Satzmodus - kompositionell: Zur Parametrisierung der Modusphrase im Deutschen [Reprint 2015 ed.] 9783050079196, 9783050035888

Der Satzmodus ist eine aus verschiedenen Komponenten des grammatischen Systems zusammengesetzte Kategorie. So sind neben

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German Pages 234 [236] Year 2000

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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1.1.Das Phänomen und die Hintergründe
1.2 Die grammatischen Mittel
1.3. Satzmodus in der Forschung
1.3.1. Paraphrase-Ansätze
1.3.2. Einstellungsbezogene Ansätze
1.3.3. Logikbasierte Ansätze
1.3.4. Illokutionstyp- und illokutionslogikbasierte Ansätze
1.3.5. Korrespondenztheoretische Ansätze
1.3.6. Merkmalbasierte derivationeile Ansätze
1.4. Zur Methodik und inhaltlichen Charakteristik dieser Arbeit
2. Semantik der Satzmodi
2.1. Vorbemerkungen
2.2. Semantische Grundkonzepte
2.2.1. Propositionen und Propositionenmengen
2.2.2. Relativierte und graduierte Modalität
2.2.3. Indexabhängigkeit
2.2.4. Pragmatische Begriffe
2.3. Zur Semantik von Fragen
2.3.1. Fragen als Menge der möglichen Antworten
2.3.2. Fragen als Menge der wahren Antworten
2.3.3. Fragen als indexabhängige Propositionen
2.3.4. Fragen als Partitionen
2.3.4. Zur Äquivalenz indexabhängiger Propositionen und Partitionen
2.4. Zur Semantik von Imperativen
2.5. Zusammenfassung
3. Einstellungen
3.1. Das Ausdrücken von Einstellungen mit unselbständigen Sätzen
3.2. Das Ausdrücken von Einstellungen mit selbständigen Sätzen
3.2.1. Assertive Einstellungen
3.2.2. Erotetische Einstellungen
3.2.3. Direktive Einstellungen
3.3. Zusammenfassung
4. Verbmodus
4.1. Einleitung
4.2. Verbmodus als flexionsmorphologische Kategorie
4.3. Zur Funktion der Verbmodi
4.3.1. Indikativ und Konjunktiv II
4.3.2. Der Konjunktiv I
4.3.3. Der Imperativ
4.4. Zusammenfassung
5. Zur Syntax der linken Satzperipherie
5.1. Einleitung
5.2. Funktionale Satzkategorien
5.3. Zur Derivation der Satztypen
5.3.1. Kopfbewegung
5.3.2. A'-Bewegung
5.3.3. Zusammenfassung
5.4. V/2-Eigenschaft und Satzmodalität in den germanischen Sprachen ...
5.4.1. Hauptsätze
5.4.2. Eingebettete Sätze
5.5. CP-Analysen und Modusprojektion
5.5.1. Modusprojektion anstelle von CP-Rekursion
5.5.2. Modusprojektion anstelle von Topik-Projektion
5.5.3. Modusprojektion für nicht-C0-eingeleitete Nebensätze
5.6. Zur Merkmalsauszeichnung der Satztypen
5.6.1. Das Merkmal [±wh]
5.6.2. Selektion von wh-Komplementsätzen
5.6.3. Wh-Merkmale für die Satztyp-Diskriminierung
5.6.4. Zur formalen Motivation der A'-Bewegung
5.7. Bemerkungen zum Imperativ
5.8. Zusammenfassung
6. Die Interaktion von Flexionsmorphologie, Syntax und Semantik
6.1. Einleitung
6.2. Die grammatischen Mittel und die Konstruktionen
6.3. Die empirischen Generalisierungen
6.4. Die Hypothesen
6.5. Interpretation und Anwendung der Hypothesen
7. Zusammenfassung
Bibliographie
Personenregister
Sachregister
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Satzmodus - kompositionell: Zur Parametrisierung der Modusphrase im Deutschen [Reprint 2015 ed.]
 9783050079196, 9783050035888

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Horst Lohnstein Satzmodus - kompositioneil

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica 49

Horst Lohnstein

S a t Z I T l O d U S

-

kompositionell Zur Parametrîsierung der Modusphrase im Deutschen

Akademie Verlag

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Lohnstein, Horst: Satzmodus - kompositioneil : zur Parametrisierung der Modusphrase im Deutschen/ Horst Lohnstein. - B e r l i n : Akad. Verl., 2000 (Studia grammatica ; 49) Zugl.: Köln, Univ., Habil., 2 0 0 0 ISBN

3-05-003588-6

ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindung: GAM Media GmbH, Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Das ganze Leben ist nichts anderes als Form gewordene Fragen, die den Keim der Antwort in sich tragen - und Antworten, die schwanger gehen mit Fragen. Wer irgend etwas anderes darin sieht, ist ein Narr. Gustav Meyrink: Der Golem

Für meinen Vater

Vorwort

Für gewöhnlich nehmen Menschen bestimmte Einstellungen oder Haltungen zu den Sachverhalten, Ereignissen und Begebenheiten ein, die in der sie umgebenden Welt stattfinden oder der Fall sind. Wenn diese Menschen dann über diese Sachverhalte und Ereignisse reden, so stellt ihre Sprachkenntnis verschiedene grammatische Mittel zur Verfügung, um sowohl die Ereignisse als auch die dazu gehörigen Einstellungen auszudrücken. Eine Aufgabe der theoretischen Sprachwissenschaft besteht nun darin, anzugeben, welche grammatischen Mittel auf welche Art und Weise verwendet werden, um die verschiedenen Möglichkeiten zu spezifizieren, mit denen Sprecher sowohl die Inhalte als auch die Einstellungen dazu sprachlich realisieren. Mit dem Konzept der Proposition lässt sich die Struktur eines Ereignisses in Form eines Satzes sprachlich abbilden. Eine weitgehend offene Frage ist es hingegen, aufweiche Art und Weise die grammatischen Mittel und ihr Zusammenwirken genutzt werden, um Einstellungen auszudrücken. Ein Konzept, welches diese Lücke schließen soll, ist der Satzmodus. Dieser ist als eine grammatische Kategorie anzusehen, die erst durch das Zusammenwirken verschiedener Komponenten des sprachlichen Kenntnissystems determiniert wird. So sind neben den syntaktisch zu erfassenden Stellungsregularitäten des fmiten Verbs und den Merkmalsspezifikationen der sog. Vorfeldphrase auch die morphologischen und semantischen Eigenschaften der Verbmodi, sowie die suprasegmentalen Charakteristika der Intonation und modusmodifizierende lexikalische Elemente an der Satzmodus-Konstitution im Deutschen beteiligt. Die vorliegende Studie entwickelt eine kohärente Theorie, mit der die fürs Deutsche wesentlichen Satzmodi -Deklarativ, E-Inteirogativ, W-Interrogativ und Imperativ- formal einheitlich und kompositionell abgeleitet und intuitiv angemessen interpretiert werden können. Das zentrale Konzept, aus welchem die semantischen Eigenschaften der verschiedenen Satzmodi abgeleitet werden, ist die Partition, d.h. eine Zerlegung der möglichen Weltgegebenheiten in verschiedene Klassen. Entsprechend bildet eine Entscheidungsfrage eine Bipartition in solche Weltzustände, die tatsächlich bestehen, und solche, die nicht bestehen. Bei der Bildung einer Ergänzungsfrage wird die Bipartition weiter differenziert, während sie zur Bildung einer (assertiven) Aussage auf die Klasse deijenigen Weltzustände reduziert wird, relativ zu denen sie wahr ist. Mit diesem Verfahren werden die traditionellen Versuche, die nicht-deklarativen

Vili

Vorwort

Sätze auf Wahrheitsbedingungen zurückzuführen, auf eine Sichtweise verschoben, diç -ausgehend von der Struktur der Entscheidungsfrage- die Satzmodi mittels der Modifikation einer Partition ableitet. Dies geschieht in einer den syntaktischen Bewegungsprozessen entsprechenden Weise. Die Idee zu diesem Vorgehen kam mir in einer Zeit, in der ich mich -die Geschehnisse in meinem Leben ordnend- mit der am Buchanfang zitierten Passage aus Meyrinks Buch Der Golem beschäftigte. Dabei wurde mir immer klarer, dass den vermeintlich so unumstößlichen Wahrheiten und Gewissheiten im Leben bei weitem nicht der Stellenwert zukommt, den man ihnen nur zu gerne einräumt. Vielmehr zeichnete sich immer mehr ab, dass die wesentlichen und zentralen Elemente, die das eigene Leben in Bewegung halten, die Fragen sind (und die Suche nach Antworten). Und auf ähnliche Weise, wie diese Einsicht zu einer anderen Perspektive auf mein eigenes Leben führte, veränderte sich auch meine wissenschaftliche Sichtweise, denn es waren nun nicht mehr die assertiven, wahrheitsbehauptenden Sätze, die im Zentrum des Interesses standen, sondern eben auch hier: die Fragen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Jürgen Lenerz bedanken, der nicht nur stets mit klugen Ratschlägen und weiterführenden Hinweisen, sondern auch mit fördernder Gelassenheit die Entstehung dieses Buches begleitet hat. Ebenfalls danken möchte ich meinen Freunden und Kollegen für ihre hilfreichen, unterstützenden und oftmals sehr ermunternden und wertvollen Kommentare, Ideen und Vorschläge: Nicole Bocklet, Ursula Bredel, Ulf Brosziewski, Jan Bruners, Kay Gonzalez, Jörg Keller, Robert Kemp, Beatrice Primus, Anne Rivet, Susann Siebert und Angelika Wöllstein-Leisten. Ohne die entspannte und lockere Atmosphäre hätte sich wohl nicht nur manches nicht entwickelt, sondern auch manches andere anders. Für die privaten Dinge danke ich Rita.

Köln, im Sommer 2000

Horst Lohnstein

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

vii

Inhaltsverzeichnis

ix

1.

1

2.

Einleitung 1.1. Das Phänomen und die Hintergründe 1.2 Die grammatischen Mittel 1.3. Satzmodus in der Forschung 1.3.1. Paraphrase-Ansätze 1.3.2. Einstellungsbezogene Ansätze 1.3.3. Logikbasierte Ansätze 1.3.4. Illokutionstyp-und illokutionslogikbasierte Ansätze 1.3.5. Korrespondenztheoretische Ansätze 1.3.6. Merkmalbasierte derivationelle Ansätze 1.4. Zur Methodik und inhaltlichen Charakteristik dieser Arbeit

1 6 11 11 13 15 16 19 22 28

Semantik der Satzmodi 2.1. Vorbemerkungen 2.2. Semantische Grundkonzepte 2.2.1. Propositionen und Propositionenmengen 2.2.2. Relativierte und graduierte Modalität 2.2.3. Indexabhängigkeit 2.2.4. Pragmatische Begriffe 2.2.4.1. Kontexte 2.2.4.2. Kontextwechsel 2.2.4.3. Ein Beispiel 2.3. Zur Semantik von Fragen 2.3.1. Fragen als Menge der möglichen Antworten 2.3.2. Fragen als Menge der wahren Antworten 2.3.3. Fragen als indexabhängige Propositionen 2.3.4. Fragen als Partitionen

33 33 35 35 36 38 39 39 42 43 44 45 46 51 58

χ

Inhaltsverzeichnis

2.3.4. Zur Äquivalenz indexabhängiger Propositionen und Partitionen . . . . 63 2.4. Zur Semantik von Imperativen 64 2.5. Zusammenfassung 66 3.

Einstellungen 3.1. Das Ausdrücken von Einstellungen mit unselbständigen Sätzen 3.2. Das Ausdrücken von Einstellungen mit selbständigen Sätzen 3.2.1. Assertive Einstellungen 3.2.2. Erotetische Einstellungen 3.2.3. Direktive Einstellungen 3.3. Zusammenfassung

68 68 71 75 76 80 81

4.

Verbmodus 4.1. Einleitung 4.2. Verbmodus als flexionsmorphologische Kategorie 4.3. Zur Funktion der Verbmodi 4.3.1. Indikativ und Konjunktiv II 4.3.1.1. Analysen zum Konjunktiv II 4.3.1.2. Zur Semantik von Indikativ und Konjunktiv II 4.3.2. Der Konjunktiv I 4.3.2.1. Der Konjunktiv I in eingebetteten Sätzen 4.3.2.2. Der Konjunktiv I in selbständigen Sätzen 4.3.2.2. Zur Semantik des Konjunktivs I 4.3.3. Der Imperativ 4.3.3.1. Zur Flexionsmorphologie des Imperativs 4.3.3.2. Zur Semantik des Imperativs 4.4. Zusammenfassung

83 83 86 90 91 92 95 99 100 105 109 112 112 117 119

5.

Zur Syntax der linken Satzperipherie 5.1. Einleitung 5.2. Funktionale Satzkategorien 5.3. Zur Derivation der Satztypen 5.3.1. Kopibewegung 5.3.1.1. Zur Motivation der Verbbewegung 5.3.1.2. Finitum-Voranstellung und Kontextbezug 5.3.2. A'-Bewegung 5.3.2.1. Zur Motivation der A'-Bewegung 5.3.3. Zusammenfassung 5.4. V/2-Eigenschaft und Satzmodalität in den germanischen Sprachen . . . 5.4.1. Hauptsätze

122 122 126 135 140 140 145 148 152 153 154 154

Inhaltsverzeichnis

xi

5.4.2. Eingebettete Sätze 5.5. CP-Analysen und Modusprojektion 5.5.1. Modusprojektion anstelle von CP-Rekursion 5 .5 .2. Modusprojektion anstelle von Topik-Projektion 5.5.3. Modusprojektion für nicht-C°-eingeleitete Nebensätze 5.6. Zur Merkmalsauszeichnung der Satztypen 5.6.1. Das Merkmal [±wh] 5.6.2. Selektion von wh-Komplementsätzen 5.6.3. Wh-Merkmale für die Satztyp-Diskriminierung 5.6.4. Zur formalen Motivation der A'-Bewegung 5.7. Bemerkungen zum Imperativ 5.8. Zusammenfassung

157 160 160 161 162 164 164 165 166 168 172 175

6.

Die Interaktion von Flexionsmorphologie, Syntax und Semantik 6.1. Einleitung 6.2. Die grammatischen Mittel und die Konstruktionen 6.3. Die empirischen Generalisierungen 6.4. Die Hypothesen 6.5. Interpretation und Anwendung der Hypothesen

178 178 178 181 182 184

7.

Zusammenfassung

193

Bibliographie

197

Personenregister

211

Sachregister

213

1.

