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German Pages 518 Year 2022
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse
Band 221
Sanierungsplanung von Banken Inhalt, Funktion und Wirkung präventiver Krisenplanung zur Vermeidung von Bankeninsolvenzen
Von
Matthias F. Kraatz
Duncker & Humblot · Berlin
MATTHIAS F. KRAATZ
Sanierungsplanung von Banken
Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von
Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse
Band 221
Sanierungsplanung von Banken Inhalt, Funktion und Wirkung präventiver Krisenplanung zur Vermeidung von Bankeninsolvenzen
Von
Matthias F. Kraatz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-18389-0 (Print) ISBN 978-3-428-58389-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinem Großvater zum Gedenken, meiner Familie zum Dank
Danksagung Die vorliegende Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung meiner Promotionsschrift, die im Sommersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen wurde. Zum Zwecke der Veröffentlichung wurden die Rechtslage, die Rechtsprechung und das Schrifttum im Wesentlichen bis Mitte Juli 2021 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christoph G. Paulus, LL.M. (Berkeley), für seine wohlwollende Förderung, sein Vertrauen in meine Fähigkeiten und für die Freiräume, die er mir zur Erarbeitung der vorliegenden Arbeit gewährt hat. Herrn Prof. Dr. Gregor Bachmannm, LL.M. (Michigan), danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine wertvollen Hinweise. Herrn Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), und dem gesamten Lehrstuhlteam danke ich für das fruchtbare Arbeitsumfeld, das mir vielfältige Anregungen für mein Promotionsprojekt bot. Herrn Prof. Dr. Michael Schillig, LL.M. (KCL), danke ich dafür, dass er mir einen Forschungsaufenthalt am King’s College London ermöglichte, der mir nicht nur in fachlicher Hinsicht wertvolle Erfahrungen einbrachte und den ich in bester Erinnerung behalten werde. Ferner danke ich meinem Freund und Kollegen Dr. Lucas Gasser für seine fachkundigen Hinweise und die gegenseitige Unterstützung während unserer gemeinsamen Promotionszeit. Dem Land Berlin und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst danke ich für die Unterstützung meines Promotionsvorhabens aus den Mitteln des ElsaNeumann-Stipendiums und des GRAFÖG-Ergänzungsstipendiums. Herrn Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider und Herrn Prof. Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford), danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meiner Familie. Sowohl meine Großeltern als auch meine Eltern, Christine und Frank Kraatz, haben meine gesamte Ausbildung immer gefördert und mir auf allen Wegen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Ehefrau Bella-Elisa Kraatz. Ohne ihre konstruktive Kritik, ihren liebevollen Zuspruch und ihre Aufopferungsbereitschaft wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Meiner lieben Tochter Carla danke ich, weil sie mir mit ihrer wunderbaren Lebensfreude gerade auf den „letzten Metern“ die nötige Energie zum Ab-
8
Danksagung
schluss der Arbeit verschaffte und mir zugleich immer wieder vor Augen führte, worauf es im Leben wirklich ankommt. Berlin, im August 2021
Matthias Kraatz
Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
A. Einführung in die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
B. Fragestellungen der Arbeit und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
B. Die Entwicklung des Rechts zur planungsbasierten Bewältigung von Bankenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
B. Rechtsquellen des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
D. Grundprinzipien der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 § 4 Die rechtlichen Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Besondere Inhaltsanforderungen für Gruppensanierungspläne, Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme und vereinfachte Sanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 D. Besonderheiten im Verfahren der Gruppensanierungsplanung . . . . . . . . . . . . 190 § 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge qua Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts . . . . 212 C. Entscheidungsbezogene Strukturmerkmale der Sanierungsplanung . . . . . . . 274 D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 § 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem der bankenaufsichtsrechtlichen Instituts- und Systemsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . 340 B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . 394 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
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Inhaltsübersicht
§ 7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 B. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 § 8 Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Behördliche Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung in die Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fragestellungen der Arbeit und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Finanzintermediation durch Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Losgrößen-, Fristen-, Risiko- und Informationsbedarfstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bankbetriebliche Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klassische Risiken des Bankgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausfallrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Liquiditätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Marktpreisrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Operationelles Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Reputationsrisiko als Bankenrisiko eigener Art . . . . . . . . . . . . . a) Kreditbeziehung als Vertrauensbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reputationseinbußen und Bank-Run-Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die systemische Bankeninsolvenz als Risiko für die Stabilität des Finanzmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systemrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kennzeichen der systemischen Bankeninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . a) Direkte Ansteckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Indirekte Ansteckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Systemrelevanz von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Indikatorbasierte Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Indikatoren im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Entwicklung des Rechts zur planungsbasierten Bewältigung von Bankenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit eines Sonderinsolvenzrechts für Banken . . . . . . . . . . . . II. Internationale Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Europäische Rechtsetzungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 37 37 39 41 41 41 43 43 44 45 46 48 50 51 53 54 55 58 58 59 61 62 63 65 67
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Inhaltsverzeichnis IV.
Nationale Reformvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Restrukturierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Trennbankengesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. BRRD-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der tradierte Zielkanon des Bankenaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktversagen als Ansatzpunkt bankenaufsichtsrechtlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktions- und Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ziele der BRRD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stabilisierung des Finanzsystems in Krisenphasen . . . . . . . . . . . . . . 2. Risikominimierung ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kollektiver Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziele des Sanierungsplanungsrechts im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzverhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entlastung des Abwicklungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Autonome, systemschonende und nachhaltige Krisenbewältigung . . B. Rechtsquellen des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einzelinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutsbezogene Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Grundprinzipien der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Proportionalität der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertraulichkeit der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutsautonome Krisenbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Notfallliquiditätshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zentralbankfazilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80 80 80
V.
§ 4 Die rechtlichen Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Planzusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strategische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 1. Unternehmensstruktur und Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyse der wesentlichen Geschäftsbereiche und kritischen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wesentliche Geschäftsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuordnung wesentlicher Geschäftsaktivitäten und kritischer Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vernetzungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kontraktdatenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sanierungsindikatoren und Krisen-Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sanierungsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anforderungen an Indikatoren, Indikatorkategorien und -kombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Krisen-Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensbezogene Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Handlungsoptionen zur Krisenbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an die sanierungsbezogenen Handlungsoptionen . . a) Begriff der Handlungsoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ziele und allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kategorien von Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interne Auswirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Externe Auswirkungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umsetzbarkeitsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Durchführungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchführungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lösungen für Sanierungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Krisenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interne Krisenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Externe Krisenkommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Szenarioanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung der Belastungsszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung der Belastungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Brutto/Netto-Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der Gesamtsanierungskapazität . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vorbereitung der Planumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis VIII. Gesamtbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutsbezogene Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systembezogene Zielvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Darlegung der Zielkonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besondere Inhaltsanforderungen für Gruppensanierungspläne, Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme und vereinfachte Sanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gruppensanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich des § 14 SAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Anforderungen an Gruppensanierungspläne . . . . . . . . . . II. Sanierungspläne für institutsbezogene Sicherungssysteme . . . . . . . . . . III. Vereinfachte Sanierungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensablauf im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Initiale Planerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutsinterner Planungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Planungs-Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsseitige Prüfung und Bewertung der Sanierungspläne . . . . a) Behördliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sog. weniger bedeutende Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sog. bedeutende Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltliche Dimensionen der Planbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufsichtsbehördliche Eingriffskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Planaktualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . D. Besonderheiten im Verfahren der Gruppensanierungsplanung . . . . . . . . . . . . I. Sog. weniger bedeutende Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sog. bedeutende Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge qua Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dezentralität von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handlungskoordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Objektive Grenzen der Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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2. Subjektive Grenzen der Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung mit Blick auf die Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . a) Planungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Planumsetzungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anreizdefizite und Regulatory-Capture-Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts . . . . I. Hintergrund: Rechtliche Verhaltenssteuerung in der risiko- und komplexitätsgeprägten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaftlicher Wandel und Grenzen hoheitlich-imperativer Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozeduralisierung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsgegenstände und normstrukturelle Entsprechungen . . 3. Regulierte Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff und Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzungsformen und Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozessorientierung der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorverlagerung des staatlichen Steuerungszugriffs . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschichtung von Entscheidungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die systemtheoretische Perspektive: Organisationen und Entscheidungsprämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sanierungspläne als institutsinterne Prämissen krisenbezogenen Entscheidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Komplexitätsreduktion durch Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . d) Erwartungssicherung durch Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . 3. Temporalisierung der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeitliche Öffnung: Ausdruck der Folgenorientierung des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelkreisfunktion der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dynamisierung der Planungsanforderungen als Gefahr für die Rechts- und Gestaltungssicherheit der aufsichtsunterworfenen Institute? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Planaktualität als Voraussetzung für Restrukturierungsmaßnahmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Diskursorientierung der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diskursorientierung der materiellen Plananforderungen . . . . . . . . . 2. Diskursorientierung des Verfahrensrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Konsequenz: Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte . . IV. Wissens- und Lernorientierung der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . .
204 205 206 208 210 211 212 213 213 215 215 217 219 219 221 222 223 224 225 226 228 230 233 235 235 237
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Inhaltsverzeichnis 1. Netzwerkstruktur der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Planungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbindung des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Planumsetzungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diffusion der Gestaltungsbeiträge und Hybridisierung . . . . . . . . . . . 3. Reflexive Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Planungsbezogene Risiken erster und zweiter Ordnung . . . . . . . b) Reflexive Sanierungsplanung und Lernen höherer Ordnung . . . c) Konsequenzen: zwei Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Szenariobasierte Belastungsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Planinterne Erläuterungs- und Begründungspflichten . . . . . V. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sanierungsplanung als prozess-, diskurs- sowie wissens- und lernorientiertes Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Komplexitätsreduktion und Erwartungssicherung durch abstraktpräventive Vorfeldplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Temporalisierung des Planungsprozesses als Antwort auf die Dynamik des Planungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Diskursiver Planungsprozess als Antwort auf die strukturellen Grenzen der Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verbleibende Defizite: Mangelnde Kontrolle und überkomplexe Aufsichtsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Entscheidungsbezogene Strukturmerkmale der Sanierungsplanung . . . . . . . . I. Entscheidungszwang unter Unsicherheitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . II. Ungewissheit bei der aufsichtsbehördlichen Aufgabenwahrnehmung . . 1. Ungewissheit in Eingriffskonstellationen als Frage von Beweismaß und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung im Sanierungsplanungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reduziertes Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 13 Abs. 4 SAG als Beweismaßregelung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überwiegensprinzip als Beweismaß für alle behördlichen Prognoseentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahren der behördlichen Überzeugungsbildung . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eingriffsmöglichkeit aufgrund hinreichend objektivierter Risikohypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überwiegensprinzip als diskursorientierte Stoppregel . . . . . III. Ungewissheit bei der institutsinternen Aufgabenwahrnehmung . . . . . . 1. Die Grenzen rein prozedural-diskursorientierter Unsicherheitsbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Vorsichtsprinzip als materiell-inhaltliches Korrektiv . . . . . . . . .
251 252 252 255 256 257 260 260 262 264 264 266 267 267 269 270 270 271 274 274 275 275 277 278 279 280 282 284 284 286 287 288 289
Inhaltsverzeichnis a) Das Vorsichtsprinzip als Grundsatz des bankinternen Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Vorsichtsprinzip als Zweifelsregelung für die institutsinterne Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiel 1: Gestaltung von Belastungsszenarien . . . . . . . . . bb) Beispiel 2: Krisenentscheidung nach Anschlagen der Sanierungsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Grenzen rein instrumentell-krisenbezogener Sanierungsplanung . . 1. Marktabhängigkeit von Sanierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Frühzeitige unternehmensbezogene Anpassungsmaßnahmen zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit (sog. Vorwirkung) . . . . . . . . . . II. Dimensionen der Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Strukturbezogene Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abwicklungsbezogene Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturmaßnahmen zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit . . 2. Geschäftsbezogene Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsbezogene Maßnahmen zur Erhöhung der Sanierungskapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftsbezogene Maßnahmen zur Minderung des prognostischen Schadenspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sanierungsbezogene Prüfung komplexer Geschäftsmodelle, insbesondere: Finanzinnovationskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . 3. Koordination abwicklungs- und sanierungsbezogener Ex-anteMaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grenzen der Vorwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betroffene Grundrechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immanente Begrenzung durch das Sanierungsziel . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtspflicht der Institute zur Prüfung von Vorwirkungsmaßnahmen . . 1. Problem: Komplexität der Bewertungsfragen und Gefahr übermäßiger behördlicher Zurückhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung: Ganzheitlicher Planungsdiskurs durch umfassende Rechtspflicht der Institute zur Prüfung unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegungspraxis der EBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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289 291 293 293 294 295 298 298 299 301 303 304 304 307 309 310 311 311 312 316 318 318 318 320 320 321 324 326 326
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Inhaltsverzeichnis
V.
b) Hiesiger Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem der bankenaufsichtsrechtlichen Instituts- und Systemsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . I. Eckpunkte der laufenden Institutsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Solvabilitätsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liquiditätsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regeln zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutsinternes Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufsichtliche Überprüfung im Rahmen des SREP . . . . . . . . . . . . . . 5. Übergreifender Aufsichtsansatz: die sog. qualitative Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbindungslinien des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sanierungsplanung als Teil der sog. qualitativen Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sanierungsplanung und allgemeines Risikomanagement der Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanierungsplanung und Risikotragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Risikotragfähigkeitsanforderungen im allgemeinen Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sanierungsplan als krisenspezifisches Risikotragfähigkeitskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sanierungsplanung und ICAAP-Kapitalplanung . . . . . . . . . . dd) Szenariobasierte Belastungsanalysen und bankinterne Stresstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verknüpfung von Regel- und Krisen-Governance . . . . . . . . . . . . aa) Sanierungs- und Frühwarnindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufbau- und ablauforganisatorische Regeln für Regel- und Krisenfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sanierungsplanung und Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Notfallkonzept gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG . . . . . bb) Liquiditätsnotfallplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sanierungsplanung und laufende Institutsaufsicht der Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanierungsplanungsrechtliches Meldewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behördliches Planbewertungsverfahren und SREP . . . . . . . . . . . aa) Integration des Planbewertungsverfahrens in den SREP . . . bb) Verhältnis behördlicher Eingriffsbefugnisse im Rahmen von SREP und Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sanierungsplanung als Erweiterung des allgemeinen Risikomanagements und Instrument der laufenden Institutsaufsicht . . . . . . . . . 2. Verbleibendes Defizit: Überkomplexität des Gesamtregelwerks . . B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . I. Makroprudenzielle Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Makroprudenzielle Gehalte des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . III. Sanierungsplanung als Informationsquelle makroprudenzieller Systemüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388
§ 7 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Interbehördliche Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reform der europäischen Bankenaufsichtsarchitektur . . . . . . . . b) Praktische Krisensimulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durchsetzung des Sanierungsplanungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problembeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Publizität der Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Private Enforcement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Traditionelle Lösung im deutschen Deliktsrecht: sog. Schutznormtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Denkbare Alternative: sog. funktionale Subjektivierung . . cc) Verbesserte Durchsetzung des Sanierungsplanungsrechts durch Private Enforcement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389 390 394 394 396 399 400 402 402 403 403 407 407 409 411 411 414 414 418 419 420 424 428 430
§ 8 Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Behördliche Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. E. a. F. ABl. Abs. Abschlussprüfer-VO
AbwMechG AcP AEUV AG AktG allg. Am. Econ. Rev. Am. Univ. Bus. L. Rev. Anh. AöR APuZ Audit C. Q. Aufl. ausf. Az. BaFin Bank Engl. Q. Bull. Bankenrichtlinie BankR-Hdb.
BBl BCBS Benchmark-VO
andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt Absatz Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, ABl. L 158 vom 27.5. 2014, S. 77 Abwicklungsmechanismusgesetz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz allgemein(er) American Economic Review American University Business Law Review Anhang Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte Audit Committee Quarterly Auflage ausführlich Aktenzeichen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bank of England Quarterly Bulletin Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006, ABl. L 177 vom 30.6.2006, S. 1 Schimansky, Herbert/Bunte, Hermann-Josef/Lwowski, HansJürgen (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl., München 2017 Betriebswirtschaftliche Blätter Basel Committee on Banking Supervision (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht) Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016, ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1
Abkürzungsverzeichnis Berk. Bus. L.J. Bes. VerwR I
Beschl. v. BGB BGBl. BGH BImSchG BIS BIS Q. Rev. BKR BR-Drs. Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. Brook. J. Int’l L. BRRD
BRRDUmsG BT-Drs. Bundesbank BVerfG BVR CEBS CF CMG CMLJ Colum. L. Rev. Common Mkt. L. Rev. CPMS CRD-IV CRD-IV-Umsetzungsgesetz
21
Berkeley Business Law Journal Ehlers, Dirk/Fehling, Michael/Pünder, Hermann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht – Band 1: Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., Heidelberg u. a. 2019 Beschluss vom Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundes-Immissionsschutzgesetz Bank for International Settlements (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) BIS Quaterly Review Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesrats-Drucksache Brooklyn Journal of Corporate, Financial & Commercial Law Brooklyn Journal of International Law Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie, Richtlinie 2014/59/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190 BRRD-Umsetzungsgesetz Bundestags-Drucksache Deutsche Bundesbank Bundesverfassungsgericht Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e. V. Committee of European Banking Supervisors (Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Bankwesen) Corporate Finance Crisis Management Group (Krisenmanagementgruppe) Capital Markets Law Journal Columbia Law Review Common Market Law Review Committee on Payments and Market Infrastructures (Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen
22 CRR
d.h. DB De Larosière-Bericht del. VO 2016/1075 del. VO 2016/778 del. VO 2016/98 del. VO 2019/348 Diss. DJT Dok. DSGV Dt. und europ. Bankund Kap.m.recht II DV DVBl DVO 2016/99 DZWiR EAEG EBA EBA-VO
EBF EBLR EBOR ECFR Econ. Soc. EGV Einlagensicherungsrichtlinie EIOPA
Abkürzungsverzeichnis Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1 das heißt Der Betrieb The High-Level Group on Financial Supervision in the EU, Report, Chaired by Jacques de Larosière, 25.2.2009, Brüssel Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission vom 23. März 2016, ABl. L 184 vom 8.7.2016, S. 1 Delegierte Verordnung (EU) 2016/778 der Kommission vom 2. Februar 2016, ABl. L 131 vom 20.5.2016, S. 41 Delegierte Verordnung (EU) 2016/98 der Kommission vom 16. Oktober 2015, ABl. L 21 vom 28.1.2016, S. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2019/348 der Kommission vom 25. Oktober 2018, ABl. L 63 vom 4.3.2019, S. 1 Dissertation Deutscher Juristentag Dokument Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. Derleder, Peter/Knops, Kai-Oliver/Bamberger, Heinz Georg (Hrsg.), Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Band 2, 3. Aufl., Berlin/Heidelberg 2017 Die Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung (EU) 2016/99 der Kommission vom 16. Oktober 2015, ABl. L 21 vom 28.1.2016, S. 21 Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz European Banking Authority (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12 European Banking Federation European Business Law Review European Business Organization Law Review European Company and Financial Law Review Economy and Society Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149 European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung)
Abkürzungsverzeichnis EMRK Entsch. v. ErwG ESRB ESRB-VO
ESZB ESZB-Satzung
et al. EuGH EuR Europ. sektorales WirtschaftsR EUV EuZW EZB f./ff. FBF Fed. Res. Richm. Econ. Q. Fin. Reg. FinanzmarktrichtlinieUmsG FinDAG FinStabG FMSA FMStBG FMStErgG FMStFEntwG FMStFG FMStG Fn. FSA FSB ggf. Glob. J. Emerg. Mark. Econ. Global Fin. J.
23
Europäische Menschenrechtskonvention Entscheidung vom Erwägungsgrund European Systemic Risk Board (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken) Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1 Europäisches System der Zentralbanken Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank vom 7. Februar 1992, ABl. C 191 S. 68 et alii (und andere) Europäischer Gerichtshof Europarecht Ruffert, Matthias (Hrsg.), Enzyklopädie des Europarechts, Band 5: Europäisches sektorales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., Baden-Baden 2020 Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Zentralbank folgende (Einzahl/Mehrzahl) Fédération Bancaire Française Federal Reserve Bank of Richmond Economic Quarterly The Financial Regulator Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Finanzstabilitätsgesetz Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz Fußnote Financial Services Authority Financial Stability Board (Finanzstabilitätsrat) gegebenenfalls Global Journal of Emerging Market Economies Global Finance Journal
24 GmbHG GrCh GVwR I
GVwR II
h. M. Habil. Hdb. Hdb. Bankenaufsichtsrecht Hdb. Bankensanierung und -abwicklung Hdb. Grundrechte III
HdbStR II
HdbStR IV
HGB Hrsg. hrsg. Hs. I.C.C.L.R. i. d. F. i. E. i. e. S. I.J.F.B.S. i. S. d. i.V. m. i. w. S. ICAAP IDW IILR
Abkürzungsverzeichnis Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Charta der Grundrechte der Europäischen Union Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schmidt-Aßmann, Eberhard/Voßkuhle, Andreas (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts – Band I: Methoden, Maßstäbe, Aufgaben, Organisation, 2. Aufl., München 2012 Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schmidt-Aßmann, Eberhard/Voßkuhle, Andreas (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts – Band II: Informationsordnung, Verwaltungsverfahren, Handlungsformen, 2. Aufl., München 2012 herrschende Meinung Habilitation Handbuch Binder, Jens-Hinrich/Glos, Alexander/Riepe, Jan (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht, 2. Aufl., Köln 2020 Jahn, Uwe/Schmitt, Christian/Geier, Bernd (Hrsg.), Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, München 2016 Merten, Detlef/Papier, Hans-Jürgen (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Band III: Grundrechte in Deutschland – Allgemeine Lehren II, Heidelberg u. a. 2009 Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band II – Verfassungsstaat, 3. Aufl., Heidelberg 2004 Isensee, Josef/Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV – Aufgaben des Staates, 3. Aufl., Heidelberg 2006 Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben Halbsatz International Company and Commercial Law Review in der Fassung im Ergebnis im engeren Sinne International Journal of Finance & Banking Studies im Sinne des in Verbindung mit im weiteren Sinne Internal Capital Adequacy Assessment Process (Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals) Institut der Wirtschaftsprüfer International Insolvency Law Review
Abkürzungsverzeichnis ILAAP IMF Indep. Rev. insb. IntKommEMRK IOSCO J. Bank. Fin. J. Bank. Reg. J. Comp. Econ. J. Econ. Persp. J. Fin. Econ. J. Fin. Econ. Pol. J. Fin. Persp. J. Fin. Reg. J. Fin. Reg. Comp. J. Fin. Stab. J. Insur. Fin. Manag. J. Law & Econ. J. Monet. Econ. J. Money Credit Bank. J. Pol. Econ. J. Risk Uncertain. J.C.L.S. J.I.B.L.R. JST jurisPR-InsR Kap. Karlsruher Kommentar OWiG Key Attributes KJ Kommission KonTraG KredReorgG KritV KTS
25
Internal Liquidity Adequacy Assessment Process (Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit der internen Liquidität) International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds) Independent Review insbesondere Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention International Organization of Securities Commissions (Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden) Journal of Banking and Finance Journal of Banking Regulation Journal of Comparative Economics Journal of Economic Perspectives Journal of Financial Economics Journal of Financial Economic Policy Journal of Financial Perspectives Journal of Financial Regulation Journal of Financial Regulation and Compliance Journal of Financial Stability Journal of Insurance and Financial Management Journal of Law and Economics Journal of Monetary Economics Journal of Money, Credit and Banking Journal of Political Economy Journal of Risk and Uncertainty Journal of Corporate Law Studies Journal of International Banking Law and Regulation Joint Supervisory Teams (Gemeinsame Aufsichtsteams) juris PraxisReport Insolvenzrecht Kapitel Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, hrsg. von Wolfgang Mitsch, 5. Aufl., München 2018 Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions Kritische Justiz Europäische Kommission Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Konkurs Treuhand Sanierung
26 KWG Law Econ. Y. Rev. LFMR lit. M.J. m.w. N. MaComp
Abkürzungsverzeichnis
Kreditwesengesetz Law and Economics Yearly Review Law and Financial Markets Review litera (Buchstabe) Maastricht Journal of European and Comparative Law mit weiteren Nachweisen BaFin, Rundschreiben 05/2018 (WA) – Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp, 19.4.2018 MAD Marktmissbrauchsrichtlinie, Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 179 MAR Marktmissbrauchsverordnung, Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1 MaRisk (BA) 9/2017 BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, 27.10.2017 MaSan (BA) 3/2014 BaFin, Rundschreiben 3/2014 (BA) – Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan), 25.4. 2014 MaSanV Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute (Sanierungsplanmindestanforderungsverordnung) MiFID I Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004, ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1 MiFID II Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349 MiFID-Durchführungs- Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August richtlinie 2006, ABl. L 241 vom 2.9.2006, S. 26 MiFIR Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84 Minn. L. Rev. Minnesota Law Review mit Anm. mit Anmerkungen MüKo BGB, Bd. 13 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 13: Internationales Privatrecht II, Internationales Wirtschaftsrecht, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Art. 50–253), hrsg. von Franz Jürgen Säcker/Roland Rixecker/Hartmut Oetker/Bettina Limperg, 8. Aufl., München 2021 MüKo BGB, Bd. 7 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7: Schuldrecht – Besonderer Teil IV (§§ 705–853), Partnerschaftsgesellschaftsgesetz, Produkthaftungsgesetz, hrsg von Franz Jürgen Säcker/Roland Rixecker/Hartmut Oetker/Bettina Limperg, 8. Aufl., München 2020
Abkürzungsverzeichnis MüKo WettbR I
27
Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, Band 1: Europäisches Wettbewerbsrecht, hrsg. von Florian Bien/Peter Meier-Beck/Frank Montag/Franz Jürgen Säcker, 3. Aufl., München 2020 MüKo ZPO, Bd. 1 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Band 1: §§ 1– 354, hrsg. von Wolfgang Krüger/Thomas Rauscher, 6. Aufl., München 2020 N.C. Banking Inst. North Carolina Banking Institute n. F. neue Fassung NCA National Competent Authority (zuständige nationale Aufsichtsbehörde) Nr. Nummer NuR Natur und Recht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NY Bus. Law J. NY Business Law Journal NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Open Rev. M. B. F. Open Review of Management, Banking and Finance ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz Oxf. Hdb. of Fin. Reg. Moloney, Niamh/Ferran, Eilís/Payne, Jennifer (Hrsg.), The Oxford Handbook of Financial Regulation, Oxford 2015 PRA Bank of England, Prudential Regulation Authority PrüfBV Prüfungsberichtsverordnung Q. J. Econ. Quarterly Journal of Economics RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Ratingagenturen-VO Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009, ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1 Res. Fin. Serv. Research in Financial Services: Private and Public Policy Res. Organ. Behav. Research in Organizational Behavior Rev. Banking & Fin. Law Review of Banking & Financial Law Rev. Econ. Review of Economics, Jahrbuch für Wirtschaftswissenschaften RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RStruktFG Restrukturierungsfondsgesetz RStruktG Restrukturierungsgesetz RTS regulatory technical standards RW Rechtswissenschaft
28 s./S. Sachverständigenrat SAG Sloan Manag. Rev. SpStr. SRB SRM SRM-VO
SSM SSM-RVO
SSM-VO st.Rspr. StaRUG StB stellv. Tex. L. Rev. TrennbG Tz. u. a. UAbs. umf. Urt. v. usw. Vand. L. Rev. VDP Verf. vgl. VJH VO VÖB VVDStRL VwGO VwVfG W&L L. Rev.
Abkürzungsverzeichnis siehe/Seite/Satz Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Sanierungs- und Abwicklungsgesetz Sloan Management Review Spiegelstrich Single Resolution Board (Einheitliches Abwicklungsgremium) Single Resolution Mechanism (Einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014, ABl. L 225 vom 30.7.2014, S. 1 Single Supervisory Mechanism (Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus) SSM-Rahmenverordnung, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014, ABl. L 141 vom 14.5.2014, S. 1 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013, ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63 ständige Rechtsprechung Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz Der Steuerberater stellvertretend Texas Law Review Trennbankengesetz Textziffer unter anderem Unterabsatz umfassend Urteil vom und so weiter Vanderbilt Law Review Verband deutscher Pfandbriefbanken e. V. Verfasser_in vergleiche Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung Verordnung Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands e.V. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Washington & Lee Law Review
Abkürzungsverzeichnis WiSt wistra WiVerw WM WPg WpHG WpÜG WuW Yale J. on Reg. ZBB ZEuP ZEuS ZfPW ZfRSoz ZfS ZG ZGR ZHR ZInsO ZIP zit. nach juris ZP I EMRK ZPO zsf. zugl. ZVglRWiss
29
Wirtschaftswissenschaftliches Studium Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wirtschaft und Verwaltung, Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wirtschaft und Wettbewerb Yale Journal on Regulation Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Soziologie Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert nach juris Erstes Zusatzprotokoll zur EMRK Zivilprozessordnung zusammenfassend zugleich Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
§ 1 Einleitung A. Einführung in die Thematik Knapp zwölf Jahre sind nunmehr vergangen, seitdem die G20-Staaten im Herbst 2009 bei ihrem Gipfeltreffen in Pittsburgh in Reaktion auf die Finanzkrise einer umfassenden Reform der internationalen Finanzmarktregulierung den Weg bereiteten. Geleitet war sie von dem Anspruch, in Zukunft einen erneuten Kollaps des internationalen Finanzsystems und die „Rettung“ einzelner systemrelevanter Finanzinstitute auf Kosten der Allgemeinheit unter allen Umständen zu verhindern. Immerhin wurden im Zuge der damals gerade erst überwundenen Krise binnen kurzer Zeit Vermögenswerte im Wert von weltweit ca. 50 Billionen US-Dollar vernichtet,1 das reale Bruttoinlandsprodukt der ökonomisch entwickelten Staaten ging in 2009 um ca. 3,4 Prozent zurück2 und die Staatsschulden stiegen allerorten sprunghaft an. In Europa mündete die Reforminitiative in eine Generalüberholung weiter Teile des europäischen Aufsichtsrechts, angefangen unter anderem mit strengeren Solvabilitäts- und Liquiditätsregeln über gesteigerte Corporate-Governance-Anforderungen bis hin zu neuen produkt- bzw. marktspezifischen Regulierungen, etwa im Bereich des außerbörslichen Derivatehandels. Allein das deutsche KWG erfuhr in der Folge zwischen 2008 und 2015 insgesamt 44 Gesetzesänderungen.3 Ergänzt wurden diese materiell-rechtlichen Neuregelungen durch umfassende Neuordnungen auch auf institutioneller Ebene: Einen ersten Schritt markierte im Januar 2011 die Einrichtung des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (ESFS). 2014 folgte dann, vor allem als Konsequenz aus der sich zuspitzenden europäischen Staatsschuldenkrise, die Einrichtung der Europäischen Bankenunion – ein Integrationsschritt, der in seiner ganzen Wirkmächtigkeit wohl erst in den kommenden Jahren vollständig zu erfassen sein wird. Schließlich formierte sich mit dem sog. Bankeninsolvenzrecht auch ein gänzlich neues Regelungssystem innerhalb des europäischen Aufsichtsrechts. Aufgeteilt in zwei Rechtsakte, die Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (BRRD) und die Verordnung zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM-VO), zielt es auf die Aufrechterhaltung der Finanzstabilität in finanziellen Belastungsphasen durch eine geordnete und systemschonende Sanierung und Abwicklung europäischer Banken. 1
Loser, 1 Glob. J. Emerg. Mark. Econ. 137, 141, 153 (2009). IMF, World Economic Outlook, 10/2017, S. 242 f. 3 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 70. 2
32
§ 1 Einleitung
Wenngleich der Regulierungsprozess mittlerweile in eine Phase der Konsolidierung übergegangen zu sein scheint und die Praxiserfahrungen in der neuen Aufsichtsarchitektur wachsen, stellt der skizzierte Wandel die Rechtswissenschaft weiterhin vor gewichtige Herausforderungen. Zwar ist das finanzaufsichtsbezogene Schrifttum in seiner gesamten internationalen Breite heute kaum noch zu überblicken. Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung um das Bankenaufsichtsrecht der Postkrisenära hat jedoch lange noch nicht eine Durchdringungstiefe erreicht, wie sie in anderen Bereichen des (deutschen) Privat- oder Verwaltungsrechts vorzufinden ist.4 Und so mag es kaum überraschen, dass in der Literatur weiterhin eine umfassende Analyse der einzelnen Instrumente und Regelungsarrangements des neuen Rechtsrahmens gefordert wird, dies sowohl in isolierter als auch in instrumentenübergreifender Perspektive.5 Die vorliegende Arbeit möchte in diesem Zusammenhang einen Beitrag leisten, indem sie ein Aufsichtsinstrument herausgreift und vertieft betrachtet: die sog. Sanierungsplanung von Banken. Auf europäischer Ebene im Januar 2015 mit der BRRD eingeführt und gemeinsam mit der sog. Abwicklungsplanung international unter dem Stichwort „Living Will“ bzw. „Bankentestament“ 6 bekannt geworden, ist die Sanierungsplanung heute integraler Bestandteil des erweiterten Risikomanagements europäischer Banken. Sie dient der Vorbereitung auf zukünftige Krisensituationen, unter anderem durch Entwicklung von Früherkennungssystemen und Vorausplanung konkreter Sanierungsmaßnahmen. Die Sanierungsplanung soll damit die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen in existenzbedrohenden Belastungsphasen erhöhen und im Bedarfsfall eine systemschonende Krisenbewältigung auf privatwirtschaftlicher Grundlage sowie „aus eigener Kraft“ der Unternehmen ermöglichen. Eine staatliche Abwicklung, deren Vorbereitung Gegenstand der behördlichen Abwicklungsplanung ist, soll damit nach Möglichkeit vermieden werden. Insbesondere aber soll ein ungeordneter Zusam-
4 Ähnl. Augsberg, DV 49 (2016), 369, 370 f. S. auch Burgi, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 4 A. Rn. 1. Über die Hintergründe dieses – im Vergleich zu anderen (Teil-)Rechtsgebieten – geringeren Reflexionsgrades mag man streiten. Mitursächlich dürfte, neben der hohen Dynamik der Rechtsentwicklung, vor allem die stark ökonomische Prägung und Komplexität der Rechtsakte sein, die vor allem „Insidern“ zugutekommt, vgl. nochmals Augsberg, a. a. O.; krit. dazu Paulus, in: Nunner-Krautgasser/ Garber/Jaufer (Hrsg.), Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 271, 273. 5 Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 367. 6 Wie später im Einzelnen zu sehen sein wird, geht die metaphorische Umschreibung der Sanierungspläne als „Bankentestament“ bzw. „Living Will“ in vielerlei Hinsicht am tatsächlichen Regelungsgehalt des Instruments vorbei: Erstens ist gerade der Sanierungsplan nicht auf das „Ableben“, sondern auf die geordnete Fortführung der Bankunternehmung ausgerichtet. Zweitens ist der Sanierungsplan in seiner Ausgestaltung durch die Art. 5 ff. BRRD auch inhaltlich ein ungleich entwicklungsoffeneres und dynamischeres Papier als jedes Testament oder jede Patientenverfügung. Vgl. auch schon Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 605; Waschbusch/Rolle, WiSt 2013, 453, 454; ferner Bachmann, BB Die erste Seite 2013, Nr. 10; Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 219.
A. Einführung in die Thematik
33
menbruch von Bankinstituten, wie er im September 2009 paradigmatisch bei der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers zu beobachten war, der Vergangenheit angehören. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Instrument erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil es in seiner Struktur und Funktion auf Tendenzen verweist, die heute auf breiter Linie im gesamten krisenbezogenen Aufsichtsrecht sichtbar werden: Gemeint ist die zunehmende Verlagerung bzw. Ergänzung des aufsichtsrechtlichen Steuerungsschwerpunktes, weg allein vom Krisenmanagement im engeren Sinne, hin auch zu einer indirekten Krisensteuerung durch vorgelagerte Präventivinstrumente7 – und damit eng verbunden auch eine (Wieder-)Entdeckung der Planung als Werkzeug antizipativer Zukunftsvorsorge. Prägendstes Beispiel für diese Tendenz ist in der Tat die Sanierungs- und Abwicklungsplanung, die mit der BRRD ursprünglich nur für Depositen- und Wertpapierbanken eingeführt wurde, in Europa mittlerweile aber auch für zentrale Gegenparteien vorgesehen und für (Rück-)Versicherer zumindest in Planung ist.8 Aber auch im allgemeinen Risikomanagement nehmen präventiv-planerische Aspekte zunehmend breiten Raum ein. Deutlich wird dies etwa an den umfangreichen Anforderungen der EZB an die zukunftsbezogene Kapital- und Liquiditätsplanung als Teil der Risikotragfähigkeitsprozesse der Institute.9 Schließlich haben planerische Elemente zuletzt auch in ganz anderen Kontexten Eingang in das Recht der Finanzmarktaufsicht gefunden. So sind nach der Benchmark-VO die Verwender sog. Finanzmarktreferenzwerte10 heute allgemein dazu verpflichtet, spezielle Pläne für den Fall vorzuhalten, dass die von ihnen genutzten Referenzwerte unerwartet wegfallen oder wesentlich geändert werden.11 All diesen Instrumenten ist gemeinsam, dass der europäische Gesetzgeber nicht länger auf die situative Handlungsfähigkeit der Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmer vertraut. Stattdessen will er die Planung gezielt auch12 im finanzmarktbezogenen Bereich als „methodisches Lenkungsmittel zukünftigen Geschehens“ 13 fruchtbar machen. Um die mit dieser Vorverlagerung des staatlichen Steuerungszugriffs verbundenen Herausforderungen, Strategien und Potentiale nachzuvollziehen, bietet die Sanierungsplanung wertvolles Anschauungsmaterial.
7 Ähnl. Armour, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 453, 467; Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 4 f. 8 Dazu unten, Abschnitt § 2 B. V. 9 Dazu unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) und c) bb). 10 Bekannt geworden sind infolge des gleichnamigen Manipulationsskandals vor allem die Referenzzinssätze LIBOR und EURIBOR. 11 Vgl. Art. 28 Abs. 2 Benchmark-VO, dazu Lorenz/Thomas, WM 2019, 671. 12 Ausf. zur Planung als staatlicher Handlungsform und zu dessen Wurzeln u. a. im Bereich des Raumordnungs-, Bau- und Umweltschutzrechts sowie im Recht der öffentlichen Daseinsvorsorge s. Köck, in: GVwR II, § 37. 13 Stern, Staatsrecht II, S. 704.
34
§ 1 Einleitung
B. Fragestellungen der Arbeit und Gang der Darstellung Zwar wurde die Funktionsweise der Planinstrumente zur Vorbereitung auf Bankenkrisen und der Regelungsgehalt der diesbezüglichen Aufsichtsregeln im internationalen Schrifttum bereits verschiedentlich behandelt. Eine Vielzahl der Untersuchungen betrifft jedoch primär die BRRD-Abwicklungsplanung oder das ähnlich gelagerte US-amerikanische „Living Will“-Regime.14 Die Sanierungsplanung gem. Art. 5 ff. BRRD dagegen hat bisher weniger Aufmerksamkeit erfahren. Verbreitet sind hier Publikationen, die das Instrument primär aus bankpraktischer Perspektive beleuchten und in dieser Ausrichtung Empfehlungen für die alltägliche Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen geben wollen.15 Arbeiten, die sich dem Instrument aus rechtswissenschaftlicher Perspektive nähern und dabei darauf bedacht sind, tieferliegende Erkenntnisse zu den rechtsdogmatischen und rechtstheoretischen Charakteristika und zur Operabilität des Instruments zutage zu fördern, existieren demgegenüber nur in Ansätzen.16 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Lücke zu schließen und die rechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung in einer solch umfassenden Perspektive zu untersuchen. Konkreter Untersuchungsgegenstand ist dabei das Aufsichtsinstrument, wie es in Deutschland in §§ 12 ff. SAG umgesetzt und durch verschiedene europäische Tertiärrechtsakte, insbesondere die Art. 3 ff. del. VO 2016/1075, ausgestaltet wurde. Durchgehend werden dabei jedoch auch die Bezüge und hintergründigen Fragestellungen auf Richtlinienebene mit in den Blick genommen. Methodisch basiert die Arbeit in weiten Teilen auf rechtsdogmatischen Betrachtungen. Wo immer möglich, nimmt sie aber zugleich auch den realweltlichen Kontext des Aufsichtsinstruments – die Bankunternehmung, die Aufsichtsbehörden, das Finanzsystem und die Gesamtheit der in diesen Systemen aktiven Akteure – in den Blick und versucht diesen Kontext für das Verständnis und die angemessene Handhabung der aufsichtsrechtlichen Regelungen fruchtbar 14 Rechtsgrundlage ist hier insb. Sec. 165(d) des Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act vom 21.7.2010 (Public Law 111–203). S. dazu u. a. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1300 ff. (2014); Carmassi/Herring, 5 J. Fin. Econ. Pol. 361 (2013); Cho/Mier/Jones/Bellenger, 18 J. Banking Reg. 80 (2016); Costner, 16 N.C. Banking Inst. 133 (2012); Feibelman, 1 Am. Univ. Bus. L. Rev. 93 (2011); Guynn, in: Kenadjian/Dombret (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 109; Jarque/ Price, 101 Fed. Res. Richm. Econ. Q. 77 (2015); Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 43 (2013). 15 S. vor allem die Beiträge in Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten und Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, die Kommentierung der §§ 12 ff. SAG in Luz/ Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd. sowie ferner Brechfeld/Weber, MaSan; Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 9 ff. und Schabert/Schramm/ Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A.III. 16 An dieser Stelle hervorhebenswert sind insoweit Binder, ZBB 2015, 153; Minto, ECFR 2018, 772. S. auch de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380 (2019) sowie Kaufhold, DV 49 (2016), 339.
B. Fragestellungen der Arbeit und Gang der Darstellung
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zu machen. Damit verbunden ergibt sich auch ein gesteigerter Bedarf zur Berücksichtigung der Erkenntnisse der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen.17 Diese erweiterte Steuerungsperspektive, so wird sich zeigen, ist letztlich schon in der Grundstruktur des modernen Bankenaufsichtsrechts selbst angelegt, zielt es doch im Kern vor allem auf eine effektive Bewältigung der auf den Finanzmärkten anzutreffenden sog. Marktunvollkommenheiten.18 Im Einzelnen werden im Folgenden drei Betrachtungsschwerpunkte gesetzt, die sich in ihrer Anordnung an einem – im weitesten Sinne – induktiv strukturierten Gedankengang orientieren: Den ersten Schwerpunkt bildet eine detaillierte Betrachtung der aufsichtsrechtlichen Einzelanforderungen an die Gestaltung der Sanierungspläne und die Durchführung des Planungsverfahrens, dies sowohl im Hinblick auf Einzelinstitute als auch auf Institutsgruppen. Der Fokus liegt dabei einerseits auf dem konkreten Zusammenwirken der zahlreichen Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene, andererseits auf den funktionalen Zusammenhängen zwischen den einzelnen Planbestandteilen (zum Ganzen § 4). Der zweite Schwerpunkt liegt auf einer Annäherung an die Sanierungsplanung und den diesbezüglichen Rechtsrahmen auf stärker struktureller Ebene. Im Zentrum steht dabei erstens eine Herausarbeitung der tatsächlichen Herausforderungen und Probleme, die sich bei der praktischen Umsetzung einer möglichst zielangemessenen Sanierungsplanung für die planungsbeteiligten Akteure ergeben. Die weitere Untersuchung widmet sich sodann der Frage, welche Mechanismen der Rechtsrahmen bereitstellt, um diese Herausforderungen anzugehen. Ziel dieser Betrachtungen ist es, eine weitergehende System- und Ordnungsbildung innerhalb der Art. 5 ff. BRRD und seiner zahlreichen Umsetzungs- und Konkretisierungsnormen zu erreichen. Zudem bieten sie die Grundlage, um das Sanierungsplanungsregime in seiner aktuellen Ausgestaltung auch aus rechtspolitischer Perspektive zu beurteilen und etwaigen Anpassungsbedarf (de lege ferenda) zu skizzieren. Insgesamt sind die diesbezüglichen Ausführungen dabei auch von dem Anliegen geleitet, die Sanierungsplanung und die zugrundeliegenden rechtlichen Anforderungen – über die finanzaufsichtsrechtliche Sphäre hinaus – im Vergleich zu anderen risikogeprägten Phänomen- und Rechtsbereichen zu betrachten. Wie später zu sehen sein wird, bieten insbesondere das sog. Risikoverwaltungsrecht und die dort in den letzten Jahrzehnten wirkmächtig gewordenen Steuerungskonzepte 17 Ohnehin wird ein solcher Austausch heute zunehmend gefordert. S. aus privatrechtlicher Perspektive Grundmann/Micklitz/Renner, in: dies. (Hrsg.), Privatrechtstheorie I, S. 1, passim; aus verwaltungsrechtlicher Perspektive Voßkuhle, in: GVwR I, § 1 Rn. 25, 37 ff. Vgl. auch Buckel/Christensen/Fischer-Lescano, in: dies. (Hrsg.), Neue Theorien des Rechts, 3. Aufl. 2020, S. 1, 3: Verf. plädieren ebenfalls dafür, Recht als soziales Phänomen zu begreifen und rechtswissenschaftliche Forschung nicht allein auf Fragen der klassischen Dogmatik zu verengen, sondern zunehmend auch die „Umweltbeziehungen, Funktionsbedingungen, Leistungsmöglichkeiten und Grenzen“ rechtlicher Regelungen zu reflektieren. 18 Dazu unten, Abschnitt § 3 A.
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§ 1 Einleitung
wertvolles Material, um das Sanierungsplanungsregime angemessen zu ordnen (zum Ganzen § 5). Ein dritter Schwerpunkt schließlich betrifft die Einbettung des Sanierungsplanungsrechts in bankenaufsichtsrechtliche Gesamtsystem. In mikroprudenzieller Hinsicht ist dabei aus Unternehmenssicht vor allem bedeutsam, wie die Sanierungsplanung mit dem allgemeinen Risikomanagement der Institute verknüpft ist und wie die zugrundeliegenden Normbestände zusammenwirken. Aber auch aus staatlicher Perspektive stellt sich die Frage, wie der Sanierungsplanungsprozess mit der sonstigen Aufgabenwahrnehmung der Aufsichtsbehörden verbunden ist und inwieweit die Sanierungsplanung die mikro- und makroprudenzielle laufende Banken- bzw. Systemaufsicht unterstützen kann (zum Ganzen § 6). Den erwähnten Schwerpunkten vorangestellt sind einleitende Ausführungen, in denen die ökonomischen Hintergründe der Sanierungsplanung – die volkswirtschaftliche Funktion von Banken, die typischen bankbetrieblichen Risiken und das Phänomen der sog. systemischen Bankeninsolvenz – skizziert und die rechtspolitischen Hintergründe des heutigen Rechtsrahmens dargestellt werden (dazu § 2). Ein weiteres Kapitel widmet sich den rechtlichen Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts, namentlich den gesetzgeberischen Zielen des Instruments, seinen Rechtsquellen, dem Anwendungsbereich des Regimes sowie einzelnen Grundprinzipien der Planung (dazu § 3). Die abschließende Schlussbetrachtung greift sodann, aufbauend auf die vorangehenden Kapitel, noch einmal einige zentrale Herausforderungen für die zukünftige Handhabung des Sanierungsplanungsrechts heraus und versucht diese mit möglichen Lösungsansätzen zu unterlegen. Zudem werden die im Rahmen der Arbeit zutage geförderten Einsichten resümierend zusammengeführt (dazu § 7). Das letzte Kapitel fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit knapp zusammen (dazu § 8).
§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt der Sanierungsplanung Als Bestandteil des krisenbezogenen Bankenaufsichtsrechts ist die Sanierungsplanung wesentlich darauf ausgerichtet, volkswirtschaftlich relevanten Stabilitätsrisiken entgegenzuwirken, die aus der unkontrollierten Insolvenz einer – vor allem sog. systemrelevanten – Bank resultieren. Regulierungstheoretisch betrachtet zielt sie damit auf die Behebung spezifischer Marktunvollkommenheiten innerhalb des Finanzsystems.1 Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung können in ihrer Zielsetzung und ihrem Regelungsgehalt dementsprechend nur dann vollständig durchdrungen werden, wenn vorab ein angemessenes Vorverständnis hinsichtlich ihres tatsächlichen Regelungsgegenstandes geschaffen wurde. Der nachfolgende Abschnitt widmet sich deshalb in einer einführenden Darstellung zunächst den ökonomischen Grundlagen des Bankgeschäfts sowie des Phänomens der Bankeninsolvenz.2 Zusammenfassend dargestellt werden die ökonomischen Funktionen von Banken als Akteure auf dem Finanzmarkt (dazu I.). Darauf aufbauend werden die spezifischen institutsbezogenen Risiken beleuchtet, die aus der Wahrnehmung von Bankgeschäften resultieren (dazu II.). Abschließend ist sodann auf das gesamtwirtschaftlich schädliche sog. Systemrisiko einzugehen, das mit der Insolvenz einer systemrelevanten Bank verbunden ist (dazu III.).
I. Finanzintermediation durch Banken 1. Grundlagen Moderne, arbeitsteilig organisierte Volkswirtschaften bedürfen zu ihrer Funktionsfähigkeit effizienten Finanzmärkten.3 Wesensmerkmal des Finanzmarktes ist 1
S. dazu noch ausführlicher sogleich, Abschnitt § 3 A. Zu den (tatsächlichen) Herausforderungen, die spezifisch mit der planerischen Vorsorge für Banken- bzw. Finanzkrisen verbunden sind, s. u. § 5 A. 3 Statt vieler Levine, 35 J. Econ. Lit. 688 (1997). Der Finanzmarkt wird hier umfassend verstanden als Markt, auf dem Finanzkontrakte, d.h. Verträge über gegenwärtige oder zukünftige Zahlungsansprüche, zwischen Anbietern und Nachfragern von Geld sowie anderen Kapitalnutzungsmöglichkeiten geschlossen und gehandelt werden. Üblicherweise wird der Finanzmarkt unterteilt in den Geldmarkt, den Kapital- bzw. Kredit2
38
§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
der Prozess der Kapitalvermittlung zwischen Wirtschaftseinheiten mit Kapitalüberschüssen und -defiziten. Diese Kapitalvermittlung kann bei schematischer Betrachtung auf zweierlei Art und Weise ablaufen:4 Sie kann sich einerseits unmittelbar in der Austauschbeziehung zwischen Kapitalanbietern und -nachfragern vollziehen, die – bildlich gesprochen – auf dem Finanzmarkt zusammenkommen. Diese direkte Form des Ausgleichs zwischen Kapitalangebot und -nachfrage ist kennzeichnend für sog. marktbasierte Finanzsysteme, die vor allem den angloamerikanischen Raum prägen.5 Dem gegenüber stehen Finanzsysteme mit einer bankenbasierten Struktur, wie sie traditionell in Deutschland und Kontinentaleuropa vorherrschend sind.6 Die Kapitalvermittlung erfolgt hier regelmäßig in einem Dreiecksverhältnis unter Einbeziehung von Banken. Diese werden in ihrer Funktion als sog. Finanzintermediäre tätig, indem sie auf der einen Seite überschüssiges Kapital von originären Kapitalanbietern entgegennehmen und dieses Kapital auf der anderen Seite den originären Kapitalnachfragern zur Verfügung stellen.7 Dieser Prozess der Finanzintermediation spiegelt sich in den zwei wesentlichen Geschäftsbereichen des kundenbezogenen Bankgeschäfts, dem Kredit- und dem Einlagengeschäft.8 Im Rahmen der Kreditfinanzierung befriedigen Banken die Kapitalnachfrage von Wirtschaftssubjekten aller Art, darunter Privatpersonen, Unternehmen und öffentliche Haushalte.9 Spiegelbildlich dazu steht auf der anderen Seite das Einlagengeschäft, welches Kapitalanbietern die Anlage
markt sowie den Devisenmarkt. Zum Finanzmarktbegriff Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 8. Aufl. 2012, S. 33; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 2; ferner Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 187 ff.; Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 39 ff. 4 Zur nachfolgenden Differenzierung in banken- und marktbasierte Finanzsysteme Passarge, Institutioneller Wandel im Finanzsystem Deutschlands, S. 4 ff.; Persson/ Sharp, An Economic History of Europe, S. 165 f. 5 Demirgüç-Kunt/Levine, in: dies. (Hrsg.), Financial Structure and Economic Growth, S. 81 und Ergungor, 28 J. Bank. Fin. 2869 (2004) sehen einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung marktbasierter Finanzsysteme und der Rechtstradition des Common Law. 6 Dazu und zur zunehmenden Hybridisierung des deutschen Finanzmarktes in den letzten Jahrzehnten s. Passarge, Institutioneller Wandel im Finanzsystem Deutschlands, S. 14 ff., 80 ff.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/2008, Rn. 170 ff. Zur historischen Entwicklung der banken- und marktbasierten Fremdkapitalfinanzierung in Deutschland s. Baums, in: FS Schmidt, S. 333. 7 Zur Finanzintermediation Baums, in: FS Schmidt, S. 333, 334 ff.; Bitz, WiSt 1989, 430; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 4 ff.; Freixas/Rochet, Microeconomics of banking, 2. Aufl. 2008, S. 15 ff.; Greenbaum/Thakor/Boot, Contemporary Financial Intermediation, 4. Aufl. 2019, S. 23 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 2 f. 8 Neben diese beiden Geschäftsbereiche tritt zudem das Angebot von Zahlungsverkehrsdienstleistungen sowie ferner das gesamte Investmentbanking (einschließlich des sog. Eigenhandels). Zu den Geschäftsbereichen moderner Bankbetriebe s. Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 8. Aufl. 2012, S. 30, 170 ff. 9 Der Begriff des Kreditgeschäfts ist legal definiert § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KWG.
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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von Kapitalüberschüssen in Form von Sicht-, Spar- und Termineinlagen ermöglicht.10 Bei der Wahrnehmung ihrer Finanzintermediationsfunktion stehen Banken dabei heute zunehmend in einem Konkurrenzverhältnis zu anderen Finanzinstitutionen, darunter Kapitalanlagegesellschaften, Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Versicherungen.11 2. Losgrößen-, Fristen-, Risiko- und Informationsbedarfstransformation Die mit der Finanzintermediation einhergehende Zusammenführung von Kapitalangebot und -nachfrage macht eine Reihe von Transformationsleistungen erforderlich. Denn nicht nur zeichnen sich die Einlagen privater Bankkunden regelmäßig durch relative Kurzfristigkeit sowie kleinere Volumina aus, während insbesondere staatliche und unternehmerische Kapitalnachfrager auf langfristige, großvolumige Kredite angewiesen sind. Auch weicht die Risikobereitschaft von Privatanlegern häufig von der Bonität kapitalbedürftiger Investoren ab. Banken harmonisieren diese Abweichungen auf Angebots- und Nachfrageseite durch eine Transformation des vermittelten Kapitals im Hinblick auf seine Losgröße, Fristigkeit und Risikoexposition. Die Losgrößentransformation gewährleisten Banken dadurch, dass sie eine Vielzahl kleinvolumiger Finanzmittel zusammenführen und als größere Kredite an Kapitalnachfrager ausreichen. Sie übernehmen insoweit eine Ballungsfunktion (Poolbildung).12 Die Fristentransformation wird durch eine variable, erfahrungsbasierte Umschuldung der bankseitig eingegangenen Verbindlichkeiten gewährleistet. Die Risikotransformation schließlich betrifft die Reduktion des Ausfallrisikos, dem die originären Kapitalgeber bei der Zurverfügungstellung von Kapital gegenüber Kapitalnehmern ausgesetzt sind. Banken gewährleisten diese zum einen durch eine Diversifizierung der von ihnen gehaltenen Kreditportfolios,13 zum anderen durch eine aktive Risikoselektion mittels Prognose-, Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen.14 Eine weitere Reduktion des von den originären Kapitalgebern getragenen Ausfallrisikos kann sich 10 Zur Legaldefinition des Einlagengeschäfts s. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KWG. Zum Einlagenbegriff s. Weber/Seifert, in: Luz/Neus/Schaber u. a. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 1 KWG Rn. 23, zu den verschiedenen Einlagentypen Schäfer, in: Boos/ Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rn. 43. 11 Vgl. Bitz, WiSt 1989, 430, 430 f.; mit statistischen Daten für den US-Finanzmarkt Greenbaum/Thakor/Boot, Contemporary Financial Intermediation, 4. Aufl. 2019, S. 29 ff. Zur Konkurrenz durch sog. Schattenbanken s. statt vieler Binder, in: Luz/Neus/ Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, S. 3143 ff. 12 Mit der Zusammenführung vieler kleiner Einlagenbeträge von Bankkunden aus geographisch verschiedenen Regionen geht auch eine räumliche Transformation einher, Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 6. 13 Dazu Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 15 ff. 14 Instruktiv etwa zur Kontrolle von Kreditnehmern durch sog. Covenants in Kreditverträgen Drukarczyk/Schöntag, in: Gottwald/Haas (Hrsg.), Insolvenzrechts-Hdb., 6. Aufl. 2020, § 3 Rn. 19 ff.; Knecht/Haghani, in: Buth/Hermanns (Hrsg.), Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl. 2014, § 18 Rn. 71 ff.
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
im Einzelfall ferner daraus ergeben, dass diesen anstelle des originären Kapitalnehmers der Intermediär für die Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Kapitals haftet. Diese Intermediärhaftung wirkt insoweit risikomindernd, wie der Intermediär über den Rückzahlungsanspruch gegen den originären Kapitalnehmer hinaus über weiteres Haftungsvermögen verfügt.15 Dieses Haftungsvermögen führt dazu, dass ein Ausfall des originären Kapitalnehmers nicht vollumfänglich auf den originären Kapitalgeber „durchschlägt“, sondern vom Intermediär „abgefedert“ wird.16 Neben der Losgrößen-, Fristen-, und Risikotransformation übernehmen Banken schließlich auch eine Informationsbedarfstransformation. Wirtschaftseinheiten die am Finanzmarkt ihre Kapitalüberschüsse zur Verfügung stellen wollen, stehen vor verschiedenen Informationsproblemen.17 Einerseits fehlt ihnen die Kenntnis von potentiellen Kapitalnachfragern, deren Bedarf mit dem eigenen Angebot übereinstimmt. Andererseits besteht auch nach Vertragsschluss eine ausgeprägte Informationsasymmetrie in der Finanzbeziehung zwischen Kapitalgeber und -nehmer,18 die sich darin äußert, dass der Kapitalnehmer über einen Informationsvorsprung hinsichtlich der für die Vertragsbeziehung relevanten Tatsachen, insbesondere der Wahrscheinlichkeit der Kapitalrückzahlung, verfügt. Die Behebung dieser Informationsprobleme durch den Kapitalgeber hätte hohe Transaktionskosten zur Folge.19 Banken hingegen können diesen Informationsbedarf für eine Vielzahl von Kapitalgebern bündeln und infolge ihrer Spezialisierung effizienter bewältigen.20 Die dadurch vermittelte Senkung der Transaktionskos15 Bitz, WiSt 1989, 430, 434, der auch darauf verweist, dass das Ausfallrisiko aus Sicht des originären Geldgebers weiterhin durch die Verfügbarkeit externer Haftungsmassen reduziert wird. Praktisch sind dies vor allem die Einlagensicherungsfonds. Zu deren Harmonisierung im Rahmen der Europäischen Bankenunion Berger, BKR 2016, 144; Podporowski/Reichelt/Bretschneider, WPg 2016, 152; dies., WPg 2016, 334. 16 Mit diesem Bild Bitz, in: FS Schmidt, S. 349, 362 (auf S. 362 ff. mit ausf. Modellrechnung zur Intermediärhaftung). S. vor diesem Hintergrund zur Funktion der Solvabilitätsregeln unten, Abschnitt § 6 A. I. 1. 17 Bitz, in: FS Schmidt, S. 349, 350; ders., WiSt 1989, 430, 433. 18 Dazu und zur Beziehung zwischen Kapitalgeber und -nehmer als Prinzipal-Agenten-Beziehung Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 93 ff. Zur Informationsasymmetrie zwischen Wertpapieremittenten und Kapitalmarktinvestoren Tirole, The Theory of Corporate Finance, S. 237 ff. 19 Die Neue Institutionenökonomik versteht unter dem Begriff der Transaktionskosten vor allem Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten sowie Überwachungs- und Durchsetzungskosten. Grundlegend Coase, 4 Economica 386 (1937). Umf. auch Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 53 ff. Vgl. ferner Jansen, WiSt 2004, 597, 599 ff.; Voigt, Institutionenökonomik, 2. Aufl. 2009, S. 23 f. 20 Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 9; Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 49; Zimmermann/Barbrock, in: FS Kleiner, S. 261, 270 f. Dabei profitieren Banken vor allem von Skalen-, Verbund- und Erfahrungskurveneffekten, s. Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 38; Freixas/Rochet, Microeconomics of banking, 2. Aufl. 2008, S. 18 ff.; Neuberger, Mikroökonomik der Bank, S. 148 ff.
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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ten erhöht die Effizienz der auf dem Finanzmarkt stattfindenden Kapitalvermittlungsprozesse.21 Darüber hinaus gewährleistet der verbesserte Informationsfluss, dass das Kapital dort zum Einsatz kommt, wo es eine ertragsmaximierende Wirkung entfalten kann.22 Insgesamt fördern Banken damit maßgeblich die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes.
II. Bankbetriebliche Risiken Unternehmerisches Handeln, gleich welcher Art, ist untrennbar mit dem Eingehen von Risiken verbunden.23 Gleichwohl nehmen Banken im Hinblick auf ihre Risikoexposition eine Sonderstellung ein, die maßgeblich daraus resultiert, dass sie im Rahmen der Finanzintermediation die bereits beschriebenen Transformationsfunktionen wahrnehmen. Typologisch lassen sich diese Bankenrisiken in verschiedene Kategorien unterteilen, wobei die Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Banken (MaRisk (BA) 9/2017) der BaFin als wesentliche Risiken neben dem Ausfallrisiko das Liquiditätsrisiko, das Marktpreisrisiko und das operationelle Risiko benennen (dazu 1.).24 Hinzu tritt ferner das sog. Reputationsrisiko, das wesentlich mit der Vertrauensbedingtheit des Bankgeschäfts verbunden ist (dazu 2.). 1. Klassische Risiken des Bankgeschäfts25 a) Ausfallrisiko Paradigma bankbetrieblicher Risikoentscheidungen ist die Entscheidung über die Kreditvergabe.26 „Klassisches Bankrisiko“ 27 ist demgemäß das Ausfallrisiko 21 Sog. operative Effizienz des Finanzmarktes. Zum Begriff Seiler/Geier, in: BankRHdb., § 104 Rn. 75. Die Fähigkeit von Finanzintermediären zur Senkung der mit der Kapitalvermittlung einhergehenden Transaktionskosten ist zugleich ihr wesentlicher Existenzgrund, vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 6 f., 9, 13; Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 8. Aufl. 2012, S. 34; Persson/Sharp, An Economic History of Europe, S. 158. 22 Sog. allokative Effizienz des Finanzmarktes. Zum Begriff Seiler/Geier, in: BankRHdb., § 104 Rn. 74. Zum Ganzen Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 49 ff. 23 Vgl. statt vieler Baums, ZGR 2011, 218, 218. 24 S. MaRisk (BA) 9/2017, AT 2.2 Tz. 1. 25 Umf. zu den nachfolgend benannten Risikotypen Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 865 ff.; Freixas/Rochet, Microeconomics of banking, 2. Aufl. 2008, S. 265 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 401 ff.; Saunders/Cornett, Financial Institutions Management, 9. Aufl. 2017, S. 4 ff.; im Überblick Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 27 ff. Die nachfolgende idealtypische Betrachtung lässt die Praxis der sog. Risikoverbriefung außer Acht, die spätestens seit den 1990er Jahren auf den internationalen Finanzmärkten weit verbreitet ist und zu einer umfassenden Verlagerung der wertebezogenen Risiken der Kreditinstitute auf Dritte führt. S. umf. zu dieser Praxis Casu/Sarkisyan, in: Berger/Molyneux/Wilson (Hrsg.), The Oxford Handbook of Banking, 3. Aufl. 2019, S. 503. Speziell zur Rolle der Verbriefungspraxis während der Finanzkrise Sachverständigenrat, Jahresgutachten
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
(Kredit- oder Insolvenzrisiko), verstanden als Gefahr, dass ein Vertragspartner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht vertragsgemäß nachkommt, seine Rückzahlungsschuld also nicht fristgerecht oder vollumfänglich erfüllt.28 Strukturell betrachtet folgt das Ausfallrisiko der Bank aus ihrer vertraglich übernommenen Vorleistungspflicht und dem damit verbundenen zeitlichen Auseinanderfallen von Leistung und Gegenleistung.29 Zwar sind Vorleistungspflichten auch in anderen Wirtschaftszweigen etwa in Form von Warenkrediten üblich. Kennzeichnend für das Kreditgeschäft im Bankensektor ist aber die bewusste Übernahme des Vorleistungsrisikos in einem Umfang, der in anderen Wirtschaftszweigen nicht anzutreffen ist.30 In der Praxis geht jede Bank davon aus, dass nicht alle ausgereichten Kredite tatsächlich auch im geschuldeten Umfang zurückgezahlt werden und demgemäß eine gewisse Kreditausfallquote als Erwartungswert antizipiert werden muss. Diese Differenz zwischen dem Referenzwert – alle Kredite werden vollumfänglich zurückgezahlt – und dem Erwartungswert – ein Teil der Kreditnehmer wird vertragsbrüchig – wird als sog. materielles Risiko bezeichnet und bereits ex ante durch entsprechende Zuschläge auf die Vertragskonditionen eingepreist. Dem gegenüber steht das sog. formale Risiko. Es liegt darin begründet, dass die tatsächliche Ausfallquote realiter zufällig um den prognostizierten Erwartungswert schwankt, im Einzelfall also auch unerwartet über diesem liegen kann. Gerade dieses formale (Schwankungs-)Risiko kann häufig nur unzureichend durch Risikoprämien ausgeglichen werden und droht demgemäß zum eigentlich problematischen Risiko der kreditgewährenden Bank zu werden.31 2007/2008, Rn. 151 ff. S. daneben auch Baums, in: FS Schmidt, S. 333, 336; Beck/Wienert, WiSt 2009, 251, 255; Neubäumer, Wirtschaftsdienst 2008, 732, 733 ff. Zur klassischen und zur sog. synthetischen Verbriefung durch spezielle Derivateverträge (sog. Swaps) schließlich auch Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 59 f. 26 Vgl. ähnl. Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 11. 27 Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 928. 28 Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 923; Hartmann-Wendels/ Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 433. Auf der Zeitachse wird nach dem Ausfallrisiko regelmäßig das Besicherungsrisiko wirksam, welches darin besteht, dass die Bank die gegebenen Kreditsicherheiten aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht kreditforderungsdeckend verwerten kann. Dazu ebenfalls Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 924 f. 29 Bei gleichzeitigem Leistungsaustausch stünde der Bank demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 320 BGB) zu. Dieses entfaltet wirtschaftlich betrachtet eine pfandrechtsähnliche Wirkung. So auch Bittner, in: Staudinger, BGB, § 273 BGB Rn. 4. 30 Eilenberger, Bankbetriebswirtschaftslehre, 8. Aufl. 2012, S. 30; Ruzik, BKR 2009, 133, 134. 31 Zum Ganzen Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 924. Zum Risikobegriff und den Grenzen einer vorausschauenden Risikoanalyse auch noch genauer unten, Abschnitt § 5 A. III.
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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b) Liquiditätsrisiko Eng verbunden mit dem Ausfallrisiko ist das Liquiditätsrisiko. Als Liquidität wird üblicherweise die Fähigkeit eines Unternehmens bezeichnet, seinen Zahlungsverpflichtungen jederzeit vollumfänglich nachkommen zu können. Die Liquiditätslage ist dabei abhängig von den zukünftigen Ein- und Auszahlungen des Unternehmens und unterliegt ebenfalls einer erwartungsbasierten Planung. Das Liquiditätsrisiko realisiert sich dann, wenn der tatsächliche Zahlungsmittelbedarf infolge zufälliger Schwankungen der Ein- und Auszahlungen den erwarteten Zahlungsmittelbedarf übersteigt und das Unternehmen in der Folge nicht alle fälligen Verbindlichkeiten termingerecht erfüllen kann.32 Für Banken erlangt dieses Risiko gerade deshalb besondere Relevanz, da sie üblicherweise auf eine fristengenaue Kongruenz ihrer Einlagen- und Kreditgeschäfte verzichten.33 Stattdessen betreiben sie eine positive Transformation der Kapitalbindungsfristen, indem sie etwa langfristige Kredite durch kurzfristige Einlagen refinanzieren. Diese Fristentransformation basiert auf der erfahrungsbasierten Annahme, dass Kundeneinlagen, die vertragsgemäß grundsätzlich jederzeit abrufbar wären, tatsächlich regelmäßig länger auf den Bankkonten verbleiben (Prolongation) und einmal erfolgte Auszahlungen durch neue Einlagen ersetzt werden können (Substitution).34 Werden diese Annahmen der bankseitigen Liquiditätsplanung enttäuscht, etwa weil es zu einem unerwarteten Abruf von Sichteinlagen im Rahmen eines sog. Bank Runs35 kommt, droht in Abwesenheit ausreichender Liquiditätspuffer schnell die Zahlungsunfähigkeit der Bank.36 c) Marktpreisrisiko Ebenfalls Ausfluss der Fristentransformation ist die besondere Empfindlichkeit der Bankunternehmung gegenüber Marktpreisrisiken.37 Marktpreisrisiken sind in 32 Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 895 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 402 f. 33 Eine solche Kongruenz im Hinblick auf Betrag und Frist des vermittelten Kapitals forderte früher noch die sog. „Goldene Bankregel“, vgl. schon früh Hübner, Die Banken, S. 28. 34 Dazu Bitz, WiSt 1989, 430, 433; Senger, Bankenaufsicht, S. 113. Das Prolongationsprinzip beruht auf Adolf Wagners „Bodensatztheorie“ von 1857, s. Wagner, Beiträge zur Lehre von den Banken. 35 Dazu sogleich, Abschnitt § 2 A. II. 2. b). 36 Ausf. zum sog. Substitutions-, Termin- und Abrufrisiko, die gemeinsam dem Liquiditätsrisiko von Banken zugrunde liegen, Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 899 ff. und Schierenbeck/Lister/Kirmße, Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 1, 9. Aufl. 2014, S. 578. Zu den aufsichtlichen Liquiditätsanforderungen und Notfallplanungen gegen Liquiditätsrisiken und den diesbezüglichen Zusammenhängen zur Sanierungsplanung s. u., Abschnitt § 6 A. I. 2. und § 6 A. II. 2. c) bb). 37 Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 998 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 569 ff.
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der Unsicherheit künftiger Preise an Finanzmärkten begründet und werden für Banken insbesondere in Form von Zinsänderungs- und Wechselkursrisiken relevant. Zinsänderungsrisiken resultieren aus der Transformation von Zinsbindungsfristen: Banken gewähren ihren Kreditnehmern häufig Zinsbindungsfristen, die länger sind als die ihrer Einleger (positive Transformation der Zinsbindungsfristen). Bei einer normalen Zinsstruktur, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Zinssatz mit zunehmender Kapitalbindungsdauer steigt, erwirtschaftet die Bank dadurch einen Zinsüberschuss.38 Das Zinsänderungsrisiko realisiert sich dann, wenn der tatsächliche Zinswert durch nicht antizipierte Änderungen der Zinsstruktur vom bankintern kalkulierten Erwartungswert abweicht, wenn also z. B. durch unerwartet steigende Einlagenzinsen die Refinanzierung eines langfristigen Festzinsdarlehens für die Bank teurer wird.39 Demgegenüber entstehen Wechselkursrisiken, wenn bestimmte Aktivposten der Bank nicht währungskongruent refinanziert werden, die Bank also „Währungstransformation“ betreibt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Bank einem Kunden einen Kredit in USDollar zur Verfügung stellt und die Refinanzierung dieses Kredits durch Einlagen in Euro gewährleistet. Die Refinanzierung unterliegt dann der Gefahr, dass der tatsächliche Wechselkurs zufällig vom prognostizierten Wechselkurs abweicht. Praktisch relevant wird das Wechselkursrisiko zudem im Eigenhandel der Institute, dies vor allem an den Devisenmärkten sowie beim Handel von Finanztiteln, die auf Fremdwährungen lauten.40 d) Operationelles Risiko Neben den bisher beschriebenen wertebezogenen Risiken steht schließlich das sog. operationelle Risiko, das dem betriebsbezogenen Bereich der Bankunternehmung zuzuordnen ist. Das operationelle Risiko wird regelmäßig ursachenorientiert definiert als das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden, einschließlich Rechtsrisiken.41 Dem opera-
38 Dies verdeutlicht folgendes – grob vereinfachtes – Beispiel: Die Bank zahlt auf die Sichteinlagen ihrer Kunden Zinsen in Höhe von 1 %. Zugleich vergibt sie Kredite mit einer Laufzeit von zehn Jahren zu einem festen Zinssatz von 5 %. Der Zinsüberschuss der Bank folgt hier aus der Zinsdifferenz in Höhe von 4 %. 39 Dies führte z. B. zur Insolvenz verschiedener U.S. Savings and Loan Banks in den Jahren 1979–1981, welche langfristige festverzinsliche Hypothekenkredite durch kurzfristige Einlagen refinanzierten. Dazu Benston, 8 J. Econ. Persp. 121 (1994); Benston/ Carhill, 6 Res. Fin. Serv. 103 (1994). Das Zinsänderungsrisiko ist gerade für deutsche Banken von erheblicher Bedeutung, da bei ihnen das Gesamtergebnis besonders stark durch das Zinsergebnis beeinflusst ist. So resultierten im Jahr 2015 etwa 75 % der operativen Erträge deutscher Banken aus Zinsüberschüssen, vgl. Bundesbank, Monatsbericht 9/2016, S. 71; vgl. auch Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 1022. 40 Zum Ganzen Büschgen, a. a. O., S. 999, 1053 ff. 41 Vgl. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 52 CRR.
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tionellen Risiko unterfallen also insbesondere alle Risiken, die aus dem Einsatz von nichtmonetären Produktionsfaktoren personeller und sachlich-technischer Art resultieren (sog. Faktorrisiken).42 Wesensmerkmal des operationellen Risikos ist dabei, dass es von der Bankunternehmung nicht bewusst eingegangen wird und folglich auch nicht vorab durch die Erhebung von Risikoprämien eingepreist werden kann. Das bankinterne Ziel ist es dementsprechend, derartige Risiken gänzlich zu vermeiden oder auf Dritte zu übertragen.43 2. Das Reputationsrisiko als Bankenrisiko eigener Art Vermehrte Aufmerksamkeit erlangt heute schließlich auch die Gefahr, die von einer negativen öffentlichen Wahrnehmung für die wirtschaftliche Entwicklung der Bankunternehmung ausgeht. Dieses sog. Reputationsrisiko wird in den MaRisk (BA) 9/2017 zwar noch nicht explizit als wesentliches Risiko für Banken erwähnt.44 Die bankbetriebswirtschaftliche Literatur geht in den letzten Jahren allerdings zunehmend dazu über, das Reputationsrisiko als eigene Risikokategorie zu untersuchen.45 Begrifflich wird unter dem Reputationsrisiko die Gefahr des Verlusts des erreichten oder angestrebten öffentlichen Ansehens einer Unternehmung verstanden.46 Dabei sind die Ursachen für die Realisierung von Reputationsrisiken vielfältig und reichen von wirtschaftlichen Schieflagen über Rechtsverstöße bis hin zu Verhaltensweisen von Mitarbeitern47, die in der öffentlichen Wahrnehmung 42 Umf. zu diesen Faktorrisiken Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 885 ff. 43 Die Übertragung des Risikos auf Dritte, z. B. durch Versicherungslösungen, steht dabei vor dem Problem, dass sich operationelle Risiken nur schwer quantifizieren lassen. Dies gilt besonders für sog. „low-frequency – high-severity“-Risiken, etwa in Form eines individuellen Kompetenzmissbrauchs durch Mitarbeiter mit enormen Schadenshöhen. Vgl. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 665 f. Zur aufsichtlichen Pflicht sog. Notfallkonzepte gegen operationelle Risiken (einschließlich der Zusammenhänge zur Sanierungsplanung) unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. c) aa). 44 Vgl. aber BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 2.2 Tz. 2 (dort mit der Feststellung, dass Reputationsrisiken zwar nicht allgemein, wohl aber im Einzelfall als wesentliches Risiko einzustufen sein können). 45 So etwa Kaiser, ZfgK 2010, 127, 128; Pontzen/Romeike, in: Gleißner/Romeike (Hrsg.), Praxishandbuch Risikomanagement, S. 403, 405. S. dazu auch Theissen, EU Banking Supervision, S. 149 f. 46 Vgl. Kaiser, ZfgK 2010, 127, 127; Waschbusch/Knoll/Weyers de Vasconcelos, StB 2013, 396, 396; ähnl. auch Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 272. Speziell auch zum Reputationsbegriff Pontzen/Romeike, in: Gleißner/Romeike (Hrsg.), Praxishandbuch Risikomanagement, S. 403, 405 f.; Waschbusch/Knoll/Weyers de Vasconcelos, StB 2013, 396, 396. 47 Der vorliegende Text verwendet im Interesse der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum, richtet sich inhaltlich aber gleichwohl an Personen aller Geschlechteridentitäten.
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als unethisch eingestuft werden.48 Bereits diese Aufzählung macht deutlich, dass das Reputationsrisiko eng verbunden ist mit den anderen, bereits benannten Risiken der Bankunternehmung. Negative Reputationseffekte treten häufig im Nachgang oder parallel zu diesen übrigen Unternehmensrisiken ein.49 Zwar sind Reputationsrisiken grundsätzlich nicht bankenspezifischer Natur.50 Von zentraler Bedeutung sind sie aber gerade im Bankensektor, weil Bankdienstleistungen in besonderem Maße vertrauensabhängig sind.51 Mehr als anderswo wird eine gute Unternehmensreputation hier durch seine vertrauensstiftende Wirkung relevant. Umgekehrt ist aber auch ein ausgeprägtes Vertrauen der Stakeholder Grundlage dafür, dass das jeweilige Unternehmen eine hohe Reputation genießt.52 Reputation und Vertrauen stehen damit in wechselseitiger Abhängigkeit. a) Kreditbeziehung als Vertrauensbeziehung Doch woraus resultiert der Charakter der Bankdienstleistung als Vertrauensgut und welche Funktion entfaltet der Vertrauensmechanismus53 in der Kreditbeziehung zwischen Bank und Bankkunde? Dass persönliches Vertrauen in langfristigen Verträgen mit zeitlich versetztem Leistungsaustausch allgemein eine hervorgehobene Rolle spielt, hob bereits Thomas Hobbes hervor: Früh hielt er fest, die vorleistende Vertragspartei müsse dem anderen Teil im Warten auf die vereinbarte Gegenleistung „in der Zwischenzeit Vertrauen entgegenbringen“.54 Erneut aufgegriffen und umfassend herausgearbeitet wurde diese Erkenntnis in den letzten Jahrzehnten durch Forschungen der 48 Für denkbare Ursachen s. Waschbusch/Knoll/Weyers de Vasconcelos, StB 2013, 396, 400. 49 Dies., a. a. O., S. 399 sprechen deshalb – in Abgrenzung zum originären Reputationsrisiko – auch von einem derivativen Reputationsrisiko. Zahlreich sichtbar geworden ist vor allem der Zusammenhang zwischen Reputations- und operationellem Risiko. Beispielhaft sei insoweit auf die 2011 aufgedeckte Manipulation des Libor-Referenzzinssatzes durch Mitarbeiter verschiedener Großbanken verwiesen, die die Reputation der Bankenbranche insgesamt erheblich beschädigte (vgl. dazu Buck-Heeb, WM 2015, 157). 50 Im Dezember 2005 kam eine Studie des Economist Intelligence Unit zu dem Ergebnis, dass in der internationalen Managementpraxis die Gefahr negativer Reputationseffekte branchenübergreifend als das größte Risiko für die eigene Unternehmensprosperität angesehen wird, s. Economist Intelligence Unit, Reputation: Risk of risks. 51 Statt vieler Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 272; Möschel, WuW 2008, 1283, 1284; Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 15. S. ferner BVerfG Beschl. v. 16.9.2009 – 2 BvR 852/07 Rn. 24 (zit. nach juris) (= BVerfGE 124, 235). 52 Vgl. Waschbusch/Knoll/Weyers de Vasconcelos, StB 2013, 396, 396, 401. 53 S. umf. zum Vertrauensmechanismus als sozialem Phänomen z. B. die interdisziplinär ausgerichteten Sammelbände Baberowski (Hrsg.), Was ist Vertrauen?; Hartmann/ Offe, Vertrauen; Weingardt (Hrsg.), Vertrauen in der Krise. 54 Hobbes, Leviathan, S. 102; vgl. dazu Hartmann, in: ders./Offe (Hrsg.), Vertrauen, S. 7, 10 f.
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Neuen Institutionenökonomik. Prägend sind hier vor allem die Einsichten der sog. Prinzipal-Agenten-Theorie.55 Letztere untersucht Transaktionsbeziehungen, die durch einen Informationsvorsprung des einen gegenüber dem anderen Transaktionspartner gekennzeichnet sind (sog. Informationsasymmetrie). In der Kreditbeziehung äußert sich diese Informationsasymmetrie regelmäßig zu Gunsten des Kreditnehmers. Dieser ist in der Regel weitaus besser darüber informiert, ob bzw. wann er in der Lage sein wird, die ihm zur Verfügung gestellten Finanzmittel zurückzuzahlen, sowie darüber hinaus, ob die von ihm gewährten Kreditsicherheiten eine ausbleibende Rückzahlung zu kompensieren vermögen. Der Kreditnehmer tritt in dieser Beziehung als sog. Agent auf, dem Kreditgeber kommt die Position des sog. Prinzipals zu.56 Gerade in der Kreditbeziehung zeigen sich auch die für jede Prinzipal-Agenten-Beziehung charakteristischen Kooperationsprobleme besonders deutlich: So steht der Kreditgeber bereits vor Vertragsschluss vor dem Problem, dass er zunächst kaum Informationen über die Bonität seiner potentiellen Kreditnehmer besitzt. Er sieht sich deshalb dem Anreiz ausgesetzt, die von ihm angebotenen Kreditkonditionen am Maßstab eines durchschnittlich vertrauenswürdigen Vertragspartners auszurichten. Diese Konditionen werden aber besonders solvente Schuldner tendenziell abschrecken. Im Ergebnis führt die sog. Ex-Ante-Informationsasymmetrie damit zu dem Ergebnis, dass dem Kreditgeber ungewollt vor allem die weniger solventen Akteure zum Vertragsschluss zur Verfügung stehen (sog. adverse Selektion, Negativauslese). Vergleichbar problematische Effekte zeigen sich auch nach Abschluss des Kreditvertrages (sog. Ex-Post-Informationsasymmetrie). So hat der Kreditnehmer nach Vertragsschluss infolge seines Informationsvorsprunges die Möglichkeit, die Kreditbeziehung durch opportunistisches Verhalten einseitig zu seinem Vorteil auszunutzen, ohne dass der Kreditgeber diese Handlungen bewerten kann (sog. Moral Hazard).57 Beide Probleme kann der Kreditgeber durch einen erhöhten Kontrollaufwand minimieren, etwa indem er vor Vertragsschluss Informationen über seinen potentiellen Vertragspartner einholt oder diesen nach Vertragsschluss überwacht.58 Dieser Kontrollaufwand führt jedoch zu vergleichsweise hohen Transaktionskosten. Alternativ kann sich der Kreditgeber aber auch darauf zurückziehen, dass 55 Die neoklassische Theorie kann Vertrauen infolge ihrer Annahme vollkommener Märkte demgegenüber nicht ökonomisch erklären, vgl. Foltin/Wachowiak, in: Weingardt (Hrsg.), Vertrauen in der Krise, S. 205, 207 f. und Diefenbacher/Teichert, in: Weingardt (Hrsg.), Vertrauen in der Krise, S. 233, 247. 56 Zur Kreditbeziehung als Prinzipal-Agenten-Beziehung Holst, Kredit und Vertrauen, S. 31 ff. 57 Zum Ganzen Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 66; Voigt, Institutionenökonomik, 2. Aufl. 2009, S. 85 f.; Williamson, Economic Institutions of Capitalism, S. 47 ff.; ferner Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 55 ff. 58 Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976).
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er auf die Bonität und das vertragsgemäße Verhalten des Kreditnehmers vertraut. Vertrauen wird in diesem Falle wegen seiner transaktionskostenminimierenden Wirkung relevant59 und führt, gesamtwirtschaftlich betrachtet, zu einer erhöhten operativen Markteffizienz.60 Mit Blick auf die Kreditbeziehung bleibt festzuhalten, dass ungeachtet aller heute üblichen Kontrollmaßnahmen – man denke etwa an die übliche Schufa-Abfrage61 –, für den Kreditgeber immer ein Restrisiko verbleibt, welches daraus resultiert, dass der Kreditnehmer seinen Handlungsspielraum im Umgang mit dem Kreditbetrag und etwaigen Kreditsicherheiten bewusst zu Lasten des Kreditgebers ausnutzen kann. Dieses Restrisiko wird durch die Gewährung von Vertrauen überbrückt.62 b) Reputationseinbußen und Bank-Run-Gefahr Bei Lichte betrachtet sind damit Kontrolle und Vertrauen komplementäre Voraussetzungen für die Kreditentscheidung des in der Realität anzutreffenden, begrenzt rational agierenden Kreditgebers.63 Dies gilt zum einen für die Kreditentscheidung der Bank.64 Besonders relevant wird der Vertrauensmechanismus jedoch erst in der Einleger-Banken-Beziehung, in der der Einlegerkunde als Gläubiger und dessen Bank als Schuldner auftritt. Sie ist durch ein besonders großes Informationsungleichgewicht gekennzeichnet. Aus der Perspektive des Privateinlegers stellt sich die Bankdienstleistung nicht nur als immaterieller, sondern auch als erklärungsbedürftiger Vorgang dar.65 Er kann die Eigenheiten des Bankgeschäfts für gewöhnlich nur sehr bedingt überschauen und besitzt kaum Informationen über die Risikosituation seines Vertragspartners. Eine aktive Kontrolle der Bank wäre zudem mit prohibitiv hohen Transaktionskosten verbunden.66 Folge dieser stark ausgeprägten Informationsasymmetrie ist eine hohe 59 Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 22; Petersen, WiSt 2011, 585, 585 f. 60 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 6. Aufl. 2020, S. 607 bezeichnen Vertrauen dementsprechend auch als „volkswirtschaftliche Produktivkraft“. Zur Effizienzsteigerung durch Vertrauen Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 14 f., m.w. N. 61 Bemerkenswerter Weise wirbt auch die Schufa mit dem Slogan „Wir schaffen Vertrauen“, s. Website der Schufa unter: https://www.schufa.de/de/ (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 62 Die sog. Rational Choice-Theorie versteht Vertrauen dabei als rational fundierte Heuristik und geht modellhaft davon aus, dass der Vertrauensgeber seiner Vertrauensentscheidung eine wahrscheinlichkeitsbasierte Kosten-Nutzen-Abwägung vorschaltet. Vgl. grundlegend Coleman, Foundations of Social Theory; s. auch Ripperger, Ökonomik des Vertrauens (auf S. 134 f. mit heuristischem Prüfschema, auf S. 236 ff. mit eingehender Auseinandersetzung mit der Kritik am rationalistischen Vertrauenskonzept) sowie ferner Frings, Soziales Vertrauen, S. 76; Preisendörfer, ZfS 24 (1995), 263. 63 Vgl. Rösler/Mackenthun/Pohl, Hdb. Kreditgeschäft, 6. Aufl. 2012, S. 147. 64 Dies vernachlässigend Tieben, Drei-Säulen-System, S. 54 f. und Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 19 f. 65 Tieben, Drei-Säulen-System, S. 60 f. 66 Vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 19.
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Vertrauensempfindlichkeit der Einlageentscheidung des einzelnen Privatkunden.67 Gerade in Zeiten zunehmend anonymisierter Bank-Kunden-Beziehungen wird die Vertrauensentscheidung des Einlegers dabei maßgeblich durch die öffentliche Reputation der Bank beeinflusst. Eine hohe öffentliche Reputation signalisiert dem individuellen Einleger die Vertrauenswürdigkeit der Bank und fördert dessen Entscheidung, Ersparnisse auf ein Bankkonto zu verbringen und dort zu belassen.68 Wird dieses Vertrauen durch eine plötzliche Reputationseinbuße der Bank erschüttert, wobei der flächendeckenden Verbreitung negativer Berichterstattung durch moderne Kommunikationsmittel heute kaum noch zu begegnen ist, bedroht dies auch die Einlageentscheidung der Bankkunden. Schlimmstenfalls droht ein zunächst vereinzelt gebliebener Einlagenabzug weniger Kunden schrittweise zu einem sog. Bank Run heranzuwachsen. Ein solcher Bank Run entsteht, wenn eine hinreichende Zahl von Einlagekunden davon ausgeht, dass andere Bankkunden ihre Einlagen alsbald abziehen werden. Ausgehend von der Tatsache, dass die jeweilige Bank nur über begrenzte liquide Mittel verfügt, erscheint es aus Sicht des individuellen Bankkunden in dieser Situation nur rational, auch seine eigenen Einlagen möglichst schnell abzuziehen, um so anderen Einlagekunden zuvor zu kommen.69 Unabhängig davon, ob die Initialentscheidungen zum Einlageabzug rational fundiert waren oder irrational-panikartig erfolgten,70 wird die Erwartung eines Bank Runs so zur selbsterfüllenden Prophezeiung.71 Wie später zu sehen sein wird, kann die Illiquidität einer Bank – unabhängig davon, ob diese nun durch einen solchen institutsspezifischen Bank Run herbeigeführt wurde oder auf anderen Ursachen beruht – daneben schnell auch
67 Vgl. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 58 ff. S. aber auch Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 23 mit Zweifeln an der tatsächlichen Bedeutung von Vertrauen im Bankkundengeschäft. 68 Pontzen/Romeike, in: Gleißner/Romeike (Hrsg.), Praxishandbuch Risikomanagement, S. 403, 407. 69 Rechtlich ermöglicht wird dieser Einlagenabzug durch regelmäßig sehr kurze Kündigungsfristen, vgl. Binder, Bankeninsolvenzen, S. 105. 70 Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 21, m.w. N. 71 Grundlegend zur Erklärung von Bank Runs Bryant, 4 J. Bank. Fin. 335 (1980); Diamond/Dybvig, 3 J. Pol. Econ. 401 (1983). S. zum Diamond/Dybving-Modell ferner Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 226 ff.; Pierdzioch/Stadtmann, WiSt 2004, 364; Zimmermann/Barbrock, in: FS Kleiner, S. 261, 270 ff. Ausf. zum Ganzen auch Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 79 ff. Das Aufsichtsrecht reagiert auf dieses Bank-Run-Risiko heute u. a. mit der zwingenden Eingliederung der Kreditinstitute in sog. Einlagensicherungssysteme. Historische Beispiele zeigen aber, dass auch diese Systeme den Anreiz zu panikartigen Einlagenabzügen nicht vollends eindämmen. Zum Run auf die britische Bank Northern Rock in 2007 sowie auf die US-Bank Washington Mutual in 2008 s. z. B. Yorulmazer, Liquidity, Bank Runs and Bailouts; Grind, The Lost Bank. Zu einem Vorfall 1997 in Berlin, bei dem Kunden eine Meldung zur Pleite der Bäckerei „City Back“ missverstanden und irrig eine Insolvenz der Citi Bank annahmen, s. Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 23.
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eine generelle Vertrauenskrise nach sich ziehen, die sowohl das Verhältnis der Banken zu ihren (Privat-)Kunden als auch das Interbankenverhältnis erfasst.72 Vor diesem Hintergrund festzuhalten, dass eine stabile Reputation des eigenen Instituts gerade im Verhältnis zu ihren (Privat-)Kunden aus mehreren Gründen unverzichtbar ist: Erstens wirkt sie vertrauensbildend und damit mittelbar transaktionskostensenkend, was der Bank dadurch zugute kommt, dass ihr vermehrt Finanzmittel in Form von Einlagen zur Verfügung gestellt werden. Zweitens ist ein kurzfristiger Reputationsverlust immer auch mit dem Risiko unkontrollierter Kapitalabzüge verbunden. Jedes Reputationsrisiko birgt damit ein Liquiditätsrisiko.73 Aufbauend auf diese Einsicht – und durch entsprechende aufsichtsrechtliche Anforderungen forciert74 – wird heute zunehmend ein spezifisches Reputationsrisikomanagement in den Instituten entwickelt. Sein Ziel ist es, Reputationsrisiken frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und zu steuern.75
III. Die systemische Bankeninsolvenz als Risiko für die Stabilität des Finanzmarktes Die Finanzgeschichte des vergangenen Jahrhunderts hat mehrfach vor Augen geführt, dass die soeben dargestellten Risiken im Falle ihrer Realisierung eine Bankunternehmung schnell an den Rand ihres Kollapses führen können.76 Die Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 steht heute geradezu paradigmatisch für derartige Sachverhalte.77 Eine umfassende Darstellung der Ursachen, Auslöser und Entwicklungsdynamiken der dadurch ausgelösten internationalen Finanzkrise würde zwar den hier gesteckten Rahmen sprengen und erscheint angesichts der erschöpfenden Dar-
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Dazu unten Abschnitt § 2 C. II. 2. Vgl. Kaiser, ZfgK 2010, 127, 127 f. 74 Speziell zur Vorsorge gegenüber Vertrauens- und Reputationskrisen im Rahmen der Sanierungsplanung unten, Abschnitt § 5 B. V. Zur Relevanz vertrauensbezogener Bewertungen bei der Prüfung von Eingriffsmaßnahmen gem. § 16 Abs. 4 SAG s. Abschnitt § 5 D. II. 2. b) bb). 75 Pontzen/Romeike, in: Gleißner/Romeike (Hrsg.), Praxishandbuch Risikomanagement, S. 403, 404; s. auch z. B. die Beiträge in Thießen (Hrsg.), Hdb. Krisenmanagement, 2. Aufl. 2014. Als praktische Herausforderung erweist sich dabei insb. die quantitative Bewertung von Reputationsrisiken und -schäden, vgl. Kaiser, ZfgK 2010, 127, 129; Waschbusch/Knoll/Weyers de Vasconcelos, StB 2013, 396, 401. 76 S. zur Insolvenz der Herstatt-Bank 1974 z. B. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 34, 57, m.w. N. (auf S. 42 auch mit weiteren Bsp. systemischer Insolvenzen in den 1990ern); ferner Kleinow/Morscher/Horsch, WiSt 2015, 75 (zur Insolvenz der US-Bank Continental Illinois 1984 und des Hedgefonds Long Term Capital Management 1998). 77 Dazu Adu-Gyamfi, 1 J. Insur. Fin. Manag. 132 (2016); Charles, 13 NY Bus. Law J. 14 (2009); Madaus, NZI 2008, 715; Wiggins/Piontek/Metrick, The Lehman Brothers Bankruptcy A: Overview. 73
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stellungen andernorts78 auch nicht geboten. Festzuhalten ist aber, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Rechts der Sanierungsplanung gerade diese Krise und das mit ihr erneut zutage tretende Phänomen der systemischen Bankeninsolvenz vor Augen hatte.79 Erst vor diesem tatsächlichen Hintergrund erschließt sich denn auch der materielle Regelungsgehalt des Sanierungsplanungsrechts. Nachfolgend soll deshalb auf abstrakter Ebene ein Überblick über die jeder systemischen Bankeninsolvenz zugrundeliegenden Wirkungszusammenhänge gegeben werden. Dazu sollen zunächst der Begriff des Systemrisikos eingeführt (dazu 1.) und darauf aufbauend die Charakteristika einer systemischen Bankeninsolvenz skizziert werden (dazu 2.). Abschließend stellt sich die Frage, welche Eigenschaften die Einordnung einer Bank als „systemrelevant“ rechtfertigen (dazu 3.). 1. Systemrisiko „Systemrisiko“ – kaum ein Begriff hat in der medialen Berichterstattung und im wissenschaftlichen Diskurs mit Blick auf den Finanzmarkt im letzten Jahrzehnt eine häufigere Verwendung erfahren. Dabei ist das Phänomen des Systemrisikos keinesfalls genuin finanzwirtschaftlicher Natur, sondern ebenso vielfältig verbreitet wie die Verbreitung von Systemen selbst. Man denke etwa an die Gefahr des Zusammenbruchs von vernetzten IT-Systemen, von Infrastrukturen im Energiesektor oder an die epidemische Verbreitung von Krankheiten.80 Die kürzliche Prominenz des Begriffs täuscht zudem darüber hinweg, dass das zugrunde liegende Phänomen im finanzwirtschaftlichen Zusammenhang im Ansatz bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untersucht wurde.81 Der langfristigen Analyse zum Trotz hat sich in der Wissenschaft bis heute kein einheitlicher finanzmarktbezogener Systemrisikobegriff herausgebildet. Un78 Dazu monographisch Bloss/Ernst/Häcker/Eil, Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise; Welfens, Transatlantische Bankenkrise. S. ferner aus dem vielfältigen Schrifttum Beck/Wienert, WiSt 2009, 251; Blanchard, The Crisis: Basic Mechanisms, and Appropriate Policies; Brunnermeier, 23 J. Econ. Persp. 77 (2009); Burghof/Prothmann/ Hartmann-Wendels et al., Wirtschaftsdienst 2008, 703; de la Motte/Czernomoriez/Clemens, Zur Vertrauensökonomik, S. 52 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 70 ff.; Hellwig, Gutachten E zum 68. DJT; Hull, Risk Management, 5. Aufl. 2018, S. 127 ff.; Kaufhold, Systemaufsicht, S. 67 ff.; Nastansky/ Strohe, WiSt 2010, 23; Neubäumer, Wirtschaftsdienst 2008, 732; Ruzik, BKR 2009, 133; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2007/2008, Rn. 125 ff.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, S. 118 ff.; Saunders/Cornett, Financial Institutions Management, 9. Aufl. 2017, Appendix 1A. 79 S. sogleich unten, Abschnitt § 3 A. 80 De Bandt/Hartmann, in: Berger/Molyneux/Wilson (Hrsg.), The Oxford Handbook of Banking, 3. Aufl. 2019, S. 847, 849. Vgl. auch Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 7; Ruzik, BKR 2009, 133, 135. Zu systemrelevanten Unternehmen in der Realwirtschaft Günther, WM 2010, 825, 827 f. 81 Kaufhold, Systemaufsicht, S. 31 (auf S. 26 ff. mit einem historischen Überblick über die Systemrisikoforschung).
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geachtet aller Differenzen im Detail82 besteht in der ökonomischen Literatur jedoch Einigkeit darüber, dass finanzmarktbezogene Systemrisiken (auch „systemische Risiken“ genannt) im allgemeinsten Sinne durch die Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung oder des Zusammenbruchs wesentlicher Teile des Finanzsystems gekennzeichnet sind.83 Die strukturellen Eigenheiten von Systemrisiken können am ehesten auf abstrakter Ebene durch eine Betrachtung in vier Phasen veranschaulicht werden:84 (1) Den Ausgangspunkt bildet dabei die Phase der Entstehung von Systemrisiken.85 In dieser Phase entwickelt sich ausgehend von einzelnen oder mehreren, zusammenwirkenden Marktfaktoren eine dem Finanzsystem inhärente Instabilität, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Finanzsystem in besonderem Maße empfindlich auf Schockereignisse reagiert.86 Wesentliche Umstände, die zur Entwicklung dieser Instabilität beitragen, sind übereinstimmende Abhängigkeiten der Marktakteure gegenüber systeminternen oder -externen Faktoren (seien es einheitliche institutsinterne Risikobewertungen oder einheitliche Abhängigkeiten gegenüber makroökonomischen Entwicklungen), starke Vernetzungen und Risikokonzentrationen der Finanzinstitute sowie eine ausgeprägte Intransparenz der Risikoverteilung untereinander. Ferner kann ein Systemrisiko auch durch die Systemrelevanz eines einzelnen Marktakteurs begründet werden, worauf im nachfolgenden Textabschnitt zurückzukommen sein wird.87 (2) In der darauffolgenden Phase der „(System-)Risikokonkretisierung“ wird diese Instabilität durch einen Auslöser adressiert.88 Als auslösende Ereignisse kommen etwa mikro- oder makroökonomische sowie exogene Schocks in Betracht.89 Folge dieses Initialereignisses ist zunächst eine bereichsspezifische Funktionsbeeinträchtigung des Finanzmarktes bezogen auf einen oder mehrere Marktakteure bzw. eines oder mehrere Marktsegmente. (3) Haben sich 82 S. für verschiedene Definitionsansätze im Überblick z. B. Kleinow, Systemrelevante Finanzinstitute, S. 19 ff.; Prokopczuk, Essays on Systemic Risk, S. 3. 83 S. statt vieler FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 2, 5 f.; Kleinow, Systemrelevante Finanzinstitute, S. 18; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 4 Rn. 13 f.; ferner die Legaldefinitionen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 CRD-IV und Art. 2 lit. c Satz 1 ESRB-VO (VO (EU) Nr. 1092/2010, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1). 84 Dieses Vier-Phasen-Modell geht zurück auf Kaufhold, Systemaufsicht (s. auf S. 124 ff. mit einem heuristischen Systemrisikobegriff). Für eine grafische Darstellung des idealtypischen Entwicklungsverlaufs von Systemkrisen s. Paul, in: Hopt/Binder/ Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 2. 85 Dazu und zu den nachfolgend benannten Faktoren Kaufhold, Systemaufsicht, S. 127 ff. 86 Vgl. Demary, VJH 4/2013, 57, 59 (m.w. N.). 87 S. sogleich, Abschnitt § 2 A. III. 2. Zum Ganzen Kaufhold, Systemaufsicht, S. 127 ff.; Tieben, Drei-Säulen-System, S. 61 ff. und Fuhrmann, in: de la Motte/Czernomoriez/Clemens, Zur Vertrauensökonomik, S. I, II f. ordnen auch die „Gier“ von Marktakteuren als Systemrisiko eigener Art ein. 88 Kaufhold, Systemaufsicht, S. 131 ff. 89 Speziell zu den einzelnen Faktoren s. Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 319 ff., m.w. N.
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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die Probleme in einem Teilbereich des Finanzsystems in dieser Form materialisiert, werden sie in der nächsten Phase auf das Finanzsystem als Ganzes vermittelt.90 Der Vermittlungsprozess führt zu einer Funktionsbeeinträchtigung des gesamten Finanzsystems bzw. wesentlicher Teile desselben. Das Systemrisiko hat sich dann in einer allgemeinen Systemkrise realisiert.91 (4) Ein solcher Zusammenbruch des Finanzsystems schlägt in der vierten und letzten Phase schließlich typischerweise auch auf die realwirtschaftliche Entwicklung durch. Es kommt zu gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten.92 Ein solchermaßen abstrakt umschriebener Systemrisikobegriff bildet die Vielfalt der real denkbaren Ereignisse freilich nur schematisch und bruchstückhaft ab. In praxi kommt es sowohl in der Phase der Systemrisikoentstehung als auch in der Phase ihrer Vermittlung bzw. Verbreitung typischerweise zu einer parallelen Fortentwicklung mehrerer Risikofaktoren. Die daraus resultierenden dynamischen Überlagerungs- und Kumulationseffekte93 werden besonders anhand des Phänomens der systemischen Bankeninsolvenz anschaulich. 2. Kennzeichen der systemischen Bankeninsolvenz Doch in welchem Verhältnis steht der soeben betrachtete Systemrisikobegriff zur Insolvenz einer systemrelevanten Bank und wodurch ist die sog. systemische Bankeninsolvenz gekennzeichnet? Systemrelevante Banken bergen ihrerseits ein Systemrisiko.94 Ihre kurzfristige und erwartete Illiquidität bedroht die Stabilität des Finanzsystems und kann dessen Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen. Grundlage für die potentiell systemweite Wirkung dieses ursprünglich singulären Ereignisses ist der bereits skizzierte Risikovermittlungsprozess, der zu einer Ansteckung anderer Finanzinstitute führen kann. Diese Ansteckung, letztlich das zentrale Charakteristikum
90 Kaufhold, Systemaufsicht, S. 133 spricht von der Phase der „(System-)Risikorealisierung“. Gerade weil die Realisierung des Systemrisikos häufig auch Institute oder Märkte oder Marktsegmente in Mitleidenschaft zieht, die ursprünglich eine solide Struktur aufwiesen, wird das Systemrisiko häufig auch als „negative Externalität“ beschrieben; vgl. Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 57; FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 2, 6; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 199. 91 Vgl. De Bandt/Hartmann, in: Berger/Molyneux/Wilson (Hrsg.), The Oxford Handbook of Banking, 3. Aufl. 2019, S. 847, 850; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 9. 92 Kaufhold, Systemaufsicht, S. 136 f. S. zum Begriff der Systemkrise auch Art. 2 Abs. 1 Nr. 30 BRRD. 93 Vgl. Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 24; ders., Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 4 Rn. 18, m.w. N. 94 Günther, WM 2010, 825, 826; Kaufhold, DV 46 (2013), 21, 40; Lastra, 6 CMLJ 197, 209 (2011).
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
jeder systemischen Bankeninsolvenz,95 kann sich sowohl direkt als auch indirekt vollziehen, wobei zwischen den Ansteckungskanälen regelmäßig starke Wechselwirkungen bestehen.96 a) Direkte Ansteckung Die sog. direkte Ansteckung ist auf die finanzielle Vernetzung der Finanzinstitute untereinander zurückzuführen.97 Paradigma einer solchen finanziellen Vernetzung sind offene Forderungen zwischen Banken auf dem Interbankengeldmarkt.98 Fallen diese Forderungen aus, weil eine Schuldnerbank nicht über ausreichend liquide Mittel zur rechtzeitigen Zahlung verfügt und können die Gläubigerbanken die aus dem Forderungsausfall resultierenden Verluste nicht absorbieren,99 drohen auch letztere illiquide zu werden. Die Illiquidität der Gläubigerbanken führt wiederum dazu, dass diese ihre Verbindlichkeiten ebenfalls nicht erfüllen können. Die Illiquidität wird letztlich durch die Vertragsverhältnisse getragen, es kommt zu einem Dominoeffekt.100 Vergleichbare direkte Ansteckungen können auch durch Unternehmensbeteiligungen, derivative Finanzprodukte oder kurzfristige Habensalden der Banken untereinander entstehen.101 Einen Sonderfall der direkten Ansteckung bildet schließlich die Ansteckung durch Verbindung mehrerer Banken in gemeinsamen Zahlungs- und Abwicklungssystemen.102 All diesen Fallgruppen ist gemeinsam, dass zwischen den Instituten eine unmittelbare finanzielle Vernetzung zugrunde liegt. Doch auch in Fällen nur mittelbarer finanzieller Vernetzung sind ähnliche Effekte denkbar.103 Anknüpfungspunkt 95
Ruzik, BKR 2009, 133, 135; Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 601. Ausf. zum Ganzen auch Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 107 ff.; Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 321 ff., jeweils m.w. N. S. ferner z. B. Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 915 ff.; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 4 Rn. 18 ff. 97 S. Demary, VJH 4/2013, 57, 60 mit grafischer Veranschaulichung solcher Vernetzungsstrukturen. 98 Der Interbankengeldmarkt dient vor allem einem kurzfristigen Liquiditätsausgleich. Er kann u. a. dann notwendig werden, wenn sich einzelne Institute unerwartet höheren Einlagenabzügen ausgesetzt sehen als sie durch ihre internen Liquiditätsreserven bewältigen können, vgl. Neubäumer, Wirtschaftsdienst 2008, 732, 732. Ausf. zur direkten Ansteckung im Interbankengeldmarkt mit einer Analyse der ökonomischen Literatur De Bandt/Hartmann, in: Berger/Molyneux/Wilson (Hrsg.), The Oxford Handbook of Banking, 3. Aufl. 2019, S. 847, 858 ff. 99 Die Verlustabsorptionsfähigkeit von Bankinstituten wird häufig durch vergleichsweise hohe Fremdkapitalanteile (sog. Leverage) in der Refinanzierungsstruktur beeinträchtigt. Gerade stark vernetzte Banken sind aber auf diese Absorptionsfähigkeit angewiesen und müssen daher über höhere Eigenkapitalanteile verfügen, vgl. Demary, VJH 4/2013, 57, 61. S. zum Eigenkapitalregime auch noch unten, Abschnitt § 6 A. I. 1. 100 Dazu ausf. Rochet/Tirole, 28 J. Money Credit Bank. 733 (1996). 101 Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 108 f., m.w. N. 102 Dazu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 107, m.w. N. 103 Der Begriff der direkten Ansteckung wirkt hier auf den ersten Blick freilich irreführend, erschließt sich aber in Abgrenzung zu den sogleich beschriebenen sog. indirekten Ansteckungskanälen. 96
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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kann etwa eine vergleichbare Risikostruktur der Banken sein, die aus ähnlichen Investmentstrategien resultiert.104 Man führe sich folgende Konstellation vor Augen: Eine insolvenzbedrohte Bank unternimmt im Krisenstadium den Versuch, ihre Zahlungsunfähigkeit dadurch abzuwenden, dass sie sich durch den Verkauf von Finanztiteln am Kapitalmarkt kurzfristig Liquidität verschafft (sog. Fire Sale). Je nach Höhe des Verkaufsvolumens kann diese Strategie zum Verfall der Marktpreise für das betreffende Produkt führen. Ein solcher Kursverfall zwingt wiederum auch andere Banken mit vergleichbarem Portfolio zu Abschreibungen105 und verschärft dadurch auch deren Überschuldungssituation.106 Im Ergebnis droht es zu einer Ansteckung „über den Markt“ zu kommen. b) Indirekte Ansteckung Demgegenüber werden sog. indirekte Ansteckungen weniger durch die finanziellen Vernetzungen per se, sondern durch das risikoaverse Verhalten der Bankgläubiger herbeigeführt. Indirekte Ansteckungen sind eng mit der bereits beschriebenen Vertrauensbasiertheit der Vertragsverhältnisse auf dem Finanzmarkt verknüpft, die aus dem Informationsdefizit der Finanzinstitutsgläubiger hinsichtlich der Zusammensetzung der Aktiva ihrer Schuldner resultiert.107 Besonders stark ausgeprägt ist diese Informationsasymmetrie zu Lasten privater (Bank-)Einleger, aus deren Sicht das gesamte Banken- und Finanzsystem häufig eine kaum überschaubare Komplexität aufweist. Beobachten diese nun die Insolvenz eines bedeutenden Bankinstituts oder gar eine um sich greifende Bankenkrise, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie auch ihre eigenen Einlagenentscheidungen bei „ihrer“ Bank überdenken werden. Schließlich kann der einzelne Privatanleger kaum angemessen beurteilen, welche Geschäfts-, Kunden- und Risikostruktur sich genau hinter der Fassade der eigenen Schuldnerbank verbirgt und inwieweit diese mit den Strukturen des insolventen Instituts übereinstimmen. Ausgehend von den äußeren Umständen bildet er die Erwartung, dass möglicherweise auch die eigene Hausbank mit ähnlichen „Problemen“ behaftet ist (sog. Ähnlichkeits104 Laut Kaufman/Scott, 7 Indep. Rev. 371, 376 f. (2003) zeigen empirische Daten zum US-Bankenmarkt, dass diese vergleichbaren Risikostrukturen sogar der praktisch bedeutendste Ansteckungskanal sind. 105 Vgl. § 254 Abs. 4 Satz 1 HGB. 106 Vgl. Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 109; Mülbert, in: FS U. H. Schneider, S. 855, 862; mit Blick auf die letzte Krise auch Hellwig, Gutachten E zum 68. DJT 2010, S. E28 f. 107 Entwickelt wurden die hier vorgestellten Überlegungen primär, um die Entwicklung von einem bankspezifischen Bank Run hin zu einem systemweiten Bank Run zu erklären, vgl. etwa Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 20 ff.; Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 111 ff. Sie lassen sich allerdings auch auf Szenarien übertragen, in denen die Illiquidität der ersten Bank nicht durch einen Run ausgelöst wurde.
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
vermutung oder Homogenitätsannahme108).109 Auf Grundlage dieser Erwartung ist es aus Sicht des Einlegers wiederum nur rational, seiner Bank das Vertrauen zu entziehen, sämtliche Einlagen abzuziehen und so ihrer (vermeintlichen) Zahlungsunfähigkeit zuvorzukommen. Agiert eine ausreichende Zahl von Privateinlegern nach diesem Prinzip, droht aus der ursprünglich vereinzelten Insolvenz einer für eine Vielzahl der Einleger eigentlich „fremden“ Bank schrittweise ein systemweiter Bank Run heranzuwachsen.110 Dieser kann letztlich auch Institute erfassen, die im Ausgangspunkt über eine angemessene Risikoexposition verfügten.111 Vergleichbare allgemeine Vertrauensverluste drohen auch auf dem Interbankenmarkt.112 Auch das Vertrauen im Interbankenverhältnis ist grundsätzlich stark institutionalisiert und wird, je nachdem ob der Interbankengeldhandel besichert oder unbesichert erfolgt, zudem durch Vertrauensbeziehungen der Banken gegenüber Sicherungsgebern oder Rating-Agenturen ergänzt.113 Die durch eine plötzliche Zahlungsunfähigkeit bedingte Insolvenz einer einzelnen Bank kann in Form einer Kettenreaktion auch auf dem Interbankenmarkt eine allgemeine Vertrauenskrise auslösen.114 Dabei treten die Vertrauensverluste naturgemäß zum einen par-
108 Vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 21 f.; Kaufman/Scott, 7 Indep. Rev. 371, 373 f. (2003); Park, 28 J. Monet. Econ. 271 (1991) sowie ferner Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 326 f.; Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 33. Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 112 ff. differenziert weiter zwischen einer selektiven und einer allgemeinen Homogenitätsannahme, deren Eintritt jeweils davon abhängt, ob die Einleger Strukturunterschiede zwischen den Banken jedenfalls teilweise erkennen oder diese insgesamt als homogen erachten. 109 Die zunehmende Komplexität des Bankensektors und die Anonymisierung der Vertragsverhältnisse führen zudem dazu, dass das persönliche Vertrauen des Einlegers in der individuellen Einleger-Bank-Beziehung zunehmend durch ein generelles Systemvertrauen in den Bankensektor ersetzt wird. Wenn der Einleger damit schon im Ausgangspunkt nicht mehr konkret „seiner“ Bank vertraut, sondern nur dem Bankensystem insgesamt, dann betrifft auch sein Vertrauensentzug immer das Bankensystem als Ganzes. Vgl. Tanner, in: Baberowski (Hrsg.), Was ist Vertrauen?, S. 73. 87 f. Allg. zur Entstehung von Systemvertrauen Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9 f. 110 Auch hier ist realiter wiederum zu beachten, dass durch die Einrichtung von Einlagensicherungssystemen der Anreiz zum Einlagenabzug maßgeblich reduziert wird (s. schon oben, § 2 Fn. 15). Zur Entstehung institutsspezifischer Bank Runs ebenfalls oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. b). 111 S. zum Ganzen Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 20 ff.; Kaufhold, Systemaufsicht, S. 46 f. jeweils m.w. N.; ferner speziell zur Gefahr einer rein „misstrauensbasierten Ansteckung“ Huber, ZBB 1998, 193, 194 (es sei ausreichend, wenn die einzelne Bank „ins Gerede kommt“) und Ruzik, BKR 2009, 133, 135. 112 Ausf. zum Ganzen sowie zum Zusammenbruch des Interbankenmarktes während der letzten Finanzkrise de la Motte/Czernomoriez/Clemens, Zur Vertrauensökonomik, S. 41 ff., 52 ff. 113 A. a. O., S. 42 f. (auf S. 10 auch zum Begriff des institutionalisierten Vertrauens). 114 S. zu den nachfolgend skizzierten Zusammenhängen Peydró-Alcalde/Iyer, How Does a Shock Propagate?
A. Die Bankeninsolvenz als ökonomischer Bezugspunkt
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allel zu den direkten, vernetzungsbedingten Ansteckungskanälen ein. Um ihre Ausfallrisiken zu minimieren, werden die übrigen Marktteilnehmer die Kreditvergabe zunächst gegenüber all jenen Banken einstellen, von denen bekannt ist, dass sie mit dem ursprünglich insolventen Institut vernetzt sind. Allerdings sind die konkreten Vernetzungsstrukturen im Interbankenmarkt selbst für professionelle Marktakteure nur bedingt überschaubar.115 Sie können häufig nur vermuten, zwischen welchen Instituten konkrete finanzielle Vernetzungen bestehen und werden die Kreditvergabe im Interesse der Risikobegrenzung folglich auch gegenüber solchen Banken beschränken, bei denen eine Vernetzung mit dem ursprünglich insolventen Institut oder mit anderen liquiditätsbedrohten Instituten aus ihrer Sicht nur wahrscheinlich ist. Die von diesen Vertrauensverlusten betroffenen Banken werden wiederum versuchen, ihre Illiquidität dadurch zu verhindern, dass sie ihrerseits die Kreditvergabe kürzen.116 Das Zusammenwirken dieser Effekte mündet im fortgeschrittenen Krisenstadium letztlich in einen gänzlichen Zusammenbruch des Interbankenmarktes. Diese Vertrauenskrise im Interbankenverhältnis wiederum schafft Anlass zu größerem Misstrauen auch seitens der Privateinleger. Die einzelnen Vertrauensverhältnisse stehen folglich in starker Wechselwirkung zueinander. Ungeachtet der direkten Ansteckungskanäle droht damit bereits durch indirekte, misstrauensbedingte Ansteckungskanäle im Ergebnis eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung des Bankensystems. Diesem Befund folgend wird denn auch in der Literatur immer wieder hervorgehoben, die Aufrechterhaltung und Stabilisierung von Vertrauen sei nicht nur aus Effizienzgründen geboten, sondern stelle vor allem auch im Interesse der Finanzstabilität ein zentrales Regulierungsziel dar.117 Selbiges hat auch bereits der Gesetzgeber verschiedentlich zum Ausdruck gebracht.118 Wie später zu sehen sein wird, erlangt die Sanierungsplanung in diesem Zusammenhang – neben ihrer allgemein vertrauensstärkenden Wirkung in die Krisenfestigkeit der Institute – vor allem dadurch Bedeutung, dass sie durch frühzeitige Vorsorge im Idealfall eine zügige Unterbrechung der Ähnlichkeitsvermutung ermöglichen kann. Anknüpfungspunkt ist insoweit die Pflicht zur Ausarbeitung eines Krisenkommunikationskonzepts als Bestandteil der Sanierungspläne.119
115
Vgl. Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 112. Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 108. 117 Partnoy, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 68, 80 ff.; Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 13 ff., m.w. N.Zutreffend hebt allerdings Kaufhold hervor, dass auch eine aufsichtsrechtliche Regulierung einen Vertrauensverlust niemals gänzlich ausschließen kann. Sie seien gerade das „Basisrisiko jedes Finanzsystems“, s. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 138. 118 Schon früh etwa BT-Drs. 3/1114, S. 19 f. S. auch unten, Abschnitt § 3 A. I. 119 Dazu unten, Abschnitt § 4 A.V. 3. 116
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
3. Systemrelevanz von Banken Vor diesem Hintergrund mit der Frage konfrontiert, ob und wie systemrelevante Finanzinstitute erkennbar sind, ließe sich zunächst, weitgehend zirkulär, auf die von ihnen verursachten systemischen Verwerfungen im Falle ihrer tatsächlichen Insolvenz rekurrieren. Spätestens seit der Lehman-Insolvenz im Herbst 2008 herrscht in der internationalen Regulierungsdebatte aber der Konsens vor, dass jedenfalls systemrelevante Banken schon im Vorfeld etwaiger zukünftiger Krisen Gegenstand verschärfter Aufsichtsanforderungen werden sollen. Nötig sind damit Ansätze, die eine zuverlässige Feststellung der Systemrelevanz von Banken bereits in der Frühphase des regulären Geschäftsbetriebes ermöglichen. a) Indikatorbasierte Messung Während sich in der wissenschaftlichen Literatur vielfach Vorschläge finden, die Systemrelevanz anhand ökonometrischer Modelle zu bestimmen,120 sind in der Praxis der internationalen Organisationen vor allem sog. indikatorbasierte Messansätze verbreitet. Beispielhaft steht insoweit das sog. Scoring-Modell des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS).121 Das Modell dient der Identifikation global systemrelevanter Banken122 und stellt demgemäß auf die Auswirkungen ab, die der Ausfall des jeweiligen Bankinstituts auf das globale Finanzsystem und die globale Ökonomie hätte.123 Es basiert auf fünf gleichgewichteten Risikofaktoren, die individuell für jedes Bankinstitut erfasst, einer gemischt quantitativ-qualitativen Bewertung zugeführt und mit einem Punktwert versehen werden. Der kombinierte Gesamtscore soll die Systemrelevanz des Finanzinstituts im Vergleich zu seiner Konkurrenz124 abbilden.125 Zu diesen Faktoren ge120 Vgl. Kleinow/Morscher/Horsch, WiSt 2015, 75, 77. Stellv. steht insoweit der sog. CoVaR-Ansatz (Conditional Value-at-Risk) zur Messung des Systemrisikobeitrages von Bankinstituten (dazu Adrian/Brunnermeier, 106 Am. Econ. Rev. 1705 (2016); instruktiv zum CoVaR und zum alternativen sog. Netzwerkmodell auch Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 207). Die Kennzahl basiert auf dem Risikomaß Value-atRisk und beschreibt den bei einer gegebenen Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Zeitraum maximal zu erwartenden Verlust für das gesamte Finanzsystem, der aus dem Ausfall des jeweiligen Bankinstituts resultiert. 121 BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018. 122 Sog. Global Systemically Important Bank, G-SIB. Zur Abstufung in Systemrelevanz-Klassen (abhängig von Größe und geographischer Reichweite des verursachten Systemrisikos) s. Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 32; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 206, 208 f. 123 BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 14. 124 Einhellig anerkannt ist, dass die Systemrelevanz eines Finanzinstituts eine relative Größe darstellt, also abhängig ist von den sich fortlaufend verändernden Marktanteilen der Institute, den übrigen Risikostrukturen im Bankensystem sowie der diesbezüglichen Wahrnehmung der Marktteilnehmer. Vgl. FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/ 2009, Rn. 9; Lastra, 6 CMLJ 197, 210 (2011); Obermüller, NZI 2011, 81, 86; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 4 Rn. 6; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/
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hören namentlich die Verflechtung, Größe, Substituierbarkeit, Komplexität und grenzüberschreitende Aktivität des jeweiligen Instituts.126 Sie alle stehen in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit den soeben dargestellten Ansteckungseffekten als prägendem Merkmal systemischer Bankeninsolvenzen. b) Die Indikatoren im Einzelnen Ausdruck der Verflechtung der Institute sind zum einen die Anzahl ihrer vertraglichen Verknüpfungen zu anderen Marktteilnehmern, zum anderen das Volumen der Verbindlichkeiten in den einzelnen Vertragsverhältnissen.127 Die Verflechtungsstruktur im Bankensystem entspricht insoweit einem Netzwerk, wobei jedes Bankinstitut einen Netzwerkknotenpunkt bildet und über seine Vertragsverhältnisse Verbindungen zu anderen Netzwerkknotenpunkten unterhält. Je breiter und intensiver die Vernetzung einer Bank als Knotenpunkt ausgestaltet ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Illiquidität dieser Bank auf andere Marktakteure übergreift, es also zu direkten Ansteckungen kommt. Daneben steigt mit der Ausprägung der Verflechtungsstrukturen des jeweiligen Bankinstituts auch die Empfindlichkeit gegenüber negativen Vertrauenseffekten und indirekten Ansteckungen, da andere Marktakteure die Vielzahl der Verbindungen praktisch kaum überschauen können.128 Die Bedeutung der Größe129 des jeweiligen Unternehmens 2010, Rn. 206. Dementsprechend auch – zu Recht – für einen Beurteilungsspielraum der Aufsichtsbehörden bei der Prüfung der Systemrelevanz von Banken Günther, WM 2010, 825, 829; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 33; ders., WiVerw 1/2010, 47, 57. 125 S. zur genauen Berechnung BCBS, Global systemically important banks, 5.7. 2018, Rn. 16 f.; ferner Kleinow/Morscher/Horsch, WiSt 2015, 75, 78. 126 BCBS, a. a. O., Rn. 16 f., 19, 30 ff. Ganz ähnl. auch FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, die maßgeblich auf die Faktoren Größe, Verflechtung und Substituierbarkeit abstellen (a. a. O., Rn. 13–15), zudem aber auch den Umfang des eingesetzten Fremdkapitals (Leverage), den Umfang der Fristentransformation, die Menge an frei verfügbarer Liquidität oder die Korrelation der Risikostruktur berücksichtigen (a. a. O., S. 13). S. auch Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 206; Günther, WM 2010, 825, 827, m.w. N. 127 FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, Rn. 15 sprechen bildhaft von der „thickness of the links“ zwischen den Akteuren. Das Score-Modell des BCBS untersucht die Vernetzung anhand der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Bankinstituts innerhalb des Finanzsystems sowie anhand der von ihr ausgegebenen und im Umlauf befindlichen Wertpapiere, vgl. BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 23. 128 Zur Relevanz dieses Netzwerkmodells in der makroprudenziellen Systemaufsicht und der Bedeutung der Sanierungsplanung in diesem Zusammenhang s. u., Abschnitt § 6 B. III. 129 Als Maßstab zur Größenbestimmung werden die Bilanzsumme, das Transaktionsvolumen oder das Volumen des verwalteten Vermögens vorgeschlagen, vgl. FSB/IMF/ BIS, SIFI Guidance, 10/2009, Rn. 13; Günther, WM 2010, 825, 827. Der BCBS stellt in seinem Score-Modell auf die sog. total exposure des jeweiligen Bankinstituts ab, vgl. BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 22. Uneinigkeit besteht darüber, ob diese Messgrößen absolut oder relativ zur finanziellen Leistungsfähigkeit des
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
ergibt sich zum einen daraus, dass gerade die Insolvenz großer Banken geeignet ist, einen besonderen Symbolwert auf den Finanzmärkten zu entfalten. Entsprechend hoch ist auch hier wiederum das Risiko, dass diese Insolvenz in Vertrauensverluste seitens der übrigen Marktteilnehmer mündet und indirekte Ansteckungen bis hin zum völligen Marktzusammenbruch nach sich zieht.130 Die praktische Erfahrung zeigt zudem, dass mit der Größe der Bank in der Regel auch das Ausmaß ihrer Verflechtung und ihre Komplexität zunehmen.131 Die Substituierbarkeit des jeweiligen Unternehmens ist insbesondere deshalb bedeutend, weil die Krise oder Insolvenz einer Bank insbesondere dann systemische Wirkungen entfaltet, wenn das Institut in seiner Funktion für den Markt nicht ohne weiteres durch andere Akteure ersetzbar ist. Dies ist etwa dann denkbar, wenn die Bank in bestimmten Marktsegmenten besonders engagiert oder am Betrieb von Marktinfrastrukturen (z. B. Zahlungssysteme) beteiligt ist. Ihr Ausfall könnte dann zu kurzfristigen Serviceunterbrechungen oder reduzierter Marktliquidität führen.132 Die Komplexität des Finanzinstituts drückt sich vor allem durch eine stark ausdifferenzierte, regelmäßig auch grenzüberschreitend ausgestaltete Konzernstruktur sowie durch eine Vielzahl verschiedener Geschäftsaktivitäten aus, deren Produkte noch nicht langjährig erprobt sind. Je größer die Komplexität des Instituts, desto größer auch die Unsicherheit der übrigen Marktakteure, die nur bedingt überschauen können, ob und inwieweit sie mit dem krisenbehafteten Institut verbunden sind. Auch komplexe Bankinstitute sind damit besonders anfällig für indirekte, misstrauensbedingte Ansteckungseffekte.133 Hinzu kommt schließlich die Tatsache, dass gerade komplexe Finanzinstitute auch für die staatlichen Aufsichtsbehörden, etwa im Rahmen der Abwicklung, nur mit besonders hohem Zeit- und Ressourcenaufwand zu handhaben sind. Gleiches gilt auch für Institute mit einer stark jurisdiktionenübergreifenden Aktivität. Als problematisch erweisen sich hier insbesondere rechtliche Komplikationen in der zwischenstaatlichen Insolvenzabwicklung sowie in der internationalen Kooperation der (häufig mit gegensätzlichen Interessen handelnden) Aufsichtsbehörden.134 Heimatlandes der Bank zu bestimmen sind. Vgl. mit der Forderung nach letzterem Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 206. 130 BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 22 sowie bereits Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 601. Vgl. entsprechend auch § 48b Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KWG in der Fassung vom 1.1.2011. 131 Vgl. FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, Rn. 13; Günther, WM 2010, 825, 827. 132 Zum Ganzen BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 24; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 206; vgl. auch Mülbert, in: FS U. H. Schneider, S. 855, 862. 133 Zum Ganzen FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 13; Sachverständigenrat, a. a. O., Rn. 206. 134 BCBS, Global systemically important banks, 5.7.2018, Rn. 21. S. zu diesen Kooperationsfragen im Kontext der grenzüberschreitenden Sanierung näher unten, Abschnitt § 7 A. I. 1.
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Zwar sehen sich derartige indikatorbasierte Messansätze verschiedentlich Kritik aus der Wissenschaft ausgesetzt.135 Für ihre Verwendung sprechen aber ihre Praktikabilität und Transparenz.136 Wohl auch aus diesem Grund haben sie in den letzten Jahren zunehmend Eingang in die verbindlichen Bewertungsmaßstäbe des Aufsichtsrechts gefunden.137
IV. Zusammenfassung und Folgerungen Ungeachtet der voranschreitenden, auch innovationsgetriebenen Disintermediationseffekte auf den internationalen Finanzmärkten138 bleiben Bankinstitute, namentlich in Kontinentaleuropa, bis auf Weiteres ein zentraler Akteur im Prozess der Kapitalvermittlung zwischen Wirtschaftseinheiten mit Finanzierungsüberschüssen und -defiziten. Sie erfüllen damit eine wesentliche volkswirtschaftliche Funktion. Die vorangehenden Ausführungen sollten die Funktionsweise der bankenbasierten Kapitalvermittlung in ihren Grundzügen verdeutlicht und die wesentlichen Charakteristika finanzmarktbezogener Systemrisiken, namentlich in Gestalt der Insolvenz einer systemrelevanten Banken, vor Augen geführt haben. Mit Blick auf das Sanierungsplanungsrecht sind diese Ausführungen gleich in mehrerer Hinsicht bedeutend: Erstens erschließt sich aus ihnen der rechtspolitische Regelungsbedarf, der ab Herbst 2009 auf internationaler und europäischer Ebene schrittweise zur Entwicklung eines Sonderinsolvenzrechts für Banken führte. Die in der Finanzkrise der Jahre 2007–2009 beobachteten Verwerfungen durch unkontrollierte Insolvenzen systemrelevanter Finanzinstitute und das damit verknüpfte sog. „Too Big to Fail“-Dogma einschließlich seiner adversen Anreizeffekte für die Marktteilnehmer galt es für die Zukunft zu verhindern.139 Zweitens werden die beschriebenen ökonomischen Hintergründe, wie später noch ausführlicher zu sehen sein wird, aber auch im Prozess der Erstellung und Bewertung der Sanierungspläne selbst relevant: Die Sanierungsplanung ist ein Unter135 S. etwa Hansen, in: Brunnermeier/Krishnamurthy (Hrsg.), Risk Topography, S. 15, 16 f., der insb. diskretionäre Freiräume der Regulierungsbehörden kritisiert und stattdessen einen eher quantitativ orientierten Ansatz befürwortet. Vgl. ferner Kleinow, Systemrelevante Finanzinstitute, S. 101, 103, 108; ders./Morscher/Horsch, WiSt 2015, 75, 78. 136 Vgl. FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 3; Kleinow, Systemrelevante Finanzinstitute, S. 108. Denkbar ist zudem auch eine Ergänzung der Scoring-Modelle durch ökonometrische Analysen, vgl. in diese Richtung FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, Rn. 24, 30. 137 S. z. B. ErwG 9 ESRB-VO, Art. 121 Abs. 2 und 3 CRD-IV; ferner § 10f Abs. 2 und 3 KWG, § 19 II Nr. 1, 2 SAG. Zum abweichenden Begriff des sog. bedeutenden Finanzinstituts im einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus (SSM) s. u., Abschnitt § 5 A. I. 2. 138 Zu den Potentialen etwa der Blockchain-Technologie in diesem Zusammenhang s. z. B. Fußwinkel/Kreiterling, BaFin Perspektiven 1/2018, S. 48, 51 ff. 139 Vgl. u. a. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 7 ff. Zu diesem Entstehungshintergrund auch noch sogleich, Abschnitt § 3 A. II.
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fangen, das in seiner Funktionsfähigkeit an gleich mehreren Stellen nicht nur von institutsbezogenen, sondern auch von systembezogenen Analysen und Bewertungen abhängt. Durchgehend gilt es zu berücksichtigen, welche bankbetrieblichen Risiken eine erfolgreiche Sanierung der betreffenden Bank erschweren und welche der oben genannten institutsspezifischen Eigenschaften im Einzelfall zu negativen Folgewirkungen in dessen Marktumfeld führen können.
B. Die Entwicklung des Rechts zur planungsbasierten Bewältigung von Bankenkrisen Finanzmarktakteure sind Träger von Grundrechten. Daraus folgt, dass sie sowohl ihre Geschäftsaktivitäten als auch ihre Risikobereitschaft grundsätzlich in eigener Verantwortung bestimmen und jede Beschränkung dieser Freiheit durch Regeln der Finanzmarktregulierung einer spezifischen Rechtfertigung bedarf.140 Diese Rechtfertigung wurzelt im Kern in der staatlichen Gewährleistungsverantwortung für ein funktionsfähiges Finanzsystem. Sie verpflichtet den Staat zur Schaffung eines Rechtsrahmens, der ein stabiles Funktionieren der eingangs beschriebenen Austauschprozesse auf dem Finanzmarkt ermöglicht.141 Mit Blick auf die im Nachgang der Lehman-Insolvenz kulminierende Instabilität des Finanzsystems waren dazu Regelungen erforderlich, die im Falle einer drohenden Bankeninsolvenz effektive Sicherungsmaßnahmen ermöglichen, einen unkontrollierten Vermögensabfluss aus den Instituten verhindern und negativen Vertrauenseffekten im Markt entgegenwirken. Zudem bedurfte es Regeln, die gleichzeitig – notfalls unter Zuhilfenahme einer Interimsfinanzierung – eine Aufrechterhaltung all jener systemrelevanten Funktionen des insolvenzbedrohten Instituts ermöglichen, deren abrupter Ausfall negative Ansteckungseffekte zu Lasten anderer Marktakteure auslösen würde.142 Gerade diesen Anforderungen wurde das bis 2008 geschaffene aufsichtsrechtliche Instrumentarium nicht gerecht. Entsprechende Einsichten auf politischer Ebene hatten zunächst die Verabschiedung verschiedener Ad-hoc-Maßnahmen 140 Vgl. nur Thiele, Finanzaufsicht, S. 462 f. und Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F16 f., m.w. N. 141 So zumindest die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur. S. Augsberg, DV 49 (2016), 369, 374; Becker, ZG 2009, 123, 125 f.; Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F9 f.; Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 119; Keßler, in: ders./Micklitz/ Reich (Hrsg.), Institutionelle Finanzmarktaufsicht, S. 11, 18; Ohler, in: Kirchhof/Korte/ Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 19 ff.; ders., WiVerw 1/2010, 47, 47; Ruffert, NJW 2009, 2093, 2094 f.; speziell zur Systemrisikoabwehr Kaufhold, Systemaufsicht, S. 181 ff. S. ferner Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 32, m.w. N. Anders aber Thiele, Finanzaufsicht, S. 239 ff. 142 Zu diesen Effekten bereits oben, Abschnitt § 2 A. III. 2. S. ausf. zu diesen Anforderungen etwa Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklung, S. 10 ff.; ferner Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 315, 331.
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mit dem Ziel einer kurzfristigen Stabilisierung der Marktabläufe zur Folge (dazu I.). Zugleich waren sie Ausgangspunkt für einen mehrjährigen Reformprozess, der – getrieben durch eine intensive internationale Diskussion (dazu II.) – erstmals sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zur schrittweisen Kodifikation eines eigenständigen, bankenspezifischen Regelwerkes zum Umgang mit systemgefährdenden Krisen und Insolvenzen führte (dazu III. und IV.).143 Kernbestandteil dieser Reform waren dabei früh auch verschiedene Planungsinstrumente, darunter namentlich das hier im Zentrum stehende Instrument der Sanierungsplanung.144
I. Notwendigkeit eines Sonderinsolvenzrechts für Banken Zwar existierte auf europäischer Ebene bereits seit April 2001 mit der EURichtlinie über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten ein europäisches Regelwerk mit bankeninsolvenzlichem Bezug.145 Die Richtlinie und ihre Umsetzung in den §§ 46b Abs. 2, 46d–46f KWG waren und sind bis heute allerdings überwiegend kollisionsrechtlicher Natur, enthalten also keine substanziellen Regeln zum Umgang mit Bankenkrisen. Derartige materielle Regeln für den Krisenfall enthielten in Deutschland in 2008 nur die §§ 45, 46, 46a sowie 47, 48 KWG.146 Inhaltlich waren die dort geregelten Eingriffsbefugnisse vor allem darauf gerichtet, den Vermögensbestand eines krisenbehafteten Kreditinstituts durch 143 Nur dieser unmittelbar insolvenzbezogene Strang des Bankenaufsichtsrechts ist Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung. Für eine umf. Darstellung der Rechtsentwicklung seit 2008 unter Berücksichtigung auch des Rechts der laufenden Bankenaufsicht s. statt vieler z. B. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRRVO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 99 ff., 135 ff. 144 S. zum Folgenden im Ansatz auch Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 2 ff.; ferner Andrae, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 17, 26 ff.; Binder, KTS 2013, 277, 281 ff.; Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 12 ff.; Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 957 ff.; Weckler, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A.I. Rn. 5 ff. 145 RL 2001/24/EG vom 4.4.2001, umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten vom 10.12.2003, BGBl. I (2003), S. 2478. 146 Gem. § 45 KWG a. F. konnte die BaFin Maßnahmen gegenüber Kreditinstituten erlassen, die die Anforderungen an den Eigenmittelbestand oder die Anlage von Finanzmitteln nicht erfüllten oder nicht zu erfüllen drohten. § 46 KWG a. F. ermächtigte die BaFin für den Fall einer Gefährdung der Erfüllung der Verpflichtungen des Kreditinstituts gegenüber seinen Gläubigern zudem zu Eingriffen in die Geschäftsführung. Auf der höchsten Eskalationsstufe schließlich konnte die BaFin gem. § 46a KWG a. F. ein vorübergehendes Zahlungsverbot (sog. Moratorium) zur Insolvenzvermeidung verhängen. Die §§ 47, 48 KWG a. F. ermöglichten ein solches Moratorium ferner auch im Interesse der Stabilität des Finanzsystems insgesamt. Ausf. zu diesem Maßnahmenkatalog Pannen, Krise und Insolvenz, 3. Aufl. 2010, Kap. 1. Rn. 1 ff.; im Überblick Binder, ZBB 2009, 19, 20; Lorenz, NZG 2010, 1046, 1047 f.; Müller, KTS 2011, 1, 3 f. All diese Befugnisse bestehen in den §§ 45 ff. KWG auch heute in ähnl. Form fort.
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punktuell-situative Anordnungen der Aufsichtsbehörden zu sichern und dadurch eine Verschlimmerung seiner finanziellen Situation zu verhindern.147 Flankiert wurden sie zudem durch die in § 46b Abs. 1 KWG angeordnete Pflicht zur Anzeige der Insolvenz gegenüber der BaFin, welche bis heute das alleinige Insolvenzantragsrecht im Hinblick auf Finanzinstitute innehat, sowie durch die Einlagensicherungsregeln des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes (EAEG).148 Keinesfalls bot das damalige aufsichtsrechtliche Instrumentarium jedoch die Grundlage für eine planmäßige Sanierung oder geordnete Abwicklung notleidender Kreditinstitute bei gleichzeitig zuverlässiger Vermeidung negativer Externalitäten für das Finanzsystem. Ebenso wenig verfügte auch das allgemeine Insolvenzrecht über ein Instrumentarium, das den eingangs skizzierten Anforderungen gerecht wurde. Denn zum einen bewirkt häufig bereits die formale Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vertrauensverluste, die eine Sanierung des krisenbehafteten Instituts von vorn herein deutlich erschweren oder gar unmöglich machen. Ferner erhöht die mit der Verfahrenseröffnung einhergehende Abschirmung der Vermögensmasse zum Zwecke einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung die Gefahr von Ansteckungseffekten unter den häufig weitläufig vernetzten Marktteilnehmern. Schließlich drohen mit der klassischen Insolvenzabwicklung gerade eines großen und grenzüberschreitend aktiven Kreditinstituts Koordinations- und Verfahrensprobleme einherzugehen, die kaum mit dem Bedürfnis nach einer schnellen und rechtssicheren Krisenbewältigung in Einklang zu bringen sind.149 Gerade diese Beschränktheit des damaligen Rechtsrahmens zwang den Gesetzgeber in der Hochphase der Krise dazu, eilig zusammengestellte Notfallmaßnahmen zu verabschieden, um eine weitere Destabilisierung des Finanzsystems zu verhindern. Kern dieser Ad-hoc-Gesetzgebung war das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17.10.2008, welches als Artikelgesetz das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) und das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG) in Kraft setzte.150 Später folgten das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (FMStErgG) vom 7.4.2009 und
147 Vgl. Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklung, S. 25 ff.; Lorenz, NZG 2010, 1046, 1047; ferner Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 4. 148 BGBl. I (1998), S. 1842, ursprünglich beruhend auf den Vorgaben der EU-Einlagensicherungsrichtlinie (RL 94/19/EG) vom 16.5.1994 und der EU-Anlegerentschädigungsrichtlinie (RL 97/9/EG) vom 3.3.1997. Die Vorschriften zur Einlagensicherung wurden mit Inkrafttreten der neuen EU-Einlagensicherungsrichtlinie (RL 2014/49/EU) vom 16.4.2014 in das Einlagensicherungsgesetz (EinlSiG), BGBl. I (2015), S. 786, überführt. Das EAEG existiert heute als Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG), BGBl. I (2015), S. 786, 803, fort. 149 Zum Ganzen ausf. Binder, KTS 2013, 277, 298 ff.; Wolfers/Voland, in: Hopt/ Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 315, 330 ff. 150 BGBl. I (2008), S. 1982.
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das Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz (FMStFEntwG) vom 17.9. 2009.151 Die Rechtsakte zielten auf eine Stützung zahlreicher Kreditinstitute (unter anderem durch Garantien, Rekapitalisierungen und Übernahmen von Risikopositionen), sollten das Marktvertrauen wiederherstellen und eine Liquiditätsknappheit und Ansteckung weiterer Finanzmarktakteure verhindern.152 Zwar erreichten die Maßnahmen dieses Ziel weitgehend. Zugleich bekräftigten sie in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch auch den politischen Willen einer unbedingten, notfalls auch staatsfinanzierten „Rettung“ kriselnder Finanzunternehmen mit systemischer Bedeutung um jeden Preis. Dass ein solches „Too Big to Fail“-Dogma auf Seiten der Finanzindustrie langfristig auch negative Effekte hat, namentlich indem es die Finanzunternehmen zu einer gezielten Herbeiführung ihrer eigenen Systemrelevanz anreizt (sog. Moral Hazard), hatten bereits frühere Krisen verdeutlicht.153 Im Nachgang der Krise bestand demgemäß Einigkeit darüber, dass die Bewältigung von Bankenschieflagen künftig auch ohne staatliche Rettungsgarantien möglich werden muss. Ganz überwiegend wurde in der Wissenschaft dazu die Einführung eines spezifisch auf die Eigenheiten des Finanzsystems abgestimmten Sonderinsolvenzrechts für Banken gefordert.154
II. Internationale Diskussion Der akademischen Diskussion folgend, beschlossen die G-20-Staaten bereits im September 2009 in Pittsburgh die Einführung spezieller Abwicklungs- und Restrukturierungsregeln für Finanzinstitute, die eine Überwindung des „Too Big 151 S. BGBl. I (2009), S. 725 und BGBl. I (2009), S. 1980. Später folgten das Zweite Finanzmarktstabilisierungsgesetz (2. FMStG) vom 24.2.2012, BGBl. I (2012), S. 206, und das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz (3. FMStG) vom 20.12.2012, BGBl. I (2012), S. 2777, welche die Anwendbarkeit der zuvor geschaffenen Schutzinstrumente zeitlich verlängerten und fortentwickelten. 152 Zum Ganzen Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT, S. G11 ff.; Fischer, in: Boos/ Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 135 ff.; Pannen, Krise und Insolvenz, 3. Aufl. 2010, Kap. 2. Rn. 1 ff.; Wolfers/Voland, in: Hopt/ Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 315, 321 ff. 153 Dazu Thiele, Finanzaufsicht, S. 224 f.; Kaufhold, Systemaufsicht, S. 56. 154 So bereits der 68. DJT im Jahr 2010 in Beschluss Nr. 24 a) der Abteilung Öffentliches und Privates Wirtschaftsrecht, s. DJT, Verhandlungen des 68. DJT – Band II/1, S. P65. Stellv. für die Literatur im Übrigen Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 904; Bachmann, ZBB 2010, 459, 459; Binder, KTS 2013, 277, 304; Hellwig, in: Kenadjian (Hrsg.), Too Big To Fail, S. 35, 37; Kenadjian, in: a. a. O., S. 3, 6 ff.; Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 52 ff.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, S. 148 ff.; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 31. Prinzipiell offen ferner Eidenmüller, Finanzkrise, S. 47 ff. Demgegenüber für eine Sanierung von Banken im – ggf. angepassten – Insolvenzplanverfahren Amend, ZIP 2009, 589, 593 ff. und, mit Blick auf nicht-systemische Kreditinstitute, auch Frind, ZInsO 2010, 1921, 1921, 1924. Weniger krit. mit Blick auf eine Behandlung von Finanzinstituten nach allg. Regeln auch Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 6, passim.
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to Fail“-Problems ermöglichen und zugleich die Finanzstabilität langfristig stärken sollten.155 Teil dieser Sonderregelungen sollte auch eine Verpflichtung zur planerischen Vorsorge für Krisenlagen sein, wobei diese Planung ursprünglich nur bezogen auf eine spätere Abwicklung der jeweiligen Institute vorgesehen war.156 Im März 2010 legte der BCBS in Reaktion auf einen entsprechenden Aufruf seitens der G-20 die Empfehlungen der sog. Cross-Border Bank Resolution Group (CBRG) vor. Der Bericht forderte neben einer Erweiterung der abwicklungsbezogenen Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden eine frühzeitige Notfallplanung durch systemrelevante und grenzüberschreitend aktive Banken, die in die reguläre Beaufsichtigung derselben einbezogen werden sollte. Vorgesehen war eine Planung, die im Krisenfall eine Unternehmenserhaltung ermöglichen, die Widerstandsfähigkeit zentraler Unternehmensfunktionen befördern und im Zweifelsfall eine geordnete Abwicklung der Kreditinstitute ermöglichen sollte.157 Weitgehend entsprechende Vorschläge machte auch das Financial Stability Board (FSB) in seinen im November 2010 vorgelegten Empfehlungen zum Umgang mit systemrelevanten Finanzinstituten.158 Darin forderte das FSB die verpflichtende Erstellung und regelmäßige Aktualisierung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie eine begleitende Prüfung der Sanierungs- und Abwicklungsfähigkeit der Institute durch die zuständigen Aufsichtsbehörden.159 Die vorgenannten Berichte und Empfehlungen mündeten schließlich im Oktober 2011 in die im Auftrag der G-20 vom FSB vorgelegten „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ (sog. Key Attributes), die das FSB unter anderem in Zusammenarbeit mit der BCBS CBRG entwickelte.160 Darin wurde der präventive Planungsprozess zur Vorbereitung auf Krisen- und Insolvenzlagen erstmals explizit zweistufig ausgestaltet.161 Auf der ersten Stufe sollen die Finanzinstitute zur fortlaufenden Entwicklung von Sanierungsplänen verpflichtet werden, die Optionen zur Wiederherstellung der Finanzstabilität des Unternehmens in Krisenlagen enthalten. Darauf aufbauend sollen die Aufsichtsbehörden mit der Entwicklung von Abwicklungsplänen betraut werden, die einen effektiven und systemschonenden Gebrauch der Abwicklungsbefugnisse vorbe155 G20, Leaders’ Statement – The Pittsburgh Summit, 24.–25.9.2009. Ausf. zu der hier nur skizzierten internationalen Diskussion Haentjens, IILR 2014, 255. 156 G20, a. a. O., S. 9. 157 S. BCBS, Report and Recommendations of the Cross-Border Bank Resolution Group, 18.3.2010, S. 2 (Empfehlung 6). 158 FSB, Reducing the moral hazard posed by systemically important financial institutions, 20.10.2010. 159 A. a. O., Rn. 17 ff. 160 Abrufbar unter: http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_111104cc.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). Das Dokument wurde im Oktober 2014 in nochmals überarbeiteter Fassung vorgelegt (abrufbar unter: http://www.fsb.org/wp-content/uploads/ r_141015.pdf, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). Die hier relevanten planungsbezogenen Inhalte sind allerdings unverändert geblieben. 161 FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 11.
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reiten. Sämtliche Empfehlungen zu diesen Planungsinstrumenten hat das FSB in Anhang III zu den Key Attributes umfangreich ausgestaltet. Anzuwenden sind die Empfehlungen nach Ansicht des FSB auf systemrelevante Finanzinstitute aller Art.162
III. Europäische Rechtsetzungstätigkeit Parallel zu den vorgenannten Aktivitäten auf Initiative der G-20 arbeitete seit 2009 auch die EU-Kommission an Vorschlägen zur Entwicklung eines entsprechenden Rechtsrahmens auf europäischer Ebene, sachlich beschränkt allerdings von vorn herein auf einen Umgang mit Bankeninsolvenzen.163 In ihrer Mitteilung zur Schaffung eines EU-Rahmens für das grenzüberschreitende Krisenmanagement im Bankensektor vom Oktober 2009 präsentierte die EU-Kommission erstmals ihre Ziele und Vorstellungen zur Ausgestaltung von Regeln zur Krisenverhütung, zum frühzeitigen Eingreifen sowie zur Abwicklung und Liquidation von Banken.164 Als Teil dieses Vorschlags stellte sie auch die Einführung präventiv anzufertigender sog. Living Wills zur Konsultation. Weitere Mitteilungen und Konsultationen der Kommission165, eine Empfehlung des EU-Parlaments zum grenzüberschreitenden Krisenmanagement im Bankensektor (sog. Ferreira-Bericht)166 sowie ein Beschluss der EU-Wirtschafts- und Finanzminister zur Schaffung eines EU-Rahmens zur Krisenverhütung, zum Krisenmanagement und zur Krisenbewältigung167 folgten. Aufbauend auf diese Dokumente sowie auf die Regelungsvorschläge des FSB in den Key Attributes beschloss die Kommission schließlich am 6.6.2012 den Entwurf einer Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und 162
FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 1.1. S. zum Anwendungsbereich von BRRD und SAG näher unten, Abschnitt § 3 C. Zum Hintergrund der BRRD auch Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 957 ff.; Metin/Wengler, in: Brogl (Hrsg.), Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 263, 266 ff.; Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 315, 335 f. Ausf. zur historischen Entwicklung des gesamten europäischen Bankaufsichtsrechts hin zur europäischen Bankenunion Binder, in: ders./Gortsos (Hrsg.), European Banking Union, S. 1, 2 ff. 164 Kommission, COM(2009) 561 final. Die Kommission reagierte damit u. a. auch auf die Empfehlungen des sog. De Larosière-Berichts vom Februar 2009. 165 Kommission, COM(2010) 254 final sowie Kommission, COM(2010) 579 final. Die in COM(2010) 579 final veröffentlichen Vorschläge stellte die Kommission im Januar 2011 zur Konsultation, vgl. Kommission, Consultation on technical details of a possible European crisis management framework (Konsultationsdokumente abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/consultations/2011/crisis-management/index_en.htm, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). Schließlich folgte im April 2012 ein Diskussionspapier der Kommission zum Bail-In-Mechanismus (abrufbar unter: http://www.feeling europe.eu/Pages/bail_in_en.pdf, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 166 Europäisches Parlament, Beschluss 2010/2006(INI), 28.6.2010. 167 Rat der Europäischen Union, Dok. 17006/1/10. 163
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Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, sog. Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD).168 Der Vorschlag erfolgte auf Grundlage von Art. 114 AEUV.169 Nach umfangreichen und langwierigen Beratungen – die European Banking Authority (EBA) hatte bereits in der Zwischenzeit europaweit einheitliche Empfehlungen zur Erstellung von Sanierungsplänen veröffentlicht170 – wurde die BRRD schließlich am 15.5. 2014 verabschiedet und trat am 1.1.2015 in Kraft.171 Am Ziel einer europaweiten Mindestharmonisierung des Bankeninsolvenzrechts orientiert,172 lassen sich die in der BRRD vorgesehenen Instrumentarien entsprechend ihres Anwendungszeitpunktes grob drei Phasen zuordnen: Den Ausgangspunkt bildet die Phase des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs, in der sowohl die Bank als auch deren Marktumfeld vergleichsweise stabil verfasst sind. Bereits in dieser Frühphase sieht die Richtlinie die präventive Erstellung und Bewertung der Sanierungspläne durch Institute und Aufsichtsbehörden nach Maßgabe der Art. 5–9 BRRD vor. Aufbauend auf diese Sanierungspläne entwickelt die Abwicklungsbehörde unter Mitwirkung der Kreditinstitute nach Maßgabe der Art. 10–14 BRRD Abwicklungspläne. Inhaltlich auf eine Umsetzung der in der BRRD vorgesehenen Abwicklungsinstrumente ausgerichtet, kommen sie zum Einsatz, sobald ersichtlich ist, dass eine eigenverantwortliche Sanierung durch das betreffende Institut scheitert oder von vorn herein aussichtslos ist (Planungsbzw. Vorbereitungsphase). Kommt es zu einer Verschlechterung der Finanzlage eines Instituts, kann die zuständige Aufsichtsbehörde in der zweiten Phase sog. Maßnahmen zur Frühintervention ergreifen. Als solche sehen die Art. 27 ff. BRRD unter anderem die Anordnung zur (gegebenenfalls auch nur teilweisen) Umsetzung des Sanierungsplans, die Aufforderung zur Änderung der Geschäftsstrategie oder der Struktur des Instituts, die Entlassung von Leitungspersonal sowie die Einsetzung eines vorläufigen Verwalters vor (Frühinterventionsphase).173 Beide vorbenannten Phasen, die Planungs- bzw. Vorbereitungsphase, ebenso aber auch die Frühinterventionsphase, stehen im Folgenden im Fokus der hiesigen Darstellung. Die dritte und letzte Phase schließlich betrifft den Zeitabschnitt, in dem eine eigenverantwortliche oder aufsichtlich angeordnete Sanierung des Un-
168 Kommission, COM (2012) 280 final/2; s. zugehörig dazu auch die Folgenabschätzung in Kommission, SWD (2012) 166 final. Zu diesem Richtlinienentwurf s. auch Chattopadhyay, WM 2013, 405; Dohrn, WM 2012, 2033; Schillig, Bank Resolution Regimes in Europe I; ders., Bank Resolution Regimes in Europe II. 169 Kommission, COM (2012) 280 final/2, S. 8. 170 EBA, Empfehlung zur Entwicklung von Sanierungsplänen, EBA/REC/2013/02, 23.1.2013. 171 RL 2014/59/EU, ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190. 172 Vgl. ErwG 10, Art. 10 Abs. 2 BRRD. 173 Zum Ganzen ausf. Sedlak, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. IV.; monographisch Uffelmann, Maßnahmen der Vor-Insolvenz.
