Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 158. 171 Besonders augenfällig tritt dies zutage in In re CCG International Enterprises Ltd, [1993] B.C.C. 580, 585 f.: „It might be thought attractive that a secured creditor should be no worse off nor better off in relation to the proceeds of insurance than he would have been as to the assets destroyed. However, that is plainly not the common law.“ 172 Hierzu ausführlich oben sub § 6 D. II. 1. 173 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 19-041; Murray, (1986) L.S.G. 343. 170
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Versicherungsleistung.174 Bessere Absicherung verspricht es, wenn eine vom mortgagor abgeschlossene Versicherung sowohl auf dessen Namen als auch auf den Namen des mortgagee genommen wird. Die resultierende composite policy deckt dann die versicherbaren Interessen beider Parteien ab.175 Für den mortgagee hat diese Gestaltung den bedeutenden Vorteil, dass ein Fehlverhalten des mortgagor den Versicherungsschutz des mortgagee nicht zu beeinträchtigen vermag.176 Zusätzliche – vor dem Hintergrund der soeben dargelegten Grundsätze aber wohl nur klarstellende – Absicherung können sog. mortgage clauses gewährleisten, die festlegen, dass das Verhalten des mortgagor keine Auswirkungen auf den Versicherungsschutz des mortgagee hat.177 Der mortgagee kann weiterhin den mortgagor vertraglich dazu verpflichten, Versicherungsschutz zu unterhalten. Entsprechende Klauseln gehören in England zum Standard der Vertragsgestaltung von mortgages.178 Nicht endgültig geklärt ist indes, ob sich aus einer solchen Klausel ein Recht des mortgagee an der Versicherungsleistung ableitet. Eine zum neuseeländischen Recht ergangene Entscheidung des Privy Council bejaht dies und leitet unmittelbar aus der vertraglichen Versicherungspflicht des mortgagor ein Sicherungsrecht (charge) des mortgagee an der Versicherungsleistung (proceeds) in Gestalt eines partial equitable assignment ab.179 Ob die Entscheidung des Privy Council – an die englische Gerichte nicht gebunden sind180 – auf das englische Recht übertragen werden kann, ist bislang nicht entschieden. Die Literatur scheint sich aber eher für die Übertragbarkeit auszusprechen.181 In jedem Fall hindert ein durch entsprechende Vertragsklauseln begründetes assignment der Versicherungsleistung (proceeds) den Versicherer aber nicht daran, sich dem assignee gegenüber auf ein Fehlverhalten des
174 Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 20-041; Goh/Low, [1996] 10 J.I.B.L. 447, 449. 175 Woolcott v. Sun Alliance and London Insurance Ltd. [1978] 1 W.L.R. 403, 406 f.; Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 23-001. 176 Woolcott v. Sun Alliance and London Insurance Ltd. [1978] 1 W.L.R. 403, 406 f.; Reynolds v. Phoenix Assurance, [1978] 2 Lloyd’s Rep. 440; allgemein hierzu Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 14-025 ff. 177 Vgl. hierzu FNCB Ltd. v. Barnet Devanney, [2000] P.N.L.R. 248, 252 ff. (mit Beispielen). 178 Goh/Low, [1996] 10 J.I.B.L. 447, 450 (mit Musterklausel). 179 Colonial Mutual General Ins. Co. Ltd. v. ANZ Banking Group (New Zealand) Ltd., [1995] 1 W.L.R. 1140, 1144 f.; ausführliche Analyse der Entscheidung bei Goh/Low, [1996] 10 J.I.B.L. 447 ff. 180 Goh/Low, [1996] 10 J.I.B.L. 447, 449. 181 Vgl. Harpum/Bridge/Dixon, Megarry & Wade, Rn. 24-054; zweifelnd aber Goh/Low, [1996] 10 J.I.B.L. 447, 450; besonders kritisch auch Jungmann, Grundpfandgläubiger und Unternehmensinsolvenz, S. 158 Fn. 843.
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Versicherungsnehmers zu berufen und deshalb die Versicherungsleistung zu verweigern.182 Im Bereich der Gebäudefeuerversicherung genießt der mortgagee besonderen Schutz durch statutory law. Gem. s. 101(1)(ii) Law of Property Act 1925 hat der mortgagee kraft der mortgage das Recht, die zum Haftungsverband zählenden Sachen gegen Feuer zu versichern und die hierfür aufgewendeten Prämien der mortgage aufzulasten.183 Dies gilt nicht, wenn der mortgagor seinerseits entsprechend seinen vertraglichen Verpflichtungen oder mit Zustimmung des mortgagee eine Versicherung unterhält, s. 108(2)(ii),(iii) Law of Property Act 1925. Generell handelt es sich bei s. 101(1)(ii) Law of Property Act 1925 um dispositives Recht, sodass die Parteien das entsprechende Recht des mortgagee ausschließen, erweitern oder sonstwie modifizieren können.184 Auch in Bezug auf die Versicherungsleistung werden dem mortgagee in der Feuerversicherung besondere Rechte eingeräumt. Gem. s. 108(3) Law of Property Act 1925 kann er verlangen, dass der mortgagor diese zur Wiederherstellung der versicherten Sachen verwendet.185 Alternativ kann er gem. s. 108(4) Law of Property Act 1925 fordern, dass die Versicherungsleistung zur Ablösung der mortgage an ihn ausgezahlt wird, dies freilich nur vorbehaltlich entgegenstehender vertraglicher oder gesetzlicher Pflichten.186 182 Merkin, Colinvaux’s Law of Insurance, Rn. 14-052; Leigh-Jones/Birds/Owen, MacGillivray on Insurance Law, Rn. 20-041 183 S. 101(1) Law of Property Act 1925: „A mortgagee, where the mortgage is made by deed, shall, by virtue of this Act, have the following powers, to the like extent as if they had been in terms conferred by the mortgage deed, but not further (namely): […] (ii) A power, at any time after the date of the mortgage deed, to insure and keep insured against loss or damage by fire any building, or any effects or property of an insurable nature, whether affixed to the freehold or not, being or forming part of the property which or an estate or interest wherein is mortgaged, and the premiums paid for any such insurance shall be a charge on the mortgaged property or estate or interest, in addition to the mortgage money, and with the same priority, and with interest at the same rate, as the mortgage money;” 184 S. 101(3),(4) Law of Property Act 1925. 185 S. 108(3) Law of Property Act 1925: „All money received on an insurance of mortgaged property against loss or damage by fire or otherwise effected under this Act, or any enactment replaced by this Act, or on an insurance for the maintenance of which the mortgagor is liable under the mortgage deed, shall, if the mortgagee so requires, be applied by the mortgagor in making good the loss or damage in respect of which the money is received.” 186 S. 108(4) Law of Property Act 1925: „Without prejudice to any obligation to the contrary imposed by law, or by special contract, a mortgagee may require that all money received on an insurance of mortgaged property against loss or damage by fire or otherwise effected under this Act, or any enactment replaced by this Act, or on an insurance for the maintenance of which the mortgagor is liable under the mortgage deed, be applied in or towards the discharge of the mortgage money.”