Einleitung

Der Begriff Satzmodus ist in verschiedenen Theorien der neueren Grammatikforschung in unterschiedlicher Weise diskutiert und ausgelegt worden. Gemeinsam ist allen Ansätzen, dass mit Hilfe dieses Begriffs versucht wird, Sätze hinsichtlich gewisser semantischpragmatischer Eigenschaften zu Klassen zusammenzufassen. Die Klassifikation basiert dabei in der Regel auf den verschiedenen Einstellungen, die Sprecher zu Sachverhalten einnehmen und die durch Propositionen ausgedrückt werden können. 1 Die verschiedenen Theorien zum Satzmodus beziehen sich denn auch in unterschiedlichem Maße auf Konzepte wie ausgedrückte propositionale Einstellungen. Dieser Redeweise liegt die Überzeugung zugrunde, dass Sätze neben ihrempropositionalen Gehalt auch eine Bedeutungskomponente besitzen, die eine Einstellung zu bzw. einen bestimmten Referenztyp für eine Proposition ausdrückt. Terminologisch besteht allerdings eine gewisse Vielfalt. So sprechen etwa Grewendorf/Zaefferer (1991) vom semantischen Modus, Wunderlich (1978) vom Positionstyp, Zaefferer (1979) vom Sprechakttyp, Bierwisch (1979,1980) und Lang/Pasch (1988) von Einstellungen und vom Satzmodus, Sökeland (1980) von der Basisillokution, Altmann (1981) vom Funktionstyp und Brandt et al. (1992) vom Satzmodus.

1.1. Das Phänomen und die Hintergründe Im Wesentlichen werden mit diesen Termini die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Interpretation der Sätze in (1) charakterisiert, denen in ihrer prominenten Lesart die in Klammern gesetzten Satzmodi zuzuordnen sind. (1)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)

Jochen klaut Zigarren. Klaut Jochen Zigarren? Wer klaut Zigarren? Klau Zigarren! Klaute Jochen (doch) Zigarren! Was Jochen aber auch für Zigarren geklaut hat! (Dass Jochen aber auch Zigarren klaut!)

(Deklarativ) (E-Interrogativ) (W-Interrogativ) (Imperativ) (Optativ) (Exklamativ)

Bierwisch (1979, 1980), Lang (1983), Lang/Pasch (1988), Barwise/Perry (1983).

2

1. Einleitung

Dabei wird versucht, der Intuition Rechnung zu tragen, dass der propositionale Gehalt dieser Sätze jeweils identisch ist, dass sich nämlich ein Individuum namens Jochen in gesetzeswidriger Weise Zigarren aneignet, und dass sich die jeweiligen Unterschiede aus der Verschiedenheit der Satzmodi ergeben. Aufgrund der Variation der Satzmodi werden an den Sätzen in (1) unterschiedliche Eigenschaften sichtbar. So kann der als Feststellung gedeutete Satz (l)(i) entweder wahr oder falsch sein, während die Entscheidungsfrage in (l)(ii) gerade eine Spezifikation der Wahrheit oder Falschheit des in Frage stehenden Sachverhalts beim Adressaten einfordert. Ein ähnlicher Wunsch nach Spezifizierung liegt mit (l)(iii) vor, jedoch nicht hinsichtlich des Zutreffens des bezeichneten Sachverhalts, sondern hinsichtlich der Person, die den fraglichen Sachverhalt in Szene setzt. Ganz anders wiederum verhält es sich mit dem als Aufforderung gedeuteten Imperativsatz in (l)(iv). Hierbei geht es weder um die aktuelle Wahrheit oder Falschheit des Satzes noch tun den Wunsch nach Füllung einer Kenntnislücke, sondern um die Spezifikation eines vom Adressaten herbeizuführenden Sachverhalts. ( 1 )(vi) drückt Erstaunen oder Verwunderung bzgl. des Bestehens des Sachverhalts aus, während mit (l)(v) das Bestehen des Sachverhalts gewünscht werden kann. Für beide Sätze in (l)(vi) besteht aufgrund der syntaktischen Eigenschaften -eingeleitet mit was bzw. einer Konjunktion und Verbendstellung- die Möglichkeit, dass es sich nicht um selbständige Sätze handelt, sondern vielmehr um elliptische Konstruktionen, bei denen der Matrixsatz elidiert ist. Zu einigen der meist als selbständig charakterisierten Sätze in (1) gibt es eingebettete Entsprechungen wie in (2). (2)

(i) (Clara weiß,) dass Jochen Zigarren geklaut hat. (ii) (Clara fragt,) ob Jochen Zigarren geklaut hat. (iii) (Clara ist egal), was Jochen geklaut hat.

([-w]-Komplement) ([+w]-E-Komplement) ([+w]-Komplement)

Dabei ist der eingebettete dass-Komplementsatz in (2)(i) auf den Deklarativsatz in (l)(i), der eingebettete ob-Komplementsatz in (2)(ii) auf den Entscheidungs-Interrogativsatz in (l)(ii) und der eingebettete w-Komplementsatz in (2)(iii) auf den Ergänzungs-Interrogativsatz in (l)(iii) zu beziehen. Hinsichtlich der syntaktischen Struktur weisen die Sätze in (1) -mit Ausnahme des als Ellipse analysierbaren Exklamativsatzes (l)(vi)- durchgängig Voranstellung des finiten Verbs auf. Die eingebetteten Sätze in (2) haben hingegen durchgängig Verbendstellung. Die Position des finiten Verbums diskriminiert also zumindest einige der Satzmodi in (1). Dies hat häufig dazu gefuhrt, dass die Satzmodi hinsichtlich der Verbstellung unterschieden wurden und dass in diesem Zuge eine terminologische Vermischung zwischen dem Konzept des Satzmodus und dem Konzept des Satztyps stattgefunden hat. Um möglichen begrifflichen Fehlinterpretationen vorzubeugen, lege ich die folgende Begriffsbestimmung zugrunde. Mit Satztypen bezeichne ich im Folgenden syntaktische Konstruktionen unabhängig von ihrer semantischen Form, ihrem Einstellungsbezug oder ihrer pragmatischen Verwendungsmöglichkeiten, d.h. ich rede von den Satztypen Verberstsatz (V/1-Satz), Verb-

1.1. Das Phänomen und die Hintergründe

3

zweitsatz (V/2-Satz) und Verbendsatz (V/E-Satz) und beziehe mich damit auf die im Deutschen möglichen strukturellen Konfigurationen, die hinsichtlich der Position des finiten Verbums unterschieden sind. Der Satzmodus hingegen bezeichnet eine semantische Kategorie. Wie in dieser Arbeit gezeigt wird, lässt sich der Satzmodus in erster Näherung durch diejenige Konfiguration sprachlicher Mittel charakterisieren, die relativ zu einer Äußerungswelt die Auswertungswelten und die Auswertungsweise einer Proposition determiniert. (3)

Der Satzmodus determiniert die Weltklassen, auf denen eine modal markierte Proposition ausgewertet wird, und die Art und Weise, wie sie ausgewertet wird.

Ganz ähnlich wie die grammatische Kategorie Tempus festlegt, dass Propositionen in Bezug auf Relationen zwischen verschiedenen Zeitpunkten oder -Intervallen interpretiert werden, legt die grammatische Kategorie Modus fest, dass Propositionen in Bezug auf Relationen zwischen verschiedenen Situationen (oder Welten) interpretiert werden. Die Unterscheidung zwischen modus realis und modus irrealis ist an dieser Stelle ein geeigneter illustrativer Hinweis. (4)

(i) Paul ist in Paris, (ii) Paul wäre in Paris.

Unter der prominenten Interpretation ist der Satz (4)(i) in einer Sprechsituation wahr, wenn es unter den gegebenen Verhältnissen (zur Sprechzeit) der Fall ist, dass sich ein Individuum namens Paul an einem Ort namens Paris aufhält. Der Satz (4)(ii) ist unter der prominenten Interpretation wahr, wenn es unter anderen als den gegebenen Verhältnissen (zur Sprechzeit) der Fall ist, dass sich Paul in Paris aufhält. Während man also bei der Interpretation von (4)(i) die aktuellen Verhältnisse konsultieren muss, um über die Wahrheit zu entscheiden, benötigt man zur Wahrheitsentscheidung fur (4)(ii) gerade nicht die aktuell bestehenden Verhältnisse, sondern (mehr oder weniger) genau bestimmbare Abweichungen davon. Obwohl beide Sätze deklarative V/2-Sätze sind, unterliegen sie doch hinsichtlich ihrer Interpretation ganz verschiedenen Bedingungen. Dieser Unterschied wird durch die unterschiedlichen verbalen Modi (Indikativ vs. Konjunktiv II) herbeigeführt. Zur Rekonstruktion der Satzmodalitäten benötigt man also ein theoretisches Konzept, welches reale Situationen von irrealen Situationen zu unterscheiden erlaubt und prinzipiell in der Lage ist, Darstellungen von und Beziehungen zwischen den aktuellen Gegebenheiten und ihren Alternativen auszudrücken. Zur Explikation der für die Satzmodalitäten notwendigen Annahmen verwende ich daher eine Mögliche-Welten-Semantik, die es gestattet, die relevanten Beziehungen zwischen den aktuell vorliegenden Gegebenheiten und den dazu existierenden Alternativen theoretisch zu erfassen. Zur Referenz auf solche alternativen Gegebenheiten verwende ich die Termini Welt bzw. Index. Unter einem Index wird gewöhnlich ein geordnetes Paar bestehend aus einer Welt w und einer Zeit t verstanden. Da die temporale Spezifikation einer Proposition hier i.d.R. vorausgesetzt wird, verwende ich häufig den Begriff Index, gelegentlich aber auch den Begriff Welt.

4

1. Einleitung

Propositionen benötigen neben ihrer temporalen Spezifikation auch eine modale Charakterisierung, die als modale Verankerung einer Proposition bezeichnet wird. Modale Verankerung rekonstruiere ich als eine dreistellige Relation zwischen einer Äußerungswelt, einer Proposition und einer Menge von möglichen Welten, die durch eineiji sog. Redehintergrund spezifiziert ist. Ein Redehintergrund kann zunächst verstanden werden als eine Menge von Propositionen.2 Typische Redehintergründe sind etwa die Folgenden: (5)

Redehintergründe: (i) epistemisch: (ii) buletisch: (iii) deontisch: (iv) faktisch:

Alles, Alles, Alles, Alles,

was was was was

gewusst wird. gewünscht wird. als Norm gilt. der Fall ist.

So enthält der deontische Redehintergrund die Menge all derjenigen Propositionen, die in einer Welt w als Norm gelten, der epistemische Hintergrund enthält alle Propositionen, die in einer Welt w gewusst werden und der faktische Redehintergrund enthält all diejenigen Propositionen, die in einer Welt w der Fall sind. In einer etwas formaleren Weise lässt sich ein Redehintergrund auffassen als eine Funktion, die jeder möglichen Welt w die Menge derjenigen Propositionen zuweist, die in w gewusst werden, geglaubt werden, als Norm gelten oder der Fall sind. In Kratzer (1978,1981,1991) werden Redehintergründe verwendet, um die Mehrdeutigkeiten, die bei der Interpretation von Modalverben auftreten, theoretisch zu erfassen. So lässt das Modalverb müssen in (6) u.a. die folgenden Deutungen in (7)(i) zu. (6)

Peter muss kommen.

(7)

(i) deontisch: (ii) epistemisch: (iii) elpistisch:

Hinsichtlich dessen, was als Norm gilt, muss es so sein, dass Peter kommt. Hinsichtlich dessen, was gewusst wird, muss es so sein, dass Peter kommt. Hinsichtlich dessen, was gehofft wird, muss es so sein, dass Peter kommt.

Die wesentliche Idee beruht darauf, dass nicht zu jeder möglichen Interpretation eines Modalverbs ein spezifischer Lexikoneintrag angesetzt wird, sondern dass die Semantik des Modalverbs invariant ist, aber relativ zu verschiedenen Redehintergründen evaluiert wird. Redehintergründe sind also semantische Objekte, deren grammatische Relevanz auch unabhängig von Satzmodalitäten motiviert ist. Für einen Redehintergrund h gilt also, dass er jeder Welt w aus der Menge W aller möglichen Welten diejenige Menge von Propositionen zuweist, die relativ zu seiner Spezifikation in w zutreffen. Für die Redehintergründe in (5) gilt damit:

Vgl. Kratzer (1978, 1981, 1991), Lewis (1981).

5

1.1. Das Phänomen und die Hintergründe

(8)

Vw e W: (i) hep,(w) (ii) hdox(w) (iii) hbul(w) (iv) help(w) (v) hdeon(w) (vi) hfalct(w)

= = = = = =

{p/p ist bekannt} {p/p wird geglaubt} {p/p wird gewünscht} {p/p wird gehofft} {p/p gilt als Norm} {p/p ist wahr }

(Alles, was in w gewusst wird.) (Alles, was in w geglaubt wird.) (Alles, was in w gewünscht wird.) (Alles, was in w gehofft wird.) (Alles, was in w als Norm gilt.) (Alles, was in w der Fall ist.)

Neben diesen nicht personal gebundenen Redehintergründen lassen sich auch die Kenntnissysteme von Sprechern und Hörern als Mengen von Propositionen und damit als Redehintergründe rekonstruieren.3 So lässt sich etwa das doxastische System der Person Paul als die Menge derjenigen Propositionen rekonstruieren, die Paul glaubt, das buletische System als die Menge derjenigen Propositionen, die Paul wünscht und das elpistische System als die Menge derjenigen Propositionen, die Paul hofft. Die jeweiligen Redehintergründe sind dazu nicht nur relativ zu einer Welt w zu parametrisieren, sondern auch relativ zu einem Individuum a, wie dies in (9) angedeutet ist. (9)

(i) hdox(w,a) (ii) hbul(w,a)

= Alles, was die Person a in w glaubt, = Alles, was die Person a in w wünscht.

Analog lässt sich für alle Verben der propositionalen Einstellung das jeweilige System als Menge von Propositionen spezifizieren. Da der Unterschied zwischen glauben und wissen darin besteht, dass alles, was man weiß, auch glaubt -aber nicht umgekehrt- gilt (10), d.h. die Menge derjenigen Propositionen, die das Individuum a weiß, ist eine Teilmenge derjenigen Propositionen, die das Individuum a glaubt. (10) L ( w , a) c hdox(w, a) Verschiedene Redehintergründe stehen somit in systematischen Beziehungen, die mengentheoretisch erfassbar sind. Redehintergründe lassen sich sprachlich explizit oder implizit thematisieren. So wird die Proposition, die der eingebettete Komplementsatz in (1 l)(i) ausdrückt, in dem doxastischen System des Referenten des Matrix-Subjekts Paul modal verankert. Aufgrund der Einbettung der Proposition unter ein Verb der propositionalen Einstellung wird die modale Verankerung explizit thematisiert. Anders verhält es sich im Fall von (1 l)(ii), bei dem die modale Verankerung nur implizit ausgedrückt ist. (11)

(i) Paul glaubt, dass Maria in der Egon-Bar liegt, (ii) Maria liegt in der Egon-Bar.

Vgl. Hintikka 1969.

6

1.