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ternehmens gescheitert ist, es ausfällt oder jedenfalls in Kürze auszufallen droht. In dieser Phase sollen die in Art. 37 ff. BRRD spezifizierten Abwicklungsinstrumente zur Anwendung kommen (Abwicklungsphase). Dazu gehören das Instrument der Unternehmensveräußerung, die Übertragung auf ein Brückeninstitut, die Ausgliederung von Vermögenswerten sowie der Bail-in-Mechanismus174.175 Sie alle zielen darauf ab, die systemrelevanten Funktionen des Instituts aufrechtzuhalten, negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu vermeiden, Einlegerund Kundenvermögen zu schützen sowie die öffentlichen Haushalte zu schonen.176 In institutioneller Hinsicht flankiert werden die materiellen Vorgaben der BRRD durch die SSM-VO177 und die SRM-VO178, welche für die EU-Mitgliedsstaaten des Euroraumes den sog. einheitlichen Aufsichts- und Abwicklungsmechanismus schaffen. Innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM)179 übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB) die Funktion der Bankenaufsichtsbehörde für alle sog. bedeutenden Institute des Euroraumes. Als solche ist sie nicht nur für die laufende Aufsicht während des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs verantwortlich, sondern übernimmt auch sämtliche Aufsichtsaufgaben im Zusammenhang mit der Sanierungsplanung und dem frühzeitigen Eingreifen. Die Aufsicht über die sog. weniger bedeutenden Institute ist demgegenüber den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden vorbehalten.180 Der einheitliche Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism,
174 Vgl. Art. 38 f., 40 f., 42 und 43 ff. BRRD. Zu all diesen Instrumenten im Überblick z. B. Binder, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 18; Hoßdorf, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B.IV. Speziell zum Bail-In-Mechanismus etwa Brandt/Ilgmann, in: a. a. O., B.V.; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 11.01 ff.; Tröger, 4 J. Fin. Reg. 35 (2018); Wojcik, 53 Common Mkt. L. Rev. 91 (2016); monograpisch ferner Kowolik, Bail-in-Instrument. 175 S. zu allen Abwicklungsinstrumenten im Überblick zuletzt Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1685 ff. 176 Vgl. Art. 31 Abs. 2 BRRD. Näher zu den Zielen der BRRD sogleich, Abschnitt § 3 A. II. 177 VO (EU) Nr. 1024/2013, ABl. L 287 vom 29.10.2013, S. 63. 178 VO (EU) Nr. 806/2014, ABl. L 225 vom 30.7.2014, S. 1. 179 Dazu ausf. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5; Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, 2015, S. 11 ff., 214 ff.; Glos/Benzing, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 2. S. ferner Ferran/Babis, 13 J.C.L.S. 255 (2013); Gortsos, in: Binder/ders. (Hrsg.), European Banking Union, S. 17, 17 ff.; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2; Pfau, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 249; Tröger, EBOR 15 (2014), 449; Wymeersch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, S. 145; monographisch auch Gören, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus. 180 Zu den Aufgaben der EZB im Rahmen des SSM s. Art. 4 SSM-VO, zum Begriff des sog. bedeutenden Instituts s. Art. 6 Abs. 4 SSM-VO. Zum Ganzen speziell mit Blick auf den Sanierungsplanungsprozess auch noch genauer unten, Abschnitt § 4 C. II. 2. a).
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
SRM)181 hingegen umfasst Regelungen zur Aufgabenverteilung und Verfahrensweise betreffend die Abwicklung von Banken im Euroraum. Abwicklungsbehörde für die bedeutenden Institute des Euroraums ist das sog. Einheitliche Abwicklungsgremium (Single Resolution Board, SRB), eine unabhängige europäische Agentur mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Brüssel. In ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde fertigt das SRB die Abwicklungspläne an und fasst Beschlüsse im Rahmen der Abwicklung dieser Institute. Für die weniger bedeutenden Institute des Euroraums verbleibt es wiederum bei einer subsidiären Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden.182 Die Umsetzung der BRRD in nationales Recht musste gem. Art. 130 Abs. 1 BRRD größtenteils bis zum 1.1.2015 erfolgen.183 Neben diese nationalen Umsetzungsakte treten zudem weitere sog. europäische Tertiärrechtsakte.184 Als nähere Ausgestaltung der BRRD-Anforderungen werden sie überwiegend von der EBA erarbeitet und entweder direkt als Leitlinien veröffentlicht oder von der Kommission in Gestalt von Durchführungsverordnungen oder delegierten Verordnungen verabschiedet.185
IV. Nationale Reformvorhaben Der internationalen und europäischen Entwicklung folgend hat die Finanzkrise auch auf nationaler Ebene zu einem sprunghaften Anstieg der finanzmarktbezogenen Regulierung geführt.186 Die Rechtsentwicklung im Bereich des Bankeninsolvenzrechts vollzog sich dabei im Wesentlichen in drei Schritten:187 Den 181 Dazu ausf. z. B. Busch, in: ders./Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, S. 343; Gortsos, in: Binder/ders. (Hrsg.), European Banking Union, S. 17, 45 ff.; ders., The Single Resolution Mechanism; Manger-Nestler, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B.II.; s. ferner Benzing, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 14. 182 Vgl. Art. 5, 7, 8 ff. SRM-VO. Im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung ist das SRB dabei einzig an die materiellen Aufsichtsregeln der SRM-VO, nicht aber an jene der BRRD oder gar der nationalen Umsetzungsakte zur BRRD gebunden. Stattdessen spiegelt die SRM-VO die in der BRRD enthaltenen Regelungen zur Abwicklungsplanung sowie zur Abwicklung notleidender Institute, vgl. ErwG 18, 21, 52 der SRM-VO. 183 Eine Ausnahme galt gem. Art. 130 Abs. 1 UAbs. 3 BRRD für die Umsetzung des sog. Bail-In-Mechanismus, welcher in den Mitgliedsstaaten erst seit dem 1.1.2016 anzuwenden ist. 184 Zum Begriff Möllers, in: Schmidt-Aßmann/Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 293. 185 Zu den für die Sanierungsplanung relevanten Tertiärrechtsakten s. u., Abschnitt § 3 B. 186 Allein zwischen 2008 und 2015 erfolgten im KWG 44 Gesetzesänderungen; vgl. Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 70. Stellv. für die verbreitete Kritik an der zunehmenden Regulierungsdichte auch ders., a. a. O., Einf. Rn. 115. Danach habe ein „technokratischen Regulierungswettlauf “ dazu geführt, dass „das Aufsichtsrecht zu einem kaum beherrschbaren und extrem kostenaufwändigen regulatorischen Monster verkommen ist“. 187 Vgl. Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 904 ff.
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Auftakt bildeten die bereits eingangs skizzierten gesetzgeberischen Ad-hoc-Maßnahmen, mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) in deren Zentrum. Aufbauend darauf verabschiedete der deutsche Gesetzgeber mit dem Restrukturierungsgesetz und dem Trennbankengesetz zwei Rechtsakte, die zwar durch die internationale Diskussion um ein Sonderinsolvenzrecht für Banken beeinflusst wurden, letztlich aber maßgeblich auf nationaler Eigeninitiative beruhten (dazu 1. und 2.). Schließlich folgte mit dem BRRD-Umsetzungsgesetz der deutsche Beitrag zur europäischen Harmonisierung des Bankeninsolvenzrechts (dazu 3.). 1. Restrukturierungsgesetz Der erste auf Dauer angelegte Schritt zur Bewältigung des „Too Big to Fail“-Problems erfolgte in Deutschland bereits Ende 2010 mit der Verabschiedung des Restrukturierungsgesetzes (RStruktG).188 Größtenteils zum 1.1.2011 in Kraft getreten, beinhaltete das Restrukturierungsgesetz als Artikelgesetz gleich mehrere Gesetzesänderungen und eigenständige Gesetze. Im Zentrum stand dabei neben einer Erweiterung der hoheitlichen Eingriffsbefugnisse durch Einfügung der §§ 48a ff. KWG189 und der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur nationalen Abwicklungsfinanzierung (Restrukturierungsfondsgesetz, RStruktFG)190 die Einführung des Kreditinstitute-Reorganisationsgesetzes (KredReorgG).191 Das KredReorgG sollte im Interesse der Stabilisierung des Finanzmarktes einen geeigneten Rechtsrahmen bieten, um krisenbehaftete inländische Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG in einem geordneten Verfahren sanieren oder 188 Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung vom 9.12.2010, BGBl. I (2010), S. 1900. Dazu ausf. Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, 1; Höche, WM 2011, 49; Müller, KTS 2011, 1; Obermüller, NZI 2011, 81; Paulus, 6 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 171 (2011); Schelo, NJW 2011, 186; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221; dies., DB 2011, 282; Wimmer, JurisPR-InsR 17/2010, Anm. 1; ders., JurisPR-InsR 06/2011, Anm. 1; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159. Im Überblick Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 932 ff.; Müller-Feyen/Müller-Feyen, in: Luz/Neus/Schaber u. a. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, S. 3165, 3183 f.; Wolfers/Voland, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 315, 338 f. S. zum Hintergrund Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 39 ff.; ferner Bachmann, ZBB 2010, 459, 459 ff. 189 Die mittlerweile wieder außer Kraft getretenen §§ 48a ff. KWG a. F. ermächtigten die Aufsichtsbehörden zur sog. Übertragungsanordnung. Dazu ausf. Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 934 ff. Die Regelungen finden sich heute in weiterentwickelter Form in den §§ 107 ff. SAG wieder (s. sogleich, Abschnitt § 2 B. IV. 3.). 190 Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute v. 9.12. 2010, BGBl. I (2010), S. 1900, 1921. 191 Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten vom 9.12.2010, BGBl. I (2010), S. 1900. Dazu monographisch Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive Rapp, Zur Sanierungs- und Reorganisationsentscheidung.
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
abwickeln zu können.192 Dazu sah das KredReorgG ein zweistufig ausgestaltetes Instrumentarium zur privatautonom-kollektiven Bewältigung von Krisenlagen durch das Kreditinstitut, seine Anteilsinhaber und Gläubiger, bestehend einerseits aus einem sog. Sanierungsverfahren und einem sog. Reorganisationsverfahren anderseits.193 Beide Verfahren wurden auf Initiative des Kreditinstituts eingeleitet, gerichtlich begleitet und unterlagen nur einem begrenzten Einfluss der Aufsichtsbehörden.194 Gerade das Sanierungsverfahren gem. §§ 2–6 KredReorgG war dabei von der Sanierungsplanung zu unterscheiden, wie sie ursprünglich in §§ 47a ff. KWG festgelegt war und heute in §§ 12 ff. SAG (Art. 5–9 BRRD) geregelt ist. Während letztere bis heute der langfristigen und präventiven Vorsorge für potentielle Krisenszenarien dient,195 war ersteres als strikt anlassbezogenes Instrument erst nach Eintritt einer akuten Krisenlage relevant.196 Eingeleitet wurde das Sanierungsverfahren auf Betreiben der Geschäftsleitung, welche gegenüber der BaFin die Sanierungsbedürftigkeit des eigenen Instituts anzeigte, einen ad-hoc entwickelten Sanierungsplan vorlegte und zugleich einen sog. Sanierungsberater vorschlug. Inhalt des Sanierungsplans konnten sanierungsgeeignete Rekapitalisierungs- oder Restrukturierungsmaßnahmen aller Art sein, wenn und soweit diese nicht in Rechte Dritter eingriffen.197 Speziell zur Förderung einer zügigen Rekapitalisierung des Kreditinstituts erlaubte § 2 Abs. 2 Satz 3 KredReorgG jedoch eine Privilegierung der Sanierungskreditgeber gegenüber sonstigen Gläubigern des Instituts. Die Umsetzung der im Plan vorgesehenen Maßnahmen erfolgte durch den Sanierungsberater, der vom Gesetz mit besonderen Untersuchungskompetenzen ausgestattet war.198 Ergänzt werden konnten diese eigenverantwortlich entwickel192
§ 1 Abs. 1 Satz 1 KredReorgG, BT-Drs. 17/3024, S. 1. Zwar ist das Restrukturierungsverfahren zum Sanierungsverfahren grundsätzlich subsidiär. Beide Verfahren stehen allerdings nicht in einem strengen Stufenverhältnis derart, dass das Restrukturierungsverfahren erst nach vorheriger Absolvierung des Sanierungsverfahrens möglich ist oder dass das Sanierungsverfahren zugleich ein anschließendes Restrukturierungsverfahren nach sich zieht, vgl. § 7 Abs. 1 KredReorgG; s. auch Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1160. 194 Vgl. etwa § 2 Abs. 3 oder § 7 Abs. 4 KredReorgG, welche der Aufsichtsbehörde Stellungnahmen zu den vorgelegten Plänen erlauben. Unklar ist, ob die Aufsichtsbefugnisse nach dem KredReorgG auch nach Inkrafttreten der SSM-VO weiterhin in die Zuständigkeit der BaFin fallen oder fortan vielmehr von der EZB wahrzunehmen sind. Für eine Zuständigkeit der BaFin Weckler, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. I. Rn. 23. 195 Dazu ausf. in den folgenden Textabschnitten. 196 Abzugrenzen ist das Sanierungsverfahren zudem von den ebenfalls anlassbezogenen Planungen gem. § 10 Abs. 4 Satz 6 KWG (Art. 142 CRD-IV), § 45 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KWG sowie § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c, lit. d SAG (Art. 36 Abs. 1 lit. b und e BRRD). 197 § 2 Abs. 1 und Abs. 2 KredReorgG; vgl. auch Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1161. 198 §§ 6 Abs. 1, 4 Abs. 1 KredReorgG. 193
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ten Lösungsansätze durch hoheitliche Eingriffe, die auf Vorschlag der BaFin gerichtlich gegenüber dem Institut anzuordnen waren.199 Strukturell ähnlich aufgebaut, aber letztlich noch stärker am Insolvenzplanverfahren des allgemeinen Insolvenzrechts (§§ 217 ff. InsO) orientiert, war das Reorganisationsverfahren gem. §§ 7–23 KredReorgG.200 Dessen Eröffnung setzte eine Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems voraus.201 Korrespondierend zu dieser erhöhten Schwelle waren jedoch auch Sanierungsmaßnahmen umsetzbar, die mit Eingriffen in die subjektiven Rechte von Gläubigern und Anteilsinhaber verbunden waren. In Betracht kamen insoweit insbesondere ein Debt-to-EquitySwap, eine (teilweise) Vermögensausgliederung sowie eine Kürzung oder Stundung von Gläubigerforderungen.202 Inhaltlich war der im Reorganisationsverfahren zu erstellende Reorganisationsplan in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil unterteilt. Die Abstimmung über den Plan erfolgte, ähnlich wie im regulären Insolvenzplanverfahren, in Gruppen; wirksam wurde der Reorganisationsplan erst nach gerichtlicher Bestätigung.203 Die mit Restrukturierungsgesetz eingeführten Vorschriften des KredReorgG stießen in der Literatur überwiegend auf verhaltene Resonanz.204 Bezweifelt wurde vor allem die Praxisrelevanz des Sanierungs- und Reorganisationsverfahrens: Zum einen drohe das komplizierte Abstimmungsprozedere im Reorganisationsverfahren zu einer langen Verfahrensdauer zu führen, die eine zügige Krisenbewältigung praktisch unmöglich mache.205 Zum anderen, so die damals verbreitete Kritik, berge die Einleitung des Sanierungs- oder Reorganisationsverfahrens aus Sicht der Geschäftsleitung primär die Gefahr von Rechtsverlusten. 199
§ 5 Abs. 1 KredReorgG. BT-Drs. 17/3024, S. 2. 201 § 1 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG. Bis 31.12.2014 verlangte § 7 Abs. 2 KredReorgG, dass diese Gefährdung gerade vom Kreditinstitut ausgehen musste und beschränkte den Anwendungsbereich damit mittelbar auf systemrelevante Institute, vgl. Schelo, NJW 2011, 186, 188. Seit 1.1.2015 knüpft die Norm die Eröffnung des Reorganisationsverfahrens an die Voraussetzungen, die für eine Abwicklungsanordnung gem. § 77 SAG gelten. Es steht damit potentiell auch nicht systemrelevanten Banken offen. Entsprechendes war bereits nach Inkrafttreten der ursprünglichen Fassung gefordert worden, vgl. Bachmann, ZBB 2010, 459, 465; Lorenz, NZG 2010, 1046, 1052 f. 202 §§ 8 Abs. 3, 9, 11, 12 Abs. 1 KredReorgG. Ausgenommen von derartigen Eingriffen sind freilich einlagenschützte Gläubiger und Arbeitnehmer, vgl. § 12 Abs. 2 und 3 KredReorgG. 203 § 8 Abs. 1, 17–19, 20 Abs. 1 KredReorgG. 204 S. wiederum monographisch Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts. S. mit einer ausf. Auswertung der sonstigen Literaturstimmen Stengel, DB Beilage Nr. 4/2011, 11, 13 f. Krit. zuletzt auch Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1682. Wirklich positiv – soweit ersichtlich – nur Wimmer, JurisPR-InsR 17/2010, Anm. 1 (sub. IV.). 205 Zu Recht krit. Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 933 sowie Hellwig, in: Kenadjian (Hrsg.), Too Big To Fail, S. 35, 45. 200
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Schon deshalb bestehe aus deren Sicht de facto kaum ein Anreiz, die Verfahren freiwillig zu initiieren.206 Schließlich sei auch eine Sanierung im Reorganisationsverfahren kaum verhinderbar mit einer öffentlichkeitswirksamen Zäsurwirkung verbunden. Die Gefahr stabilitätsgefährdender negativer Vertrauenseffekte, etwa in Form eines Bank Runs der Institutsgläubiger, bestehe damit auch unter den neu geschaffenen Sonderverfahren fort.207 Heute, knapp zehn Jahre später, hat der Gesetzgeber diese Kritik aufgegriffen und selbst konstatiert, die Verfahren des KredReorgG seien spätestens mit Einführung des europäischen Sanierungs- und Abwicklungsregimes in BRRD und SRM praktisch obsolet geworden.208 Entsprechend wurden die Regelungen des KredReorgG anlässlich der Verabschiedung des sog. Risikoreduzierungsgesetztes (RiG) zur Umsetzung des sog. EU-Bankenpakets mit Wirkung zum 29.12.2020 aufgehoben.209 2. Trennbankengesetz Ungeachtet dieser erst kürzlich umgesetzten Reform erwies sich aber bereits im unmittelbaren Nachgang der Verabschiedung des RStruktG, dass der Gesetzgeber mit den damals eingeführten Instrumentarien zu sehr auf die situative Entscheidungsfähigkeit der Aufsichtsbehörden und der Bankinstitute vertraute. Dieses Vertrauen stand im deutlichen Gegensatz zu den Krisenerfahrungen der Jahre 2007–2009, die deutlich vor Augen geführt hatten,210 dass die Komplexität realer Finanzkrisen kaum durch bloße Ad-hoc-Lösungen zu bewältigen war. Notwendig für einen effizienten Gebrauch der Interventionsmaßnahmen des KredReorgG und des KWG war daher schon damals eine langfristige planerische Vorsorge
206 Hellwig, in: Kenadjian (Hrsg.), Too Big To Fail, S. 35, 44 f.; ähnl. Eidenmüller, in: FS Hopt I, S. 1713, 1724 f. und Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 211. Mit Zweifeln an der Praxisrelevanz ferner Lorenz, NZG 2010, 1046, 1053. Bereits im Gesetzgebungsverfahren wurde deutlich, dass das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren möglicherweise eher den Charakter eines „Angebots“ an die Unternehmensgeschäftsleitung hat, vgl. Höche, WM 2011, 49, 54, m.w. N. 207 Vgl. Bachmann, ZBB 2010, 459, 466, der auf die Gefahr eines Bank Runs hinweist. 208 BT-Drs. 19/22786, S. 200. Vgl. auch schon Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 317 ff. und Geier/Druckenbrodt, 29 J.I.B.L.R. 705, 706 f. (2014) („never been used“). 209 Vgl. Art. 12 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz, RiG) vom 9.12.2020, BGBl. I (2020), S. 2773. 210 Exemplarisch stehen wiederum die erheblichen Probleme bei der verfahrensförmigen Bewältigung der Lehman-Insolvenz, die ebenfalls ohne Vorausplanungen erfolgen musste. S. nochmals die Darstellungen in § 2 Fn. 77.
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sowohl seitens der Kreditinstitute als auch seitens der involvierten Aufsichtsbehörden.211 Die aus dem Fehlen entsprechender Regelungen resultierende Lücke schloss der deutsche Gesetzgeber mit dem sog. Trennbankengesetz (TrennbG) vom 7.8. 2013.212 Neben einer verschärften strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Bankgeschäftsleitung für die Verletzung von Risikomanagementpflichten 213 und einer Abschirmung besonders risikoträchtiger Geschäftsaktivitäten vom (Privat-)Kundengeschäft214 wurde mit dem TrennbG erstmals die präventive Sanierungs- und Abwicklungsplanung als Instrument zur Vorbereitung auf mögliche künftige Krisenlagen eingeführt. Der Gesetzgeber folgte damit ausdrücklich den in den Key Attributes veröffentlichten Empfehlungen des FSB aus dem Oktober 2011 sowie dem Vorschlag der EU-Kommission der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie vom Juni 2012, welche bereits entsprechende Planungspflichten für die Kreditinstitute und die Aufsichtsbehörden vorsahen.215 Durch eine frühzeitige Umsetzung dieser Empfehlung wollte der deutsche Gesetzgeber innerhalb Europas eine Vorreiterrolle einnehmen.216 Der neu eingefügte § 47 Abs. 1 KWG verpflichtete fortan sämtliche Kreditinstitute, die als potentiell systemgefährdend eingestuft wurden,217 zur Erstellung 211 Vgl. ähnl. Bachmann, ZBB 2010, 459, 469; Schelo, NJW 2011, 186, 191; Schelo/ Steck, ZBB 2013, 227, 228; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1165. Auch der 68. DJT hatte sich bereits für eine Pflicht zur abstrakt-präventiven Krisenvorsorge ausgesprochen, s. Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentages, S. 18. 212 Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7.8.2013, BGBl. I (2013), S. 3090. Die Regelungen zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung sind am 13.8.2013 in Kraft getreten, s. Art. 5 des TrennbG. Dazu ausf. Brandi/Gieseler, DB 2013, 741; Cichy/Behrens, WM 2014, 438; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227; van Kann/Rosak, BB 2013, 1475. S. ferner Müller-Feyen/Müller-Feyen, in: Luz/Neus/Schaber u. a. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, S. 3165, 3185. 213 Eingefügt wurden die Strafvorschriften des § 54a KWG. Dazu Goeckenjan, wistra 2014, 201. 214 Dieses Konzept der Risikoabschirmung (sog. ring fencing), welches zugleich namensgebend für den informellen Gesetzestitel „Trennbankengesetz“ wurde, geht zurück auf die Empfehlungen der sog. Liikanen-Kommission vom 2.10.2012. Dazu wurde in § 3 KWG die Trennung von Kundengeschäft einerseits sowie Eigenhandel und anderen Investmentbanking-Geschäften andererseits eingeführt. S. dazu im Kontext der Sanierungsplanung nochmals unten, Abschnitt § 5 D. II. 1. b). 215 BT-Drs. 17/12601, S. 1 f. 216 Krit. dazu Wieland, Gesetzentwurf zur Abtrennung spekulativer Handelsaktivitäten der Banken vom Einlagengeschäft – viele offene Umsetzungsfragen, Handelsblatt Rechtsboard, 20.3.2014. Die BaFin hatte die größeren deutschen Kreditinstitute bereits vor Inkrafttreten des TrennbG informell zur Erstellung von Sanierungsplänen aufgefordert. Dadurch sollte der politischen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland genüge getan werden, die aus dem G-20-Beschluss vom 4.11.2011 zur Umsetzung der FSB-Empfehlungen folgte, vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 438. 217 Als potentiell systemgefährdend galten gem. § 47 Abs. 1 Satz 4 KWG a. F. solche Institute, deren Bestandsgefährdung eine Systemgefährdung i. S. d. §§ 48a Abs. 2 Nr. 1,
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und regelmäßigen Aktualisierung von Sanierungsplänen, welche einen Notfallplan zur autonomen Krisenbewältigung durch das Kreditinstitut enthalten. Staatliche Eingriffe in Form von Abwicklungsmaßnahmen sollten erst dann als ultima ratio denkbar sein, wenn eine vorherige selbstverantwortliche Rettung nach diesen Plänen scheiterte. Aufbauend auf die Sanierungsplanung durch das jeweilige Kreditinstitut war daneben auch erstmals die BaFin gem. § 47 Abs. 2 KWG zur Abwicklungsplanung nach Maßgabe der §§ 47d–47h KWG verpflichtet.218 Gemeinsamer Grundgedanke der Sanierungs- und Abwicklungsplanung war und ist, dass die planende Vorsorge für zukünftige Krisen bereits in Phasen erfolgen soll, in denen noch kein akuter Handlungsbedarf besteht. Bereits in dieser Frühphase sollen wirksame Maßnahmen zur (Re-)Stabilisierung oder geordneten Abwicklung des jeweiligen Kreditinstituts entwickelt werden.219 Die näheren Anforderungen an den Sanierungsplanungsprozess und die inhaltliche Ausgestaltung der Sanierungspläne legten zum einen die §§ 47a, 47b KWG fest. Zum anderen bemühte sich die BaFin bereits frühzeitig durch die Veröffentlichung eines sog. Rundschreibens über die Mindestanforderungen an die Sanierungsplanung von Banken (MaSan) um eine Konkretisierung der gesetzlichen Regelungen.220 Ähnlich wie heute waren nach einem darstellenden Teil, in der das Kreditinstitut sein Geschäftsmodell und die daraus resultierende Risikosituation in einer strategischen Analyse darzulegen hatte, verschiedene Handlungsoptionen zur Krisenbewältigung zu entwickeln und konkrete Krisenszenarien einschließlich entsprechender Indikatoren zur Krisenfrüherkennung darzustellen. Ebenso waren die Sanierungsoptionen bereits damals anhand der im Plan entwickelten Krisenszenarien modellhaft auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. 3. BRRD-Umsetzungsgesetz Mit dem sog. BRRD-Umsetzungsgesetz (BRRDUmsG) vom 10.12.2014 folgte schließlich der vorerst letzte wesentliche Schritt zur Ausgestaltung des Sonderinsolvenzrechts von Banken in Deutschland.221 Das BRRDUmsG dient der Um48b Abs. 2 KWG a. F. nach sich ziehen kann. Gem. § 47 Abs. 1 Satz 6 KWG a. F. erfolgte die Einstufung basierend auf einer Analyse qualitativer und quantitativer Kriterien in Abstimmung mit der Bundesbank. 218 BaFin-intern war insoweit gem. § 47c KWG eine gesonderte Abwicklungseinheit zuständig. 219 S. zu den Zielen der Sanierungsplanung auch noch sogleich, Abschnitt § 3 A. III. 220 Den ersten Konsultationsentwurf der MaSan veröffentlichte die BaFin bereits am 2.11.2012. Die letzte Fassung der MaSan existiert als Rundschreiben 3/2014 (BA) seit dem 25.4.2014. Am 9.8.2017 legte die BaFin als Nachfolgedokument den ersten Konsultationsentwurf einer Rechtsverordnung MaSanV vor, am 25.4.2019 folgte der zweite Konsultationsentwurf einer Rechtsverordnung MaSanV. Näher zu den Rechtsquellen der Sanierungsplanung unten, Abschnitt § 3 B. 221 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und
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setzung der europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (BRRD), welche europaweit zum 1.1.2015 in Kraft trat, sowie der Angleichung der Vorschriften des KWG an den seit 4.11.2014 operativen einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) unter Leitung der EZB.222 Die Umsetzung der BRRD erfolgt im Wesentlichen durch das in Art. 1 des BRRDUmsG enthaltene Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG),223 welches in Inhalt und Aufbau sehr weitgehend an die bereits skizzierten, engmaschigen Richtlinienvorgaben angelehnt ist und angesichts seiner in weiten Teilen geschlossenen Regelungsstruktur einer eigenständigen Kodifikation des Bankeninsolvenzrechts nahe kommt.224 So gestalten etwa die §§ 36 ff. SAG die Anforderungen der BRRD zum frühzeitigen aufsichtlichen Eingreifen im Krisenfall, die §§ 89 ff. SAG die Vorgaben zum Bail-In-Mechanismus aus. Die übrigen Abwicklungsinstrumente – das Instrument der Unternehmensveräußerung, die Übertragung auf ein Brückeninstitut und die Ausgliederung von Vermögenswerten – wurden einheitlich in den §§ 107 ff. SAG umgesetzt. Die Regelungen entwickeln damit das bereits seit Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes (RStruktG) vorhandene Abwicklungsinstrumentarium, namentlich in Form der Übertragungsanordnung gem. §§ 48a ff. KWG a. F., fort.225 Die im hiesigen Zusammenhang besonders relevanten Vorschriften zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung wurden aus den §§ 47 ff. KWG a. F. herausgelöst, in die §§ 12 ff. SAG (für die Sanierungsplanung) und die §§ 40 ff. SAG (für die Abwicklungsplanung) überführt und zugleich an den finalen Regelungsgehalt der BRRD angepasst. Insbesondere die inhaltlichen Vorgaben an die Sanierungsplanung sind dabei bei substanzieller Betrachtung in weiten Teilen gleich geblieben. Bereits an dieser Stelle hervorzuheben ist allerdings der unter dem SAG erweiterte Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts. Anders als noch unter § 47 Abs. 1 KWG a. F. vorgesehen sind heute gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG grundsätzlich alle, nicht nur potentiell systemrelevante Kreditinstitute zur Sanierungsplanung aufgerufen. Im Gegenzug enthält allerdings § 20 SAG die Möglichkeit zur Befreiung von Instituten, die institutsbezogenen Sicherungssystemen angehören. Ferner ermöglicht
Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD-Umsetzungsgesetz) vom 10.12.2014, BGBl. I (2014), S. 2091. 222 BT-Drs. 18/2575, S. 1 f. 223 Weitere Änderungen zur Umsetzung der neuen Anforderungen der BRRD an die Bankenabgabe sind aber auch im Restrukturierungsfonds (RestrFondsG) nötig geworden, vgl. Art. 3 des BRRD-UmsG. 224 Ganz verwirklicht wurde der Kodifikationsgedanke freilich nicht, denn auch die §§ 45 ff. KWG enthalten weiterhin Verfahrensregelungen und Aufsichtsbefugnisse für den Krisen- bzw. Insolvenzfall. 225 Vgl. dazu BT-Drs. 18/2575, S. 179.
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§ 2 Ökonomische und rechtspolitische Hintergründe
§ 19 SAG für bestimmte Kreditinstitute die Festlegung herabgesetzter Anforderungen für sog. vereinfachte Sanierungspläne.226
V. Ausblick Mit Inkrafttreten der BRRD und des BRRDUmsG ist die Rechtsentwicklung im Bereich des Bankeninsolvenzrechts in ihren Grundstrukturen vorerst zum Abschluss gekommen. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht seitdem eine kontinuierliche Fortentwicklung des Regelungsregimes, die überwiegend auf untergesetzlicher Ebene bzw. EU-Tertiärrechtsebene stattfindet und auch bereits erste aufsichtspraktische Erfahrungen berücksichtigt.227 Auf EU-Sekundärrechtsebene hervorhebenswert sind zudem einige Änderungen, die durch das sog. EU-Bankenpaket bewirkt wurden. Neben einer Überarbeitung der CRR und der CRD-IV (jetzt umgangssprachlich CRR II bzw. CRDV) umfasste dieses Gesetzgebungspaket auch die (Änderungs-)Richtlinie (EU) 2019/879. Wirksam ab 26.6.2019, ändert sie die BRRD (jetzt umgangssprachlich BRRD II) entsprechend internationalen Vereinbarungen unter anderem dahingehend ab, dass künftig sämtliche europäischen Banken bestimmte Kapitalkennziffern einhalten müssen, um im Falle einer Abwicklung eine solide Abwicklungsfinanzierung sicherstellen zu können (sog. TLAC- und MREL-Anforderungen228).229 Darüber hinaus wurde in Art. 33a BRRD n. F. die aufsichtliche Befugnis zur Anordnung eines maximal zwei Tage andauernden Zahlungsverbots im Krisenfall (sog. Moratorium230) eingefügt.231 Die umsetzungsbedürftigen Regelungsgehalte des EU-Bankenpakets wurden in Deutschland mit dem sog. Risikoreduzierungsgesetz (RiG) mit Wirkung zum 29.12.2020 umgesetzt.232 Mit Blick auf die Sanierungs- und Abwicklungsplanung deutet sich zudem eine schrittweise Ausdehnung des Steuerungsansatzes auch auf andere Finanz226 Für eine detaillierte Darstellung der Anforderungen an die Sanierungsplanung gem. §§ 12 ff. SAG s. die nachfolgenden Ausführungen, insb. in Abschnitt § 4 A. Soweit relevant, wird dort auch auf Abweichungen der §§ 12 ff. SAG zu den §§ 47a ff. KWG a. F. eingegangen. 227 S. zu diesen Rechtsquellen, soweit für die Sanierungsplanung relevant, Abschnitt § 3 B. 228 Sog. Total Loss Absorbing Capacity und sog. Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities. S. dazu näher Wellerdt, WM 2020, 1856. 229 Die Richtlinie ist Teil des sog. Bankenpakets, das in Umsetzung der finalen Basel-III-Anforderungen auch auch Änderungen der CRD-IV und der CRR enthält (sog. CRD-V und CRR II). S. zu allen Änderungen im Überblick, darunter auch jenen der BRRD, die Pressemitteilung in Kommission, MEMO/19/2129, 16.4.2019; ferner auch Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 31 ff.; Wojcik, ZBB 2019, 272, 273 ff. 230 S. für entsprechende Regelungen auf deutscher Ebene §§ 46, 46g KWG. 231 Kommission, COM(2016) 852 final, S. 13. 232 S. schon oben, § 2 Fn. 209.
B. Recht zur planungsbasierten Bewältigung von Bankenkrisen
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marktakteure an. Dies gilt zum einen für sog. zentrale Gegenparteien. Für diese unterbreitete die Europäische Kommission bereits Ende 2016 einen Gesetzgebungsvorschlag,233 der nunmehr – mehr als vier Jahre später – Anfang 2021 in eine entsprechende EU-Verordnung mündete.234 Da die EU-Regelungen jedoch größtenteils erst am 12.2.2022 in Kraft treten werden, hat der deutsche Gesetzgeber in §§ 152a ff. SAG bereits mit Wirkung zum 28.3.2020 ein ähnlich lautendes Übergangsregime geschaffen.235 Daneben existieren vergleichbare Vorschläge für ein Sanierungs- und Abwicklungsregime auch für (Rück-)Versicherer236 und – jedenfalls in Ansätzen – für sog. Schattenbanken.237 Im Lichte dieser Entwicklung mag es denn auch kaum überraschen, dass nach dem Vorbild der bankenspezifischen Anforderungen vereinzelt auch bereits für Unternehmen jenseits des Finanzsektors eine Pflicht zur planerischen Krisenvorsorge erwogen wird.238 233 Kommission, COM(2016) 856 final. S. auch schon ErwG 12 BRRD und BIS/ IOSCO, Recovery of financial market infrastructures, 10/2014, Rn. 2.1.1 ff. Auch die Vorschläge in FSB, Key Attributes, 15.10.2014, bezogen sich von vorn herein nicht ausschließlich auf Banken, sondern auf sämtliche systemrelevante Finanzinstitute. S. auch Farrell, 29 J.I.B.L.R. 461 (2014). 234 S. Art. 9 ff. VO (EU) 2021/23, ABl. L 22 vom 22.1.2021, S. 1. S. dazu Binder, ZBB 2021, 21, 25 ff. 235 Gesetz zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien vom 19.3.2020, BGBl. I (2020), S. 529. 236 S. mit dem konkreten Vorschlag einer Sanierungsplanungspflicht für (Rück-)Versicherer schon EIOPA, Opinion to institutions of the European Union on the harmonisation of recovery and resolution frameworks for (re)insurers across the member states, EIOPA-BoS/17-148, 5.7.2017; ferner das Konsultationsdokument der EIOPA als Teil des sog. Solvency II 2020 Review EIOPA, Consultation Paper on the Opinion on the 2020 review of Solvency II, EIOPA-BoS-19/465, 15.10.2019, Kap. 12 (S. 662 ff.) sowie mittlerweile auch der zugehörige Abschlussbericht EIOPA, Opinion on the 2020 review of Solvency II, EIOPA-BoS-20/749, 17.12.2020, Kap. 12 (S. 88 ff.). S. ferner auch schon ESRB, Recovery and resolution for the EU insurance sector: a macroprudential perspective, 8/2017. In der Praxis verlangt die BaFin auf Grundlage von § 26 Abs. 1 VAG bereits heute von Versicherungsunternehmen die Erstellung von Sanierungsplänen, vgl. BaFin, Jahresbericht 2018, S. 110. Zur aktuellen Diskussion um ein Sanierungsund Abwicklungsregime für Versicherer und zentrale Gegenparteien s. auch die Beiträge in Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe. 237 Für eine Pflicht zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung sog. Schattenbanken etwa Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 59; Hüpkes, in: Caprio Jr. (Hrsg.), Handbook of Safeguarding Global Financial Stability, S. 499, 509. Konkrete Gesetzgebungsvorschläge liegen insoweit noch nicht vor. S. aber Kommission, Consultation on a possible recovery and resolution framework for financial institutions other than banks, S. 40 ff. (abrufbar unter: https:// ec.europa.eu/finance/consultations/2012/nonbanks/index_en.htm, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021) und dies., COM(2013) 614 final, S. 17. 238 In diese Richtung Paulus, WM 2013, 489, 494; ders., in: Nunner-Krautgasser/ Garber/Jaufer (Hrsg.), Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 271, 277; zuletzt auch Kokorin, Insolvency of Significant Non-Financial Enterprises, S. 34 f.; eher krit. dagegen Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 226 f.; differenzierend Seagon/Burkert, Audit C. Q. IV/2014, 16, 17 f.
§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts Die nachfolgende Betrachtung fußt auf der Prämisse, dass die Setzung von Rechtsnormen im Verfassungsstaat den verfassungsmäßig zur Gesetzgebung berufenen Organen obliegt, eine historische Betrachtung von Normzwecken daher jedenfalls im Ausgangspunkt bei den widerspruchsfrei zutage getretenen Absichten eben dieser Institutionen ansetzen sollte.1 Sie muss jedoch nicht bei diesen verharren. Es darf unterstellt werden, dass sich der Gesetzgeber – auch wenn dies nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird – jedenfalls der rechtlichen Grundstrukturen bewusst ist, in die sich der verabschiedete Rechtsakt einfügt.2 Ganz in diesem Sinne lassen sich auch die mit der Einführung des Sanierungsplanungsrechts verbundenen Zielvorstellungen des Gesetzgebers in weiten Teilen auf die Regulierungszwecke zurückführen, die traditionell im Zusammenhang mit dem Bankenaufsichtsrecht diskutiert werden. Die nachfolgende Darstellung widmet sich deshalb zunächst knapp einführend den im Schrifttum heute weitgehend anerkannten Grundlagen zur Zielrichtung staatlicher Banken- und Finanzmarktregulierung insgesamt (dazu I.),3 geht dann auf die übergeordneten Ziele der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (BRRD) ein (dazu II.) und stellt schließlich die unmittelbaren Ziele des Sanierungsplanungsregimes dar (dazu III.).
I. Der tradierte Zielkanon des Bankenaufsichtsrechts Ausgangspunkt der gesamten Finanzmarktregulierung einschließlich des Bankenaufsichtsrechts ist die Einsicht, dass ein stabiles Finanzsystem Grundvoraussetzung für die Entwicklung prosperierender Volkswirtschaften ist.4 Die Kredit1
Vgl. Landenberg-Roberg/Sehl, RW 2015, 135, 162. Ebenso Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 41 f. 3 Eine derartige Betrachtung sieht sich mit dem Umstand konfrontiert, dass mit jeder Systematisierung und Hierarchisierung von Regulierungszielen zu einem gewissen Maß die tatsächlich bestehenden Wechselwirkungen und Interdependenzen zwischen den (Teil-)Zielen ausgeblendet werden müssen, vgl. auch Tieben, Drei-Säulen-System, S. 70. Im Interesse der Vereinfachung geschieht dies hier jedoch bewusst. Ausf. zur Differenzierung zwischen verschiedenen Zieltypen und den Möglichkeiten ihrer Ordnung Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 25 ff. 4 Vgl. nur BT-Drs. 3, 2563, S. 2; Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 125 Rn. 19; Theissen, EU Banking Supervision, S. 150; m.w. N. auch Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 16. Zur internationalen historischen 2
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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wirtschaft trägt mit ihren Intermediationsleistungen wesentlich zum effizienten Funktionieren dieses Finanzsystems bei. Sie erfüllt somit aus volkswirtschaftlicher Perspektive in doppelter Hinsicht eine dienende Funktion: einerseits gegenüber dem Finanzsystem, andererseits auch gegenüber der Realwirtschaft selbst.5 Zutreffend stellte dementsprechend bereits der Wirtschaftsausschussbericht zum KWG von 1961 fest, dass „[. . .] alle wesentlichen Zweige der Volkswirtschaft auf das Kreditgewerbe als Kreditgeber und Geldsammelstelle angewiesen sind [und] Störungen in diesem Wirtschaftszweig leicht auf die gesamte Volkswirtschaft [übergreifen]. Müssten z. B. die Kreditinstitute wegen unvorsichtiger Liquiditätspolitik ihre Kredite in großem Umfange vorzeitig zurückrufen, so könnte dies zu erheblichen Funktionsstörungen in der kreditnehmenden Wirtschaft führen.“ 6 1. Marktversagen als Ansatzpunkt bankenaufsichtsrechtlicher Regulierung Auch vor diesem Hintergrund bleibt jedoch zunächst offen, wie sich eine umfassende Regulierung der Bankwirtschaft durch staatliches Aufsichtsrecht rechtfertigt. Für das heutige Bankenaufsichtsrecht prägend ist insoweit der durch die wohlfahrtsökonomische Regulierungstheorie gebotene Erklärungsansatz.7 Er geht davon aus, dass es auf vollkommenen Märkten grundsätzlich auch ohne staatliche Intervention automatisch zu einer pareto-optimalen Güterallokation kommt.8 In seiner tatsächlichen Gestalt ist der Finanzmarkt ist jedoch – wie andere Märkte auch – durch Unvollkommenheiten gekennzeichnet. Sie führen dazu, dass bei der Güterallokation bei langfristiger Betrachtung Effizienzverluste entstehen (sog. Marktversagen).9 Regulatorische Eingriffe in den Marktmechanismus sind nach diesem Verständnis geboten, wenn und soweit sie diese Marktunvollkommenheiten beheben.10 Im hiesigen Zusammenhang sind dies vor allem zwei Faktoren, die bereits oben näher betrachtet wurden und hier nur noch einmal kurz in ErEntwicklung der Gründe für eine Bankenaufsicht s. Möschel, Bankenrecht im Wandel, S. 57 ff. 5 Vgl. Tieben, Drei-Säulen-System, S. 71. 6 Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses zu BT-Drs. 3/2563, 2. 7 Ausf. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 17 f., 29 ff.; Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 1 ff., 17 ff.; Thiele, Finanzaufsicht, S. 93 ff.; s. ferner Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 51 ff.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 321 ff. 8 Als pareto-optimal wird ein (sozialer) Zustand bezeichnet, von dem aus die Besserstellung eines Faktors nur gelingt, wenn zumindest ein anderer Faktor dadurch zugleich einen Nachteil erleidet, vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 6. Aufl. 2020, S. 14. 9 Grundlegend Bator, 72 Q. J. Econ. 351 (1958). 10 Vgl. Partnoy, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 68, 79; Theissen, EU Banking Supervision, S. 147.
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
innerung gerufen werden sollen:11 Erste relevante Marktunvollkommenheit sind die auf Finanzmärkten auftretenden sog. negativen Externalitäten, konkret in Gestalt von Systemrisiken. Die Existenz derartiger Systemrisiken ist zwar grundsätzlich der weit überwiegenden Mehrzahl der Marktteilnehmer bekannt. Da Maßstab für unternehmerische Risikoentscheidungen aber vorrangig die eigenen, nicht aber gesamtgesellschaftlichen Vor- und Nachteile eines bestimmten Marktverhaltens sind, werden die sozialen Kosten systemischer Risiken in der individuellen Kosten-Nutzen-Kalkulationen der Marktakteure nur unzureichend berücksichtigt.12 Mit derartigen negativen Externalitäten eng verbunden sind zweitens die auf dem Finanzmarkt auftretenden sog. Informationsasymmetrien. Sie wurzeln in den Eigenheiten des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses und sorgen für die charakteristische Vertrauensanfälligkeit der Austauschbeziehungen auf dem Finanzmarkt.13 Fasst man beide Faktoren zusammen, so sind staatliche Eingriffe in die Marktprozesse innerhalb des Finanzsystems insoweit angezeigt, wie diese die dem System inhärente Instabilität adressieren.14 2. Funktions- und Gläubigerschutz Korrespondierend dazu ergibt sich nach herrschender Lesart folgendes Hauptziel des Bankenaufsichtsrechts: Die Bankenaufsicht dient der Gewährleistung der Stabilität der Bankwirtschaft durch Behebung oder zumindest Abmilderung der soeben erwähnten Marktunvollkommenheiten, dies nicht im Interesse der einzelnen Finanzmarktteilnehmer, sondern aufgrund ihrer dienenden Funktion für das Finanzsystem und die Volkswirtschaft insgesamt (sog. Funktionsschutz oder Strukturzweck der Bankenaufsicht15).16 Entsprechend hebt § 6 Abs. 2 KWG her-
11 S. o., Abschnitt § 2 A. Zum Teil wird als weiterer Marktversagensgrund auch das Entstehen sog. natürlicher Monopole genannt. Da deren Bekämpfung aber primär Aufgabe des Kartellrechts ist, bleibt dieser Aspekt vorliegend unberücksichtigt. S. aber Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 30 f. 12 Vgl. Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 31; Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 57 f. Grundlegend zur theoretischen Möglichkeit einer vertraglichen Internalisierung von Externalitäten als funktionales Äquivalent zu staatlicher Regulierung Coase, 3 J. Law & Econ. 1 (1960); dazu ferner Richter, in: Siebke (Hrsg.), Finanzintermediation, S. 43. 13 S. wiederum auch Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 32 f. 14 S. allg. zu externen Effekten und Informationsasymmetrien als Marktversagensgründe Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 10. Aufl. 2018, S. 84 ff., 249 ff. Richter, in: Siebke (Hrsg.), Finanzintermediation, S. 43, 58 bezeichnet auch Finanzinstabilität selbst als Marktversagensgrund (i. w. S.). Zu allen drei Faktoren Zusammenhang, wiederum statt vieler, Lastra, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 3, 3 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 29 ff. Ganz im hiesigen Sinne mit der Einordnung der Finanzaufsicht als „marktoptimierende Aufsicht“ auch Thiele, Finanzaufsicht, S. 105; ähnl. Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 6. 15 Mit letzterem Begriff Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 251 ff.
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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vor, die BaFin habe Missständen im Kreditwesen entgegenzuwirken, die „die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden [. . .] oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können“. Wie bereits dargestellt ist diese Finanzstabilität untrennbar mit einem hinreichenden Gläubigervertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Kreditinstitute sowie die Bankwirtschaft und das Finanzsystem insgesamt verbunden. Gerade dieses Gläubigervertrauen jedoch ist wiederum abhängig von einem hinreichenden Schutzniveau der Gläubiger. Neben weiteren Zielfunktionen – darunter etwa dem Ziel der Geldwäschebekämpfung oder dem Schutz von Verbraucherschuldnern17 – wird in der bankenaufsichtsrechtlichen Diskussion deshalb verbreitet auch der Gläubigerschutz als Regulierungsziel benannt.18 Er erlangt insofern vorrangig Bedeutung als Mittel zum Funktionsschutz.19 Das Meinungsbild ist hier freilich vielfältig, die verwendete Terminologie uneinheitlich20 und die Diskussion durch eine weit16 S. stellv. BVerfG Beschl. v. 16.9.2009 – 2 BvR 852/07 Rn. 23 (zit. nach juris) (= BVerfGE 124, 235); Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, Rn. 6; Binder, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 3 Rn. 2; Brocker, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 81 Rn. 2; Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 72 f.; Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 125 Rn. 23; Schenk/Mourlon-Druol, in: Cassis/Schenk/Grossman (Hrsg.), Oxford Handbook of Banking and Financial History, S. 395, 396; ausf. zuletzt Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 552 ff.; ebenso bereits Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 266. Allg. für das Finanzaufsichtsrecht z. B. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 182; Thiele, Finanzaufsicht, S. 92, 105, m.w. N. Zur verfassungsrechtlichen Zuordnung dieses Hauptziels zum Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in Art. 109 Abs. 2 GG s. Ohler, WiVerw 1/ 2010, 47, 47 f. Die Stabilität des Bankenmarktes ist daneben auch Voraussetzung für eine wirksame staatliche Geldpolitik, vgl. Möschel, Bankenrecht im Wandel, S. 70; Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 169. 17 Ausf. zum Ziel der Geldwäschebekämpfung Lienke, Die Rolle der Kreditinstitute. Zum Schutz von Verbraucherschuldnern Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 125 Rn. 27 ff. 18 Wiederum statt vieler Fischer/Boegl, in: a. a. O., § 125 Rn. 23; Tieben, Drei-Säulen-System, S. 73 ff.; Jung/Bischof, Europäisches Finanzmarktrecht, Rn. 88; Senger, Bankenaufsicht, S. 37 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 28 f., jeweils m.w. N. Speziell zur Vertrauensstärkung als Zielsetzung von Finanzmarktrecht s. Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 14 ff. 19 Vgl. Thiele, Finanzaufsicht, S. 97 f. S. zu diesem Verhältnis von Gläubiger- und Systemschutz m.w. N. auch Lepsius, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 19 Rn. 23; Tieben, Drei-Säulen-System, S. 73 f.; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 587 ff.; Voß, Unternehmenswissen, S. 89 f.; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 166 f. sowie ferner Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 51 f., 334 ff. (letzterer mit der instruktiven Umschreibung des Verhältnisses als das eines „System[s] kommunizierender Röhren“). 20 So ist verschiedentlich von Gläubigerschutz, zum Teil aber auch konkreter nur von Einleger-, Anleger- oder Verbraucherschutz die Rede. Ökonomisch betrachtet ist das zugrundeliegende Problem jedoch weitgehend vergleichbar: Die Akteure sehen sich einer Informationsasymmetrie ausgesetzt, vgl. Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 62 f. Die tradierte Trennung zwischen kapitalmarktrechtlicher und bankenaufsichtsrechtlicher Diskussion erscheint daher heute – gerade in Zeiten einer zunehmenden Hybridisierung auch des kontinentaleuropäischen Finanzsystems –
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
gehend parallele Debatte im Kapitalmarktrecht überlagert.21 So wird im Einzelnen unterschiedlich beurteilt, ob der bankenaufsichtsrechtliche Gläubigerschutz jeweils nur in kollektiver oder auch in individueller Hinsicht bezweckt wird.22 Zum Teil wird der Gläubigerschutz über seine dienende Funktion (zum Systemschutz) hinaus zudem auch mit eigenständigen Erwägungen gerechtfertigt.23 Vor dem Hintergrund dieser Diskussion verdient eine weitere Unterscheidung hervorgehoben zu werden, die bisweilen unterzugehen droht: Es ist zu differenzieren zwischen der Frage nach der Ziel- bzw. Schutzrichtung des materiellen Bankenaufsichtsrechts, d.h. der Gesamtheit der Vorschriften, die das Verhalten von Banken in ihrer Funktion als Kreditinstitute regeln,24 und der Frage, in welchem Interesse die Bankenaufsichtsbehörden tätig werden.25 Letztere Frage hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Erlass von § 4 Abs. 4 FinDAG (früher § 6 Abs. 4 KWG a. F.) jedenfalls für die nationale Aufsichtstätigkeit abschließend geklärt. Danach wird die BaFin allein im öffentlichen Interesse tätig. Was die Beantwortung der ersteren Frage angeht, jene nach der Zielrichtung des materiel-
zunehmend künstlich, vgl. ebenda, S. 6, 10 f. Für eine Annäherung der Regulierungszwecke auch Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 17. 21 Vgl. zu den Zielen der Kapitalmarktregulierung z. B. Bumke, DV 41 (2008), 227, 232 ff. 22 Für einen nur kollektiven Gläubigerschutz etwa Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, Rn. 10; Lepsius, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 19 Rn. 23; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 265; Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 76. Dieser kollektive Gläubigerschutz geht letztlich im zuvor benannten Funktionsschutz auf, vgl. Thiele, Finanzaufsicht, S. 98, m.w. N. Für einen auch individuellen Gläubigerschutz Mösbauer, Staatsaufsicht, S. 257 ff. (hier konkret Einlegerschutz); ferner Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324; Scholz, in: FS H.-P. Schneider, S. 402, 410. 23 Mit sozialstaatlichen Erwägungen etwa Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 26 f. Zum Gläubigerschutz aus Corporate-Governance-Perspektive Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 326 f.; Neus, in: Luz/ders./ Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 40 f. Ausf. zu den Begründungsansätzen eines bankenaufsichtlichen Gläubigerschutzes Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 90 ff. 24 Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 9. 25 Wie hier BGH NJW 2005, 2703, 2704. S. auch Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 229 f.; Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb, § 125 Rn. 26; Engel, Systemrisikovorsorge, S. 142 f.; Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 37; Schwennicke, in: ders./Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 32 KWG Rn. 93; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 179 ff.; Thiele, Finanzaufsicht, S. 100. Anders dagegen Fischer, in: Boos/ Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 177; Ruhl, Das Einlagengeschäft nach dem Kreditwesengesetz, S. 68 f.: Die Verf. folgern aus § 4 Abs. 4 FinDAG, KWG-Normen seien grundsätzlich keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB; ähnl. auch Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 188.
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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len Aufsichtsrechts per se, trifft § 4 Abs. 4 FinDAG jedoch keine Aussage.26 Viel spricht demnach dafür, eine individuelle Betrachtung der jeweils einschlägigen Aufsichtsnormen vorzunehmen. Gerade die BRRD bietet insoweit Anhaltspunkte dafür, dass ein Individualschutz der Gläubiger hier wiederum nur als Ausfluss des Systemschutzes, nicht aber als eigenständiges Schutzgut bezweckt wird (dazu sogleich).
II. Ziele der BRRD In diese übergeordnete Zielstruktur fügt sich auch das hier in Rede stehende Instrumentarium ein, das der europäische Gesetzgeber mit der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie geschaffen hat. Zwar ist die europäische Regulierungsdiskussion in ihrem Ausgangspunkt seit jeher eng mit dem europäischen Binnenmarktziel verknüpft. Finanzstabilität wird hier traditionell vor allem als Funktionsbedingung für einen prosperierenden, integrierten europäischen Wirtschaftsraum gedacht.27 Was die daran anknüpfenden Fragen der Finanzmarktregulierung selbst betrifft, greift aber auch das europäische Aufsichtsrecht die oben skizzierten Gedanken auf. Bereits der Kommissionsentwurf zur BRRD hebt in seinen einführenden Erläuterungen die Aufrechterhaltung und Stärkung der Finanzstabilität das Zentralziel des Rechtsaktes hervor, diesmal vor dem Hintergrund der Erfahrungen während der internationalen Finanzkrise in den Jahren 2007–2009.28 Dieses Stabilitätsziel verfolgt die BRRD auf zwei Ebenen: 26 Denn die Regelung dient allein dazu, eine Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Marktteilnehmern für eine mangelhafte Aufsichtspraxis der BaFin auszuschließen. Eine solche Haftung hat die Rechtsprechung Ende der 1970er-Jahre im sog. Wetterstein-Urteil (BGH WM 1979, 482) und im sog. Herstatt-Urteil (BGH WM 1979, 934) noch bejaht. Der Haftungsausschluss via § 4 Abs. 4 FinDAG soll demgegenüber den Leistungsgrenzen der Aufsichtsbehörden Rechnung Tragen und fiskalische Interessen schützen, vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 363. Zur (umstrittenen) Verfassungsmäßigkeit der Norm umf. Thiele, Finanzaufsicht, S. 339 ff.; ferner Schenke/ Ruthig, NJW 1994, 2324; Sethe, in: FS Hopt I, S. 2549 ff. Zur Europarechtskonformität dieser Regelung noch unter der Einlagensicherungsrichtlinie von 1994 (Richtlinie 94/ 19/EG) s. EuGH Urt. v. 12.10.2004 – C 222/02, ECLI:EU:C:2004:606 – Paul u. a. (mit Anm. Hanten, BKR 2005, 29). 27 Vgl. Bauerschmidt, ZHR 183 (2019), 476, 479 ff.; Ohler, in: Dt. und europ. Bankund Kap.m.recht II, § 90 Rn. 5 ff.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 157 ff. 28 ErwG 3,4 BRRD; Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 4 f., 172. S. auch bereits die vorausgehende Folgenabschätzung Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 4, 19; ferner BCBS, Report and Recommendations of the Cross-Border Bank Resolution Group, 18.3.2010, S. 1 (Empfehlung 1). Ähnl. wie hier Singh/Douglas/Guynn, in: Olivares-Caminal/Douglas/Guynn (Hrsg.), Debt Restructuring, 2. Aufl. 2016, Rn. 9.08; über die BRRD hinaus verallgemeinernd auch Campbell/Moffatt, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.) Research Handbook on Crisis Management, S. 55, 58; Campbell/Lastra, in: Lastra (Hrsg.), Cross Border Bank Insolvency, Rn. 2.40. Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 201 ff., 225 sehen in der BRRD vor allem das Nachhaltigkeitsprinzip, bestehend aus den Elementen der Stabilität und der Fähigkeit zur Selbstregeneration, verwirklicht. Gerade letzterem Ziel dürfte aber keine eigenständige Bedeutung zukommen. Es hat vielmehr eine bloß dienende Funk-
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
1. Stabilisierung des Finanzsystems in Krisenphasen Erstens bezweckt die BRRD die Stabilisierung des Finanzsystems unmittelbar in Krisenphasen. Konkret geht es darum, die aus der Schieflage eines oder mehrerer Institute resultierende Externalitäten zu Lasten der übrigen Marktteilnehmer zu begrenzen, namentlich also den bereits dargestellten direkten und indirekten Ansteckungseffekten systemischer Insolvenzen entgegenzuwirken.29 Gewährleistet werden soll dies laut ErwG 1 der BRRD primär durch eine Verhinderung der Insolvenz notleidender Institute, sekundär jedenfalls durch eine Aufrechterhaltung ihrer kritischen, also ansteckungsrelevanten Funktionen auch im Stadium der Insolvenz.30 Die besagten Ansteckungseffekte hatten während der letzten Finanzkrise zu einer Liquiditätsknappheit auf den Finanzmärkten geführt, die wiederum in einen Einbruch der Kreditvergabe auch gegenüber der Realwirtschaft mündete (sog. Credit Crunch).31 Derartigen Folgen soll das Instrumentarium der BRRD ausweislich ErwG 2 im Interesse der Gesamtwirtschaft entgegenwirken. 2. Risikominimierung ex ante Parallel zu dieser unmittelbar krisenbezogenen Ausrichtung verfolgt die BRRD zweitens auch einen vorgelagerten Zweck: Sie zielt auf eine Risikominimierung der Institute bereits ex ante, d.h. in der (Vor-)Phase des regulären Geschäftsbetriebes.32 Zur Umsetzung dieses Zwecks wählt die BRRD primär33 ein Konzept der indirekten, anreizbasierten Verhaltenssteuerung.34 Ausgangspunkt dieses Steuerungsansatzes ist die gesetzgeberische Erwartung, mit dem neuen Abwicklungsinstrumentarium in Krisenzeiten eine wirksame und glaubwürdige Alternative zu impliziten staatlichen Rettungsgarantien zu schaffen, jedenfalls tion, dies einerseits als Mittel zur Erzielung von Systemstabilität auch in mittel- und langfristiger Perspektive, andererseits als Mittel zur Verhinderung staatlicher Bail-OutMaßnahmen (und damit zur Schonung der staatlichen Haushalte). 29 Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 17. S. auch Avgouleas/Goodhart, Bank Resolution, S. 2, 5; Binder, KTS 2013, 277, 293 f.; Freis-Janik, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rn. 2.312; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 3.25 f.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 841. 30 Vgl. ErwG 4, 5, 45 BRRD sowie BT-Drs. 18/2575, S. 3. S. auch Schillig, Bank Resolution Regimes in Europe I, S. 7; Chattopadhyay, Bridge Banks, S. 341; Cichy/ Buchmüller/Igl, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 2 f.; Singh/Douglas/Guynn, in: Olivares-Caminal/Douglas/Guynn (Hrsg.), Debt Restructuring, 2. Aufl. 2016, Rn. 9.09. 31 S. dazu bereits Literaturnachweise oben in § 2 Fn. 78. 32 Vgl. Avgouleas/Goodhart, Bank Resolution, S. 2 f., 5; Madaus, in: Haentjens/ Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 51. 33 Daneben enthält die BRRD jedoch auch Instrumente der direkten Risikosteuerung. Zentrale praktische Bedeutung erlangt insoweit Abbau von Sanierungs- und Abwicklungshindernissen gem. § 16 Abs. 4 SAG bzw. §§ 59 f. SAG. Dazu ausf. unten, Abschnitt § 5 D. 34 Vgl. bereits FSB, Key Attributes, 15.10.2014, S. 3.
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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aber einem steuerfinanzierten Einschreiten eine vorrangige Verlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern im Rahmen des sog. Bail-In-Mechanismus35 vorschalten zu können. Beide Elemente, die Aussicht auf die Möglichkeit einer systemschonenden, geordneten Insolvenz von Finanzinstituten und die primäre Kostenbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern, verfolgen im Kern denselben Grundgedanken: sie zielen – neben einer Schonung der öffentlichen Haushalte36 – darauf ab, dem Grundsatz der Einheit von Risiko und Haftung Geltung zu verschaffen.37 Die Wiederbelebung dieses grundlegenden Prinzips marktwirtschaftlicher Ordnungen soll ausweislich ErwG 45 und 67 einer übermäßigen Risikoexposition der Institute entgegenwirken. Denn sowohl Anteilseigner als auch Gläubiger haben angesichts drohender Verluste einen erhöhten Anreiz, die Risikopolitik ihrer Kreditinstitute angemessen zu überwachen.38 Zudem soll der Wegfall der Bail-Out-Garantie auch die Kapitalkosten besonders risikoaffiner Institute erhöhen, da diese – so die Erwartung – nunmehr die reale Insolvenzwahrscheinlichkeit der Institute aus der Perspektive der übrigen Marktteilnehmer widerspiegeln.39 Kombiniert sollen all diese Mechanismen die Entstehung systemweiter Krisen künftig von vornherein unwahrscheinlicher machen.40
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Vgl. Art. 43 ff. BRRD (§§ 89 ff. SAG). ErwG 1, 5. Zum sog. „Staaten-Banken-Nexus“ und den Wechselwirkungen zwischen Banken- und Staatsschuldenkrise s. etwa Paulus, KTS 2013, 155; Ohler, ZVglRWiss 113 (2014), 480. 37 Dieser Grundsatz spiegelt sich in der exekutorischen Funktion des Insolvenzrechts. Das BRRD-Regime versucht dessen Wirkungen in systemschonender Weise zu substituieren, vgl. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 93; ders., EBOR 27.3.2019, sub. 1.; ferner Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 966; Burkert/Cranshaw, DZWiR 2015, 443, 445. Zum grundrechtlichen Regelungsauftrag, eines solches funktionales Äquivalent zum allgemeinen Insolvenzrecht im Aufsichtsrecht zu schaffen s. Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 12, 18. 38 Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 1 sowie Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 25. Zu diesem Anreizgedanken auch Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 359 f.; Binder, KTS 2013, 277, 307; Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 202 f., 226; Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 87; Ringe, in: FS Hopt II, S. 1037, 1050; ausf. ferner Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2014/2015, Rn. 331 ff. 39 Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 67; Akinsoyinu, 4 I.J.F.B.S. 11, 16 (2016); Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 989; Haentjens, IILR 2014, 255, 267. Zum möglichen Einfluss auf die Ratings der Institute s. Standard&Poor’s, How A Bail-In Tool Could Affect Our Ratings On EU Banks, 10.5.2012. S. mit entsprechenden empirischen Auswertungen zuletzt z. B. Cutura, Debt Holder Monitoring and Implicit Guarantees. 40 Das Ziel einer Risikobegrenzung der Institute schon in der Phase des laufenden Geschäftsbetriebes rückt die BRRD in die Nähe der Risikomanagement- und Corporate Governance-Vorschriften, die der europäische Gesetzgeber zuletzt bereits im Rahmen des CRD-IV-Pakets verabschiedet hat. Zur Rolle des Sanierungsplanungsrechts im Verhältnis zu diesen Vorschriften daher unten, Abschnitt § 6 A. 36
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
3. Kollektiver Gläubigerschutz Beide Teilziele sollen, wie bereits eingangs festgestellt, im Ergebnis zu einer erhöhten Stabilität des Finanzsystems beitragen. Angesichts dieser gesamtwirtschaftlichen Ausrichtung stellt sich die Frage, ob die BRRD daneben auch einen Schutz der Institutsgläubiger bezweckt. Zahlreiche Formulierungen sowohl in den Gesetzgebungsunterlagen als auch im Richtlinientext selbst deuten in diese Richtung.41 Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob dieser Einleger-, Anleger- und Kundenschutz von der Richtlinie als eigenständige oder nur als abgeleitete, dem Systemschutz nachgeordnete Zieldimension verfolgt wird. Für Ersteres könnte zwar sprechen, dass die in der Richtlinie vorzufindende Definition der Abwicklungsziele Aspekte des Systemschutzes und des Gläubigerschutzes offenkundig gleichrangig nebeneinander aufzählt.42 Ein solches Verständnis geriete aber in Konflikt mit den Erwägungsgründen 24 und 49 BRRD. Letztere heben hervor, dass im Rahmen der Sanierungsplanung ebenso wie im Rahmen der Abwicklung ein aufsichtlicher Eingriff in die Institute sowie in Anteilseigner- und Gläubigerrechte nur erfolgen dürfe, um die Finanzstabilität im Interesse der Allgemeinheit zu wahren. Aspekte des Gläubigerschutzes finden hier keine Erwähnung. Schon im Interesse eines Gleichlaufes der Eingriffsbefugnisse unter BRRD dürfte es daher angezeigt, den Gläubigerschutz lediglich als abgeleitete Dimension des Systemschutzes einzuordnen.43 Entscheidend in diese Richtung deutet schließlich auch der Umstand, dass die Verabschiedung der BRRD kompetenziell durchgehend auf Art. 114 AEUV zurückgeführt wurde. Die Kompetenznorm erlaubt den Erlass harmonisierender EU-Rechtsakte nur, wenn und soweit sie zur Errichtung und zum Funktionieren des gemeinsamen Binnenmarktes beitragen. Diesen Konnex stellt der Gesetzgeber explizit dadurch her, dass er die Stabilität der Finanzmärkte zur Funktionsvoraussetzung für einen gemeinsamen europäischen
41 S. u. a. ErwG 45 BRRD; im Gesetzgebungsverfahren Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 172; ähnl. bereits FSB, Key Attributes, 15.10.2014, S. 3; später auch BTDrs. 18/2575, S. 3. 42 Art. 31 Abs. 2 lit. a, b, d, e BRRD (ähnl. ErwG 45 a. E.). S. aber auch Wojcik, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 24 Rn. 39, der wohl zu Recht darauf verweist, dass das Ziel des Einleger-, Anleger- und Kundenschutzes eher aus politischen denn aus rechtlichen Gründen in die Richtlinie aufgenommen wurde, und dessen Bedeutung als Mittel zur Gewährleistung von Finanzstabilität unterstreicht. 43 Vgl. auch Kowolik, Bail-In-Instrument, S. 67; Chattopadhyay, Bridge Banks, S. 425; implizit ferner Bauerschmidt, ZHR 183 (2019), 476, 497; Binder, EBOR, 27.3.2019, sub. 2.2.1. Anders aber Renner, Bankkonzernrecht, S. 303: Verf. geht davon aus, u. a. die gruppenbezogenen Pflichten zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung, §§ 14 ff. und §§ 46 ff. SAG, würden auch dem (individuellen) „Vermögensschutz von (Alt- und Neu-)Gläubigern der gruppenverbundenen Gesellschaften“ dienen. Offen bleibt dabei aber der konkrete normative Anknüpfungspunkt, aus dem die individualschützende Ausrichtung der Normen abgeleitet wird.
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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Binnenmarkt erklärt.44 Die darin zum Ausdruck kommende Hierarchisierung der Regulierungsziele verhindert zwar nicht, den (kollektiven) Gläubigerschutz als weitere Zieldimension der BRRD anzuerkennen, dies jedoch nur, wenn und soweit er dem primär verfolgten Systemschutzziel zuträglich ist.45 Letzteres wird auch bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang einzelnen Gläubigern individuell-subjektive Rechte aus der BRRD (bzw. dem SAG) zuzubilligen sind, die diese im Privatrechtsverhältnis durchsetzen könnten.46 Vor dem Hintergrund dieses Zielkanons tritt nunmehr auch deutlich zutage, dass die Vorschriften der BRRD, wenngleich sie in ihrer Gesamtheit bisweilen als „Bankeninsolvenzrecht“ umschrieben werden, eine grundlegend andere Ausrichtung besitzen als jene des traditionellen Insolvenzrechts.47 Denn das BRRDRegime unterliegt zuallererst dem Primat der Systemstabilität. Erst wenn die Stabilität des Finanzsystems auch in der Krise gewährleistet erscheint, kommt sekundär eine Verlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern oder eine Insolvenz des krisenbehafteten Instituts nach allgemeinen Regeln in Betracht und die erwähnten Steuerungseffekte können zum Tragen kommen.48 Besonders deutlich wird dies in Art. 44 Abs. 3 BRRD (§ 92 Abs. 2 SAG), der eine ausnahmsweise Nichtanwendung des Bail-In erlaubt, wenn dies zur Kontinuität kritischer Funktionen oder zur Verhinderung von Ansteckungseffekten zwingend erforderlich und angemessen ist. Umgekehrt dienen die Vorschriften der Insolvenzordnung primär der Haftungsverwirklichung des Schuldners im Interesse der
44 Vgl. ErwG 3, 108 BRRD; ähnl. ErwG 1 ESRB-VO. Hinzu tritt ferner das Ziel der Wettbewerbsgleichheit durch Schaffung europaweit einheitlicher Aufsichtsregeln, vgl. ErwG 9 BRRD. 45 Vgl. im hiesigen Sinne auch die grafische Darstellung der Aufsichtsziele in Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 77; s. ferner, wenn auch nicht ausdrücklich, Singh/ Douglas/Guynn, in: Olivares-Caminal/Douglas/Guynn (Hrsg.), Debt Restructuring, 2. Aufl. 2016, Rn. 9.08. Allg. zu diesem Primat des Finanzstabilitätsziels im europäischen Bankenaufsichtsrecht auch nach der Finanzkrise auch Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 21; ders., in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 20; ders., Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 113. S. auch Binder, ZEuP 2017, 569, 586; anders dagegen zuletzt Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 48 ff., 243, 256 ff., der die individualschützende Wirkung u. a. der CRD IV/V und der CRR I/II betont, bei seiner Betrachtung indes das – hier vorrangig untersuchte – insolvenzbezogene europäische Bankenaufsichtsrecht ausklammert. 46 Zur Möglichkeit eines solchen sog. Private Enforcements der BRRD-Regeln noch genauer unten, Abschnitt § 7 A. II. 2. b). 47 Vgl. Avgouleas/Goodhart, Bank Resolution, S. 2; Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 588; de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 381 f., 394 f. (2019); zum Ganzen ausf. auch Binder, KTS 2013, 277. 48 Gleichwohl das Interesse betonend, dass aufsichtliche Maßnahmen auch insolvenzbzw. wettbewerbsbezogenen Interessen dienen Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 56.
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Gläubigergesamtheit (sog. exekutorische Funktion des Insolvenzrechts), während andere Ziele in diesem System nur sekundäre Berücksichtigung finden können.49 Richtig verstanden bringt der Begriff des Bankeninsolvenzrechts dementsprechend zum Ausdruck, dass sich die darunter subsumierten Vorschriften auf den Lebenssachverhalt der Insolvenz von Banken beziehen. Funktional betrachtet zeichnen sich die Vorschriften der BRRD aber primär durch eine bankenaufsichtsrechtliche Ausrichtung aus.50
III. Ziele des Sanierungsplanungsrechts im Einzelnen 1. Insolvenzverhinderung Der Ausrichtung der BRRD insgesamt folgend steht schließlich auch das Sanierungsplanungsrecht im Zeichen der Systemstabilität. Durch die Verpflichtung der Institute zur präventiven Ausarbeitung von Notfallplänen, die in Situationen ernsthafter finanzieller Bedrängnis Anwendung finden, sollen die Institute zur möglichst eigenständigen Bewältigung von Krisenlagen und zur Wiederherstellung ihrer finanziellen Solidität befähigt werden. Schon das Rundschreiben 3/ 2014 der BaFin betreffend die „Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen“ (MaSan (BA) 3/2014) beschreibt das Ziel der Sanierungsplanung wie folgt: „Der Sanierungsplan soll dem Kreditinstitut als Vorbereitung für die Bewältigung von Krisensituationen dienen. Das Erstellen eines Sanierungsplans verfolgt das Ziel, dass das Kreditinstitut geeignete Handlungsoptionen identifiziert und prüft, um hierdurch die Widerstandsfähigkeit des Kreditinstitutes in künftigen Krisensituationen zu stärken.“ 51 Die Sanierungsplanung ist gleichermaßen Instrument zur Krisenantizipation52 und zur Insolvenz- bzw. Abwicklungsverhinderung.53
49 Unmissverständlich § 1 Satz 1 InsO. Dieser primäre Verfahrenszweck ist heute auch in der Literatur noch weitgehend anerkannt, s. z. B. Pape, in: Uhlenbruck, InsO, Bd. 1, 15. Aufl. 2019, § 1 Rn. 1; ferner Stürner, in: MüKo InsO, 4. Aufl. 2019, Einl. Rn. 1 f., m.w. N. In anderen Insolvenzrechtsordnungen mögen andere Zwecke, etwa der Arbeitnehmerschutz oder die Förderung von Unternehmertum durch möglichst zügige Entschuldung, im Vordergrund stehen (vgl. Paulus, Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2017, S. 4). Aspekte der Finanzstabilität stehen jedoch, soweit ersichtlich, nirgends im Zentrum der „regulären“ Insolvenzverfahrensordnungen. 50 Ähnl., wenn auch nicht zur BRRD, Binder, KTS 2013, 277, 279; Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 586. 51 MaSan (BA) 3/2014, B. Tz. 1. Ganz ähnl. auch BT-Drs. 18/2575, S. 142 sowie BT-Drs. 17/12601, S. 3. S. ferner ErwG 21 BRRD. 52 Vgl. Engel, Systemrisikovorsorge, S. 59, 74. 53 BT-Drs. 18/2575, S. 147; FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.5; vgl. auch Freis-Janik, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rn. 2.316; Haentjens, IILR 2014, 255, 266; Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 2.
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2. Entlastung des Abwicklungsregimes Diese Zielsetzung mag auf den ersten Blick fremdartig anmuten. Denn jedenfalls in marktwirtschaftlich-wettbewerbsorientierten Wirtschaftsordnungen ist die Insolvenz unwirtschaftlich agierender Unternehmen54 aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive grundsätzlich weniger verhinderungsbedürftiges Übel, sondern Bedingung für eine langfristig effiziente Allokation der Produktionsfaktoren innerhalb einer Volkswirtschaft.55 Ausgehend von diesem Befund ließe sich die Forderung formulieren, das Aufsichtsrecht müsse sämtliche Anstrengungen gerade der Ermöglichung einer systemschonenden Insolvenz jedweder Finanzunternehmen widmen, nicht aber ihrer Verhinderung.56 Bei genauerem Hinsehen aber fügt sich die Sanierungsplanung in eben dieses Anforderungsprofil: Denn indem die Sanierungsplanung das Krisenmanagement der Institute vorbereitet und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit privatwirtschaftlicher Sanierungslösungen erhöht, entlastet sie zugleich das nachgelagerte Abwicklungsregime. Letzteres kommt nur noch dort zum Tragen, wo eigenverantwortliche Sanierungsanstrengungen der Institute – trotz extensiver Vorbereitungen – nicht zum Erfolg führen. Dahinter dürfte die in der aufsichtsrechtlichen Literatur mittlerweile verbreitete, vom (Unions-)Gesetzgeber aber unausgesprochene Sorge stehen, dass die parallele Abwicklung einer Vielzahl von Instituten das Abwicklungsregime in gleich mehrerlei Hinsicht überlasten würde. Tatsächlich erscheint es überaus zweifelhaft, ob die Abwicklungsbehörden und -fonds personell-organisatorisch und finanziell für eine gleichzeitige Abwicklung mehrerer Großbanken gerüstet und überdies die Märkte in der Lage wären, einen derartigen „Flächenbrand“ ohne allgegenwärtige Vertrauensverluste und Panikreaktionen einigermaßen stabil zu tragen.57 Die Sanierungsplanung und das darauf basierende Krisenmanagement dürften deshalb, nach Art eines vorgelagerten Filters wirkend, zu einem Gutteil auch Voraussetzung für ein effektives Funktionieren der nachgelagerten Abwicklungs54 Im hiesigen Kontext ist freilich zu berücksichtigen, dass auch an sich „gesunde“ Unternehmen in einer schweren Finanzkrise aufgrund externer Effekte in die Insolvenz geraten können. 55 Vgl. Avgouleas/Goodhart, Bank Resolution, S. 6; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 2; Frege/Keller/Riedel, in: dies. (Hrsg.), Insolvenzrecht, 8. Aufl. 2015, Kap. 1 Rn. 4. Durch Insolvenzen fraglos entstehende individuelle Belastungen durch Arbeitsplatzverluste sollen dagegen, so die gängige Sichtweise, durch das Sozialrecht aufgefangen werden, vgl. Zacher, in: HdbStR II, § 28 Rn. 27, 43. 56 In diesem Sinne etwa Theissen, EU Banking Supervision, S. 153 f. 57 Zweifelnd z. B. Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 42, 58; krit. speziell mit Blick auf die Abwicklungsfinanzierung auch Hellwig, 7 J. Fin. Reg. 175, 183 f. (2021); Hüpkes, in: Caprio Jr. (Hrsg.), Handbook of Safeguarding Global Financial Stability, S. 499, 509; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 53 f.; Kerber, WM 2020, 859, 860. Ausf. zur Finanzausstattung des europäischen Abwicklungsfonds Wolfers/Voland, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 21 Rn. 29 ff.
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instrumente sein. Neben den verbindenden inhaltlichen Fragen im Rahmen von Sanierungs- und Abwicklungsplanung ist es gerade diese funktionale Einheit beider Regime, die für die in der BRRD verwirklichte Entscheidung spricht, das Sanierungsplanungsrecht an die Abwicklungsvorschriften anzugliedern.58 3. Autonome, systemschonende und nachhaltige Krisenbewältigung Aus der übergeordneten Zielstruktur der BRRD ergeben sich auch die übrigen Kriterien, die für eine nähere Konkretisierung der dem Sanierungsplanungsregime zugrundeliegenden konzeptionellen Grundausrichtung fruchtbar gemacht werden können. Die Sanierungsplanung ist danach erstens als Instrument zur autonomen Krisenbewältigung zu verstehen. Die BRRD zielt ausweislich ErwG 1 und 5 ausdrücklich darauf ab, die Belastung öffentlicher Haushalte in systemischen Krisen möglichst gering zu halten. Demgemäß ist die Sanierungsplanung darauf ausgerichtet, die planenden Institute auf die Wiederherstellung ihrer Stabilität aus eigener Kraft vorzubereiten. Nur so erlangt die Sanierungsplanung Bedeutung als echte Alternative zum staatlichen Bail-Out.59 Zweitens zielt das Sanierungsplanungsrecht auf eine systemschonende Krisenbewältigung. Das Ziel einer Restabilisierung krisenbehafteter Institute verfolgt das Sanierungsplanungsrecht nicht als Selbstzweck, sondern gerade im Interesse der Funktionsfähigkeit des Gesamtfinanzsystems. Entsprechend ist die Sanierungsplanung auf ein Krisenmanagement ausgerichtet, das kritische Funktionen aufrechterhält, Ansteckungseffekte vermeidet und jede Form negativer Externalitäten für das Finanzsystem minimiert.60 Damit in engem Zusammenhang steht drittens das Verständnis der Sanierungsplanung als Mittel zur Gewährleistung einer nachhaltigen Krisenbewältigung.61 Die Anwendung der in den Sanierungsplänen entworfenen Maßnahmen sollen Institute nicht nur vorübergehend „am Leben“ halten, sondern 58 In der Gesamtbetrachtung dürfte die enge sachliche Verknüpfung der Sanierungsplanung mit dem allgemeinen Risikomanagement der Institute aber dennoch eher dafür sprechen, das Sanierungsplanungsrecht de lege ferenda in die Regeln zum laufenden Risikomanagement zu integrieren (s. dazu unten, Abschnitt § 6 A. III.). 59 Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 142, 147. Dieser Vorstellung entspricht § 13 Abs. 3 Satz 1 SAG. S. auch allgemeiner Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 10: „Wer die Krise verursacht hat, soll nach Meinung des Gesetzgebers die Krise bewältigen und die Kosten dafür tragen [. . .].“ sowie Binder, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 163, 165 ff. Zu den planungspraktischen Konsequenzen dieses Autonomiegebots s. u., Abschnitt § 3 D. III. 60 Dem entspricht § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG. S. ferner MaSan (BA) 3/2014, B.2. sowie Binder, in: a. a. O., S. 168 f.; Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 589; zuletzt auch Minto, ECFR 2018, 772, 799, 803. Zur damit eng verbundenen Frage einer (teilweisen) Zuordnung des Sanierungsplanungsrechts zum makroprudenziellen Aufsichtsansatz s. wiederum unten, Abschnitt § 6 B. 61 S. explizit § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG; ferner BT-Drs. 18/2575, S. 148 und (allgemeiner für die BRRD) S. 143.
A. Ziele des Sanierungsplanungsrechts
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in einen Zustand dauerhafter finanzieller Solidität versetzen. Nur so ist gewährleistet, dass auch in Zukunft negative Effekte für das Gesamtsystem verhindert werden und etwaige staatliche Rettungsmaßnahmen unterbleiben können. Das Nachhaltigkeitskriterium besitzt insoweit primär eine perspektivische Bedeutung, indem die vorgenannten Anforderungen, d.h. die Fähigkeit zu einem autonomen und systemverträglichen Geschäftsbetrieb, auch über die jeweils aktuelle Krisensituation hinaus langfristig verwirklicht werden sollen.62 Schließlich versteht der Gesetzgeber die Sanierungsplanung daneben ausdrücklich auch als Instrument mit aufsichtsbezogener Zielsetzung. In Übereinstimmung mit früheren Aussagen der EU-Kommission hebt der Gesetzentwurf zum BRRDUmsG hervor, dass die Sanierungsplanung als Prozess zu verstehen sei, der neben den Instituten bzw. Institutsgruppen auch die Aufsichts- und Abwicklungsbehörden besser auf einen etwaigen Krisenfall vorbereiten solle.63 Institutionenökonomisch betrachtet soll die Sanierungsplanung also zur Minimierung der strukturellen Informationsasymmetrie im Verhältnis zwischen den Instituten und den Aufsichtsbehörden beitragen.64 Zusammen genommen spiegeln alle drei Zieldimensionen – die Befähigung der Institute zu einer autonomen, systemschonenden und nachhaltigen Krisenbewältigung, die Vorbereitung der Aufsichtsbehörden auf derartige Notlagen sowie die Beförderung der Systemstabilität – die bereits eingangs beschriebene Strukturfunktion des Bankenaufsichtsrechts wider. Aspekte des Gläubigerschutzes treten demgegenüber in den Hintergrund. Sie sind zwar insoweit relevant, als gerade ein hinreichendes Gläubigervertrauen in der Praxis regelmäßig zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer Sanierung sein wird. In diesem Sinne dürfte der Gläubigerschutz aber wiederum nur als Mittel zur Gewährleistung des Systemschutzes, nicht aber als eigenständiges Ziel der Sanierungsplanung zum Tragen kommen.65 62 Ähnl. Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 201, die den Nachhaltigkeitsbegriff primär mit der Fähigkeit zur Selbstregeneration verbinden. 63 BT-Drs. 18/2575, S. 147. Nahezu wortlautgleich auch bereits der Gesetzentwurf zum Trennbankengesetz, BR-Drs. 94/13, S. 41. S. auch bereits Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 25: „Recovery plans could largely help supervisors in identifying the appropriate actions that can restore the viability of banks at an early stage. [. . .] Recovery plans thus would increase the preparedness and awareness of both banks and their supervisors for and about problematic financial situations.“ (Hervorhebung nur hier). 64 Zur Umsetzung dieses Ziels im Einzelnen s. noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. III., IV. 65 S. insoweit deutlich nochmals ErwG 24 BRRD. Danach erfolgen behördliche Eingriffe in die Institute im Rahmen der Sanierungsplanung, „um Ziele der Finanzstabilität zu erreichen“. Zweifelhaft deshalb Cichy/Buchmüller/Igl, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 9 (dort mit der Feststellung, die Sanierungsplanung erfolge „auch“ im Interesse des Finanzsystems). Allg. zu dem Umstand, dass das Bankenaufsichtsrecht den Institutsschutz nicht als Selbstzweck, sondern nur als Mittel zum Systemschutz be-
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
Ähnliches gilt ferner auch für den Schutz der Gesellschafter der planungsverpflichteten Institute. Zwar verringert eine effektive Sanierungsplanung des jeweiligen Instituts die Wahrscheinlichkeit einer Verlustbeteiligung seiner Aktionäre nach einem Zusammenbruch, sei es im Rahmen des regulären Insolvenzverfahrens oder im Rahmen des Bail-In-Mechanismus. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die Sanierungsplanung in jedem Fall auch tatsächlich zu Ergebnissen führt, die aus Sicht der Institutsaktionäre interessengerecht erscheinen und deshalb auch der Aktionärsschutz als weiterer Schutzzweck der Sanierungsplanung gelten kann. Entscheidend ist insoweit die für das jeweilige Krisenszenario vorgesehene Sanierungsstrategie. Umfasst diese etwa eine umfassende Kapitalerhöhung, dann führt die damit einhergehende Verwässerung des Anteilswerts bereits ausgegebener Anteile potentiell ebenfalls zu einer Beeinträchtigung ihrer Interessen, die wirtschaftlich betrachtet ähnlich schwer wiegen kann wie eine Bail-In-Beteiligung im Rahmen der Abwicklung.66 Schon dieser Umstand spricht dafür, den Gesellschafterschutz weniger als aufsichtsrechtliches Schutzziel der Sanierungsplanung im engeren Sinne, sondern vielmehr als einzelfallabhängige, rein faktische Nebenwirkung derselben einzuordnen.67
B. Rechtsquellen des Sanierungsplanungsrechts Wendet man sich ausgehend von dieser Zielbetrachtung den Rechtsquellen des Sanierungsplanungsrechts zu, dann zeigt sich auch hier der für die heutige europäische Finanzmarktregulierung typische abgestufte Regelungsmodus. Er führt dazu, dass die Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess aus einer Vielzahl ineinandergreifender Regelungen unterschiedlicher Normebenen zu kondensieren sind.68 Auf internationaler Ebene werden zunächst die vom FSB in den bereits erwähnten sog. „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial
zweckt, Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 17; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 15 f.; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 166. 66 Eine ähnliche Beeinträchtigung der Aktionärsinteressen kann sich ferner ergeben, wenn im Rahmen präventiver behördlicher Eingriffe in die Geschäftstätigkeit (§ 16 Abs. 4, 5 SAG) die Renditepotentiale der Unternehmen maßgeblich gesenkt werden. S. dazu auch noch unten, Abschnitt § 5 D. 67 Demgegenüber den Gesellschafterschutz wohl als eigenständiges Ziel der Sanierungsplanung einordnend Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 5. Wie hier, jedoch mit Blick auf das Bankenaufsichtsrecht insgesamt, Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 25; Waschbusch, Bankenaufsicht, S. 166. 68 S. zum Folgenden auch Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 15 SAG Rn. 1 ff.; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 3 ff.; Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 12 ff.; Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 12 ff. (Rn. 19 ff.).
B. Rechtsquellen des Sanierungsplanungsrechts
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Institutions“ für die Sanierungsplanung formulierten Standards relevant.69 Zwar handelt es sich bei diesen Standards ihrer Natur nach um bloße Empfehlungen, die allenfalls politische, nicht aber unmittelbar rechtliche Bindungswirkung für die planungspflichten Institute oder Aufsichtsbehörden entfalten. Unter Berücksichtigung ihrer durchaus erheblichen Detailtiefe und angesichts der Tatsache, dass sie vom Gesetzgeber im weiteren Gesetzgebungsverfahren explizit in Bezug genommen wurden,70 wird man ihnen aber zumindest den Status einer Interpretationshilfe bei der Auslegung der europäischen und nationalen Rechtsakte zubilligen müssen.71 Auf europäischer Ebene ist sodann zwischen den sekundär- und tertiärrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung zu differenzieren.72 Sekundärrechtlich wird die Sanierungsplanung durch die Art. 5–9 BRRD sowie die Inhaltsanforderungen in Abschnitt A des Anhangs zur BRRD determiniert. Auf Tertiärrechtsebene sind gleich mehrere Rechtsakte von Bedeutung. Im Einzelnen: – Art. 3–21 delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission vom 23.3. 2016 (mit Vorgaben betreffend den Inhalt und die behördliche Bewertung der Pläne),73 – delegierte Verordnung (EU) 2019/348 der Kommission vom 25.10.2018 (mit Vorgaben betreffend die Prüfung vereinfachter Anforderungen an die Sanierungsplanung),74 – EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien (EBA/GL/2014/06) vom 18.7.2014,75 – EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans (EBA/GL/2015/02) vom 23.7.2015,76 69 S. im Einzelnen FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 11.1–11.6, I-Annex 4 Rn. 1.1–3.5. 70 Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 2. 71 Vgl. allg. Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 28, 107, 114; Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 1. 72 Daneben veröffentlicht die EBA auch sog. Q&A’s, in denen Einzelfragen zu Richtliniennormen beantwortet werden. S. dazu und zu allen übrigen europäischen Rechtsquellen das sog. Interactive Single Rulebook der EBA, für die BRRD abrufbar unter: https://eba.europa.eu/regulation-and-policy/single-rulebook/interactive-single-rulebook/ -/interactive-single-rulebook/toc/2602 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 73 Basierend auf der Ermächtigung in Art. 5 Abs. 10 und Art. 6 Abs. 8 BRRD. S. vorbereitend dazu EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/ 11, 18.7.2014; dies., Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/ 12, 18.7.2014. 74 Basierend auf der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 6 BRRD. 75 Basierend auf der Ermächtigung in Art. 5 Abs. 7 BRRD. 76 Basierend auf der Ermächtigung in Art. 9 Abs. 2 BRRD. Im Frühjahr 2021 konsultierte die EBA eine Neufassung dieser Indikatorleitlinie, vgl. EBA, Consultation Paper – Draft Revised Guidelines on recovery plan indicators under Article 9 of Direc-
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
– EBA, Empfehlung zur Erfassung von Unternehmen im Gruppensanierungsplan (EBA/REC/2017/02) vom 26.1.2018.77 In den letzten Jahren hinzugekommen sind zudem verschiedene Verlautbarungen, die behördliche Erfahrungen und Aufsichtspraktiken im Rahmen der Sanierungsplanung wiedergeben. Die Dokumente sind zwar wiederum nicht unmittelbar rechtlich verbindlich, im Hinblick auf ihre faktische Bindungswirkung78 aber kaum zu überschätzen. Dazu gehören: – EZB, Report on recovery plans, 7/2018, – EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, – EBA, Report on the application of simplified obligations and waivers in recovery and resolution planning, 12/2017, – EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, – EBA, Comparative report on governance arrangements and recovery indicators, 5.7.2016, – EBA, Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, 8.12.2015, – EBA, Comparative report on the approach to determining critical functions and core business lines in recovery plans, 6.3.2015, – EBA, Report on interlinkages between recovery and resolution planning, EBA/Rep/2020/16, 20.5.2020, – EBA, Report on the application of early intervention measures in the European Union in accordance with articles 27–29 of the BRRD, EBA/REP/2021/ 12, 27.5.2021.79 Auf nationaler Ebene wurden die Vorgaben der BRRD in den §§ 12–21a SAG umgesetzt.80 Strukturell vergleichbar mit dem Vorgehen auf EU-Ebene finden sich daneben auch hier eine Vielzahl detaillierter Anforderungen auf untergesetzlicher Ebene. So hat die BaFin bereits am 24.4.2014 in ihrem Rundschreiben 3/ 2014 (BA) die sog. „Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen“ (MaSan (BA) 3/2014) veröffentlicht. Der Sache nach norminterpretietive 2014/59/EU (EBA/CP/2021/13) vom 18.3.2021. Die Veröffentlichung des finalen Dokuments steht derzeit noch aus. 77 Basierend auf der Ermächtigung in Art. 9 Abs. 2 BRRD. 78 Ähnl. auch statt vieler Thiele, Finanzaufsicht, S. 219. 79 Weitere Informationen und Best-Practice-Vorschläge veröffentlicht die EZB regelmäßig in Form von Newslettern auf ihrer Webseite unter: https://www.bankingsuper vision.europa.eu/banking/tasks/recoveryplans/html/index.en.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 80 Die Sanierungsplanung unterliegt einer Mindestharmonisierung, vgl. Art. 1 Abs. 2 BRRD.
C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts
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rende Verwaltungsvorschriften,81 fasste das Dokument die aufsichtspraktischen Erwartungen der BaFin an den Inhalt der Pläne zusammen.82 Nach Einführung der Verordnungsermächtigung in § 21a SAG durch das Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG)83 wurden diese Erwartungen, angepasst an die oben genannten europäischen Vorgaben, nunmehr in Verordnungsform gegossen. Die BaFin stellte dazu bereits im August 2017 einen gemeinsam mit der Bundesbank erarbeiteten Verordnungsentwurf zuzüglich eines sog. Merkblattes zur Sanierungsplanung zur Konsultation.84 Eine weitere Konsultation mit einem leicht überarbeiteten Verordnungs- und Merkblattentwurf folgte im April 2019.85 Am 1.4. 2020 schließlich ist die Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute (Sanierungsplanmindestanforderungsverordnung – MaSanV) final in Kraft getreten.86 Für die Planungspraxis relevante Erkenntnisse, insbesondere in Form von Quervergleichen, fasst die BaFin zudem auch in ihren Jahresberichten zusammen.87
C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts Das SAG erstreckt die Pflicht zur Sanierungsplanung auf Einzelinstitute, übergeordnete Unternehmen von Gruppen sowie institutsbezogene Sicherungssysteme. Konzeptionell ist dabei zwischen einem sachlichen und einem räumlichen Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts zu differenzieren.88 81 Ganz h. M. mit Blick auf derartige Rundschreiben/Merkblätter, vgl. stellv. Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 897; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 506 (jeweils m.w. N.); s. auch Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 102 (Fn. 6); Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 442 f. 82 Ergänzt wurde das Dokument durch die BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/ 2014. 83 Gesetz vom 2.11.2015, BGBl. I (2015), S. 1864. 84 BaFin, Konsultation 09/2017 – Entwurf einer Rechtsverordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen und Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, R-K 3170-2017/0002, 9.8.2017. Das BaFinMerkblatt erläutert das Zusammenspiel der Regelungen in SAG, del. VO 2016/1075 und MaSanV und enthält ergänzende Informationen zur vereinfachten Planung (§ 19 SAG) sowie zur Planung institutsbezogener Sicherungssysteme (§ 20 SAG), vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, vor I. 85 BaFin, Konsultation 09/2019 – Entwurf einer Rechtsverordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen und Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, R-K 3170-2019/0001, 25.4.2019. 86 Verordnung vom 12.3.2020, BGBl. I (2020), S. 644. 87 BaFin, Jahresbericht 2015, S. 110 f.; dies., Jahresbericht 2016, S. 103 f.; dies., Jahresbericht 2017, S. 76 f. sowie auch Bayer/Suchy, BaFin Journal 3/2018, 22. Zusammenfassend dazu Blaß, Abwicklung von Banken, S. 219 ff. 88 In zeitlicher Hinsicht sind die §§ 12 ff. SAG überwiegend seit dem 1.1.2015 anzuwenden, Art. 10 Abs. 2 BRRDUmsG. S. zum Folgenden auch die Kommentierungen in Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd.; eher knapp u. a. auch Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 18 f.; Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichts-
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
I. Einzelinstitute 1. Sachlicher Anwendungsbereich Gem. § 12 Abs. 1 SAG unterliegen der Sanierungsplanungspflicht sämtliche „Institute“. Dabei verwendet das SAG den Institutsbegriff in Anknüpfung an die Kapitaladäquanzverordnung. Ihm unterfallen sowohl CRR-Kreditinstitute als auch CRR-Wertpapierfirmen.89 Während der Begriff der CRR-Wertpapierfirma vor allem Investmentbanken erfasst,90 zielt der Begriff des CRR-Kreditinstituts primär auf Depositenbanken. Konkret beschreibt § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR91 CRR-Kreditinstitute als Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Dem Gesetz liegt damit ein funktional-tätigkeitsbezogener Begriff des Kreditinstituts zugrunde. Maßgeblich ist allein die von den Instituten übernommene Intermediationsfunktion, die sich durch die gleichzeitige Teilnahme am Einlagen- und Kreditgeschäft ausdrückt. Kreditinstitute, die diese Anforderungen nicht erfüllen, etwa, weil sie kein Einlagengeschäft tätigen, unterfallen nicht den Sonderregeln des SAG.92 Auf sie findet allein die Insolvenzordnung, modifiziert durch die Vorschriften des KWG Anwendung.93 Die Rechtsform, in der das jeweilige Unternehmen orrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 962 f.; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 8 ff.; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 4.52 ff., 4.60 f. 89 § 2 Abs. 1 SAG i.V. m. § 1 Nr. 1 und 2 SAG. Erstere jedoch mit Ausnahme z. B. von Zentralbanken und einigen nationalen Förderbanken (u. a. auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, vgl. § 1 Nr. 1 SAG i.V. m. Art. 2 Abs. 5 CRD-IV) und letztere nur dann, wenn sie mit einem Anfangskapital von mindestens 730.000 A ausgestattet sind. 90 § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR, Art. 4 Abs. 1 Nr. 1, Art. 94 S. 2 i.V. m. Anh. IV MiFID II beschreibt CRR-Wertpapierunternehmen konkret als Unternehmen, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringen und (zusätzlich oder alternativ) Anlagetätigkeiten ausüben, wobei Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR allerdings Ausnahmen aufzählt. 91 VO (EU) Nr. 575/2013, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1. 92 BT-Drs. 18/2575, S. 144. Zu dem kumulativen Erfordernis der Teilnahme am Einlagen- und Kreditgeschäft und zur Abgrenzung des Begriffs des CRR-Kreditinstituts vom Kreditinstitut gem. § 1 Abs. 1 KWG s. z. B. Dürselen, in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Art. 4 CRR Rn. 3 ff. 93 In der Praxis zuletzt noch nicht abschließend geklärt war die Frage, ob auch eine Abwicklungseinheit, die aus einem ehemaligen CRR-Kreditinstitut hervorgegangen ist und die genannten Geschäfte nicht mehr betreibt, ebenfalls dem Anwendungsbereich des SAG (und damit auch dem Sanierungsplanungsrecht) unterfällt. Dass dies der Fall ist, ergibt sich nunmehr aus Art. 7 und ErwG 15 f. del. VO 2019/348. Danach sollen für in der Abwicklung befindliche Institute aber gem. Art. 4 BRRD (§ 19 SAG) vereinfachte Anforderungen gelten. Die Anwendbarkeit des SAG ursprünglich noch verneinend LG München I Urt. v. 8.5.2015 – 32 O 26502/12 (mit Anm. Rühle/Schmitz, GWR 2015, 406); i. E. zustimmend Fest, NZG 2015, 1108; a. A. aber schon Potacs, EuZW 2017, 1 sowie OLG München Urt. v. 25.6.2018 – 17 U 2168/15 Rn. 274 (zit. nach
C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts
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ganisiert ist, ist demgegenüber nicht entscheidend. So kann das Kreditinstitut sowohl als juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts als auch als Personenhandelsgesellschaft organisiert sein.94 Die in § 12 Abs. 1 SAG verwirklichte Entscheidung, grundsätzlich alle Institute – unabhängig von weiteren Größen-, Komplexitäts- oder sonstigen Kriterien – zur Sanierungsplanung zu verpflichten, war dabei keinesfalls alternativlos. Noch auf Grundlage des mit dem TrennbG geschaffenen ersten Sanierungsplanungsregimes waren nur solche Kreditinstitute zur Erstellung von Sanierungsplänen verpflichtet, die von der BaFin und der Bundesbank einvernehmlich als potentiell systemgefährdend eingestuft wurden.95 Der deutsche Gesetzgeber folgte damit der Empfehlung des FSB, das sich für eine Pflicht zur Sanierungsplanung ebenfalls nur für systemrelevante Institute ausgesprochen hatte.96 Ganz ähnlich findet auch das US-amerikanische sog. Living Will-Regime nur auf systemisch bedeutende Institute Anwendung, wobei hier auf eine bestimmte Unternehmensgröße abgestellt wird.97 Die Erweiterung des Anwendungsbereiches der Sanierungsplanungspflicht in der BRRD hat dementsprechend Kritik in Teilen der Bankwirtschaft,98 aber auch in der Literatur ausgelöst.99 Der erweiterte Anwendungsbereich trägt allerdings zu Recht dem Umstand Rechnung, dass sich die juris) (mit Anm. Kräft, GWR 2018, 414). Das LG Frankfurt a. M. hatte die Frage zunächst dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (LG Frankfurt a. M. Beschl. v. 21.6.2016 – 12 O 114/15), den Vorabentscheidungsantrag dann jedoch zurückgenommen, vgl. EuGH Beschl. v. 21.11.2016 – C-394/16, ECLI:EU:C:2016:925 – FMS Wertmanagement. 94 Die genannten Normen entsprechen damit der funktional-tätigkeitsbezogenen und rechtsformunabhängigen Struktur des Bankenaufsichtsrechts insgesamt, vgl. Wundenberg, Compliance, S. 9 f. 95 § 47 Abs. 1 Satz 1 und 5 KWG a. F. S. dazu bereits oben, Abschnitt § 2 B. IV. 2.; ferner Brandi/Gieseler, DB 2013, 741, 742; Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 440 f. 96 FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 1, Rn. 11.1: „[. . .] covering [. . .] firms that could be systemically significant or critical if they fail.“ Diese Empfehlung ist jedoch ausdrücklich als Minimalanforderung formuliert. 97 Die Verpflichtung zur Anfertigung der sog. Title-I-Resolution Plans gilt nur für Bankholdinggesellschaften mit konsolidierten Aktiva im Umfang von mindestens 50 Mrd. US-Dollar, vgl. Dodd-Frank-Act, U.S. Public Law No. 111–203, § 165(d)(1), (8) und 12 U.S. Code of Federal Regulations § 241.1 (b), § 242.2(f). Die sog. IDI-Resolution Plans müssen von einlagengesicherten Depositenbanken mit Gesamtaktiva im Umfang von ebenfalls mindestens 50 Mrd. US-Dollar erstellt werden, vgl. 12 U.S. Code of Federal Regulations § 360.10 (a), (b)(4). Umf. zum Anwendungsbereich der US-Regulierung Guynn, in: Kenadjian/Dombret (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 109, 117 f., 140. Zum sachlichen Anwendungsbereich der Sanierungs- und Abwicklungsvorschriften im weiteren internationalen Vergleich Haentjens, IILR 2014, 255, 264 ff. 98 S. die Auswertung der Konsultationen zur BRRD in Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 26. Tendenziell krit. auch BVR/DSGV/VÖB/VDP, Stellungnahme zum BRRD-Umsetzungsgesetz, 28.5.2014, S. 2. 99 Vgl. Dohrn, WM 2012, 2033, 2034; eine Planungspflicht vor allem für komplexe, grenzüberschreitend aktive Institute fordernd auch Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 606.
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Systemrelevanz einzelner Institute nur mit begrenzter Sicherheit vorhersagen lässt.100 Dies ist insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass in Krisensituationen neben „harten“ quantitativen Kriterien vor allem auch psychologische Effekte zum Tragen kommen. Gerade zukünftige Vertrauensentscheidungen der Marktteilnehmer lassen sich jedoch ex ante nur sehr bedingt erfassen. Berücksichtigt man zudem kumulative Effekte wie sie etwa durch Risikokorrelationen zwischen mehreren (auch kleinen) Instituten oder Herdenverhalten verursacht werden können, dann wird deutlich, dass – je nach Krisenverlauf – potentiell jedes Institut systemrelevant werden kann.101 Den Bedenken hinsichtlich einer übermäßigen Belastung kleinerer Institute trägt das SAG, wie später zu sehen sein wird,102 auf verschiedenen Ebenen durch eine differenzierte Anwendung der §§ 12 ff. SAG Rechnung. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird so hinreichend Rechnung getragen.103 2. Räumlicher Anwendungsbereich Die §§ 1 f. SAG enthalten keine ausdrückliche Aussage zu der Frage, welche CRR-Institute und CCR-Wertpapierfirmen in räumlicher Hinsicht vom Anwendungsbereich des SAG erfasst sind und damit auch der Pflicht zur Sanierungsplanung gem. § 12 Abs. 1 SAG unterliegen. Im Ergebnis sind trotz des offenen Wortlautes nur solche Institute vom SAG erfasst, die ihren Sitz im Inland haben.104 Dafür spricht maßgeblich eine richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1 Nr. 1 und 2, 2 Abs. 1 SAG: § 1 SAG dient der Umsetzung von Art. 1 BRRD.105 Gemäß 100 Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 9; dies., SWD (2012) 166 final, S. 62; Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 38; vgl. ferner Berg, 19 J. Fin. Reg. Comp. 383, 385, passim (2011) sowie Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 962 f. 101 Brunnermeier/Crocket/Goodhart et al., Fundamental Principles of Financial Regulation, S. 26, 27 f.; ebenso wiederum auch Grieser/Mecklenburg-Guzmán/van Kisfeld, a.a.O, S. 963. Die mit der Northern Rock-Insolvenz verbundenen Turbulenzen in 2007/ 2008 belegen dies deutlich, vgl. Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 59; ähnl. auch ErwG 29 BRRD. Vgl. ferner Kaufhold, ZVglRWiss 116 (2017), 151, 159; Hellwig, Gutachten E zum 68 DJT., S. E55; Otto, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 87, 94. 102 Vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. Zur proportionalen Sanierungsplanung gem. § 13 Abs. 1 SAG s. u., Abschnitt § 3 D. I. Zu den vereinfachten Anforderungen an gem. § 19 SAG s. u., Abschnitt § 4 B. III. 103 Ähnl. wohl auch Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 59; vgl. ferner Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 4.54. 104 I. E. ebenso, wennngleich ohne nähere Begründung, Weber/Brechfeld, in: Luz/ Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 14 SAG Rn. 4. 105 BT-Drs. 18/2575, S. 144.
C. Anwendungsbereich des Sanierungsplanungsrechts
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Art. 1 Abs. 1 lit. a BRRD ist die Richtlinie anwendbar auf in der EU niedergelassene Institute. Im europäischen Finanzaufsichtsrecht ist bereits seit längerem anerkannt, dass die Beaufsichtigung von Finanzinstituten nach dem Prinzip der sog. Herkunftslandkontrolle erfolgt. Danach unterliegen Finanzinstitute grundsätzlich den aufsichtsrechtlichen Vorschriften ihres Herkunftsmitgliedsstaates und werden allein durch die heimischen Aufsichtsbehörden überwacht.106 Dahinter steht die Erwägung, dass das institutsbezogene Aufsichtsrecht primär die Aufgabe hat, die Funktionsfähigkeit der Institute zu sichern, staatliche Aufsichtsorgane jedoch sinnvoll nur die auf ihrem Territorium belegenen Institute überwachen können.107 Diesem Prinzip folgend sehen auch Art. 3 Abs. 2 und 10 Abs. 1 der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie 108 vor, dass sich die Durchführung von Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen auf krisenbehaftete Institute nach dem Recht des Herkunftsstaates des jeweiligen Instituts richtet. Gem. Art. 117 BRRD erstreckt sich der Anwendungsbereich der Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie und damit das Prinzip der Herkunftslandkontrolle zukünftig ausdrücklich auch auf die Anwendung der Abwicklungsinstrumente und die Ausübung der Abwicklungsbefugnisse nach der BRRD.109 Angesichts der Tatsache, dass § 1 SAG den Anwendungsbereich des Gesetzes aber einheitlich festlegt, ohne näher zwischen den sanierungs- und abwicklungsbezogenen Vorschriften zu differenzieren, scheint es angezeigt, die Norm auch einheitlich richtlinienkonform auszulegen. Die Vorschriften des SAG sollen demnach insgesamt nur auf solche Institute Anwendung finden sollen, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, namentlich also jenen Instituten, denen in Deutschland eine Zulassung erteilt wurde110.111 106 Dazu und zur Bedeutung des Prinzips für die Verwirklichung der Niederlassungsund Dienstleistungsfreiheit Jung/Bischof, Europäisches Finanzmarktrecht, Rn. 96 f.; s. ferner Kolossa, in: BankR-Hdb., § 135 Rn. 4 ff. Durch den SSM und den SRM erfährt dieser Grundsatz freilich insoweit eine Aufweichung, als in dem in Art. 4, 6 SSM-VO und Art. 7 SRM-VO festgelegten Umfang die EZB und das SRB als Aufsichts- bzw. Abwicklungsbehörde tätig werden. Die EZB wendet dabei jedoch gem. Art. 4 Abs. 3 SSM-VO nationales Recht an. 107 Vgl. Lehmann, in: MüKo BGB, Bd. 13, 8. Aufl. 2021, Teil 12. B. Rn. 195. 108 Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001, ABl. L 125, S. 15–23. 109 S. auch ErwG 119 der BRRD. 110 Vgl. Art. 2 SpStr. 1 Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 43 CRR. Mittelbar ergibt sich dabei aus § 33 Abs. 1 Nr. 6 KWG, dass dies nur solche Institute sind, die sowohl ihren Satzungs- als auch ihren Hauptverwaltungssitz im Inland haben. 111 Ebenfalls für das hiesige Auslegungsergebnis spricht auch ein schlichter systematischer Vergleich zu § 1 Nr. 3, 4 SAG. Danach ist die Anwendung des SAG auf nachgeordnete Gruppenunternehmen und Zweigstellen ausdrücklich von deren Sitz im Inland abhängig. Selbiges muss dann erst recht auch für übergeordnete Gruppenunternehmen und Einzelinstitute gelten. In dieselbe Richtung deuten auch die ErwG 9, 108 BRRD, wonach die BRRD auf die Verwirklichung des Binnenmarktes u. a. durch Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für die in den Mitgliedsstaaten befindlichen Institute zielt. Dieser Gedanke der Wettbewerbsgleichheit impliziert, dass die
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
II. Gruppen Im Verlauf der letzten Finanzkrise stellte sich heraus, dass gerade die Einbindung von Instituten in komplexe, regelmäßig auch länderübergreifend aktive Unternehmensgruppen für die Geschäftsleitungen und Aufsichtsbehörden eine besondere Herausforderung bei der Krisenbewältigung bedeutete. Die Unübersichtlichkeit derartiger Gruppenstrukturen sowie die drohenden Ansteckungseffekte zwischen den gruppenzugehörigen Instituten sorgten für erhebliche Koordinations- und Abstimmungserfordernisse bei der Krisenbewältigung, die auf ad-hoc-Basis kaum zu bewältigen waren.112 Dementsprechend sieht das Sanierungsplanungsregime eine Pflicht zur Sanierungsplanung vor allem auch für Bankengruppen vor. Ausgangspunkt für die Sanierungsplanungspflicht von Gruppen ist § 12 Abs. 2 SAG. Dieser verpflichtet die sog. übergeordneten Unternehmen einer jeden Gruppe zur Anfertigung von Sanierungsplänen.113 Allerdings ergibt sich aus § 1 Nr. 3 SAG, dass das SAG nur auf übergeordnete Unternehmen im Sinne des § 10a Abs. 1 KWG Anwendung findet. Es sind dies all diejenigen Unternehmen einer Gruppe, die nach Art. 11 CRR der Pflicht zur aufsichtsrechtlichen Konsolidierung unterliegen, in Institutsgruppen also das an der Spitze der Gruppe befindliche Institut selbst, in (gemischten) Finanzholding-Gruppen die von der (gemischten) Finanzholding-Gesellschaft kontrollierten Institute.114 In räumlicher Hinsicht muss das übergeordnete Unternehmen der Gruppe aus den bereits genannten Gründen seinen Sitz im Inland haben, um von der Pflicht zur Sanierungsplanung gem. §§ 12 ff. SAG erfasst zu sein. Denn nur auf solche Inlandsunternehmen findet das SAG überhaupt Anwendung. Während § 12 Abs. 2 SAG danach die grundsätzliche Pflicht zur Erstellung von Sanierungsplänen für übergeordnete Unternehmen von Gruppen anordnet, legt § 14 Abs. 1 SAG besondere Anforderungen an die Sanierungspläne für bestimmte Typen übergeordneter Unternehmen fest, namentlich solchen, die gleichzeitig EU-Mutterunternehmen sind und für die die Aufsichtsbehörde zugleich die
Mitgliedsstaaten jeweils Sanierungs- und Abwicklungsregeln für die auf ihrem Territorium befindlichen Institute schaffen. S. schließlich auch bereits FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 11.1 (dort mit der Forderung nach einer Planungspflicht für die jeweils inländischen Institute). 112 S. schon oben, Abschnitt § 2 B. I. 113 § 2 Abs. 3 Nr. 28 SAG definiert Gruppen (ähnlich dem gesellschaftsrechtlichen Konzernbegriff) als Unternehmenszusammenschlüsse, die aus einem übergeordneten Unternehmen und mehreren nachgeordneten Unternehmen bestehen. Übergeordnete und nachgeordnete Unternehmen werden jeweils auch als gruppenangehörige Unternehmen bezeichnet, § 2 Abs. 3 Nr. 30 SAG. 114 Vgl. Schaber/Amann, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 10a KWG Rn. 16 f., 51 f. S. ausf. zum Konzept der aufsichtlichen Konsolidierung auch Kolossa, in: BankR-Hdb., § 137 Rn. 41 ff.
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konsolidierende Aufsichtsbehörde ist.115 Auf diese Anforderungen wird an späterer Stelle einzugehen sein.116
III. Institutsbezogene Sicherungssysteme Gem. § 20 Abs. 4 SAG unterliegen der Pflicht zur Sanierungsplanung schließlich auch bestimmte sog. institutsbezogene Sicherungssysteme mit Sitz in Deutschland. Ihre Sanierungsplanung ersetzt dabei die Planung der nach § 20 Abs. 1 SAG befreiten Institute. Unter den Begriff der institutsbezogenen Sicherungssysteme fällt dabei jede vertragliche oder satzungsmäßige Haftungsvereinbarung, die Institute absichert und insbesondere bei Bedarf ihre Liquidität und Solvenz sicherstellt, um einen Konkurs zu vermeiden.117 Diese Verpflichtung zur wechselseitigen finanziellen Stützung aller systemangehörigen Institute in Krisenphasen durch Leistungen aus einem gemeinsamen Fonds, etwa im Form der Eigenkapitalzuführung oder der Bereitstellung von Bürgschaften und Garantien,118 führt bei wirtschaftlicher Betrachtung zu einer Vergemeinschaftung des Insolvenzrisikos aller beteiligten Institute. Gleichzeitig sieht § 113 Abs. 7 Satz 2 lit. c, e CRR vor, dass derartige Systeme ein einheitliches und gemeinschaftliches Risikomanagement durch alle Institute sicherstellen und auf konsolidierter Basis Bericht erstatten. Die Stellung der institutsbezogenen Sicherungssysteme gleicht demnach bei funktionaler Betrachtung derjenigen einer Bankengruppe. Sinnvoll ist es daher, dass auch die präventive Sanierungsplanung gemeinschaftlich erfolgt. Gleichzeitig entlastet die kollektive Sanierungsplanung auf der übergeordneten Ebene auch die in der Praxis ohnehin eher kleineren systemangehörigen Institute.119 Im Ergebnis ist § 20 SAG damit Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.120 Die Sanierungsplanungspflicht des jeweiligen institutsbezogenen Sicherungssystems besteht gem. § 20 Abs. 4 SAG jedoch nur nach einer vorherigen Befreiung jedenfalls einzelner systemzugehöriger Institute nach § 20 Abs. 1 SAG. Die 115 Ebenso Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 14 SAG Rn. 2; vgl. auch BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 25 (Begründung zu § 1). 116 Zum Anwendungsbereich des § 14 SAG s. u., Abschnitt § 4 B. I. 1. 117 § 2 Abs. 3 Nr. 34 SAG i.V. m. Art. 113 Abs. 7 CRR. S. zur Umsetzung dieser Zielsetzung z. B. Nr. 28 Abs. 1 der AGB der Sparkassen i. d. F. vom 26.11.18. 118 Vgl. etwa § 21 Abs. 2 der Satzung der BVR Institutssicherungs GmbH i. d. F. vom 1.1.2019, abrufbar unter: https://www.bvr-institutssicherung.de/isg.nsf/0/5E91 B1BDC5DC734CC1257E6D004D29BD/ %24FILE/20181119_Satzung %20ISG-BVR_ EZS_final.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 119 Als institutsbezogene Sicherungssysteme in Deutschland anerkannt sind die Einrichtungen des Deutscher Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) und des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), vgl. Bundesbank, Monatsbericht 12/2015, S. 52. 120 ErwG 27 BRRD; vgl. auch BT-Drs. 18/2575, S. 151.
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Erteilung einer solchen Befreiung setzt gem. § 20 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SAG in prozessualer Hinsicht einen Antrag des Instituts voraus, dessen Modalitäten durch § 18 MaSanV ausgestaltet werden.121 In materieller Hinsicht muss das Institut einem institutsbezogenen Sicherungssystem im vorgenannten Sinne angehören und darf nicht unter den Katalog der Ausschlusstatbestände gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 SAG fallen: Danach darf das Institut erstens nicht potentiell systemgefährdend sein.122 Zweitens darf das Institut nicht der Aufsicht der EZB im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus nach Art. 6 Abs. 4 SSM-VO unterfallen. Drittens muss das Institut die in § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 SAG genannten quantitativen Kriterien erfüllen. An und für sich selbstverständlich schreibt § 19 Abs. 1 MaSanV viertens vor, dass das Institut einem Sicherungssystem angehört, das seinerseits in der Lage ist, die Anforderungen an die Sanierungsplanung zu erfüllen.123 Zutreffend wird in der Literatur hervorgehoben, dass es sich bei der Befreiung ausweislich des Wortlautes von § 20 Abs. 1 Satz 1 SAG („kann“) um eine behördliche Ermessensentscheidung handelt.124 Der weite Tatbestand der Norm – einschließlich seiner vielen unbestimmten Rechtsbegriffe125 – dürfte aber bereits die Berücksichtigung aller relevanten Umstände auf Tatbestandsebene erlauben. Ist dieser Tatbestand erfüllt, dürfte, sofern kein atypischer Sonderfall vorliegt, auch ein Anspruch auf Befreiung bestehen (sog. intendiertes Ermessen).126
D. Grundprinzipien der Sanierungsplanung Die Sanierungsplanung wird in ihrer Ausgestaltung durch die BRRD von einigen Grundsätzen beherrscht, die unabhängig von den bereichsspezifischen Einzelanforderungen für den gesamten Planungsprozess gelten. Nachfolgend näher dargestellt, gehören dazu die Grundsätze der Proportionalität (dazu I.) und Ver121 Dazu genauer Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 20 SAG Rn. 12 ff. 122 Dies ist gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 SAG der Fall, wenn es sich entweder um ein global oder anderweitig systemrelevantes Institut nach § 10f KWG bzw. § 10g KWG handelt oder das Institut eine Verfassung aufweist, die auf Grundlage der Kriterien des § 19 Abs. 2 SAG die Festsetzung vereinfachter Plananforderungen unmöglich macht. Zu den Kriterien des § 19 Abs. 2 SAG s. auch noch näher unten, Abschnitt § 4 B. III. 123 S. zu diesen Voraussetzungen nochmals Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 20 SAG Rn. 7 ff.; zu den inhaltlichen Anforderungen an Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme s. u., Abschnitt § 4 B. 124 Weber/Brechfeld, a. a. O., § 20 SAG Rn. 7; Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 26. 125 Die Entscheidung über die Systemrelevanz der Institute ist eine behördliche Entscheidung mit Beurteilungsspielraum. S. dazu ausführlicher unten, Abschnitt § 5 B. III. 3. 126 In diese Richtung BT-Drs. 18/2575, S. 151 (wonach die Befreiung zu gewähren „ist“, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen). Mit Verweis darauf im Ansatz auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 26.
D. Grundprinzipien der Sanierungsplanung
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traulichkeit (dazu II.) sowie das Prinzip der institutsautonomen Krisenbewältigung (dazu III.).127
I. Proportionalität der Sanierungsplanung Die Sanierungsplanung unterliegt zunächst dem Grundsatz der Proportionalität. In den letzten Jahren zunehmend verbreitet, findet sich das Proportionalitätsprinzip heute in weiten Teilen des banken-, kapitalmarkt- und versicherungsbezogenen Aufsichtsrechts wieder und kann insoweit als verbindender, allgemeiner Grundsatz des Finanzaufsichtsrechts verstanden werden.128 Speziell mit Blick auf die Sanierungsplanung ist das Proportionalitätsprinzip an prominenter Stelle in § 13 Abs. 1 SAG verankert.129 Inhaltlich wirkt der Grundsatz im Wesentlichen in zwei Richtungen (sog. doppelte Proportionalität130): Zum einen – und für die interne Planung der Unternehmen vorrangig relevant – wirkt das Proportionalitätsprinzip als materiell-rechtliche Steuerungsgröße, indem es die von den Instituten aufzubringenden Planungsleistungen in eine lineare Relation131 zu den in § 13 Abs. 3 SAG genannten Bewertungsfaktoren setzt. Je stärker die Größe, Komplexität, Vernetzung usw. des jeweiligen Unternehmens ausgeprägt sind, desto höhere Anforderungen stellt das Aufsichtsrecht an den Umfang und die Detailtiefe der Sanierungspläne. Umgekehrt gilt, je geringer die Ausprägung der vorgenannten Faktoren, desto geringer sind auch die Anforderungen an die Ausgestaltung des Plans. Zum anderen erlangt das Proportionalitätsprinzip auch Bedeutung als Maßstab zur aufsichtsbehördlichen Ressourcenverteilung. Während danach vergleichsweise risikoträchtige Institute eine intensivere aufsichtsbehördliche Begleitung der internen Planungsprozesse erfahren, fällt diese Aufsichtsintensität bei weniger risikoträchtigen Unternehmen tendenziell geringer aus.132 Beide Dimensionen tragen damit zu einer Flexibilisierung der aufsichtlichen Maßstäbe bei, dies mit dem Ziel einer risikoadäquaten Vorsorge- und Beaufsichtigungsintensität in bzw. gegenüber den
127 S. zu Punkt I. und III., wenngleich nur knapp, auch Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 21 f. 128 Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 85. S. umf. zum Proportionalitätsbegriff im europäischen Finanzaufsichtsrecht Krimphove, BKR 2017, 353; Wundenberg, a. a. O., S. 85 ff.; Joosen/Lehmann, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 65; knapper auch z. B. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 88 ff. 129 S. zudem auch § 3 MaSanV, Art. 17 Nr. 3, 21 sowie ErwG 15, 17 del. VO 2016/ 1075; Art. 4 Abs. 1 lit. a, ErwG 21 BRRD; ferner schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.2. 130 Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 85. 131 Krimphove, BKR 2017, 353, 357. 132 Dies wird in § 13 Abs. 3 SAG nicht deutlich. S. aber EZB, Guide to Banking Supervision, 11/2014, S. 8.
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Instituten. In dieser Funktion unterscheidet sich das Proportionalitätsprinzip – was in der sanierungsplanungsrechtlichen Literatur bisweilen nicht hinreichend deutlich wird133 – wesentlich vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.134
II. Vertraulichkeit der Sanierungsplanung Darüber hinaus wird die Sanierungsplanung unter der BRRD vom Grundsatz der Vertraulichkeit beherrscht.135 Dem Vertraulichkeitsprinzip liegt in erster Linie die Erwägung zugrunde, dass eine Offenlegung der Pläne deren Funktionsfähigkeit gerade in Krisenlagen gefährden würde. Konkret heißt es dazu in der Gesetzesbegründung zum BRRDUmsG: „Ein erfolgversprechender Sanierungsplan erfordert eine substantielle Menge an schutzbedürftigen Informationen. [. . .] Bei Kenntnis der Sanierungspläne wären sowohl Markt als auch Wettbewerber in der Lage zu erkennen, dass bestimmte Handlungsoptionen unter Zugzwang durchgeführt werden [. . .]. Hierdurch könnte wiederum ein Preisdruck entstehen, der sowohl den Wert der Handlungsoption erheblich einschränken könnte als auch die Fähigkeit des Kreditinstitutes, sich aus eigener Kraft aus der Krise zu befreien, deutlich reduzieren würde. Denkbar erscheint auch, dass allein schon durch die Kenntnis des Markts von Szenarien, bei denen ein Institut für sich den Eintritt in die Sanierungsphase annimmt, das Institut als Sanierungsfall erachtet und ihm damit das Vertrauen entzogen wird, was eine Sanierung erheblich erschweren oder sogar unmöglich machen könnte.“ 136
133 Vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441; missverständlich, weil vor allem die begrenzende Wirkung betonend, auch Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 21 f.; ders., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 30; Schabert/ Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 42; Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 20 SAG Rn. 12 ff. sowie selbst ErwG 14 BRRD. 134 Letzterer speist sich vor allem aus der Abwehrfunktion der Grundrechte und hat insoweit begrenzende Wirkung gegenüber staatlichem Handeln (vgl. statt vieler Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 VII. Rn. 107). Das Proportionalitätsprinzip ist dagegen gleichermaßen auf eine Wirkung in zwei Richtungen ausgerichtet ist, kann je nach Eigenart des Instituts also sowohl ein „Weniger“ als auch ein „Mehr“ an Regulierungs- und Aufsichtsintensität rechtfertigen, vgl. deutlich BaFin, Anschreiben zur MaRisk-Novelle 2012, GZ: BA 54-FR 2210-2012/0002, S. 2 („Proportionalität nach oben“). Zudem soll es keinen Ausgleich konfligierender Werte oder Interessen bewerkstelligen, sondern deren gleichgewichtige, eben proportionale, Berücksichtigung sicherstellen. Vgl. nochmals instruktiv Krimphove, BKR 2017, 353, 355 ff. (dort mit Abgrenzung zum Verhältnismäßigkeits- und Angemessenheitsbegriff); ferner Wundenberg, Compliance, S. 86 ff. 135 Zu entgegenstehenden Publizitätsinteressen und zur Möglichkeit einer teilweisen Publizität der Sanierungsplanung de lege ferenda unten, Abschnitt § 7 A. II. 2. a). 136 BT-Drs. 18/2575, S. 151. Ähnl. auch ErwG 36, 86 BRRD und ErwG 116 SRMVO sowie bereits BT-Drs. 17/13539, S. 10 f. (zu § 47i Abs. 4 KWG a. F., der Vorgängernorm zu § 21 SAG). Vgl. auch de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.19, 10.85.
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Entsprechend ordnen die §§ 4 ff. SAG die umfassende Geheimhaltung der im Rahmen der Sanierungsplanung erlangten Informationen für die Aufsichts- und Abwicklungsbehörde und deren Mitarbeiter an.137 Erfasst sind gem. § 4 SAG sämtliche Informationen, die aus einer Tätigkeit nach dem SAG resultieren und aus unternehmens-, gemeinwohl- oder personenbezogenen Gründen geheimhaltungsbedürftig sind, worunter auch – aber nicht nur – die Inhalte der Sanierungspläne fallen.138 Während § 5 SAG den Kreis der zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen und Institutionen bestimmt, regeln die §§ 6 ff. SAG verschiedene Ausnahmetatbestände, auf deren Grundlage eine begrenzte Informationsweitergabe möglich ist. § 11 SAG schließlich enthält einen Spezialtatbestand, der speziell im Hinblick auf sanierungs- und abwicklungsbezogene Informationen einen Anspruch auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gegen die Aufsichts- oder Abwicklungsbehörde generell ausschließt.139 In Ergänzung zu den vorgenannten Normen – und über die ausdrücklichen Vorgaben der BRRD hinausgehend140 – enthält § 21 SAG eine besondere Verschwiegenheitspflicht auch für die planungspflichtigen Institute und gruppenangehörigen Unternehmen. Als lex specialis zu den §§ 4 ff. SAG141 ist die Norm ihrem Wortlaut nach zwar allein an die Unternehmen selbst adressiert und erstreckt sich auch inhaltlich nur auf die (Gruppen-)Sanierungspläne per se. Den von der Norm intendierten Schutzzweck wird man aber nur dann angemessen umsetzen können, wenn die Verschwiegenheitspflicht in persönlicher Hinsicht auch auf die Organwalter und Mitarbeiter der Institute Anwendung findet und sachlich zudem auch alle sonstigen planungsbezogenen Informationen erfasst, 137 Die Normen setzen Art. 84, 98 BRRD um, vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 145 ff. Parallele Geheimhaltungsvorschriften im Rahmen des SRM enthält Art. 88 SRM-VO. Umf. zu §§ 4 ff. und § 21 SAG s. Trappe/Büscher, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, C. II. 138 Ausf. zu den nach § 4 SAG erfassten Informationen Trappe/Büscher, a. a. O., C. II. Rn. 4 ff.; ferner Müller-Feyen, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 4 SAG Rn. 2 ff. Als übergeordneter Zweck der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsbehörden wird zudem regelmäßig auch die Gewährleistung des öffentlichen Vertrauens in die Integrität der behördlichen Aufgabenwahrnehmung genannt, vgl. etwa BT-Drs. 12/6679, 42 (zu § 8 WpHG) und BT-Drs. 14/7034, 38 (zu § 9 WpÜG); dazu Gurlit, NZG 2014, 1161, 1164. 139 § 11 SAG ist eine spezielle Informationszugangsregelung, die den Anspruch aus § 1 IFG nach gem. § 3 Nr. 4 IFG ausschließt, vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 147. S. allgemeiner und umf. zu den Pflichten der BaFin nach dem IFG nochmals Gurlit, a. a. O. 140 Art. 84, 98 BRRD richten sich ihrem Wortlaut nach nicht an die Institute, Institutsgruppen und deren Mitarbeiter. Ausgehend von dem in ErwG 86 BRRD skizzierten Zweck der Geheimhaltungsvorschriften wird man aber davon ausgehen müssen, dass der Richtliniengesetzgeber i. E. auch diese zur Geheimhaltung verpflichten wollte. Eine entsprechende Regelung ist möglicherweise nur deshalb unterblieben, weil man davon ausging, die Unternehmen werden die Pläne schon im Eigeninteresse vertraulich behandeln. 141 BT-Drs. 18/2575, S. 151.
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die Rückschlüsse auf den Inhalt der Pläne erlauben.142 Eine ausnahmsweise Informationsweitergabe gegenüber an der Planerstellung und -umsetzung beteiligte Dritte erlaubt § 21 Hs. 2 SAG. Der Begriff des Dritten erschließt sich dabei aus einer Negativabgrenzung; er umfasst all jene Akteure, die weder Institute oder gruppenangehörige Unternehmen noch Aufsichts- oder Abwicklungsbehörde sind (dies jeweils einschließlich der dortigen Mitarbeiter).143 Praktisch unterfallen dem Begriff des Dritten damit vor allem Beratungsdienstleister, die die Institute in den verschiedenen Phasen Planerstellung und -umsetzung begleiten.144 Verstöße gegen die Verschwiegenheitsplicht des § 21 SAG lösen gem. § 5 Abs. 5 SAG privatrechtliche Haftungsfolgen nach allgemeinen Regeln aus.145
III. Institutsautonome Krisenbewältigung Das Fehlen adäquater Krisenbewältigungsmechanismen hat in der Hochphase der letzten Finanzkrise umfangreiche staatliche Stützungsmaßnahmen erforderlich gemacht, um einen vollständigen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems zu verhindern. Allein der in Deutschland im Oktober 2008 eingerichtete Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) war mit Mitteln im Umfang von insgesamt 480 Mrd. A ausgestattet.146 Europaweit mündeten diese Interventionen in einen sprunghaften Anstieg der Staatsverschuldung, der die ökonomische Handlungsfähigkeit zahlreicher Mitgliedsstaaten massiv einschränkte und die Destabilisierung des Finanzsystems weiter beförderte.147 Zugleich setzte die Unterstützung ausgewählter Finanzinstitute grundlegende Wett142 Eine Ausnahme gilt freilich im Hinblick auf Informationen, die durch andere gesellschafts- oder kapitalmarktrechtliche Publizitätsmittel ohnehin bereits öffentlich sind. Nicht vertraulich und de facto auch ohnehin nicht geheimhaltungsfähig sind schließlich außenwirksame Sanierungsmaßnahmen. Vertraulich dagegen ist die Tatsache, dass die jeweilige Maßnahme gerade auf der Durchführung des Sanierungsplans beruht. S. zur persönlichen und sachlichen Reichweite des § 21 SAG auch Trappe/Büscher, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, C. II. Rn. 42 ff. 143 Vgl. Müller-Feyen, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 21 SAG Rn. 3 f., dort auch zur Zulässigkeit der Planweitergabe an gruppenangehörige Unternehmen und zur praktischen Handhabung diesbezüglich. 144 Unzulässig ist demgegenüber eine Offenlegung der Sanierungspläne z. B. gegenüber Ratingagenturen oder Gläubigern, die die Sanierungspläne etwa im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung evaluieren wollen, vgl. mit Blick auf erstere auch schon Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 442 (noch zu § 47i Abs. 4 KWG a. F.). 145 Vgl. auch Müller-Feyen, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 21 SAG Rn. 5 (Verf. schlägt analoge Anwendung des § 5 Abs. 5 SAG vor). 146 Vgl. §§ 6, 9 FMStFG. Insgesamt sollen sich die Ausgaben der US-amerikanischen und europäischen Regierungen zur Stützung des Finanzsektors im Krisenverlauf auf ca. 4,1 Billionen US-Dollar summiert haben, vgl. Anderson/Cavanagh/Redman, Skewed priorities: How the bailout dwarfs other global crisis spending; Akinsoyinu, 4 I.J.F.B.S. 11, 14 (2015). 147 Zum Zusammenhang zwischen Finanz- und Staatsschuldenkrise s. schon oben die Nachweise in § 3 Fn. 36; ferner z. B. Wittmann, 62 Rev. Econ. 40 (2011).
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bewerbsprinzipien außer Kraft und bekräftigte den Anreiz zu opportunistischem Verhalten in der Branche. Im Lichte dieser Entwicklungen ist es eines der wesentlichen Ziele des mit der BRRD geschaffenen Rechtsrahmens, in zukünftigen Krisenlagen Steuermittel möglichst weitgehend zu schonen und die mit einer staatlichen Intervention potentiell einhergehenden Moral-Hazard-Effekte zu vermeiden.148 1. Außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln a) Grundlagen Das Sanierungsplanungsrecht greift diese Zielsetzung auf, indem es die Institute in § 13 Abs. 3 SAG bereits prospektiv zu einer institutsautonomen Sanierungsplanung verpflichtet. Konkret sieht die Vorschrift vor, dass der Sanierungsplan im Krisenfall nicht von der Möglichkeit des Zugangs zu einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln oder vom Erhalt einer solchen Unterstützung ausgehen darf.149 Den Begriff der außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln unterwirft das SAG dabei beihilferechtlichen Kriterien. Erfasst sind gem. § 2 Abs. 3 Nr. 9 SAG alle Arten von staatlichen Beihilfen oder vergleichbaren finanziellen Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln auf supranationaler Ebene,150 die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Existenzfähigkeit, Liquidität oder Solvenz eines Instituts oder einer Gruppe gewährt werden.151 Stand heute dürfen damit all jene staatlichen Maßnahmen keinen Eingang in die Sanierungspläne finden, die nach der Bankenmitteilung der Kommission vom 30.7.2013 gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen.152 148 Vgl. ErwG 1, 5, 45 BRRD; ähnl. bereits FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex Rn. 1.3. Zum Ganzen schon oben, Abschnitt § 3 A. II. 149 Krit. de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.97 f. 150 Das Kriterium der „Vergleichbarkeit“ ist erfüllt, wenn die supranationalen Unterstützungen, würden sie auf nationaler Ebene geleistet, als staatliche Beihilfe gälten, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 BRRD. 151 ErwG 31 BRRD. S. auch schon § 47a Abs. 2 Nr. 7 KWG a. F. 152 Der EuGH billigt der Kommission bei der Konkretisierung des Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV einen weiten Einschätzungsspielraum zu, vgl. EuGH Urt. v. 17.9.1980 – 730/79, ECLI:EU:C:1980:209 Rn. 26 – Philip Morris/Kommission; Urt. v. 6.9.2006 – C-88/03, ECLI:EU:C:2006:511 Rn. 99 – Portugal/Kommission; s. auch Cremer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 107 AEUV Rn. 50 m.w. N. Von diesem hat sie zuletzt 2013 Gebrauch gemacht, vgl. Kommission, Bankenmitteilung, 2013/C 216/01, 30.7.2013. Die Wirksamkeit dieser Regelungen wurde vom EuGH zuletzt weitgehend bestätigt, s. EuGH Urt. v. 19.7.2016 – C-526/14, ECLI: EU:C:2016:570 – Kotnik u. a. (mit Anm. von Bonin/Olthoff, EuZW 2016, 778). Die Kommission hebt in der Bankenmitteilung explizit hervor, dass Beihilfen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nur noch solange zulässig sind, wie die Krise anhält und daraus außergewöhnliche Umstände für die Finanzstabilität resultieren (Rn. 6). In der Literatur wurde dementsprechend teilweise der Schluss gezogen, dass die Banken-
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
Stets zulässig ist dagegen die Berücksichtigung interner finanzieller Unterstützungen durch andere gruppenangehörige Unternehmen. Sie sind nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert, werden durch die §§ 22 ff. SAG eigens umfangreich reglementiert und durch Art. 9 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075 sogar explizit als potentielle Sanierungsmaßnahme anerkannt. Ebenfalls nicht von § 13 Abs. 3 SAG erfasst ist eine Frühintervention der Aufsichtsbehörden gem. §§ 36 ff. SAG. Sie dient nicht der finanziellen Unterstützung der Institute, sondern zielt auf eine aufsichtsseitige Krisenbewältigung durch spezifische Eingriffsmaßnahmen. Der gegenwärtige Rechtsrahmen ist insoweit – im Gegenteil – auf eine sehr weitgehende Kooperation mit der Aufsicht in der Phase der Planumsetzung angelegt.153 b) Notfallliquiditätshilfen Jedenfalls auf den ersten Blick ungewiss ist dagegen, ob § 13 Abs. 3 SAG auch eine Berücksichtigung von sog. Notfallliquiditätshilfen in den Sanierungsplänen ausschließt. Außerordentliche Notfallliquiditätshilfen (Emergency Liquidity Assistance, ELA) werden gegenüber Instituten zur vorübergehenden Verhinderung ihrer Zahlungsunfähigkeit im Interesse der Systemstabilität gewährt. Die Mittelgewährung erfolgt durch die nationalen Zentralbanken in ihrer Funktion als sog. Lender of Last Resort (LoLR) auf eigene Kosten und eigenes Risiko und ist zudem davon abhängig, dass das unterstützte Institut zwar liquiditätsknapp, im Übrigen aber zahlungsfähig ist.154 Die Einbeziehung derartiger Maßnahmen in die Pläne ist auch unter Berücksichtigung von § 13 Abs. 3 Satz 1 SAG nicht generell unzulässig. Dafür spricht neben der Genese der Norm vor allem die heutige Gesetzessystematik: Das SAG differenziert in Umsetzung der Richtlinienvorgaben begrifflich genau zwischen einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung im Sinne des § 13 Abs. 3 SAG einerseits und einer Notfallliquiditätshilfe andererseits.155 Zudem sah der mitteilung zwar formal noch in Kraft sei, für eine Genehmigung von Beihilfen gem. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV nach vollständiger Operabilität der Bankenunion aber kein Raum mehr bestehe, s. Rusche, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Bd. 3, 5. Aufl. 2016, Art. 107 Abs. 3 AEUV Rn. 41. Dagegen spricht aber, dass auch der neue Abwicklungsrahmen zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft eines Mitgliedstaats und zur Wahrung der Finanzstabilität in Einzelfällen staatliche Beihilfen zulässt, ohne dass diese automatisch zur Abwicklung des begünstigten Instituts führen würden, vgl. Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD. Gerade in diesen Fällen steht aber immer auch eine Genehmigung der Beihilfe gem. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV im Raum. S. zur letzten Bankenmitteilung im Überblick Bunte, in: BankR-Hdb., § 142 Rn. 41b f.; ausf. zur Entwicklung des Beihilferechts seit der Krise Immenga/Körber (Hrsg.), Beihilferecht in der Krise. 153 S. zum Ganzen noch näher unten, Abschnitt § 5 B. III., IV. 154 Vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 41 SAG. S. zur ELA im Überblick Zilioli/Athanassiou, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 14 ESZB-Satzung Rn. 51 ff., 544 f.; ausf. ferner O’Connell, ZEuS 2013, 261; Radtke, Liquiditätshilfen, S. 119 ff.
D. Grundprinzipien der Sanierungsplanung
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Kommissionsentwurf der BRRD ursprünglich noch vor, dass sowohl Sanierungsals auch Abwicklungspläne zwar keine außerordentlichen finanziellen Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln, wohl aber Notfallliquiditätshilfen von Zentralbanken berücksichtigen können.156 Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden die diesbezüglichen Vorgaben sodann geändert. Während im Rahmen der Abwicklungsplanung gem. Art. 10 Abs. 3 BRRD (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SAG) heute keine der beiden Hilfsmaßnahmen mehr berücksichtigt werden dürfen, ist dieses Verbot in Art. 5 Abs. 3 BRRD (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SAG) weiterhin beschränkt auf Maßnahmen zur außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln.157 Übereinstimmend hält auch ErwG 2 BRRD heute fest, dass eine diskriminierungsfreie Liquiditätsunterstützung für solvente Institute, die allein Opfer einer systemischen Liquiditätsknappheit sind, durch den BRRDRechtsrahmen nicht ausgeschlossen werden soll.158 Im Ergebnis entscheidend ist daher allein, ob die jeweilige Notfallliquiditätshilfe den Tatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 9 SAG erfüllt, mithin also Beihilfecharakter im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV besitzt:159 Ist dies der Fall, so stellt die Notfallliquiditätshilfe zugleich eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln dar, deren Berücksichtigung § 13 Abs. 3 Satz 1 SAG verbietet. Liquiditätshilfen ohne Beihilfecharakter sind in der Sanierungsphase aber zulässig. Zumindest theoretisch könnten sie deshalb auch in den Sanierungsplänen als ergänzende, sanierungsunterstützende Maßnahmen für den Krisenfall eingepreist werden.160 Praktisch stößt eine Berücksichtigung der Notfallliquiditätshilfen in den Sanierungsplänen allerdings schon deshalb auf Grenzen, weil die Zentralbanken diese ausschließlich nach eigener, einzelfallbezogener Einschätzung gewähren, ohne dass insoweit ein Rechtsanspruch der Markt155
§ 2 Abs. 3 Nr. 9 SAG (Art. 2 Abs. 1 Nr. 28 BRRD) und § 2 Abs. 3 Nr. 41 SAG (Art. 2 Abs. 1 Nr. 29 BRRD). 156 S. Art. 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 lit. i und ErwG 21 in Kommission, COM(2012) 280 final/2. 157 Vgl. Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 29. 158 Entsprechend soll die Inanspruchnahme von Notfallliquiditätshilfen per se auch noch nicht eine Abwicklung der Institute rechtfertigen, vgl. ErwG 41 BRRD. S. auch schon die Stellungnahme der EZB im BRRD-Gesetzgebungsverfahren vom 29.11.12, Dok. 2013/C 39/01, Rn. 3.2 (dort mit der Forderung, die Zentralbanken sollten ungeachtet der Regelung in Art. 5 Abs. 3 BRRD in Krisenphasen weiterhin zu Bereitstellung von Notfallliquidität nach eigener Einschätzung befugt sein). 159 Vgl. auch O’Connell, ZEuS 2013, 261, 301 f.; Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 144. Bildlich gesprochen handelt es sich bei den Legaldefinitionen in § 2 Abs. 3 Nr. 9 SAG und § 2 Abs. 3 Nr. 41 SAG um zwei einander überschneidende Kreise. Vgl. auch ErwG 41 a. E. BRRD. Für die Prüfungskriterien von ELA-Maßnahmen am Maßstab von Art. 107 Abs. 1 und 3 lit. b AEUV s. Kommission, Bankenmitteilung, 2013/C 216/01, 30.7.2013, Rn. 62. 160 Dies i. E. offenlassend aber Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 29; anders als hier Blaß, Abwicklung von Banken, S. 207 (ausgehend von der irrigen Prämisse, dass die ELA regelmäßig als Beihilfe einzuordnen sei).
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§ 3 Grundlagen des Sanierungsplanungsrechts
teilnehmer besteht. Selbst die Vergabekriterien werden zur Vermeidung moralischer Risiken bewusst nicht offengelegt.161 2. Zentralbankfazilitäten Zulässig ist schließlich gem. § 13 Abs. 3 SAG auch die Inanspruchnahme sog. Zentralbankfazilitäten. Diese ständigen Fazilitäten werden von den Zentralbanken zur Liquiditätssteuerung der Geschäftsbanken im Rahmen ihrer regulären Geldpolitik gewährt.162 Für die Sanierungsplanung relevant sind vor allem die sog. Spitzenrefinanzierungsfazilitäten. Mit ihnen können Geschäftsbanken ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, indem sie bei einer nationalen Zentralbank gegen festen Zins Kredite mit der Laufzeit eines Geschäftstages aufnehmen. Entsprechend sieht § 13 Abs. 3 Satz 2 SAG vor, dass in dem Sanierungsplan zu analysieren ist, wie und wann das Institut derartige Fazilitäten in Anspruch nehmen kann. Da die Gewährung der Spitzenrefinanzierungsfazilität gem. Art. 18 Abs. 4 der Leitlinie (EU) 2015/510 nur gegen angemessene Sicherheiten erfolgt,163 ist im Sanierungsplan zudem zu ermitteln, welche Vermögenswerte als eine solche Sicherheit gewährt werden können. Der Sache nach ist die Inanspruchnahme einer Spitzenrefinanzierungsfazilität mit sonstigen liquiditätsbezogenen Sanierungsmaßnahmen vergleichbar. Ausgehend von der rechtlich vorgezeichneten Binnenstruktur der Pläne erscheint es daher geboten, die Analyse gem. § 13 Abs. 3 Satz 2 SAG ebenfalls im Planabschnitt über die Handlungsoptionen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG zu verorten. 161 Im Schrifttum ist insoweit vom Konzept „konstruktiver Ambiguität“ die Rede, vgl. Illing/König, DIW Wochenbericht Nr. 24.2014, 541, 544. 162 Die ständigen Fazilitäten werden durch die nationalen Zentralenbanken in Form der sog. Einlagefazilität und der sog. Spitzenrefinanzierungsfazilität gewährt. Während die Einlagefazilität dazu dient, den Geschäftsbanken die kurzfristige Anlage ihrer überschüssigen Liquidität aus Sichteinlagen zu ermöglichen, können die Institute mithilfe der Spitzenrefinanzierungsfazilität einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken. Beide Fazilitäten dienen der mittelbaren Steuerung des Tagesgeldzinssatzes am Interbankengeldmarkt und sind Teil der regulären Geldpolitik der Zentralbanken im ESZB. Bei ihnen handelt es sich also gerade nicht um eine außerordentliche finanzielle Unterstützung i. S. d. § 13 Abs. 3 Satz 1 SAG, vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 148. Sie werden von der Kommission demgemäß auch nicht als Beihilfe i. S. d. § 107 Abs. 1 AEUV eingeordnet, vgl. Kommission, Bankenmitteilung, 2013/C 216/01, 30.7.2013, Rn. 62. Ausf. zum Ganzen EZB, Die Geldpolitik der EZB, 3. Aufl. 2011, S. 117 ff.; Görgens/Ruckriegel/ Seitz, Europäische Geldpolitik, 6. Aufl. 2013, S. 232 f. 163 Die Gewährung der ständigen Fazilitäten beruht auf Art. 18 Abs. 1 ESZB-Satzung. Die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Fazilitäten werden gem. Art. 18 Abs. 2 ESZB-Satzung öffentlich bekannt gemacht. Erfolgt ist dies zuletzt in Art. 17–23 der Leitlinie (EU) 2015/510 der EZB v. 19.12.2014 (EZB/2014/60), ABl. L 91 v. 2.4.2015, S. 3–135, zuletzt geändert durch Leitlinie (EU) 2019/1032 der EZB v. 10.5.2019 (EZB/2019/11), ABl. L 167 v. 24.6.2019, S. 64. Die Leitlinie ist gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 ESZB-Satzung für die nationalen Zentralbanken verbindlich.
§ 4 Die rechtlichen Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess im Einzelnen Gegenstand der nachfolgenden Darstellung sind die Anforderungen an den Inhalt und den Prozess der Sanierungsplanung, wie sie sich aus den oben genannten Rechtsquellen für die Institute und die planungsbeteiligten Aufsichtsbehörden ergeben. Ausgehend von der Regelungssystematik des SAG bildet die Sanierungsplanung von Einzelinstituten gem. §§ 12–13, 15–16 SAG den Grundtypus der Sanierungsplanung.1 Sie wird daher nachfolgend vorrangig betrachtet (dazu nachfolgend A., dort zum Planinhalt, sowie C., dort zum Planungsprozess), bevor odann auf abweichende Besonderheiten der Sanierungsplanung von Institutsgruppen, institutsbezogenen Sicherungssystemen und kleineren Instituten mit vereinfachten Planungsanforderungen gem. §§ 14, 17–20 SAG einzugehen ist (dazu B. und D.). Inhaltlich beschränkt sich die nachfolgende Darstellung überwiegend auf jene Grundstrukturen, die in Vorbereitung auf die nachfolgenden Kapitel für ein vollständiges Erfassen der planungsbezogenen Anforderungen notwendig, aber auch ausreichend sind. Im Fokus der nachfolgenden Betrachtung liegen zudem vorrangig die rechtlichen Anforderungen und Notwendigkeiten der Sanierungsplanung, weniger dagegen betriebswirtschaftliche und bankpraktische Fragen der Umsetzung dieser rechtlichen Rahmenvorgaben.2
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne Die folgende Betrachtung der inhaltlichen Anforderungen an Einzelsanierungspläne orientiert sich in ihrem Aufbau an der äußeren Systematik des § 13 Abs. 2 SAG. Dieser Aufbau hat sich nach Auffassung der BaFin überwiegend auch für die Strukturierung der Sanierungspläne selbst bewährt.3
1 Diese Regelungssystematik steht in tendenziellem Spannungsverhältnis zur Planungspraxis, wo die Gruppensanierungsplanung überwiegend dürfte, vgl. Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 20 (Fn. 57). 2 S. mit starkem Fokus auf praktische Umsetzungsfragen demgegenüber vor allem Brechfeld/Weber, MaSan sowie die Beiträge in Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung; Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten. 3 Zwingende Vorgaben existieren insoweit nicht, s. aber BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. I.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
I. Planzusammenfassung An der Spitze der inhaltlichen Gestaltungsanforderung steht gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 SAG (Anh. A Nr. 1, 2 BRRD) die Pflicht, dem Sanierungsplan eine Zusammenfassung voranzustellen. Die Planzusammenfassung soll sowohl den relevanten Stellen im Institut als auch den Aufsichts- und Abwicklungsbehörde einen schnellen Zugriff auf den Inhalt des Sanierungsplans erleichtern und eine zügige Umsetzung der dort entwickelten Konzepte ermöglichen. Besondere Bedeutung erlangt dies vor allem in Krisenphasen, in denen alle Akteure unter hohem Zeitund Handlungsdruck stehen und eine komplette Sichtung der Pläne schon aufgrund ihres mitunter beträchtlichen Umfangs4 kaum praktikabel erscheint.5 Art. 4 del. VO 2016/1075 greift die Anforderungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 SAG auf. Anders als die Bezugnahme in § 13 Abs. 2 Nr. 1 SAG auf die „wesentlichen Inhalte“ suggerieren könnte, ist die Planzusammenfassung danach nicht nur auf einzelne Planbestandteile zu beschränken. Stattdessen sieht Art. 4 Abs. 1 del. VO 2016/1075 vor, dass sich die Zusammenfassung auf alle in Art. 3 del. VO 2016/ 1075 genannten Planbestandteile bezieht, also auf die Angaben zur Unternehmensführung, die strategische Analyse, wesentliche Änderungen des Instituts, der Gruppe oder des Sanierungsplanes selbst, den Kommunikations- und Informationsplan sowie die im Plan beschriebenen Vorbereitungsmaßnahmen. Wesentliche Änderungen sind dabei gem. Art. 4 Abs. 2 del. VO 2016/1075 solche, die mögliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der planunterworfenen Unternehmen zur Umsetzung des Plans oder einzelne darin enthaltene Sanierungsoptionen haben.