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Eine besonders eigentümliche Rechtsstellung erlangt der mortgagee im Bereich der Gebäudefeuerversicherung schließlich durch s. 83 Fire Prevention (Metropolis) Act 1774.187 Die Norm räumt interested persons – zu denen auch der mortgagee zählt188 – ein unmittelbar gegen den Versicherer189 gerichtetes Recht ein, von diesem den Wiederaufbau des versicherten Gebäudes zu verlangen.190 Dem vertragsfremden mortgagee wird auf diese Weise die Befugnis eingeräumt, durch seine Erklärung die Leistungspflicht des Versicherers zur Naturalleistungspflicht umzugestalten – eine Regelung die nicht nur zur Doktrin der privity of contract in einem auffälligen Spannungsverhältnis steht, sondern auch zur dem englischen Versicherungsrecht eigenen Ausgestaltung der Versicherungsleistung als Schadensersatzleistung.191 2. Rechte des mortgagee im Insolvenzverfahren des mortgagor Zur Rechtsstellung, die der mortgagee in der Insolvenz des mortgagor in Bezug auf die Versicherungsleistung einnimmt, finden sich in der englischen Literatur und Rechtsprechung nur selten eindeutige Aussagen. Wie schon hinsichtlich des materiellen Rechts wird auch hier vieles von der individuel187
S. 83 Fire Prevention (Metropolis) Act 1774: „Money insured on houses burnt how to be applied. And in order to deter and hinder ill-minded persons from wilfully setting their house or houses or other buildings on fire with a view of gaining to themselves the insurance money, whereby the lives and fortunes of many families may be lost or endangered: it shall and may be lawful to and for the respective governors or directors of the several insurance offices for insuring houses or other buildings against loss by fire, and they are hereby authorised and required, upon the request of any person or persons interested in or intitled unto any house or houses or other buildings which may hereafter be burnt down, demolished or damaged by fire, or upon any grounds of suspicion that the owner or owners, occupier or occupiers, or other person or persons who shall have insured such house or houses or other buildings have been guilty of fraud, or of wilfully setting their house or houses or other buildings on fire, to cause the insurance money to be laid out and expended, as far as the same will go, towards rebuilding, reinstating or repairing such house or houses or other buildings so burnt down, demolished or damaged by fire, unless the party or parties claiming such insurance money shall, within sixty days next after his, her or their claim is adjusted, give a sufficient security to the governors or directors of the insurance office where such house or houses or other buildings are insured, that the same insurance money shall be laid out and expended as aforesaid, or unless the said insurance money shall be in that time settled and disposed of to and amongst all the contending parties, to the satisfaction and approbation of such governors or directors of such insurance office respectively.” 188 Sinnott v. Bowden, [1912] 2 Ch. 414, 419 f.; zweifelnd noch Lord Selborne in The Westminster Fire Office v. The Glasgow Provident Investment Society, (1888) 13 App. Cas. 699, 713 f. 189 Lloyd’s Underwriter sind allerdings vom Anwendungsbereich der Norm ausgenommen, Birds, Birds‘ Modern Insurance Law, S. 324. 190 Ausführlich hierzu Birds, Birds‘ Modern Insurance Law, S. 324 ff. 191 Vgl. hierzu Bruns, Privatversicherungsrecht, § 35 Rn. 61.
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len vertraglichen Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse abhängen. Für den praktisch besonders wichtigen Fall eines equitable assignment der Versicherungsleistung liegt jedoch eine Entscheidung vor, wonach dieses im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers zugunsten des assignee eine fixed charge an der Versicherungsleistung begründet.192 Im auf Liquidation der schuldnerischen Gesellschaft ausgerichteten Verfahren des winding up vermittelt eine solche fixed charge dem gesicherten Gläubiger das Recht, den Sicherungsgegenstand ungehindert durch das Insolvenzverfahren zu verwerten.193 Im Gegensatz zu floating charges rangieren fixed charges zudem im insolvenzrechtlichen Verteilungsverfahren nicht hinter den Verfahrenskosten und den preferential debts gem. sch. 6 Insolvency Act 1986, sondern bleiben von diesen unbelastet.194 Soweit dem mortgagee eine fixed charge an der Versicherungsleistung zukommt, kann er diese also völlig unbeeinträchtigt von einem winding-up Verfahren für sich vereinnahmen. Ebenso verhält es sich im bankruptcy-Verfahren.195 Stärkeren Einschränkungen unterliegt er dagegen im Verfahren der administration. Das durch die administration begründete moratorium hindert zunächst die Verwertung sämtlicher Sicherheiten durch die gesicherten Gläubi192
In re CCG International Enterprises Ltd, [1993] B.C.C. 580, 584 ff. Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, Rn. 8-47; in diesem Zusammenhang wird üblicherweise die Entscheidung Re David Lloyd & Co, (1877) 6 Ch.D. 339, 344 f. zitiert: „These sections in the Companies Act , and the corresponding legislation with regard to bankrupts, enabling the Court to interfere with actions, were intended, not for the purpose of harassing, or impeding, or injuring third persons, but for the purpose of preserving the limited assets of the company or bankrupt in the best way for distribution among all the persons who have claims upon them. There being only a small fund or a limited fund to be divided among a great number of persons, it would be monstrous that one or more of them should be harassing the company with actions and incurring costs which would increase the claims against the company and diminish the assets which ought to be divided among all the creditors. But that has really nothing to do with the case of a man who for the present purpose is to be considered as entirely outside the company, who is merely seeking to enforce a claim, not against the company, but to his own property. The position of a mortgagee under such circumstances is, to my mind, exactly similar to that of a man who said, “You the company have got property which you have taken from me; you are in possession of my property by way of trespass, and I want to get it back again.” A landlord might say, “You have property under lease from me; you have broken the covenants of the lease, and I have a right of re-entry in consequence of that breach.” The company ought not, because it has become insolvent or has been minded to wind up its affairs, to be placed in a better position than any other lessee with regard to his lessor. So with regard to a mortgagee. The mortgagee says,“There is some property upon which I have a certain specific charge, and I want to realize that charge. I have nothing to do with the distribution of your property among your creditors, this is my property.” Why a mortgagee should be prevented from doing that I cannot understand.“ 194 Goode, Principles of Corporate Insolvency, Rn. 8-53. 195 Keay/Walton, Insolvency Law, Tz. 31.3. 193