Einleitung

Wie ich im Verlauf dieser Arbeit zeigen werde, findet die modale Verankerung von (1 l)(i) relativ zum sprachlichen Kontext statt, während die Verankerung bei (1 l)(ii) im Diskurskontext stattfindet. Mit dieser Unterscheidung ist zunächst der Unterschied zwischen selbständigen und abhängigen Sätzen markiert. Bei abhängigen Komplementsätzen wird ein Einstellungsbezug relativ zum Referenten des Matrixsatz-Subjekts und dem durch das Matrixverb spezifizierten Kenntnissystem explizit benannt. Dies ist bei selbständigen Sätzen nicht der Fall, so dass es die Frage zu beantworten gilt, aufweiche Weise Sprechereinstellungen ausgedrückt werden können, ohne dass sie explizit gesagt werden.4 Was ausgedrückt wird ohne gesagt zu werden, muss auf andere Weise kommuniziert werden. Dies führt uns zu den regulären grammatischen Mitteln, mit deren Hilfe Einstellungen ausgedrückt werden können.

1.2

Die grammatischen Mittel

Betrachtet man die formalen Mittel, die einen Einfluss auf die Spezifizierung des Satzmodus haben, so stellt man fest, dass diese aus verschiedenen Teilsystemen des grammatischen Kenntnissystems herstammen. Zum einen handelt es sich um bestimmte Elemente des Lexikons, Komplementierer wie dass, ob usw., die einerseits eingebettete Sätze wie in (12) einleiten können, andererseits aber auch die vermeintlich selbständigen Sätze in (13). (12) Claudia weiß,... (i) ... dass Jochen Zigarren klaut. (ii) ... ob Jochen sie auch geraucht hat. (13)

(i) Dass du aber auch immer zu spät kommen musst. (ii) Ob du nicht mal pünktlich sein kannst?

Treten Komplementierer auf, so befindet sich das finite Verb stets in satzfinaler Position. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine komplementäre Verteilung dieser beiden Elemente angenommen wurde.5 Der Komplementierer dass besitzt deklarative Eigenschaften, während der Komplementierer ob (entscheidungs-) interrogativ gedeutet wird. Diese vorläufigen Annahmen ergeben sich aus der Distribution der beiden Komplementierer, die von der Selektion entsprechender Matrixverben abhängen. So ist etwa behaupten ein Verb, welches einen eingebetteten Satz mit cfass-Einleitung erfordert, während fragen u.a. einen oi-eingelei-

Zum Ausdrücken von Einstellungen und dem Unterschied zwischen sagen (say) und (express) vgl. Lang (1983).

ausdrücken

Vgl. von Stechow/Stemefeld (1988:402ff.) zu einer kritischen Diskussion dieser Annahme.

1.2. Die grammatischen

7

Mittel

teten Nebensatz als Komplement verlangt. Im Hinblick auf die Selektionsanforderung und die Semantik des Matrixverbs lässt sich dann die jeweilige modalisierende Funktion der Komplementierer derart bestimmen, dass im Kontext des Verbs fragen ein eingebetteter Fragesatz auftritt, während im Kontext des Verbs behaupten ein eingebetteter Deklarativsatz auftritt. 6 Entsprechend weist man den Komplementierern ihre modalisierende Kraft zu. Neben diesem lexikalischen Mittel ist die Flexionskategorie des Verbmodus in bestimmter Weise an der Determination des Satzmodus beteiligt, wie die jeweiligen Interpretationen der Sätze in (14) zeigen. (14)

(i) (ii) (iii) (iv)

Peter kommt. Peter komme. Peter käme. (Peter) komm!

(Indikativ) (Konjunktiv I) (Konjunktiv II) (Imperativ)

Der verbale Modus Imperativ determiniert unabhängig von anderen Eigenschaften des Satzes den Satzmodus Imperativ wie (14)(iv) zeigt. Die beiden anderen Verbmodi Indikativ in (14)(i), Konjunktiv in (14)(ii) bzw. (14)(iii) benötigen zusätzliche syntaktische Mittel, um einen Satzmodus zu konstituieren. Betrachtet man jedoch die Vl-Sätze in (15), so lassen sich verschiedene Effekte beobachten, die den Satzmodus in direkter Abhängigkeit vom Verbmodus beeinflussen. Dabei lässt sich feststellen, dass der Verbmodus Imperativ nicht direkt den Satzmodus bestimmt, sondern nur im Zusammenwirken mit der Initialstellung des finiten Verbs. Mit diesem Zusammenwirken erzielen aber auch Indikativ und Konjunktiv je eigene spezifische Effekte. (15)

(i) (ii) (iii) (iv) (v)

Gib die Zigarren zurück, Jochen! Gibt Jochen die Zigarren zurück? Gäbe Jochen die Zigarren zurück? Gäbe Jochen die Zigarren zurück (, könnten wir endlich aufatmen.) Gäbe Jochen doch die Zigarren zurück.

Die Sätze in (15) weisen durchgängig Initialstellung des finiten Verbs auf, so dass der einzige morphosyntaktische Unterschied dieser Sätze in der unterschiedlichen Realisierung des Verbmodus besteht. In (15)(i) liegt ein Imperativsatz vor, was sich an der spezifischen Verbform erkennen lässt. (15)(ii) und (15)(iii) sind Fragesätze, wobei der verbale Modus zwischen Indikativ und Konjunktiv II variiert. Während (15)(ii) eine unbedingte Entscheidungsfrage ist, deren Antwort nur auf die aktuelle Situation Bezug nehmen muss, ist mit der Beantwortung von ( 15)(iii) eine Bedingung verbunden, deren (Nicht-) Erfüllung die Antwort determiniert. Diese Bedingungsabhängigkeit der Antwort wird einzig durch den

Dass die Dinge nicht so einfach liegen, zeigt Eisenberg (1986:340ff.), der daraufhinweist, dass die Klassenbildung bei Komplementsatz-fordemden Verben bzgl. der [±wh]-Selektion anders stattfinden muss als üblicherweise angenommen; vgl. dazu auch Fortmann (1994).

8

1. Einleitung

Konjunktiv II induziert. Dies zeigt noch deutlicher der strukturidentische Antezedenssatz des Konditionalsatzes in (15)(iv). Während (15)(iii) jedoch die (Nicht-) Erfüllung der Bedingung thematisiert, unter der die Antwort wahr ist, spezifiziert der Antezedenssatz in (15)(iv) gerade selbst die Bedingung, die erfüllt sein muss, damit der Konsequenzsatz (in Klammern) erfüllbar ist. In beiden Sätzen wird jedenfalls durch den Konjunktiv eine Bedingung eingeführt, und dies führt zu einem Modalitätswechsel, der im Fall von (15)(v) auch einem traditionell unterschiedenen Satzmodus entspricht, nämlich dem Optativ. Für diese Interpretation ist die Modalpartikel doch (bzw. bloß, nur, wenigstens) obligatorisch. Diente (15)(iii) dazu, die Antwort bedingungsabhängig zu formulieren und (15)(iv) dazu, die Erfüllung einer Bedingung für den Konsequenzsatz vorauszusetzen, so drückt (15)(v) gerade eine Bedingung aus, deren eigene Erfüllung thematisiert wird. Um (15)(v) angemessen zu äußern, muss klar sein, dass es zu den Kenntnissen des Sprechers gehört, dass Jochen die Zigarren noch nicht zurückgegeben hat. Weiterhin sind spezifische Wortstellungen für die Satzmodus-Bestimmung relevant. Von besonderer Relevanz scheint zum einen die Position des finiten Verbs zu sein. Dieses kann modusrelevant in Anfangsposition ( 16)(i), in zweiter Position (( 16)(ii) - ( 16)(iv)) oder in Endposition (17) eines Satzes auftreten. Tritt es in zweiter Position auf, so spielt die erste Konstituente eine weiter differenzierende Rolle, abhängig davon, ob sie w-markiert ist ((16)(iii) - (16)(iv)), d.h. ein w-Pronomen enthält oder nicht ((17)(i)). (16)

(i) (ii) (iii) (iv)

Klaut Jochen die Zigarren? Jochen klaut die Zigarren. Wer klaut die Zigarren? Was klaut Jochen?

(17) Claudia weiß,... (i) ... ob Jochen die Zigarren klaut. (ii) ... dass Jochen die Zigarren klaut. (iii) ... wer die Zigarren klaut. (iv) ... was Jochen klaut. Falls keine weiteren Mittel verwendet werden, führt die Initialstellung des indikativen finiten Verbs zu einem selbständigen Entscheidungsfragesatz wie in (16)(i), dessen eingebettetes Pendant (17)(i) ist. Besetzt eine Konstituente ohne w-Markierung die Position vor dem finiten Verb (16)(ii), so ergibt sich der selbständige Deklarativsatz, dessen eingebettete Entsprechung der úfoss-eingeleitete Satz in (17)(ii) ist. Bei den selbständigen Ergänzungsfragesätzen in (16)(iii) und (16)(iv) wird die Position vor dem finiten Verb durch eine w-markierte Konstituente besetzt. Die entsprechenden Einbettungen in (17)(iii) und (17)(iv) weisen ebenfalls eine w-markierte Konstituente in Initialposition auf, jedoch befindet sich das finite Verb in Endposition. Daneben existieren die selbständigen Verbletzt-Sätze, die entweder von einem Komplementierer oder einer w-markierten Phrase eingeleitet werden können. Nichtw-markierte Phrasen sind weder in selbständigen noch in eingebetteten finiten Verbletzt-

1.2. Die grammatischen Mittel

9

Sätzen in Initialstellung möglich, vgl. (18)(iv) und (18)(v). (18)

(i) (ii) (iii) (iv) (v)

Dass Jochen (aber auch) Zigarren klaut! Was Jochen (aber auch) an Zigarren klaut! Wie Jochen (aber auch) die Zigarren klaut! "Die Zigarren Jochen aber auch klaut! "Maria weiß, die Zigarren Jochen klaut.

Die Sätze in (18)(i) - (18)(iii) weisen Verbendstellung auf, haben in Initialposition entweder einen Komplementierer oder eine w-markierte Konstituente und sind exklamativ zu deuten. Bei (18)(iv) hat Voranstellung des Objekts stattgefunden, was bei VerbletztStellung zu einem ungrammatischen Resultat führt. Ein vergleichbarer Effekt ist bei dem Komplementsatz in (18)(v) zu beobachten, bei dem ebenfalls eine [-wh]-Phrase in Initialstellung auftritt. Durch Wahl einer geeigneten Modalpartikel und die Flexionskategorie der zweiten Person/Präsens lässt sich ( 18)(i) zu dem Aufforderungssatz ( 19)(i) umbilden, während die Verwendimg des Konjunktivs den Exklamativsatz (18)(i) in den Wunschsatz (19)(ii) überfuhrt. (19)

(i) Dass du mir (ja) die Zigarren klaust! (ii) (Oh, ) dass Jochen (doch) Zigarren klaute.

Ein weiteres lexikalisches Mittel zur Spezifikation des Satzmodus stellen Modalpartikeln dar, die den durch verbalen Modus, Verbstellung und Besetzung der Initialposition bestimmten Satzmodus weiter abtönen bzw. modifizieren können. Ihr Auftreten ist jedoch durch den Satztyp und dessen modaler Spezifikation scharf restringiert. So sind etwa die folgenden Kombinationen von Satzmodi und Modalpartikeln möglich. (20)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii)

Jochen klaut (doch/eben/einfach/halt/ja) Zigarren. Klaut Jochen (auch/denn/eigentlich/etwa/wohl) Zigarren? Was klaut Jochen (bloß/denn/eigentlich/nur/schon/wohl)? Klau (bloß/doch/eben/einfach/halt/ja/nur/ruhig/schon) Zigarren, Jochen! Klaute Jochen (bloß/doch/nur) Zigarren! Klaut Jochen (aber/vielleicht/aber auch) Zigarren. Was/Wie klaut Jochen (aber auch/doch) Zigarren!

Unverträglich sind hingegen die Kombinationen in (21)(i), wobei (21)(i) deklarativ, (21)(ii) und (21)(iii) interrogativ zu deuten sind und die Modalpartikeln unbetont bleiben müssen.7

Vgl. Weydt (1969), Heibig (1988) sowie Altmann (1987) zu verschiedenen Studien. Die unterschiedlichen Funktionen und Interpretationsvarianten betonter und unbetonter Modalpartikeln untersucht Meibauer (1993).

10

1.

(21)

Einleitung

(i) "Jochen klaut (denn/etwa/aber auch) Zigarren. (ii) "Klaut Jochen (doch/eben/halt/ja) Zigarren? (iii) "Wer klaut (doch/eben/halt/ja) Zigarren?

Neben den lexikalischen und syntaktischen Mitteln dienen auch intonatorische und prosodische Markierungen der Satzmoduskennzeichnung.8 So lassen Deklarativsätze mit steigendem Tonmuster eine interrogative Deutung zu, wie die sog. assertive Frage in (22)(i). Dass es sich dabei jedoch nicht um den Interrogativmodus handelt, zeigt die Unverträglichkeit dieses Satztyps mit den für Interrogativsätzen typischen Modalpartikeln. Andererseits kann es sich dabei aber auch nicht um einen reinen Deklarativsatz handeln, denn auch mit den für Deklarativsätze typischen Modalpartikeln verträgt sich (22)(i) nicht, wie (22)(iii) zeigt. (22)

(i) Jochen klaut Zigarren? (ii) "Jochen klaut (denn/etwa/eigentlich) Zigarren? (iii) "Jochen klaut (ja/doch/halt/eben) Zigarren?

Auch der Unterschied zwischen Alternativfragen gegenüber Entscheidungsfragen wird mit Hilfe intonatorischer Markierungen ausgedrückt. (23)(i) scheint ohne intonatorische Information zunächst ambig. Steigendes Tonmuster auf dem ersten Konjunkt und fallendes Tonmuster auf dem zweiten Konjunkt legt die Alternativfrage-Deutung fest. Dabei scheint das fallende Tonmuster auf dem letzten Konjunkt die relevante Bedingung für die Alternativfrage-Lesart zu sein, denn auch bei Mehrfach-Alternativen müssen die ersten Konjunkte stets ein steigendes Tonmuster aufweisen und nur das letzte Konjunkt ein fallendes. Weist auch das letzte Konjunkt ein steigendes Tonmuster auf, so stellt sich die Deutung als Entscheidungsfrage ein, bei der danach gefragt wird, ob Jochen Zigarren oder Schnaps stiehlt oder nicht. (23)

(i) Klaut Jochen Zigarren oder Schnaps? (ii) Klaut Jochen Zigarren oder Hühner oder Schnaps?