II. Strategische Analyse Auf die Planzusammenfassung folgt entsprechend der Systematik des § 13 Abs. 2 SAG die sog. strategische Analyse des Instituts. Die maßgeblichen Vorgaben zu Inhalt und Umfang dieser strategischen Analyse ergeben sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG, ergänzt durch Art. 7 del. VO 2016/1075 sowie § 5 MaSanV.6 Im Einzelnen haben die Institute danach die Unternehmensstruktur und das Geschäftsmodell des Instituts bzw. der Gruppe darzustellen, die wesentlichen Geschäftsbereiche und kritischen Funktionen zu ermitteln und eine Analyse der fi4 In der Praxis umfassen die Pläne global systemrelevanter Institute ca. 500–1.750 Seiten, die Pläne kleinerer Institute dagegen regelmäßig ca. 100–500 Seiten, vgl. EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 32. 5 Vgl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 19; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 46. Die Zusammenfassung sollte dabei so gestaltet sein, dass sie auch für Aufsichts- und Institutspersonal unmittelbar zugänglich ist, das in den früheren Planungsprozess nicht involviert war, vgl. ähnl. Schabert/Schramm/Wiechens, in: a. a. O., A. III. Rn. 48. 6 S. zudem auch schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 2.3.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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nanziellen, rechtlichen, operativen Vernetzung des Unternehmens nach innen und außen vorzunehmen. Ergänzend kann den Instituten zudem die Führung einer sog. Kontraktdatenbank auferlegt werden. Ziel der strategischen Analyse ist es, innerhalb des Unternehmens zur Entwicklung eines Selbstverständnisses hinsichtlich potentieller Schadensquellen und Ansteckungskanäle, die von außen auf das Institut einwirken oder vom Institut auf andere Marktakteure übergreifen können, beizutragen. Sie ist damit Grundlage zur Bewertung der sanierungsbezogenen Handlungsoptionen im Hinblick auf ihre internen und externen Auswirkungen und ihre Durchführbarkeit. Ferner bereitet sie die spätere Austarierung der Sanierungsindikatoren vor, die so festgelegt sein müssen, dass stabilitätsgefährdende Entwicklungen in den wesentlichen Geschäftsbereichen und kritischen Funktionen des Unternehmens frühzeitig erkannt werden können. Schließlich ist die strategische Analyse Ausgangspunkt für die Gestaltung der sog. Belastungsszenarien, anhand derer die Praktikabilität der Pläne getestet werden soll und die wiederum maßgeblich auf die wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen des jeweiligen Instituts zugeschnitten sein müssen. Sie dient damit im weitesten Sinne einer Status quo-Bewertung des Instituts, auf die alle übrigen Bestandteile des Sanierungsplans aufsetzen.7 Aus Sicht der Aufsichtsbehörden ist die strategische Analyse bedeutend, weil sie die informationelle Basis zur externen Prüfung und Bewertung aller übrigen Planbestandteile bietet.8 Aber auch darüber hinaus dürfte den dort vorfindlichen Informationen heute eine zentrale Bedeutung bei der behördlichen Risikobewertung zukommen, dies nicht nur in Vorbereitung auf die Abwicklungsplanung, sondern auch mit Blick auf die laufende Bankenaufsicht oder ein etwaiges frühzeitiges Eingreifen im Krisenfall.9 Die wesentlichen Grundzüge der oben genannten Vorschriften werden im Folgenden dargestellt. 1. Unternehmensstruktur und Geschäftsmodell Teil der strategischen Analyse ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Var. 1 SAG erstens eine Darstellung der Unternehmensstruktur des planungspflichtigen Instituts bzw. der planungspflichtigen Gruppe. Inhaltlich muss die Darstellung aussagekräftige Informationen zur rechtlichen und organisatorischen Struktur sowie 7 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 28 (Begründung zu § 5); ferner z. B. VÖB, Sanierungsplanung, S. 20 sowie zuletzt auch Entzian/Reifschneider, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 94, 94, 116 (a. a. O. auch mit ausf. Praxisvorschlägen zu den nachfolgend beschriebenen Bestandteilen der strategischen Analyse). 8 Vgl. schon BT-Drs. 17/12601, S. 35. 9 Den Bezug zur Abwicklungsplanung betonend auch ErwG 5 del. VO 2016/778; BT-Drs. 17/12601, S. 35. S. auch Brechfeld/Weber, MaSan, S. 13. Zur Bedeutung der Sanierungsplanung für die laufende Bankenaufsicht auch s. noch unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. a).
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
zur finanziellen Verfassung des Instituts oder der Gruppe und ihrer gruppenangehörigen Entitäten enthalten.10 Zudem sieht § 5 MaSanV für Gruppen ergänzend die Anfertigung eines Organigramms vor, dass unter anderem Beteiligungsquoten ausweist und Hinweise auf Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge umfasst.11 Schließlich verlangt Art. 7 Abs. 1 lit. a, ii) del. VO 2016/1075 die Auflistung der wichtigsten Hoheitsgebiete, in denen das Institut bzw. die Gruppe oder deren wesentliche juristische Personen oder Zweigstellen tätig sind. Auch diese Auflistung ist sinnvollerweise mit der Darstellung der Unternehmensstruktur zu verbinden.12 Weiterhin ist in die strategische Analyse gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. a Var. 2 SAG13 eine Darstellung des Geschäftsmodells zu integrieren.14 Die Regelung ist in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 weit auszulegen: Zum einen umfasst die Beschreibung auch eine Darstellung der Geschäfts- und Risikogesamtstrategie der Institute,15 zum anderen ist auch eine Wiedergabe des Geschäftsplans aufzunehmen. Die BaFin versteht darunter eine quantitative Konkretisierung der Geschäftsstrategie, deren Zahlen und Annahmen zu erläutern sind.16 Insgesamt wird an dieser Stelle erstmals die enge Verzahnung der Sanierungsplanung mit dem erweiterten Risikomanagement der Institute sichtbar, das diese auf Grundlage der CRD-IV-Anforderungen17 für den laufenden Geschäftsbetrieb einzurichten haben. Auf die diesbezüglichen Fragen ist an späterer Stelle ausführlicher zurückzukommen.18 10 Dazu ausf. mit praktischen Hinweisen Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 84 f. 11 Dieses Organigramm soll explizit die gesamte Gruppe erfassen, also auch solche juristischen Personen und Zweigstellen, die nicht wesentlich im Sinne des Art. 7 Abs. 2 del. VO 2016/1075 sind. Die BaFin verspricht sich dadurch, die Einstufung der Entitäten als „wesentlich“ besser nachvollziehen zu können, vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 28 (Begründung zu § 5). 12 Die del. VO konkretisiert nicht, welche Hoheitsgebiete als „wichtig“ im Sinne der Norm einzustufen sind. Die Auflistung dürfte zur Ermittlung des Abstimmungsbedarfes dienen, den die zuständigen Aufsichtsbehörden mit den Aufsichtsbehörden anderer Länder im Rahmen der Krisenvorbereitung haben. Sinnvoll erscheint dementsprechend eine Auflistung der Länder, in denen wesentliche Geschäftsaktivitäten oder kritische Funktionen des Instituts oder der Gruppe angesiedelt sind. 13 Gleichlautend Art. 7 Abs. 1 lit. a, ii) Var. 1 del. VO 2016/1075. 14 In der Praxis erfolgt dies durch eine Erläuterung der Kerngeschäftsfelder, der Vermögens- und Finanzlage sowie der Ertragssituation des Instituts bzw. der Gruppe, vgl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 27. 15 Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. a, i) del. VO 2016/1075. Konkret bezieht sich die Regelung auf jene Strategien, die die Institute gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG zu erstellen haben, vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. III.1. 16 BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. III.1. 17 RL 2013/36/EU, ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338. 18 S. u., Abschnitt § 6 A. II. 2.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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2. Analyse der wesentlichen Geschäftsbereiche und kritischen Funktionen Das Herzstück der strategischen Analyse bildet neben den vorgenannten, eher deskriptiven Bestandteilen die Analyse der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen des Instituts bzw. der Gruppe gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. b SAG.19 Die diesbezügliche Darstellung dient gleich mehreren Zwecken: Zum einen bildet sie die Grundlage für die Entwicklung der krisenbezogenen Handlungsoptionen, deren primäre Aufgabe im Schutz der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und der kritischen Funktionen besteht. Ferner ist die Beschreibung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen von zentraler Bedeutung für die aufsichtsseitige Abwicklungsplanung.20 a) Wesentliche Geschäftsbereiche Der Begriff der wesentlichen Geschäftsaktivitäten21 wird in § 2 Abs. 3 Nr. 45 SAG legal definiert. Ihm liegt eine institutsbezogene Perspektive zugrunde.22 Darunter fallen all solche Aktivitäten, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Instituts bzw. der Gruppe in erheblicher Weise beeinflussen können sowie solche Aktivitäten, deren Störung zu einem erheblichen Einnahmen- oder Gewinnausfall, zu erheblichen Verlusten oder zu einem erheblichen Verlust des Beteiligungswertes führen kann. Die MaSan (BA) 3/2014 sprachen insoweit treffend von „Ertrags- und Risikokonzentrationen“.23 Inhaltliche Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten enthalten weder das SAG noch die del. VO 2016/1075 oder die MaSanV. Demgegenüber sahen die bisher gültigen MaSan (BA) 3/2014 noch vor, dass die Beschreibung der Geschäftsaktivitäten auch eine institutsseitige Marktanalyse umfassen sollte.24 Darin sollten die Märkte beschrieben werden, in denen die Institute, Gruppen, gruppenangehörigen Unternehmen oder Zweigstellen gegenwärtig oder zukünftig eine wesentliche Stellung haben. Eine derartige Marktanalyse ist weiterhin sinnvoll, zumal die Zuordnung der Aktivitäten des Instituts zu sachlich-räumlich abgegrenzten Märkten sowohl institutsintern als auch aufsichtsseitig eine bessere Beobachtung der Institute gerade auch unter Berücksichtigung zukünftiger Marktentwicklungen erlaubt. Gerade hier liegt ein wesentlicher Zweck der strategischen Analyse. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. b SAG sollte daher 19
S. auch Art. 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 lit. a, iii) del. VO 2016/10175. Vgl. ErwG 4, 5 del. VO 2016/778. 21 Art. 7 Abs. 1 lit. a, iii) del. VO 2016/1075 spricht, inhaltlich gleichbedeutend (vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. III.2.), von „Kerngeschäftsbereichen“. 22 ErwG 11 del. VO 2016/778. Ebenso bereits Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443; Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 87. 23 Vgl. MaSan (BA) 3/2014, E.2.2 Tz. 1. 24 MaSan (BA) 3/2014, E.2.2 Tz.1. 20
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
dahingehend ausgelegt werden, dass die Darstellung auch weiterhin eine entsprechende Marktanalyse umfassen muss.25 Auch in methodischer Hinsicht machen die einschlägigen Vorschriften den Instituten keine weiteren Vorgaben. Die del. VO 2016/1075 billigt den Instituten vielmehr einen weiten Einschätzungsspielraum zu, verlangt zum Zwecke der aufsichtlichen Überprüfung allerdings eine gesonderte Beschreibung der eingesetzten Verfahren zur Bestimmung der wesentlichen Geschäftsbereiche.26 Für die Abgrenzung der soeben angesprochenen umsatz- und gewinnrelevanten Märkte bietet sich zunächst eine Anwendung der kartellrechtlich etablierten Grundsätze und Verfahren an.27 Im Übrigen wird in der Literatur zum Teil ein zweistufiges Vorgehen bestehend aus einer quantitativen, auf etablierten Unternehmenskennzahlen basierenden und einer qualitativen, vor allem prognostischen Analyse vorgeschlagen.28 Ferner wird empfohlen, die wesentlichen Geschäftstätigkeiten so zu bestimmen, dass ein Gleichlauf mit den nach der MaRisk festzulegenden wesentlichen Geschäftsaktivitäten besteht.29 Denkbar ist schließlich auch eine Orientierung an den Bewertungskriterien des Art. 7 del. VO 2016/778.30 Nicht aus den Augen geraten darf dabei jedoch der Regelungszweck der del. VO 2016/778: Die Verordnung enthält konkretisierende Vorgaben zur Bestimmung wesentlicher Geschäftsaktivitäten und kritischer Funktionen mit Bindungswirkung nur für die Abwicklungsbehörden.31 Ihr liegt nach Auffassung der Kommission ein zweistufiges Konzept zugrunde:32 Danach neh25 Die nach hiesiger Auffassung weiterhin durchzuführende Marktanalyse ist auch nicht gleichbedeutend mit der Marktanalyse, welche im Rahmen der Ermittlung kritischer Funktionen zu erfolgen hat (dazu sogleich). Hier liegt der Fokus auf der Ermittlung der Märkte, auf denen die Institute wesentliche Umsätze und Gewinne erzielen, dort vor allem auf der Ermittlung jener Märkte, auf denen die Institute aus Sicht der Marktgegenseite eine nicht substituierbare Stellung besitzen. Beide Betrachtungsschwerpunkte sind nicht zwingend gleichbedeutend. 26 Art. 7 Abs. 1 lit. a, iv) del. VO 2016/1075. Vgl. auch Buchmüller, in: Luz/Neus/ Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 34. 27 Vgl. zum sog. Bedarfsmarktkonzept und seinen praktischen Umsetzungen z. B. Fuchs/Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Begr.), Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 18 GWB Rn. 37 ff. 28 So Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 86 f. Ähnl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 34. 29 VÖB, Sanierungsplanung, S. 21; zustimmend wohl Buchmüller, a. a. O., § 13 SAG Rn. 35. 30 So im Ansatz bereits Buchmüller, a. a. O., § 13 SAG Rn. 36 ff., der allerdings die nachfolgend beschriebenen Einschränkungen nur unzureichend betont. 31 Art. 1 Satz 2 del. VO 2016/778. Anders noch EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05, 6.3.2015, Rn. 2 (auch an die Institute adressiert). Die Verordnung basiert auf Art. 2 Abs. 2 BRRD. 32 ErwG 7 del. VO 2016/778; vgl. auch EBA, Technical advice on the delegated acts on critical functions and core business lines, EBA/Op/2015/05, 6.3.2015, Rn. 43 f.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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men die Institute im ersten Schritt eine Selbsteinschätzung ihrer wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen vor, ohne methodisch gebunden zu sein. Ein Rückgriff auf die abwicklungsbehördlichen Kriterien in Art. 7 del. VO 2016/778 ist den Instituten zwar nicht verwehrt. Etwaige Übernahmen der dort genannten Kriterien müssen aber die planerische Eigenverantwortung der Institute achten und verlangen, wann immer möglich, nach einer kritischen Auseinandersetzung mit deren Stärken und Grenzen.33 Anschließend bestimmt die Abwicklungsbehörde auf Grundlage einer eigenen Einschätzung die wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen des jeweiligen Instituts bzw. der Gruppe.34 De facto etabliert die Verordnung damit ein methodisches Dialogverfahren, in das sowohl die Institute als auch die Behörden bereichsspezifisch ihr jeweiliges Expertenwissen einbringen sollen.35 Dies reflektieren mittlerweile auch die aufsichtspraktischen Handreichungen der EBA: Darin dringt die EBA darauf, bei der Identifikation kritischer Funktionen im Rahmen von Sanierungsund Abwicklungsplanung größtmögliche Kohärenz anzustreben und unterschiedliche Sichtweisen in gemeinsamen Arbeitstreffen auszutauschen und zu diskutieren.36 b) Kritische Funktionen Der Begriff der kritischen Funktionen wird in § 3 Abs. 2 Nr. 38 SAG legal definiert. Ihm unterfallen im Wesentlichen all solche Aktivitäten des Instituts, deren abrupter Wegfall geeignet ist, die Systemstabilität zu stören.37 Anders als bei der Beschreibung wesentlicher Geschäftsaktivitäten liegt der Bestimmung kritischer Aktivitäten damit keine institutsinterne, sondern eine marktseitige
33 Vgl. auch Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075, der eine Erläuterung der im Plan enthaltenen Annahmen und Bewertungen verlangt. Ausführlicher zur Zielrichtung dieser kritisch-reflexiven Sanierungsplanung, die ihre eigenen Grenzen reflektiert, wiederum unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. 34 ErwG 5 del. VO 2016/778. Die behördliche Einschätzung ist Grundlage für die nachfolgende Abwicklungsplanung gem. §§ 40 ff. SAG. Ferner fließt sie via § 15 Abs. 1 SAG auch in die Prüfung der Sanierungspläne ein. 35 Ausf. zu dieser Ausrichtung des Sanierungsplanungsverfahren am Ziel einer gemeinsamen Mehrung von planungsrelevanten Informationen und Wissen unten, Abschnitt § 5 B. IV. 36 EBA, Report on interlinkages between recovery and resolution planning, EBA/ Rep/2020/16, 20.5.2020, Rn. 11, 41, 82 ff. 37 Im Einzelnen wählt § 3 Abs. 2 Nr. 38 SAG (Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 BRRD) zur Bestimmung der Kritikalität der Geschäftsaktivitäten einen doppelten Bezugspunkt: Danach ist zu prüfen, ob die Einstellung der jeweiligen Aktivität zu einer Störung entweder der für die Realwirtschaft unverzichtbaren Dienste oder zu einer Störung der Finanzmarktstabilität in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten führen kann. Angesichts der engen, wechselseitigen Verknüpfungen der internationalen Finanzmärkte auch über die EU hinaus bleibt unklar, warum die Norm hier allein auf die Finanzstabilität der „Mitgliedsstaaten“ Bezug nimmt.
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Perspektive zugrunde.38 Zur näheren Konkretisierung greift die Vorschrift das in der internationalen Aufsichtspraxis seit längerem etablierte Indikatormodell auf: Die Bestimmung kritischer Funktionen soll danach unter Berücksichtigung der Größe, des Marktanteils, der Verflechtung, Komplexität, grenzüberschreitenden Tätigkeit sowie der Substituierbarkeit des Instituts bzw. der Gruppe erfolgen.39 Typische Beispiele kritischer Funktionen nennt ErwG 4 del. VO 2016/778. Dazu gehören das Einlagengeschäft, die Kredit- und Darlehensvergabe, Zahlungs-, Clearing-, Verwahrungs- und Abrechnungsdienstleistungen, Tätigkeiten auf dem Interbankenmarkt, den Kapitalmärkten sowie im Bereich Investitionen.40 Jeweils ist zu beachten, dass die Kritikalität einzelner Funktionen eine relative Eigenschaft ist und im Zeitverlauf variieren kann.41 Was die methodische Umsetzung dieser Rahmenvorgaben im Einzelfall betrifft, gilt das soeben Gesagte entsprechend: Die del. VO 2016/1075 billigt den Instituten einen Einschätzungsspielraum zu, verlangt aber gem. Art. 7 Abs. 1 lit. a, iv) eine nachvollziehbare Beschreibung der eingesetzten Verfahren. Anhaltspunkte für die Praxis bietet die vom FSB entwickelte Leitlinie zur Bestimmung kritischer Funktionen durch Aufsichtsbehörden, die, eingebettet in ein dreischrittiges Verfahren, umfangreiche Fragekataloge enthält.42 Weiterhin dürfte zu berücksichtigen sein, dass gerade eine Beurteilung der oben genannten Angebotssubstituierbarkeit durch vorhandene oder zukünftige Wettbewerber logisch zwingend mit einer eingehenden Marktanalyse aus Sicht der Marktgegenseite verbunden ist.43 Die Ähnlichkeit der Fragestellung mit der im Kartellrecht üblichen Bewertung potentiell marktbeherrschender Unternehmen ist auch hier
38
ErwG 11 del. VO 2016/778. Vgl. auch FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 16.7.2013, S. 6. 39 Zur Einordnung dieser Faktoren s. bereits oben, Abschnitt § 2 A. III. 3. 40 S. auch FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 16.7.2013, S. 14 ff. 41 Vgl. ebenda, S. 14. Nicht zuletzt deshalb ist die regelmäßige Planaktualisierung (§ 12 Abs. 4 SAG) zwingend. 42 FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 16.7.2013; dazu Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 87 ff. In der Literatur wird zum Teil eine produktsegmentbezogene, gemischt quantitativqualitative Betrachtung vorgeschlagen, vgl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 42, 44. Einen Überblick über marktübliche Praxen bietet der EBA, Comparative report on the approach to determining critical functions and core business lines in recovery plans, 6.3.2015. 43 Bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG hebt die zentrale Bedeutung dieses Indikators hervor („insbesondere“). Die FSB-Leitlinien sprechen von der einer „Supply Side Analysis“, vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 16.7.2013, S. 9. S. zum Kriterium der Substituierbarkeit ferner Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443; Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 42 f.
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augenfällig.44 Schließlich bietet sich auch hier wieder eine Orientierung an den Vorgaben der del. VO 2016/778, namentlich deren Art. 6.45 Wiederum ist aber zu beachten, dass Kehrseite der eingeräumten methodischen Freiheit auch eine eigene Planungsverantwortlichkeit der Institute ist. Andernorts vorgeschlagene Vorgehensweisen, seien es die Vorschläge des FSB46 oder die an die Abwicklungsbehörden gerichteten Kriterien in Art. 6 del. VO 2016/778, dürfen deshalb erst nach kritischer Prüfung in die Sanierungspläne übernommen werden. c) Zuordnung wesentlicher Geschäftsaktivitäten und kritischer Funktionen In einem zweiten Schritt sind die wesentlichen Geschäftsaktivitäten und die kritischen Funktionen gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 innerhalb der Unternehmensstruktur zuzuordnen. Die institutionelle Verortung der Aktivitäten und Funktionen dient einem schnelleren Zugriff in Krisenphasen, etwa als Ansatzpunkt für Sanierungsmaßnahmen, für aufsichtliche Eingriffsmaßnahmen (etwa im Rahmen des frühzeitigen Eingreifens) oder für Abwicklungsmaßnahmen.47 Gerade zur Vorbereitung letzterer Maßnahmen besitzt die Zuordnung auch zentrale Bedeutung für die Abwicklungsplanung. Erforderlich ist eine konkrete Allokation der Aktivitäten und Funktionen zu den in Art. 7 Abs. 2 del VO 2016/1075 näher umschriebenen Entitäten (juristischen Personen oder Zweigstellen) innerhalb des Instituts bzw. der Gruppe. 3. Vernetzungsanalyse Weiterhin fordert § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. c SAG eine Beschreibung der internen und externen Vernetzungsstrukturen. Gemeinsames Ziel dieser Vernetzungs44 So verweist etwa auch der Katalogtatbestand in § 18 Abs. 3 Nr. 8 GWB zur Bestimmung marktmächtiger Unternehmen auf das Kriterium der (Angebots-)Substituierbarkeit. Zu berücksichtigen ist freilich, dass die Bewertungsmaßstäbe des Kartellrechts im Detail abweichen. Eine kartellrechtlich relevante Abhängigkeit der Marktgegenseite vom Angebot des untersuchten Unternehmens liegt etwa nur vor, wenn diese Abhängigkeit gerade markttypisch ist, also nicht nur einzelne Nachfrager betrifft, vgl. nur Fuchs/ Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Begr.), Wettbewerbsrecht, Bd. 2, 6. Aufl. 2020, § 18 GWB Rn. 138, m.w. N. Zwar dürfte auch im hiesigen Zusammenhang eine Abhängigkeit nur einzelner Kunden des jeweiligen Instituts nicht genügen, um eine Kritikalität der Funktion anzunehmen, vgl. FSB, Guidance on Identification of Critical Functions and Critical Shared Services, 16.7.2013, S. 8. Jedoch ist hier denkbar, dass auch bei unmittelbarer Abhängigkeit bloß einzelner (Groß-)Unternehmen mittelbar weitere Unternehmen vom Ausfall der kritischen Funktion (z. B. ein Zahlungssystem) betroffen sein könnten. 45 Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 44 ff.; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 23. 46 Vgl. auch ErwG 9 del. VO 2016/1075, wonach die strategische Analyse der Institute internationalen Standards, wie sie etwa das FSB entwickelt, Rechnung tragen soll. 47 Vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. III.3.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
analyse ist vor allem die Ermittlung potentieller Ansteckungswege, dies sowohl gruppenintern als auch im Verhältnis zu anderen Marktakteuren.48 Die Anforderungen an die interne Vernetzungsanalyse werden in Art. 7 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075 konkretisiert. In ihr sind die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den wesentlichen Entitäten im Sinne des Art. 7 Abs. 2 del. VO 2016/1075 sowie zum Gesamtinstitut bzw. zum übergeordneten Gruppenunternehmen darzustellen. Diese interne Vernetzungsanalyse muss in finanzieller, rechtlicher und operativer Hinsicht sowie unter Einbeziehung etwaiger Vereinbarungen einer gruppeninternen finanziellen Unterstützung erfolgen.49 Die Darstellung der internen Vernetzung ist dabei vor allem relevant für die Bewertung der instituts- oder gruppeninternen Auswirkung von Sanierungsmaßnahmen.50 Die externe Vernetzungsanalyse erfolgt wie eingangs erwähnt vor allem in Interesse der Ermittlung möglicher Ansteckungskanäle im Verhältnis zu anderen Marktakteuren.51 Sie muss mit doppelter Zielrichtung erfolgen, neben einer Darstellung möglicher Ansteckungswege ausgehend vom planenden Institut (bzw. der Gruppe) hin zu anderen Marktakteuren also auch mögliche marktseitige Ansteckungswege hin zum Institut (bzw. zur Gruppe) analysieren.52 Konkret sieht Art. 7 Abs. 1 lit. d del. VO 2016/1075 vor, dass die diesbezügliche Auswertung Angaben enthalten muss (1) zu signifikanten Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber den wichtigsten Gegenparteien, (2) zu signifikanten Finanzprodukten und -dienstleistungen seitens des Instituts bzw. der gruppenangehörigen Unternehmen für andere Finanzmarktteilnehmer und (3) zu signifikanten Dienstleistungen seitens Dritter für das Institut bzw. die gruppenangehörigen Unternehmen. Die Überschneidungen dieser Arbeitsschritte mit der oben beschriebenen
48 Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. Zum ökon. Hintergrund s. o., Abschnitt § 2 A. III. 2. 49 Erläuternd dazu BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. III.4. Missverständlich ist die dortige Überschrift „Gruppeninterne Vernetzung“. Dies deshalb, weil die interne Vernetzungsanalyse auch Einzelinstitute betrifft. Schließlich können auch sie Zweigstellen (rechtlich unselbstständige Betriebsstellen, die institutsbezogene Geschäfte betreiben, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 47 SAG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 CRR) einrichten. S. zu den Dimensionen der internen Vernetzungsanalyse ferner bereits BT-Drs. 17/12601, S. 35 (noch zu § 47a KWG a. F.). 50 S. dazu mit Beispielen Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443; Duwe/Igl, in: Igl/ Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 89 f.; ferner Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 56. Laut Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47a KWG Rn. 8 entsprechen diese Anforderungen den üblichen Darstellungen von Konzernstrukturen im deskriptiven Teil von Insolvenzplänen nach der InsO. 51 Gem. ErwG 9 del. VO 2016/1075 ist die externe Vernetzungsanalyse vor allem zur Prüfung der Pläne am Maßstab des § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG (Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD) erforderlich (s. dazu unten, Abschnitt § 4 A.VIII. 2.). 52 Vgl. bereits BT-Drs. 17/12601, S. 35 noch zu § 47a KWG a. F.
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Identifikation kritischer Funktionen sind augenfällig.53 Diese Verknüpfung sollte auch in der Plangestaltung zum Ausdruck kommen, indem beide Abschnitte inhaltlich eng aufeinander abgestimmt sind.54 4. Kontraktdatenbank Schließlich kann die Aufsichtsbehörde die Institute oder übergeordneten Gruppenunternehmen nach § 13 Abs. 6 SAG auch zur Führung einer Kontraktdatenbank verpflichten.55 Die Entscheidung steht im Ermessen der Aufsichtsbehörde und muss im Benehmen mit der Abwicklungsbehörde erfolgen.56 Eine entsprechende Regelung findet sich für die Abwicklungsplanung in § 42 Abs. 3 SAG, deren Anforderungen wiederum durch die del. VO 2016/1712 erweitert werden.57 Die Kontraktdatenbank ergänzt die ohnehin durch alle Institute bzw. Gruppen vorzunehmende externe Vernetzungsanalyse. Auch sie dient der Ermittlung möglicher Ansteckungskanäle, dies nicht nur ex ante, sondern auch im Stadium einer sich materialisierenden Krise.58 Aus der Legaldefinition des Begriffs der Finanzkontrakte in § 2 Abs. 3 Nr. 21 SAG ergibt sich, dass die Kontraktdatenbank nur solche Finanzbeziehungen protokollieren muss, die das Institut bzw. die Gruppe zu professionellen Marktakteuren unterhält.59 Ausgenommen sind dagegen etwa Verträge im Retail-Kreditgeschäft. Anders als die externe Vernetzungs-
53 Vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. Gem. § 3 Abs. 2 Nr. 38 SAG sind häufig gerade solche Funktionen kritisch für die Stabilität des Finanzsystems, die eine starke „Verflechtung“ aufweisen. Die externe Vernetzungsanalyse ist insoweit also wesentliche Voraussetzung für die Bestimmung kritischer Funktionen. Umgekehrt dürften gerade solche Forderungen, Produkte, Dienstleistungen usw. als „signifikant“ i. S. d. Art. 7 Abs. 1 lit. d del. VO 2016/1075 einzustufen und damit in die Vernetzungsanalyse einzubeziehen sein, deren vollständiger oder teilweiser Ausfall geeignet ist, das Institut bzw. die Gruppe oder deren Gegenparteien zu destabilisieren. 54 Für praktische Darstellungshinweise, auch unter Berücksichtigung der MaRiskRisikosteuerung, s. Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 90 f. 55 Art. 5 Abs. 8 BRRD stellte die Einführung einer derartigen Regelung in das Ermessen der Mitgliedsstaaten. 56 Die Beteiligung der Abwicklungsbehörde soll sicherstellen, dass die Datenbank in ihrer Ausgestaltung den Anforderungen beider Behörden gerecht wird, vgl. BT-Drs. 18/ 2575, S. 148. 57 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1712 der Kommission vom 7.6.2016, ABl. L 258, S. 1 ff. Dazu näher Köhling, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. VI. Rn. 78 ff. Zutreffend gehen Köhling, a. a. O., Rn. 87 und Buchmüller, in: Luz/Neus/ Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 156 davon aus, dass die dortigen Anforderungen in der Praxis als Anhaltspunkt auch für die Einrichtung einer Kontraktdatenbank gem. § 13 Abs. 6 SAG dienen können. 58 BT-Drs. 18/2575, S. 148; vgl. auch Buchmüller, a. a. O., § 13 SAG Rn. 156. Noch ausf. zur Relevanz dieser Analysen auch im Rahmen der laufenden Mikro- und Makroaufsicht unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. a), B. III. 59 Erfasst sind etwa Wertpapier-, Waren- und Terminkontrakte sowie Swap- und Kreditvereinbarungen mit einer Laufzeit von bis zu drei Monaten zwischen Instituten.
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analyse ist Kontraktdatenbank allerdings nicht auf „signifikante“ Vernetzungen beschränkt.60
III. Sanierungsindikatoren und Krisen-Governance Die Krisenmanagementpraxis ist mit der Herausforderung konfrontiert, dass Unternehmenskrisen – gerade in ihrer Frühphase – nur in den seltensten Fällen unmittelbar sinnlich wahrnehmbar geschweige denn eindeutig definierbar sind. Schon der Krisenbegriff selbst, vor allem aber die situative Feststellung einer Krise, ist als soziale Konstruktion vielmehr zwingend von individuell-subjektiven Grenzziehungen abhängig.61 Eine angemessene Unternehmenssteuerung bedarf deshalb bestimmter Abgrenzungstatbestände, deren Erfüllung das Vorliegen einer Unternehmenskrise indiziert, sowie geeigneter Verfahren, die eine laufende Beobachtung der Unternehmenslage vor dem Hintergrund eben dieser Abgrenzungstatbestände erlauben. Weiterhin erforderlich sind Mechanismen, die das weitere Vorgehen regeln, sollte auf dieser Grundlage erst einmal eine stabilitätsbedrohliche Entwicklung diagnostiziert worden sein. Zur Wahrnehmung dieser Funktionen greift das Sanierungsplanungsrecht auf zwei Instrumente zurück: Zum einen verpflichtet es die Institute zur Schaffung eines Systems sog. Sanierungsindikatoren, auf Grundlage derer in den Instituten die Krisendiagnose erfolgen soll (dazu 1). Zudem sieht es die Entwicklung eines krisenbezogenen Handlungsregelwerks vor, dass die weitere Unternehmenssteuerung nach Auslösung dieser Sanierungsindikatoren regelt, hier als Krisen-Governance62 bezeichnet (dazu 2.).63 1. Sanierungsindikatoren Die rechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Sanierungsindikatoren ergeben sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 1 SAG,64 ergänzt durch Art. 5 Nr. 3 60 Praktisch relevant wird die Einrichtung einer Kontraktdatenbank demnach wohl vor allem für solche Institute bzw. Gruppen, bei denen auf Grundlage der allgemeinen externen Vernetzungsanalyse eine intensive Verflechtung mit anderen Marktakteuren erkennbar ist und die dementsprechend eine hohe Systemrelevanz aufweisen. 61 Vgl. Gilpin/Murphy, Crisis Management in a Complex World, S. 13 ff. 62 Ebenso Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 96. Der Begriff der Corporate Governance bezeichnet in der juristischen Diskussion im weitesten Sinne „den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens“, vgl. von Werder, in: Kremer/Bachmann/Lutter/ders. (Hrsg.), DCGK, 8. Aufl. 2021, Teil 2. Einleitung Rn. 1 (m.w. N.). 63 All diese Vorgaben weisen erhebliche Überschneidungen zum regulären Risikomanagement gem. § 25a KWG auf. Auf die diesbezüglichen Einzelheiten, insb. die Verknüpfung der Sanierungsindikatoren mit den sog. Frühwarnindikatoren sowie die Verknüpfung von Regel- und Krisen-Governance, ist erst an späterer einzugehen. S. dazu unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. b). 64 Die Vorschrift setzt Art. 9 und Abschnitt A, Nr. 20 des Anhangs der BRRD um. S. auch schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 2.1 (iii) sowie FSB, Guidance on Recovery Triggers and Stress Scenarios, 16.7.2013.
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lit. b del. VO 2016/1075 und §§ 7, 8 MaSanV. Danach sind Institute und übergeordnete Gruppenunternehmen zur Festlegung qualitativer und quantitativer Indikatoren in den Sanierungsplänen verpflichtet, mithilfe derer die Finanzlage des Instituts bzw. der gruppenangehörigen Unternehmen im Hinblick auf stabilitätsgefährdende Entwicklungen überwacht und etwaiger Sanierungsbedarf identifiziert werden kann. Nachfolgend soll dieses Indikatorsystem zunächst zeitlich im Kontext des Weiteren krisenbezogenen Steuerungsinstrumentariums der BRRD eingeordnet werden (dazu a)), bevor sodann auf die einzelnen inhaltlichen Gestaltungsanforderungen einzugehen ist (dazu b)). a) Zeitliche Einordnung Aufgabe des Indikatorsystems ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG die rechtzeitige Diagnose sog. Krisenfälle.65 Ein Krisenfall ist gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 SAG gekennzeichnet durch eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des betreffenden Unternehmens, deren ungehinderte Weiterentwicklung in eine Gefährdung seines Bestandes münden kann.66 Konkret sind die Indikatoren dahingehend auszugestalten, dass sie eine rechtzeitige Umsetzung der in den Plänen vorgesehenen Handlungsoptionen und eine autonome Bewältigung des Krisenfalls ermöglichen. Wann dies im Einzelnen der Fall ist, kann nur mit Blick auf die jeweils entwickelten Handlungsoptionen bestimmt werden.67 Letztlich kommt es darauf an, dass die Indikatoren zu einem Zeitpunkt anschlagen, in dem der Nutzen der vorgesehenen Handlungsoptionen bei prognostischer Betrachtung noch größer ist als die bereits eingetretene finanzielle Einbuße. Dabei ist die noch nötige Übergangszeit bis zur tatsächlichen Wirkung der jeweiligen Handlungsoptionen ebenso zu berücksichtigen wie etwaige unvorhergesehene Mindereinnahmen aus deren Umsetzung.68 Praktisch führt dies dazu, dass die sog. Sanierungsschwellenwerte in einigem Abstand zu den aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen z. B. an Kapital und Liquidität der Institute festgelegt werden müssen.69 In der Zusammenschau mit dem übrigen krisenbezogenen Instrumentarium der BRRD ergibt sich damit ein Steuerungskonzept in Form einer dreifach abgestuften Eskalationsstufenleiter. Es beginnt mit dem Anschlagen der Sanierungsindikatoren gem. § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG (Sanierungsphase) und führt über ein etwaiges frühzeitiges Eingreifen der Aufsichtsbehörden nach § 36 Abs. 1
65
Vgl. klarstellend § 7 Abs. 1 Satz 2 MaSanV. Zum Begriff der Bestandsgefährdung s. § 63 SAG. Näher dazu Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1393 ff. 67 Ähnl. Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 70. 68 § 7 Abs. 1 Satz 3 MaSanV. 69 Vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 MaSanV; ferner EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/2015/02, 23.7.2015, Rn. 25. 66
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SAG (Frühinterventionsphase) bis hin zur Abwicklung nach §§ 62 ff. SAG (Abwicklungsphase).70 Gerade die zeitliche Abgrenzung der Sanierungs- von der Frühinterventionsphase dürfte aber bei näherer Betrachtung deutlich weniger trennscharf möglich sein, als dies die vorgenannte Abstufung auf Anhieb suggeriert: Ursächlich ist insoweit die Unbestimmtheit der aufsichtsrechtlich definierten Hürden für eine behördliche Frühintervention. Gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG ist diese einerseits dann möglich, wenn (1) eine signifikante Verschlechterung der Finanzlage des Unternehmens eingetreten ist und (2) diese Verschlechterung der Finanzlage einen Verstoß gegen die in KWG, CRR und MiFIR definierten Kapital- und Liquiditätsanforderungen zur Folge hat. Darüber hinaus erlaubt § 36 Abs. 1 Satz 2 SAG ein Eingreifen allerdings auch bereits dann, wenn eine Gesamtbewertung aller maßgeblichen Umstände erwarten lässt, dass eine Verschlechterung der Finanzlage im vorgenannten Sinne erst in naher Zukunft droht.71 Zwar wird der hier eröffneten Entscheidungsfreiheit72 der Aufsichtsbehörden durch die zugehörigen EBA-Leitlinien73 mittlerweile ein gewisser Rahmen gegeben.74 Doch selbst die EBA betont, dass den Behörden auch unter Berücksichtigung der Leitlinien weiterhin ein Spielraum verbleibt, den diese in eigener Verantwortung wahrzu-
70 Deutlich insoweit EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/ 2014/11, 18.7.2014, S. 28; BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, E.3.2 Tz. 1 und BT-Drs. 17/12601, S. 35 (dort noch zu § 47a KWG a. F.). S. ferner z. B. auch Gann, ZfgK 2017, 380, 383 (mit graphischer Darstellung) sowie Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 12 SAG Rn. 5. Laut Goodhart/Segoviano, 25 J. Fin. Reg. 360, 361 (2017) sollten die Sanierungsindikatoren in der Praxis mehrere Monate vor einer etwaigen Abwicklung eingreifen. 71 Die Öffnung des Tatbestandes war nach Abwägung mehrerer Optionen von der Kommission bewusst eingefügt worden, um den zuständigen Aufsichtsbehörden bei der individuellen Sachverhaltsbewertung eine angemessene Freiheit zu belassen, vgl. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 31 ff. 72 Aufgrund des komplexen, wertend-prognostischen Charakters der Entscheidung dürfte der Behörde ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommen. Dazu noch näher unten, Abschnitt § 5 B. III. 3. Vgl. auch Sedlak, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. IV. Rn. 28 (Verf. spricht missverständlich von einem „Ermessensspielraum“). 73 EBA, Leitlinien zu Frühinterventionsmaßnahmen, EBA/GL/2015/03, 29.7.2015. Die in § 36 Abs. 4 SAG in Aussicht gestellte Rechtsverordnung ist bisher nicht ergangen. Es steht zu erwarten, dass diese die EBA-Leitlinien früher oder später ebenfalls in verbindliches nationales Recht übersetzt. 74 Konkret geschieht dies durch eine Verknüpfung der hier verlangten prognostischen Bewertung mit dem sog. SREP-Verfahren, vgl. EBA, Leitlinien zu Frühinterventionsmaßnahmen, EBA/GL/2015/03, 29.7.2015, Rn. 7 ff. Zu beachten sind hier auch die Empfehlungen, die die EBA im Rahmen ihres aktuellen Praxisreports zum Frühinterventionsregime (Art. 27 ff. BRRD) formuliert hat, vgl. EBA, Report on the application of early intervention measures in the European Union in accordance with articles 27–29 of the BRRD, EBA/REP/2021/12, 27.5.2021.
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nehmen haben.75 Gerade weil die Wahrnehmung dieses Spielraumes in tatsächlicher Hinsicht aber regelmäßig mit einer erheblichen Prognoseunsicherheit verbunden ist, steht zu erwarten, dass sich die Behörden in einer Vielzahl der Fälle an den internen Sachverhaltsbewertungen der Institute orientieren werden. Nimmt die Geschäftsleitung einen „Sanierungsfall“ an, dann wird parallel auch die zuständige Aufsichtsbehörde auch von einer Frühinterventionsbefugnis ausgehen.76 Im Ergebnis dürfte dies regelmäßig zu einer zeitlichen Überschneidung beider Phasen führen, seien sie auch konzeptionell voneinander zu unterscheiden. Diese Überschneidung spiegelt auch Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 BRRD wider, wonach Sanierungspläne auch Maßnahmen enthalten sollten, die das Institut im Stadium der Frühintervention umsetzen kann.77 b) Anforderungen an Indikatoren, Indikatorkategorien und -kombinationen Auch jenseits dieser zeitlichen Einordnungsfragen ist die inhaltliche Ausgestaltung des Indikatorsystems umfassend reglementiert. Die maßgeblichen Vorgaben ergeben sich insoweit aus Art. 5 Nr. 3 lit. b del. VO 2016/1075 und §§ 7, 8 MaSanV.78 Übergreifende, für alle Indikatortypen geltende Anforderungen formuliert zunächst § 7 Abs. 4 MaSanV. Danach müssen die Indikatoren die Unternehmensstruktur79 und die instituts- und gruppeninternen Risiken angemessen abbilden, 75 EBA, Single Rulebook Q&A, Frage Nr. 2018_3696, abrufbar unter: https://eba. europa.eu/single-rule-book-qa/-/qna/view/publicId/2018_3696 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 76 Besonders problematisch dürfte aber der umgekehrte Fall sein, in dem sich die Aufsichtsbehörde von der irrigen Fehlannahme der Geschäftsleitung leiten lässt, es liege (noch) kein Sanierungsfall vor. Wohl u. a. auch deshalb mit Kritik an den verbleibenden Spielräumen der Behörden im Rahmen der Frühintervention Alexander, 14 ERA Forum 81, 90 (2013); Singh/Douglas/Guynn, in: Olivares-Caminal/Douglas/Guynn (Hrsg.), Debt Restructuring, 2. Aufl. 2016, Rn. 9.26; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.51. Demgegenüber vor allem eine erhöhte Verantwortlichkeit der Behörden für ihre Krisenentscheidungen fordernd Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 8.30. 77 Vgl. auch ErwG 10 del. VO 2016/1075. 78 Letztere setzen die EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/ 2015/02, 23.7.2015, in verbindliches nationales Recht, vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 30 (Begründung zu § 7). S. zu den nachfolgenden Anforderungen mit Umsetzungsvorschlägen aus bankpraktischer Perspektive Berger/Buchmüller/ Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 96, passim; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 47 ff.; Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 119; s. ferner EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 23 ff. und EBA, Comparative report on governance arrangements and recovery indicators, 5.7.2016 (mit einer Auswertung der Praxis der Institute). 79 Im Einzelnen gehören dazu gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 MaSanV das Geschäftsmodell, die Geschäftsstrategie, die Größe und die Komplexität des Instituts, Elemente die bereits aus der strategischen Analyse bekannt sind.
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ferner nach Anzahl, Art sowie im Hinblick auf die Höhe der Schwellenwerte angemessen sein, um rechtzeitig auf sich verschlechternde Bedingungen in allen für das Institut „relevanten“ Bereichen80 hinzuweisen. Schließlich verlangt § 7 Abs. 4 Satz 4 MaSanV auch die Auswahl sog. zukunftsbezogener Indikatoren, welche nach Auffassung der BaFin dadurch gekennzeichnet sind, dass sie unter Zugrundelegung bestimmter institutsbezogener oder makroökonomischer Annahmen auf künftige Entwicklungen abstellen.81 Ebenfalls aufsichtsrechtlich vorgegeben sind die ökonomischen Bezugspunkte bzw. Messgrößen, die die Indikatoren zu beobachten haben. § 7 Abs. 3 MaSanV fordert insoweit die Einrichtung von Kapital- und Liquiditätsindikatoren, Indikatoren zur Ertragskraft und zur Qualität der Vermögensgegenstände sowie im Regelfall auch marktbasierte und makroökonomische Indikatoren.82 Während § 8 MaSanV diese Indikatorkategorien näher beschreibt,83 enthält Anhang 1 der Verordnung eine Auflistung obligatorischer, Anhang 2 eine Auflistung fakultativer Einzelindikatoren.84 Was schließlich den Auswertungs- und Beobachtungsvorgang betrifft, geht § 7 Abs. 7 Satz 1 MaSanV vom Grundsatz der Einzelbetrachtung aller Indikatoren aus. In begründeten Ausnahmefällen soll gem. § 7 Abs. 7 Satz 2 MaSanV allerdings auch eine kombinierte Betrachtung von Indikatoren zulässig sein, wenn eine Einzelbetrachtung ersichtlich nicht angemessen ist, um Krisenfälle mit hinreichender Sicherheit rechtzeitig zu diagnostizieren. Die Vorschrift trägt damit der Einsicht Rechnung, dass alle Indikatoren jeweils nur bereichsspezifische Auskünfte liefern und sich aussagekräftige Informationen im Hinblick auf einen eventuell bevorstehenden Krisenfall zum Teil erst durch Kombination mehrerer Datensätze ableiten lassen. Die BaFin geht etwa davon aus, dass besonders
80 Relevante Bereiche dürften vor allem die zuvor im Rahmen der strategischen Analyse bestimmten wesentlichen Geschäftsaktivitäten des betreffenden Instituts sein. 81 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 33 (Begründung zu § 7). 82 S. parallel auch Art. 5 Nr. 3 lit. b del. VO 2016/1075. 83 S. ausf. auch Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 119, 125 ff. 84 Vgl. § 7 Abs. 5 MaSanV. Auffällig ist bei näherer Betrachtung der Anhänge zur MaSanV ein klares Übergewicht der quantitativen Indikatoren. Dahinter dürfte die Erwägung stehen, die Unternehmensentwicklung basierend auf Marktstandards so weit wie möglich durch numerische Daten transparent und greifbar zu machen. Gerade weil quantitative Daten den realen Entwicklungen häufig zeitlich nachhinken (vgl. Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.49), dürfte aber parallel auch eine qualitative Marktbeobachtung zentral sein, dies namentlich in den als wesentlich definierten Geschäftsbereichen. Zu Recht weist Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 97 darauf hin, dass die strengeren Anforderungen der MaRisk (BA) 9/2017 an die Risikokultur in den Instituten (AT 3 Tz. 1) auch auf eine größere Bedeutung qualitativer Indikatoren hinwirken könnten (etwa in Form von Risikoeinschätzungen durch Experten oder Risikosteuerungsgremien).
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marktbasierte und makroökonomische Indikatoren85 isoliert nur bedingt zur Krisendiagnose geeignet sein könnten, weil deren Fortentwicklung für die Institute nur mittelbar beeinflussbar sei und sich die Wirkung derartiger Indikatoren bei ihnen häufig nur indirekt oder zeitlich verzögert zeige.86 2. Krisen-Governance Das Anschlagen der Sanierungsindikatoren soll nach der gesetzlichen Konzeption per se allerdings noch nicht zur Umsetzung der in den Plänen vorgesehen Handlungsoptionen führen.87 Eingeleitet wird stattdessen ein spezifisch krisenbezogener Steuerungsprozess, in dessen Rahmen sodann eine eigenständige Entscheidung über das Vorliegen eines Krisenfalls und über die Auswahl geeigneter Sanierungsmaßnahmen zu treffen ist.88 Die aufsichtlichen Anforderungen an diesen Entscheidungsprozess beschränken sich überwiegend auf rein verfahrensbezogene Aspekte (dazu a)). Materielle Kriterien für die in diesem Verfahren zu treffenden Entscheidungen der Geschäftsleitung lassen sich demgegenüber nur mittelbar aus einer Gesamtschau aller einschlägigen Vorschriften ableiten (dazu b)). a) Verfahrensbezogene Vorgaben Die aufsichtlichen Anforderungen an das institutsinterne Verfahren, das nach Anschlagen der Sanierungsindikatoren eingeleitet werden soll, ergeben sich aus 85 Marktbasierte Indikatoren erfassen die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich einer möglichen plötzlichen Verschlechterung der finanziellen Situation des Instituts oder der Gruppe, makroökonomische Indikatoren dagegen mögliche Verschlechterungen der wirtschaftlichen Bedingungen in den für das Institut relevanten Märkten, vgl. § 8 Abs. 5 und 6 MaSanV. 86 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 33 (Begründung zu § 7). Sinnvoll könnte deshalb etwa eine Kombination marktbasierter Indikatoren mit Liquiditätsindikatoren sein. Sie ermöglicht die Beurteilung der Frage, ob sich negative Vertrauenseffekte auf der Marktgegenseite bereits dergestalt verdichten, dass sie Auswirkungen auf die Liquiditätslage des Instituts haben, und kann so zur rechtzeitigen Identifikation von einlegerseitigem Bank-Run-Verhalten oder von Refinanzierungsengpässen am Interbankengeldmarkt beitragen. Denkbar ist zudem auch eine Kombination marktbasierter Indikatoren mit Kapitalindikatoren, dies deshalb, weil Maßnahmen zur Wiederherstellung einer ausreichenden Kapitaldecke (z. B. eine Kapitalerhöhung) in besonderem Maße abhängig sind von einem hinreichenden Gläubigervertrauen, vgl. EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/2015/02, 23.7.2015, Rn. 22. 87 Vgl. deutlich Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b) BRRD, ErwG 8 del. VO 2016/1075 sowie bereits FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.4. S. ferner BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 28 (Begründung zu § 6). 88 Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 89 umschreiben diese Krisen-Governance treffend als „Transmissionsmechanismus“ zwischen Indikatorsystem und Handlungsoptionen. Zum dahinterstehenden Steuerungsansatz noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. II. 2.
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§ 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG, Art. 5 Nr. 3 del. VO 2016/1075 sowie § 6 Abs. 1 MaSanV.89 § 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG selbst ordnet allein die Definition eines Eskalations- und Informationsprozesses an, der intern eine rechtzeitige und umfassende Einbindung der Geschäftsleiterebene und extern eine Information der Aufsichtsbehörde vorsieht. Korrespondierend sieht Art. 5 Nr. 3 lit. a del. VO 2016/1075 vor, dass der Sanierungsplan eine detaillierte Beschreibung der in die KrisenGovernance einbezogenen Personen enthält, die intern zu befolgenden Prozesse und Entscheidungsfristen darstellt und vorsieht, wann und wie die Aufsichtsbehörde über die Erfüllung der Indikatoranforderungen informiert wird. Weitergehende qualitative Vorgaben für den Entscheidungsprozess enthält Art. 5 del. VO 2016/1075 nicht. Anhaltspunkte lassen sich allenfalls aus ErwG 7 del. VO 2016/ 1075 ableiten, wonach die Krisen-Governance gewährleisten muss, dass die Pläne effektiv und zügig umsetzbar sind und auf einer soliden Führungsstruktur basieren. Weiter präzisiert wird dieser Rahmen sodann – wiederum in prozessualer Hinsicht – durch § 6 Abs. 1 MaSanV. Satz 1 der Vorschrift greift zunächst das Erfordernis zur Beteiligung der Geschäftsleiterebene auf und legt fest, dass die Geschäftsleitung nicht nur einzubinden ist, sondern auch unmittelbar über das Ergreifen von Handlungsoptionen zu entscheiden hat.90 Die Regelung ergänzt damit die allgemeine Geschäftsleiterverantwortung für den Prozess der Planerstellung und -umsetzung gem. § 13 Abs. 5 SAG im Außenverhältnis durch eine Zuständigkeit auch im Innenverhältnis.91 Neben diesen internen Vorgaben ordnet § 6 Abs. 1 Satz 3 MaSanV an, dass die Sanierungspläne auch eine unverzügliche und umfassende Information der Aufsichtsbehörde über das Erreichen der Sanierungsschwellenwerte92 und über die getroffene Entscheidung der Geschäftslei89 Ferner schreibt § 7 Abs. 9 MaSanV, gewissermaßen als Voraussetzung dafür, dass die nachfolgenden Prozesse überhaupt in Gang gesetzt werden können, eine regelmäßige Überwachung aller Sanierungsindikatoren vor. S. zum Ganzen ähnlich auch schon die bisherigen Regelungen in MaSan (BA) 3/2014, E.3.1. Tz. 3, E.3.2 Tz. 2. 90 Die Regelung wurde in der Konsultation des ersten MaSanV-Entwurfs seitens der Bankenbranche deutlich kritisiert, vgl. Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme: BaFin-Konsultation 09/2017, 27.9.2017, S. 2. Aus bankpraktischer Sicht zur Einbeziehung auch des Aufsichtsrates in den damit ausgelösten Entscheidungsprozess Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 96, 110, 120. 91 Vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444. Inhaltlich ergänzt diese Ad-hoc-Pflicht zur Beteiligung der Geschäftsleitung die periodischen Berichtspflichten gem. § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. d und lit. e KWG. Sie dürfte, wenngleich § 6 Abs. 1 MaSanV dies nicht explizit ausspricht, auch für die kaum minder bedeutende, vorgelagerte Entscheidung über das Vorliegen eines Krisenfalls gem. § 12 Abs. 1 SAG gelten, die in sachlich engem Zusammenhang mit der Entscheidung über die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen steht. 92 Aus § 6 Abs. 1 MaSanV ergibt sich jedoch keine Berichtspflicht über das Anschlagen der den Sanierungsindikatoren vorgelagerten Frühwarnindikatoren, vgl. auch BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 28 (Begründung zu § 6); ebenso VÖB,
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tung vorzusehen haben.93 Diese Pflicht zur Ad-Hoc-Mitteilung gegenüber der Aufsichtsbehörde ergänzt die Informationspflicht aus § 138 Abs. 1 SAG, die erst im Falle einer drohenden Bestandsgefährdung greift. Ihre Bedeutung erschließt sich im Kontext der behördlichen Eingriffsbefugnisse unter anderem in §§ 36 ff. SAG. Die umfassende Kenntnis der Aufsichtsbehörden über das Anschlagen der Indikatoren, die von der Geschäftsleitung getroffene Entscheidung und deren Entscheidungsgründe ist von essentieller Bedeutung für eine angemessene eigene Krisenreaktion.94 Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Normwortlautes, der eine „umfassende“ Information verlangt, sind insbesondere auch die Entscheidungsgründe der Geschäftsleitung und etwaige in der internen Diskussion ersichtlich gewordene Bedenken an der Entscheidung zu übermitteln.95 Zentrale Voraussetzung für eine angemessene Krisenentscheidung der Geschäftsleitung ist darüber hinaus auch eine hinreichende Informationsgrundlage. Art. 5 Nr. 5 del. VO 2016/1075 verlangt deshalb die Einrichtung eines sog. Management-Informationssystems, das die zeitnahe und zuverlässige Verfügbarkeit aller zur Umsetzung der Sanierungsoptionen erforderlichen Informationen sicherstellen soll. An sich selbstverständlich, müssen die durch dieses System gesammelten Informationen gem. § 6 Abs. 2 MaSanV auch inhaltlich richtig, vollständig und aktuell sein. Praktisch führt dies dazu, dass die Institute – soweit möglich96 – alle für die Sanierungsentscheidung relevanten Parameter (z. B. realisierbare Marktpreise bzw. Kurswerte bei Asset-Verkäufen oder Kapitalerhöhungen) regelmäßig überprüfen und auf dem aktuellen Stand halten müssen.97
Sanierungsplanung, S. 26 (dort noch zu MaSan (BA) 3/2014). Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Krisenzeitraum, der nicht durch eine Einflussnahme der Aufsichtsbehörde überlagert wird, auf die Phase zwischen dem Anschlagen der Frühwarn- und der Sanierungsschwellenwerte beschränkt ist. Zum kooperativen Entscheidungsmodus in der Phase ab Anschlagen der Sanierungsindikatoren noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. IV. 2. 93 Die Regelung dürfte zugleich auch die Anforderungen aus EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 488 (Meldepflicht bei Unterschreitung von Liquiditätsanforderungen) erfüllen. 94 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 29 (Begründung zu § 6). 95 Die Berichtspflicht erstreckt sich daneben auch auf die vorgelagerte Entscheidung über das Vorliegen eines „Krisenfalles“ gem. § 12 Abs. 1 SAG. Denn nach Sinn und Zweck der Vorschrift sollen die Aufsichtsbehörden über alle für ihre eigenen Aufsichtsentscheidungen bewertungsrelevanten Umstände informiert werden. Dazu gehört eben auch der Umstand, ob die Institute aus dem Überschreiten der Schwellenwerte das Vorliegen eines Krisenfalles ableiten oder dies, möglicherweise ohne angemessenen Grund, ablehnen oder verzögern. Anders aber, wenngleich noch auf Grundlage von MaSan (BA) 3/2014, E.3.2. Tz. 2, Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 109. 96 S. zu den diesbezüglichen Grenzen der Informationsbeschaffung durch die Institute unten, Abschnitt § 5 A., B. IV. 97 Vgl. ähnl. auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 88 (dort mit Blick auf Art. 22 Abs. 3 del. VO 2016/1075 zur Abwicklungsplanung). Die Frage demge-
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Hervorzuheben bleibt schließlich wiederum das Folgende: Soweit den Instituten ausgehend von den genannten Regelungen Spielräume bei der näheren Prozessgestaltung verbleiben, korrespondiert mit diesen Freiräumen eine entsprechende Erläuterungs- und Begründungspflicht.98 Ausgehend von der Funktion des Sanierungsplans, der vor allem auch Informationsmedium für die Aufsichtsbehörden ist, sollten die von den Instituten angeführten Erläuterungen auch eine kritische Analyse der gewählten Arrangements, einschließlich etwaiger verbleibender Schwachstellen, enthalten.99 b) Materielle Vorgaben Weniger explizite Vorgaben enthält der Rechtsrahmen demgegenüber zu der Frage, an welchen inhaltlichen Kriterien sich die Sanierungsentscheidung der Geschäftsleitung zu orientieren hat. Entsprechende Kriterien lassen sich nur aus einer Gesamtschau aller einschlägigen Vorschriften ableiten: Anknüpfungspunkt ist auch hier § 13 Abs. 5 SAG, der die Geschäftsleiterverantwortlichkeit auch auf die „Umsetzung“ des Sanierungsplans erstreckt. Insoweit wurde bereits deutlich, dass darunter keinesfalls die automatische, ungeprüfte Aktivierung der im Plan vorgesehenen Handlungsoptionen zu verstehen ist. Vielmehr verdeutlicht Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD, dass das Anschlagen der Sanierungsindikatoren zu einer neuerlichen Prüfung verpflichtet, ob und gegebenenfalls welche Krisenmaßnahmen tatsächlich zu treffen sind. Alleiniger Bewertungsmaßstab, den die Vorschrift in diesem Zusammenhang bereitstellt, ist das Kriterium der „Angemessenheit“.100 Man wird die Regelung zunächst im Zusammenhang mit der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Pflichtenstellung der Geschäftsleitung sehen müssen. Handlungsleitend ist damit – wenn nicht vorrangig, so doch zumindest auch – dasjenige, was für eine effektive Sanierung des Unternehmens und seine langfristige Wertmaximierung dienlich ist.101 Darüber hinaus genüber noch offenlassend Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 106 f. (dort zur Vorgängerregelung in MaSan (BA) 3/2014, E.3.6.). 98 Art. 5 del. VO 2016/1075 verdeutlicht dies, indem er eine „ausführliche“ bzw. „detaillierte“ Beschreibung der Unternehmensführung und des Indikator-Systems fordert. S. auch Art. 17 Nr. 1 lit. c del VO 2016/1075. 99 S. dazu auch noch allgemeiner unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb). S. mit praktischen Vorschlägen zur Umsetzung aller vorgenannten Rahmenvorgaben Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 96, passim; Brechfeld/ Weber, MaSan, S. 36 ff.; Janus, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 57, 81 ff.; Braun, in: a. a. O., S. 213, 215 ff.; Baumgarten, in: a. a. O., S. 226, 238 ff.; ferner wiederum EBA, Comparative report on governance arrangements and recovery indicators, 5.7.2016. 100 Vgl. Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 lit. a und b BRRD (mit der Formulierung „Maßnahmen, [die] das Leitungsorgan des Instituts [. . .] als angemessen betrachtet.“ [Hervorhebung nur hier]). 101 Dies dürfte ungeachtet der vielschichtigen Diskussion um die Zielvorgaben des Vorstands- bzw. Geschäftsführerhandelns allgemein anerkannt sein. S. mit instruktiver
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ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Begriff der Angemessenheit ein aufsichtsrechtlicher Begriff ist. Als solcher ist er maßgeblich im Lichte der übergeordneten Zielsetzungen des Sanierungsplanungsrechts zu lesen. Dazu gehört namentlich, neben dem Ziel einer (Re-)Stabilisierung des Instituts (§§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG), auch das Ziel einer möglichst weitgehenden Vermeidung negativer Externalitäten (§ 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG). Ebenso wie im Rahmen der Planung selbst,102 müssen deshalb alle in Betracht kommenden Krisenreaktionen im Hinblick auf ihre systemischen Folgewirkungen hin untersucht und im Zweifel diejenigen Maßnahmen gewählt werden, die die Stabilität anderer Marktakteure bzw. des Finanzsystems im Ganzen möglichst wenig beeinträchtigen.103 Die darin zum Ausdruck kommende Indienstnahme für dritt- bzw. systembezogene Interessen erscheint deshalb sachgerecht, weil eine vollständig zentralisierte Krisensteuerung durch die Behörden vor allem in systemischen Krisen geradezu zwingend auf Grenzen stößt. Das erweiterte Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter fungiert also auch als Ausgleich für strukturell begrenzte Aufsichtsressourcen.104 Insgesamt wird man bei den danach erforderlichen Bewertungen von einer Indizwirkung der Inhalte des Sanierungsplans ausgehen müssen. Explizit zum Ausdruck gebracht hat dies der Gesetzgeber in ErwG 54 BBRD zwar nur für die Abwicklungsplanung.105 Danach sollen die Abwicklungsbehörden bei der Abwicklung die in den Abwicklungsplänen „vorgesehenen Maßnahmen berücksichtigen und befolgen, es sei denn, [sie] gelangen unter Berücksichtigung der Sachlage zu der Einschätzung, dass die Ziele der Abwicklung sich mit Maßnahmen, die in den Abwicklungsplänen nicht vorgesehen sind, besser erreichen lassen“. Die zugrundeliegenden Wertungen – Versachlichung und Strukturierung der Entscheidungsfindung, Verhaltenskoordinierung sowie erhöhte Vorhersehbarkeit der Einführung in den Meinungsstand um interessenmonistische und -pluralistische Zielkonzepte z. B. Fleischer, in: Spindler/Stilz (Hrsg.), AktG, Bd. 1, 4. Aufl. 2019, § 76 Rn. 21 ff. In Notlagen greifen überdies besondere, auch gläubigerschützende, Pflichten (§ 92 AktG). 102 Vgl. u. a. Art. 10 Nr. 2, 19 del. VO 2016/1075. 103 All dies dürfte – selbst aus Sicht eines interessenmonistischen Shareholder-ValueAnsatzes – regelmäßig auch im ureigenen Gesellschaftsinteresse sein. Denn aufgrund der starken Vernetzung aller Marktakteure, ist eine langfristige Sanierung des Instituts nur in stabilem Marktumfeld sicher möglich, vgl. Thiele, Finanzaufsicht, S. 216. Denkbar ist ein Auseinanderfallen beider Maßstäbe allenfalls dort, wo das eigene Krisenverhalten lediglich auf solchen Märkten bzw. Marktsegmenten zu destabilisierenden Folgewirkungen führt, die für das Wohlergehen des eigenen Unternehmens von stark untergeordneter Bedeutung sind. 104 Die hier vorgeschlagene Auslegung des § 13 Abs. 5 SAG steht auch im Einklang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Im Bereich der Eingriffsverwaltung ist er bereits dann gewahrt, wenn sich der konkrete Gehalt eines unbestimmten Rechtsbegriffes erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt (s. dazu die Nachweise in § 5 Fn. 430). 105 A. A. aber de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.14., 10.16.
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Reaktionen – sind aber übertragbar auch auf die Aktivierung der Sanierungspläne.106 Naturgemäß stellt diese Pflichtenstellung die Geschäftsleitung in der Praxis vor erhebliche Probleme. Einerseits dürften sämtliche Sanierungsentscheidungen, gerade in einem volatilen Marktumfeld, von einer erheblichen Restunsicherheit geprägt sein.107 Andererseits verfügen die Institute nur begrenzt über die entscheidungsrelevanten systembezogenen Informationen. Wie später zu sehen sein wird, setzt das Sanierungsplanungsrecht hier auf einen kontinuierlichen Informationsaustausch zwischen der Institutsgeschäftsleitung und den zuständigen Aufsichtsbehörden.108
IV. Handlungsoptionen zur Krisenbewältigung Kernbestandteil des gesamten Sanierungsplans ist der Planabschnitt, der sich mit den krisenbezogenen Handlungsoptionen des Instituts auseinandersetzt. In ihm werden sämtliche finanzwirksamen Maßnahmen benannt und analysiert, die in zukünftigen Stresssituationen zur Sanierung des Unternehmens beitragen können. Die gesetzlichen Anforderungen an diesen Planabschnitt ergeben sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 3–5 SAG sowie Art. 8–12 del. VO 2016/1075.109 Weitere Anhaltspunkte für die Planungspraxis enthalten schließlich auch die Art. 18 und 19 del. VO 2016/1076. Die dort aufgelisteten Bewertungskriterien sind zwar formal betrachtet nur an die Aufsichtsbehörden gerichtet. Gerade weil die Vorschriften aber den behördlichen Erwartungshorizont in der Planbewertung maßgeblich beeinflussen, sollten sie auch bei der Gestaltung des ersten Planentwurfes bereits frühzeitig berücksichtigt werden. Die nachfolgende Darstellung orientiert sich im Aufbau an der Systematik des § 13 Abs. 2 SAG. Letzterer verlangt in Nr. 3 die Darstellung sämtlicher Handlungsoptionen, die im Krisenfall zur Sicherung oder Wiederherstellung der finanziellen Solidität des Instituts zur Verfügung stehen (dazu 1.). Diese Handlungsoptionen sind laut Nr. 4 im Hinblick auf ihre institutsinternen und externen Auswir106 S. dazu noch ausf. unten, Abschnitt § 5 B. II. 2. Ähnl. wie hier i. E. auch FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.4 („Recovery and Resolution Plans should serve as a guidance to firms and authorities.“); FSB, Guidance on Recovery Triggers and Stress Scenarios, 16.7.2013., S. 8 („[. . .] triggering event usually results in the firm taking a recovery action [. . .]“), Hervorhebungen jeweils nur hier. Wohl zu weit gehend und pauschal aber de Gioia Carabellese/Zhang, I.C.C.L.R. 380, 398 (2019) (Umsetzung der genehmigten Inhalte des Sanierungsplanes sei ein „compelling piece of evidence [. . .] of the correct conduct of the directors“, mit der Folge, dass eine ordnungsrechtliche Haftung der Geschäftsleitung entfalle; ähnl. ebenda auch zur privatrechtlichen Organhaftung). 107 Zum Umgang mit derartigen Restunsicherheiten s. u., Abschnitt § 5 C. III. 108 Zum Ganzen ausf. unten, Abschnitt § 5 A. I. und II. sowie § 5 B. IV. 1. 109 S. zu letzteren wiederum die ausf. Anmerkungen in BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.
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kungen zu untersuchen (dazu 2.). Schließlich verlangt Nr. 5 eine Untersuchung etwaiger Hindernisse bei der Umsetzung der Handlungsoptionen (dazu 3.).110 1. Anforderungen an die sanierungsbezogenen Handlungsoptionen a) Begriff der Handlungsoption Der in § 13 Abs. 2 Nr. 3–5 SAG verwendete Begriff der Handlungsoption wird weder vom SAG noch durch die del. VO 2016/1075 ausdrücklich definiert. Aus dem Gesamtkontext der Regelungen ergibt sich jedoch, dass darunter alle finanzwirksamen Krisenbewältigungsmaßnahmen privatwirtschaftlicher Art zu verstehen sind, die von den Instituten nach Eintritt eines Krisenfalls zur Erfüllung des Sanierungszwecks angewandt werden können.111 Jedenfalls auf den ersten Blick unklar ist auch der nähere Zuschnitt, mit dem der Gesetzgeber den Begriff der Handlungsoptionen verwendet. Die MaSan (BA) 3/2014 gingen insoweit noch von einem Ansatz aus, der die krisenbezogenen Handlungsoptionen grundsätzlich in Form finanzwirksamer Einzelmaßnahmen dachte. Potentielle Handlungsoptionen waren danach etwa Rekapitalisierungsoder Kapitalerhaltungsmaßnahmen, ferner z. B. Maßnahmen zur Restrukturierung von Verbindlichkeiten oder zum Abbau risikogewichteter Aktiva.112 Demgegenüber scheint Art. 9 del. VO 2016/1075 heute ein weitergehendes Konzept zugrunde zu legen. Denn ausweislich Abs. 1 der Norm sind im Hinblick auf jede Sanierungsoption113 Angaben dazu zu machen, ob diese eine oder mehrere der in lit. a bis e bezeichneten finanzwirksamen Einzelmaßnahmen enthält (z. B. Kapital- und Liquiditätsmaßnahmen, Maßnahmen zum Risikoabbau und zur Restrukturierung von Verbindlichkeiten usw.). Die Norm legt damit das Verständnis nahe, dass Sanierungsoptionen heute jedenfalls grundsätzlich als krisenbezogene Maßnahmenpakete zu konzipieren sind. Eine Planung in Einzelmaßnahmen soll gem. Art. 9 Abs. 2 del. VO 2016/1075 hingegen nur erfolgen, wenn und soweit eine Maßnahmenkombination aus Sicht der Institute nicht sinnvoll möglich ist. 110 S. mit bankpraktischen Umsetzungsvorschlägen zu allen nachfolgend skizzierten Anforderungen Brechfeld/Weber, MaSan, S. 59 ff.; Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 148; Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131. S. mit einer Zusammenfassung der Planungspraxis der europäischen Institute und Best-Practice-Vorschlägen EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017; EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 7 ff.; knapp auch Bayer/Suchy, BaFin Journal 3/2018, 22, 23. 111 Der Ausschluss öffentlicher Maßnahmen folgt aus § 13 Abs. 3 SAG. Vgl. auch EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 7; ferner Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 42; Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443; Chattopadhyay, WM 2013, 405, 407. 112 Vgl. BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, E.3.1. Tz. 1. 113 Der Begriff der „Sanierungsoption“ in Art. 8 ff. del. VO 2016/1075 entspricht dem der „Handlungsoption“ in § 13 Abs. 2 SAG, vgl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 59.
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Die BaFin hat dieses in Art. 9 del. VO 2016/1075 zum Ausdruck kommende Planungsverständnis bis auf Weiteres nicht aufgegriffen. Stattdessen legt sie die Vorschrift einschränkend dahingehend aus, dass nicht jede Sanierungsoption, sondern nur die im Plan vorgesehenen Sanierungsoptionen in ihrer Gesamtheit, Angaben zu den in lit. a bis e genannten Einzelregelungen und -maßnahmen enthalten müssen.114 b) Ziele und allgemeine Anforderungen Aussagen zur Zielorientierung und zu den übergreifenden Anforderungen an die Handlungsoptionen enthalten § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG und Art. 8 del. VO 2016/1075. Die Vorgaben zur Zielorientierung der Sanierungsoptionen spiegeln im Wesentlichen die duale Zielkonzeption wider, die § 13 Abs. 4 SAG auch für den gesamten Sanierungsplan formuliert. Gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG sind die Handlungsoptionen darauf ausgerichtet sind, im Krisenfall die finanzielle Stabilität des Instituts zu sichern oder wiederherzustellen. Der Begriff dürfte dabei synonym mit dem Begriff der finanziellen Solidität im Sinne des § 13 Abs. 4 SAG zu verstehen sein. Die Anwendung der Handlungsoptionen muss folglich darauf abzielen, den in § 12 Abs. 1 SAG beschriebenen Krisenfall abzuwenden, und letztlich eine finanzielle Sanierungskapazität entfalten, die die Entwicklungstendenz hin zu einer Bestandsgefährdung unterbricht und das Institut in den Zustand versetzt, der vor Anschlagen der Sanierungsindikatoren bestand.115 Gleichzeitig 114 Zur Begründung verweist sie auf Normzweck von Art. 9 del. VO 2016/1075 und auf Art. 8 Abs. 2 del. VO 2016/1075, wonach der Sanierungsplan ein breites Spektrum an Sanierungsoptionen umfassen muss, vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.1. Zustimmend auch Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 30; Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 148, 153 sowie Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 43 (letzterer unter Berufung auf die Normhistorie und mit der Erwägung, dass auch das Interesse an einer Kombinierbarkeit der Sanierungsoptionen es gebiete, diese im Ausgangspunkt „schlank“ zu gestalten). Wenn in der Sanierungspraxis aber tatsächlich eine kombinierte Anwendung mehrerer Einzelmaßnahmen zu erwarten ist (vgl. Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.11, dort zur Anwendung von Abwicklungsinstrumenten, wohl aber übertragbar; s. ferner Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131, 133), dann könnte eine wortlautgetreue Anwendung des Art. 9 del. VO 2016/1075 gerade deshalb sinnvoll sein, weil sie auch bereits ex ante auf eine Vorbereitung in möglichen Maßnahmenkombinationen hinwirkt. Die spätere Bewegungsfreiheit des Instituts wird durch eine solche „Planung in Sanierungskonzepten“ nicht eingeschränkt, zumal die Geschäftsleitung in der Krise keineswegs an den Plan gebunden ist, sondern die darin enthaltenen Einzelmaßnahmen situativ flexibel auch anders kombinieren oder isoliert umsetzen kann. Sollte eine Integration einer oder mehrerer der in Abs. 1 genannten Maßnahmen schließlich für die Entwicklung der jeweiligen Sanierungsoption tatsächlich einmal in jeder Hinsicht untunlich sein, dann eröffnet Abs. 2 den Raum, um auf solche Maßnahmen zu verzichten. 115 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 40 (Begründung zu § 9); ferner Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1391 f. („stabile finanzielle Lage“).
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
137
sind die Sanierungsoptionen ausweislich § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG aber auch so auszugestalten, dass ihre Anwendung negative Externalitäten für das Gesamtfinanzsystem möglichst weitgehend vermeidet. Art. 19 del. VO 2016/1075 greift diese Anforderung auf und benennt diesbezügliche Bewertungskriterien. Inhaltlich muss der Planabschnitt gem. Art. 8 Abs. 2 del. VO 2016/1075 ein „breites Spektrum“ von Handlungsoptionen beschreiben, die nach vernünftigem Ermessen einen Beitrag für den Sanierungserfolg leisten können.116 Die Breite des gebotenen Maßnahmenspektrums, die wohl bewusst nicht durch eine gesetzliche Mindestanzahl unterlegt wurde, lässt sich dabei anhand von vier Kriterien konkretisieren: Zum einen muss die Anzahl der Sanierungsoptionen gem. Art. 17 Nr. 3 lit. b del. VO 2016/1075 die individuellen Struktureigenschaften (Geschäftstätigkeit, Größe, Verflechtung usw.) des Instituts reflektieren. Weiterhin muss das Portfolio gem. Art. 18 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 so ausgestaltet sein, dass es wirksame Reaktionsmöglichkeiten auf alle ex ante denkbaren Krisensituationen enthält. Damit eng verbunden muss die Anzahl der verfügbaren Sanierungsoptionen gem. Art. 18 Abs. 2 lit. b del. VO 2016/1075 erwarten lassen, dass in der Krisensituation eine hinreichend zeitnahe Krisenbewältigung möglich erscheint. Schließlich muss dem Institut in der Krise eine hinreichende Handlungsflexibilität verbleiben. Dies ist gem. Art. 19 Nr. 3 del. VO 2016/1075 namentlich dann von hervorgehobener Bedeutung, wenn durch die gleichzeitige Sanierung mehrerer Institute die Gefahr negativer Markteffekte droht. Was den Anwendungszeitpunkt der Maßnahmen betrifft, sieht Art. 8 Abs. 4 del. VO 2016/1075 vor, dass der Katalog Maßnahmen umfassen muss, die sowohl nach Aktivierung der Krisen-Governance aber auch im Rahmen des ordentlichen Geschäftsbetriebs umsetzbar sind.117 Mit Blick auf ihre Tragweite dürfen die Handlungsoptionen nicht allein deshalb ausgeschlossen werden, weil ihre Umsetzung in eine grundlegende Änderung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens münden würde.118 Die Darstellung der Sanierungsoptionen betreffend schreibt Art. 8 Abs. 1 del. VO 2016/1075 schließlich vor, dass die Sanierungsoptionen zunächst aufzulisten und sodann einzeln zu bewerten sind. Die Beschreibung der Optionen hat sich gem. Art. 8 Abs. 3 del. VO 2016/1075 an den Bewertungsbedürfnissen der Aufsichtsbehörden zu orientieren.119 116 S. auch Art. 5 Abs. 6 Satz 1 BRRD. Dazu auch EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 7 ff. 117 Eine Auslegung der Norm im Lichte von Art. 5 Abs. 5 UAbs. 2 BRRD gebietet dabei, dass erstere Maßnahmen zumindest teilweise auch in der Frühinterventionsphase (§§ 36 ff. SAG) umsetzbar sein müssen. 118 Insofern unterscheiden sich die Handlungsoptionen in den Sanierungsplänen von den Maßnahmen, die etwa in der ICAAP-Kapitalplanung für adverse Szenarien vorzusehen sind. S. dazu noch unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) cc). 119 In Übereinstimmung mit den anderen Planabschnitten und unter Berücksichtigung von Art. 17 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075 ist dementsprechend eine umfassendere, alle internen Annahmen, Erwägungen und Bedenken reflektierende Analyse geboten.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
c) Kategorien von Einzelmaßnahmen Aussagen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Sanierungsoptionen trifft sodann Art. 9 del. VO 2016/1075.120 Wie bereits eingangs dargestellt zeigt sich hier, dass die Sanierungsoptionen vom Gesetz – zumindest im Ausgangspunkt – als kombinierte Maßnahmenpakete verstanden werden, deren Einzelelemente in ihrem Zusammenwirken auf das Erreichen des Sanierungserfolges hinwirken sollen. Dazu typisiert Art. 9 Abs. 1 del. VO 2016/1075 in lit. a bis e die denkbaren sanierungsbezogenen Einzelmaßnahmen im Hinblick auf ihre Zielsetzung und die ihr zugrundeliegenden finanziellen Ansatzpunkte. Der Katalogtatbestand kann dabei freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Vielzahl der praktisch denkbaren Einzelmaßnahmen in ihrer Wirkung mehrere der dort genannten Effekte erzeugen werden und demgemäß auch multifunktional zum Einsatz kommen können.121 Die einschlägigen Vorschriften machen explizit keine inhaltlichen Vorgaben dergestalt, dass den Instituten spezifische Einzelmaßnahmen als Bestandteile der Sanierungsoptionen vorgeschrieben werden. Die Auswahl der konkreten Maßnahmen liegt stattdessen im Kernbereich der in ErwG 39 BRRD zum Ausdruck kommenden Planungsautonomie der Institute. Dementsprechend sieht Art. 9 Abs. 2 del. VO 2016/1075 auch allein eine Prüf- und Begründungspflicht im Hinblick auf den Katalogtatbestand in Abs. 1 vor. Dort, wo die Integration der genannten Elemente im Hinblick auf die jeweilige Sanierungsoption nicht opportun erscheint, kann diese entfallen. Diese Comply-or-Explain-Lösung führt faktisch dazu, dass die Institute bei der Ausgestaltung ihrer Krisenbewältigungsmaßnahmen stets alle Sanierungsdimensionen berücksichtigen müssen, gleichzeitig aber durch flexible Gestaltungen den individuellen Erfordernissen ihres Instituts Rechnung tragen können. Zudem trägt sie dazu bei, bei der Suche nach optimalen Sanierungslösungen unter Mitwirkung der Aufsichtsbehörden eine institutsübergreifende Best-Practice-Kultur voranzutreiben.122 2. Auswirkungsanalyse Für jede der vorgeschlagenen Handlungsoptionen ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 4 SAG und Art. 10 del. VO 2016/1075 eine sog. Auswirkungsanalyse bzw. Folgenabschätzung durchzuführen, die sowohl die internen als auch die externen Wirkungen ihrer Umsetzung beleuchtet. 120 Die Vorschrift setzt die Vorgaben aus Anhang A Nr. 4, 10–15 BRRD um. Für Aufzählungen denkbarer Maßnahmen s. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Annex 1. 121 Ähnl. noch zu den MaSan (BA) 3/2014 Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131, 132. 122 S. zu diesem allg. Merkmal der Sanierungsplanung wiederum noch ausf. unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb).
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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Die Auswirkungs- und Umsetzungsanalysen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 4, 5 SAG, Art. 10 f. del. VO 2016/1075 sind dabei im Kontext mit den szenariobasierten Belastungsanalysen nach § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG zu sehen. Während letztere der Überprüfung des Plans anhand exemplarischer Krisenverläufe dienen, sind erstere auf eine von spezifischen Fallkonstellationen abstrahierte, eher strukturelle Betrachtung ausgerichtet.123 Methodisch sind die Institute bei der Durchführung der Auswirkungsanalyse im Rahmen allgemeiner Zweckmäßigkeitserwägungen124 grundsätzlich frei.125 Art. 10 Nr. 3 del. VO 2016/1075 sieht allein vor, dass alle bewertungsrelevanten Annahmen, einschließlich solcher über die Marktfähigkeit von Vermögenswerten oder das Verhalten anderer Finanzinstitute, detailliert zu beschreiben sind.126 a) Interne Auswirkungsanalyse Die interne Auswirkungsanalyse betrifft gem. Art. 10 Nr. 1 del. VO 2016/1075 eine Bewertung der finanziellen und operativen Wirkungen, die aus der Umsetzung der Handlungsoptionen für das Institut resultieren.127 Sofern relevant und ex ante möglich, sind dabei die an der Umsetzung der Maßnahmen beteiligten oder von deren Wirkung betroffenen gruppenangehörigen Unternehmen explizit zu benennen. Die gruppenbezogene Analyse ist von Bedeutung, um etwaige negative Folgen für einzelne Gruppengesellschaften zu antizipieren und so auch die Stabilität kritischer Funktionen und Kerngeschäftsbereiche zu gewährleisten.128 Die Auswirkungen der Handlungsoptionen sind maßgeblich abhängig vom finanziellen Sanierungsertrag, den sie bei prognostischer Betrachtung in einer 123
ErwG 10 del. VO 2016/1075; BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI. und
VII. 124 Entsprechend dürfte auch die Empfehlung in BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.2. zu verstehen sein, wonach anerkannte Methoden der Rechnungslegung und betriebswirtschaftliche Bewertungsmethoden zugrunde gelegt werden sollen. 125 S. mit praxisbezogenen Handreichungen nochmals die Nachweise oben, § 4 Fn. 110. 126 Die umfassende Offenlegung der Methodik erleichtert eine Tauglichkeitsprüfung durch die Aufsichtsbehörden und zwingt auch die Institute zu einer selbstkritischen Analyse ihrer eigenen Planungsleistungen. Ähnl. den anderen Planabschnitten dürfte deshalb auch hier eine Beschreibung geboten sein, die methodische Grenzen und potentielle Schwächen aktiv aufgreift und thematisiert. Das Bedürfnis ausführlicher methodischer Erläuterungen betonend auch EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 10. S. dazu auch noch unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb). 127 Als Minimalanforderung nennt die Norm als Bezugspunkte der Analyse die Solvenz, Liquidität, Finanzierungspositionen, Profitabilität und Tätigkeiten der vom Plan erfassten Unternehmen. Für Hinweise zur Beschreibung der Optionenwirkungen s. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.2. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 67 empfiehlt ergänzend auch eine Darstellung der Auswirkungen auf andere Kennziffern (Leverage Ratio, Liquidity Coverage Ratio, Net Stable Fundings Ratio, Säule-II-Kapitalanforderungen). 128 Vgl. Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 205.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
Stresssituation zu generieren vermögen. Da die Handlungsoptionen ausweislich Art. 9 del. VO 2016/1075 grundsätzlich als Maßnahmenkombinationen zu konzipieren sind bzw. als solche konzipiert werden können, sollte die Auswirkungsanalyse zwingend auch potentielle Wechselwirkungen129 zwischen den finanzwirksamen Einzelmaßnahmen berücksichtigen. Zu untersuchen ist insbesondere, wie durch das Zusammenwirken der Maßnahmen positive Synergieeffekte entstehen oder, umgekehrt, inwiefern sich die Maßnahmen in ihrer Wirkung gegenseitig hemmen können.130 In engem Zusammenhang mit dieser internen Auswirkungsanalyse enthält Art. 12 del. VO 2016/1075 nähere inhaltliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Handlungsoptionen. So ist gem. Abs. 1 zu bewerten, wie die Umsetzung der Handlungsoption die Kontinuität der Geschäftstätigkeiten gewährleistet. Die Norm setzt damit implizit voraus, dass die Auswirkungsanalyse keinesfalls eine Gefahr für die Geschäftskontinuität erwarten lassen darf. Ist dies der Fall, so steht dies einem Sanierungshindernis gem. Art. 11 Abs. 1 del. VO 2016/1075 gleich.131 Abs. 2 konkretisiert diese Pflicht durch Angabe weiterer Kriterien. Die Bewertung muss unter Angabe eines optionenspezifischen Zeitplans132 deutlich machen, wie einerseits ein kontinuierlicher Zugang des Instituts zu betriebsrelevanten Finanzmarktinfrastrukturen gewährleistet und andererseits die für eine Fortführung des Betriebs erforderlichen Ressourcen (insbesondere personeller, infrastruktureller und informationstechnischer Art) aufrechterhalten werden.133 Die Kontinuitätsanalyse gem. Art. 12 Abs. 1, 2 del. VO 2016/1075 ist dabei insbesondere abzugrenzen von dem gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG zu erstellenden Notfallkonzept. Während erstere spezifisch auf die Unternehmensfortführung im Krisenfall gem. § 12 Abs. 1 SAG bezogen ist, soll letzteres die Kontinuität des Geschäftsbetriebs jenseits solcher Krisenphasen sicherstellen. Beide Regelungen betreffen damit unterschiedliche Zeitpunkte im Betriebszyklus der Institute, überschneiden sich also gerade nicht.134 Insgesamt sind die vorgenannten Anforderungen des Art. 12 del. VO 2016/1075 unabdingbare Voraussetzung 129
Dazu Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131, 132 f. Die Darstellung potentieller Wirksamkeitshemmnisse, die aus solchen wechselseitigen Abhängigkeiten resultieren, kann freilich auch erst im Rahmen der Durchführbarkeitsanalyse gem. Art. 11 del. VO erfolgen. Dies entspricht wohl auch der Praxis einiger Institute, vgl. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Rn. 89. 131 Vgl. EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 38. 132 Art. 12 Abs. 2 lit. c del. VO 2016/1075. 133 Zur Einbindung externer IT-Dienstleister s. Beinhauer, ZfgK 2013, 393. 134 Vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.4.; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 72. Anders offenbar Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 85; Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung S. 131, 135 (Fn. 8). Zu den gleichwohl bestehenden funktionalen Ähnlichkeiten beider Instrumente und dem Bedürfnis ihrer Abstimmung unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. c) aa). 130
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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dafür, dass der Sanierungsplan die von § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG geforderte nachhaltige Krisenbewältigung erwarten lässt.135 Erwähnung verdient schließlich die Tatsache, dass § 13 Abs. 2 Nr. 4 a. E. SAG explizit auch eine arbeitnehmerbezogene Auswirkungsanalyse fordert.136 Die Vorgabe dürfte weniger dem Arbeitnehmerschutz im engeren Sinne dienen, sondern wiederum im Zusammenhang mit der übergeordneten Zielbestimmung in § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG zu sehen sein, mithilfe des Plans eine schnelle und wirksame Restabilisierung des Instituts zu ermöglichen. Relevant wird die arbeitnehmerbezogene Auswirkungsanalyse vor allem bei Restrukturierungsmaßnahmen, die mit einem Personalabbau einhergehen. Der Sanierungsplan muss hier bereits antizipierend die im Falle einer Restrukturierung entstehenden arbeitsrechtlichen Pflichten, darunter insbesondere Verfahrens- und Beteiligungserfordernisse, berücksichtigen.137 b) Externe Auswirkungsanalyse Die Auswirkungsanalyse hat sich gem. § 13 Abs. 2 Nr. 4 SAG ferner auch auf externe Stakeholder jenseits des Instituts zu beziehen. Die del. VO 2016/1075 konkretisiert diese Anforderungen in Art. 10 Nr. 2. Die Vorschrift ist wiederum im Lichte der Zielbeschreibung in § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG zu lesen, wonach die Umsetzung des Sanierungsplans negative Folgen für die Finanzstabilität möglichst umfassend vermeiden muss.138 Aus dieser Systemperspektive von zentraler Bedeutung ist insbesondere eine Bewertung der Frage, inwieweit die Umsetzung der jeweiligen Sanierungsoption die Fortführung der im Rahmen der strategischen Analyse definierten kritischen Funktionen beeinträchtigt. Wenngleich die Norm dies nicht explizit ausspricht, dürften unter Berücksichtigung des Bewertungskriteriums in Art. 19 Nr. 2 del. VO 2016/1075 solche Optionen von vorn herein ausscheiden, die eine kurzfristige und aus Marktperspektive unerwartete Unterbrechung solcher systemrelevanten Funktionen zur Folge hätten. Ebenfalls zu analysieren sind die Auswirkungen der einzelnen Sanierungsoptionen auf Anteilseigner, Kunden (insbesondere Einleger und Kleinanleger), Gegenparteien sowie gruppenangehöriger Gesellschaften. Zu bewerten ist hier, inwieweit aus der Realisierung der Maßnahmen bei prognostischer Betrachtung negative Auswirkungen für die bezeichneten Personengruppen bzw. kumuliert für das System insgesamt drohen. 135
S. zu diesem Kriterium auch unten, Abschnitt§ 4 A.VIII. 1. Die Regelung ist nicht zwingend durch die BRRD vorgezeichnet, vgl. aber ErwG 35 BRRD. 137 Laut BT-Drs. 17/12601, S. 36 soll die Analyse aber auch eine Einbeziehung der Arbeitnehmerbelange im Rahmen der behördlichen Planbewertung ermöglichen. 138 Vgl. EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 36 f. 136
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
Maßgeblich zu berücksichtigen ist dabei auch, welche Folgen die Maßnahmen für die Entwicklung des allgemeinen Marktvertrauens haben.139 Aufsichtsrechtlich nicht vorgesehen ist demgegenüber, dass die Institute die Auswirkungen der Handlungsoptionen auch im Hinblick auf eine etwaige spätere Abwicklung bewerten.140 Dies erscheint sinnvoll, weil die Institute den konkreten Inhalt der Abwicklungspläne ohnehin nicht kennen und insoweit allenfalls grundsätzliche Erwägungen anstellen können. Die diesbezüglichen Analysen sind vielmehr der Abwicklungsbehörde überantwortet,141 die sich gem. § 42 SAG aber bereichsspezifisch von den Instituten unterstützen lassen kann. Insgesamt sind die gesetzlichen Anforderungen an die externe Auswirkungsanalyse in geradezu apodiktischer Kürze formuliert. Dies steht – wie später zu sehen sein wird – in direktem Gegensatz zu den Problemen, die mit der praktischen Umsetzung dieser Anforderungen einhergehen dürften.142 3. Umsetzbarkeitsanalyse Aufbauend auf die Auswirkungsanalyse sieht § 13 Abs. 2 Nr. 5 SAG eine Bewertung der Durchführbarkeit der Handlungsoptionen vor. Die sog. Umsetzbarkeitsanalyse ist in mehrerlei Hinsicht neuralgischer Punkt des gesamten Planungsprozesses. Nicht nur hängt von ihr die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Handlungsoption ab. Gepaart mit den Szenarioanalysen ist sie auch zentral für die Gesamtbewertung des Sanierungsplans am Maßstab des § 13 Abs. 4 SAG.143 Ausweislich § 13 Abs. 2 Nr. 5 SAG dient die Analyse vor allem der Identifikation möglicher Umsetzungshindernisse. Art. 11 del. VO del. VO 2016/1075 greift diese Zielrichtung auf, sieht allerdings ein dreischrittiges Bewertungsverfahren vor. Danach sind zunächst die mit der Durchführung der Option einhergehenden Risiken zu evaluieren, bevor sodann etwaige konkrete Durchführungshindernisse zu bestimmen und mögliche Abhilfemaßnahmen zu entwickeln sind. Die Aufforderung zur Entwicklung konkreter Lösungsvorschläge steht dabei in engem Zusammenhang mit den Vorschriften über die vorbereitenden Maßnahmen in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075.
139
Vgl. FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 2.3 (sub. (iv)). Mit dieser Aufforderung an Institute unter der Aufsicht der Bank of England aber Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 203; s. auch PRA, Supervisory Statement SS9/17 – Recovery Planning, 12/2020, Rn. 2.22 ff. 141 Vgl. auch Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 142 Besonders problematisch ist hier das umfassende Informationsdefizit der Institute im Hinblick auf die Absichten, das Verhalten und die Verfasstheit anderer Marktakteure. Dazu unten, Abschnitt § 5 A. I., II. und später Abschnitt § 5 B. IV. 143 Ähnl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 78. 140
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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a) Durchführungsrisiken Ausgangspunkt der Umsetzbarkeitsanalyse ist gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 eine Bewertung der Risiken, die mit der Sanierungsoption in Verbindung stehen. Zwar nimmt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur auf die „Durchführung“ der Sanierungsoption Bezug. Über diese prozessbezogene Komponente hinaus dürften aber auch jene Risiken zu bewerten sein, die die Wirksamkeit der Option im engeren Sinne, also ihren finanziellen Beitrag zum Sanierungserfolg betreffen. Dafür spricht nicht nur ein vergleichender Blick auf die Vorschrift in lit. b, die explizit auch diese Wirksamkeit adressiert. Die gegenteilige Auslegung liefe auch Gefahr, auf eine allzu formalistische Prüfung hinauszulaufen, welche insbesondere der Zielbestimmung in § 13 Abs. 4 SAG nicht gerecht wird.144 Zu analysieren sind dementsprechend sämtliche Risiken, die einer schnellen und wirksamen Umsetzung der Sanierungsoption entgegenstehen. Anhaltspunkte für die bewertungsrelevanten Kriterien ergeben sich aus den Katalogtatbeständen in Art. 18 Abs. 2 und Art. 19 del. VO 2016/1075. Deutlich unklarer ist demgegenüber, wie die Risikobewertung methodisch konkret zu erfolgen hat. Art. 11 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 sieht seinem Wortlaut nach vor, dass die Risikoanalyse auf „Erfahrungen mit der Durchführung der Sanierungsoption oder einer gleichwertigen Maßnahme“ beruhen soll. Ausgangspunkt der Bewertung bildet damit das institutsinterne Erfahrungswissen, welches etwa aus früheren realen Krisenlagen oder aus den Szenarioanalysen resultiert. Ebenfalls zu berücksichtigen ist angesichts des insoweit offenen Wortlauts auch das übertragbare und öffentlich zugängliche Erfahrungswissen anderer Marktakteure.145 Darüber hinausgehend gebietet es die im Sanierungsplanungsrecht angelegte Orientierung des Planungsverfahrens an einer fortwährenden Informations- und Wissensgenerierung, dass bei den internen Analysen auch planungsrelevante Erkenntnisse der Wissenschaft, etwa der Finanzmarktforschung oder der Betriebswirtschaftslehre, Berücksichtigung finden.146 Anders dürfte eine ernsthafte Verfolgung des in § 13 Abs. 4 SAG formulierten Planungsziels de facto kaum möglich sein.147 144 Diese Auslegung entspricht wohl auch der Aufsichtspraxis der BaFin, vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.3. („Die [. . .] Bewertung der Risiken [. . .] meint die Bewertung der Erfolgsaussichten einer Handlungsoption.“). S. dort auch für praktische Hinweise zur Darstellung dieser Risikobewertung. 145 Ebenso schon MaSan (BA) 3/2014, E.3.1 Tz. 2.b.; s. ferner auch Schabert/ Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 82 146 S. dazu noch grundsätzlicher für die gesamte Planung unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb). Auch der Wortlaut des Art. 11 del. VO 2016/1075 ist, weil er nur Mindestanforderungen formuliert („mindestens“), insoweit offen. 147 Im Ansatz ähnl. Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 82, die jedenfalls verlangen, dass zumindest das Erfahrungswissen einzelner Experten näher plausibilisiert wird, indem die Daten- und Informationsgrundlage benannt wird, auf deren Grundlage das Expertenurteil gefällt wurde.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
b) Durchführungshindernisse Zweitens fordert Art. 11 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 2 Nr. 5 SAG eine genaue Analyse und Beschreibung aller wesentlichen Hindernisse, die der wirksamen und zeitnahen Umsetzung den Handlungsoptionen entgegenstehen.148 Den Begriff des Durchführungshindernisses konkretisiert Art. 11 Abs. 2 del. VO 2016/1075. Dazu gehören unter anderem rechtliche, operative, geschäftliche und finanzielle Risiken sowie Reputationsrisiken wie eine etwaige Herabstufung des Ratings. Insgesamt dürfte der Begriff des Durchführungshindernisses gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b und c, Abs. 2 del. VO 2016/1075 letztlich nur eine gesteigerte Form des bloßen Durchführungsrisikos im Sinne des Abs. 1 lit. a darstellen. Wann im Einzelfall die Durchführung einer Sanierungsoption „wirksam“ im Sinne des Art. 11 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 ist, regelt die Vorschrift ebenfalls nicht ausdrücklich. Ausgehend von der Zielorientierung der Sanierungsoptionen dürfte dies jedoch dann der Fall sein, wenn die jeweilige Option – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen, parallel umsetzbaren Maßnahmen – einen finanziellen Ertrag generiert, der bei prognostischer Betrachtung groß genug ist, um die finanzielle Stabilität des Unternehmens wiederherstellen zu können. c) Lösungen für Sanierungshindernisse Für die festgestellten Sanierungshindernisse sind sodann gem. § 13 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 SAG, Art. 11 Abs. 1 lit. d del. VO 2016/1075 geeignete Lösungsvorschläge zu entwickeln. Die Vorgabe überschneidet sich inhaltlich stark mit der Verpflichtung zur Ausarbeitung sog. vorbereitender Maßnahmen in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075. Ein eigenständiger Regelungsgehalt lässt sich den Normen jedoch dann abringen, wenn man in Anknüpfung an den Wortlaut eine zeitliche Differenzierung vornimmt: Vorbereitende Maßnahmen sind dann solche Maßnahmen, die bereits in der Frühphase der Planung, weit im Vorfeld einer potentiellen Krisenlage, getroffen werden. Lösungsvorschläge im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 SAG und Art. 11 Abs. 1 lit. d del. VO 2016/ 1075 sind nicht auf diese Frühphase beschränkt, sondern können auch erst in der Krisenphase selbst umgesetzt werden. Jedenfalls § 13 Abs. 2 Nr. 5 Hs. 2 SAG trägt in seiner Formulierung („ob“) auch der Tatsache Rechnung, dass im Einzelfall auch Sanierungshindernisse auftreten können, die nicht durch bestimmte Lösungsvorschläge überwindbar sind. Ist dies der Fall, so bedarf es diesbezüglich im Sanierungsplan eines expliziten Hinweises. Denn zum einen dürften nicht umsetzbare Sanierungsmaßnahmen auf 148 Art. 11 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075 beschreibt letztlich einen gruppenspezifischen Unterfall von lit. b.
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die Gesamtbewertung des Plans am Maßstab des § 13 Abs. 4 SAG durchschlagen, sofern dadurch die Planeignung insgesamt gefährdet wird. Gleichzeitig ist in diesem Fall auch eine verschärfte Beaufsichtigung im Rahmen der laufenden Institutsaufsicht zu erwarten.149 Im Ganzen sollte die Darstellung der jeweiligen Sanierungsoption dann aber unter Berücksichtigung von Art. 17 Nr. 2 del. VO 2016/1075 entsprechend knapp ausfallen.150
V. Krisenkommunikation Die Sanierung krisenbehafteter Unternehmen läuft naturgemäß nicht in einem Vakuum ab, sondern ist zu ihrem Erfolg in erheblichem Maße auf ein hinreichend stabiles Marktumfeld angewiesen. Dies gilt in besonderem Maße für Finanzinstitutionen, die üblicherweise finanziell stark verflochten sind und deren Tätigkeitsfeld, der Finanzmarkt, in seiner Funktionsfähigkeit grundlegend von einem hinreichenden Vertrauensniveau aller Marktakteure abhängig ist.151 Das Sanierungsplanungsrecht greift diese Erkenntnis auf, indem es die Institute neben der Planung der Sanierungsoptionen auch zur präventiven Vorbereitung einer wirksamen Krisenkommunikation verpflichtet. 1. Grundlagen Konkret sieht § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG dazu Entwicklung eines Konzepts vor, das die interne und externe Krisenkommunikation des Instituts regelt.152 Die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Kommunikationskonzeptes ist dabei in engem Zusammenhang mit dem bereits eingangs dargestellten Grundsatz der Planvertraulichkeit zu sehen. Ausgehend von der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht der Institute in Vorkrisenphasen zielt § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG auf eine punktuelle, situations- und bedarfsgerechte Kommunikation der für den Sanierungserfolg erforderlichen Informationen gegenüber allen Stakeholdern im Krisenfall. Insoweit konterkariert die Pflicht zur Einrichtung eines Kommunikationskonzepts – anders als ErwG 11 del. VO 2016/1075 auf Anhieb vermuten lässt153 – die Planvertraulichkeit nicht, sondern baut wesentlich auf diese auf.154 149 S. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 132 f. und nach Rn. 136 (ScoringTabelle). Zum Zusammenhang zwischen Sanierungsplanung und laufender Institutsaufsicht s. ausführlicher unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. 150 Insoweit ebenso Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444; Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 46. 151 S. dazu auch schon oben, Abschnitt § 2 A. 152 Die Regelung setzt Abschnitt A, Nr. 3 des Anhangs der BRRD um, welcher sich wiederum an FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 3.5 orientiert. S. ähnl. auch bereits § 47a Abs. 2 Nr. 9 KWG a. F. 153 Dieser spricht von einer „Bekanntmachung des Sanierungsplans“. Eine allgemeine Bekanntmachung wird von Art. 14 aber gerade nicht gefordert, vgl. EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 40.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
Wie bereits bei den sonstigen Planbestandteilen üblich werden auch die Anforderungen an die Krisenkommunikation durch die del. VO 2016/1075 ausgestaltet, hier konkret durch deren Art. 14. Während Abs. 1 die verschiedenen Dimensionen der Kommunikation umschreibt und zudem konkrete Vorschläge zur Bewältigung negativer Marktreaktionen fordert,155 adressiert Abs. 2 prozessual-organisatorische Aspekte der Krisenkommunikation. Durchzuführen ist danach eine Analyse der Art und Weise der Umsetzung des Kommunikations- und Informationsplans. Neben einer Klärung der Verantwortlichkeiten sind damit insbesondere die erforderlichen Kapazitäten zur Umsetzung des Plans zu bewerten und das Verfahren einschließlich etwaiger Zeitpläne festzulegen.156 Weitere Vorgaben inhaltlicher Art macht allein Art. 14 Abs. 3 del. VO 2016/1075. Danach muss der Plan auch den spezifischen Kommunikationsbedarf im Hinblick auf die einzelnen Handlungsoptionen angemessen prüfen.157 Insgesamt unterscheiden sich die vorgenannten Anforderungen damit erheblich von den sonst anzutreffenden Publizitätsvorschriften, darunter etwa die kapitalmarktrechtliche Ad-Hoc-Publizitätspflicht gem. Art. 17 Marktmissbrauchsverordnung (MAR).158 Während letztere den Instituten weitgehend konkretisierte Infor154 Unbegründet sind dementsprechend die von einigen Stakeholdern im Rahmen der EBA-Konsultation angemeldeten Bedenken, über die Pflicht zur Ausarbeitung eines Kommunikationskonzepts könne die umfassende Pflicht zur Offenlegung der Pläne bereits ex ante entstehen, vgl. die Konsultationsauswertung in EBA, a. a. O., S. 40. 155 Ebenso schon Abschnitt A, Nr. 3 des Anhangs der BRRD. 156 Die BaFin merkt an, dass insb. zu klären sei, welche Führungsebene die externe Kommunikation wahrnehmen soll. Unter Kapazitätsgesichtspunkten könne die Einrichtung von Call Centern geboten sein, vgl. BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, E.3.5. S. auch Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 134 f.; Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 65 mit bankpraktischen Anmerkungen. 157 Angesichts des klaren Wortlautes der Norm folgt daraus allerdings gerade nicht die Pflicht, gesonderte Kommunikationskonzepte für jede Handlungsoption zu entwickeln. Es genügt stattdessen die Entwicklung eines allgemeinen Konzepts, das dort um spezielle Ausführungen ergänzt wird, wo diese geboten erscheinen, vgl. deutlich auch EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 40. Anders offenbar aber Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 95 (Verf. fordern Kommunikationsplan „bezogen auf jede aufgezeigte Handlungsoption“). Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 136 schlägt für die praktische Darstellung eine Unterteilung in einen allgemeinen und mehrere optionenspezifische Teile vor. 158 Zur Ad-Hoc-Publizitätspflicht bei Eintritt in die Sanierungsphase und den Befreiungstatbeständen in Art. 17 Abs. 4 und 5 MAR s. de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.89 ff.; speziell im Kontext des Frühinterventionsregimes (§§ 36 ff. SAG) ferner EBA, Report on the application of early intervention measures in the European Union in accordance with articles 27–29 of the BRRD, EBA/REP/2021/12, 27.5.2021. Unter Hinweis auf § 126 Abs. 2 Satz 3 SAG für eine Befreiung von der Publizitätspflicht Trappe/Büscher, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, C. II. Rn. 84; vgl. auch Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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mationspflichten auferlegt, eröffnet § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG einen weiten planerischen Gestaltungsrahmen, der auch durch Art. 14 del. VO 2016/1075 – selbst im Vergleich zu den übrigen Plananforderungen – nur wenig konkretisiert wird.159 Gleichwohl lassen sich aus den genannten Normen einige verallgemeinerungsfähige Prinzipien ableiten, die bei der Ausarbeitung dieses Planabschnittes zu beachten sind. 2. Interne Krisenkommunikation Gem. § 13 Abs. 2 Nr. 9 Var. 1 SAG und Art. 14 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/ 1075 ist in den Sanierungsplan erstens ein Konzept zur internen Krisenkommunikation aufzunehmen. Die diesbezügliche Planungspflicht ist im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Einrichtung einer Krisen-Governance gem. Art. 5 Abs. 3 lit. a del. VO 2016/1075 und § 6 Abs. 1 MaSanV zu sehen. Idealtypisch betrachtet soll diese Krisen-Governance in einem ersten Schritt den Informationsfluss „nach oben“, von der mit der Indikatorüberwachung betrauten Einheit zur Geschäftsleitung sicherstellen und dort in eine etwaige Aktivierung der Sanierungspläne münden.160 Die interne Krisenkommunikation im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG wird dann auf nachgelagerter Ebene relevant, indem sie einen angemessenen Informationsfluss „nach unten“ in alle relevanten Unternehmensbereiche gewährleisten soll.161 In dieser Funktion überschneidet sie sich wiederum stark mit den bereits vorhandenen anlassbezogenen Berichtspflichten im Innenverhältnis des Unternehmens. Denn die Binnenorganisation des Unternehmens betreffend, ist das interne Berichtssystem ursprünglich eine primär gesellschaftsrechtlich determinierte Materie. Entsprechend regelt etwa § 90 AktG in ausdifferenzierter Form die Berichtspflichten des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat und schafft damit die Voraussetzungen dafür, dass letzterer seine interne Kontrollfunktion angemessen
Strohn (Hrsg.), HGB, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Bank- und Börsenrecht VI. Rn. VI 144, m.w. N., sowie wohl auch Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 448; Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 141 ff., m.w. N. (mit Blick auf die KredReorgGPlanverfahren). S. ferner Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221, 223 und BT-Drs. 17/ 13539, S. 10 (dort zu Informationen aus der Abwicklungsplanung). 159 Ebenso Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 93 f. Mitursächlich für die Offenheit der Regelungen dürfte der Umstand sein, dass der konkrete Kommunikationsbedarf schon je nach Markt- bzw. Krisensituation stark divergiert, zusätzlich aber auch entscheidend von den jeweils institutsspezifischen Gegebenheiten (einschließlich der individuell geplanten Sanierungsoptionen) abhängt. 160 S. dazu schon oben, Abschnitt § 4 A. III. 2. a). 161 Die Aufzählung in Art. 14 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 ist nicht abschließend („insbesondere“).
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
wahrnehmen kann.162 Schließlich sieht mit § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. b KWG auch das Bankenaufsichtsrecht bereits vor, dass eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation insbesondere auch ein System zur internen Risikokommunikation umfassen muss.163 Vor dem Hintergrund dieser umfangreichen Überschneidungen erscheint zumindest auf den ersten Blick fraglich, welcher eigenständige Regelungsgehalt für Art. 14 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 verbleibt. Dieser dürfte sich vorrangig aus der spezifischen Sanierungsbezogenheit der Vorschrift erschließen: Die Einrichtung des Kommunikationskonzeptes zielt, wie auch die übrigen Planbestandteile, maßgeblich auf die Erreichung des in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG umrissenen Sanierungserfolges ab.164 Inhaltlich ist die interne Krisenkommunikation dementsprechend so auszugestalten, dass die für die Krisenbewältigung erforderlichen personell-organisatorischen Ressourcen möglichst optimal aktiviert werden, dies etwa durch Aufklärung über den aktuellen Sachstand, veränderte Verantwortlichkeiten einzelner Mitarbeiter und Abteilungen sowie anstehende Sanierungsmaßnahmen. Bereits im Kommunikationsbegriff selbst angelegt ist dabei, dass das Gesetz offenbar weniger auf die einseitig-hierarchische Informationsvermittlung im Unternehmen abzielt, sondern auch Möglichkeiten vorsieht, einen für den Sanierungserfolg dienlichen Austausch zu ermöglichen. Innerhalb dieses weiten normativen Rahmens sind die Institute in ihrer Gestaltung hingegen frei.165 3. Externe Krisenkommunikation Für die erfolgreiche Umsetzung des Sanierungsplans wenigstens gleichbedeutend fordern § 13 Abs. 2 Nr. 9 Var. 1 SAG und Art. 14 Abs. 1 lit. b, c del. VO 2016/1075 daneben die Entwicklung eines externen Krisenkommunikationsplans.
162 Ähnl. auch § 51a GmbHG. Ferner besteht gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG auch ein Auskunftsrecht der Aktionäre gegenüber dem Vorstand. S. für einen knappen Überblick über das interne Berichtswesens der AG z. B. Frodermann/von Eiff, in: Frodermann/Jannott (Hrsg.), Hdb. des Aktienrechts, 9. Aufl. 2017, Kap. 7 Rn. 162 ff. 163 Aufgegriffen wird diese Pflicht zur Einrichtung einer Risikokommunikation u. a. in MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2 Tz. 3, 4, AT 7.3 Tz. 2, BT 3. Zur MaRisk-Risikoberichterstattung im Überblick Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 225 ff. Vgl. allgemeiner auch schon Art. 74 Abs. 1 Satz 1 CRD-IV. 164 ErwG 11 del. VO 2016/1075. 165 S. mit praxisbezogenen Anmerkungen zur Umsetzung Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 121 ff.; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 95 ff.; Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 65; Greiner/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 169; Greven, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 197. S. ferner die breite Literatur zum Krisenmanagement allgemein, u. a. die Beiträge in Thießen (Hrsg.), Hdb. Krisenmanagement, 2. Aufl. 2014.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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Die externe Krisenkommunikation richtet sich nach der nicht abschließenden Aufzählung in Art. 14 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 zum einen an die zuständigen Aufsichtsbehörden. Die Norm dient dem Abbau aufsichtshinderlicher Informationsasymmetrien und ergänzt insoweit die Vorgaben aus Art. 5 Abs. 3 lit. a, iii) del. VO 2016/1075 und § 6 Abs. 1 MaSanV. Während letztere Normen nur die einmalige Einbindung der Aufsichtsbehörden in der initialen Phase der Planaktivierung regeln, betrifft Art. 14 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075 die Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden im weiteren Krisenverlauf. Die Vorschrift zielt damit auf eine kontinuierliche Vermittlung eines vollständigen Lagebildes, die Voraussetzung für ein effizientes Aufsichtshandeln ist.166 Zudem sind die Voraussetzungen zu schaffen, um auch auf Verlangen der Behörden zeitnah sämtliche Informationen bereitstellen zu können.167 Daneben soll das Konzept auch eine angemessene externe Kommunikation mit allen sonstigen Stakeholdern gewährleisten. Wie bereits eingangs angedeutet, zielt diese Krisenkommunikation gegenüber der breiteren Öffentlichkeit vor allem darauf ab, das öffentliche Vertrauen in das krisenbehaftete Institut aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen und damit die Voraussetzungen dafür dazu schaffen, dass die Institutsgläubiger die für den Fortgang des Geschäftsbetriebes erforderlichen Finanzierungsbeziehungen zu dem Unternehmen aufrechterhalten.168 Gerade in systemweiten Krisen stellt sich zudem die Aufgabe, das institutionelle Vertrauen der Öffentlichkeit in das Finanzsystem insgesamt zu stützen.169 Ausgehend von dieser Zielsetzung dürften sich in Anknüpfung an die oben genannten Vorschriften vor allem zwei Verhaltensgebote ergeben: Wenngleich nicht ausdrücklich normiert, unterliegt die Krisenkommunikation des Instituts zum einen einem Irreführungsverbot. Denn eine nachhaltige Gesundung170 des Unternehmens kann – an sich selbstverständlich – nur gelingen, wenn das einmal erlangte Gläubigervertrauen nicht allzu schnell wieder verspielt wird. Dies setzt voraus, dass sich veröffentlichte Informationen zum Zustand und zu den Handlungsabsichten des Unternehmens im Nachhinein nicht als falsch erwei-
166 Im Interesse des Gleichklangs der Regelungen sollte auch die Kommunikation gem. Art. 14 Abs. 1 del. VO 2016/1075 einen Detailgrad aufweisen, der den Anforderungen von Art. 5 Abs. 3 del. VO 2016/1075 und § 6 Abs. 1 MaSanV gerecht wird. Zu diesen Anforderungen bereits oben, Abschnitt § 4 A. III. 2. a). 167 Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 48. 168 Vgl. Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 102; ders., ZHR 179 (2015), 563, 590; ferner Greven, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 197, 199; letztlich auch schon Art. 14 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/ 1075. Allg. zur Vertrauensbasiertheit des Bankgeschäfts schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. 169 Vgl. ErwG 11 del. VO 2016/1075. Die Institute dürften mit ihrer individuellen Krisenkommunikation vor allem einen mittelbaren Beitrag zur Unterstützung dieses institutionellen (System-)Vertrauens leisten. 170 Das Ziel einer nachhaltigen Sanierung folgt aus § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
sen. Wenn und soweit sich die Geschäftsleitung demgemäß für eine Veröffentlichung sanierungsrelevanter Informationen entscheidet, dann müssen diese Informationen auf nachvollziehbarer Grundlage ermittelt und im Einklang mit den internen Annahmen zum Zustand des Unternehmens stehen.171 Darüber hinaus dürfte eine nach Stakeholdergruppen und Krisenszenarien ausdifferenzierte Entwicklung des Kommunikationsplanes geboten sein.172 Namentlich in systemweiten Belastungssituationen sollte die externe Kommunikation soweit wie möglich darauf ausgerichtet sein, in Abgrenzung zu anderen Marktakteuren auf die individuelle Risikosituation eines jeden Instituts hinzuweisen und diese zu plausibilisieren. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass auch im Zuge unternehmensindividueller Krisen häufig ein kollektiver Vertrauensentzug gegenüber mehreren Unternehmen bzw. ganzen Märkten droht, dies deshalb, weil andere Marktakteure aufgrund fehlender Informationen oder irrationalen Verhaltens nicht hinreichend zwischen den individuellen Zuständen ihrer Gegenüber differenzieren. Diese sog. Homogenitätsannahme (Ähnlichkeitsvermutung)173 zu unterbrechen, sollte daher vorrangige Aufgabe der externen Kommunikation in systemischen Krisen sein.174 Was die weitere Umsetzung dieser Rahmenvorgaben betrifft, haben die Institute aber auch hier einen großen Gestaltungsspielraum.
VI. Szenarioanalysen Die simulationsbasierte Überprüfung der bankinternen Kapital- und Liquiditätsvorsorge sowie Risikomanagementsysteme ist ein bereits seit längerem etablierter Standard in der internationalen Finanzmarktregulierung.175 Es verwundert dementsprechend nicht, dass das FSB in seiner bankeninsolvenzrechtlichen Standardsetzung, den sog. Key Attributes, auch für die Sanierungsplanung ein entsprechendes Instrumentarium vorgesehen hat.176 Die rechtlichen Anforderungen an die Entwicklung und Durchführung dieser sog. szenariobasierten Belas-
171 Auf die Gefahr überoptimistischer Publizität hinweisend de Serière, in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.92. 172 Dazu ausf. Greven, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 197, 205 ff.; vgl. im Ansatz auch de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.92 (im Kontext von Art. 17 MAR). A. A. aber Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 445. 173 S. dazu wiederum schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. b). 174 Mit ähnl. Forderung, wenngleich nicht im hiesigen Kontext, Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 115 f.; vgl. auch Hilke, Risiko und Bankenaufsicht, S. 329 und Park, 28 J. Monet. Econ. 271, 273, 285 f. (1991). Im Ansatz wie hier auch Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 102; ders., ZHR 179 (2015), 563, 589 f. 175 Für einen historischen Abriss s. Kapinos/Martin/Mitnik, 5 J. Fin. Persp. 1, 5 ff. (2018). 176 Vgl. FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.3, 1.15, 1.20.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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tungsanalysen ergeben sich heute wiederum aus mehreren, inhaltlich teils ineinander übergreifender Normen. Auf europäischer Ebene sind dies die Regelungen in Art. 12 Abs. 2 lit. d und Abs. 3 Satz 1 del. VO 2016/1075 sowie die von der EBA entwickelten sog. Szenario-Leitlinien. 177 Flankiert werden sie auf nationaler Ebene zum einen durch § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG, ferner durch die Detailvorgaben in § 9 MaSanV.178 Der den Vorschriften zugrundeliegende Regelungszweck ist schnell umrissen: Die Szenarioanalysen ermöglichen eine Überprüfung der in dem Plan vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen und -mechanismen im Hinblick auf ihre Tauglichkeit zur Bewältigung künftiger Krisenfälle.179 Verstanden als vorläufige, anwendungsbezogene Plausibilisierung der Wirksamkeit der Pläne, sollten ihre Ergebnisse als einer von mehreren Bewertungsfaktoren in die Gesamtbewertung gem. § 13 Abs. 4 SAG einfließen.180 Darüber hinaus fungieren die Szenarioanalysen wiederum auch als Informationsinstrument für die Aufsichtsbehörden. Sie ergänzen die sonst eher statischen Darstellungen in den Sanierungsplänen durch eine – wenn auch nur modellhafte – dynamische Beschreibung und machen so das Zusammenwirken der einzelnen Planbestandteile auch für Externe nachvollziehbarer.181 Die nachfolgende Darstellung folgt konzeptionell dem Aufbau von § 13 Abs. 2 SAG. Dieser trennt die szenariobezogenen Anforderungen grob in zwei Teile, enthält in Nr. 7 die Vorgaben an die Entwicklung und Darstellung der Belastungsszenarien (dazu 1.) und in Nr. 8 die Vorgaben an die Durchführung der Belastungsanalysen (dazu 2.). Vorläufig außer Betracht bleibt demgegenüber das Verhältnis der Szenarioanalysen zu den sonstigen Stresstests, die im Rahmen des regulären Risikomanagements sowie der laufenden Bankenaufsicht Anwendung finden.182 177 EBA, Szenario-Leitlinien, EBA/GL/2014/06, 18.7.2014. Beide Regelwerke basieren inhaltlich auf der knappen Rahmenvorgabe in Art. 5 Abs. 6 Satz 2 BRRD. Die Ermächtigung zur Entwicklung der Leitlinie findet sich in Art. 5 Abs. 7 BRRD. S. ferner auch EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, EBA/GL/2018/04, 19.7.2018, Rn. 97 ff. (dort vor allem zum Zusammenwirken zwischen den hiesigen Szenarioanalysen und den sonstigen internen Stresstests). 178 Letztere setzen die EBA-Szenarioleitlinie in verbindliches nationales Recht um. S. zu den nachfolgend skizzierten Anforderungen mit bankpraktischen Umsetzungsvorschlägen Brechfeld/Weber, MaSan, S. 77 ff.; Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147; Krüger, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 181, 187 ff. S. mit einer Übersicht über die anzutreffende Planungspraxis in der EU und Best-Practice-Vorschlägen ferner EBA, Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, 8.12.2015. 179 Vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VII.; BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, E.3.3. Tz. 1. 180 S. ausführlicher zu diesem, m. E. bewusst eingeschränkt zu formulierenden Funktionsverständnis der Szenarioanalysen, unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) aa). 181 Ähnl. Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 167. 182 S. dazu unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) dd).
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
1. Entwicklung der Belastungsszenarien a) Grundlagen Ausgangspunkt für die Pflicht zur Entwicklung der Belastungsszenarien ist § 13 Abs. 2 Nr. 7 SAG. Danach sind in den Plänen sog. Szenarien für schwerwiegende Belastungen darzustellen, die im Falle ihres Eintritts einen Krisenfall in den Instituten auslösen können; zudem sind die Auswirkungen dieser Szenarien auf das Institut oder die Gruppe zu beschreiben. Für die Planungspraxis maßgeblich, werden diese Rahmenvorgaben durch § 9 MaSanV konkretisiert. Zu dessen Anforderungen im Einzelnen: Im Interesse einer hinreichenden Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Szenarioanalysen enthalten die § 9 Abs. 2 und 3 MaSanV zunächst drei formale Minimalanforderungen an die Szenariogestaltung. Für jedes Institut sind danach insgesamt mindestens vier Belastungsszenarien zu entwickeln.183 Das Gesamtportfolio der Belastungsszenarien muss mindestens ein sog. institutsspezifisches (idiosynkratisches) Szenario, ein sog. systemweites Szenario und ein sog. kombiniertes Szenario umfassen.184 Ferner muss eines der entwickelten Szenarien eine plötzliche krisenhafte Entwicklung, ein weiteres eine sich langsam zuspitzende Stresssituation abbilden.185 Ergänzt werden diese formalen Vorgaben in § 9 Abs. 4 und 5 MaSanV durch drei qualitative Gestaltungskriterien, deren Erfüllung den eigentlichen Arbeitsschwerpunkt sowohl bei der initialen Szenarioerstellung durch die Institute als auch bei der anschließenden behördlichen Überprüfung bilden dürfte. Danach müssen die Belastungsszenarien einen angemessenen Schweregrad aufweisen, risikoadäquat ausgestaltet und in ihrer Ereignisauswahl plausibel sein.186 Die Anforderungen an den erforderlichen Schweregrad ergeben sich aus § 9 Abs. 4 MaSanV.187 Danach muss das Belastungsszenario zur Überschreitung mindestens
183 Noch strenger MaSan (BA) 3/2014, E.3.3. Tz. 2. Danach mussten die deutschen Institute mindestens sechs Belastungsszenarien entwickeln, vgl. statt vieler Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444. 184 Für begriffliche Erläuterungen s. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 37 (Begründung zu § 9 Abs. 3); ähnl. EBA, Szenario-Leitlinien, EBA/GL/2014/06, 18.7.2014, Rn. 13. 185 S. mit zum Teil abweichenden Angaben zu den konkreten Wirkgeschwindigkeiten Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 114; Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444; Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 155. 186 Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 112 ff. nennen (wohl noch auf Grundlage des EBA-Entwurfs zur del. VO 2016/ 1075) als Bewertungskriterien hingegen die Prüfungspunkte „Relevanz, Plausibilität und Tauglichkeit“. 187 Ähnl. schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.3 („[. . .] stress scenarios should be sufficiently severe.“).
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eines der vorab definierten Indikatorschwellenwerte führen und zudem geeignet sein, bei ungehindertem Verlauf – d.h. ohne Dazwischentreten von Sanierungsmaßnahmen – in eine Bestandsgefährdung zu münden, die eine Abwicklung des Instituts denkbar macht.188 Zentral für eine auch nur annähernd realitätsgetreue Überprüfung der Vorkehrungen in den Sanierungsplänen ist zweitens die Risikoadäquanz der Szenarien.189 Entsprechend sieht § 9 Abs. 5 Satz 1 MaSanV vor, dass die Belastungsszenarien in ihrer Ausgestaltung die wesentlichen Risiken abbilden müssen, denen das Institut ausgesetzt ist. Die Erfüllung des Kriteriums soll durch ein zweischrittiges Vorgehen sichergestellt werden: Im ersten Schritt ist unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 5 Satz 2 MaSanV genannten Bewertungsfaktoren die individuelle Risikosituation des Instituts zu bewerten. Im Kern geht es darum, all diejenigen konkreten Gefahrenpotentiale zu verorten, die geeignet sind, in Zukunft eine existenzbedrohliche Stresssituation des Instituts auszulösen.190 Aufbauend auf die Risikobewertung erfolgt dann im zweiten Schritt die konkrete Ausgestaltung der Szenarien. Dazu sieht § 9 Abs. 6 MaSanV eine Reihe typisierter Ereignisse vor, die entsprechend der Risikosituation des Instituts einzeln oder kombiniert bei der Szenariogestaltung vorrangig in Betracht zu ziehen sind.191 Das Kriterium der Risikoadäquanz dürfte dabei nicht nur für die Gestaltung des individuellen Belastungsszenarios, sondern auch für das Gesamtspektrum der Problemlagen gelten, die die Szenarien insgesamt abbilden.192 Drittens verlangt § 9 Abs. 5 Satz 3 MaSanV, dass die Szenarien in ihrer Ausgestaltung plausibel sind.193 Das Kriterium der Plausibilität betrifft die Eintrittswahrscheinlichkeit der dem Szenario zugrundeliegenden Einzelereignisse in ihrer Gestalt, Intensität und ihrer Verknüpfung mit anderen Ereignissen zu Ereignis-
188 Sog. „Near Default Situation“, vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444; Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 152. Ähnl. wie § 9 Abs. 4 MaSanV auch schon MaSan (BA) 3/2014, E.3.3. Tz. 2. 189 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 38 (Begründung zu § 9 Abs. 6: „Leitprinzip für die Auswahl von Belastungsszenarien“). S. auch FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.15. 190 Vgl. auch EBA, Szenario-Leitlinien, EBA/GL/2014/06, 18.7.2014, Rn. 9.a. Im Interesse der inneren Kohärenz des Sanierungsplans sollte die Risikobewertung vorrangig ausgehend von der vorab durchgeführten strategischen Analyse gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG erfolgen. Die im Rahmen des sonstigen Risikomanagements durchgeführten internen Stresstests sollten zudem als weitere Überprüfungsmöglichkeit Berücksichtigung finden. S. ausf. zum Verhältnis zwischen beiden Instrumenten unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) dd). 191 S. für Beispielereignisse FSB, Guidance on Recovery Triggers and Stress Scenarios, 16.7.2013., S. 6. 192 Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 113; Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 50. 193 Vgl. auch EBA, Szenario-Leitlinien, EBA/GL/2014/06, 18.7.2014, Rn. 9.c.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
ketten.194 Wie die Norm selbst deutlich macht, sind bei der Auswahl auch solche Ereignisse zu berücksichtigen, deren Eintritt außergewöhnlich ist. Nähere Bewertungskriterien für die Wahrscheinlichkeitseinschätzung bietet die Norm hingegen nicht. Im Ergebnis dürfte hier eine prognostische Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung sowohl der Spezifika des Instituts als auch der übrigen Marktumstände vorzunehmen sein. Danach muss das Szenario eine finanzielle Extremsituation abbilden, wie sie etwa die letzte Finanzkrise für den internationalen Bankenmarkt zur Folge hatte.195 Zur Darstellung sieht § 9 Abs. 6 Satz 4, Abs. 7 MaSanV vor, dass die Auswahl der Szenarioereignisse nachvollziehbar zu begründen und die den Szenarien zugrunde gelegten Annahmen in qualitativer und quantitativer Hinsicht nachvollziehbar zu beschreiben sind. Wichtig, weil für die gesamte Szenariogestaltung wesentlicher Ausgangspunkt, ist dabei insbesondere eine umfassende Darstellung der institutsinternen Risikobewertung. Diese ist im Hinblick auf ihre Methodik und ihre Annahmen sowie gegebenenfalls erkennbar gewordenen Unsicherheiten umfassend offenzulegen.196 b) Anordnungsbefugnis der Aufsichtsbehörde In engem Zusammenhang mit den vorgenannten Anforderungen enthält § 9 Abs. 6 Satz 5 MaSanV zudem eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage zugunsten der Aufsichtsbehörde. Danach kann die BaFin den Instituten nach eigenem Ermessen auch einseitig bestimmte Szenarien zur Belastungsanalyse vorgeben.197 Zwar konnte die BaFin entsprechende Anordnungen auch schon bisher auf Grundlage von § 16 Abs. 2 Satz 3 SAG treffen. Die dortige Ermächtigung bezieht sich allerdings allein auf die Phase der Planbewertung und ist in einen strikten Eskalationsprozess eingebunden. Anordnungen gem. § 9 Abs. 6 Satz 3 MaSanV können demgegenüber auch bereits in der Phase der initialen Planerstellung erfolgen, etwa zusammen mit der Aufforderung gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 194 S. dazu auch Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 102, 114. 195 Vgl. ErwG 1 BRRD. Diese Plausibilitätsbewertung dürfte die Institute, gerade weil es sich um potentielle zukünftige Ereignisse handelt, vor erhebliche Schwierigkeiten stellen (s. zu den Prognoseproblemen im Rahmen der Planung unten, Abschnitt § 5 A. III. 196 Insoweit gilt das oben hinsichtlich der übrigen Planabschnitte Gesagte auch hier entsprechend, s. noch ausf. unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb). Vgl. auch nochmals Art. 17 Abs. 1 lit. c del. VO sowie ähnl. auch Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 148, 168. 197 Die Regelung findet kein Pendant in den Szenarioleitlinien der EBA. S. aber mit der Forderung nach einem solchen Eingriffsrecht schon FSB, Key Attributes, 15.10. 2014, I-Annex 4 Rn. 1.15. Eine vergleichbare Regelung enthielten bereits die MaSan (BA) 3/2014, E.3.3. Tz. 2, die aber aufgrund ihrer fehlenden Gesetzesqualität per se kaum als Eingriffsnorm getaugt haben dürfte.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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SAG. Inhaltlich sind sie allenfalls durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt.198 Ein praktischer Vorteil solcher Szenariovorgaben könnte darin liegen, dass die Aufsichtsbehörde mit ihrer Hilfe eine institutsübergreifende Vergleichbarkeit der Analysen herbeiführen kann.199 2. Durchführung der Belastungsanalysen a) Brutto/Netto-Betrachtung Gegenstand der szenariobasierten Belastungsanalyse ist, wie bereits eingangs beschrieben, die beispielhafte Erprobung der in den Plänen enthaltenen Mechanismen und Maßnahmen anhand eines fiktiven Krisenverlaufs. Die Belastungsanalysen ergänzen damit die bereits vorab im Hinblick auf jede Handlungsoption vorzunehmenden Auswirkungs- und Umsetzbarkeitsbewertungen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 4 und 5 SAG. Während diese Bewertungen abstrakt-generell und damit unabhängig von bestimmten Szenarien erfolgen, liegt bei der hiesigen Belastungsanalyse der Betrachtungsschwerpunkt auf einer genauen Analyse der Funktionsweise der Sanierungsindikatoren und -optionen in konkreten, dynamischen Geschehensabläufen.200 Hervorzuheben ist freilich, dass auch die Szenarioanalysen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 8 SAG allein theoretisch und buchbasiert erfolgen, also nicht auf eine praktische Simulation der Geschehensabläufe im engeren Sinne abzielen.201 Die konkreten Anforderungen an die Durchführung und Darstellung der Belastungsanalysen ergeben sich aus Art. 12 Abs. 2 lit. d, Abs. 3 del. VO 2016/1075 sowie § 9 Abs. 8, 9 MaSanV. Vorgesehen ist danach ein zweischrittiges Vorgehen bestehend aus einer Brutto- und einer Netto-Betrachtung.202 198 Dieser könnte im Einzelfall gebieten, von einer einseitig hoheitlichen Anordnung der Szenarien abzusehen, wenn in Absprache mit den Instituten die Erfüllung aller Gestaltungskriterien bereits durch eine Anpassung der eigenverantwortlich erstellten Szenarien möglich ist. 199 Vgl. zu diesem Ziel FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.15. Die Angleichung birgt allerdings auch die Gefahr, dass sich Unzulänglichkeiten in der Gestaltung der Szenarien sogleich in den Belastungsanalysen mehrerer Institute widerspiegeln. Zu ähnlichen Problemen im Rahmen von § 16 Abs. 3, 4 SAG unten, Abschnitt § 5 D. IV. 2. b). 200 Laut EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 39 können im Rahmen von § 13 Abs. 4 Nr. 4 und 5 SAG (Art. 10, 11 del. VO 2016/1075) aber generische Szenarien berücksichtigt werden. Ähnl. auch BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.3., die eine Darstellung etwaiger Umsetzungsrisiken und -hindernisse gegliedert nach strukturellen Szenariotypen befürwortet. 201 Missverständlich ist daher die Beschreibung der Szenarioanalysen als „Walkthrough“ (vgl. Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 159, 162 und noch Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 63). S. noch näher zum Bedürfnis nach wirklich praktischen Simulationen unter Mitwirkung von Instituten und Behörden unten, Abschnitt § 7 A. I. 2. b). 202 Vgl. Krüger, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 181, 190 ff. S. zum entsprechenden Vorgehen auch bereits unten den MaSan (BA) 03/2014
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Im Rahmen der Brutto-Betrachtung sind zunächst die Auswirkungen des Szenarios auf das Institut bei ungehinderter Entwicklung, das heißt ohne Dazwischentreten von Sanierungsmaßnahmen, darzustellen. Die zu untersuchenden Wirkfaktoren ergeben sich dabei aus § 9 Abs. 8 MaSanV, Art. 12 Abs. 2 lit. d del. VO 2016/1075; sie umfassen neben der Kapital- und Liquiditätssituation unter anderem auch weichere Faktoren wie das öffentliche Ansehen des Instituts bzw. der Gruppe.203 Zusammengenommen bildet die Brutto-Betrachtung das in den jeweiligen Stressszenarien potentiell drohende Schadensausmaß ab. Dieses Schadensausmaß bestimmt zugleich die erforderliche Sanierungskapazität, die die Sanierungsoptionen zur Bewältigung der Krisenlage in finanzieller Hinsicht entfalten müssen.204 Die nachfolgende Netto-Betrachtung bezieht sich auf die Wirkung des Szenarios unter Berücksichtigung der Sanierungsoptionen. Die diesbezüglichen Einzelanforderungen ergeben sich aus § 9 Abs. 9 MaSanV und Art. 12 Abs. 3 Satz 1 del. VO 2016/1075. Im Einzelnen sind danach zunächst alle Sanierungsmaßnahmen aufzulisten, die zur Bewältigung des jeweiligen Szenarios geeignet sein könnten. In der anschließenden Auswirkungsanalyse sind die institutsbezogenen und die marktseitigen Auswirkungen jeder Sanierungsoption vor dem Hintergrund des konkreten Belastungsszenarios zu untersuchen, wobei gem. § 9 Abs. 9 Satz 2 MaSanV ein besonderer Schwerpunkt auf der Darstellung der erwarteten Auswirkungen der Optionen auf die Indikatorentwicklung liegen muss.205 AufEichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 154 ff. (auf S. 157 ff. auch mit bespielhaften Abbildungen); ferner Schabert/Schneider/Purkott, a. a. O., S. 39, 51; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 105 ff. Die Anforderungen an die Darstellung der Belastungsanalysen entsprechen jenen, die auch für die Entwicklung der Szenarien selbst gelten. Maßgeblich ist gem. § 9 Abs. 9 Satz 2 MaSanV und Art. 17 Nr. 1 del. VO 2016/1075 wiederum, dass alle bewertungsrelevanten Annahmen und Bewertungen nachvollziehbar offengelegt werden, dies wiederum einschließlich erkennbarer Grenzen. 203 Ein Schwerpunkt der Beschreibung sollte zudem auf den Szenariowirkungen auf die wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen liegen, vgl. noch deutlicher MaSan (BA) 3/2014, E.3.3. Tz. 3; ähnl. auch Krüger, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 181, 190. Wichtig für eine angemessene Selbstkontrolle und für die aufsichtsseitige Bewertung ist ferner ein hinreichend kleinschrittiges Vorgehen, in der alle Entwicklungsschritte des modellierten Geschehensverlaufes aufbauend dargestellt und bewertet werden. Mit Blick auf die Indikatorentwicklung (§ 9 Abs. 8 Satz 3 MaSanV) sind die konkreten Zeitpunkte hervorzuheben, zu dem die Indikatorschwellenwerte erreicht werden und zu dem bei ungehinderter Fortentwicklung der Krise die Bestandsgefährdung gem. § 63 Abs. 1 SAG einträte. S. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 39; ferner Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 104. S. auch Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 155; Krüger, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 181, 187 (beide befürworten eine „drehbuchartige“ bzw. „Story“-betonte Gestaltung der Szenarien). 204 Vgl. Eichenseher, in: a. a. O., S. 147, 161. 205 Art. 12 Abs. 3 Satz 1 del. VO 2016/1075 verwendet Formulierungen, die aus Art. 10 f. del. VO 2016/1075 bekannt sind. Diese Parallelität legt es nahe, dass die sze-
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bauend auf die Auswirkungsanalyse ist anhand des konkreten Belastungsszenarios schließlich die Durchführbarkeit der Sanierungsoptionen und der erforderliche Zeitrahmen für die Umsetzung der Maßnahmen zu bewerten. Gerade die zeitliche Analyse dient dabei auch zur Überprüfung der Indikatorschwellenwerte auf eine angemessene Vorlaufzeit. Insgesamt soll die Netto-Betrachtung glaubhaft machen, dass die ausgewählten Sanierungsoptionen – auch unter Berücksichtigung etwaiger Hindernisse oder Unsicherheiten in der praktischen Umsetzung206 – geeignet sind, das Institut in einen Zustand nachhaltiger Stabilität im Sinne des § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG zurückzuversetzen. Für den Betrachtungszeitraum bedeutet dies, dass das Szenario hinreichend lang ausgestaltet sein muss, also insbesondere über die unmittelbare Krisenphase hinausgehen muss.207 b) Bestimmung der Gesamtsanierungskapazität Ausgehend von den Szenarioanalysen soll gem. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 del. VO 2016/1075 schließlich die Gesamtsanierungskapazität der Institute bestimmt werden.208 Diese Bewertung der Gesamtsanierungskapazität beinhaltet zugleich auch eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit, mit der das Institut bzw. die Gruppe in den unterschiedlichen Belastungsszenarien durch Anwendung seiner Sanierungsoptionen seine finanzielle Solidität sicher- oder wiederherstellen kann.209 Die EZB legt hier wiederum besonderen Wert auf eine möglichst realitätsgerechte Bewertung, die etwa auch wechselseitige Abhängigkeiten und Ausschlussverhältnisse zwischen den einzelnen Sanierungsoptionen berücksichtigen sollte.210 Gerade unter Berücksichtigung der Grenzen der Szenarioanalysen, die keinesfalls zukünftige Krisen vorwegnehmen, sondern nur näherungsweise Anhaltspunkte nariobezogene Auswirkungs- und Durchführbarkeitsbewertung auch inhaltlich entsprechend der Prüfung gem. Art. 10, 11 del. VO 2016/1075 zu erfolgen hat, vgl. auch BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 40. In der Praxis umfasst die Auswirkungsanalyse daneben auch die Frage, wie sich die Anwendung der Sanierungsoptionen auf die Risikotragfähigkeit im Abwicklungsstadium auswirkt, vgl. Gann, ZfgK 2017, 380, 385 (in Fußnote). Letzteres wird relevant, wenn die Sanierung scheitern sollte. 206 Tatsächlich sollte nicht nur die Szenariogestaltung, sondern auch die Durchführung der Szenarioanalysen möglichst realitätsgerecht erfolgen. Gerade weil die zukünftig zu erwartenden Krisen heute aber kaum treffsicher vorhergesagt werden können, sollten die Szenarioanalysen vor allem auch als Instrument genutzt werden, um etwaige Fehlerquellen und Wissenslücken in der Planung sichtbar zu machen. S. zu einem solchermaßen kritisch-reflexivem Verständnis der Szenarioanalysen noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) aa). 207 S. § 9 Abs. 9 Satz 1 MaSanV; BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 40. S. auch Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 115; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 92. 208 Dazu mit ausf. praktischen Tipps Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 148,169 ff. 209 BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VII. (Wahrscheinlichkeitseinschätzung könne mithilfe einer dreistufen Skala [hoch/mittel/niedrig] erfolgen). 210 EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 17.
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für die Widerstandsfähigkeit der Institute bieten können, sollte die Gesamtsanierungskapazität vorsichtig betrachtet und wiederum nur als Ausgangspunkt für eine anknüpfende Gesamtbewertung des Sanierungsplans genutzt werden.
VII. Vorbereitung der Planumsetzung Als vorletzten Planabschnitt sieht § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG schließlich die schriftliche Fixierung aller zur erfolgreichen Planumsetzung nötigen Vorbereitungsmaßnahmen vor. Erforderlich ist danach eine Aufstellung aller vorbereitenden Maßnahmen, die das Institut oder die Gruppe getroffen hat oder zu treffen beabsichtigt, um die Umsetzung des Sanierungsplans zu erleichtern.211 Dazu gehören namentlich alle verbleibenden Arbeitsschritte, die Voraussetzung für eine jederzeitige Umsetzbarkeit der Pläne nach Maßgabe der in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG definierten Zielvorgaben ist. Der Planabschnitt beinhaltet somit das handlungsbezogene Kondensat, das sich für die Institute aus den vorangehenden Arbeiten ergibt,212 und bildet gleichsam den Schlussstein sowohl der Sanierungspläne als auch des zugrundeliegenden institutsinternen Planungsprozesses selbst. Parallel zu den Anforderungen des SAG sieht auch Art. 15 del. VO 2016/1075 eine Analyse aller getroffenen und erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen vor, die ausweislich Abs. 2 auch Maßnahmen zum Abbau diagnostizierter Sanierungshindernisse umfassen sollen. Ausstehende Maßnahmen sind mit Fristen zu versehen, wodurch der Planabschnitt den Charakter einer Arbeitsagenda erhält. Wohl unter Bezugnahme auf die Anforderungen in Abschnitt A Nr. 17 und 19 des Anhangs der BRRD sollen die Vorbereitungsmaßnahmen gem. Art 15 Abs. 1 Var. 1 del. VO 2016/1075 zum einen solche Schritte umfassen, die die „Durchführung des Sanierungsplans vereinfachen“. Angesprochen sind damit Maßnahmen in prozessual-organisatorischer Hinsicht. Darunter fällt etwa die Einrichtung der von § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG geforderten Krisen-Governance einschließlich der Überwachungsstruktur zur Beobachtung der Sanierungsindikatoren,213 ferner spezifisch sanierungsoptionenbezogene Vorkehrungen wie z. B. die Vorbereitung der für eine Kapitalerhöhung erforderlichen Beschlüsse des Vorstands oder Aufsichtsrats.214 Sowohl die Beispiele der BaFin und der EBA215 als auch 211
Gleichlautend schon § 47a Abs. 2 Nr. 10 KWG a. F. Der Bedarf nach Vorbereitungsmaßnahmen kann sich, wie der insoweit offene Wortlaut des § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG bestätigt, aus allen vorangehenden Planungsschritten ergeben. Verkürzend dagegen Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 166 f. (Verf. stellt vor allem auf die Ergebnisse der Belastungsanalysen ab). 213 Vgl. Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 117. 214 S. mit diesem und weiteren Beispielen BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. IX.; ähnl. auch BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 56 (Begründung zu § 27) und bereits BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, F.1. 212
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die Ausführungen der vorhandenen praxisbezogenen Literatur216 zeugen davon, dass die gesetzlich vorgesehenen Vorbereitungsmaßnahmen bisher, wenn nicht ausschließlich, so doch ganz überwiegend in diesem prozessual-organisatorischen Sinne verstanden wurden. Ihre Stütze findet eine solche Auslegung vor allem in ErwG 12 del. VO 2016/1075, der von „Änderungen der Geschäftsorganisation“ sowie „organisatorischen Vorbereitungs- und Folgemaßnahmen“ spricht und damit wiederum Vorkehrungen prozeduraler Natur adressiert. Tatsächlich dürften diese prozessual-organisatorischen Schritte aber nur einen Teil des gesetzlich vorgesehenen Spektrums der Vorbereitungsmaßnahmen abbilden. Denn ausweislich Art. 15 Abs. 1 Var. 2 del. VO 2016/1075 sind daneben auch solche Vorbereitungsmaßnamen zu bestimmen, die „die Wirksamkeit des Sanierungsplans verbessern“ oder, damit implizit ebenfalls angesprochen, überhaupt erst gewährleisten. Das Gesetz nimmt hier also anders als die erste Tatbestandsalternative weniger die Durchführung des Plans als solche in den Blick, sondern stellt auf die Wirkung des Plans ab, unterstellt, die in ihm vorgesehenen Maßnahmen wurden ordnungsgemäß durchgeführt. Danach sind also auch Vorbereitungsmaßnahmen in „materieller“ Hinsicht zu treffen, welche den finanziellen Wirkungsgrad der einzelnen Handlungsoptionen sowie des Plans insgesamt auf ein ausreichend hohes, eine erfolgreiche Sanierung gewährleistendes Niveau bringen. Was die Darstellung betrifft, fordert Art. 15 Abs. 1 del. VO 2016/1075 – den anderen Planabschnitten vergleichbar – eine institutsseitige „Analyse“ dieser Vorbereitungshandlungen. Unter Berücksichtigung der Anforderungen des Art. 17 Abs. 1 del. VO 2016/1075 dürfte damit eine detaillierte Beschreibung und, soweit im Einzelfall sinnvoll, eine problematisierende Auseinandersetzung mit den erwogenen Vorbereitungsmaßnahmen geboten sein.217 Wie später noch ausführlicher zu sehen sein wird, bietet der Rechtsrahmen damit den Raum, die Institute bereits frühzeitig zu einer eigenständigen Prüfung zu veranlassen, ob und gegebenenfalls welche tiefgreifenden Umstrukturierungsmaßnahmen mit Blick 215 EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Rn. 91 ff. S. mit genauerer Auswertung diesbezüglich auch nochmals unten, Abschnitt § 5 D. IV. 2. a). 216 Vgl. Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 119. S. ferner Brechfeld/Weber, MaSan, S. 103 f. und Berger/Buchmüller/ Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 128; Eichenseher, in: a. a. O., S. 147, 166 (der erforderliche Handlungsbedarf sei vor allem aus den „wesentlichen Hinderungsgründen für die Umsetzung der Handlungsoptionen“ abzuleiten, Hervorhebung nur hier); ferner Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 138 (letzterer nennt als Bsp. auch nur „Anpassungen der Organisationsstruktur oder Personalausstattung“, weist unter Rn. 140 aber auch auf bestehende Unsicherheit im Hinblick auf das konkrete Anforderungsspektrum hin: „Die entscheidende Frage, [. . .] wie sehr auch weitgehende Maßnahmen vorgeschlagen werden müssen, um die Sanierungsfähigkeit zu erhöhen, bleibt [. . .] ungelöst.“). S. schließlich aus britischer Perspektive auch Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 209. 217 Vgl. auch Brechfeld/Weber, MaSan, S. 105 (gefordert sei mehr als „schlichte Auflistung“).
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auf die Organisationsstruktur und Geschäftstätigkeit (einschließlich Risikoabbau) angezeigt sein könnten, um im Bedarfsfall eine erfolgreiche Sanierung des Instituts wahrscheinlicher zu machen.218 Unabhängig von dieser Frage nach der Reichweite der Pflichten aus § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075 weist die BaFin darauf hin, dass die Bedeutung der Vorbereitungsmaßnahmen umso höher sei, je relevanter die jeweilige Handlungsoptionen für das planende Institut ist und je kritischer dessen aktuelle Risikolage einzuschätzen ist.219 Offenbar geht sie davon aus, dass sich die Vorbereitungsmaßnahmen schwerpunktmäßig auf jene Optionen konzentrieren sollte, die für einen Sanierungserfolg besonders kritisch sind. Derartige Priorisierungen mögen zwar unter Berücksichtigung begrenzter Planungsressourcen im Ausgangspunkt sinnvoll erscheinen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich ex ante kaum mit hinreichender Sicherheit voraussagen lässt, welche Sanierungsoptionen im „Ernstfall“ tatsächlich entscheidend zur Sanierung beitragen könnten.220 Je nach Krisenverlauf potentiell wichtig ist jede in den Plänen aufgeführte Handlungsoption; andernfalls wäre sie vor dem Hintergrund des Relevanzkriteriums in Art. 17 Abs. 2 del. VO 2016/1075 gar nicht erst in die Pläne aufzunehmen.221 Eine Sanierungsplanung, die die Zielvorgaben der §§ 12 Abs. 1 und 13 Abs. 4 SAG ernst nimmt, sollte dementsprechend soweit wie möglich darauf abzielen, sämtliche Maßnahmen mit einheitlich hoher Konsistenz vorzubereiten. Nur so ist sichergestellt, dass die Pläne in den vielfältig denkbaren Szenarien tatsächlich mit maximaler Wirkung umsetzbar sind.
VIII. Gesamtbewertung Im Ergebnis muss sich der gesamte Sanierungsplan an der in § 13 Abs. 4 SAG formulierten Zielbeschreibung messen lassen.222 Erforderlich ist danach einerseits, dass die im Plan vorgesehenen Maßnahmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet sind, die Überlebensfähigkeit und die finanzielle Solidität des Instituts oder der Gruppe nachhaltig zu sichern oder wiederherzustellen. Ferner müssen der Plan und die Handlungsoptionen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schnell und wirksam umgesetzt werden können, so dass wesentliche ne218 S. ausf. zur Notwendigkeit und zum Inhalt einer solchen institutsseitigen Prüfpflicht, die letztlich parallel zu den behördlichen Eingriffsbefugnissen gem. § 16 Abs. 4, 5 SAG läuft, unten, Abschnitt § 5 D. IV. 2. b). 219 BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. IX.; ebenso Brechfeld/Weber, MaSan, S. 104; Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung von Kreditinstituten, S. 11, 33. 220 S. zu diesen Grenzen der prognostischen Vorausplanung noch näher unten, Abschnitt § 5 A. III. 221 Denkbar ist allenfalls, dass solche Handlungsoptionen das Prädikat „besonders relevant“ erhalten, deren Einsatz ausgehend von den durchgeführten Szenarioanalysen in relativ vielen Krisenlagen wahrscheinlich erscheint. 222 Die Vorschrift setzt die gleichlautende Regelung in Art. 6 Abs. 2 BRRD um.
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gative Auswirken auf das Finanzsystem so weit wie möglich vermieden werden – letzteres auch dann, wenn andere Institute zeitgleich ebenfalls Sanierungspläne umsetzen. Eingekleidet in eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe223 enthält die Regelung damit in Nr. 1 qualitative Zielanforderungen mit überwiegend institutsbezogener (dazu 1.), in Nr. 2 aber auch solche mit markt- bzw. systembezogener Ausrichtung (dazu 2.).224 Die Erfüllung dieser Anforderungen haben die Institute gem. § 13 Abs. 4 Satz 2 SAG in den Sanierungsplänen nachvollziehbar dazulegen (dazu 3.). 1. Institutsbezogene Zielvorgaben § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG sieht vor, dass die im Plan vorgesehenen Maßnahmen geeignet sein müssen, die Überlebensfähigkeit und finanzielle Solidität des Instituts nachhaltig zu sichern oder wiederherzustellen. Dazu im Einzelnen: Der Begriff der Überlebensfähigkeit dürfte sich auf den Fortführungsfähigkeit des Instituts im rein insolvenzrechtlichen Sinne beziehen. Sie ist gesichert, wenn durch die Umsetzung des Sanierungsplans die Gefahr einer materiellen Insolvenz gem. §§ 17–19 InsO abgewendet werden kann, welche zugleich die Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO auslöst.225 Die Vorschrift selbst macht deutlich, dass die Sicherung der Überlebensfähigkeit per se nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für den Sanierungserfolg ist. Erforderlich ist ferner, dass das Institut durch die Umsetzung der Pläne in einen Zustand finanzieller Solidität gebracht werden kann. Anders als bei dem Kriterium der Überlebensfähigkeit handelt es sich hier um einen aufsichtsrechtlichen Begriff im engeren Sinne, der vor allem im Lichte von § 12 Abs. 1 SAG zu lesen ist. Der Plan muss damit zur Abwendung eines Krisenfalles geeignet sein. Die in dem Plan vorgesehenen Maßnahmen müssen eine finanzielle Sanierungskapazität entfalten können, die die Entwicklungstendenz hin zu einer Bestandsgefährdung unterbricht und das Institut in den Zustand versetzt, der vor Anschlagen der Sanierungsindikatoren bestand.226 223 Krit. dazu schon Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47a KWG a. F., Rn. 19, die das Bestimmtheitsgebot verletzt sehen; vgl. auch Bachmann, BB Die erste Seite 2013, Nr. 10; van Kann/Rosak, BB 2013, 1475, 1480. Wie nachfolgend zu sehen sein wird, lassen sich die Begriffe aber durch Auslegung in weiten Teilen konkretisieren. Dem Bestimmtheitsgebot dürfte damit Genüge getan sein (vgl. BVerfGE 1, 14, 45; 25, 216, 227; BayVerfGH, Entsch. v. 22.11. 1996 – Vf. 9-VII-93 Rn. 39 (zit. nach juris)). 224 Vgl. auch Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 121 (Fn. 48). 225 Art. 8 Abs. 2 del. VO 2016/1075 spricht synonym von der „Existenzfähigkeit“ des Instituts. 226 Art. 8 Abs. 2 del. VO 2016/1075 und Art. 6 Abs. 2 BRRD sprechen gleichbedeutend von der „Wiederherstellung der [früheren] Finanzlage“, § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG von der „Sicherung oder Wiederherstellung der finanziellen Stabilität“.