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ger, sch. B1 para. 43(2) Insolvency Act 1986. Um von seiner fixed charge Gebrauch machen zu können, benötigt der mortgagee hier entweder die Zustimmung des administrator196 oder eine gerichtliche Erlaubnis197. Die Entscheidung des Gerichts über die Aufhebung des moratorium hängt insbesondere davon ab, inwieweit die Verwertung der Sicherheit die Erreichung der Ziele des administration-Verfahrens hindern könnte.198 Inwiefern der administrator allerdings dazu berechtigt ist, die mit einer fixed charge belastete Versicherungsleistung zum Wiederaufbau zerstörter Gebäude zu nutzen, beispielsweise um hierdurch den Betrieb des Schuldners weiterführen zu können, war bislang – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen oder wissenschaftlicher Untersuchung. Die Chancen für eine derartige Berechtigung des administrator scheinen indes eher schlecht zu stehen. Sch. B1 para. 71(1) Insolvency Act 1986 billigt dem administrator lediglich das Recht zu, Gegenstände, an denen eine fixed charge besteht, mit Zustimmung des Gerichts zu veräußern – und auch diese Veräußerungsbefugnis besteht nur unter der Voraussetzung, dass der Erlös unmittelbar zur Befriedigung des gesicherten Gläubigers verwendet wird. Es drängt sich vor diesem Hintergrund der Umkehrschluss auf, dass eine andere Verwendung der belasteten Gegenstände ausgeschlossen ist. III. USA Aufgrund der gemeinsamen historischen Entwicklungslinien kennt auch das US-amerikanische Recht die mortgage als Instrument zur Belastung von Grundstücken zu Sicherungszwecken. In der Rechtspraxis einiger Einzelstaaten trat allerdings der deed of trust an die Stelle der mortgage.199 Hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Behandlung ergeben sich jedoch keine Unterschiede zwischen diesen beiden Instrumenten. Im Folgenden soll deshalb zum Zwecke der Vereinfachung nur von der mortgage die Rede sein.200 1. Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung Auch in den USA ist es üblich, dass der mortgagor das Grundstück und die mithaftenden Sachen unter Versicherungsschutz bringt, um zugunsten des mortgagee die Werthaltigkeit der Realsicherheit zu gewährleisten. Hinsicht196
Sch. B1 para. 43(2)(a) Insolvency Act 1986. Sch. B1 para. 43(2)(b) Insolvency Act 1986. 198 Ausführlich zu den Kriterien, die das Gericht bei einer Entscheidung gem. Sch. B1 para. 43(2)(b) Insolvency Act 1986 anzulegen hat Re Atlantic Computer Systems plc. [1992] Ch. 505, 541 ff. 199 Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:51; allgemein zu mortgage und deed of trust sowie den Unterschieden zwischen den beiden Instrumenten 54A Am. Jur. 2d Mortgages § 1. 200 Ebenso auch schon Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:51. 197
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lich der Rechte des mortgagee an der Versicherungsleistung zeichnet sich hier allerdings ähnlich wie im englischen Recht ein vielschichtiges Bild ab. Solche Rechte können sich aus vertraglichen Abreden, statutory law und equity ergeben. Regelmäßig erfahren die Rechte des mortgagee in Bezug auf die Versicherungsleistung eine vertragliche Regelung. Durch sog. loss-payee oder mortgage clauses wird im Versicherungsvertrag vereinbart, dass die Versicherungsleistung insoweit an den mortgagee auszuzahlen ist, wie dessen Sicherungsinteresse reicht.201 Es werden hierbei zwei Ausgestaltungen der mortgage clause unterschieden: Die simple mortgage clause macht den mortgagee lediglich zum Empfangsberechtigten der Versicherungsleistung (appointee to receive the insurance fund), der Versicherer kann ihm mithin sämtliche Einwendungen entgegenhalten, die ihm gegenüber dem Versicherungsnehmer zustehen.202 Eine wesentlich bessere Rechtsstellung wird dem mortgagee dagegen durch sog. standard oder union mortgage clauses eingeräumt, welche die Leistungspflicht des Versicherers ihm gegenüber auch dann aufrechterhalten, wenn im Verhältnis zum Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit eingetreten ist. Rechtsprechung und Literatur leiten aus diesen standard mortgage clauses ein eigenständiges Versicherungsverhältnis zwischen mortgagee und Versicherer ab.203 Neben den mortgage clauses des Versicherungsvertrages gewährleistet meist auch das statutory law einen gewissen Schutz des mortgagee mit Blick auf die Versicherungsleistung. Der U.C.C., der den meisten Einzelstaaten als Vorbild für ihre Gesetzgebung dient, vermittelt dem mortgagee im Grundsatz eine gesicherte Rechtsstellung in Bezug auf die Versicherungsleistungen, die sich aus der Zerstörung oder Beschädigung des Sicherungsgutes ergeben. Gem. § 9-315(a)(2) U.C.C. erstreckt sich die mortgage auf sämtliche identifizierbaren proceeds des jeweiligen Sicherungsgutes. Nach 201
Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:8 m.N. U.S. Bank, N.A. v. Tennessee Farmers Mut. Ins. Co., 277 S.W.3d 381, 387 (Tenn. 2009); In re Alexander, 329 B.R. 919, 922 f. (Bankr. M.D. Ga. 2005); Anderson v. Kentucky Growers Ins. Co., 105 S.W.3d 462, 465 (Ky. Ct. App. (2003); Nationwide Mutual Ins. Co. v. Hunt, 327 S.C. 89, 93 (S.C. 1997); Decatur Federal Sav. & Loan Ass’n v. York Ins. Co., 147 Ga.App. 797, 798 (1978); Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:15 m.w.N. 203 U.S. Bank, N.A. v. Tennessee Farmers Mut. Ins. Co., 277 S.W.3d 381, 387 f. (Tenn. 2009); In re Alexander, 329 B.R. 919, 922 f. (Bankr. M.D. Ga. 2005); Mattice v. Minnesota Property Insurance Placement, 655 N.W.2d 336, 340 (Minn. Ct. App. 2002); Clare v. Richards, 979 F.Supp. 487, 493 (E.D. Tex. 1997); Iowa Nat. Mut. Ins. Co. of Cedar Rapids, Iowa v. Central Mortg. & Inv. Co. of Colorado Springs, 708 P.2d 480, 483 (Colo. App. 1985); Decatur Federal Sav. & Loan Ass’n v. York Ins. Co., 147 Ga.App. 797, 798 (1978); nur semantisch abweichend Fort Hill Federal Savings and Loan Association v. South Carolina Farm Bureau Ins. Co., 281 S.C. 532, 537 (S.C. App. 1984); zum Ganzen Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:32 m.w.N. 202