Eine kompositioneile Theorie des Satzmodus hat nun diese spezifischen InterpretationsEffekte auf der Basis der regulären grammatischen Mittel abzuleiten. Zunächst ist dazu eine Theorie über die prominentesten Modi der Sätze in (1), hier wiederholt als (24), zu formulieren. (24)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)

Jochen klaut Zigarren. Klaut Jochen Zigarren? Wer klaut Zigarren? Klau Zigarren! Klaute Jochen (doch) Zigarren! Was Jochen aber auch für Zigarren geklaut hat!

Vgl. Altmann (1987:41ff.), Näf (1987:146ff.), Oppenrieder (1987)

(Deklarativ) (E-Interrogativ) (W-Interrogativ) (Imperativ) (Optativ) (Exklamativ)

1.3. Satzmodus in der Forschung

11

Ein wesentliches Ziel wird darin bestehen, die Bedingungen zu spezifizieren, unter denen eine adäquate Interpretation dieser Sätze auf der Grundlage der beteiligten grammatischen Mittel abgeleitet werden kann. Diese Bedingungen können in erster Approximation wie folgt formuliert werden: Während für den Deklarativsatz (24)(i) Wahrheitsbedingungen zu formulieren sind, sind für die Interrogativsätze (24)(ii) und (24)(iii) Antwortbedingungen und für den Imperativsatz (24)(iv) und den Optativsatz (24)(v) Erfüllensbedingungen zu formulieren. Die Sätze in (24) sind an einem Index i dadurch charakterisiert, dass (24)(i) genau dann wahr ist, wenn Jochen an i Zigarren klaut. Für (24)(ii) ist an einem Index i die Antwort derart bestimmt, dass sie entweder genau dann wahr ist, wenn Jochen an i Zigarren klaut oder wenn Jochen an i keine Zigarren klaut. Die Antwortbedingung für (24)(iii) ist derart zu formulieren, dass eine Klasse der in i existierenden Individuen entweder in i Zigarren klaut oder in i keine Zigarren klaut. Der Imperativsatz (24)(iv) ist erfüllt an einem Index i, genau dann, wenn es einen Index j gibt, der einen (temporalen) Folgezustand von i darstellt, so dass die mit (24)(iv) ausgedrückte Proposition durch eine Handlung des Adressaten in j wahr ist. Eine analoge Bedingung gilt für den Optativsatz in (24)(v). Der Exklamativsatz in (24)(vi) ist erfüllt, wenn die ausgedrückte Proposition am Index i zu der Menge derjenigen Propositionen gehört, über die der Sprecher am Index i erstaunt, verwundert, entrüstet usw. ist. Exklamativsätze sind sowohl aufgrund dieser Interpretation als auch aufgrund ihrer spezifischen syntaktischen Eigenschaften (konjunktionale Einleitung und VerbletztStellung) ganz ähnlich zu behandeln wie Konstruktionen mit Verben der propositionalen Einstellung. Die Vorbedingung fur die bei Exklamativsätzen auftretende Matrixsatz-Ellipse ist dabei auf die zwangsläufige Bekanntheit des elidierten Matrixsubjekts (Sprecher) sowie des Ausdrucks seiner Einstellung zurückführbar.

1.3. Satzmodus in der Forschung Bevor ich mich den damit verbundenen Fragen zuwende, werde ich stellvertretend für die Vielzahl der Theorien einige prominente Ansätze9 kurz referieren und die umfassenderen Konzeptionen hinsichtlich ihrer Kompositionalität genauer diskutieren.

1.3 .1. Paraphrase-Ansätze Austins (1962) Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Sprechakten hat zu einer Unterscheidung zwischen Deklarativen und Nicht-Deklarativen in den seman-

Zu einer ausfuhrlichen Darstellung verschiedener anderer Satzmodustheorien vgl. Grewendorf/Zaefferer (1991).

12

1. Einleitung

tischen und pragmatischen Beschreibungen von Sätzen gefuhrt. Dabei identifizierte man die semantischen Eigenschaften von Deklarativsätzen i.d.R. mit den Wahrheitsbedingungen für Propositionen. Nicht-deklarative Sätze hingegen, denen ohne weitere Zusatzannahmen kein Wahrheitswert zugeordnet werden kann, werden in verschiedenen Arbeiten auf die deklarative Struktur der Austinschen explizit performativen Formeln bezogen.10 Die nichtdeklarativen Sätze in (25) werden auf die deklarativen Sätze in (26) bezogen und hinsichtlich der Wahrheitswerte mit diesen identifiziert. Dementsprechend ist ein nicht-deklarativer Satz wahr genau dann, wenn seine performative Paraphrase wahr ist.11 (25)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)

Jochen klaut Zigarren. Klaut Jochen Zigarren? Wer klaut Zigarren? Klau Zigarren! Dass Jochen (aber auch) Zigarren klaut! Klaute Jochen (doch) Zigarren.

(26)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi)

Ich stelle fest, dass Jochen Zigarren klaut. Ich frage sie, ob Jochen Zigarren klaut. Ich frage sie, wer Zigarren klaut. Ich befehle ihnen, Zigarren zu klauen. Es erstaunt mich, dass Jochen Zigarren klaut. Ich wünsche mir, dass Jochen Zigarren klaut.

Dabei bezieht sich der Wahrheitswert nicht auf den eingebetteten Satz, sondern auf den gesamten paraphrasierten Matrixsatz. So erhält etwa der Imperativsatz in (25)(iv) den Wahrheitswert wahr, wenn der Matrixsatz von (26)(iv) wahr ist, d.h. wenn der Sprecher tatsächlich einen Befehl äußert.12 Ein wesentlicher Kritikpunkt an dieser Methode der paraphrasierten Performative liegt darin, dass die jeweiligen Matrixverben in (26) n-fach ambig sein müssen, wenn die Sätze in (25) jeweils η mögliche Illokutionen aufweisen. So kann etwa der Imperativsatz in (25)(iv) nicht nur als Befehl aufgefasst werden, sondern eben auch als Ratschlag, Empfehlung, Wunsch usw. Die Methode der Paraphrasierung wird damit den verschiedenen Variantenbildungen hinsichtlich der ausgedrückten Einstellungen nicht gerecht. Eine andere Art der Behandlung wird in Lewis (1976:38) auf der Grundlage von Stenius (1967) vorgeschlagen, derzufolge der propositionale Gehalt eines Satzes in allen Varianten von (25) identisch ist. Diesen Teil bezeichnet Stenius (1967:254) als das Satzradikal. Es entspricht in etwa der eingebetteten Proposition der Sätze in (26). Daneben weisen die Sätze eine andere Komponente auf, die die illokutionäre Kraft des Satzes ausdrückt. Diese Komponente nennt Stenius das modale Element. Das Satzradikal ent-

Vgl. etwa Ross (1970), Lewis (1976). Lewis (1976:40). Vgl. Lewis (1976:41f.).

1.3. Satzmodus in der Forschung

13

spricht damit einem modal unmarkierten dass-Satz und ist insofern wahrheitswertfähig. Sätze wie in (25) und (26) werden dieser Analyse entsprechend in eine modale Komponente und ein Satzradikal unterteilt, wie dies in (27) dargestellt ist. (27)

Satz Radikal Clara lacht

Die Moduskomponente kann auf dreifache Weise spezifiziert werden, so dass Deklarativ-, Interrogativ- und Imperativsätze unterschieden werden können. Dieser Ansatz stellt bereits die relevante Unterscheidung hinsichtlich der Satzstrukturen dar. Die Modi werden hier jedoch als Primitiva aufgefasst, die nicht weiter in Teilkomponenten und deren Interaktion zerlegt werden können. Insofern stellt der von Stenius (1967) vorgeschlagene und von Lewis (1976) elaborierte Ansatz gegenüber den Paraphrase- bzw. Hypersatz-Ansätzen eine adäquatere Erfassung der Datenlage dar, da nicht mehr auf eine konkrete Realisierung der Modalität im Sinne eines expliziten Hypersatzes Bezug genommen wird, sondern auf das abstraktere Konzept des Modus. Damit wird ein -wie auch immer strukturiertes- grammatisches Objekt mit einer Proposition zu einem modal spezifizierten Satz kombiniert. Damit ist der Weg geebnet, um neben den Wahrheitsbedingungen, denen Deklarativsätze unterliegen, auch Erfüllensbedingungen für Nicht-Deklarative zu formulieren. Die Idee, dass die Bedeutung eines Satzes aus den beiden Komponenten Modus und Radikal konstituiert wird, liegt in leicht modifizierter Form den nun zu besprechenden einstellungsbasierten Ansätzen zugrunde.

1.3 .2. Einstellungsbezogene Ansätze In Bierwisch (1979,1980), Doherty (1987), Lang/Pasch (1988) wird eine Konzeption der Kategorie Satzmodus entwickelt, die auf Sprechereinstellungen rekurriert. Dabei legt der Satzmodus über das Einstellungssystem ATT die Referenz des propositionalen Gehaltes einer Äußerung auf den Äußerungskontext fest, so dass auf der Ebene der Äußerungsbedeutung die ausgedrückte Sprechereinstellung ait bezüglich ρ interpretiert werden kann. Basierend auf Bierwischs (1980:7) Unterscheidung zwischen der semantischen Form (sem) und dem kommunikativen Sinn (es) von Sprechakten wird die Annahme vertreten, dass die zu verstehen gegebene Einstellungskonfiguration, die mit einem Satz s in einen Interaktionszusammenhang eingeführt wird, den kommunikativen Sinn der sprachlichen Handlung festlegt. Die durch den Satzmodus spezifizierten Einstellungskonfigurationen geben dabei gerade den grammatisch determinierten Anteil der pragmatisch vollzogenen Sprech-

14

1.

Einleitung

handlung an. Der Satzmodus bildet somit die Schnittstelle zwischen Grammatik und Pragmatik. Die Äußerungsbedeutung m eines Satzes ergibt sich aus der Kombination einer Einstellung att e ATT mit einer Proposition p, wie dies in (28) dargestellt ist. ATT ist ein wohldefiniertes System alternativer kognitiver Einstellungen,13 wobei besonders hervorzuheben ist, dass att weder eine Illokution noch ein Element der semantischen Form ist, sondern eben ein Element des Systems kognitiver Einstellungen, welches weder durch grammatische Prinzipien noch durch kommunikative Handlungssysteme vollständig determinierbar ist. (28)

(i) m = , wobei att e ATT. (ü) Satz att Í assertiv jerotetisch I direktiv > optativ lexklamativ

Clara lacht

Der propositionale Gehalt pc wird mit einem Element att aus dem Einstellungssystem ATT kombiniert. ATT wird dabei aufgefasst als ein im Sinne der Modularitätshypothese autonomes Teilsystem der menschlichen Kognition. Die Elemente des Systems ATT der kognitiven Einstellungen bewerten aktuelle oder mögliche Weltzustände oder -gegebenheiten. Der kommunikative Sinn einer Äußerung in einer Gesprächssituation wird -Bierwisch folgend- derart mit Elementen aus ATT verknüpft, dass der Sprecher den Hörer dazu bringen möchte, seine Einstellung zu dem durch pc ausgedrückten Sachverhalt zu erkennen. Der kommunikative Sinn lässt sich dann aus der Kenntnis der Einstellung nach den Regeln und Prinzipien eines Systems SI der sozialen Interaktion herleiten. Aus dem Vorliegen einer Sprechereinstellung zu einem Sachverhalt wird der kommunikative Sinn einer Äußerung also völlig unabhängig von der Sprachkenntnis rekonstruiert. Für Lang/Pasch (1988:3) ist der "Satzmodus ein konstitutiver, aus dem Zusammenwirken von phonologischer, syntaktischer und lexikalischer Strukturbildung determinierter Bestandteil jedes Ausdrucks s der Kategorie Satz, der sich in der Repräsentation der Satzbedeutimg von s als Einstellungsoperator ATT zu dem als Operand figurierenden propositionalen Gehalt PC (den semantisch repräsentierten Bedingungen für die Identifizierung eines Sachverhalts p) manifestiert". Der Satzmodus legt via ATT die Referenz von PC auf den Äußerungskontext fest, indem er auf der Ebene der Äußerungsbedeutung als ausgedrückte Sprechereinstellung att bezüglich ρ interpretiert wird. Die als att ausge-

Vgl. Bierwisch (1980:21).

1.3. Satzmodus in der Forschung

15

drückte bzw. zu verstehen gegebene Einstellung (oder Einstellungskonfiguration) legt den kommunikativen Status fest, mit dem s als Äußerung bezüglich ρ in einen gegebenen Interaktionszusammenhang eingeführt und im Rahmen kommunikativer Konventionen als Vehikel einer sprachlichen Handlung interpretiert wird. Der vom Satzmodus via ATT und att vermittelten Interpretationsbedingungen für s umschreiben dabei den Anteil des Sprachsystems an der Determination der mit einer Äußerung von s vollziehbaren sprachlichen Handlung und somit die Schnittstelle zwischen Grammatik und Pragmatik. Zur näheren Begriffsbestimmung postulieren Lang/Pasch (1988:6) eine abstrakte Kategorie SM als obligatorisch realisierten und somit konstitutiven Bestandteil jeder regulären Instanz s e { S n P n I } , wobei S die syntaktische Domäne, Ρ die propositionale Domäne und I ein Intonationsmuster ist. Leider liegt der Ansatz von Lang/Pasch nur als Entwurf eines Projektes vor, das die interagierenden Komponenten und ihren jeweiligen Beitrag zur Konstitution des Satzmodus zu untersuchen beabsichtigt, dessen Durchführung meines Wissens bislang aber nicht stattgefunden hat.

1.3 .3. Logikbasierte Ansätze In Montague (1974c:248) wird im Rahmen einer formalen Semantiktheorie neben der Explikation von Wahrheits- und Folgerungsbedingungen für Aussagesätze die Formulierung von Erfüllensbedingungen für Imperative sowie die Charakterisierung von Antwortbedingungen für Fragen als zentrale Aufgabenstellung von Syntax und Semantik aufgefasst: "In connection with imperatives and interrogatives truth and entailment conditions are of course inappropriate, and would be replaced by fulfillment conditions and a characterization of the semantic content of a correct answer. " Montague selbst hat sich diesen Aufgaben nicht mehr zuwenden können, doch hat es in seiner Nachfolge nicht an Versuchen gefehlt, die Semantik nicht-deklarativer Sätze auch unter einer formal-logischen Betrachtungsweise zu analysieren. So hat etwa Hausser (1980) in einem an der Montague-Grammatik orientierten Ansatz den syntaktisch unterschiedenen Satztypen je spezifische Denotationstypen zugeordnet. Aus der Perspektive einer oberflächen-orientierten Grammatiktheorie versucht Hausser, die Satzmodi Deklarativ, Imperativ und Interrogativ ohne Rekurs auf zugrundeliegende Merkmale zu derivieren. Die Unterschiede zwischen den Satzmodi werden durch die Unterschiede in den logischen Typen der zugeordneten semantischen Objekte reflektiert. Demnach denotieren Deklarative Propositionen, die vom Typ sind, d.h. Funktionen von Indizes in Wahrheitswerte. Imperative denotieren Eigenschaften von Individuenkonzepten und sind damit vom Typ , wobei f(t/e) ein einstelliges Prädikat vom logischen Typ ist, welches eine Kontextvariable enthält, die die Hörer-Eigenschaft repräsentiert.14 Interrogative denotieren Funktionen von Indizes in Mengen von nicht-

Vgl. Hausser (1980:84).