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Der Sanierungsplan muss die vorgenannten Sanierungsziele auch nachhaltig erreichen können. Zwar existiert im Recht der Finanzmarktregulierung bis heute kein einheitlicher Nachhaltigkeitsbegriff.227 Jedenfalls im Bereich der prudenziellen Bankenaufsicht scheint heute aber ein Begriffsverständnis vorzuherrschen, das Nachhaltigkeit vor allem mit einem dauerhaft stabilen und widerstandsfähigen Finanzsystem assoziiert. Bezogen auf das einzelne Institut bedeutet dies insbesondere die Einrichtung eines langfristig ausgerichteten Risikomanagements, welches das Institut zur dauerhaften Selbstregeneration nach Krisenphasen befähigt.228 Vorliegend steht der Begriff zudem auch im Zusammenhang mit dem übergeordneten Ziel der BRRD, eine Entlastung öffentlicher Haushalte zu erreichen.229 Dieses Ziel wäre nicht gewährleistet, wenn die Sanierungspläne die Institute jeweils nur kurzfristig „retten“, jede nachfolgende finanzielle Belastung aber deren Regenerationsfähigkeit dermaßen überfordern würde, dass spätestens dann im Interesse der Systemstabilität eine öffentliche Beihilfe unausweichlich wird. Nachhaltig ist die Sicherung oder Wiederherstellung der finanziellen Solidität im hiesigen Kontext also gerade dann, wenn sie langfristig erreicht wird.230 Damit müssen das jeweilige Institut auch nach Austritt aus der akuten Krisenphase weiterhin angemessene Erträge erwirtschaften können, was wiederum eine perspektivische Planung erfordert, die auch auf die Unternehmensführung in der Nachkrisenphase Rücksicht nimmt.231 Im Interesse der Kohärenz der aufsichts-
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Bauer/Schuster, in: dies. (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 1, 1. Vgl. Bauer/Stegmaier, a. a. O., S. 5, 26; Cichy/Schönen, a. a. O., S. 197, 201; Görner, a. a. O., S. 89, 90; s. auch schon Schäfer, DIW Wochenbericht 8/2013, 3, 4 ff. Das Kriterium der Nachhaltigkeit findet sich heute in einer Vielzahl aufsichtsrechtlicher Normen, s. z. B. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG; MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.2 Tz. 1 mit dem Erfordernis einer auf nachhaltige Unternehmensentwicklung gerichteten Geschäftsstrategie. 229 ErwG 1 BRRD. S. auch schon oben, Abschnitt § 3 A. II. 230 So auch der bereits der BRRD-Gesetzesentwurf, vgl. Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 10 (Sanierungspläne sollen Institute „[. . .] im Falle einer wesentlichen Verschlechterung ihrer Finanzlage in die Lage versetzen, die langfristige Tragfähigkeit durch frühzeitiges Eingreifen wiederherzustellen.“, Hervorhebung nur hier). Die Formulierung macht deutlich, dass § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG – selbst wenn Art. 6 Abs. 2 BRRD den Nachhaltigkeitsbegriff nicht ausdrücklich erwähnt – die Richtlinienanforderungen nicht verschärft. S. auch BT-Drs. 17/12601, S. 36 und BT-Drs. 18/2575, S. 148 (jeweils mit der Formulierung: „nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig“) sowie mit Blick auf § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG parallel BaFin, Jahresbericht 2013, S. 73. Wie hier auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 33; Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 22; s. ferner Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 231 (Verf. orientieren sich an dem IDW Standard S 6 für Sanierungskonzepte und folgern daraus, dass jedenfalls ein Sanierungsplan, der allein aus Kurz- und Mittelfristmaßnahmen besteht, den Anforderungen nicht genüge). 231 Vgl. allg. auch Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 213 (Sanierungsplanungspflicht wirke auf vorausschauende Unternehmensführung hin); s. ferner BT-Drs. 18/2575, S. 143 und Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 59. 228
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
163
rechtlichen Bewertungsmaßstäbe bietet sich hier ein Betrachtungszeitraum an, der auch bei der aufsichtlichen Überprüfung des Geschäftsmodells gem. Art. 98 Abs. 1 lit. i CRD-IV angelegt wird.232 Die EBA hat diesen zuletzt auf drei Jahre festgelegt.233 2. Systembezogene Zielvorgaben Als primär systembezogene Zielvorgabe verlangt § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG eine schnelle und wirksame Umsetzbarkeit der Pläne, die wesentliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem so weit wie möglich vermeidet, dies auch in Phasen, in denen andere Institute ebenfalls Sanierungspläne umsetzen.234 Zu den Kriterien wiederum im Einzelnen: Wie auch die übrigen Termini beruht der Begriff des Finanzsystems inhaltlich auf den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD und ist richtlinienkonform auszulegen. Maßgeblich für die Untersuchung etwaiger negativer Effekte ist daher nicht bloß das inländische Finanzsystem, in dem das jeweilige Institut seinen Sitz hat, sondern das gemeinsame Finanzsystem aller EU-Mitgliedsstaaten,235 konstituiert durch die Gesamtheit aller EU-Finanzinstitute, -märkte, -produkte und -marktinfrastrukturen.236 Wesentliche negative Auswirkungen im Sinne der Norm sind sämtliche Externalitäten, die – gegebenenfalls auch nur mittelbar und im Zusammenwirken mit parallelen Sanierungs- oder Abwicklungsmaßnahmen anderer Akteure237 – geeignet sind, die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems als Ort der gesamtwirtschaftlich unverzichtbaren Kapitalvermittlung zu beeinträchtigen.238
232 Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 33; ebenso Blaß, Abwicklung von Banken, S. 216. 233 EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 83. Auch im Rahmen der Erteilung von Banklizenzen überprüft die Aufsicht die Tragfähigkeit von Geschäftsplänen anhand eines Dreijahreszeitraumes, vgl. §§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KWG i.V. m. § 14 Abs. 7 Nr. 1 AnzV. 234 Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 31; Cichy, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 22 will aus § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG – m. E. unter unzulässiger Verkürzung des Normgehaltes – offenbar allein das Ziel einer schnellen Planumsetzbarkeit ableiten. 235 Parallel stellt etwa auch die Legaldefinition kritischer Funktionen in § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG (Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 BRRD) darauf ab, ob die Einstellung einer Tätigkeit des Instituts zu einer Störung der Finanzmarktstabilität „in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten“ führen kann. 236 Vgl. Art. 2 lit. b ESRB-VO. 237 S. zu der damit geforderten akteursübergreifenden Bewertungsperspektive, die typisch für ein makroprudenzielles Aufsichtskonzept ist, unten, Abschnitt § 6 B. II. Zu den Informationsdefiziten der Institute in diesem Zusammenhang s. ebenfalls unten, Abschnitt § 5 A. I., II. und B. IV. 238 Vgl. Bauerschmidt, ZHR 183 (2019), 476, 478, der auch den Begriff der „Finanzstabilität“ unter Bezugnahme auf das Kriterium der störungsfreien Aufgabenerfül-
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
Darunter fallen insbesondere die bereits eingangs beschriebenen direkten und indirekten Ansteckungseffekte.239 Derartige Auswirkungen sind nach dem Normwortlaut „so weit wie möglich“ zu vermeiden.240 Die Vorschrift berücksichtigt damit, dass negative Externalitäten im Rahmen des Krisenmanagements nicht in jeder Situation mit absoluter Gewissheit vermeidbar sind. Sie spricht aber ein Optimierungsgebot aus, das die Institute verpflichtet, die Wahrscheinlichkeit negativer Externalitäten durch angemessene Planung, die erforderlichenfalls auch einschneidende Schritte umfassen kann (§ 16 Abs. 4 SAG), auf den geringstmöglichen Umfang zu reduzieren.241 In engem Zusammenhang mit dem Ziel einer Externalitätenvermeidung steht schließlich auch die Vorgabe, der Sanierungsplan müsse eine hinreichend schnell umsetzbar sein.242 Maßgeblich ist insoweit die Überlegung, dass die Bewältigung einer Krisenlage umso schwerer wird, je länger sie andauert.243 Ursächlich sind hier vor allem zunehmende negative Vertrauenseffekte. Je länger das Institut ohne nennenswerte, nach außen wahrnehmbare Stabilisierungseffekte im Krisenmodus verharrt, desto eher haben Dritte Anlass, die Effektivität des institutsinternen Krisenmanagements zu bezweifeln. Die Gefahr von Kapitalabzügen nimmt zu, womit gleichzeitig auch die zur Restabilisierung des einzelnen Instituts erforderliche Sanierungskapazität steigt.244 Berücksichtigt man zudem die Tatsache,
lung des Finanzsystems definiert. Ähnl. schon Tuori/Tuori, The Eurozone Crisis, S. 58 und Allen/Wood, Defining and achieving financial stability, S. 15. 239 Ähnl. allg. Binder, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 163, 168 f. Laut Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 148 sollen von der Norm ebenfalls volkswirtschaftliche Nachteile durch Bankenkrisen erfasst seien. Das trifft für all diejenigen realwirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu, denen zunächst eine Störung der Finanzstabilität vorausgeht. Angesichts des eindeutigen Wortlautes nicht erfasst sind dagegen negative realwirtschaftliche Auswirkungen, die – ohne Systembezug – allein aus krisenbedingten Umstrukturierungsmaßnahmen einzelner Institute (z. B. Einschränkung der Kreditvergabe) resultieren. 240 Ebenso Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD. Demgegenüber verlangte der BRRD-Entwurf noch eine Umsetzbarkeit der Handlungsoptionen, „ohne dass [diese] erhebliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem haben darf“, vgl. Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 57. In Art. 19 Nr. 2 del. VO 2016/1075, der noch auf Grundlage dieses Entwurfes entwickelt wurde, findet sich heute weiterhin eine solche Formulierung. Die Norm ist richtlinienkonform entsprechend der finalen Fassung auszulegen. 241 Noch deutlicher ist die englische Fassung von Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD („[. . .] avoiding to the maximum extent possible any significant adverse effect on the financial system [. . .]“, Hervorhebung nur hier). 242 Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD verlangt inhaltlich übereinstimmend eine „zügige und effektive“ Umsetzbarkeit. 243 Vgl. im Ansatz auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 31; ferner Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 39 (in Anknüpfung an Huertas, Living Wills). 244 Vgl. Binder, in: Allmendinger/Dorn/Lang et al. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 239, 249.
A. Inhaltliche Anforderungen an Einzelsanierungspläne
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dass gerade das Vertrauen nichtinstitutioneller Einleger und Anleger regelmäßig im erhöhten Maße abstrahiert ist, sich also weniger auf das individuelle Institut als vielmehr auf das Finanzsystem insgesamt bezieht,245 steigt damit gleichermaßen auch die Gefahr systemweiter Vertrauensverluste. Eine zügige Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Sanierungsmaßnahmen ist deshalb vor allem geboten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sanierungsfähigkeit des Instituts nicht zu erschüttern und damit mittelbar auch die Gesamtsystemstabilität möglichst wenig zu beeinträchtigen.246 Unklar ist, ob daneben auch dem Kriterium der Wirksamkeit eine eigenständige Rolle zukommt. Näher liegt es, in dem Begriff eine bloße Verweisung auf die in Nr. 1 genannten Anforderungen zu sehen. Wirksam ist der Plan dementsprechend gerade dann, wenn er das Institut in einen Zustand nachhaltiger Überlebensfähigkeit und finanzieller Solidität versetzen kann. 3. Darlegung der Zielkonformität Die Erfüllung der vorgenannten Anforderungen ist gem. § 13 Abs. 4 Satz 2 SAG durch die Institute in den Sanierungsplänen nachvollziehbar darzulegen.247 Fraglich ist insoweit, ob diese Darstellung in einem gesonderten Planabschnitt erfüllt werden muss. Dafür spricht, dass sich die Zielvorgabe in § 13 Abs. 4 SAG bereits ihrem Wortlaut nach nicht nur auf einzelne Planbestandteile bezieht, sondern auf die in dem Plan vorgesehenen Maßnahmen und Handlungsoptionen sowie den Sanierungsplan insgesamt. Eine solche Gesamtanforderung dürfte dementsprechend auch nach einer abwägenden Gesamtwürdigung verlangen, die sich auf alle operativen Planbestandteile und die ihnen jeweils zugrundeliegenden Analysen erstreckt.248 In der aktuellen Planungspraxis scheint demgegenüber dennoch keine gesonderte Darstellung üblich zu sein, die erforderliche Bewer-
245
Dazu schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. Laut Huertas, Living Wills, sub. Abs. 4; ders./Lastra, 21 Revista de Estabilidad Financiera 25, 30 (2011) sollten die Pläne binnen drei bis sechs Monaten umsetzbar sein. Dessen Aussagen wurden bei der Erstellung des BRRD-Entwurfes offenbar berücksichtigt, könnten also Anhaltspunkte für die Vorstellungen der Kommission liefern, vgl. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 25 (Fn. 41). S. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 43 (2013) („several months“) sowie strenger noch Binder, in: Allmendinger/ Dorn/Lang et al. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 239, 249 (Abschluss von Sanierungsbemühungen binnen „weniger Tage“). Zutreffend weist Buchmüller, in: Luz/Neus/ Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 149 darauf hin, dass eine schnelle Umsetzbarkeit der Pläne vor allem von der Funktionsfähigkeit der KrisenGovernance abhängt. 247 Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BRRD. 248 Vgl. ebenfalls für eine ganzheitliche Analyse, die den Querbezügen zwischen den einzelnen Planbestandteilen Rechnung trägt, auch IDW, IDW S 6 (05/2018), Rn. 12 (abgedruckt bei Zabel, Beilage ZIP 44/2018, 3), dort freilich für die Gesamtbewertung von Sanierungskonzepten jenseits der Sanierungsplanung. 246
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
tung nach § 13 Abs. 4 Satz 2 SAG geschieht vielmehr bereichsspezifisch bei den einzelnen Elementen des Plans.249 In jedem Fall verlangt die Zielbeschreibung nach umfassenden prognostischen Bewertungen.250 Zwar können sich die Institute methodisch an den in Art. 18 und 19 del. VO 2016/1075 genannten Kriterien orientieren. In einer Vielzahl der Fälle dürfte aber gleichwohl eine nicht unerheblichen Restunsicherheit verbleiben. Anders als eine unbefangene Lektüre des § 13 Abs. 4 SAG nahe legt, können sich die Institute dabei nicht auf das Erfordernis einer bloß „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ zurückziehen. Die entsprechende Formulierung wird vielmehr erst im Rahmen der behördlichen Planbewertung, dort als Beweismaßregelung, relevant.251 Für die Institute gilt demgegenüber das Vorsichtsprinzip als spezieller Entscheidungsmaßstab in Zweifelsfällen.252
B. Besondere Inhaltsanforderungen für Gruppensanierungspläne, Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme und vereinfachte Sanierungspläne In Abweichung von den Regelanforderungen für Einzelsanierungspläne enthalten SAG, del. VO 2016/1075 und MaSanV besondere inhaltliche Anforderungen für Gruppensanierungspläne (dazu I.), Sanierungspläne von institutsbezogenen Sicherungssystemen (dazu II.) und für vereinfachte Sanierungspläne (dazu III.).
I. Gruppensanierungspläne Die besonderen Inhaltsanforderungen an sog. Gruppensanierungspläne ergeben sich im Wesentlichen aus § 14 SAG, ergänzt durch Art. 20 del. VO 2016/ 1075.253
249 Vgl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 149 f.; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 43; ähnl. auch BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. I. S. schließlich auch EBA, Draft RTS on content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 37. Die dortigen Aussagen der EBA sprechen dafür, dass sie die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 BRRD durch die Institute bei der Darstellung der einzelnen Handlungsoptionen geprüft sehen will. 250 S. speziell zum Prüfauftrag des Buchprüfers in diesem Zusammenhang Schabert/ Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 81 ff., 120 ff. 251 S. dazu unten, Abschnitt § 5 C. II. 2. 252 S. dazu unten, Abschnitt § 5 C. III. 2. 253 S. zum Nachfolgenden auch die Kommentierung in Weber/Brechfeld, in: Luz/ Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 14 SAG; allgemeiner zur Sanierung speziell in Gruppenlagen Babis, 25 EBLR 459 (2014).
B. Besondere Inhaltsanforderungen
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1. Anwendungsbereich des § 14 SAG Während die Inhaltsanforderungen des § 12 SAG auf sämtliche Sanierungspläne, solche von Einzelinstituten wie Gruppen, Anwendung finden, gelten die besonderen Anforderungen des § 14 SAG nur für bestimmte Konzernsachverhalte. Anwendbar sind sie gem. § 14 Abs. 1 SAG nur auf solche übergeordneten Unternehmen, die sog. EU-Mutterunternehmen sind und für die die Aufsichtsbehörde zugleich die konsolidierende Aufsichtsbehörde ist. Den Begriff des EU-Mutterunternehmens spezifiziert das SAG unter Bezugnahme auf die Kapitaladäquanzverordnung (CRR).254 Ihm unterfallen einerseits sog. EU-Mutterinstitute, andererseits EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften und gemischte EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften. Allen drei Unternehmenstypen gemeinsam ist, dass sie mindestens ein Institut kontrollieren und gleichzeitig nicht das Tochterunternehmen eines anderen, in einem CRR-Mitgliedsstaat zugelassenen Instituts oder einer in einem CRR-Mitgliedsstaat errichten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft sind.255 Konsolidierende Aufsichtsbehörde256 ist diejenige Aufsichtsbehörde, die die Aufsicht über das konsolidierungspflichtige Unternehmen innerhalb Gruppe übernimmt.257 Die Aufgaben der konsolidierenden Aufsichtsbehörde übernimmt in Deutschland die BaFin, soweit nicht vorrangig die EZB zuständig ist.258 Konsolidierungspflichtig ist gem. Art. 11 CRR bei Vorliegen eines EU-Mutterinstituts dieses EU-Mutterinstitut selbst, bei Vorliegen einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft ein Institut, das von der (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert wird.259 Die von § 14 Abs. 1 SAG geforderte Aufsichtsidentität liegt also erstens dann vor, wenn es sich bei dem zu beaufsichtigenden Institut um ein in Deutschland ansässiges EU-Mutterinstitut handelt. Zweitens liegt die Aufsichtsidentität vor, wenn sowohl die (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft als auch das ihr nachgeordnete konsolidierungspflichtige Institut in Deutschland ansässig sind.
254
§ 2 Abs. 3 Nr. 19, Abs. 4 Nr. 8, 10, 12 SAG. S. zu allen drei Unternehmenstypen z. B. Dürselen, in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Art. 4 CRR Rn. 91 ff., 99 ff., 107 ff. 256 Die prudenzielle Beaufsichtigung von Institutsgruppen erfolgt in der heutigen Aufsichtspraxis grundsätzlich nach den Regeln der sog. konsolidierten Aufsicht. Näher dazu Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 65 ff.; Kolossa, in: BankR-Hdb., § 137 Rn. 41 ff. 257 § 2 Abs. 3 Nr. 35 SAG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 41 CRR. 258 § 6 Abs. 1 KWG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 CRR. S. zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen BaFin und EZB innerhalb des SSM gem. Art. 4, 6 SSM-VO noch genauer sogleich, Abschnitt § 4 C. I. 2. 259 Kontrolliert die (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft mehrere Institute, so ist die konsolidierende Behörde nach den Kriterien des Art. 111 CRD-IV zu bestimmen, vgl. Art. 11 Abs. 2 UAbs. 2 CRR. Zum Hintergrund Schaber/Amann, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 10a KWG Rn. 51 f. 255
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
2. Inhaltliche Anforderungen an Gruppensanierungspläne Die Gruppensanierungsplanung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Vielzahl der Bankunternehmungen ihre Geschäftstätigkeit in der Praxis arbeitsteilig in komplexen Konzernstrukturen organisieren.260 Eine Sanierungsplanung, die isoliert auf die Widerstandsfähigkeit einzelner konzernangehöriger Gesellschaften abstellt, ohne zugleich die finanziellen und organisatorischen Interdependenzen zwischen den konzernangehörigen Entitäten im Blick zu haben, wäre vor diesem Hintergrund unbefriedigend.261 Notwendig sind stattdessen planerische Vorarbeiten, die aus einer ganzheitlichen Perspektive auf die Sanierbarkeit der gesamten Gruppenstruktur abzielen.262 Zu diesem Zweck sieht § 14 SAG grundsätzlich die Erstellung eines Gruppensanierungsplanes vor, der in seinem Regelungsgehalt die gesamte Gruppe erfasst und auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen zu deren Restabilisierung und Sanierung enthält. Nur ausnahmsweise sind unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 SAG auch innerhalb bestehender Gruppenstrukturen ergänzende Einzelsanierungspläne für einzelne gruppenangehörige Institute zulässig.263 Inhaltlich muss der Gruppensanierungsplan gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1 SAG Handlungsoptionen enthalten, die sowohl auf der Ebene des übergeordneten Unternehmens als auch auf der Ebene der nachgeordneten Unternehmen umsetzbar sind.264 Sie müssen gem. Art. 20 Nr. 1 lit. b del. VO 2016/1075 jeweils so ausgestaltet sein, dass auch nach ihrer Umsetzung ein existenzfähiges Geschäftsmodell sowohl für die Gruppe als Ganzes als auch für die einzelnen gruppenangehörigen Institute vorhanden ist. Etwaige Umsetzungshindernisse innerhalb der Gruppe sind gem. Art. 20 Nr. 2 del. VO 2016/1075 frühzeitig zu analysieren und zu beseitigen. Soweit die Handlungsoptionen relevante externe Auswirkungen für das Marktumfeld des Unternehmens zeitigen können, sind diese Auswirkungen im Hinblick auf alle Mitgliedsstaaten zu untersuchen, in denen die Gruppe tätig ist.265 Weiterhin muss der Gruppensanierungsplan gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2 SAG besondere Regelungen vorsehen, die gewährleisten, dass die auf den verschiedenen Ebenen der Gruppe zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen miteinander in Einklang stehen, im Krisenfall also auch nebeneinander konsistent und
260 Die Einrichtung von Konzernstrukturen ist zum Teil auch aufsichtsrechtlich bedingt, vgl. § 3 KWG. 261 Vgl. nur Babis, 25 EBLR 459, 459 f. (2014) sowie Binder, ZHR 179 (2015), 83, 122 f. (dort im Hinblick auf Abwicklungskonzepte, letztlich aber übertragbar). 262 Vgl. Art. 7 Abs. 4 UAbs. 1 BRRD. 263 Vgl. auch § 12 Abs. 2 SAG und Art. 7 Abs. 2, ErwG 33 BRRD. 264 Zum Begriff des übergeordneten/nachgeordneten Unternehmens s. § 2 Abs. 3 Nr. 28, 30 SAG. 265 ErwG 23 BRRD.
B. Besondere Inhaltsanforderungen
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koordiniert eingesetzt werden können.266 Schließlich soll der Gruppensanierungsplan gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 SAG auch Vereinbarungen zur gruppeninternen finanziellen Unterstützung enthalten. Den Inhalt und die Genehmigungsvoraussetzungen für derartige Vereinbarungen regeln ausführlich die §§ 22 ff. SAG. Soweit der Umsetzung gruppeninterner Unterstützungsmaßnahmen praktische oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, sind auch diese gem. Art. 20 Nr. 3 del. VO 2016/1075 frühzeitig zu analysieren und mögliche Lösungsansätze vorzuschlagen.267 Zusätzlich zu den Rahmenvorgaben aus § 14 SAG und Art. 20 del. VO 2016/ 1075 hat die EBA mittlerweile Empfehlungen ausgearbeitet, in denen sie näher darlegt, in welchem Umfang einzelne gruppenzugehörige Entitäten – Tochtergesellschaften und Zweigstellen – im Gruppensanierungsplan zu berücksichtigen sind. Die EBA verfolgt insoweit einen proportionalen Ansatz. Der Umfang der gebotenen Berücksichtigung richtet sich danach, ob die betreffende Entität als wesentlich für die Gruppe, als wesentlich nur für die lokale Volkswirtschaft bzw. das lokale Finanzsystem oder als gänzlich unwesentlich einzustufen ist.268
II. Sanierungspläne für institutsbezogene Sicherungssysteme Für die Sanierungsplanung sog. institutsbezogener Sicherungssysteme269 schreibt § 20 Abs. 4 SAG vor, dass diese ebenfalls nach Maßgabe der §§ 12–18 SAG sowie gegebenenfalls auch des § 19 SAG zu erfolgen hat. Weitergehende spezielle Anforderungen enthalten zudem die §§ 18 ff. MaSanV, wobei die §§ 18– 20, 29 MaSanV vor allem verfahrensbezogene, die §§ 21–28 MaSanV dagegen inhaltsbezogene Sonderregelungen enthalten.270 Der Regelungsgehalt der Vorschriften ergibt sich, ausgehend von den oben dargestellten Regelanforderungen an die Sanierungspläne, weitestgehend bei bloßer Lektüre. Strukturell vergleichbar mit der Gruppensanierungsplanung erstellt 266 Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 149. S. entsprechend auch die Bewertungsvorgaben in Art. 20 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/0175 sowie Art. 17 Nr. 4 lit. b und c del. VO 2016/ 1075, wobei das dort genannte Kriterium der „Stimmigkeit“ eher innere Konsistenz des Plans per se betreffen dürfte. 267 Ausf. zur gruppeninternen finanziellen Unterstützung unter der BRRD etwa Babis, 25 EBLR 459, 463 ff. (2014). 268 EBA, Empfehlung zur Erfassung von Unternehmen im Gruppensanierungsplan, EBA/REC/2017/02, 26.1.2018. 269 S. o., Abschnitt § 3 C. III., bereits zum Begriff und zur Funktionsweise dieser Systeme sowie zur Befreiung systemzugehöriger Institute von der Planungspflicht gem. § 20 Abs. 1 SAG. Die Regelungen in § 20 SAG beruhen auf den Vorgaben aus Art. 4 Abs. 8–10 BRRD. 270 S. ausf. aus bankpraktischer Perspektive zur Planung institutsbezogener Sicherungssysteme Hensel/Hildebrand/Larisch, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 251.
170
§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
das institutsbezogene Sicherungssystem für alle systemzugehörigen Institute einen ganzheitlich ausgestalteten Sanierungsplan, der die Eigenheiten der systemzugehörigen Institute besonders berücksichtigt. Hervorzuheben bleiben folgende Punkte: Die Analyse und Aufrechterhaltung kritischer Funktionen sowie die Berücksichtigung systemischer Belange im Allgemeinen spielt bei der Sanierungsplanung institutsbezogener Sicherungssysteme eine vergleichsweise geringe Rolle.271 Ursächlich ist insoweit der Umstand, dass den institutsbezogenen Sicherungssystemen, bedingt durch die strengen Auswahlkriterien in §§ 20 Abs. 1, 19 Abs. 2 SAG, im Grundsatz ohnehin nur vergleichsweise kleine Institute ohne Systemrelevanz angehören.272 Ähnlich einem Gruppensanierungsplan müssen die Handlungsoptionen sowohl solche umfassen, die die systemzugehörigen Institute eigenständig ergreifen können, als auch solche, die nur unter Mitwirkung des Sicherungssystems umsetzbar sind. Sämtliche Handlungsoptionen müssen wiederum konsistent und koordiniert auch im Gleichlauf umsetzbar sein.273 Schließlich können im Einzelfall auch für die Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme vereinfachte Anforderungen gem. § 19 SAG festgelegt werden, wenn die geringe systemische Bedeutung des Systems und der ihm angehörigen Institute eine Planung nach Maßgabe des vollen Anforderungsspektrums274 nicht rechtfertigt.275
III. Vereinfachte Sanierungspläne Sonderregeln für sog. vereinfachte Sanierungspläne enthalten die § 19 SAG und §§ 10–17 MaSanV.276 Die vereinfachte Sanierungsplanung ist Ausdruck des Proportionalitätsprinzips (§ 13 Abs. 1 SAG). Herabgesetzte Planungsanforderungen sollen vor allem kleine, weniger bedeutende Institute entlasten und einen Planungsaufwand vermeiden, der in keinem angemessenen Verhältnis zu den mit der Sanierungsplanung verfolgten Aufsichtszielen – vorrangig Sicherung der Finanzstabilität durch Insolvenzvermeidung und Aufrechterhaltung kritischer Funk-
271
Vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2, § 24 Abs. 1 Satz 2, § 25 Abs. 1 Satz 5 und 6 MaSanV. Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 52 (Begründung zu § 22). 273 § 25 Abs. 1 Satz 2 und 4 MaSanV. 274 S. o., Abschnitt § 3 C. III., bereits zum Begriff und zur Funktionsweise dieser Systeme sowie zur Befreiung systemzugehöriger Institute von der Planungspflicht gem. § 20 Abs. 1 SAG. Die Regelungen in § 20 SAG beruhen auf den Vorgaben aus Art. 4 Abs. 8–10 BRRD. 275 Umgekehrt sind aber auch verschärfte Anforderungen denkbar, vgl. § 21 Abs. 3 MaSanV. 276 S. zum Nachfolgenden vor allem mit Vorschlägen zur Umsetzungspraxis Baumgarten, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 226; Heuter, in: Igl/ ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 209. Eine erste vergleichende Analyse zur Anwendung vereinfachter Anforderungen in den Mitgliedsstaaten bietet EBA, Report on the application of simplified obligations, 12/2017. 272
C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung
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tionen – steht.277 Ausweislich § 19 Abs. 2 SAG kommen vereinfachte Anforderungen demgemäß für Institute und Gruppen in Betracht, deren Ausfall nur geringe Auswirkungen zeitigen würde und deren Abwicklung auch in einem regulären Insolvenzverfahren denkbar erscheint, ohne negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte, andere Unternehmen der Finanzbranche oder die Realwirtschaft hervorzurufen.278 Inhaltlich sieht § 19 Abs. 1 SAG Erleichterungen im Hinblick auf den Inhalt und den Detailgrad der Sanierungspläne, die Aufstellungs- und Aktualisierungsfristen sowie den Inhalt und den Detailgrad der im Zusammenhang mit der Sanierungsplanung zur Verfügung zu stellenden Informationen vor. Die konkret einschlägigen Vereinfachungen legt die BaFin in Abstimmung mit der Bundesbank von Amts wegen einzelfallbezogen279 fest und teilt sie den Instituten gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 SAG im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Planerstellung mit.280 Ungeachtet der Einzelfallprüfung legen die §§ 10–17 MaSanV nunmehr eine Reihe von Erleichterungen fest, die im Regelfall greifen sollen, sofern die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 SAG erfüllt sind:281 Wiederum ist eine Identifikation und Aufrechterhaltung kritischer Funktionen durch die Pläne nicht erforderlich und spielt die Vermeidung negativer Externalitäten eine nur untergeordnete Rolle.282 Besonders auffällig ist zudem, dass die vereinfachten Sanierungspläne gem. § 16 MaSanV im Regelfall keine Szenarioanalysen nach § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG enthalten müssen. Der Planungsschwerpunkt soll stattdessen auf einer fundierten und nachvollziehbaren Darstellung der Handlungsoptionen und der Sanierungsindikatoren in den Sanierungsplänen liegen.283
C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung Auch in verfahrensbezogener Hinsicht ist gesetzliches Grundmodell das Verfahren der Einzelsanierungsplanung. Die diesbezüglichen Vorgaben werden nachfolgend deshalb vorrangig betrachtet. Von diesem Grundmodell weicht die Gruppensanierungsplanung vorrangig in Zuständigkeits- und Verfahrensfragen ab, die 277 Vgl. ErwG 14 BRRD. § 19 SAG setzt die Vorgaben aus Art. 4 BRRD um. Zu den Zielen des Sanierungsplanungsregimes s. ausf. oben, Abschnitt § 3 A. 278 Die zu erwartenden Auswirkungen eines Ausfalls prüft die BaFin in Abstimmung mit der Bundesbank unter Berücksichtigung der in § 19 Abs. 2 Nr. 1 SAG genannten Systemrisikofaktoren. Die Prüfung wird mittlerweile durch die in der del. VO 2019/348 formulierten quantitativen und qualitativen Prüfkriterien umfassend angeleitet. 279 BT-Drs. 18/2575, S. 151. 280 Die Planeinreichung erfolgt mittlerweile online über ein elektronisches Webformular, vgl. BaFin, Jahresbericht 2020, S. 55. 281 Rückausnahmen von den dort genannten Erleichterungen bleiben gem. § 10 Satz 2 MaSanV freilich möglich. 282 Vgl. § 13 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 1 und 2 MaSanV. 283 BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 45 (Begründung zu § 16).
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das Binnenverhältnis zwischen den beteiligten Behörden betreffen (dazu D.). Die nachfolgende Darstellung fokussiert sich zudem vorrangig auf den Sanierungsplanungsprozess im Verhältnis zwischen den planungspflichtigen Instituten und den zur Planüberprüfung aufgerufenen Behörden. Die Bewertung der Pläne durch den Abschlussprüfer, gesetzlich normiert in § 29 Abs. 1 Satz 7 KWG und § 15 PrüfbV, rückt demgegenüber zunächst in den Hintergrund.284
I. Grundlagen 1. Verfahrensablauf im Überblick Das Sanierungsplanungsverfahren ist ein mehrdimensionaler Prozess, der zum einen instituts- und behördenintern, zu einem wesentlichen Teil aber auch im direkten Austausch zwischen den planungsverpflichteten Instituten und der zuständigen Aufsichtsbehörde abläuft. Angestoßen wird das Verfahren dadurch, dass die planungspflichtigen Institute durch die zuständige Aufsichtsbehörde zur Planerstellung aufgefordert werden (§ 12 Abs. 3 SAG). Die nachfolgende Entwicklung des Planentwurfes unterliegt primär der Eigenverantwortung der Institute und wird gesetzlich nur durch rudimentäre Rahmenvorgaben überlagert. Die von der Institutsleitung genehmigten Planentwürfe sind sodann bei den zuständigen Aufsichtsbehörden einzureichen. Die Vorlage dient der Prüfung und Bewertung der Pläne am Maßstab der sanierungsplanungsrechtlichen Anforderungen (§ 15 SAG) und fungiert darüber hinaus als wesentliches Informationsmittel zur Unterstützung der laufenden Institutsaufsicht.285 Etwaig festgestellte Unzulänglichkeiten des Sanierungsplans teilt die Aufsichtsbehörde dem planungsverpflichteten Institut mit und leitet zugleich ein mehrstufig-dialogartiges Verfahren zur Korrektur der Pläne ein (§ 16 SAG). Einmal finalisierte Sanierungspläne sind mindestens jährlich im Lichte der aktuellen Institutssituation zu prüfen und, soweit nötig, zu überarbeiten (§ 12 Abs. 4 SAG). 2. Zuständige Behörden Bereits nach der Grundkonzeption der Art. 5 ff. BRRD sind in die Sanierungsplanung auf Behördenseite sowohl die Aufsichts- als auch die Abwicklungsbehörde eingebunden. Verfahrensführende Behörde ist allein die Aufsichtsbehörde. Sie ist es, die gem. §§ 13 Abs. 3, 12 Abs. 4 SAG die Institute zur Sanierungsplanung auffordert und den Zyklus zur Planaktualisierung festlegt. Ferner dient sie 284 S. dazu aber noch näher unten, Abschnitt § 5 B. IV. 1. a) bb). Ausf. aus der Bruchprüferperspektive zu den Planungsanforderungen auch Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. und Butte/Neuhaus, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 299; s. ferner Kleinschmidt, BaFin Journal 7/2015, 33. 285 S. dazu noch näher unten, Abschnitt § 6 A. II. 3.
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als koordinierende Stelle im aufsichtsinternen Bewertungsverfahren und führt gem. § 16 SAG auch das Verfahren zur Beseitigung von Planmängeln durch. Institutionell ist die Sanierungsplanung dabei gem. Art. 4 Abs. 1 lit. i SSM-VO in den sog. Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) eingebettet.286 Als zuständige Aufsichtsbehörde handelt demnach, abhängig von den Eigenarten des beaufsichtigten Instituts, entweder die EZB oder die nationale Aufsichtsbehörde (National Competent Authority, NCA) des Landes, in der das jeweilige Institut seinen Sitz hat. Der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterliegen gem. Art. 6 SSM-VO alle sog. bedeutenden Institute. Es sind dies all jene Institute, deren Bilanzsumme 30 Mrd. A oder 20 % des BIP ihres Heimatmitgliedsstaates übersteigt (mindestens aber 5 Mrd. A), die zu den drei größten Instituten ihres Heimatmitgliedsstaates gehören, die Mittel aus dem EFSF oder dem ESM beantragt oder erhalten haben oder solche Institute, die sonst von den NCAs und der EZB als bedeutend eingestuft wurden.287 Die Beaufsichtigung aller übrigen sog. weniger bedeutenden Institute obliegt gem. Art. 6 Abs. 6 SSM-VO den NCAs. Parallel zum Modus Operandi der laufenden Institutsaufsicht sieht insoweit in Deutschland das SAG vor, dass sowohl die BaFin als auch die Bundesbank in die Sanierungsplanung eingebunden sind. Während die BaFin in der Sanierungsplanung die Funktion der verfahrensführenden Aufsichtsbehörde übernimmt, ist die Bundesbank gem. § 15 Abs. 2 SAG allein in den aufsichtsinternen Prüf- und Bewertungsprozess eingebunden.288 Die Bestimmung der zuständigen Abwicklungsbehörde erfolgt nach Maßgabe der Aufgabenteilung im sog. Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM). Für alle Institute und Gruppen, die im Rahmen des SSM der EZB-Aufsicht unterliegen, sowie für sonstige grenzüberschreitende Gruppen ist gem. Art. 7 Abs. 2 SRM-VO der Europäische Abwicklungsausschuss
286 Vgl. auch Art. 9 Abs. 1 Satz 1 SSM-VO und § 3 Abs. 3 SAG i.V. m. § 1 Abs. 5 KWG. 287 Vgl. Art. 6 Abs. 4 SSM-VO. Zum Einstufungsverfahren s. Art. 39 ff. SSM-RVO. Zur Einstufung eines Instituts als bedeutendes Institut zuletzt auch EuG Urt. v. 16.5. 2017 – T-122/15, ECLI:EU:T:2017:337 – Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB (mit Anm. Tröger, EuZW 2017, 461); dazu u. a. Hanten/Bracht, ZBB 2017, 236; Kämmerer, ZBB 2017, 317; Ipsen/Röh, WM 2017, 2228; Witte, EuR 2017, 648. Stand 1.7.2021 hat die EZB 21 dt. Institute bzw. Institutsgruppen als bedeutend eingestuft; EU-weit sind es 114 Institute bzw. Institutsgruppen. Vgl. EZB, List of supervised entities, abrufbar unter: https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.list ofsupervisedentities202108.en.pdf?399857ac49117dfb548b48061e033feb (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 288 Vgl. § 3 Abs. 3 KWG i.V. m. § 1 Abs. 5 KWG. Hervorzuheben ist allerdings, dass die EZB auch mit Blick auf die Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute Weisungen erteilen und die Aufsicht jederzeit an sich ziehen kann, wenn sie dies zum Zwecke eines einheitlichen, hohen Aufsichtsstandards für geboten hält, vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. a und b SSM-VO; s. zu diesem Aufsichtsmodus monographisch Roth, Die indirekte Bankenaufsicht.
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(Single Resolution Board, SRB) die zuständige Abwicklungsbehörde. Alle übrigen Institute unterliegen gem. Art. 7 Abs. 3 SRM-VO der Zuständigkeit der nationalen Abwicklungsbehörden. In Deutschland war dies bis 2017 die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), nach Angliederung der FMSA an die BaFin ein für Abwicklungsaufgaben zuständiger gesonderter Geschäftsbereich in der BaFin (§ 3 Abs. 1 SAG). 3. Anwendbares Recht In Abhängigkeit der zuständigen Behörden bestimmt sich auch das im Rahmen der Sanierungsplanung anwendbare Verfahrensrecht. Die NCAs vollziehen naturgemäß primär das in Umsetzung der BRRD geschaffene nationale Recht. Von der BaFin werden dementsprechend vor allem die verfahrensbezogenen Regelungen in §§ 12, 15 und 16 SAG angewandt. Die Einbeziehung der Bundesbank in den Planungsprozess richtet sich nach §§ 12 Abs. 3 Satz 3, 15 Abs. 2 Satz 1 SAG, die des Abwicklungsgeschäftsbereiches der BaFin nach § 15 Abs. 1 SAG. Wird hingegen die EZB als zuständige Aufsichtsbehörde tätig, so wendet sie vorrangig unmittelbar anwendbares Unionsrecht an. Daneben erstreckt sich die Zuständigkeit der EZB gem. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO aber auch auf die Anwendung der zur Umsetzung von Richtlinienrecht erlassenen nationalen Rechtsnormen. Die Vorschrift war zwingende Folge der Entscheidung, einen wesentlichen Teil des Regelwerks der Europäischen Bankenunion in Form von Richtlinien zu verabschieden. Sie durchbricht die sonst verbreitete Praxis, der Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen und EU-Institutionen auch dadurch Ausdruck zu verleihen, dass letztere im Rahmen ihrer Zuständigkeit ausschließlich unmittelbar anwendbares Unionsrecht vollziehen.289 Im Interesse der praktischen Funktionsfähigkeit des SSM umfasst der Anwendungsbefehl des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO dabei nicht nur dasjenige nationale Recht, das auf zwingenden Vorgaben einer Richtlinie beruht. Erfasst sind vielmehr auch jene Vorschriften, die allein auf Veranlassung einer Richtlinienumsetzung geschaffen wurden, deren konkreter Inhalt aber in Ausgestaltung des von der Richtlinie belassenen Gestaltungsspielraums auf die Mitgliedsstaaten zurückgeht.290 Im Kontext der Sanierungsplanung bedeutet dies, dass die EZB auf deutsche Institute neben der del. VO 2016/1075 auch die §§ 12 ff. SAG sowie die Vorschriften der 289 Zu Art. 4 Abs. 3 Satz 1 SSM-VO statt vieler Berger, WM 2016, 2325, 2329; Kaufhold, JöR 66 (2018), 85; Witte, 21 M.J. 89, 105 ff. (2014); krit. Peuker, JZ 2014, 764. 290 Die gegenteilige Auslegung hätte zur Folge, dass es in weiten Teilen der Anwendung des Single Rulebooks zu Zuständigkeitsdurchbrechungen käme, die der sachbereichsbezogenen Aufgabenzuweisung in Art. 4 SSM-VO zuwiderliefen und eine effiziente Aufsicht gefährden würden, vgl. ebenso Berger, WM 2016, 2325, 2333; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 144 f.; Kaufhold, JöR 66 (2018), 85, 88 f. (dort m.w. N., auch zu Gegenauffassungen).
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MaSanV anwendet, dies auch insoweit, wie deren Inhalte nicht durch die BRRD vorgezeichnet sind. Nicht gebunden ist die EZB hingegen an norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, etwa das Merkblatt Sanierungsplanung der BaFin.291 Für den europäischen Abwicklungsausschuss fehlt eine dem Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO vergleichbare Regelung, die diesen im Rahmen des SRM zur Anwendung nationalen Umsetzungsrechts ermächtigen würde. Entsprechend wendet der Ausschuss allein die Vorschriften der SRM-VO sowie der zugehörigen delegierten Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte und Leitlinien und Empfehlungen der EBA an. Dies gilt auch für die Beteiligung bei der Planbewertung. Art. 10 Abs. 2 SRM-VO enthält dazu eine dem § 15 Abs. 1 SAG entsprechende Regelung, wonach der Ausschuss die abwicklungsbezogene Analyse der Sanierungspläne vorzunehmen hat.
II. Initiale Planerstellung Den Ausgangspunkt des Planungsprozesses bildet die Aufforderung zur Planerstellung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Die institutsseitige Rechtspflicht zur Sanierungsplanung ergibt sich nicht bereits ex lege, sondern entsteht erst mit der behördlichen Aufforderung gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 SAG.292 Es folgen dann der institutsinterne Planungsprozess (dazu 1.), die aufsichtsseitige Prüfung der Pläne sowie gegebenenfalls das Verfahren zur Beseitigung von Planmängeln (dazu 2.).293 291 Norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften fehlt die Qualität einer verbindlichen Außenrechtsnorm, die Art. 288 Abs. 3 AEUV für Umsetzungsakte fordert (vgl. m.w. N. nur Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 38). Wiederum ähnl. wie hier, allerdings unter Bezugnahme auf die MaRisk, Berger, WM 2016, 2325, 2331. S. auch EZB, Stellungnahme vom 2.9.2015 zur Bankenabwicklung (CON/2015/31), die jedoch unter Rn. 3.1.8 betont, dass sie sich aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts nicht an nationale Verordnungen gebunden sieht, die ihre Unabhängigkeit oder das reibungslose Funktionieren des SSM beeinträchtigen. Zur Frage, ob die EZB auf Grundlage von Art. 4 Abs. 1 lit. i, Abs. 3 Satz 1 SSM-VO auch für die Anwendung der krisenbezogenen Eingriffsbefugnisse des KWG zuständig ist (insbes. §§ 45 ff. KWG, aber auch § 6 Abs. 3 KWG), s. dafür Weckler, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. I. Rn. 86 ff.; dagegen Geier, in: a. a. O., A. II. Rn. 111; ebenso wohl auch Berger, WM 2016, 2361, 2362. 292 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b BRRD, der explizit den Aufsichtsbehörden die Festlegung überlässt, bis zu welchem Zeitpunkt die Institute erstmals Sanierungspläne zu erstellen haben. S. implizit auch § 29 Abs. 1 Satz 7 KWG und §§ 18 Abs. 5 Satz 4, Abs. 8 Satz 2 und 20 Abs. 2 MaSanV. § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG erlangt per se damit nur Bedeutung als einleitende Programmnorm, begründet aber mangels hinreichender Bestimmtheit keine Rechtspflichten. Wie hier i. E. statt vieler auch Buscher/Link, BaFin Journal 1/2015, 16, 17; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 8. 293 Zur Aufweichung dieser Verfahrensstruktur durch die im Sanierungsplanungsrecht angelegte Diskursorientierung noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. III.
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1. Institutsinterner Planungsprozess Wurde das Institut erst einmal von der Aufsichtsbehörde gem. § 13 Abs. 3 SAG unter Angabe einer Planungsfrist sowie des konkreten Anforderungsspektrums zur Planerstellung aufgefordert, beginnt der interne Prozess der Planerstellung. Nach Abschluss der internen Planungsarbeiten reicht das Institut den Entwurf des Sanierungsplans entweder gem. § 12 Abs. 3 Satz 3 SAG bei der BaFin und der Bundesbank oder, wenn die EZB zuständige Aufsichtsbehörde ist, gem. Art. 95 Abs. 1 SSM-RVO ausschließlich bei der EZB ein. § 12 Abs. 3 Satz 3 SAG ist insoweit verordnungskonform auszulegen. a) Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Planungs-Governance Die rechtlichen Anforderungen der §§ 12 ff. SAG zum Planungsprozess der Institute beschränken sich auf Regelungen zur Entstehung der Planungspflicht, zur Planvorlage und zur Mängelbeseitigung im Dialog mit der Aufsichtsbehörde. Konkrete Vorgaben zum institutsinternen Prozess der Sanierungsplanung enthalten sie dagegen nicht. Einige rudimentäre Mindestanforderungen an den Planungsprozess lassen sich allerdings aus den darstellungsbezogenen Pflichten in Art. 5 del. VO 2016/1075 ableiten.294 So folgt mittelbar aus Art. 5 Nr. 1 del. VO 2016/1075, dass die Planerstellung und -aktualisierung auf Grundlage eines vorab definierten Prozesses erfolgen muss, in dem die Rollen und Funktionen der beteiligten Personen festgelegt sind (lit. a und b) und der in die Unternehmensführung und das allgemeine Risikomanagement des Instituts integriert ist (lit. c). Ebenfalls muss der intern erstellte Planentwurf gem. Art. 5 Nr. 2 del. VO 2016/1075 ein vorab definiertes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Dieser umfasst zwingend auch die Genehmigung der Pläne durch das Leitungsorgan295 (lit. b). In der Praxis erfolgt dies dadurch, dass die Geschäftsleitung296 dem Planentwurf durch gemeinschaftlichen Beschluss zustimmt. Zudem dürfte der Plan gem. § 25d Abs. 6 Satz 1 KWG auch vom Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des Institutes zu prüfen sein.297 Letzteres kann dabei jedoch auf die Vorarbeiten des Prüfungsausschusses (§ 25d Abs. 9 KWG) und der internen Revision zurückgreifen.298 Ergänzend stehen ihm die 294
Ähnlich bereits MaSan (BA) 3/2014, D. Tz. 2. Der Begriff des Leitungsorgans umfasst in dualistischen Organisationen – rechtsformneutral – die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan der Institute, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 24 BRRD i.V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 CRD-IV. 296 Geschäftsleiter sind alle natürlichen Personen, die zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 25 SAG i.V. m. § 1 Abs. 2 KWG bzw. Art. 2 Abs. 1 Nr. 25 BRRD i.V. m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 CRD-IV. 297 Vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. IV. 298 Vgl. Wolfgarten, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25d KWG Rn. 76 (mit der Feststellung, dass das Verwaltungs- oder 295
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Ergebnisse der erweiterten Jahresabschlussprüfung des Abschlussprüfers zur Verfügung, welche sich gem. § 29 Abs. 1 Satz 7 KWG auch auf die Einhaltung der §§ 12 ff. SAG erstreckt.299 Jenseits dieser strukturellen Vorgaben liegt die Ausgestaltung des Planungsprozesses aber im Verantwortungsbereich der Institute, überlagert allenfalls durch allgemeine Vorgaben des Gesellschaftsrechts.300 b) Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung Für die Erfüllung der Pflichten aus §§ 12 ff. SAG ist nicht nur das Institut, sondern auch die Geschäftsleitung persönlich verantwortlich. Konkret sieht § 13 Abs. 5 SAG insoweit vor, dass jeder Geschäftsleiter für die Erstellung, Implementierung301 und Aktualisierung des Sanierungsplans sowie für dessen Umsetzung im Krisenfall verantwortlich ist. Die Zuordnung der Organisationsverantwortung zur Leitungsebene ist mittlerweile ein etabliertes Grundprinzip des Corporate-Governance-bezogenen Aufsichtsrechts.302 Speziell im hiesigen Zusammenhang geht die Vorschrift zurück auf Forderungen des FSB in den sog. Key Attributes.303 Sie entspricht ferner dem in Art. 5 Abs. 1 BRRD angelegten Verständnis, wonach das Sanierungsplanungsrecht als Instrument der erweiterten Unternehmenssteuerung im Sinne von Art. 74 CRD-IV zu verstehen ist. Diese Unternehmenssteuerung stellt Art. 88 Abs. 1 CRD-IV unter die Verantwortung der Leitungsorgane der Institute. Übereinstimmend regelte § 25a Abs. 1 Satz 2 und § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG Aufsichtsorgan seine Überwachungsaufgaben nicht durch persönliche Prüfungen erfüllen muss, sondern auf Erkenntnisse u. a. der internen Revision zurückgreifen darf). Zum Prüfauftrag der internen Revision s. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.4.3 Tz. 3. Dazu ausf. aus bankpraktischer Perspektive Erxleben, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 279. 299 Zur Funktion des Abschlussprüfers in der Sanierungsplanung noch genauer unten, Abschnitt § 5 B. IV. 1. a) bb). Die Planprüfung durch interne Revision und Abschlussprüfer ist im Plan zu vermerken, Art. 5 Nr. 2 lit. a del. VO 2016/1075. 300 Zu aktienrechtlichen Fragen der Kompetenzverteilung und Beschlussfassung in der Sanierungsplanung s. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 446 ff. Für praktische Empfehlungen zur Gestaltung der Planungs-Governance s. Janus, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 57; Weber/Dartsch, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 193; Brechfeld/Weber, MaSan, S. 32 ff.; knapp auch Cichy/Behrens, a. a. O., 445 f.; Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 49 f. 301 Der Begriff der Implementierung soll die Integration der Inhalte des Sanierungsplans in die Geschäftsprozesse sowie die Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesse des Kreditinstituts beschreiben, vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 148; BT-Drs. 17/12601, S. 36. 302 Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 99. 303 Vgl. FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 11.4, I-Annex 4 Rn. 1.6. Ebenso bereits § 47a Abs. 5 KWG a. F.
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schon vor Inkrafttreten des SAG, dass die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institute bei der Geschäftsleitung liegt. Folgerichtig erstreckt § 13 Abs. 5 SAG diese Geschäftsleiterverantwortung nun auch auf die Sanierungsplanung.304 Parallel zu § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG begründet § 13 Abs. 5 SAG eine gemeinschaftliche Verantwortlichkeit aller Geschäftsleiter für alle Phasen der Sanierungsplanung.305 Diese gilt, wie die Vorschrift explizit hervorhebt, grundsätzlich „unabhängig von der internen Zuständigkeit“ eines jeden Geschäftsleiters.306 Auch das nach der internen Zuständigkeitsverteilung unzuständige Mitglied der Geschäftsleitung trifft danach grundsätzlich die volle aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit für die Ordnungsmäßigkeit der Sanierungsplanung. Lediglich der konkrete Pflichtenumfang wandelt sich in diesem Fall, soweit nicht bereichsspezifische Sonderregelungen greifen,307 von einer (unmittelbaren) Wahrnehmungsverantwortung zu einer (mittelbaren) Überwachungs- und Eingriffsverantwortung. Faktisch führt dies zu einer Selbstkontrolle der Geschäftsleitungsmitglieder im Innenverhältnis als Kollegialorgan, wie sie auch im aktienrechtlichen Kontext bekannt ist.308
304 Anders als Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 151 behauptet, dürfte die Vorschrift damit nicht nur eine klarstellende, sondern eine konstitutive Funktion haben. 305 Vgl. Weber/Brechfeld, a. a. O., § 12 SAG Rn. 4. S. zu § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG, letztlich aber übertragbar, auch Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 53; Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 22. 306 Ebenso MaRisk (BA) 9/2017, AT 3. 307 Vgl. Art. 5 Nr. 2 lit. b del. VO 2016/1075, § 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG, § 6 Abs. 1 MaSanV. Hier wird die „Geschäftsleitung“ insgesamt, d.h. in ihrer Funktion als Kollegialorgan, adressiert. Notwendig ist deshalb ein gemeinschaftlicher Beschluss aller Mitglieder über das [Nicht-]Vorliegen eines Krisenfalls und die [Nicht-]Ergreifung von Sanierungsmaßnahmen. 308 Ebenso zu § 25a KWG (MaRisk), letztlich aber übertragbar, Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 3 Rn. 6. S. ähnl. Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 23 ff.; Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 54; Habersack, WM 2005, 2360, 2362; ferner Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 661. Auch die Wahrnehmungsverantwortung des intern zuständigen Geschäftsleiters ist freilich offen für Delegationen und Vorarbeiten der nachgeordneten Arbeitsebenen. Im Interesse des Normengleichklangs sollten dabei auch hier die zu § 25a KWG (MaRisk) entwickelten Maßstäbe gelten. Im Allgemeinen hängt der Umfang der gebotenen Einbindung der Geschäftsleitung, wenn nicht ohnehin eine persönliche Entscheidung gefordert ist, von der Größe des Instituts, der Art der Geschäftstätigkeit und der Wesentlichkeit des betroffenen Sachverhalts ab, vgl. Braun, a. a. O., § 25a KWG Rn. 57; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 3 Rn. 15, 18; strenger aber Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 5. (Verf. verlangt seitens der Geschäftsleiter „full involvement in analyzing the contents of the plan“).
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Eigenständige Bedeutung erlangt die persönliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter aber vor allem aus haftungsrechtlicher Perspektive.309 Einerseits können Geschäftsleiter vermittelt durch § 13 Abs. 5 SAG für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Sanierungsplanung ordnungswidrigkeitenrechtlich belangt werden. Insoweit sieht § 172 Abs. 1 Nr. 1–3 SAG Bußgelder für den Fall vor, dass vollziehbaren Anordnungen zur Planerstellung oder -aktualisierung zuwidergehandelt wird oder aktualisierte Sanierungsplan nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt werden. Daneben bietet § 13 Abs. 5 SAG auch den Anknüpfungspunkt für etwaige privatrechtliche Haftungsfolgen der Geschäftsleitung. Auf die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen ist an späterer Stelle zurückzukommen.310 2. Aufsichtsseitige Prüfung und Bewertung der Sanierungspläne Mit der Einreichung der Planentwürfe wird die aufsichtliche Prüfung und Bewertung der Sanierungspläne eingeleitet. a) Behördliches Verfahren Der konkrete Ablauf des behördlichen Verfahrens zur Prüfung und Bewertung unterscheidet sich abhängig davon, ob das planende Institute der Aufsicht der BaFin und der Bundesbank oder der Aufsicht der EZB unterliegt. Während sich das Verfahren für erstere allein nach §§ 15, 16 SAG richtet (dazu aa)), wendet die EZB zusätzlich – und im Zweifel vorrangig – die Verfahrensvorschriften in Art. 6 SSM-VO und Art. 3 ff., 89 ff. SSM-RVO an (dazu bb)). aa) Sog. weniger bedeutende Institute Das aufsichtsinterne Verfahren zur Planüberprüfung und -bewertung richtet sich für sog. weniger bedeutende Institute im Zuständigkeitsbereich von BaFin und Bundesbank (sog. weniger bedeutende Institute) nach § 15 SAG. Gem. § 15 Abs. 1 SAG leitet die Aufsichtsbehörde den Sanierungsplan zunächst an die zuständige Abwicklungsbehörde weiter. Letztere untersucht den Plan im Hinblick auf Maßnahmen, deren Umsetzung sich im Falle einer gescheiterten Sanierung nachteilig auf die Abwicklungsfähigkeit des Instituts auswirken könnte.311 Nega309 Unter Berücksichtigung der Richtlinienvorgaben dürfte hier auch ihr eigentlicher Zweck liegen, vgl. Art. 110 Abs. 2, 111 Abs. 1 lit. a BRRD. Danach sollen Sanktionen u. a. für den Fall vorgesehen werden, dass es die Geschäftsleitung unter Missachtung der Artikel 5 bzw. 7 BRRD versäumt, (Gruppen-)Sanierungspläne zu erstellen, fortzuschreiben und zu aktualisieren. S. auch ErwG 126 BRRD. 310 S. dazu unten, Abschnitt § 7 A. II. 311 Zwar steht diese Prüfung grundsätzlich im Ermessen der Abwicklungsbehörde („kann [. . .] prüfen“). Spätestens dann aber, wenn die Abwicklungsbehörde den Erlass
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tive Bewertungsergebnisse teilt die Abwicklungsbehörde der Aufsichtsbehörde in Form einer rechtlich nicht bindenden Empfehlung mit.312 Seit Einführung der einheitlichen Planungsverantwortung der BaFin als nationale Sanierungs- und Abwicklungsbehörde hat § 15 Abs. 1 SAG nur noch innerbehördliche Bedeutung, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den internen Geschäftsbereichen „Bankenaufsicht“ und „Abwicklung“ 313 regelt. Parallel zur BaFin prüft auch die Bundesbank den Sanierungsplan nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 SAG und Art. 16 ff. del. VO 2016/1075. Die abschließende Entscheidung über die Planbewertung trifft die BaFin gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 SAG in Abstimmung mit der Bundesbank.314 Für die Bewertungsentscheidung der Aufsichtsbehörde sieht Art. 6 Abs. 2 BRRD eine sechsmonatige Entscheidungsfrist vor. Diese Frist ist in richtlinienkonformer Rechtsfortbildung auch bei der Anwendung des § 15 SAG zu berücksichtigen.315 Nach Ablauf der sechs Monate vorgebrachte Rügen sind angesichts des abschließenden Wortlauts der Richtliniennorm zwar grundsätzlich verfristet. Praktisch wäre es der Aufsichtsbehörde in diesem Fall aber unbenommen, ihre Bedenken im Rahmen einer nachfolgenden Planaktualisierung vorzutragen. Diese kann sie gem. § 12 Abs. 4 Satz 2 SAG auf Anordnung auch beliebig vorziehen. Verläuft die behördliche Planbewertung dagegen bedenkenlos, stellt sich die Frage, ob das Institut einen Anspruch auf eine „genehmigende“ Entscheidung hat, in der die Vereinbarkeit des Plans mit den gesetzlichen Anforderungen feststellt. Eine ausdrückliche Regelung enthalten die §§ 15, 16 SAG insoweit nicht. Jedoch scheint sich aus § 16 Abs. 1 SAG zu ergeben, dass die Behörde nur dann verpflichtet ist, dem Institut ihre Bewertungsergebnisse mitzuteilen, wenn sie zu-
von Eingriffsmaßnahmen nach §§ 59, 60 SAG erwägt, ergibt sich eine Pflicht zur abwicklungsbezogenen Prüfung der Sanierungspläne regelmäßig aus dem Amtsermittlungsgrundsatz im diesbezüglichen Verwaltungsverfahren (§ 24 VwVfG). Näher zur Durchführung dieser Prüfung EBA, Report on interlinkages between recovery and resolution planning, EBA/Rep/2020/16, 20.5.2020, Rn. 123 ff. 312 Vgl. auch Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 15 SAG Rn. 8. 313 Vgl. Organisationsplan der BaFin (abrufbar unter: http://www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Liste/dl_organigramm.pdf %3F__blob %3DpublicationFile, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 314 Die Ursprungsfassung von § 15 Abs. 2 Satz 1 SAG sah hier noch die Notwendigkeit eines Einvernehmens zwischen BaFin und Bundesbank vor, vgl. Art. 5 Nr. 11 Risikoreduzierungsgesetz (RiG), BGBl. I (2020), S. 2773. 315 Auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 15 SAG den Art. 6 BRRD umgesetzt wissen wollte. I. E. ebenso auch Weber/Brechfeld, in: Luz/ Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 15 SAG Rn. 13. Die Frist beginnt ausweislich Art. 6 Abs. 2 BRRD nachdem der Plan vom Institut vorgelegt wurde und eine etwaige Anhörung der Behörden anderer Mitgliedsstaaten erfolgt ist, in denen sich bedeutende Zweigstellen befinden.
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gleich die Vorlage eines überarbeiteten Sanierungsplans fordern will.316 Diese Regelung fügt sich auch in das Gesamtkonzept der laufenden Bankenaufsicht. Diese ist gerade nicht darauf gerichtet, den einmal zum Betrieb zugelassenen Kreditinstituten fortlaufend ihre Rechtstreue zu attestieren. Nach Erteilung der Banklizenz – strukturell ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt317 – zielt sie stattdessen auf ein punktuelles Eingreifen der Aufsichtsbehörden nur in den Fällen, in denen eine Verletzung regulatorischer Vorgaben zu besorgen ist. § 6 Abs. 2 KWG bringt dies plakativ dadurch zum Ausdruck, dass er den Auftrag der BaFin unter anderem darauf beschränkt, Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken. Schließlich besteht auch aus Sicht der Institute kein schutzwürdiges Interesse an einer solchen Entscheidung der Aufsichtsbehörde. Die vorerwähnte Fristenregelung bietet bereits ausreichende Rechtssicherheit. Entweder leitet die Behörde fristgemäß das Verfahren nach § 16 SAG ein; tut sie dies nicht, so darf ihr Schweigen vom Institut dahingehend verstanden werden, dass der Plan alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Wenngleich damit aufsichtsrechtliche keine ausdrückliche Genehmigungsentscheidung vorgesehen ist,318 bleibt es der Aufsichtsbehörde in der Praxis freilich unbenommen, ihr positives Bewertungsergebnis dem Institut gegenüber kundzutun. bb) Sog. bedeutende Institute Anders gestaltet sich das behördliche Bewertungsverfahren hingegen für sog. bedeutende Institute im Zuständigkeitsbereich der EZB. Zwar sieht Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO, wie bereits eingangs erwähnt, die Anwendung nationalen Umsetzungsrechts auch durch die EZB vor. ErwG 34 SSM-VO verdeutlich aber, dass der Anwendungsbefehl der Norm nur für „materielles Aufsichtsrecht“ gilt. Darunter fallen all jene Vorschriften, die entweder inhaltliche oder verfahrensbezogene Pflichten der Institute in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsobjekte begründen oder sonst das Aufsichtsverfahren im Verhältnis zwischen den Instituten und den Aufsichtsbehörden betreffen. Nicht erfasst sind aber Verfahrensvorschriften, die allein das Binnenverhältnis der beteiligten Behörden regeln, für das im Anwendungsbereich des SSM die Vorschriften der SSM-VO und der SSM-RVO319 bereits vorrangige Sonderregelungen getroffen haben.320 Anders als eine unbefan316
Weitgehend parallel insoweit § 59 Abs. 1 SAG. Vgl. Hütz, Die Bankenaufsicht in der BRD und den USA, S. 136. 318 Missverständlich aber FSB, Key Attributes, I-Annex 4 Rn. 1.13, wo von einem „approval“ der Sanierungs- und Abwicklungspläne die Rede ist. Ähnl. Willemsen/ Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 5 („Anerkennung“ der Pläne); Psaroudakis, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, S. 41, 44 („Bewertung und Genehmigung“ der Pläne). 319 Basierend auf Art. 6 Abs. 7 lit. b SSM-VO. 320 Vgl. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 469 ff. 317
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gene Lektüre des § 15 Abs. 2 Satz 1 SAG im Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 SAG und § 1 Abs. 5 KWG nahelegen könnte, trifft die EZB ihre Entscheidung über die Bewertung der Sanierungspläne daher nicht in Abstimmung mit der Bundesbank. Den Interessen der Bundesbank – wie auch der BaFin – wird stattdessen durch die Verfahrensregeln der SSM-RVO Rechnung getragen: Das organisatorische Regelwerk zur Beaufsichtigung bedeutender Unternehmen enthalten die Art. 3 ff. SSM-RVO. Die Aufsicht erfolgt danach durch institutsspezifisch eingerichtete sog. gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams, JST), welche sich aus Mitarbeitern der EZB und der national zuständigen Behörden zusammensetzen (in Deutschland also der BaFin und der Bundesbank).321 Die Aufsichtsteams übernehmen sämtliche Aufgaben, die durch Art. 4 SSM-VO der EZB zugewiesen sind, neben der laufenden Institutsaufsicht also auch die behördlichen Aufgaben im Rahmen der Sanierungsplanung.322 Das behördeninterne Verfahren zur Beaufsichtigung bedeutender Unternehmen ergibt sich aus Art. 89 ff. SSM-RVO.323 Danach obliegt es grundsätzlich den innerhalb der EZB gebildeten JSTs, die Sanierungspläne zu bewerten, Voraussetzungen für aufsichtliche Maßnahmen zu prüfen und Beschlüsse vorzubereiten (sog. einstufiges Verfahren).324 Unterstützt werden sie dabei zum einen durch die NCAs, die als sachnähere Behörden etwa zur Ausarbeitung von Beschlussentwürfen aufgefordert werden können,325 zum anderen durch die EZB-interne Abteilung für Krisenmanagement.326 Parallel zur Beschlussvorbereitung durch das JST übermittelt die EZB den Sanierungsplan gem. Art. 10 Abs. 2 SRM-VO an den europäischen Abwicklungsausschuss. Als zuständige Abwicklungsbehörde prüft dieser den Sanierungsplan im Hinblick auf Abwicklungshindernisse und 321
Vgl. Art. 3 f. SSM-RVO; dazu ausf. Lackhoff, a. a. O., Rn. 211 ff.; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 69 sowie EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 13 ff. 322 Vgl. EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, 9/2014, Rn. 58. 323 Nicht verbindliche Handreichungen für die Praxis enthält zudem das EZB, SSMAufsichtshandbuch, 3/2018. 324 Mit dem Begriff des „einstufigen Verfahrens“ Berger, WM 2016, 2361, 2362. Das gemeinsame (oder „zweistufige“) Verfahren, in dem auch die NCAs nach außen hin als Behörde tätig werden, findet nur in Verfahren betreffend die Zulassung von Instituten, den Entzug von Zulassungen sowie den Erwerb qualifizierten Beteiligung durch Institute statt, vgl. Teil V der SSM-RVO. 325 Art. 6 Abs. 3 SSM-VO, Art. 90 Abs. 1 lit. a, 91 Abs. 1 SSM-RVO. Alternativ können die national zuständigen Behörden gem. Art. 91 Abs. 2 SSM-RVO auch auf Eigeninitiative einen Beschlussentwurf vorlegen. Für unterstützende Tätigkeiten von BaFin und Bundesbank im SSM sieht § 7 Abs. 1a KWG vor, dass die Zusammenarbeit nach denselben Grundsätzen erfolgen soll, die Anwendung finden, wenn die BaFin selbst zuständige Aufsichtsbehörde ist. Analog zum Planungsverfahren bei weniger bedeutenden Instituten arbeitet die BaFin Beschlussentwürfe also auch hier in Abstimmung mit der Bundesbank aus (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SAG). 326 EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 111.
C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung
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gibt der EZB diesbezügliche Bewertungsempfehlungen. Basierend auf dem Beschlussentwurf des JST und den Empfehlungen des Abwicklungsausschusses trifft die EZB sodann ihre finale Bewertungsentscheidung. Auch für die Entscheidung der EZB gilt dabei die in Art. 6 Abs. 2 BRRD festgelegte Sechsmonatsfrist. Stellt die EZB Mängel des Sanierungsplans fest, so leitet sie das Verfahren gem. § 16 SAG ein. Die Vorbereitung von Maßnahmen gem. § 16 SAG erfolgt dann wiederum nach Maßgabe des soeben skizzierten Verfahrens durch das jeweilige JST. Aufsichtliche Maßnahmen mit Außenwirkung erlässt dagegen gem. Art. 26 Abs. 8 SSM-VO, nach einer entsprechenden Beschlussvorlage durch das EZB-Aufsichtsgremium, allein der EZB-Rat.327 Im umgekehrten Fall – die EZB stellt keine Planmängel fest – gilt wiederum das soeben Gesagte. Eine bestätigende Entscheidung der EZB, in der die Erfüllung aller gesetzlichen Anforderungen durch den Sanierungsplan bescheinigt wird, ist aufsichtsrechtlich nicht vorgesehen. b) Inhaltliche Dimensionen der Planbewertung Jenseits der genannten verfahrensbezogenen Anforderungen wird die behördliche Planüberprüfung und -bewertung auch in inhaltlicher Hinsicht gesetzlich angeleitet. Entsprechende Vorgaben enthält zum einen § 15 Abs. 2 SAG. Vergleichsweise offen formuliert, prüft und bewertet die BaFin danach in Abstimmung mit der Bundesbank,328 ob der Sanierungsplan den Anforderungen der §§ 13, 14 SAG329 entspricht, wobei sie auch die Angemessenheit der Kapitalund Refinanzierungsstruktur des jeweiligen Instituts beurteilt.330 Weiter konkretisiert wird das aufsichtliche Prüfprogramm sodann durch die Art. 16 ff. del. VO 2016/1075.331 Die Vorschriften enthalten einen Katalog mit Bewertungsvorgaben, die eine EU-weit einheitliche Prüfung der Pläne im Hinblick auf ihre Vollständigkeit, Qualität und Glaubwürdigkeit ermöglichen sollen:332 327 S. ausf. zur Kompetenzverteilung zwischen dem EZB-Aufsichtsgremium (Art. 26 Abs. 1 SSM-VO) und dem EZB-Rat z. B. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 35, 47 ff. 328 Für sog. bedeutende Institute nimmt diese Prüfung allein die EZB vor (s. soeben, Abschnitt § 4 C. II. 2.). 329 Die Regelung ist freilich erweiternd dahingehend auszulegen, dass auch die Einhaltung der Vorgaben der del. VO 2016/1075 sowie der MaSanV zu prüfen sind. 330 S. zur Beurteilung der Kapital- und Refinanzierungsstruktur noch genauer unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. b) aa), dort in Abgrenzung zu den übrigen bankenaufsichtlichen Kapital- und Liquiditätsanforderungen. 331 Rechtsgrundlage für die Art. 16 ff. del. VO 2016/0175 ist Art. 6 Abs. 8 BRRD (dort explizit mit der Ermächtigung zur Erarbeitung von „Mindestkriterien“, vgl. auch Art. 1 Nr. 2, ErwG 13 del. VO 2016/1075). Den Vorschriften vorausgegangen sind die EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014. 332 Vgl. Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 15 SAG Rn. 11; ähnl. zu §§ 47 ff. KWG a. F. auch schon Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 442.
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Art. 16 del. VO 2016/1075 enthält zunächst eine Reihe formeller Prüfkriterien. Im Kern sind die Sanierungspläne danach daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Grunde nach alle gesetzlich geforderten Angaben bzw. Bestandteile abdecken und überdies auf aktuellem Stand sind.333 Qualitative Prüfkriterien formuliert sodann Art. 17 del. VO 2016/1075. Zu prüfen ist nach Nr. 1 die sprachlich-inhaltliche Klarheit der im Sanierungsplan enthaltenen Beschreibungen, Definitionen usw., wobei besonderes Gewicht auf einer nachvollziehbaren Erläuterung der im Plan enthaltenen Annahmen und Bewertungen liegen sollte.334 Das Relevanzkriterium in Nr. 2 soll die Funktion des Sanierungsplans als krisenoperables Dokument sichern und Tendenzen vorbeugen, die Pläne durch eine allzu ausufernde Planungspraxis unnötig aufzublähen oder gar als reines Informationspapier zu missbrauchen.335 Die Regelung in Nr. 3 greift das für die gesamte Planung gültige Proportionalitätsprinzip (§ 13 Abs. 1 SAG) auf und verlangt die Prüfung, ob der Sanierungsplan unter Berücksichtigung der Unternehmensstruktur (Art der Geschäftstätigkeit, Größe, Verflechtung) ausreichend detailliert ist, insbesondere auch eine hinreichende Bandbreite an Sanierungsoptionen und Indikatoren enthält. Nach Nr. 4 ist die Stimmigkeit, d.h. inhaltliche Schlüssigkeit und Folgerichtigkeit, des (Gruppen-)Sanierungsplanes jeweils in sich selbst sowie, wenn vorhanden, im Zusammenhang mit anderen gruppen- oder entitätsbezogenen Plänen zu bewerten. Besonders bedeutsam ist dies etwa bei der Gestaltung der Belastungsszenarien, die alle in der strategischen Analyse zutage geförderten institutsspezifischen Risikofaktoren berücksichtigen sollte. Die Art. 18, 19 del. VO 2016/1075 schließlich operationalisieren die Überprüfung der Pläne am Maßstab der Zielbeschreibung in Art. 6 Abs. 2 BRRD (§ 13 Abs. 4 SAG), sollen also eine Beurteilung des Plans auf seine Gesamtglaubwürdigkeit ermöglichen. Wenngleich sich diese Bewertung im Grunde auf den Plan in seiner Gesamtheit bezieht, sind die Kriterien in Art. 18 f. del. VO 2016/1075 ganz überwiegend auf die einzelnen Planbestandteile bezogen. Den Schwerpunkt der Prüfung bildet dabei das in den Plänen vorgesehene Portfolio von Handlungsoptionen.336 Sie hat, wie Art. 21 del. VO 2016/1075 noch einmal eigens hervor333 Auf die inhaltliche Güte der Ausführungen kommt es an dieser Stelle noch nicht an, vgl. EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 25; s. auch ErwG 17 del. VO 2016/1075. Anders aber offenbar Weber/ Brechfeld, a. a. O., § 15 SAG Rn. 15, die bereits an dieser Stelle bewerten wollen, ob der Plan auch dem Proportionalitätsgebot gerecht wird. Richtigerweise dürfte dies jedoch erst im Rahmen von Art. 17 Nr. 3 del. VO 2016/1075 zu prüfen sein. 334 S. dazu noch unten, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) bb). 335 Angesichts früher Berichte über Living Wills US-amerikanischer Institute mit mehreren zehntausend Seiten (vgl. Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 781, 794 (2016–2017), m.w. N.) dürfte diese Befürchtung nicht unbegründet gewesen sein. 336 Beachte hier ErwG 23 BRRD, wonach die Beurteilung privater Krisenbewältigungsmaßnahmen unter Berücksichtigung behördlicher Frühinterventionsmaßnahmen erfolgen soll, die parallel anwendbar sind.
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hebt, gerade auch unter Berücksichtigung der systemischen Bedeutung des planenden Instituts zu erfolgen. Die praktische Durchführung dieser Bewertungen stellt die zuständigen Behörden, weil sie sich auf eine im Einzelnen kaum absehbare Zukunft beziehen, vor erhebliche Herausforderungen.337 Auf die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen tatsächlichen Probleme und die mit dem Sanierungsplanungsrecht zur Verfügung gestellten Lösungsmechanismen ist an späterer Stelle noch genauer zurückzukommen.338 c) Aufsichtsbehördliche Eingriffskompetenzen Für den Fall, dass die behördliche Planbewertung zu dem Ergebnis kommt, der Sanierungsplan entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, stellt § 16 SAG den Aufsichtsbehörden339 ein umfangreiches Eingriffsinstrumentarium zur Verfügung.340 Die Regelung ist Ausdruck des Versuches, die übergeordneten Ziele des Sanierungsplanungsrechts mit den Grundrechtspositionen der betroffenen Unternehmen in Ausgleich zu bringen. Dazu wurde in § 16 Abs. 1–4 SAG ein mehrstufiges Verfahren geschaffen,341 das einen Vorrang der Plananpassung vor unternehmensbezogenen Eingriffen statuiert, die eigenverantwortliche Lösungsfindung durch die Unternehmen einer behördlichen Intervention vorzieht und auch im Übrigen die Verhältnismäßigkeit jeder behördlichen Eingriffsmaßnahme verlangt. Sanierungsplanbezogene Anordnungsbefugnisse enthält § 16 Abs. 1 und 2 SAG. Eine Aufforderung zur Planüberarbeitung ist danach nur dann zulässig, wenn die Aufsichtsbehörde „wesentliche Umsetzungshindernisse“ diagnostiziert oder der Plan gegen die gesetzlichen Inhaltsanforderungen verstößt, wobei auch hier nur wesentliche Verstöße genügen dürften.342 In diesem Sinne wesentlich ist 337
Vgl. auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 53. S. dazu ausf. unten, Abschnitt § 5 A. III., C. II. 339 Von der in Art. 85 Abs. 1 BRRD eröffneten Möglichkeit, Maßnahmen gem. § 16 SAG (zugleich Krisenpräventionsmaßnahmen i. S. d. Art. 85 Abs. 1 BRRD, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 101 BRRD bzw. § 2 Abs. 3 Nr. 37 lit. a SAG) von einer gerichtlichen Zustimmung abhängig zu machen, hat der deutsche Gesetzgeber nicht Gebrauch gemacht. 340 S. zu § 16 SAG neben der Kommentierung in Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd. auch Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 56 ff.; zur Vorgängerregelung Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 4 ff. 341 Binder, ZBB 2015, 153, 161; Otto/Renn, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 324, 339; Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 16 SAG Rn. 4. 342 Dafür spricht maßgeblich Art. 6 Abs. 5 UAbs. 1 BRRD, wonach eine solche Anordnung nur bei „wesentlichen Unzulänglichkeiten“ oder „wesentlichen [Durchführungs-]Hindernissen“ zulässig ist. Beide Fehler sind inhaltlich kaum voneinander zu trennen, weshalb auch einheitlich von einem wesentlichen Planmangel gesprochen werden kann, vgl. auch Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 16 SAG Rn. 2. 338
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ein Planmangel dann, wenn er im Krisenfall die zügige und wirksame Umsetzung des Sanierungsplans verhindern und damit den Sanierungserfolg insgesamt gefährden würde.343 Liegt dagegen ein unwesentlicher Mangel vor, so kann dieser regelmäßig auch erst im Rahmen des nächsten regulären Aktualisierungszyklus beseitigt werden.344 Scheitert eine Beseitigung der Mängel via § 16 Abs. 1 und 2 SAG, so ermöglichen die Ermächtigungen in Abs. 3 und 4 auch unmittelbar unternehmensbezogene Maßnahmen. § 16 Abs. 5 SAG liefert dazu, weitgehend parallel zu § 59 Abs. 6 SAG für abwicklungsbezogene Maßnahmen, eine Reihe von Regelbeispielen. Im Interesse der Finanzstabilität der Institute legt § 144 SAG fest, dass der Gebrauch der Eingriffsbefugnisse gem. § 16 SAG per se keine Auswirkungen auf dessen Vertragsverhältnisse zu anderen Finanzinstituten haben, insbesondere keine Kündigungs- oder Aufrechnungsrechte begründen darf. Entgegenstehende privatrechtliche Vereinbarungen sind gem. § 144 Abs. 5 SAG unwirksam.345 Regelungssystematisch mag die Norm zwar den Eindruck erwecken, als würde § 16 SAG nur im Ausnahmefall Anwendung finden. De facto dürfte das dort skizzierte Verfahren aber, wenngleich auch nur im Rahmen informellen Verwaltungshandelns,346 keine Seltenheit sein. Denn zum einen sind die gesetzlichen Planungsvorgaben infolge ihrer hohen Unbestimmtheit geradezu darauf angewiesen, in einem dialogförmigen Verfahren einzelfallbezogen konkretisiert zu werden.347 Zum anderen dürfte eine zuverlässige Erfüllung der in § 13 Abs. 4 SAG benannten Zielanforderungen, das zeigen vor allem historische Erfahrungen, gerade bei systemrelevanten Instituten häufig nicht ohne weitgreifende, unmittelbar unternehmensbezogene Anpassungen zu erreichen sein (hier sog. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts). Schon deshalb ist auf die Reichweite der Befugnisse aus § 16 SAG, ihre Zusammenhänge zu abwicklungsbezogenen Vorbereitungsmaßnahmen und ihre Probleme in der praktischen Handhabung nochmals gesondert einzugehen.348
343 Vgl. EBA, Report on the convergence of supervisory practices, EBA-Op-2016-11, 14.3.2019, Rn. 159; ähnl. auch Weber/Brechfeld, a. a. O., § 16 SAG Rn. 6. Regelungstechnisch missglückt definiert § 16 Abs. 3 SAG, ein solches „Hindernis, [das] eine Sanierung in einem Krisenfall unmöglich machen oder wesentlich erschweren“ würde (Hervorhebung nur hier), auch als „Sanierungshindernis“. 344 Otto/Renn, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 324, 339. 345 § 144 SAG zielt vor allem auf die Erhaltung von Derivatekontrakten, vgl. ErwG 94 BRRD; BT-Drs. 18/2575, S. 144. 346 Zur informellen Verwaltungspraxis des SRB im Kontext der Abwicklungsplanung (Art. 15 ff. BRRD bzw. §§ 57 ff. SAG) s. Bierens, in: Busch/Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of Financial Institutions, Rn. 4.31. 347 S. dazu unten, Abschnitt § 5 B. III. 348 S. dazu näher unten, Abschnitt § 5 D.
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III. Planaktualisierung Einmal erstellte Sanierungspläne sind gem. § 12 Abs. 4 SAG fortlaufend zu aktualisieren. Die Norm enthält in Nr. 1 einen anlassbezogenen, in Nr. 2 einen turnusgemäßen Aktualisierungstatbestand. Gem. § 12 Abs. 4 Nr. 1 SAG sind die Pläne immer dann zu aktualisieren, wenn Änderungen der Rechts- oder Organisationsstruktur, der Geschäftstätigkeit, Finanzlage oder der allgemeinen Risikosituation des Instituts eingetreten sind, die sich wesentlich auf den Sanierungsplan auswirken könnten oder aus anderen Gründen dessen Änderung erforderlich machen. Zu prüfen ist damit in jedem Einzelfall, ob die eingetretene Änderung der Unternehmensverfassung sich dergestalt auf den Plan auswirkt, dass dieser insgesamt oder in Teilen unrichtig, unvollständig oder nur noch eingeschränkt einsatztauglich ist. Exemplarisch nennt ErwG 38 BRRD den Fall, dass das Institut als Sanierungsmaßnahme eine gruppeninterne finanzielle Unterstützung (§§ 22 ff. SAG) enthält, diese Unterstützung durch die Aufsichtsbehörde aber verboten oder beschränkt wird. In diesem Fall läge eine wesentliche Änderung vor, die eine Planaktualisierung erforderlich macht. Das Beispiel macht deutlich, dass die Vorschrift mittelbar ein internes Monitoring erforderlich macht, in der alle planungserheblichen Änderungen im Unternehmen kontinuierlich erfasst werden, um bei Bedarf eine Planüberarbeitung einzuleiten.349 Die zur Umsetzung der Vorschrift eingerichtete Governance-Struktur ist gem. Art. 5 Nr. 1 lit. a und b del. VO 2016/1075 im Plan darzustellen. Ungeachtet dieser bedarfsorientierten Überarbeitung sind die Pläne gem. § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SAG jedoch mindestens einmal jährlich zu aktualisieren. Auch hier sind sämtliche Planbestandteile unter Berücksichtigung der aktuellen rechtlichen, organisatorischen und ökonomischen Situation des Instituts zu prüfen und, wo erforderlich, entsprechend anzupassen.350 Der Aktualisierungszyklus kann nach Satz 2 durch die Aufsicht jederzeit verkürzt werden kann. Nach der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift vor allem eine Planaktualisierung bei besonderem Bedarf ermöglichen, etwa im Anfangsstadium einer absehbaren Krisenlage.351 Die Aufsichtsbehörde behält so auch im Hinblick auf eine Aktualisie349 Zutreffend Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 24 (näher noch Cichy/ Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 66 ff.); Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441; ähnl. Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 209. 350 Jährlich zu aktualisieren sind u. a. alle dem Plan zugrundeliegenden quantitativen Daten, vgl. schon BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, D.3. 351 Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 148 („anlassbezogene“ Aktualisierung). S. parallel insoweit auch § 36 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SAG, der allerdings erst nach Überschreitung der Frühinterventionsschwelle greift. Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. b BRRD sollen die Aufsichtsbehörden den Aktualisierungsturnus zudem unter Berücksichtigung der (System-)Risikoeigenschaften des einzelnen Instituts festlegen.
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rung gem. § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SAG jederzeit das Letztentscheidungsrecht und kann die Handhabung der Norm durch die Institute korrigieren.352 Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frist, innerhalb derer eine nach § 12 Abs. 4 SAG erforderliche Planaktualisierung abgeschlossen und das überarbeitete Dokument bei der Aufsicht eingereicht sein muss. Teilweise wird insoweit in Anlehnung an § 16 Abs. 1 SAG eine Dreimonatsfrist für angemessen gehalten.353 Richtigerweise dürfte aber zu differenzieren sein. Betreffen die Änderungen lediglich eng umrissene Einzelfragen, die keinen erheblichen Planungsaufwand auslösen, so erscheint eine dreimonatige Überarbeitungsfrist angemessen. Geraten die erforderlichen Anpassungen aber so umfangreich, dass die Aktualisierung inhaltlich einer Neuerstellung der Pläne gleichkommt, so ist hingegen eine Orientierung an den in § 13 Abs. 3 SAG genannten Fristen angemessen.354 Auch nach jeder Aktualisierung übermittelt das Institut die Pläne zur Prüfung an die Aufsichtsbehörde und die Bundesbank.355 Das anschließende Verfahren entspricht strukturell jenem, das auch im Rahmen der initialen Planerstellung Anwendung findet.
IV. Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde Die (unions-)grundrechtlichen Rechtsschutzgarantien in Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 47 GrCh gebieten es, dass den Instituten auch im Rahmen der Sanierungsplanung die Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung behördlicher Eingriffsmaßnahmen offen steht.356 Mit Inkrafttreten des einheitlichen Aufsichtsmechanismus hat sich auch insoweit ein ausdifferenziertes System gerichtlicher Kontrolle ergeben.357
352 Einseitig den „weiten Beurteilungsspielraum“ der Banken betonend jedoch Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47a KWG Rn. 21. 353 So Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 70. 354 Ähnl. zur alten Rechtslage Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 5. 355 Die Übermittlung an die Bundesbank erfolgt wiederum nur, wenn die BaFin zuständige Aufsichtsbehörde ist. S. schon oben, Abschnitt § 4 C. II. 2. a) bb). 356 Vgl. auch Art. 6 Abs. 7 Satz 2 Hs. 2 BRRD. 357 S. zum Rechtsschutz in SSM und SRM z. B. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 360 ff.; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 1072 ff.; ferner Berger, WM 2016, 2361, 2367 ff.; Kämmerer, WM 2016, 1; Müller-Graff, EuZW 2018, 101; ders., ZHR 182 (2018), 239; Müller/Fischer/Müller, WM 2015, 1505; Schmitt/Bär, WM 2016, 493; monographisch zuletzt auch Kazimierski, Rechtsschutz im Rahmen der Europäischen Bankenaufsicht; Vossen, Rechtsschutz in der europäischen Bankenaufsicht. Speziell zum Rechtsschutz gegen behördliche Sanierungsmaßnahmen Schmitt, in: Hdb Bankensanierung und -abwicklung, Kap. A.V.; gegen Abwicklungsmaßnahmen ders., a. a. O., Kap. B.XII.
C. Das Verfahren der Einzelsanierungsplanung
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Im europäischen Mehrebenensystem bestimmt sich die Zuständigkeit der Gerichte in Abhängigkeit der handelnden Behörde (sog. Trennungsprinzip).358 Gegen Verwaltungsakte der BaFin im Rahmen des Sanierungsplanungsprozesses ist, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 150 Abs. 1 SAG ergibt, nach allgemeinen Regeln der Widerspruch mit aufschiebender Wirkung statthaft.359 Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung erfolgt im Rahmen der Anfechtungsklage oder im Verfahren nach § 80 VwGO.360 Wird dagegen die EZB als Aufsichtsbehörde tätig, so richten sich die Verfahrensrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten der Institute im Sanierungsplanungsprozess allein nach Unionsrecht.361 Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO bezieht sich – das sei nochmals betont – allein auf das zur Umsetzung bankenaufsichtsrechtlicher Richtlinien in den Mitgliedsstaaten geschaffene materielle Aufsichtsrecht. Dazu gehört das allgemeine deutsche Verwaltungsverfahrens- und -prozessrecht gerade nicht.362 Im Aufsichtsverfahren der EZB besteht gem. Art. 22 SSM-VO zunächst ein Recht auf Anhörung und Akteneinsicht. Gegen einmal erlassene Aufsichtsbeschlüsse kann entweder das Verfahren vor dem administrativen Überprüfungsausschuss gem. Art. 24 SSM-VO eingeleitet werden.363 Dieser nimmt nach ErwG 64 SSM-VO allerdings nur eine reine Rechtsprüfung vor. Alternativ kann das Institut aber auch unmittelbar Nichtigkeitsklage gem. Art 263 AEUV erheben.364 Maßnahmen der EZB im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus prüft der EuGH dabei nicht allein auf ihre Vereinbarkeit mit Unionsrecht, sondern auch am Maßstab der nationalen Rechtsvorschriften, welche der Umsetzung des richtlinienförmigen Single Rulebooks dienen. Der erweiterte Prüfungsmaßstab ist prozessual zwingende Folge des Normanwendungsbefehls in Art. 4 Abs. 3 UAbs. 1 SSM-VO.365 Der unionsgerichtliche Eilrechtsschutz richtet sich ebenfalls nach allgemeinen Regeln (Art. 278 f. AEUV). Grundsätzlich sind damit alle aufsichtsbehördlichen Maßnahmen im Kontext der Sanierungsplanung gerichtlich überprüfbar. Mit Blick auf die Reichweite der gerichtlichen Überprüfung ergeben sich jedoch, wie später zu sehen sein wird, 358
S. nur Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 360. Vgl. Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 49 KWG Rn. 10. Anders dagegen noch unter § 47j KWG a. F. Zu § 150 SAG s. Schmitt/Bär, WM 2016, 493, 494. 360 Örtlich zuständig ist in erster Instanz das VG Frankfurt a. M., § 1 Abs. 3 FinDAG. 361 Vgl. Schwennicke, in: ders./Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 1 KWG Rn. 219a; Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 126 Rn. 77 ff. 362 Ebenso i. E. auch Berger, WM 2016, 2325, 2335 und Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 468. 363 Ausf. zu diesem Verfahren Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 1009 ff. 364 Vgl. Art. 24 Abs. 11 SSM-VO. Das administrative Überprüfungsverfahren ähnelt strukturell dem deutschen Widerspruchsverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO, vgl. Fischer/ Boegl, in: BankR-Hdb., § 126 Rn. 78; Müller/Fischer/Müller, WM 2015, 1505, 1510. 365 I. E. ebenso Berger, WM 2016, 2361, 2368; Kämmerer, WM 2016, 1, 4. 359
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
Rückwirkungen aus den übergeordneten Strukturmerkmalen des Sanierungsplanungsregimes. Begrenzend auf die gerichtliche Kontrolldichte wirken sich vor allem die Komplexität und Prognoseabhängigkeit der Sachmaterie sowie die damit korrespondierende Struktur des Planungsverfahrens aus, das wesentlich auf eine dialogförmige Rechtskonkretisierung im Austausch zwischen Instituten und Behörden ausgerichtet ist.366
D. Besonderheiten im Verfahren der Gruppensanierungsplanung Auch das Verfahren der Gruppensanierungsplanung richtet sich im Grundsatz nach den soeben für die Einzelsanierungsplanung beschriebenen Vorgaben. Einige Besonderheiten sind gleichwohl zu beachten: Sie betreffen zum einen das gruppeninterne Verfahren der Planerstellung. Das Sanierungsplanungsrecht enthält, jenseits der oben erwähnten strukturellen Vorgaben in Art. 5 Nr. 1 del. VO 2016/1075, grundsätzlich keine Regelungen betreffend das Planungsverfahren im Binnenverhältnis zwischen den gruppenangehörigen Entitäten und ihren Organen. Die nähere Gestaltung dieser Verfahren obliegt vielmehr der Gruppe selbst. Lediglich im Außenverhältnis nimmt § 13 Abs. 5 SAG eine klare Verantwortungszuweisung vor: Verantwortlich für die Erstellung, Implementierung, Aktualisierung und Umsetzung des Gruppensanierungsplanes sind danach – wie auch Art. 7 Abs. 7 BRRD verdeutlicht – die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens, das den Gruppensanierungsplan zu erstellen hat.367 Weitere Besonderheiten ergeben sich zudem daraus, dass gerade die Beaufsichtigung grenzüberschreitend aktiver Bankengruppen nach besonderen Mechanismen zur Verfahrenskoordinierung zwischen den beteiligten Behörden der Länder verlangt, in denen die Gruppe aktiv ist.368 Derartige Sonderregelungen enthalten die §§ 17, 18 SAG (Art. 7 Abs. 3, Art. 8 BRRD). Im Einzelnen ist hier wiederum zwischen Gruppen zu differenzieren, die gem. Art. 6 Abs. 4 SSM-VO auf konsolidierter Basis als weniger bedeutend (dazu I.) oder als bedeutend einzustufen sind (dazu II.). 366
S. ausf. unten, Abschnitt § 5 B. III. 3. Deutlich schon MaSan (BA) 3/2014, D. Tz. 1. Diese umfassend aufsichtsrechtliche Verantwortung der Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens steht im Spannungsverhältnis zu den begrenzten Durchgriffs- und Kontrollrechten, die ihnen nach deutschem Gesellschaftsrecht gegenüber konzernangehörigen Gesellschaften zustehen. Allg. zu diesem Problem, das auch andere Aufsichtsbereiche betrifft, z. B. Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 22, 34 f. (m.w. N.); monographisch Wundenberg, Compliance, S. 168 ff. sowie zuletzt Renner, Bankkonzernrecht, S. 257 ff. (s. im hiesigen Zusammenhang auch S. 247). 368 Vgl. ErwG 17 BRRD. Ausf. zum interbehördlichen Kooperations- und Koordinationsbedarf bei der Sanierung von Institutsgruppen auch Babis, 25 EBLR 459, 477 f., passim (2014). 367
D. Besonderheiten im Verfahren der Gruppensanierungsplanung
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I. Sog. weniger bedeutende Gruppen Auf sog. weniger bedeutende Gruppen sind uneingeschränkt die in §§ 17 f. SAG getroffenen Verfahrensregeln anzuwenden.369 Die Vorschriften geben im Wesentlichen ein dreischrittiges Verfahren vor, das mit der Übermittlung des Planentwurfes an die beteiligten Aufsichtsbehörden beginnt, eine Abstimmung der Behörden über die Bewertung der Pläne vorsieht und idealiter in eine gemeinsame Entscheidung über die Angemessenheit der Pläne und etwaig erforderliche Eingriffsmaßnahmen mündet.370 Die Normen sind ersichtlich von dem Bemühen geprägt, dem Bedürfnis nach konsensualem Aufsichtshandeln aller beteiligten Rechtsordnungen Rechnung zu tragen, ohne dabei die Entscheidungsfähigkeit auch für den Fall zu verlieren, in dem ein einvernehmliches Handeln nicht rechtzeitig realisiert werden kann. Hinsichtlich des genauen Verfahrensablaufes differenzieren die §§ 17 f. SAG danach, ob die BaFin als national zuständige Aufsichtsbehörde bei der Bewertung des Gruppensanierungsplans als konsolidierende Aufsichtsbehörde auftritt oder nicht.371 Während sie im ersten Fall die wesentlichen Koordinierungsaufgaben im interbehördlichen Verfahren übernimmt, insbesondere den Gruppensanierungsplan an die relevanten Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten übermittelt, einvernehmliche Entscheidungen anregt und die subsidiäre Alleinentscheidungsbefugnis über den Gruppensanierungsplan behält, ist die BaFin als nicht-konsolidierende Aufsichtsbehörde auf eine teilnehmende Rolle im gesamten Abstimmungsverfahren beschränkt. Eine subsidiäre Alleinentscheidungsbefugnis hat sie nur über diejenigen gruppenangehörigen Gesellschaften, die ihrer unmittelbaren Aufsicht unterstehen. Ihnen gegenüber kann sie notfalls auch ohne einvernehmliche Entscheidung im Aufsichtskollegium Einzelsanierungspläne anfordern und Maßnahmen gem. § 16 SAG anordnen.372 Zentrales Gremium zur interbehördlichen Entscheidungsfindung sind, wie auch im Rahmen der laufenden Aufsicht über grenzüberschreitende Bankengruppen, die sog. Aufsichtskollegien.373 Jeweils gruppenspezifisch eingerichtet, setzen sie sich zusammen aus Mitarbeitern der konsolidierenden Aufsichtsbehörde, der EBA, den Behörden, die für die Beaufsichtigung der gruppenangehörigen Toch369 S. zu dem hier skizzierten Verfahren mit Beobachtungen zur Behördenpraxis auch EBA, Report on the convergence of supervisory practices, EBA-Op-2016-11, 14.3.2019, Rn. 131 ff. Ausf. zu den Einzelregelungen in §§ 17 f. SAG auch die jeweiligen Kommentierungen in Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd. 370 Vgl. Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 17 SAG Rn. 3. 371 S. zur Aufsicht auf konsolidierter Basis (m.w. N.) schon oben, Abschnitt § 4 B. I. 1. 372 § 18 Abs. 2 SAG. 373 S. dazu die umfangreichen Vorgaben in § 8e KWG (Art. 116 CRD-IV), in der del. VO 2016/98 und in der DVO 2016/99.
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§ 4 Rechtliche Anforderungen an Planinhalt und Planungsprozess
terunternehmen zuständig sind und den Aufsichtsbehörden der Aufnahmemitgliedsstaaten, in denen bedeutende Zweigstellen der Gruppe niedergelassen sind. In den Aufsichtskollegien werden alle bewertungsrelevanten Informationen über die Gruppensanierungspläne ausgetauscht. Sodann wird nach Möglichkeit eine gemeinsame Entscheidung über die Bewertung des Gruppensanierungsplans, die Anforderung ergänzender Einzelsanierungspläne sowie über die Anordnung von Maßnahmen nach § 16 SAG getroffen.374 Die EBA unterstützt diese Entscheidungsprozesse, indem sie auf Antrag einer beteiligten Behörde gem. Art. 31 EBA-VO375 besondere, nicht bindende, Vermittlungsversuche unternimmt.376 Zudem kann die EBA gem. § 19 EBA-VO im Einzelfall auch Schlichtungsentscheidungen treffen, die für alle im beteiligten Behörden verbindlich sind.377
II. Sog. bedeutende Gruppen Mit Blick auf sog. bedeutende Gruppen ist zu beachten, dass die Regelungen in §§ 17 f. SAG wiederum durch die besonderen Verfahrensvorschriften der SSMVO und der SSM-RVO überlagert werden. Wie bereits oben erwähnt, erfolgt im Anwendungsbereich des SSM die Beaufsichtigung sog. bedeutender Unternehmen primär durch die bei der EZB eingerichteten gemeinsamen Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams, JST). Ähnlich den Aufsichtskollegien, werden auch sie gem. Art. 4 SSM-RVO durch Mitarbeiter der EZB sowie aller nationalen Aufsichtsbehörden gebildet, in denen die Gruppe, einschließlich ihrer Tochtergesellschaften oder bedeutender Zweigstellen, niedergelassen ist. Auch ihre Aufgabe besteht vorrangig in der Koordinierung und Durchführung der Aufsichtstätigkeit über die gesamte Gruppenstruktur. Dementsprechend dürfte die interbehördliche Verfahrenskoordinierung bei der Bewertung der Sanierungspläne weitgehend in die JSTs verlagert werden, sofern die betreffende Bankengruppe ausschließlich in Ländern aktiv ist, die dem SSM angehören.378 Eigenständige Bedeutung erlangt das Abstimmungsverfahren nach §§ 17 f. SAG jedoch wiederum dann, wenn die Gruppe auch außerhalb des SSM-Anwendungsbereiches aktiv ist und zumindest einzelne gruppenangehörige Gesellschaften auch von Aufsichtsbehörden beaufsichtigt werden, die nicht in den JSTs vertreten sind. In diesem Fall 374 Vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 SAG sowie ergänzend auch Art. 14, 30 del. VO 2016/98. 375 VO (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12. 376 § 17 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1 Satz 2 SAG. 377 Vgl. § 17 Abs. 4, § 18 Abs. 3 SAG, wonach derartige bindende Entscheidungen der EBA jedoch nur die Bewertung des Gruppensanierungsplans sowie den Erlass besonders empfindlicher Maßnahmen nach § 16 Abs. 4 Nr. 1, 2 und 4 SAG betreffen können. Weitere allg. Vorgaben zur unterstützenden Rolle der EBA in den Kollegien enthält auch Art. 21 EBA-VO. 378 Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 13; s. auch Babis, 25 EBLR 459, 462 (2014); Geier, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. II. Rn. 105.
D. Besonderheiten im Verfahren der Gruppensanierungsplanung
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beteiligt sich die EZB an der Verfahrenskoordinierung in den Aufsichtskollegien, sei es in ihrer koordinierenden Rolle als konsolidierende Aufsichtsbehörde (§ 17 SAG) oder als bloßes Mitglied der Kollegien (§ 18 SAG).379 Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass das behördliche Regelwerk zur Sanierungsplanung grenzüberschreitender Bankengruppen außerordentlich komplex ausfällt und in bedenklicher Weise durch einander überlagernde Zuständigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden, der EBA und der EZB gekennzeichnet ist. Es erscheint zumindest fraglich, inwieweit diese Architektur tatsächlich ihrem Anspruch gerecht wird und gleichermaßen zeiteffiziente wie einvernehmliche oder zumindest koordinierte Entscheidungen aller beteiligten Akteure ermöglicht. Vergleichbare praktische Bedenken ergeben sich, sogar in noch verschärftem Maße, mit Blick auf die Zuständigkeiten und Verfahren im Krisenfall selbst. Sie sind deshalb zusammenfassend an späterer Stelle in den Blick zu nehmen.380
379 Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 36 f. und wiederum Babis, 25 EBLR 459, 470 (2014). 380 S. dazu unten, Abschnitt § 7 A. I.
§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts Aufbauend auf die vorangehenden Betrachtungen sollen im Folgenden die prägenden Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts herausgearbeitet werden. Gemeint sind damit all diejenigen Merkmale, die die Steuerungswirkung des Sanierungsplanungsrechts als Instrument präventiver Krisenbewältigung charakterisieren. Die Untersuchung verfolgt damit einerseits den Zweck, die Regelungstransparenz des Sanierungsplanungsrechts zu erhöhen und dadurch zugleich eine Grundlage und Handreichung für die praktische Normanwendung im Einzelfall zu bieten. Zugleich will sie einen Beitrag zur Ordnungsbildung im Bankenaufsichtsrecht insgesamt leisten. Die Herausarbeitung derartiger Strukturmerkmale kann freilich nicht allein beim Wortlaut einzelner Rechtsnormen ansetzen, sondern verlangt darüber hinausgehende Schritte interpretativer Systembildung.1 Ein solches Vorhaben wirft geradezu zwingend die Frage nach dem Maßstab auf, an dem sich eine Systembildung innerhalb des Sanierungsplanungsrechts zu orientieren hat. Naturgemäß sind dies zum einen die vom (europäischen) Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Regulierungsziele, welche der BRRD im Allgemeinen und dem Sanierungsplanungsregime im Speziellen zugrunde liegen.2 Als alleiniger Anhaltspunkt ist deren Informationswert jedoch zu begrenzt. Aufbauend auf die Vermutung, dass der Gesetzgeber entsprechend rechtsstaatlicher Gebote3 eine den tatsächlichen Sachproblemen angemessene Regelung treffen wollte, lenkt die hiesige Untersuchung deshalb den Blick auch auf den tatsächlichen Regelungsgegenstand des Sanierungsplanungsrechts. Als analytischer Zwischenschritt zielt eine derartige Realbereichsanalyse darauf ab, die funktionalen Anforderungen herauszuarbeiten, die das Sanierungsplanungsrecht auf dem Weg zur Verwirklichung seiner übergeordneten Regulierungsziele bewältigen muss. Sie kann damit nicht nur rechtsinterne Ordnungsbildung anleiten, sondern auch als Grundlage für eine Auseinandersetzung mit den operationellen Grenzen des aktuellen Rechtsrahmens dienen und etwaige Regelungsvorschläge de lege ferenda vorzeichnen. Be1 Zum Ziel juristischer Systembildung, gerade auch mit Blick auf das Finanzaufsichtsrecht, s. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 342 ff. 2 S. dazu oben, Abschnitt § 3 A. 3 Vgl. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 149; s. speziell mit Blick auf risikobezogene Rechtsvorschriften ferner Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 57.
§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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reits zu Anfang der Arbeit wurde deshalb ein Blick auf die ökonomischen Hintergründe systemischer Bankeninsolvenzen geworfen.4 Weitgehend unbeachtet sind bis hierher aber die tatsächlichen Herausforderungen geblieben, die sich gerade aus der Sanierungsplanung als Instrument frühzeitig-planerischer Krisenvorsorge ergeben. Diese Betrachtung musste bis hierher zurückgestellt werden, weil die diesbezüglichen Herausforderungen maßgeblich vom konkreten Zuschnitt des Sanierungsplanungsinstruments abhängig sind.5 Nachdem dieser Zuschnitt nunmehr, ausgehend von den Betrachtungen in § 4, ungleich deutlicher vor Augen steht, kann auch diese Realbereichsanalyse nunmehr nachgeholt werden (dazu A.). Aufbauend auf diese Betrachtung sollen sodann jene Strukturmerkmale herausgearbeitet werden, die das Sanierungsplanungsrecht in rechtlicher Hinsicht kennzeichnen. Die Darstellung geht dabei zweischrittig vor und konzentriert sich zunächst auf Merkmale, die eher verfahrensbezogene Aspekte betreffen (dazu B.), bevor im Anschluss auf eher entscheidungsbezogene Strukturmerkmale eingegangen werden soll (dazu C.). Insgesamt lässt sich die Arbeit bei alledem von dem Anliegen leiten, Vergleiche und Querbezüge zu anderen Regulierungsbereichen herzustellen. Gerade in der Diskussion um das Sanierungsplanungsrecht spiegelt sich bisweilen eine zunehmende Ausdifferenzierung der fachlichen Diskurse, die Gefahr läuft, bereichsübergreifend parallele Problemlagen aus den Augen zu verlieren. Anders formuliert: Banken-, Bankeninsolvenzen und eine darauf bezogene Krisenplanung mögen zwar im Detail in vielerlei Hinsicht „besonders“ sein und deshalb eine spezielle insolvenzrechtliche Behandlung rechtfertigen.6 Auf einer übergeordneten, strukturellen Ebene gleichen die Herausforderungen und normativen Lösungsansätze des Sanierungsplanungsrechts aber jenen, die auch in anderen (Teil-)Rechtsgebieten anzutreffen sind. Dies gilt namentlich für den gesamten Bereich des sog. Risikoverwaltungsrechts. Die vorliegende Untersuchung macht deshalb gerade in diesem Feld Anleihen und unternimmt den Versuch, die dort entwickelten Strukturen auch für das Sanierungsplanungsrecht fruchtbar zu machen.7 Die damit zugleich beabsichtigte Einordnung des Sanierungsplanungs4
S. o., Abschnitt § 2 A. Zur Verdeutlichung: So unterscheiden sich die tatsächlichen Herausforderungen planerischer Vorsorge maßgeblich, je nachdem welche Akteure zur Planung aufgerufen sind, zu welchem Zeitpunkt die Planung erfolgt, welche inhaltliche Zielrichtung sie verfolgt und wann und unter welchen rechtlichen Bedingungen die Umsetzung des Plans im Einzelnen vorgesehen ist. 6 Gerade in der Frühphase der Diskussion um die Entwicklung eines gesonderten Bankeninsolvenzregimes konzentrierte sich eine Vielzahl von Arbeiten gerade darauf, die „Besonderheiten“ von Bankeninsolvenzen gerade in Abgrenzung zu gewöhnlichen Unternehmensinsolvenzen herauszuarbeiten, vgl. etwa Dombret, in: ders./Kenadjian (Hrsg.), Too Big to Fail, S. 27. 7 Allg. aufgeschlossen für ein Lernen des Finanzmarktaufsichtsrecht vom Risikoverwaltungsrecht auch Kaufhold, Systemaufsicht, S. 151; Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 139 sowie offenbar auch Reiling, Der Hybride, S. 76 (Finanzmarktrecht sei neben 5
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
rechts in den sachbereichsübergreifenden Steuerungsdiskurs ist, soweit ersichtlich, bisher noch nicht umfassend vorgenommen worden.8 Sie hat nicht nur den Vorteil, bislang kaum diskutierte Wirkweisen des Sanierungsplanungsrechts zu explizieren. Daneben schärft sie auch den Blick für gemeinsame Problemlagen und Lösungsmechanismen.9 Sowohl die tatsächlichen Herausforderungen der Sanierungsplanung als auch die zu ihrer Bewältigung zur Verfügung stehenden rechtlichen Mechanismen deuten im Ergebnis darauf hin, dass eine rein instrumentelle Sanierungsplanung, die sich allein auf die Entwicklung krisenbezogener Sanierungsoptionen konzentriert, nur begrenzt erfolgversprechend sein könnte. Aus theoretischer Perspektive spricht viel dafür, dass eine effektive Erreichung des in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG beschriebenen Sanierungsziels häufig nicht ohne umfassende unternehmensbezogene Vorfeldmaßnahmen auskommt. Die damit einhergehenden Rechtsfragen werden im abschließenden Teil des Kapitels zu untersuchen sein (dazu D.).
A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge qua Sanierungsplanung Die §§ 12 ff. SAG institutionalisieren die Sanierungsplanung als anlasslose Vorfeldplanung, die grundsätzlich bereits mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebes der Institute beginnt und mit einem Vorgriff in eine potentiell weit entfernte Zukunft verbunden ist. Insoweit unterscheidet sie sich grundsätzlich von anderen anlassbezogenen Planinstrumenten wie sie das allgemeine und das spezifisch bankenbezogene Insolvenzrecht ebenfalls kennen.10 Es ist gerade diese vorausgreifende Struktur, daneben aber auch die mit der Planung im Einzelnen verbundenen Sachfragen, die den Sanierungsplanungsprozess in tatsächlicher Hinsicht zu einem überaus komplexen Unterfangen maUmwelt- und Gesundheitsrecht strukturell ebenfalls Risikorecht) und Kloepfer, vgl. Lepsius, VVDStRL 71 (2012), 226, 232. Einen ähnl. Ansatz verfolgten zuletzt auch Engel, Systemrisikovorsorge, S. 76 ff., Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 6 und Voß, Unternehmenswissen, S. 118 ff., passim. Demgegenüber eher krit. aber Ohler, in: Kirchhof/ Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 29. 8 Nur knapp in diese Richtung lediglich Binder, ZBB 2015, 153 und Kaufhold, DV 49 (2016), 339. S. zuletzt auch Minto, ECFR 2018, 772. 9 Allg. zu diesem Desiderat der regulierungsrechtlichen Forschung etwa Fehling/Ruffert, in: dies. (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 23 Rn. 5, 16; zum übergreifenden, aufgabenbezogenen Denken auch Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 44. Ähnl. aus der Perspektive der Prozeduralisierungsthese schließlich Calliess, ZfRSoz 21 (2000), 293, 314. 10 S. z. B. die sog. Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023) sowie – mittlerweile außer Kraft gesetzt – schon die bankenspezifischen Planverfahren des KredReorgG (s. dazu oben, Abschnitt § 2 B. IV. 1.).
A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge
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chen.11 Wie nachfolgend zu sehen sein wird, lassen sich dabei vor allem drei Problemdimensionen identifizieren, die die Sanierungsplanung in besonderem Maße herausfordern: das Problem dezentraler Informationen bzw. Wissens (dazu I.), das Problem institutsübergreifender Handlungskoordinierung (dazu II.) und die Herausforderungen, welche sich aus den Grenzen prognostischer Risikoanalysen ergeben (dazu III.).
I. Dezentralität von Informationen Informationen und Wissen12 entstehen in Gesellschaften grundsätzlich dezentral auf der Ebene ihrer individuellen Mitglieder.13 Steuerungsmodelle, die sich einem zentralistischen Entscheidungsmodus verschrieben haben, sehen sich deshalb seit jeher mit der besonderen Herausforderung konfrontiert, Instrumente zur Zusammenführung und Verarbeitung dezentral generierter Informationen zu entwickeln. Dies gilt nicht nur für die gesamtgesellschaftliche Steuerung durch politisch Entscheidungsbefugte, sondern in vergleichbarem Maße auch für die unternehmerische Steuerung durch die Geschäftsleitung. Auch in der Unternehmung als organisatorisch verfestigter Form arbeitsteiligen Zusammenwirkens entstehen Informationen grundsätzlich nicht zentral, sondern dezentral auf der Ebene ihrer einzelnen Organisationseinheiten bzw. -mitglieder.14 Ein effektives zentralisiertes Management ist daher maßgeblich davon abhängig, die strukturelle Informationsasymmetrie zwischen Unternehmenszentrum und -peripherie durch geeignete Mechanismen fortwährend abzubauen und so gering wie möglich zu halten.15 Diese für die allgemeine Unternehmensführung geltenden Grundsätze betreffen in vergleichbarer Form auch aufsichtsrechtlich bedingte Risikomanagementprozesse wie die Sanierungsplanung.16 Als Instrument unternehmensbezogener Krisensteuerung ist der Sanierungsplan auf Informationen aus verschiedensten Teilorganisationen des Instituts angewiesen.17 Der Prozess der Planerstellung und 11 Vgl. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 86 (Bankeninsolvenzen bergen „Komplexitätsproblem“). Allg. zum Komplexitätszuwachs durch vorverlagerte Gefahrenabwehr Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 453 f. 12 Wissen wird hier verstanden als Bestand von Erkenntnissen, die als bekannt und hinreichend bewährt angesehen werden können, letztlich also ein Bestand besonders konsolidierter Informationen, vgl. zum Begriff Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 304 f. (m.w. N.). 13 Grundlegend von Hayek, 35 Am. Econ. Rev. 519 (1945). 14 Vgl. Duncan/Weiss, 1 Res. Organ. Behav. 75, 86 (1979) und Miebach, Organisationstheorie, 2. Aufl. 2012, S. 153 ff. 15 Vgl. näher zum unternehmensinternen Wissensmanagement Thommen/Achleitner/ Gilbert et al., Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 9. Aufl. 2020, S. 611 ff. 16 Vgl. zum Informationsbedarf eines zentralisierten Risikomanagements Wall, in: Lange/dies. (Hrsg.), Risikomanagement nach dem KonTraG, § 3 B. Rn. 175, 179 (dort auch zu einhergehenden Prinzipal-Agenten-Problemen). 17 Dazu dürften z. B. die Treasury-Abteilung sowie die für Unternehmensentwicklung und Portfolio-Management zuständigen Funktionen zählen.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
-aktualisierung setzt daher zwingend Kommunikationswege voraus, die einen kontinuierlichen und effizienten Informationsaustausch zwischen der planungsverantwortlichen Stelle und den betroffenen Organisationseinheiten des Instituts sicherstellen.18 Über diese unternehmensinternen Gesichtspunkte hinaus ergeben sich aber auch Informationsprobleme, die das Außenverhältnis des Unternehmens hin zu anderen Marktteilnehmern insgesamt betreffen. Finanzinstitute agieren nicht in einem Vakuum, sondern sind in ein dynamisches Marktumfeld eingebettet. Innerhalb dieses Marktumfeldes stehen die einzelnen Marktakteure nicht isoliert nebeneinander, sondern sind durch ein vielschichtiges Wirkungsnetz miteinander verbunden; Handlungen eines Marktakteurs bedingen unmittelbar die Handlungsmöglichkeiten und Spielräume anderer Marktakteure. Eine Sanierungsplanung, die Maßnahmen für den Krisenfall nicht nur vorschlagen und abstrakt analysieren, sondern auch konkret auf deren potentielle Wirksamkeit hin bewerten will, ist daher maßgeblich auch von marktbezogenen Informationen abhängig. Die einzelnen Institute verfügen insoweit aber über ein strukturelles Informationsdefizit, da sie weder die Sanierungs- und Abwicklungsstrategien anderer Marktakteure für systemweite Krisensituationen kennen noch über Auskunftsrechte verfügen, um derartige Strategien zu erfragen. Neben diesen spezifisch unternehmensbezogenen Informationsdefiziten ergeben sich weitere Informationsprobleme, die aus der systembezogenen Dimension der Sanierungsplanung resultieren. Der Sanierungsplan ist, das macht unter anderem § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG deutlich, ein Instrument zur Verhinderung systemischer Risiken.19 Die finanzmarktbezogene Forschung hat mittlerweile aber hinreichend klar aufgearbeitet, dass Systemrisiken im Finanzsystem niemals punktuell entstehen, sondern sich aus komplexen Beziehungsnetzwerken zwischen mehreren Systemelementen ergeben. Die angemessene Erfassung derartiger Systemrisiken setzt daher voraus, dass grundsätzlich alle Systemelemente und -beziehungen beobachtet werden.20 Auch insoweit 18 Dies reflektieren vor allem Art. 5 Nr. 4, 5 del. VO 2016/1075 (Pflicht zur Integration der Sanierungsplanung in allg. Risikomanagement, Pflicht zur Einrichtung eines internen Management-Informationssystems). S. auch EZB, Report on recovery plans, 7/ 2018, S. 12 (bereichsübergreifende interne Zusammenarbeit bei Planung erhöhe Glaubwürdigkeit der Pläne); Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131, 141 (asymmetrische Informationsverteilung sei Herausforderung für die umfassende Analyse der Handlungsoptionen); Weber/Dartsch, a. a. O., S. 193 (mit Vorschlägen zur Planung unter Ausnutzung der intern dezentral vorhandenen Expertise.) 19 S. o., Abschnitt § 3 A. III. 20 Systemrisiken können also nur durch Einbeziehung sog. Umweltwissens angemessen analysiert werden. Es handelt sich dabei um Wissen, dass sich einer Zuordnung zu bestimmten Akteuren entzieht, typischerweise vielmehr außerorganisational anfällt, vgl. Reiling, Der Hybride, S. 58. Ausf. zur Struktur von Systemrisiken Kaufhold, Systemaufsicht, S. 144 ff., 167 ff., basierend auf einer umfassenden Auswertung des einschlägigen ökonomischen Schrifttums; vgl. ferner Haldane, Why banks failed the stress tests, S. 5 f.; Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1281 (2014).
A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge
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befinden sich die Institute in einer prekären Lage. Ihre individuelle Marktposition ermöglicht gerade nicht die notwendige, vollständige Beobachtung aller Systemzusammenhänge.21 Ihre Informationen beziehen sich jeweils nur ausschnittweise auf die eigenen, vertraglichen Vernetzungsstrukturen, während dahinter liegende Verknüpfungen für sie weitgehend unbekannt bleiben. Kooperative Lösungen unter den planungsverpflichteten Instituten scheitern zudem daran, dass die risikorelevanten Informationen regelmäßig im Zusammenhang mit Organisations- und Investitionsentscheidungen stehen, die einerseits Geschäftsgeheimnisse sind und andererseits, jedenfalls wenn sie die Sanierungsplanung betreffen, der Geheimhaltung gem. § 21 SAG unterliegen. Folglich können die Institute die von ihrem Sanierungsplan bzw. einzelnen Sanierungsmaßnahmen ausgehenden systemischen Risiken für andere Marktakteure oder das System insgesamt allein nur unvollständig erfassen. Im Hinblick auf all diese systembezogenen Bewertungsgesichtspunkte über ungleich umfassenderes Wissenspotential verfügen dagegen die zuständigen Aufsichtsbehörden.22 Sie können von ihren Informationsrechten23 gegenüber den einzelnen Marktteilnehmern Gebrauch machen, die gewonnenen Informationen zusammenführen und so ein ungleich vollständigeres Bild über etwaige Systemrisiken generieren.24 Eine Ordnungsbildung innerhalb des Sanierungsplanungsrechts muss diese strukturelle Verteilung des vorhandenen Wissens und der Fähigkeiten zur Wissensgenerierung berücksichtigen.
II. Handlungskoordinierung Eng mit den vorstehend beschriebenen Problemen der Wissensgenerierung und -verarbeitung verbunden sind Herausforderungen, die die Handlungskoordinierung zwischen mehreren Instituten im Prozess der Planung sowie im planungsbasierten Krisenmanagement betreffen.
21 Vgl. Blaß, Abwicklung von Banken, S. 216 (Fn. 865); Voß, Unternehmenswissen, S. 37. Speziell mit Blick auf die Identifikation kritischer Funktionen auch EBA, Report on interlinkages between recovery and resolution planning, EBA/Rep/2020/16, 20.5.2020, vor Rn. 82 („key conclusion“ Nr. 3). 22 Vgl. Blaß, a. a. O.; Voß, a. a. O., S. 38 sowie wiederum auch EBA, a. a. O. 23 S. §§ 44–44c KWG und Art. 10–13 SSM-VO. Weitere Wissensbasis ist daneben das laufende Meldewesen u. a. gem. Art. 99 ff. und 415 ff. CRR. 24 Vgl. im Ansatz auch ErwG 7 del. VO 2016/778; ferner EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 30, 36 (mit entsprechenden Stakeholder-Anmerkungen in der Konsultation der Art. 16 ff. del. VO 2016/ 1075) und schon Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum BRRD-Entwurf, 2013/C 44/12, Rn. 4.1.3. (mit der Anmerkung, die systembezogene Bewertung der Sanierungs- und Abwicklungspläne verlange nach einem „finanzaufsichtlichen Ansatz auf Makroebene“). S. ferner Haldane, Why banks failed the stress tests, S. 6; Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1281 (2014).
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
Unterstellt, die Institute verfügten über vollständige Informationen darüber, wie andere Marktakteure in zukünftigen Krisenphasen zu handeln beabsichtigen. Die Institute wären in diesem Fall deutlich besser in der Lage, die potentielle Wirksamkeit ihrer Sanierungsoptionen zu prognostizieren sowie unternehmensund systembezogene Risiken bzw. Umsetzungshindernisse zu identifizieren. Gleichwohl offen bliebe in diesem Fall aber die Frage, welches Institut im „Kollisionsfall“ – mehrere Institute erwägen Sanierungsmaßnahmen, deren gleichzeitige Umsetzung das Finanzsystem zu destabilisieren drohte oder jedenfalls die Wirksamkeit der Maßnahmen substanziell einschränken würde25 – tatsächlich berechtigt wäre, bestimmte Handlungsoptionen im eigenen Plan zu berücksichtigen. Vergleichbare Koordinationsprobleme können sich auch mit Blick auf die Sanierungsmaßnahmen mehrerer Gesellschaften ergeben, die alle einer Institutsgruppe angehören und demgemäß – gegebenenfalls neben Sanierungsplänen für die Einzelentitäten – auch durch einen Gruppensanierungsplan gesteuert werden.26 Auf der Planungsebene könnte man in diesem Fall noch entscheiden, dass alle betroffenen Institute die fraglichen Maßnahmen in ihre Pläne aufnehmen können. Dies hätte den Vorteil, dass die Gesamtanzahl der im Plan enthaltenen Maßnahmen und demgemäß auch die Handlungsflexibilität der Institute in der Krise stiege.27 Das eigentliche Koordinationsproblem wäre damit jedoch nur auf die Phase der Planumsetzung verlagert. Spätestens im Krisenfall wäre erneut zu entscheiden, welche(s) Institut(e) die jeweiligen Maßnahmen umsetzen könnte(n) und wer im Gegenzug Verzicht üben müsste.28 Vergleichbare Koordinationsfragen ergeben sich auch mit Blick auf die Kommunikationsstrategien der planungspflichtigen Institute. Auch hier stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie die Marktinformationen der einzelnen Institute im Krisenfall aufeinander abzustimmen sind, etwa um einander widersprechende Meldungen zu verhindern und das zur Systemstabilisierung unabdingbare Vertrauen anderer Marktakteure zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Den Ansatzpunkt für derartige Koordinationsfragen dürften in der Planungsphase das behördliche Planbewertungsverfahren und in der späteren Umsetzungsphase die krisenbezogenen Meldepflichten der Institute gegenüber den Aufsichts-
25 Derartige Kollisionsprobleme könnten sich etwa bei parallelen Asset-Verkäufen oder Kapitalerhöhungen durch mehrere Institute ergeben, vgl. Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 56; Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 46 (2013). 26 Vgl. Babis, 25 EBLR 459, 459 f., 477 (2014); Binder, ZBB 2015, 153, 156. 27 Dazu tendiert offenbar die EBA, vgl. EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 36 („We agree with the remark that recovery options should not automatically be rejected because they are also proposed by other institutions; supervisory judgement of the individual case should be applied.“). 28 Vgl. Binder, ECFR 2016, 575, 580 f., dort zur Koordination bei der Abwicklung grenzüberschreitender Bankengruppen.
A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge
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behörden29 bieten. Hier müsste eine Ordnungsbildung ansetzen, die auf die Entwicklung sachlich geeigneter und rechtlich zulässiger Koordinationsmechanismen ausgerichtet ist.
III. Grenzen der Risikoanalyse Neben diesen die Informationssammlung, -verarbeitung und Handlungskoordinierung betreffenden Problemen ergeben sich weitere Herausforderungen, die aus dem durchgehenden Risikobezug des Sanierungsplanungsrechts resultieren. Als potentiell weit in die Zukunft hineinragender Prozess verlangt die Sanierungsplanung auf verschiedensten Ebenen umfassende prognostische Analysen und Bewertungen. Dies betrifft zuallererst den Prozess der Planerstellung und -aktualisierung. Zu nennen sind hier neben der Bestimmung kritischer Funktionen im Rahmen der strategischen Analyse (Art. 7 Abs. 1 lit. a, iii) del. VO 2016/1075) etwa die Bewertung der geplanten Handlungsoptionen im Hinblick auf zu erwartende interne und externe Auswirkungen sowie etwaige Durchführungshindernisse (Art. 10, 11 del. VO 2016/1075), ferner die Analyse der Auswirkungen von Krisenkommunikationsmaßnahmen (Art. 14 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075) und die Bewertung der aktuellen Risikosituation des Instituts als Grundlage für die Erstellung der Belastungsszenarien (§ 13 Abs. 2 Nr. 7 a. E. SAG) sowie zur Feststellung eines Anlasses zur Planaktualisierung (§ 12 Abs. 4 Nr. 1 SAG). Kumuliert ergeben sich entsprechende Probleme auch auf der nachgelagerten Ebene der Gesamtbewertung des Sanierungsplanes nach Maßgabe von § 13 Abs. 4 SAG und bei der Bewertung der Erforderlichkeit unternehmensbezogener Eingriffsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sanierungsfähigkeit (§ 16 Abs. 4 SAG). Auf der Ebene der Planumsetzung schließlich stellt sich das Problem einer hinreichend frühzeitigen Erkennung von Entwicklungsdynamiken, die in die Entstehung eines planauslösenden Krisenfalls münden können. Wenngleich die konkreten Bezugspunkte der anzustellenden Analysen in den genannten Fällen abweichen mögen, ist die Problemlage auf struktureller Ebene stets eine vergleichbare: Stets beziehen sich die genannten Bewertungen auf eine im Einzelnen unsichere Zukunft. Stets stellt sich die Frage, wann die prognostisch angestellten Risikobewertungen als angemessen erachtet werden können und wodurch sie gegebenenfalls eingeschränkt werden. 1. Objektive Grenzen der Risikoanalyse Das (bank-)betriebswirtschaftliche Risikomanagement antwortet auf derartige Herausforderungen traditionell mit stark quantitativ ausgerichteten Risikomodellen. Ihnen zugrunde liegt ein Risikobegriff, der maßgeblich durch die ökonomi-
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Art. 5 Nr. 3 lit. a, iii) del. VO 2016/1075, § 6 Abs. 1 Satz 3 MaSanV.
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sche Entscheidungstheorie geprägt ist.30 Risikoentscheidungen versteht sie als Entscheidungen unter (zumindest begrenzt) quantifizierbarer Unsicherheit.31 Die Unsicherheit resultiert daraus, dass der Entscheidungsträger bei der Auswahl einer von mehreren Handlungsoptionen die Zukunftsentwicklungen (Umweltbedingungen oder -zustände), in die seine Entscheidung eingebettet ist und die das Entscheidungsergebnis maßgeblich beeinflussen, nicht vorhersagen kann. Wesensmerkmal der Risikoentscheidung ist damit einerseits ihre Zukunftsgerichtetheit, andererseits die aus eben jener Zukunftsgerichtetheit resultierende Unmöglichkeit einer abschließenden Ergebnisprognose. Quantitative Risikomodelle umschiffen diesen Umstand, indem sie den Blick in die Vergangenheit wenden, historische Daten generieren und ausgehend von diesen Daten Wahrscheinlichkeitsaussagen (Erwartungswerte) hinsichtlich zukünftiger Ereignisse ableiten. Ihnen zugrunde liegt die Annahme eines gesetzmäßigen Zusammenhangs zwischen Vergangenheit und Zukunft.32 Derartige Verfahren unterliegen strukturell gleich mehreren Grenzen.33 Probleme ergeben sich erstens aus dem Verhältnis zwischen dem ex ante bestimmten Erwartungswert und dem tatsächlichen Eintritt zukünftiger Ereignisse. In der Praxis ist es gerade nicht so, dass reale Ereignisverläufe den mathematisch ermittelten Erwartungswert stets exakt widerspiegeln, sondern vielmehr um diesen Erwartungswert streuen. Zwar mag diese Streuung ihrerseits eine regelmäßige Verteilung aufweisen (sog. Normal- oder Gauß-Verteilung) und in Form von Risikoprämien eingepreist werden können. Anfällig bleiben derartige Modelle aber gegenüber zufälligen Extremschwankungen (sog. Tail Risk), die durch Risikoprä-
30 Die (ökonomische) Entscheidungstheorie untersucht rationales oder als rational intendiertes Entscheidungsverhalten unter logischen und empirischen Gesichtspunkten. Umf. dazu etwa Bamberg/Coenenberg/Krapp, Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 16. Aufl. 2019; Eisenführ/Weber/Langer, Rationales Entscheiden, 5. Aufl. 2010; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 10. Aufl. 2018. 31 Grundlegend zur Diff. zwischen (quantifizierbaren) Risikoentscheidungen und Entscheidungen unter (unquantifizierbarer) Ungewissheit („uncertainty“) Knight, Risk, Uncertainty and Profit, S. 101 ff. 32 S. nur Bechmann, in: ders. (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, S. VII, X; Schneider, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 3 A. Rn. 72. 33 „Of course, all models are wrong. The only model that is not wrong is reality and reality is not, by definition, a model.“, vgl. Haldane, Why banks failed the stress test, S. 1. S. dazu das vielfältige Schrifttum, u. a. Johanning, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Ökonomie versus Recht, S. 205, 210 f.; Hellwig, Gutachen E zum 68. DJT, S. E45 f.; Schneider, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 3 A. Rn. 72 ff.; ferner Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 142; Thiele, ZG 2010, 127, 137 ff.; Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 29 f. Die Beschreibung der Grenzen des quantitativen Risikomanagements impliziert freilich nicht dessen Verzichtbarkeit. Immerhin können sie der Vorbereitung auf regelmäßig wiederkehrende Ereignisse dienen, vgl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1279 (2014), und einen (wenn auch begrenzten) Mehrwert an Transparenz, Vergleich- und Planbarkeit schaffen, vgl. Johanning, a.a.O, S. 205, 210.
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mien nicht mehr umfassend abgedeckt sind.34 Noch grundlegender sind zweitens jene Probleme, die sich bei der Ermittlung empirischer Daten ergeben. Besonders bei der Untersuchung seltener Extremereignisse sowie bei der Bewertung von (Finanz-)Innovationen mangelt es häufig an statistischem Material oder sonstigen Erfahrungswerten, die in ein quantitatives Modell eingespeist werden könnten. Je knapper aber das verfügbare Datenmaterial ist, desto unsicherer ist auch die vergangenheitsbasierte Wahrscheinlichkeitsprognose.35 Die fragliche Entscheidung gewinnt dann zunehmend den Charakter einer Entscheidung unter nicht quantifizierbarer Unsicherheit, in der Entscheidungstheorie auch Entscheidung unter Unsicherheit im engeren Sinne (Ungewissheit) genannt.36 In der finanzaufsichtsrechtlichen Literatur wird in den letzten Jahren dementsprechend zu Recht ein verstärkter Einsatz qualitativer Risikobewertungsverfahren mit analytisch zukunftsgerichteter Ausrichtung gefordert.37 Auch sie vermögen eine objektiv unbekannte Zukunft nicht zu antizipieren, unterliegen also ebenfalls erkenntnistheoretisch bedingten Grenzen. Auf rein „technischer“ Ebene haben sie aber den Vorteil, dass sie – anders als quantitative Modelle – den Blick nicht primär auf symptomatische, der tatsächlichen Risikokonkretisierung hinterherhinkende Wertveränderungen (Finanzmarktdaten, unternehmensbezogene Kennziffern usw.) legen, sondern stärker auf die Erfassung der zugrundeliegenden Risikotreiber selbst gerichtet sind.38 Vor allem aber vermeiden qualitative Ansätze den Anschein formal-naturwissenschaftlicher Eindeutigkeit, der mit der mathematischen Modellierung und numerischen Einkleidung zukünftiger Geschehensverläufe einherzugehen droht.39 Sie reflektieren damit ungleich deut34 Zwar wird regelmäßig der Versuch unternommen, auch dieses sog. formale Risiko (in Abgrenzung zum sog. materiellen Risiko, das durch den Erwartungswert gekennzeichnet ist) vorab durch eine (formale) Risikoprämie einzupreisen. Diese ist aber ihrer Höhe nach deutlich schwerer zu bestimmen und dem Vertragspartner gegenüber auch nur mit mehr Begründungsaufwand durchzusetzen. Zur Differenzierung in materielle und formale Risiken Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 866 ff. 35 Freilich stellt sich hier immer die Frage, wann historische Daten hinreichend umfangreich zur Ableitung substanzieller Wahrscheinlichkeitsprognosen sind. Die Frage kann letztlich nur wertend beantwortet werden, vgl. ähnl. Clarke, Mission Improbable, S. 73. Allg. zu diesem Problem empirischer Wissensgenerierung Baumann, Erkenntnistheorie, 3. Aufl. 2015, S. 241 ff. 36 Vgl. speziell mit Blick auf Extremereignisse Johanning, in: Kempf/Lüderssen/ Volk (Hrsg.), Ökonomie versus Recht, S. 205, 207, 212 (Vorhersage sei schlicht unmöglich). S. zum Begriff der Entscheidung unter Unsicherheit i. e. S. z. B. Laux/Gillenkirch/ Schenk-Mathes, Entscheidungstheorie, 10. Aufl. 2018, S. 35. 37 S. stellv. Wohlmannstetter, in: Hopt/ders. (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, S. 31, 64 f., 68; Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 47; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4 Rn. 82 (ausgehend von den Grenzen des Value-at-Risk-Modells). 38 Wohlmannstetter, a. a. O., S. 64. 39 Zur Gefahr von „Scheingenauigkeiten“ in der quantitativen Risikobeurteilung Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.3.2. Rn. 10; s. auch Johanning, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Ökonomie versus Recht, S. 205, 210 f.,
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
licher, was in der sozialwissenschaftlichen Risikoforschung heute als allgemein anerkannt gelten darf: Jede Risikowahrnehmung beruht – wie Erkenntnisprozesse überhaupt – auf einem Akt subjektiver Konstruktion. Als solche ist sie maßgeblich durch persönliche Vorprägungen, Neigungen und soziale Umweltfaktoren des erkennenden Subjekts beeinflusst.40 Es existiert kein universelles Risikomaß, auf das die Ermittlung und Bewertung von Risiken aufbauen könnte.41 Die Tatsache, dass die Risikowahrnehmung wesentlich durch subjektive Konstruktionsleistungen bedingt wird, öffnet auch ungleich deutlicher die Augen für die verschiedenen subjektiven Grenzen von Risikoanalysen. 2. Subjektive Grenzen der Risikoanalyse Die wirtschaftspsychologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat insoweit vor allem mit jenen Modellen aufgeräumt, die das Entscheidungsverhalten des Menschen unter Rückgriff auf die Kunstfigur des sog. Homo oeconomicus erklären wollen. Anders als vor allem von den Vertretern der sog. Neoklassik angenommen, sprechen heute sowohl theoretische als auch empirische Erkenntnisse gegen die Annahme, der Mensch agiere im wirtschaftlichen Umfeld grundsätzlich als streng rationaler, erwartungsnutzenmaximierender Akteur.42 Vielmehr führen seine kognitiven und emotionalen Beschränkungen realiter zu systematischen Abweichungen von streng rationalen Entscheidungskriterien (sog. Verhaltensanomalien). Dies gilt insbesondere unter Verhältnissen begrenzten Wissens. Unter derartigen Unsicherheitsbedingungen lösen Menschen komplexe Entscheidungsprobleme regelmäßig gerade nicht mit wahrscheinlichkeitsmathematischen Mitteln, sondern mithilfe von Heuristiken. Als ressourceneffiziente Daumenregeln erhöhen sie zwar die Entscheidungsfähigkeit gerade in alltäglichen Situationen. Unter falschen Umweltbedingungen angewandt, drohen sie die individuelle Urteilskraft allerdings deutlich zu verzerren (sog. Biases).43 214; Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 19. Allg. krit. zur gezielten „Technisierung“ wertender Sachfragen mit dem Ziel ihrer Entpolitisierung Clarke, Mission Improbable, S. 126, 133. 40 Dies gilt maßgeblich auch für Risikoeinschätzungen von sog. Experten. Auch sie sind maßgeblich von den sozialen Kontextbedingungen geprägt, unter denen sie erstellt werden, vgl. Beck, Risikogesellschaft, 23. Aufl. 2016, S. 38 ff., 76 ff.; ders., Weltrisikogesellschaft, 4. Aufl. 2015, S. 32 ff.; s. auch Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 229 (m.w. N.). 41 S. zsf. und m.w. N. etwa Bechmann, in: ders. (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, S. VII, XIV ff.; mit Blick auf Krisenreaktionspläne Clarke, Mission Improbable, S. 101, 127 f. Für die rechtswissenschaftliche Rezeption dieser Einsichten s. stellv. Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 58 ff.; Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 228 ff. 42 Wegbereitend waren hier v. a. die Arbeiten von Tversky und Kahnemann, s. u. a. Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124 (1974). 43 Umf. zu typischen Heuristiken und ihren Gefahren etwa Beck, Behavioral Economics, S. 25 ff. Zusammenfassend zum Ganzen aus Anlegerperspektive Klöhn, Kapital-
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3. Bedeutung mit Blick auf die Sanierungsplanung Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche der beschriebenen Analysegrenzen gerade im Kontext der Sanierungsplanung relevant werden. Im einschlägigen Schrifttum wurde dazu bisher, wenn überhaupt, nur kursorisch Stellung genommen. Verbreitet betont werden vor allem die objektiven Grenzen einer Vorausplanung im Hinblick auf zukünftige Krisensituationen. Trotz aller prognostischen Analysen bleibe „immer [das Risiko] bestehen, dass der Plan eher auf die letzte Krise zugeschnitten ist, als dass er für die nächste Krise tauglich ist“.44 Unmöglich sei vor allem die genaue Vorhersage zukünftiger Krisen und eine darauf gerichtete finale, im Einzelnen festgelegte Krisenplanung.45 Besonders ungeeignet seien Sanierungspläne schließlich zur Bewältigung sog. „Unknown Unknowns“, d.h. jener Risiken, die in der Vergangenheit noch nie als solche in Erscheinung getreten sind und bezüglich derer die Planungsverantwortlichen noch nicht einmal um ihr eigenes Nichtwissen wissen.46 Wenngleich die genannten Stimmen damit im Ansatz in die richtige Richtung weisen, dürfte mit Blick auf die einzelnen Elemente des Sanierungsplanungsprozesses im Einzelnen noch stärker zu differenzieren sein.
markt, Spekulation und Behavioral Finance, S. 90 ff. Instruktiv schließlich auch Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 139 ff., 147 ff. 44 So Psaroudakis, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, S. 41, 45. 45 Vgl. aus dem deutschen Schrifttum etwa Binder, ZBB 2015, 153, 159; Cichy, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 48; Franke/Krahnen/von Lüpke, ZVglRWiss 113 (2014), 556, 562; Madaus, in: Haentjens/ Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 64; Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 229 f.; Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 4; früh auch schon Bachmann, ZBB 2010, 459, 470; Weber, in: Oberender (Hrsg.), Reform der Finanzmarktregulierung, S. 47, 56; Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 610 f. Vgl. ferner Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 55 f.; Schillig, Resolution and Insolcency of Banks, Rn. 7.06 f. sowie die Hinweise von Stakeholdern in der EBA-Konsultation der Vorschriften über die Planbewertung (Art. 16 ff. del. VO 2016/1075), vgl. EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 29, 32, 36 f., passim. Stellv. aus dem US-amerikanischen Schrifttum schließlich Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1311 (2014); Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 75 ff. (2013); Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 781, 801 (2016–2017). 46 So de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.66 unter Bezugnahme auf das berühmt gewordene Diktum von US-Verteidigungsminister D. Rumsfeld. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1278 ff. (2014) spricht, inhaltlich vergleichbar, von sog. „Black-Swan-Events“ (in Anlehnung an Taleb, The Black Swan). In der deutschen Risikodogmatik ist von schlichtem oder unspezifischem Nichtwissen die Rede, vgl. Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 41; Hoffmann-Riem, Recht und Innovation, S. 310.
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a) Planungsphase Jedenfalls im Ausgangspunkt ist dabei zu diagnostizieren, dass das Wissensdefizit im Rahmen der Sanierungsplanung weniger ausgeprägt ist, als eine Vielzahl der oben genannten Literaturstimmen vermuten lassen. Gerade zur Vorbereitung auf systemweite Belastungssituationen kann die Sanierungsplanung heute auf umfangreiche Erkenntnisse der finanzökonomischen Forschung zu den Eigenschaften und Entwicklungsdynamiken finanzmarktbezogener Risiken aufbauen. So besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, welche abstrakten Strukturmerkmale der Entstehung, Realisierung und Verbreitung von Finanzmarktrisiken zugrunde liegen.47 Ausgehend von den in der Risikodogmatik entwickelten Kategorien ließe sich insoweit von Konstellationen sog. abstrakter Besorgnis sprechen. Der Begriff kennzeichnet Sachverhalte, in denen „potentiell gefährliche Kausalketten benannt werden können und deren Auftreten aufgrund einer vorläufigen wissenschaftlichen Risikobewertung auch theoretisch ,möglich‘ erscheint“. Es fehlt aber „hinreichendes Wissen darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen sich das theoretische Risiko im Einzelfall realisiert.“ 48 Ursächlich für diesen Mangel an abschließendem Wissen zur einzelfallbezogenen Verortung und Charakterisierung von Risiken ist vor allem die Tatsache, dass die Entstehung und Realisierung finanzmarktbezogener Risiken überwiegend in dem individuellem Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer wurzelt. Finanzmarktrisiken sind zu einem erheblichen Teil handlungs- und schwarmassoziierte Risiken,49 deren Bewältigung deshalb auf Probleme stößt, weil menschliches Handeln extern weder vollständig kontrollierbar noch prognostizierbar ist. Das heißt jedoch nicht, dass das vorhandene Wissen um die Strukturmerkmale von Finanzmarktrisiken nicht dennoch planerisch verwertet werden kann. Im Zusammenwirken mit den Instrumenten und Strategien der sanierungsbezogenen Betriebswirtschaft50 können 47 S. dazu schon oben, Abschnitt § 2 A. III. Vgl. auch Kaufhold, Systemaufsicht: Diese stellt „wiederkehrende Bestandteile und Grundmuster“ in der finanzökonomischen Forschung fest (S. 124). Auf Grundlage einer umfassenden Auswertung dieser Forschung entwickelt sie einen heuristischen Systemrisikobegriff (S. 124 ff.) und betont, dass im Finanzmarktbereich gerade keine wissenschaftliche Unsicherheit besteht, die anderen Regulierungsbereichen wie etwa dem Umweltrecht vergleichbar wäre (S. 208). Implizit auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1294 (2014); Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 611. 48 Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 42. 49 Vgl. zum Begriff Winkler, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 185, 189; s. ferner Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 29. Zur individuellen Vertrauensentscheidung der Gläubiger als Grundlage von Finanzrisiken auch schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. Mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung treten allerdings auch vermehrt technikassoziierte Risiken in den Vordergrund, vgl. Thiele, Finanzaufsicht, S. 483; zum Begriff Winkler, a. a. O., S. 195 ff. 50 Exemplarisch für praxiserprobte und verallgemeinerbare Wissensbestände im Bereich planungsbasierter Restrukturierung und Sanierung steht etwa der IDW Standard
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gleichwohl Vorbereitungen für zukünftige Krisenfälle getroffen werden, die zwar abstrakter, aber nicht zwingend weniger funktional sein müssen. Schließlich ist es auch ohne genaue Zukunftskenntnis möglich, denkbare Krisensituationen in ihren Grundstrukturen zu analysieren und die aus ihnen resultierenden Handlungsnotwendigkeiten und Optionen schrittweise durchzudeklinieren. Im Zentrum einer solchen Vorbereitung stehen dann die – aus der jeweiligen Unternehmensperspektive – abstrakt für sanierungstauglich befundenen Maßnahmen und Prozesse, eine abstrakte Bewertung derselben im Hinblick auf potentielle Auswirkungen und Hindernisse sowie eine typisierende Zuordnung der Maßnahmen zu den – wiederum bei typisierender Betrachtung – denkbaren Krisenszenarien.51 Kritisch für eine solchermaßen abstrakte Vorbereitung dürfte aber die Frage sein, ob die daraus hervorgehenden Pläne tatsächlich die zur Sanierung gem. §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG erforderliche Dimensionierung aufweisen. Maßgeblich ist insoweit ein Vergleich des drohenden Schadenspotentials mit der Sanierungskapazität der Pläne. Erst hier kommen die in der Literatur beschriebenen Wissensdefizite ins Spiel. Denn naturgemäß mag auch eine umfassende strategische Analyse und die vorsichtigste Modellierung von Belastungsszenarien zukünftige Schockereignisse und Krisenverläufe aus den oben genannten erkenntnistheoretischen Gründen niemals in ihrer konkreten Gestalt und ihren exakten Auswirkungen vorauszusagen.52 Gleiches gilt auch für die Voraussage, welche Maßnahmen unter den zukünftigen Marktumständen konkret zur Sanierung umsetzbar sind und welche exakte Sanierungswirkung sie in der jeweiligen Situation entfalten werden. Eine Voraussage dessen, was erst in der Zukunft einzutreten möglich ist, vermag selbst der ausgeklügelteste Bewertungsansatz nicht zu bieten. Historische Daten können zwar als Ausgangspunkt für näherungsweise Prognosen zur Verfügung stehen. Wie bereits erwähnt ist empirisches Zahlenmaterial aber gerade für derartige Extremereignisse regelmäßig nur in äußerst begrenztem Umfang verfügbar. Man mag sich in diesem Fall mit Vergleichsbetrachtungen ausgehend von Daten aus früheren Belastungsphasen behelfen, die weniger schwerwiegend oder nur im weiteren Sinne vergleichbar waren.53 Für ein derartiges Vorgehen hat L. Clarke den Begriff der sog. „scheinbaren Ähnlichkeit“ (apparent affinity) geprägt. Zutreffend arbeitet er heraus, dass jede Vergleichsherstellung und Hochrechnung ausgehend von historischen Vorereignissen letztlich ein Akt subjektiver Konstruktion ist. Zwei Ereignisse sind nicht aus sich heraus vergleichbar; die Vergleichbarkeit muss erst durch Identifikation der relevanten Vergleichsmerkmale hergestellt werden. Die Festlegung dieser VergleichsannahAnforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6) vom Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer (abgedruckt bei Zabel, Beilage ZIP 44/2018, 3). 51 Vgl. Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 229. 52 Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 18. 53 Vgl. Johanning, in: Kempf/Lüderssen/Volk (Hrsg.), Ökonomie versus Recht, S. 205, 207, der die Unsicherheit derartiger Vergleiche betont.
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men verlangt damit, ebenso wie noch abstraktere vergleichsunabhängige Schätzungen, nach wertenden Entscheidungen. Diese sind inhärent anfällig für allzu optimistische Betrachtungen.54 Auf die betreffenden subjektiven Probleme wird sogleich zurückzukommen sein. b) Planumsetzungsphase In der Planumsetzungsphase stellt sich vor allem das Problem einer rechtzeitigen Erkennung von Krisenlagen und einer zügigen Umsetzung angemessener Sanierungsmaßnahmen. Welche der beschriebenen Risikoanalysegrenzen hier relevant werden, dürfte maßgeblich von der Natur des jeweiligen Geschehensverlaufs abhängen: Je unvermittelter stabilitätsbedrohende Ereignisse auftreten, desto eher stößt naturgemäß auch eine frühzeitige Krisendiagnose auf objektiv-erkenntnistheoretische Grenzen. Schließlich kann sie nur an bereits in Erscheinung getretene Phänomene anknüpfen, nicht aber eine erst zukünftige Risikorealisierung vorwegnehmen, sofern sich diese nicht bereits durch vorausgehende Indizien ankündigt.55 Derartige „aus dem Nichts“ auftretende Unternehmenskrisen können sich etwa aus operationellen Risiken ergeben. Beispielhaft sei hier der Fall genannt, dass Rechtsverstöße einzelner Mitarbeiter in den Erlass von Geldbußen münden, die die Bankbilanz massiv belasten. Ebenso denkbar sind existenzbedrohende Ausfälle, die aus der Realisierung einzelner stark konzentrierter Kreditrisiken resultieren.56 Mindestens ebenso bedeutsam dürften aber auch hier Schwierigkeiten sein, die weniger aus objektiven Unvorhersehbarkeiten, denn aus subjektiven Grenzen der Risikobewertung resultieren. Die empirische Forschung zeigt heute, dass sich eine Vielzahl stabilitätsbedrohender Krisen durch wiederkehrende Kausalketten ankündigen. Dies gilt nicht nur für idiosynkratische,57 sondern gerade auch für 54 Clarke, Mission Improbable, S. 70 ff. Vgl. auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1294 (2014). 55 Die Bedeutung derartiger objektiver Erkenntnisgrenzen für die Sanierungsplanung betonend Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 1, 13; s. jedenfalls mit Blick auf die letzte Finanzkrise auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1325 (2014). In diese Richtung auch Mülbert, ZHR 174 (2010), 375, 384 (Verf. betont, die Finanzkrise hätte keine Mängel der Corporate Governance von Finanzinstituten offenbart. Vielmehr seien allein die „immanenten Leistungsgrenzen auch einer guten Corporate Governance“ deutlich geworden). Dazu – m. E. zu Recht – krit. Teichmann, in: Allmendinger/Dorn/Lang et al. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 41, 72. 56 Freilich gelten insoweit heute mikroprudenziellen Vorgaben, etwa die Vorschriften zur Begrenzung von Großkrediten (Art. 392, 395 CRR), die von vorn herein verhindern sollen, dass der Ausfall von Einzelforderungen bereits in eine Bestandsgefährdung des kreditvergebenden Instituts münden kann. 57 Vgl, basierend auf empirischen Auswertungen, Verdoes/Adriaanse/Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 25, 28, 38 ff. S. auch
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systemische Finanzkrisen.58 Ihre frühzeitige Erkennung ist insoweit keine Frage der – letztlich unmöglichen – Vorwegnahme zukünftiger Ereignisse im engeren Sinne, sondern vornehmlich eine Frage der richtigen Einordnung gegenwärtiger Marktsignale.59 Herausgefordert wird dieser Prozess, ähnlich wie auf der Planungsebene, vor allem durch subjektive Fehleinschätzungen der handelnden Akteure. Diese mögen einerseits daraus resultieren, dass die richtige Deutung früher Krisensignale, zumal in einem komplexen und dynamischen Marktgeschehen, erhebliche Fachkenntnisse voraussetzt.60 Systematisch befördert werden sie aber vor allem – wie bereits angedeutet – durch kognitive Verzerrungen (sog. Biases) auf Seiten der Verantwortlichen. Bedeutsam dürften hier insbesondere Fehlwahrnehmungen sein, die aus der sog. Verfügbarkeitsheuristik (Availability Heuristic)61, aus dem sog. Überoptimismus-Phänomen (Overconfidence Bias)62 oder aus dem sog. Bestätigungsirrtum (Confirmation Bias)63 resultieren. Adriaanse/van der Rest/Verdoes, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Research Handbook on Crisis Management, S. 236, 238 ff. 58 Besonders hervorzuheben sind hier die Arbeiten von Minsky und Kindleberger zur Entwicklung sog. Spekulationsblasen in Finanzsystemen. Sie haben gezeigt, dass sich Blasen grundsätzlich in einem mehrphasigen Entwicklungsverlauf aufbauen, bevor sie schließlich kollabieren. Die einzelnen Phasen dieser Entwicklung weisen typischerweise wiederkehrende, in ihrer Grundstruktur ähnliche Merkmale auf. S. grundlegend zur Begründung der sog. Instabilitätshypothese und zur Herleitung eines Fünf-Phasen-Modells zur allgemeinen Beschreibung von sog. Boom-&-Bust-Zyklen Minsky, The Financial Instabilitiy Hypothesis; Kindleberger, Manias, Panics, and Crashes. Zusammenfassend dazu und zu begleitenden Studien Kaufhold, Systemaufsicht, S. 54 ff.; ferner Crotty, in: Wolfson/Epstein (Hrsg.), The Handbook of the Political Economy of Financial Crises, S. 133. Derartige Spekulationsblasen bergen auch heute noch das größte Stabilitätsrisiko für systemrelevante Finanzinstitute, vgl. Borio, in: Kent/Lawson (Hrsg.), Structure and Resilience, S. 8, 21; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 39. S. auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1279 f. (2014). 59 Vgl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1279 f. (2014); Nolan/Sakellaris/Tsoukalas, Optimal Bailout of Systemic Banks, S. 35. S. auch United States Government Accountability Office, Bank Regulation – Modified Prompt Corrective Action, S. 25 (Verf. kommen zu dem Ergebnis, mit adäquaten Indikatorsystemen sei sogar eine Krisenfrüherkennung mit bis zu 1–2 Jahren Vorlaufzeit möglich) sowie Adriaanse/van der Rest/ Verdoes, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Research Handbook on Crisis Management, S. 236, 246 ff. Gestützt wird dieser Eindruck durch den Befund, dass eine Vielzahl der Großereignisse der letzten Jahrzehnte zumindest von einzelnen Akteuren frühzeitig vorausgesehen und mit entsprechenden Warnungen belegt wurde. S. mit Blick auf die letzte Krise Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT, S. G18; Teichmann, in: Allmendinger/ Dorn/Lang et al. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 41, 72 sowie Bernau, Die Welt hört nie auf die Untergangspropheten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.11.2008. Zur sog. Dotcom-Blase s. Seith, Spiegel-Gespräch: „Das könnte böse enden“, Der Spiegel, 2.12.2013. 60 Auch insoweit haben die aufsichtlichen Vorgaben zur fachlichen Qualifikation der Geschäftsleitung und der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen (§§ 25c Abs. 1, 25d Abs. 1 KWG) ihre Berechtigung. 61 Der Begriff bezeichnet – grob vereinfacht – die Beobachtung, dass die subjektive Wahrscheinlichkeitseinschätzung hinsichtlich des Eintritts bestimmter Ereignisse maß-
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
IV. Anreizdefizite und Regulatory-Capture-Gefahr Speziell in der Planungsphase werden diese kognitiven Verzerrungen dann zum Problem, wenn sie mit weiteren Anreizproblemen auf Seiten der Verfahrensbeteiligten zusammentreffen. Besonders gefährdet sind insoweit wiederum die Institute selbst. Denn gerade sie werden ihre Krisenvorsorge vor allem im Zusammenhang mit den einhergehenden Kostenbelastungen bewerten. Sowohl der interne Renditedruck als auch die Sorge um etwaige Wettbewerbsnachteile schaffen Anreize, den Planungsaufwand zu begrenzen, allzu restriktive Vorbereitungsmaßnahmen zu verhindern und eher auf eine „Minimalplanung“ hinzuwirken.64 Vergleichbare Anreizdefizite sind jedoch auch auf Seiten der zuständigen Aufsichtsbehörden nicht von der Hand zu weisen. Denn erstens schafft die im Aufsichtsprozess vorhandene Nähe zwischen Behörden und Instituten auch im Rahmen der Sanierungsplanung Raum für direkte oder indirekte Einflussnahmen auf die Aufsichtstätigkeit der Behörden (sog. Regulatory Capture65). Zudem legen vergleichende Blicke auf andere Wirtschaftsbereiche nahe, dass die Sanierungspläne Gefahr laufen, von den Behörden unter einer Art instrumentellem Machbarkeitsdogma betrachtet zu werden. Gemeint ist die Beobachtung, dass der in Finanzwirtschaft und Politik verbreitete Konsens, es bestehe ein hohes Interesse an einem Bankensektor, der das kreditfinanzierte Wachstum der eigenen Volksgeblich davon beeinflusst wird, wie präsent diese im Erfahrungshorizont der beurteilenden Person sind. Präsente Ereignisse werden in ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit überschätzt, weniger präsente dagegen häufig unterschätzt. S. näher dazu Beck, Behavioral Economics, S. 38 ff.; im Finanzmarktkontext auch Haldane, Why banks failed the stress tests, S. 4 f. (Verf. spricht von sog. „disaster myopia“). 62 Der Begriff bezeichnet die menschliche Neigung, die eigenen Fähigkeiten gerade in Unsicherheitssituationen systematisch zu überschätzen. S. näher dazu Beck, Behavioral Economics, S. 58 ff.; im Kontext von Sanierung und Krisenmanagement – zumindest im Ansatz – auch Goodhart/Segoviano, 25 J. Fin. Reg. 360, 360 f. (2017); Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 8.04; FDIC, 5(2) FDIC Quarterly 31, 43 (2011) („It is the FDIC’s experience that management of a troubled institution often has an overly optimistic view of the value of its franchise and the firm’s prospect for recovery.“). 63 Der Begriff bezeichnet das das Phänomen, dass Individuen empirische Daten und Argumente regelmäßig ausgehend von ihren zuvor gefassten Meinungen und Positionen suchen und bewerten. S. näher dazu abermals Beck, Behavioral Economics, S. 47 ff. 64 Ähnl., wenngleich zum Teil mit Blick auf die Abwicklungsplanung, auch Admati/ Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 77 (Fn. 65); Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1312 (2014); Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 72 f. (2013); Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2010/2011, Rn. 292; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.07; Verdoes/Adriaanse/Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 25, 26, 40. S. ferner Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 222, 228; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.03; 1.26; Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 8. 65 Dazu Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 91 f.; ausf. auch Poulain, in: Douady/Goulet/Pradier (Hrsg.), Financial Regulation in the EU, S. 107.