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§ 9-102(a)(64)(E) U.C.C. zählt zu diesen proceeds auch die Versicherungsleistung, soweit diese an den mortgagor oder den mortgagee auszuzahlen ist.204 Hier scheint ähnlich wie im deutschen Recht der Surrogationsgedanke durch. Schließlich wird dem mortgagee von den Gerichten ebenso wie in England ein in equity wurzelndes Sicherungsrecht an der Versicherungsleistung zugesprochen, wenn der mortgagor nach den vertraglichen Abreden mit dem mortgagee zum Unterhalt entsprechenden Versicherungsschutzes verpflichtet war. Dieses Sicherungsrecht nimmt hier allerdings die Gestalt eines equitable lien an.205 2. Stellung des mortgagee im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers Hat der mortgagee eines der im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Sicherungsrechte inne, so kommt ihm im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers naturgemäß eine privilegierte Rechtsstellung zu. Im Einzelnen ist insoweit zu unterscheiden: Ist der mortgagee Begünstigter einer simple mortgage clause oder ist er Inhaber eines Sicherungsrechts entsprechend den Bestimmungen des U.C.C. oder aus equity, so fällt die Versicherungsleistung in den estate des insolventen Versicherungsnehmers. Gem. 11 U.S.C. § 541(a)(6) umfasst der estate sämtliche proceeds der zu ihm gehörigen Gegenstände. Bei der Versicherungsleistung handelt es sich nach Lesart der US-amerikanischen Gerichte um solche proceeds.206 Aufgrund seines Sicherungsrechts nimmt der mortgagee jedoch mit Blick auf die Versicherungsleistung die Stellung eines secured creditors ein, eine Rechtsstellung, die im deutschen Insolvenzrecht in der Absonderungsberechtigung ihr funktionales Äquivalent findet. Aus der Einordnung als secured creditor ergeben sich erhebliche Beschränkungen der Rechtsposition des Realgläubigers. Insbesondere entfaltet der automatic stay ihm gegenüber seine bindende Wirkung, zur Durchsetzung seiner Rechte an 204 Vgl. hierzu Paskow v. Calvert Fire Ins. Co., 579 F.2d 949, 952 ff. (5th Cir. 1978); Henderson, 35 Gonz. L. Rev. 21, 40 ff. (1990) (beide zu älteren aber i.W. inhaltsgleichen Fassungen des U.C.C.). 205 Paskow v. Calvert Fire Ins. Co., 579 F.2d 949, 951 (5th Cir. 1978); Freshwater v. Colonial Production Credit Ass'n, 334 S.E.2d, 142, 144 (S.C.App. 1985); Plitt/Maldonado/Rogers/Plitt, Couch on Insurance, § 65:82 f. m.w.N. 206 In re Asay, 184 B.R. 265, 266 ff. (Bankr. N.D. Tex. 1995). Vgl. hierzu auch die zahlreichen Entscheidungen, die sich mit Versicherungsleistungen für mit Sicherungsrechten belasteten Fahrzeugen befassen, z.B. Bradt v. Woodlawn Auto Workers, 757 F.2d 512, 515 f. (2nd Cir. 1985); In re Coker, 216 B.R. 843, 847 ff. (N.D. Ala. 1997); In re Gibson, 218 B.R. 900, 903 (E.D. Ark. 1997). Da auch in diesem Kontext loss payee clauses zur Verwendung kommen, die in ihren Wirkungen mit den simple mortgage clauses übereinstimmen, sind die Entscheidungen übertragbar. Vertiefend zum Ganzen Henderson, 35 Gonz. L. Rev. 21, 42 ff. (1990).
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der Versicherungsleistung muss er mithin zunächst die gerichtliche Aufhebung des stay beantragen.207 Da die Versicherungsleistung zum estate gehört, ist es dem trustee in bankruptcy oder dem debtor in possession zudem möglich, die durch sie erlangten finanziellen Mittel für andere Zwecke als die Befriedigung des mortgagee zu nutzen, z.B. zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der versicherten Sache.208 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine adequate protection des Realgläubigers gewährleistet bleibt, seine Rechtsposition also auf andere Weise gleichwertige Sicherung erfährt, beispielsweise indem ihm an den wiederhergestellten Sachen ein neues Sicherungsrecht eingeräumt wird.209 Im Wege des sur-charge of collateral gem. 11 U.S.C. § 506(c) kann der trustee in bankruptcy bzw. der debtor in possession auf die Versicherungsleistung zugreifen, um bestimmte Verwaltungskosten – insbesondere ad valorem taxes wie die Grundsteuer – aus ihr zu bestreiten.210 Sehr viel besser gestaltet sich die Stellung des mortgagee im Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers dagegen bei Vorliegen einer standard mortgage clause. Da diese nach Lesart der Rechtsprechung ein eigenes Versicherungsverhältnis zwischen dem Realgläubiger und dem Versicherer entstehen lässt, erwirbt der Realgläubiger selbst das hieraus entspringende Recht auf die Versicherungsleistung. Folgerichtig muss angenommen werden, dass die Versicherungsleistung nicht in den estate des Versicherungsnehmers fällt. Der mortgagee unterliegt mithin mit Blick auf die Versicherungsleistung nicht den Beschränkungen des Insolvenzverfahrens und kann frei über diese verfügen. Zur Restitution der versicherten Sachen durch den trustee in bankruptcy bzw. den debtor steht die Versicherungsleistung dagegen grundsätzlich nicht zur Verfügung.211 IV. Bilanz der rechtsvergleichenden Untersuchung Ebenso wie in Deutschland ist in Frankreich und den USA der Surrogationsgedanke für die Rechtsstellung des Grundpfandgläubigers in Bezug auf die Versicherungsleistung prägend. In allen drei Rechtsordnungen wird dem Grundpfandgläubiger auf Grundlage dieses Gedankens ein Sicherungsrecht an der Versicherungsleistung eingeräumt. Im US-amerikanischen Recht wird 207
Vgl. Feeney/Williamson/Stepan, Bankruptcy Law Manual, § 6:53. In re Asay, 184 B.R. 265 ff. (Bankr. N.D. Tex. 1995); Henderson, 35 Gonz. L. Rev. 21, 33 ff. 209 In re Asay, 184 B.R. 265 ff. (Bankr. N.D. Tex. 1995); allgemein zur Dispositionsfreiheit des trustee in bankruptcy mit Blick auf Sicherungsgüter und das Erfordernis der adequate protection Feeney/Williamson/Stepan, Bankruptcy Law Manual, § 6:53. 210 Ausführlich zum sur-charge of collateral, Feeney/Williamson/Stepan, Bankruptcy Law Manual, § 6:50. 211 Zum Ganzen In re Alexander, 329 B.R. 919 ff. (Bankr. M.D. Ga 2005). 208