16

1.

Einleitung

redundanten Antwort-Konstituenten und sind damit vom Typ < s , « s , a > , t » , wobei α der Typ des Antwortausdrucks ist. Interrogative denotieren folglich Funktionen von Indizes in Funktionen von Antwort-Intensionen in Wahrheitswerte. Da Haussers Theorie intendierterweise strikt oberflächen-orientiert ist, wird ausdrücklich auf zugrundeliegende abstraktere Charakterisierungen in Modusklassen wie Interrogativ, Deklarativ, Imperativ verzichtet. Allein aus den verschiedenen Denotationstypen wird der Unterschied zwischen den Satzmodi deriviert, die Gemeinsamkeit aber, die dem Phänomen Satzmodus zugrunde liegt, wird mit einer rein oberflächenorientierten Grammatik nicht ausgedrückt und kann mit einer solchen Grammatiktheorie auch prinzipiell nicht ausgedrückt werden. Während eine Klassenbildung für Deklarative, Imperative und Interrogative aufgrund ihres auf abstrakter Ebene konstanten Denotationstyps möglich ist, ist keine Gemeinsamkeit zwischen diesen Klassen zu erkennen, so dass in diesem Ansatz die Gemeinsamkeit der Satzmodi zufällig bleibt. Weitere Ansätze zur Semantik von Fragen und Imperativen werde ich aus Gründen der thematischen Zugehörigkeit im Kapitel zur Semantik der Satzmodi besprechen.

1.3 .4. Illokutionstyp- und illokutionslogikbasierte Ansätze Basierte der Ansatz von Hausser (1980) auf einer Unterscheidung der logischen Typen der Satzmodi, so wird in Zaefferer (1984) für eine auf Illokutionstypen basierende Klassifikation von Sätzen mit unterschiedlichen illokutiven Funktionen plädiert. Zaefferer (1984:11) gibt aber nicht nur einer pragmatisch orientierten Klassifikation gegenüber einer semantisch-orientierten Einteilung den Vorzug, sondern er wendet sich auch explizit gegen eine syntaktisch basierte Kategorisierung: "Die satzartengerechte Bewertung von Sätzen ist inadäquat und muss durch eine illokutionstypengerechte Bewertung ersetzt werden. " Die Satzarten -und damit meint Zaefferer die syntaktisch unterschiedenen Satzkonstruktionensollen demzufolge nicht die Basis für eine Klassifikation der Sätze liefern. Andererseits formuliert er jedoch in der an Montague (1974b) angelehnten zweiten These, dass die Grammatik (Theorie der Sprachstruktur) zwar das Illokutionspotential von Sätzen determiniert, die Pragmatik (Theorie des Sprachgebrauchs) hingegen erst aus dieser Menge die im jeweiligen Kontext relevante Lesart aussondert. In welchem spezifischen Sinne die Grammatik, speziell die syntaktischen Regeln und Prinzipien, das Illokutionspotential eines Satzes festlegt, bleibt bei Zaefferer (1984) indes offen. Gemäß der ersten These können die verschiedenen Verwendungsweisen von Sätzen in einer endlichen und überschaubaren Liste von Illokutionstypen zusammengefasst werden. Dieses Verfahren erlaubt zwar die Bildung funktionaler Klassen, beantwortet jedoch nicht die Frage, inwieweit die Komponenten und Prozesse der syntaktischen Strukturbildung diese funktionalen Klassen definieren, so dass letztlich unklar bleibt, inwieweit die Grammatik das Illokutionspotential eines Satzes tatsächlich zu determinieren in der Lage ist. Die Pragmatik -bei Zaefferer (1984:19) als Illokutionssemantik verstanden- scheint auch einen Beitrag zu liefern. In einem ebenfalls einer Illokutionssemantik verpflichteten Ansatz haben

17

1.3. Satzmodus in der Forschung

Searle/Vanderveken (1985) und Vanderveken (1990/1991/1994) den Versuch unternommen, auf der Basis primitiver illokutionärer Akte die gesamte Menge möglicher Illokutionen rekursiv zu definieren.15 Das erklärte Ziel der Autoren besteht darin, eine Logik der Illokutionen zu entwickeln, die geradeso wie eine Logik der Propositionen rekursiv definierbar ist. Insofern alle illokutionären Akte aus diesem System ableitbar sein sollen, wird es als vollständig betrachtet. Ein illokutionärer Akt konstituiert sich aufgrund der Amalgamierung einer illokutiven Kraft und einer Proposition. Die Gesamtheit der verschiedenen illokutiven Kräfte bildet das System Φ, welches in systematischer Relation zu der Menge Prop der Propositionen steht. Ein illokutionärer Akt F(P) wird verstanden als eine Proposition Ρ e Prop, auf die eine Illokution F 6 Φ funktional appliziert. Diese Charakterisierung ähnelt der schon von Stenius (1967) und Bierwisch (1980) getroffenen Unterscheidung, insofern zwischen dem propositionalen Gehalt und einer Komponente, die die Sprecherhaltung ausdrückt (hier: Illokution), unterschieden wird, nehmen die Autoren doch eine Sonderbehandlung von psychologisch verankerten Einstellungen gegenüber den illokutiven Kräften vor. Während eine Einstellung stets individuell verankert ist, ist eine illokutive Kraft unabhängig von Individuen definierbar. Folgt man Searle/Vanderveken (1985:37ff ), so ist eine illokutive Kraft durch sieben Eigenschaften charakterisiert.16 (29)

(i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii)

Illokutiver Zweck (illocutionary point) Durchführungsmodus Stärke des illokutionären Zwecks Bedingungen des propositionalen Gehalts Einleitungsbedingungen Aufrichtigkeitsbedingungen Stärke der Aufrichtigkeitsbedingungen

nF mode(F) degree(F) PropF ΣΡ ΨΡ ηΡ

Searle/V anderveken (1985:3 8ff.) unterscheiden genau fünf illokutive Zwecke, die sich u.a. aus der Searle'schen Klassifikation der Sprechakte ergeben und auf den verschiedenen Möglichkeiten der Anpassungsrichtungen von Wort und Welt beruhen. (30)

(i) (ii) (iii) (iv) (ν)

assertiver illokutionärer Zweck kommissiver illokutionärer Zweck direktiver illokutionärer Zweck deklarativer illokutionärer Zweck expressiver illokutionärer Zweck

π, π2 π3 π4 π5

Eine illokutive Kraft bildet ein Septupel wie in (31)(i) und ist infolgedessen ein Element

Zu einer würdigenden Besprechung vgl. Zaefferer (1994); im Wesentlichen kritisch äußert sich Merin (1996). Bereits in Searle ( 1 9 8 2 ) sind die meisten dieser Kriterien genannt.

18

1.

Einleitung

des cartesischen Produkts (31)(ii), welches aus diesen Komponenten erzeugt wird. (31)

(i) (ii) p(IxProp)x2 IxProp xZx (p(Prop))1 χ (p(Prop))fIxProp)χ (p(M χProp))(,xProp) χ Ζ

Gemäß der Konzeption von Searle/Vanderveken lassen sich die formalen Eigenschaften illokutionärer Kräfte im Einzelnen wie folgt spezifizieren. Jeder illokutionäre Zweck (illocutionary point) kann als Relation π auf der Menge I χ Prop der möglichen KontextPropositionspaare identifiziert werden, wobei die Potenzmenge p(I χ Prop) alle möglichen Relationen zwischen Kontexten und Propositionen enthält. Die Art, wie der illokutionäre Zweck erreicht wird, der Durchführungsmodus, ist in der Illokutionslogik als eine Funktion μ konzipiert, die Elemente von I χ Prop auf Wahrheitswerte abbildet. Der zugehörige Funktionenraum ist 21 x Prop. Der Wert der Funktion μ ist das Wahre, gdw. der Sprecher a, im Kontext i den illokutionären Zweck π über der Proposition Ρ erreicht, anderenfalls ist er falsch. Die Stärke des illokutionären Zwecks ist als eine Funktion degree konzipiert, die die illokutive Kraft F auf die Menge Ζ der ganzen Zahlen abbildet. Dem Satz (32)(i) wird eine geringere illokutive Stärke zugewiesen als dem Satz (32)(ii). (32)

(i) Verlassen Sie bitte den Raum! (ii) Hauen Sie endlich ab!

Funktionswerte sind alle Elemente aus der Menge der ganzen Zahlen Z. Verschiedene illokutionäre Kräfte beschränken die inhaltliche Dimension des propositionalen Gehalts. Eine Bedingung für den propositionalen Gehalt lässt sich als Funktion Θ von Kontexten I in Mengen von Propositionen p(Prop) konzipieren, wobei die gewählten Propositionen eine ganz bestimmte Eigenschaft haben. Der zugehörige Funktionenraum ist die Menge (p(Prop))1 der Funktionen von Kontexten in Mengen von Propositionen. Die Einleitungsbedingung fur eine illokutionäre Kraft F spezifiziert für jedes Kontext-Propositions-Paar aus I χ Prop eine Menge von Propositionen, von denen der Sprecher annimmt, dass sie relativ zu den tatsächlichen Umständen wahr sind. Dies wird durch eine Funktion Σ von Kontext-Propositions-Paaren in Mengen von Propositionen modelliert, die in der Funktionenmenge (p(Prop))(I x Prop) enthalten ist. Die Aufrichtigkeitsbedingung einer illokutionären Kraft wird in der Illokutionslogik als eine Funktion Ψ von Kontext-Propositions-Paaren in Paare von psychologischen Zuständen M und Propositionen rekonstruiert. Für jeden Kontext i und jede Proposition spezifiziert Ψ, in welchem propositional repräsentierten psychologischen Zustand sich der Sprecher a, beim Ausführen von F(P) befindet. Ψ ist demzufolge ein Element von (p(M χ Prop))(IxProp). Die Stärke der Aufrichtigkeit ist hingegen wieder ein Element aus der Menge der ganzen Zahlen Z. Auf der Grundlage dieser Definitionen für einen illokutionären Akt leiten Searle/Vanderveken und Vanderveken (1990/1991/1994) nun eine nicht unerhebliche Zahl

1.3. Satzmodus in der Forschung

19

von Folgerungs- und Ableitungsbeziehungen her, die zwischen illokutionären Akten bestehen können. So sind zwei illokutionäre Kräfte F, und F2 etwa genau dann gleich, wenn sie in allen sieben Komponenten aus (29) übereinstimmen. Sind darüber hinaus auch die jeweils illokutiv markierten Propositionen gleich, so liegt für zwei illokutionäre Akte F,(P,) und F 2 (P 2 ) Gleichheit genau dann vor, wenn F, = F2 und P, = P2. Die Illokutionslogik versucht das System illokutiver Akte und die Relationen, die zwischen ihnen bestehen, vollständig zu beschreiben, ohne dabei Rekurs auf die linguistisch zu differenzierenden Komponenten der sprachlichen Komplexbildung zu nehmen. Wie Searle/Vanderveken (1985:2) dazu ausdrücklich vermerken, behandelt eine Illokutionslogik die Eigenschaften illokutiver Kräfte, ohne nach den verschiedenen formal-syntaktischen, morphologischen und semantischen Realisierungsformen zu fragen, mit denen illokutiv markierte sprachliche Strukturen gebildet werden. Sie ist daher keine transmodulare Theorie, die das Inventar der Illokutionen anhand der möglichen grammatischen Mittel, die die jeweiligen Kenntnissysteme des Sprachsystems anbieten, deriviert, sondern klammert diese sogar explizit aus.17 Insofern ist die Illokutionslogik ein System, dessen Beitrag zur Klärung der Satzmodus-Konstitution nur indirekt beiträgt. Eine Satzmodus-Theorie ist hingegen so zu konzipieren, dass eine Schnittstelle zur Illokutionslogik definierbar ist, so dass die Anbindung einer kompositionellen Theorie des Satzmodus an die Illokutionslogik möglich wird.

1.3 .5. Korrespondenztheoretische Ansätze Altmann (1987:22) versteht unter Satzmodus die regelmäßige Zuordnung eines Satzytps (oder einer Gruppe von Satztypen) mit angebbaren formalen Eigenschaften zu einer bestimmten Art von Funktion (oder zu einer Gruppe von Funktionen) im sprachlichen Handeln. Unter diesen Annahmen ist der Satzmodus ein komplexes sprachliches Zeichen, welches aufgrund seines Form- und Funktionsaspekts Formtypen auf Funktionstypen bezieht. Satzmodi lassen sich -indem sie einen systematischen Zusammenhang zwischen Satzform und Satzfunktion ausdrücken- als Funktionen von Satzformen in Satzfunktionen auffassen. Insofern lassen sich die Satzmodi in Altmanns grundsätzlicher Charakterisierung als eine Familie von Funktionen F, charakterisieren, für die (33) gilt. (33) F¡( Formtyp ) = Funktionstyp, wobei die jeweiligen F, e {Aussagesatz, V I Fragesatz, w-V2-Fragesatz,... }

Dieser Einwand betrifft nicht nur die auf Illokutionstyp-Klassifikationen basierenden Ansätze, sondern generell alle Ansätze, die die kommunikative Geltung einer Äußerung zur Ableitungsbasis ihrer Eigenschaften macht. Darunter fallt auch der relevanztheoretische Ansatz von Sperber/Wilson (1988), mit dem versucht wird, die funktionalen Eigenschaften sprachlicher Ausdrücke aus ihrer psychologischkognitiven Relevanz abzuleiten. Zu einer prinzipiellen Kritik einer solchen Vermischung von sprachlicher, kognitiver und kommunikativer Kenntnis vgl. Bierwisch (1980).

20

1.