A. Tatsächliche Herausforderungen der präventiven Krisenvorsorge
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wirtschaft vorantreibt und international wettbewerbsfähig ist, einen sozialen Kommunikationsrahmen erzeugt. Durch diesen Kommunikationsrahmen droht auch die Sanierungsplanung beeinflusst zu werden. Er kann einen hohen, wenn auch nur impliziten Anreiz erzeugen, den Instituten ihre Sanierungsfähigkeit zu bescheinigen und dadurch das allgemeine Vertrauen in die Stabilität des Bankensystems zu bestärken, gleichzeitig aber von allzu restriktiven Eingriffen in die Institute abzusehen, gerade weil letztere die politisch unerwünschten Folgewirkungen zeitigen könnten.66 Auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen im Vorfeld der letzten Finanzkrise67 erscheint es aus dieser Perspektive eher zweifelhaft, inwieweit staatlicherseits der politische Wille gegeben ist, eine effektive Sanierungsplanung auch dann voran zu treiben, wenn sie nur mit massiven Einschnitten insbesondere bei systemrelevanten Instituten zu haben ist.68
V. Zusammenfassung Die Sanierungsplanung unterliegt in tatsächlicher Hinsicht einem Komplexitätsproblem, das bei struktureller Betrachtung vor allem drei Dimensionen aufweist: Erstens sieht sich die Sanierungsplanung mit dem Problem der Dezentralität der planungsrelevanten Informationen konfrontiert. Eine zielorientierte Sanierungsplanung ist nicht nur von unternehmensinternen, sondern in erheblichem Maße auch von marktbezogenen Informationen abhängig. Hinsichtlich dieser marktbezogenen Informationen verfügen die Institute über ein strukturelles Informationsdefizit, welches allein die zuständigen Aufsichtsbehörden durch Gebrauch ihrer Auskunftsrechte und Informationsmittel kompensieren können. Zweitens ist der Sanierungsplanungsprozess, soll er auch in systemischen Krisen eine Verwirklichung der in § 13 Abs. 4 SAG genannten Ziele gewährleisten, auf umfassende, institutsübergreifende Koordinationsmaßnahmen angewiesen. Dies gilt sowohl für die Phase der Ausarbeitung als auch für die Phase der Umsetzung der Sanierungspläne. Drittens wird eine effiziente Sanierungsplanung durch die strukturellen Grenzen der prognostischen Risikoanalyse herausgefordert. Zwar herrscht heute weitgehender Konsens hinsichtlich der grundlegenden Eigenschaf66 Vgl. mit solchen Beobachtungen bei der Erstellung von Krisenreaktionsplänen z. B. in der Erdölindustrie Clarke, Mission Improbable, S. 104 ff., 109, 133 f. Speziell zum Druck, durch positive Aufsichtsentscheidungen das öffentliche Vertrauen in die Finanzstabilität zu stärken, s. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1297, 1315 f. (2014) (dort auch mit Blick auf die US-Abwicklungsplanung). 67 S. dazu statt vieler Hellwig, Gutachten E zum 68. DJT, S. E41 f. 68 Ebenfalls zweifelnd Admati/Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 77 (Fn. 65); Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 405; Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1312 ff. (2014); Hu, 25 I.C.C.L.R. 328, 335 (2015); Madaus, in: Haentjens/ Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 61; Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 78 (2013); Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.07. Ähnl. schon früh aus rechtspolitischer Perspektive Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 615; ebenso auch Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 231.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
ten, Merkmale und Entwicklungsdynamiken finanzmarktbezogener Risiken. Auf objektive Grenzen stößt aber die Bezifferung des konkreten Schadenspotentials und der Sanierungskapazität der Pläne sowie die rechtzeitige Diagnose unvermittelt auftretender Krisen. Zudem droht die Sanierungsplanung in subjektiver Hinsicht durch verschiedene kognitive Verzerrungen und Anreizdeifizite beeinträchtigt zu werden. Eine Ordnungsbildung innerhalb des Sanierungsplanungsrechts muss alle drei Herausforderungsdimensionen im Blick haben. Innerhalb des gesetzlich vorgezeichneten Rahmens sind Lösungsansätze und Strategien zu identifizieren, die die genannten Probleme adressieren und soweit wie möglich bewältigen.69 Aufgeworfen ist damit die Frage: Wie kann das Sanierungsplanungsrecht sinnvoll konzeptualisiert und gehandhabt werden, um einerseits die beschriebenen tatsächlichen Herausforderungen einer planerischen Krisenvorsorge zu berücksichtigen und andererseits – gerade im Lichte dieser Problemlagen – dem gesetzgeberischen Regelungsziel möglichst nahe zu kommen, namentlich eine planungsbasierte Insolvenzverhinderung der Institute auch in schwerwiegenden Systemkrisen zu ermöglichen?
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts Das Sanierungsplanungsrecht ist auf struktureller Ebene durch verschiedene Merkmale und Strategien gekennzeichnet, die als Antwort auf die soeben dargestellten tatsächlichen Herausforderungen einer abstrakt-planerischen Krisenvorsorge verstanden werden können. Ausgehend von ihrem Ansatzpunkt lassen sie sich zwei Regelungsfeldern zuordnen: Ein Teil der Strukturmerkmale betrifft vor allem das Verfahren der Planerstellung sowie der späteren Planumsetzung. Sie werden hier als verfahrensbezogene Strukturmerkmale bezeichnet (dazu sogleich). Daneben lassen sich jedoch auch Strukturmerkmale identifizieren, die stärker die punktuell-situativen Einzelentscheidungen der beteiligten Akteure innerhalb dieses Verfahrens betreffen. Sie werden hier als entscheidungsbezogene Strukturmerkmale bezeichnet (dazu unten C.). Die verfahrensbezogenen Strukturmerkmale des vorliegenden Rechtsrahmens lassen sich in ihrem Gehalt vor allem dann angemessen erfassen, wenn sie vor dem Hintergrund der allgemeineren Steuerungsdiskussion betrachtet werden, die in den letzten Jahrzehnten in Reaktion auf unsere zunehmend risiko- und kom69 Der vorliegende Ansatz steht damit in tendenzieller Abgrenzung zu Literaturstimmen, die in der Diskussion um insolvenzbezogene Planinstrumente schon früh deren (auch tatsächliche) Grenzen betonten, ausgehend davon aber sogleich für ihre Einschränkung oder gar gänzliche Abschaffung eintraten. Vgl. in diese Richtung Binder, ZBB 2015, 153, 159, 164; weitergehend noch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1279 f. (2014) und Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 90 ff. (2013).
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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plexitätsgeprägte Gesellschaft geführt wurde. Besonders einflussreich war diese Diskussion zunächst für den gesamten Bereich des sog. Risikoverwaltungsrechts. Wie nachfolgend zu sehen sein wird, ergeben sich daraus jedoch auch gewinnbringende Orientierungspunkte für eine analytische Auseinandersetzung mit dem Sanierungsplanungsrecht (dazu I.). Ausgehend von dieser Betrachtung wird deutlich, dass sich das Sanierungsplanungsrecht durch eine spezifische Prozess(dazu II.), Diskurs- (dazu III.) sowie Wissens- und Lernorientierung (dazu IV.) auszeichnet.
I. Hintergrund: Rechtliche Verhaltenssteuerung in der risiko- und komplexitätsgeprägten Gesellschaft 1. Gesellschaftlicher Wandel und Grenzen hoheitlich-imperativer Verhaltenssteuerung „In der fortgeschrittenen Gesellschaft geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum systematisch einher mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken.“ 70 Mit dieser Formulierung brachte U. Beck in seiner „Risikogesellschaft“ 1986 eine Erkenntnis auf den Punkt, die spätestens seit Anfang der 1980er-Jahre Gegenstand sozialwissenschaftlicher Beobachtung ist: In der spätmodernen Gesellschaft ist die fortgesetzte Produktivkraftentwicklung nicht mehr allein Grundlage gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt, sondern sie birgt in zunehmendem Maße auch negative Nebenfolgen. Die Hintergründe, Charakteristika und Schädigungspotentiale dieser Nebenfolgen für Menschen und Umwelt sind dabei nur noch bedingt abschätzbar. Vielmehr schafft die zunehmende Entwicklungsdynamik und Komplexität unserer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft, deren prägendes Merkmal häufig lange und nichtlinear verlaufende Kausalketten sind, kaum überwindbare Wissens- und Prognoseprobleme.71 Angestoßen durch diesen realweltlichen Wandel bzw. – genauer – den in Wissenschaft und Öffentlichkeit vollzogenen Bewusstseinswandel,72 wurde der Ruf nach angemessenen staatlichen Antworten lauter. Die gestiegene staatliche Verantwortungslast bei der Bewältigung moderner Gefahren und Risiken73 entfachte in den Rechtswissenschaften, anfangs vor allem im Umweltrecht, später im gesamtem Bereich des sich neu formierenden sog. Risikoverwaltungsrechts,74 eine 70
Beck, Risikogesellschaft, 23. Aufl. 2016, S. 25 (Hervorhebungen im Original). A. a. O., S. 35 ff. 72 Vgl. Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 12, 56 ff. Zur Funktion des Risikobegriffs gerade als Grundlage dieses Bewusstseinswandels s. neben Wahl, a. a. O., S. 72 f. u. a. auch Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 29; Bora, in: a. a. O., S. 9, 9. 73 Vgl. nur Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, S. 42 ff. 74 Zum Begriff des Risikoverwaltungsrechts mit seinen Teilgebieten u. a. des Umwelt- und Technikrechts s. Köck, Risikoverwaltung und Risikoverwaltungsrecht, S. 10 ff. 71
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
zunehmend intensive Steuerungs- und Instrumentendiskussion, die in weiten Teilen bis heute andauert.75 Im Kern fragt sie nach den Möglichkeiten und Grenzen des Rechts zur regulierenden Einflussnahme auf ein Wirtschaftssystem, das durch die soeben umrissenen Entwicklungstendenzen gekennzeichnet ist. Gesucht wird vor allem nach einer Antwort auf das strukturelle Spannungsverhältnis zwischen Recht und Risiko: Risikoentscheidungen sind ihrer Natur nach zukunftsbezogene Entscheidungen. Sie entziehen sich in einem dynamischen Umfeld einer abschließenden erfahrungsbasierten Ergebnisprognose.76 Recht demgegenüber übersetzt geronnene Konflikterfahrungen in dauerhaft gültige Verhaltensregeln. Es ist insofern ein strukturell vergangenheitsbasiertes Steuerungsinstrument. Beide Phänomene weisen also eine unterschiedliche Temporalstruktur auf.77 Wie kann Recht auf dieses Spannungsverhältnis reagieren? Kann es einen angemessenen Rahmen zur Einhegung gesellschaftlicher Risiken bieten, ohne gleichzeitig die technisch-ökonomische Entwicklung einer Gesellschaft übermäßig zu bremsen und wohlfahrtsfördernde Innovationen zu hemmen? Deutlich treten insoweit jedenfalls die Grenzen einer hoheitlich-imperativen Regulierung hervor, in der der Staat den gesellschaftlichen Akteuren im Über-/ Unterordnungsverhältnis gegenübertritt und einseitig deren Rechte und Pflichten formuliert.78 Zwar ermöglicht diese Steuerungsform, wenn sie auf Konditionalprogramme mit klassischer Wenn-Dann-Struktur aufbaut, eine klare Zuordnung sozialer Lebenssachverhalte entlang der Kategorien „Recht/Unrecht“ 79 und eignet sich insoweit für Aufgabenbereiche mit vergleichsweise statischen Problemlagen.80 Auf Grenzen stößt sie jedoch in Sachbereichen, die aufgrund dynamischer technisch-sozialer Umweltbedingungen nach Anpassungsflexibilität verlan75 Zur gesamten Diskussion s. die Beiträge in mehreren Sammelbänden, z. B. in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben; Teubner (Hrsg.), Dilemmas of Law in the Welfare State; Voigt (Hrsg.), Abschied vom Recht?. Stellv. für die anhaltende Diskussion heute s. Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts. Die bis heute geführten Instrumentendiskussionen im Bereich der Finanzmarktregulierung können bei struktureller Betrachtung ebenfalls dort zugeordnet werden. Ausf. zu der hier nur knapp umrissenen Entwicklung Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 55 ff. und 70 ff., dort auch m.w. N. 76 S. dazu im hiesigen finanzmarktbezogenen Zusammenhang schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 77 Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 29. 78 S. zsf. zu den Grenzen hoheitlich-imperativer Verhaltenssteuerung Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 46–48; Eifert, a. a. O., § 19 Rn. 26; ferner auch Grimm, Zukunft der Verfassung, S. 172. 79 Systemtheoretisch ist vom sog. Code die Rede, vgl. Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 165 ff. 80 Vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 241 (Eignung für „Massenphänomene“); Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 25. S. ferner auch schon Baldwin/ Cave/Lodge, Understanding Regulation, 2. Aufl. 2011, S. 107; OECD, Recommendation on Improving the Quality of Government Regulation, OECD/LEGAL/0278, Rn. 20.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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gen. Der Gesetzgeber hat insoweit in den letzten Jahrzehnten in vielen Bereichen den Versuch unternommen, die Sachbereichskomplexität durch immer ausgeklügeltere, stets aktuell gehaltene Tatbestandsstrukturen abzubilden.81 Ein solches Vorgehen verlangt jedoch nach umfassendem Regulierungswissen, über das staatliche Akteure häufig nur bedingt verfügen. Dies gilt namentlich dann, wenn sich Regulierung nicht nur auf allgemeine Rahmenanforderungen beschränken, sondern im Interesse höherer Steuerungseffizienz auch die Spezifika der jeweils Regulierten berücksichtigen will. Begrenztes Risikowissen trifft hier auf begrenztes Differenzierungswissen. Verschiedene Versuche werden unternommen, um einzelne Mängel dieser hoheitlich-imperativen Regulierungsstrategie auszugleichen, etwa indem die Eingriffsbefugnisse der Verwaltung durch umfassende Informationspflichten der Privaten ergänzt werden.82 Insgesamt aber wird heute kaum noch bestritten, dass die geänderten Umweltbedingungen des Rechts nach grundlegenderen rechtlichen Innovationen verlangen. In Frage steht kaum noch das „ob“, sondern vornehmlich das „wie“ des rechtlichen Anpassungsbedarfes.83 Eingebettet in diesen Diskurshintergrund hat sich in der Literatur ein Dickicht verschiedener Regulierungsansätze entwickelt, die unter verschiedensten Leitbegriffen kursieren, inhaltlich teilweise miteinander konkurrieren, häufig aber auch Parallelen aufweisen.84 Paradigmatisch stehen insoweit zwei Ansätze, die für die gesamte Diskussion bis heute prägend sind,85 hier jedoch vor allem deshalb skizziert werden sollen, weil sie als Folie zur näheren Einordnung der Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts taugen. Es sind dies das Konzept der sog. Prozeduralisierung des Rechts (2.) und das Konzept der sog. hoheitlich regulierten Selbstregulierung (3.). 2. Prozeduralisierung des Rechts a) Begriff und Konzept Die Prozeduralisierungsthese antwortet auf die oben aufgeworfene Frage nach einer angemessenen rechtlichen Reaktion auf die „Risikoproblematik“ mit einer Absage an den traditionell dominierenden, vergangenheitsbasierten Regulierungstypus. Theoretisch fundiert vor allem durch Bezüge zur Diskurs- und System-
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Krit. insoweit u. a. Calliess, Prozedurales Recht, S. 268. S. zu diesen Modernisierungsansätzen, die auf die hoheitlich-imperative Regulierung aufbauen, nochmals Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 32–46. 83 Vgl. Bora, in: ders. (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 9, 13. 84 Zur Begriffs- und Konzeptvielfalt Calliess, Prozedurales Recht, S. 14. Einen breiteren Überblick bietet z. B. Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, S. 129 ff. 85 Vgl. nur Bora, in: ders. (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 9, 12 ff. (wenn auch mit leicht abweichender Terminologie). 82
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
theorie86 will sie die „Pathogenese des modernen Rechts“ 87 dadurch überwinden, dass sich das Recht grundlegend an die gewandelten Sozialbedingungen anpasst. Eine Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Recht und Risiko sei dadurch herzustellen, dass die Zeitstruktur des Rechts mit jener harmonisiert wird, die dem Risiko als prägendem Strukturmerkmal der heutigen Gesellschaft inhärent ist.88 Verschiedene konzeptprägende Stichworte konturieren diesen Gedankenansatz: So zielt die Prozeduralisierungsthese auf eine umfassende Temporalisierung, Flexibilisierung und Reversibilitätswahrung auf allen Ebenen der Rechtsetzung. Wenn und soweit begrenztes Wissen und gesteigerte Entwicklungsdynamik die Formulierung endgültiger Antworten auf gesellschaftliche Problemlagen verhindern, solle der Staat den Anspruch dauerhafter rechtsförmiger Konfliktlösungen aufgeben. Anstatt auf eine abschließende Beurteilung kritischer Entscheidungsprobleme zu einem gegebenen Zeitpunkt ausgerichtet zu sein, müsse sich das Recht zeitlich und sozial öffnen. Letztlich geht es also um die rechtliche Implementierung der Einsicht, dass Staatshandeln unter Bedingungen weitreichender Unsicherheit kontinuierlich auf ein „vortastendes Agieren“ ausgerichtet sein muss. Anstelle einer ausufernden Materialisierung wie sie typisch für eine statische, final-imperative Regulierungsstrategie ist, müsse sich das Recht zurückziehen und auf verfahrensbezogene Aspekte konzentrieren. Im Zentrum rechtlicher Regulierung solle die Institutionalisierung von Diskussions- und Lernprozessen stehen.89 Gefordert wird damit nicht weniger als eine „Selbstbeschränkung des Rechts“, die unter Berücksichtigung der umfassenden Materialisierungstendenz der letzten Jahrzehnte einem Paradigmenwechsel gleichkommt.90 Diese Selbstbeschränkung kommt darin zum Ausdruck, dass das Recht den rationalen Eigenwert kontrollierter Entscheidungsprozesse durch sachnähere Akteure anerkennt und sich gerade deshalb auf die Festlegung allein von Prozessbedingungen (Re86 Vgl. aus systemtheoretischer Perspektive u. a. Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 81 ff.; Willke, Ironie des Staates, S. 335 ff.; Teubner/Willke, ZfRSoz 6 (1984), 4. Aus diskurstheoretischer Perspektive demgegenüber wegweisend Habermas, Faktizität und Geltung, S. 516 ff.; s. ferner Eder, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben, S. 155; Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie; Wiethölter, in: Joerges/ Trubek (Hrsg.), Critical Legal Thought, S. 501. Für eine instruktive Zusammenfassung der diskurstheoretischen Diskussion im hiesigen Zusammenhang s. Calliess, Prozedurales Recht, S. 106 ff., der a. a. O. selbst system- und diskurstheoretische Ansätze miteinander verbindet. 87 Eder, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben, S. 155, 156. 88 Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 30. 89 Entsprechend ist teilweise auch vom Typus des „lernenden Rechts“ die Rede, vgl. Bora, in: ders. (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 9, 13. 90 S. zur auch international kaum vergleichbaren Verrechtlichungspraxis von gesellschaftlich-politischen Problemlagen in der Nachkriegs-BRD Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 40 ff. Zur Einordnung der Prozeduralisierungsthese in diesem Zusammenhang Calliess, Prozedurales Recht, S. 12 f.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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flexivität 91) beschränkt.92 Die Ausrichtung des Rechts auf eine fortgesetzte Moderierung von Problemlagen soll dazu führen, eine einmal getroffene Entscheidung später auf der Grundlage neuer Erkenntnisse oder Beurteilungsmaßstäbe neu bewerten und gegebenenfalls korrigieren zu können. Im Angesicht der Unsicherheit wird die rechtliche Kommunikation damit letztlich „auf Dauer gestellt“. Risikoentscheidungen in der Sache werden zum bloßen Nebenprodukt dieser Kommunikation.93 b) Regelungsgegenstände und normstrukturelle Entsprechungen Typische Gegenstände prozeduralen Rechts sind demgemäß Regeln zu Entscheidungsverfahren, etwa zu Prozessverantwortlichkeiten und Entscheidungsvoraussetzungen, sowie Vorgaben zur verfahrensförmigen Offenlegung, Strukturierung und Bewältigung von Interessenkonflikten. Ebenfalls zum klassischen Normenbestand prozeduraler Regulierung gehören Dokumentationspflichten, die neben einer erhöhten Transparenz der Entscheidungsprozesse primär der Wissensgenerierung dienen.94 Prozedurales Recht rückt damit in die Nähe zu Vorschriften, die sonst als „formelles Recht“ eingeordnet werden. Eine derartige Kategorisierung überschreitet das Konzept prozeduralen Rechts aber bereits aufgrund seiner materia91 Reflexivität wird hier verstanden als Selbstbezüglichkeit, also als Anwendung eines Prozesses auf sich selbst (hier also vor allem Normierung der Normierung), vgl. Calliess, Prozedurales Recht, S. 118, 267; ähnl. schon Luhmann, Soziale Systeme, S. 601, 610. Zum Konzept reflexiver Steuerung als systemtheoretischer Spielart der Prozeduralisierungsthese s. nochmals instruktiv Teubner/Willke, ZfRSoz 6 (1984), 4. 92 Calliess, ZfRSoz 21 (2000), 293, 293 f.; ders., Prozedurales Recht, S. 180. Systemtheoretisch gewendet fordert die Prozeduralisierungsthese eine Umstellung des Rechts auf eine „prozedurale strukturelle Kopplung“ an seine Umwelt, die den Import materialer Gehalte von der Einhaltung vorab definierter Prozessbedingungen abhängig macht, welche auf die maximale Verwirklichung kommunikativer Rationalität abzielen, vgl. ders., a. a. O., S. 193 ff., 271. Krit. dazu, weil eine Gefährdung der Autonomie des Rechts und den Verlust seiner gesellschaftlichen Funktion (Stabilisierung von Verhaltenserwartungen) befürchtend, etwa Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 32 f.; ausf. dies., Der Zeitkonflikt in der Risikogesellschaft; darauf replizierend Ladeur, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 41. Krit. auch schon Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 382. 93 Eder, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben, S. 155, 156 (Fn. 5), 158 (Fn. 14). S. für eine ausf. Zusammenschau der gesamten, weit verzweigten Diskussion zuletzt etwa Sheplyakova in: dies (Hrsg.), Prozeduralisierung des Rechts, S. 1; ferner Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 29 ff.; Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 50 ff., 88 ff., 97 ff. (dort zu den Aspekten der Nachsteuerung und Lernfähigkeit); Binder, ZGR 2007, 745, passim; ders., Regulierungsinstrumente und Regulierungsstrategien, S. 337 ff. sowie schließlich auch die weiteren Beiträge in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben; Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement. 94 Vgl. Calliess, Prozedurales Recht, S. 175 ff. sowie aus kapitalgesellschaftsrechtlicher Perspektive Binder, ZGR 2007, 745, 770 ff.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
len Ausrichtung. Denn die rechtliche Institutionalisierung eines Diskurses, der auf den Ausgleich der konfligierenden Interessen aller Beteiligten zielt, ist im Lichte der Prozeduralisierungsthese kein Selbstzweck, sondern soll eine erhöhte „Richtigkeitsgewähr“ der getroffenen Entscheidungen bewirken. Zugleich wird in dieser diskursiven Entscheidungsfindung auch die maßgebliche Grundlage für die Legitimität des gefundenen Entscheidungsergebnisses gesehen.95 Es ist gerade diese besondere Legitimitätsdimension, die prozedurales Recht von bloß formellem Recht bzw. Sekundärrecht (H. L. A. Hart) klassischer Prägung unterscheidet.96 Noch deutlicher wird die Abgrenzung zu bloß formellem Recht schließlich dann, wenn man neben der Verfahrensdimension auch die häufig hinzutretende Zieldimension prozeduraler Regulierung berücksichtigt. Als Konzept verwaltungsinterner Entscheidungsfindung zielt die Prozeduralisierungsthese darauf ab, ein vom Gesetzgeber mehr oder weniger konkret umrissenes Steuerungsziel innerhalb eines diskursorientierten Verfahrensrahmens zu konkretisieren – sei es abstrakt-generell durch Rechtsetzung auf der nachgelagerten Normebene oder situativ-individuell durch Entscheidungen im Einzelfall. Der von prozeduralem Recht institutionalisierte Diskurs ist also von vorn herein auf eine externe Zielbeschreibung hin orientiert, welche den Diskurs operationalisierbar macht.97 Normstrukturell betrachtet formuliert prozedurales Recht sog. Finaloder Zweckprogramme. Diese beschränken sich auf die Artikulation von Zielvorgaben, etwa in Form von Rechtsprinzipien, überlassen die verfahrensförmige Konkretisierung und Verwirklichung dieser Vorgaben aber den jeweiligen Normadressaten.98 Beispielhaft sei etwa auf die Vorgaben zur Festlegung von Geräuschimmissionsgrenzwerten in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG verwiesen. Die Vorschrift determiniert die Grenzwertfestsetzung allein durch die Formulierung eines konkretisierungsbedürftigen Regelungsziels, namentlich den Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche. Die Konkretisierung dieses Ziels obliegt jedoch der Bundesregierung, welche nach Anhörung von Wissenschaft, Wirtschaft und Betroffenen sowie nach Zustimmung des Bundesrates qua Rechtsverordnung geeignete Werte festzulegen hat.99
95 Wegweisend gerade zu dieser „Legitimationsdimension“ prozeduraler Rationalität vor allem Habermas, Faktizität und Geltung, S. 138 ff., 187 ff., 516 ff., passim S. auch schon Eder, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben S. 155, 157 ff. (prozedurales Recht als Verkörperung kommunikativer Rationalität) sowie zsf. Trute, in: GVwR I, § 6 Rn. 47; Calliess, Prozedurales Recht, S. 106 ff. 96 Vgl. Calliess, Prozedurales Recht, S. 176 f. sowie wiederum Eder, a. a. O., S. 155, 157. 97 Vgl. Binder, ZGR 2007, 745, 774 ff. 98 Zur Abgrenzung von Konditional- und Zweckprogrammen etwa Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 13–17, m.w. N. 99 Die Anhörung beteiligter Kreise gem. §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 51 BImSchG soll dabei wiederum u. a. dem Zweck diesen, eine möglichst optimale Informationsgrundlage zu schaffen, die Legitimität der Grenzwerte zu steigern und für Konsens sorgen,
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Ein strukturell vergleichbarer Regelungsmodus wurde auch im Kapitalgesellschaftsrecht mit der Normierung der sog. Business Judgment Rule verwirklicht. Auch hier wird die Zielrichtung des unternehmerischen Handelns in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG allgemein mit dem „Wohl der Gesellschaft“ umrissen. Die einzelfallbezogene Konkretisierung dieser Vorgabe obliegt jedoch dem Vorstand, während der Gesetzgeber selbst nur verfahrensförmige Vorgaben formuliert.100 Weiteres Anschauungsmaterial für eine Verwirklichung dieser Normstruktur bietet schließlich, wie später zu sehen sein wird, auch das Sanierungsplanungsrecht. 3. Regulierte Selbstregulierung In engem sachlichem Zusammenhang mit der Prozeduralisierungsthese steht das Konzept der sog. hoheitlich regulierten Selbstregulierung. Der Bezeichnung markiert ebenfalls keine in sich geschlossene Steuerungsstrategie, sondern fungiert als „Schlüsselbegriff“ 101 für eine im Detail vielschichtige, empirisch-normative Diskussion um verschiedene Regulierungskonzepte und -ideen. In ihrem Zentrum steht der Gedanke, rechtliche Steuerung auf eine stärkere Kooperation zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren auszurichten. a) Begriff und Konzept Bereits sprachlich zielt der Begriff der „regulierten Selbstregulierung“ auf die Verbindung zweier Steuerungsmodi ab, die sich auf den ersten Blick antagonistisch gegenüberstehen.102 So bezeichnet der Begriff der „Selbstregulierung“ für gewöhnlich Maßnahmen nicht-staatlicher Akteure, die diese zur Sicherung ihrer eigenen Verhaltensmaßstäbe treffen.103 Selbstregulierung ist durch das Fehlen einer übergreifenden Ordnungsidee gekennzeichnet. Kollektive Ordnung stellt sich hier nur als Folge des individuellen Freiheitsgebrauchs vieler ein, indem sich Individuen oder Gruppen, angeleitet durch ihre jeweiligen Eigeninteressen, selbst s. stellv. Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 94. EL (Stand: 1.12.2020), § 51 BImSchG Rn. 2 f. 100 S. auch zu diesem Beispiel Binder, ZGR 2007, 745, 751 ff. 101 Voßkuhle, in: Berg/Fisch/Schmitt-Glaeser (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung, S. 197, 197. Zum Teil ist auch von „Ko-Regulierung“ (vgl. Zulauf, in: Jung/Schwarze (Hrsg.), Finanzmarktregulierung, S. 83, 89), „hybrider Regulierung“ (vgl. Augsberg, DV 49 (2016), 369, 375 ff., 379 f., s. dazu im hiesigen Zusammenhang auch noch unten, Abschnitt § 5 B. IV. 2.), oder im anglo-amerikanischen Raum von sog. „meta-regulation“ die Rede (vgl. Coglianese/Mendelson, in: Baldwin/Cave/Lodge (Hrsg.), Oxford Handbook of Regulation, S. 146, 150). Wieder andere behandeln die regulierte Selbstregulierung und ähnl. Konzepte kooperativer Regulierung unter dem Oberbegriff „New Governance Theory“ (vgl. Minto, ECFR 2018, 772, 786 ff.). 102 Vgl. mit ähnl. Zugang Schmidt-Aßmann, in: Berg/Fisch/Schmitt-Glaeser (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung, S. 253, 254 f. 103 Hoeren, Selbstregulierung im Banken- und Versicherungsrecht, S. 6. Ausf. zum Begriff auch Buck-Heeb/Diekmann, Selbstregulierung im Privatrecht, S. 8 ff.
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Regeln geben.104 „Regulierung“ hingegen – ohne die Reflexivität kennzeichnende Voranstellung – bezeichnet eine Form der steuernden Einflussnahme, die sich nicht intern entfaltet, sondern von außen, zumeist staatsseitig, auf gesellschaftliche Akteure einwirkt. Paradigmatisch wird hier häufig der bereits eingangs skizzierte Modus hoheitlich-imperativer Steuerung angeführt.105 Bereits diese kursorische Begriffsauslegung legt die zentrale Leitidee offen, die die Sammelbezeichnung „regulierte Selbstregulierung“ ins Zentrum stellt. Sie liegt in der gezielten Verbindung verschiedener Handlungsrationalitäten.106 Die Verwirklichung von Gemeinwohlzwecken soll nicht mehr allein von den als defizitär empfundenen Leistungen und Kapazitäten bestimmt werden, die die staatliche Verwaltung bereitstellen kann. Stattdessen sollen auch die spezifischen Leistungen des Wirtschaftssystems gezielt für die Erreichung bestimmter Gemeinwohlziele fruchtbar gemacht werden. Dazu werden private Handlungslogiken, die sich unter ständigen Knappheits- und Wettbewerbsbedingungen ausgebildet haben und sonst Grundlage für den unternehmerischen Erfolg sind, durch rechtliche Zielvorgaben überformt und auf die Erreichung öffentlicher Zwecke ausgerichtet. Letztlich geht es also um die Einsicht, dass rechtliche Steuerung die funktionale Ausdifferenzierung der modernen Gesellschaft nicht länger ignorieren kann. Vielmehr muss sie die Rationalitäten aller Sozialsysteme, allen voran die des Wirtschaftsystems, akzeptieren und so gut wie möglich einbinden.107 Normativ fundiert werden diese Bestrebungen durch das Kooperationsprinzip und das Prinzip der Verantwortungsstufung bzw. -teilung. Ersteres formuliert die These, dass die Verwirklichung von öffentlichen Zielen nicht allein Aufgabe des Staates ist und von diesem gegen die Interessen Privater durchgesetzt werden muss. Stattdessen wird die Gemeinwohlverwirklichung als gemeinsame Aufgabe staatlicher und gesellschaftlicher Akteure begriffen, ein funktionales Zusammenwirken und ein Wandel vom „normierenden und anordnenden zum paktierenden und aushandelnden Staat“ 108 gefordert.109 Das Prinzip der Verantwortungsteilung widmet sich dabei den unterschiedlichen Rollen, die dem Staat und den Privaten im Rahmen dieser Zusammenarbeit zukommen können. Vor allem die staatliche Rolle wird verschiedenen Verantwortungsstufen zugeordnet. Sie reichen von einer umfassenden Wahrnehmungs- bzw. Erfüllungsverantwortung bis hin zu einer 104 Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 145; s. auch Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160, 163; ausf. zum Konzept auch Bachmann, Private Ordnung, S. 27 ff., 48 ff. 105 Vgl. Eifert, a. a. O., § 19 Rn. 23 f. 106 Grundlegend Hoffmann-Riem, in: Schulte (Hrsg.), Technische Innovation und Recht, S. 3, 13 ff., 18 ff. 107 Vgl. Grimm, in: Berg/Fisch/Schmitt-Glaeser et al. (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung, S. 9, 15 f.; Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung, S. 13, 16 f. 108 Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 5 Rn. 1569. 109 S. umf. zum Leitbild des kooperativen Staates Ritter, AöR 104 (1979), 389; ferner Kloepfer/Elsner, DVBl 1996, 964, 965 m.w. N.; Röhl, Rechtssoziologie, S. 603 f.
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unterschiedlich stark ausgeprägten Gewährleistungsverantwortung (etwa in Form einer Auffang- oder Rahmenverantwortung).110 Um diese Zuständigkeitszuweisung herum werden dann bisweilen auch wieder staatsbezogene Leitbilder formuliert und es ist etwa vom Leitbild des „Gewährleistungsstaates“ die Rede.111 Auch auf diese Verantwortungsstufungen wird im Kontext der Sanierungsplanung noch einmal zurückzukommen sein.112 b) Umsetzungsformen und Anwendungsbereiche Die Anwendungsbereiche regulierter Selbstregulierung sind vielfältig, konzentrieren sich aber vor allem auf Fragen der Normsetzung und des Normvollzugs.113 Die Verlagerung von Regelungsverantwortlichkeiten auf gesellschaftliche Akteure ist heute eine in zahlreichen Regulierungsbereichen anerkannte Praxis. Beispielhaft sei etwa auf den Bereich der technischen Normierung verwiesen.114 Einprägsames Anschauungsmaterial im Gesellschaftsrecht bietet ferner § 161 Abs. 1 AktG, der den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), im Grunde ein zivilgesellschaftliches Regelwerk, dadurch rechtlich einhegt, dass er die im Kodex niedergelegten Grundsätze mit einem sog. Complyor-Explain-Mechanismus versieht. Bereits die genannten Beispiele führen vor Augen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Zusammenwirkens zwischen staatlicher und privater Regelsetzung auf eine Vielzahl verschiedener Optionen zurückgreifen kann. Typologisch betrachtet reichen sie von einer Rezeption privater Regelwerke zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe (technische Normen)115 über die Aufwertung privater Regelwerke als Soll-Vorschriften (DCKG) bis hin zur Ausstattung privater Selbstregulierung mit unmittelbarer Rechtsverbindlichkeit nach außen. Ebenfalls in die Nähe einer regulierten Selbstregulierung rückt schließlich die umfassende Beteiligung gesellschaftlicher Akteure auf der Ebene der Gestaltung staatlicher Rechtsnormen. Sie gehört heute zum Standardrepertoire sowohl auf nationaler und europäischer 110 S. knapp Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 52; ausf. dagegen Trute, in: Schuppert (Hrsg.), Jenseits von Privatisierung, S. 13; ders., DVBl 1996, 950; Voßkuhle, in: Schuppert (Hrsg.), a. a. O., S. 47; grundlegend schon Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ ders./Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11, 43 f. 111 Stellv. Franzius, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 248, 270 ff., der im Übrigen etwas anders nuanciert und in der regulierten Selbstregulierung statt des Kooperations- ein „Koordinationsprinzip“ verwirklicht sieht. 112 S. u., Abschnitt § 5 B. IV. 2. 113 S. zsf. zu den hier vorgestellten – und weiteren – Anwendungsbereichen und Regelungstechniken (inkl. weiterer Beispiele) nochmals Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 61 ff. 114 Vgl. Franzius, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 248, 252 f. 115 Zur Rolle betriebswirtschaftlicher Standards zur Ausfüllung gesellschaftsrechtlicher Pflichten Binder, ZGR 2007, 745, 779 f.
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Ebene und ist gerade auch in der abgestuften Finanzmarktregulierung durch die umfangreichen EBA-Konsultationen zu Tertiärrechtsakten allgegenwärtig. Zwar sind die verabschiedeten Rechtsnormen hier formell staatlicher Natur.116 Materiell aber dürfte der privatwirtschaftliche Input eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben. Insgesamt liegt in diesem gesamten Bereich der Normsetzung qua regulierter Selbstregulierung die wohl engste Verbindung zur Prozeduralisierungsthese. Eine vergleichbare Formenvielfalt regulierter Selbstregulierung findet sich aber auch bei der Einbindung Privater in den Normvollzug wieder.117 Grundsätzlich kann hier zwischen der Einrichtung einer privaten Fremdkontrolle und einer privaten Eigenkontrolle unterschieden werden. Die Fremdkontrolle kann entweder vollständig oder nur partiell auf Private übertragen werden. Im ersteren Fall zieht sich die staatliche Kontrollverantwortung primär auf eine Kontrolle der kontrollierenden Privaten zurück. Anschauungsmaterial dafür bietet etwa die gezielte Einbindung (privater) Abschlussprüfer in die Kontrolle des bankinternen Risikomanagements, einschließlich der Sanierungsplanung.118 In letzterem Fall werden Private dagegen nur in die interne Entscheidungsvorbereitung der Verwaltung eingebunden, die im Außenverhältnis zum Regulierten weiterhin die Erfüllungsverantwortung innehat. Die Indienstnahme privater Organisationen zur selbstbezogenen Eigenkontrolle der Unternehmensführung erfolgt typischerweise durch die Implantierung unternehmensinterner Kontrollstellen. Beispielhaft sei hier auf die in verschiedenen Regulierungsbereichen vorgesehenen sog. Beauftragten verwiesen (z. B. Immissionsschutz-, Datenschutzoder Compliance-Beauftragte).119 Starke Parallelen weist schließlich, wenngleich rechtshistorisch anders fundiert, auch die Stellung des Insolvenzverwalters auf. Auch hier überantwortet der Gesetzgeber die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht allein einem staatlichen Insolvenzgericht, sondern bindet gezielt auch markt- und sachbereichsnähere Private in die einzelfallbezogene Verwirklichung der Ziele des Insolvenzverfahrens ein. 4. Zusammenfassung Sucht man ausgehend von dieser Betrachtung nach den Übereinstimmungen beider Ansätze, dann tritt zunächst die gemeinsame Abkehr von den Strukturmerkmalen hoheitlich-imperativer Regulierung hervor. Geteilt wird die Einsicht, 116 Deshalb krit. zu einer Einordnung im hiesigen Zusammenhang Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 62. 117 Dazu Eifert, DV 39 (2006), 309. 118 S. dazu noch unten, Abschnitt § 5 B. IV. 1. a) bb). S. ebenfalls unten (Abschnitt § 6 A. II. 1.) auch zu Stimmen, die die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zum Risikomanagement dem Konzept regulierter Selbstregulierung zuordnen. 119 Mit diesen und weiteren Beispielen Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 104. S. monographisch u. a. zum kerntechnischen Sicherheits- und arzneimittelrechtlichen Stufenplanbeauftragten Reiling, Der Hybride, S. 78 ff., 98 ff.
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dass diese tradierte Form der Steuerung mit ihrer grundsätzlich retrospektiven, punktuellen und bipolaren Ausrichtung120 den Strukturmerkmalen der heutigen Gesellschaft nicht mehr gerecht wird. Der Ausweg wird in einer neuen Grundausrichtung staatlicher Steuerung gesucht. Sie zielt auf ein Zusammenwirken staatlicher und gesellschaftlicher Akteure, welche im Recht durch eine Verankerung kooperativer Elemente realisiert wird.121 Beiden Konzepten gemeinsam ist damit eine gezielte Kombination staatlicher und privater Leistungspotentiale vor allem mit dem Ziel einer Verbesserung der angestrebten Steuerungswirkung sowie, vor allem aus Sicht der Prozeduralisierungsthese in diskurstheoretischer Lesart, einer gesteigerten Legitimität des Verfahrensergebnisses.122 Während die Prozeduralisierungsthese dabei vor allem die Ebene der (konkretisierenden) Rechtsetzung in den Blick nimmt,123 erweitert das Konzept regulierter Selbstregulierung die Perspektive auch auf Fragen des kontrollierenden Normvollzugs.124
II. Prozessorientierung der Sanierungsplanung Ausgehend von dieser konzeptionellen Betrachtung wird erkennbar, dass das Sanierungsplanungsrecht – bewusst oder unbewusst125 – eine Vielzahl der soeben beschriebenen Steuerungsansätze verwirklicht. Deutlich wird dies unter anderem daran, dass die §§ 12 ff. SAG die planungsförmige Vorbereitung auf künftige Stresssituationen, wie von Vertretern der Prozeduralisierungsthese propagiert, nicht als punktuell-statisches Ereignis institutionalisieren, sondern als fortlaufenden, evolutionären Prozess. Diese, hier als Prozessorientierung um120
Grimm, in: ders. (Hrsg), Wachsende Staatsaufgaben, S. 291, 299. Vgl. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 430 f. 122 Kooperations- und Diskursorientierung des Verfahrens sind aus diskurstheoretischer Perspektive wesentliche Grundlage für die Legitimität eines Verfahrensergebnisses. S. instruktiv Calliess, Prozedurales Recht, S. 106 ff.; ferner nochmals die Nachweise in § 5 Fn. 95. 123 Zum Teil wird in der kooperativen Rechtssetzung auf Verwaltungsebene bereits eine „neue Grundlinie“ des Staatshandelns, die die parlamentarische Rechtsetzung zunehmend ablöst, vgl. Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 45; s. ferner Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 246. 124 Vgl. Grimm, in: Berg/Fisch/Schmitt-Glaeser et al. (Hrsg.), Regulierte Selbstregulierung, S. 9, 18 (Regulierte Selbstregulierung sei die „fortgeschrittenste Form der Prozeduralisierung“). 125 Näher liegt es, dass sich der europäische Gesetzgeber beim Entwurf der Art. 5 ff. BRRD, ohne dies zu explizieren, am Konzept der sog. qualitativen Bankenaufsicht orientierte, das ursprünglich vor allem den Baseler-Reformprozess prägte (s. zur Einordnung des Sanierungsplanungsrechts in diesem Zusammenhang unten, Abschnitt § 6 A. I. 5., II. 1.) Allg. zweifelnd an der Existenz einer gezielten Regulierungsstrategie, jedenfalls auf instrumentenübergreifender Ebene, Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 367; ähnl. auch Augsberg, DV 49 (2016), 369, 381, 395 (mit Blick auf das Konzept „hybrider Regulierung“ im Bereich der Wertpapieraufsicht). Ähnl. auf bereichsübergreifender Ebene Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 21; ders., DV 39 (2006), 309, 334; Fehling/Ruffert, in: dies. (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 23 Rn. 5. 121
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schriebene, Ausrichtung der Sanierungsplanung, umfasst vor allem drei Elemente: Das Sanierungsplanungsrecht wirkt auf eine Vorverlagerung des staatlichen Steuerungszugriffs hin (dazu 1.). Es zielt auf die Entwicklung von Sanierungsplänen, die das situative Krisenmanagement in Belastungsphasen nicht durch finale Festlegungen vorwegnehmen, sondern einer flexiblen Abschichtung von Entscheidungsprozessen dienen (dazu 2.). Die inhaltliche Kongruenz der Planinhalte mit der aktuellen Verfasstheit des Institutes und den Gegebenheiten in ihrem Marktumfeld sichert das Sanierungsplanungsrecht dabei auf normativer Ebene durch eine weitgehende Folgenorientierung der Planungsanforderungen und eine zeitliche Öffnung des Planungsprozesses (dazu 3.). 1. Vorverlagerung des staatlichen Steuerungszugriffs Prägend für die Prozessorientierung des Sanierungsplanungsrechts ist zunächst die Vorverlagerung der regulierenden Einflussnahme in die Sphäre der unternehmensinternen Entscheidungsfindung.126 Das Sanierungsplanungsrecht ergänzt damit den auch im Bankenaufsichtsrecht aus historischer Perspektive dominanten Modus hoheitlich-imperativer Steuerung: Dieser ist auch heute noch in den aufsichtsbehördlichen Eingriffsbefugnissen in §§ 45 ff. KWG, §§ 36 ff. SAG und Art. 16 Abs. 1 und 2 SSM-VO angelegt. Die Vorschriften setzen in zeitlicher Hinsicht auf eine staatliche Intervention erst in der Spätphase der Unternehmensentwicklung, namentlich dann, wenn konkrete gemeinwohlschädliche Wirkungen bereits aufgetreten oder jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang zu erwarten sind – eine Nähebeziehung, die etwa § 46 KWG durch die Verwendung des Gefahrbegriffs zum Ausdruck bringt.127 In dieser Phase soll durch externen Zugriff der Aufsichtsbehörden eine situationsspezifische Problemlösung der Institute unmittelbar angestoßen oder beeinflusst werden. Insgesamt spiegeln die Vorschriften und der in ihnen angelegte Steuerungsmodus die ordnungsrechtlichen Wurzeln des Bankenaufsichtsrechts wider.128 Von diesem tradierten Regulierungstypus weicht das Sanierungsplanungsrecht in mehrerlei Hinsicht ab. Augenfällig ist vor allem die zeitliche Vorverlagerung 126 Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 6 diagnostizieren einen ähnl. Paradigmenwechsel, weg von statischer Eingriffsverwaltung und hin zur frühzeitigen unternehmerischen Systemsteuerung, bereits unter dem RStruktG von 2010. So sehr dies im Ausgangspunkt zutrifft, so sehr waren die damals eingefügten Planverfahren aber noch anlassbezogen und damit doch punktuell ausgerichtet (s. o., Abschnitt § 2 B. IV. 1.). Die Sanierungsplanung gem. §§ 12 ff. SAG geht hier entschieden weiter. 127 Vgl. nur Skauradszun, in: Beck/Samm/Kokemoor (Hrsg.), KWG mit CRR, 219. EL (Stand: 5/2021), § 46 Rn. 21 ff. 128 Vgl. Schenke, in: Ziekow/Seok (Hrsg.), Systemkrisen, S. 63, 68 f. Allg. zu diesem Hintergrund Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 2; ders., in: Bes. VerwR I, § 32 Rn. 19.
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der steuernden Einflussnahme. Das Sanierungsplanungsrecht löst sich vom Erfordernis einer qualifizierten Wahrscheinlichkeit der Gemeinwohlbeeinträchtigung. Anlass für die Begründung der Rechtspflicht zur Sanierungsplanung ist nicht mehr die Negativabweichung der Institute vom gesetzlich definierten Normalzustand, gekennzeichnet etwa durch eine bestimmte Liquiditäts- oder Kapitalausstattung, sondern die Aufnahme der Geschäftstätigkeit per se.129 Nicht mehr die gesteigerte Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern bereits das im Bankgeschäft immer schon innewohnende Basisrisiko einer (systemischen) Insolvenz wird Anknüpfungspunkt für die Planungspflicht. Eng verbunden mit dem veränderten zeitlichen Bezugspunkt ist auch eine sachliche Vorverlagerung des Steuerungszugriffs. Das Sanierungsplanungsrecht macht nicht die konkreten Krisenreaktionen der Institute zu seinem Gegenstand, sondern adressiert primär die unternehmensinternen Entscheidungsgrundlagen, auf die eine spätere Krisenreaktion aufbauen kann. 2. Abschichtung von Entscheidungsprozessen Wie nachfolgend zu sehen sein wird, ist diese Vorverlagerung des Steuerungszugriffs aber nicht etwa mit dem Anspruch verbunden, bereits in der Frühphase sämtliche Fragen des späteren Krisenmanagements abschließend zu regeln.130 Funktional betrachtet ist die Sanierungsplanung vielmehr in einen erweiterten Entscheidungszusammenhang eingebettet, der auch in der akuten Krisenphase in keinen Automatismus mündet, sondern die Sanierungspläne als Instrumente zur Vorstrukturierung und Abschichtung von Entscheidungsproblemen fruchtbar macht.131 Die konkrete Wirkweise, mit der die Pläne diese entscheidungsunterstützende Funktion in Krisenphasen entfalten, wird besonders dann deutlich, wenn man sich den Sanierungsplänen und dem Krisenmanagement der planenden Institute aus systemtheoretischer Perspektive nähert. Aus diesem Blickwinkel formulieren die Sanierungspläne instituts- und aufsichtsintern wirkendende sog. Entscheidungsprämissen.
129 Vgl. auch Engel, Systemrisikovorsorge, S. 39, 76, 130 (Sanierungsplanung als Instrument der „Systemrisikovorsorge“, letzteres gekennzeichnet durch zeitliche Vorverlagerung des aufsichtlichen Steuerungszugriffs). 130 Jedenfalls missverständlich insoweit Binder, Resolution Planning, S. 9, der mit Blick auf das Sanierungs- und Abwicklungsplanungsregime der BRRD von einer vorweggenommenen Selbstverpflichtung („pre-commitment“) im Hinblick auf bestimmte Handlungsoptionen spricht. Ähnl. optimistisch im Hinblick auf ein solches „pre-commitment“ unter den US-Plänen Feibelman, 1 Am. Univ. Bus. L. Rev. 93 (2011); ders., in: Eidenüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 199, passim (auf S. 213 jedoch selbst einschränkend). 131 Im Ansatz ähnl. Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 39; Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 4; s. auch Waschbusch/Rolle, WiSt 2013, 453, 454; Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 101.
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a) Die systemtheoretische Perspektive: Organisationen und Entscheidungsprämissen Die Systemtheorie fasst Finanzinstitute wie auch alle sonstigen Unternehmen formalisierend als Organisationen auf und betrachtet sie primär unter dem Gesichtspunkt der in ihnen getroffenen Entscheidungen.132 Organisationen sind für sie Entscheidungssysteme, also Zusammenschlüsse, die wesentlich aus Entscheidungen bzw. rekursiven Entscheidungszusammenhängen bestehen. Um zu erklären wie aus einzelnen Entscheidungen Entscheidungszusammenhänge entstehen und wie diese Entscheidungszusammenhänge letztlich Organisationen hervorbringen, greift die Systemtheorie auf das Konzept der sog. Autopoiesis zurück. Der aus der Biologie entlehnte Begriff beschreibt den Sachverhalt, dass Systeme ihre konstituierenden Elemente kontinuierlich intern aus sich selbst heraus reproduzieren, ihre Fähigkeit zur Selbsterhaltung in Abgrenzung zu ihrer Umwelt also auf ihre operative Geschlossenheit gründen.133 Jedes System besitzt dabei eine spezifische Operationsweise. Bei Organisationen nimmt diese Operationsweise die Form kommunizierter Entscheidungen an.134 Bereits der Begriff der kommunizierten Entscheidungen legt nahe, dass die Luhmann’sche Systemtheorie keinen subjektivistischen, akteurorientierten Entscheidungsbegriff zugrunde legt. Entscheidungen versteht Luhmann stattdessen streng als Kommunikationsakte. Eine Entscheidung mag zwar grundsätzlich in der bewussten Auswahl unter verschiedenen Alternativen wurzeln. Element des Sozialsystems „Organisation“ wird eine Entscheidung aber erst dadurch, dass sie organisationsintern kommuniziert wird. Der kommunikative Gehalt einer solchen Entscheidung liegt in der Mitteilung, unter Bedingungen zukunftsbezogener Unsicherheit eine Handlungsalternative unter mehreren ausgewählt zu haben. Kommuniziert wird eine Selektion aus der Vielfalt vorhandener Entscheidungsmöglichkeiten (sog. Kontingenz135). Das heißt nicht, dass die ursprünglich gegebene Kontingenz durch die Entscheidung 132 Grundlegend Luhmann, Funktion und Folgen formaler Organisation; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität; ders., Organisation und Entscheidung. Einführend z. B. Martens/Ortmann, in: Kieser/Ebers (Hrsg.), Organisationstheorien, 8. Aufl. 2019, S. 413; Andersen, in: Jahrus/Nassehi/Grizelj et al. (Hrsg.), Luhmann Hdb., S. 202 sowie Simon, Systemische Organisationstheorie. 133 Der Begriff der Autopoiesis wurde ursprünglich von dem Biologen Maturana zur Beschreibung der autonomen Organisationsweise von Lebewesen verwendet, vgl. u. a. Maturana/Varelan, Baum der Erkenntnis, S. 55 ff. Luhmann hat den Begriff sodann für seine soziologische Theorie fruchtbar gemacht. Zum Begriff im hiesigen Zusammenhang u. a. Luhmann, Gesellschaft der Gesellschaft, S. 65 ff. 134 Vgl. zum Folgenden Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 59 ff. und S. 123 ff. (dort gerade auch in Abgrenzung zu subjektorientierten Entscheidungstheorien). Allg. zum Begriff der Kommunikation als Operationsmodus aller Sozialsysteme Luhmann, Soziale Systeme, S. 193 ff. 135 „Kontingent ist etwas, was weder notwendig [. . .] noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist“, Luhmann, Soziale Systeme, S. 152.
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aufgelöst wird. Die Entscheidung hätte weiterhin auch anders getroffen werden, das jeweilige Sachproblem von der Organisation auch anders gelöst werden können. Durch die Entscheidung wird die ursprünglich vorhandene implizite Kontingenz aber expliziert. Die Entscheidung transformiert mithin offene Kontingenz in fixierte Kontingenz.136 Dadurch kann die Entscheidung dann als Grundlage weiteren Entscheidens innerhalb der Organisation behandelt werden. Im Regelfall tut die Organisation so, „als ob“ die in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Zukunftsprognose wahr wäre, die Zukunft also sicher wäre.137 Die Entscheidung dient dann als Mechanismus zur Absorption von Unsicherheit.138 In jedem Fall aber reiht sich die Entscheidung in einen Entscheidungszusammenhang ein. Jeder Entscheidung geht eine frühere Entscheidung voraus und zugleich knüpft, solange das Sozialsystem „Organisation“ existiert, an jede Entscheidung eine weitere Entscheidung an. In einer vielschichtigen Welt besteht grundsätzlich eine kaum überschaubare Vielfalt der prinzipiell denkbaren Möglichkeiten anknüpfenden Entscheidens. Größte Herausforderung von Organisationen ist demgemäß die Herstellung eines kontinuierlichen und geordneten Kommunikations- bzw. Entscheidungszusammenhangs, der den Fortbestand der Organisation sichert.139 Entscheidende Bedeutung kommt hier der organisationsinternen Formulierung von Entscheidungsprämissen zu.140 Entscheidungsprämissen geben den Rahmen vor, unter denen die ex ante noch unbestimmte Vielzahl zukünftiger Einzelentscheidungen in der Organisation getroffen werden. Sie hegen die operationalen Anschlussmöglichkeiten ein, begrenzen diese und unterstützen damit die Möglichkeit kontinuierlicher Autopoiesis der Organisation. Auf diese Wirkung von Entscheidungsprämissen wird speziell im hiesigen Zusammenhang sogleich noch einmal zurückzukommen sein. Zunächst aber soll der Blick auf die verschiedenen Phänotypen organisationaler Entscheidungsprämissen geworfen werden. Luhmann unterscheidet insoweit drei Kategorien: Entscheidungsprämissen können die Form von Entscheidungsprogrammen, Kommunikationswegen und Personalien annehmen. Organisationale Entscheidungsprogramme regulieren Einzelentscheidungen in in-
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Luhmann, VerwArch 84 (1993), 287, 291. Mit der instruktiven Formulierung des „als ob“ Simon, Systemische Organisationstheorie, S. 67. Denkbar ist freilich auch das Gegenteil: Die mit der Entscheidung getroffene Alternativenauswahl wird ex post als unrichtig empfunden und provoziert eine Korrektur. Auch dann aber knüpft die korrigierende Entscheidung an die frühere Entscheidung an, der Entscheidungszusammenhang besteht fort, vgl. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 190 sowie Andersen, in: Jahrus/Nassehi/Grizelj et al. (Hrsg.), Luhmann Hdb., S. 202, 204. 138 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 183 ff. 139 Vgl. zum Ganzen Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 222 ff., 331. 140 Eine Ausnahme von dieser Regel bildet nach Luhmann die Unternehmenskultur, vgl. ebenda, S. 239 ff. 137
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haltlicher Hinsicht, sie „definieren Bedingungen der sachlichen Richtigkeit“.141 Als solche können sie in zwei Formen auftreten, die auch im juristischen Kontext vertraut sind: die Form von sog. Konditional- und Zweckprogrammen.142 Konditionalprogramme steuern situative Einzelentscheidungen durch die Festlegung eines „Wenn-dann“-Schemas. Zweckprogramme hingegen formulieren nur eine mehr oder weniger konkrete Zielvorgabe, überlassen die Mittelwahl zur Erreichung dieser Zielvorgabe aber der situativen Entscheidung des Programmanwenders. Kommunikationswege regeln organisationsinterne Hierarchien, Verfahrensweisen, Informationsflüsse und bestimmen die Kompetenzen der an den Entscheidungen beteiligten Stellen.143 Personalien schließlich sind relevant unter dem Gesichtspunkt der in ihnen gebündelten Kompetenzen und Präferenzen. Dahinter steht die Einsicht, dass die Qualifikation organisationsangehöriger Personen zugleich auch den Rahmen der von ihnen getroffenen Entscheidungen absteckt. Individuelle Personen begrenzen also, wie Programme und Kommunikationswege, die Vielfalt der unternehmsintern denkbaren Kommunikation. Sie sind deshalb ebenfalls den Entscheidungsprämissen zuzuordnen.144 b) Sanierungspläne als institutsinterne Prämissen krisenbezogenen Entscheidens Bereits diese allgemeine Umschreibung der Funktion und Erscheinungsformen von Entscheidungsprämissen lässt die Parallelen zu den Inhalten der Sanierungspläne hervortreten.145 Ganz offensichtlich formulieren Sanierungspläne zum einen die von Luhmann beschriebenen organisationalen Kommunikationswege, dies speziell in krisenbezogener Hinsicht. Sie beschreiben das Prozedere, nach dem der Sanierungsprozess in Gang gesetzt und abgearbeitet wird und definieren organisationsinterne Zuständigkeiten. Sie legen persönliche Verantwortlichkeiten fest und regeln den internen und externen Informationsfluss.146
141 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 257; zu Entscheidungsprogrammen insgesamt ebenda, S. 256 ff. 142 S. auch schon soeben, Abschnitt § 5 B. I. 2. b). 143 Ebenda, S. 302 ff. 144 Ebenda, S. 279 ff. 145 Dass Pläne in der systemtheoretischen Konzeptualisierung als Entscheidungsprämissen verstanden werden können, hat Luhmann bereits vergleichsweise früh für den Bereich der politischen Planung herausgearbeitet, vgl. Luhmann, in: ders. (Hrsg.), Politische Planung, 5. Aufl. 2007, S. 66 (= Jahrbuch für Sozialwissenschaft 71 (1966), S. 271 ff.). Später führte Luhmann den Begriff der Planung sodann auch in seine systemische Organisationstheorie ein, vgl. ders., Organisation und Entscheidung, S. 230 ff. 146 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 5 SAG, Art. 5 Nr. 3 del. VO 2016/1075 und § 6 MaSanV.
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Darüber hinaus enthalten die Sanierungspläne bei genauerer Betrachtung auch Entscheidungsprogramme. Strukturell rekonzeptualisieren lassen sich die Sanierungspläne vor allem als Konditionalprogramme.147 Die übergeordnete Bedingung (das „Wenn“) dieses Konditionalprogramms wird durch das planbasierte Indikatorsystem vorgegeben. Schlagen die Sanierungsindikatoren an und mündet die anschließende Lagebewertung in die Beurteilung, ein Krisenfall ist gegeben, dann folgt aus dieser Beurteilung grundsätzlich der Bedarf sanierenden Eingreifens. Der Sanierungsplan ließe sich dementsprechend nach dem Schema „wenn ,Krisenfall‘, dann ,Sanierung‘ “ lesen. Die Folgenseite dieses Konditionalprogramms strukturiert der Sanierungsplan nur rahmenförmig vor. Strukturgebend wirken hier vor allem die für jede Sanierungsoption durchzuführenden abstrakten und szenariobezogenen Folgen- und Durchführbarkeitsbewertungen.148 Sie münden in eine schematische Zuordnung der Sanierungsoptionen zu bestimmten Szenariotypen. Vereinfacht ließe sich auch hieraus ein Konditionalprogramm ableiten, diesmal mit dem Schema „wenn Belastungssituation vom Typus A, dann Maßnahme X“ oder „wenn Belastungssituation vom Typus B, dann Maßnahme Y“ usw. Deutlich hervorzuheben ist hier nochmals ein Umstand, auf den bereits an früherer Stelle hingewiesen worden ist: Wenngleich § 13 Abs. 5 SAG von der Pflicht der Geschäftsleitung zur „Umsetzung“ der Sanierungspläne spricht, folgt daraus nicht die strikte Obliegenheit zur Aktivierung aller im Plan für das jeweilige Krisenszenario vorgesehenen Handlungsoptionen. Gerade Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 BRRD macht deutlich, dass die Sanierungspläne nur auf eine begrenzte Indizwirkung hin ausgelegt sind.149 Luhmann hat diesen Gesichtspunkt für organisationale Entscheidungsprogramme aller Art verallgemeinernd wie folgt beschrieben: „Das Verhältnis von Prämisse zur Entscheidung [ist] weder ein logisches noch ein kausales Verhältnis [. . .]. Weder kann die Entscheidung aus ihren Prämissen deduziert werden; noch sind die Prämissen die Ursachen der Entscheidung.“ Vielmehr besteht zwischen abstrakter Entscheidungsprämisse und situativer Krisenentscheidung nur ein Verhältnis „lockerer Kopplung“.150 Die Prämisse steckt nur den Horizont künftiger Entscheidungen ab, auf den später je nach den situativen Erfordernissen wahlweise zurückgegriffen oder nicht zurückgegriffen werden kann. In jedem Fall erforderlich ist aber eine nachgelagerte, selbstständige 147 Vgl. mit Blick auf das unternehmensinterne Kontinuitätsmanagement von Finanzinstituten, das auf den Umgang mit operationellen Risiken zielt, auch Folkers, 46 Econ. Soc. 103, 110 (2017). Dazu noch näher unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. c) aa). 148 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 4 und 5 SAG, Art. 10 f. del. VO 2016/1075. 149 S. o., Abschnitt § 4. A. III. 2. Vgl. mit der Forderung nach einer solchen Flexibilität schon früh aus rechtspolitischer Perspektive Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 18. 150 Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 222 f. Zum Konzept lockerer bzw. loser Kopplung schon Weick, Der Prozess des Organisierens, S. 163 ff. S. erläuternd auch Simon, Systemische Organisationstheorie, S. 77 ff.
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Entscheidung. Planung, verstanden als Formulierung von Entscheidungsprämissen, sei deshalb ein reflexiver Akt, nichts anderes als die „bewusste Vertagung vollständiger Vergewisserung und Sinnerfüllung“.151 Wollte man diesen Umstand in der hier skizzierten Konditionalstruktur integrieren, so müsste man diese konsequent wie folgt lesen: „Wenn ,Krisenfall‘ und keine Abweichung gerechtfertigt, dann ,Sanierung‘ “ usw. Zielförmig gebündelt werden sämtliche dieser mittelbezogenen Auswahlentscheidungen schließlich durch das Leitmotiv der Sanierungsplanung, namentlich die finanzielle Stabilität des Instituts möglichst systemschonend zu sichern oder wiederherzustellen (§§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG). Diese Zielbeschreibung leitet als übergeordnetes Zweckprogramm die einzelfallbezogene Mittelauswahl an. c) Komplexitätsreduktion durch Sanierungsplanung Instruktiv ist die systemtheoretische Einordnung der Sanierungspläne als Entscheidungsprämissen vor allem deshalb, weil sie ihre operative Funktion im organisationalen Zusammenhang transparent macht – eine operative Funktion, die andernorts wiederholt angezweifelt wurde.152 Bedeutung erlangen die Sanierungspläne aus dieser Perspektive vor allem als Instrumente zur Komplexitätsreduktion.153 Es ist bereits angedeutet worden, dass die zentrale Herausforderung für Organisationen in funktional differenzierten Gesellschaften darin besteht, sich unter den Bedingungen hoher Umweltkomplexität durch Herstellung eines kontinuierlichen Entscheidungszusammenhangs selbst zu erhalten. Komplexität bezeichnet dabei allgemein den Sachverhalt, dass in einem System die Anzahl der Elemente so groß geworden ist, dass diese nicht mehr alle gleichzeitig miteinander verknüpft werden können. Die Herstellung von Verknüpfungen zwischen den Einzelelementen macht also Selektionen erforderlich, die kontingent, d.h. so, aber
151 Luhmann, in: ders. (Hrsg.), Politische Planung, 5. Aufl. 2007, S. 66, 68 (= Jahrbuch für Sozialwissenschaft 71 (1966), S. 271 ff.). Spezieller im organisationstheoretischen Zusammenhang ders., Organisation und Entscheidung, S. 230 ff. Dort misst er dem Begriff selbst aber offenbar nur untergeordnete Bedeutung zu, erwägt a. a. O., S. 254 gar seine Ersetzung durch den Begriff der „Selbstorganisation“. 152 S. mit Blick auf das US-Living-Will-Regime, letztlich aber übertragbar, Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1307 (2014), m.w. N. Früh einseitig die Informationsfunktion betonend auch Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 606 (Bankentestamente als besondere „Offenlegungspflicht“); s. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 35, 78 (2013); de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.98. Krit. auch Theissen, EU Banking Regulation, S. 842. 153 Vgl. allg. Luhmann, Organisation und Entscheidung, S. 222, 224; im hiesigen Zusammenhang auch Binder, ZHR 179 (2015), 83, 131 f.; Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 8. S. zur Komplexitätsreduktion durch politische Planung Luhmann, in: ders. (Hrsg.), Politische Planung, 5. Aufl. 2007, S. 66, 72 ff.; zur staatlichen Planung im Bereich der Raumordnung statt vieler Köck, in: GVwR II, § 37 Rn. 32.
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auch anders möglich, sind.154 Gerade im modernen Finanzsystem hat diese Komplexität ein extremes Ausmaß erreicht. Sämtliche Marktprozesse, darunter „die Bewegungen von Aktienkursen, Risikoaufschläge für Anleihen und [. . .] Buchwert[e] strukturierter Wertpapiere sind das emergente Resultat komplex verbundener Entscheidungen einer Vielzahl heterogener Akteure“, deren Interaktionen selbst Brancheninsider kaum noch nachvollziehen können.155 Organisationen, die in dieses Finanzsystem eingebettet sind, benötigen also Mechanismen, um die komplexitätsbedingte Intransparenz ordnend zu verarbeiten. Dies geschieht durch Komplexitätsreduktion, d.h. dadurch, dass die extern denkbaren Kommunikationszusammenhänge organisationsintern nicht mehr in all ihrer Vielfalt, sondern nur noch vereinfachend abgebildet werden. Diese Fähigkeit zum Abbau von Komplexität ist jedoch ihrerseits von einer hinreichenden Eigenkomplexität der Organisation als soziales System abhängig. Je größer die Anzahl der intern denkbaren Eigenzustände ist, desto größer ist prinzipiell auch die Fähigkeit eines Systems, seine jeweilige Umweltkomplexität angemessen zu erfassen.156 Sanierungspläne, verstanden als Entscheidungsprämissen, unterstützen eben diesen Prozess. Sie erhöhen einerseits die Binnenkomplexität der Institute und schaffen gerade dadurch die Möglichkeit, die Komplexität des sie umgebenden Finanzsystems reduzierend zu verarbeiten. Plastischer formuliert: Durch die heuristische Erfassung, Verarbeitung und Ordnung der prognostisch denkbaren Bedrohungspotentiale nimmt die Anzahl der den Instituten zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen zu. Die Möglichkeiten, auf Umweltreize durch anknüpfendes organisationales Entscheiden zu reagieren, steigen. Im Außenverhältnis aber ist genau diese Erhöhung der Binnenkomplexität der Institute Voraussetzung dafür, dass anknüpfendes Entscheiden unter den gerade in Krisenphasen extrem wandelbaren Umweltbedingungen weiterhin gelingt. Dadurch, dass ein Großteil der relevanten Problemstellungen in den Plänen aufgearbeitet, strukturiert und „vor die Klammer gezogen“ werden, wird die Arbeitsagenda in der unmittelbaren Krisenphase entlastet. Fragen157 die bereits frühzeitig gestellt wurden, müssen später nicht nochmals gestellt werden.158 Und selbst wenn sich die ex ante entwickelten 154
Ausf. u. a. Luhmann, Soziale Systeme, S. 45 ff. Mayntz, Erkennen, was die Welt zusammen hält, S. 18. Vgl. auch Willke, in: Jansen/Schröter/Stehr (Hrsg.), Transparenz, S. 56, 61; ferner Andreotti/Schmidiger, in: Coninx/Ege/Mausbach (Hrsg.), Prävention und freiheitliche Rechtsordnung, S. 277, 283 ff.; Laux/Rosa, WSI Mitteilungen 10/2009, 547, 548 f. 156 Luhmann, in: ders. (Hrsg.), Politische Planung, 5. Aufl. 2007, S. 66, 74; allg. ders., Soziologische Aufklärung I, 7. Aufl. 2005, S. 117; instruktiv auch Kneer/Nassehi, Theorie sozialer Systeme, S. 41 f. 157 Die relevante Fragestellung würde etwa lauten: „Wie würden wir reagieren, wenn wir heute mit einer Stresssituation vom Format X, Y, Z konfrontiert sind?“. Oder noch allgemeiner: „Welche heuristischen Entscheidungsregeln lassen sich ableiten, die unser Handeln in der Krise anleiten und auf deren Grundlage wir unsere Krisenentscheidungen treffen sollten?“ 158 Vgl. Simon, Systemische Organisationstheorie, S. 71. 155
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Antworten als untauglich erweisen sollten, ist mit der Identifikation der abstrakt relevanten Problemgesichtspunkte bereits ein wesentlicher Teil der Vorarbeit geleistet, auf die die situative Sachverhaltsanalyse und Entscheidungsfindung aufbauen kann. Ein größerer Teil der organisationalen Kapazitäten kann nun auf die unmittelbare Erfassung des Status quo und die Entwicklung situationsspezifisch passgenauer Reaktionen verwendet werden. Immer basiert die Operation des Finanzinstituts dabei auf einer Vereinfachung der real ablaufenden Kommunikationszusammenhänge in seiner Umwelt. Die kriseninterne Handlungsfähigkeit wird gerade dadurch gewährleistet, dass aus der Vielheit der im umliegenden Finanzsystem wahrnehmbaren Ereignisse und (potentiellen) Ereignisfolgen vereinfachend nur derjenige Teil herausgegriffen wird, der für die Bestimmung problemadäquater Anschlussentscheidungen kritisch ist. Auf dieser Grundlage werden Entscheidungsmöglichkeiten ausgewählt und ihrerseits in eine vorläufige Ordnung gebracht. Die im Sanierungsplan verdichteten Vorarbeiten fungieren gewissermaßen als vorläufige Schablone, mit der die Institute ihre (über-)komplexe Umwelt selektiv erfassen, um sodann auf dieser Grundlage unmittelbar krisenbezogene Einzelentscheidungen zu treffen. Es ist also gerade diese Kombination der Leistungspotentiale abstrakten und situativen Entscheidens, die die Problemverarbeitungskapazität der Organisation erhöhen soll.159 Aus dieser Perspektive erlangt auch die Zielformulierung in § 13 Abs. 4 SAG noch einmal eine völlig neue Bedeutung. Die Vorschrift ist nicht als Ausdruck der gesetzgeberischen Erwartung zu lesen, der Plan müsse in jedem Fall unmittelbar und unhinterfragt umsetzbar sein,160 sondern in Richtung eines Optimierungsgebotes zu interpretieren. Inhaltlich ist dieses Optimierungsgebot darauf gerichtet, die Sanierungspläne auf ein optimales Komplexitätsniveau einzustellen. Zwei potentiell konkurrierende Umstände sind hier in einen angemessenen Ausgleich zu bringen: Zwar spricht für eine fortwährende Erhöhung der organisationalen Binnenkomplexität durch umfangreiche Sanierungspläne, dass damit zumindest theoretisch auch die Handlungsvielfalt der Institute zur Verarbeitung des externen Problemdrucks steigt. „Komplexitätsreduktion durch Aufbau von Eigenkomplexität“ ist die einschlägige Formel. In Rechnung zu stellen ist jedoch auch die Tatsache, dass eine immer ausuferndere Eigenkomplexität der organisatio-
159 Vgl. wiederum allg. für die politische Planung Luhmann, in: ders. (Hrsg.), Politische Planung, 5. Aufl. 2007, S. 66, 81. 160 Andernfalls könnte das Sanierungsplanungsrecht auch auf die Vorgabe verzichten, dass die Institute die Geschäftsleitung in die unmittelbare Krisen-Governance einbeziehen (§ 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG). Gleichsam mechanistisch wäre ohnehin nur ein prädeterminierter Prozess in Gang zu setzen, hinter den die Identität der prozessaktivierenden Person als irrelevante Randnotiz zurückträte. Bereits die Beteiligung der Geschäftsleitung indiziert also, dass in der Krisenphase – auf Grundlage der Pläne – sehr wohl noch einmal eine völlig neue Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen werden soll.
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nalen Binnenstruktur auch die entscheidungszuständigen Individuen zunehmend überfordert. Die menschliche Fähigkeit zur Verarbeitung komplexer Entscheidungsprobleme ist – namentlich unter Zeitdruck – begrenzt.161 Eine allzu komplexe Planung droht vor diesem Hintergrund ab einem gewissen Punkt ihren ursprünglich anvisierten funktionalen Wert zu verlieren. Beide Gesichtspunkte sind also institutsspezifisch so auszutarieren, dass sie maximale Berücksichtigung erfahren. d) Erwartungssicherung durch Sanierungsplanung Unmittelbar mit dieser komplexitätsreduzierenden Wirkung der Pläne verbunden ist ihre Funktion als Mittel zur Schaffung von Erwartungssicherheit.162 Die mit den Plänen bewirkte spezifische Form der Komplexitätsreduktion erhöht aus der Beobachterperspektive die Vorhersagbarkeit des institutsinternen Entscheidens. Derjenige, der die Entscheidungsprämissen einer Organisation oder – um im Bild zu bleiben – deren Schablonen zur Umweltwahrnehmung und -verarbeitung kennt, kann zuverlässigere Aussagen über deren zukünftige Problembewältigung treffen. Das gilt einmal für die individuellen Mitglieder der Organisation. Ebenso bedeutend ist dieser Umstand aber auch für organisationsexterne Beobachter, die Zugriff auf die organisationsinternen Entscheidungsprämissen haben. Im hiesigen Kontext sind dies vor allem die in die Planung einbezogenen Aufsichtsbehörden.163 Die Sanierungspläne erlangen für sie – neben ihrer sonstigen informatorischen Funktion164 – vor allem Bedeutung als Instrument zur Antizipation des künftigen Verhaltens der Institute in mikro- oder makroökonomischen
161 Die Systemtheorie versucht diesen Umstand herauszuarbeiten, indem sie auch das Individuum als strukturell begrenztes (psychisches) System betrachtet. Allg. spricht Luhmann, Soziologische Aufklärung I, 7. Aufl. 2005, S. 116 davon, dass soziale Systeme „der Vermittlung zwischen der äußersten Komplexität der Welt und der sehr geringen, aus anthropologischen Gründen kaum veränderbaren Fähigkeit des Menschen zu bewusster Erlebnisverarbeitung“ dienen. 162 Vgl. Feibelman, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 199, 211. Allg. zum Begriff der Erwartung s. Luhmann, Funktion und Folgen formaler Organisation, S. 26 f.; zur Funktion von Entscheidungsprämissen als Mittel zur Schaffung von Erwartungssicherheit Martens/Ortmann, in: Kieser/Ebers (Hrsg.), Organisationstheorien, 8. Aufl. 2019, S. 407, 424 ff. 163 S. aber auch Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 8 f., der darauf hinweist, dass auch Gläubiger der Institute der erhöhten Vorhersehbarkeit der aufsichtsbehördlichen Krisenentscheidungen infolge der Sanierungsplanung Rechnung tragen könnten (insoweit ähnl. auch Hüpkes, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 71, 81): Sie können nunmehr erwarten, dass die Aufsichtsbehörden die Institute im Krisenfall nach Maßgabe der Sanierungspläne behandeln werden. Basierend auf der Annahme, dass dies die Erfolgswahrscheinlichkeit des Krisenmanagements erhöhen und die Ausfallwahrscheinlichkeit senken könnte, bestehe die Chance sinkender (Fremd-)Kapitalkosten. S. dazu auch nochmals unten, Abschnitt § 7 A. II. 1. 164 S. dazu noch ausführlicher unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. a), B. III.
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Belastungssituationen. Gerade die Möglichkeit, das zukünftige Verhalten der Institute jedenfalls begrenzt vorhersagen zu können, bedeutet wiederum eine Reduktion von Kontingenz und Komplexität in der Umwelt der Aufsichtsbehörden, die ihrerseits nichts anderes als organisierte Sozialsysteme sind. Nicht nur unterstützt diese Komplexitätsreduktion wiederum die Entscheidungsfähigkeit der Aufsichtsbehörden im Rahmen ihrer eigenen Systemlogik. Sie kann zudem auch in die Entwicklung aufsichtsinterner Entscheidungsprämissen einfließen, die diese ebenfalls für den Krisenfall entwickeln. An die Stelle allgemeiner Handlungskonzepte für mikro- oder makroökonomische Belastungssituationen, welche die Aufsichtsbehörden nur im Bedarfsfall an individuelle Fallkonstellationen anpassen, treten nunmehr potentiell deutlich individualisiertere Notfallkonzepte, die bereits im Ausgangspunkt sämtliche Eigenheiten der jeweiligen Institute berücksichtigen.165 Institutionell gespiegelt wird dieser Ansatz heute bereits in den institutsspezifisch und behördenübergreifend eingerichteten sog. Krisenmanagementgruppen (Crisis Management Groups). Deren Aufgabe ist es gerade, frühzeitig Koordinations- und Kooperationsfragen zu klären und für das jeweilige Institut ein effektives behördliches Krisenmanagement vorzubereiten, letztlich also Entscheidungsprämissen in Form von Kommunikationswegen zu formulieren.166 Mit Blick auf den im Sanierungsplanungsrecht verwirklichten Regelungsmodus verdient noch ein Umstand Hervorhebung: Prinzipiell hätte der Gesetzgeber eine vergleichbare Form der Erwartungsstabilisierung auch dadurch bewirken können, dass er den Instituten unmittelbare, den Inhalten der Pläne entsprechende Rechtspflichten für ihr Verhalten im Krisenfall auferlegt. Schließlich sind Rechtsnormen geradezu das klassische Mittel zur Stabilisierung von Verhaltenserwartungen in modernen, funktional differenzierten Gesellschaften.167 Beide Instrumente – Sanierungspläne und gesetzliche Pflichtenbindungen – können damit jedenfalls im Ausgangspunkt als funktionale Äquivalente zur Steigerung der Vorhersehbarkeit des krisenbezogenen Verhaltens der Institute verstanden werden. Nur haben Sanierungspläne gegenüber unmittelbaren Rechtspflichten den Vorteil, dass sie ungleich individualisiertere Formen annehmen und zudem über eine höhere Anpassungsflexibilität verfügen.168 Schon aus diesem Grunde sind sie im hiesigen Zusammenhang kaum durch entsprechende Rechtspflichten ersetzbar.
165 Ähnl. Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 132. 166 EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, 9/2014, S. 40. 167 Umf. dazu Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 124 ff. 168 Ein ähnlicher Gedanke liegt auch den gerade in komplexen und dynamischen Regulierungsbereichen zunehmend verbreiteten behördlichen Konzeptpflichten zugrunde. Auch sie fungieren als sachangemesseneres Surrogat zu einer umfassenden gesetzlichen Programmierung der behördlichen Entscheidungsfindung. Vgl. dazu Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S. 253 f.
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3. Temporalisierung der Sanierungsplanung a) Zeitliche Öffnung: Ausdruck der Folgenorientierung des Sanierungsplanungsrechts Die tatsächliche Eignung der Sanierungspläne als Prämissen instituts- und aufsichtsinterner Krisenentscheidungen wäre stark eingeschränkt, wenn sie inhaltlich nicht fortlaufend auf ihre Umweltbedingungen abgestimmt sind. Diese inhaltliche Kongruenz zwischen den Sanierungsplänen und der aktuellen realen Institutssituation sicherzustellen, ist Aufgabe der in § 12 Abs. 4 SAG festgelegten Aktualisierungspflicht. Auf den Regelungsgehalt der Vorschrift wurde bereits in dem einführenden Überblick über die Vorschriften des Planungsverfahrens kurz eingegangen.169 Im Vordergrund soll hier eine funktionale Perspektive stehen. Die Aktualisierungspflicht steht aus dieser Perspektive im engen Zusammenhang mit der im Sanierungsplanungsrecht umfassend angelegten Folgenorientierung:170 Paradigmatisch zum Ausdruck kommt diese Folgenorientierung vor allem in der globalen Zielbeschreibung in § 13 Abs. 4 SAG. Normstrukturell betrachtet formuliert die Vorschrift ein sog. Zweck- bzw. Finalprogramm.171 Zweckprogramme zeichnen sich durch eine weitgehende Rücknahme des gesetzlichen Steuerungsanspruches aus. Sie kommt in § 13 Abs. 4 SAG dadurch zum Ausdruck, dass die Norm keine konkreten Verhaltensgebote festlegt, die im Wege schlichter Subsumtion vom Rechtsanwender geprüft werden können, sondern sich stattdessen auf die Vorgabe eines gesetzlich erwünschten Zielzustandes beschränkt:172 Das gesamte Planungsverfahren ist auf die Entwicklung eines Plans gerichtet, der die Institute im Bedarfsfall zur nachhaltigen Sicherung oder Wiederherstellung ihrer Überlebensfähigkeit und finanziellen Solidität befähigt, ohne dass mit der Umsetzung der Pläne zugleich wesentliche negative Externalitäten für das Finanzsystem einherzugehen drohen. Das Sanierungsplanungsrecht ist damit auf doppelte Folgenorientierung angelegt, die sowohl ökonomische Mikro-
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Zu den Aktualisierungstatbeständen in § 12 Abs. 4 SAG s. o., Abschnitt § 4 C. III. Allg. zum Zusammenhang zwischen folgenorientierten Zweckprogrammen und einer Temporalisierung des Rechts Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S. 267 f.; Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 88 ff., 97 ff. 171 S. dazu schon oben, Abschnitt § 5 B. I. 2. b). Grundlegend zur Abgrenzung von Konditional- und Zweckprogrammen Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 195 ff.; ders., AöR 94 (1971), 1, 3 ff. 172 § 13 Abs. 4 SAG ist also nicht auf „die einzelne Entscheidung, sondern auf die generelle Ausrichtung der Praxis gerichtet“ (Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 15). Zur Finalstruktur als typischem Merkmal auch des sonstigen (vor allem raumordnungsbezogenen) öffentlichen Planungsrechts u. a. Hoppe, DVBl 1974, 641; ders., in: HdbStR IV, § 77 Rn. 21 ff.; Di Fabio, in: FS Hoppe, S. 75, 91 ff. Zu ähnl. Formen der zeitlichen Öffnung bei verwaltungsbezogenen Handlungskonzepten im Bereich der staatlichen Städtebausanierung, Energieversorgung, Wirtschaftsförderung und des Umweltschutzes s. Müller, Konzeptbezogenes Verwaltungshandeln, S. 187 f. 170
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(Sanierung des Instituts) als auch Makrofolgen (Externalitätenvermeidung) in den Blick nimmt.173 Eine vergleichbar folgenorientierte Programmierung findet sich auch auf der Ebene der Einzelanforderungen an die jeweiligen Planabschnitte wieder. Zwar enthät das Sanierungsplanungsrecht in § 13 Abs. 2 SAG und Art. 5 ff. del. VO 2016/1075 sowie in den Vorschriften der MaSanV vielfältige, zum Teil sehr detaillierte Vorgaben zur Planung und Ausgestaltung der einzelnen Teilabschnitte der Sanierungspläne. Inhaltlich formulieren aber auch diese Normen wiederum nur konkretisierungsbedürftige, durch ökonomische Leistungsanforderungen eingegrenzte Gestaltungsaufträge.174 Insgesamt führt diese Programmierungsform dazu, dass sich die Rechtmäßigkeit der Sanierungspläne nicht allein anhand rechtsintern konkretisierbarer Maßstäbe bestimmen lässt, sondern maßgeblich durch externe Faktoren beeinflusst wird, darunter die aktuelle Verfasstheit des Instituts und seines Marktumfeldes. Sowohl die Institute als auch das sie umgebende Finanzsystem sind aber dynamische Umweltfaktoren, deren konkrete Gestalt und Risikostrukturen sich im ständigen Fluss befinden. Diese externe Entwicklungsdynamik muss eine folgenorientierte Sanierungsplanung auch intern abbilden. Grundlage dafür ist die Aktualisierungspflicht in § 12 Abs. 4 SAG. Sie institutionalisiert einen fortlaufenden Planungsprozess, der den Sanierungsplänen den Charakter eines entwicklungsoffenen, evolutionären Handlungskonzeptes verleiht. Im Rahmen eines „iterativen Verfahrens“ 175 sind im Sanierungsplan die wandelbaren ökonomischen Realitäten fortwährend zu verarbeiten und in geeignete Sanierungsmechanismen zu übersetzen.176
173 Allg. zur Differenzierung in Mikro- und Makrofolgen Hermes, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 359, 371. Zur Diskussion um eine folgenorientierte Rechtswissenschaft im Überblick Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 67 ff. sowie Teubner, in: ders. (Hrsg.), Entscheidungsfolgen, S. 9. 174 So sieht etwa § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG vor, dass die Indikatorausgestaltung und die zugehörige Krisen-Governance eine rechtzeitige Krisenreaktion ermöglichen müssen. Ähnlich formuliert § 13 Abs. 2 Nr. 7 SAG, dass die im Plan berücksichtigten Belastungsszenarien ausreichend „schwerwiegend“ sein und die institutsspezifischen „Gefährdungspotentiale“ angemessen abbilden müssen. Ungleich stärker konkretisiert sind einzig die strikt verfahrensbezogenen Plananforderungen, etwa in § 6 Abs. 1 MaSanV und Art. 5 Nr. 2 del. VO 2016/1075. 175 Zuletzt EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 6. Ebenso auch schon BT-Drs. 18/2575, S. 147 und Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 29, letztere allerdings nur mit Blick auf die Befugnisse in §§ 59, 60 SAG. 176 Treffend beschreiben Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 209 die Sanierungspläne als „living documents“. S. auch EZB, Report on recovery plans, 7/ 2018, S. 40 („[. . .] recovery planning is designed to be an ongoing process.“) sowie Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 359, die die Sanierungsplanung damit auch als Beispiel für eine Flexibilisierung des gesamten Bankenaufsichtsrechts sieht. Vgl. auch de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 398 (2019) (Verf. lehnen u. a. unter Verweis auf dessen regelmäßige Überarbeitung eine vertragliche Natur des Sanierungsplans ab).
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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b) Regelkreisfunktion der Sanierungsplanung Vollendet wird diese Form der Temporalisierung dann, wenn in die Planung fortwährend auch Erfahrungen aus der praktischen Umsetzung der Sanierungspläne bzw. aus dem planungsbasierten Krisenmanagement eingebracht werden. Im planungsrechtlichen Schrifttum wird diese Form der Rückkopplung zwischen Vorbereitung und Vollzug im Planungsprozess begrifflich als Regelkreis- oder Kybernetikfunktion gefasst.177 Anhaltspunkte für eine solche zirkuläre Struktur der Planung finden sich jedenfalls im Ansatz auch im hiesigen Rechtsrahmen. Namentlich Art. 11 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075 sieht vor, dass die Bewertung der Durchführbarkeit der einzelnen Sanierungsoptionen gerade auch historische Erfahrungen im Umgang mit der jeweiligen Maßnahme berücksichtigen soll.178 Im hiesigen Zusammenhang deshalb von einem „Regelkreis“ zu sprechen ginge zwar insofern in die falsche Richtung, als die Umsetzung der Pläne nach den unter anderem in ErwG 6 der BRRD formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers eher die Ausnahme als die Regel darstellen soll. Dort aber, wo ausnahmsweise die Berücksichtigung eigener Umsetzungserfahrungen möglich sein sollte, ist sie gesetzlich auch entsprechend vorgesehen. Praktisch deutlich relevanter dürfte jedoch eine fortwährende Berücksichtigung der Risikomanagementerfahrungen aus dem regulären Geschäftsbetrieb sein. Den Anknüpfungspunkt dafür bietet Art. 5 Nr. 1 lit. c, Nr. 4 del. VO 2016/1075, wonach die Planung in das allgemeine Risikomanagement der Institute zu integrieren ist.179 c) Dynamisierung der Planungsanforderungen als Gefahr für die Rechts- und Gestaltungssicherheit der aufsichtsunterworfenen Institute? Die im Sanierungsplanungsrecht angelegte Folgenorientierung und zeitliche Öffnung des Planungsverfahrens führt zu einer Dynamisierung und Flexibilisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die naturgemäß in einem Spannungsverhältnis zum Bedürfnis der aufsichtsunterworfenen Institute nach Rechtsund Gestaltungssicherheit steht.180 Dieser Verlust inhaltlicher Planungssicherheit wird in der steuerungstheoretischen Diskussion verschiedentlich kritisiert. Vor allem aus systemtheoretischer Perspektive wird argumentiert, die in einer folgenorientierten Programmierung angelegte Öffnung des juristischen Codes für Um177
S. Müller, Konzeptbezogenes Verwaltungshandeln, S. 188 ff. Zur hohen Verbreitung solcher erfahrungsbasierten Analysen in der Planungspraxis s. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, S. 4, 24. 179 Zur Einordnung des Risikomanagements gem. § 25a KWG als Regelkreislauf bestehend aus Risikoplanung, -inventur, -steuerung, -überwachung Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508; Paul, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 65; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4 Rn. 1, AT 4.1. Rn. 210 f. 180 S. aus kapitalgesellschaftsrechtlicher Perspektive Binder, ZGR 2007, 745, 785; ähnl. mit Blick auf § 25a KWG auch ders., ZGR 2015, 667, 702. 178
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weltprobleme gefährde die Autonomie des Rechtssystems in der funktional differenzierten Gesellschaft. Statt seiner eigentlichen Funktion gerecht zu werden und die Verhaltenserwartungen der Gesellschaftsmitglieder zu stabilisieren,181 verlege prozedural-folgenorientiertes Recht „seine Struktur auf die Generalisierung von Unsicherheitserwartungen“. Ein Beobachter könne sich dann zwar „sicher sein, dass alles unsicher ist, aber nicht mehr, dass er normativ richtig erwartet hat“.182 Diese grundlegende Kritik an folgenorientierten Steuerungskonzepten klingt im Ansatz auch in der Diskussion um die krisenbezogenen Planungsinstrumente des SAG an: Hervorgehoben wird insoweit, die §§ 12 ff. SAG würden selbst dann zur Erstellung und laufenden Aktualisierung eines hochkomplizierten Sanierungsplanes zwingen, wenn eine Krise nicht in Sicht ist. Die Umsetzung der in zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe gefassten Anforderungen sei für die Institute, wenn überhaupt, nur mit sehr hohem Aufwand zu erfüllen.183 Dieser Kritik ist zunächst entgegen zu halten, dass auch der EU-Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der BRRD-Vorschriften das Bedürfnis der Regulierungsadressaten nach Rechtssicherheit im Blick hatte.184 Die anpassungsoffene Ausgestaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen ist letztlich aber zwingende Folge des zunehmend individualisierten Steuerungsansatzes, den das heutige Bankenaufsichtsrecht gerade auch im Interesse der Grundrechte der aufsichtsunterworfenen Institute vorsieht. Flächendeckende, pauschale Vorgaben zur Vorhaltung von Sanierungskapazitäten für den Krisenfall hätten zwar den Vorteil, dass sich die Institute nicht fortwährend auf eine Änderung der rechtlichen Anforderungen einstellen müssten. Für einzelne Institute würden sie aber potentiell enorme, sachlich nicht gerechtfertigte Zusatzbelastungen zur Folge haben.185 Dort, wo eine individuell passgenaue Regulierung angestrebt wird, muss diesem Bedürfnis zwingend auch durch eine entsprechende Dynamisierung der rechtlichen Anforderungen der Weg bereitet werden.186 Dem Bedürfnis der Institute 181
Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 132 ff. Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 32; umf. dies., Der Zeitkonflikt in der Risikogesellschaft. Darauf replizierend Ladeur, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 41. Krit. auch schon Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 280, 382. 183 Philipp, AG 2015, 77, 80. Ähnl. auch Weber, in: Oberender (Hrsg.), Reform der Finanzmarktregulierung, S. 47, 56. 184 S. ErwG 120 BRRD und schon Kommission, COM(2009) 561 final, S. 5, dort mit Blick auf die Rechtssicherheit für Aktionäre und Gläubiger. 185 Zur parallelen Diskussion um allg. Trennbankenregelungen vs. individuelle Eingriffsmaßnahmen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit s. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 27 ff. 186 Vgl. früh aus rechtspolitischer Perspektive auch Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 12 f. („Credible living wills require careful iteration, „generational concept“). Die Unvermeidbarkeit unvorhersehbarer Eingriffe speziell in Aktionärsrechte betonend auch Babis, 6 LFMR 387, 393 (2012) („[. . .] any legal framework is limited by the inability to predict the exact nature and extent of future crises, and 182
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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nach Rechtssicherheit wird zudem, wenn auch nicht auf Inhalts-, so doch auf Verfahrensebene Rechnung getragen. Nicht nur zeichnen die §§ 12 ff. SAG, Art. 16 ff. del. VO 2016/1075 den Prozess der Erstellung, Bewertung und Aktualisierung der Pläne vergleichsweise detailliert vor. Innerhalb dieser Verfahren können die Institute den Behörden auch ihre Gründe vortragen, warum eine Überarbeitung des Sanierungsplanes gegenwärtig (noch) nicht gerechtfertigt sein soll.187 Das Fehlen abschließender Sicherheit über die zukünftigen materiellen Plananforderungen mag aufsichtsrechtlich schließlich auch deshalb wünschenswert sein, weil es geeignet ist, stabilitätsförderliche indirekte Steuerungseffekte auszulösen. In der Erwartung regelmäßiger Revisionen ihrer Sanierungspläne könnten die Institute tendenziell eher veranlasst sein, aus eigenen Stücken von Unternehmenspraktiken abzusehen, die insofern „grenzwertig“ erscheinen, als sie unter nur leicht veränderten Instituts- und Marktumständen nicht mehr mit dem Ziel einer jederzeitigen Sanierbarkeit gem. § 13 Abs. 4 SAG vereinbar wären. Angeregt wird stattdessen eine vorausschauende Planung, die auch etwaige zukünftige Veränderungen in den rechtlichen Planungsanforderungen bereits frühzeitig antizipiert, um frustrierte Investitionskosten zu sparen. Ein flexibles Sanierungsplanungsrecht könnte dadurch das Aktivitätsniveau der Institute indirekt begrenzen und einem aufsichtsrechtlich unerwünschten, ausuferndem Innovationsstreben mit potentiell höheren systemischen Risiken entgegenwirken.188 d) Planaktualität als Voraussetzung für Restrukturierungsmaßnahmen? Auf unmittelbar rechtspraktischer Ebene hat das Bedürfnis nach jederzeit aktuellen Sanierungsplänen schließlich die Frage aufgeworfen, wie mit der Planaktualisierungspflicht im Zusammenhang mit Übernahmen oder Fusionen umzugehen ist. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive besteht hier das Interesse, dass die Institute bereits unmittelbar nach Vollzug der Umstrukturierung über aktuelle Sanierungspläne verfügen und die Pläne nicht erst in einem nachgelagerten Verfahren aktualisieren mit der Folge, jedenfalls zeitweilig nur unzureichend auf etwaige Krisenlagen vorbereitet zu sein.189
therefore no absolute degree of certainty for shareholders can realistically be expected.“); ähnl. Alexander, 9 J.C.L.S. 61, 81 (2009). 187 Vgl. allg. Calliess, Prozedurales Recht, S. 271 („Rechtssicherheit auf der Metaebene der Prozeduren“); Maus, KJ 1986, 390, 404. S. auch Appel, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit, S. 113, 132. 188 Im Ansatz ähnl., wenngleich in anderem Zusammenhang, Pistor, 41 J. Comp. Econ. 315, 329 (2013). 189 Vgl. de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.21 f. unter Verweis auf praktische Erfahrungen im Abwicklungsfall Fortis Bank Nederland.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
Ansatzpunkt für eine Problemlösung könnten hier die Vorschriften über den Erwerb bedeutender (qualifizierter) Beteiligungen in § 2c KWG (bzw. Art. 23 CRD-IV) sein. Die Vorschrift ermöglicht eine aufsichtsbehördliche Untersagung von Beteiligungserwerben unter anderem dann, wenn das jeweilige Institut nach dem Erwerb voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine aufsichtsrechtlichen Anforderungen zu erfüllen (§ 2c Abs. 1b Nr. 2 Fall 1 KWG), wenn infolge des Erwerbs ein Unternehmensverbund entsteht, der aufgrund der Struktur des Beteiligungsgeflechts oder mangelhafter wirtschaftlicher Transparenz eine wirksame Aufsicht beeinträchtigt (§ 2c Abs. 1b Nr. 2 Fall 2 KWG) oder wenn der potentielle Beteiligungserwerber nicht über die notwendige finanzielle Solidität verfügt (§ 2c Abs. 1b Nr. 6 KWG). Eine vorübergehende190 Untersagung auf Grundlage von § 2c Abs. 1b Nr. 2 Fall 1 KWG wird im hiesigen Zusammenhang regelmäßig ausscheiden. Denn die Rechtspflicht zur Planaktualisierung entsteht ausweislich § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG erst mit Vollzug der Umstrukturierung. Ab diesem Zeitpunkt hat das Institut mindestens drei Monate Zeit, den Plan zu überarbeiten.191 Hier soll aber gerade eine angemessene Krisenvorbereitung in der Zwischenzeit, unmittelbar nach Vollzug des Beteiligungserwerbs, sichergestellt werden. Ebenfalls eher fernliegend ist eine vorübergehende Untersagung gem. § 2c Abs. 1b Nr. 6 KWG. Die Regelbeispiele des Tatbestandes machen deutlich, dass sich der Begriff der finanziellen Solidität auf die mikroprudenziellen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen bezieht. Möglich erscheint indes eine vorübergehende Untersagung § 2c Abs. 1b Nr. 2 Fall 2 KWG. Dazu muss die Aufsichtsbehörde darlegen, dass ohne einen aktualisierten Sanierungsplan, einschließlich der darin enthaltenen Unternehmensbeschreibung, eine effektive Aufsicht über das Institut beeinträchtigt ist.192 Dort, wo dies nicht der Fall ist, wo eine frühzeitige Vorlage des aktualisierten Sanierungsplans also aus anderen Gründen zwingend geboten erscheint, käme schließlich nur eine vorübergehende Untersagung des Beteiligungserwerbs auf Grundlage der allgemeinen Generalklausel gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG in Betracht.
III. Diskursorientierung der Sanierungsplanung Die vorstehenden Betrachtungen haben deutlich gemacht, dass die §§ 12 ff. SAG auf eine Vorverlagerung des aufsichtsrechtlichen Steuerungszugriffs hinwirken und die Formulierung krisenbezogener Entscheidungsprämissen anregen, welche in einem zeitlich geöffneten Verfahren fortwährend an die aktuellen Um-
190 Die Untersagung wäre etwa unter der auflösenden Bedingung der Vorlage und der behördlichen Prüfung des aktualisierten Sanierungsplans denkbar. 191 S. schon oben, Abschnitt § 4 C. III. 192 Eher kritisch aber de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.22.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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weltbedingungen anzupassen sind. Mit dieser Einordnung sind allerdings noch keine Aussagen über den im Sanierungsplanungsrecht angelegten Modus zur Formulierung der Planinhalte und der im Krisenstadium gebotenen Maßnahmen getroffen. In geradezu apodiktischer Kürze legt § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG insoweit fest, dass es die Institute sind, die – sofern nicht ausnahmsweise befreit – einen Sanierungsplan zu erstellen haben. Deren Recht- und Zweckmäßigkeit ist gem. § 15 Abs. 2 SAG von den Aufsichtsbehörden zu überprüfen.193 Wohl unter Bezugnahme auf eben diese Formulierungen und in Abgrenzung zur Abwicklungsplanung wird in der Interpretation des Sanierungsplanungsrechts regelmäßig ein zweischrittiger Verfahrensablauf betont. Dieser sei durch eine umfassende Verantwortung der Institute für Fragen der Planerstellung gekennzeichnet, während die Rolle der Aufsichtsbehörden demgegenüber in einer nachgelagerten und insofern reduzierten Kontrollverantwortung gesehen wird.194 Ein derart statisch-dualistisches Verständnis der Sanierungsplanung greift jedoch zu kurz. Es verdeckt, dass der Rechtsrahmen in weiten Teilen auf einen fortlaufenden Diskussions- und Kommunikationsprozess zwischen den Instituten und den Aufsichtsbehörden ausgerichtet ist, der dem Planungsverfahren eine stark kooperative Prägung gibt. Angelegt ist diese, hier als Diskursorientierung umschriebene Verfahrensstruktur sowohl in den materiellen Plananforderungen (dazu 1.) als auch in den Verfahrensregeln der Sanierungsplanung (dazu 2.). Wichtige praktische Konsequenz der Diskursorientierung des Sanierungsplanungsrechts ist eine reduzierte gerichtliche Kontrolldichte behördlicher Entscheidungen in allen komplexen und prognoseabhängigen Planungsfragen (dazu 3.). 1. Diskursorientierung der materiellen Plananforderungen Strukturell angelegt ist die Diskursorientierung des Sanierungsplanungsrechts bei näherer Betrachtung bereits auf materiell-rechtlicher Ebene. Anknüpfungspunkt ist auch hier die Tatsache, dass die §§ 12 ff. SAG und die Art. 5 ff. del. VO 2016/1075 die inhaltlichen Anforderungen an die Gestaltung der Pläne ganz überwiegend in Form folgenorientierter Zweckprogramme formulieren, die eine Vielzahl unbestimmter und ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe enthalten.
193
Zu diesem Verfahren im Überblick schon oben, Abschnitt § 4 C. II. 2. b). S. statt vieler Alexander, 14 ERA Forum 81, 86 (2013); Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 438, passim; Chattopadhyay, WM 2013, 405, 407. Deutlich ferner Psaroudakis, in: Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen, S. 41, 44 (Sanierungsplanung der Institute komme einer autonomen Vorfeldmaßnahme gleich und ähnele der insolvenzrechtlichen Eigenverwaltung; die Aufsichtsbehörde „begleite“ diese Vorfeldmaßnahme im öffentlichen Interesse durch Bewertung und Genehmigung) sowie Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 276 (Verf. sprechen von einer „autonomen“ Planung durch die Institute und ordnen das Instrument der Selbstregulierung zu). Aus rechtspolitischer Perspektive Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 211 (2013). 194
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
Zwar können diese Rechtsbegriffe überwiegend durch Auslegung konkretisiert und die praktische Handhabung der Normen dadurch in weiten Teilen angeleitet werden.195 Vollkommen auf die Rechtsanwendungsebene verlagert ist aber die Beurteilung der Frage, wann im Einzelfall welche konkrete Plangestaltung geeignet ist, den gesetzlich formulierten Zielanforderungen gerecht zu werden.196 Dieser Regelungsmodus hat erhebliche Auswirkungen auf die praktische Handhabung des Regimes: Das Sanierungsplanungsrecht stellt seine Adressaten vor Fragestellungen, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht derart komplex ausfallen,197 dass eine unreflektierte, ritualhafte Rechtsanwendung weitgehend unmöglich ist. Anstelle formalistischer Subsumtion verlangt es nach „situationsangepassten Wahlentscheidungen“ 198, im Rahmen derer eine Vielzahl institutsund marktbezogener Tatsachen auszuwerten, Interessen zu gewichten und abwägend in Ausgleich zu bringen sind.199 Dieser Analyse- und Abwägungsprozess ist seinem Wesen nach darauf angelegt, verschiedene Standpunkte einzunehmen und aufgeworfene Probleme aus möglichst vielen Perspektiven zu beurteilen. Bei Lichte betrachtet ist es damit bereits die materiell-rechtliche Struktur der Plananforderungen, die Kommunikation anregt, Verständigung fördert und dem Sanierungsplanungsrecht die für Zweckprogramme so typische kooperative und pluralistische Struktur gibt.200 In diesem Zusammenhang kann zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Gesetzgeber den gesamten Planungsvorgang Akteuren überantwortet, die jedenfalls im Ansatz über unterschiedliche Interessenlagen verfügen: Während die Geschäftsleitung der Institute ihre Entscheidungen grundsätzlich primär am Unternehmens- bzw. Aktionärswohl ausrichtet (§§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG), ist die Aufsichtsbehörde durch die gemeinwohlbezogenen Ziel- und Funktionsvorgaben des Bankenaufsichtsrechts, darunter maßgeblich auch Systemschutzinteressen (§ 6 Abs. 2 KWG), gebunden. Zwar mögen beide Zielkoordinaten im An195
S. schon im Einzelnen oben, Abschnitt § 4 A. Im Falle regelförmiger Programmierung wird diese normativ-rechtsgestaltende Operation bereits primär auf der Normebene durch den Gesetzgeber selbst vorgenommen, vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 244; Wundenberg, Compliance, S. 57 (letzterer übertragbar zum Vergleich von „Regeln“ und „Prinzipien“). 197 Zu den Herausforderungen in tatsächlicher Hinsicht schon oben, Abschnitt § 5 A. Zu den rechtlichen und tatsächlichen Abwägungen bei der Prüfung unternehmensbezogener Eingriffe gem. § 16 SAG noch unten, Abschnitt § 5 D. 198 Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 15. 199 Prägnant formuliert Breuer, AöR 127 (2002), 523, 527: Unter Finalprogrammen obliege dem Rechtsanwender nicht die „kognitive Rechtserkenntnis und Subsumtion, sondern eine eigenständige und volitive Gestaltung nach Maßgabe gesetzlicher Direktiven“. Vgl. auch Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, S. 170 sowie nochmals Wundenberg, Compliance, S. 57. 200 Vgl. nochmals Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 241 sowie Bizer/Führ, in: dies./Hüttig (Hrsg.), Responsive Regulierung, S. 1, 4. 196
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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wendungsfeld der Sanierungsplanung regelmäßig parallel laufen: Eine effektive Krisenvorbereitung ist, wie das Aktienrecht in § 91 Abs. 2 AktG mittlerweile explizit verdeutlicht, im Ausgangspunkt sowohl aus unternehmerischer als auch aus aufsichtsbehördlicher Perspektive ein sinnvolles Unterfangen. Auch dürften Finanzstabilitätsgesichtspunkte grundsätzlich im Interesse beider Seiten sein, jedenfalls soweit davon auch das jeweilige Institut unmittelbar profitiert.201 Anders als die Aufsichtsbehörde dürfte die Geschäftsleitung den intern entstehenden Planungsaufwand aber wesentlich stärker unter Kosten- und Effizienzgesichtspunkten hinterfragen.202 Zudem wird sie eher weniger geneigt sein, Systemrisikoaspekte zu berücksichtigen, die vorrangig Dritten zugute kommen.203 Es steht zu erwarten, dass sich diese strukturellen Abweichungen in der Interessenlage der Beteiligten auch in der jeweiligen Auslegungspraxis widerspiegeln werden. Schließlich gehört es heute zu den Grundeinsichten der empirischen Rechtsforschung, dass praktische Normanwendung selten auf einem rein objektiven Erkenntnisprozess basiert, sondern (bewusst oder unbewusst) maßgeblich auch interessengeleitet erfolgt.204 Viel spricht deshalb dafür, dass die Planungsvorschläge der Institute bzw. der Aufsichtsbehörden im Wesentlichen „ihre Sicht der Dinge“ repräsentieren,205 im Zweifel voneinander abweichen und insofern einen kontroversen Austausch zwischen den Beteiligten provozieren werden.206 2. Diskursorientierung des Verfahrensrahmens Diese Offenheit der Planung für Diskussionsprozesse spiegelt sich auch in den Verfahrensregeln des Regimes wider. In diesem Zusammenhang lohnt zunächst eine Betrachtung der Planbewertungsvorschriften in § 16 SAG. Nicht nur ordnet 201
Thiele, Finanzaufsicht, S. 216. S. schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 203 Vgl. Becker, ZG 2009, 123, 125 ff.; Teichmann, in: Allmendinger/Dorn/Lang et al. (Hrsg.), Corporate Governance, S. 41, 72; ferner FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 6. 204 Vgl. aus Sicht des US-amerikanischen Rechtsrealismus grundlegend schon Frank, Law and the Modern Mind. Mit knappem Überblick über das bedeutendste Schrifttum im Übrigen Raiser, Grundlagen der Rechtssoziologie, 6. Aufl. 2013, S. 38 f. Vgl. auch Braun, Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 2011, S. 390 f. Diese empirischen Einsichten spiegeln sich heute auch in der Erkenntnistheorie wieder. Dazu zsf. mit Blick auf die Rechtswissenschaft Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 57 ff. („Für die Kunstfigur eines idealisierten [. . .] Rechtsanwenders [. . .] ist in einer modernen Rechtswissenschaft kein Platz mehr.“, a. a. O., S. 60). 205 Vgl. auch Clarke, Mission Improbable, S. 16 ff. aus soziologischer Perspektive zur Tendenz einer interessengeleiteten Erstellung präemptiver Krisenreaktionspläne aller Art, namentlich dann, wenn diese von Risikoverursachern selbst erstellt werden. 206 Vgl. auch Weber/Dartsch, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 193, 204 mit der praktischen Erfahrung, dass auch in der Frühphase der Planung häufig bereits (informelle) Abstimmungen mit den Aufsichtsbehörden über die rechtlichen Planungsanforderungen geboten sind. 202
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
die Vorschrift den Erlass korrektiver Maßnahmen einer streng gestuften, nach Eingriffsintensität geordneten Eskalationslogik unter. Auf jeder Stufe des Verfahrens ist zudem ein neuerlicher Dialog vorgesehen, innerhalb dessen die Institute konkrete Vorschläge zur Beseitigung der diagnostizierten Planungsdefizite machen können, die im Zweifel auch Vorrang vor behördlichen Anordnungen genießen.207 Die Verfahrensposition der Institute wird so gezielt über die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens (§ 28 VwVfG) hinaus aufgewertet und die aufsichtsbehördlichen Eingriffsbefugnisse werden, wenngleich isoliert betrachtet hoheitlich-imperativer Natur,208 durch einen diskursiven Rahmen eingehegt. Faktisch gleichgeordnet werden Institute und Aufsichtsbehörden überdies dadurch, dass letztere einem umfassenden Informationsdefizit unterliegen, die Planungsbeiträge der Institute deshalb ungeachtet ihrer formalen Befugnisse nur bedingt ersetzen können und schon deshalb langfristig auf ein kooperatives Vorgehen angewiesen sind.209 Ein ähnliches Bild ergibt sich auch mit Blick die Vorschriften, die die Umsetzung der Sanierungspläne betreffen. Bereits die im Sanierungsplanungsrecht formulierten Dokumentations- und Berichtspflichten210 wirken auf einen ständigen Kontakt zwischen den Instituten und den Aufsichtsbehörden im Hinblick auf alle Fragen des planungsbasierten Krisenmanagements hin. Weiter verstärkt wird die Ausrichtung auf ein kooperatives, dialogbasiertes Vorgehen der Institute durch die umfangreichen krisenbezogenen Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden unter anderem in Art. 16 Abs. 1 SSM-VO, §§ 36 ff. SAG und §§ 45, 46 KWG. Ihre bloße Existenz dürfte in den Instituten einen nicht unerheblichen Anreiz auslösen, öffentlichkeitswirksamen Interventionen von außen zuvorzukommen, indem sie mögliche Sanierungsmaßnahmen frühzeitig mit den relevanten Behörden abstimmen.211 Ohnehin ist ein informelles Verwaltungshandeln basierend auf
207 Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 5. In den Konsultationen zur del. VO 2016/1075 wurde vereinzelt gefordert, gerade diese Dialogorientierung durch konkretisierende verfahrensbezogene Vorgaben weiter auszugestalten. Die EBA wies diesen Vorschlag unter Verweis auf Art. 5 Abs. 10 BRRD zurück. Das Mandat umfasse nur eine Konkretisierung der inhaltlichen Plananforderungen, nicht aber der Verfahrensregeln, vgl. EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 21. 208 Dies betonend Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 348, 351 f. Ähnl. auch Binder, ZBB 2015, 153, 163, der u. a. unter Verweis auf die Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden feststellt, der aktuelle Sanierungsrahmen sei Ausdruck eines Funktionsverständnisses der Sanierungsplanung, das über eine nur prozedurale Konzeption hinaus gehe. 209 Vgl. allg. Thiele, Finanzaufsicht, S. 214; ähnl. auch Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 45. Ausf. zu diesen informationellen Aspekten auch noch sogleich unten, Abschnitt § 5 B. IV. 210 § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 MaSanV, Art. 14 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/1075. 211 Ähnl. Cichy/Schönen, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 197, 213 und schon Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 12. S. allg. zur Finanzaufsicht Thiele, Finanzaufsicht, S. 213, 217.
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persönlichen Kontakten und „weichen“ Vereinbarungen heute gerade im Bankenaufsichtsrecht Kernbestandteil der Aufsichtspraxis.212 Jüngst hat die EZB dies noch einmal betont und auf die Möglichkeit von Gesprächen oder aufsichtlichen Anschreiben als vorrangiges Mittel vor formellen Eingriffsmaßnahmen hingewiesen.213 All dies spricht für ein Verständnis, das den Planungsprozess nicht statisch in getrennten Phasen der institutsinternen Erstellung, der behördlichen Bewertung und, soweit erforderlich, der institutsautonomen Umsetzung der Sanierungspläne begreift. Vielmehr ist die Sanierungsplanung als ein flexibles Verfahren zu verstehen, in das alle Beteiligten ihre jeweiligen Interessen und Problemperspektiven einbringen und diskursive Lösungen zu der Frage entwickeln können, wie die gesetzlich vorgezeichneten Steuerungsziele im Einzelfall optimal zu verwirklichen sind.214 Dabei dürfte das konkrete Ausmaß, mit dem dieser Dialog betrieben wird, naturgemäß maßgeblich von der systemischen Relevanz der Institute und den aktuellen ökonomischen Rahmenbedingungen abhängen.215 3. Praktische Konsequenz: Reduzierte gerichtliche Kontrolldichte Die Diskursorientierung des Verfahrens hat praktische Konsequenzen auch auf Rechtsschutzebene. Im Rahmen des Planungsprozesses getroffene Behördenentscheidungen sind gerichtlich in weiten Teilen nur eingeschränkt überprüfbar.216 Die eingeschränkte Kontrollfunktion der Gerichte erschließt sich zum einen aus der Aufgabenverteilung, die in der prozedural-diskursorientierten Struktur des Planungsverfahrens zum Ausdruck kommt: Entscheidend ist auch hier der Befund, dass die inhaltlichen Planungsanforderungen überwiegend nur rahmenförmig formuliert wurden, was aus Sicht der Institute und Behörden zu breiten 212 Statt vieler Thiele, a. a. O., S. 213, 215 ff. Allg. zu dieser Aufsichtsform ferner Fehling, in: GVwR II, § 38. 213 EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, 9/2014, Rn. 78; dies., SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 98, 116. Binder, EBOR 18 (2017), 401, 404 hebt indes hervor, dass die EZB, anders als die BaFin, eher weniger zu informellen Kontakten neigt. 214 Ähnl. mit Blick auf die Abwicklungsplanung unter Beteiligung verschiedener Behörden im SRM Smoleñska, in: Grundmann/Micklitz (Hrsg.), European Banking Union, S. 169, 195, 200. Vgl. im hiesigen Zusammenhang ferner Minto, ECFR 2018, 772, 798, 802; den Dialogcharakter des Verfahrens betotend auch Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 315 (2014); Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 2; Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 2 sowie EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 21 (dortige Konsultationszusammenfassung). 215 Eine solche Priorisierung des behördlichen Ressourceneinsatzes folgt schon aus dem Proportionalitätsgrundsatz (s. dazu oben, Abschnitt § 3 D. I.). S. aus beobachtender Perspektive für die Bankenaufsicht insgesamt auch Lütz, Staat und die Globalisierung, S. 308. 216 Zur gerichtlichen Überprüfung von Geschäftsleiterentscheidungen im Rahmen der Sanierungsplanung s. u., Abschnitt § 7 A. II. 2. b) dd).
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„Optionenräumen“ 217 in der Planungspraxis führt. Wenn aber die rechtliche Entscheidungssteuerung derart gezielt zurückgenommen und die Formulierung letztverbindlicher Handlungsmaßstäbe einem dialogartigen Verfahren auf Rechtsanwendungsebene überantwortet wurde, das zudem auch über ausgeprägte Expertise und Sachnähe verfügt, dann hat dies Rückwirkungen auch auf die Prüfungsintensität der Gerichte. Denn ihre Funktion besteht allein in einer Verhaltenskontrolle nach Maßgabe rechtlicher Vorgaben.218 Als Kontrollinstanz kann sie entsprechend nur insoweit auftreten, wie rechtliche Vorgaben (implizit oder explizit) auch formuliert wurden. Dazu gehören im hiesigen Kontext vor allem die in §§ 12 ff. SAG angelegten Pflichten zur Sachverhaltsermittlung, Konsultation und Entscheidungsbegründung. Gefordert ist letztlich eine gerichtliche (Selbst-)Beschränkung, die die Rationalitätspotentiale des spezialisierten Planungsdiskurses zwischen Instituten und Behörden anerkennt und die eigene Kontrolle auf eine Einhaltung der prozeduralen Rahmenbedingungen beschränkt, die eben diese rationalen Entscheidungen hervorbringen sollen.219 An die Stelle einer gerichtlichen Sachprüfung, tritt zunehmend eine nur nachvollziehende Ergebniskontrolle.220 Anhaltspunkte für eine solchermaßen reduzierte gerichtliche Kontrolldichte finden sich auch unmittelbar in der BRRD. In Anlehnung an die seit vielen Jahren gefestigte Rechtsprechung des EuGH221 begründet die BRRD die gesteigerte Entscheidungsautonomie der Aufsichtsbehörden allerdings weniger aus der Struktur der Entscheidungsverfahren, als vielmehr aus der Natur der aufgeworfenen Sachfragen: Aufschlussreich sind insoweit vor allem die Aussagen in ErwG 89. Darin fordert der europäische Gesetzgeber einen „breiten Ermessensspielraum“ der nationalen Abwicklungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, der auch von den nationalen Gerichten zu achten sei. Zur Begründung
217
Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 44. Vgl. nur Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 V. Rn. 104. 219 Vgl. Calliess, Prozedurales Recht, S. 271; ders., ZfRSoz 21 (2000), 293, 307 ff. 220 S. auch Franzius, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 248, 263; Wahl, Herausforderungen und Antworten, S. 74 f.; Wahl/Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 1, 113 f. (dort, jeweils m.w. N., mit Blick auf das Risikoverwaltungsrecht insgesamt). 221 Der EuGH neigt traditionell dazu, die Angemessenheit von Behördenentscheidungen eher durch eine verfahrensbezogene, als durch eine materiell-inhaltliche Prüfung zu gewährleisten. Beschränkend auf die Prüfungsintensität wirken sich vor allem eine unbestimmte Ermächtigungsgrundlage, besondere Komplexität und Prognoseabhängigkeit des Lebenssachverhalts sowie eine institutionalisierte Beteiligung besonderen Sachverstandes bei der Entscheidungsfindung aus. Dort, wo der EuGH eine Entscheidungsautonomie der Behörde feststellt, arbeitet er einheitlich mit dem Begriff des „Ermessens“. Zum Ganzen ausf. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 165 ff., 175 ff.; ferner Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der EU, 72. EL (Stand: 2/2021), Art. 263 AEUV Rn. 186 ff. 218
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verweist er auf die besondere wirtschaftliche Komplexität der vorzunehmenden Bewertungen und auf das spezifische Fachwissen, über das die Behörden zur Durchführung dieser Bewertungen verfügen. Zwar bezieht sich der Gesetzgeber dabei ausdrücklich nur auf die Anwendung von Krisenmanagementmaßnahmen, wozu insbesondere die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen gehört.222 Im Ansatz ähnliche Aussagen finden sich jedoch an anderer Stelle auch für präventive behördliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Abwicklungsfähigkeit der Institute gem. Art. 17 f. BRRD (§§ 59 f. SAG).223 Nimmt man die in ErwG 89 genannten Kriterien beim Wort, dann muss eine entsprechende Entscheidungsautonomie auch den Aufsichtsbehörden im Rahmen der Sanierungsplanung zustehen. Denn auch hier ist die Komplexität der aufgeworfenen Sachfragen vergleichbar und die behördliche Expertise ähnlich hoch.224 Die Vorschriften des Sanierungsplanungsrechts selbst scheinen dies zum Ausdruck zu bringen, indem sie verschiedentlich von einer behördlichen „Einschätzung“ oder gar von einer „nach vernünftigem Ermessen gegebenen Wahrscheinlichkeit“ sprechen.225 Schließlich verweist auch die EBA auf die Notwendigkeit einer fachlichen Einschätzung („professional judgment“) bei der Bewertung der Sanierungspläne.226 Im Ergebnis spricht damit viel dafür, auch im Sanierungsplanungsrecht überall dort einen Beurteilungsspielraum der Aufsichtsbehörden anzunehmen,227 wo ein 222
S. zum Begriff Art. 2 Abs. 1 Nr. 102 BRRD. Auch in ErwG 29 BRRD ist, wenngleich nur knapp, von einem „Ermessensspielraum der Behörden“ die Rede. 224 Zwar ist die Bewertung der Sanierungspläne anders als das Krisenmanagement der Abwicklungsbehörden nicht von einer vergleichbaren Situationsdynamik und Zeitdruck gekennzeichnet. Ihre ökonomische Komplexität folgt aber aus ihrem prognostischen Charakter, der auf einer wertenden Betrachtung einer Vielzahl sich wechselseitig bedingenden instituts- und marktbezogenen Faktoren beruht. S. dazu schon oben, Abschnitt § 5 A. 225 S. Art. 6 Abs. 5 BRRD sowie Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. c, Art. 19 Nr. 1 und 2 del. VO 2016/1075. Vgl. auch Schenke, in: Kopp/ders. (Hrsg.), VwGO, 27. Aufl. 2021, § 114 Rn. 24, der in ähnlichen Formulierungen ebenfalls eine Einräumung behördlichen Beurteilungsspielraumes erblickt. 226 EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 6. 227 Im hiesigen Zusammenhang ähnl., wenngleich ohne nähere Differenzierung, auch Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 31. Anders aber, jedoch ohne Begründung, Pannen, Sanierung – Abwicklung – Insolvenz, 4. Aufl. 2021, Kap. 2 Rn. 23. Auch an anderen Stellen des Aufsichtsrechts wird heute verbreitet ein Beurteilungsspielraum angenommen. S. z. B. Dechent, NVwZ 2015, 767, 769 (zu § 6b KWG); Sedlak, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. IV. Rn. 28 (zu § 36 Abs. 1 SAG); Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 63 (zu Art. 18 Abs. 1 SRM-VO, m.w. N.); offenbar auch Binder, ZBB 2017, 57, 65 f. (zur Anwendung des Bail-In-Mechanismus); implizit zu Art. 70 Abs. 1 SSM-RVO zuletzt wohl auch EuG EuZW 2017, 461, Rn. 141, 146 (dazu Witte, EuR 2017, 648, 657). Allg. zum Ermessen der EZB bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse nach der SSM-VO Berger, WM 2016, 2361, 2362 ff.; Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 434 ff.; s. ferner Brescia Morra, Administrative and Judicial Review, S. 30 ff. 223
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
diskursorientierter Verfahrensmodus und eine hohe Sachkomplexität zusammentreffen. Im Einzelnen gilt dies etwa für die materiell-inhaltliche Plan- und Unternehmensbewertung gem. Art. 18, 19 del. VO 2016/1075 und § 15 Abs. 2 Satz 2 SAG sowie im Verfahren nach § 16 SAG.228 In diesen Fällen führt die behördliche Entscheidungsautonomie dazu, dass der EuGH die Aufsichtsbeschlüsse der EZB nur einer reduzierten Überprüfung unterzieht: In tatsächlicher Hinsicht prüft er eine zutreffende Sachverhaltsermittlung.229 Die rechtliche Prüfung umfasst eine richtige Auslegung der der EZB-Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsbegriffe, die Einhaltung von Verfahrens- und Begründungspflichten230 sowie die Frage, ob die Sachverhaltsbeurteilung der EZB nicht offensichtlich fehlerhaft oder ermessensmissbräuchlich war.231 Ein weitgehend vergleichbares Prüfprogramm wenden auch die deutschen Verwaltungsgerichte an.232
228 Keine derartige Entscheidungsautonomie rechtfertigen z. B. die Vorschriften zur Bewertung der Vollständigkeit und Qualität der Pläne (Art. 16 und Art. 17 Nr. 1, 2, 4 del. VO 2016/1075). Zwar weisen auch diese Tatbestände unbestimmte Rechtsbegriffe auf (vgl. Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47a KWG Rn. 2, 19, mit diesem Argument pauschal für einen Beurteilungsspielraum in § 47a Abs. 1, 3 KWG a. F.). Entscheidend ist aber, dass die Prüfung der Tatbestände weitgehend formalistisch erfolgen kann. Anderes gilt demgegenüber für die Prüfung der Systemrelevanz von Instituten gem. §§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 SAG, die ebenfalls komplexe, prognostische Risikobeurteilungen verlangen, vgl. Günther, WM 2010, 825, 829; Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 33; ders., WiVerw 1/2010, 47, 57. Daneben besteht eine behördliche Entscheidungsautonomie schließlich überall dort, wo die Normen die geläufige „Kann“-Struktur aufweisen. In der dt. Prüfungsstruktur liegt hier freilich ein Rechtsfolgeermessen vor. 229 Diese soll sich auf die sachliche Richtigkeit, Zuverlässigkeit, Kohärenz und Vollständigkeit der vorgelegten Beweise erstrecken, vgl. z. B. EuGH Urt. v. 8.12.2011 – C386/10 P, ECLI:EU:C:2011:815 Rn. 54 – Chalkor/Kommission (m.w. N.). Alle entscheidungserheblichen „normativen Tatsachen“, etwa zur Risikolage des Instituts, untersucht der EuGH nur auf evidente Unzulänglichkeiten hin, vgl. EuG Urt. v. 27.1.1998 – T-67/ 94, ECLI:EU:T:1998:7 Rn. 147 – Ladbroke Racing/Kommission; EuGH Urt. v. 15.6. 1993 – C-225/91, ECLI:EU:C:1993:239 Rn. 23 – Matra/Kommission. 230 Gerade einer umfassenden Entscheidungsbegründung kommt aus Sicht des EuGH eine entscheidende Bedeutung zu, wann immer die Behörde über ein weites Entscheidungsermessen verfügt, vgl. EuGH Urt v. 16.6.2015 – C-62/14, ECLI:EU:C:2015:400 Rn. 69 f. – Gauweiler u. a. 231 S. stellv. EuGH Urt. v. 19.11.1998 – C-150/94, ECLI:EU:C:1998:547 Rn. 54 – Vereinigtes Königreich/Rat; m.w. N. auch Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg)., Das Recht der EU, 72. EL (Stand: 2/2021), Art. 263 AEUV Rn. 192. Tragende Bedeutung dürfte dabei vor allem die Achtung des allgemeinen Gleichheitssatzes, des Vertrauensschutzprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes haben, vgl. Berger, WM 2016, 2361, 2364 f. 232 S. stellv. Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 101.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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IV. Wissens- und Lernorientierung der Sanierungsplanung Die Effektivität staatlicher Aufgabenwahrnehmung wird maßgeblich durch die Qualität der den staatlichen Stellen zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen bestimmt.233 Das Risikoverwaltungsrecht ist in diesem Zusammenhang mit dem Umstand konfrontiert, dass es, anders als etwa die klassische Gefahrenabwehr,234 nur bedingt über allgemein zugängliche Wissensbestände, Lebenserfahrungen und darauf aufbauende Konventionen verfügt. Zentrale Herausforderung ist hier die fortlaufende Erzeugung von steuerungsrelevanten Informationen und darauf aufbauendem Wissen.235 Im Bereich der Bankenaufsicht gilt dies gerade dann, wenn sie sich einem Instrumentarium bedient, dass eine derart hohe Steuerungstiefe besitzt, wie dies beim Instrument der Sanierungsplanung der Fall ist.236 Die Sanierungsplanung ist so stark auf die individuellen Strukturen der Institute zugeschnitten, dass der mit ihr verbundene Wissensbedarf um die Interna der Unternehmen sinnvoll nur von den dort beschäftigten Personen auf Grundlage täglicher Arbeitserfahrung generiert werden kann.237 Das sanierungsplanungsrelevante Wissen ist damit in erheblichen Teilen exklusives Organisationswissen.238 Mit dieser Wissenshoheit der Institute korrespondiert das Informations- und Wissensbedürfnis der Aufsichtsbehörden.239 Informationen und Wissen über die Unternehmensstruktur, 233 Fassbender, in: HdbStR IV, § 76 Rn. 2; Voßkuhle, in: GVwR I, § 1 Rn. 11, Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 9, 12 ff. Ferner m.w. N. Kaufhold, in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen, S. 151, 151 (Fn. 1). 234 Vgl. Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, S. 12 ff.; ferner Reiling, Der Hybride, S. 28 ff. 235 S. stellv. Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), S. 214, 217; Di Fabio, in: FS Ritter, S. 807, 820 ff.; Franzius, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 248, 257. Zum Informations- und Wissenbegriff s. schon oben § 5 Fn. 12. 236 Zum Zusammenhang zwischen Steuerungstiefe und Wissensbedarf etwa Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 59; Franzius, in: a. a. O., S. 248, 257; vgl. im bankenaufsichtlichen Zusammenhang auch Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 358; Engel, Systemrisikovorsorge, S. 99 ff., 127 ff. 237 Vgl. ErwG 26 BRRD. S. früh aus rechtspolitischer Perspektive auch Zimmer/ Fuchs, ZGR 2010, 597, 605; ebenso Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 222. 238 Der Begriff des Organisationswissens beschreibt die Wissensbestände und das kognitive Potential, das exklusiv in einer Organisation angesiedelt ist. S. dazu zsf. und m.w. N. Reiling, Der Hybride, S. 53, 55. Instruktiv zur Entstehung von Organisationswissen durch organisationale Lernprozesse Miebach, Organisationstheorie, 2. Aufl. 2012, S. 153 ff. Das Organisationswissen ist ein Unterfall des sog. Sonderwissens, vgl. Trute, in: Röhl (Hrsg.), Wissen, S. 11, 17 f. (zur Abgrenzung von Allgemein- und Sonderwissen). 239 Vgl. Reiling, Der Hybride, S. 145 ff.; Hartmann-Wendels/Hellwig/Jäger-Ambrozewicz, Arbeitsweise der Bankenaufsicht, S. 25 (jeweils mit Blick auf die gesamte sog. qualitative Bankenaufsicht; zum Begriff s. u., Abschnitt § 6 A. I. 5.). Die hier getroffenen Aussagen decken sich auch mit aktuellen Erfahrungen aus der Aufsichtspraxis.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
Handlungskonzepte im Krisenfall sowie damit verbundene Risikopotentiale benötigen die Aufsichtsbehörden nicht nur zur Entwicklung eigener Krisenstrategien. Die aus der Sanierungsplanung resultierenden Informations- und Wissensbestände sind wesentliche Grundlage auch für die Abwicklungsplanung der Abwicklungsbehörden240 und können als ergänze Informationsquelle für die laufende Institutsaufsicht dienen.241 Aus dieser Perspektive scheint die Sanierungsplanung primär auf eine Informations- und Wissensgenerierung242 der Institute und ein davon abgeleitetes Lernen der Behörden zur effektiven Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben gerichtet zu sein.243 Eine derart isolierte, institutsbezogene Betrachtung bildet die tatsächlichen Informations- und Wissensbedürfnisse im Rahmen der Sanierungsplanung jedoch nur unzureichend ab. So wurde bereits deutlich, dass die Sanierungsplanung, soll sie wirksame Handlungskonzepte hervorbringen und Systemrisiken effektiv entgegenwirken, maßgeblich auch auf externe, systembezogene Informationen angewiesen ist. Um diese selbst zu generieren, verfügen die Institute aber über eine strukturell ungeeignete Analyseperspektive.244 Weiterer Wissensbedarf der Institute resultiert daraus, dass die Sanierungsplanung vom Gesetzgeber als sog. BestPractice-Konzept konzipiert wurde.245 Jeder Sanierungsplan soll nicht nur auf die individuellen Gegebenheiten des jeweiligen Instituts zugeschnitten sein, sondern auf konzeptioneller Ebene zugleich diejenige Praxis widerspiegeln, die sich im marktweiten Vergleich als besonders sachgerecht erwiesen hat. Auch die EntDort steht zunehmend infrage, inwieweit die Abwicklungspläne zukünftig weiterhin von den Abwicklungsbehörden erstellt werden sollen bzw. können. Angemahnt wird eine stärkere Einbindung der Institute in die Erstellung dieser Pläne. Vgl. Farkas, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 14, 24. 240 Den Konnex zur Abwicklungsplanung verdeutlicht schon § 15 Abs. 1 SAG. S. ferner § 42 Abs. 1 und 2 SAG, ErwG 26 BRRD; mit Blick auf die Anwendung der Abwicklungsinstrumente de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.15 (informelle Unterstützung durch die Geschäftsleitung unverzichtbar). 241 Auch dort ist eine intensive Genese von Wissen über institutsinterne Prozesse „Dreh- und Angelpunkt“ der Aufsicht, vgl. Reiling, Der Hybride, S. 159 (mit Blick auf den sog. SREP). S. dazu ausf. unten, Abschnitt § 6 A. I. 5. 242 Allg. zur Einordnung von Planungs- und Konzeptpflichten als „Verpflichtung zur Wissensgenerierung“ Trute, in: Röhl (Hrsg.), Wissen, S. 11, 25 f. 243 In diese Richtung schon früh Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 606; ähnl. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 35, 78 (2013); Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 8; Minto, ECFR 2018, 772, 797 f., 800 f. Diese Perspektive ist auch mit Blick auf das sonstige mikroprudenzielle Bankenaufsichtsrecht verbreitet. S. mit Blick auf die aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (§ 25a KWG usw.) Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 347; allg. ferner Voß, Unternehmenswissen, S. 2. 244 S. dazu schon § 5 A. I. 245 S. schon früh Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 55 f. Ein solcher Ansatz beherrscht heute weite Teile des europäischen Aufsichtsrechts, vgl. verallgemeinernd z. B. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 6.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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wicklung einer solchen Best Practice ist auf eine übergreifende Perspektive angewiesen, in der die jeweils institutsintern entwickelten Lösungen vergleichend analysiert, bewertet und in branchenweite Standards übersetzt werden. Wiederum befinden sich die Institute insoweit in einer ungeeigneten Position. Beide Bedürfnisse, der Bedarf nach systembezogenen Informationen und der Bedarf nach aktuellem Best-Practice-Wissen, können letztlich nur von staatlicher Seite und unter Überwindung des individuellen Aufsichtsverhältnisses zwischen Institut und zuständiger Aufsichtsbehörde befriedigt werden.246 Um zu beantworten, wie das Sanierungsplanungsrecht auf diese Herausforderungen reagiert, soll es nachfolgend in seiner kognitiven Dimension betrachtet werden. Dabei deutet sich an, dass die in dem Regime angelegte Informationsund Wissensordnung247 – gewissermaßen als Kehrseite zu der bereits beschriebenen Prozess- und Diskursorientierung – auf einen fortlaufenden und mehrdimensionalen Lernprozess aller Beteiligten hin ausgelegt ist.248 Zur Umsetzung dieses Prozesses können die Akteure auf ein instituts- und behördenübergreifendes Informations- und Wissensnetzwerk zurückgreifen (dazu 1.). Mit Blick auf den einzelnen Sanierungsplan führt die dargestellte strukturelle Informations- und Wissensverteilung zu einer Diffusion privater und staatlicher Gestaltungsbeiträge, deren konkretes Ausmaß auf abstrakter Ebene nur bedingt vorgezeichnet werden kann. Um diesen Umstand zu erfassen, bietet sich als Ordnungsbegriff der Begriff der „Hybridisierung“ an (dazu 2.). Ungeachtet dieser Aspekte stellt sich schließlich die Frage, von welchen übergeordneten Motiven die Lernprozesse im Rahmen der Sanierungsplanung bestimmt sein sollten. Zentrale Bedeutung kommt hier einer reflexiven Planung zu, die sich an einem sog. Lernen höherer Ordnung orientiert (dazu 3.). 1. Netzwerkstruktur der Sanierungsplanung Die mit dem gesetzlichen Planungskonzept verbundenen Informations- und Wissensasymmetrien lassen sich mithilfe einer Netzwerkstruktur bewältigen, in der alle planungsrelevanten Informations- und Wissensbeiträge, über die zweipoligen Aufsichtsverhältnisse hinausgehend, erzeugt und ausgetauscht werden. Ähnliche Netzwerke existieren heute auch in anderen Regulierungsbereichen.249 246 Vgl. im Ansatz auch ErwG 7 del. VO 2016/778 (dort mit Blick auf eine Analyse kritischer Funktionen). 247 Zum Begriff Trute, in: Röhl (Hrsg.), Wissen, S. 11, 21. Für eine Analyse der Wissensordnung, die in den bankenaufsichtlichen Eigenmittelvorschriften angelegt ist, s. Kaufhold, in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen, S. 151; dazu auch Reiling, Der Hybride, S. 147 ff. 248 Ähnl. mit Blick auf die zweite Säule des Basel-II/III-Regimes Reiling, a. a. O., S. 153 f. s. ausf. zur Funktion und den Strukturen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) auch Paraschiakos, Bankenregulierung, S. 324 ff., 327 ff. 249 Beispielhaft stehen etwa die Vorschriften der REACH-Verordnung im Chemikalienrecht. Dazu z. B. Röhl, in: ders. (Hrsg.), Wissen, S. 65, 79 ff.; Hoffmann-Riem, Inno-
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
a) Planungsebene aa) Grundstruktur Anknüpfungspunkte für ein solches Informations- und Wissensnetzwerk finden sich im hiesigen Zusammenhang vor allem dann, wenn man die Vorschriften in §§ 12 ff. SAG, Art. 3 ff. del. VO 2016/1075 und MaSanV im Zusammenhang mit den institutionellen Vorschriften zum europäischen Aufsichtsverbund sieht.250 Vereinfacht lässt sich dieses Netzwerk in ein Zentrum und eine dieses Zentrum umgebende Peripherie unterteilen: Die Peripherie des Netzwerkes bilden die einzelnen planungsverpflichteten Institute. Sie generieren die unternehmensbezogenen Informations- und Wissensbeiträge für die Sanierungspläne. Im Zentrum stehen die in die Planung einbezogenen staatlichen Behörden. Ihnen obliegt die Aufbereitung der systembezogenen Informations- und Wissensbeiträge, ohne die die Pläne ihre gesetzlich vorgezeichnete Funktion nicht erreichen können. Die Aufgabenwahrnehmung im Zentrum läuft dabei in Form einer Informationsbzw. Wissensintermediation ab, bei der die peripher erbrachten Planungsbeiträge zunächst gesammelt und vergleichend analysiert werden.251 Die vergleichende Analyse dient dabei gleich mehreren Zwecken: Erstens lassen sich aus ihr prognostische Aussagen über etwaige negative Externalitäten und Sanierungshindernisse ableiten, die aus konfligierenden Inhalten der Sanierungs- und Abwicklungspläne resultieren.252 Zweitens kann durch vergleichende Auswertung der institutsseitigen Vorarbeiten – materiell-rechtlich ermöglicht durch die weitgehende Methodenoffenheit der inhaltlichen Planungsanforderungen253 – die beschriebene Best Practice der Sanierungsplanung kondensiert und fortwährend aktualisiert werden. Drittens schafft ein Vergleich der Pläne auch Maßstäbe relativer Richtigkeit. Sie sind gerade deshalb bedeutsam, weil die prognostische vation und Recht, S. 341 ff. Mit weiteren Bsp. auch Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S. 212 ff. 250 S. auch Schwind, Netzwerke im Europäischen Verwaltungsrecht, S. 273 ff., der ESFS und SSM ebenfalls als „Regulierungsnetzwerk“ einordnet, dabei aber primär das interbehördliche Verhältnis im Blick hat und die Rolle der Unternehmen ausblendet. Ebenso Bauerschmidt, ZHR 183 (2019), 476, 482. 251 Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 207; s. auch Singh, in: Binder/ ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.27 sowie Otto/Renn, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 324, 327 f. 252 Vgl. auch Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.52 (Verf. hebt zutreffend hervor, es sei kaum möglich, die Glaubwürdigkeit der Sanierungspläne zu bewerten, ohne zugleich den Inhalt der Abwicklungspläne zu kennen). Negative Externalitäten können z. B. daraus resultieren, dass mehrere Institute (Behörden) gleichzeitig beabsichtigen, bestimmte Sanierungs- bzw. Abwicklungsmaßnahmen umzusetzen. Man denke etwa an einen parallelen Fire-Sale bestimmter Produkte, der in einen Zusammenbruch der Marktpreise mündet (s. schon oben, Abschnitt § 2 A. III. 2. a)). 253 Vgl. Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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Planbewertung nur bedingt auf abschließend validierbare Bezugspunkte aufbauen kann.254 Die so gewonnenen Erkenntnisse können im Anschluss an die Institute verteilt werden,255 um dort unter Anknüpfung an das interne Organisationswissen in den Sanierungsplänen verarbeitet zu werden. Die Sanierungspläne übernehmen dabei die Funktion eines kognitiven Speichers, in dem alle sanierungsrelevanten Informationen und Wissensbeiträge institutsspezifisch gebündelt sind.256 Zwar können die EZB, die nationalen Aufsichtsbehörden (NCAs) und die ihnen beigeordneten Abwicklungsbehörden (SRB und nationale Abwicklungsbehörden) ihre Funktion als Wissens- und Informationsintermediäre257 im Grundsatz selbst übernehmen. Ihre Analysetätigkeit ist aber, bedingt durch ihre beschränkten Zuständigkeitsbereiche, jeweils auf nur einen Ausschnitt des europäischen Bankensystems begrenzt.258 Es bedarf deshalb einer ergänzenden übergreifenden Perspektive, die das System in seiner gesamten Vernetzungsstruktur erfasst. Diese Position nimmt im hiesigen Zusammenhang vor allem die EBA ein.259 In Übereinstimmung mit ihrem grundlegenden Mandat, einen Beitrag zur Festlegung qualitativ hochwertiger und kohärenter Regulierungs- bzw. Aufsichtsstandards und -praktiken im EU-Raum zu leisten,260 werden ihr durch Art. 25 Abs. 1 EBA-VO unterstützende Aufgaben im Kontext der Sanierungs- und Abwicklungsplanung zugeordnet.
254 S. zur Bedeutung vergleichender Risikobewertungen statt vieler Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 453 f.; ferner auch Appel, in: Schmidt-Aßmann/ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 327, 347. 255 Institutsspezifisch über das Planbewertungsverfahren (§ 16 SAG) und branchenübergreifend über entsprechende Verlautbarungen zur Best Practice. 256 Die Funktion des Sanierungsplans als kognitiver Speicher korrespondiert mit der finalen Ausrichtung des Rechtsrahmens auf die Entwicklung eines verschriftlichten, unmittelbar umsetzbaren Handlungskonzept für den Krisenfall. Gerade hier liegt ein wesentlicher Unterschied z. B. zu weiten Teilen des Risikomanagementsystems nach § 25a KWG, die einen noch stärkeren Prozessbezug aufweisen (s. dazu unten, Abschnitt § 6 A. I. 3. b)). Mit Bsp. für andere organisationale Wissensspeicher, vor allem im Zusammenhang mit organisationalen Lernprozessen, Miebach, Organisationstheorie, 2. Aufl. 2012, S. 153 ff. 257 Vgl. zum Begriff Augsberg, DVBl 2007, 733, 737 ff. (Verf. verwendet den Begriff jedoch, enger als hier, allein für Fälle der Informationsweitergabe ohne -verarbeitung). 258 Zur Zuständigkeitsverteilung s. schon oben, Abschnitt § 4 C. I. 2. 259 S. im Ansatz auch Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.20 (EBA könne nationalen Behörden bei Bewertungen der Pläne unterstützen). Begrenzt auf den Zuständigkeitsbereich der EZB nimmt ähnliche Koordinierungs- und Vergleichsaufgaben auch die EZB-Abteilung Krisenmanagement wahr, vgl. EZB, SSMAufsichtshandbuch, 3/2018, S. 111. Koordinierend tätig sind zudem auch die Aufsichtskollegien und die bei der EZB angesiedelten JSTs. Auch sie fungieren in der Praxis als zentrale Gremien zur Sammlung dezentral gewonnener Informationen und zur Koordinierung des Aufsichtshandelns (vgl. Binder, EBOR 18 (2017), 401, 406) dies allerdings ebenfalls nur im Hinblick auf die Länder, in denen die Gruppe ansässig ist. 260 Art. 8 Abs. 1 lit. a, lit. b EBA-VO.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
Zum einen obliegt es ihr danach, zur Entwicklung wirksamer und kohärenter Sanierungspläne beizutragen und sich aktiv an der Entwicklung solcher Pläne zu beteiligen. Angesprochen ist damit ihr Mandat zur Ermittlung, Formulierung und Aktualisierung einer Best Practice, das sie unter anderem durch die Veröffentlichung sog. Peer Reviews wahrnimmt.261 Zum anderen ist sie gem. Art. 25 Abs. 1 EBA-VO aber auch damit beauftragt, zur inhaltlichen Abstimmung der Sanierungs- und Abwicklungspläne untereinander beizutragen. Ihr kommt insofern eine koordinierende Rolle innerhalb des europäischen Aufsichtsverbundes zu, die eine wirklich systembezogene Analyse der Sanierungspläne durch die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden erst ermöglicht.262 In dieser Funktion kann sich die EBA auch durch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) unterstützen lassen.263 Als makroprudenzielle Aufsichtsbehörde verfügt das ESRB über ein noch umfassenderes Bild hinsichtlich der Risiken und Hindernisse, die einer Restabilisierung des europäischen Finanzsystems gerade in systemischen Belastungssituationen entgegenstehen.264 Insbesondere kann er seine Informationsrechte nutzen, um die Bankensanierungspläne mit ähnlichen Plänen und Konzepten auch anderer Marktakteure zu vergleichen, darunter künftig auch die Sanierungspläne von Versicherern, zentralen Gegenparteien und sog. Schattenbanken.265
261 Art. 8 Abs. 1 lit. e, lit. i EBA-VO. S. auch EBA, Report on the convergence of supervisory practices, EBA-Op-2016-11, 14.3.2019, Rn. 132. Stand heute hat die EBA vier solcher sog. Comparative Reports veröffentlicht, s. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017; dies., Comparative report on governance arrangements and recovery indicators, 5.7.2016; dies., Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, 8.12.2015; dies., Comparative report on the approach to determining critical functions and core business lines in recovery plans, 6.3.2015. Ähnl. Dokumente veröffentlichen für ihren Zuständigkeitsbereich auch EZB und BaFin. S. EZB, Report on recovery plans, 7/2018 sowie BaFin, Jahresbericht 2017, S. 76 f.; dies., Jahresbericht 2016, S. 103 f.; dies., Jahresbericht 2015, S. 110 f. Dazu aus praktischer Perspektive Cichy/Buchmüller/Igl, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 69. 262 Vgl. auch Schwind, Netzwerke im Europäischen Verwaltungsrecht, S. 294, der die tragende Rolle der EBA als „Wissensmoderator[in]“ betont. 263 Im Rahmen der Abwicklungsplanung ist das ESRB gem. § 59 Abs. 7 SAG (Art. 10 Abs. 5 Satz 2 SRM-VO) schon durch die Abwicklungsbehörde zu konsultieren. Das Sanierungsplanungsrecht hingegen enthält keine entsprechende Vorschrift. Allenfalls auf Grundlage des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 24 VwVfG, Art. 28 Abs. 1, 2 SSM-RVO) könnten die Aufsichtsbehörden gehalten sein, das ESRB bei der systembezogenen Bewertung der Sanierungspläne hinzuzuziehen. 264 Zum makroprudenziellen Mandat des ESRB s. Art. 3 ESRB-VO (s. dazu auch unten, Abschnitt § 6 B. I.), zu seiner unterstützenden Rolle gegenüber der EBA Art. 15 Abs. 1 ESRB-VO. Zur Wahrnehmung seines Mandats verfügt das ESRB gem. Art. 15 Abs. 2, 3 ESRB-VO gegenüber allen nationalen und europäischen Finanzaufsichtsbehörden über umfangreiche Informationsrechte. 265 Vgl. mit Blick auf Sanierungspläne von Versicherern ESRB, Recovery and resolution for the EU insurance sector: a macroprudential perspective, 8/2017, Rn. 77.
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bb) Einbindung des Abschlussprüfers Die vorbeschriebene Netzwerkstruktur wird auf nationaler Ebene schließlich durch die Einbeziehung des Abschlussprüfers ergänzt. Gem. § 29 Abs. 1 Satz 7 KWG i.V. m. § 15 PrüfBV ist der Abschlussprüfer verpflichtet, alle wesentlichen Teile des Sanierungsplans auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen zu überprüfen. Die Vorschriften erstrecken damit das im deutschen Bankenaufsichtsrecht schon seit längerem existierende Parallelregime aus aufsichtsbehördlicher Überwachung und aufsichtsrechtlich instrumentalisierter Abschlussprüfung auch auf die Sanierungsplanung.266 Bei der Wahrnehmung dieser Prüfaufgabe steht der Abschlussprüfer in einer Zwitterposition.267 Durch die Zuleitung des Prüfungsberichts268 gegenüber dem Aufsichtsrat und seine internen Beratungs- und Konsultationsrechte übernimmt er einerseits eine Informations- und Kontrollfunktion unmittelbar gegenüber den Instituten.269 Andererseits ist er über verschiedene Berichts- und Kommunikationskanäle aber auch mit der Bankenaufsicht verknüpft.270 Mit Blick auf die Sanierungsplanung soll er dort, gestützt auf seine institutsspezifischen Kenntnisse, zu einer effektiven behördlichen Planbewertung beitragen.271 Diese duale Einbindung des Abschlussprüfers erscheint im Kontext der Sanierungsplanung gerade deshalb sinnvoll, weil sie – wie gesehen – maßgeblich auf das institutsintern konzentrierte Organisationswissen aufbaut. Die Aufsichtsbehörden befinden sich insoweit, gerade weil sie zur effektiven Aufgabenwahrnehmung selbst von diesem Organisationswissen abhängig sind, in einer strukturell ungeeigneten Position, die Planungsleistungen der Institute zu überprüfen. Der Abschlussprüfer demgegenüber kann diese Aufgabe, bedingt durch seine Einbindung in die Rechnungs-
266 Allg. zur Funktion des Abschlussprüfers in der Bankenaufsicht z. B. Reiling, Der Hybride, S. 162 ff.; ferner Binder, in: FS Hopt II, S. 59 und Casey, ZVglRWiss 113 (2014), 374. S. auch schon Bähre, in: FS Scholz, S. 35. 267 Vgl. Reiling, Der Hybride, S. 167; ferner Binder, in: FS Hopt II, S. 59, 60 f. 268 In den Prüfbericht fließt auch die Bewertung des Sanierungsplans ein (§ 29 Abs. 1 Satz 8 KWG). 269 Der Prüfungsbericht ist gem. § 321 Abs. 5 Satz 2 HGB auch dem Aufsichtsrat vorzulegen, über etwaige Misstände ist gem. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB Bericht zu erstatten. S. zudem auch Art. 10 f. Abschlussprüfer-VO. 270 S. u. a. § 26 Abs. 1 Satz 3, 4, § 29 Abs. 3 Satz 1 KWG (sog. Redepflicht) und Art. 12 Abschlussprüfer-VO. 271 S. die BaFin-Begründung zu § 15 PrüfBV vom 4.8.2015, dort S. 16 (abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufsichtsrecht/dl_pruefbv_be gruendung.html, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). Vgl. auch Winter, in: Boos/Fischer/ Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 29 KWG Rn. 21; Hofer, in: Abbou/Biba/Denter et al. (Hrsg.), Hdb. PrüfBV, 2. Aufl. 2016, A. Rn. 18. Gem. Art. 5 Nr. 2 lit. a del. VO 2016/1075 ist die Prüfung des Plans durch einen externen Rechnungsprüfer im Plan zu vermerken.