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freilich der privatautonomen Ausgestaltung dieses Sicherungsrechts eine weitaus wichtigere Rolle zuerkannt als in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, wo die gesetzliche Regelungsdichte sehr viel höher ist. Eine Sonderstellung nimmt hingegen das englische Recht ein. Dort wird dem Surrogationsgedanken kaum Bedeutung beigemessen. Die Rechte des Realgläubigers an der Versicherungsleistung richten sich dementsprechend weitgehend allein nach den vertraglichen Abreden der Parteien. Auch die equitable charge, die der Privy Council dem Realgläubiger zuspricht, wurzelt in erster Linie in der vertraglichen Verpflichtung des mortgagor zur Unterhaltung von Versicherungsschutz. Lediglich im Bereich der Gebäudefeuerversicherung werden in Bezug auf die Versicherungsleistung besondere gesetzliche Rechte des mortgagee normiert. Sehr unterschiedlich reagieren die untersuchten Rechtsordnungen auf den Konflikt zwischen dem Sicherungsinteresse des Realgläubigers und dem Interesse der mit der Insolvenzverwaltung betrauten Person an einer Nutzung der Versicherungsleistung zur Restitution der versicherten Sache. Das französische Recht verfährt hier besonders rigide: Verlangt der Realgläubiger die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich, ist die Verwendung der Versicherungsleistung zur Restitution kategorisch ausgeschlossen. Ebenso scheint es sich in England zu verhalten. Diese Regelungen berücksichtigen einseitig nur das Interesse des Realgläubigers und vernachlässigen die Interessen der Insolvenzmasse. Sie können eine Fortführung des schuldnerischen Betriebs beeinträchtigen und sich dadurch als schwerwiegendes Sanierungshindernis erweisen. Zu Recht erfahren die Regelungen des französischen Rechts deshalb erhebliche Kritik durch die französische Rechtswissenschaft. Einen ausgewogeneren Ansatz verfolgt demgegenüber das USamerikanische Recht. Dort besteht für den trustee in bankruptcy zumindest dann die Möglichkeit, die Versicherungsleistung zur Restitution zu nutzen, wenn der Versicherungsvertrag eine simple mortgage clause enthält. Im Falle einer standard mortgage clause entfällt diese Möglichkeit allerdings. In Teilen ist diese Lösung durchaus sinnvoll. Die standard mortgage clause bewahrt dem mortgagee auch dann das Recht auf die Versicherungsleistung, wenn der Versicherer dem mortgagor gegenüber leistungsfrei ist. In einem solchen Fall wäre es widersinnig, dem trustee in bankruptcy die Möglichkeit zu geben, die Versicherungsleistung zum Vorteil der Insolvenzmasse zu nutzen. Einen solchen Sachverhalt hatte auch die einschlägige Entscheidung in re Alexander zum Gegenstand.212 Freilich bleibt der Ausschluss der Restitutionsmöglichkeit nach der Logik des US-amerikanischen Rechts nicht auf diese Fälle beschränkt. Er muss folgerichtig vielmehr auch dort eingreifen, wo Leistungsfreiheit gegenüber dem mortgagor nicht besteht.
212
In re Alexander, 329 B.R. 919 ff. (Bankr. M.D. Ga 2005).
E. Zusammenfassung
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Überzeugender ist in dieser Hinsicht das deutsche Recht: Soweit eine Wiederherstellungsklausel vorliegt – was zumindest bei Gebäudeversicherungen in praxi nahezu immer der Fall ist – hat es der Insolvenzverwalter grundsätzlich in der Hand, die Versicherungsleistung zur Restitution zu verwenden. Ihm obliegt die Beurteilung, inwiefern die Wiederherstellung der versicherten Sachen aus der Perspektive der Insolvenzmasse eine wirtschaftlich sinnvolle Handlungsoption darstellt.
E. Zusammenfassung E. Zusammenfassung
1. Die insolvenzrechtliche Privilegierung des Realgläubigers in Bezug auf die Versicherungsforderung ist vor dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum durch den Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation gerechtfertigt. Die Versicherungsforderung tritt wirtschaftlich und kraft gesetzlicher Anordnung auch haftungsrechtlich an die Stelle des jeweiligen Sicherungsguts. 2. Entsprechend dem Gedanken der haftungsrechtlichen Surrogation kommt dem Realgläubiger an der Versicherungsforderung dieselbe insolvenzrechtliche Stellung zu wie an der versicherten Sache: er ist damit grundsätzlich nur zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt in der Gebäudefeuerversicherung bei Vorliegen eines pathologischen Versicherungsverhältnisses. Der aus § 143 VVG resultierende Direktanspruch des Realgläubigers gegen den Versicherer begründet für jenen eine aussonderungsähnliche Rechtsposition. 3. Die verfahrensförmige Realisierung der Vorzugsstellung des Realgläubigers variiert je nach Art der vorliegenden Versicherung ganz erheblich. Bei Versicherungen, die keine Gebäude zum Gegenstand haben, erlangt der Realgläubiger erst mit Beschlagnahme ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung. Zieht der Insolvenzverwalter die Versicherungsforderung vor Erwirkung der Beschlagnahme für die Insolvenzmasse ein, kommt es zur Enthaftung. Nach Insolvenzeröffnung kann die Beschlagnahme gem. § 49 InsO nur noch im Wege der Immobiliarvollstreckung herbeigeführt werden. Hierdurch wird gewährleistet, dass die Versicherungsforderung vorrangig für Verfahrenskosten und öffentliche Lasten haftet. 4. Im Bereich der Gebäudeversicherung wird die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Realgläubigers durch § 1128 BGB erheblich gestärkt. Die Regelungen des § 1128 Abs. 1, 2 BGB verhindern, dass der Insolvenzverwalter die Versicherungsleistung entgegen dem Willen des Realgläubigers für die Insolvenzmasse einzieht. Soweit der Versicherungsfall vor Insolvenzeröffnung eingetreten ist, vermittelt § 1128 Abs. 3 BGB dem Realgläubiger zudem ein gesetzliches Pfandrecht an der Versicherungsforderung, auf dessen Grundlage er ein Absonderungsrecht gem. § 50 Abs. 1 InsO erwirbt. Dieses
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ermöglicht dem Realgläubiger gem. § 173 Abs. 1 InsO i.V.m. § 1282 Abs. 1 BGB die selbständige Einziehung der Versicherungsforderung. Da hierdurch aber die Versicherungsforderung von der vorrangigen Haftung für Verfahrenskosten und Grundstückslasten befreit wird, muss der Pfandrechtserwerb nach Insolvenzeröffnung gem. § 91 Abs. 1 InsO unterbunden werden. 5. Soweit dem Realgläubiger in der Gebäudefeuerversicherung gem. § 143 VVG ein Direktanspruch gegen den Versicherer zusteht, kann er diesen unabhängig vom Insolvenzverfahren des Versicherungsnehmers geltend machen. Leistet der Versicherer an den Realgläubiger auf Grundlage des § 143 VVG, geht das Grundpfandrecht gem. § 145 VVG auf ihn über. Der Regelungszweck des § 145 VVG, den Versicherer haftungsrechtlich in die Position des Realgläubigers eintreten zu lassen, macht es freilich notwendig, ihm zusätzlich einen Anspruch gegen diesen auf Abtretung der gesicherten Forderung zuzugestehen. 6. Enthält der Versicherungsvertrag – wie heute üblich – eine strenge Wiederherstellungsklausel, so ist dem Insolvenzverwalter auf Grundlage der §§ 1130 BGB, 94 VVG die Möglichkeit eröffnet, die Versicherungsleistung zum Zwecke der Restitution der versicherten Sachen für die Insolvenzmasse einzuziehen. Hierdurch werden dem Insolvenzverwalter die notwendigen wirtschaftlichen Spielräume eröffnet, um eine sachgerechte Entscheidung über die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens – insbesondere die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens – zu treffen. Deshalb erscheint die deutsche Regelung rechtspolitisch überzeugender als die Regelungen der anderen untersuchten Rechtsordnungen, die dem Insolvenzverwalter eine entsprechende Entscheidungsgewalt nicht oder nur in beschränkterem Umfang zusprechen.