Einleitung

Um den Übergang von der Funktion der Satzmodi zu den sprachlichen Handlungstypen zu charakterisieren, setzt Altmann (1987) ein dreistufiges Modell an. Dabei wird erstens die Funktion der Satzarten als Mittel zum Ausdruck einer propositionalen Grundeinstellung bestimmt. Diese sei durch Verwendungsregeln zu charakterisieren. Zweitens könne die propositionale Grundeinstellung modifiziert oder auch durch propositional ausgedrückte Einstellungen verdeckt werden, etwa mit Hilfe performativer Verben, propositional bezeugter Einstellungen usw. Und drittens könne in Korrelation zu einer bestimmten Verwendungssituation ein Formtyp je nach lexikalischer Füllung entweder geraofe (direkter Sprechakt) oder ungerade (indirekter Sprechakt) sein. Altmann versucht auf diese Weise die formalen Aspekte, die die Satzarten jeweils ausdrücken, über eine schrittweise Approximation auf die pragmatischen Bedingungen für Sprechakte zu beziehen. Für die Formtypen gilt die Bedingung, dass sie nur durch grammatische Merkmale bestimmt werden dürfen. Die Klassenbildung innerhalb der Formtypen geschieht jedoch über die Gleichheit der propositionalen Grundeinstellungen verschiedener Ausdrücke, die demnach zum selben Satzmodus und zum selben Formtyp gehören. Insofern liegt mit dem Ansatz Altmanns eine Konzeption vor, die von den verwendeten lexikalischen Mitteln und den möglichen syntaktischen Konfigurationen die funktionalen und diskursgrammatischen Eigenschaften von Sätzen zu bestimmen versucht. Hinsichtlich der propositionalen Grundeinstellungen unterscheidet er dazu die folgenden Klassen in (34). (34) propositionale Grundeinstellungen: dass etwas der Fall ist ("wissen") (i) Assertion fragen ("nicht-wissen") (ii) Ε-Interrogation fragen ("nicht-wissen") (iii) W-Interrogation wünschen (iv) Wunsch erreichen wollen (V) Aufforderung sich wundern (vi) Exklamation sich wundern (vii) W-Exklamation Für Altmann sind es in erster Linie die selbständigen Ausdrücke, also selbständige V/1-, V/2-, V/E-Sätze und infinite Hauptsatzstrukturen, die als Formtypen ins System der Satzmodi gehören. Als grammatisch-syntaktische Mittel zur Konstituierung eines Formtyps nimmt Altmann Reihenfolgebeziehungen, morphologische Markierungen, kategoriale Füllungen und intonatorische Markierungen an. Da Formtypen immer durch mehrere dieser Mittel konstituiert werden, ergibt sich die Bedeutung eines Funktionstyps erst aus der Kombination dieser Merkmale. Die Grundtypen, d.h. Sätze mit VI - und V2-Stellung, sind hinsichtlich der propositionalen Grundeinstellungen relativ undifferenziert. Auf diese Charakteristik fuhrt Altmann die relativ freie Kombinatorik mit Modalpartikeln zurück, die eine Differenzierung der propositionalen Grundeinstellung, die Verknüpfung mit dem Kontext und dem Vorwissen bewirken. In (35) sind die von Altmann als Grundtypen bezeichneten Formtypen aufgelistet.

1.3. Satzmodus in der Forschung

21

(35) Grundtypen (i) Aussagesatz: (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii)

Die Bayern spielen (doch/eben/einfach/halt/ ja) schlecht. VI-Fragesatz: Spielen die Bayern (auch/denn/eigentlich/ etwa/mal/wohl) schlecht? w-V2-Fragesatz: Wie spielen die Bayern (bloß/denn/doch/eigentlich/ mal/nur/schon/wohl)? Vl-/V2-Imperativsatz: Spielt (bloß/doch/eben/einfach/halt/ja/mal/ nur/ruhig/schon) schlecht, ihr Bayern! VI-Wunschsatz: Ach würden die Bayern (bloß/doch/nur) schlecht spielen! Vl-/V2-Exklamativsatz: Spielen die Bayern (aber/vielleicht/aber auch) schlecht! w-V2/VL-Exklamativsatz : Wie schlecht spielen (aber auch/doch) die Bayern!

Daneben nimmt Altmann sog. Mischtypen an, die dadurch charakterisiert sind, dass sie die formalen Merkmale von zwei Grundtypen aufweisen. Die mit ihnen ausdrückbare propositionale Einstellung sei ein Gemisch aus den für die beiden Umgangstypen geltenden propositionalen Einstellungen. (36) Mischtypen: (i) Die Bayern spielen schlecht? (ii) Die Schlacht bei Issos war wann? (iii) Rückfragen auf: Aussagesatz, Vl-Fragesatz, w-V2-Fragesatz, V1-/V2Imperativsatz Bei (36)(i) handelt es sich nach Altmann um eine assertive Frage, die einen Mischtyp aus den beiden Grundtypen Aussagesatz und Vl-Fragesatz bildet. Die Echo-Frage (36)(ii) bezeichnet er als w-Versicherungsfrage und analysiert sie als Mischtyp aus w-Fragesatz und Aussagesatz. (37) Selbständige VL-Sätze (i) Ein VL-Aussagesatz existiert nicht! (ii) VL-Fragesatz: Ob wir uns (mal/wohl) wiedersehen? (iii) w-VL-Fragesatz: Wer das (bloß/nur/wohl) gemacht hat? (iv) VL-Imperativsatz: Dass du mir (bloß/ja/nur) nicht zu spät kommst! (v) VL-Wunschsatz: Dass er (doch/nur/bloß) käme! Wenn er (doch/bloß/nur) käme! (vi) VL-Exklamativsatz: Dass ich das (aber auch) erleben muss! Der empirisch m.E. sehr fundierte Ansatz Altmanns ist im Wesentlichen phänomen-und zuordnungsorientiert, indem er das Verhältnis und die Zuordnung der jeweiligen grammatischen Konstruktionen und lexikalischen Mittel systematisch aufeinander bezieht. Der Ansatz ist jedoch weder derivationell, indem keine Ableitungen sowohl hinsichtlich der

22

1. Einleitung

Formtypen noch der Funktionstypen noch deren Zusammenspiel vorgenommen werden, noch ist er kompositioneil, indem die Satzmodi nicht aus den Eigenschaften lexikalischer Elemente und grammatischer Prozesse deriviert werden.

1.3.6. Merkmalbasierte derivationelle Ansätze In einem der generativen Grammatik zuzuordnenden Ansatz haben Katz/Postal ( 1964) den Versuch unternommen, sowohl Imperativ- als auch Fragesätze aus Sätzen mit einer bestimmten Bedeutung in Sätze mit einer anderen Bedeutung mittels Regeln zu konvertieren. Bei den dazu verwendeten Regeln handelte es sich, dem damaligen Stand der syntaktischen Theoriebildung entsprechend, um singulare Transformationen, die keine Bedeutungsänderungen bewirken sollten. Dies zog die Notwendigkeit nach sich, den Bedeutungsunterschied durch Elemente in den zugrundeliegenden phrasalen Strukturen (P-Markern) von Frage- und Imperativsätzen einzuführen. Für Katz/Postal ergab sich daraus die Annahme spezifischer Frage- und Imperativmorpheme, die in den zugrundeliegenden P-Markern auftreten. Für Imperativsätze wird ein Morphem I angesetzt, welches über einen eigenen Lexikoneintrag verfügt, und etwa die folgende Bedeutung hat: the speaker requests (asks, demands, insists, etc.). Da diese Bedeutungen im Lexikon mit dem jeweiligen Morphem assoziiert sind, wird von vorneherein das Problem vermieden, einen performativen Hypersatz zu rekonstruieren. Die mit Hilfe dieser Paraphrasen eingeführte Mehrdeutigkeit in der Interpretation zieht die durchaus wünschenswerte Konsequenz nach sich, dass die Sätze in (38) systematisch aufeinander bezogen werden können.18 (38)

(i) I request you go home (ii) you go home (iii) go home

In ähnlicher Art und Weise wird Fragesätzen durch die Annahme eines Q-Morphems in den zugrundeliegenden P-Markern Rechnung getragen. Sowohl Entscheidungs- als auch Ergänzungsfragen weisen ein Q-Morphem in der zugrundeliegenden Struktur auf, denn in beiden Fällen soll die Lesart request an answer repräsentiert werden. (39)

(i) (ii) (iii) (iv)

who saw someone who did someone see did someone see someone who saw whom

Da die Sätze in (39) keine Paraphrasen voneinander sind, drückt das Q-Morphem zwar aus, dass es sich jeweils um Fragesätze handelt, nicht jedoch den spezifischen Unterschied

Vgl. Katz/Postal (1964:76).

1.3. Satzmodus in der Forschung

23

zwischen den vier Sätzen selbst, so dass eine weitere Unterscheidung getroffen werden muss. Diese rekurriert auf die Art und Anzahl der in der Frage vorkommenden wh-Phrasen, die ihrerseits als wh-Morpheme in den zugrundeliegenden P-Markern auftreten. Katz/Postal (1964:89) bemerken dazu: "The Q morpheme indicates semantically only that the sentence is a question, i.e., a paraphrase of an appropriate sentence of the form I request that you answer... . The function of wh is, however, to specify the element or elements of the sentence that are 'questioned'". Das Q-Morphem determiniert damit die Menge der möglichen Antworten auf diejenige Frage, die dem mit Q spezifizierten P-Marker zugrunde liegt. Eine ebenfalls auf abstrakten Satztyp-Merkmalen basierende Satzmodus-Analyse haben Brandt et al. (1992) vorgelegt. Dieser Ansatz ist von der Voraussetzung geprägt, dass der Ableitungsweg zur Bestimmung der Illokution einer Äußerung strikt von den syntaktischen Gegebenheiten auszugehen und von dort über den Satzmodus zur illokutiven Ebene fortzuschreiten hat. Bei diesem Vorgehen dienen die zugrundeliegenden abstrakten syntaktischen Merkmale -analog zum Ansatz von Katz/Postal (1964)- bereits als syntaktisch repräsentierte Vorstufe des eigentlichen Satzmodus. Dieser wird zwar auf der semantischen Ebene ausbuchstabiert, die mit Hilfe des Satzmodus zu gewinnende Klassifikation ist jedoch bereits in den zugrundeliegenden syntaktischen Strukturen angelegt. Insofern scheint es, dass die semantisch bzw. illokutiv abzuleitenden Effekte bereits in der Syntax prädisponiert sind. Andererseits ist der Rekurs auf abstrakte wh-Merkmale aus unabhängigen syntaktischen Gründen theoretisch gerechtfertigt, denn es existiert kein Ansatz, der die Motivation für wh-Bewegung ohne die Annahme derartiger Merkmale erklärt. Als Ausgangspunkt werden die Annahmen aus Reis/Rosengren (1988) über die bei wh-Imperativen auftretenden SkopusefFekte von wh-Operatoren verwendet. Entsprechend dieser Annahmen wird die Skopusdomäne von Elementen mit einem [+wh]-PhrasenMerkmal (wh-P-Merkmal) in Abhängigkeit von einem linksperipheren wh-Satztypmerkmal (wh-ST-Merkmal) festgelegt. Insbesondere wird die Skopusdomäne eines wh-Operators nicht ausschließlich durch die Position der wh-Phrase selbst festgelegt, so dass die Oberflächenposition von wh-Phrasen nicht deren interpretationsrelevante Position ist. So bleibt etwa bei langer Bewegung einer [+wh]-Phrase in einen Matrixsatz im Imperativmodus die Skopusdomäne des Operators auf den eingebetteten Satz beschränkt: (40) Wen sag mir bitte, dass Du morgen besuchen willst! Obwohl die extrahierte [+wh]-Phrase den Gesamtsatz c-kommandiert und daher als Skopusdomäne hat, bleibt der Matrixsatz im Imperativmodus und weist keine Fragecharakteristik auf, sondern diese beschränkt sich vielmehr auf den eingebetteten Komplementsatz. Diesen Effekt führen Reis/Rosengren (1988:35) auf die Abhängigkeit der Skopusdomäne des wh-Operators von der [±wh]-Spezifikation eines linksperipheren Satztyp-Merkmals zurück. Daraus ergeben sich u.a. die folgenden Konsequenzen. Erstens werden Topikalisierung und [+wh]-Bewegung als ein einheitlicher syntaktischer Bewegungsprozess (XP-Bewegung) in eine A-bar-Position aufgefasst. Der Unterschied zwischen

24

1. Einleitung

wh-Bewegung und Topikalisierung besteht damit lediglich in der Interaktion des [+wh]-PMerkmals mit dem [+wh]-ST-Merkmal. Zweitens wird der Skopus von Wh-OperatorPhrasen durch das wh-ST-Merkmal festgelegt. Drittens geschieht die wh-Bewegung genau einer [+wh]-Phrase im Deutschen aufgrund einer Sichtbarkeitsbedingung fur OperatorenSkopus auf S-Struktur. Viertens wird das [±wh]-ST-Merkmal in der A-bar-Position für Interrogativ- und Deklarativsätze unterschiedlich spezifiziert, und fünftens haben Imperativsätze eine nur optionale, linksperiphere A-bar-Position, die durch kein Merkmal markiert werden kann. Aus diesen Annahmen und Schlussfolgerungen ergeben sich unter Hinzunahme der Nebensätze die folgenden im Deutschen zu unterscheidenden Satzstrukturen mit ihren jeweiligen Merkmalsverteilungen: V/E-Sätze sind CPs und V/2-Sätze sind IPs mit [±wh] in Spi. Die phrasale Bewegung ist derart spezifiziert, dass [+wh]-Phrasen nach Spi bewegt werden können; [-wh]-Phrasen können ebenfalls nach Spi bewegt werden, falls Spi [-wh]markiert ist. Im Falle von Imperativen können beide nach SpAgr bewegt werden. Da die Position SpC nur für Operatorphrasen ([+wh], [rei], 'je') zugänglich ist, können [-wh]Phrasen nicht in diese Position bewegt werden. Als zugrundeliegende syntaktische Struktur für den Deklarativsatz ergibt sich demzufolge (41). (41) Deklarativsatz: (i) Peter schläft. IP Speci

Γ VP

[-wh] SpecV r I Peter

V ,1 o V schlafen

Semantisch wird diese Struktur derart gedeutet, dass die die Proposition instantiierende Ereignisvariable existentiell gebunden wird. Der Deklarativsatz hat damit eine semantische Form vom kategorialen Typ S wie in (42). (42) Deklarativsatz:

3e[e INST p] e S

Der Deklarativmodus lässt sich mittels Lambda-Abstraktion aus dieser Form isolieren, indem eine Variable Q vom Typ S/N für die Menge derjenigen Ereignisse eingesetzt wird, die von der Proposition instantiiert werden können. Daraus ergibt sich als Repräsentation für den Deklarativsatzmodus die Form in (43)(i), die sich kompositioneil gemäß (43)(ii) mit der Proposition verbindet.