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legungsprüfung272 und seine eigene privatwirtschaftliche Verwurzelung, tendenziell besser übernehmen.273 Er steht damit geradezu paradigmatisch für eine gezielte Einbindung gesellschaftlicher Leistungspotentiale in die Verwirklichung staatlicher Kontrollaufgaben, wie sie konzeptionell heute vor allem im Modell der regulierten Selbstregulierung propagiert werden.274 b) Planumsetzungsebene Eine vergleichbare Netzwerkstruktur institutionalisiert das europäische Aufsichtsrecht auch für die Phase des akuten Krisenmanagements, in der die Sanierungspläne zum Einsatz kommen sollen. Bedeutung erlangt dieses Netzwerk vor allem in systemweiten Krisenlagen. Die Netzwerkperipherie bilden auch hier wiederum die Institute, die aufbauend auf ihre Informations- und Berichtspflichten275 den Aufsichtsbehörden fortlaufend ihre Finanzlage und ihre Handlungsabsichten mitteilen. Die Aufsichtsbehörden demgegenüber koordinieren, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen Aufsichtsbehörden im Rahmen der Aufsichtskollegien,276 die Sanierungsbemühungen der ihrer Aufsicht unterliegenden Institute und reagieren auf Sanierungshindernisse und Systemrisiken, die sich aus konfligierenden Handlungsabsichten mehrerer Institute ergeben.277 Eine zentrale Unterstützungs- bzw. Auffangfunktion übernimmt auch hier die EBA, die dazu in Art. 18 EBA-VO mit besonderen Informations-, Koordinations- und Durchgriffsrechten für den Krisenfall ausgestattet wird.278 Zwar dürfte diese Funktion der EBA mit zunehmender Einsatzfähigkeit der Europäischen Bankenunion in Teilen zurückgedrängt sein, da jedenfalls im Anwendungsbereich von
272 Die Prüfung der Rechnungslegungsdokumente (Jahresabschluss, § 242 HGB, und Lagebericht, § 264 HGB) durch den Abschlussprüfer regeln die §§ 316 ff. HGB. 273 Vgl. allg. Arndorfer/Minto, The „four lines of defence model“, S. 14. Der Gesetzgeber beschränkt den Prüfauftrag des Abschlussprüfers jedoch auf eine nachvollziehende Kontrolle, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 4 PrüfBV; s. dazu die Praxisanmerkungen bei Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 34 ff., 84; Butte/Neuhaus, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 299, 303 ff. 274 Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 353. Ausf. zur Rolle des Abschlussprüfers als Vermittler von bankinternem Organisationswissen im Rahmen der qualitativen Bankenaufsicht auch Reiling, Der Hybride, S. 165 f. 275 S. nochmals § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 MaSanV, Art. 14 Abs. 1 lit. b del. VO 2016/ 1075. 276 Art. 17 ff., 32 ff. del. VO 2016/98 und Art. 12 ff. DVO 2016/99 enthalten umfangreiche Vorgaben zum Krisenmanagement der Aufsichtskollegien, u. a. zu Verhaltenskoordinierung und Informationsaustausch. 277 S. zu diesem Koordinationsbedarf, der vor allem aus einer parallelen Sanierungsplanung mehrerer Institute resultieren kann, schon oben, Abschnitt § 5 A. II. 278 Vgl. Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 25. Die in Art. 18 EBA-VO enthaltenen Befugnisse behält die EBA auch in den Aufsichtskollegien (ErwG 4 del. VO 2016/98).
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SSM- und SRM-VO zentrale Aufgaben der Krisensteuerung nunmehr auch die EZB, das SRB und die gemeinsam eingerichteten sog. Krisenmanagementgruppen (Crisis Management Groups, CMGs) übernehmen.279 Jenseits dieser Strukturen bleibt die EBA aber weiterhin zentraler Akteur, der durch Informationsaustausch, Lageanalyse und notfalls auch einseitige Anordnungen zur EU-weiten Abstimmung des Krisenmanagements von Instituten, Aufsichts- und Abwicklungsbehörden beiträgt.280 2. Diffusion der Gestaltungsbeiträge und Hybridisierung Ausgehend von diesen Betrachtungen stellt sich die Frage, wie sich der im Sanierungsplanungsrecht angelegte Steuerungsmodus auch begrifflich angemessen fassen lässt. Im hiesigen Zusammenhang von einer bloßen „Externalisierung“ des Aufsichtsprozesses zu sprechen, greift jedenfalls zu kurz.281 Denn der Begriff erfasst zwar zutreffend, dass das Sanierungsplanungsrecht die Organisationsstrukturen, Prozesse und Ressourcen der Institute nutzt, um im Interesse der Allgemeinheit eine finanzstabilitätsförderliche Krisenvorsorge zu erreichen. Ganz im Sinne des Konzepts der regulierten Selbstregulierung binden die §§ 12 ff. SAG also private Leistungspotentiale in die Verwirklichung öffentlicher Zwecke ein.282 Unberücksichtigt lässt der Externalisierungsbegriff aber, dass die Sanierungspläne aufgrund der strukturellen Informationsverteilung zwischen Staat und Privaten häufig erst dann ihre volle gesetzlich vorgezeichnete Funktionalität erreichen können, wenn private und staatliche Leistungspotentiale kombiniert werden. Sowohl die Planerstellung als auch das spätere Krisenmanagement sind abhängig von Kommunikations- und Koordinierungsprozessen, die über die rein institutsinterne Sphäre hinausgehen283 und auf spezifisch zu diesem Zweck eingerichtete gemischt-staatlich-private kognitive Netzwerke aufbauen. Diesen Umstand hebt ungleich deutlicher der Begriff der Hybridisierung hervor. Ursprünglich vor allem zur Beschreibung von Unternehmenskodizes verwen279 Vgl. ErwG 27 SSM-VO. Zu den CMGs s. Gleeson/Guynn, Bank Resolution and Crisis Management, Rn. 8.17; allg. zum Krisenmanagement aus EZB-Sicht EZB, SSMAufsichtshandbuch, 3/2018, S. 112 f. 280 Vgl. auch Art. 3 Abs. 1, 3 und ErwG 31 SSM-VO. Ausf. zur Rolle der EBA nach Inkrafttreten von SSM-VO und SRM-VO Cappiello, EBOR 16 (2015), 421; Gortsos, in: Andenas/Deipenbrock (Hrsg.), European Financial Markets, S. 277; ferner Gurlit, EuZW-Beilage 2014, 14. 281 In diese Richtung aber Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 357 f.; ähnl. Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 2 (Verf. betonen zwar Dialog im Planungsprozess, ordnen den Sanierungsplan aber i. E. dennoch einseitig den Instituten zu). 282 Vgl. zutreffend Minto, ECFR 2018, 772, 799, 801. 283 Mit tendenziell einseitiger Zuordnung der Sanierungspläne zur privaten Sphäre aber ebenda, S. 795 f., 801.
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det,284 findet der Ordnungsbegriff zuletzt zunehmend auch Berücksichtigung in der Diskussion um neuere Instrumente der Finanzmarktregulierung.285 Als „Entgrenzungstatbestand“ 286 beschreibt er dort Phänomene, die sich weder eindeutig der klassischen hoheitlich-imperativen Regulierung noch der privaten Selbstregulierung zuordnen lassen. Stattdessen sind hybride Steuerungsmechanismen durch eine „grenzverschleifende Technik“ gekennzeichnet, in der Aufsichtssubjekt und Aufsichtsobjekt durch „durch Koordinations- und Kooperationserfordernisse so eng verbunden sind, dass zumindest tendenziell und bereichsbezogen von Interdependenzrelationen auszugehen ist und eine klare Rollenzuordnung nicht immer möglich erscheint.“ 287 Deutlich wird diese Verschwimmung der Einflusssphären im Rahmen der Planerstellung dadurch, dass die beiderseitigen Planungsbeiträge in einem Verhältnis wechselseitiger Bedingung und Beeinflussung stehen: So werden z. B. behördliche Bedenken über Risiken oder Sanierungshindernisse in den Plänen den Instituten zunächst ergebnisoffen mitgeteilt und zur Grundlage einer anknüpfenden internen Bewertung gemacht.288 Ähnlich sind auch behördlich formulierte Best-Practice-Erwartungen grundsätzlich offen für weitere aufbauende Erwägungen und Optimierungen der einzelnen Institute, die dann neuerlich von den Behörden für allgemeinverbindlich289 erklärt werden 284 S. monographisch z. B. Weiß, Hybride Regulierungsinstrumente; m.w. N. auch Augsberg, DV 49 (2016), 369, 379 (Fn. 55). Verwendet wird der Begriff auch zur Beschreibung von Wissensmodi (vgl. Birrer, in: Bender (Hrsg.), Neue Formen der Wissenserzeugung, S. 57, 63 ff.) und Organisationsformen (vgl. Stehr, Wissenspolitik, S. 211 ff.) in der modernen Wissensgesellschaft. S. insoweit auch Pitschas, in: Spiecker gen. Döhmann/Collin (Hrsg.), Generierung und Transfer, S. 29, 31, der mit Blick auf die dort vorfindliche gemeinsame Wissensgenerierung und -verarbeitung durch Staat und Gesellschaft von einer „hybride[n] Struktur der Verantwortungsverteilung im StaatBürger-Verhältnis“ spricht, die „keine ,Teilung‘ der Verantwortungssphären kennt“. 285 S. monographisch Reiling, Der Hybride, S. 17 ff., 137 ff. (Verf. ordnet den Abschlussprüfer, bedingt vor allem durch seine doppelte Einbindung in die Institute und den Aufsichtsprozess, als „Hybriden“ ein); ferner Augsberg, a. a. O., S. 379 ff. (dort zu hybriden Regulierungsmodi im Kapitalmarktrecht). 286 Reiling, a. a. O., S. 24. 287 Augsberg, a. a. O., S. 380, der auch zu Recht hervorhebt, dass diese Grenzverschleifung im Konzept der regulierten Selbstregulierung (dazu oben, Abschnitt § 5 B. I. 3.) nicht vergleichbar zum Ausdruck kommt. Mit ähnl. Begriffsverständnis auch schon Schuppert, in: Risse (Hrsg.), Governance Without a State?, S. 65, 80. Anders als hier und bei den vorgenannten Autoren aber Levi-Faur, in: ders. (Hrsg.), Handbook on the Politics of Regulation, S. 3, 10 f. (Verf. verwendet den Terminus als Oberbegriff für verschiedene Formen kooperativer Regulierung). Ähnl. auch ders./Comaneshter, in: Hodge/Bowman/Ludlow (Hrsg.), New Global Frontiers, S. 149, 158 ff. Auch Minto, ECFR 2018, 772, 799 spricht von einer „hybrid nature“ des Living-Will-Regimes, verwendet den Begriff aber – anders als hier – weitgehend synonym mit dem Begriff einer regulierten Selbstregulierung. 288 Vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 SAG, vorherige Anhörung gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 SAG. 289 Ungeachtet der regelmäßig betonten Unverbindlichkeit der Best-Practice-Ansätze (z. B. EZB, Report on recovery plans, 7/2018, Anmerkung vor S. 1) ist die faktische Bindungswirkung solcher Äußerungen hoch, vgl. Thiele, Finanzaufsicht, S. 219.
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können. Mit der Zeit entsteht so ein zielbezogenes Kommunikationsgeflecht, staatliche und private Gestaltungsbeiträge diffundieren im gemeinsamen Lernprozess und es wird immer schwerer zuordenbar, auf wen einzelne Elemente des Sanierungsplans bei materieller Betrachtung tatsächlich zurückzuführen sind. In welchem Ausmaß Beiträge der Aufsichtsbehörden dabei in den Plan einfließen, ist gesetzlich nicht einheitlich vorgezeichnet. Abhängig ist dies vor allem von den Eigenarten der Institute: Besonders relevant dürften behördliche Informations- und Wissensbeiträge bei global systemrelevanten Instituten sein. Ihre Planung unterliegt dem vollen gesetzlichen Anforderungsprogramm, ihre Unternehmensstruktur ist komplex und in hohem Maße vernetzt. Von den Aufsichtsbehörden bereitgestellte systembezogene Informationen und Best-Practice-Wissen sind hier von hoher Bedeutung. Anderes gilt dagegen bei kleinen Instituten mit wenig systemischem Risikopotential. Zum einen unterliegen sie geringeren Plananforderungen (§ 13 Abs. 1 SAG) und sind schon deshalb auch weniger von externem Best-Practice-Wissen abhängig. Je weniger komplex und vernetzt zudem die Geschäfts- und Finanzstruktur des jeweiligen Instituts ist, desto weniger dürfte seine Sanierung auch von systembezogenen Faktoren abhängig sein, deren vollständige Analyse nur die Aufsichtsbehörden beisteuern können. Bei substanzieller Betrachtung mögen die Inhalte des Sanierungsplans und die mit ihm verbundenen Strukturanpassungen am Unternehmen deshalb einmal von den Instituten selbst herbeigeführt, ein andermal dagegen eher behördlich determiniert sein. Genau diesen Umstand bringt der Begriff der Hybridisierung als „Chiffre für Grenzverwischungen“ 290 treffend zum Ausdruck. Er macht deutlich, dass die Erstellung eines voll funktionalen Sanierungsplans – wenngleich § 12 Abs. 1 SAG formal primär die Institute in die Pflicht nimmt – regelmäßig nicht ohne ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von Behörden und Instituten auskommt,291 dessen konkretes Ausmaß aber nur im jeweiligen Einzelfall bestimmbar ist.292 Ein vergleichbares Arrangement ist auch mit Blick auf das planungsbasierte Krisenmanagement im „Ernstfall“ zu diagnostizieren. Auch hier betont ErwG 39 BRRD zwar formal, dass die Anteilseigner in der Sanierungsphase weiterhin die „volle Verantwortung und Kontrolle über das Institut behalten“ sollen. Bei nähe290
Reiling, Der Hybride, S. 20. Deshalb erscheint es auch unangemessen, die Sanierungsplanung in den Kategorien einer unternehmensseitigen Erfüllungs- bzw. Wahrnehmungsverantwortung und einer nachgelagerten behördlichen Gewährleistungs- bzw. Auffangverantwortung zu erfassen (dazu schon oben, Abschnitt § 5 B. I. 3. a)). Die Sanierungsplanung ist eben aus strukturellen Gründen von vorn herein auf Beiträge beider Seiten angewiesen, allein das Ausmaß der wechselseitigen Abhängigkeit ist vom Einzelfall abhängig. Diesen Aspekt bringt der Begriff der Hybridisierung ungleich deutlicher zum Ausdruck. 292 Vgl. mit Blick auf Corporate-Governance-Kodizes, in der Sache aber ähnl. Weiß, Hybride Regulierungsinstrumente, S. 133 f., 170 („,atmendes‘ Regulierungsinstrument [. . .] im Spannungsfeld zwischen staatlicher Regulierung und privater Selbstverpflichtung“). 291
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rer Betrachtung wirkt der Rechtsrahmen aber, bedingt durch die systembezogenen Informationsdefizite der Institute, ihre Informationspflichten im Krisenfall293 und den Kooperationsanreiz, der von der jederzeitigen Möglichkeit einer behördlichen Intervention (§§ 36 ff. SAG) ausgeht,294 auf eine umfassende Zusammenarbeit im Verhältnis zwischen der Geschäftsleitung und den Aufsichtsbehörden hin. Wiederum ist dabei das konkrete Ausmaß, mit dem die unternehmensinterne Entscheidungsfindung behördlicherseits beeinflusst wird, gesetzlich nicht pauschal geregelt, sondern von den Umständen im Einzelfall abhängig. Maßgeblich dürfte auch hier die systemische Relevanz des Instituts sein, ferner das bisherige Verhalten der Geschäftsleitung sowie Art und Ausmaß der konkreten Belastungssituation. Der Tendenz nach aber wird die gesellschaftsrechtlich angeordnete Primärverantwortung der Geschäftsleitung (des Vorstandes) für die Unternehmenslenkung (§ 76 Abs. 1 AktG) in Krisenphasen durch eine enge behördliche Überwachung überlagert. Im Ergebnis ließe sich deshalb, analog zum Hybridcharakter der Sanierungspläne, auch von einer Hybridisierung der krisenbezogenen Unternehmensführung sprechen.295 3. Reflexive Sanierungsplanung Wendet man sich ausgehend von diesen Überlegungen zu den Akteuren und Verfahrensstrukturen stärker der inhaltlichen Ausrichtung der Lernprozesse zu, dann stellen sich auch hier Fragen, die für den Erfolg der Sanierungsplanung kritisch sind: Was kennzeichnet die im Rahmen der Sanierungsplanung ablaufenden Lern- und Erkenntnisprozesse der Planungsbeteiligten? Inwiefern unterscheiden sie sich von Lern- und Erkenntnisprozessen in anderen Lebensbereichen? Von welchen Lernmotiven und Erkenntnisinteressen sollten sich die Institute und Behörden leiten lassen, um eine möglichst optimale Krisenvorbereitung zu erreichen? a) Planungsbezogene Risiken erster und zweiter Ordnung Den Anknüpfungspunkt zur Beantwortung dieser Fragen bildet auch hier die Einsicht, dass die Sanierungsplanung vor allem eine Risikoplanung ist. Ähnlich wie andere Formen der Risikoanalyse, -bewertung und -verarbeitung muss sie sich deshalb zuvorderst der laufenden Informations- und Wissensgenerierung widmen. Auch diese Erzeugung von Risikowissen stößt jedoch auf Grenzen: Denn zum einen führt risikobezogenes Lernen in aller Regel nicht zu einer um293 § 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG, § 6 Abs. 1 Satz 3 MaSanV (dazu näher oben, § 4 A. III. 2. a)). 294 S. dazu schon soeben, Abschnitt § 5 B. III. 2. 295 Vgl. auch Gößmann/Frege/Nicht, in: Kübler (Hrsg.), Hdb. Restrukturierung, 2. Aufl. 2015, § 58 Rn. 6, die bereits unter dem RStruktG von 2010 einen tendenziellen Wandel hin zu einer unternehmerisch-steuernden Aufsichtstätigkeit der BaFin in Krisenphasen sahen.
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fassenden Aufhebung, sondern allenfalls zu einer Verschiebung von Nichtwissen. „Je mehr man weiß, desto mehr wächst der gewusste Bereich des Ungewussten. [. . .] Neue Erkenntnisse werden zunehmend nicht als Lösung bestehender Probleme erfahren, sondern als Ausgangspunkt neuer Schwierigkeiten. Wissen produziert Unwissen.“ 296 Und selbst dort, wo Unwissen abgebaut wurde, ist das neu generierte Wissen häufig nur von begrenzter Halbwertszeit, also in weiten Teilen ein unsicheres Wissen.297 Dies gilt besonders für Finanzmarktprozesse, die von einer hohen Entwicklungsdynamik gekennzeichnet sind und fortwährend neue, kaum durchschaubare Innovationen produzieren. Zu akzeptieren ist damit, dass die Sanierungsplanung trotz aller Bemühungen um eine Verbesserung der Informationsgrundlage unter Bedingungen struktureller Ungewissheit abläuft. Daraus folgt, dass nicht nur die von der Sanierungsplanung adressierten Finanzkrisen selbst, sondern auch der planerische Umgang mit ihnen zum Problem werden kann: „Some cures are worse than the disease.“ 298 Für die deutsche Risikodogmatik deutlich herausgearbeitet hat diesen Umstand A. Scherzberg. Er differenziert begrifflich zwischen sog. Risiken erster Ordnung und sog. Risiken zweiter Ordnung. Das Risiko erster Ordnung bezeichnet den Erwartungswert eines Schadens, in der ökonomischen Entscheidungstheorie beschrieben als Produkt aus potentiellem Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit.299 Das Risiko zweiter Ordnung dagegen bezieht sich auf ungewissheitsbedingte Fehler im Umgang mit Risiken erster Ordnung. Es bezeichnet die Gefahr einer Fehlsteuerung oder Fehleinschätzung der Gefahr, einschließlich der damit verbundenen Irrtumskosten.300 Die begriffliche Unterscheidung in Risiken erster und zweiter Ordnung macht deutlich, dass eine Risikosteuerung unter Ungewissheitsbedingungen niemals eine vollständige Risikobeseitigung, sondern nur eine Risikosubstitution erreichen kann.301 Im hiesigen Zusammenhang: Das vom Sanierungsplanungsrecht adressierte (primäre) Risiko einer ungeordneten, systemdestabilisierenden Bankeninsolvenz wird durch eine planerische Krisenvorsorge nach Maßgabe der §§ 12 ff. SAG nicht getilgt. Es wird ersetzt durch das (sekundäre) Risiko einer Fehlpla296 Engel/Halfmann/Schulte, in: dies. (Hrsg.), Wissen – Nichtwissen – Unsicheres Wissen, S. 9, 9; s. auch Franzius, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 248, 258. 297 Ebenda, S. 10. 298 Sunstein, in: Graham/Wiener (Hrsg.), Risk versus Risk, S. VII, VIII. 299 Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 219 f. Zur entscheidungstheoretischen Konzeption und dem Problem der Wahrscheinlichkeitsbestimmung schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 1. 300 Scherzberg, a. a. O., S. 222 (dort in Anknüpfung vor allem an das US-amerikanische Schrifttum, s. m.w. N., a. a. O., Fn. 44). Zum Ganzen im bankenaufsichtsrechtlichen Zusammenhang auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 96 f. 301 Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 50; Augsberg, in: Peter/Funcke (Hrsg.), Wissen an der Grenze, S. 209, 218.
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nung von Instituten und Behörden. Die Anerkennung dieser Risiken zweiter Ordnung verlangt zum einen nach Mechanismen, die eine korrigierende Nachsteuerung ermöglichen, sollte im Lichte neuer Erkenntnisse der Anlass dazu bestehen.302 Das Sanierungsplanungsrecht gewährleistet dies durch die Aktualisierungspflicht (§ 12 Abs. 4 SAG) und die damit verknüpfte Temporalisierung der Planungsentscheidungen.303 Voraussetzung für ein solches Nachsteuern ist aber, dass etwaige Fehlsteuerungen im Ausgangspunkt überhaupt erst einmal konsequent aufgedeckt werden.304 b) Reflexive Sanierungsplanung und Lernen höherer Ordnung Erforderlich ist dazu eine entsprechende Ausrichtung der planungsbezogenen Erkenntnis- und Lernprozesse. Den diesbezüglichen Maßstab könnte das Gebot einer reflexiven Sanierungsplanung bieten.305 Normativer Anknüpfungspunkt ist auch hier die im Sanierungsplanungsrecht umfassend angelegte (Real-)Folgenorientierung, wie sie paradigmatisch in § 13 Abs. 4 SAG zum Ausdruck kommt. Sie institutionalisiert einen Planungsprozess, der nicht allein abstrakt-theoretische Übung ist, sondern auf die Entwicklung tatsächlich krisentauglicher Sanierungspläne zielt.306 Kritisch für die Erreichung dieses Ziels ist aber nicht allein die Entwicklung krisenbezogener Sanierungsmaßnahmen und -prozesse per se, sondern die – damit untrennbar verbundene – intensive Auseinandersetzung mit etwaigen Fehlannahmen und -bewertungen gerade in diesem Entwicklungsprozess.307 Die (Real-)Folgenorientierung des Sanie302 Zum Gebot der Reversibilität von Risikoentscheidungen z. B. Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 9, 60 ff.; Ladeur, KritV 1991, 241, 249; ders., in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 41, 57; zsf. ferner Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 88. 303 § 12 Abs. 4 Nr. 1 SAG ist insoweit sachangemessen erweiternd auszulegen, denn ihrem strengen Wortlaut nach bezieht sich die Norm nur auf objektiv veränderte Rahmenbedingungen, nicht aber auf ein gewandeltes subjektives (Risiko-)Verständnis. Zur zeitlichen Öffnung der Planung durch § 12 Abs. 4 SAG s. schon oben, Abschnitt § 5 B. II. 3. a). 304 Vgl. Appel/Mielke, Strategien der Risikoregulierung, S. 158. 305 Entsprechend wird vielfach auch ein reflexives Risikorecht gefordert, dass seine eigenen Wirkungen antizipiert, s. stellv. Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 222 (m.w. N.); ferner Appel, in: FS Wahl, S. 463, 465 f.; Wahl/Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 1, 27; Pitschas, in: GVwR II, § 42 Rn. 177. S. im bankenaufsichtsrechtlichen Zusammenhang auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 96 f., 104 ff. Mit der analogen Forderung nach einer reflexiven Wissenschaftspraxis, die sich gerade auch darauf besinnt, die Wirkungen und Grenzen ihrer eigenen Risikoforschung zu reflektieren Beck, Risikogesellschaft, 23. Aufl. 2016, S. 254 ff. 306 Zur (Real-)Folgenorientierung der §§ 12 ff. SAG s. auch schon oben, Abschnitt § 5 B. II. 3. a), III. 1. 307 Dazu gehören auch die von Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.06 betonten Darstellungsgrenzen komplexer Unternehmensstrukturen sowie subjektiv und organisational bedingte Grenzen bei der Risikoanalyse. Im Ansatz ähnl. wie
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rungsplanungsrechts verlangt damit nach einem Lernen zweiter Ordnung, in der die Hintergrundbedingungen und Grenzen der eigenen Planung konsequent reflektiert, geordnet und zur effektiven Zielerreichung möglichst umfassend in die Planung eingepreist werden.308 Die Planung macht sich damit selbst zum Untersuchungsgegenstand. Die planenden Akteure agieren als Beobachter zweiter Ordnung,309 nehmen also weitestmöglich auch sich und die rechtlichen und tatsächlichen Umweltbedingungen, unter denen sie heute Planen und später Handeln, in den Blick und versuchen daraus weitere Erkenntnisse abzuleiten. Naturgemäß stößt auch ein solches Lernen zweiter Ordnung auf inhärente Grenzen. Denn auch eine reflexive, auf Selbstbeobachtung ausgerichtete Sanierungsplanung verfügt ihrerseits über einen „blinden Fleck“.310 Man könnte deshalb den Versuch unternehmen, auch dieses Lernen zweiter Ordnung wiederum zum Gegenstand der Beobachtung zu machen, ganz im Sinne eines Lernens „höherer Ordnung“. Die Planungskomplexität würde damit jedoch exponentiell wachsen, dies auch mit entsprechend zunehmendem Ressourcenbedarf.311 Auflösen lässt sich dieses Spannungsverhältnis nur, indem solche weitergehenden Reflexionsanstrengungen konsequent auf ihren praktischen Nutzen hin hinterfragt werden. Das Bedürfnis nach einer selbstkritischen, reflexiven Planung ist also mit dem einhergehenden Komplexitätszuwachs nach Art eines Optimierungsgebotes in Ausgleich zu bringen.312 hier Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 12 (dort aber eher mit Blick auf die aufsichtsbehördliche Prüfung der Pläne im Hinblick Fehlbewertungen seitens der Institute); aus der Perspektive der Abschlussprüfung auch Schabert/Schramm/ Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 130 ff. 308 Ähnl. Ladeur, Umweltrecht der Wissensgesellschaft, S. 126, 144, 148; s. auch Bora, in: ders. (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 9, 14; ferner Clarke, Mission Improbable, S. 8 (Verf. beschreibt (Krisen-)Planung u. a. als Mittel zur Strukturierung von Unsicherheit, indem sie einen Überblick über Kontingenzen schafft und diese ordnet). 309 Zum Begriff der Beobachtung zweiter Ordnung aus systemtheoretischer Perspektive Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft, S. 86 f. s. auch ders., Kunst der Gesellschaft, S. 92 ff. 310 Luhmann, Wissenschaft der Gesellschaft, S. 85; instruktiv auch Esposito, in: Baraldi/Corsi/Esposito (Hrsg.), GLU, 8. Aufl. 2015, S. 100, 102 f. 311 Ähnl. auch Lege in der Aussprache zu Scherzbergs Vorschlägen, protokolliert bei Schuppert, VVDStRL 63 (2004), 316, 317 f. (mit dem Hinweis auf Risiken dritter, vierter usw. Ordnung und dem Bedarf nach Grenzziehungen). 312 In diesem Zusammenhang jedenfalls nicht unproblematisch ist es, wenn in der Praxisliteratur die Umsetzung eines „modularen, standardisierten Aufbaus“ der strategischen Analyse (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG), basierend auf „Analyseroutinen“ propagiert wird, vgl. Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 92. Zwar mögen daraus Ablaufoptimierungen und Kosteneinsparungen resultieren. Gleichzeitig steigt aber auch die Gefahr einer ritualhaften und formalistischen Planung. S. zur Einordnung von § 13 Abs. 4 SAG als Optimierungsgebot auch schon oben, Abschnitt § 5 B. II. 2. c) (dort mit Blick auf die Grenzen der Planungskomplexität in operationell-maßnahmenbezogener Hinsicht).
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c) Konsequenzen: zwei Anwendungsbeispiele Das Konzept der reflexiven Sanierungsplanung soll nachfolgend anhand zweier kurzer Anwendungsbeispiele verdeutlicht werden: der Pflicht zur Durchführung szenariobasierter Belastungsanalysen (dazu aa.) und der Pflicht zur Erläuterung planinterner Annahmen und Bewertungen (dazu bb.). aa) Szenariobasierte Belastungsanalysen Kernbestandteil der Sanierungsplanung ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG die Entwicklung von Belastungsszenarien und eine darauf aufbauende szenariobasierte Belastungsanalyse, deren konkrete Anforderungen bereits oben genauer beleuchtet wurden.313 Die zentrale Stellung dieser Szenarioanalysen schon in der Vorgängervorschrift zu § 13 SAG (§ 47a Abs. 2 Nr. 6, 8 KWG a. F.) hat einen Teil des Schrifttums dazu verleiten lassen, ihnen eine „Nachweis“-Funktion für die Funktionstüchtigkeit der Sanierungspläne in Krisenlagen zuzusprechen.314 Eine solche Funktionsbeschreibung dürfte jedoch deutlich zu weit gehen. Denn ungeachtet der vielfältigen „technischen“ Herausforderungen bei der Modellierung hypothetischer Krisenphasen315 stoßen die Szenarioanalysen auf dieselben strukturellen Erkenntnisgrenzen, die alle finanzmarktbezogenen Risikoanalyseinstrumente teilen: Sie basieren auf Daten und Erfahrungen der Vergangenheit und sind damit anfällig für neuartige Entwicklungstendenzen, Risikokonstellationen und bisher beispiellose (Extrem-)Ereignisse.316 Die gesetzlich geforderte Risikoangemessenheit und Plausibilität der Szenarioanalysen (§ 9 Abs. 5 MaSanV) dürfte deshalb, selbst bei optimaler Ausgestaltung der Szenarien, nur mit erheblicher Restunsicherheit zu erreichen sein. 313 S. ferner § 9 MaSanV und Art. 12 Abs. 3 del. VO 2016/1075. Dazu schon oben, Abschnitt § 4 A.VI. 314 Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 240; ähnl. z. B. Erxleben, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 279, 292. S. ferner ErwG 10 del. VO 2016/1075 (der Test der Sanierungsoptionen anhand finanzieller Stressszenarien biete einen „praktische[n] Nachweis“ für deren Wirksamkeit, Hervorhebung nur hier). Mit zweifelhafter Betonung der Bedeutung der Szenarioanalysen schließlich auch Schelo, Bank Recovery and Resolution, S. 61. Demgegenüber krit. schon früh einige Stakeholder in der Konsultation der del. VO 2016/1075, vgl. EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7.2014, S. 22, 35. 315 Vgl. für einen Überblick über die technischen Herausforderungen bei der Durchführung von (eher quantitativen) Stresstests Kapinos/Martin/Mitnik, 5 J. Fin. Persp. 1, 11–13 (2018). 316 Vgl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1278 ff., 1294 f., 1311 (2014); Borio/ Drehmann/Tsatsaronis, Stress-testing macro stress-testing, S. 11 f.; speziell im hiesigen Zusammenhang knapp ferner Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 148, 168; Hu, 25 I.C.C.L.R. 328, 334 (2015) (dort Fn. 60); mit Blick auf Stresstests zsf. auch nochmals Kapinos/Martin/Mitnik, a. a. O., S. 16. S. allg. zu den Grenzen ökonomischer Risikomodelle auch schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 1.
B. Verfahrensbezogene Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
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Die Anerkennung dieser Grenzen macht die Belastungsanalysen aber keinesfalls überflüssig. Als dynamisch angelegte Informationspflichten317 können sie – reflexiv angewendet und auf ein Lernen höherer Ordnung ausgerichtet – der Sanierungsplanung sehr wohl zu mehr Operabilität verhelfen. Aus dieser Perspektive fungieren die Belastungsanalysen aber nicht als Nachweisinstrument oder Instrument zur Überprüfung der Planfunktionalität (im engeren Sinne).318 Ihr Einsatz erfolgt vielmehr mit umgekehrter Zielrichtung als Mittel zur Offenlegung und Vergegenwärtigung von Kontingenzen.319 Indem die für den Krisenfall anvisierten Prozesse und Handlungsoptionen anhand beispielhafter Krisenverläufe schrittweise durchdacht und auf potentielle Schwachstellen hin untersucht werden, können die Szenarioanalysen dazu beitragen, unbewusstes in bewusstes Nichtwissen320 zu überführen. Das dadurch geschaffene Risikobewusstsein321 kann einerseits weitere Planoptimierungen anregen, andererseits aber auch zu einer realistischeren Bewertungsentscheidung über den Plan beitragen.322 Ein solches Funktionsverständnis steht in erkennbarem Spannungsverhältnis zur gegenwärtigen Aufsichtspraxis, wie sie etwa die EZB propagiert. In Anknüpfung an Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 del. VO 2016/1075 betont sie, die Szenarioanalysen sollen dazu dienen, die Gesamtsanierungskapazität der Institute in schwerwiegenden Belastungsphasen zu bestimmen.323 Zwar legt die EZB dabei durchaus restriktive Bewertungsmaßstäbe an.324 Im Grundsatz aber setzt auch sie das Instrument mit „positiver Prüfrichtung“ ein, will also anhand der Szenarioanalysen die krisenbezogenen Fähigkeiten der Institute plausibilisieren, anstatt (nur) unsicherheitsgenerierende Leerstellen aufzudecken. Ein solches Verständnis birgt freilich auch die Gefahr, einem Gefühl falscher Sicherheit anheimzufallen.325
317 Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 348, dort mit Blick auf behördliche Stresstests, letztlich aber übertragbar. 318 In diese Richtung aber Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 102; s. auch EBA, Comparative Report on recovery options, 1.3.2017, S. 3. 319 S. nochmals Bora, in: ders. (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 9, 14. Vgl. auch Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 148, 168 (mit der Forderung nach Offenlegung der Grenzen der Szenarioanalysen sowie der zugrundeliegenden Annahmen). 320 In der dt. Risikodogmatik ist vor allem von spezifischem und unspezifischem Nichtwissen die Rede, vgl. § 5 Fn. 46. 321 Vgl. Luhmann, Soziologie des Risikos, S. 37 („Je mehr man weiß, desto mehr weiß man, was man nicht weiß, und desto eher bildet sich ein Risikobewusstsein aus.“). 322 Zu dieser Risikoentscheidung sogleich, Abschnitt § 5 C. 323 EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 16 ff. 324 Ebenda, S. 17 f. (z. B. sollen wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Sanierungsoptionen sowie negative Reputationseffekte berücksichtigt werden). 325 Vgl. nochmals auch Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 148, 168; ähnl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1318 (2014).
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
bb) Planinterne Erläuterungs- und Begründungspflichten Weiteres Anschauungsmaterial bieten die zahlreichen an die Institute gerichteten Erläuterungs- und Begründungspflichten, unter anderem in Art. 17 Nr. 1 lit. b, c del. VO 2016/1075.326 Sie verlangen, dass sämtliche im Sanierungsplan enthaltenen Definitionen klar und kohärent abgefasst und Analysen im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Annahmen und Bewertungen erläutert werden. Die Vorschriften sind von zentraler Bedeutung,327 um den Aufsichtsbehörden eine nachvollziehende Kontrolle der Planungsleistungen der Institute zu ermöglichen.328 Gleichzeitig sollten sie aber auch als Anreiz zur Umsetzung einer reflexiven Planungspraxis verstanden werden. Diese Einordnung hat maßgebliche Bedeutung für die Reichweite der Erläuterungs- und Begründungspflichten: Diese zielen dann nicht nur auf eine bloße Offenlegung der eigenen Annahmen, Hypothesen und Gedankengänge, sondern sind als umfassende Pflicht zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Planungsleistung zu lesen.329 Dazu gehört es, die intern favorisierten Bewertungsannahmen nicht nur darzustellen, sondern im Einzelfall auch in Auseinandersetzung mit potentiellen Gegenargumenten zu entwickeln, dies insbesondere dort, wo solche Argumente und Bedenken im internen Planungsverfahren von Institutsmitarbeitern formuliert wurden.330 Ebenso sollte bei der Handhabung der Erläuterungs- und Begründungspflichten auch der Tatsache Rechnung getragen werden, dass das Sanierungsplanungsrecht, trotz seiner Offenheit für Diskussionsprozesse, nur auf eine direkte Auseinandersetzung im Verhältnis zwischen Instituten und Aufsichts-
326 S. zudem bereichsspezifisch mit der Forderung einer „nachvollziehbaren Begründung“: § 7 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 4, Abs. 7 Satz 2, § 9 Abs. 6 Satz 5, § 21 Abs. 2 Satz 4 MaSanV. 327 Vgl. EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 10, 13, 27, 29, passim (EZB betont immer wieder die Notwendigkeit einer angemessenen Begründung und Erläuterung von Analyse- und Bewertungsannahmen). 328 Auch jenseits dieser expliziten Erläuterungs- und Begründungspflichten wird man schon die Pflicht zur schriftlichen, „planförmigen“ Sanierungsplanung ebenfalls auch als Mittel zur Disziplinierung und nachvollziehenden Kontrolle rechtfertigen können. Denn durch die Verschriftlichung der Planung werden konzeptionelle Brüche in der Planung eher transparent und wird mittelbar eine kohärente und folgerichtige Planung angeregt. 329 Bereits der Normwortlaut deutet in diese Richtung: anstelle einer bloßen Offenlegung von Annahmen und Bewertungen fordern die Vorschriften – tendenziell weitergehend – eine „Erläuterung“ (Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075) bzw. „nachvollziehbare Begründung“ (Vorschriften der MaSanV). An anderer Stelle, letztlich aber übertragbar, im hiesigen Sinne auch BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 9. 330 Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 98.c., wonach es Teil einer angemessenen Risikokultur ist, einen kritischen Dialog zu pflegen und bei Entscheidungsprozessen ein breites Spektrum an Sichtweisen zu unterstützen.
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behörden ausgelegt ist. Die Regelungen stehen damit in einem Spannungsverhältnis zu den heute allgemein anerkannten Grundsätzen für Entscheidungsverfahren im Risikobereich, wonach eine prozedurale Richtigkeitsgewähr maßgeblich von einer möglichst breiten Einbindung aller entscheidungsbetroffenen Stakeholder abhängt.331 Die Eingrenzung der Planungsbeteiligten mag man, zumindest in Teilen, mit dem Interesse an einer Vertraulichkeit der Planinhalte begründen.332 Als Ausgleich sollte dann aber zumindest die interne Planerstellung so weit wie möglich auch die Anbindung an den (fach-)öffentlichen Diskurs suchen.333 Das bedeutet, dass bei der Plangestaltung, wann immer sinnvoll möglich, auf den aktuellen Stand der betriebswirtschaftlichen und finanzmarktbezogenen Forschung Bezug zu nehmen ist und dort diskutierte Best-Practice-Vorschläge, auch unter Beachtung von Mindermeinungen,334 zu berücksichtigen sind.335 Letztlich wirken die planinternen Erläuterungen und Begründungen dann als mittelbare und dezentrale Erweiterungen des oben beschriebenen Informations- und Wissensnetzwerks, auf das die Sanierungsplanung aufbaut.
V. Zusammenfassung und Bewertung 1. Sanierungsplanung als prozess-, diskurs- sowie wissens- und lernorientiertes Verfahren Das Sanierungsplanungsrecht ist auf struktureller Ebene durch Merkmale und Strategien gekennzeichnet, die der Sanierungsplanung einen gleichermaßen prozess-, diskurs- sowie wissens- und lernorientierten Charakter verleihen: Als prozessorientiertes Instrument ist die Sanierungsplanung durch eine Vorverlagerung des staatlichen Steuerungszugriffs in zeitlicher und sachlicher Hinsicht gekennzeichnet. In Ergänzung zum klassischen, gefahrenabwehrrechtlich geprägten Kriseninstrumentarium löst sich die Sanierungsplanung von konkreten Belastungs- oder Krisenphasen und setzt bereits in der Frühphase des regulären Geschäftsbetriebes an. Anstelle eines hoheitlich-imperativen Zugriffs von außen
331
S. stellv. statt vieler Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 246 f. S. ErwG 86 BRRD. Zudem scheinen die BRRD-Gesetzgeber stark auf die Fachkompetenz der Aufsichtsbehörden zu setzen, die bei ihrer Aufgabenwahrnehmung auch Einleger-, Anleger- und Verbraucherinteressen im Blick haben müssen, vgl. ErwG 89 BRRD. 333 Allg. ähnl. für die Rechtsanwendungsebene Calliess, Prozedurales Recht, S. 177 f. 334 Vgl. zum Bedürfnis einer Berücksichtigung von Mindermeinungen, gerade auch im Bereich der Finanzmarktaufsicht, Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 142 f., 151. 335 Der Umfang der Darstellung müsste sich dabei gem. Art. 17 Nr. 2 del. VO 2016/ 1075 an der Bedeutung der jeweiligen Annahme/Bewertung für den Sanierungserfolg orientieren. Zu berücksichtigen ist auch, dass Art. 17 Nr. 1 lit. d del. VO 2016/1076 im Interesse eines operablen Gesamtumfangs der Pläne auch Auslagerungen (etwa in Anhänge zum eigentlichen Sanierungsplan) erlaubt. 332
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
wirkt sie auf die unternehmensinternen Entscheidungsprozesse ein und regt dort die Formulierung individueller,336 krisenbezogener Entscheidungsprämissen an. Die Folgenorientierung des Sanierungsplanungsrechts, kombiniert mit der Aktualisierungspflicht in § 12 Abs. 4 SAG, verleiht der Sanierungsplanung dabei die Form eines zeitlich geöffneten, evolutionären Verfahrens.337 Eben diese folgenorientierte Programmierung der Gestaltungsanforderungen für die Sanierungspläne ist es auch, die dem Planungsverfahren seinen diskursorientierten Charakter verleiht. Bedingt durch die weitgehende Rücknahme der gesetzlichen Steuerungsdichte und die Festlegung eines dialogförmig strukturierten Verfahrensrahmens schafft das Sanierungsplanungsrecht die Voraussetzungen für einen fortgesetzten Diskurs um die Frage, wie die rechtlichen Rahmenanforderungen umzusetzen und welche Planungsentscheidungen im Einzelfall angemessen sind.338 In kognitiver Hinsicht schließlich ist die Sanierungsplanung abhängig von einem mehrdimensionalen, wechselseitigen Lern- und Koordinationsprozess zwischen den Instituten und den staatlichen Behörden. Sie kann dazu auf ein instituts- und behördenübergreifendes Netzwerk zurückgreifen, in dem alle planungsrelevanten Informationen unter Mitwirkung der europäischen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden, vor allem aber auch der EBA, zusammengeführt und zirkuliert werden. Diese netzwerkbasierte Wissensordnung führt dazu, dass sich die Sanierungspläne bei substanzieller Betrachtung kaum noch einheitlich der privaten oder der staatlichen Sphäre zuordnen lassen. Als hybrides Aufsichtsinstrument ist der Sanierungsplan vielmehr durch ein einzelfallabhängiges Verschwimmen der beiderseitigen Gestaltungsbeiträge gekennzeichnet. Mit Blick auf die inhaltliche Ausrichtung der Lernprozesse schließlich ist das Sanierungsplanungsrecht an verschiedenen Stellen offen für eine reflexive Planungspraxis, die sich an einem Lernen höherer Ordnung orientiert und Institute und Behörden zu einem (selbst-) kritischen, risikosensitiven Vorgehen anregt.339 Insgesamt weist das Sanierungsplanungsrecht damit starke Übereinstimmungen mit den Steuerungskonzepten einer sog. Prozeduralisierung340 sowie einer sog. regulierten Selbstregulierung341 auf.
336 Zur Sanierungsplanung als Beispiel für eine Individualisierung des Aufsichtsrechts auch schon Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 358; ähnl. mit Blick auf die US-Regeln Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1309 (2014) („targeted, entity-specific regulation“). 337 Dazu oben, Abschnitt § 5 B. II. 338 Dazu oben, Abschnitt § 5 B. III. 339 Dazu oben, Abschnitt § 5 B. IV. 340 Tendenziell anders aber Binder, ZBB 2015, 153, 159, 163 f., der die BRRD-Regelungen zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung zwar ebenfalls im Lichte der Prozeduralisierungsthese behandelt, dabei aber – m. E. zu Unrecht (s. sogleich, § 5 Fn. 344, 348) – zu dem Ergebnis kommt, die heutigen Aufsichtsanforderungen würden dem Gedanken einer prozeduralen Regulierung nicht bzw. nicht hinreichend gerecht werden.
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2. Komplexitätsreduktion und Erwartungssicherung durch abstrakt-präventive Vorfeldplanung Diese Ausgestaltung des Rechtsrahmens kann vor allem deshalb überzeugen, weil sie aus funktionaler Perspektive weitgehend angemessene Antworten auf die spezifischen Sachprobleme und tatsächlichen Herausforderungen des (planerischen) Umgangs mit Finanzkrisen bietet: Die eingangs beschriebene Vorverlagerung des aufsichtlichen Steuerungszugriffs ist Ausdruck der unter anderem während der letzten Finanzkrise gewonnenen Erfahrung, dass die Komplexität bankeninsolvenzlicher Sachverhalte es nahezu unmöglich macht, auf akute Bankenzusammenbrüche praktikable Ad-hocLösungen zu entwickeln.342 Eine Weiterentwicklung der vorhandenen anlassbezogenen Planungsinstrumente des KredReorgG in Richtung einer abstrakt-präventiven Vorfeldplanung war nach alledem geradezu zwingend.343 Naturgemäß sind in dieser Frühphase noch keine abschließenden Festlegungen zu zukünftigen Krisenmaßnahmen möglich. Die §§ 12 ff. SAG finden aber auch hier eine angemessene Balance, indem sie die Sanierungspläne in einen erweiterten Entscheidungszusammenhang einbetten und als Instrumente zur Vorstrukturierung und Abschichtung von Entscheidungsproblemen fruchtbar machen. Überzeugend ist dabei insbesondere auch die Entscheidung, trotz der bestehenden Zukunftsunsicherheiten nicht auf die Vorausplanung konkreter Krisenmaßnahmen zu verzichten.344 Die systemtheoretische Perspektive hat insoweit verdeutlicht, dass diese maßnahmenbezogene Planung ein Vorverständnis generieren kann, das selbst dann noch Effizienzvorteile für das unmittelbare Krisenmanage341 Insoweit ähnl. Minto, ECFR 2018, 772, 801, 804 („prolific terrain for public-private collaborative forms of regulation in line with the tenets of new governance scholarship“). 342 S. stellv. Laux/Rosa, WSI Mitteilungen 10/2009, 547, 550. Dieses Problem haben auch die Planungsinstrumente des KredReorgG nur unzureichend adressiert (s. schon oben, Abschnitt § 2 B. IV. 1.). 343 Vgl. de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 391 (2019). 344 Für einen begrenzteren Planungsumfang aber Binder, ZBB 2015, 153, 159 („Vorab festlegbar sind damit einerseits die künftige Aufgabenverteilung [. . .], andererseits bereits unabhängig von der künftigen Krisenreaktion sinnvolle und realisierbare Maßnahmen zum Abbau komplexitäts- und vernetzungsinduzierter Abwicklungshindernisse.“). Allg. krit. zu inhaltlichen Gestaltungsvorgaben an die Planung auch schon Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 613, Fn. 81 („[. . .] erscheint [. . .] vertretbar, keine detaillierten Fragestellungen oder Kriterien vorzugeben, da anderenfalls das Risiko bestünde, dass der Plan sich nur auf diese im Allgemeinen als bedeutsam identifizierten Aspekte bezieht, ohne die individuellen Risiken der Bank hinreichend gründlich zu würdigen.“); ähnl. schon FSA, Turner Review Conference Discussion Paper, A1.19. Dieses Risiko dürfte sich in der Praxis nicht bewahrheitet haben, weil die relevanten Normen nur Rahmenvorgaben machen und die Aufsichtsbehörde explizit auf eine individuelle, kritische Ausformung dieser Vorgaben durch die Institute dringt, vgl. zuletzt EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 10, 12, passim.
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ment erwarten lässt, wenn die ex ante entworfenen Maßnahmen später situativ passgerecht fortentwickelt werden müssen. Die Leistungspotentiale abstrakten und situativen Entscheidens werden so sinnvoll miteinander kombiniert.345 3. Temporalisierung des Planungsprozesses als Antwort auf die Dynamik des Planungsgegenstandes Ebenso zwingend dürfte die beschriebene Temporalisierung des Planungsprozesses sein. Sie bringt die zutreffende Einsicht zum Ausdruck, dass sowohl die einzelnen Finanzinstitute als auch das Gesamtfinanzsystem in hohem Maße wandelbare Phänomene sind, auf die das Aufsichtsrecht nur dadurch angemessen reagieren kann, indem es seinerseits dynamischer wird.346 Bedingt durch die folgenorientierte Programmierung der Planungsanforderungen und die Pflicht zur Aktualisierung erhält der Sanierungsplan letztlich einen evolutionären Charakter, der es erlaubt, neue Informations- und Wissensbestände sowie Beurteilungsmaßstäbe fortwährend zu verarbeiten.347 Über die Einbeziehung sog. vorbereitender Maßnahmen berücksichtigt der Rechtsrahmen dabei auch, dass eine angemessene Krisenvorsorge häufig längerfristige Anpassungen in den Unternehmen erforderlich macht.348 Dem Bedürfnis der Aufsichtsobjekte nach Rechtssicherheit trägt das Regime infolge seiner Flexibilisierung zwar nicht auf materiell-inhaltlicher Ebene, wohl aber auf verfahrensrechtlicher Ebene Rechnung.349 4. Diskursiver Planungsprozess als Antwort auf die strukturellen Grenzen der Risikoanalyse Die im Sanierungsplanungsrecht angelegte Diskursorientierung spiegelt schließlich die zutreffende Einsicht wider, dass die in der Planung allenthalben aufgeworfenen Risikoentscheidungen sich nur in Teilen auf „harte Kriterien“ zurückführen lassen, als zukunftsbezogene Vorgänge vielmehr immer auch ein 345
S. zum Ganzen oben, Abschnitt § 5 B. II. 2. S. allgemeiner mit Blick auf das mikroprudenzielle Aufsichtsrecht auch noch unten, Abschnitt § 6 A. I. 5. (dort im Kontext des Konzepts der sog. qualitativen Bankenaufsicht). 347 Die Befürchtung, die BRRD institutionalisiere eine statische Sanierungsplanung, die nur im Bedarfsfall hinterfragt und nicht hinreichend in den laufenden Geschäftsbetrieb einbezogen ist (s. dazu Diskussionsbericht bei Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 197, 204), findet deshalb jedenfalls auf rechtlicher Ebene keine Stütze (zur Verknüpfung von Sanierungsplanung und laufendem Risikomanagement noch genauer unten, Abschnitt § 6 A. II.). Solche Defizite ergeben sich allenfalls dann, wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht angemessen umgesetzt werden. 348 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG, Art. 15 del. VO 2016/1075, § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG. Krit. aber Binder, ZBB 2015, 153, 163 f., jedoch ohne die vorgenannten Normen zu berücksichtigen. 349 S. dazu ausführlicher oben, Abschnitt § 5 B. II. 3. b). 346
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normativ-wertendes Element beinhalten und insoweit von psychosozialen Vorbedingungen beeinflusst werden.350 Dass das Sanierungsplanungsrecht diese Bewertungen nicht allein den Instituten überlässt, sondern stattdessen die Voraussetzungen für einen Diskussionsprozess schafft, in dem sowohl die Institute als auch die Aufsichtsbehörden frühzeitig ihre Interessen und Problemperspektiven formulieren können, erscheint sachgerecht. Denn erst dadurch wird die Sanierungsplanung für eine „Kultur der Abwägung“ 351 geöffnet, die in der Leitungsebene der Unternehmen die erhoffte disziplinierende Wirkung entfalten und ganz allgemein eine stärkere Sensibilität für aufsichtliche Interessen schaffen kann.352 Mit Blick auf einzelne Risikoentscheidungen zeigt zudem die verhaltenspsychologische Forschung, dass subjektive Fehler in der Risikowahrnehmung (sog. kognitive Verzerrungen bzw. Biases)353 vor allem dadurch begegnet werden können, dass das Entscheidungsverfahren systematisch auf Rückkopplungen und auf die Generierung von Gegenargumenten ausgerichtet ist.354 Auch insoweit bietet der Rechtsrahmen durch seine Diskursöffnung strukturell gute Voraussetzungen. 5. Verbleibende Defizite: Mangelnde Kontrolle und überkomplexe Aufsichtsarchitektur Gleichzeitig zeigen sich in diesem Zusammenhang auch die Grenzen des aktuellen Rechtsrahmens: Aufgeworfen ist vor allem die Frage, ob der Rechtrahmen – bei all seiner Kooperationsorientierung – auch angemessene Kontrollmechanismen bereithält, die 350
S. o., Abschnitt § 5 A. III. 1., 2. Renn, APuZ 6–7/2014, 3, 8. 352 Andere sprechen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung auch jenseits dieser spezifisch aus dem diskursiven Verfahrensmodus resultierenden Effekte eine disziplinierende Wirkung zu, weil sich das Unternehmen mit seinem eigenen Strukturen und Risiken auseinandersetzen muss, vgl. etwa Minto, ECFR 2018, 772, 799, 803; Paulus, in: Nunner-Krautgasser/Garber/Jaufer (Hrsg.), Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 271, 276; Thole, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 220, 223. S. ferner Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 807 f. (2016–2017) (Planung könne NudgingEffekte auslösen und kognitiven Verzerrungen entgegenwirken) sowie schon Schwarcz, 70 W&L L. Rev. 1781, 1821 (2013); ähnl. auch schon Claessens/Herring/Schoenmaker, A Safer World Financial System, S. 63 f. Demgegenüber eher Selbstgefälligkeit infolge der Planung befürchtend Leckow/Laryea/Kerr, in: Lastra (Hrsg.), Cross-Border Bank Insolvency, Rn. 12.10. 353 S. dazu schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. b). 354 Vgl. Beck, Behavioral Economics, S. 51, 55, 64 f. Speziell zum Umgang mit Überoptimismus-Effekten s. Russo/Schoemaker, 33 Sloan Manag. Rev. 7 (1992); Lichtenstein/Fischhoff/Phillips, in: Kahneman/Slovic/Tversky (Hrsg.), Judgment under uncertainty, S. 306: Danach ist verzerrten Risikowahrnehmungen vor allem durch bestimmte Verfahrensgestaltungen beizukommen. Bewältigt oder zumindest abgemildert werden sie vor allem dann, wenn Verfahren systematisch auf Rückkopplungen sowie auf die Generation von Gegenargumenten gerichtet sind. Eben diese Voraussetzungen schafft das Sanierungsplanungsrecht durch die Diskursorientierung des Planungsverfahrens. 351
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eine hinreichend restriktive Anwendung der gesetzlichen Planungsvorgaben gewährleisten. Zwar erscheint es einerseits nur folgerichtig, den Gerichten als Kehrseite zur reduzierten Steuerungsdichte des Aufsichtsrechts und als Reaktion auf die Komplexität der Planungsvorgänge nur eine eingeschränkte Funktion bei der Verwaltungskontrolle zuzubilligen.355 Aus Sicht der Institute mag dies ohnehin zu verschmerzen sein, zumal gerichtliche Verfahren für sie im Interesse des Reputationsschutzes nur im Ausnahmefall als Konfliktlösungsinstrument in Betracht kommen.356 Aber auch aus Sicht der Allgemeinheit besteht ein veritables Kontrollinteresse, ist doch gerade im Rahmen der Sanierungsplanung die Gefahr groß, dass sich die Behörden einseitig für private Interessen der Unternehmen vereinnahmen lassen.357 Je mehr hier die Gerichte in ihrer Funktion als Kontrollinstanzen in den Hintergrund treten, desto dringender stellt sich die Frage nach angemessenen Ausgleichsmechanismen. Ein potentieller Ausweg könnte in einer stärkeren Transparenz der Planungsverfahren liegen. Transparenz und (fach-) öffentliche Kontrolle gehören im Kontext prozeduraler Risikoregulierung heute üblicherweise zu den Standardvorkehrungen zur Disziplinierung der Verfahrensbeteiligten.358 Im hiesigen Zusammenhang steht diesem Anliegen jedoch die umfassende Vertraulichkeit der Sanierungsplanung gem. §§ 4 ff., 21 SAG entgegen.359 Ob es dabei auch in Zukunft bleiben kann, erscheint zweifelhaft.360 Bedenken ergeben sich schließlich auch mit Blick darauf, wie der Gesetzgeber auf die Informations- und Koordinationsbedürfnisse der Sanierungsplanung und des Krisenmanagements der Institute reagiert hat. Zwar erscheint es im Grundsatz nur folgerichtig, den Instituten ein Informations- und Wissensnetzwerk zur Seite zu stellen, auf dessen Grundlage alle planungsrelevanten Informationen aufbereitet, verteilt und eine koordinierte Krisenreaktion sichergestellt werden kann. Probleme ergeben sich aber aus der kaum noch überschaubaren Komplexität dieser Netzwerkstruktur: So konkurrieren mit der EZB, der EBA, dem SRB und den zahlreichen nationalen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden und ihren jeweiligen Untergliederungen eine Vielzahl von Institutionen und Akteuren innerhalb des europäischen Aufsichtssystems, die jeweils eigene Interessen in den
355
S. dazu Abschnitt § 5 B.III.3. Vgl. Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 126 Rn. 71; Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 66; ebenso Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 506; im Kontext der Abwicklungsplanung zudem de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.38. 357 S. schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 358 Vgl. Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 68; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 350; Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 247; Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207, 220 f. (jeweils m.w. N.). S. auch Renn, APuZ 6–7/2014, 3, 9 sowie im finanzaufsichtlichen Kontext Becker, ZG 2009, 123, 138. 359 Dazu schon oben, Abschnitt § 3 D. II. 360 Zu alternativen Lösungsansätzen de lege ferenda s. u., Abschnitt § 7 A. II. 356
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Aufsichtsprozess einbringen. Der mit dieser Akteursvielfalt einhergehende Koordinierungsaufwand mag zwar einerseits wünschenswert sein, weil er zahlreiche Problemperspektiven zusammenführt und ein System der „Checks and Balances“ schafft.361 Damit verbunden ist aber auch eine Verlangsamung der Entscheidungsprozesse, die kaum mit dem Zeitdruck gerade in akuten Krisenphasen vereinbar ist. Schlimmstenfalls könnten kooperative Lösungen gar, solange kein zentraler Akteur mit „harten“ Durchgriffs- bzw. Letztentscheidungsrechten zur Verfügung steht, gänzlich am Widerstand Einzelner scheitern. Langfristig wird man diesen Schwachstellen wohl nur durch eine institutionelle Vereinfachung des europäischen Aufsichtssystems beikommen können.362 Bereits heute, de lege lata ließe sich den genannten Problemen allenfalls dadurch begegnen, dass sie – ganz im Sinne der oben beschriebenen reflexiven Planungspraxis – bereits frühzeitig in die individuelle Planung der Institute eingepreist werden. So könnten etwa in Reaktion auf absehbare interbehördliche Kooperations- und Koordinationsdefizite Anpassungen am Sanierungsplan vorgenommen oder Strukturanpassungen am Institut durchgesetzt werden, die das Bedürfnis nach Kooperation und Koordination in Krisenphasen von vorn herein mindern.363 Man mag einer solchen wirkungsbezogenen Perspektive auf das Sanierungsplanungsrecht entgegenhalten, dass dadurch Probleme auf staatlicher Ebene zu Lasten der Institute gelöst werden, was mit einem effektiven Grundrechtsschutz unvereinbar ist.364 Eine solche Betrachtung lässt aber unberücksichtigt, dass auch staatliche Aufsichtstätigkeit unter einem „Vorbehalt des Möglichen“ 365 stattfindet. Effektive Gefahrenbzw. Risikoabwehr muss auch dann möglich sein, wenn die an sich wünschenswerte, optimale Sachverhaltsaufklärung und Koordination innerhalb des europäischen Aufsichtssystems infolge struktureller Grenzen (gegenwärtig) nicht erreicht werden kann.366 Nur so lässt sich in der Praxis die in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG formulierte Zielsetzung auch tatsächlich wirksam umsetzen.
361 Vgl. auch Smoleñska, in: Grundmann/Micklitz (Hrsg.), European Banking Union, S. 169, 200, passim, dort primär mit Blick auf die Entscheidungsprozesse im SRM. 362 Näher zu den Herausforderungen im Bereich der interbehördlichen Kooperation und zu möglichen Lösungsansätzen de lege ferenda unten, Abschnitt § 7 A. I. 363 Ein entsprechender Ansatz liegt dem sog. Ring Fencing zugrunde (s. dazu unten, Abschnitt § 5 D. II. 1. a)). 364 Ganz auf dieser Linie führte die Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 29 im BRRD-Gesetzgebungsverfahren zu Eingriffen gem. Art. 17 f. BRRD (§§ 59 f. SAG) aus: „[. . .] it cannot be used to address impediments that arise from operational or financial weaknesses in the home Member States or its resolution authority“. Zu Recht hat diese pauschale Formulierung nicht Eingang in den Richtlinientext gefunden. 365 Vgl. dazu grundlegend BVerfG NJW 1972, 1561, 1564 f. (= BVerfGE 33, 303). 366 Zum Vorbehalt des Möglichen bei der Gefahrenabwehr s. BVerfG NJW 2001, 1411, 1412; im risikorechtlichen Zusammenhang ferner Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 320 ff.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
C. Entscheidungsbezogene Strukturmerkmale der Sanierungsplanung I. Entscheidungszwang unter Unsicherheitsbedingungen Das Sanierungsplanungsrecht reagiert auf seine eigene Zukunfts- bzw. Risikobezogenheit in erster Linie durch verfahrensbezogene Mechanismen, die soeben unter den Stichworten Prozess-, Diskurs- sowie Wissens- und Lernorientierung zusammengefasst wurden. Auch diese Vorkehrungen stoßen jedoch im Umgang mit Planungsrisiken auf Grenzen. Denn zum einen besteht auch trotz Öffnung des Planungsverfahrens für fachlichen Austausch und fortlaufende Aktualisierungen weiterhin die Notwendigkeit punktuell-situativer Entscheidungen: Innerhalb eines jeden Planungszyklus ist darüber zu entscheiden, wie der Plan im Lichte der gesetzlichen Anforderungen auszugestalten oder, aus der Perspektive der Aufsichtsbehörden, zu bewerten ist. Diese Entscheidungen können zwar durch einen Austausch von Problemperspektiven und Argumenten zwischen allen Beteiligten vorbereitet werden, bleiben als solche aber unausweichlich. Sie können auch nicht im Bewusstsein nachträglicher Korrekturmöglichkeiten367 getroffen werden, weil keine Gewissheit besteht, ob für solche Korrekturen in Zukunft tatsächlich noch Raum besteht. Genauso gut denkbar ist auch der zwischenzeitliche Eintritt einer Krisenlage, welche eine zügige Implementierung des Plans in seiner aktuellen Gestalt erfordert. Jede Planungsentscheidung muss deshalb an ihrer jederzeitigen Umsetzbarkeit orientiert sein.368 Dieser Handlungsdruck wäre dann noch vergleichsweise unproblematisch, wenn der vorangehende Planungsprozess wenigstens eine verlässliche Informations- und Wissensgrundlage zur Entscheidung generieren könnte. Insofern wurde aber deutlich, dass selbst eine umfassend auf Informations- und Wissensgenerierung ausgerichtete Sanierungsplanung auf Grenzen stößt – einmal erlangtes Wissen erzeugt nur neues, anders gelagertes Unwissen. Man mag diesem Problem partiell dadurch beikommen, dass man die im Sanierungsplanungsrecht angelegten Lernprozesse zunehmend auf ein reflexives Lernen höherer Ordnung umstellt und so die Sensitivität für Fehleinschätzungen und -steuerungen erhöht.369 Das aus der Zukunftsbezogenheit der Planung resultierende Entscheidungsproblem370 per se wird dadurch jedoch nicht gelöst. 367 Zur Möglichkeit der Nachsteuerung als Ziel im rechtlichen Umgang mit Risiken statt vieler Franzius, in: GVwR I, § 4 Rn. 88 ff. 368 Dies gilt erst recht für die Entscheidungen im Krisenstadium selbst. Gerade hier verlangt die hohe Reputationsanfälligkeit der Institute schnelles und widerspruchsfreies Handeln, um das Vertrauen der Stakeholder zu wahren und die Marktposition des Instituts nicht weiter zu destabilisieren. 369 S. dazu oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. 370 Allg. zur Ungewissheit als besonderem Problem des Rechts, das auf Entscheidungen ausgerichtet ist, Appel, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit, S. 113, 129 f.; ferner Pardo, in: Darnaculleta i Gardella/Pardo/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Strategien des Rechts, S. 25, 27 ff.
C. Entscheidungsbezogene Strukturmerkmale der Sanierungsplanung
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Ebenso wie in anderen risikobezogenen Regulierungsbereichen ist damit – zugespitzt formuliert – zu akzeptieren, dass Ungewissheit der Sanierungsplanung einzige Gewissheit ist.371 Das Sanierungsplanungsrecht bedarf folglich komplementärer Regeln zur Entscheidung unter Bedingungen begrenzten Wissens.372 Zu suchen ist eine Antwort auf die Frage, wie mit der strukturellen Ungewissheit bei der Erstellung, Bewertung und Umsetzung der Pläne umzugehen ist. Welche normativen Rahmenvorgaben leiten die Prognoseentscheidungen in derartigen Grenz- und Zweifelsfällen an? Sind verbleibende Unsicherheiten zu Lasten der Allgemeinheit in Kauf zu nehmen oder vom Risikoverursacher, hier also den Instituten, selbst zu tragen (sog. Risikolast373)? Setzt sich im Zweifel das individuelle Freiheitsrecht oder das Gemeinwohlinteresse an der Finanzstabilität durch? Eine angemessene Beantwortung dieser Fragen bedarf vorab einer grundsätzlichen Differenzierung: In den Blick zu nehmen ist einerseits die Konstellation, in der die Aufsichtsbehörde im Planungsverfahren den Erlass von Maßnahmen gegenüber dem Institut erwägt. Das Problem der Entscheidung unter Ungewissheitsbedingungen stellt sich hier als Frage des Beweismaßes und der materiellen Beweislast, also der Lastentragung in einer Situation des non liquet (dazu II.). Davon zu unterscheiden ist die Konstellation, in der die Institutsgeschäftsleitung selbst auf nicht zu überbrückende Ungewissheiten bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben stößt. Hier ist das beschriebene Entscheidungsproblem eine Frage der inhaltlichen Reichweite der gesetzlich angeordneten Handlungs- und Prüfpflichten (dazu III.). In beiden Konstellationen, so viel sei vorweggenommen, lassen sich aus dem Sanierungsplanungsrecht ausdifferenzierte Lösungsmechanismen entwickeln. Im Interesse einer effektiven Sicherung der Finanzstabilität ermöglicht und gebietet es frühzeitige und umfassende Vorkehrungen überall dort, wo der Aufsichtsbehörde oder dem Institut veritable Zweifel an der Angemessenheit der zunächst geplanten Maßnahmen verbleiben.
II. Ungewissheit bei der aufsichtsbehördlichen Aufgabenwahrnehmung 1. Ungewissheit in Eingriffskonstellationen als Frage von Beweismaß und Beweislast Die §§ 12 ff. SAG enthalten gleich mehrere Ermächtigungsgrundlagen, auf Grundlage derer die Aufsichtsbehörde gegenüber den Instituten Aufsichtsmaß371 Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S. 239. Von der „Ungewissheit als Grundkonstante“ spricht auch Köck, KJ 1993, 125, 128. S. ferner Ladeur, BB 1993, 1303, 1305; Pitschas, in: GVwR II, § 42 Rn. 175. 372 Vgl. allg. Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 301, 325, 352 ff. 373 Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 58.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
nahmen erlassen kann.374 Die tatbestandliche Prüfung dieser Normen unterliegt, ebenso wie in anderen Bereichen der Eingriffsverwaltung, dem Amtsermittlungsgrundsatz. Er verpflichtet die Aufsichtsbehörde, die tatsächlichen Grundlagen ihrer Entscheidung in eigener Verantwortung festzustellen375 – ein Grundsatz, der im hiesigen Zusammenhang freilich durch die institutsseitige Pflicht zur Vorlage des Planentwurfes in Richtung einer „kooperativen Sachverhaltskonkretisierung“ 376 modifiziert wird. Kern der behördlichen Subsumtionsarbeit ist die Bewertung des vorgelegten Planentwurfes anhand der gesetzlich formulierten Inhaltsanforderungen. Mit absoluter Sicherheit wäre diese Bewertung nur dann möglich, wenn die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt zuvor in jeder Hinsicht zweifelsfrei feststellen könnte. Gerade hier kommen jedoch die eingangs beschriebenen Ungewissheiten ins Spiel: Zweifelsfreie Tatsachenfeststellungen sind in zukunftsbezogenen Planungsfragen kaum möglich. Im Rahmen der behördlichen Planbewertung wird dieses Problem als Frage von Beweismaß und Beweislast relevant. Der Begriff des Beweismaßes bezeichnet den Grad der Überzeugung, der erforderlich ist, damit die rechtsanwendende Person eine tatsächliche Behauptung für die Zwecke der tatbestandlichen Subsumtion als Erwiesen oder Nichterwiesen ansehen kann.377 In Deutschland gilt insoweit, sofern nicht ausnahmsweise Sonderregeln greifen, der sog. Überzeugungsgrundsatz (zum EU-Recht sogleich).378 374 Entsprechende Eingriffstatbestände enthalten die §§ 12 Abs. 3 Satz 1, 12 Abs. 4 Satz 2, 13 Abs. 6, 16 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 3, 16 Abs. 4 SAG. Subsidiär steht daneben § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG. 375 Für die BaFin gilt § 24 Abs. 1 VwVfG, für die EZB hingegen Art. 28 Abs. 1 SSM-RVO. S. zum Amtsermittlungsgrundsatz z. B. Heßhaus, in: BeckOK VwVfG, 51. Ed. (Stand: 1.4.2021), § 24 Rn. 5 ff.; ausf. Spilker, Behördliche Amtsermittlung, S. 67 ff. 376 Hoffmann-Riem, in: ders./Schmidt-Assmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9, 41 ff.; s. auch ders., Innovation und Recht, S. 329 f. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BRRD begründet – trotz seiner missverständlichen Formulierung („glaubhaft nachweisen“) – keine formelle Beweislast der Institute, sondern ist allein Ausdruck ihrer Mitwirkungspflicht bei der von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen durchzuführenden Planüberprüfung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SAG). Ausdruck dieser Mitwirkungspflicht ist das Gebot zur Erläuterung aller Planungserwägungen z. B. in Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075. 377 Dammann, Materielles Recht und Beweisrecht, S. 27; Kokott, Beweislastverteilung, S. 16. 378 § 108 Abs. 1 VwGO, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 261 StPO. Entsprechendes gilt auch für die Beweisermittlung im Verwaltungsverfahren, s. nur Ramsauer, in: Kopp/ ders. (Hrsg.), VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 24 Rn. 15. Herrschend wird eine Tatsache danach dann als erwiesen angesehen, wenn ein Grad an Überzeugung gegeben ist, der einem vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen keinen Raum zum Zweifeln überlasst. Vgl. BGH NJW 2015, 2111, 2112 Rn. 11; NJW 2013, 790, 791 Rn. 17; BVerwG Beschl. v. 11.6.2014 – 5 B 19/14 Rn. 6 (zit. nach juris); Dawin, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), VwGO, 40. EL (Stand: 2/2021), § 108 Rn. 41; Ritgen, in: Knack/Hennecke (Hrsg.), VwVfG, 11. Aufl. 2019, § 24 Rn. 55; Foerste, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 18. Aufl. 2021, § 286 Rn. 19. Gerade im Zivilprozessrecht
C. Entscheidungsbezogene Strukturmerkmale der Sanierungsplanung
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Für alle behördlichen Tatbestandsprüfungen stellt sich aber die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn bei der Sachverhaltsermittlung Ungewissheiten verbleiben. Gemeint ist die Situation, in der die entscheidende Person auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Mittel auf Erkenntnisgrenzen stößt, die eine abschließende Subsumtion nach Maßgabe des geltenden Beweismaßes unmöglich machen. Gerade weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ungeklärt bleibt, kann der Amtswalter die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals in diesem Fall nicht als erwiesenermaßen wahr oder unwahr einstufen, die Rechtsfolge dementsprechend also weder auslösen noch verwerfen. Beide Alternativen sind möglich, die behördliche Sachverhaltsermittlung endet in einer Situation des non liquet.379 Da die Behörde auch in einem solchen Fall zu einer Entscheidung kommen muss, bedarf es Vorschriften zur Überwindung der non-liquet-Lage. Ausschlaggebend sind hier die (regelmäßig ungeschriebenen) Regeln der materiellen Beweislast. Als Grundregel hat sich insoweit das sog. Normbegünstigungsprinzip herausgebildet. Danach hat derjenige die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache zu tragen, der aus dieser Tatsache eine für ihn vorteilhafte Rechtsfolge ableiten will. In Eingriffskonstellationen trägt grundsätzlich die Behörde die materielle Beweislast.380 Im Ergebnis besteht eine Beweislastentscheidung damit aus zwei Elementen: einer verbleibenden Unsicherheit im Bereich des Tatsächlichen und einer materiellen Beweislastnorm, die eine Entscheidung trotz dieser Unsicherheit ermöglicht. Die Häufigkeit derartiger Beweislastentscheidungen steht dabei in einem reziproken Verhältnis zum einschlägigen Beweismaß: Je höher die Anforderungen an das Beweismaß, desto häufiger werden tendenziell Beweislastentscheidungen. Umgekehrt gilt, je geringer die Anforderungen an das Beweismaß sind, desto seltener wird auch ein Rückgriff auf die Regelungen zur materiellen Beweislast erforderlich.381 2. Lösung im Sanierungsplanungsrecht Ausgehend von diesen Grundsätzen könnte in den hier in Rede stehenden Ungewissheitskonstellationen eine Lösung in den Regeln der materiellen Beweislast existiert aber auch eine starke Gegenansicht, die im Grundsatz bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen lassen will (sog. Überwiegensprinzip), vgl. schon Kegel, in: Festgabe Kronstein, S. 321, 335, 343 f.; zuletzt etwa Schweizer, Beweiswürdigung und Beweismaß, S. 540 ff. S. zur Diskussion auch Leipold, Beweismaß und Beweislast. 379 Dazu ausf. statt vieler Prütting, in: Baumgärtel/Laumen/ders. (Hrsg.), Hdb. der Beweislast, Band 1, 4. Aufl. 2019, Kap. 11. 380 BVerwG NVwZ 2008, 1371, 1375 Rn. 41; Breunig, in: BeckOK VwGO, 57. Ed. (Stand: 1.4.2021), § 108 Rn. 17. Gleiches gilt auch beim direkten Vollzug durch Unionsbehörden, hier also durch die EZB, vgl. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 421; Fehling, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, § 12 Rn. 27; Bülow, EWS 1997, 155, 156. 381 Kokott, Beweislastverteilung, S. 16 ff.; Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 66; s. auch Arndt, Das Vorsorgeprinzip im EU-Recht, S. 292 (m.w. N.).
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gesucht werden. Denkbar wäre etwa ausnahmsweise eine teilweise Umkehr der materiellen Beweislast, wie sie verbreitet etwa im Umwelt- und Technikrecht unter dem sog. Vorsorgeprinzip382 angenommen wird. Dann wäre auch bei Vorliegen eines non liquet von einer Eingriffsbefugnis der Aufsichtsbehörde auszugehen, wenn diese – erstens – eine auf konkrete Tatsachen begründete, plausibilisierte Gefährlichkeitsvermutung darlegen kann und – zweitens – das Institut diese Risikohypothese seinerseits nicht erschüttern kann.383 Wie nachfolgend zu sehen sein wird, löst das Sanierungsplanungsrecht das Problem allerdings in weiten Teilen bereits auf vorgelagerter Ebene. Behördliche Prognoseentscheidungen unterliegen im Rahmen der Sanierungsplanung einem reduzierten Beweismaß. a) Reduziertes Beweismaß Um diesen Lösungsansatz nachzuvollziehen, gilt es zunächst festzuhalten, dass die Frage nach dem einschlägigen Beweismaß im Grundsatz eine solche des materiellen Rechts ist und damit ausgehend von dem im Einzelfall zu prüfenden Normtatbestand beantwortet werden muss.384 Vorliegend kann deshalb nicht vorschnell von den in Deutschland geltenden Beweismaßgrundsätzen ausgegangen werden. In Rechnung zu stellen ist vielmehr, dass es sich bei der Sanierungsplanung um ein europarechtlich determiniertes Instrument handelt, dessen Einzelregelungen auf Art. 5 ff. BRRD beruhen. Anders als im deutschen Recht sucht man auf europarechtlicher Ebene aber vergeblich nach einem gesetzlich oder richterrechtlich ausdrücklich formulierten Regelbeweismaß.385 Infolgedessen sind 382 Ausf. dazu Appel/Mielke, Strategien der Risikoregulierung, S. 153 ff.; Wahl/Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 1, 72 ff.; instruktiv ferner die Kommentierung bei Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 191 AEUV Rn. 26 ff. und Epiney, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 94. EL (Stand: 1.12.2020), Art. 191 AEUV Rn. 23 ff.; s. m.w. N. auch Lepsius, VVDStRL 63 (2004), 264, 275 (Fn. 38). 383 Vgl. dazu ausf. z. B. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 232 ff. (auf S. 228 ff. auch m.w. N. zum Diskussionsstand); ähnl. Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 66. 384 S. dazu instruktiv etwa Paulus, in: FS Gerhardt, S. 747. 385 Zwar bemühen sich mittlerweile verschiedene Autoren um eine interpretative Ordnungsbildung in der Rechtsprechung von EuG und EuGH mit dem Ziel, implizite Aussagen über ein europarechtliches Regelbeweismaß zu kondensieren. Überzeugend hat aber Dammann dargelegt, dass sich aus den vorhandenen Entscheidungen bis dato keine zweifelsfreien Rückschlüsse auf ein Regelbeweismaß ableiten lassen, vgl. Dammann, Materielles Recht und Beweisrecht, S. 27 ff.; zustimmend auch Zierke, Steuerungswirkung der Darlegungs- und Beweislast, S. 27. Anders aber Baumhof, Die Beweislast im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, S. 35 f.; Hackspiel, in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Hdb. des Rechtsschutzes der EU, 2. Aufl. 2003, § 24 Rn. 33; Andovà, in: a. a. O., 3. Aufl. 2014, § 24 Rn. 38, die Anhaltspunkte für ein Regelbeweismaß sehen, das dem in Deutschland geltenden Regelbeweismaß ähnelt. Danach sei im Zweifel eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nötig. Ähnl. aus dem englischsprachigen Schrifttum nunmehr auch Lasok, Lasok’s European Court Practice and Procedure, 3. Aufl. 2017, Rn. 13.24. Dieser betont a. a. O. jedoch zugleich, dass
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gerade hier die Aussagen und tatsächlichen Rahmenbedingungen des einschlägigen Fachrechts von maßgeblicher Bedeutung. aa) § 13 Abs. 4 SAG als Beweismaßregelung Zentrale Bedeutung erlangt insoweit die Regelung in § 13 Abs. 4 SAG. In nahezu wörtlicher Entsprechung zu Art. 6 Abs. 2 BRRD muss der Sanierungsplan danach mit „überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet“ sein, die in Nr. 1 und 2 umschriebenen Qualitätskriterien zu erfüllen, namentlich also eine nachhaltige Sanierung des Instituts ermöglichen und gleichzeitig negative Externalitäten für das Finanzsystem so weit wie möglich vermeiden. Sowohl die Normhistorie als auch ein sprachlicher Fassungsvergleich machen deutlich, dass die Wahrscheinlichkeitsumschreibung als Anordnung eines reduzierten Beweismaßes zu lesen ist.386 So verzichtete die ursprüngliche Entwurfsfassung der BRRD-Norm noch auf den Passus der „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ und sprach davon, der Plan müsse schlicht „geeignet sein“, die genannten Kriterien zu erfüllen. Erst die Verhandlungen im Trilog-Verfahren zwischen dem EU-Parlament, der Kommission und den Mitgliedsstaaten führten zu einer Anpassung der Norm an ihren heutigen Wortlaut.387 Ursächlich für die überarbeitete Formulierung dürften dabei entsprechende Vorgaben der sog. Key Attributes des FSB gewesen sein. Diese fordern: „There should be a resonable prospect of recovery if appropriate recovery measures are taken.“ 388 Nahezu wortgleich spricht Art. 6 Abs. 2 BRRD in englischer Fassung heute davon, dass die Erfüllung der Vorgaben „reasonably likely“ sein muss. Ebenso deutlich verwendet die französische Sprachfassung die Wendung „on peut raisonnablement penser“. Die Formulierungen unterscheiden sich damit deutlich von den Umschreibungen, die mit Blick auf das in Deutschland geltende Regelbeweismaß üblicherweise vorgetragen werden. Weder fordert die Norm eine Überzeugung, die jedem Zweifel Schweigen gebietet oder das Gefühl der Unausweichlichkeit auf Seiten des Überzeugten hervorruft. Schon gar nicht ist eine subjektive Gewissheit im Sinne eines Fürwahrhaltens mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ es weiterhin unklar sei, wann genau der EuGH von dieser Leitlinie aufgrund besonderer Sachverhaltsumstände abweicht. 386 Ganz überwiegend wird auch in Deutschland davon ausgegangen, dass die Verwendung von Wahrscheinlichkeitsbegriffen in Tatbeständen als Reduktion des Beweismaßes wirkt, s. stellv. und m.w. N. Dawin, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), VwGO, 40. EL (Stand: 2/2021), § 108 Rn. 54. 387 S. zur Entwurfsfassung Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 57 (ebenso lautete auch die Vorgängerfassung zu § 13 Abs. 4 SAG in § 47a Abs. 3 KWG a. F.). Zur geänderten Fassung nach Durchführung des Trilogverfahrens s. Rat der Europäischen Union, Dok. 17958/13, 18.12.2013; Europäisches Parlament, Dok. A7-0196/2, 10.04. 2014. 388 FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.5 (Hervorhebung nur hier).
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nötig.389 Erforderlich, aber auch ausreichend für die Feststellung der (Nicht-)Erfüllung der gesetzlich formulierten Qualitätskriterien ist stattdessen eine vernünftige bzw. begründete Aussicht der bewertenden Aufsichtsbehörde. Viel spricht dabei dafür, die sprachliche Umschreibung der französischen und englischen Fassung tatsächlich in Übereinstimmung mit der deutschen Übersetzung zu lesen. Denn wann sollte man von einer begründeten Aussicht der Zielerreichung sprechen können? Wohl nur dann, wenn im Ergebnis mehr Argumente für als gegen die Erfüllung des in Rede stehenden Qualitätsmerkmals sprechen. Umgekehrt wird man dann nicht von einer begründeten Aussicht sprechen können, wenn mehr Argumente gegen als für die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen sprechen. Gerade dies bringt der Begriff der überwiegenden Wahrscheinlichkeit trennscharf zum Ausdruck. Er formuliert eine „50 % +“-Regel.390 Da jedoch im Bereich der Sanierungsplanung regelmäßig die erforderlichen Daten für hinreichend zielgenaue quantitative Verfahren fehlen,391 wird man den in der Norm verwendeten Wahrscheinlichkeitsbegriff nicht als Bezugnahme auf eine mathematische Probabilität verstehen können.392 Er umschreibt stattdessen einen Prozess subjektiv-wertender Überzeugungsbildung. Auf den Prozess dieser Überzeugungsbildung ist sogleich zurückzukommen (dazu b)). bb) Überwiegensprinzip als Beweismaß für alle behördlichen Prognoseentscheidungen Vorab stellt sich die Frage nach der Reichweite des in § 13 Abs. 4 SAG angeordneten Überwiegensprinzips. Viel spricht insoweit dafür, das reduzierte Beweismaß nicht nur auf die unmittelbar in der Norm angesprochene Gesamtplanbewertung anzuwenden, sondern als allgemeines Prinzip auch für alle anderen behördlichen Prognoseentscheidungen im Rahmen der Planung in Ansatz zu bringen.
389
So z. B. BVerwG Urt. v. 28.4.2011 – 2 C 55/09 Rn. 12 (zit. nach juris). Vgl. Laumen, in: Baumgärtel/ders./Prütting (Hrsg.), Hdb. der Beweislast, Kap. 5 Rn. 4; Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 74; ders., in: MüKo ZPO, Bd. 1, 6. Aufl. 2020, § 294 Rn. 24; Motsch, Vom rechtsgenügenden Beweis, S. 248; s. auch Leipold, Beweismaß und Beweislast, S. 7 sowie Paulus, in: FS Gerhardt, S. 747, 749 (überwiegende Wahrscheinlichkeit bei 51 %). Das Beweismaß des § 13 Abs. 4 SAG rückt damit in die Nähe des Beweismaßes von Normen, die wie § 294 ZPO eine bloße Glaubhaftmachung von Tatsachen fordern. Herrschend wird auch dort eine Behauptung als erwiesen angesehen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass diese wahr ist. Vgl. BGH NJW-RR 2011, 136, 137 Rn. 10; NJW-RR 2007, 776, 777; Prütting, in: MüKo ZPO, Bd. 1, 6. Aufl. 2020, § 294 Rn. 24; Huber, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 18. Aufl. 2021, § 294 Rn. 3. S. ferner Scherer, Das Beweismaß der Glaubhaftmachung, S. 75 ff. 391 S. o., Abschnitt § 5 A. III. 1. 392 In diese Richtung deutet auch die französische Sprachfassung, die gänzlich auf einen Wahrscheinlichkeitsbegriff verzichtet. 390
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Insoweit lohnt eine Vergegenwärtigung des der Vorschrift zugrundeliegenden Regelungsgedankens. Sie spiegelt die zutreffende Einsicht wider, dass die Bewertung des Sanierungsplans von einer Vielzahl interdependenter Wirkfaktoren abhängt, deren Analyse schon bei einer rein gegenwartsbezogenen Betrachtung, d.h. bezogen auf eine vor Augen stehende Krisensituation, höchst unsicher wäre.393 Hier aber sind prognostische Bewertungen im Hinblick auf Krisenlagen geboten, die potentiell weit entfernt liegen und sowohl in ihrem Eintritt als auch in ihrer konkreten Gestalt unbekannt sind. Würde man in diesem Zusammenhang einen Beweismaßstab zugrunde legen, der dem deutschen Regelbeweismaß entspricht, wäre dies mit einer faktischen Absage an behördliche Eingriffsentscheidungen verbunden, die auf Basis einer persönlichen Überzeugungsbildung der zuständigen Amtswalter getroffen werden. Geradezu systematisch liefe die Planbewertung auf die Feststellung eines non liquet, verbunden mit einer anschließenden Beweislastentscheidung hinaus. Zwar mag es zutreffen, dass auch die Normen zur materiellen Beweislast Ausdruck einer einzelfallangemessenen Risikoverteilung sein können und deshalb nicht zwingend zu einer sachlich weniger befriedigenden Lösungen führen, als dies bei einer Entscheidung aufgrund persönlicher Anschauung der rechtsanwendenden Person der Fall ist.394 Der gesetzlich vorgesehene Regelfall ist aber eine behördliche Eingriffsentscheidung, die ihre Steuerungswirkung aus dem Tatbestand der Eingriffsnorm und einer davon ausgehenden Sachverhaltssubsumtion durch den jeweiligen Amtswalter ableitet.395 Nichts anderes bringt der Amtsermittlungsgrundsatz zum Ausdruck, der die Behörde zur eigenständigen Ermittlung aller entscheidungserheblichen Tatsachen aufruft. Dieses Prinzip auch im Kontext der Sanierungsplanung zu erhalten, ist Sinn und Zweck der in § 13 Abs. 4 SAG getroffenen Beweismaßregelung.396
393 Vgl. Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 64. 394 Baumhof, Die Beweislast im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, S. 35; Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 86; Leipold, Beweismaß und Beweislast, S. 8. 395 Ähnl. Laumen, in: Baumgärtel/ders./Prütting (Hrsg.), Hdb. der Beweislast, Kap. 5 Rn. 15. 396 Anhaltspunkte für einen entsprechenden Rechtsgedanken finden sich zum Teil auch in der Rechtsprechung des EuGH zum europäischen Kartellrecht, konkret etwa zu Art. 101 Abs. 3 AEUV. Nach dieser Vorschrift ist eine Freistellung vom Kartellverbot möglich, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beiträgt. Für die in diesem Zusammenhang nötige zukunftsorientierte Analyse stellt der EuGH ebenfalls auf das Beweismaß einer bloß überwiegenden Wahrscheinlichkeit ab, vgl. EuG Urt. v. 27.9.2006 – T-168/01, ECLI:EU:T: 2006:265 Rn. 249 – GlaxoSmithKline Services/Kommission; EuGH Urt. v. 6.10.2009 – C-501/06 P usw., ECLI:EU:C:2009:610 Rn. 93 – GlaxoSmithKline Services u. a./Kommission u. a. S. zum Ganzen näher de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht, 2. Aufl. 2012, Art. 2 VO 1/2003 Rn. 27; Bardong/Mühle, in: MüKo WettbR I, 3. Aufl. 2020, Art. 2 VO 1/2003 Rn. 25; ausf. zum Beweismaß bei der Anwendung von Art. 101 AEUV (ex. Art. 81 EGV) auch schon Kirchhoff, WUW 2004, 745.
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Ein solchermaßen verstandener Normzweck ist auch auf alle anderen prognostischen Bewertungsentscheidungen der Aufsichtsbehörde im Rahmen der Sanierungsplanung übertragbar. Im Hinblick auf oben beschriebenen Wissensgrenzen macht es sachlich keinen Unterschied, ob die Aufsichtsbehörde die Tatbestandsmerkmale in § 13 Abs. 4 Nr. 1 oder 2 SAG prüft oder die Frage beurteilt, ob der ursprünglich diagnostizierte Planmangel durch weitere Maßnahmen beseitigt wurde (§ 16 Abs. 2 SAG). Gleiches gilt auch für die Feststellung eines durch Planüberarbeitung nicht überwindbaren Sanierungshindernisses im Sinne des § 16 Abs. 3 SAG sowie für die Frage, ob das in Rede stehende Institut als systemrelevant einzustufen ist (§§ 19 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 1 SAG). In all diesen Fällen muss die Aufsichtsbehörde, auch nach intensivem Austausch mit der Institutsgeschäftsleitung und nach Konsultation mit anderen Behörden, eine prognostische und damit – strukturell zwingend – auf defizitärem Wissen basierende Entscheidung treffen. Die Vergleichbarkeit der Problemlagen gebietet es daher, das in § 13 Abs. 4 SAG angeordnete Überwiegensprinzip überall dort zur Anwendung zu bringen, wo die Aufsichtsbehörde zukunftsbezogene Prognoseentscheidungen zu treffen hat. Strengere Maßstäbe erscheinen dagegen dort sachgerecht, wo rein gegenwartsbezogene Beurteilungen vorzunehmen sind (so etwa in Art. 16 f. del. VO 2016/1075). b) Verfahren der behördlichen Überzeugungsbildung Die Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes unterliegt dabei auch im Bereich der Sanierungsplanung dem sog. Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Die Überzeugungsbildung des jeweiligen Amtswalters erfolgt danach grundsätzlich frei, also ohne Bindung an Beweisregeln sowie nur dem Gesetz und dem eigenen Gewissen unterworfen.397 Im Bereich des § 13 Abs. 4 SAG wird diese Überzeugungsbildung jedoch durch die Art. 18 f. del. VO 2016/1075 überlagert. Die Vorschriften liefern einen nicht abschließenden398 Katalog von Kriterien, der die qualitativ-zielbezogene Prüfung des Sanierungsplans operationell anleiten soll. Zwar betont die EBA in ihren Bemerkungen zu den Vorschriften, dass die Handhabung der Kriterien durch keine weiteren Verfahrens- oder Messvorgaben determiniert sein soll und verweist insoweit auf das „professional judgment“ der Aufsichtsbehörden.399 Grundsätzlich steht es der Behörde damit also methodisch frei, wie sie die in Art. 18 f. genannten Kriterien konkret prüft. Zu beachten ist allerdings, dass den 397 Vgl. § 24 Abs. 1 VwVfG. Für den direkten Vollzug durch die EZB s. Kallerhoff/ Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 86 (dort nur zur Kommission, letztlich aber übertragbar). 398 ErwG 13 del. VO 2016/1075. 399 EBA, Draft RTS on the assessment of recovery plans, EBA/RTS/2014/12, 18.7. 2014, S. 6.
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Kriterien ein graduelles Konzept zugrunde liegt. Deutlich machen dies unter anderem die Begriffe „Umfang“, „Grad“, „inwieweit“, „Wahrscheinlichkeit“ im Zusammenhang mit den jeweiligen Prüfkriterien. Sie umschreiben Kontinuen, entlang derer die Behörde eine Einstufung vornehmen muss. Ähnliches wird man auch dort annehmen müssen, wo nur von einer „Angemessenheit“ oder „Wirksamkeit“ die Rede ist. Es wäre eine grobe Verkürzung der Realität, die jeweiligen Planabschnitte hier nach einem bloß dualistischen Ja/Nein-Schema zu bewerten. Angemessenheit und Wirksamkeit können im Einzelfall vielmehr ebenfalls mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Letztlich zwingt der Kriterienkatalog damit zur Einführung eines wie auch immer ausgestalteten stufenweisen Bewertungsverfahrens.400 Weiter begrenzt wird die Freiheit der innerbehördlichen Überzeugungsbildung im Zusammenhang mit allen prognostisch-zukunftsorientierten Tatbeständen des Sanierungsplanungsrechts schließlich durch das rechtsstaatliche Willkürverbot. Im Interesse der Nachvollziehbarkeit und Sachangemessenheit staatlicher Entscheidungen gebietet es gerade dort, wo der Behörde allgemein zugängliche Erfahrungsgrundsätze fehlen, eine erhöhte Aufmerksamkeit auf die Strukturierung des sachverhaltsbezogenen Erkenntnisprozesses zu verwenden.401 Praktisch folgt daraus zweierlei: Geboten ist erstens eine Trennung zwischen der Entwicklung einer abstrakten Planbewertungsmethodik einerseits und einer darauf aufbauenden Einzelfallbeurteilung andererseits. Weithin anerkannt ist zweitens, dass eine rationale und dem Grundsatz der Nachvollziehbarkeit gerecht werdende Risikoentscheidung ein gestuftes Verfahren erforderlich macht, welches die Schritte der Risikoermittlung und der Risikobewertung getrennt voneinander behandelt. Auf der Ebene der Risikoermittlung geht es darum, das Risikopotential so weit wie möglich zu erforschen und dessen Umfang zu konkretisieren. Sie betrifft den Bereich im engeren Sinne wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis. Die darauf aufbauende Risikobewertung zielt auf die normative Entscheidung, ob die zuvor ermittelten Risiken im Lichte der gesetzlichen Anforderungen hinnehmbar sind. Sie macht einen subjektiven Abwägungs- und Gewichtungsvorgang zwischen instituts- und gemeinwohlbezogenen Belangen notwendig. Zu berücksichtigen 400 Denkbar wäre etwa die Bewertung der Kriterien durch ein Score-Modell, das sowohl in den Einzelkategorien als auch in der Gesamtbewertung Mindestpunktzahlen vorsieht. Ein vergleichbarer Ansatz liegt auch dem kapitalbezogenen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, sog. SREP) zugrunde (s. dazu unten, Abschnitt § 6 A. I. 4.). Weder die BaFin noch die EZB haben ihre Bewertungsmethodik in der Sanierungsplanung bis dato veröffentlicht. In der Praxisliteratur wird allein darauf verwiesen, dass die EZB seit 2016 standardisierte Excel-Tabellen verwendet, die im Rahmen der Planerstellung von den Instituten auszufüllen sind, vgl. Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 71. 401 Vgl. Appel, in: Schmidt-Aßmann/Hofmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 327, 338 ff.; Scherzberg, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit und Nichtwissen, S. 31, 57.
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sind dabei sowohl die positiv ermittelten Tatsachen als auch – entsprechend dem Gebot einer reflexiven Sanierungsplanung402 – bekannte Erkenntnislücken und etwaige unerkannte Ungewissheiten.403 c) Folgerungen Für die mit Blick auf behördliche Risikoentscheidungen viel beschworene nonliquet-Situation verbleibt damit im hiesigen Zusammenhang nur noch ein äußerst schmaler Anwendungsbereich. Denkbar ist sie nur dann, wenn die Behörde nach Ermittlung und Bewertung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte einen völligen Gleichstand der Argumente feststellt („50:50-Fall“).404 aa) Eingriffsmöglichkeit aufgrund hinreichend objektivierter Risikohypothese Ein solcher Gleichstand liegt hingegen nicht vor, wenn in diesem Grenzbereich der innerbehördlichen Überzeugungsbildung eine hinreichend objektivierte Risikohypothese zu Lasten des Instituts verbleibt. Man wird an diese Risikohypothese auch im Rahmen der Sanierungsplanung keine übermäßigen Anforderungen stellen dürfen. Wiederum ist vielmehr zu berücksichtigen, dass es sich bei den Finanzinstituten und dem Finanzsystem um überaus dynamische Phänomene handelt, hinsichtlich derer vergangenheitsbasierte Betrachtungen nur eine stark eingeschränkte Halbwertszeit haben. Überall dort, wo – wie etwa bei Finanzinnovationen – noch keine tragfähige Empirie vorhanden ist, kann dementsprechend auch keine empirische Absicherung der auf entsprechende Phänomene bezogenen Argumente verlangt werden. Kaum überzeugen können deshalb Äußerungen der Kommission aus der Frühphase des BRRD-Gesetzgebungsverfahrens, wonach unternehmensbezogene Präventivmaßnahmen der Behörden nur hinsichtlich „identifizierter“ Abwicklungshindernisse zulässig seien,405 dies jedenfalls dann, 402
S. dazu schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. Vgl. zur Trennung von Risikoermittlung und -bewertung Appel/Mielke, Strategien der Risikoregulierung, S. 103 (m.w. N.); Appel, in: Schmidt-Aßmann/Hofmann-Riem (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 327, 338 ff.; Breuer, NuR 1994, 157, 160 f.; Köck, Risikoverwaltung und Risikoverwaltungsrecht, S. 7 f.; aus soz.wiss. Perspektive Renn, APuZ 6–7/2014, 3, 9. 404 Vgl. Baumhof, Die Beweislast im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, S. 32; Kokott, Beweislastverteilung, S. 16, 19; Prütting, Gegenwartsprobleme, S. 68 f., 142; Leipold, Beweislastregeln, S. 45; Zierke, Steuerungswirkung der Darlegungs- und Beweislast, S. 32. 405 Vgl. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 29 („the power may only be used to remove identified obstacles to resolvability“). Schon im Rahmen der vorgelagerten Policy-Analyse auf S. 27 verwirft die Kommission pauschale gesetzliche Struktur- und Größenbeschränkungen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit mit dem Argument, derartige „[general rules] could unjustifiably burden business without any certain, significant gains“ (Hervorhebung nur hier). Derartige „certain gains“ sind aber kaum je zu erreichen. Präventive Eingriffsmaßnahmen in dieser Frühphase basieren nahezu immer auf unsicheren Prognoseentscheidungen. 403
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wenn man insoweit nur einen „abgesicherten Befund“ ausreichen lässt.406 Ein solches Verständnis schränkt die Handlungsfähigkeit des Staates im Umgang mit Finanzrisiken – und damit die Gemeinwohlsicherung überhaupt – übermäßig ein. Genauso wie Institute die Zukunft nicht vorhersehen können und deshalb „auf Verdacht“ planen müssen, muss auch der Aufsichtsbehörde ein Eingriff auf (begründeten) Verdacht möglich sein. Einen „abgesicherten Befund“ im Sinne eines empirischen Nachweises zu verlangen, liefe auf die Einforderung des erkenntnistheoretisch Unmöglichen hinaus.407 Ausreichend – für einen angemessenen Grundrechtsschutz der Institute aber auch erforderlich – ist es, wenn objektive Anhaltspunkte ermittelt und vorgelegt werden, aus denen sich begründete Anzeichen für mögliche Risiken oder Gefährdungslagen ergeben.408 Noch einmal sei auch in diesem Zusammenhang an das Gebot reflexiver Sanierungsplanung mit dem Ziel einer Minimierung sog. Risiken zweiter Ordnung erinnert.409 Die letzte Finanzkrise hat noch einmal verdeutlicht, dass die in der Finanzökonomie mehrheitlich verwendeten Modelle stabilitätsbedrohende Faktoren allzu lange vernachlässigten. Folge für die Sanierungsplanung sollte es daher sein, dass sich behördliche Argumente auch auf Mindermeinungen stützen können, solange diese nur wissenschaftlichen Maßstäben genügen und durch Mehrheitsauffassungen nicht zweifelsfrei ausgeräumt wurden.410 Nicht ausreichend sind hingegen objek-
406 So offenbar BT-Drs. 17/2575, S. 163, dort mit Blick auf § 59 SAG, die abwicklungsbezogene Parallelnorm zu § 16 Abs. 4 SAG im Sanierungsplanungsrecht. Ähnlich äußern sich auch Teile der Literatur: So wird verschiedentlich eine Begrenzung behördlicher Eingriffe in die Unternehmensstruktur der Institute auf „positiv feststellbare Hindernisse“ verlangt, vgl. Binder, ZBB 2015, 153, 164; ders., in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 163, 194; ferner de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.98 (behördliche Eingriffe „should be thoroughly understood and assessed as to their workability prior to imposition.“). Zweifelhaft sind diese Forderungen auch deshalb, weil die Autoren an anderer Stelle selbst die objektiven Erkenntnisgrenzen der Institute bei der Sanierungsplanung betonen (Binder, ZBB 2015, 153 159; de Serière, a. a. O., Rn. 10.03, 10.11, 10.66, passim) und aus diesem Grund für eine Begrenzung der institutsseitigen Planungspflichten eintreten (Binder, a. a. O., S. 159, 163 f.). Schon zurückhaltender aber Singh, in: Binder/ ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.20 (Verf. fordert „adequate evidence“, stellt dabei aber vor allem auf die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung ab). 407 Auch im Rahmen der Sanierungsplanung muss gelten, was allgemein in der Rechtsordnung anerkannt ist: impossibilium nulla est obligatio. Vgl. Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207, 214; Wolf, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 65, 85 sowie Appel, in: Hill/Schliesky (Hrsg.), Management von Unsicherheit, S. 113, 133. Ähnl. wie hier im Kontext der Sanierungs- und Abwicklungsplanung auch Engel, Systemrisikovorsorge, S. 91, 92 f. 408 Ähnl. Engel, Systemrisikovorsorge, S. 105. 409 Darunter fällt das Risiko der Fehleinschätzung und -steuerung von Risiken (s. o., Abschnitt § 5 B. IV. 3. a)). 410 Krit. gegenüber Standardmodellen der Mehrheit und für eine Berücksichtigung von Mindermeinungen durch die Finanzmarktaufsicht auch Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 142 f., 163; ähnl. ferner Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F54, F64.
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tiv nicht nachvollziehbare, rein hypothetische Annahmen der Behörde.411 Verbleibt damit nach der vorläufigen Bewertung der Behörde ein valider Zweifel an der Angemessenheit des Sanierungsplans oder der Unternehmensstruktur, dann ist es an dem Institut, die dem Besorgnisanlass zugrunde liegenden Argumente zu falsifizieren. Auch hier gilt freilich eine Einschränkung: Gegenargumente bedürfen keines empirischen Nachweises im engeren Sinne. Auch sie sind bereits dann tragfähig, wenn sie auf einer Tatsachenbasis fußen, aus denen sich begründete Anzeichen für die Unmöglichkeit des beschriebenen Risikos ergeben.412 bb) Überwiegensprinzip als diskursorientierte Stoppregel Insgesamt wirkt das Überwiegensprinzip damit als diskursorientierte Stoppregel, die sich in den ebenfalls diskursorientierten Verfahrensrahmen des Sanierungsplanungsrechts413 einfügt, dabei aber dem deutschen Regelbeweismaß weit vorgelagert ist.414 Eine bis zur subjektiven Gewissheit der Entscheidungsträger hervordringende Suche nach der „Wahrheit“ ist unter ihr nicht nötig. Den Ausschlag gibt stattdessen schon das letzte nicht falsifizierte und damit – in die eine oder andere Richtung – über den Argumentationsgleichstand hinausschießende Argument. Ein solches dialektisches Prinzip provoziert geradezu die fortgesetzte Generierung neuer Wissensbestände, Argumente und Sichtweisen von beiden Seiten.415 Eine vollständige Pattsituation dürfte schon deshalb nur selten zu erwarten sein. Dies gilt umso mehr, als die behördliche Feststellung einer solchen non-liquet-Situation gerichtlich nur begrenzt überprüfbar ist. Ein Gericht könnte die Feststellung nur methodisch und verfahrensbezogen, nicht aber in ihrem
411 Vgl. übertragbar Epiney, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 94. EL (Stand: 1.12.2020), Art. 191 AEUV Rn. 28. Letztlich gelten, auf Risikobetrachtungen umgemünzt, die allgemeinen Regeln: So ist im Beweisrecht allgemein anerkannt, dass die freie Beweiswürdigung ihre Grenze in allgemeinen Denkgesetzen, Grundsätzen der Logik und anerkannten Erfahrungssätzen findet. Die Überzeugung des Amtswalters kann deshalb nicht auf rein irrationale Annahmen gestützt werden, vgl. Ramsauer, in: Kopp/ ders. (Hrsg.), VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 24 Rn. 31a; Dawin, in: Schoch/Schneider (Hrsg.), VwGO, 40. EL (Stand: 2/2021), § 108 Rn. 44 ff. 412 Insoweit entspricht die hiesige Lösung den o. g. Ansätzen, die unter dem Vorsorgeprinzip eine teilweise Beweislastumkehr fordern (vgl. nochmals z. B. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 232 ff.; ferner ders., DVBl 2001, 1725, 1733). Weil das Sanierungsplanungsrecht aber das Überwiegensprinzip zugrunde legt, werden die dort auf Beweislastebene angestellten Erwägungen hier schon auf Ebene der Beweiswürdigung relevant. 413 S. o., Abschnitt § 5 B. III. 2. 414 Aus funktionaler Perspektive zu Stoppregeln im Umgang mit Ungewissheit Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann/ders. (Hrsg.), Methoden der Verwaltungsrechtswissenschaft, S. 9, 63 ff.; Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S. 249 ff. Zur Diskursorientierung ähnlicher Beweislastregeln auch Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 228, 233. 415 Vgl. Calliess, a. a. O.; Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 248.
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inhaltlich-wertenden Kern kontrollieren.416 In der Praxis steht zu erwarten, dass die Behörde von diesem Bewertungsfreiraum Gebrauch machen und ihre Entscheidung kaum auf eine Beweislastnorm stützen wird. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie in diesem Fall zu entscheiden wäre. Denkbar wäre eine vollständige Beweislastumkehr zu Lasten der Institute, wie sie im Interesse der Gemeinwohlsicherung in sachlich vergleichbaren Grenzbereichen des Umweltrechts unter der Formel „in dubio pro securitate“ vereinzelt gefordert wurde.417 Mangels ausdrücklicher Anhaltspunkte wäre eine solche Beweislastumkehr im hiesigen Zusammenhang nur im Wege der Auslegung ermittelbar. Dafür fehlen aber jegliche Anhaltspunkte.418 Im Gegenteil zeigt die nachträgliche Einfügung des Überwiegensprinzips in Art. 6 Abs. 2 BRRD im Gesetzgebungsverfahren, dass sich der Gesetzgeber offenbar der Prognoseunsicherheiten bei der Erstellung und Bewertung der Pläne bewusst war. Gleichwohl wurde keine entsprechende Regelung zur Umkehr der materiellen Beweislast getroffen. Im non-liquet-Fall verbleibt es deshalb bei der allgemeinen Beweislastregelung: Die Unauflösbarkeit der Sachverhaltsfrage geht zu Lasten der Aufsichtsbehörde. Von Eingriffsnahmen ist abzusehen.419
III. Ungewissheit bei der institutsinternen Aufgabenwahrnehmung Entscheidungsprobleme der eben geschilderten Art ergeben sich aber auch im Verantwortungsbereich der Institute. Wie bereits dargestellt, sind die gesetzlichen 416 S. o., Abschnitt § 5 B. III. 3. Eine evidente Fehleinschätzung der Aufsichtsbehörde wird man in diesem Grenzbereich aus gerichtlicher Perspektive wohl kaum jemals feststellen können. 417 So etwa Schachtschneider, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, S. 81, 120 f. Krit. dazu Calliess, DVBl 2001, 1725, 1730, 1732; ders., Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 232 f. 418 Zu den aus grundrechtlichen Gründen strengen Voraussetzungen an eine durch Auslegung zu ermittelnde Beweislastumkehr s. wiederum Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 235. 419 Umgekehrt folgt aus der Erfüllung der Tatbestände zur Überzeugung der Aufsichtsbehörde nicht zwingend, dass diese auch tatsächlich Maßnahmen ergreifen muss. Insoweit gelten die allgemeinen Ermessensregeln. Die Tatbestände in § 16 Abs. 2–5 SAG (Art. 6 Abs. 5, 6 BRRD) eröffnen der Behörde ein Entschließungsermessen („kann“). § 16 Abs. 1 SAG sieht hingegen eine bindende Entscheidung vor. Gleiches gilt auch für § 59 Abs. 4, 5 SAG, die abwicklungsbezogene Parallelnorm zu § 16 Abs. 4 SAG. Auch dort unterliegen Maßnahmen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit keinem Entschließungsermessen der Abwicklungsbehörde, sondern sind zwingend zu anzuordnen, sollten Abwicklungshindernisse tatsächlich identifiziert werden (vgl. EBA, Consultation Paper – Draft Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability, EBA/CP/2014/15, 9.7.2014, S. 7). Die unterschiedlichen Freiräume der Behörden auf beiden Ebenen können sachlich letztlich kaum einleuchten. De lege ferenda ist hier eine Angleichung geboten.
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Anforderungen an die Planerstellung und -umsetzung überwiegend durch eine finale Programmierung gekennzeichnet, welche den Handlungsrahmen der Institute offen absteckt. Sie verlangen danach, die institutsintern vorhandene Expertise gezielt zur einzelfallbezogenen Verwirklichung des aufsichtlichen Regulierungsziels zu aktivieren. Aufgeworfen ist auch hier die Frage, wie die Institute mit Wissensdefiziten umzugehen haben, die aus der Komplexität und Dynamik des Planungsgegenstandes und aus der Zukunftsbezogenheit der Planung resultieren. Existiert eine aufsichtliche Rechtspflicht zum Umgang mit Erkenntnisgrenzen und daraus resultierenden Prognoseunsicherheiten? Können die Institute erkannte Planungsunsicherheiten und Zweifel im Interesse einer ressourcenschonenden und optimistischen Planung vernachlässigen, sind sie aufsichtsrechtlich allein zur Offenlegung derartiger Gesichtspunkte verpflichtet oder müssen sie diese weitergehend berücksichtigen? 1. Die Grenzen rein prozedural-diskursorientierter Unsicherheitsbewältigung Ausdrückliche Regelungen trifft das Sanierungsplanungsrecht insoweit nicht. Die Abwesenheit expliziter Vorgaben ließe sich, gepaart mit den vielfältigen Berichts- und Offenlegungspflichten, wie folgt interpretieren: Das Sanierungsplanungsrecht setzt auf eine rein prozedural-diskursorientierte Verarbeitung verbleibender Ungewissheiten. Die Bewältigung der beschriebenen Wissensdefizite steht danach im freien Ermessen der Institutsgeschäftsleitung, die im Einzelfall nach Opportunitätsgesichtspunkten entscheiden kann. Eine gesetzesunmittelbare Rechtspflicht zur umfassenderen bzw. frühzeitigeren Planung oder Planumsetzung im Zweifelsfall besteht nicht. Stattdessen wird eine Kontrolle der institutsinternen Entscheidungsfindung vorrangig durch die im Sanierungsplanungsrecht angelegten Berichtspflichten sichergestellt.420 Sie verpflichten zur Offenlegung aller entscheidungserheblichen Umstände, einschließlich der intern diagnostizierten Unsicherheiten, und ermöglichen ein korrigierendes Einschreiten der Behörden im Bedarfsfall. Faktisch wird so ein Diskurs zwischen Institutsgeschäftsleitung und Aufsichtsbehörde um die angemessene Lösung gerade in Grenzfällen in Gang gesetzt. Ein solcher rein prozedural-diskursorientierter Ansatz ist aus mehreren Gründen bedenklich: Erstens ist eine einheitlich dichte Überprüfung der institutsseitigen Planung schon gesetzlich nicht vorgesehen. Dies ergibt sich aus dem Proportionalitätsprinzip (§ 13 Abs. 1 SAG), das auch als Regel zur Allokation aufsichtsbehördlicher Ressourcen wirkt und die Aufsichtsintensität ins Verhältnis zur Systemrelevanz der Institute setzt. Eine besonders starke Beaufsichtigung wird 420 Z. B. Art. 5 Nr. 3 lit. a, iii), Art. 17 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075, §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz 4, 9 Abs. 7 MaSanV. Zu dieser Anreizwirkung durch Offenlegung schon oben, Abschnitt § 5 B. III. 2.
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danach bei bedeutenden Instituten angestrebt, während weniger bedeutende Institute geringere Aufmerksamkeit erfahren.421 Selbst bei bedeutenden Instituten wird aber – zweitens – unter Berücksichtigung der zum Teil beträchtlichen Planumfänge schon aus Gründen einer begrenzten Aufsichtskapazität keine umfassende Detailprüfung aller Vorarbeiten möglich sein. Die aufsichtliche Überprüfung wird sich auch dort auf die aus einer ex-ante-Perspektive besonders erfolgskritischen Planabschnitte konzentrieren müssen und im Übrigen eine bloße Evidenzprüfung vornehmen können.422 Gänzlich unmöglich oder jedenfalls stark eingeschränkt ist eine effektive Kontrolle schließlich – drittens – überall dort, wo eine Berichtspflicht über die interne Entscheidung überhaupt nicht vorgesehen ist,423 oder wo, wie im Falle der Planumsetzung in Krisenphasen, ein hoher Zeitdruck besteht. 2. Das Vorsichtsprinzip als materiell-inhaltliches Korrektiv Die prozedurale Ergebniskontrolle qua Offenlegung und Begründung bedarf deshalb eines Korrektivs. Sinnvoll erscheint insofern die Implementierung eines Vorsichtsprinzips, dass die Institute im Zweifel zu einer Planung basierend auf konservativen Zukunftsannahmen verpflichtet. a) Das Vorsichtsprinzip als Grundsatz des bankinternen Risikomanagements Ansatzpunkte für ein derartiges Vorsichtsprinzip finden sich in den Vorschriften zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation von Banken im Kreditwesengesetz. Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 KWG umfasst die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, auf dessen Basis das Institut laufend in der Lage ist, seine eigene Risikotragfähigkeit sicherzustellen. Grob vereinfacht ist die Risikotragfähigkeit gegeben, wenn die wesentlichen Risiken des Instituts durch das Risikodeckungspotential, also die verlustabsorptionsfähigen Kapitalmittel des Instituts, gedeckt sind.424 Für die Ermittlung sowohl der Risiken als auch des verfügbaren Deckungspotentials sieht 421
Zum Proportionalitätsprinzip schon oben, Abschnitt § 3 D. I. In den USA sind die Behörden mittlerweile offenbar dazu übergegangen, die Pläne nur noch mittels Suchfunktion auf einzelne Stichworte hin zu überprüfen, vgl. Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 794 (2016–2017). In der europäischen Planungspraxis umfassen die finalen Pläne meist 500 bis 600, zum Teil aber auch 1.500 bis 1.750 Seiten, vgl. EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 32. Mit Zweifeln an der Kapazität der Aufsichtsbehörden zur Bewertung der Pläne auch Singh, in: Binder/ ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.20. 423 So im Falle der Prüfung des Bedarfs außerplanmäßiger Planaktualisierungen gem. § 12 Abs. 4 Nr. 1 SAG. 424 MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 1. Zum Ganzen auch noch unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) aa). 422
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§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Hs. 2 KWG vor, dass diese vom Institut „vorsichtig“ durchzuführen sei.425 Eingefügt wurde dieses Vorsichtsprinzip erst 2013 mit dem CRD-IV-Umsetzungsgesetz. Hintergrund der Einfügung war die verschärfte Diktion des europäischen Gesetzgebers unter anderem in Art. 74 Abs. 1 CRD-IV, der neuen europäischen Grundnorm für die interne Unternehmensführung und -kontrolle von Finanzinstituten. Letztere sieht vor, dass sämtliche Institute über solide Regelungen der Unternehmensführung und -kontrolle verfügen müssen, in deren Zentrum Verfahren zu einem wirksamen Risikomanagement stehen. Als Teil eines solchen wirksamen Risikomanagements wurde in der Aufsichtspraxis auch schon zuvor eine vorsichtige Ermittlung des Risikodeckungspotentials gefordert. Die zentrale Bedeutung des Vorsichtsprinzips zur praktischen Gewährleistung der Risikotragfähigkeit der Institute veranlasste den Gesetzgeber zu einer entsprechenden Klarstellung in § 25a KWG.426 Vor dem Hintergrund der vorangehenden Betrachtungen leuchtet die Norm auch in sachlicher Hinsicht unmittelbar ein: Sowohl die Ermittlung der von dem Institut getragenen Risiken als auch die Ermittlung des Risikodeckungspotentials verlangt nach Prognosen, die die etablierten quantitativen Modelle naturgemäß nur mit begrenzter Genauigkeit gewährleisten können. Vielfache Studien der Verhaltensökonomie legen zudem nahe, dass Finanzinstitute gerade in konjunkturellen Hochphasen systematisch dazu neigen, gehaltene Risikopositionen unterund die eigene Risikokontrollfähigkeit überzubewerten.427 Solchen Fehlentwicklungen zu begegnen und die Risikotragfähigkeit des Instituts auch dann zu gewährleisten, wenn sich die ex ante für wahrscheinlich gehaltenen Annahmen nicht realisieren, ist Aufgabe des Vorsichtsprinzips. In den Worten der Gesetzesbegründung: „[Aus dem Vorsichtsprinzip] folgt, dass die Risikoermittlung sowie die Festlegung der Risikodeckungspotenziale auf der Grundlage konservativer Annahmen und vorsichtiger Schätzungen zu erfolgen haben und nicht lediglich auf mehr oder weniger als wahrscheinlich angenommenen oder gar optimistischen Annahmen beruhen darf.“ 428 425 Eine sachlich vergleichbare Vorsichtspflicht der Abwicklungsbehörde findet sich in § 72 Abs. 1 SAG (Art. 36 BRRD). Danach hat die Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts zum Zwecke der Abwicklung auf Grundlage vorsichtiger Annahmen zu erfolgen. Im Bilanzrecht s. § 252 I Nr. 4 HGB. 426 BT-Drs. 17/10974, S. 85. 427 Auch insoweit lieferte die letzte Finanzkrise vielfältiges Anschauungsmaterial, vgl. ErwG 53 CRD-IV; ferner statt vieler Hellwig, Gutachten E zum 68. DJT, S. E35 ff.; Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, Rn. 266. S. zu den zugrundeliegenden kognitiven Verzerrungen schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 428 BT-Drs. 17/10974, S. 85 (Hervorhebungen nur hier). Vgl. auf europäischer Ebene ähnl. im Hinblick auf die Konzeption von Stressszenarien EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 140. S. ferner dies., SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 455(c) (mit der Forderung nach „vorsichtigen quantitativen Annahmen“ bei der internen Prognose der Wirksamkeit von Liquiditätsnotfallmaßnah-
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Nach dem Willen des Gesetzgebers folgt aus dem Vorsichtsprinzip damit eine zweischrittiges Vorgehen: Wann immer bei der Berechnung der Risiken sowie des Risikodeckungspotentials des Instituts mehrere Modellannahmen zur Auswahl stehen, deren Realisierung grundsätzlich denkbar erscheint, zwingt das Vorsichtsprinzip zur Gegenüberstellung dieser Annahmen. Auszuwählen ist dann jener Berechnungsansatz, der im Ergebnis zu einem vergleichsweise negativen Berechnungsergebnis führt, mag der Eintritt dieser Modellannahmen ex ante auch eher unwahrscheinlich erscheinen. Die Berechnungsannahmen sind dabei umso konservativer auszugestalten, je länger der Planungszeitraum und die damit verbundene Prognoseunsicherheit ist.429 b) Das Vorsichtsprinzip als Zweifelsregelung für die institutsinterne Sanierungsplanung Das Vorsichtsprinzip mag zwar expressis verbis nur in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG normiert sein. Der dahinterstehende Regelungsgedanke reicht aber weit über die unmittelbare normative Verankerung des Prinzips hinaus. Schließlich steht auch die Sanierungsplanung, das wurde bis hierher deutlich, vor weitgehend identischen Sachproblemen wie die Ermittlung der Risikotragfähigkeit nach. Die Vergleichbarkeit der Problemlagen und das Interesse an kohärenten Aufsichtsstandards gebietet es daher, auch im Rahmen der Sanierungsplanung vergleichbare Lösungen in Ansatz zu bringen. Dabei wird man für die Institutionalisierung eines sanierungsplanungsrechtlichen Vorsichtsprinzips keine Analogie bemühen müssen. Ausreichender Anknüpfungspunkt für eine Herleitung im Wege der Auslegung sind vielmehr – auch unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes430 – die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und Zielbeschreibungen in den planungsbezogenen Vorschriften und die dem Sanierungsplanungsrecht insgesamt erkennbar zugrundeliegende Ausrichtung auf eine praktische Verwirklichung des in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG angelegten Sanierungsziels.431 Zu berücksichtigen ist schließlich, men); EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 2, 14, 51 (mit der Forderung, der interne Risikotragfähigkeitsprozess solle „solide und konservativ“ ausgestaltet sein bzw. auf einer „konservativen Risikoquantifizierung“ beruhen). 429 Vgl. ähnl. BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 27 (gesteigerte Bedeutung des Vorsichtsprinzips, je länger der Prognosezeitraum). 430 Der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz ist auch im Bereich der Eingriffsverwaltung bereits dann gewahrt, wenn sich der konkrete Gehalt einer Norm erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt, vgl. BVerfG NJW 2004, 2213, 2216; NJW 1991, 1471, 1473 (= BVerfGE 83, 130); NJW 1971, 2167, 2167 (= BVerfGE 31, 255), st. Rspr.; s. ferner Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 VII. Rn. 61 f. 431 S. nochmals beispielhaft auf der Planungsebene § 12 Abs. 2 Nr. 6 SAG (Indikatorsystem, das „rechtzeitige Durchführung“ von Sanierungsmaßnahmen ermöglicht) oder Art. 8 Abs. 2 del. VO 2016/1075 (die Sanierungsoptionen müssen „nach vernünftigem Ermessen einen Beitrag“ zur Sanierung des Instituts leisten können). Auf der Planumsetzungsebene s. § 13 Abs. 5 SAG i.V. m. Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b BRRD
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
dass auch der europäische Rechtsrahmen selbst eine Brücke zwischen den Vorschriften der Sanierungsplanung einerseits und den Vorschriften über die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation andererseits schlägt. So sieht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD explizit vor, dass die Sanierungsplanung als Instrument der Unternehmenssteuerung im Sinne von Art. 74 CRD-IV anzusehen ist.432 Auch normsystematische Gründe sprechen damit dafür, beide Instrumente mit vergleichbaren Mechanismen der Unsicherheitsbewältigung auszustatten, im Ergebnis also auch eine „vorsichtige“ Sanierungsplanung der Institute zu fordern. Offen ist vor diesem Hintergrund aber weiterhin, wie das Vorsichtsprinzip im Kontext der Sanierungsplanung inhaltlich genau konturiert ist. Zu weitgehend wäre sicherlich eine Konzeption, das jedem noch so fern liegenden Zweifel an der Angemessenheit der anvisierten Planungslösung automatisch zur Durchsetzung verhelfen würde. Ein derart starres Verständnis ließe unberücksichtigt, dass eine absolute Sicherheit in den durch das Sanierungsplanungsrecht aufgeworfenen Prognosefragen niemals zu erreichen ist. Abstrakt möglich ist es immer, dass sich die ex ante für zweckmäßig gehaltene Lösung ex post als unzureichend erweist. Sinnvoll dürfte demgegenüber eine Handhabung des Vorsichtsprinzips als situativ flexible Entscheidungsregel sein. Die Anwendung des Vorsichtsprinzips hängt danach im ersten Schritt vom Vorliegen einer prognostischen Zweifelslage ab, die sowohl im Stadium der Planerstellung als auch im Stadium der Planumsetzung denkbar ist. Sie ist gegeben, wenn der institutsinterne Entscheidungsprozess nach Anhörung aller beteiligten Stellen und intensiver inhaltlicher Auseinandersetzung – bei der auch kritische Stimmen angemessen Gehör gefunden haben433 – zu dem vorläufigen Ergebnis kommt, dass neben der mehrheitlich für wahrscheinlich gehaltenen Zukunftsprognose auch noch eine oder mehrere Alternativprognosen im Raum stehen. Diese Alternativprognose kann auf Grundlage des aktuell vorhandenen Informationsstandes nicht restlos ausgeräumt werden, für sie verbleiben objektivierbare tatsächliche Anhaltspunkte, die ihren Eintritt ernstlich möglich erscheinen lassen. In einer solchen Zweifelslage wirkt das Vorsichtsprinzip sodann im zweiten Schritt als Zweifelsregelung zugunsten der konservativen Prognose.434 Im Sinne eines Primats der Stabilität435 ist ihr gegenüber (Planumsetzungspflicht als Pflicht zur Umsetzung „angemessener“ Maßnahmen, zu dieser richtlinienkonformen Auslegung von § 13 Abs. 5 SAG schon oben, Abschnitt § 4 A. III. 2. b)). 432 Vgl. auch deutlich Art. 74 Abs. 4 CRD-IV i. d. F. vom 26.6.2013, der bereits vor Inkrafttreten der BRRD die Ausarbeitung von Sanierungsplänen forderte. 433 Zum Gebot reflexiver Sanierungsplanung s. schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3., zur gebotenen Berücksichtigung kritischer Stimmen als Bestandteil einer angemessenen internen Risikokultur auch EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/ 11, 21.3.2018, Rn. 98.c. 434 Ähnl. Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 10 („im Zweifel risikoüberzeichnend“).
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den übrigen Vorhersagen ein Argumentationsvorsprung einzuräumen, der nur mit gesteigertem Begründungsaufwand überwunden werden kann. Sowohl die Bandbreite der berücksichtigungsbedürftigen Zukunftsannahmen als auch der Argumentationsvorsprung zugunsten der vorsichtigsten Denkalternative dürften dabei im Zusammenhang mit den Folgen im Falle ihres tatsächlichen Eintritts zu sehen sein. Das heißt: Je eher die Alternativprognose im Falle ihrer Realisierung geeignet ist, den in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG umrissenen Sanierungserfolg zu beeinträchtigen, desto eher ist sie auch dann zu berücksichtigen, wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeit vom Institut ex ante nur vergleichsweise gering eingeschätzt wird.436 Umgekehrt können vorsichtigere bzw. konservativere Alternativannahmen und -prognosen dann umso eher außer Acht gelassen werden, je eher die auf vergleichsweise optimistischen Annahmen beruhende Entscheidung in ihren Folgen reversibel ist,437 d.h. je eher nachträgliche Korrekturmaßnahmen möglich erscheinen, ohne das Sanierungsziel zu gefährden. c) Anwendungsbeispiele Die vorstehenden Erwägungen sollen im Anschluss anhand zweier – stark vereinfachter – Anwendungsbeispiele verdeutlicht werden: aa) Beispiel 1: Gestaltung von Belastungsszenarien Das erste Beispiel betrifft die Ausgestaltung der Belastungsszenarien, die zur Erprobung der in den Plänen entwickelten Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden. Für die Entwicklung derartiger Szenarien sieht § 9 Abs. 5 MaSanV vor, dass sie dem Kriterium der Risikoadäquanz genügen und auf Ereignissen beruhen müssen, die zwar außergewöhnlich, aber plausibel sind. Unterstellt, das planungspflichtige Institut war in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Opfer von Cyberattacken, die bis dato aber immer erfolgreich abgewehrt werden konn435 Zu ähnl. Ergebnissen kommt, über die Sanierungsplanung hinausgehend, auch Engel, Systemrisikovorsorge, S. 196 ff.: Verf. argumentiert dort aber nicht ausgehend von § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG, sondern auf Grundlage einer „Precautionary Legal Judgement Rule“ als Ausdruck eines „privatrechtlichen Vorsorgeprinzips“ (S. 199). Sie fordere vom Bankvorstand, dass er in Grenzfällen stets „diejenige Auslegung der makroprudenziellen Rechtslage wählt, die deren Präventionswirkung am besten verwirklicht“ (a. a. O., S. 198). S. im Ansatz auch Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 6.85. 436 Um der Gefahr einer verzerrten Risikowahrnehmung der Institute wirksam zu begegnen, dürfte die Hürde zur Annahme ernstlicher Zweifel dabei aber deutlich unterhalb der Schwelle einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit liegen. Vgl. auch die Begründung zum Vorsichtsprinzip in § 25a KWG, BT-Drs. BT-Drs. 17/10974, S. 85: nicht ausreichend sind danach „mehr oder weniger als wahrscheinlich angenommene“ Annahmen. 437 Zum Reversibilitätskriterium als Entscheidungskriterium unter Bedingungen begrenzten Wissens s. schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. a).
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ten.438 Die planungszuständige Abteilung will nunmehr ein idiosynkratisches Belastungsszenario modellieren, dass als Initialereignis einen erfolgreichen Hackerangriff abbildet (§ 9 Abs. 6 Nr. 6 MaSanV). Der Angriff legt die gesamte IT-Infrastruktur des Instituts einschließlich aller elektronischen Handelssysteme lahm, es kommt zu massiven Beeinträchtigungen des Zahlungsverkehrs des Instituts. Ad-Hoc-Presseberichterstattungen lösen eine Vertrauenskrise in das Institut aus, die in empfindliche Liquiditätsabflüsse münden (§ 9 Abs. 6 Nr. 2, 3 MaSanV), auch weil die Aufsichtsbehörde mit dem Erlass eines Moratoriums zu lange zögert. Mangels einschlägiger historischer Daten unklar ist bei der Szenarioerstellung aber, in welchem Ausmaß derartige Liquiditätsabflüsse tatsächlich drohen würden. Zwei interne Expertenschätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass infolge einer Einschränkung der kurzfristigen Kreditvergabe am Interbankengeldmarkt und eines Abzuges von Sichteinlagen ein Liquiditätsverlust in Höhe von X zu erwarten sei. Ein externer Gutachter hält demgegenüber mit nachvollziehbaren Argumenten einen höheren Liquiditätsabzug in Höhe von Y für möglich. In einer solchen Situation würde das Vorsichtsprinzip im Zweifel auf eine Szenariogestaltung nach Maßgabe der restriktiveren Schätzung hinwirken, dies jedenfalls dann, wenn diese Prognose auch nach einer Auseinandersetzung zwischen allen Beteiligten nicht dazu führt, dass deren Argumente sicher ausgeräumt erscheinen. Die Gesamtkapazität der liquiditätswirksamen Maßnahmen wäre im Sanierungsplan folglich mindestens so auszugestalten, dass das Institut ein derartiges Szenario sicher bewältigen könnte (Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 del. VO 2016/1075).439 bb) Beispiel 2: Krisenentscheidung nach Anschlagen der Sanierungsindikatoren Das zweite Beispiel betrifft die unternehmensinterne Krisenentscheidung nach Anschlagen der Sanierungsindikatoren. Unterstellt, bei dem in Rede stehenden Unternehmen handelt es sich um ein Institut, dessen Geschäftsmodell vor allem auf einer extensiven Vergabe von Verbraucherkrediten basiert. Negative konjunkturelle Entwicklungen haben in letzter Zeit zu vermehrten Forderungsausfällen bei Verbraucherkunden geführt, mehrere Frühwarnindikatoren440 sind bereits überschritten. Nunmehr schlägt auch jener Sanierungsindikator an, der die Arbeitslosenquote im Geschäftsgebiet des Instituts beobachtet (Anhang 2 Nr. 6 lit. b MaSanV). Der interne Eskalationsprozess wird ausgelöst, die Geschäftsleitung hat nunmehr über die Feststellung eines Krisenfalls gem. § 12 Abs. 1 SAG 438 Zu diesem immer relevanter werdenden Aufsichtsfokus Held, BaFin Journal 2/ 2015, 13. 439 Bei der Bemessung der Kapazität ebenfalls zu berücksichtigen sind die Erfordernisse der übrigen Belastungsszenarien sowie allgemeine, von den Szenarien losgelöste Erwägungen nach Art. 10 f. del. VO 2016/1075. 440 Art. 5 Nr. 4 del. VO 2016/1075; MaRisk (BA) 9/2017, BTO 1.3 Tz. 2.
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und über etwaige Sanierungsmaßnahmen zu befinden (Art. 5 Nr. 3 del. VO 2016/1075, § 6 Abs. 1 MaSanV). Einerseits sprechen nach vorläufiger interner Lageanalyse begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Konjunktur im bevorstehenden Frühjahr wieder anziehen wird und weitere bedrohliche Forderungsausfälle daher eher unwahrscheinlich sind. Externe Analysten kommen hingegen zu dem Ergebnis, dass kurzfristig eher eine Verschärfung der Situation zu erwarten ist. Einzelne Stimmen, darunter die in informellen Gesprächen hinzugezogene Aufsichtsbehörde, halten es demgemäß für notwendig, eher früher als später geeignete Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verweisen zudem auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach fehlgeschlagene Sanierungen in der Praxis regelmäßig darauf beruhen, dass die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen in ungewissen Situation so lange hinausgezögert wird, bis diese die erhoffte Wirkung nicht mehr entfalten können.441 In einer solchen Situation dürfte das Vorsichtsprinzip auf eine frühzeitige Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen hinwirken. Ein weiteres Zuwarten wäre nur im Ausnahmefall möglich und im entsprechenden Bericht gegenüber der Aufsichtsbehörde (§ 6 Abs. 1 Satz 2 MaSanV) so umfassend zu begründen, dass an der Gebotenheit eines weiteren Zuwartens ex ante keinerlei vernünftige Zweifel mehr bestehen können. Beide Beispiele machen deutlich, dass sich ein solchermaßen verstandenes Vorsichtsprinzip in eine diskurs- und lernorientierte Sanierungsplanung einfügt. Auch die in der del. VO 2016/1075 und der MaSanV vielfach vorgesehenen Begründungs- und Berichtspflichten verlieren ihre Funktion nicht. Das Vorsichtsprinzip bewirkt allein eine Verschiebung des Diskursrahmens, indem es konservativen Zukunftsprognosen einen teilweisen Vorrang einräumt.
IV. Zusammenfassung und Bewertung Die Sanierungsplanung führt systematisch in den Grenzbereich vorhandenen Wissens. Zur Bewältigung dieses strukturellen, aus der Zukunftsbezogenheit und Komplexität der Planung resultierenden Wissensdefizits setzen die §§ 12 ff. SAG und die Art. 5 ff. del. VO 2016/1075 einerseits auf verfahrensbezogene Mechanismen.442 Diese Mechanismen vermögen das Problem allerdings nur eingeschränkt zu bewältigen. Verbleibende Ungewissheiten müssen durch punktuelle Entscheidungen der Institutsgeschäftsleitung und der zuständigen behördlichen Amtswalter überwunden werden. Das Sanierungsplanungsrecht reagiert auf diesen Umstand erstens durch ein an die Institutsgeschäftsleitung adressiertes Vor441 Vgl. Verdoes/Adriaanse/Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 25, passim (mit der Betonung, dass die Erfolgstauglichkeit der Sanierungspläne maßgeblich von ihrer frühzeitigen Anwendung abhänge); s. auch Adriaanse/van der Rest/Verdoes, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Research Handbook on Crisis Management, S. 236, 246 ff. 442 S. dazu nochmals oben, Abschnitt § 5 B.
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sichtsprinzip. Das Vorsichtsprinzip wirkt als übergreifende Ergänzung zu den verschiedenen Einzelpflichten der Institute in den Phasen der Planerstellung und -umsetzung. Es fungiert als Zweifelsregelung, verpflichtet die Institute in Grenzfällen zur Entscheidung auf Grundlage konservativer Annahmen und wirkt insoweit auf einen begrenzten Vorrang von instituts- und systembezogenen Stabilitätsinteressen gegenüber gegenläufigen Interessen an einer „Minimalplanung“ hin. Zweitens reagiert das Sanierungsplanungsrecht in der Phase der aufsichtlichen Planbewertung auf beweisrechtlicher Ebene. Abweichend vom deutschen Regelbeweismaß unterliegen die prognostischen Tatbestandsprüfungen der Aufsichtsbehörden im Rahmen der Sanierungsplanung dem sog. Überwiegensprinzip. Die geringeren Anforderungen an die behördliche Überzeugungsbildung erlauben einerseits schnellere Positiventscheidungen, andererseits aber auch deutlich frühzeitigere Eingriffsmaßnahmen zur Erzwingung einer angemessenen Krisenprävention. Für ein sog. non liquet verbleibt in Eingriffskonstellationen damit nur noch ein äußerst schmaler, in der Praxis eher unbedeutender Anwendungsbereich. Die in der Literatur anklingende Diskussion um eine Übertragung des Vorsorgeprinzips auf den Bereich der Finanzaufsicht kann damit jedenfalls im hiesigen Zusammenhang auf sich beruhen. Vor allem C. Calliess hat diese Diskussion angestoßen.443 Ungeachtet der Kritik, die sein Vorschlag erfahren hat,444 ist aber weitgehend unstreitig, dass sich das Vorsorgeprinzip, selbst wenn man es auch im Bereich der Finanzmarktregulierung in Ansatz bringen wollte, primär an den Gesetzgeber richtet. Als konkretisierungsoffenes und -bedürftiges Rechtsprinzip ist es für Verwaltungspraxis und Gerichte nur dann als Interpretationsmaxime relevant, wenn es einfachgesetzlich umgesetzt wurde.445 Weil dies im bankeninsolvenzlichen Rechtsrahmen von BRRD und SRM-VO jedenfalls ausdrücklich nicht geschehen ist, ließen sich entsprechende Anhaltspunkte für ein solches banken443 S. Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 136 ff. (Verf. diagnostiziert, dass Umweltund Finanzmarktregulierung sowohl in den realbereichsseitigen Herausforderungen als auch in den daraus resultierenden rechtlichen Steuerungsdefiziten Parallelen aufweisen und deshalb auch nach vergleichbaren regulatorischen Antworten verlangen. Zulässig und erforderlich sei eine flächendeckende Umstellung der Finanzmarktregulierung auf die präventive Bewältigung von Finanzmarktrisiken, verbunden mit einer stärkeren Berücksichtigung von Mindermeinungen in den Risikobewertungen.); offen auch Pesendorfer, in Alexander/Dhumale (Hrsg.), Research Handbook on International Financial Regulation, S. 414, 430 und Thiele, Finanzaufsicht, S. 483 f. (Verf. erwägt vorübergehende Produktverbote in Fällen, in denen (noch) nicht abschließend bewertbar ist, ob bzw. inwieweit von einem Finanzprodukt ein Gefährdungspotential für die Finanzstabilität ausgeht. Die Grundlage für einen solchen Eingriff in non-liquet-Situationen biete § 4 Abs. 1 WpHG in Verbindung mit einem „finanzaufsichtlichen Vorsichtsprinzip“.). 444 Krit. Kaufhold, Systemaufsicht, S. 208; ferner Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 195; Augsberg, DV 49 (2016), 369, 378 (Fn. 50). 445 Vgl. Epiney, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 94. EL (Stand: 1.12.2020), Art. 191 AEUV Rn. 27; Wahl/Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 1, 156. S. ferner selbst auch Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 136.
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bzw. finanzaufsichtliches Vorsorgeprinzip allenfalls im Wege der interpretativen Systembildung herausarbeiten. In den Blick zu nehmen wären dabei wohl auch die übrigen zentralen finanzaufsichtlichen Regelwerke der Postkrisenphase, die inhaltlich mit der BRRD und der SRM-VO verzahnt sind, namentlich das CRDIV-Paket und die SSM-VO.446 Mit Blick auf die hier aufgeworfene Problemstellung, die Frage nach dem Umgang mit Ungewissheit im Rahmen der Sanierungsplanung, wäre ein solches Vorhaben aber wenig ergiebig. Denn wie gesehen lassen sich – entgegen anderslautender Behauptungen447 – nahezu alle für die Planungspraxis entscheidenden Mechanismen bereits unmittelbar aus dem Sanierungsplanungsrecht selbst entwickeln. Eine Problemdimension lässt der Rechtsrahmen allerdings unberücksichtigt: Sowohl die Aktivierung des Vorsichtsprinzips im institutsinternen Planungsprozess als auch ein aufsichtsbehördlicher Eingriff auf Grundlage des Überwiegensprinzips hängen maßgeblich davon ab, ob bei den planungsbeteiligten Akteuren überhaupt relevante Zweifel an der Tragfähigkeit der in Aussicht genommenen Arrangements aufkommen. Anfällig bleiben die identifizierten Mechanismen damit für subtilere Entwicklungen, die durch einen branchenweiten Überoptimismus induziert werden und zu geteilten Fehleinschätzungen bei allen Planungsbeteiligten führen.448 Auch eine individualisierte Sanierungsplanung könnte derartigen Effekten durch ein Abstandsgebot begegnen, das auf das Risiko unbewusster Fehlsteuerungen mit zusätzlichen Sicherheitsaufschlägen reagiert.449 Ähnliche Puffer kennt auch das Umwelt- und Gesundheitsschutzrecht bei der Festlegung von Grenzwerten.450 Im hiesigen Zusammenhang könnten sie pauschal auf das prognostizierte Schadenspotential und die für notwendig erachtete Gesamtsanierungskapazität der Pläne (Art. 12 Abs. 3 UAbs. 3 del. VO 2016/1075) addiert werden.451 Für entsprechende aufsichtliche Vorgabe im Rahmen der Sanierungs446
In dieser Richtung Engel, Systemrisikovorsorge, S. 79 ff. Vgl. de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.45, dort im Wesentlichen mit der Behauptung, BRRD und SRM-VO würden das Problem verbleibender Ungewissheit bei der präventiven Vorausplanung für Sanierung und Abwicklung nicht hinreichend berücksichtigen und dementsprechend ein Risiko für die betroffenen Institute bergen. 448 S. zu derartigem unspezifischen Nichtwissen („Unknown Unknowns“) auch schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. a). 449 Vgl. aber Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 358, die offenbar davon ausgeht, dass mit einem individualisierten Regulierungsansatz – wie er auch im Sanierungsplanungsrecht verwirklicht ist – das Bedürfnis nach derartigen Sicherheitsaufschlägen entfällt. 450 S. etwa Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207, 215; ausf. zum Ganzen auch Winter (Hrsg.), Grenzwerte. 451 Ein explizit pauschalierter Zuschlag wäre die transparente Antwort den Umstand, dass sich die Bemessung derartiger Sicherheitszuschläge nur begrenzt rational begründen lässt, vgl. Schuppert, VVDStRL 63 (2004), 316, 342 (Redebeitrag von Scherzberg). Krit. zur Rationalität bei der Grenzwertfestsetzung und mit der Forderung nach Transparenz z. B. auch schon Beck, Risikogesellschaft, 23. Aufl. 2016, S. 85 ff., 92. 447
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planung fehlt de lege lata allerdings die gesetzliche Grundlage. Bis dato könnte ein solches Abstandsgebot also allenfalls im Rahmen einer (freiwilligen) Best Practice Berücksichtigung finden. Je intensiver die Sanierungsplanung überdies auf ein (selbst-)kritisches Vorgehen ausgerichtet wird, desto eher dürften auch derartige unbewusste Fehlsteuerungen aufgedeckt werden. Auch insoweit kommt also dem Gebot einer reflexiven Planung452 entscheidende Bedeutung zu.
D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts Die bisherigen Ausführungen widmeten sich überwiegend den rechtlichen Strukturen und Mechanismen, die das Sanierungsplanungsrecht als Antwort auf die Zukunftsbezogenheit der Planungsvorgänge, die damit einhergehenden Unsicherheitsbedingungen und die strukturelle Informations- und Wissensverteilung unter den Planungsbeteiligten vorhält. Weitgehend unbeachtet sind bisher aber die inhaltlichen Planungsschwerpunkte geblieben, denen sich die planenden Akteure auf dem Weg hin zur Erstellung eines tatsächlich krisentauglichen Plans mit besonderer Sorgfalt annehmen müssen. Wie nachfolgend zu sehen sein wird, kann sich die Sanierungsplanung regelmäßig nicht allein auf instrumentelle Vorarbeiten beschränken. Neben der Entwicklung krisenbezogener Maßnahmen und Governance-Mechanismen wird eine effektive Krisenvorbereitung vielfach nicht umhinkommen, auch bereits die gegenwärtige Struktur und Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf ihre Vereinbarkeit mit dem Sanierungsziel hin zu untersuchen. Hintergründe, Inhalte und Grenzen dieser, hier als Vorwirkung bezeichneten, unternehmensbezogenen Ausstrahlungswirkung des Sanierungsplanungsrechts werden im Folgenden untersucht.
I. Die Grenzen rein instrumentell-krisenbezogener Sanierungsplanung Herzstück der Sanierungsplanung sind die krisenbezogenen Sanierungsoptionen, welche nach Eintritt in eine Belastungssituation zur Restabilisierung des Instituts zur Anwendung kommen. Von ihrer Qualität ist maßgeblich abhängig, ob der Sanierungsplan tatsächlich eine Sanierungskapazität entfaltet, die eine nachhaltige Krisenbewältigung ermöglicht.453 Art. 9 Abs. 1 del. VO 2016/1075 gibt den Instituten zur Entwicklung dieser Handlungsoptionen einen Katalog bestehend aus verschiedenen finanzwirtschaftlichen Maßnahmentypen454 an die 452
S. o., Abschnitt § 5 B. IV. 3. Vgl. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Rn. 4. 454 Finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen sind solche, die sich auf die Passivseite der Unternehmensbilanz beziehen und zuvorderst der Liquiditätssicherung im Akutstadium der Krise dienen. Sie sind u. a. von leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen abzugrenzen. Letztere sind auf eine Restrukturierung der betrieblichen Wertschöpfungsketten zur Realisierung einer nachhaltigen Ergebnisverbesserung ausge453
D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts
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Hand, die ihrem Ziel nach vor allem auf die Stabilisierung von kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereichen, auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Eigenmittel sowie auf die fortgesetzte Erfüllung fälliger Verpflichtungen gerichtet sind und deren Umsetzungseignung jeweils institutsspezifisch zu prüfen ist.455 1. Marktabhängigkeit von Sanierungsmaßnahmen Die tatsächliche Wirksamkeit dieser Sanierungsmaßnahmen steht dabei jedoch in einem Spannungsverhältnis zu den Umweltbedingungen, denen die Institute in der Umsetzungsphase der Pläne ausgesetzt sind. Ursächlich ist insoweit der Umstand, dass eine Vielzahl der in Betracht kommenden Handlungsoptionen von einem stabilen Marktumfeld der Institute abhängig sind.456 Diese Abhängigkeit mag noch vergleichsweise unproblematisch sein, wenn sich das betreffende Institut mit einer abgrenzbaren, idiosynkratischen Schieflage konfrontiert sieht. Zum Problem wird eine Sanierung „über den Markt“ aber in schwerwiegenden systemweiten Krisensituationen, die die Sanierungspläne nach dem gesetzlich formulierten Anspruch ebenfalls adressieren müssen.457 Sowohl die empirische Finanzmarktforschung als auch theoretische Überlegungen zeigen deutlich, dass das Misstrauen unter den Marktteilnehmern und eine dadurch bedingte eingeschränkte Marktliquidität dazu führen, dass selbst der Handlungsspielraum ursprünglich „gesunder“ Institute in diesen Phasen deutlich eingeschränkt zu werden droht.458 So dürften etwa in den Sanierungsplänen häufig vorgesehene Kapitalerhöhungen, wenn überhaupt, nur mit massiven Preisabschlägen gelingen.459 richtet und kommen zur Anwendung, wenn die Sofortmaßnahmen zur Existenzsicherung (Liquiditätserhaltung) getroffen sind. S. umf. zu beiden Maßnahmentypen aus betriebswirtschaftlicher Sicht Werner/Balzer, in: Crone/Werner (Hrsg.), Modernes Sanierungsmanagement, 5. Aufl. 2017, S. 129 und Crone/Kreide, a. a. O., S. 157. Art. 9 Abs. 1 del. VO 2016/1075 listet verschiedene Typen von finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen auf. Den Bezug zu leistungswirtschaftlichen Fragen stellt das Sanierungsplanungsrecht dagegen nur mittelbar her, indem jede finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahme immer auch daraufhin zu überprüfen ist, wie sich ihre Umsetzung auf die (längerfristige) Profitabilität und Tätigkeit des Instituts auswirkt, vgl. Art. 10 Nr. 1 del. VO 2016/1075. 455 S. Art. 9 Abs. 1 lit. a–c del. VO 2016/1075. Eine Übersicht über Einzelmaßnahmen, die in der Praxis Verwendung finden enthält EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, S. 40 ff. (Annex 1). 456 Aus der Bewertungsperspektive reflektiert diesen Umstand Art. 18 Abs. 2 lit. a del. VO 2016/1075. 457 S. z. B. Art. 5 Abs. 6 BRRD. 458 Ausf. zum Zusammenbruch des internationalen Interbankengeldmarktes während der letzten Finanzkrise, der die kurzfristige Refinanzierung vieler Institute erschwerte, z. B. de la Motte/Czernomoriez/Clemens, Zur Vertrauensökonomik. S. ferner auch die Nachweise in § 2 Fn. 78. 459 So schon früh mit Blick auf das US-Regime Huertas, Living Wills, sub. Abs. 5. S. ferner Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 46 (2013) oder Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 148, 148.
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Ebenso unsicher ist auch der Verkauf von Tochtergesellschaften, Forderungsportfolien oder sonstigen Vermögenswerten in systemischen Krisenlagen. Selbst wenn sich einmal Interessenten zur Durchführung derartiger Transaktionen finden, zeigt die historische Erfahrung, dass gerade private Bieter der Übernahme von Assets regelmäßig nur unter der Bedingung umfangreicher Risikofreistellungen zustimmen. Ob die Institute solche Freistellungen in einer ohnehin schon angespannten Kapital- und Liquiditätssituation aber ohne öffentliche Hilfe gewähren könnten, erscheint wiederum fraglich.460 Abhilfe gegenüber diesen Kapital- und Liquiditätsengpässen in systemweiten Krisenphasen könnten sog. bedingte Pflichtwandelanleihen (sog. Contingent Convertible Bonds bzw. CoCo-Bonds)461 schaffen. Als Sanierungsinstrument zunehmend verbreitet, werden sie bereits frühzeitig in Phasen des regulären Geschäftsbetriebes begeben, wenn die Marktliquidität noch vergleichsweise unbeeinträchtigt ist.462 Ungeachtet der Frage, ob mit ihrer Hilfe überhaupt Sanierungskapazitäten in ausreichender Höhe generiert werden könnten463 begegnet der Einsatz von CoCo-Bonds aber vor allem deshalb Bedenken, weil ihre Aktivierung gerade in marktweiten Krisenlagen mit erheblichen Systemrisiken verbunden ist. Problematisch ist insoweit, dass die Umwandlung der Anleihetitel in Eigenkapital des krisenbehafteten Unternehmens ein starkes Marktsignal setzt, dass Investoren selbst dann verunsichern könnte, wenn die Eigenkapitalanforderungen durch die
460 Derartige Sicherheiten könnten zwar gem. § 23 Abs. 3 Nr. 2 SAG auch durch andere Gesellschaften in Form einer gruppeninternen finanziellen Unterstützung gegeben werden. Die relevanten Risiken würden dann aber in der Gruppe verbleiben bzw. vom unterstützenden Unternehmen zu tragen sein. Die Voraussetzungen des § 30 SAG für solche Unterstützungen sind letztlich sehr eng. S. mit Bedenken speziell hinsichtlich sanierender Unternehmenstransaktionen Binder, ZHR 179 (2015), 83, 101; ders., ZBB 2017, 57, 62 f. (jeweils zur Unternehmensveräußerung gem. Art. 38 ff. BRRD, letztlich aber übertragbar); ferner Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1312 (2014) (m.w. N.); Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 61; Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 150 f. Allg. die Schwierigkeiten bei der Umsetzung kapital- und liquiditätswirksamer Maßnahmen in krisenbehafteten Märkten betonend IMF, United Kingdom: Crisis Management and Bank Resolution Technical Note, Rn. 32; Huertas/Lastra, 21 Revista de Estabilidad Financiera 25, 31 ff. (2011); Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 56, 59; Schelo, Bank Recovery and Resolution, S. 68. Zweifelnd auch Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 103. Entsprechend für die Einplanung von Preisabschlägen bei den Szenarioanalysen BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 40 (Begründung zu § 9). 461 Ausf. dazu Cahn/Kenadjian, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 1. Aufl. 2015, S. 217. 462 Die zunehmende Bedeutung von CoCos betonend Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 39; Schelo, Bank Recovery and Resolution, S. 68. S. ferner Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 47 ff. (2013) (m.w. N.). 463 Dies bezweifelnd Hofmann, in: FS Schwintowski, S. 259, 262.