Schlussbetrachtung
Das System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers Hier endet die tour de force durch die verschiedenen drittschützenden Versicherungsformen. Sie hat zutage gefördert, dass die zu Beginn der Arbeit konstatierten Divergenzen in der Ausgestaltung des insolvenzrechtlichen Drittschutzes zu einem nicht unerheblichen Maß auf eine mangelnde Berücksichtigung gesetzlicher und verfassungsrechtlicher Grundwertungen zurückzuführen sind. Bei der insolvenzrechtlichen Behandlung drittschützender Versicherungsformen ließ sich die bisherige Rechtspraxis (unausgesprochen) von der Prämisse leiten, dass die Abwicklung des Vertragsverhältnisses weiterhin den allgemeinen versicherungsrechtlichen Regeln folgt und lediglich insoweit modifiziert wird, als der Insolvenzverwalter an die Stelle des Versicherungsnehmers tritt. Diese Herangehensweise erscheint jedoch in Anbetracht der durch die Insolvenzeröffnung entstehenden multipolaren Rechts- und Interessenlage unterkomplex. Die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundwertungen des Insolvenzrechts fordern aufgrund der strengen Bindungen des verfassungsrechtlich verbürgten Prinzips der par conditio creditorum in vielfacher Hinsicht Abweichungen von der regulären Vertragsabwicklung. Berücksichtigt man dies, so zeichnet sich das folgende System des Schutzes Dritter in der Insolvenz des Versicherungsnehmers ab:
A. Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung A. Rechtfertigung der insolvenzrechtlichen Privilegierung
Wie jede insolvenzrechtliche Privilegierung bedarf auch die Privilegierung des durch Versicherung geschützten Dritten einer hinreichenden Rechtfertigung vor dem verfassungsrechtlichen Gehalt der par conditio creditorum. Diese Rechtfertigung bildet die verfassungsrechtliche Basis der Privilegierung und wirkt sich unmittelbar auf ihre rechtliche Ausgestaltung aus. Im Einzelnen sind drei unterschiedliche Rechtfertigungsgründe zu unterscheiden: Erstens ist die Privilegierung gerechtfertigt, wenn sie darauf beruht, dass dem Dritten die Versicherungsforderung bereits vor Insolvenzeröffnung vermögensrechtlich zugeordnet war. Dies ist stets der Fall bei der Versicherung für fremde Rechnung, bei der Lebensversicherung hingegen nur insoweit, als das Bezugsrecht des Dritten unwiderruflich oder der Versicherungsfall bereits
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Schlussbetrachtung
eingetreten war. Zweitens ist eine Rechtfertigung auf Grundlage des Gedankens der haftungsrechtlichen Surrogation möglich. Dies ist der Fall bei Versicherungen von Sachen, die zum Haftungsverband eines Grundpfandrechts zählen. Eine dritte Rechtfertigung begegnet im Bereich der Haftpflichtversicherung. Sie stützt sich hier auf den rechtsethischen Gedanken, dass der Schaden des Geschädigten nicht den Insolvenzgläubigern des Versicherungsnehmers zum Vorteil gereichen darf. Dieser Gesichtspunkt trägt im Übrigen auch die insolvenzrechtliche Privilegierung des Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung zusätzlich.
B. Insolvenzrechtliche Qualifikation der Rechtsstellung des Dritten B. Insolvenzrechtliche Qualifikation der Privilegierung
Die Qualifikation der insolvenzrechtlichen Rechtsstellung des Dritten als Aus- oder Absonderungsrecht hat sich nach den in der InsO zum Ausdruck kommenden Grundwertungen danach zu richten, ob eine Beteiligung der Insolvenzmasse am aktiven Vermögenswert der Versicherungsleistung zumindest potentiell möglich ist. Systemkonform ist dementsprechend die de lege lata vorgegebene Einordnung von Versichertem und Bezugsberechtigtem als Aussonderungsberechtigten. Auch die insolvenzrechtliche Rechtsstellung des Realgläubigers wird systematisch zutreffend erfasst, wenn ihm grundsätzlich ein Absonderungsrecht an der Versicherungsforderung zugestanden wird, im Spezialfall des § 143 VVG aber ein Direktanspruch gegen den Versicherer und damit eine aussonderungsrechtsähnliche Rechtsstellung. Lediglich im Bereich der freiwilligen Haftpflichtversicherung sind systematische Inkonsistenzen festzustellen. Das in § 110 VVG expressis verbis vorgesehene Absonderungsrecht des Geschädigten lässt sich mit den Vorgaben des Insolvenzrechts nicht vereinbaren. Der hierin liegende Systembruch ist eine Wurzel der in praxi zu verzeichnenden Probleme im Umgang mit der Regelung des § 110 VVG. De lege ferenda sollte hier systematische Konformität hergestellt werden, indem dem Geschädigten – wie im Bereich der Pflichtversicherung durch § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG bereits geschehen – ein insolvenzbedingter Direktanspruch gegen den Versicherer eingeräumt wird.