25

1.3. Satzmodus in der Forschung

(43)

(i) Deklarativmodus: (ü)

XQ[3e[Q(e)]] e S/S/N, da Q e S/N

s 3e[e INST [SCHLAFEN PETER]]

λ-Konversion von e,

3e[Xe,[e, INST [SCHLAFEN PETER]] (e)]

λ-Konversion von Q

XQ[3e[Q e]] (Xe,[e, INST [SCHLAFEN PETER]]) Funktionale Applikation S/S/N

S/N

XQ[3e[Qe]]

λς,[ε, INST [SCHLAFEN PETER]]

λ-Konversion von χ

XxXe,[e, INST [SCHLAFEN x]] (PETER) Funktionale Applikation

Ν

S/N/N

PETER

λχλβ,Ιβ! INST [SCHLAFEN x]]

Interrogativsätze werden im Ansatz von Brandt et al. (1992) mit Hilfe eines Operators repräsentiert, der den offenen Modus der Referenz auf Spezifizierungsbedürftiges repräsentiert.19 Syntaktisch sind sie IPs mit einem [+wh]-Merkmal in der Kopfposition Io, wie in (44) dargestellt. (44) E-Interrogativsatz: (i) Schläft Peter? (ü)

IP Speci

Γ VP

[+wh] SpecV

V'

Peter

Vo

schlafen

Der Interrogativsatz hat damit generell die Form in (45), die den offenen Modus der Sachverhaltsreferenz ausdrückt. Die Form in (45) lässt sich so paraphrasieren, dass es offen ist, ob der Sachverhalt e, der die Proposition ρ instantiiert, existiert. (45) Interrogativsatz:

OFFEN [3e[e INST p]] e S

Mittels Lambda-Abstraktion einer Variablen Q vom Typ S/N lässt sich -analog zum Deklarativsatz- der Interrogativmodus semantisch wie in (46)(i) isolieren, so dass sich die

Vgl. auch Rehbock (1991).

26

1. Einleitung

Komposition mit einer Proposition ergibt wie in (46)(ii). (46)

(i) Interrogativmodus: (ii)

IQ[OFFEN [3e[Q(e)]]] e S/S/N

OFFEN [3e [e INST [SCHLAFEN PETER]]] OFFEN [3e[te,[e, INST [SCHLAFEN PETER]] (e)]] XQ[OFFEN [3e[Q e]]] (Xe,[e, INST [SCHLAFEN PETER]])

λ-Konversion von e, λ-Konversion von Q Funktionale Applikation

S/S/N

S/N

XQ[OFFEN [3e[Q e]]]

te,[e,

INST [SCHLAFEN PETER]]

λ-Konversion von χ

Xxte,[e, INST [SCHLAFEN x]] (PETER) Funktionale Applikation Ν

S/N/N

PETER

XxXe,[e, INST [SCHLAFEN x]]

Auch der Ergänzungs- oder w-Interrogativsatz wird mit Hilfe des OFFEN-Operators repräsentiert. Syntaktisch handelt sich ebenfalls um eine IP, mit obligatorischer Bewegimg in die [+wh]-markierte Spezifikator-Position Spi. (47) w-Interrogativsatz: (i) Wer schläft? (ü) IP Speci wer¡

Γ ¡o Yp [-wh] SpecV t,

V' VIo schlafen

Kategorial ist auch der w-Interrogativsatz vom Typ S; das w-Element wird als generalisierter Quantor behandelt, welcher die der syntaktischen Spur entsprechenden Variablen im Satzskopus bindet. Als generalisierter Quantor hat das w-Element die Kategorie S/S/N, die sich kompositioneil ergibt, wie dies in (48)(iii) dargestellt ist. (48)

(i) w-Interrogativsatz: (ii) W-Element:

[[OFFEN χ [Person x]][3e[e INST p]] e S IQ [OFFEN χ [Person x]] [Q x] e S/S/N

27

1.3. Satzmodus in der Forschung

(iii) S/S/N

XQ [[OFFEN

χ [Person χ ]]

[Q

x]]

Der Interrogativmodus bleibt beim w-Interrogativsatz natürlich derselbe wie beim EInterrogativsatz, die Kompositionsprinzipien machen bei der Ableitung jedoch zusätzlich vom Mechanismus des Hineinquantifizierens Gebrauch, indem zunächst eine Variable der Kategorie S/S/N in die Basisposition der bewegten [+wh]-Phrase eingefügt wird, die ihrerseits über Lambda-Abstraktion im Satz gebunden wird. Erst mit Hilfe des hineinquantifizierenden generalisierten Quantorenausdrucks kann aus (48)(ii) die Gesamtstruktur (49)(ii) komponiert werden. Dabei nimmt dieser Funktor-Ausdruck den gesamten Restausdruck als Argument und bildet ihn auf den vollständigen w-Interrogativsatz ab, wie dies in (49)(ii) dargestellt ist. (49)

(i) Interrogativmodus: (ii)

λζ)[ΟΡΡΕΝ [3e[Q(e)]]] e S/S/N s

[OFFEN x[Person x]] [3e[e INST [SCHLAFEN x]]]

λ-Konversion von x]

[OFFEN x[Person x]] [Xx¡[3e[é INST [SCHLAFEN x,]]] x] λ-Konversion von Q XQ[[OFFEN x[Person x]] [Q x]] S/S/N

(Xxj[3e[e INST [SCHLAFEN x,]]]) Funktionale Applikation

S/N

XQ[[OFFEN x[Person x]] [Q χ]]

Xx,[3e[e INST [SCHLAFEN xj]] S 3e[e INST [SCHLAFEN x,]] aepteje, INST [SCHLAFEN x j ] (e)] ).Q[3e[Q e]] (Xe,[e, INST [SCHLAFEN x,]])

λ-Konversion von e, λ-Konversion von Q Funktionale Applikation

S/S/N XQ[3e'[Qe]]

S/N λβ,Ιβ, INST [SCHLAFEN x j ] λχλβ,[ε 1 INST [SCHLAFEN x]] (x,)

Ν *ι

λ-Konversion von χ

Funktionale Applikation S/N/N λχλβ,[β, INST [SCHLAFEN x]]

28

1.

Einleitung

Der Ansatz von Brandt et al. (1992) realisiert m.E. am konsequentesten eine Ableitung der funktionalen Eigenschaften der verschiedenen Satzmodi aus den grammatischen Mitteln. Erklärtes Ziel der Autorinnen ist es denn auch, die pragmatischen Verwendungsweisen von Sätzen aus den Eigenschaften der regulären grammatischen Mittel kompositionell herzuleiten und zugleich die Instanzen des Phänomens Satzmodus im Rahmen einer integrativderivationellen Theorie herzuleiten. Dieses Programm steht einerseits in Opposition zu denjenigen Ansätzen, die von den funktionalen Unterscheidungen beim Satzmodus ausgehen und andererseits zu denjenigen Ansätzen, die Repräsentationen und je einzelne Instanzen des Satzmodus herzuleiten gestatten, jedoch keine Integration der verschiedenen Satzmodi zu einer einheitlichen Theorie leisten. Der Ansatz von Brandt et al. (1992) hat aber auch einige Schwachstellen, die m.E. darin liegen, dass (50)

(i) die Eigenschaften der verbalen Modi bei der Konstitution des Satzmodus unberücksichtigt bleiben, (ii) die Semantik des interrogativen OFFEN-Operators weder eine Anbindung an die Theoriebildung der Mögliche-Welten-Semantik erlaubt und damit keinen Bezug zur Tradition der Fragesemantik herstellt, noch eine Anbindung an dynamische Theorien der Kontextveränderung zulässt, (iii) die Klassifikation der Satzmodi bereits in den zugrundeliegenden syntaktischen Strukturen vorentschieden ist und (iv) dass daher die Eigenschaften der Satzmodi nicht in dem Maße aus den regulären grammatischen Mitteln abgeleitet werden, wie dies möglich wäre.

Dennoch halte ich das von Brandt et al. vorgelegte Konzept für einen methodologisch und forschungsstrategisch adäquaten Ansatz, indem die Funktion von Sätzen aus der (komplexen) Interaktion der von der Grammatik bereitgestellten Mittel konsequent abgeleitet wird.

1.4. Zur Methodik und inhaltlichen Charakteristik dieser Arbeit In dieser Arbeit soll nun eine Theorie des Satzmodus entwickelt werden, die ebenfalls auf der Grundlage der elementaren grammatischen Mittel die Diversität der Satzmodi im Deutschen abzuleiten gestattet. Da es sich bei den verschiedenen Satzmodi um unterschiedliche Instanzen einer einheitlichen Kategorie handelt, soll die Theorie auch derart konzipiert sein, diese generelle Eigenschaft in einem einheitlichen System auszudrücken. Dabei spielen die verbalen Modi eine zentrale Rolle, indem sowohl ihre flexionsmorphologische als auch ihre syntaktische Relevanz für die strukturelle Konfiguration der Satzmodus-Domäne herangezogen wird. Aus den semantischen Eigenschaften der Verb-

1.4. Zur Methodik und inhaltlichen Charakteristik dieser Arbeit

29

modi können weiterhin elementare Eigenschaften der Satzmodi deduziert werden. Dies lässt sich theoretisch derart rekonstruieren, dass selbständige Sätze im Deutschen eine Modusphrase als höchste Projektion aufweisen, in der der Satzmodus determiniert wird. Die zentrale und übergeordnete Hypothese dieser Arbeit lautet daher: (51 ) Modussystem-Hypothese (MH) Der Satzmodus in deutschen Hauptsätzen wird einheitlich in einer durch den Verbmodus projizierten funktionalen Projektion determiniert. Aus den Eigenschaften der Phrasen, die die von dem funktionalen Kopf projizierten Positionen besetzen, lassen sich die verschiedenen Instanzen des Satzmodus im Deutschen sowie deren funktionale Eigenschaften ableiten. MH behauptet, dass alle deutschen Hauptsätze eine einheitliche Struktur aufweisen und dass die für den Satzmodus relevanten Unterschiede aus den flexionsmorphologischen Eigenschaften der Verbmodi sowie den syntaktischen und semantischen Charakteristika von Konstituenten und Bewegungsprozessen abgeleitet werden können. Damit werden die unterschiedlichen Instantiierungen des Satzmodus innerhalb eines einheitlichen syntaktisch determinierbaren Systems spezifiziert. Eine derartige Rekonstruktion erfasst die Einheitlichkeit des Satzmodus derart, dass innerhalb eines für alle Satzmodi gleichen Systems die jeweilige Spezifik der unterschiedlichen Instanzen aus den beteiligten Elementen und Prozessen abgeleitet wird. Dabei werde ich nur auf den Verbmodus, dessen syntaktische Relevanz und die syntaktischen Operationen zur Bildung von Sätzen Bezug nehmen, intonatorische Information -wie etwa steigender Tonverlauf bei Assertivfragen- wird entsprechend ausgeklammert. Neben der einheitlichen Behandlung des Satzmodus innerhalb des Deutschen ist auch die universelle Behandlung des Satzmodus als eines in bestimmter Weise invarianten Bestandteils von Sprachsystemen Rechnung zu tragen. Da Satzmodi in allen derzeit bekannten Sprachen realisiert werden,20 liegt die Annahme nahe, dass die satzmodale Spezifikation zu den universalen Eigenschaften von Grammatiksystemen gehört. Insofern lässt sich vermuten, dass in allen Sprachen ein einheitliches System zur Determination des Satzmodus vorliegt. Die Art und Weise der jeweiligen Modusdetermination variiert jedoch, so dass Parametrisierungen anzunehmen sind, die für die Einzelsprachen jeweils festlegen, mit welchen Mitteln und in welcher Weise der Satzmodus konstituiert wird. In dieser Arbeit über das Deutsche werde ich zeigen, dass MH nicht nur aus theoretischen Gründen gerechtfertigt ist, sondern auch zu empirisch angemessenen Resultaten führt, insofern sowohl die syntaktisch zu unterscheidenden Satztypen als auch deren semantische Interpretation kohärent abgeleitet werden können. Damit wird fürs Deutsche gezeigt, wie eine kompositionelle Analyse des Satzmodus für alle Modi einheitlich rekonstruiert werden kann.

Dass Deklarativ, Interrogativ und Imperativ in allen bekannten Sprachen als satzmodale Kategorien auftreten, wird von Saddock/Zwicky (1985) gezeigt. Zu der Sichtweise, dass diese auch universell overt markiert sein müssen, vgl. Cheng (1991), Cinque (1999).

30

1. Einleitung

Diese Analyse lässt sich auf die Hauptsätze der germanischen Verbzweit-Sprachen ausdehnen, womit zugleich eine neue Motivation für die Bewegung des finiten Verbs in diesen Sprachen geliefert wird, die in der Forschung bisher nicht vorgeschlagen wurde. Die Theorie des Satzmodus, die in dieser Arbeit entwickelt wird, ist in dem folgenden Sinne modular, interaktional, kompositioneil und derivationell: Sie ist modular organisiert, insofern verschiedene unabhängig voneinander begründete Subsysteme des Sprachsystems in die Analyse einbezogen werden. Bei diesen Subsystemen handelt es sich um die Flexionsmorphologie und die damit verbundene Semantik der Verbmodi, die Eigenschaften syntaktischer Konstituenten und Operationen, sowie die sich daraus ergebenden semantischen Objekte und deren Auswirkungen auf den Diskurskontext. Die Theorie ist interaktional, insofern sie die in den modular organisierten Systemen repräsentierten Kenntnisse aufeinander bezieht; und sie ist kompositioneil, indem sie aus dem Zusammenwirken dieser Kenntnisse den Satzmodus konstituiert. Ihr derivationeller Charakter ergibt sich aus der Möglichkeit, die Satzmodi gewissermaßen schrittweise aus den flexionsmorphologischen Spezifikationen und den syntaktischen Operationen bis hin zu ihrer semantischen Interpretation logisch abzuleiten. Im Einzelnen gehe ich dazu wie folgt vor. Im nächsten Kapitel zur Semantik der Satzmodi erörtere ich nach einer kurzen Einführung in die elementaren Begrifflichkeiten der semantischen Theoriebildung die Charakterisierung von Fragen und die semantischen Objekte, die damit verbunden werden. Dies führt zu der Sichtweise, Fragen als Partitionen des Antwortraums aufzufassen. In dem darauffolgenden Kapitel erörtere ich, wie Einstellungen gesagt bzw. ausgedrückt werden. Dabei zeigt sich, dass eine Einstellung kein Primitivum ist, sondern -im Sinne von Frege ( 19863:35)- in verschiedene Teilakte zerlegbar ist. Eine Assertion ergibt sich entsprechend aus dem Fassen des Gedankens, dem Urteilen und der Bekanntgabe dieses Urteils. Diese drei Teilakte übersetze ich in eine formalsemantische und diskurspragmatische Repräsentation und beziehe sie dabei auf das Konzept der Partition. Daraus resultiert nicht nur eine Unterscheidung der mit den verschiedenen Modi assoziierten Einstellungen, sondern auch eine semantische Repräsentation für diese Modi sowie die diskursgrammatischen Operationen der Verankerung von Propositionen im Diskurskontext. Nachdem die relevanten Objekte zur Charakterisierung der Modi und Einstellungen spezifiziert sind, betrachte ich im Kapitel zum Verbmodus die flexionsmorphologischen, syntaktischen und semantischen Eigenschaften der verbalen Modi im Deutschen. Diese werden als Beschränkungen der Auswertungsindizes für die jeweils markierte Proposition aufgefasst. Auf der Grundlage der Unterscheidung in einen epistemischen und einen faktischen Hintergrund lässt sich die Evaluationsdomäne von Indikativ und Konjunktiv II als epistemischer Hintergrund und die Evaluationsdomäne von Imperativ und Konjunktiv I als faktischer Hintergrund festlegen. Aus den damit verbundenen Annahmen lässt sich ableiten, dass zwar Indikativ- und Konjunktiv Ii-Sätze sowohl frage- als auch wahrheitswertfähig sind, nicht jedoch Imperativ- und Konjunktiv I-Sätze. Im Anschluss daran behandelt das Kapitel zur Syntax der linken Peripherie zunächst die Eigenschaften von funktionalen Kategorien und fasst den verbalen Modus als eine