D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts
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Umwandlung objektiv wiederhergestellt wären. CoCo-Bonds bergen damit das Risiko abrupter Aktienpreisverfälle und panikbedingter Bank Runs sowohl auf das betreffende Institut als auch, wenn die allgemeine Marktlage ohnehin schon entsprechend angespannt ist, auf andere Marktteilnehmer.464 Ihr flächendeckender Einsatz könnte deshalb mit dem Ziel einer systemschonenden Sanierung unter Vermeidung negativer Externalitäten (§ 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG) in Konflikt geraten. Ausgehend von der Tatsache, dass auch rein unternehmensintern und damit marktautonom umsetzbare Handlungsoptionen den Instituten nur begrenzt zur Verfügung stehen,465 könnte eine partielle Abhilfe schließlich darin bestehen, das Spektrum der marktbezogenen Sanierungsmaßnahmen bereits früh so breit wie möglich auszugestalten.466 Eine solche Diversifizierung verschafft Spielräume zum situationsgerechten Verhalten auch dann, wenn einzelne Optionen aufgrund fehlender Marktliquidität oder sonstiger Hindernisse nicht im erhofften Umfang umsetzbar sind. Die Anzahl der in Betracht den kommenden Sanierungsoptionen dürfte aber bei einer gegebenen Unternehmensstruktur nicht beliebig erweiterbar sein, die Planung also auch insoweit auf Grenzen stoßen. 2. Frühzeitige unternehmensbezogene Anpassungsmaßnahmen zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit (sog. Vorwirkung) Der Rechtsrahmen begegnet diesen strukturellen Grenzen, indem er die Planung nicht allein auf die Entwicklung von Sanierungsmaßnahmen beschränkt, sondern auch für unternehmensbezogene Anpassungen öffnet.467 Sanierungsmaß464 S. etwa Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 212 (2013); Goodhart, Are CoCos from Cloud Cuckoo-Land?. Mit vor allem makroprudenziellen Bedenken zuletzt auch Chan/van Wijnbergen, Cocos, Contagion and Systemic Risk; Kiewiet/ van Lelyveld/van Wijnbergen, Contingent convertibles; Schoenmaker, A macro approach to international bank resolution. Eher krit. auch Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 365 ff.; Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 363. 465 Möglich sind u. a. kapitalerhaltende Maßnahmen wie Aussetzungen von Dividendenausschüttungen, Einschränkungen der Kreditvergabe, Gebührenerhöhungen und Maßnahmen zur Kostenreduktionen (z. B. im Personalbereich), vgl. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Annex 1. Denkbar wären ferner gruppeninterne finanzielle Unterstützungen, die gem. §§ 22 ff. SAG aber engen Voraussetzungen unterliegen. Vgl. mit Zweifeln an der praktischen Relevanz der §§ 22 ff. SAG als Sanierungsmaßnahme auch schon Babis, 25 EBLR 459, 463 ff. (2014). All diesen Maßnahmen kommt in der Planungspraxis der Institute aber eine stark untergeordnete Rolle zu, vgl. EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 8; s. auch Bayer/Suchy, BaFin Journal 3/ 2018, 22, 23. 466 Vgl. Art. 8 Abs. 2, 17 Abs. 3 lit. b, 18 Abs. 2 lit. b del. VO 2016/1075. Vgl. auch EZB, a. a. O., S. 7. 467 S. schon Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 25: „Planning in itself may not however be sufficient. It is also very critical that credit institutions take any necessary measures to ensure that there are no impediments to the implementation of the plan in
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nahmen sind danach auch dann in Erwägung zu ziehen, wenn ihre Umsetzung in eine Veränderung der aktuellen Geschäftstätigkeit des Unternehmens münden würde.468 Ferner dürfen sie nicht allein deshalb außer Acht gelassen werden, weil ihre Implementierung von frühzeitigen unternehmensbezogenen Vorbereitungsmaßnahmen abhängt. In diesen Fällen sind die Institute vielmehr dazu aufgerufen, diese Vorbereitungsmaßnahmen bereits im Sanierungsplan zu darzulegen und mit einem Aktionsplan zu ihrer Umsetzung zu unterlegen.469 Schließlich erlaubt § 16 Abs. 4 SAG als ultima ratio auch hoheitliche Eingriffe in die Struktur und Geschäftstätigkeit der planenden Institute, sollte ihre Sanierbarkeit mit anderen Mitteln nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet erscheinen. Zwar fehlen bis dato aussagekräftige empirische Daten zur Anwendung dieser Vorschriften in der Praxis.470 Ausgehend von den soeben beschriebenen Rahmenbedingungen spricht bei abstrakter Betrachtung aber viel dafür, dass eine effiziente Sanierungsplanung kaum ohne solche unternehmensbezogenen Anpassungen auskommen wird. Dies gilt vor allem für eine planerische Vorsorge auf systemische Krisenlagen. Will man die Sanierungsplanung für derartige Extremereignisse nicht von vorn herein für aussichtslos erklären,471 dann dürfte als Antwort auf die Funktionsgrenzen der Sanierungspläne in der Krise vielfach ein umso rigideres Vorgehen vor der Krise geboten sein. Entsprechend lohnt sich ein vertiefter Blick auf die in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommenden Einzelvorschriften. Nachfolgend sollen deshalb zunächst die Eingriffsmöglichkeiten näher betrachtet werden, die § 16 Abs. 4–6 SAG den Aufsichtsbehörden an die Seite stellt. Sie erlauben Maßnahmen in struktur- und geschäftsbezogener Hinsicht und eröffnen damit den Weg für ebenso umfassende wie institutsspezifische Interventionen in die Unternehmensführung mit dem Ziel der Herstellung der Sanierungsfähigkeit (dazu II.). Die potentiell erhebliche Reichweite der behördlichen Kompetenzen wirft die Frage auf, welchen Grenzen die Aufsichtsbehörden beim Gebrauch dieser Befugnisse unterliegen (dazu III.). Abschließend stellt sich sodann die Frage, welche Rolle situations of financial stress.“ Vgl. ferner Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 56 (Planung sei keine rein abstrakte Zukunftsplanung, sondern könne schon während der Planungsphase erhebliche Strukturveränderungen mit sich bringen); ferner Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441; Binder, Resolution Planning, S. 16. 468 Art. 8 Abs. 5 del. VO 2016/1075. 469 § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG, Art. 15 del. VO 2016/1075. S. auch ErwG 12 del. VO 2016/1075. 470 In den bisher erschienenen Berichten der BaFin, EZB und EBA (s. o., die Nachweise in Abschnitt § 3 B.) finden sich insoweit keine Aussagen. Diese mangelnde Aufsichtstransparenz begegnet Bedenken (dazu näher unten, Abschnitt § 7 A. II. 2. a)). 471 So aber Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 87, 90 f. (2013), mit Blick auf die US-amerikanischen Abwicklungspläne. Krit. auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1307, 1310 ff. (2014); IMF, United Kingdom: Crisis Management and Bank Resolution Technical Note, Rn. 32 (mit der Warnung vor überhöhten Erwartungen an Funktionsfähigkeit in systemweiten Krisen).
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in diesem Zusammenhang den Instituten selbst zukommt. Viel spricht dafür, die Prüfung von unternehmensbezogenen Vorwirkungsmaßnahmen, seien es Strukturreformen oder Risikoabbaumaßnahmen, nicht allein der Initiative der Aufsichtsbehörden zu überantworten, sondern frühzeitig auch die Institutsgeschäftsleitung zu entsprechenden Überlegungen anzuregen. Welchen Raum die einschlägigen Vorschriften in dieser Hinsicht bieten, wird am Ende des Kapitels dargestellt (dazu IV.).
II. Dimensionen der Vorwirkung Rechtsgrundlage für unternehmensbezogene Eingriffe der Aufsichtsbehörden im Rahmen der Sanierungsplanung ist § 16 Abs. 3–6 SAG. Die Vorschrift ist eingebettet in ein mehrstufiges, dialogförmig ausgestaltetes Verfahren und sieht Interventionen in das planende Institut grundsätzlich erst dann vor, wenn (1) ein Sanierungshindernis vorliegt und (2) Anpassungen am Sanierungsplan aus Sicht der Aufsichtsbehörde nicht geeignet erscheinen, dieses Sanierungshindernis mit hinreichender Sicherheit zu beseitigen.472 Während Abs. 3 die eigentliche Befugnisnorm zum Eingriff in die Institute enthält, formuliert Abs. 4 einen nicht abschließenden Katalog von Regelbeispielen, die die Eingriffsrichtung näher konturieren sollen.473 Ausgehend von der Funktionslogik der Sanierungspläne und den Merkmalen der Institute lassen sich die behördlichen Maßnahmen typologisch entlang zweier Grundlinien differenzieren. Möglich ist zum einen eine Unterscheidung, die sich an der sanierungsbezogenen Zielrichtung der Maßnahmen orientiert. Maßgebend ist hier die Überlegung, dass eine Sanierungsfähigkeit der Institute dann gewährleistet ist, wenn das prognostische Sanierungspotential der Pläne größer ist als das zu erwartende Schadenspotential in schwerwiegenden Belastungssituationen.474 Unternehmensbezogene Vorwirkungsmaßnahmen können demgemäß entweder darauf abzielen, die Sanierungskapazität der Pläne zu erhöhen, oder darauf ausgerichtet sein, schon auf vorgelagerter Ebene das in der Krise überhaupt drohende Schadenspotential zu minimieren. Die nachfolgende Betrachtung orientiert sich demgegenüber am konkreten Ansatzpunkt der Maßnahmen innerhalb der Unternehmen. Denkbar sind danach Maßnahmen, die sich eher auf die Unternehmensstruktur (vor allem in gesellschaftsrechtlicher, organisatorischer und finanzieller Hinsicht) beziehen (dazu 1.) sowie Maßnahmen, die eher auf die Ge472 Alternativ ist ein Eingriff in das Unternehmen gem. § 16 Abs. 3 SAG auch dann möglich, wenn das Unternehmen nach behördlicher Feststellung des Sanierungshindernisses erst gar keinen überarbeiteten Sanierungsplan vorlegt, der dieses Sanierungshindernis beseitigen soll. Zum Regelungsgehalt von § 16 SAG überblicksartig schon oben, Abschnitt § 4 C. II. 2. c). 473 Weitere potentielle Maßnahmen enthält der abwicklungsbezogene Maßnahmenkatalog in § 59 Abs. 6 Satz 1 SAG. 474 Vgl. Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 del. VO 2016/1075.
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schäftstätigkeit und das Geschäftsmodell der Institute und die damit im Zusammenhang stehenden Risiken einwirken (dazu 2.). 1. Strukturbezogene Maßnahmen Bereits in der Frühphase der Reformen zur Einführung eines Sonderinsolvenzrechts für Banken wurden zentrale Hoffnungen in die präventiven Eingriffsbefugnisse der Behörden gesetzt, um die Funktionsfähigkeit des insolvenzbezogenen Rechtsrahmens zu gewährleisten.475 Den Schwerpunkt der Diskussion bilden seither vor allem die verschiedenen Optionen für strukturbezogene Eingriffe in die Unternehmen, dies weniger zur Gewährleistung ihrer autonomen Sanierungsfähigkeit, sondern primär um einen effektiven Einsatz der behördlichen Abwicklungsbefugnisse und -instrumente zu ermöglichen.476 a) Abwicklungsbezogene Diskussion Im Zentrum solcher Maßnahmen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit gem. §§ 59, 60 SAG bzw. Art. 10 Abs. 7–11 SRM-VO477 steht das Ziel, während des Abwicklungsprozesses einen nachhaltigen Schutz der kritischen Funktionen zu gewährleisten und dadurch negative Externalitäten für das Finanzsystem möglichst gering zu halten.478 Ungeachtet der eher technischen Details, die wesentlich von den Feinheiten der institutsspezifisch gewählten Abwicklungskonzepte abhängen, wird im Schrifttum zu diesem Zweck vor allem ein Abbau der strukturellen Komplexität der Institute befürwortet.479 Diese soll unter anderem die 475 So z. B. Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210 (2013). Im Anschluss daran Binder, ZBB 2015, 153, 155; ders., ZHR 179 (2015), 83, 132. 476 Die Bedeutung von präventiven strukturbezogenen Eingriffen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit betonend, neben den soeben genannten Autoren, vor allem Binder, Resolution Planning sowie Madaus, Help for Europe’s Zombie Banks?, S. 1, 11; ders., in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 60, 70. S. ferner Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 356 f.; de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.20, 10.24, 10.27; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 46 ff.; Schoenmaker, Governance of International Banking, S. 109 sowie knapp Admati/Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 77 (Fn. 65). Schon vor der letzten Krise für strukturbezogene Ex-ante-Maßnahmen Hüpkes, 9 Fin. Reg. 43, 46 f. (2004) und später dies., EBOR 10 (2009), S. 369, 380 ff. Zuletzt auch Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 86. 477 Die EBA hat mittlerweile ergänzende Leitlinien veröffentlicht, in denen konkretisierende Prüfaufträge zur Umsetzung des Regelbeispielkataloges in § 59 Abs. 6 Satz 1 SAG für die Abwicklungsbehörden formuliert werden, vgl. EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014. 478 Vgl. nur Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 33 f. S. auch § 57 Abs. 2 SAG zum Begriff der Abwicklungsfähigkeit von Instituten. 479 S. zuletzt Engel, Systemrisikovorsorge, S. 223 f., der die ganze Sanierungs- und Abwicklungsplanung maßgeblich dem Paradigma der (v. a. organisationsstrukturellen)
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operativen und finanziellen Binnenstrukturen der Institute mit ihrem gesellschaftsrechtlichen Aufbau harmonisieren480 und abwicklungshinderlichen operativen Interdependenzen innerhalb der Institute entgegenwirken.481 Diskutiert wird zudem eine präventive Anpassung der Struktur der Institutsgruppen an die behördlich präferierten Zugriffsmodalitäten im Falle der Abwicklung. Differenziert wird insofern zwischen zwei grundlegenden Abwicklungsstrategien, dem sog. Single Point of Entry (SPoE) und dem sog. Multiple Point of Entry (MPoE).482 Unter einer SPoE-Strategie werden die Abwicklungsinstrumente durch nur eine Abwicklungsbehörde allein gegenüber der Konzernobergesellschaft einer (gegebenenfalls grenzüberschreitend aktiven) Institutsgruppe zur Anwendung gebracht, während die nachgeordneten operativen Gesellschaften nicht direkt in das Abwicklungsverfahren einbezogen werden. Eine MPoE-Strategie setzt demgegenüber auf ein dezentrales Vorgehen mehrerer Abwicklungsbehörden direkt gegenüber den verschiedenen gruppenangehörigen Gesellschaften. Die SPoE-Strategie hat sich heute vor allem in den USA als Abwicklungsstandard durchgesetzt, wo die großen Institutsgruppen, historisch bedingt vor allem durch verschiedene Trennbankenregeln, traditionell in einer Holding-Struktur aufgebaut sind, in der die nachgeordneten Gruppengesellschaften das operative Bankgeschäft wahrnehmen und die übergeordnete Holding-Gesellschaft die Finanzierung der Gruppe gewährleistet.483 Die Vorteile des SPoE liegen primär in der Tatsache begründet, dass dieser mit vergleichsweise wenig interbehördlichem Komplexitätsreduktion zuordnet. Schon früh Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT, S. G51; ders./Fuchs, ZGR 2010, 597, 606; ferner z. B. Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, Living Wills as a Catalyst for Action, S. 3 f.; dies., 9 J. Fin. Stab. 210, 211 f. (2013); Bierens, in: Busch/Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of Financial Institutions, Rn. 4.13 f., 4.27; Binder, Resolution Planning, S. 26; ders., ZHR 179 (2015), 83, 131 f. (dort mit Blick auf Sanierungs- und Abwicklungsplanung); IMF, United Kingdom: Crisis Management and Bank Resolution Technical Note, Rn. 16; Jarque/Price, 101 Fed. Res. Richm. Econ. Q. 77, 88 f. (2015); Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 291; Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 224; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.41. Zum Ganzen auch EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12. 2014, Rn. 13. 480 Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 356; Bierens, in: Busch/Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of Financial Institutions, Rn. 4.13 f.; Franke/Krahnen/von Lüpke, ZVglRWiss 113 (2014), 556, 562; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 42; vgl. auch EBA, a. a. O., Rn. 13 lit. e, f. 481 Bierens, in: Busch/Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of Financial Institutions, Rn. 4.13 f.; De Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.27 (Punkt 5). 482 Ausf. zu beiden Ansätzen FSB, Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, 16.7.2013, S. 12 ff.; ferner z. B. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 123 ff. 483 Instruktiv zu den Hintergründen des SPoE-Modells in den USA Gordon/Ringe, 115 Colum. L. Rev. 1297, 1320 ff. (2015) sowie Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 87 ff.
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Koordinationsbedarf einhergeht und eine Abwicklung auf Holding-Ebene ermöglicht, ohne unmittelbar die Geschäftsbeziehungen der operativen Gruppengesellschaften zu berühren.484 Entsprechend wird heute vielfach auch in Europa eine flächendeckende Abwicklung nach dieser Strategie befürwortet. Zahlreiche Autoren fordern, die Offenheit des europäischen Rechtsrahmens zu nutzen485 und eine Umstrukturierung der europäischen Institutsgruppen nach dem Vorbild der USamerikanischen Holding-Strukturen voranzutreiben, um so einen effizienten Abwicklungszugriff an der Konzernspitze zu ermöglichen.486 Weitere denkbare strukturbezogene Ex-ante-Maßnahmen betreffen schließlich die gruppeninterne Abtrennung bzw. Abschirmung von Vermögenswerten, dies auch in Ergänzung zu den europaweit nur uneinheitlich umgesetzten Vorschlägen allgemeiner Trennbankenregeln487.488 Verschiedentlich werden sie gerade dort erwogen, wo eine effiziente Abwicklung grenzüberschreitend aktiver Bankengruppen an einer unzureichenden Koordination und Kooperation im Verhältnis zwischen den Aufsichts- bzw. Abwicklungsbehörden der involvierten Rechtsordnungen zu scheitern droht. Absehbaren Abstimmungsdefiziten im internationalen Aufsichtsverhältnis könne man, so die Diagnose, vor allem dadurch begegnen, 484 S. zu den Vor- und Nachteilen beider Ansätze stellv. Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 101, 111, passim. 485 Offen für beide Strategien schon ErwG 80 BRRD, ErwG 84 SRM-VO sowie zuletzt auch ErwG 4 der Richtlinie (EU) 2019/879. S. ferner EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, Rn. 13(b),(i),(j), Rn. 14, Rn. 15(b), (c). 486 Ausf. Gordon/Ringe, 115 Colum. L. Rev. 1297, 1320 ff. (2015); dies., in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 16.38 ff.; ferner Binder, ZVglRWiss 113 (2014), 570, 573; Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 292; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 43 ff.; Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 71 f.; Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 111; Schoenmaker, Governance of International Banking, S. 109; s. aus US-Sicht auch Herring, 31 Yale J. on Reg. 853, 875 ff. (2014). Kritischer demgegenüber Russo, EBOR 20 (2019), 735, 764 ff. Differenzierend Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 365; de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.78 ff.; FSB, Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, 16.7.2013, S. 12. 487 Der europäische Vorschlag einer allg. Bankenstrukturreform von Januar 2014 (Kommission, COM(2014) 43 final) ist vorerst gescheitert, vgl. Kommission, COM (2017) 650 final, Annex 4, S. 2 (sub. 3.). Zum deutschen Modell sogleich im nachfolgenden Abschnitt. 488 Zu diesem Zusammenhang zwischen abwicklungsbezogenen Ex-ante-Maßnahmen und allg. Bankenstrukturregeln Binder, Resolution Planning; de Serière, in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.49 ff.; ferner Alexander, EBOR 16 (2015), 227, 248 ff.; Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 114. S. auch EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, Rn. 11(d) und schon dies., Consultation Paper – Draft Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability, EBA/CP/ 2014/15, 9.7.2014, S. 24 f.
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dass Verbindlichkeiten und Vermögenswerte innerhalb grenzüberschreitend aktiver Bankengruppen bereits frühzeitig entlang nationaler Grenzen abgeschirmt werden (sog. Ring Fencing).489 b) Strukturmaßnahmen zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit Zwar mag eine präventive Anpassung der Institutsstrukturen entsprechend den Bedürfnissen einer SPoE- bzw. MPoE-Strategie im Kontext der Sanierungsplanung von geringerer Relevanz sein, weil die Sanierung in der Vorphase der Abwicklung noch rein privatwirtschaftlich und unter der unmittelbaren Verantwortung der Geschäftsleitung der Institute erfolgt. Im Übrigen aber könnten die beschriebenen Strukturmaßnahmen auch zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit der Institute von entscheidender Bedeutung sein.490 Herausragende Bedeutung kommt dabei vor allem einer Angleichung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen mit den verschiedenen Geschäftsbereichen der Institute zu. Die konsequente Bündelung der von den Instituten betriebenen Geschäftsaktivitäten in je eigenen Gesellschaften dürfte den zügigen Verkauf einzelner oder mehrerer Bereiche zu Sanierungszwecken schon prozessual erleichtern und damit die Sanierungskapazität der Institute tendenziell erhöhen. Förderlich für die Sanierungsfähigkeit wird weiterhin auch eine Ausgliederung übergreifend in Anspruch genommener Dienstleistungen (z. B. IT-Funktionen) auf gesonderte Gesellschaften in der Gruppe sein, wo sie von verschiedenen Unternehmensfunktionen in Anspruch genommen werden können.491 Diese Form der Entkoppelung von den Geschäftsaktivitäten wirkt schon frühzeitig der Gefahr entgegen, dass eine zügige Veräußerung einzelner Geschäftsbereiche im Wege des Share Deals daran scheitert, dass von den betreffenden Gesellschaften zugleich auch gruppenübergreifend betriebsrelevante Dienstleistungen erbracht werden. Jenseits dieser funktionsspezifischen Restrukturierungen wird man auch insgesamt einem umfassenden Abbau der Konzernkomplexität besondere Aufmerksamkeit widmen 489 Ausf. dazu D’Hulster/Otker-Robe, 5 J. Fin. Persp. 1 (2018). Denkbar ist eine solche Abschirmung vor allem im Verhältnis zu Drittstaaten, vgl. EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, Rn. 11(b), 13(i), 14(c), ggf. aber auch im Verhältnis zu EU-Mitgliedsstaaten außerhalb der Bankenunion gehalten. S. mit einer Analyse verschiedener Konstellationen Binder, Resolution Planning, S. 24 ff. (a. a. O., S. 28 aber wegen ihrer marktdesintegrierenden Wirkung krit. zum Ring Fencing innerhalb der Bankenunion); s. auch ders., ECFR 2016, 575, 582 f., 587; Hüpkes, EBOR 10 (2009), S. 369, 380 ff. Zimmer, Gutachten G zum 68 DJT, S. G54 hatte noch die Hoffnung geäußert, mithilfe der Abwicklungsplanung ließe sich ein sog. Ring Fencing vermeiden. Aktuelle Berichte aus der Aufsichtspraxis deuten in eine andere Richtung, vgl. etwa Ervin, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 93, 96 ff. 490 Zum Nachfolgenden im Ansatz auch Binder, Resolution Planning, S. 26 (dort aber ohne näheren Bezug zu den spezifischen Bedürfnissen des Krisenmanagements auf Grundlage der Sanierungspläne). 491 Vgl. EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, S. 32 (Ziff. 2.1).
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müssen. Eine vergleichsweise einfache und den aktuellen Betriebsrealitäten entsprechende Gesellschaftsstruktur erleichtert sowohl der Geschäftsleitung als auch den Aufsichtsbehörden eine schnelle Orientierung in der Krise. Dies wird vor allem dann relevant, wenn die tatsächlich eingetretene Schieflage die schnelle Entwicklung neuer Sanierungsstrategien notwendig macht, welche im Plan selbst bisher nicht angelegt waren.492 Ein Abbau der strukturellen Komplexität in den Unternehmen könnte zudem auch auf vorgelagerter Ebene bereits zu einer Minimierung des in der Krise drohenden Schadenspotentials beitragen. Um diese Wirkrichtung nachzuvollziehen, lohnt sich eine nochmalige Vergegenwärtigung der Ansteckungskanäle entlang derer Finanzinstitute von externen Instabilitäten erfasst werden:493 Diese Ansteckung vollzieht sich nicht nur aufgrund von Ausfällen entlang vertraglicher Verknüpfungslinien (direkte Ansteckung), sondern häufig auch rein vertrauensbasiert (indirekte Ansteckung). Ursächlich ist insoweit unter anderem die hohe Intransparenz der Marktabläufe im Finanzsystem, die selbst bei professionellen Akteuren eine weitgehende Abstraktion des Vertrauens weg von den individuellen Vertragsbeziehungen und hin zu eher symbolischen Dimensionen zur Folge hat. Die historische Erfahrung zeigt, dass auch Bankengruppen besonders gefährdet sind, durch einen pauschalen Vertrauensentzug ihrer Gläubiger in Gänze destabilisiert zu werden, selbst wenn die Verluste ursprünglich nur auf einen Teil der gruppenangehörigen Gesellschaften beschränkt waren.494 Eine frühzeitige Vereinfachung der Gruppenstruktur könnte derartigen Effekten entgegenwirken, indem sie, gepaart mit einer auf umfassende Transparenz ausgelegten Krisenkommunikation, den Institutsgläubigern ungleich besser ermöglicht, die tatsächliche Verortung der finanziellen Probleme innerhalb der Gruppe nachzuvollziehen. Inwieweit dadurch aber tatsächlich eine Begrenzung des Schadenspotentials auf einzelne Geschäftsbereiche möglich ist und das (Gläubiger-)Vertrauen gegenüber dem Rest der Institutsgruppe stabilisiert werden kann, hängt wiederum auch maßgeblich von der finanziellen Vernetzung der gruppenangehörigen Gesellschaften im Innenverhältnis ab. Aus sanierungsplanungsrechtlicher Perspektive spricht deshalb viel dafür, im Interesse der präventiven Schadensbegrenzung eine weitgehende finanzielle Entflechtung innerhalb der Institutsgruppen voranzutreiben.495 Zu unterbinden wären vor allem gruppeninterne Querfinanzierungen von hoch risikobehafteten Tätigkeiten (z. B. Eigenhandel), sollten diese in der Insti492 Diese Möglichkeit von Anpassungen in der Sanierungsstrategie reflektiert etwa § 36 Abs. 1 lit. a, c SAG. 493 S. dazu einführend auch schon oben, Abschnitt § 2 A. III. 2. 494 Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 211 f. (2013). 495 Ähnl. für die Abwicklung EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, Rn. 8 lit. a (Prüfung von Grenzwerten für gruppeninterne Risikopositionen zum Abbau finanzieller Verflechtungen).
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tutsgruppe überhaupt weiterhin zugelassen werden.496 Parallel zu den abwicklungsbezogenen Maßnahmen könnten sich damit im Ergebnis auch Maßnahmen nach § 16 Abs. 4 SAG als sinnvolle Ergänzung zu den deutschen Trennbankenregeln (§§ 3 Abs. 2, 25f KWG) erweisen. Letztere sehen heute zwar ein sog. Spartentrennungsmodell vor, das mit einer Auslagerung bestimmter hochrisikobehafteter Geschäfte (unter anderem Eigengeschäfte und Eigenhandel) in gesonderte Gesellschaften (sog. Finanzhandelsinstitute) verbunden ist. Refinanzierungen der Geschäfte dieser Finanzhandelsinstitute durch andere gruppenangehörige Gesellschaften, darunter auch Einlagenkreditinstitute, werden durch das Regime aber nicht ausgeschlossen.497 2. Geschäftsbezogene Maßnahmen Im Vergleich zum vorbeschriebenen Themenkreis deutlich weniger ausgeprägt ist die Diskussion um behördliche Präventivmaßnahmen, die – jenseits strukturell-organisatorischer Fragen – stärker auf die Geschäftsmodelle und -entscheidungen der Institute und die damit verbundenen Risiken abzielen. Dabei erteilt § 16 Abs. 4, 5 SAG den Aufsichtsbehörden auch für solche geschäftsbezogenen Maßnahmen eindeutig eine Eingriffsermächtigung: So kann die Behörde das Institut schon ausweislich des Regelbeispielkataloges anweisen, sein Risikoprofil zu verringern (Abs. 5 Nr. 1), seine Geschäftsstrategie zu überprüfen (Abs. 5 Nr. 3) oder Korrekturen an seiner Refinanzierungsstrategie vorzunehmen (Abs. 5 Nr. 4). Noch weitergehender ist schließlich die Befugnisnorm in Abs. 4 selbst, die grundsätzlich Maßnahmen aller Art zulässt, sofern sie nur Bezug zur „Geschäftstätigkeit“ des Unternehmens aufweisen und auf die Beseitigung der diagnostizierten Sanierungshindernisse ausgerichtet sind.498 In der Literatur wurde diese Dimension der Vorwirkung – gerade mit Blick auf die Sanierungsplanung – bisher kaum näher aufgearbeitet.499 Vielfach überwiegt stattdessen die 496
S. zu letzterem sogleich, Abschnitt § 5 D. II. 2. b). S. § 25f Abs. 3 SAG, wonach das Finanzhandelsinstitut seine Refinanzierung zwar eigenständig sicherstellen muss, eine Finanzierung durch andere gruppenangehörige Gesellschaften aber zulässig ist, solange diese das Finanzhandelsinstitut nur wie einen Dritten behandeln (s. zu Recht krit. zu dieser nur unvollständigen finanziellen Trennungsregelung auch Möslein, BKR 2013, 397, 405; Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 106; Tröger, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 137, 157 ff.; allg. krit. auch Glasow, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 20 Rn. 87). Ohnehin gelten die dt. Regeln erst oberhalb der in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 KWG genannten Schwellenwerte und unter Berücksichtigung der weiten Ausnahmen in § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG. Umf. zu den dt. Trennbankenregeln und der internationalen Diskussion Altvater/von Schweinitz, WM 2013, 625; Binder, EBOR 16 (2015), 97; Kumpan, ZBB 2014, 201; Möslein, ORDO 64 (2013), 349; monographisch Kreft, Bankenstrukturreformen; Grandjean, Bankenstrukturreformen. 498 S. ähnlich weit auch die Parallelnormen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit, § 59 Abs. 4–6 SAG. 499 Nur knapp und letztlich auch eher skeptisch Binder, Resolution Planning, S. 25 f. Einzelne geschäftsbezogene Maßnahmen erwägt die EBA, Leitlinien zum Abbau von 497
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Kritik an der Reichweite der Vorschriften, welche unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Freiheiten der Institute als bedenklich weitgehend empfunden werden. Auf diese Kritik wird an späterer Stelle zurückzukommen sein (dazu V.). Im hiesigen Zusammenhang interessiert zunächst die generelle Ausrichtung, mit der von den Ermächtigungen im Kontext der Sanierungsplanung Gebrauch gemacht werden könnte. Es zeigt sich dabei, dass die geschäftsbezogenen Eingriffsbefugnisse wiederum zum einen genutzt werden können, um primär die Sanierungskapazitäten der Institute zu erhöhen (dazu a)). Ebenso können die Befugnisse aber auch bereits als Instrument zur Minderung des in der Krise drohenden Schadenspotentials genutzt werden (dazu b)). a) Geschäftsbezogene Maßnahmen zur Erhöhung der Sanierungskapazität Denkbar ist zum einen ein Eingriff in die Geschäftstätigkeit der Institute mit dem Ziel, die Sanierungskapazität der Unternehmen in Krisenphasen zu erhöhen. Wenngleich die in Betracht kommenden Einzelmaßnahmen vielfältig sind und wesentlich von den institutsspezifischen Gegebenheiten abhängt, lassen sich einige Beispielmaßnahmen nennen, um die Eingriffsrichtung zu verdeutlichen: So könnte die Aufsichtsbehörde via § 16 Abs. 4 SAG etwa das Problem adressieren, dass bestimmte Verkaufsoptionen in einer marktweiten Belastungssituation prospektiv nur mit geringer Wahrscheinlichkeit umsetzbar sind, weil die betreffenden Absatzmärkte nur über geringe Liquidität verfügen. Als Gegenmaßnahme wäre insoweit eine frühzeitige Umstrukturierung der von den Instituten gehaltenen Vermögenswerte möglich. Voraussichtlich weniger liquide Vermögenswerte könnten präventiv verkauft und durch solche Assets ersetzt werden, die auch in systemischen Schieflagen eine vergleichsweise höhere Liquidität erwarten lassen.500 Ebenfalls denkbar wären Umstrukturierungen mit dem Ziel, die von den Instituten gehaltenen Vermögenswerte bereits präventiv zu diversifizieren.501 Als nützlich zur Vorbereitung solcher Maßnahmen könnten sich vor allem die behördlichen Quervergleiche zwischen den Sanierungs- und Abwicklungsplänen erweisen, sofern sie gerade auch mit dem Anliegen durchgeführt werden, ParalleAbwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, allerdings nur Blick auf die abwicklungsbezogenen Befugnisse in § 59 SAG (Art. 17 BRRD). S. dazu, soweit auch für die Sanierungsplanung relevant, die Einzelnachweise im Folgenden. 500 So mit Blick auf die Herstellung der Abwicklungsfähigkeit der Institute auch EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12. 2014, Rn. 10(b), Rn. 10(c). 501 Auf das Problem zu hoher Risikokonzentrationen für eine erfolgreiche Sanierung hinweisend auch Binder, Resolution Planning, S. 25. A. a. O., S. 26 allerdings auch krit. zu behördlichen Eingriffen mit dem Ziel, derartige Risikokonzentrationen frühzeitig zu unterbinden. S. zu dieser Kritik sogleich unten, Abschnitt § 5 D. V.
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len zwischen den Sanierungskonzepten mehrerer Institute zu identifizieren.502 Aufbauend auf diese Quervergleiche könnten die Geschäftsleitungen der Institute aufgefordert werden, Vermögenswerte speziell auf Märkten zu erwerben, die in Krisenlagen voraussichtlich eher weniger für Verkaufsoptionen in Anspruch genommen werden. Stabilitätsgefährdende Effekte durch parallele sog. Fire Sales würden dadurch von vorn herein unwahrscheinlicher. b) Geschäftsbezogene Maßnahmen zur Minderung des prognostischen Schadenspotentials aa) Grundlagen Eingriffe in die Geschäftsführung der Institute gem. § 16 Abs. 4, 5 SAG können aber auch darauf ausgerichtet sein, das in der Krise drohende Schadenspotential zu verringern. Maßgebend ist insoweit die Erwägung, dass die Sanierungsfähigkeit der Institute immer dann gewährleistet ist, wenn die in Summe verfügbare Sanierungskapazität das prognostische Schadensausmaß übersteigt, welches in einer schwerwiegenden Belastungssituation maximal zu erwarten hat. Das Sanierungsplanungsrecht schafft damit ein eigenständiges, variables Maß für die Verlustabsorptionsfähigkeit der Institute in Krisensituationen.503 Zugleich bildet die individuell verfügbare Gesamtsanierungskapazität auch eine eigenständige Obergrenze für die Risikonahme der Institute im Rahmen ihres laufenden Geschäftsbetriebes. Geschäftsmodelle und geschäftliche Einzelentscheidungen sind danach nur solange unbedenklich, wie die aus ihnen resultierenden Risiken die Sanierungsfähigkeit der Institute nicht beeinträchtigen.504 Zu vergleichen ist das aus der Geschäftstätigkeit maximal resultierende Schadensausmaß mit der in Krisenphasen maximal erzielbaren Sanierungskapazität.505 Bestehen Zweifel an der Positivbilanz zugunsten der Sanierungskapazität der Institute,506 können präventive Abhilfemaßnahmen einerseits – wie eingangs beschrieben – bei den krisen502
S. schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 1. a) aa). Ähnl. auch Gann, ZfgK 2017, 380, 385 (= ders., in: Igl/Krüger/Stepanek et al. (Hrsg.), Bankenabwicklung und MREL, S. 61). S. dazu im Vergleich zu den anderen aufsichtsrechtlichen Konzepten der Verlustabsorptionsfähigkeit noch unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. a). 504 Vgl. auch Cichy, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 27, 31; Engel, Systemrisikovorsorge, S. 133. 505 In diese Richtung weist auch ErwG 24 BRRD. Dort heißt es: „Insbesondere bedarf es dieser Beschränkung, um die Geschäftstätigkeit der Institute zu stärken und zu verhindern, dass die Institute übermäßig wachsen oder übermäßig hohe Risiken eingehen, ohne dass sie Rückschläge oder Verluste auffangen können, und um ihre Eigenkapitalbasis wiederherzustellen.“ (Hervorhebungen nur hier). 506 Das in § 16 Abs. 4 SAG tatbestandlich geforderte „Sanierungshindernis“ liegt dann in dem Umstand begründet, dass der Sanierungsplan ersichtlich nicht zur Erreichung des in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG vorgeschriebenen Sanierungsziels geeignet ist. 503
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bezogenen Handlungsoptionen der Institute ansetzen und auf eine Stärkung der „Sanierungsseite“ zielen. Ebenso gut kann die sanierungsplanungsrechtliche Verlustabsorptionsfähigkeit aber auch dadurch hergestellt werden, dass das in der Krise drohende Schadenspotential durch geschäftsbezogene Maßnahmen bereits frühzeitig gemindert wird. Solche Maßnahmen auf der „Schadensseite“ der Bilanz dürften vor allem auch deshalb bedeutend sein, weil präventive Maßnahmen mit dem Ziel einer Erhöhung der Sanierungskapazität mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind.507 bb) Sanierungsbezogene Prüfung komplexer Geschäftsmodelle, insbesondere: Finanzinnovationskontrolle Die konkreten Anwendungsfälle, in denen von den präventiven Eingriffsbefugnissen mit dem Ziel eines präventiven Risikoabbaus Gebrauch gemacht werden könnte, sind ebenso vielgestaltig wie die Geschäftsmodelle der Institute selbst. Zu Recht hat der Gesetzgeber die Aufsichtsbehörde deshalb mit einer vergleichsweise offenen Befugnisnorm ausgestattet, die eine situativ angemessene Reaktion in jedem Einzelfall ermöglicht.508 Zur Verdeutlichung der Eingriffsrichtung sei im Folgenden wiederum nur ein Punkt herausgegriffen, weil er besonderen Bezug zu den Herausforderungen der Institute nach Eintritt in eine stabilitätsbedrohende Stresssituation aufweist und insofern gerade aus sanierungsplanungsrechtlicher Perspektive bedeutsam erscheint. Er betrifft das Spannungsverhältnis zwischen dem hohen Transparenzbedürfnis für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung auf der einen Seite und der in den letzten Jahrzehnten exponentiell gewachsenen Komplexität und Intransparenz der Geschäftspraktiken gerade global vernetzter, systemrelevanter Institute auf der anderen Seite: Ausgangspunkt der Überlegungen ist insoweit die Einsicht, dass sich Fremdkapitalgeber nur dann für eine Mittelgewährung an ein sanierungsbedürftiges Unternehmen entscheiden werden, wenn sie die Rückzahlung des gewährten Kapitals oder jedenfalls eine gewinnbringende Veräußerung ihrer Forderungen an andere Marktteilnehmer erwarten können. Ebenso werden auch Eigenkapitalgeber dem Erwerb von Unternehmensanteilen nur dann zustimmen, wenn sie zumindest langfristig von der Fortführungsfähigkeit und Prosperität des Unternehmens überzeugt sind. In beiden Fällen fußt die Kapitalgewährung also auf einer 507 Erstens ist kaum sicher abschätzbar, welche Märkte in künftigen Krisenlagen tatsächlich wie liquide sein werden. Möglich sind allenfalls grobe Abschätzungen, etwa derart, dass Staatsanleihen hoch solventer Staaten regelmäßig liquider sind als Anleihen einzelner Unternehmen (vgl. ErwG 100 und Art. 416 Abs. 1 lit. c CRR). Auch insoweit krit. aber der Branchenverband EBF, Response to EBA Consultation EBA/CP/2014/15, S. 4; ähnl. auch FBF, Response to EBA Consultation EBA/CP/2014/15, S. 3. Zweitens bleiben auch Diversifizierungsmaßnahmen basierend auf vergleichenden Analysen der Sanierungs- und Abwicklungspläne unvollständig, weil sie nur einen Ausschnitt der Marktakteure im Blick haben. 508 Vgl. auch BT-Drs. 18/2575, S. 149.
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positiven Vertrauensentscheidung der Geldgeber.509 Zentrale Herausforderung zur nachhaltigen Bewältigung von Unternehmenskrisen ist es deshalb, das für eine langfristige (Re-)Kapitalisierung des Unternehmens notwendige Vertrauen der Eigen- oder Fremdkapitalgeber aufrechtzuerhalten oder, sofern bereits erodiert, zügig wiederherzustellen.510 Die Planungsvorschriften reflektieren diesen Umstand, indem sie den Instituten die vorsorgliche Entwicklung von krisenbezogenen Kommunikationskonzepten aufgeben, die unter anderem einen möglichst konstruktiven Umgang mit negativen Marktreaktionen gewährleisten sollen.511 Auch eine umfassend vorbereitete Krisenkommunikation wird das Vertrauen in die Überlebensfähigkeit des Instituts indes nur dann (wieder-)herstellen können, wenn die wesentlichen Krisenursachen und Schadenspotentiale auch für externe Kapitalgeber zumindest in groben Zügen nachvollziehbar sind und die Geschäftsleitung überdies den Eindruck vermittelt, die Lage unter Kontrolle zu haben. Dieses krisenbezogene Transparenz- und Kontrollbedürfnis steht in einem offenkundigen Spannungsverhältnis zur zunehmenden Komplexität der Geschäftsaktivitäten der Finanzinstitute während der letzten Jahrzehnte. Beginnend in den 1980er-Jahren haben in einem politisch, technologisch und finanzwissenschaftlich induzierten Prozess512 eine Vielzahl sog. Finanzinnovationen513 Verbreitung gefunden, die in ihrer heutigen Gestalt selbst für Insider nur noch schwer zu durchdringen sind.514 Insbesondere aber führt die sprunghaft gewachsene Komplexität der Geschäftspraktiken zu einer massiven Informationsasymmetrie zu Lasten all derjenigen Akteure, die nicht in die jeweiligen Marktprozesse einbezogen sind. Dazu gehören Aufsichtsbehörden, private Einleger und Anleger oder gar institutionelle Anleger außerhalb der betreffenden Kreise.515 Diese Intranspa-
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S. auch schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. a). Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 124, 126. 511 Art. 14 Abs. 1 lit. c del. VO 2016/1075, § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG. Den Transparenz- und Vertrauensschutzzweck dieser Vorschriften zu Recht betonend auch Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 102. Zur Krisenkommunikation und dem damit in Zusammenhang stehenden sog. Change Management aus bankpraktischer Perspektive Greiner/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 169. 512 Zu diesem Prozess Avgouleas, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 659, 664 f. sowie ausf. Strulik, Risikomanagement globaler Finanzmärkte, S. 159 ff. 513 S. zum Begriff Weck, Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente, S. 964 ff.; ferner Avgouleas, in: a. a. O., S. 660 f. 514 Vgl. Hu, 90 Tex. L. Rev. 1601, 1609, 1654 (2012), der von sog. „true“ und „functional misunderstandings“ mit Blick auf solche Finanzinnovationen spricht. Vgl. im Kontext der Sanierungs- und Abwicklungsplanung auch Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.06. 515 S. nochmals Avgouleas, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 659, 665; vgl. auch Boot/ Marinè, in: Barth/Lin/Wihlborg (Hrsg.), Research Handbook on International Banking, S. 395, 403; Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 28. 510
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renz mag solange vergleichsweise unproblematisch sein, wie die Marktentwicklung stabil ist. In der Tat werden Finanzinnovationen, die zu einer verbesserten Kapitalallokation beitragen, häufig mit finanzwirtschaftlichen und realwirtschaftlichen Wachstumszuwächsen assoziiert und auf dieser Grundlage verteidigt.516 Zum Problem wird die unzureichende Nachvollziehbarkeit von Schadensursachen und -ausmaßen aber in Krisensituationen. Hier erhöht sie die Gefahr von Bank Runs und Kapitalabzügen, die panikbedingt selbst dann entstehen können, wenn sie bei objektiver Betrachtung eigentlich nicht geboten wären, weil das von den Produkten ausgehende Schadensausmaß tatsächlich gering ist.517 Dieser abstrakte Problemzusammenhang indiziert, dass ein Engagement der Institute in besonders innovationsgeneigten oder sonst komplexen Geschäftspraktiken, die noch nicht durch eine hinreichend breite Markterfahrung unterfüttert sind, gerade aus sanierungsplanungsrechtlicher Perspektive einer strengen Prüfung bedarf. Zwar muss diese Prüfung muss nicht zwingend in den Erlass pauschaler und flächendeckender Verbotsverfügungen münden. An ihrem Ende könnte aber durchaus der Befund stehen, dass sich die Komplexität z. B. einzelner Produkte allzu sehr von dem Transparenz- und Kontrollbedürfnis in der Sanierungsphase entfernt hat. Das damit verbundene Reputationsrisiko bedarf dann aktiver Gegenmaßnahmen, sei es im Einzelfall auch in Form von Produktverboten.518 Entsprechende Maßnahmen greifen naturgemäß in erheblichem Maße in die unternehmerische Freiheit der Institute und die Eigentumsrechte ihrer Aktionäre ein und können vor allem in positiven Konjunkturphasen mit empfindlichen Gewinneinbußen verbunden sein.519 Ohne die Auseinandersetzung mit den Grenzen 516 S. z. B. Ross, 90 Q. J. Econ. 75 (1976); Houston/Lin/Lin/Ma, 96 J. Fin. Econ. 485 (2010). Weitgehend unbestritten ist auch, dass moderne Derivatekontrakte und Verbriefungsstrukturen durchaus auch volkswirtschaftlich sinnvolle Verwendung finden können, etwa als Instrumente eines effizienten Risikomanagements. S. statt vieler Avgouleas, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 659, 669 ff. Ebenso existieren heute aber auch Produkte, deren Zweck nur noch in der Gewinnerwirtschaftung auf Grundlage überwiegend selbstbezüglicher, von der realwirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelter Finanzmarktprozesse besteht. 517 Vgl. dazu schon oben, Abschnitt § 2 A. III. 2. b). S. zum Zusammenhang von Institutskomplexität und Vertrauensempfindlichkeit auch FSB/IMF/BIS, SIFI Guidance, 10/2009, S. 13; mit Blick auf die letzte Finanzkrise auch nochmals Avgouleas, a. a. O. S. 669. Instruktiv ist auch die empirische Analyse von Beck/Chen/Lin/Song, 72 J. Bank. Fin. 28 (2016). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Verbreitung von Finanzinnovationen allg. nicht nur das Wachstum von Banken befördert, sondern auch zu deren Profitvolatilität, Fragilität und zu Verlusten während Bankenkrisen beiträgt. Ähnl. auch Strulik, Risikomanagement globaler Finanzmärkte, S. 165. 518 Vgl. i. E. ebenfalls offen für ein Verbot überkomplexer Geschäftspraktiken, wenn auch in allgemeinerem Zusammenhang, Hu, 90 Tex. L. Rev. 1601, 1678 (2012); ferner Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F53, F64. S. im Abwicklungskontext im Ansatz auch EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014, Rn. 13(n). 519 Vgl. wohl gerade deshalb die krit. Äußerungen im Diskussionsbericht bei Verweij, in: Haentjens/Wessels, Bank Recovery and Resolution, S. 197, 199; allg. krit. zur Inno-
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der Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts vorweg zu nehmen (dazu sogleich, sub. III.), lohnt deshalb bereits an dieser Stelle ein Blick auf andere, in ihrer Eingriffsintensität potentiell mildere Alternativmaßnahmen: Ein milderes Mittel im Vergleich zur vollständigen Untersagung könnte etwa in der gezielten Auslagerung der betreffenden Aktivitäten auf gesonderte Gesellschaften innerhalb der Institutsgruppe bestehen. In Deutschland sind solche Ausgliederungen heute in Teilen ohnehin bereits durch die allgemeinen Trennbankenregelungen (§§ 3 Abs. 2 KWG, 25f KWG) vorgezeichnet. Bereits oben (bei der Untersuchung strukturbezogener Vorwirkungsmaßnahmen) wurde aber deutlich, dass derartige Maßnahmen der Spartentrennung wirklich positive Auswirkungen auf die Stabilität der Institutsgruppe allenfalls dann haben dürften, wenn sie mit einer vollständigen finanziellen Abschirmung der betreffenden Gesellschaft von den übrigen Gruppengesellschaften verbunden werden.520 Doch selbst bei strikter finanzieller Trennung verbleiben Zweifel, ob dadurch negative Vertrauenseffekte gegenüber dem Rest der Gruppe tatsächlich wirksam verhindert werden können. Historische Erfahrungen legen vielmehr nahe, dass Institutsgruppen von Märkten regelmäßig ungeachtet ihrer rechtlichen Binnenstruktur als Einheit betrachtet werden. Bereits die gemeinsame Namenszugehörigkeit genügt in diesen Fällen, um umfassende Kapitalabzüge gegenüber allen gruppenangehörigen Gesellschaften auszulösen.521 Maßnahmen der Spartentrennung dürften deshalb letztlich kaum die gleiche Eignung zur Eingrenzung von Reputationsrisiken aufweisen, wie eine vollständige Untersagung der betreffenden Geschäftsaktivitäten gegenüber der gesamten Institutsgruppe.522 Sinnvolle Alternative zu einer vollständigen und unbefristeten Verbotsverfügung könnte aber eine zeitlich befristete oder in ihrem Umfang beschränkte Untersagung der betreffenden Geschäftsaktivitäten sein. Eine solche Beschränkung würde dem Umstand Rechnung tragen, dass eine vollständige Verbannung stabilitätskritischer Geschäftsaktivitäten im internationalen Finanzsystem unter den Bedingungen des globalen Regulierungswettbewerbs ohnehin nur mit begrenztem Erfolg möglich ist.523 Teilweise Verbote bzw. schrittweise Zulassungen könnten vationshemmung durch staatliche Finanzmarktregulierung Verdoes/Adriaanse/Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 25, 26. 520 Eine solche Abschirmung sehen die §§ 3 Abs. 2, 25f KWG gerade nicht in ausreichendem Maße vor (S. dazu schon soeben, Abschnitt § 5 D. II. 1. b), vor allem Fn. 497). 521 Mit hist. Beispielen Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 211 f. (2013). 522 Funktionales Äquivalent zu solchen Untersagungen sind, wenngleich in pauschalisierender Form, Trennbankenregelungen nach Art des sog. Abspaltungsmodells. Entsprechende Vorgaben sah in den USA etwa der Glass-Steagall Act von 1933 vor. Er untersagte allgemein das parallele Betreiben von Einlagen- und Wertpapiergeschäft innerhalb eines Konzerns. Dazu z. B. Renner/Kowolik, ZVglRWiss 117 (2018), 83, 94 f. 523 Vgl. Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 349; Weck, Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente, S. 1011 f.
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hier eine sinnvolle, weniger eingriffsintensive Alternative sein. Sie eröffnen den Weg zu einer kontinuierlichen Beobachtung der Produkte und Geschäftspraktiken, ohne dabei eine Kontrolle über das mit ihnen verbundene Schadenspotential vollständig aufzugeben. Mit der Zeit könnte so in der (Fach-)Öffentlichkeit ein immer umfassenderes Verständnis über die (Risiko-)Eigenschaften der betreffenden Produkte heranwachsen, dies möglicherweise auch mit dem positiven Nebeneffekt abnehmender Reputationsrisiken.524 3. Koordination abwicklungs- und sanierungsbezogener Ex-ante-Maßnahmen Ausgehend von den vorangehenden Betrachtungen dürfte deutlich geworden sein, dass sich die denkbaren Maßnahmen auch untereinander vielfältig überschneiden, seien sie nun im Einzelfall via § 16 Abs. 4 SAG auf die Herstellung der Sanierungsfähigkeit oder gem. § 59 Abs. 5 SAG auf die Abwicklungsfähigkeit der Institute ausgerichtet. Sie machen einen erheblichen Koordinationsbedarf im Verhältnis zwischen den zuständigen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden erforderlich.525 Diesen Abstimmungsbedarf reflektiert § 16 Abs. 7 Satz 1 SAG, indem er den Erlass unternehmensbezogener Maßnahmen durch die Aufsichtsbehörde von einer vorherigen Abstimmung mit der Abwicklungsbehörde abhängig macht.526
524 Vgl. Avgouleas, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 659, 685 („The best way to test how a new product will perform, and what are the real risks attached to it, is a long period of use by the market.“). S. ähnl. wie hier mit Blick auf Produktverbote nach § 6 Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG auch Thiele, Finanzaufsicht, S. 484; zum Ziel der Gefahrerforschung im Umgang mit Finanzinnovationen auch Weck, Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente, S. 1009 f. Allg. zur begleitenden Risikoforschung aus der Perspektive des Risikoverwaltungsrechts s. Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207, 218. In Teilen sind solche schrittweisen Zulassungen auch bereits im sog. Neu-Produkt-Prozess der MaRisk vorgesehen, vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 8.1 Tz. 4. Dieser Prozess zielt aber primär auf eine interne Erfahrungsbildung ab, vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 8.1 Tz. 7; EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 151. 525 Ebenso Babis, 25 EBLR 459, 479 f. (2014); Binder, Resolution Planning, S. 15; vgl. auch Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.53; Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 289. Näher zu diesem Koordinationsbedarf zwischen Sanierungs- und Abwicklungsplanung aus aufsichtspraktischer Perspektive zuletzt auch EBA, Report on interlinkages between recovery and resolution planning, EBA/Rep/2020/16, 20.5.2020. 526 Eine § 13 Abs. 7 Satz 1 SAG entsprechende Regelung enthält auch § 59 Abs. 7 SAG. Zweifelhaft erscheint allerdings, dass dort auch eine Abstimmung mit dem für Fragen der Makroaufsicht zuständigen ESRB vorgesehen ist, während die Aufsichtsbehörde im Rahmen von § 16 SAG allein die Abwicklungsbehörde konsultieren soll. Die Parallelität der Maßnahmenrichtung lässt eine Einbeziehung des ESRB in beiden Fällen sinnvoll erscheinen. S. ferner §§ 2 Abs. 3 Nr. 37 lit. a, 138 Abs. 2 SAG, wonach auch die Umsetzung von Maßnahmen nach § 16 SAG nochmals der Abwicklungsbehörde zu melden ist.
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Bei dieser Abstimmung ist insbesondere auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass den sanierungs- und abwicklungsbezogenen Ex-ante-Maßnahmen unterschiedliche Zielrichtungen zugrunde liegen:527 Bereits oben wurde deutlich, dass Maßnahmen zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit gem. § 57 Abs. 2 SAG primär auf den Schutz kritischer Funktionen im Zuge der Abwicklung ausgerichtet sind.528 Zwar zielt auch die Sanierungsplanung auf den Schutz kritischer Funktionen.529 In der Sanierungsphase soll dieser Funktionsschutz aber, wie §§ 12 Abs. 1 und 13 Abs. 4 SAG verdeutlichen, nicht bei diesen Funktionen selbst ansetzen, sondern vorrangig über einen nachhaltigen Turnaround des gesamten Unternehmens erreicht werden. Dementsprechend müssen sich auch strukturbezogene Maßnahmen gem. § 16 Abs. 4 SAG vorrangig daran orientieren, nicht allein die einzelnen kritischen Funktionen zu stärken, sondern dem gesamten Unternehmen als sog. Going Concern zu mehr Widerstandsfähigkeit zu verhelfen. Dass diese Abweichung im Einzelfall zu Zielkonflikten führen kann, mag das folgende – vereinfachte – Beispiel illustrieren: Der Abwicklungsplan von Institut A sieht vor, dass seine finanzstabilitätsrelevanten kritischen Funktionen (z. B. Zahlungs- oder Abrechnungsdienstleistungen) im Falle der Insolvenz, je nach Marktlage, auf einen privaten Erwerber (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SAG) oder ein Brückeninstitut (§ 107 Abs. 1 Nr. 1 lit. b SAG) übertragen werden sollen. Um diese Umstrukturierung im Rahmen der Abwicklung zeiteffizient gewährleisten zu können, sollen die kritischen Funktionen bereits präventiv auf eine rechtlich und operativ getrennte Tochtergesellschaft übertragen werden. Zugleich fordert die Abwicklungsbehörde die Institutsgeschäftsleitung auf, diese Tochtergesellschaft mit ausreichendem Kapital auszustatten.530 Diese Kapitalbindung bei den kritischen Funktionen mag zwar deren Interimsfinanzierung bis zum Vollzug einer Übertragung sichern. Im Gegenzug steht das dort gebundene Kapital aber an anderen Stellen der Institutsgruppe nicht zur Verfügung und kann insbesondere im Vorfeld der Abwicklung nicht zur Sanierung des noch laufenden Unternehmens herangezogen werden. Das Beispiel zeigt, dass im Zweifel Prioritäten zwischen einem effektiven Schutz kritischer Funktionen in der Abwicklung und einer Maximierung der Sanierungskapazitäten im Rahmen der vorgelagerten Sanierung zu setzen sind. Die 527 Dies übergeht etwa Binder, wenn er präventive Maßnahmen im Rahmen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung zusammenfassend unter dem Ziel einer der Herstellung der Abwicklungsfähigkeit untersucht, vgl. Binder, Resolution Planning, S. 7, 16. 528 Vgl. auch Cichy, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 39, 45. 529 Deutlich § 13 Abs. 2 Nr. 4 SAG, Art. 10 Nr. 2 del. VO 2016/1075, Art. 12 Abs. 1 und 2 del. VO 2016/1075. 530 Vgl. EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/ 11, 19.12.2014, Rn. 13 lit. f, Punkt 2.
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ohnehin hohen Hürden für eine erfolgreiche Sanierung gerade in systemischen Krisen531 legen insoweit nahe, im Zweifel eher auf Nummer sicher zu gehen. Vorrangig dürfte deshalb für eine ausreichende Finanzierung der kritischen Funktionen gerade auch während der Abwicklungsphase zu votieren sein.532
III. Grenzen der Vorwirkung Die erhebliche Reichweite533 der in § 16 Abs. 4, 5 SAG formulierten Eingriffsbefugnisse wirft naturgemäß auch die Frage auf, welchen Grenzen die Aufsichtsbehörden bei der Intervention in die Unternehmensstruktur und Geschäftstätigkeit der Institute unterliegen. Zu differenzieren ist insoweit zwischen Grenzen, die sich aus den Grundrechten der Institute und ihrer Eigentümer ergeben (dazu 1.), und solchen Grenzen, die sich bereits implizit aus der Zielrichtung bzw. dem Steuerungsansatz des Sanierungsplanungsregimes selbst resultieren (dazu 2.). 1. Grundrechte a) Betroffene Grundrechtspositionen Die unternehmensbezogenen Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden werden in ihrer Reichweite zum einen durch die Grundrechte der Institute und der ihrer Eigentümer begrenzt.534 Sofern nicht im Einzelfall eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Raume steht,535 kommt insoweit vor allem eine Verletzung nationaler und europäischer Wirtschaftsgrundrechte in Betracht.536 Entspre531
S. eingangs zu diesem Kapital, Abschnitt § 5 D. I. Zumindest implizit ebenfalls für einen Vorrang abwicklungsbezogener Vorbereitungsmaßnahmen Babis, 25 EBLR 459, 479 f. (2014). 533 Vgl. auch Binder, ZHR 179 (2015), 83, 132; ders., Resolution Planning, S. 27. Früh krit. dazu Deutsche Kreditwirtschaft, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken, 17.4.2013, S. 6 f. 534 S. ausdrücklich § 16 Abs. 4 a. E. SAG, Art. 6 Abs. 6 UAbs. 2, Abs. 7 UAbs. I BRRD und ErwG 24 BRRD. 535 Unter Verweis auf die weiten Anwendungsspielräume der Aufsichtsbehörden mit Sorgen um die Wettbewerbsgleichheit unter den Unternehmen de Serière, in: Busch/ Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.47 f. Allgemeiner auch schon Trouet, WM 1996, 2188, 2191. 536 Die Anwendungsbereiche von nat. und EU-Grundrechten sind in Umsetzungskonstellationen wie hier umstritten, vgl. zur Diskussion z. B. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GrCh Rn. 8–15. Vorliegend setzt § 16 Abs. 3–6 die Vorgaben des Art. 6 Abs. 6 BRRD – nahezu wortlautgleich – in nat. Recht um (vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 149). Richtigerweise sind deshalb gem. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GrCh zum einen die EU-Grundrechte anwendbar (vgl. EuGH Beschl. v. 7.5.2013 – C–617/10, ECLI:EU:C:2013:105 Rn. 19 – Åkerberg Fransson; Urt. v. 29.1. 2008 – C-275/06, ECLI:EU:C:2008:54 Rn. 68 – Promusicae; ferner Jarass, Charta der Grundrechte, 4. Aufl. 2021, Art. 51 GrCh Rn. 29 f.). Parallel können aber gem. Art. 53 GrCh auch nat. Grundrechte zur Anwendung kommen, wenn das europäische Recht den 532
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chend sind die Maßnahmen einerseits am Maßstab der Berufs- bzw. Unternehmerfreiheit (Art. 12 GG, Art. 15 f. GrCh) zu prüfen, andererseits aber auch am Maßstab der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG, Art. 17 GrCh, Art.1 ZP I EMRK). Mit Blick auf eine etwaige Beeinträchtigung der Eigentumsgrundrechte sind aber bereits auf Schutzbereichsebene Einschränkungen zu beachten: Zwar schützen sowohl die europäische als auch die deutsche Eigentumsfreiheit im Grundsatz auch das Anteilseigentum der Aktionäre als privates Vermögensrecht.537 Dieser Schutz erstreckt sich jedoch nur auf die rechtliche Dimension des Anteilseigentums, also die mit ihm verknüpften Mitgliedschaftsrechte und vermögensrechtlichen Ansprüche in ihrer rechtlichen Existenz per se. Nicht erfasst ist aber der Vermögenswert der Aktie und die ihm zugrundeliegenden, die Verkehrsfähigkeit steigernden wertbildenden Faktoren in tatsächlicher Hinsicht.538 Entsprechend können die Institutsaktionäre etwaigen aufsichtsbehördlichen Maßnahmen gem. § 16 Abs. 4 SAG auf Grundlage der Eigentumsgarantie nicht entgegenhalten, diese Eingriffe würden – etwa, wenn sie auf einen Risikoabbau abzielen und damit auch Gewinnaussichten begrenzen – im Ergebnis zu einer Schmälerung des
nationalen Stellen bei der Anwendung des Unionsrechts Spielräume belässt (sog. Doppelbindung, vgl. nochmals Jarass, a. a. O., Art. 53 GrCh Rn. 15; m.w. N. auch Kingreen, a. a. O., Art. 51 GrCh Rn. 10, 12). Einen solchen Spielraum begründet richtigerweise auch die sekundärrechtliche Einräumung von Ermessen bzw. Beurteilungsspielräumen (vgl. Jarass, NVwZ 2012, 457, 460; ebenso auch noch Borowski, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte, 4. Aufl. 2014, Art. 53 GrCh Rn. 14a, jeweils m.w. N.). Da Art. 6 Abs. 6 UAbs. 2, 3 BRRD die Anordnung von Eingriffsmaßnahmen ausdrücklich in das Ermessen der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden stellt („kann“) und zudem auch ein tatbestandlicher Beurteilungsspielraum besteht (s. o., Abschnitt § 5 B. III. 3.), finden dementsprechend neben den EU-Grundrechten auch deutsche Grundrechte Anwendung. I. E. zweifelhaft deshalb BT-Drs. 18/2575, S. 149, wo allein Art. 12, 14 GG als Prüfungsmaßstab benannt werden. Ohne nähere Auseinandersetzung ebenso Weber/Brechfeld, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 16 SAG Rn. 18; Dachs, Reform der Bankenrestrukturierung, S. 202 ff. 537 Zu Art. 14 GG s. in st. Rspr. BVerfGE 14, 263, 276 f., 278; 100, 289, 301 f.; BVerfG NJW 2007, 3268, 3269; ferner z. B. Schmidt-Aßmann, in: FS Badura, S. 1009; Suhr, Eigentumsinstitut und Aktieneigentum. Ebenso auch auf EU-Ebene, vgl. Frenz, Hdb. Europarecht – Band 4, Rn. 2826 ff., 2830; Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 17 GrCh Rn. 6. 538 Zu Art. 14 GG s. BVerfGE 132, 99, 119 Rn. 53, 121 Rn. 57, 122 Rn. 60; Papier/ Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 14 Rn. 310; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ders./Henneke (Hrsg.), GG-Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 15; Becker, in: Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 63. Zu Art. 17 GrCh ähnl. EuGH Urt. v. 9.9.2008 – C-120/06, ECLI:EU:C: 2008:476 Rn. 185 – FIAMM u. a./Rat und Kommission; Urt. v. 22.1.2013 – C-283/11, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 34 – Sky Österreich; Urt. v. 3.9.2015 – C-398/13 P, ECLI:EU: C:2015:535 Rn. 60 – Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission. S. auch z. B. Jarass, Charta der Grundrechte, 4. Aufl. 2021, Art. 17 GrCh Rn. 20 f. Zum Eigentumsschutz unter Art. 1 ZP I EMRK s. Cremer, in: Dörr/Grote/Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG Konkordanzkommentar, Band 2, 2. Aufl. 2013, Kap. 22 Rn. 36 sowie Kriebaum, in: Pabel/ Schmahl (Hrsg.), IntKommEMRK, 28. Lfg. (Stand: 10/2020), Art. 1 EMRK/1. ZP Rn. 50 ff.
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Werts ihrer Aktien oder zu einer sinkenden Eigenkapitalrentabilität der Institute (mit der Folge geringerer Dividendenzahlungen) führen.539 b) Verhältnismäßigkeit Lassen sich im Einzelfall eine Schutzbereichsbeeinträchtigung und ein Eingriff bejahen,540 steht im Folgenden die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahme im Mittelpunkt (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 GrCh).541 aa) Erforderlichkeit Verallgemeinerbare Anhaltspunkte liefern insoweit § 16 Abs. 6 SAG und die diesbezüglichen Ausführungen in der deutschen Regierungsbegründung zum BRRDUmsG: § 16 Abs. 6 Nr. 1 SAG hebt hervor, dass Eingriffsmaßnahmen unter anderem dann erforderlich sind, wenn sich die festgestellten Sanierungshindernisse im unmittelbaren Vorfeld einer drohenden Belastungssituation nicht mehr rechtzeitig beheben lassen und der Eintritt in einen Krisenfall deshalb zugleich die Gefahr einer Bestandsgefährdung542 begründen würde. Die deutsche Regierungsbegründung zum BRRDUmsG hebt mit Blick auf die Erforderlichkeitsprüfung zudem hervor, die Behörden hätten als Alternativmaßnahme insbesondere zu prüfen, ob nicht eine Erhöhung der Eigenmittelanforderungen gem. § 10 Abs. 1b KWG als milderes Mittel in Betracht käme.543 Tatsächlich erscheint jedoch schon fraglich, inwieweit erhöhte Eigenkapitalvorgaben überhaupt gleichermaßen zur Verwirklichung des gesetzlichen Regelungszwecks geeignet sind.544 Die Rechtspflicht zur Sanierungsplanung verfolgt (ebenso wie die ihr beigeordneten behördlichen Eingriffsbefugnisse) das Ziel, in idiosynkratischen und systemweiten Belastungsphasen Beeinträchtigungen der Finanzstabilität zu verhin-
539 Ein diesbezüglicher Schutzreflex ergibt sich aber aus den Zielen des Sanierungsplanungsrechts selbst. S. dazu sogleich im nachfolgenden Textabschnitt. 540 Bei den Maßnahmen gem. § 16 SAG dürfte es sich um eine subjektive Berufswahlregelung im Sinne der sog. Drei-Stufen-Theorie des BVerfG handeln, da § 33 Abs. 1 Nr. 7 KWG die Erfüllung organisatorischer Anforderungen an den ordnungsmäßigen Geschäftsbetrieb zur Zulassungsvoraussetzung erhebt, vgl. auch Burgi, in: Lange/ Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 4 A. Rn. 37 (dort mit Blick auf § 25a KWG). Hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 GG wird dagegen eine Inhalts- und Schrankenbestimmung anzunehmen sein, vgl. ebenso mit Blick auf Abwicklungsmaßnahmen schon BT-Drs. 17/ 3024, S. 62 sowie Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 52; Müller-Eising/Brandi/Sinhart et al., BB 2011, 66, 68. 541 Vgl. die besondere Betonung in § 16 Abs. 4 a. E. SAG. 542 Zum Begriff der Bestandsgefährdung als Voraussetzung für die Abwicklung eines Instituts s. §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 SAG. 543 Vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 149 f.; ebenso auch schon BT-Drs. 17/12601, S. 37. 544 Krit. auch Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 9.
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dern, die aus einem unkontrollierten Ausfall von Instituten und den von ihnen betriebenen kritischen Funktionen resultieren.545 Zwar verfolgt grundsätzlich auch die Eigenmittelregulierung dieses Finanzstabilitätsziel. Wie später noch deutlicher zu sehen sein wird,546 stehen das Eigenmittel- und das Sanierungsplanungsregime zur Verwirklichung dieses Ziels aber in einem funktionalen Ergänzungsverhältnis. Aufgabe der Eigenmittel ist es, die (primäre) Verlustabsorptionsfähigkeit des Instituts sicherzustellen, mit anderen Worten also zu gewährleisten, dass ein Ausfall von Forderungen nicht sofort zur Überschuldung des Instituts und damit zu dessen Insolvenz führt. Demgegenüber unterstützt die Sanierungsplanung die Regenerationsfähigkeit des Instituts. Vermittelt über die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen zielt der Sanierungsplan auf eine vollständige Rückkehr zum finanziellen Status quo ante. Dazu gehört unter anderem auch eine Wiederherstellung der aufsichtlich geforderten Eigenmittel, die dann, nach Abschluss der Sanierung, wiederum zur Absorption etwaiger neuer Verluste bereitstehen. Beide Regelungskomplexe dienen damit zwar in übergeordneter Hinsicht dem institutsbezogenen Stabilitätsziel, tragen zu diesem Ziel aber mithilfe unterschiedlicher, einander ergänzender Mechanismen bei. Folge dieses Komplementärverhältnisses dürfte es sein, dass Mängel des einen Instruments regelmäßig nicht ohne Weiteres durch „Mehrleistungen“ des anderen Instruments ausgeglichen werden können.547 bb) Angemessenheit Ferner stellt die Regierungsbegründung fest, Maßnahmen nach § 16 Abs. 4 SAG seien grundsätzlich nur auf „potentiell systemrelevante Institute“ anwendbar.548 Anknüpfungspunkt für diese Aussage ist offenbar § 16 Abs. 6 Nr. 2 SAG, der die Angemessenheitsprüfung für Maßnahmen nach Abs. 4 konkretisiert. Aufsichtsbehördliche Maßnahmen sind danach insbesondere dann verhältnismäßig (im engeren Sinne), wenn die verbundenen Belastungen in einem angemessenen Verhältnis „zu der von einer Bestandsgefährdung ausgehenden Systemgefähr-
545 S. nur ErwG 1, 6, 24 BRRD; BT-Drs. 18/2575, S. 149; ferner auch schon oben, Abschnitt § 3 A. III. 546 S. u., Abschnitt § 6 A. II. 2. a). 547 Einzelfälle sind gleichwohl denkbar: So könnte eine Erhöhung der Eigenmittel die Regenerationsfähigkeit des Instituts z. B. mittelbar dadurch erhöhen, dass es den Instituten mehr Zeit für eine Umsetzung ihrer Sanierungsmaßnahmen verschafft. Diese Zeit könnte etwa genutzt werden, um besonders angespannte, panikgeprägte Marktsituationen zu überwinden. Auch die EBA scheint jedoch davon auszugehen, dass die Bewertung der Sanierungspläne per se keine Erhöhung der Eigenmittelanforderungen zur Folge haben sollte, sondern allenfalls mittelbar über den SREP-Prozess zu bewirken ist, vgl. EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, S. 124. Zur Verknüpfung beider Verfahren noch genauer unten, Abschnitt § 6 A. II. 3. b). 548 BT-Drs. 18/2575, S. 150.
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dung“ stehen. Die Vorschrift beruht auf einer Vorgängerregelung in § 47b Abs. 4 Satz 2 KWG a. F.,549 kennt aber keine entsprechende Vorgabe in der BRRD. Zwar betont auch ErwG 24 BRRD, der übergeordnete Zweck der sanierungsbezogenen Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden liege in der Gewährleistung der Finanzstabilität. Weder die Erwägungsgründe noch die Vorschriften zur Planbewertung in der BRRD verlangen für die Anordnung von Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 6 UAbs. 2 BRRD (§ 16 Abs. 4 SAG) aber, dass die Finanzstabilität unmittelbar durch die Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts gefährdet sein muss. Im Gegenteil, Art. 6 Abs. 2 lit. b BRRD (und ihm folgend auch § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG) macht selbst deutlich, dass systemdestabilisierende Externalitäten auch von der Art und Weise der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ausgehen können.550 Ebenso darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Sanierungspläne gerade auch dann erfolgreich umsetzbar sein sollen, wenn sich in einer systemweiten Krise eine Vielzahl von Unternehmen im Sanierungsmodus befindet.551 In solchen Konstellationen sind auch Kumulations- und Wechselwirkungseffekte in Rechnung zu stellen, die eine Systemgefährdung erst dadurch auslösen, dass mehrere kleinere, für sich betrachtet nicht systemrelevante Institute gleichzeitig in eine Bestandsgefährdung abgleiten. Im Ergebnis müssen Maßnahmen gem. § 16 Abs. 4 SAG deshalb im Zweifelsfall auch gegenüber kleineren oder sonst weniger bedeutenden Instituten angeordnet werden können. Die Regelung in § 16 Abs. 6 Nr. 2 SAG wird man nach alledem nur als beispielhafte, nicht abschließende Anregung zu verstehen haben. Die weitergehenden Aussagen in den Gesetzesmaterialien überzeugen nicht.552 Im Übrigen verlangt die Angemessenheitsprüfung nach einer umfassenden Kosten-Nutzen-Abwägung aller den Eingriff stützenden und entgegenstehenden Rechtsgüter und Interessen.553 Dabei sind im hiesigen Kontext folgende Besonderheiten zu berücksichtigen: Erstens ist auch hier in Rechnung zu stellen, dass 549 Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392 merken zudem richtig an, dass § 16 Abs. 6 Nr. 2 SAG Übereinstimmungen mit § 67 Abs. 1 Nr. 1 SAG a. F. aufweist. Auch dieser sah ursprünglich als eines von mehreren Abwicklungszielen die Abwendung einer von einer Bestandsgefährdung ausgehenden Systemgefährdung vor. Dieser Konnex wurde in Übereinstimmung mit den Vorgaben in Art. 31 Abs. 2 BRRD mittlerweile mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG) vom 2.11.2015, BGBl. I (2015), S. 1864, in § 67 Abs. 1 SAG n. F. aufgegeben. 550 Das vielfach angeführte Beispiel für eine solche Konstellation wäre die Durchführung sog. Fire Sales von Vermögenswerten, die eine Destabilisierung der betreffenden Märkte mit Folgewirkungen auch für andere Marktteilnehmer zur Folge hätte (s. schon oben, Abschnitt § 2 A. III. 2. a)). 551 S. wiederum deutlich § 13 Abs. 4 Nr. 2 Hs. 2 SAG (Art. 6 Abs. 2 lit. b Hs. 2 BRRD). 552 Tendenziell krit. i. E. auch Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 553 Vgl. EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/ 11, 19.12.2014, Rn. 5(c) (dort zu § 59 SAG, der abwicklungsbezogenen Parallelnorm zu § 16 SAG).
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die Entscheidung über Maßnahmen gem. § 16 Abs. 4 SAG eine zukunftsbezogene Risikoentscheidung ist. Unter derartigen Unsicherheitsbedingungen soll die Rechtsgüterabwägung eine Modifikation in Richtung eines Vergleichs der Irrtumskosten aller in Betracht kommenden Handlungsalternativen erfahren,554 bei der die Aufsichtsbehörde in besonderem Maße frei ist.555 Zweitens sind bei Angemessenheitsprüfung auch die mittelbaren Eingriffsfolgen zu berücksichtigen, die über die Wirkung auf die Institute hinausgehen.556 In die Abwägung einzubeziehen ist insbesondere der Umstand, dass das volkswirtschaftliche Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ebenfalls primärrechtlich fundierte Interessen sind (Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV). Weitreichende Eingriffsmaßnahmen mit dem Zweck der Risikobegrenzung müssen deshalb auch in Rechnung stellen, welche volkswirtschaftlichen Folgekosten sich, etwa in Form einer geringeren Kreditvergabe, aus ihnen ergeben.557 Jedoch stellt Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 2 EUV die Ziele der Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit selbst in einen erweiterten Kontext und verdeutlicht, dass beide Ziele nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitig gewährleisteten Nachhaltigkeit und Ausgewogenheit des Wachstums angestrebt werden sollen. Für beide diese Gesichtspunkte ist die Finanzstabilität und die Abwehr gravierender Finanzkrisen eine zentrale Voraussetzung.558 Ohne die jeweils einzelfallbezogene Prüfung vorwegnehmen zu können, zeichnet sich damit ab, dass sich das Interesse an der Finanzstabilität – sind die Hürden der Geeignetheit und Erforderlichkeit erst einmal genommen – als gesamtwirt-
554 Scherzberg, VVDStRL 63 (2004), 214, 250; Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, S. 362. Zur Bedeutung einer reflexiven Planung zur Vergegenwärtigung von Irrtumskosten s. schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. 555 Vgl. Scherzberg, a.a.O, S. 250, 257 („politisch-gestaltender Charakter“ der Wertungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung). S. auch Wahl/Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge, S. 138 f.; Appel/Mielke, Strategien der Risikoregulierung, S. 109 ff.; ferner Pitschas, in: GVwR II, § 42 Rn. 195 (bloße Willkürvermeidung als Ziel der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Unsicherheitsbedingungen). Gerade der EuGH neigt im Wirtschaftsverwaltungsrecht ohnehin, vor allem dann, wenn nur Wirtschaftsgrundrechte betroffen sind, zu einer geringeren Dichte der Verhältnismäßigkeitsprüfung, vgl. Calliess, in: ders./Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 17 GrCh Rn. 33 f.; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 178 ff. Zu behördlichen Beurteilungsspielräumen im Rahmen der Sanierungsplanung auch schon oben, Abschnitt § 5 B. III. 3. 556 S. allg. zur Berücksichtigung mittelbarer Eingriffsfolgen Merten, in: Hdb. Grundrechte III, § 68 Rn. 72. 557 Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 28 (dort mit Blick auf die abwicklungsbezogenen Eingriffsbefugnisse, letztlich aber übertragbar). S. auch Binder, Resolution Planning, S. 23. 558 Deutlich insoweit auch ErwG 2, 3 BRRD. Ebenso zentral ist die Finanzstabilität auch für eine Begrenzung der Staatsverschuldung, die in Art. 126 Abs. 1 AEUV ebenfalls als Entwicklungsziel für die Mitgliedsstaaten ausgewiesen ist. S. zu diesem Zusammenhang etwa Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2012/2013, S. 62 ff.
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schaftlich fundamentales Gemeinschaftsgut559 regelmäßig gegenüber den kollidierenden Verfassungsgütern durchsetzen wird.560 Dies gilt auch für gravierende Eingriffe in die Geschäftstätigkeit der Institute. Diese dürften vor allem dann umso eher möglich sein, je mehr systemische Risiken vom Ausfall der Institute bzw. der von ihnen beabsichtigten Art und Weise der Sanierung ausgehen.561 Ebenso sind sie dann umso eher zulässig, je mehr sich das betreffende Institut in seiner Geschäftstätigkeit von der Realwirtschaft entfernt hat und spekulative Zwecke verfolgt.562 2. Immanente Begrenzung durch das Sanierungsziel Behördliche Maßnahmen gem. § 16 SAG dürften deshalb in der Praxis eher selten auf unmittelbar grundrechtlich fundierte Hürden stoßen. Deutlich relevanter sind dagegen die immanenten Grenzen, die sich schon aus der Zielrichtung des Sanierungsplanungsregimes selbst ableiten lassen. Begrenzt werden die aufsichtsbehördlichen Befugnisse einerseits dadurch, dass § 16 Abs. 4 SAG Maßnahmen bereits seinem Wortlaut nach nur gegenüber „Instituten“ zulässt. An sich selbstverständlich, dürfen staatliche Interventionen deshalb nicht so weit reichen, dass sie den Unternehmen ihren Charakter als CRR-Kreditinstitute oder -Wertpapierunternehmen nehmen. Für CRR-Kreditinstitute563 ge559 S. auch BVerfG Beschl. v. 16.9.2009 – 2 BvR 852/07 Rn. 24 (zit. nach juris) (= BVerfGE 124, 235), das zu Recht die „volkswirtschaftlich zentrale Stellung“ eines stabilen Finanzmarktes hervorhebt. Wenig einleuchtend machen Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 9 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorgängernorm in § 47b Abs. 3 KWG a. F. geltend. Die vom Gesetzgeber angeführte Erwägung, ein systemrelevantes, sanierungsunfähiges Institut berge potentielle Risiken für die Gesamtfinanzstabilität, wollen die Autoren nicht gelten lassen. Ein genereller Verweis auf „theoretische ,erhebliche Risiken‘ “ könne nicht ausreichen, „um das Grundgesetz an entscheidenden Stellen auszuhebeln“. Ähnl. Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 59 SAG Rn. 22, 27, 29 f. A. A. offenbar aber Dachs, Reform der Bankenrestrukturierung, S. 203, 206 f.; Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 231; Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 5. 560 Das BVerfG fordert zur Rechtfertigung von Eingriffen mittlerer Intensität in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (subjektive Berufswahlregelung, zweite Stufe der sog. Drei-Stufen-Theorie) lediglich den „Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes“ (st. Rspr. seit BVerfGE 7, 377, 406 f.; s. m.w. N. etwa Ruffert, in: BeckOK GG, 47. Ed. (Stand: 15.5.2021), Art. 12 Rn. 97 f.). 561 S. allg. zum tendenziellen Vorrang gesamtgesellschaftlicher Regulierungsinteressen gegenüber den subjektiven Interessen einzelner Marktteilnehmer, dies gerade bei der Erbringung systemrelevanter Leistungen, Lepsius, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 19 Rn. 3 f., 50, 53; ferner auch ders., a. a. O., § 4 Rn. 51, 55 f., 61, 84 f. sowie Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 54. 562 Mit diesen Relevanzkriterien für aufsichtsrechtliche Eingriffe in Finanzinstitute allg. schon Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 146 f. 563 Zum Begriff s. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG i.V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR.
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hört dazu mindestens ihre Tätigkeit als Finanzintermediäre, d.h. die gleichzeitige Entgegennahme von (Publikums-)Einlagen und die Vergabe von Krediten, einschließlich der damit wesensmäßig verbundenen Risiken.564 Eine weitere Begrenzung ergibt sich zudem aus der gesetzlichen Gesamtkonzeption des Sanierungsregimes. Die Sanierungsplanung ist, wie §§ 12 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 4 SAG mittelbar zum Ausdruck bringen, als Instrument für die Vorphase der Abwicklung auf eine privatautonome und marktbasierte Sanierung des Instituts ausgerichtet. Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen hängt die nachhaltige Gesundung eines Unternehmens davon ab, dass dieses auch nach Überwindung der unmittelbaren Krisenphase noch in der Lage ist, sich in einem von Wettbewerbsbedingungen geprägten Marktumfeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu bewähren. Voraussetzung ist dafür insbesondere die Fähigkeit des Unternehmens zur langfristigen Erwirtschaftung einer konkurrenzfähigen Rendite.565 Nur wenn absehbar ist, dass das betreffende Institut langfristig gewinnerwirtschaftend wird operieren können, werden potentielle Kapitalgeber geneigt sein, dem Institut das zur Sanierung und zur Fortführung des regulären Geschäftsbetriebs erforderliche Fremd- oder Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Bei Lichte betrachtet stehen damit sämtliche Vorwirkungsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden vor einem internen Zielkonflikt: Eingriffe in die Struktur oder Geschäftstätigkeit sind ungeachtet ihrer potentiell positiven Effekte in der Hochphase des Krisenmanagements im Ergebnis nur solange unbedenklich, wie die mit ihnen verbundenen Mehrkosten (z. B. in Form abnehmender Skaleneffekte) oder geminderten Ertragschancen (insbesondere infolge eines Risikoabbaus) die langfristige Prosperität des Unternehmens nicht beeinträchtigen.566 Andersfalls stünde das Risiko (zweiter Ordnung567) im Raum, dass mit der Anordnung der fraglichen Maßnahme gleichsam ein neues Hindernis auf dem Weg hin zum Ziel einer nachhaltigen Sanierungsfähigkeit des Instituts geschaffen wird.568 564 S. zu den typischen Risiken der Finanzintermediation schon oben, Abschnitt § 2 A. II. Vgl. auch Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 16. 565 Vgl. IDW, IDW S 6 (05/2018), Rn. 18 f., 26. (abgedruckt bei Zabel, Beilage ZIP 44/2018, 3). 566 In diese Richtung schon früh aus rechtspolitischer Perspektive auch Douglas/ Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 14 f. (S. 15: „A more nuanced view of managing for failure, however, would recognize that limiting the systemic impact of the failure of a financial institution requires that supervisors seek to also maximize value for creditors and other stakeholders in the event of a failure. Failing to do so may give creditors and counterparties a powerful incentive to flee from firms at the first sign of weakness, which would be further destabilizing in a market crisis situation.“). 567 S. o., Abschnitt § 5 B. III. 3. a). 568 „Prüfungstechnisch“ ließe sich dieses Problem auch in die gewohnte Verhältnismäßigkeitsprüfung einbetten. Schließlich ist bereits die Geeignetheit einer Maßnahme beeinträchtigt, wenn diese derart umfassende unerwünschte Nebenwirkungen entfaltet, dass die Erreichung des mit ihr verknüpften Regelungsziels (hier: Ausräumung von Sanierungshindernissen und dadurch – mittelbar – Schutz der Finanzstabilität) grundsätz-
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IV. Rechtspflicht der Institute zur Prüfung von Vorwirkungsmaßnahmen Die vorangehenden Betrachtungen haben gezeigt, dass die gesetzliche Eingriffsermächtigung in § 16 Abs. 4–6 SAG ein in weiten Teilen nur rahmenförmig konturiertes Steuerungsangebot macht. Diese Rücknahme der gesetzlichen Steuerungsdichte hat den Vorteil, einen individualisierten Zugriff auf die planungspflichtigen Institute zu ermöglichen. In der Tat war dies gerade explizites Ziel des BRRD-Gesetzgebers: An die Stelle einer pauschalen und flächendeckenden Strukturreform qua Gesetz sollte eine situativ bedarfsgerechte Eingriffsentscheidung treten, die auf Grundlage einer individuellen Bewertung der Sanierungsund Abwicklungsfähigkeit der Institute getroffen wird und unnötige Regulierungskosten möglichst vermeidet.569 Folge dieses Steuerungsmodus ist jedoch auch, dass die Erreichung des angestrebten Regulierungserfolges weitgehend vom tatsächlichen Verwaltungshandeln der Aufsichtsbehörden abhängt. Dies ist, wie nachfolgend zu sehen sein wird, nicht unproblematisch. Die hohe Entscheidungskomplexität und die einhergehende Verlagerung der politischen Verantwortungslast von der Normsetzung zur Normanwendung lassen Zweifel daran aufkommen, ob die Aufsichtsbehörden tatsächlich wie objektiv geboten von ihren Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen (dazu 1.). Aufgeworfen ist damit die Frage, welche Lösungsmechanismen sich innerhalb des Rechtsrahmens identifizieren lassen, um eine möglichst sachgerechte Handhabung der Eingriffsbefugnisse zu gewährleisten (dazu 2.) 1. Problem: Komplexität der Bewertungsfragen und Gefahr übermäßiger behördlicher Zurückhaltung Die via § 16 Abs. 4–6 SAG verwirklichte Grundentscheidung, anstelle flächendeckender Bankenstrukturreformen – etwa in Form von allgemeinen Größenoder Komplexitätsbeschränkungen570 – eine individuell passgenaue Intervention in die Unternehmen vorzunehmen, mag im Interesse eines möglichst minimalinvasiven Markteingriffs im Grundsatz einleuchten. Probleme für die praktische Rechtsanwendung ergeben sich aber daraus, dass die Eingriffsermächtigungen jenseits der in ihrer Konkretisierungswirkung begrenzten Regelbeispiele kaum lich in Frage gestellt wird, vgl. BVerfGE 83, 1, 18; s. auch Merten, in: Hdb. Grundrechte III, § 68 Rn. 65. 569 S. Kommission, SWD (2012) 166 final, S. 27 ff. S. allg. zur Individualisierung der aufsichtsrechtlichen Steuerung als Merkmal des heutigen europäischen Bankenaufsichtsrechts Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 358; stärker nach einzelnen Aufsichtsbereichen differenzierend Binder, EBOR 16 (2015), 467. 570 Mit dem Vorschlag allg. Größenbeschränkungen in verschiedenen Formen z. B. Fanto, 35 Brook. J. Int’l L. 635, 658 ff. (2010); Körnert, ZHR 176 (2012), 96, 123 ff. Für ein generelles Verbot „komplexer Weiterverbriefungen“ z. B. Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F55.
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Anhaltspunkte für die Prüfung des Maßnahmenbedarfs sowie für die inhaltliche Konturierung etwaiger Eingriffsmaßnahmen bieten. Dies führt nicht nur zu einer erhöhten Komplexität der behördlichen Eingriffsentscheidung, sondern, gerade weil die Normen materiell-inhaltlich entkernt sind und die Aufsichtsbehörden nahezu alle Kriterien „richtigen“ Entscheidens erst in der Praxis selbst entwickeln müssen,571 auch zu einer enorm gesteigerten Politisierung des Behördenhandelns.572 Mit Blick auf das Handeln der Aufsichtsbehörden sind derart geöffnete Normkomplexe tendenziell bedenklich, weil sie die begrenzten Kapazitäten der Verwaltung zur Verarbeitung von Entscheidungskomplexität und (politischer) Verantwortung herausfordern.573 Aufschlussreich ist insoweit wiederum die einschlägige Organisationsforschung: Sie legt nahe, dass Verwaltungsbehörden, wie alle organisierten Entscheidungssysteme, über eine begrenzte Problemverarbeitungskapazität verfügen. Auf überkomplexe Entscheidungssachverhalte reagieren sie mit Ausweichstrategien.574 Dazu gehört etwa die verbreitete Neigung, unsicherheitsgenerierende Informationen zu vernachlässigen und rechtlich nicht vorgesehene Vereinfachungen des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes herbeizuführen. Ebenso ist zu beobachten, dass organisationsintern eigene Entscheidungsregeln entwickelt werden, die die gesetzlich an sich vorgegebene Berücksichtigung und Wägung aller denkbaren Entscheidungsalternativen verdrängen. Das Entscheidungsproblem wird letztlich so „zurechtgekürzt“, dass es im Rahmen bekannter Schemata und Routinen handhabbar wird. An die Stelle einer optimalen Problemlösung rückt die bloß befriedigende Problemlösung.575 Ganz ähnlich ist auch auf individueller Ebene feststellbar, dass Personen auf komplexe Problemstellungen regelmäßig mit einer sog. Status-Quo-Bias reagieren, d.h. auf bereits getroffene Entscheidungen rekurrieren oder schlicht nichts tun.576 Zwar haben derartige Formen des Entscheidungspragmatismus auch Vorteile, zumal sie die individuelle Verantwortungslast der Entscheidungsträger minimie571 S. mit Blick auf § 25a KWG und MaRisk auch Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 348; allgemeiner Voß, Unternehmenswissen, S. 178 f. 572 Vgl. Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 35 f.; Grimm, Zukunft der Verfassung, S. 173 (Verwaltung als „politisch entscheidende Instanz“) und Lepsius, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 19 Rn. 70 (Verf. spricht mit Blick auf solche Regelungsstrukturen von einer „Flucht [des Gesetzgebers] vor der politischen Verantwortung“). 573 Ähnl. mit Blick auf die Entscheidungsspielräume der Verwaltung bei der Anerkennung von internen Risikomessverfahren (sog. IRB-Ansätze) im Eigenmittelregime Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 286; allg. auch Trouet, WM 1996, 2188, 2191; Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 60 (Gefahr einer „effektivitätsmindernden Komplexität“). 574 Mit ähnl. Sorge im Ansatz auch Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.07. 575 S. näher March/Simon, Organisation und Individuum, S. 129 ff. 576 S. dazu Samuelson/Zeckhauser, 1 J. Risk Uncertain. 7 (1988); zsf. zu beiden vorgenannten Arbeiten und zu weiteren Forschungsergebnissen auch Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 36 f.
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ren und häufig auch zu praktikablen Lösungen in der Sache führen können.577 Gerade im hiesigen Zusammenhang werden aber auch die mit einer solchen Strategie verbundenen Nachteile deutlich: Ohne weitere Kontrollmechanismen birgt die Offenheit der Tatbestände die Gefahr, im europäischen Aufsichtsverbund eine uneinheitliche Aufsichtspraxis der nationalen Behörden zu befördern,578 die die BRRD ursprünglich unbedingt verhindern wollte.579 Zudem macht die reduzierte gesetzliche Steuerungsdichte auch empfänglich für behördliche Entscheidungsvereinfachungen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind und den Zielsetzungen des Sanierungsplanungsinstruments zuwiderlaufen. Schließlich wirken im Bereich der Finanzmarktaufsicht bisweilen starke politische Beharrungskräfte, die eine allzu aktive behördliche Interventionspraxis gegenüber der Kreditwirtschaft zu bremsen versuchen, dies häufig unter Berufung auf drohende Wettbewerbsnachteile und das Folgerisiko eines geringen Wirtschaftswachstums.580 Eine Möglichkeit diesem Risiko einer unsachgemäßen behördlichen Zurückhaltung (sog. Regulatory Forbearance581) entgegenzuwirken könnte auch hier in einer öffentlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns durch eine verstärkte Transparenz des Planungsverfahrens bestehen.582 Wiederum wird dieser Kontrolle aber durch die in §§ 4 ff., 21 SAG angeordnete Vertraulichkeit der Sanierungsplanung ein Riegel vorgeschoben.583 Der BRRD-Gesetzgeber scheint stattdessen vorrangig auf die in den Behörden gebündelte Fachkompetenz zu vertrauen.584 Ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist, wird endgültig erst eine unabhängige empirische Untersuchung zeigen, die allerdings kaum vor einer neuerlichen Krise zu erwarten ist. In jedem Fall sinnvoll dürften aber weitere Kompensationsmechanismen sein. In Betracht kommen hier vor allem weitere Leitlinien 577 Vgl. Seibel, Verwaltung verstehen, 2. Aufl. 2017, S. 145 ff. S. aber auch Hiller, in: Bora (Hrsg.), Rechtliches Risikomanagement, S. 29, 37 f., die tendenziell für eine Rückkehr zu regelförmigen Normprogrammen plädiert, weil diese i. E. eine höhere Problemverarbeitungskapazität ermöglichen würden. Offen für einen Abbau komplexer Regulierungsregime und für pauschalere Verbotstatbestände gerade im Bereich der Finanzmarktaufsicht auch Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F55, F60 f.; ähnl. Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 3. 578 Vgl. ähnl. de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.47 f. S. mit Blick auf die abwicklungsbezogenen Befugnisse in § 59 SAG (Art. 17 BRRD) auch EBA, Consultation Paper – Draft Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability, EBA/CP/ 2014/15, 9.7.2014, S. 21. 579 Vgl. ErwG 4, 9 BRRD. 580 S. schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 581 Dazu allgemein Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 563 ff.; s. ausf. auch Pflock, Europäische Bankenregulierung, S. 151 ff. 582 S. auch oben, Abschnitt § 5 B. . 583 Für eine etwaige Alternativlösung de lege ferenda s. u., Abschnitt § 7 A. II. 2. a). 584 Vgl. ErwG 89 und Art. 3 Abs. 8, 9 BRRD. S. aber auch Art. 20 f. SSM-VO, die EZB und nationale Aufsichtsbehörden mit parlamentarischen Rechenschaftspflichten belegen.
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der EBA,585 die die abstrakten Regelungen in § 16 Abs. 4–6 SAG ergänzen und die Aufsichtspraxis EU-weit einheitlich, transparent und flexibel anleiten. Entsprechende Leitlinien existieren bis dato nur für die abwicklungsbezogenen Parallelnormen in §§ 59 f. SAG.586 2. Lösung: Ganzheitlicher Planungsdiskurs durch umfassende Rechtspflicht der Institute zur Prüfung unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen Aber auch bereits de lege lata bieten die einschlägigen Vorschriften des Sanierungsplanungsrechts ausreichend Raum, um mithilfe prozeduraler Korrekturen587 den beschriebenen Problempotentialen entgegenzuwirken. Denkbar ist namentlich eine alternative Gestaltung des Planungsverfahrens, welche darauf hinwirkt, dass die Institute schon in der Frühphase der Planung, parallel zur Entwicklung des Sanierungsplanes, eigenständig und umfassend den Bedarf unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit prüfen. Den normativen Anknüpfungspunkt bietet insoweit die Pflicht der Institute zur Prüfung sog. vorbereitender Maßnahmen in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075.588 a) Auslegungspraxis der EBA Nachvollziehbar wird der hiesige Vorschlag vor dem Hintergrund der Auslegungspraxis, welche die EBA für die genannten Vorschriften formuliert hat.589 Sie geht davon aus, dass die Institute in der Initialphase des Planungsverfahrens gem. § 12 Abs. 1 SAG grundsätzlich nur zur Entwicklung des Planentwurfs verpflichtet sind. Zwar berücksichtigt die EBA auch die institutsseitige Pflicht zur Prüfung sog. vorbereitender Maßnahmen in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075. Insoweit legt sie aber ein Verständnis zugrunde, das ungleich stärker auf die operationelle Umsetzbarkeit der einzelnen Sanierungsmaßnahmen bezogen ist. Deutlich machen dies ihre Best-Practice-Vorschläge zur praktischen
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Vgl. Voß, Unternehmenswissen, S. 184 f. S. EBA, Leitlinien zum Abbau von Abwicklungshindernissen, EBA/GL/2014/11, 19.12.2014. 587 S. für eine ähnliche Analyse der prozeduralen Korrekturmechanismen im Verfahren zur behördlichen Anerkennung institutsinterner Risikomessverfahren im Eigenkapitalregime Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 286 ff.; vgl. verallg. auch Voß, Unternehmenswissen, S. 217 ff. (zu verfahrensbezogenen Mechanismen zur Disziplinierung informellen Verwaltungshandelns). 588 Überblicksweise zum Regelungsgehalt dieser Vorschriften schon oben, Abschnitt § 4 A.VII. 589 S. zur weitgehend parallelen Praxis der BaFin wiederum oben, Abschnitt § 4 A.VII. 586
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Handhabung der Vorschriften:590 Mit Blick auf das Risiko, in der Krise keine geeigneten Käufer für den Verkauf von Tochtergesellschaften zu finden, schlägt sie etwa vor, die Institute könnten bereits frühzeitig Listen mit potentiell geeigneten Käufern aufstellen, externe Berater zur Identifikation geeigneter Käufer einbinden oder enge Kontakte zu potentiellen Transaktionspartnern halten. Ferner könne das Institut z. B. der Gefahr negativer Reputationseffekte in der Krise dadurch vorbeugen, dass sie – als vorbereitende Maßnahme – einen besonders robusten Plan zur Krisenkommunikation mit Kunden und Gegenparteien entwirft. Maßnahmen mit stärkerem Bezug zur Struktur und Geschäftstätigkeit des Unternehmens, wie sie soeben oben beispielhaft vorgestellt wurden, haben die Institute nach Auffassung der EBA dagegen grundsätzlich nicht zu prüfen.591 Diesen Fragen widmen sich Institut und Aufsichtsbehörde, wenn überhaupt, erst im Nachgang der behördlichen Planbewertung am Ende der in § 16 Abs. 1–4 SAG angelegten mehrstufigen Eskalationsstufenleiter, wenn alle anderen Maßnahmen ausscheiden. Diese Verfahrensstruktur mag zwar auf den ersten Blick den Bedürfnissen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerecht werden, weil sie die besonders eingriffsintensiven, unternehmensbezogenen Vorwirkungsmaßnahmen bereits prozedural den Anpassungen und Verbesserungen des Sanierungsplans nachordnet. Zweifel wirft das Arrangement aber deshalb auf, weil es in einer Vielzahl der Fälle in Widerspruch zur faktischen Sachlage stehen dürfte: Bereits eingangs wurde deutlich, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen regelmäßig eher fraglich erscheinen lassen, inwieweit eine rein instrumentelle Sanierungsplanung zur Bewältigung gerade systemischer Banken- und Finanzkrisen ausreichen wird. Sie indizieren vielmehr die Bedeutung frühzeitiger, unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen zur Herstellung der tatsächlichen Sanierungsfähigkeit der Institute.592 Gleichwohl stellt der in § 16 SAG vorgezeichnete Verfahrensrahmen eben jene unternehmensbezogenen Maßnahmen von Anfang an in die Ferne und sieht bereits die diesbezügliche Diskussion zwischen Behörde und Institut nur als ultima ratio vor. b) Hiesiger Vorschlag Auflösen ließe sich dieses Spannungsverhältnis, indem die in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075 angeordnete Pflicht zur Prüfung vorbereitender Maßnahmen von vorn herein deutlich weiter gelesen wird, als es die Vorschläge der EBA bislang für die Praxis vorzeichnen. Die Institute haben dann 590 Vgl. zu den folgenden Beispielen EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, S. 33, 35 (auf S. 30–36 mit einem umfassenden Katalog potentieller vorbereitender Maßnahmen). 591 Einzige Ausnahme: Dem Risiko, dass Verkaufsoptionen operationelle Hindernisse in Form gruppenintern geteilter Infrastrukturen (z. B. IT-Systeme) entgegenstehen, könne das Institut laut EBA dadurch begegnen, dass es die betreffenden Infrastrukturen frühzeitig auf gesonderte Gesellschaften ausgliedert, vgl. a. a. O., S. 32. 592 S. o. in der Einleitung zu diesem Kapitel, Abschnitt § 5 D. I.
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nicht nur Vorbereitungsmaßnahmen mit Bezug zur Umsetzung einzelner Sanierungsmaßnahmen prüfen, sondern auch sämtliche unternehmensbezogenen Optionen, die § 16 Abs. 4–5 SAG im Rahmen der Planbewertung auch den Aufsichtsbehörden an die Hand gibt. Frühzeitig und eigenständig haben sie die Frage zu beantworten, ob593 und gegebenenfalls welche strukturbezogenen Maßnahmen594 oder Anpassungen der Geschäftstätigkeit595 sie für vorstellbar und geboten erachten, um die Wirksamkeit des Sanierungsplans zu verbessern und die Erreichung des in §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 4 SAG formulierten Sanierungsziels hinreichend wahrscheinlich zu machen. Die betreffenden Vorschläge haben die Institute den Aufsichtsbehörden, parallel zur Vorlage des Planentwurfs, zur weiteren Bewertung vorzulegen. Eine solche erweiterte Prüfpflicht der Institute,596 für die der Wortlaut der einschlägigen Normen durchaus offen ist,597 hätte mindestens zwei praktische Vor593 Zur Klarstellung: Die Prüfung kann auch in der – hinreichend begründeten (Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075) – Feststellung enden, dass das Institut im Ergebnis keinen Maßnahmenbedarf sieht. Schließlich ist es laut EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, Rn. 14 gängige Praxis, dass die Institute zum Teil auch Sanierungsoptionen im Plan zunächst evaluieren, im Ergebnis aber als nicht relevant ablehnen. 594 Dass vom Prüfprogramm der Institute auch strukturbezogene Maßnahmen erfasst sein sollen, verdeutlicht auch schon ErwG 12 del. VO 2016/1075. 595 In Betracht kommen auch hier Maßnahmen zur Erhöhung der Sanierungskapazität oder zur Minderung des in der Krise drohenden Schadenspotentials (s. soeben, Abschnitt § 5 D. II. 2.). 596 Vgl. im Ansatz auch de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.07. Weniger weitgehend wird im Schrifttum häufig betont, die Pflicht zur Sanierungsplanung begründe auf Seiten der Institute einen (indirekten) Anreiz, über Risikobegrenzungs- und Strukturmaßnahmen nachzudenken, s. etwa Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 313, 314 ff. (2014); ebenso Engel, Systemrisikovorsorge, S. 133; Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 4.; ähnl. Cichy/ Behrens, WM 2014, 438, 449; de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 393 (2019); Franke/Krahnen/von Lüpke, ZVglRWiss 113 (2014), 556, 561; Kokorin, Insolvency of Significant Non-Financial Enterprises, S. 21, 35; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 7.04 f. sowie schon Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 20. Vgl. auch Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 356 f.; IMF, United Kingdom: Crisis Management and Bank Resolution, IMF Country Report No. 11/228, Rn. 33; Otto, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 87, 100. S. mit Blick auf das US-Abwicklungsregime Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 807 (2016–2017). 597 Sowohl Art. 15 del. VO 2016/1075 als auch § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG sind denkbar weit formuliert: Gem. Art. 15 Abs. 1 del. VO 2016/1075 haben die Institute Maßnahmen – gleich welcher Art – zu prüfen, die zur Verbesserung der Durchführung und Wirksamkeit des „Sanierungsplans“ (also des Instruments im Ganzen) erforderlich sind (ebenso auch eng. und frz. Sprachfassung). Dazu gehören ausweislich Abs. 2 auch, aber eben nicht nur (Abs. 2 regelt einen Unterfall von Abs. 1) Maßnahmen mit unmittelbarem Bezug zur einzelnen Sanierungsoptionen. Gleiches gilt für § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG. Auch diese Vorschrift spricht von vorbereitenden Maßnahmen, die die Umsetzung des „Sanierungsplans“ erleichtern. Unmittelbar handlungsoptionenbezogene Vorbereitungsmaßnahmen spricht dagegen nur § 13 Abs. 2 Nr. 5 SAG an.
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züge: Erstens würde sie dazu führen, dass der zwischen den Instituten und Aufsichtsbehörden in Gang gesetzte Planungsdiskurs sich von vorn herein nicht allein auf unmittelbar planbezogene Fragen fokussiert, sondern auf eine stärker ganzheitliche, auch unternehmensbezogene Betrachtung hin ausgerichtet ist. Ansatzpunkte, Ausgestaltungsmöglichkeiten und Grenzen sanierungsbezogener Strukturmaßnahmen und Änderungen der Geschäftstätigkeit stünden ebenfalls im Betrachtungsfokus und würden gleichrangig neben den im Sanierungsplan enthaltenen Inhalten (Sanierungsindikatoren, Sanierungsmaßnahmen usw.) diskutiert werden. Die gewandelte Verfahrensstruktur könnte die Planungsschwerpunkte so bereits früh in eine – unter Berücksichtigung der oben beschriebenen ökonomischen Rahmenbedingungen – potentiell problemadäquatere Richtung lenken. Jedenfalls aber würde dadurch verhindert, dass unternehmensbezogene Eingriffsoptionen von den Beteiligten infolge der eingangs beschriebenen Anreizstrukturen reflexhaft ausgeblendet werden. Zweitens würde der alternative Verfahrensablauf auch dort potentiell fruchtbare Wirkung entfalten, wo mit Blick auf die Prüfung unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen im Grundsatz überhaupt kein Handlungsdefizit besteht, weil die Aufsichtsbehörde von ihren Befugnissen in § 16 Abs. 4–6 SAG regen Gebrauch macht. In diesem Fall könnte die originäre Prüfpflicht der Institute dem Risiko von Fehlsteuerungen entgegenwirken, die aus einer allzu stark vereinheitlichten Eingriffspraxis der Aufsichtsbehörden resultieren: So sehen verschiedene Kommentatoren unter dem gegenwärtigen Rechtsrahmen die Tendenz, dass die Aufsichts- und Abwicklungsbehörden, sofern sie überhaupt von der Eingriffsermächtigung Gebrauch machen, ihre Befugnisse im Rahmen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung nutzen könnten, um flächendeckende Strukturreformen im Bankensektor umzusetzen oder die krisenbezogene Vorbereitung der Institute zu vereinheitlichen. 598 Derartige aufsichtsbehördlich getriebene Reformvorhaben mögen zwar dort sinnvoll sein, wo die Institute mit Blick auf ihre Sanierungs- oder Abwicklungsfähigkeit tatsächlich einheitliche Defizite aufweisen. Falsch angewendet könnten gleichförmige Interventionen in die Institute aber auch zu neuen einheitlichen Schwachstellen führen und damit neue systemische Risikoquellen produzieren.599 Dieses Ri598 S. Binder, Resolution Planning, S. 24 ff.; ders., EBOR 16 (2015), 467, 483; Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 357 (letztere halten eine allg. Durchsetzung von Universal- oder Trennbankenmodellen für denkbar) und ferner Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 317 (2014) (Verf. sehen die Möglichkeit für ein „establishment of ,standardized‘ recovery options and common strategies“). 599 Zu homogenitätsbedingten Systemrisiken und dem Bedürfnis nach Dezentralisierung und Diversität, gerade um Systemrisiken vorzubeugen Andreotti/Schmidiger, in: Coninx/Ege/Mausbach (Hrsg.), Prävention und freiheitliche Rechtsordnung, S. 277, 286 f.; vgl. auch Pakravan, 22 J. Fin. Reg. Comp. 208, 213 (2014); Fest, Zwecke, Ansätze und Effizienz, S. 115 f.; Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 31 (jeweils m.w. N.). Aus empirischer Perspektive Paul, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 80 (m.w. N.). S. ferner auch Romano, 31 Yale J. on Reg. 1 (2014) mit der Forderung nach einer international stärker
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siko600 wird gemindert, wenn die Institute zunächst eigenständig Überlegungen zum Bedarf und zur institutsspezifischen Umsetzung unternehmensbezogener Vorwirkungsmaßnahmen anstellen und den Aufsichtsbehörden mitteilen, ohne bereits durch die abstrakten Problemdiagnosen der Aufsichtsbehörde gelenkt zu werden.601 Institutsübergreifend einheitlichen Pfadabhängigkeiten in den Planungsverfahren ließe sich so vorbeugen und es bestünde eine höhere Gewähr für eine tatsächlich unternehmensspezifische Prüfung des Maßnahmenbedarfes unter Berücksichtigung der individuellen Funktionslogik der Institute.602 Schließlich steht die hier favorisierte Handhabung der Regelungen in § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075 auch nicht im Widerspruch zur gestuften Tatbestandsstruktur des § 16 SAG und dem darin verfahrensmäßig verwirklichten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn Anpassungen am Sanierungsplan hätten zur Beseitigung von Sanierungshindernissen aufgrund ihrer tendenziell geringeren Eingriffsintensität grundsätzlich weiterhin Vorrang gegenüber unternehmensbezogenen Maßnahmen, dies jedenfalls sofern sie dazu tatsächlich mindestens gleich geeignet sind.603 Unter Prognosebedingungen sind derartige Eignungsbewertungen aber ohnehin keinem eindeutigen Ja/Nein-Schema zugänglich, sondern allenfalls graduell zu beantworten.604 Eine frühzeitige Berücksichtigung auch unternehmensbezogener Eingriffsoptionen hat hier den Vorteil, dass sie Raum für vergleichende Betrachtungen und relative Eignungsbewertungen schafft.605
diversifizierten und experimentierfreudigen Finanzaufsicht, die homogenitätsbedingte Risiken zu vermeiden sucht. 600 Genau betrachtet handelt es sich wiederum um ein sog. Risiko zweiter Ordnung, vgl. Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 289. S. zum Begriff schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. a). 601 Unter § 16 Abs. 3 SAG prüft das Institut unternehmensbezogene Maßnahmen hingegen erst nach Erhalt einer Mängelrüge der Aufsichtsbehörde, die die Prüfrichtung ggf. bereits mehr oder weniger vorzeichnet. 602 Man mag einwenden, die Institute hätten keinen Anreiz, derartige Vorwirkungsmaßnahmen vertieft zu prüfen (vgl. Admati/Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 77 [Fn. 65]). Ebenso könnte aber das Interesse, die Aufsichtsbehörden zu einer wirklich institutsindividuellen Prüfung des Maßnahmenbedarfes anzuhalten, einen ausreichenden Anreiz für die Unternehmen begründen, ihre diesbezüglichen Pflichten gewissenhaft wahrzunehmen. Ohnehin müssen die Institute ihre Analysen umfassend begründen (Art. 17 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075). Diese Begründung kann von den Aufsichtsbehörden immerhin als Anknüpfungspunkt für weitere, vertiefte Auseinandersetzungen aufgegriffen werden. 603 Zum Kriterium der gleichen Eignung bei der Erforderlichkeitsprüfung von Maßnahmen statt vieler Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 VII. Rn. 114. 604 Art. 18, 19 del. VO 2016/1075 machen dies durch Aufnahme gradueller Prüfkriterien selbst deutlich (s. dazu schon oben, Abschnitt § 5 C. II. 2. b)). 605 Zur Bedeutung vergleichender Risikobewertungen unter Unsicherheitsbedingungen s. schon oben § 5 Fn. 254.
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
V. Zusammenfassung und Bewertung Die Sanierungsplanung wurde in der BRRD mit denkbar hohen Ambitionen verankert. Konzipiert ist sie nicht nur als Instrument zum Umgang mit singulären Unternehmensschieflagen, sondern auch als Werkzeug zur privatautonomen Bewältigung schwerwiegender, in ihrem Ausmaß das gesamte Finanzsystem erfassender Systemkrisen. Dieser umfassende Steuerungsanspruch, der im Verlauf dieser Arbeit schon mehrfach zur Sprache kam, steht in erkennbarem Spannungsverhältnis zu den ökonomischen Rahmenbedingungen, die im Ernstfall einer systemischen Krise zu erwarten sind. Die absehbare Gefahr flächendeckender Vertrauensverluste, Marktpreisverfälle und Liquiditätsengpässe lassen es zweifelhaft erscheinen, inwieweit eine rein instrumentelle, auf die Entwicklung von Sanierungsmaßnahmen beschränkte Krisenvorbereitung tatsächlich erfolgversprechend sein kann. Ins Zentrum rückt damit die Frage, mithilfe welcher unternehmensbezogenen Maßnahmen sich der zukünftige Sanierungserfolg schon heute wahrscheinlicher machen lässt.606 Das Sanierungsplanungsrecht reagiert auf dieses Problem, indem es die Aufsichtsbehörden in § 16 Abs. 4–6 SAG (Art. 6 Abs. 6 BRRD) mit einer Ermächtigung zum Erlass unternehmensbezogener Maßnahmen ausstattet, auf Grundlage derer potentielle Sanierungshindernisse ausgeräumt und die Krisentauglichkeit der Institute bereits frühzeitig hergestellt werden kann. Diese Ermächtigung ist im Interesse der behördlichen Handlungsflexibilität zwar weit gefasst worden. Unter Berücksichtigung der weitgehend parallel ausgestalteten Befugnisse zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit (§§ 59 f. SAG) lassen sich die von der Vorschrift eröffneten Einwirkungsmöglichkeiten aber durchaus näher konturieren:607 So können potentielle Maßnahmen einmal mit Blick auf ihren konkreten Ansatzpunkt innerhalb des Unternehmens betrachtet und insoweit in Eingriffe unterschieden werden, die sich eher auf die gesellschaftsrechtliche, organisationale und finanzielle Struktur oder eher auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und die damit im Zusammenhang stehenden Risiken beziehen. Ebenso möglich ist aber auch eine Betrachtung, die sich an der sanierungsbezogenen Zielrichtung der Eingriffe orientiert und demgemäß Maßnahmen mit dem Ziel einer Erhöhung der Sanierungskapazität und Maßnahmen mit dem Ziel einer 606
S. einleitend oben, Abschnitt § 5 D. I. Die Vorschrift begegnet deshalb aus Sicht des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes keinen Bedenken. Er ist im Bereich der Eingriffsverwaltung auch dann gewahrt, wenn sich der konkrete Gehalt einer Norm – wie hier – erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt, vgl. BVerfG NJW 2004, 2213, 2216; NJW 1991, 1471, 1473 (= BVerfGE 83, 130); NJW 1971, 2167, 2167 (= BVerfGE 31, 255), st. Rspr.; s. ferner Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 VII. Rn. 61 f. Insoweit mit letztlich kaum überzeugender Kritik an der „offenen Formulierung“ schon der Vorgängernorm, § 47b Abs. 3 KWG a. F., Willemsen/Rechel, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 47b KWG Rn. 6. 607
D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts
335
Minderung des in der Krise drohenden Schadenspotentials unterscheidet.608 Insgesamt ermöglicht die Vorschrift damit weitreichende Umgestaltungen der Unternehmen. Sie kann insofern auch als sanierungsspezifische Antwort auf die im Nachgang der letzten Krise populären Forderungen nach flächendeckenden Strukturreformen im Bankensektor gelesen werden. Zwar hat die EU auf derartige allgemeine Struktur-, Größen- oder Risikobeschränkungen verzichtet.609 Das Sanierungsplanungsrecht ermöglicht aber via § 16 Abs. 4 SAG individualisierte Eingriffe, die im Ergebnis zu vergleichbaren Resultaten führen können.610 Der Gebrauch dieser Befugnisse hat naturgemäß, zumal wenn von ihr zum Zwecke des Risikoabbaus Gebrauch gemacht wird, potentiell empfindliche Auswirkungen auf die Ertragsaussichten der Institute. Die damit aufgeworfene Frage nach den Grenzen der aufsichtsbehördlichen Eingriffsbefugnisse lässt sich zum einen anhand der Grundrechte der Institute und ihrer Eigentümer, vor allem aber unter Bezugnahme auf den grundlegenden Steuerungsansatz des Sanierungsplanungsrechts beantworten: Da die Sanierungsplanung zur Verwirklichung ihres Regelungsziels auf privatautonom-marktwirtschaftliche Mechanismen zurückgreift, müssen in Betracht kommende Eingriffe in die Struktur oder Geschäftstätigkeit der Institute immer auch auf ihre langfristigen Eingriffsfolgen hin geprüft werden. Eingriffsbedingt geminderte Ertragsaussichten sind aus sanierungsplanungsrechtlicher Perspektive nur so lange unproblematisch, wie sie die langfristige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Institute unangetastet lassen und einer für den fortgesetzten Geschäftsbetrieb des Unternehmens unerlässlichen Eigen- und Fremdkapitalbereitstellung nicht im Wege stehen.611 Bereits dieser Zielkonflikt und die mit ihm verbundenen Optimierungsfragen deuten an, dass die praktische Handhabung der Befugnisse aus § 16 Abs. 4–6 SAG die Aufsichtsbehörden vor erhebliche Komplexitätsprobleme stellt. Der Rechtsrahmen lässt insoweit Ausgleichsmechanismen vermissen, die, auch unter Berücksichtigung der hohen politischen Relevanz derartiger Maßnahmen, einer unsachgemäßen Zurückhaltung der Aufsichtsbehörden (sog. Regulatory Forbear608
S. zum Ganzen oben, Abschnitt § 5 D. II. S. nochmals Kommission, COM(2017) 650 final, Annex 4, S. 2 (sub. 3); ferner Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 348 f., 427 (dort im Vergleich zu den USA). 610 Mit Blick auf die §§ 12 ff. SAG verfehlt wäre also eine Betrachtung, die zwischen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung und Maßnahmen zur Risiko-, Größen- oder Strukturanpassung ein Konkurrenz- oder Ausschlussverhältnis sieht (in diese Richtung aber Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 78, 91 f. (2013), wenngleich dort nur im Hinblick auf das US-Living-Will-Regime). De lege lata verbindet das Sanierungsplanungsrecht beide Themenkomplexe, in dem es – wenn auch nur individualisiert – die Anordnung der o. g. Maßnahmen erlaubt, sofern diese zur Herstellung der Sanierungsfähigkeit erforderlich sind. Vgl. auch de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.60. 611 S. zum Ganzen oben, Abschnitt § 5 D. III. 609
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§ 5 Strukturmerkmale des Sanierungsplanungsrechts
ance) sowie einer uneinheitlichen Aufsichtspraxis der Mitgliedsstaaten entgegenwirken. Als Minimalantwort erscheint hier de lege ferenda eine Verpflichtung der EBA zum Erlass öffentlicher Leitlinien geboten, in denen die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden transparent und EU-weit einheitlich angeleitet wird.612 Aufgeworfen ist zudem die Frage, inwieweit es auch in Zukunft bei einer vollständigen Vertraulichkeit der Sanierungsplanung verbleiben kann, die eine öffentliche Kontrolle des Verwaltungshandelns im Planungsprozess weitgehend ausschließt.613 Der Gefahr einer rein instrumentellen Sanierungsplanung, die unternehmensbezogene Eingriffe von vorn herein reflexhaft ausblendet, kann aber auch bereits de lege lata durch ein ungleich problemadäquateres prozedurales Arrangement des Planungsprozesses begegnet werden: Es zielt darauf ab, den Bedarf unternehmensbezogener Anpassungen – seien es Strukturmaßnahmen oder Änderungen der Geschäftsaktivität – bereits frühzeitig und selbstständig durch die Institute analysieren zu lassen, ohne dass es dazu einer entsprechenden Aufforderung durch die Aufsichtsbehörde bedarf. Den normativen Anknüpfungspunkt bieten insoweit § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG und Art. 15 del. VO 2016/1075, aus denen sich eine umfassende, inhaltlich parallel zur behördlichen Eingriffsbefugnis in § 16 Abs. 4–6 SAG laufende Prüf- und Begründungspflicht der Institute ableiten lässt. Die alternative Verfahrensgestaltung hat den Vorteil, dass die Möglichkeit unternehmensbezogener Anpassungen bereits in der Frühphase des Planungsprozesses ungleich stärker in den Wahrnehmungsfokus aller Beteiligten rückt. So kann sich ein ebenso ganzheitlicher wie institutsspezifischer Dialog zu der Frage entwickeln, wie man den umfassenden Zielen des Aufsichtsinstruments auch unter Berücksichtigung der potentiell widrigen ökonomischen Rahmenbedingungen gerade in systemweiten Krisenlagen gerecht werden kann. Da es in diesem Dialog gerade die Unternehmen sind, die das erste Wort haben, vermögen frühzeitig geäußerte Befürchtungen, wonach der Rechtsrahmen auf behördliche Eingriffe ohne hinreichende Berücksichtigung der Geschäftsführungsinteressen der Unternehmen hinwirken würde, kaum zu überzeugen. Schon aufgrund des ausgeprägten Wissensvorsprungs der Institute dürften die Aufsichtsbehörden vorrangig auf ein kooperatives Vorgehen bedacht sein, eine einseitige „Substitution originär unternehmerischer Entscheidungen“ 614 hingegen eher die Ausnahme bleiben.615 612 Das von der EBA aufsichtsintern zur Verfügung gestellte sog. Single Supervisory Handbook (vgl. EBA, Report on the convergence of supervisory practices, EBA-Op2016-11, 14.3.2019, Rn. 134) kann mangels Transparenz seiner Inhalte insoweit kaum als Ersatz dienen. 613 Dazu noch ausführlicher unten, Abschnitt § 7 A. II. 2. a). 614 Dies befürchtend Binder, ZBB 2015, 153, 164 (= ders., in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 163, 194). Ebenfalls krit. mit Blick auf präventive behördliche Eingriffe im Rahmen der Sanierungs- und Abwicklungsplanung ders., Resolution Planning, S. 26; ders., EBOR 16 (2015), 467, 482 (dort allg. mit Blick auf strukturbezogene Eingriffe); Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking
D. Vorwirkung des Sanierungsplanungsrechts
337
Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, bleibt wiederum einer Risikoentscheidung der Aufsichtsbehörde vorbehalten. Als Antwort auf strukturelle Wissensgrenzen greift auch hier das (reduzierte) Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.616
Union Law, S. 271, 291. Deutlich ferner Philipp, AG 2015, 77, 80 f. (Laut Verf. würde die Behörde durch die Planbewertung in eine Art eigene Vorstandsposition einrücken. Ein solcher Sozialisierungsakt sei Ausdruck des Misstrauens in die Privatautonomie. Die Zurückdrängung der Leitungsrechte Privater sei bedrohlich, weil nicht vorstellbar sei, dass „Staatsdiener ein Kreditinstitut besser leiten können als gelernte Banker.“); im Ansatz auch Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 197, 207 (dort die Anm. von Staal). Die vorgenannten Stimmen reihen sich ein in eine immer wieder geäußerte Kritik gegenüber einer als allzu interventionistisch empfundenen Praxis der Aufsichtsbehörden. Warnend z. B. Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 350; Lütgerath, Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, S. 194; Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 25; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT, S. G12. 615 Vgl. Lutz/Röhl/Schneider, a. a. O., S. 344. 616 Dazu oben, Abschnitt § 5 C. II.
§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem der bankenaufsichtsrechtlichen Institutsund Systemsteuerung Die vorangehenden Betrachtungen widmeten sich überwiegend einer Analyse und Bewertung der internen Strukturmerkmale, die das Sanierungsplanungsrecht als Antwort auf die tatsächlichen Herausforderungen beim präventiv-planerischen Umgang mit Bankenkrisen aufweist. Jenseits derartiger Fragen der Ordnungsbildung „nach innen“ kann aber gerade im Bereich des Bankenaufsichtsrechts nicht unberücksichtigt bleiben, dass die einzelnen Steuerungsinstrumente jeweils nur einen Baustein von vielen in einem weit verzweigten aufsichtsrechtlichen Gesamtregelungssystem bilden. Eine vollständige Erfassung der Einzelinstrumente setzt dementsprechend immer auch voraus, deren Querbezüge und Wirkungszusammenhänge zu betrachten und damit gleichsam den Versuch einer Systematisierung und Ordnungsbildung „nach außen“ zu unternehmen.1 Besonders augenscheinlich sind diese Querbezüge im hiesigen Zusammenhang zwischen dem Sanierungs- und Abwicklungsregime.2 Bereits die einführende Betrachtung der gesetzgeberischen Ziele und Motive bei der Verabschiedung der BRRD hat insoweit deutlich gemacht, dass das auf die Sanierungsplanung aufbauende Krisenmanagement unter Primärverantwortung der Institute in einem engen Funktionszusammenhang mit dem Abwicklungsregime steht, namentlich indem es gerade in systemischen Krisen als vorgelagerter Filter wirken, die Anzahl der insolvenzreifen Unternehmen reduzieren und damit überhaupt erst ein effektives Funktionieren des in seinen Ressourcen begrenzten Abwicklungsmechanismus ermöglichen soll.3 Ebenfalls dargestellt wurden die Zusammenhänge auf vorgelagerter, planerischer Ebene bei der Entwicklung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie beim Gebrauch der in diesem Zusammenhang vorgesehenen behördlichen Eingriffsbefugnisse.4 Vergleichbar eng ist aber auch der Konnex zwischen dem Sanierungsplanungsrecht und dem Aufsichtsrecht zur laufenden Banken- und Systemaufsicht in
1
Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 367. Vgl. Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 101, der von einem „funktionalen Verbund“ von Sanierung, Abwicklung und Einlagensicherung spricht. 3 S. dazu oben, Abschnitt § 3 A. III. 4 S. dazu oben, Abschnitt § 5 D. II. 3. 2
§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
339
„Stabilitätsphasen“. Deutlich macht dies bereits der Richtlinientext selbst, wenn er in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD die Sanierungspläne explizit als Instrument der Unternehmenssteuerung im Sinne des Art. 74 CRD-IV einordnet und damit jedenfalls im Ansatz eine erste Verbindungslinie zu den allgemeinen CorporateGovernance- und risikomanagementbezogenen Aufsichtsregeln herstellt. So offensichtlich – und dementsprechend vielfach betont5 – dieser Zusammenhang dem Grunde nach sein mag, so wenig ist er bis dato in all seinen strukturellen und operativen Dimensionen zusammenfassend beleuchtet worden. Die nachfolgende Darstellung widmet sich deshalb in umfassenderer Perspektive eben diesem Themenkomplex. Sie macht sich dabei die strukturelle Differenzierung zwischen Mikro- und Makroprudenz zunutze. Jeweils aufbauend auf eine Einführung in die Eckpunkte der betreffenden Regelungssysteme werden also zunächst die Querverbindungen zwischen dem Sanierungsplanungsrecht und den (sonstigen) Vorschriften über mikroprudenzielle Bankenaufsicht (dazu A.), anschließend jene Querverbindungen zum makroprudenziellen Aufsichtssystem (dazu B.) beleuchtet. Im Folgenden weitgehend ausgeklammert bleibt dagegen das Verhältnis des Sanierungsplanungsplanungsrechts zu den Vorschriften des Gesellschaftsrechts, darunter namentlich dessen Vorgaben zum Risikomanagement.6 Bereits ein kursorischer Blick auf die diesbezüglichen Verbindungslinien bestätigt die andernorts vor allem mit Blick auf die §§ 25a ff. KWG gestellten Diagnosen:7 Das Sanierungsplanungsrecht überlagert und erweitert die allgemeinen privatrechtlichen Anforderungen an eine effektive Krisenvorsorge von Kapitalgesellschaften wie sie vor allem in § 91 Abs. 2 AktG angelegt sind und verdeutlicht die Entwicklung hin zu einem spezifischen „Bankgesellschaftsrecht“ 8. Ebenfalls unter5 Vgl. Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 305 f. und 311 (2014); Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.41 f.; Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 1.12; Sellar/Adeleye, Bank Engl. Q. Bull. 4/2016, 200, 209; Troiano/ Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 2; vgl. auch Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 65. S. im Ansatz auch schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.6. 6 Zu aktienrechtlichen Fragen der Organbeteiligung im Rahmen der Sanierungsplanung s. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 446 ff.; zu den gesellschaftsrechtlichen Pflichten von Geschäftsleitern in Unternehmenskrisen z. B. Seibt, BB 2019, 2563. Nicht näher behandelt wird hier auch die Frage, ob und inwieweit die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Gruppensanierungsplanung mit den gesellschaftsrechtlichen Steuerungsrechten des Muttervorstands im Bankkonzern konfligieren. S. dazu schon die Nachweise oben in § 4 Fn. 367. 7 Dazu früh Fleischer, ZIP 2003, 1; Preußner, NZG 2004, 57; s. ferner z. B. Albrecht, Corporate Governance, S. 211 ff.; Binder, ZGR 2015, 667, 671; ders., ZGR 2013, 760; ders., in: Zetzsche/Neef/Makoski et al. (Hrsg.), Recht und Wirtschaft, S. 145; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 532 ff., 541 f.; zsf. auch Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 84 f. 8 Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 662 f. S. zuletzt auch monographisch Negenborn, Bankgesellschaftsrecht und Sonderkonzernrecht.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
streicht das Sanierungsplanungsrecht den Trend einer aufsichtsrechtlich bedingten Verschiebung der Geschäftsleiterpflichten weg vom Fokus auf das individuelle Unternehmenswohl und hin zu (auch) drittbezogenen Interessen. Während sich diese Verschiebung im sonstigen risikomanagementbezogenen Aufsichtsrecht vor allem mittelbar dadurch ausdrückt, dass das Ziel einer Gewährleistung von Unternehmensstabilität im Zweifel Vorrang vor dem Ziel einer Renditemaximierung genießt,9 geht das Sanierungsplanungsrecht sogar noch einen entscheidenden Schritt weiter: Denn hier werden, wie § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG deutlich vor Augen führt, drittbezogene Stabilitätserwägungen sogar zum unmittelbaren und eigenständigen Entscheidungskriterium der Geschäftsleiter in Krisenphasen, dies neben dem Ziel einer zügigen Unternehmensstabilisierung und -sanierung.10 Deutlich wird damit, wie der Topos von der gesamtwirtschaftlich „dienenden Funktion“ des Bank- und Finanzgewerbes11 ausgehend von der politisch-ökonomischen Ebene zunehmend auch in aufsichtsrechtliche Regelungsentscheidungen einfließt und dort in einer gemeinwohlbezogenen Pflichtenbindung der Unternehmen seinen Ausdruck findet.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht I. Eckpunkte der laufenden Institutsaufsicht Die mikroprudenzielle Bankenaufsicht folgt auch heute im Ausgangspunkt weiterhin einem gewerberechtlichen Ansatz12 und versucht einen missstandsfreien Bankbetrieb zunächst durch eine intensive Marktzugangskontrolle sicher9 Vgl. nur Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 85; ders., EBOR 16 (2015), 357, 371 (jeweils m.w. N.). Relevant wird diese erweiterte Pflichtenbindung deshalb, weil Aufsichts- und Unternehmensinteressen in Fragen der Systemstabilität im Ausgangspunkt nicht zwingend kongruent sind, vgl. Körnert, ZHR 176 (2012), 96, 125; ferner Schwarcz, Systemic Risk, S. 4 f. 10 Ähnl. wie hier Engel, Systemrisikovorsorge, S. 132 f., 199; Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 5; vgl. auch Bierens, in: Busch/Ferrarini/van Solinge (Hrsg.), Governance of Financial Institutions, Rn. 4.37 ff. (dort mit Blick auf das Ziel, die Abwicklungsfähigkeit des eigenen Instituts, § 57 Abs. 1 SAG, zu erreichen). Dagegen wiederum eher das Ziel der Unternehmensstabilität (und damit einen mittelbaren Systemschutz) betonend Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 102; ders., ZHR 179 (2015), 563, 589. Ähnl. auch mit Blick auf das CRD-IV-Regime Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 6.85. Zur Relevanz des § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG auf Planumsetzungsebene oben, Abschnitt § 4 A. III. 2. b). 11 Kaufhold, Systemaufsicht, S. 142; vgl. auch Calliess, VVDStRL 71 (2012), 113, 118 f. 12 Vgl. nur Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 2. Zur zunehmenden Ergänzung bzw. Überlagerung dieses Modells durch das Konzept der sog. qualitativen Bankenaufsicht noch unten, Abschnitt § 6 A. I. 5.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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zustellen. Das Betreiben von Bankgeschäften ist nur nach Erteilung einer sog. Banklizenz durch die zuständige Aufsichtsbehörde zulässig (sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt).13 Die institutsbezogene Aufsicht endet damit jedoch nicht, sondern erstreckt sich auf den gesamten „Lebenszyklus“ der Bank. Die sog. laufende Bankenaufsicht14 verfügt über ein breit gefächertes Arsenal verschiedener, miteinander verflochtener Instrumente. Stand heute, nach der Finanzkrise, reicht es – um nur die wichtigsten Elemente zu nennen – von Solvabilitäts- und Liquiditätsvorschriften über Regeln zur Geschäftsorganisation, Unternehmensführung und Risikomanagement, Regeln zur Behandlung von sog. Großkrediten und Regeln zu Verschuldungsquoten bis hin zu umfassenden Offenlegungsvorschriften. Weiterhin reguliert das deutsche Aufsichtsrecht auch die Unternehmensstrukturen mittels sog. Trennbankenregeln, die bereits oben im Kontext der sanierungsplanungsspezifischen Vorwirkungsmaßnahmen Erwähnung fanden. All diese Steuerungsinstrumente kann und soll die vorliegende Untersuchung nicht aufgreifen.15 Im Fokus der nachfolgenden Darstellung stehen stattdessen nur diejenigen Bausteine, die besondere Schnittstellen zum Instrument der Sanierungsplanung aufweisen. Es sind dies die europäischen und nationalen Solvabilitäts- und Liquiditätsregeln (dazu 1. und 2.) und die Vorschriften zur sog. ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation der Institute (dazu 3.). Sie bilden heute zugleich die zwei Hauptsäulen der laufenden Institutsaufsicht. 1. Solvabilitätsregeln Die Gewährleistung einer angemessenen Solvenz bzw. Solvabilität ist sowohl im deutschen als auch im europäischen Aufsichtsrecht seit jeher die zentrale Aufsichtsanforderung an die Institute, die im Rahmen der laufenden Bankenaufsicht überwacht wird.16 Vergleichbar den bankeninsolvenzrechtlichen Regelungen ba-
13
S. zum Verfahren und den Voraussetzungen §§ 32 ff. KWG sowie Art. 14 SSM-VO. Zum Begriff Glos, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 13 Rn. 2 f. 15 S. umf. zu all diesen Instrumenten z. B. die Beiträge in Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020; Grieser/Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 117 ff. Instruktive Überblicksdarstellungen bieten Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 62 ff.; Brocker, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 81 Rn. 25 ff.; FreisJanik, in: Kümpel/Mülbert/Früh u. a. (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2019, Rn. 2.163 ff.; Ohler, in: a. a. O., § 90 Rn. 44 ff.; ders., in: Bes. VerwR I, § 32; Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 44 ff.; Köhler, in: Schwintowski (Hrsg.), Bankrecht, 5. Aufl. 2018, S. 129, 208 ff. 16 S. für einen historischen Überblick über die Entwicklung der Solvabilitätsregeln Körnert, ZHR 176 (2012), 96; ferner Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 32 ff.; aus stärker internationaler Perspektive schließlich Schenk/ Mourlon-Druol, in: Cassis/Schenk/Grossman (Hrsg.), Oxford Handbook of Banking and Financial History, S. 395. S. zsf. zum gesamten Solvabilitätsregime Wahrenburg, ZBB 2019, 81. 14
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
siert auch das Solvabilitätsregime auf einem umfangreichen, mehrstufigen Regelungskonzept. International maßgeblich sind heute die Vorschriften des sog. Basel-III-Regelwerkes, die als Reaktion auf die letzte Finanzkrise in ihrer Urfassung bereits im Dezember 2010 verabschiedet wurden (dort sog. Säule-1-Anforderungen).17 Die darin enthaltenen Kapitalregeln wurden auf europäischer Ebene in der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR)18 und der vierten Kapitaladäquanzrichtlinie (Capital Requirements Directive IV, CRDIV)19 (gemeinsam auch CRD-IV-Paket genannt) umgesetzt. Die Umsetzung der Kapitalvorgaben der CRD-IV wiederum erfolgte auf nationaler Ebene in den §§ 10 ff. KWG.20 Die Regelungen bauen auf die bilanzielle Grundunterscheidung auf der Passivseite in Eigen- und Fremdkapital auf.21 Ein Institut (bzw. eine Institutsgruppe22) gilt danach als solvent, wenn ihm zu einem gegebenen Zeitpunkt ausreichend Eigenmittel zur Verfügung stehen, um die aus seiner Geschäftstätigkeit etwaig resultierenden Verluste decken zu können. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive verfolgen die Solvabilitätsregeln damit im Wesentlichen drei Zielsetzungen:23 Sie sind erstens Instrument des Einleger- und Anlegerschutzes.24 Als Polster zur Absorption unerwarteter Verluste25 verzögert eine vergleichsweise hohe Eigen17 In allen Fassungen abrufbar unter: https://www.bis.org/bcbs/basel3.htm (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 18 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.13, ABl. L 176, S. 1. 19 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.13, ABl. L 176, S. 338. 20 Hinzu kommen freilich zahlreiche weitere Detailvorschriften, enthalten vor allem in europäischen Tertiärrechtsakten und erläuternden Stellungnahmen der verschiedenen Aufsichtsbehörden, vgl. dazu auf europäischer Ebene die Inhalte im elektronischen sog. Single Rule Book der EBA, abrufbar unter: https://eba.europa.eu/regulation-andpolicy/single-rulebook/interactive-single-rulebook (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 21 Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 1/2002, S. 42; Ohler, in: Bes. VerwR I, § 32 Rn. 54. 22 Zur Anwendung des Eigenmittelregimes auf konsolidierter Basis bei Institutsgruppen z. B. Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 65 ff. 23 S. etwa Bundesbank, Monatsbericht 1/2002, S. 42; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 127 ff.; Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 606; Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 81 ff.; Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 44; Alexander, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 334, 337 f. (letzterer betont zudem, dass die Verlustabsorption qua Eigenmittel auch die Einlagensicherungsfonds entlastet). Speziell den Vertrauensschutz betonend Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 11. S. umf. schließlich auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 228 ff. 24 Ausdrücklich insoweit auch § 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. KWG. 25 ErwG 91 CRR; s. auch schon Bundesbank, Monatsbericht 1/2002, 49 (erwartete Verluste hingegen werden schon in den Vertragskonditionen mit den einzelnen Schuldnern in Form von Risikoaufschlägen berücksichtigt).
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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kapitalquote den Eintritt der Insolvenz und sichert insoweit die Erfüllung der Rückzahlungsansprüche von Einlegern und Anlegern. Vertrauensverlusten der Gläubiger gegenüber dem Institut wird so entgegengewirkt und die Gefahr eines Bank Runs tendenziell verringert. Zweitens wirkt die aufsichtliche Verpflichtung zur Vorhaltung risikoangemessener Eigenmittel in den Instituten auch einer übermäßigen Risikonahme der Institute entgegen. Die aufsichtlichen Eigenmittelregeln verlangen, dass jede Risikoposition des Instituts bereits im Zeitpunkt ihrer Eingehung durch hinreichendes Eigenkapital unterlegt sein muss. Diese Pflicht begründet nicht nur aus Sicht der Unternehmen eine wesentliche Kostenbelastung, sie ist auch für die Eigentümer des Unternehmens unattraktiv. Schließlich führt ein wachsender Eigenkapitalanteil an der Bilanzsumme des Instituts zugleich auch zu einer zunehmenden Verwässerung der von dem Institut erwirtschafteten Rendite. Insgesamt schafft das Eigenmittelregime so einen Anreiz zur Risikobegrenzung. Geht man zudem davon aus, dass die Unternehmen ihren Eigenmittelanteil realiter ohnehin nur begrenzt vermehren können,26 dann bildet diese Grenze faktisch auch ein Limit für die Risikonahme der Institute. Kombiniert sollen die genannten Aspekte, Gläubigerschutz und Risikobegrenzung, dazu führen, dass die Gefahr eines Zusammenbruchs der Institute sowie die Wahrscheinlichkeit von Ansteckungseffekten und einer Destabilisierung des Gesamtsystems insgesamt abnehmen. Das Eigenmittelregime ist damit – drittens – mittelbar auch Instrument zum Schutz der Gesamtfinanzstabilität. Aufbauend auf diese Zielkonzeption liegen dem Eigenmittelregime in seiner weiteren Ausgestaltung – ungeachtet der eher technischen Details27 – folgende Grundsätze zugrunde: Abhängig von ihrer tatsächlichen Eignung zur Verlustabsorption differenziert die CRR zwischen drei Arten von Eigenmitteln.28 An erster Stelle steht das sog. harte Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET 1), wozu vor allem emittierte Aktien, einbehaltene Gewinne und sonstige Rücklagen gehören. Ergänzt wird das harte Kernkapital durch das sog. zusätzliche Kernkapital (Additional Tier 1, AT 1) und das sog. Ergänzungskapital (Tier 2). Ersteres umfasst alle sonstigen Eigenkapitalbestandteile, die in der Insolvenz nachrangig sind, aber nicht vom Begriff des harten Kernkapitals erfasst werden. Letzteres umfasst insbesondere nachrangige Darlehen und sonstige Kapitalinstrument, die für gewöhnlich dem Hybridkapital zugeordnet werden. In welcher Höhe die Institute die genannten Eigenmittel vorzuhalten haben, definiert das Aufsichtsrecht in
26 So Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 88; vgl. auch Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 52. 27 Zum Ganzen ausf. z. B. Riepe/Engelbach/Kämmler et al., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 7; Ohler, a. a. O., Rn. 44 ff. und Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 223 ff. 28 Vgl. Art. 26 ff., 51 ff., 62 ff. CRR. Zu den Bestandteilen und Berechnungen Riepe/ Engelbach/Kämmler et al., a. a. O., Rn. 18 ff.; Ohler, a. a. O., Rn. 48 ff. und Paraschiakos, a. a. O., S. 240 ff.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Form von sog. Kapitalquoten29, die als prozentuales Verhältnis zu dem von den Instituten eingegangenen Gesamtrisikobetrag festgelegt sind. Der Gesamtrisikobetrag setzt sich aus mehreren Risikobestandteilen zusammen, die mit Rücksicht auf die Geschäftspraxis des Instituts und die daraus resultierenden Risiken individuell gewichtet werden (sog. Risikogewichtung).30 Insgesamt sieht das europäische Eigenmittelregime aktuell drei Kapitalquoten vor, die die Untergrenze für die Kapitalausstattung eines jeden Instituts markieren: eine Gesamtkapitalquote von 8 %, eine harte Kernkapitalquote von 4,5 % und eine Kernkapitalquote von 6 %.31 Weiter ergänzt werden diese Kapitalquoten seit 1. Januar 2016 durch mehrere sog. Kapitalpuffer32, die allesamt ebenfalls aus hartem Kernkapital aufgebaut werden müssen und ihrer Zielsetzung nach vor allem auf die Begrenzung systemischer Risiken ausgerichtet sind.33 Zusätzlich zu den Mindestkapitalquoten und Kapitalpuffern können die zuständigen Aufsichtsbehörden schließlich im Einzelfall noch institutsindividuell die Vorhaltung weiterer Eigenmittel anordnen. Ziel ist insoweit der Schutz vor solchen Risiken, die nach Auffassung der Behörde durch die vorgenannten Kapitalanforderungen nicht hinreichend abgedeckt werden.34 Grundlage für die Festlegung dieser zusätzlichen Eigenmittel ist der sog. aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP; dazu im hiesigen Kontext noch sogleich, unter 4.). Insgesamt bilden die geltenden Eigenkapitalvorschriften ein hoch komplexes Regelungsgeflecht, dass im Schrifttum nicht nur aufgrund seiner Intransparenz und Kompliziertheit, sondern auch wegen sei-
29 Dazu Riepe/Engelbach/Kämmler et al., a. a. O., Rn. 36 ff.; Ohler, a. a. O., Rn. 52 und Paraschiakos, a. a. O., S. 251 ff. 30 Die Zusammensetzung des Gesamtrisiko- bzw. (in den Worten der CRR) Gesamtforderungsbetrags ergibt sich aus Art. 92 Abs. 3 CRR. Mit Blick auf das Verfahren zur Gewichtung der Risikobestandteile differenziert die CRR zwischen zwei Berechnungsmethoden, dem sog. Standardansatz und einen auf internen Bewertungen basierenden sog. IRB-Ansatz. Die Wahl der Bewertungsmethode steht den Instituten grundsätzlich frei. S. zum Ganzen z. B. wiederum Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 45 ff., 54 ff.; zur Risikogewichtung ferner auch Kaufhold, in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen, S. 151, 169 ff. Zuletzt hat sich der BCBS im Rahmen eines neuerlichen Reformvorhabens (zum Teil als „Basel-IV-Regeln“ bezeichnet) für eine Einschränkung der IRB-Ansätze ausgesprochen, um – vereinfacht gesprochen – ein allzu exzessives „Herunterrechnen“ der eingegangenen Risiken mittels der institutsinternen Risikomodelle zu verhindern. Zu den genauen Inhalten s. BCBS, Basel III, 7.12.2017; dazu Kasprowicz/Poschmann, ZfgK 2018, 236. 31 Vgl. Art. 92 Abs. 1 CRR. 32 Dazu Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 53 und Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 290 ff. S. ferner auch Ortgies, in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Vorbem. zu §§ 10c ff. KWG. 33 S. zu den Kapitalpuffern und dem Festsetzungsverfahren durch die zuständige Aufsichtsbehörde die §§ 10c–10i KWG (Art. 128 ff. CRD-IV). Zur Zuordnung der Kapitalpuffer zur makroprudenziellen Aufsicht noch unten, Abschnitt § 6 B. I. 34 Vgl. Art. 104 Abs. 1 lit. a CRD-IV und § 10a Abs. 3 KWG.
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ner nach Ansicht einiger Autoren unzureichenden Gesamtdimensionierung kritisiert wird.35 2. Liquiditätsregeln Die Krisenjahre 2007–2009 haben darüber hinaus auch deutlich gemacht, dass ein aufsichtliches Eigenmittelregime systemischen Verwerfungen allein nur bedingt vorbeugen kann. Schließlich lag das Hautproblem einer Vielzahl von Instituten gerade nicht in Solvabilitäts-, sondern in Liquiditätslücken begründet.36 Als Antwort auf diese Erfahrungen widmen sich heute sowohl das Basel-III-Rahmenwerk als auch die Regelungen des CRD-IV-Pakets mit intensivierter Aufmerksamkeit speziellen Liquiditätsanforderungen.37 Als Grundsatz stellt der Rechtsrahmen dabei die Anforderung auf, dass die Institute über einen angemessenen Liquiditätspuffer verfügen und Strategien, Grundsätze, Verfahren und Systeme vorhalten müssen, mit denen sie das Liquiditätsrisiko über einen angemessenen Zeitraum hinweg steuern können.38 Teil dieser Verfahren sind insbesondere auch sog. Liquiditätsnotfallpläne, auf die, weil sie funktional in engem Zusammenhang mit den Sanierungsplänen stehen, noch zurückzukommen ist.39 Behördlich überwacht wird die Liquidität der Institute vor allem anhand zweier Kennziffern mit kurz- und längerfristigem Betrachtungshorizont, die Liquiditätsdeckungs35 Krit. zum „Grad an Technizität und Komplexität“ der Regeln etwa Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 3; ähnl. auch Pakravan, 22 J. Fin. Reg. Comp. 208, 211, 215, passim (2014) und Körnert, ZHR 176 (2012), 96, 121 ff., 125. Krit. speziell zum IRB-Ansatz auch Alexander, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 334, 350, 359, 361; Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 37. S. mit deutlicher Kritik an Umfang und Zielrichtung der Regeln, allerdings aus anderer Perspektive, auch Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 115. Mit der Forderung vor allem nach deutlich höheren Eigenmittelanforderungen Admati/Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 79 ff. (dazu Becker/Voigt, ZfgK 2014, 1123); ferner Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Fallacies, Irrelevant Facts, and Myths. Demgegenüber mit Kritik an einer Erhöhung der quantitativen Anforderungen und stattdessen für eine Stärkung der Risikokultur und gemeinsamer Lernprozesse von Instituten und Behörden Reiling, Der Hybride, S. 161 (m.w. N.). S. für Zusammenfassungen der häufigsten Kritiken schließlich auch Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 90 ff.; Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 231 ff. 36 Zahlreiche Institute waren im Grundsatz zwar ausreichend kapitalisiert, drohten aber, weil eigene Finanzmittel gebunden waren und eine kurzfristige Beschaffung liquider Mittel am Kapitalmarkt scheiterte, die gegen sie gerichteten Geldforderungen im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht wie geschuldet erfüllen zu können (zu diesem Liquiditätsrisiko s. schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 1. b)). Dies wiederum zwang vielerorts die Notenbanken zum Einschreiten, die umfangreiche Notfallliquiditätshilfen gegenüber dem Bankensektor bereitstellten. 37 Ausf. zum Liquiditätsregime etwa Laufenberg, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 9; s. ferner Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 129 Rn. 34 ff. Krit. dazu und mit der Forderung nach strengeren Solvabilitätsregeln als Ersatz für spezielle Liquiditätsvorgaben Admati/Hellwig, Good Banking Regulation, S. 6. 38 Vgl. Art. 86 Abs. 1 CRD-IV und § 11 Abs. 1 Satz 1 KWG. 39 S. dazu unten, Abschnitt § 6 A. II. 2. c) bb).
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quote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) und die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR).40 3. Regeln zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation a) Grundlagen Diese Solvabilitäts- und Liquiditätsregeln werden durch die in Umfang und Bedeutung kaum minder gewichtigen Vorschriften zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation flankiert. Zentralnorm für deutsche Institute ist insoweit § 25a KWG. Im Rahmen der 6. KWG-Novelle 1997 eingeführt und seitdem fortwährend erweitert, setzt die Vorschrift heute wesentliche Teile der europäischen Vorgaben zur Unternehmensorganisation in Art. 73 ff. der CRD-IV um. Ergänzt wird sie dabei durch die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk (BA) 9/2017), norminterpretierende Verwaltungsvorschriften der BaFin, die die Rahmenvorgaben in § 25a KWG mit erheblicher Bedeutung für die tägliche Institutspraxis auslegen.41 Einer aufbauenden Regelungsstruktur folgend, legt § 25a KWG in Abs. 1 Satz 1 zunächst generalklauselartig fest, dass jedes Institute über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen muss, welche einerseits eine Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen an die Institute gewährleistet (sog. Compliance), andererseits aber auch betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung trägt. Die nachfolgenden Absätze konkretisieren sodann die Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsorganisation, formulieren also etwa Vorgaben für die interne Geschäftsdokumentation und für Whistle-Blowing-Systeme, Regeln für die Vergütung des leitenden Personals42 sowie Qualifikationsanforderungen und Verantwortlichkeiten von Geschäftsleitern) und Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorganen.43 Wesent40 S. Art. 411 ff. CRR und die detaillierten Vorschriften der delegierten Verordnung 2015/61 der Kommission vom 10.10.2014 (ABl. L 11, S. 1). 41 S. weiterführend zum Ganzen aus dem deutschen Schrifttum etwa die Beiträge in Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020; Paetzmann/ Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten sowie monographisch Albrecht, Corporate Governance, S. 171 ff.; Lütgerath, Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation; Lüth, Mindestanforderungen an das Risikomanagement; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation; Wundenberg, Compliance, S. 117 ff. Aus internationaler bzw. europäischer Perspektive z. B. Hopt, in: Wymeersch/ders./Ferrarini (Hrsg.), Financial Regulation and Supervision, S. 337; Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, S. 223. Zur historischen Entwicklung der Organisationspflichten s. Binder, ZGR 2015, 667, 672 ff. 42 § 25a Abs. 5–6 KWG. S. ferner Art. 75, 92–94 CRD-IV sowie auf untergesetzlicher Ebene in Deutschland auch die Regelungen der Institutsvergütungsverordnung (InstVergV). Zum Ganzen im Überblick Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 100; ausf. ferner Glasow, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 12; Fischbach, WM 2018, 1491; Herz, NZG 2018, 1050. 43 §§ 25a Abs. 1 Satz 2, 25c, 25d KWG.
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liches Element einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG zudem die Einrichtung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements (dazu sogleich). Insgesamt nehmen die Vorschriften an den übergeordneten Zielen des Bankenaufsichtsrechts teil: In Übereinstimmung mit § 6 Abs. 3 KWG dient die aufsichtsrechtliche Verpflichtung zur Einrichtung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation dazu, Missständen in den Instituten entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können (institutioneller System- und Gläubigerschutz44).45 b) Institutsinternes Risikomanagement 46 Kernbestandteil einer jeden ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation – und im hiesigen Zusammenhang auch vorrangig von Interesse – ist gem. § 25 Abs. 1 Satz 3 KWG ein angemessenes und wirksames Risikomanagement.47 Nach herkömmlichem Verständnis umfasst das Risikomanagement sämtliche Verfahren zur Messung, Steuerung und Kontrolle von Risiken.48 Als Teil der Unternehmensführung zielt es aus interner Perspektive primär darauf ab, langfristig zu einer größeren risikoadjustierten Eigenkapitalrendite seiner Anteilseigner beizutragen.49 Aus aufsichtlicher Perspektive stehen demgegenüber Stabilitätsgesichtspunkte im Vordergrund. Das Risikomanagement steht hier, wie bereits § 25 44
S. zu den Zielen des Bankenaufsichtsrechts schon oben, Abschnitt § 3 A. Explizit schon MaRisk (BA) 9/2017, AT 2 Tz. 1. S. ferner auch Wundenberg, Compliance, S. 28, 33 f.; Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRRVO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 32; Burgi, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 4 A. Rn. 22; Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 2; Preußner, NZG 2004, 57, 58. Ähnl. zu Art. 73 ff. CRD-IV auch Mülbert/Wilhelm, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 6.33. 46 Nachfolgend werden nur diejenigen Bestandteile des Risikomanagements herausgegriffen, die in engerem Zusammenhang zu den Gehalten des Sanierungsplanungsrechts stehen. Die Darstellung beschränkt sich zu Überblickszwecken zunächst auf die Eckpunkte der aufsichtlichen Anforderungen. Auf Details ist dann sogleich im Kontext der sanierungsplanungsrechtlichen Parallelnormen zurückzukommen. 47 S. mit vergleichbar prominenter Hervorhebung auch Art. 74 Abs. 1 CRD-IV. 48 Vgl. Büschgen, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 1998, S. 874 f.; Romeike, in: Paetzmann/Schöning (Hrsg.), Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 357, 363 ff.; Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 604 f. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG ordnet zudem auch – anders als Teile der bankbetriebswirtschaftlichen Literatur (vgl. Büschgen, a.a.O: Teil des weiteren Begriffs der sog. Risikopolitik) – die Setzung von Risikopräferenzen dem Risikomanagement zu und legt insoweit einen tendenziell weiteren Risikomanagementbegriff zugrunde, vgl. Wundenberg, Compliance, S. 26. 49 Alexander, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 334, 338. 45
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Abs. 1 Satz 3 Hs. KWG hervorhebt, vor allem im Dienste der jederzeitigen Risikotragfähigkeit des Unternehmens.50 Das aufsichtsrechtlich geforderte Risikomanagement setzt sich aus mehreren Einzelelementen zusammen, die in wechselseitiger Abhängigkeit stehen.51 Grundlage des Risikomanagements ist gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.2) zunächst die Formulierung einer Geschäfts- und Risikostrategie sowie die Einrichtung von Verfahren zur Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung derselben52 – gemeinsam auch als strategischer Teil des Risikomanagements bezeichnet.53 In der Geschäftsstrategie sind, unter Berücksichtigung interner und marktseitiger Faktoren, die Ziele für jede wesentliche Geschäftsaktivität des Instituts zu formulieren und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu benennen. Die Risikostrategie enthält, wiederum aufgeschlüsselt nach Geschäftsaktivitäten, die Ziele der Risikosteuerung sowie die konkreten Maßnahmen zur Erreichung derselben. Zwar gehört die Formulierung der Geschäftsstrategie des Instituts und spiegelbildlich dazu auch die Festlegung des sog. Risikoappetits zum Kernbestand der unternehmerischen Eigenverantwortung und unterliegt nur eingeschränkter Überprüfung.54 Umfassenderer aufsichtlicher Kontrolle unterliegt aber die nachgelagerte, operative Ebene des Risikomanagement-Systems. Diese operative Ebene, gleichsam das Risikomanagement im engeren Sinne,55 setzt sich wiederum aus mehreren Elementen zusammen. In ihrem Zentrum steht gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1) das Gebot, Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der sog. Risikotragfähigkeit einzurichten, im europäischen Aufsichtsrecht als sog. Internal Capital Adequacy
50
Zur institutionenökonomischen Begründung Corporate-Governance-bezogener Aufsichtsregeln Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 605 f.; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019, S. 324 ff. (staatliche Aufsicht als Ersatz für gläubigerseitige Kontrolle, sog. Repräsentationshypothese). 51 Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508; Braun, in: Boos/Fischer/SchulteMattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 94. Vgl. ferner z. B. auch Gann, ZfgK 2017, 380, 383. 52 Vgl. auch Art. 73 CRD-IV. S. zum Nachfolgenden MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.2 Tz. 1, 2. 53 Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508; zur Diff. in strategische und operative Steuerung im Risikomanagement auch Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 605. 54 Vgl. BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.2 Tz. 1, 2; Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 111, 113. Aufsichtlich zu überprüfen ist insb., inwieweit die Geschäfts- und Risikostrategie geeignet ist, die jederzeitige Risikotragfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 2) sowie eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu gewährleisten. 55 Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508.