C. Wege zur Realisierung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Privilegierung C. Realisierung der Privilegierung
Auch hinsichtlich der Realisierung der jeweiligen insolvenzrechtlichen Vorzugsstellung lassen sich der InsO verbindliche Grundwertungen entnehmen. Spätestens seit der Insolvenzrechtsreform ist insoweit der – auch verfassungs-
C. Realisierung der Privilegierung
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rechtlich abgesicherte – Grundsatz einer für die freie Insolvenzmasse kostenneutralen Verwertung von Aus- und Absonderungsgütern von überragender Bedeutung. Die Verwirklichung dieses Grundsatzes variiert in Abhängigkeit davon, ob ein Aus- oder Absonderungsrecht in Rede steht. Liegt ein Absonderungsrecht vor, wird die Abschirmung der freien Masse gegen die Kostenlast entweder auf der Primärebene dadurch erreicht, dass dem Berechtigten die Verwertung des Absonderungsguts obliegt oder aber auf der Sekundärebene durch die Kostentragungsregeln der §§ 170 f. InsO bzw. der §§ 109 Abs. 1, 155 Abs. 1 ZVG. Bei Aussonderungsrechten wird der Grundsatz der kostenneutralen Verwertung demgegenüber immer bereits auf der Primärebene verwirklicht, indem die Verwertung des Aussonderungsgutes ausschließlich dem Berechtigten überantwortet bleibt. Ihre vollständige Verwirklichung finden diese Grundwertungen vor allem im Bereich der Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten. Kommt dem Dritten aufgrund der Bezugsberechtigung im Insolvenzverfahren ein Aussonderungsrecht zu, so ist er allein für die Einziehung der Versicherungsforderung verantwortlich. Ebenfalls hinreichend berücksichtigt wird das Prinzip kostenneutraler Verwertung im Bereich der Sachversicherung bei bestehenden Grundpfandrechten. Grundsätzlich erfolgt die Verwertung der Versicherungsforderung hier im Verfahren der Immobiliarvollstreckung, womit die Versicherungsforderung gem. §§ 109 Abs. 1, 155 Abs. 1 ZVG vorrangig für die Verfahrenskosten haftet. Teilweise ist der Realgläubiger auch selbst zur Einziehung der Versicherungsforderung berechtigt, womit ihm die entsprechenden Kosten unmittelbar selbst anfallen. In der Haftpflichtversicherung ist der derzeitige status quo der Rechtspraxis dagegen nicht so eindeutig. Führt man den von der h.M. für das Absonderungsrecht aus § 110 VVG favorisierten Durchsetzungsmodus einer Zahlungsklage des Geschädigten gegen den Insolvenzverwalter beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung in letzter Konsequenz durch, so entstehen notwendig Friktionen zum Grundsatz kostenneutraler Verwertung. Um dem gerichtlichen Leistungsbefehl gerecht zu werden, müsste der Insolvenzverwalter die Versicherungsforderung einziehen und den Geschädigten aus der Entschädigungsleistung befriedigen. Die Kostenlast der Verwertung läge bei der Insolvenzmasse. Dem könnte durch eine analoge Anwendung der Kostentragungsregeln aus §§ 170, 171 InsO abgeholfen werden, dies allerdings nur um den Preis einer verkürzten Befriedigung des Geschädigten. Der hier de lege ferenda allgemein befürwortete und im Bereich der Pflichtversicherung bereits gesetzlich festgeschriebene Direktanspruch vermeidet diese Probleme und beweist auch hierin seine systematische Überlegenheit. Besonders eklatante Verletzungen des Grundprinzips kostenneutraler Verwertung ergeben sich jedoch aus der bisherigen insolvenzrechtlichen Behandlung der Versicherung für fremde Rechnung. Ungeachtet der insolvenzrechtlichen Stellung des Versicherten als Aussonderungsberechtigten
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Schlussbetrachtung
wird die Einziehung der Versicherungsforderung hier der Insolvenzmasse überantwortet und eine Abwicklung im Dreiecksverhältnis favorisiert. Mangels entsprechender Kostentragungsregeln hat die Insolvenzmasse hierdurch die Kosten einer für sie gänzlich nutzlosen Forderungseinziehung zu tragen. Wie die eingehende Untersuchung dieser Rechtspraxis erhellt hat, äußern sich die hierin begründeten Verletzungen insolvenzrechtlicher Grundwertungen erwartungsgemäß auch in Friktionen zu einzelnen Regelungen der InsO. Eine lege artis erfolgende Anwendung dieser Regelungen führt dagegen zu dem systemkonformen Ergebnis, dass der Versicherte im Regelfall selbst zur Einziehung der Versicherungsforderung berechtigt ist, dem Insolvenzverwalter hingegen ein entsprechendes Einziehungsrecht abgeht. In zweierlei Hinsicht sind allerdings Ausnahmen von diesem Grundsatz zu machen, die jedoch keinen Systembruch bedeuten, sondern durch sachliche Gründe getragen werden und sich mithin entsprechend dem Postulat der Folgerichtigkeit durchaus in das System einfügen. Zunächst ist hier zu nennen, dass der Versicherte infolge der Insolvenzeröffnung nicht sofort unmittelbar gegen den Versicherer vorgehen kann, sondern zunächst die Zustimmung des Insolvenzverwalters oder aber den unmittelbaren Besitz am Versicherungsschein erlangen muss. Diese Einschränkung seiner Rechtsstellung muss der Versicherte erdulden, da die Versicherung für fremde Rechnung dem Versicherungsnehmer grundsätzlich die Entscheidungsgewalt über die Einziehung der Versicherungsforderung vorbehält, um diesen vor den mit einer solchen Einziehung verbundenen Nachteilen zu schützen. Hierin unterscheidet sich die Versicherung für fremde Rechnung insbesondere von den anderen Versicherungsformen, die zugunsten des geschützten Dritten ein Aussonderungsrecht begründen bzw. ein solches begründen sollten. Bei Haftpflichtversicherung und Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten steht mit Insolvenzeröffnung fest, dass die Versicherungsleistung dem Dritten unweigerlich zukommen muss. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, dem Versicherten sofort die Inanspruchnahme des Versicherers zu ermöglichen. Bei der Versicherung für fremde Rechnung muss es dem Insolvenzverwalter hingegen unter bestimmten Umständen möglich sein, die Einziehung der Versicherungsforderung zu verhindern, um Nachteile wie Rabattverluste oder die Kündigung des Versicherungsvertrages durch den Versicherer auszuschließen. Eine zweite Besonderheit ergibt sich daraus, dass dem Insolvenzverwalter unter den Voraussetzungen des § 46 VVG ausnahmsweise doch die Befugnis zur Einziehung der Versicherungsforderung zusteht und er insoweit eine Einziehung durch den Versicherten unterbinden kann. Diese Besonderheit rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass die Versicherungsforderung nach den gesetzlichen Vorgaben des VVG für bestimmte Forderungen des Versicherungsnehmers gegen den Versicherten als Sicherheit dienen soll.
D. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Privilegierung
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D. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Rechtsstellung des Dritten D. Nachträgliche Beeinträchtigungen der Privilegierung
Nachträgliche Beeinträchtigungen kann die Rechtsstellung des Dritten insbesondere durch Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen des Versicherers, eine Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter oder im Wege der Insolvenzanfechtung erleiden. Die möglichen Beeinträchtigungen durch Aufrechnung und Erfüllungsablehnung folgen im Wesentlichen parallelen Grundsätzen, da sie eine ähnliche Zielrichtung aufweisen. Infolge der Erfüllungsablehnung verliert die Versicherungsforderung grundsätzlich entsprechend dem Gedanken des funktionellen Synallagmas insoweit ihre Durchsetzbarkeit, wie die entsprechende Versicherungsprämie noch nicht entrichtet wurde. Folgerichtig kann die Rechtsstellung des Dritten infolge der Erfüllungsablehnung nur dann eine Beeinträchtigung erleiden, wenn der Versicherer das Ausbleiben der Prämienzahlung auch ihm entgegenhalten kann. Im selben Umfang muss dem Versicherer gegenüber dem Dritten aber auch die Aufrechnung mit rückständigen Prämienforderungen offenstehen. Als Grundsatz gilt insoweit, dass der Versicherer dem Dritten gegenüber die rückständigen Prämienforderungen ebenso in Ansatz bringen kann wie gegenüber dem Versicherungsnehmer. Sofern dem Dritten selbst die Versicherungsforderung zusteht, ermöglicht § 35 VVG dem Versicherer die Aufrechnung ungeachtet mangelnder Gegenseitigkeit der Forderungen. Lehnt der Insolvenzverwalter gem. § 103 InsO die Erfüllung des Versicherungsvertrages ab, so bestätigt er damit die infolge der Insolvenzeröffnung eingetretene Undurchsetzbarkeit der Versicherungsforderung. Hiervon ist grundsätzlich auch der Dritte betroffen, der eine insolvenzrechtliche Privilegierung an der Versicherungsforderung innehat. Allerdings kann der Dritte die Durchsetzbarkeit wiederherstellen, indem er die ausstehende Prämienforderung begleicht. Erhebliche Einschränkungen dieses Grundsatzes gelten im Bereich der Haftpflichtversicherung. Für die freiwillige Haftpflichtversicherung müssen die rechtlichen Regelungen insoweit hinreichend reflektieren, dass der Dritte einerseits keinen Anspruch auf Bestand des Versicherungsschutzes hat, aber andererseits auch keine andere Person von der Versicherungsleistung profitieren soll. Dies gelingt durch die analoge Anwendung des § 108 VVG: Dem Versicherer ist es verwehrt, gegen die Versicherungsforderung mit Prämienforderungen aufzurechnen, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls fällig wurden. Die Erfüllungsablehnung kann die Durchsetzbarkeit der Versicherungsforderung ohnehin nur dann beeinträchtigen, wenn gerade die Prämienforderung derjenigen Versicherungsperiode unerfüllt ist, in der sich der Versicherungsfall ereignet hat. Im Bereich der Pflichtversicherung können sich Erfüllungsablehnung und Aufrechnung dagegen in keiner Weise auf den Direktanspruch des Geschädigten auswirken. Dies entspricht der Zweckset-
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Schlussbetrachtung
zung von Pflichtversicherungen, dem Geschädigten unabhängig vom Verhalten des Versicherungsnehmers den Versicherungsschutz zugutekommen zu lassen. Hinsichtlich der Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung lassen sich zwei Kategorien drittschützender Versicherungen unterscheiden: Auf der einen Seite stehen diejenigen Versicherungen, bei denen die Versicherungsleistung kraft versicherungsrechtlicher Grundsätze ausschließlich dem geschützten Dritten zukommen kann. Dies sind die Versicherung für fremde Rechnung, bei der die Versicherungsforderung grundsätzlich an das versicherte Interesse gekoppelt ist, sowie die Haftpflichtversicherung, bei welcher der aktive Vermögenswert der Versicherungsleistung aus rechtsethischen Gründen nur dem Geschädigten zugutekommen darf. Bei diesen drittschützenden Versicherungsformen ist eine Insolvenzanfechtung zulasten des Dritten kategorisch ausgeschlossen, da die Versicherungsleistung von vornherein nicht in das Vermögen des Versicherungsnehmers fallen konnte. Auf der anderen Seite stehen diejenigen Versicherungsformen, bei denen die Versicherungsleistung grundsätzlich auch dem Versicherungsnehmer zukommen kann und nur im konkreten Fall primär dem Dritten zugeordnet ist. Dies sind insbesondere die Lebensversicherung mit Bezugsberechtigung eines Dritten und Sachversicherungen bei bestehenden Grundpfandrechten. Bei diesen Versicherungsformen kommt eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Dritten durch Insolvenzanfechtung grundsätzlich in Betracht. Die Anfechtbarkeit richtet sich dort nach den Umständen des konkreten Einzelfalls, insbesondere ist entscheidend, wann der Dritte eine gesicherte Rechtsstellung an der Versicherungsforderung erlangt hat.
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Sachregister Absonderungsrecht 48 ff., 89 f., 259 ff., 328 action directe 301 ff. additional insured 161 ff. assurance pour compte 150 ff. Aussonderungsrecht 48 ff., 88 ff., 177 ff., 291, 328 Befreiungsanspruch, siehe auch Freistellungsanspruch Beschlagnahme 322 f., 329 ff., 335, 339, 355 Bezugsberechtigung 166 ff. – eingeschränkt unwiderrufliche 187 ff. – gespaltene 185 f. Bindungswirkung 235 ff. composite policy 364 déchéances 360 f. deed of trust 368 Direktanspruch 224 f., 290 ff., 294 ff. Direktversicherung 175 f., 187 ff., 198 Drittwiderspruchsklage 62 f. Eigentumsgarantie, verfassungsrechtliche 29 ff. Eintrittsrecht 194 ff. Erlöschenstheorie 178 Ersatzaussonderungsrecht 91, 95 ff., 130 fixed charge 367 f. Freigabe der Haftpflichtversicherungsforderung 276 ff. Freistellungsansruch 228 ff., 257 ff., 260 f.
Gebäudeversicherung – allgemeine 323 ff., 335 ff. – Gebäudefeuerversicherungen 324 ff., 341 ff. Geschäftsführung ohne Auftrag 102 f., 111 ff. Gläubigergleichbehandlung, siehe auch par conditio creditorum Gleichheitssatz, allgemeiner 31 ff. Haftpflichtversicherung 50 f., 55, 217 ff. Interesse, versichertes 77 f., 100 f., 153 ff. Justizgewährleistungsanspruch 23 ff. kalte Einziehung 340 f. kalte Zwangsverwaltung 332 f., 340 Klage auf vorzugsweise Befriedigung 62 f. Lebensversicherung 166 ff. loss payment clause 363 mortgage 362 ff., 368 ff. mortgage clause 369 f. named insured 161 par conditio creditorum 4 f., 17 ff., 92, 174, 177, 183 f., 191, 195, 252, 258, 261, 272, 338 partial equitable assignment 364, 367 Rückkaufswert 178 ff. Sachversicherung 321 ff. Sozialbindung 4, 41, 50, 227, 253
402 Sozialstaatsprinzip 31 statutory exemptions 213 f. subrogation réelle 358 f. surrender value 212 f. Surrogation 43 f., 327 f. System 8 ff. Trennungsprinzip 234 f., 297 ff. Treuhandverhältnis 86, 104 ff. trust 155 ff. – statutory trust 210 f. Unfallversicherung 218 ff.
Sachregister Valutaverhältnis – Lebensversicherung 192 ff. – Versicherung für fremde Rechnung 85 f., 99 ff. Versicherung für fremde Rechnung 83 ff. Versicherungsschein 131 ff. Wiederherstellungsklausel 348 ff. – einfache 348 f. – strenge 349 f.