1.4. Zur Methodik und inhaltlichen Charakteristik dieser Arbeit

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solche funktionale Kategorie auf, die die höchste Projektion deutscher Hauptsätze bildet. Damit ist das Modussystem zunächst auf der Grundlage elementarer flexionsmorphologischer Einheitenkategorien syntaktisch erzeugt. Daran anschließend erörtere ich das Konzept der Kopfbewegung, welches für die Ableitung von Hauptsatzstrukturen im Deutschen konstitutiv ist. In deutschen Hauptsätzen muss das finite Verb vorangestellt werden. In einem zweiten Schritt wird die für V/2-Sätze obligatorische Voranstellung einer maximalen Projektion mittels der sog. A'-Bewegung diskutiert. Auf dieser Grundlage lassen sich nun die drei Frege'schen Teilakte, das Fassen des Gedankens, das Urteil und das Behaupten auf die syntaktischen Prozesse der Kopfbewegung und A'-Bewegung beziehen. Dabei liegt mit der (temporal spezifizierten) Proposition der gefasste Gedanke vor, der syntaktisch durch eine AgrP ('agreement'-Phrase) repräsentiert wird. Die Voranstellung des Finitums wird erzwungen und erhält seine Motivation aus der Notwendigkeit, den Ort der modalen Verankerung der Proposition zu spezifizieren. Bei Sätzen mit vorangestelltem Finitum ist dieser Ort stets der Diskurskontext. Sätze, bei denen das Finitum diese Position nicht besetzt, werden im sprachlichen Kontext verankert. Die syntaktische Landeposition dieser Bewegung ist die funktionale Kopfposition M°. Indem das Finitum diese Position besetzt, wird ein semantisches Objekt im Diskurskontext verankert. Um welches Objekt es sich dabei jeweils handelt, wird durch die Besetzung der Spezifikator-Position dieser Modusphrase determiniert. Bleibt diese Position unbesetzt, so wird die der Proposition entsprechende Satzfrage dem Diskurskontext hinzugefugt, und es ergibt sich der Entscheidungs-Interrogativsatz. Wird diese Spezifikator-Position von einer [+wh]-Phrase besetzt, so wird die von der Proposition induzierte Bipartition in Abhängigkeit von den sortalen Eigenschaften der [+wh]-Phrase erweitert, und es ergibt sich der Ergänzungs-Interrogativsatz. Wird hingegen eine [-wh]-Phrase in diese Spezifikator-Position versetzt, so findet eine Reduktion der Bipartition statt, so dass das Frege'sche Urteil in Form des Deklarativsatzes resultiert. Diese Effekte ergeben sich nur dann, wenn der Verbmodus Indikativ oder Konjunktiv II ist, da nur diese beiden Verbmodi die Auswertung der Proposition auf den epistemischen Hintergrund beschränken. Für Imperativ- und Konjunktiv I-Sätze gilt zwar ebenfalls, dass die Voranstellung des Finitums Verankerung im Diskurskontext signalisiert, allerdings kann die jeweilige Proposition den faktischen Hintergrund nicht in eine Partition zerlegen. Als Konsequenz folgt unmittelbar, dass mit diesen beiden Modi keine Behauptungs- oder Fragesätze konstruiert werden können und dass die Besetzung der satzinitialen Position damit weder zur Erweiterung noch zur Reduktion der von der Proposition erzeugten Bipartition dienen kann. Es folgt, dass die satzinitiale Position bei Imperativ- und Konjunktiv I-Sätzen zwar vorhanden ist und besetzt werden kann, dass damit jedoch keine satzmodalen Interpretationseffekte verbunden sind. Die syntaktischen Bewegungsprozesse erhalten damit eine systematische Interpretation und werden im Hinblick auf ihre diskurspragmatischen Funktionen gedeutet. Man beachte, dass die syntaktischen Prozesse selbst aus dieser funktionalen Charakterisierung nicht ableitbar werden, sondern erst zu den jeweiligen Funktionen hinführen. Sowohl die

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1. Einleitung

syntaktischen wie auch die flexionsmorphologischen und semantischen Objekte unterliegen ihren je eigenen Gesetzmäßigkeiten und führen erst in ihrem komplexen Zusammenspiel zu den Funktionen, die die Satzmodi aufweisen. Dieses Zusammenspiel der modularen Teilsysteme wird im abschließenden Kapitel über die Interaktion von Flexionsmorphologie, Syntax und Semantik vorgeführt. Die den jeweiligen Ableitungsschritten entsprechenden formalsemantischen und diskurspragmatischen Operationen werden dabei schrittweise auf die Prozesse der syntaktischen Strukturbildung bezogen.

2.

Semantik der Satzmodi

2.1. Vorbemerkungen In diesem Kapitel werde ich die Semantik der Satzmodi Deklarativ, Interrogativ und Imperativ genauer erörtern. Satzmodi werden dabei als semantische Objekte bestimmt, die theoretisch so zu konstruieren sind, dass die Einstellung, die ein Sprecher zu dem von der Proposition ausgedrückten Sachverhalt einnimmt, aus den Eigenschaften dieses jeweiligen Objekts abgeleitet werden kann. Diese Ableitung darf nicht in einer strikten Eins-zu-EinsBeziehung vorgenommen werden, da das System ATT der Einstellungen eines Sprechers wesentlich variantenreicher ist als das System der grammatisch determinierten Satztypen, aus denen sich die verschiedenen Modi unter Verwendung weniger weiterer grammatischer Mittel konstituieren. Während der Satzmodus durch ein semantisches Konzept repräsentiert ist, gehört eine Einstellung zu dem kognitionspsychologisch zu definierenden System ATT, insofern dieses eine Teilmenge des intentionalen Systems von Individuen bildet.1 Will man die mit den syntaktisch gebildeten Strukturkomplexen ausgedrückten Einstellungen rekonstruieren, so ist eine Abbildung der syntaktischen Struktur auf die semantische Repräsentation des Satzmodus sowie eine Abbildung der Satzmodi auf die entsprechenden Einstellungen zu konzipieren. Die primäre Zuordnung von Satzmodi zu Einstellungen, mit denen ich mich in den folgenden Kapiteln beschäftigen möchte, lässt sich grob wie in (1) vornehmen. (1)

Satzmodi deklarativ interrogativ imperativ

Einstellungen assertiv erotetisch direktiv

Die primäre Funktion des Deklarativmodus besteht sicherlich darin, Aussagen zu machen, so dass es gilt, semantische Objekte und Operationen zu formulieren, mittels derer die assertive Einstellung aus dem Modus rekonstruiert werden kann. Dabei ist auf Wahrheitsbedingungen Bezug zu nehmen. Für den Interrogativmodus, der von seiner primären Funktion her eine Frage stellt, ist ganz analog eine erotetische Einstellung abzuleiten. Die semantische Rekonstruktion muss

Vgl. Bierwisch (1979, 1980), Lang (1983).

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2. Semantik der Satzmodi

dabei auf Antwortbedingungen rekurrieren, um das je spezifische Frageziel zu charakterisieren. Für den Imperativmodus, der seiner primären Funktion zufolge Aufforderungen thematisiert, sind unter Verwendung von Erfüllensbedingungen Charakteristika anzugeben, aus denen die direktive Einstellung im Hinblick auf zukünftig herbeizuführende Sachlagen abgelesen werden kann. In den folgenden Abschnitten erörtere ich zunächst einige semantische Grundbegriffe, die für diejenigen Leser hilfreich sein mögen, die mit den Methoden der formalen Semantik nicht sehr vertraut sind. Die daran anschließenden Abschnitte erörtern die Semantik von Fragen und die damit verbundenen Repräsentationen. Ziel dieser Erörterung ist die Einführung des Konzepts der Partition, welches für die Konstitution aller Satzmodi von besonderer Relevanz sein wird. Entscheidungsfragen bilden demzufolge eine Bipartition des Antwortraums, insofern dieser in die Klasse der wahren Antworten und in die Klasse der falschen Antworten zerlegt ist. Da Propositionen Mengen von Indizes denotieren, lässt sich bezüglich jeder Klasse der Durchschnitt über die von den Propositionen denotierten Indexmengen bilden. Da die beiden Klassen in einem komplementären Verhältnis zueinander stehen -denn eine Proposition ist entweder wahr oder falsch an einem Index- wird somit die Menge aller Indizes bipartitioniert. Auf dieser Basis wird der Deklarativmodus durch eine Reduktion einer solchen Bipartition auf die Klasse derjenigen Indizes definiert, an denen die Proposition wahr ist. Eine derart reduzierte Partition wird im anschließenden Kapitel über Einstellungen auf das Ausdrücken einer assertiven Einstellung bezogen. Insofern ein Sprecher eine Bipartition explizit um die Klasse derjenigen Indizes reduziert, an denen die Proposition falsch ist, nimmt er eine assertive Einstellung zum auszudrückenden Sachverhalt ein. Der Ergänzungs-Interrogativmodus wird hingegen durch eine um Klassen von sortal unterschiedenen Antworten erweiterte Partition der propositional induzierten Bipartition repräsentiert. Im Wesentlichen entspricht das damit verbundene Objekt dem einer Entscheidungsfrage, die Partition wird jedoch in mehr als zwei Klassen zerlegt. In jedem Fall, in dem eine (nicht-reduzierte) Partition in den Kontext eingeführt wird -so wird im folgenden Kapitel gezeigt-, handelt es sich um das Ausdrücken einer erotetischen Einstellung. Eine mit dem Imperativ markierte Proposition erlaubt hingegen keine Partitionierung der Indexmenge, da der verbale Modus Imperativ spezifischen Bedingungen unterliegt, die dies nicht erlauben. Diese Bedingungen werden im Kapitel über den Verbmodus erörtert, in dem auch die spezifischen Möglichkeiten der Bildung von Partitionen diskutiert werden. Der Imperativ stellt in dieser Hinsicht jedoch keine Ausnahme dar, sondern seine Eigenschaften lassen sich stringent und vollständig analog zu den anderen Satzmodi und Einstellungstypen ableiten, so dass auch der Imperativ eine regulär ableitbare Instanz des Satzmodus bildet.

2.2. Semantische Grundkonzepte

2.2.

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Semantische Grundkonzepte

Dieser Abschnitt behandelt einige semantische Grundbegriffe, die der mit diesen Begriffen vertraute Leser ohne weiteres überspringen kann. Hier werden neben den Begriffen der Proposition und der Propositionenmengen sowie den zwischen beiden Konzepten bestehenden Beziehungen, das Kratzer'sche (1978,1991) Konzept der relativierten Modalität sowie das Konzept der indexabhängigen Proposition eingeführt und erläutert. Der darauf folgende Abschnitt führt die Begriffe Kontext und Kontextwechsel einer dynamischen Kontexttheorie ein.

2.2.1. Propositionen und Propositionenmengen Der zentrale Begriff der Satzsemantik ist die Proposition. Sie ist das formale Pendant zu dem, was Frege (19833:35) den Gedanken genannt hat. Eine Proposition entspricht dem Inhalt eines Satzes. Ein Satz beschreibt Zustände, Ereignisse oder Sachverhalte in der Welt. Eine Proposition charakterisiert immer eine ganze Klasse solcher Zustände, Ereignisse oder Sachverhalte, denn sie erfasst nicht nur eine spezifische Sachlage, sondern stets die Menge aller Sachlagen, die sie zutreffend beschreibt. In der Mögliche-Welten-Semantik wird eine Proposition als Funktion aufgefasst, die all diejenigen Welten auf das Wahre abbildet, in denen der durch die Proposition ausgedrückte Zustand (das Ereignis oder der Sachverhalt) besteht; alle anderen Welten werden auf das Falsche abgebildet. Eine Proposition teilt damit die Menge der möglichen Welten in zwei disjunkte Teilklassen: In die Menge derjenigen Welten, in denen sie wahr ist, und in die Menge derjenigen Welten, in denen sie falsch ist. Die Welten in den beiden Klassen sind hinsichtlich einer spezifischen Proposition ρ jeweils äquivalent, denn bezüglich ρ werden alle Welten der einen Klasse auf das Wahre abgebildet, alle Welten der anderen Klasse auf das Falsche. Jede Proposition ρ lässt sich als eine Teilmenge der Menge W aller möglichen Welten begreifen, so dass eine Proposition mit der Menge derjenigen Welten identifiziert werden kann, in denen sie wahr ist. Eine Proposition ρ ist wahr in einer Welt w e W genau dann, wenn die Welt w in der Menge derjenigen Welten enthalten ist, in denen ρ wahr ist, wenn also gilt: w e ρ oder p(w) = wahr; anderenfalls ist ρ falsch in w. Propositionen lassen sich selbst zu Mengen zusammenfassen. Eine Menge von Propositionen ist dann eine Menge, in der Mengen von Welten enthalten sind. Die sog. Potenzmenge p(M) einer Menge M ist die Menge aller Teilmengen von M. Bildet man die Potenzmenge zu der Menge der möglichen Welten, so erhält man die Menge aller Propositionen, denn Propositionen sind Mengen von möglichen Welten. EinQ Menge von Propositionen ist somit eine Teilmenge der Potenzmenge der Menge der möglichen Welten. Wenn eine Proposition p, in einer Menge W t von Welten wahr ist und eine Proposition p2 in einer Menge W2, so sind p, und p2 genau im Durchschnitt nW¡ (i e { 1, 2 }) von W, und W2 wahr. Fügt man also zu einer Propositionenmenge Ρ mit n-1 Elementen eine neue, in Ρ noch nicht enthaltene Proposition pn hinzu, so verkleinert sich

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2. Semantik der Satzmodi

aufgrund der Durchschnittsbildung die Menge derjenigen Welten, in denen die η Propositionen wahr sind. Dabei kann es vorkommen, dass die Durchschnittsmenge der η Propositionen leer ist, nämlich etwa dann, wenn die Aussagen in der Menge kontradiktorisch sind. Um diese Situation zu vermeiden, lässt sich an eine Menge von Propositionen die Bedingung der Konsistenz stellen. Wenn der Durchschnitt über die in einer Menge Ρ enthaltenen Propositionen nicht leer ist, so ist Ρ konsistent, d.h. es gibt Welten, in denen alle Propositionen in Ρ wahr sind. (2)

Ρ ist konsistent, gdw.

Π *