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Assessment Process (ICAAP) bezeichnet.56 Auf die Ziele und methodischen Umsetzungsvarianten der Risikotragfähigkeitsanforderung ist sogleich im unmittelbaren Kontext der Sanierungsplanung zurückzukommen. Zweites wesentliches Element des operativen Risikomanagements sind die sog. internen Kontrollverfahren gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 KWG. Der Rechtsrahmen unterscheidet hier im Einzelnen zwischen einem internen Kontrollsystem und einer internen Revision. Aufgabe des internen Kontrollsystems (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3) ist die praktische Umsetzung des Risikomanagements, also die systematische und fortlaufende Erfassung, Steuerung und Kontrolle aller im Geschäftsbetrieb anfallenden Risiken. In ihrem Mittelpunkt stehen die in Nr. 3 lit. b (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2, BTR) beschriebenen sog. Risikosteuerungs- und controllingprozesse. Im hiesigen Zusammenhang besonders relevant, umfassen sie etwa die Festlegung von Frühwarnindikatoren zur frühzeitigen Identifikation von Risiken, die regelmäßige und anlassbezogene Durchführung interner Stresstests sowie, speziell im Hinblick auf Liquiditätsrisiken, die präventive Erstellung von Notfallplänen für Liquiditätsengpässe.57 Ergänzt werden diese Risikosteuerungs- und controllingprozesse durch sog. aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen, die gem. Nr. 3 lit. a (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.1, BTO) in jedem Institut mit klar abgegrenzten Verantwortungsbereiche zu definieren sind. Schließlich fordert Nr. 3 lit. c (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.4.1) als weitere Vorgabe für die Binnenorganisation der Institute die Einrichtung einer sog. Risikocontrolling-Funktion. Zuständig für die interne Überwachung und Kommunikation aller Risiken des Instituts ist sie zwar von den jenen Abteilungen getrennt, die für die Initiierung bzw. den Abschluss von Geschäften zuständig sind. Ihre Prüfungshandlungen sind aber gleichwohl in laufenden Geschäftsbetrieb eingebunden.58 Insofern unterscheidet sie sich von der sog. internen Revision (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.4.3, BT 2). Letztere ist vom internen Kontrollsystem abgekoppelt und nicht unmittelbar in den laufenden Geschäftsbetrieb des Instituts involviert. Ihre Aufgabe ist es, aus distanzierter Perspektive sämtliche Geschäftsaktivitäten und Verfahren innerhalb des Unternehmens, auch die des internen Kontrollsystems, regelmäßig zu überprüfen.59 56 Anknüpfungspunkt auf europäischer Ebene ist Art. 73 CRD-IV. In liquiditätsbezogener Hinsicht wird der ICAAP durch den sog. ILAAP (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process) ergänzt, vgl. Art. 86 Abs. 1 CRD-IV. 57 MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2 Tz. 2, AT 4.3.3, BTR 3.1 Tz. 9. Auf alle drei Elemente ist sogleich speziell mit Blick auf ihre Verknüpfungen zur Sanierungsplanung zurückzukommen (s. Abschnitt § 6 B. II. 2.). 58 Vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.4.1 Tz. 1, 2 sowie EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 162 ff. Die Pflicht zur Einrichtung einer besonderen Risikocontrolling-Funktion beruht auf Art. 76 Abs. 5 CRD-IV. Ergänzt wird die Risikocontrolling-Funktion durch die sog. Compliance-Funktion. S. dazu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.4.2 Tz. 1 sowie EBA, a. a. O., Rn. 187 ff. 59 EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 162 ff. S. ferner z. B. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl.
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Letztes, mit Blick auf die Bezüge zur Sanierungsplanung hervorhebenswertes Risikomanagement-Element sind die sog. Notfallkonzepte gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 7.3). Darauf ausgerichtet, den laufenden Betrieb von unternehmensintern oder -extern (d.h. systembezogen) zeitkritischen Aktivitäten und Prozessen sicherzustellen, umfassen sie Geschäftsfortführungs- und Wiederanlaufpläne. Während erstere zur Überbrückung von Ausfallzeiträumen herangezogen werden können, sollen letztere nach Störungsbeseitigung binnen angemessener Zeit eine Rückkehr zum Normalbetrieb gewährleisten.60 Insgesamt betont § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG ähnlich wie § 13 Abs. 1 SAG die Geltung des Proportionalitätsprinzips. Das Risikomanagement ist demgemäß umso detaillierter auszugestalten, je größer, komplexer oder risikoträchtiger die Geschäftstätigkeit des Instituts ist.61 Wiederum ähnlich zu § 12 Abs. 4 SAG, wenngleich weniger strikt institutionalisiert, verlangt § 25a Abs. 1 Satz 5 KWG schließlich eine regelmäßige Überprüfung des Risikomanagements im Hinblick auf seine Angemessenheit und Wirksamkeit.62 4. Aufsichtliche Überprüfung im Rahmen des SREP Die Einhaltung sämtlicher Organisationsvorgaben wird von den Aufsichtsbehörden im Rahmen des sog. aufsichtlichen Überprüfungs- und Evaluierungsverfahrens (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) regelmäßig einer qualitativen Präventivkontrolle63 unterzogen.64 Auch das SREP-Verfahren wurzelt in den Empfehlungen des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS), wurde erstmals mit dem Basel-II-Regel-
2016, § 25a KWG Rn. 178, 562 ff. Zur Rolle der internen Revision im Rahmen des internen Planungsverfahrens s. o., Abschnitt § 4 C. II. 1. a). 60 Vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 7.3 Tz. 2. Zum Ganzen im Kontext der Sanierungsplanung sogleich, Abschnitt § 6 A. II. 2. c) aa). 61 S. zum Proportionalitätsprinzip schon oben, Abschnitt § 3 D. I. 62 Zum Teil konkretisieren die MaRisk diese Vorgabe und sehen (ebenso wie § 12 Abs. 4 Nr. 2 SAG) eine jährliche Prüfung vor, vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 9, AT 4.3.3 Tz. 5, BTR 3.1 Tz. 2. 63 Vgl. BT-Drs. 17/10974, S. 73 und Brocker, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 81 Rn. 40. 64 Dazu umf. Igl/Heuter/Warnecke (Hrsg.), Hdb. SREP; Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen, in: Hofmann (Hrsg.), Basel III, S. 537; Glos, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 13 Rn. 71 ff.; Schuster/Pitz, ZBB 2016, 342; monographisch ferner Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 317 ff. Zum SREP im SSM aus der Perspektive der EZB (bedeutende Institute) s. EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, 9/2014, Rn. 30 ff. sowie zuletzt dies., Broschüre zur SREP-Methodik des SSM – Ausgabe 2017. Zur Perspektive der Bundesbank (weniger bedeutende Institute) s. Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 59 ff.
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werk eingeführt und im Zuge der Basel-III-Reformen deutlich ausgebaut.65 Gemeinsam mit den Anforderungen an die bankinterne Corporate Governance bildet der aufsichtliche Überprüfungsprozess die sog. zweite Säule des aufsichtlichen Gesamtsystems. Wiederum kombiniert mit den anderen beiden Aufsichtssäulen – die quantitativen Eigenmittelanforderungen (Säule 1) und die aufsichtlichen Publizitätsvorgaben (Säule 3) – sollen alle drei Säulen zu einer stabilen Institutssituation und einem stabilen Bankensektor beitragen.66 Auf europäischer Ebene umgesetzt wurden die Basel-Vorgaben zum SREP in den Art. 97 ff. CRDIV, die unmittelbare Ermächtigungsgrundlage zur Überprüfung deutscher Institute liefert § 6b KWG. Zudem wird die praktische Durchführung des SREP seit 1.1.2016 sehr detailliert durch die sog. SREP-Leitlinien der EBA angeleitet.67 Ausgangspunkt für die Durchführung des SREP ist eine Kategorisierung der prüfungsunterworfenen Institute nach Maßgabe des von ihnen ausgehenden Systemrisikos. Die SREP-Leitlinie sieht dazu eine vierstufige Skala vor, beginnend mit sog. global oder sonst systemrelevanten Instituten (Kategorie 1) über mittlere bis große, nicht systemrelevante, aber doch bedeutende Institute (Kategorie 2) bis hin zu kleineren bis mittleren, nicht systemrelevanten Instituten (Kategorien 3 und 4). Als Ausdruck des Proportionalitätsgedankens68 ist die Kategorisierung Grundlage für die Verteilung der aufsichtsbehördlichen Kontrollressourcen und bestimmt die inhaltliche Intensität und Häufigkeit der Überprüfungen.69 Inhaltlich ist der Prüfauftrag an die Aufsichtsbehörden denkbar umfassend ausgestaltet und erstreckt sich auf nahezu alle Geschäftstätigkeiten des Instituts und die damit im Zusammenhang stehenden Risiken. Fortlaufend zu bewerten sind im Einzelnen: die Einhaltung bestimmter Schlüsselindikatoren, das Geschäftsmodell, die interne Governance und institutsweiten Kontrollen (einschließlich aller Anforderungen aus § 25a KWG) sowie die Kapital- und Liquiditäts- bzw. Finanzierungsrisiken des Instituts.70 Ebenfalls regelmäßig überprüft
65 S. BCBS, Basel II, 30.6.2006, Rn. 719 ff. und BCBS, Enhancements to the Basel II framework, 13.7.2009, Rn. 1 ff. Vorschläge für eine intensivere Aufsicht von systemrelevanten Instituten kamen parallel auch vom FSB, vgl. FSB, Intensity and Effectiveness of SIFI Supervision, 2.11.2010. 66 Instruktiv den Hintergründen des SREP im Basel-Regime Alexander, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 334, 354 ff.; ferner Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/ders. (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. zur CRR Rn. 17 ff. 67 Leitlinie zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP), EBA/GL/2014/13, vom 19.12.14, erlassen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 CRD-IV. 68 Vgl. Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 128 Rn. 89. Zum Proportionalitätsprinzip allg. schon oben, Abschnitt § 3 D. I. 69 Vgl. § 6b Abs. 4 KWG (bzw. Art. 97 Abs. 4 Satz 1 CRD-IV); ferner EBA, SREPLeitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 11 ff.; 43 ff. 70 EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 14.
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wird die Angemessenheit der Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung der Institute (sog. SREP-Kapital- und Liquiditätsbewertung).71 Methodisch basiert die aufsichtliche Überprüfung in weiten Teilen auf einer qualitativen Analyse, die gem. § 6b Abs. 3 KWG unter anderem durch aufsichtliche Stresstests ergänzt werden kann.72 Die Bewertung der einzelnen Prüfbestandteile wird durch verschiedene Kriterienlisten angeleitet und mündet in die Vergabe eines sog. Score-Wertes, der von „1“ (kein erkennbares Risiko) bis „4“ (hohes Risiko) reicht. Die in den einzelnen SREP-Elementen erreichten Scores werden im Rahmen einer SREP-Gesamtbewertung zu einem Gesamtscore zusammengefasst. Er soll eine zukunftsbezogene Auskunft darüber geben, wie die Überlebensfähigkeit des Instituts einzuschätzen ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit aufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Institut ergriffen werden müssen.73 Lässt diese Analyse Schwachstellen in den Instituten erkennen, sollen die Aufsichtsbehörden durch den Erlass von Aufsichtsmaßnahmen Abhilfe schaffen. Art. 104 f. CRD-IV sieht dazu einen umfassenden Katalog mit kapital-, liquiditäts-, governance- und unmittelbar geschäfts- und risikobezogenen Maßnahmen vor, den die EZB via Art. 16 Abs. 2 SSM-VO und die BaFin vor allem via §§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 3, 25a Abs. 2 Satz 2, 45b Abs. 1 Satz 1 KWG zur Anwendung bringt. Herausragende Bedeutung kommt hier vor allem der Anordnung ergänzender Kapitalanforderungen zu (sog. Säule-2-Anforderungen), die zusätzlich zu den oben beschriebenen fixen Kapitalquoten und -puffern (sog. Säule-1-Anforderungen) vorzuhalten sind (kombiniert sog. SREP-Gesamtkapitalquote).74 5. Übergreifender Aufsichtsansatz: die sog. qualitative Bankenaufsicht Auf struktureller Ebene sind sowohl die internen Organisationsanforderungen an die Kreditinstitute als auch das aufsichtliche Überprüfungs- und Evaluierungsverfahren dem Konzept der der sog. qualitativen Bankenaufsicht zuzuordnen.75 71 EBA, a. a. O., Rn. 16 f. Der genaue Turnus richtet sich nach der o. g. Kategorisierung des Instituts (alle ein bis drei Jahre). S. zu den technischen Prüfkriterien auch die in weiten Teilen parallele Liste in § 6b Abs. 2 KWG (bzw. Art. 98 Abs. 1 CRD-IV). 72 S. auch Art. 100 CRD-IV. Näher zur Praxis der EZB Glos, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 13 Rn. 96 ff. Zum Verhältnis dieser und anderer aufsichtlicher und interner Stresstests zu den szenariobasierten Belastungsanalysen im Rahmen der Sanierungsplanung sogleich, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) dd). 73 Zur Methodik der SREP-Bewertung EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 27 ff. 74 § 10 Abs. 3 KWG bzw. Art. 16 Abs. 2 lit. a SSM-VO. Die BaFin spricht auch von einem sog. Säule-1-„plus“-Ansatz, vgl. BaFin, Jahresbericht 2017, S. 72 f. Die SREPLeitlinie liefert für die Ausgestaltung dieser und anderer Aufsichtsmaßnahmen weitere Handreichungen und konkretisiert auch das Verhältnis der auf Art. 104 f. CRD-IV basierenden Maßnahmen zu Frühinterventionsmaßnahmen gem. Art. 27 BRRD (§ 36 SAG), vgl. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 502 ff., 547 f. 75 Dazu umf. z. B. Reiling, Der Hybride, S. 145 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 72 ff.; s. ferner Hartmann-Wendels/Hellwig/Jäger-Ambrozewicz, Arbeitsweise der Bankenauf-
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Das Konzept durchdringt heute sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene weite Teile des Aufsichtsrechts im Banken- und Finanzmarktbereich. Historisch hat es sich in schrittweiser Abgrenzung zum ursprünglich dominierenden Bankenaufsichtsrecht gewerbepolizeilicher Prägung entwickelt.76 Letzteres war lange Zeit durch eine deutliche Sphärentrennung zwischen der staatlichen Aufsichtsbehörde (damals noch das Bundesaufsichtsamt über das Kreditwesen, BAKred) und ihren Aufsichtsobjekten, den Banken, gekennzeichnet. Den materiellen Kern der Bankenaufsicht bildete – neben der Marktzugangskontrolle durch die (Nicht-)Erteilung von Banklizenzen – vor allem die regelmäßige Überprüfung der quantitativ formulierten Eigenmittelvorgaben, welche einerseits auf Grundlage des laufenden Anzeige- und Meldewesens der Banken erfolgte, in weiten Teilen aber auch der Prüfung durch Wirtschaftsprüfer überlassen wurde.77 Eigene enge Kontakte des BAKred zu den Instituten waren in diesem, von „hoheitlicher Distanz“ 78 und nur punktuellem behördlichen Einschreiten geprägten Aufsichtsstil eher selten. Im voranschreitenden Prozess der Dynamisierung, Globalisierung und Komplexitätssteigerung der internationalen Finanzmärkte erwies sich dieser Aufsichtsmodus zunehmend als defizitär.79 Namentlich im Bereich der quantitativen Eigenkapitalregulierung förderte die Aufsichtserfahrung Mängel zutage, die auf struktureller Ebene den bereits beschriebenen80 Beobachtungen im Bereich des traditionellen Risikoverwaltungsrechts (vor allem Umwelt- und Technikrecht) schon während der 1980er Jahre ähnelten: Als problematisch erwies sich insbesondere die fehlende Flexibilität quantitativ gefasster Kapitalvorgaben. Ihre überwiegend regelförmige Normstruktur ermöglicht zwar eine relativ leichte Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden81 und verschafft allen Beteiligten, Instituten wie Behörden, ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Rein quantitativ gefasst, bieten sie aber kaum Möglichkeiten, um individuelle Besonderheiten der Institute, aktuelle Aufsichtserfahrungen oder gar zukunftsgewandte Risikoprognosen zu integrieren.82 Schließlich provozieren starre Regeln auf Seiten der aufsichtssicht, S. 20 ff.; Paul, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 62 ff.; monographisch auch Markel, Qualitative Bankenaufsicht. 76 S. zum Nachfolgenden zsf. (m.w. N.) auch Reiling, Der Hybride, S. 145 f. Umf. zur hist. Entwicklung des traditionellen Aufsichtsmodells in Deutschland Lütz, Staat und die Globalisierung, S. 116 ff.; monographisch Mayer, Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. 77 Vgl. Bähre, in: FS Scholz, S. 35, 41, 43; Heblich, Bilanzierungsrichtlinien, S. 30. 78 Lütz, Staat und die Globalisierung, S. 128. 79 S. auch insoweit zsf. (m.w. N.) Reiling, Der Hybride, S. 147 ff. 80 S. o., Abschnitt § 5 B. I. 1. 81 Paul, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 62 spricht von einer rein „registrierenden Funktion“ der Aufsichtsbehörden in diesem Bereich. 82 So basiert etwa die Gesamtkapitalquote i. H. v. 8 % (Art. 92 Abs. 1 CRR) auf einem historischen Durchschnittswert, namentlich der durchschnittlichen Ausfallhöhe der
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unterworfenen Institute Ausweichreaktionen und laufen damit Gefahr, ihr ursprünglich anvisiertes Steuerungsziel zu verfehlen.83 Seit etwa Mitte der 1990er Jahre stellte sich deshalb zunehmend ein konzeptioneller Wandel in der Bankenaufsicht ein. Im Zentrum stand fortan nicht mehr allein die Einhaltung rein abstrakt-quantitativ formulierter Kapitalvorgaben, sondern eine ebenso ganzheitliche wie institutsindividuelle Risikobetrachtung. Im Sinne einer „gemischten“ Aufsichtskonzeption84 geht es der qualitativen Bankenaufsicht dementsprechend vor allem auch um die „Qualität“ der intern vorgehaltenen Corporate Governance, einschließlich der Regelungen und Verfahren zum Risikomanagement.85 Die diesbezüglichen Instrumente und Mechanismen werden dazu aus ihrer ursprünglich rein unternehmensbezogenen Zwecksetzung herausgelöst, durch aufsichtsrechtliche Anforderungen und Kontrollen überformt und so für bankenaufsichtsrechtliche Zwecke fruchtbar gemacht.86 Erster deutlicher Entwicklungsschritt87 in diese Richtung war die Einführung des § 25a KWG mit der 6. KWG-Novelle im Jahr 1997. Weiter geprägt und international forciert wurde dieser Schwenk in der Grundausrichtung der laufenden Bankenaufsicht sodann vor allem durch den Baseler Ausschuss für Bankaufsicht (BCBS) und seine Vorschläge zum Basel-II-Rahmenwerk.88 Kern der qualitativen Bankenaufsicht sind demnach heute die Anforderungen in Säule 2 des Basel-Systems, bestehend aus den Vorschriften zur internen Corporate Governance der Institute (einschließlich Risikomanagement) und dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Evaluierungsverfahren (SREP) (gemeinsam sog. Supervisory Review
Banken bei ihren Kunden, vgl. Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 51; zu Pauschalität und Beliebigkeit dieser Festsetzung Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 282 f. S. zu dieser Temporalstruktur regelförmiger Normen ebenfalls schon oben, Abschnitt § 5 B. I. 1. 83 Dazu ausf. Münzer, Bankenaufsicht, S. 103 ff.; Voß, Unternehmenswissen, S. 95 ff. S. auch Hartmann-Wendels/Hellwig/Jäger-Ambrozewicz, Arbeitsweise der Bankenaufsicht, S. 20 f.; Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 343. 84 Lütz, Staat und die Globalisierung, S. 254 ff. (dort aus vergleichender Perspektive zur Entwicklung in den USA, Großbritannien und Deutschland); ebenso Reiling, Der Hybride, S. 146. 85 S. zum Begriff statt vieler Artopoeus, in: Pitschas (Hrsg.), Integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 265, 270 f.; Burgi, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 4 A. Rn. 6; Röhl, in: Fehling/Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 18 Rn. 47; ferner Wundenberg, Compliance, S. 72; Reiling, Der Hybride, S. 147 (jeweils m.w. N.). 86 Vgl. Wundenberg, a. a. O., S. 83, 115 (auf S. 72 auch m.w. N.). 87 Einzelne qualitative Elemente waren auch schon vorher im deutschen Bankenaufsichtsrecht vorhanden, vgl. Paul, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 18 Rn. 62. So veröffentlichte etwa die BAKred bereits 1975 ein Rundschreiben mit „Mindestanforderungen für bankinterne Kontrollmaßnahmen bei Devisengeschäften“, das ebenfalls qualitative Anforderungen formulierte, vgl. Sanio, in: FS Rudolph, S. 15, 26. 88 Vgl. Wundenberg, Compliance, S. 16 ff.; Strulik, Risikomanagement, S. 207 ff.
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Process, SRP).89 Diese Elemente wurden auch durch die Basel-III-Reformen nicht im Grundsatz verändert, sondern nur partiell fortentwickelt.90 Ihre Umsetzungen auf europäischer und nationaler Ebene in Art. 73 ff. CRD-IV bzw. §§ 25a und 6b KWG wurden soeben bereits beleuchtet. Hervorhebenswert sind an dieser Stelle jedoch noch einige strukturelle Aspekte: Auf der Normebene äußert sich die Hinwendung des Aufsichtsrechts zu qualitativen Fragen vor allem durch eine prinzipienförmige Formulierung der Aufsichtsanforderungen.91 Beispielhaft sei hier nochmals auf § 25a KWG verwiesen, der mit Begriffen wie „ordnungsgemäße Geschäftsorganisation“ und „angemessenes und wirksames Risikomanagement“ zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. Sie bedürften einer unternehmensspezifischen Ausformung im Rahmen der Rechtsanwendung und regen dadurch eine zukunftsgewandte, den aktuellen und zukünftigen Erfordernissen fortlaufend Rechnung tragende Aufsichtspraxis an.92 Im Aufsichtsverhältnis führt dieser qualitative Aufsichtsansatz zu einer deutlich intensiveren Kommunikation im Verhältnis zwischen Institut und Behörde.93 Explizit hebt die EBA insoweit in der SREP-Leitlinie hervor, das Überprüfungsverfahren sei als dialogorientiertes Verfahren zu verstehen, bei dem gemeinsame Entscheidungen von Institut und Behörde im Vordergrund stünden.94 Ansprech89 Mit der Anerkennung interner Risikomessverfahren (sog. IRB-Ansatz) finden sich aber auch in den Säule-1-Anforderungen qualitative Elemente, vgl. Kaufhold, in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen, S. 151, 169 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 73 ff. 90 BCBS, Enhancements to the Basel II framework, 13.7.2009, S. 9 ff.; vgl. auch Wundenberg, a. a. O., S. 22. 91 Gerade im anglo-amerikanischen Raum ist deshalb, weitgehend synonym, von einer prinzipienbasierten Regulierung (principle-based regulation) die Rede, vgl. etwa Moloney, in: Baldwin/Cave/Lodge (Hrsg.), Oxford Handbook of Regulation, S. 437, 447 ff. (m.w. N.). Umf. zur Einordnung der qualitativen Bankenaufsicht als Anwendungsfall einer prinzipienorientierten Regulierung Wundenberg, Compliance, S. 72 ff., 83 f. 92 Hartmann-Wendels/Hellwig/Jäger-Ambrozewicz, Arbeitsweise der Bankenaufsicht, S. 24. Vgl. auch BaFin/Bundesbank, Aufsichtsrichtlinie, Ziff. 3.2.1 (1): „zukunftsgerichtete und risikoorientierte“ Bewertung aller Risiken des Instituts, seiner Organisation und internen Kontrollverfahren sowie seiner Risikotragfähigkeit. Lütgerath, Vorgaben zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation, S. 259 ff. will in diesem Bereich angesichts der zunehmenden Detaildichte der aufsichtsrechtlichen Anforderungen seit der Finanzkrise aber auch Anhaltspunkte für eine Abkehr vom qualitativ-prinzipienförmigen Aufsichtskonzept sehen. 93 Ausf. dazu Simler, in: FS Schönwitz, S. 537; s. auch Wundenberg, Compliance, S. 63, 84, 100 f.; Schmitz-Lippert/Schneider, WPg 2005, 1353, 1354 f.; Thiele, Finanzaufsicht, S. 213, 218. Zur gestiegenen Rolle von Vor-Ort-Prüfungen schon unter BaselII Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 285; Brocker, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 81 Rn. 40; Träm, Neue Entwicklungen, S. 111. S. dazu zuletzt (im September 2018) aus Sicht der EZB, deren Rechtsgrundlage insoweit Art. 12 SSM-VO ist, EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, 9/2018. 94 S. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 23, 26, 41(d), 41(e); ähnl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 89; ferner schon BCBS, Basel II, 30.6.2006,
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partner der Aufsicht ist dabei nicht nur die Geschäftsleitung, sondern vor allem auch die interne Revision der Institute.95
II. Verbindungslinien des Sanierungsplanungsrechts 1. Die Sanierungsplanung als Teil der sog. qualitativen Bankenaufsicht Auf dieser strukturellen Betrachtungsebene lassen die soeben beschriebenen Aufsichtsregeln deutliche Parallelen zum Sanierungsplanungsrecht erkennen. Sowohl in den Baseler Säule-2-Anforderungen als auch im Sanierungsplanungsrecht herrscht auf der Normebene eine Programmstruktur vor, die durch eine eher finale anstelle einer konditionalen Ausrichtung auffällt.96 Hier wie dort steht, wenngleich zum Teil unterschiedlich stark institutionalisiert,97 ein fortwährender, zeitlich geöffneter Austausch zwischen Behörde und Institut im Vordergrund und ist das Verfahren auf einen „kollektiven Lernprozess“ 98 hin ausgerichtet. Es mag deshalb kaum überraschen, dass Teile der Literatur – ähnlich wie hier für das Sanierungsplanungsrecht99 – auch mit Blick auf die Vorschriften zur Geschäftsorganisation sowie zum aufsichtlichen Überprüfungs- und Evaluierungsverfahrens (SREP) eine Anknüpfung an die bisher vor allem im Risikoverwaltungsrecht prägenden regulierungstheoretischen Ansätze suchen und ausgehend von dieser Perspektive einen prozeduralen bzw. mit dem Konzept regulierter Selbstregulierung verwandten Steuerungsmodus diagnostizieren.100 Ähnliches ist Rn. 722; CEBS, Guidelines on the Application of the Supervisory Review Process under Pillar 2 (CP03 revised), 25.1.2006, S. 2. 95 Kießling/Kießling, WM 2003, 513, 514; Suyter, WM 2002, 991, 992. Umf. zur Notwendigkeit einer intensiven Kommunikation zwischen interner Revision und Aufsichtsbehörden sowie externen Wirtschaftsprüfern Arndorfer/Minto, The „four lines of defence model“, S. 13 ff., passim; BCBS, The internal audit function in banks, 28.6. 2012, Rn. 72 ff. 96 Vgl. mit Blick auf § 25a KWG nochmals Wundenberg, Compliance, S. 54 f.; ferner Voß, Unternehmenswissen, S. 162; mit Blick auf das Sanierungsplanungsrecht schon oben, Abschnitt § 5 B. II. 3. a), III. 1. 97 Anders als im Sanierungsplanungsrecht (§§ 15 f. SAG) ist der Dialog zwischen Instituten und Aufsichtsbehörden im Rahmen des SREP gesetzlich nicht näher ausgestaltet, sondern wesentlich dem behördlichen Ermessen überantwortet. Zur Verwaltungspraxis der Aufsichtsgespräche im Rahmen der laufenden Aufsicht s. EZB, SSMAufsichtshandbuch, 3/2018, S. 89 f. und für die nationale Aufsicht BaFin/Bundesbank, Aufsichtsrichtlinie, Ziff. 3.4.1. 98 So mit Blick auf die qualitative Bankenaufsicht Strulik/Kussin, ZfRSoz 26 (2005), 101, 122; vgl. auch Strulik, Risikomanagement S. 272 f. Reiling, Der Hybride, S. 154 spricht treffend von einer „dialogischen Kopplung privater und öffentlicher Organisation“, die im SREP-Verfahren deutlich werde, Voß, Unternehmenswissen, S. 172 ff. von einem „nachvollziehend-dialogischen Charakter“ der Aufsichtstätigkeit. S. dazu auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 324 ff. 99 S. ausf. oben, Abschnitt § 5 B. 100 S. etwa Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 102 (Zuordnung der Risikomanagementvorgaben zur regulierten Selbstregulierung); ebenso Burgi, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risiko-
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freilich in umgekehrter Richtung, d.h. in Anknüpfung an die im Bankenaufsichtsrecht gewachsene Terminologie, auch im hiesigen Zusammenhang möglich: Das Sanierungsplanungsregime mag zwar einen anderen Entstehungshintergrund aufweisen als die soeben beschriebenen Regelungen, weil es nicht in den Anforderungen des Basel-Rahmenwerks wurzelt, sondern wesentlich auf die eigenständigen Regulierungsinitiativen des FSB im Nachgang der letzten Krise zurückzuführen ist.101 In ihrem Kern stellen aber auch die §§ 12 ff. SAG (Art. 5 ff. BRRD) qualitative Anforderungen an das krisenbezogene Risikomanagement der Institute und verwenden dabei auch vergleichbare Steuerungsmittel.102 Schon aus diesem Grund wird man letztlich auch das Sanierungsplanungsrecht als organisch gewachsenen Bestandteil der qualitativen Bankenaufsicht ansehen können. Ungeachtet dieser strukturellen Zuordnungsfragen zeigen sich auch auf unmittelbar operationeller Ebene zahlreiche Zusammenhänge und Überschneidungen zwischen der Sanierungsplanung und dem sanierungsplanungsbasierten Krisenmanagement einerseits und den Instrumenten der laufenden Bankenaufsicht andererseits. Dieses Zusammenwirken im Einzelnen nachzuzeichnen, soll Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein. Sinnvoll ist es dabei, zwischen einer institutsinternen Perspektive (dazu 2.) und einer aufsichtsseitigen Perspektive (dazu 3.) zu differenzieren. 2. Sanierungsplanung und allgemeines Risikomanagement der Institute Betrachtet man die Zusammenhänge zwischen dem Sanierungsplanungsrecht und den übrigen mikroprudenziellen Aufsichtsregeln aus bankseitiger Perspektive, so sticht zunächst Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD ins Auge. Im Stile einer programmatischen Grundsatznorm ordnet er den Sanierungsplan als Instrument der
management, § 4 A. Rn. 8, 23; Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 352; Ohler, in: Bes. VerwR I, § 32 Rn. 66; Piel, in: Voigt (Hrsg.), Globalisierung des Rechts, S. 203, 215; Junker, Gewährleistungsaufsicht, S. 93 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 65 (Fn. 260). Ähnl. mit Blick auf das Kapitalmarktrecht Augsberg, DV 49 (2016), 369, 375–379; Junker, a. a. O., S. 101 ff. S. zum schweizerischen Finanzmarktrecht schließlich Zulauf, in: Jung/Schwarze (Hrsg.), Finanzmarktregulierung, S. 83. Die Vorschriften zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (§ 25a KWG) demgegenüber einem prozeduralen Regulierungsansatz zuordnend Binder, ZGR 2015, 667, 702; ders., ZGR 2007, 745, 749; ferner wohl auch Reiling, Der Hybride, S. 150 f., 155 ff. S. schließlich auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 93 ff.; Voß, Unternehmenswissen, S. 118 ff., jeweils mit der Einordnung des qualitativ geprägten Bankenaufsichtsrechts als Risikoverwaltungsrecht, gekennzeichnet durch prozedurale Steuerungsmechanismen und einer gezielten Einbindung der Unternehmensressourcen in die Gemeinwohlverwirklichung. 101 Zu den daraus resultierenden Problemen noch unten, Abschnitt § 6 A. III. 102 S. umf. zu den verfahrensbezogenen Strukturmerkmalen des Sanierungsplanungsrechts (namentlich seine Prozess-, Diskurs- sowie Lern- und Wissensorientierung) oben, Abschnitt § 5 B.
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Unternehmenssteuerung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 CRD-IV ein103 und stellt damit auf normativer Ebene eben jene Verknüpfung her, die auch auf bankbetriebswirtschaftlicher Ebene heute weithin anerkannt ist: Der Sanierungsplan ist eine spezifisch krisenbezogene Weiterentwicklung des allgemeinen Risikomanagements der Institute.104 Die unmittelbar planungsbezogenen Einzelvorschriften tragen diesem Konnex jedoch nur in vergleichsweiser knapper und mittelbarer Form Rechnung, indem sie auf eine Integration des Sanierungsplans in das allgemeine Risikomanagement hinwirken105 und eine angemessene Kohärenz zwischen beiden Steuerungssystemen verlangen.106 Wo genau dieses Kohärenz- und Integrationsgebot tatsächlich Bedeutung erlangt, ergibt sich bei isolierter Betrachtung der Vorschriften des Sanierungsplanungsrechts indes kaum. Im Folgenden sollen deshalb die wichtigsten Verbindungslinien zwischen dem allgemeinen Risikomanagement der Institute und der Sanierungsplanung nachgezeichnet werden. Sie betreffen den Prozess zur Gewährleistung der Risikotragfähigkeit (dazu a)), das interne Kontrollsystem (dazu b)) sowie die verschiedenen Notfallkonzepte des allgemeinen Risikomanagements (dazu c)). Stets ist dabei die Frage aufgeworfen, wie das Bedürfnis nach Integration und Kohärenz befriedigt werden kann, ohne dabei den eigenständigen Steuerungsbeitrag des Sanierungsplanungsrechts und damit auch dessen ergänze Funktion gegenüber dem allgemeinen Risikomanagement allzu sehr in den Hintergrund treten zu lassen. a) Sanierungsplanung und Risikotragfähigkeit aa) Risikotragfähigkeitsanforderungen im allgemeinen Risikomanagement Die von Banken wahrgenommene Finanzintermediation ist untrennbar mit dem Eingehen finanzieller Risiken verbunden.107 Ein bankbetriebliches Risikomana103 S. ähnl. auch schon Art. 74 Abs. 4 CRD-IV in der Ursprungsfassung vom 26.6.2013. Vgl. auch de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 398 (2019) („the recovery plan seems to be a document of an internal corporate nature“). 104 Vgl. Cichy, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 23 Rn. 10, 29; ders., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 9, 39; Hinrichs/Fischer/Daferner, Die Bank 12/2014, 42, 45; Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 280; Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 42 f.; Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 15, 17; Theissen, EU Banking Supervision, S. 798; Troiano/Ginevri, Open Rev. M. B. F., 15.6.2016, sub. 3 und 4.; Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 3. 105 Vgl. ErwG 7 und Art. 5 Nr. 1 lit. c del. VO 2016/1075 sowie § 13 Abs. 5 SAG (unter der „Implementierung“ des Sanierungsplans ist laut BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, D. Tz. 1 dessen Integration in die allgemeinen Geschäfts-, Risikosteuerungs- und Controllingprozesse des Instituts zu verstehen). In diese Richtung auch schon FSB, Key Attributes, 15.10.2014, I-Annex 4 Rn. 1.18. 106 Vgl. ErwG 8 und Art. 5 Nr. 4 del. VO 2016/1075. 107 S. dazu schon die einführende Darstellung oben, Abschnitt § 2 A. I., II.
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gement, das in erster Linie auf eine Risikovermeidung abzielt, wäre deshalb mit dem Geschäftsmodell von Banken unvereinbar. Diese Einsicht spiegeln auch die aufsichtsrechtlichen Regeln zum bankinternen Risikomanagement wider. Anstelle einer strikten Risikobegrenzung steht in ihrem Zentrum das Konzept der sog. Risikotragfähigkeit108 – im europäischen Aufsichtsrecht Bestandteil des sog. Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP)109 und im nationalen Aufsichtsrecht prominent umgesetzt in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1).110 Das Konzept basiert auf einer Gegenüberstellung der von den Instituten eingegangenen Risiken (sog. Risikopotential) mit dem ihnen zur Verfügung stehenden sog. Risikodeckungspotential. Das Risikopotential der Institute wird auf Grundlage ihres Gesamtrisikoprofils im Rahmen einer sog. Risikoinventur quantifiziert.111 Das Risikodeckungspotential umfasst alle institutsintern vorhandenen Finanzmittel, die im Falle einer Materialisierung von Risiken zur Verlustabsorption zur Verfügung stehen.112 Die Risikotragfähigkeit ist gegeben, wenn das institutsintern zur Risikoabsicherung vorhandene Kapital ausreicht, um alle wesentlichen Risiken des Instituts abzudecken, das Risiko108 Zu Risikotragfähigkeit und ICAAP ausf. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, S. 233 ff.; Riepe/Engelbach/Kämmler et al., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 7 Rn. 525 ff.; ferner Beck/Kramer, in: Becker/Gruber/Heuter (Hrsg.), Hdb. MaRisk, 3. Aufl. 2018, S. 33; Benzler/Krieger, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 11 Rn. 16 ff.; DSGV, Interpretationsleitfaden MaRisk (Version 6.1), S. 261 ff.; Gann/Rudolph, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 606 ff.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 506 ff.; Volk/Wiesemann, ZfgK 2012, 267. Parallel zur Einzel- und Gruppensanierungsplanung ist auch die Risikotragfähigkeit nicht nur Entitäts- sondern auch auf Gruppenebene sicherzustellen, vgl. § 25a Abs. 3 KWG (Art. 108 Abs. 2 CRD-IV); MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.5 Tz. 3. S. dazu Mülbert/Wilhelm, a. a. O., 530 ff. 109 Vgl. Art. 73 CRD-IV; zum Begriff BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 13 ff. Zu den praktischen Erwartungen der europäischen Aufsichtsbehörden an den ICAAP s. EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018 und EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 101 ff.; ferner auch schon EZB, Mehrjahresplan zum ICAAP und zum ILAAP, 20.2.2017; dies., Aufsichtliche Erwartungen an ICAAP und ILAAP, 8.1. 2016. 110 BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 3, 16. Hinzu treten ferner die spezifisch abwicklungsbezogenen Risikotragfähigkeitsanforderungen, die unter den Abkürzungen TLAC (Total Loss Absorbing Capacity) und MREL (Minimum Requirements for Eligible Own Funds and Liabilities) firmieren. S. dazu z. B. Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 43 ff. (dort auch bereits zu den diesbezüglichen Neuerungen durch die (Änderungs-) Richtlinie (EU) 2019/879 vom 20.5.2019). 111 Zu berücksichtigen sind dabei gem. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 1, 4 grundsätzlich alle für das Institut wesentlichen Risiken (zum Begriff: MaRisk (BA) 9/2017, AT 2.2 Tz. 1) und Risikokonzentrationen. Mit Blick auf die Sanierungsplanung können die Ergebnisse der regelmäßigen Risikoinventuren ggf. eine unterjährige Planaktualisierung gem. § 12 Abs. 4 Nr. 2 SAG anregen, vgl. Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/ Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 66; ebenso Blaß, Abwicklung von Banken, S. 210. 112 Gann, ZfgK 2017, 380, 383. Art. 73 CRD-IV spricht schlicht vom „internen Kapital“.
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deckungspotential des Instituts also mindestens so groß ist wie sein Risikopotential. Umgekehrt ist die Risikotragfähigkeit nicht gegeben, wenn das Risikopotential das vorhandene Risikodeckungspotential übersteigt.113 In diesem Fall stehen dem Institut grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung: Entweder es baut seine Risiken ab114 oder es erhöht sein Risikodeckungspotential.115 Insgesamt schafft das Konzept damit einen flexiblen Handlungsrahmen, bei dem das übergeordnete Ziel, die jederzeitige Gewährleistung der Risikotragfähigkeit, über zwei Stellschrauben verwirklicht werden kann. Was die weitere Umsetzung der Risikotragfähigkeitsanforderung durch die Institute betrifft, gilt – wie im Hinblick auf weite Teile des übrigen Risikomanagements auch – im Grundsatz Methodenfreiheit.116 Begrenzt wird diese Freiheit einerseits durch das Vorsichtsprinzip117 und die qualitativen Rahmenvorgaben der Solidität, Wirksamkeit und Vollständigkeit.118 Andererseits müssen die von den Instituten gewählten Methoden und Verfahren auch den übergeordneten Zielen des Risikotragfähigkeitsregimes gerecht werden, namentlich das Ziel einer langfristigen und autonomen Fortführungsfähigkeit des Institutes und das Ziel eines Schutzes der Gläubiger vor Verlusten im Liquidationsfall. 119 Zur Umsetzung dieser Ziele gehen die Aufsichtsbehörden heute120 davon aus, dass das interne Risikotragfähigkeitskonzept grundsätzlich zwei einander ergän113
Vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 1. Das Erfordernis der jederzeitigen Risikotragfähigkeit wirkt sich insofern begrenzend auf die Wahl des sog. Risikoappetits (zum Begriff: BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.2 Tz. 2) der Institute aus. Zulässig sind nur Risiko- und Geschäftsstrategien, die die Risikotragfähigkeit nicht beeinträchtigen, vgl. MaRisk (BA) 9/ 2017, AT 4.2 Tz. 1. Operativ umgesetzt wird diese Anforderung durch die Einrichtung eines ausdifferenzierten Risikolimitsystems für alle Geschäftsbereiche und Risikoarten, vgl. BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2 Tz. 1. 115 S. zu dieser Grundstruktur wiederum statt vieler Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.1 Rn. 30. 116 MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 8; BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 6. 117 Gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Hs. 2 KWG soll die Ermittlung des Risiko- und des Risikodeckungspotentials vorsichtig erfolgen (vgl. auch EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 2, S. 14, Rn. 51: „solide und konservativ“). Zur Bedeutung dieses Vorsichtsprinzips im Rahmen der Sanierungsplanung s. o., Abschnitt § 5 C. III. 2. 118 Dazu näher BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 9; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 94 ff. 119 MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 2; BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 15, 20; EZB, a. a. O., Rn. 39. 120 Die neuen Anforderungen gelten seit 2018/2019 und haben die in Deutschland vorher prominenten Ansätze (sog. Fortführungsperspektive/Going-Concern-Perspektive, und sog. Liquidationsperspektive/Gone-Concern-Perspektive) weitgehend abgelöst. Für Institute unter nationaler Aufsicht bleibt aber bis auf Weiteres die Anwendung der Going-Concern-Ansätze alter Prägung zulässig, vgl. BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 8 und Annex. Ausf. zu diesen alten Ansätzen z. B. Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, 4. Aufl. 2013, S. 181 ff.; s. auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 513 f. 114
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zende Betrachtungsperspektiven umfassen sollte, eine sog. normative Perspektive und eine sog. ökonomische Perspektive.121 Die normative Perspektive122 untersucht die Risikotragfähigkeit in enger Anlehnung an das aufsichtsrechtliche Solvabilitätsregime und baut auf die dort vorgesehenen Kennzahlen, Steuerungsgrößen und Berechnungslogiken auf. Das Risikodeckungspotential setzt sich in dieser Perspektive zusammen aus den aufsichtsrechtlich definierten Eigenmitteln sowie allen weiteren Kapitalbestandteilen, die aufsichtsrechtlich zur Erfüllung der Solvabilitätsanforderungen anerkannt sind. Die Quantifizierung des Risikopotentials basiert ebenfalls auf aufsichtsrechtlichen Vorgaben. Relevant sind hier vor allem die in der CRR für Kredit- und Markpreisrisiken sowie operationelle Risiken geregelten Verfahren und Methoden zur Risikogewichtung. Insgesamt trägt die normative Perspektive vor allem dem eingangs genannten Ziel der dauerhaften Fortführung des Instituts Rechnung.123 Zugrunde liegt insoweit die Erwägung, dass der Geschäftsbetrieb langfristig nur dann möglich ist bzw. von den Aufsichtsbehörden zugelassen wird, wenn das Institut alle regulatorisch vorgesehen Solvabilitätsanforderungen erfüllt. Ist dies nicht der Fall, drohen geschäftsbeschränkende Eingriffsmaßnahmen und als Ultima ratio eine Untersagung der Geschäftstätigkeit oder, im Krisenfall, eine Abwicklung des Instituts.124 Dies zu verhindern ist Hauptzweck der normativen Risikotragfähigkeitsperspektive.125 Demgegenüber zielt die ökonomische Perspektive126 auf die langfristige Erhaltung der Kapitalsubstanz der Institute aus rein wirtschaftlicher Sicht. Losgelöst von den aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsregeln geht es darum, die Risikotragfähigkeit aus einem (markt-)wertbezogenen Blickwinkel zu analysieren und damit vor allem Institutsgläubiger vor Verlusten zu schützen.127 Die Verlustantizipation und -quantifizierung sowie die Bestimmung des Kapitalbedarfes nehmen die Institute hier nach eigenen Verfahren und Methoden vor, ohne an bilanzielle oder aufsichtsrechtliche Regularien gebunden zu sein.128 Die Aufsichtsbehörden er121
BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 21. Ausf. zum Ganzen BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 22 ff.; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 41 ff. S. ferner BaFin, Neufassung des RTF-Leitfadens – Normative Perspektive, 29.5.2018. 123 BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 25. 124 Vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG und § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG. 125 BaFin, Neufassung des RTF-Leitfadens – Normative Perspektive, 29.5.2018, S. 8. 126 Ausf. zum Ganzen BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 37 ff.; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 48 ff. S. ferner Bundesbank, Neufassung des RTF-Leitfadens – Ökonomische Perspektive, 29.5.2018. 127 BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 37; Bundesbank, Neufassung des RTF-Leitfadens – Ökonomische Perspektive, 29.5.2018, S. 4. Mittelbar hat freilich auch die normative Perspektive gläubigerschützende Wirkung, denn der (kollektive) Gläubigerschutz gerade ist gerade wesentliches Regelungsziel der Solvabilitätsvorschriften (s. o., Abschnitt § 6 A. I. 1.). 128 Letztlich kommt also vor allem hier die eingangs erwähnte Methodenfreiheit der Institute voll zum Tragen, vgl. EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 50. Gerade hier ist 122
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
achten grundsätzlich beide Risikotragfähigkeitsperspektiven als erforderlich, um die genannten Zieldimensionen zu verwirklichen. Sie sind auf eine wechselseitige Ergänzung hin ausgelegt.129 Zwar bezieht sich die Risikotragfähigkeitsanalyse grundsätzlich nicht nur auf den unmittelbaren finanziellen Status quo der Institute, sondern erstreckt sich auf einen einjährigen Betrachtungszeitraum. 130 Da aber jede Analyse jeweils nur momentane Aussagen bieten kann, ist gleichwohl eine regelmäßige Wiederholung der Risikotragfähigkeitsanalyse erforderlich.131 Darüber hinaus wird die situative Risikotragfähigkeitsrechnung schließlich durch einen zukunftsgerichteten Kapitalplanungsprozess ergänzt. Als Teil der normativen Risikotragfähigkeitsperspektive ist in ihm der prognostische Kapitalbedarf des Instituts unter Berücksichtigung etwaiger Veränderungen der Geschäftstätigkeit, der strategischen Ziele sowie der Umweltbedingungen des Instituts zu analysieren, wobei sowohl normale Marktumstände (sog. Planszenarien) als auch angespannte Marktumstände (sog. adverse Szenarien bzw. Stressszenarien) zugrunde zu legen sind. Betrachtungshorizont ist hier ein mittelfristiger Zeitraum von mindestens drei Jahren, wobei der Plan jährlich fortgeschrieben wird.132 bb) Sanierungsplan als krisenspezifisches Risikotragfähigkeitskonzept Ausgehend von dieser Betrachtung lässt sich auch der Sanierungsplan strukturell als Instrument zur Gewährleistung der Risikotragfähigkeit rekonzeptualisieren, dies allerdings mit speziell krisenbezogenem Bezug. Deutlich wird dabei, dass die Sanierungspläne und das planungsbasierte Krisenmanagement vor allem als Ergänzung und Ausgleich für die Grenzen des Solvabilitätsregimes und die darauf aufbauende Risikotragfähigkeitsrechnung in normativer Perspektive zu sehen sind.133 aber auch dem Prinzip einer vorsichtigen bzw. konservativen Quantifizierung der Risiken und des Risikodeckungspotentials Rechnung zu tragen, vgl. EZB, a. a. O., Rn. 2, 51 und § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a. E. 129 BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 67; EZB, a. a. O., Rn. 54 ff. (auf S. 25–27 mit konkreten Beispielen). S. im Ansatz auch MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 2 inkl. Erläuterungen. 130 BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 17. 131 In der Praxis hängt der Prüfrhythmus davon ab, wie volatil sich das Risiko- und das Risikodeckungspotential verhalten und wie viel Spielraum bis zur Unterschreitung der Risikotragfähigkeitsanforderung verbleibt, vgl. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 106(d); Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 93. Unabhängig vom operativen Analyserhythmus sind die gewählten Methoden und Verfahren mindestens jährlich zu überprüfen, vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 9. 132 S. zum Ganzen MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.1 Tz. 11 (inkl. Erläuterungen); BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 31 ff.; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 44 ff. 133 Vgl. im Ansatz auch schon Gann, ZfgK 2017, 380, 385 (= ders., in: Igl/Krüger/ Stepanek et al. (Hrsg.), Bankenabwicklung und MREL, S. 61). Ebenfalls knapp auf die
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Letztere werden in Funktion vor allem durch zwei Umstände begrenzt:134 Erstens wirken die Solvabilitätsvorschriften – und ihnen folgend auch das Risikotragfähigkeitskonzept – nicht auf eine vollständige, sondern nur auf eine partielle Risikoabdeckung hin, die auf wahrscheinlichkeitsgewichteten Risikobetrachtungen basiert.135 Diese Begrenzung des Risikodeckungspotentials ist solange unproblematisch, wie sich Verluste tatsächlich nur im Umfang des ex ante prognostizierten Erwartungswerts realisieren. Überschreiten die tatsächlich eintretenden Verluste aber die ursprüngliche Schadensprognose, dann kann es trotz vorheriger Solvabilitätsvorsorge zur Insolvenz des Instituts kommen. Damit eng verknüpft, stößt das Solvabilitätsregime – zweitens – auch in zeitlicher Hinsicht auf Grenzen. Ohne effektive Rekapitalisierungsmechanismen steht das Risikodeckungspotential grundsätzlich nur einmal zur Verlustabsorption zur Verfügung. Sind die Eigenmittelpolster des Instituts durch eine vorangehende finanzielle Belastungssituation also erst einmal angegriffen oder gar aufgezehrt, dann ist das Institut besonders anfällig gegenüber weiteren Verlusten, die im Rahmen einer nachfolgenden Krisensituation auftreten können.136 Das Solvabilitätsregime und ein darauf aufbauendes, normativ orientiertes Risikotragfähigkeitskonzept sind also zu ihrer vollen Funktionsfähigkeit zwingend auf ein ergänzendes Instrument angewiesen, dass nach Eintritt gravierender Verluste und einer Aufzehrung von Risikodeckungspotential eine zügige Restabilisierung des Instituts ermöglicht.137 Eben diese Funktion erfüllt der Sanierungsplan als spezifisch krisenbezogenes Risikotragfähigkeitskonzept.138 In kapitalbezogener Hinsicht zielt er darauf ab, ergänzende Wirkung der Sanierungs- und Abwicklungsplanung neben dem Solvabilitätsregime hinweisend Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 210 (2013). 134 Vgl. auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 230. 135 In der Praxis wird hier vor allem das sog. Value-at-Risk-Konzept (VaR) verwendet. Vgl. dazu Hartmann-Wendels/Hellwig/Jäger-Ambrozewicz, Arbeitsweise der Bankenaufsicht, S. 12 ff.; ferner Neus, in: Luz/ders./Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, Einf. Rn. 81–84. Laut Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 52 orientiert sich die Gesamtkapitalquote gem. Art. 92 CRR i. H. v. 8 % an der historisch durchschnittlichen Ausfallhöhe der Kreditkunden der Banken. Zu den Grenzen dieser historischen Betrachtungen s. Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 283. 136 Auch die dem Solvabilitätsregime zugedachte vertrauensstabilisierende Funktion auf Gläubigerseite stößt hier auf Grenzen, weil ohne Aussicht auf eine Rückkehr zum finanziellen Status quo ante keine Gewähr dafür besteht, dass eine Rückzahlung der dem Institut zur Verfügung gestellten (Fremd-)Kapitalien auch in Zukunft mit hinreichender Sicherheit erfolgt. 137 Vgl. Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl. 2015, § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 103. Zu Recht verweist Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 230 zudem auch auf die Einlagensicherung als ergänzendes, die Grenzen des Solvabilitätsregimes partiell ausgleichendes Instrument. Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 85 betont demgegenüber die Bedeutung der stabilitätsgerichteten Pflichtenbindung der Geschäftsleitung als Ergänzung zu den nur bedingt stabilitätswirksamen Eigenmittelanforderungen. 138 Vor Einführung der Sanierungsplanung waren hier allein die kapitalbezogenen Eingriffstatbestände in § 45 f. KWG einschlägig.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
das Institut nach Eintritt solvabilitätswirksamer Verluste zu restabilisieren, den Eintritt weiterer Verluste abzuwenden und das Institut nach Maßgabe zwingender Solvabilitätsregeln zu rekapitalisieren.139 Er soll damit einen wesentlichen Beitrag zur finanziellen Regenerationsfähigkeit des Instituts leisten und es auch mit Blick auf etwaige zukünftige Krisen als langfristig fortführungsfähiges Unternehmen erhalten.140 Letztlich kann die Sanierungsplanung damit auch als Instrument zur Gewährleistung einer „nachhaltigen“ Unternehmensentwicklung im Sinne des § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG gesehen werden.141 Analog zur „klassischen“ Risikotragfähigkeitsrechnung beruht auch die sanierungsspezifische Risikotragfähigkeitsbewertung auf einer vergleichenden Betrachtung zweier Parameter: Maßgebliche Vergleichsgröße ist einerseits das drohende Schadenspotential in außergewöhnlichen Krisenlagen, das nach der Binnenlogik des Sanierungsplanungsrechts vor allem ausgehend von der strategischen Analyse bestimmt wird. Dem gegenüber steht die in den Sanierungsplänen für derartige Situationen angelegte Sanierungskapazität, die ausgehend von den szenariobasierten Belastungsanalysen abgeschätzt werden soll.142 Die sanierungsspezifische Risikotragfähigkeit ist danach gegeben, wenn die in den Sanierungsplanung angelegte Sanierungskapazität mindestens so groß ist wie das in einer schwerwiegenden Stresssituation prognostisch drohende Schadenspotential. Unterschreitet die Sanierungskapazität das drohende Schadenspotential ist die sanierungsspezifische Risikotragfähigkeit nicht gegeben. In diesem Fall stehen dem Institut im Grundsatz wiederum zwei Handlungsoptionen zur Verfügung: Denkbar ist zum einen ein Ausbau der Sanierungskapazität durch eine Konzeptionierung weiterer oder eine Fortentwicklung bereits geplanter Sanierungsoptionen.143 Zum anderen ist aber auch ein Abbau von Risiken und damit gleichsam eine Minderung des in der Krise drohenden Schadenspotentials denkbar. Letztere Op-
139 Die maßgeblichen Referenzpunkte für die Austarierung der Sanierungsindikatoren und die Sanierungsoptionen sind in kapitalbezogener Hinsicht die Säule-1-Mindestkapitalquoten und die SREP-Kapitalzuschläge. Unberücksichtigt bleibt nach der gesetzlichen Konzeption aber die kombinierte Kapitalpuffer-Anforderung gem. § 10i KWG (s. u., Abschnitt § 6 A. II. 2. b) aa)). Gerade weil die Sanierungsplanung dem Risikotragfähigkeit des ICAAP funktional nachgelagert ist, ließe sich mit Blick auf die beiden Instrumente auch von einer primären (§ 25a KWG) und einer sekundären Risikotragfähigkeit (§§ 12 ff. SAG) sprechen. 140 Gann, ZfgK 2017, 380, 385 spricht deshalb von einer sog. Going-Concern-Perspektive. 141 Zum aufsichtlichen Nachhaltigkeitsbegriff als Synonym für Regenerations- und langfristige Fortführungsfähigkeit, auch in § 13 Abs. 4 Nr. 1 SAG, wiederum schon oben, Abschnitt § 4 A.VIII. 1. 142 Vgl. Art. 12 Abs. 3 UAbs. 2 del. VO 2016/1075 (dazu auch schon oben, Abschnitt § 4 A.VI. 2. b)). Zu den Grenzen der Szenarioanalysen bei der Wahrnehmung dieser Funktion s. ebenfalls schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) aa). 143 Gann, ZfgK 2017, 380, 385 spricht von „Dynamisierung“ der Risikotragfähigkeitsanalyse.
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tion ist vor allem deshalb bedeutsam, weil eine Erhöhung der Sanierungskapazität vor allem in Vorbereitung auf systemische Krisenlagen auf strukturelle Grenzen stoßen dürfte.144 Auch insoweit wird deutlich, dass zwischen beiden Systemen deutliche Wechselwirkungen bestehen: Nicht nur begrenzt die vorhandene Sanierungskapazität des Sanierungsplans das von dem jeweiligen Institut maximal eingehbare Schadenspotential und damit mittelbar auch dessen Entscheidungsrahmen über den sog. Risikoappetit.145 Auch umgekehrt hat ein durch die Sanierungsplanung induzierter Risikoabbau wiederum Auswirkungen auf die Einschätzung der Risikotragfähigkeit im herkömmlichen Sinne. Denn dort führt er zu einem Freiwerden von Risikodeckungspotential. cc) Sanierungsplanung und ICAAP-Kapitalplanung Zwar spiegelt sich das vorstehend beschriebene Ergänzungsverhältnis in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen bis dato nur im Ansatz wider.146 In der Aufsichtspraxis findet die Verknüpfung beider Systeme heute aber zunehmend Berücksichtigung und es wird eine wechselseitige Konsistenz und Kohärenz der Inhalte des ICAAP und der Sanierungspläne im Rahmen eines einheitlichen Risikomanagement-Rahmens gefordert.147 Zentral ist hier vor allem die enge funktionale Verknüpfung der Sanierungspläne mit den soeben erwähnten sog. Kapitalplänen. Diese Kapitalpläne erstrecken sich auch auf sog. adverse Szenarien, die in ihrer Entwicklung von den Zukunftserwartungen der Institute abweichen und außergewöhnlich schwerwiegende, aber plausible Entwicklungen abbilden, die in besonderem Maße auf die spezifischen Schwachstellen der Institute zugeschnitten sind.148 Die Aufsichtsbe144
S. dazu ebenfalls schon ausf. oben, Abschnitt § 5 D. I. Vgl. im Ansatz auch Troiano, Open Rev. of M. B. F., 19.5.2015, sub. 3; EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 66 (e), S. 129 sowie Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 62 (2013) (dort jedoch mit Blick auf US-Abwicklungspläne). 146 S. nur ErwG 6 BRRD, der sinngemäß darauf verweist, dass die Sanierungs- und Abwicklungsinstrumente zur Anwendung kommen, wenn die Instrumente der laufenden Bankenaufsicht versagen. Ähnl. auch schon Kommission, COM(2012) 280 final/2, S. 177. 147 Vgl. EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 35 f. Ähnl. EZB, Mehrjahresplan zum ICAAP und zum ILAAP, 20.2.2017, Anlage 1: SSM-Leitfaden zum ICAAP, S. 4 f.; EBA, Consultation Paper – Draft Guidelines on the revised SREP, EBA/CP/2017/18, 31.10.2017, Rn. 13. Ebenso Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4 Rn. 30, AT 4.1 Rn. 231; vgl. ferner Riepe/Engelbach/Kämmler et al., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 7 Rn. 539, 541. 148 Vgl. dazu näher EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 94 ff. Ähnl. wie im Rahmen der Sanierungsplanung muss die Bandbreite der betrachteten Szenarien sowohl systemweite als auch idiosynkratische Stresssituationen abdecken. Die Anzahl der Szenarien richtet sich dabei vor allem nach dem individuellen Risikoprofil des Instituts. Vgl. auch BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 35. 145
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hörden verlangen, dass das Institut auch unter diesen Bedingungen grundsätzlich alle regulatorischen Solvabilitätsanforderungen erfüllt. Ausnahmsweise kann aber bei schweren adversen Szenarien eine Unterschreitung der kombinierten Pufferanforderung (§ 10i KWG) angenommen werden.149 Für diesen Fall müssen die Kapitalpläne jedoch einen Katalog von Gegenmaßnahmen enthalten, die auf eine Wiederherstellung der Pufferanforderungen ausgerichtet sind (die EZB spricht von sog. Managementmaßnahmen).150 Betrachtet man die Anforderungen an den Sanierungs- und den Kapitalplan im Zusammenhang, so wird deutlich, dass das Regelwerk auf die Einrichtung eines Krisenbewältigungsrahmens in Form zweier aufeinander aufbauender Verteidigungslinien151 ausgerichtet ist, die gemeinsam die finanzielle Regenerationsfähigkeit der Institute sicherstellen sollen: Kommt es im Rahmen einer schwerwiegenden finanziellen Belastungsphase zu einer Unterschreitung der aufsichtlichen Kapitalpufferanforderungen, so führt dies im ersten Schritt zur Umsetzung der im Kapitalplan vorgesehenen Managementmaßnahmen. 152 Der Kapitalplan greift dabei noch auf die Prozesse im Rahmen der institutsinternen Regel-Governance zurück153 und die Managementmaßnahmen werden grundsätzlich im Einklang mit der bisherigen Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts gewählt.154 Scheitert 149
BaFin/Bundesbank, a. a. O., Rn. 33; EZB, a. a. O., Rn. 46. BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 33; EZB, ICAAPLeitfaden, 11/2018, Rn. 47 und S. 45. Zwar gewähren die Aufsichtsbehörden den Instituten im Hinblick auf diesen operationellen Teil der Kapitalpläne vergleichsweise große Gestaltungsfreiheiten. Ebenso wie in den Sanierungsplänen müssen jedoch auch hier alle Gegenmaßnahmen im Hinblick auf ihre Durchführbarkeit hin untersucht und erwartete Auswirkungen dargelegt werden, vgl. EZB, a. a. O., Rn. 47; EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 403(g). 151 In Schrifttum und Praxis ist bisweilen auch von einem sog. Three-Line-ofDefence-Konzept die Rede: Es beschreibt das reguläre Risikomanagement als System dreier Verteidigungslinien, bestehend aus den operativen Geschäftsbereichen, dem internen Kontrollsystem und der internen Revision, vgl. BCBS, Corporate governance principles, 8.7.2015, Rn. 13, 38 ff.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508. Greift man diese Terminologie auf, dann bildet das sanierungsplanungsbasierte Krisenmanagement die nachgelagerte vierte Verteidigungslinie. 152 Gem. § 10i Abs. 3 KWG haben die Institute bei Unterschreitung der kombinierten Pufferanforderungen die Pflicht zur Vorlage eines Kapitalerhaltungsplans. Der im Rahmen des ICAAP präventiv entwickelte Kapitalplan kann hier als Arbeitsgrundlage dienen. Daneben können die Aufsichtsbehörden auch via §§ 6 Abs. 3, 45 Abs. 1 KWG (Art. 104 Abs. 1 lit. c CRD-IV) bzw. Art. 16 Abs. 2 lit. c SSM-VO einen Kapitalplan zur Wiederherstellung aller Kapitalanforderungen selbst anfordern. Die EBA betont diesbezüglich, dass ein solcher ad hoc angeforderter Kapitalplan auch über den im Rahmen des ICAAP präventiv entwickelten Kapitalplan hinaus gehen kann, vgl. EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 402–405, S. 157. 153 S. dazu noch sogleich, Abschnitt § 6 A. II. 2. b) bb). 154 So jedenfalls BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 33 („[. . .] Maßnahmen zur Wiederherstellung müssen grundsätzlich im Einklang mit der Strategie des Instituts [. . .] stehen.“). 150
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auf dieser Stufe eine Wiederherstellung der Solvabilitätsanforderungen und werden die Eigenmittel des Instituts im folgenden Krisenverlauf weiter aufgezehrt,155 so kommen als zweite Verteidigungslinie die kapitalbezogenen Handlungsoptionen des Sanierungsplans zur Anwendung. Das dabei in Betracht zu ziehende Maßnahmenspektrum korrespondiert mit der zunehmenden Kritikalität der finanziellen Lage des Instituts. Es können nunmehr auch weitreichende Restrukturierungsmaßnahmen geboten sein, die die bisherige Geschäftstätigkeit des Unternehmens und die ihr zugrundeliegenden Strategien grundlegend in Frage stellen.156 Diesem Zusammenhang beider Instrumente muss auch auf der Planungsebene Rechnung getragen werden. Folgerichtig verlangen die Aufsichtsbehörden, dass die ICAAP-Kapitalpläne und die Sanierungspläne inhaltlich aufeinander abgestimmt und Doppelerfassungen bzw. -planungen von Maßnahmen in beiden Dokumenten vermieden werden.157 Darüber hinausgehend stellt sich letztlich auch die Frage, ob die angesichts des sachlichen engen Zusammenhangs beider Instrumente eher künstliche Trennung in zwei gesonderte Dokumente überhaupt beibehalten werden sollte. Praktikabler könnte demgegenüber ein integriertes Krisenmanagementkonzept sein, dass in einem modularen Aufbau sowohl die ICAAPKapitalplanung als auch die Sanierungsplanung im engeren Sinne umfasst und aus dem, je nach Ausmaß und Schwere der Eigenkapitalprobleme, situativ angemessene Maßnahmen ausgewählt werden können.158 dd) Szenariobasierte Belastungsanalysen und bankinterne Stresstests Die Verzahnung zwischen dem ICAAP und der Sanierungsplanung spiegelt sich im Übrigen auch auf methodischer Ebene wider. Hier zeigen sich enge Verbindungen zwischen den gem. § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG vorgeschriebenen szenariobasierten Belastungsanalysen und den aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Durchführung bankinterner Stresstests.159 155 Erforderlich ist grundsätzlich eine Unterschreitung der SREP-Gesamtkapitalanforderungen (fixe Säule-1-Kapitalquote zzgl. SREP-Kapitalaufschlag), vgl. § 8 Abs. 1 MaSanV; EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/2015/02, 23.7.2015, Rn. 25. Im Zweifel ist aber auch eine frühere Anwendung des Sanierungsplans denkbar, wenn nur so der Krisenfall wirksam abgewehrt werden kann, vgl. Art. 8 Abs. 4 del. VO 2016/1075, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a BRRD. 156 Art. 8 Abs. 5 del. VO 2016/1075; s. auch EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 22 sowie Heuter, in: Igl/ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 209, 219. 157 Vgl. EZB, a. a. O., S. 13; ähnl. Riepe/Engelbach/Kämmler et al., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 7 Rn. 545. 158 Vgl. dafür prinzipiell offen auch BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 33 (dort in Fn. 7); zustimmend offenbar auch Somma, FLF 2018, 164, 166. Die Ausführungen der EZB (EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 13) deuten demgegenüber eher darauf hin, dass sie weiterhin zwei voneinander getrennte Pläne verlangt. 159 Im Ansatz auch Schabert/Schramm/Wiechens, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rn. 15. Zu § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG schon oben, Abschnitt § 4 A.VI.
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Sog. Stresstests160 werden im Rahmen des bankinternen Risikomanagements verwendet, um sowohl regelmäßig als auch anlassbezogen die potentiellen Auswirkungen außerplanmäßiger und schwerwiegender Belastungsereignisse auf die Finanzlage eines Instituts zu untersuchen.161 Sie sind damit zugleich wesentliche Grundlage zur internen Überprüfung der Risikotragfähigkeit der Institute.162 In der Aufsichtspraxis werden im Einzelnen sog. Sensitivitätsanalysen und Szenarioanalysen (auch uni- und multivariante Methoden genannt) unterschieden.163 Erstere zielen auf eine ausschnitthafte Detailanalyse einzelner Risikofaktoren, die variiert und sodann auf ihre Wirkung auf die verschiedenen Ebenen des Instituts (Portfolioebene, Geschäftsbereichs- oder Gesamtinstitutsebene) hin untersucht werden. Letztere zielen demgegenüber auf eine eher ganzheitliche Betrachtung und untersuchen die Auswirkungen einer simultanen Veränderung mehrerer Risikofaktoren ausgehend von einem vordefinierten Primärereignis (z. B. einer volkswirtschaftlichen Rezession). Einen weiteren Sondertypus bilden sog. inverse Stresstests164 (auch reverse Stresstests genannt), die anders als die „normalen“ Stresstests einen umgekehrten Analyseweg wählen. Ausgangspunkt der Betrachtung sind hier nicht bestimmte (Umwelt-)Ereignisse, deren finanzielle Auswirkungen auf das Institut untersucht werden, sondern der hypothetische Totalausfall einer oder mehrerer für die Überlebensfähigkeit des Instituts relevanter Risikopositionen. Ausgehend von diesem Totalausfall wird sodann untersucht, wie sich die institutsrelevanten Risikofaktoren verändern müssten bzw. welche Umweltereignisse eintreten müssten, um in diesen Totalausfall zu münden. Im Ergebnis zielen inverse Stresstests also auf die Identifikation und Wahrscheinlichkeitsbewertung bestandsgefährdender Ereignisse.165 160 Zum Ganzen, neben den nachfolgend benannten Aufsichtsdokumenten, ausf. z. B. Buchmüller/Rahn, in: Igl/Heuter/Warnecke (Hrsg.), Hdb. SREP, S. 77; DSGV, Interpretationsleitfaden MaRisk (Version 6.1), S. 285, 288 ff.; Gann/Rudolph, in: Hopt/ Wohlmannstetter (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 1. Aufl. 2011, S. 601, 612 ff.; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, S. 446 ff. Für einen knappen international-historischen Überblick über die Entwicklung von Stresstests in der Aufsichtspraxis seit den 1980er-Jahren s. Kapinos/Martin/Mitnik, 5 J. Fin. Persp. 1, 5 ff. (2018). 161 Vgl. Loch, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Art. 177 CRR Rn. 3. S. zum Begriff auch BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.3 Tz. 1. 162 S. ausf. zur Rolle der Stresstests im Risikotragfähigkeitsprozess BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 63 f.; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, S. 39 ff.; ferner auch MaRisk AT 4.3.3 Tz. 6 inkl. Erläuterungen. 163 S. nochmals BaFin, Erläuterungen zu MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.3 Tz. 1 sowie ausf. EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, EBA/GL/2018/04, 19.7.2018, Rn. 59 ff. und CEBS, Guidelines on Stress Testing (GL32), 26.8.2010, Rn. 37 ff. 164 Zu den diesbezüglichen Anforderungen wiederum ausf. EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, EBA/GL/2018/04, 19.7.2018, Rn. 59 ff. Speziell dazu aus bankpraktischer Perspektive Gann, CF 2012, 285; Füser/Hein/Somma, Die Bank 4/ 2012, 34; dies., Die Bank 5/2012, 45. 165 Vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.3 Tz. 4 inkl. Erläuterung.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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Zwar besteht zwischen den Stresstests als Teil des regulären Risikomanagements und den szenariobasierten Belastungsanalysen im Rahmen der Sanierungsplanung kein unmittelbarer operationeller Zusammenhang, wie er zwischen dem ICAAP-Kapitalplan und den eigenmittelbezogenen Inhalten des Sanierungsplans gegeben ist.166 Auf struktureller Ebene aber weisen die Stresstests erhebliche Überschneidungen mit den szenariobasierten Belastungsanalysen auf. Bei beiden Instrumenten handelt es sich wesensmäßig um dynamische Informationsinstrumente.167 In beiden Fällen sollen auf Basis modellförmig-theoretischer Betrachtungen Aussagen zur Stabilität des Instituts unter verschiedenen finanziellen Ausnahmesituationen abgeleitet werden. Insoweit mag es kaum überraschen, dass die Stresstests heute von den Aufsichtsbehörden auch als zusätzliche Erkenntnisquelle zur Bewertung der Sanierungspläne herangezogen werden.168 Gleiches ist freilich auch in umgekehrter Richtung ausgehend von den szenariobasierten Belastungsanalysen der Sanierungspläne möglich: Gerade die im ersten Schritt dieser Belastungsanalysen durchzuführende Brutto-Betrachtung169 untersucht unter anderem auch die Kapitalausstattung der Institute im Verlaufe verschiedener Belastungsperioden, ohne dass dabei bereits die prognostische Wirkung der Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt wird.170 Sie können deshalb potentiell auch ergänzende Informationen zur Bewertung der Risikotragfähigkeit gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG bieten.171 Ein solche gegenseitige Unterstützung der Instrumente durch komplementäre Informationsbeiträge dürfte vor allem dort besonders ausgeprägt sein, wo beiden Instrumenten unterschiedliche Analyseperspektiven zugrunde liegen. Es spricht deshalb viel dafür, bei der Entwicklung und Durchführung der Stresstests und
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Zu den Zusammenhängen zwischen der Regel- und Krisen-Governance des Instituts und zwischen dem Sanierungsplan und den sonstigen Notfallplänen sogleich, Abschnitt § 6 A. II. 2. b) bb) und § 6 A. II. 2. c). 167 Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 348 (dort mit Blick auf behördliche Stresstests, letztlich aber übertragbar); ähnl. Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 149. 168 Vgl. EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7. 2018, Rn. 14, 516, 572; s. auch EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, EBA/ GL/2018/04, 19.7.2018, Rn. 30 sowie BCBS, Stress testing principles, 17.10.2018, S. 5. 169 § 9 Abs. 8 MaSanV; ähnl. bereits MaSan (BA) 3/2014, E.3.3 Tz. 3 (dort auch deutlicher mit der Forderung zur Untersuchung der Szenariowirkung auf Kapital und Risikotragfähigkeit). 170 Letztere sind erst im Rahmen der Netto-Betrachtung gem. § 9 Abs. 9 MaSanV (bzw. früher MaSan (BA) 3/2014, E.3.4) zu untersuchen. 171 Dies gilt insb. dort, wo die Anzahl der im Rahmen der Sanierungsplanung zu untersuchenden Szenarien – gem. § 9 Abs. 2 Satz 2 MaSanV grundsätzlich mindestens vier Szenarien – größer ist als im Rahmen der ICAAP-Kapitalplanung. Für letztere schreiben die Aufsichtsbehörden bis dato keine ausdrückliche Mindestanzahl vor, vgl. BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 31 ff.; EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 95.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Szenarioanalysen im Rahmen beider Prozesse (reguläres Risikomanagement bzw. ICAAP einerseits und Sanierungsplanung andererseits) zunächst auf ein möglichst breites Spektrum verschiedener Methoden und Ansätze zu setzen und auch auf personeller Ebene eine Verflechtung der eingebundenen Experten zu verhindern.172 Die aufsichtliche Praxis geht demgegenüber einen anderen Weg: So betont gerade die EBA – und ihr folgend auch die zuständigen Aufsichtsbehörden173 – zuletzt immer wieder, dass die im Sanierungsplan zur Anwendung kommenden Belastungsszenarien ausgehend von den Stresstests des übrigen Risikomanagements entwickelt werden sollen. Gerade die inversen Stresstests erachtet sie insoweit als taugliche Informationsgrundlage. Sie sollen zumindest „als Ausgangspunkt für die Entwicklung von [Belastungs-]Szenarien in Erwägung gezogen werden“.174 Diese Verknüpfung beider Instrumentarien bereits im Entwicklungsstadium mag zwar unter Berücksichtigung der intern anfallenden Prozesskosten für die Institute erstrebenswert erscheinen.175 Zugleich ist ein solches Vorgehen aber auch anfällig für eine allzu formalistische Prozesshandhabung176 sowie für Pfadabhängigkeiten, bei denen sich einmal festgesetzte Fehlannahmen (unbewusst) auch in nachfolgenden Analysen fortsetzen.177 Diesen Gefahren würde besser vorgebeugt werden, wenn die Stresstests und die Sanierungsszenarien zunächst isoliert voneinander aus der Binnenlogik der ihnen zugrundeliegen172 Ähnl. Erxleben, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 279, 291 („Kopfmonopole“ vermeiden). Eine solche personelle Trennung ist keineswegs neu, sondern etwa auch für die interne Überprüfung der Risikoquantifizierungsmethoden im ICAAP vorgesehen, vgl. EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 88 ff. und S. 39. 173 S. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 38 (Begründung zu § 9 Abs. 4); ähnl. schon MaSan (BA) 3/2014, E.3.3 Tz. 2 inkl. Erläuterungen. Ebenso zuletzt auch EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, S. 14 und Rn. 98; dies., ILAAP-Leitfaden, 11/2018, S. 15. 174 EBA, Szenario-Leitlinien, EBA/GL/2014/06, 18.7.2014, Rn. 11. Ähnl. auch schon FSB, Guidance on Recovery Triggers and Stress Scenarios, 16.7.2013, S. 8 f. S. zuletzt ferner EBA, Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, 8.12.2015, Rn. 32 f.; dies., Leitlinien zu den Stresstests der Institute, EBA/GL/2018/04, 19.7.2018, Rn. 97–100 und noch weitergehend dies., Final Report on revised SREPGuidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 14 (danach sei im Einzelfall auch eine direkte Übernahme der ICAAP/ILAAP-Stresstests in die Sanierungsplanung möglich). S. schließlich auch EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 98. Diese Vorschläge finden Anklang auch in der Praxisliteratur, vgl. stellv. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 116; Buchmüller/Rahn, in: Igl/Heuter/ Warnecke (Hrsg.), Hdb. SREP, S. 77, 93; Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444 f.; Cichy/ Buchmüller/Igl, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 64; Hannemann/Steinbrecher/ Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.1 Rn. 232, AT 4.3.3 Rn. 249–252, BTR 3.1 Rn. 247; Riepe/Engelbach/Kämmler et al., in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 7 Rn. 574. 175 Gerade aus Kosten- bzw. Effizienzgründen gegen eine unabhängige Entwicklung der Belastungsszenarien im Rahmen der Sanierungsplanung Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 153 f., 167. 176 Allg. zu dieser Gefahr für eine effektive Corporate Governance Weber-Rey/Gissing, in: Bauer/Schuster (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 75, 86 f. 177 Zum Konzept der Pfadabhängigkeit im Überblick z. B. Beyer, ZfS 34 (2005), 5.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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den Prozesse178 heraus entwickelt und erst auf der nachgelagerten Ebene im Sinne eines maximalen informationellen Mehrwertes miteinander verglichen bzw. kritisch diskutiert werden.179 Im Rahmen dieser Diskussion könnte dann auch dem Kohärenzerfordernis zwischen Sanierungsplan und sonstigem Risikomanagement (Art. 5 Nr. 4 del. VO 2016/1075) Rechnung getragen werden. Noch weiter gehen schließlich Teile der Literatur, die vorschlagen, die Belastungsszenarien im Rahmen der Sanierungsplanung ausgehend von den Inhalten der aufsichtsbehördlichen Stresstests180 zu entwickeln.181 Ausgehend von den übergeordneten Zwecken des Sanierungsplanungsrechts ist eine solche Praxis tendenziell kritisch zu beurteilen.182 Denn die §§ 12 ff. SAG zielen gerade darauf ab, die institutsintern vorhandenen Wissens- und Kompetenzvorsprünge für aufsichtliche Zwecke fruchtbar zu machen und einen planungsbezogenen Dialog zu institutionalisieren, in den sowohl die Aufsichtsbehörden als auch die Institute ihre jeweils eigenen Perspektiven und Prioritäten einbringen.183 Dieser Dialog liefe leer, wenn die Institute in „vorauseilendem Gehorsam“ weitgehend unkritisch die von den Behörden entwickelten Szenarien für ihre Szenarioentwicklung übernehmen würden.184 Aufsichtsrechtlich geboten ist deshalb auch hier ein Vor178 So wären die Belastungsszenarien im Sanierungsplan vor allem ausgehend von der vorangehenden strategischen Analyse gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG zu entwickeln. Eichenseher, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 147, 151 f. bevorzugt den umgekehrten Weg, will die Szenarien gem. § 13 Abs. 2 Nr. 7 SAG also zunächst ausgehend von den inversen Stresstests entwickeln und erst dann anhand der strategischen Analyse überprüfen. 179 Diese Diskussion dürfte gerade auch deshalb sinnvoll sein, weil die Stresstests/ Szenarioanalysen in ihrem Aussagewert ohnehin schon inhärent begrenzt sind (s. dazu schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 3. c) aa)). Die Bedeutung unabhängiger interner Kontrollen der Stresstests betonend auch BCBS, Stress testing principles, 17.10.2018, S. 9 f. Allg. zum aufsichtlichen Ziel einer kritischen Diskussionskultur in den Instituten EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 98(c). 180 Art. 100 CRD-IV (§ 6b Abs. 3 KWG); Art. 32 Abs. 2 EBA-VO. 181 Vgl. Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 64 („Berücksichtigung“ bei der internen Szenarioentwicklung); ähnl. Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 118 („Anregung“ für interne Szenarioentwicklung). Die Unterschiede zwischen Stresstests und Szenarioanalysen gem. § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG betonen hingegen Schelo, Bank Recovery and Resolution, S. 64; ders./Steck, ZBB 2013, 227, 230 (Szenarioanalysen seien „dreidimensionaler“ als EBA-Stresstests); vgl. auch Krüger, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 181, 181; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.25; EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, S. 164. 182 Mit Vorbehalten zur Berücksichtigung der aufsichtlichen Stresstests bei der Modellierung der internen Stresstests im Rahmen des ICAAP auch EZB, ICAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 91. 183 S. o., Abschnitt § 5 B. III. und IV. 184 Vgl. Kapinos/Martin/Mitnik, 5 J. Fin. Persp. 1, 16 (2018) (mit der Betonung des sog. Modelrisikos, das aus der allseitigen Verwendung einheitlicher Stresstestverfahren resultiert).
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
gehen, bei dem die Institute die Belastungsszenarien zunächst eigenständig und losgelöst von aufsichtlichen Tests entwickeln und diese allenfalls auf nachgelagerter Ebene im Rahmen einer kritischen Überprüfung der eigenen Ansätze berücksichtigen.185 b) Verknüpfung von Regel- und Krisen-Governance Auch jenseits der internen Eigenkapital- und Solvabilitätssteuerung zeigen sich enge Verbindungen zwischen der Sanierungsplanung und dem sonstigen Risikomanagementsystem der Institute. Insbesondere bauen die prozessbezogenen Vorgaben des Sanierungsplanungsrechts186 in weiten Teilen auf das vorhandene Steuerungssystem der Institute auf und verknüpfen so die in Phasen des regulären Geschäftsbetriebs wirksame sog. Regel-Governance mit der in akuten Belastungsphasen wirksamen sog. Krisen-Governance. Maßgebliche Verknüpfungspunkte zwischen den Governance-Systemen beider Phasen bilden die Sanierungs- und den Frühwarnindikatoren (dazu aa)) und die internen aufbau- und ablauforganisatorischen Regeln (dazu bb)). aa) Sanierungs- und Frühwarnindikatoren Das Sanierungsplanungsrecht187 setzt zur Krisenerkennung auf die Einrichtung eines Systems sog. Sanierungsindikatoren. Sie sollen ausgehend von der individuellen Unternehmens-, Geschäfts- und Risikostruktur der Institute die frühzeitige Identifikation bestandsgefährdender Entwicklungen unterstützen und eine rechtzeitige Umsetzung der im Sanierungsplan vorgesehenen krisenbezogenen Handlungsoptionen ermöglichen (§ 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 1 SAG). Im Einzelnen beobachten die Institute dazu verschiedene quantitative und qualitative Risikoparameter, aus denen sich aktuelle und zukunftsbezogene Aussagen zur Kapitalund Liquiditätssituation, zur Ertragskraft und Qualität der Vermögenswerte des 185 Vgl. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 50 (2013) (Interesse an der Diversität und Individualität interner Stresstests betonend). Laut EBA, Final Report on revised SREPGuidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 572, S. 164 sollen die Behörden bei der Bewertung der Sanierungsplan-Szenarien auch ihre eigenen Stresstests berücksichtigen. 186 D.h. diejenigen Vorschriften, die die Planerstellung, -aktualisierung und -umsetzung im Krisenfall regeln. 187 Auch das Aktienrecht schreibt in § 91 Abs. 2 AktG vor, dass der Vorstand geeignete Maßnahmen zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen zu treffen hat, wozu die Einrichtung eines Überwachungssystems gehört (ähnl. und verallgemeinernd für Unternehmen aller Art neuerdings auch § 1 StaRuG). S. zu § 91 Abs. 2 AktG z. B. Zimmer/Sonneborn, in: Lange/Wall (Hrsg.), Risikomanagement, § 1 B. Zwar unterliegt die Ausgestaltung dieses Systems dem Ermessen des Vorstandes. Zu Recht wird in der Literatur (vgl. Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 97, 114) aber davon ausgegangen, dass jedenfalls ein Kontrollsystem im Sinne von § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. b KWG auch die Anforderungen des § 91 Abs. 2 AktG erfüllt. Dies gilt dann erst recht, wenn das Institut (darüber hinaus) auch noch ein Indikatorsystem nach sanierungsplanungsrechtlichen Maßstäben vorhält.
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Instituts ableiten lassen.188 Unterschreiten diese Parameter bestimmte vorab definierte (Sanierungs-)Schwellenwerte, so indiziert dies die Aktivierung der Sanierungspläne und die Umsetzung der darin vorgesehenen Maßnahmen.189 In dieser Funktion überschneiden sich die Sanierungsindikatoren wesentlich mit dem regulären internen Risikomanagement der Institute. Denn wie bereits einleitend dargestellt umfasst das Risikomanagement der Institute gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. b KWG vor allem auch sog. Risikosteuerungs- und Risikocontrolling-Prozesse, die eine kontinuierliche Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation aller wesentlichen Risiken der Institute ermöglichen sollen.190 Die Risikosteuerungs- und RisikocontrollingProzesse zielen auf einen systematischen Umgang mit den Risiken und Chancen der Institute und sind insofern Grundlage für eine risikobewusste Unternehmensführung.191 Kritisch für den gesamten Prozessablauf ist dabei vor allem eine effektive Risikoidentifikation. Schließlich können nur diejenigen Risiken zum Gegenstand von Beurteilungs-, Steuerungs- und Überwachungshandlungen werden, die im Vorfeld ordnungsgemäß identifiziert wurden.192 Die MaRisk (BA) 9/2017 schreiben dementsprechend in Ausprägung der Rahmenvorgaben des § 25a KWG gleich mehrere Instrumente vor, die eine frühzeitige Risikoidentifikation ermöglichen sollen, darunter Verfahren zur Früherkennung von Kreditrisiken (MaRisk (BA) 9/2017, BTO 1.3.) und Liquiditätsengpässen (MaRisk (BA) 9/2017, BTR 3.1 Tz. 2). Mit der 4. MaRisk-Novelle 2012 wurden diese Anforderungen an die Risikofrüherkennung weiter verallgemeinert.193 Seitdem sind im Rahmen des regulären Risikomanagements für alle wesentlichen Risiken geeignete Indikatoren einzurichten, die quantitative und/oder qualitative Risikomerkmale beobachten und eine frühzeitige Erkennung von Risiken und risikoartenübergreifenden Effekten ermöglichen sollen (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2 Tz. 2). Die dadurch gewonnene Vorlaufzeit soll den nötigen Raum schaffen, um schon im Rahmen des regulären Risikomanagements rechtzeitige Gegenmaßnahmen zur Bewältigung der Risiken implementieren zu können.194 188
S. im Einzelnen Anhang 1 und 2 der MaSanV. S. zum Ganzen im Einzelnen § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG, Art. 5 Nr. 3 lit. b del. VO 2016/1075 und §§ 7, 8 MaSanV (s. dazu oben, Abschnitt § 4 A. III. 1.). 190 MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.2. Tz. 1. Zum Begriff der „wesentlichen Risiken“ s. MaRisk (BA) 9/2017, AT 2.2 Tz. 1. 191 Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.3.2. Rn. 5. 192 Vgl. ebenda (Risikoidentifizierung sei „kritische Phase“ der Risikosteuerungsund Risikocontrolling-Prozesse). 193 Auch hier war die Erfahrung der Jahre 2007–2009 maßgebend, dass vor allem die Institute die Krise gut überstanden, die über effektive Frühwarnsysteme verfügten, vgl. BaFin, Begleitschreiben zur MaRisk-Konsultation 01/2012, Gz.: BA 54-FR 2210-2012/ 0002, 26.4.2012. 194 S. nochmals BaFin, a. a. O. und Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.3.2 Rn. 34 ff.; zu den einzelnen Methoden der Risikofrüherkennung die 189
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Das Sanierungsplanungsrecht greift die parallele Grundausrichtung beider Instrumente auf und zielt auf eine wechselseitige Verknüpfung und Harmonisierung beider Indikator- bzw. Signalsysteme.195 Zum einen sieht Art. 5 Nr. 4 Hs. 2 del. VO 2016/1075 eine Integration der Frühwarnindikatoren – hier als sog. Frühwarnsignale bezeichnet – in die Sanierungsplanung vor. Die Sanierungspläne müssen all jene Frühwarnsignale beschreiben, die bereits als Teil des regulären Risikomanagements vorgesehen sind und sinnvoll Auskunft über eine mögliche (zukünftige) Überschreitung der Sanierungsindikatoren geben können. Zwar müssen die Frühwarnsignale nicht zwingend dieselben quantitativen oder qualitativen Risikoparameter beobachten wie die Sanierungsindikatoren. Dort, wo sie es tun, sollen sich beide Indikatorsysteme aber durch ihre jeweiligen Schwellenwerte unterscheiden: die Frühwarnsignale sind den Sanierungsindikatoren vorgeschaltet.196 Zum anderen wirkt die Einrichtung der Sanierungsindikatoren aber auch umgekehrt auf das reguläre Risikomanagement zurück. So ist etwa vorgesehen, dass die kapital- und liquiditätsbezogenen Sanierungsindikatoren auch in die bankinternen Prozesse zur Sicherstellung einer angemessenen Kapital- und Liquiditätsausstattung (ICAAP und ILAAP) integriert werden.197 Ferner geht die BaFin davon aus, dass die Entwicklung der Sanierungsindikatoren auch Anreize zur Fortentwicklung des Frühwarnsystems schafft und gegebenenfalls auch zur Einführung neuer Frühwarnsignale führen kann.198 Mit Blick auf die Bewältigung etwaiger Belastungs- bzw. Krisenlagen wirken beide Signalsysteme – wiederum ähnlich wie dies bereits im Verhältnis zwischen ICAAP-Kapitalplanung und Sanierungsplanung deutlich wurde – in Form eines mehrphasigen Eskalationsstufenmodells zusammen,199 das die Institute risikoauch übrigen Beiträge in Jacobs/Riegler/Schulte-Mattler/Weinrich (Hrsg.), Frühwarnindikatoren und Krisenfrühaufklärung. 195 ErwG 8 del. VO 2016/1075. 196 Vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 31 f. (Begründung zu § 7 Abs. 2); EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7. 2014, S. 28. Näher zum Zusammenhang zwischen Sanierungs- und Frühwarnindikatoren und zu deren Austarierung aus praktischer Perspektive Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 45–47; Berger/Buchmüller/Suerland, in: a. a. O., S. 97, passim; ferner Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung von Kreditinstituten, S. 119, 133 ff. 197 EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/2015/02, 23.7. 2015, Rn. 23, 28. 198 Vgl. nochmals BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 31 f. (Begründung zu § 7 Abs. 2) sowie mit entsprechenden Praxiserfahrungen Weber/Dartsch, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 193, 199, 204. Entsprechend sieht § 7 Abs. 2 MaSanV für diesen Fall vor, dass der Sanierungsplan auch diejenigen Frühwarnsignale darzustellen hat, die sie erst im Zuge der Sanierungsplanung erstellt wurden. Weder aus § 7 Abs. 2 MaSanV noch aus Art. 5 Nr. 4 Hs. 2 del. VO 2016/1075 ergibt sich aber eine Rechtspflicht zur Entwicklung neuer Frühwarnsignale, vgl. BaFin, a. a. O. 199 Deutlich wird dies daran, dass die BaFin dort, wo die Frühwarn- und die Sanierungsindikatoren dieselben Parameter beobachten, die Etablierung eines dreistufigen
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artenübergreifend zu einer kontinuierlichen und präzisen Einschätzung ihrer aktuellen Stabilitätslage befähigen und eine situativ passgenaue Initiierung von Gegenmaßnahmen ermöglichen soll.200 Ausgangspunkt ist dabei die Phase der sog. gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Institute. Das Überschreiten der Frühwarnschwellenwerte signalisiert, dass sich das Institut nunmehr in einer Phase sog. Geschäftstätigkeit unter Stress befindet.201 Beispielhaft könnte dies etwa der Fall sein, wenn die Ertragskraft des Instituts deutlich unter die festgelegten Mindestzielgrößen zurückgeht und sich in den für das Institut relevanten Märkten nachhaltige Abschwungtendenzen manifestieren. Ebenfalls noch in die Phase der Geschäftstätigkeit unter Stress – und damit vor die Sanierungsphase – fällt auch eine teilweise Aufzehrung der Kapitalpuffer gem. §§ 10c ff. KWG202 oder der sog. Eigenmittelzielkennziffer (Pillar 2 Guidance, P2G).203 Zwar besteht zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich noch nicht zwingend die akute Notwendigkeit zur Umsetzung kapital- oder liquiditätsgenerierender Maßnahmen, um eine Insolvenz abzuwenden. Die Überschreitung der Frühwarnsignale gibt aber Anlass dafür, die relevanten Bereiche intensiver zu überwachen und bereits erste präventive Schritte einzuleiten.204 Scheitern derartige Maßnahmen im Rahmen des regulären Geschäftsbetriebes und kommt es zu einer weiteren Verschlechterung der Institutssituation, zeigen dies die Sanierungsindikatoren an. Wiederum wird deutlich, dass das sanierungsplanungsbasierte Krisenmanagement hier als zweite Verteidigungslinie hinter dem regulären Risikomanagement greift. bb) Aufbau- und ablauforganisatorische Regeln für Regel- und Krisenfall Diese Verknüpfung des regulären Risikomanagements mit dem sanierungsbezogenen Risikomanagement in Form zweier aufeinander aufbauender Verteidigungslinien setzt sich auch in den aufbau- und ablauforganisatorischen Vorgaben fort. Bereits in der einführenden Betrachtung der aufsichtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung wurde deutlich, dass das Regelungsregime auch die Einrichtung spezifisch krisenbezogener Prozessabläufe verlangt. Die Institute Ampel-Systems (grün/gelb/rot) anregt, vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 31 (Begründung zu § 7 Abs. 2). S. auch die Darstellung bei Gann, ZfgK 2017, 380, 383, in der aus behördlicher Perspektive auch die von Phase zu Phase abnehmenden SREP-Scores berücksichtigt sind. Zum (zeitlich nachgelagerten) Verhältnis zwischen Sanierungs- und Frühinterventionsphase s. o., Abschnitt § 4 A. III. 1. a). 200 Vgl. Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 39. 201 Gann, ZfgK 2017, 380, 382. Andere sprechen letztlich gleichbedeutend von einer „Frühwarnphase“, vgl. Cichy, in: a. a. O.; Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 47. 202 S. nochmals § 8 Abs. 1 MaSanV und EBA, Leitlinien zu Indikatoren des Sanierungsplans, EBA/GL/2015/02, 23.7.2015, Rn. 25. 203 EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 398 und S. 153. 204 Dazu gehört im Falle einer Kapitalaufzehrung insb. die Umsetzung der Managementmaßnahmen des ICAAP-Kapitalplans (s. dazu soeben, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) cc)).
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
sind zur Formulierung eines umfassenden Eskalationsprozesses verpflichtet, in dem alle institutsintern relevanten Personen, deren Funktionen sowie die einzuhaltenden Fristen definiert sind. Die Prozesse sollen sicherstellen, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch die Aufsichtsbehörden rechtzeitig in alle bedeutenden Sanierungsentscheidungen einbezogen werden und der Sanierungsplan auf Grundlage einer soliden Führungsstruktur zügig und effektiv umgesetzt werden kann.205 Kritisch für die tatsächliche Erreichung dieser Zielvorstellung dürfte wiederum eine hinreichende Kohärenz mit den Prozessregelungen des übrigen Risikomanagements sein. Die vorbeschriebenen Anforderungen an die krisenbezogenen Prozessabläufe sind letztlich eine organische Erweiterung des allgemeinen Gebots einer soliden Aufbau- und Ablauforganisation gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. a KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.1).206 Ebenso wie ihre krisenbezogenen Parallelnormen zielt die Vorschrift auf eine klare Definition und wechselseitige Abstimmung der institutsintern vorhandenen Prozesse, Aufgaben, Verantwortlichkeiten etc., um Zuständigkeits- und Überwachungslücken zu verhindern und damit eine effektive Risikosteuerung zu gewährleisten.207 Aufsichtsrechtlich erscheint es deshalb nur folgerichtig, wenn Regel- und Krisen-Governance in den Instituten konsequent miteinander verzahnt werden. Die bankpraktisch geprägte Literatur trägt diesem Erfordernis dadurch Rechnung, dass für die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen in Regel- und Krisenphase bankintern nicht etwa mehrere parallele Prozesse geschaffen werden, sondern gleichsam eine einheitliche und integrierte Aufbau- und Ablauforganisation.208 So soll etwa mit Blick auf den initialen Eskalationsprozess zur Entscheidung über eine „Aktivierung“ der Sanierungspläne auf das Regel- und Ad-hoc-Berichtssystem zurückgegriffen werden, das auf Grundlage der MaRisk-Anforderungen in den Instituten ohnehin bereits eingerichtet werden muss.209 Ähnlich soll auch die weitere Kri205 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 6 Hs. 2 SAG, Art. 5 Nr. 3 del. VO 2016/1075, § 6 Abs. 1 MaSanV (zu den Regelungen im Einzelnen oben, Abschnitt § 4 A. III. 2. a)) sowie ErwG 7 del. VO 2016/1075. 206 S. auf europäischer Ebene auch Art. 74 Abs. 1 CRD-IV sowie die Konkretisierungen in EBA, Leitlinien zur internen Governance, EBA/GL/2017/11, 21.3.2018, Rn. 67, 75 ff., 103 ff., 137, 145, passim. 207 Vgl. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.1 Tz. 2; Hellstern, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, 3. Aufl., § 25a Abs. 1–4 KWG Rn. 114. Weiterer wesentlicher Punkt ist gem. MaRisk (BA) 9/2017, AT 4.3.1 Tz. 1, BTO die Vermeidung von Interessenkonflikten auf Mitarbeiterebene durch Funktionstrennungen. Wiederum ausf. zum Ganzen Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 4.3.1 Rn. 2 ff., 24 ff. sowie Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 372 ff., 442 ff. 208 Vgl. Janus, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 57, 70, 81 ff. 209 Cichy/Buchmüller/Igl, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 55. Ähnl. auch Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 108; Weber/Dartsch, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 193, 201.
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sen-Governance auf die reguläre Aufbau- und Ablauforganisation aufbauen und gezielt (nur) dort angepasst werden, wo dies, ausgehend von den besonderen sachlichen Anforderungen einer akuten Krisenlage, erforderlich erscheint.210 Eine solche „Vollintegration“ ist zwar sanierungsplanungsrechtlich nicht zwingend vorgeschrieben, im Interesse eines reibungslosen Zusammenwirkens aber gleichwohl zielführend. Sie bietet sich in ähnlicher Weise auch mit Blick auf das gem. Art. 5 Nr. 4 del. VO 2016/1075 vorgeschriebene Management-Informationssystem an. Das System soll eine zeitnahe und zuverlässige Verfügbarkeit aller für die Planumsetzung relevanten Informationen sicherstellen.211 Ein zumindest im Ansatz vergleichbares Informationssystem müssen deutsche Institute auch bereits auf Grundlage von § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG einrichten.212 Entsprechend erscheint auch hier eine Erfüllung beider Aufsichtsanforderungen auf Grundlage eines einheitlichen, umfassenden Informationssystems denkbar. c) Sanierungsplanung und Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements Deutliche Verknüpfungen ergeben sich schließlich auch zwischen der Sanierungsplanung und den zum Umgang mit operationellen Risiken und Liquiditätsrisiken vorgesehenen Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements. aa) Notfallkonzept gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG Gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG (MaRisk (BA) 9/2017, AT 7.3) sind alle Institute verpflichtet, als Teil ihres Risikomanagements angemessene sog. Notfallkonzepte einzurichten.213 Ziel dieser Notfallkonzepte ist die Vorsorge für etwaige Störungen oder Ausfälle zeitkritischer Aktivitäten und Prozesse der Institute.214 In Abgrenzung zum allgemeinen Risikomanagement, das primär auf eine 210 Vgl. Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 47 f. sowie mit weiteren detaillierten Vorschlägen zur Umsetzung in der Praxis Berger/Buchmüller/Suerland, a. a. O., S. 97, 126 ff. 211 Vgl. auch § 6 Abs. 2 MaSanV. 212 § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG verlangt die Schaffung von Regelungen, anhand derer die Institute jederzeit mit hinreichender Genauigkeit ihre finanzielle Lage bestimmen können. Ziel dieser Regelungen ist es, eine umfassende Überwachung und Steuerung aller Risiken des Instituts sowie des gesamten Geschäftsablaufes zu ermöglichen, vgl. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 650. 213 Die Vorschrift beruht auf Art. 5 Abs. 3 MiFiD-Durchführungsrichtlinie und wurde 2007 mit dem sog. Finanzmarktrichtlinie-UmsG eingeführt, vgl. BT-Drs. 16/ 4028, S. 95. S. auch EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/ 03, 19.7.2018, Rn. 131. S. zum Ganzen ausf. Bockslaff/Lüders, Risikmanager 1/2006, 19; ferner wiederum Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 7.3 Rn. 2 ff.; aus organisationssoziologischer Perspektive zum sog. Business Continuity Management, darunter auch bei Finanzinstituten, Folkers, 46 Econ. Soc. 103 (2017). 214 MaRisk (BA) 9/2017, AT 7.3 Tz. 1.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
frühzeitige Steuerung von Risiken in der Vorphase ihrer Verwirklichung hinwirkt, widmet sich das Notfallkonzept der Schadensbewältigung und -minimierung im Falle der Risikorealisierung. Funktional vergleichbar mit dem Sanierungsplan handelt es sich folglich um ein Instrument des Krisenmanagements im engeren Sinne.215 Bereits die explizite Hervorhebung von IT-Systemen in § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG verdeutlicht dabei jedoch, dass Gegenstand der Notfallkonzepte weniger banktypische Finanzrisiken als vielmehr die operationellen Risiken der Institute sind.216 Inhaltlich muss das Notfallkonzept mindestens sog. Fortführungs- und Wiederanlaufpläne umfassen. Erstere regeln die Kontinuität kritischer Prozesse und Aktivitäten auf Grundlage von Ersatzinfrastrukturen, die im Falle des Ausfalls oder der Störung der regulären Betriebsinfrastrukturen zum Einsatz kommen, letztere die anschließende Rückkehr zum Normalbetrieb binnen angemessener Zeit.217 Überschneidungen zur Sanierungsplanung ergeben sich aus Art. 12 VO 2016/ 1075. Danach muss der Sanierungsplan sicherstellen, dass auch eine Umsetzung der einzelnen Handlungsoptionen im Krisenfall die Kontinuität der Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigt. Jede Sanierungsoption ist entsprechend umfassend daraufhin zu überprüfen, ob sie entsprechende Kontinuitätsrisiken birgt. Bei Bedarf sind frühzeitig Regelungen und Maßnahmen zu entwickeln, die die Aufrechterhaltung des kontinuierlichen Geschäftsbetriebes sicherstellen, darunter vor allem der Betrieb von Infrastruktur- und IT-Dienstleitungen.218 Zwar ist diese von der del. VO 2016/1075 ebenfalls als „operative Notfallplanung“ bezeichnete Bewertung und Vorausplanung nicht identisch mit der soeben beschriebenen Notfallplanung im Sinne von § 25a KWG bzw. MaRisk.219 Auf normativer Ebene 215 Vgl. Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 25a KWG Rn. 645. 216 Dazu gehören neben den IT-Systemen z. B. auch die Gebäude, in denen die Institute ihr Geschäft betreiben, vgl. Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 99; zum Begriff auch schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 1. d). Die Sicherheitsanforderungen an IT-Systeme werden konkretisiert in BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA) – Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT). 217 MaRisk (BA) 9/2017 AT 7.3 Tz. 2; ähnl. auch EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 131. Ferner verlangt MaRisk (BA) 9/2017 AT 7.3 Tz. 1, 2 die Entwicklung eines Kommunikationsplans, die jederzeitige Verfügbarkeit des Notfallkonzepts gegenüber allen intern beteiligten Personen und eine regelmäßige Überprüfung des Konzepts auf seine Wirksamkeit und Angemessenheit. Wiederum ähnlich zur Sanierungsplanung (s. dazu ausf. oben, Abschnitt § 5 D.) kann es zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Notfallkonzepts erforderlich sein, dass neben zukunftsbezogenen Planungen auch bereits frühzeitig Präventivmaßnahmen ergriffen werden, z. B. derart, dass bereits frühzeitig Doppelinfrastrukturen aufgebaut, externe Dienstleister kontrahiert und krisenbezogene Aufbau- und Ablauforganisationen eingerichtet werden, vgl. Braun, in: in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRRVO, 5. Aufl. 2016, § 25a Rn. 645 f. 218 Art. 12 Abs. 2 Satz 2 lit. d del. VO 2016/1075. 219 Vgl. BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung, sub. VI.4.
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stehen beide Planungs- bzw. Konzeptpflichten bis auf Weiteres parallel nebeneinander. Jedoch dürfte es auch hier unverzichtbar sein, die Sanierungspläne und MaRisk-Notfallkonzepte konsequent aufeinander abzustimmen.220 Einerseits muss das Notfallkonzept in allen Inhalten auch dann noch nahtlos umsetzbar sein, wenn sich das Institut in umfassenden Sanierungsprozessen befindet, etwa ganze Geschäftsbereiche ausgliedert und veräußert. Umgekehrt darf auch die Umsetzung des Sanierungsplans nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass einzelne kritische Prozesse oder Aktivitäten im Sinne der MaRisk (BA) 9/2017, AT 7.3 gestört oder ausgefallen sind. Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive spricht deshalb in der praktischen Umsetzung wiederum viel dafür, beide Instrumente in einem einheitlichen Krisenmanagementrahmen zusammenzufassen. Die relevanten Aufbau- und ablauforganisatorischen Regeln sollten darin umfassend harmonisiert, redundante Strukturen vermieden und auch sonstige verallgemeinerbare Elemente221 im Sinne maximaler Umsetzungssicherheit einheitlich ausgestaltet werden. Gleichzeitig könnte ein modularer Aufbau des Gesamtkonzepts dafür Sorge tragen, dass je nach Bedrohungslage situativ bedarfsgerechte Maßnahmen ergriffen werden können.222 bb) Liquiditätsnotfallplan In diesen integrierten Krisenmanagementrahmen könnte sodann auch die sog. Liquiditätsnotfallplanung einbezogen werden. Die Entwicklung solcher Liquiditätsnotfallpläne (Liquidity Contingency Plan, LCP) als Teil eines angemessenen internen Risikomanagements sieht heute sowohl das nationale als auch das europäische Aufsichtsrecht vor.223 Darauf ausge220 Im Ansatz auch Igl/Krüger, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 131, 135 (Fn. 8). 221 Denkbar wäre z. B. eine übergreifende externe Kommunikationsplanung für Krisenfälle aller Art. 222 Ein solches einheitliches Gesamtkonzept würde wiederum auch dem Integrationsund Kohärenzgebot in Art. 5 Nr. 3 lit. c, Nr. 4 del. VO 2016/1075 Rechnung tragen. Gleichwohl muss eine solche Integration beider Instrumente in einem einheitlichen Rahmen nicht zwingend auch zu einem einheitlichen Planungsverfahren „aus einer Hand“ führen. Die einzelnen Module können (und sollten) vielmehr auch weiterhin dezentral durch verschiedene Teams (fort-)entwickelt und erst im Nachhinein, nach gegenseitiger Kontrolle, integrierend zusammengefügt werden. Der Sanierungsplanungsprozess behält in diesem Fall seine Struktur als eigenständiges Verfahren. Zur Praxis dezentraler Planung des MaRisk-Notfallkonzepts s. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, AT 7.3 Rn. 7. 223 S. MaRisk (BA) 9/2017, BTR 3.1 Tz. 9. Auf europäischer Ebene ist der Liquiditätsnotfallplan Teil des sog. bankinternen Prozesses zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process, ILAAP) gem. Art. 86 Abs. 1 CRD-IV, vgl. EZB, ILAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 54. Parallel zum ICAAP werden auch die Anforderungen an den ILAAP im Rahmen des SREP überprüft. Die diesbezüglichen Vorgaben ergeben sich aus EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 454–456.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
richtet, die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Institute auch in einer Phase mit angespannter Liquiditätslage zu gewährleisten,224 müssen die Pläne liquiditätswirksame Krisenmaßnahmen enthalten und alle zu ihrer Umsetzung erforderlichen Prozesse und Kommunikationswege festlegen. Auch der Liquiditätsnotfallplan soll unter Berücksichtigung der Stresstestergebnisse regelmäßig auf seine Wirksamkeit hin überprüft und erforderlichenfalls angepasst werden.225 Bereits dieser kursorische Blick auf das Instrument führt wiederum die Parallelen zur Sanierungsplanung vor Augen, die unter anderem ebenfalls auf eine Bewältigung stabilitäts- bzw. bestandsgefährdender Liquiditätsengpässe gerichtet ist.226 Ähnlich dem Verhältnis zwischen ICAAP-Kapitalplan und Sanierungsplan wird man deshalb auch das Verhältnis zwischen Liquiditätsnotfallplan und Sanierungsplan wiederum als Verhältnis zweier aufeinander aufbauender Verteidigungslinien verstehen müssen:227 Der Liquiditätsnotfallplan kommt bereits dann zur Anwendung, wenn die liquiditätsbezogenen Frühwarnschwellenwerte erreicht werden.228 Der Sanierungsplan und die in ihm vorgesehen außerordentlichen Maßnahmen hingegen greifen grundsätzlich229 erst dann, wenn sich die Liquiditätsknappheit weiter zuspitzt und in der Folge auch die liquiditätsbezogenen Sanierungsschwellenwerte unterschritten werden. Vor diesem Hintergrund mag es kaum überraschen, dass die EZB mittlerweile auch hier, parallel zu ihren Ausführungen zum Konnex zwischen ICAAP und Sanierungsplanung, eine Harmonisierung beider Instrumente fordert.230 Gleichwohl scheint sie aber davon auszugehen, dass sich beide Instrumente weiterhin in Form zweier getrennter Dokumente gegenüberstehen.231 Mit den oben genannten
224 Die MaRisk (BA) 9/2017, BTR 3.1 Tz. 9 sprechen von einem sog. Liquiditätsengpass, die EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 454 von einer „schwerwiegenden“ Störung der eigenen Finanzierungsfähigkeit. 225 S. wiederum MaRisk (BA) 9/2017 BTR 3.1 Tz. 9; ähnl. auch EZB, ILAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 54; EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 455(a) (die EZB und die EBA verlangen allerdings weiter als die BaFin [und ähnlich den Sanierungsplanungsvorgaben] auch eine Analyse der Maßnahmen im Hinblick auf Zeitbedarf, potentielle negative Effekte und Umsetzungswahrscheinlichkeit sowie eine Bewertung der erzielbaren Gesamtnotfallliquidität). 226 Vgl. ähnl. auch Huertas, Living Wills; Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 50 (2013). 227 Ähnl. EZB, Mehrjahresplan zum ICAAP und zum ILAAP, 20.2.2017, Anlage 2: SSM-Leitfaden zum ILAAP, S. 5 (ILAAP steuere Liquidität in normalen Zeiten und unter Stressbedingungen, Sanierungsplan betreffe „tatsächliche Notsituation“). 228 Vgl. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 454 (c). 229 Ausnahmsweise, das sei nochmals wiederholt, ist auch eine frühere Umsetzung der Maßnahmen des Sanierungsplans möglich, vgl. Art. 8 Abs. 4 del. VO 2016/1075, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a BRRD. 230 EZB, ILAAP-Leitfaden, 11/2018, Rn. 35 f. und S. 14 f. S. auch nochmals EZB, Mehrjahresplan zum ICAAP und zum ILAAP, 20.2.2017, Anlage 2: SSM-Leitfaden zum ILAAP, S. 5 sowie schon die BaFin, Erläuterungen zu MaSan (BA) 3/2014, E.3. 231 Vgl. EZB, a. a. O., Rn. 54.
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Argumenten spricht dagegen aus hiesiger Perspektive wiederum viel dafür, die Liquiditätsnotfallplanung und die (liquiditätsbezogene) Sanierungsplanung in einem einheitlichen Krisenmanagementrahmen zusammenzufassen232 und auch diesen modular so auszugestalten, dass aufbauend auf gemeinsame GovernanceStrukturen je nach Lageentwicklung passgenaue Maßnahmen ergriffen werden können.233 3. Sanierungsplanung und laufende Institutsaufsicht der Aufsichtsbehörden Das bis dato vor allem aus der Perspektive der Institute beleuchtete Zusammenwirken des Sanierungsplanungsrechts mit dem mikroprudenziellen Gesamtregelwerk lässt sich in vergleichbarer Form auch aus behördlicher Sicht nachvollziehen. Aus aufsichtsbehördlicher Perspektive ist der Sanierungsplan vor allem eins: ein Informationsinstrument, das eine effektivere Überwachung und ein zielgenaueres staatliches Eingreifen ermöglicht.234 Mit Blick auf die staatliche Krisenvorbereitung hat dies der Gesetzgeber selbst zum Ausdruck gebracht: von Anfang an diente der Sanierungsplan explizit als Arbeitsgrundlage zur Ausarbeitung der Abwicklungspläne sowie zur Entwicklung behördenübergreifender Kooperationsarrangements.235 Aber auch darüber hinaus ermöglicht die gemeinsame Sanierungsplanung von Instituten und Behörden eine Perspektivverschiebung, die ungeachtet etwaiger späterer Krisen potentiell hilfreich auch für die laufende Überwachung der Institute im Hier und Jetzt sein kann.236 Exemplarisch sei etwa auf den Planabschnitt zur strategischen Analyse verwiesen, der
232 Entsprechende Stimmen wurden auch bereits während der Konsultation der sanierungsplanungsrechtlichen Vorschriften der del. VO 2016/1075 laut und die EBA zeigte sich insoweit offen, vgl. EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/ 2014/11, 18.7.2014, S. 32; ebenso wohl auch Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, 5. Aufl. 2019, BTR 3.1 Rn. 250. Umso mehr verwundert es, dass die EZB diese Forderungen nicht aufgegriffen hat. 233 Für eine Angleichung der Governance-Strukturen und für eine Berücksichtigung der Maßnahmen aus dem Notfallliquiditätsplan im Sanierungsplan im Ansatz auch Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 48 f. 234 Vgl. auch de Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.07., 10.98; ferner z. B. Kokorin, Insolvency of Significant NonFinancial Enterprises, S. 21, 35. 235 §§ 15 Abs. 1, 42 Abs. 2 SAG. S. auch oben, Abschnitt § 3 A. III. 236 Diese Perspektivverschiebung betonend auch IMF, United Kingdom: Crisis Management and Bank Resolution, IMF Country Report No. 11/228, Rn. 33; World Bank Group, Understanding Bank Recovery and Resolution, S. 52; Singh/Douglas/Guynn, in: Olivares-Caminal/Douglas/Guynn (Hrsg.), Debt Restructuring, 2. Aufl. 2016, Rn. 6.30; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.04, 1.30; 1.54; ferner Amorello/ Huber, Law Econ. Y. Rev. 296, 314 f. (2014).
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
einen aufbereiteten237 und gebündelten Wissens- und Informationsfundus zum Aufbau, zur Geschäftstätigkeit und zu den Risikostrukturen der Institute bietet und damit auch frühzeitig Anhaltspunkte dafür liefern kann, wo künftig eine vertiefte aufsichtliche Überwachung geboten ist oder ein spezifischer Maßnahmenbedarf besteht. Insgesamt deutet sich damit an, dass die Sanierungsplanung, wenngleich ursprünglich als genuin krisenbezogenes Instrument ersonnen, heute in weiten Teilen in die laufende Aufsichtstätigkeit der zuständigen Behörden auch während Stabilitäts- bzw. „Ruhephasen“ hineinragt.238 Besonders deutlich wird diese Entwicklung einerseits anhand der planungsbegleitenden Informations- und Berichtspflichten der Institute (dazu nachfolgend a)), andererseits daran, dass heute auch das SREP-Verfahren zunehmend mit dem behördlichen Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne verknüpft ist (dazu nachfolgend b)). a) Sanierungsplanungsrechtliches Meldewesen Eine funktionierende staatliche Wirtschaftsaufsicht ist abhängig von hinreichenden Informationen über ihre Aufsichtsobjekte. Dieser verallgemeinerbare Befund239 trifft in besonderem Maße für die Bankenaufsicht zu, die zur Erreichung ihrer (primären) Zielsetzung, die Gewährleistung von Finanzstabilität, ihre Überwachungsaufgaben heute weit in das Innere der Institute hinein verlagert hat.240 Unabdingbar für eine effektive Aufsichtstätigkeit ist deshalb gerade hier ein funktionsfähiger Informationsrahmen, der sicherstellt, dass die Bankenaufsichtsbehörden, neben ihren eigenen Auskunftsrechten, auch ohne eigenes Zutun durch die Institute mit sämtlichen zur finanziellen Lageeinschätzung relevanten Informationen versorgt werden. Das heutige bankenaufsichtsrechtliche Anzeigeund Meldewesen statuiert deshalb eine Vielzahl regelmäßiger und anlassbezogener Publizitätspflichten, die weit über die branchenunabhängigen Publizitätsvorgaben im Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht hinaus gehen.241 Das Sanierungsplanungsrecht fügt sich in dieses Regelungsregime ein. Über die Pflicht zur Erstellung des Sanierungsplans hinaus, die ihrerseits als spezi237 Den Aspekt der angemessen Datenaufbereitung betonend EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 6; zu diesbezüglichen Problemen in der Lehman-BrothersInsolvenz Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 804 (2016–2017). 238 Ähnl. zum US-Living-Will-Regime Suska, a. a. O., S. 803 f. 239 Fehling, in: ders./Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, § 20 Rn. 117; Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 346 f. (m.w. N.). Dazu auch schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 240 Kaufhold, a. a. O., 347; ausf. auch Reiling, Der Hybride, S. 145 ff. Speziell zur Abhängigkeit der Sanierungsplanung von institutsinternem Sonderwissen schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 241 S. z. B. Art. 99, 394, 430 CRR, § 25 KWG, § 11 LiqV. Zum Ganzen überblicksartig Fischer/Boegl, in: BankR-Hdb., § 132; Glos, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 13 Rn. 17 f.
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fische Form einer Auskunfts- bzw. Berichtspflicht verstanden werden kann,242 sieht es heute gleich mehrere vom Sanierungsplan abgekoppelte Informationsund Berichtspflichten vor. Bereits oben dargestellt wurde insoweit die Ad-hocBerichtspflicht in Art. 5 Nr. 3 lit. a, iii) del. VO 2016/1075 und § 6 Abs. 1 Satz 3 MaSanV, die die Geschäftsleitung dazu verpflichtet, die zuständige Aufsichtsbehörde über das Anschlagen der Sanierungsindikatoren und eine etwaige Ausrufung des Krisenfalls sowie die Ergreifung von Sanierungsmaßnahmen zu informieren.243 Hinzu kommt die krisenunabhängig greifende Pflicht zur Führung einer sog. Kontraktdatenbank gem. § 13 Abs. 6 SAG, in der alle Finanzkontrakte zu führen sind, die das jeweilige Institut als Vertragspartei mit anderen Finanzmarktakteuren unterhält, und die damit eine kontinuierliche und detailgenaue Analyse der stabilitätsrelevanten Vernetzungsstrukturen ermöglicht.244 Schließlich verpflichtet § 7 Abs. 10 MaSanV die Institute dazu, der Aufsicht bei jeder Aktualisierung des Sanierungsplans, mindestens also einmal jährlich (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 SAG), über die Entwicklung der verschiedenen Indikatorenwerte und deren Abstand zu den intern definierten Frühwarn- und Sanierungsschwellen Bericht zu erstatten (sog. Indikatorberichtspflicht). Die Vorschrift übernimmt eine vormals bereits in den MaSan 03/2014 enthaltene Regelung und stellt diese nunmehr auf eine taugliche Rechtsgrundlage.245 Funktional baut sie auf die parallele Pflicht zur dauerhaften Eigenüberwachung246 der Sanierungsindikatoren in § 7 Abs. 9 MaSanV auf und kann, gerade weil sie keinen unmittelbaren Bezug zum operationell-krisenbezogenen Teil des Sanierungsplanes aufweist, auch außerhalb desselben in Form selbstständiger Berichte erfüllt werden.247
242 Vgl. Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 606; Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 35, 78 (2013). Mit dem Unterschied, dass hier nicht nur reine Daten bzw. Informationen enthalten sind, sondern darüber hinaus auch institutsintern vorhandenes Wissen zum Umgang mit Krisenlagen. 243 S. o., Abschnitt § 4 A. III. 2. a). 244 Auch dazu schon oben, Abschnitt § 4 A. II. 4. 245 Vgl. bisher MaSan (BA) 3/2014, E.3.2 Tz. 5. Die dortige Anordnung dürfte allerdings gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verstoßen haben, weil es sich bei den MaSan (BA) 3/2014 allein um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt (s. schon oben, Abschnitt § 3 B.). 246 Zu derartigen Konzepten der Eigenüberwachung als Ausdruck einer Modernisierung der klassischen hoheitlich-imperativen Regulierung Eifert, in: GVwR I, § 19 Rn. 38 f. Hier dürfte die Ansiedelung der Indikatorüberwachung bei den Instituten aber weniger Ausdruck eines modernisierten Verwaltungshandelns, sondern eher faktischen Erfordernissen geschuldet sein. Die relevanten Daten (z. B. zur Kapitalausstattung und Liquiditätslage) fallen schlicht unternehmensintern an, können also auch nur dort sinnvoll erhoben werden. 247 BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 34 (Begründung zu § 7). Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 108 schlägt eine Integration der Daten in den Risikobericht gem. MaRisk (BA) 9/2017, BT 3.2 vor. S. zur praktischen Umsetzung der Berichtspflicht, allerdings noch auf Grundlage der MaSan (BA) 3/2014, auch Berger/Buchmüller/Suerland, in: Igl/Heuter (Hrsg.),
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Insgesamt verdeutlichen gerade diese krisenunabhängigen Berichtspflichten, dass der Themenkomplex Sanierungsplanung heute auch aus aufsichtlichen Perspektive deutlich über die Planerstellung und -aktualisierung im engeren Sinne hinaus geht und zunehmend mit der fortlaufenden Überwachung der Institute jenseits besonderer Stress- bzw. Belastungsphasen verknüpft ist.248 Inwieweit diese Verknüpfung tatsächlich der laufenden Institutsaufsicht zugute kommt, dürfte maßgeblich davon abhängen, ob eine operationalisierbare Aufbereitung der im Rahmen der Sanierungsplanung gewonnenen Informationen gelingt.249 b) Behördliches Planbewertungsverfahren und SREP Noch deutlicher wird die Bedeutung des Sanierungsplanungsprozesses für die laufende Institutsaufsicht schließlich, wenn man die mittlerweile vollzogene Verknüpfung zwischen dem behördlichen Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne und dem sog. SREP-Verfahren in den Blick nimmt. aa) Integration des Planbewertungsverfahrens in den SREP Standen beide behördlichen Verfahren ursprünglich noch weitgehend unverbunden nebeneinander, hat die EBA mit ihren Leitlinien zum aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (sog. SREP-Leitlinien) inzwischen eine weitgehende Verschränkung der Regime herbeigeführt.250 Danach sollen die behördlichen Bewertungen und Überwachungstätigkeiten im Rahmen des SREP auf gleich mehreren Ebenen von den Inhalten des Sanierungsplans und den im gemeinsamen Planungsverfahren von Instituten und Behörden gewonnenen Erkenntnissen profitieren.251 Dies betrifft besonders die aufsichtliche Bewertung
Sanierungsplanung, S. 97, 118 f.; ferner Cichy/Buchmüller/Igl, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2018, § 15 Rn. 55 (Fn. 157). 248 In den Instituten dürfte gerade die periodische Indikatorberichtspflicht zudem auch einen Steuerungsanreiz zur frühzeitigen Bewältigung von Missständen entfalten. Denn eine mehrfach negative Berichterstattung der Institute bringt diese potentiell auch zunehmend in jene Bereiche, die ein frühzeitiges Eingreifen der Aufsichtsbehörde (z. B. nach § 36 Abs. 1 SAG, § 45 KWG oder Art. 16 Abs. 1 SSM-VO) zulassen. 249 Gerade hier könnte die Finanzaufsicht künftig, ähnlich wie in anderen Bereichen des aufsichtlichen Meldewesens, v. a. von Innovationen im Bereich der automatisierten/ autonomen Datenverarbeitung profitieren, s. dazu Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 804 f. (2016–2017). Erste Ansätze zeigen sich hier mittlerweile, vgl. BaFin, Jahresbericht 2020, S. 55 (zur datenbankgestützten Auswertung der Sanierungspläne). S. mit Blick auf die makroprudenzielle Aufsicht auch noch sogleich, Abschnitt § 6 B. III. 250 Vgl. auch Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 315 (2014); Otto/Renn, in: Igl (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 324, 339. 251 S. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 57(e), Rn. 66(e) (Überwachung der Institute auch auf Grundlage der im Sanierungsplan vorgesehenen Sanierungsindikatoren; Analyse des Geschäftsmodells und -strategie der Institute unter Zuhilfenahme der Informationen in den Sanierungsplänen).
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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der institutsinternen Geschäftsorganisation, die im Zentrum des SREP-Verfahrens steht. Gleichsam spiegelbildlich zu dem im materiellen Aufsichtsrecht statuierten Integrations- und Kohärenzgebot zwischen Sanierungsplan und allgemeinem Risikomanagement252 sehen auch die in den Leitlinien formulierten behördlichen Verfahrensregeln vor, dass die Beurteilung der internen Governance und institutsweiten Kontrollen auch die Sanierungsplanung einbeziehen soll.253 Zwar läuft das Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne weiterhin nach den in Art. 6, 8 BRRD bzw. §§ 15–18 SAG definierten Regeln ab. Die bei der Bewertung des Sanierungsplans und des Planungsprozesses diagnostizierten Ergebnisse und Schwachstellen sollen aber auch in den SREP einfließen. Sie haben damit maßgeblichen Einfluss auf den Score-Wert, mit dem die Aufsichtsbehörde die Qualität der internen Geschäftsorganisation des Instituts bewertet, und damit mittelbar auch auf die Höhe der sog. Säule-2-Kapitalanforderungen.254 Umgekehrt soll auch die Sanierungsplanung vom SREP profitieren, indem die dort zutage geförderten Bewertungsergebnisse in die Bewertung der Sanierungsplanung eingepreist werden.255 Den Regelungen liegt damit erkennbar die Absicht zugrunde, die voranschreitende Ausdifferenzierung des materiellen Aufsichtsrechts und der mit ihnen verknüpften Verfahrensregeln im Ergebnis nicht zu „blinden Flecken“ und abweichenden Interpretationen in der aufsichtlichen Bewertung führen zu lassen, sondern sämtliche Erkenntnisse in einem Kanal zusammenzuführen. Das SREP-Verfahren übernimmt insoweit eine integrierende Funktion, in dem alle staatlichen Informationsquellen zusammenfließen.256 Zwar hat die EBA im Rahmen ihrer jüngsten Überarbeitung der SREP-Anforderungen die Bedeutung dieses ganzheitlichen Aufsichtsansatzes nochmals betont und in diesem Zusammenhang insbesondere auch die potentiellen Synergien und Komplementaritäten hervorgehoben, die sich aus einer Interaktion zwischen dem SREP-Verfahren und dem Verfahren zur Sanierungsplanbewertung ergeben können.257 In den eher „technischen“ Details verbleiben aber mit Blick auf das 252
S. nochmals Art. 5 Nr. 1 lit. c, Nr. 4 del. VO 2016/1075. EBA, a. a. O., Rn. 89(j). 254 Dazu schon oben, Abschnitt § 6 A. I. 4. Aufgrund des kürzeren Zyklus der Sanierungsplanung (mind. einmal jährlich, § 12 Abs. 4 Nr. 2 SAG) gegenüber dem SREP (abhängig von der Einstufung des Instituts alle ein, zwei oder drei Jahre, vgl. Alert, BaFin Journal 7/2018, 11, 12) ist zudem auch denkbar, dass die aus der Sanierungsplanung resultierenden Aufsichtsinformationen als Impulsgeber für eine außerordentliche (d.h. vorzeitige) Überprüfung des SREP wirken. 255 Vgl. EBA, a. a. O., Rn. 132 f., Tabelle 3 (nach Rn. 136); dies., Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, S. 129. Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.25, 1.53 betont zu Recht die Bedeutung von Informationen aus der laufenden Aufsicht für die Sanierungs- und Abwicklungsplanbewertung. 256 Vgl. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, S. 14 f. S. auch Gann, ZfgK 2017, 380, 380, 382 (SREP-Leitlinie als verbindendes Glied bzw. „Brücke“ zwischen den Anforderungen des CRD-IV-Pakets und der BRRD). 257 EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, S. 15. 253
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Zusammenwirken beider Verfahren weiterhin klärungsbedürftige Folgefragen: Sie betreffen einerseits das Verhältnis der SREP-Solvabilitäts- und Liquiditätsbewertung zur behördlichen Beurteilung der Kapital- und Refinanzierungsstruktur im Sanierungsplanungsverfahren gem. § 15 Abs. 2 Satz 2 (Art. 6 Abs. 3 BRRD). Der deutsche Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang im BRRDUmsG zu erkennen gegeben, die Vorschrift ziele darauf ab, etwaige Sanierungshindernisse bei der Planbewertung zu erkennen.258 Wie diese Bewertung in der Praxis genau gehandhabt wird, bleibt aber bis auf Weiteres intransparent. Die Frage ist besonders deshalb bedeutend, weil die Kapital- und Liquiditätsbeurteilung an sich zum Kern des SREP-Prüfprogramms gehört.259 Daneben stellt sich die Frage, wie nunmehr, nachdem SREP- und Sanierungsplanungsverfahren auf der Informationsebene wechselseitig miteinander verknüpft sind, das Verhältnis der behördlichen Eingriffsbefugnisse in beiden Verfahrensordnungen zu verstehen ist. bb) Verhältnis behördlicher Eingriffsbefugnisse im Rahmen von SREP und Sanierungsplanung Die in § 16 SAG enthaltenen Befugnisnormen erlauben potentiell weitreichende Eingriffe in die Struktur und Geschäftstätigkeit der Institute, knüpfen eine behördliche Intervention jedoch an ein stark formalisiertes, stufenförmiges Verfahren.260 Insoweit unterscheiden sie sich deutlich von den Eingriffsermächtigungen im Rahmen der laufenden Institutsüberwachung, die den Aufsichtsbehörden von vornherein weitgehende Freiheit bei der Wahl ihrer Mittel gewähren.261 Aufgeworfen ist damit die Frage, in welchem Verhältnis die Vorschriften stehen bzw. – konkreter – ob Maßnahmen, die nach § 16 SAG nicht oder jedenfalls noch nicht zulässig sind, auf Grundlage der übrigen Rechtsgrundlagen ergriffen werden können. Bedeutung erlangt die Frage vor allem deshalb, weil Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD den Sanierungsplan zum Instrument der Unternehmenssteuerung
258 BT-Drs. 18/2575, S. 149. Art. 6 Abs. 3 BRRD wurde erst im Laufe des EU-Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der informellen Trilog-Verhandlungen eingefügt, vgl. Rat der Europäischen Union, Dok. 17958/13, 18.12.2013 und Europäisches Parlament, Dok. A7-0196/2, 10.4.2014. S. auch die Pressemitteilungen Kommission, MEMO/13/1140, 12.12.2013 und Rat der Europäischen Union, Dok. 18093/13, 20.12. 2013. 259 S. EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Titel 6–9. 260 S. näher dazu oben, Abschnitt § 4 C. II. 2. c) und § 5 D. II. 261 Freilich greifen auch hier allg. Regeln wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Anhörungserfordernis im Verwaltungsverfahren (Art. 22 Abs. 1 SSM-VO, § 28 Abs. 1 VwVfG); vgl. auch EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 23–26 (SREP sei ein dialogartiges Verfahren). Diese Regeln sind aber im Vergleich zu § 16 SAG deutlich weniger formalisiert und lassen den Behörden Spielräume. § 45b Abs. 1 Satz 1 KWG z. B. hebt sogar explizit hervor, dass die dort genannten Maßnahmen (u. a. Risikoabbau, Geschäftsbeschränkungen) auch vor Corporate-Governance-bezogenen Korrekturmaßnahmen gem. § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG angeordnet können.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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im Sinne des Art. 74 CRD-IV erklärt, zur Überwachung eben dieser Instrumente aber gerade die Eingriffsbefugnisse in Art. 102, 104 Abs. 1 CRD-IV (umgesetzt unter anderem in §§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 3, 25a Abs. 2 Satz 2, 45b Abs. 1 Satz 1 KWG) geschaffen wurden.262 Zudem ordnet § 16 Abs. 5 Satz 2 SAG (Art. 6 Abs. 6 Satz 4 BRRD) explizit an, dass der Maßnahmenkatalog in § 16 SAG die Befugnis der Aufsichtsbehörden unberührt lässt, auch Maßnahmen nach dem KWG sowie Frühinterventionsmaßnahmen nach dem SAG zu ergreifen. Die SREP-Leitlinien schließlich regeln zwar den Informationsaustausch zwischen Sanierungsplanungsverfahren und SREP, lassen aber die Parallelität der Befugnisnormen unberücksichtigt.263 Im Ergebnis wird man das Verfahren in § 16 SAG bezogen auf seinen originären Anwendungsbereich, die Prüfung und Bewertung der Sanierungspläne, als vorrangiges und grundsätzlich abschließendes Regime betrachten müssen. Denn nur so wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, dass das behördliche Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne bewusst nicht vollständig in das SREP-Verfahren integriert, sondern in Art. 6 BRRD (§ 16 SAG) mit einer Sonderregelung bedacht wurde.264 Wann immer die behördliche Bewertung damit zu dem Ergebnis kommt, dass der Sanierungsplan nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht und deshalb plan- oder unternehmensbezogene Abhilfemaßnahmen notwendig sind, können entsprechende Anordnungen einzig auf Grundlage des speziellen § 16 SAG getroffen werden.265 Ein Rückgriff auf andere Ermächtigungsgrundlagen ist insoweit nicht zulässig.266 Jenseits dieser isoliert sanierungsplanungsbezogenen Einzelfragen bleiben die parallelen Befugnisnormen aber naturgemäß nach Maßgabe ihrer eigenen Tatbestände anwendbar. Insbesondere können Unzulänglichkeiten in der Sanierungsplanung auch – als einer von mehreren Sachverhaltsfaktoren – mitbestimmend für den Erlass anderweitiger Aufsichtsmaßnahmen sein. Besonders vorgezeichnet ist dies nunmehr, nachdem die SREP-Leitlinie beide Verfahren informationell angeglichen hat, für
262 S. insoweit auch Art. 6 Abs. 6 Satz 3 Hs. 1 BRRD, der explizit hervorhebt, dass die Eingriffsbefugnisse in Art. 6 Abs. 6 BRRD „unbeschadet des Artikels 104 der Richtlinie 2013/36/EU“ gelten. 263 S. dafür aber EBA, SREP-Leitlinien, Stand: 19.7.2018, Rn. 547 f., dort mit Aussagen zum Verhältnis zwischen SREP-Maßnahmen und Frühinterventionsmaßnahmen gem. § 36 SAG (Art. 27 BRRD). 264 Dies gilt umso mehr, als die Sanierungsplanung anfangs noch im Governance-bezogenen Abschnitt der CRD-IV verankert und damit auch kurzzeitig dem SREP-Verfahren unterworfen war, vgl. Art. 74 Abs. 4 Satz 1 CRD-IV a. F. (in der Fassung v. 27.6.13). Mit Inkrafttreten der BRRD wurde die Regelung gestrichen (Art. 124 BRRD). 265 S. allg. zum Grundsatz lex specialis derogat legi generali z. B. Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 267 f. 266 Anders aber Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 277: Die Aufsichtsbehörde könne im Falle von Sanierungshindernissen auf ihre Befugnisse aus Art. 104 CRD-IV und Art. 6 BRRD zurückgreifen.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Maßnahmen im Rahmen des SREP.267 Behördlich festgestellte Schwachstellen in der Sanierungsplanung268 können hier in die Gesamtbewertung der internen Geschäftsorganisation der Institute einfließen, Einfluss auf die Vergabe des betreffenden Score-Wertes haben und insoweit mitursächlich für behördliche Maßnahmen werden, die dann aber als Folge eben dieser Gesamtbewertung ergriffen werden.269 Mängel des Sanierungsplans per se rechtfertigen dagegen keine behördlichen Eingriffsmaßnahmen im Rahmen des SREP; das Verfahren kann insoweit also nicht zur Umgehung der Sonderregelungen in § 16 SAG herangezogen werden.270
III. Zusammenfassung und Bewertung Die vorangehenden Einzelbetrachtungen machen deutlich, dass die Differenzierung zwischen einem krisenbezogenem Aufsichtsrecht einerseits und einem den regulären Geschäftsbetrieb der Institute betreffenden Aufsichtsrecht andererseits, so berechtigt sie zu Ordnungszwecken auf den ersten Blick sein mag,271 im Detail vielfach verschwimmt. Denn nicht nur auf normstruktureller Ebene weist das Sanierungsplanungsrecht Ähnlichkeiten mit dem übrigen mikroprudenziellen Aufsichtsrecht auf und kann deshalb ebenso wie letzteres dem Konzept der qualitativen Bankenaufsicht zugeordnet werden.272 Auch und gerade auf operationeller Ebene wirkt das Sanierungsplanungsrecht auf vielfältige Weise mit den ver-
267 Ähnliches gilt für Frühinterventionsmaßnahmen gem. § 36 Abs. 1 SAG. Sie können grundsätzlich nicht allein wegen Mängeln des Sanierungsplans ergriffen werden. Anordnungen nach § 36 Abs. 1 SAG können aber angezeigt sein, wenn erstens eine Verschlechterung der Finanzlage eingetreten ist oder unmittelbar droht und zweitens eine eigenverantwortliche Krisenbewältigung deshalb wenig erfolgversprechend erscheint, weil der Sanierungsplan nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Im Ansatz ähnl. wie hier, letztlich aber offenlassend Cichy, in: Hdb. Bankenaufsichtsrecht, § 15 Rn. 57. 268 Um „Doppelbelastungen“ zu vermeiden, kommen freilich nur fortbestehende Schwachstellen in Betracht, die nicht durch Maßnahmen gem. § 16 SAG ausgeräumt werden können. 269 Umgekehrt können entsprechend EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, Rn. 133 zudem auch Erkenntnisse aus dem SREP-Verfahren im Sanierungsplanungsverfahren Berücksichtigung finden. Diese Konstellation ist ohnehin unbedenklich, weil § 16 SAG behördlichen Maßnahmen das „strengere“ Verfahren vorschaltet. 270 Vgl. mit Blick auf Kapitalaufschläge im Ansatz auch EBA, Final Report on revised SREP-Guidelines, EBA/GL/2018/03, 19.7.2018, S. 124 („Recovery planning considerations should not lead to capital add-ons as such; rather, they should feed into the BMA and Internal Governance assessment.“) 271 Vgl. für entsprechende Differenzierungen z. B. ErwG 6 BRRD; aus der Literatur ferner Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 31; Burghof/ Rudolph, Bankenaufsicht, S. 39 ff.; Reiling, Der Hybride, S. 141. 272 S. o., Abschnitt § 6 A. II.1.
A. Sanierungsplanung und mikroprudenzielles Aufsichtsrecht
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schiedenen Instrumenten der sog. laufenden Bankenaufsicht zusammen, ergänzt und überlagert diese. 1. Sanierungsplanung als Erweiterung des allgemeinen Risikomanagements und Instrument der laufenden Institutsaufsicht Dies gilt zum einen für den gesamten Bereich des institutsinternen Risikomanagements: Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD erklärt den Sanierungsplan zum Instrument der Unternehmenssteuerung im Sinne des Art. 74 CRD-IV. Ihren praktischen Ausdruck findet diese programmatische Einordnung in der del. VO 2016/ 1075, dort in Form eines umfassenden Integrations- und Kohärenzgebots.273 Bei der Umsetzung dieses Gebots sind vor allem drei Dimensionen besonders in den Blick zu nehmen. Erstens weist das Sanierungsplanungsrecht deutliche Überschneidungen mit den Risikotragfähigkeitsanforderungen des allgemeinen Risikomanagements auf. Die Sanierungsplanung ergänzt die Steuerungswirkung des ICAAP durch ein weiteres, krisenspezifisches Risikotragfähigkeitskonzept.274 Zweitens ist die Sanierungsplanung eng mit den Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements verknüpft, namentlich mit der Kapitalplanung für adverse Szenarien, mit der Liquiditätsnotfallplanung und mit den Notfallkonzept zur Bewältigung operationeller Risiken.275 In verfahrensbezogener Hinsicht schließlich baut das Sanierungsplanungsrecht, drittens, auf all diejenigen Vorgaben des allgemeinen Risikomanagements auf, die bereits für die Phase des Regelbetriebes die Einrichtung von Systemen zur Risikofrüherkennung sowie zur Aufbau- und Ablauforganisation fordern.276 Insgesamt wirkt das einschlägige Aufsichtsrecht damit auf ein Gesamtrisikomanagement hin, das nach Art eines Eskalationsstufenmodells aufgebaut ist. Die Sanierungspläne kommen hier, den vorgenannten Instrumenten nachgelagert, als zweite Verteidigungslinie und damit gleichsam letzte Eskalationsstufe in der eigenverantwortlichen Krisensteuerung der Unternehmen zum Einsatz. Ähnlich deutlich gestaltet sich der Zusammenhang von Sanierungsplanung und laufender Bankenaufsicht auch aus aufsichtsbehördlicher Perspektive: Hier erlangt die Sanierungsplanung Bedeutung vor allem als wesentliche Informationsquelle für die mikroprudenzielle Aufgabenwahrnehmung. Deutlich wird dieser Konnex einerseits dadurch, dass das Sanierungsplanungsrecht auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene zunehmend eigenständige Melde- und Berichtspflichten der Institute vorsieht, die losgelöst vom Planungsprozess im engeren 273
Vgl. ErwG 7, Art. 5 Nr. 1 lit. c, Nr. 4, Art. 18 Abs. 1 lit. a del. VO 2016/1075. Dazu oben, Abschnitt § 6 A. II. 2. a) bb). 275 S. zu diesen Verknüpfungen (in o. g. Reihenfolge) Abschnitt § 6 A. II. 2. a) cc), c) bb), c) aa). 276 Dazu oben, Abschnitt § 6 A. II. 2. b). 274
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Sinne und unabhängig vom Eintritt in eine Krisenphase gelten, andererseits dadurch, dass das behördliche Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne mittlerweile umfassend mit dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren (SREP) verbunden ist.277 Vor diesem Hintergrund ist aus bewertender Perspektive ein gemischtes Fazit angezeigt: Die gesetzgeberische Grundentscheidung, die Sanierungsplanung durch Formulierung eines Integrations- und Kohärenzgebots mit dem allgemeinen Risikomanagement der Institute zu verknüpfen, überzeugt.278 Denn nicht nur schafft sie den Raum, um sachlich ungerechtfertigte Redundanzen in der Gestaltung der Risikomanagementprozesse und -mechanismen abzubauen, was sich positiv auf die Akzeptanz der aufsichtlichen Anforderungen auf Seiten der regulierten Institute auswirken dürfte.279 Das Integrations- und Kohärenzgebot ermöglicht es zudem, die unternehmensinternen Verfahren und Mechanismen der Krisenbewältigung fließend miteinander zu verzahnen und so ein reibungsloses Umschalten auf Maßnahmen der nächsthöheren oder -niederen Eskalationsstufe zu ermöglichen. Sie trägt damit dem Umstand Rechnung, dass ein effektives Krisenmanagement in tatsächlicher Hinsicht primär eine Frage der richtigen Einordnung mehrdeutiger Unternehmens- und Marktsignale ist und in der Praxis vor allem die Fähigkeit zu situativ bedarfsgerechtem Nach- und Gegensteuern erfordert.280 Ähnlich positiv ist im Grundsatz auch die Einbettung des Sanierungsplanungsprozesses in die laufende Aufsichtstätigkeit der Behörden zu bewerten.281 Einerseits wirkt die Verknüpfung von SREP- und Planbewertungsverfahren dem Entstehen von „blinden Flecken“ und uneinheitlichen Maßstäben bei der Überwachung der Institute entgegen. Andererseits ermöglichen die im Rahmen der Sanierungsplanung gewonnen Datenbestände potentiell eine noch intensivere Beaufsichtigung der Marktakteure.282 2. Verbleibendes Defizit: Überkomplexität des Gesamtregelwerks So begrüßenswert damit die grundsätzliche Ausrichtung von Regelwerk und Praxis sein mag, so unbefriedigend ist aber bis auf Weiteres der Zustand auf unmittelbar rechtlicher Ebene. Als Hauptproblem erweist sich hier vor allem die
277
Zum Ganzen oben, Abschnitt § 6 A. II. 3. Vgl. Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 282. 279 Diese Akzeptanz ist wiederum Voraussetzung dafür, dass die Sanierungsplanung nicht zur bloßen formalisierten Pflichtaufgabe verkommt. 280 S. zu diesen tatsächlichen Herausforderungen schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. 281 Vgl. auch Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.53 (Verf. betont ebenfalls die Notwendigkeit einer konsequenten Integration der Sanierungs- und Abwicklungspläne in Prozess der laufenden Aufsicht). 282 Schon früh mit der Prognose eines intensivierten Aufsichtsstils bedingt durch die Sanierungs- und Abwicklungsplanung Slaughter and May, Unfinished testaments, S. 7. 278
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hohe Komplexität des Gesamtregelwerks.283 Die vielfältigen Verbindungen des Sanierungsplanungsrechts zu den allgemeinen Risikomanagementvorschriften führen dazu, dass sich der volle Aussagegehalt beider Regelungssysteme nur noch durch eine aufwendige Zusammenschau allzu vieler Einzelvorschriften und aufsichtsbehördlicher Handreichungen ergibt, die auf unterschiedlichen Konkretisierungsebenen von wiederum verschiedenen Rechtsetzern formuliert wurden. Sind die einzelnen Anforderungen schon bei isolierter Betrachtung kaum auf Anhieb zu durchdringen,284 gilt dies erst recht für die beiden Instrumente in ihrem Zusammenwirken. Die dadurch bedingte Intransparenz des Regelwerks steht nicht nur in einem erkennbaren Spannungsverhältnis zu rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit.285 Sie stößt auch deshalb auf Bedenken, weil sie gerade größeren Instituten einen tendenziellen Wettbewerbsvorteil verschafft, die über die personellen und finanziellen Ressourcen verfügen, um einen effizienten Umgang mit den einschlägigen Regelungen zu entwickeln.286 Abhilfe könnten hier gleich mehrere Maßnahmen schaffen, die die Komplexität des Regimes reduzieren, ohne dabei zu inhaltlich geringeren Regulierungsanforderungen führen zu müssen: Geboten ist zum einen eine Neuordnung der Vorschriften zur Sanierungsplanung und zum allgemeinen Risikomanagement. Sie sollte dem sachlichen Konnex beider Instrumente Rechnung tragen und diese auch in ihrer äußeren Systematik in einen einheitlichen Regelungszusammenhang stellen. Sinnvoll könnte hier eine Angliederung der Regelungen in Art. 5 ff. BRRD (§§ 12 ff. SAG) an jene in Art. 73 ff. CRD-IV (§§ 25a ff. KWG) sein.287 Ein solches Vorhaben sollte zugleich zum Anlass genommen werden, um auch in 283 Ähnl. krit. mit Blick auf das Finanzaufsichtsrecht insg. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 340; spezieller mit Blick auf das Compliance-bezogene Wertpapierhandelsrecht zuletzt auch Bachmann, in: FS Hopt II, S. 17, 18 ff., 30 f. 284 Ähnl. auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 542; dies., in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 1. Aufl. 2015, Rn. 6.83 (jeweils mit Kritik an der Komplexität und Regelungsdichte der, vor allem untergesetzlichen, Vorschriften zum allg. Risikomanagement von Instituten und Institutsgruppen). Krit. zur (Über-) Komplexität der BRRD allg. auch Paulus, in: Nunner-Krautgasser/Garber/Jaufer (Hrsg.), Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 271, 273. 285 Grundsätzlich gebietet das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gebot der Rechtsklarheit, dass Normen inhaltlich in einer Art und Weise gefasst sind, die es dem Bürger ermöglichen, sich selbst ein Bild von der Rechtslage zu machen und rechtliche Entscheidungen vorherzusehen, vgl. m.w. N. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 94. EL (Stand: 1/2021), Art. 20 VII. Rn. 53. 286 Ähnl. mit Blick auf die Basel-III-Regeln, letztlich aber übertragbar Pakravan, 22 J. Fin. Reg. Comp. 208, 214 (2014). Allg. krit. gegenüber komplexer Finanzmarktregulierung auch Höfling, Gutachten F zum 68. DJT, S. F52 f., F55, F61; Pakravan, 22 Global Fin J. 232 (2011). 287 So schon vor Einführung der Regelungen Zimmer/Fuchs, ZGR 2010, 597, 612; vgl. auch Weckler, in: Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. I. Rn. 35. Allg. den Konsolidierungsbedarf mit Blick auf das Bankeninsolvenzrecht auf nationaler Umsetzungsebene betonend auch Schipke, Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts,
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inhaltlicher Hinsicht eine weitere Konsolidierungen der aufsichtlichen Anforderungen voranzutreiben. Dies gilt zum einen für die Sanierungsplanung und die oben genannten Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements, deren aktuelle Verankerung in verschiedenen Normzusammenhängen – wie so häufig288 – weniger Ausdruck einer gezielten gesetzgeberischen Entscheidung ist, sondern dem zweigleisigen Entwicklungsprozess von BRRD und CRD-IV geschuldet sein dürfte.289 Da diese Verfahren und Mechanismen allesamt der Bewältigung (mehr oder weniger schwerwiegender) Belastungslagen in finanzieller oder operationeller Hinsicht dienen, sollten sie de lege ferenda auch auf normativer Ebene deutlicher in Form eines einheitlichen Rechtsrahmens zur planerischen Krisenvorsorge der Institute zusammengefasst werden.290 Vergleichbares Konsolidierungspotential besteht auch mit Blick auf die behördlichen Verfahrensvorschriften. Auch hier dürfte die Doppelstruktur aus dem behördlichen Planbewertungsverfahren und dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren (SREP) vor allem Folge gesetzgebungshistorischer Pfadabhängigkeiten sein. Allein die Verwurzelung der Instrumente in unterschiedlichen internationalen Regelungsinitiativen rechtfertigt es aber nicht, die Sanierungsplanung auch in Zukunft vom SREP abgekoppelt zu halten. Die Rolle des SREP als globales behördliches Bewertungsverfahren spricht vielmehr dafür, auch die Sanierungsplanung in dessen Prüfprogramm einzubeziehen. Für Planungsdefizite stünde dann einheitlich dasjenige Eingriffsinstrumentarium zur
S. 331 (mit dem Vorschlag einer Eingliederung aller Regelungen in das KWG). Krit. zur Verortung des Bankeninsolvenzrechts in einer gesonderten Richtlinie, neben der CRD-IV, auch Theissen, EU Banking Regulation, S. 845. 288 Vgl. Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 367, die Abstimmungsdefizite zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten als typisches Problem der Finanzaufsicht ansieht. 289 Während die allgemeinen Corporate-Governance-Vorgaben, einschließlich der Anforderungen an das interne Risikomanagement, sich wesentlich aus den Regulierungsinitiativen des BCBS speisen (dazu Abschnitt § 6 A. I.3.), ist das Sanierungs- und Abwicklungsregime vor allem auf die sog. Key-Attributes-Vorschläge des FSB zurückzuführen (dazu Abschnitt § 2 B.II.). Die Gesetzgebungsverfahren zu CRD-IV und BRRD vollzogen sich im Nachgang der Finanzkrise weitgehend parallel, auf eine frühzeitige Verflechtung und einheitliche Neuordnung der materiellen Risikomanagement-Anforderungen aus beiden Regelungsinitiativen wurde, von der rudimentären Verknüpfung via Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD einmal abgesehen, verzichtet. 290 Eine solche Vereinheitlichung wird jedenfalls auf Ebene der praktischen Umsetzung auch schon gefordert. S. nochmals EBA, Draft RTS on the content of recovery plans, EBA/RTS/2014/11, 18.7.2014, S. 31 f. (dort mit Stakeholder-Stellungnahmen, die eine Zusammenführung der ILAAP-Liquiditätsnotfallpläne und der Sanierungspläne fordern); ähnl. insoweit auch Schabert/Schneider/Purkott, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 39, 48 f. Auch die BaFin scheint offen für eine Zusammenführung von ICAAP-Kapitalplanung und Sanierungsplanung auf praktischer Ebene zu sein, vgl. BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung, 24.5.2018, Rn. 33 (Fn. 7). Andere Stakeholder befürworteten im Gesetzgebungsverfahren zur del. VO 2016/1075 – anders als die EBA – gar eine komplette Zusammenführung von ICAAP, ILAAP und Sanierungsplanung, vgl. EBA, a.a.O, S. 31 f.
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Verfügung, das auch bei sonstigen Corporate-Governance-Mängeln Anwendung findet.291 In grundsätzlicherer Hinsicht schließlich bieten die beschriebenen Zusammenhänge Anlass zu der Frage, ob nicht in Zukunft vielleicht doch das gesamte mikroprudenzielle Aufsichtsrecht umfassend auf EU-Ebene geregelt werden sollte. In den letzten Jahren wurde mit Blick auf die europäische Rechtsetzungstätigkeit verschiedentlich ein allzu nachlässiger Umgang mit dem primärrechtlich verankerten Subsidiaritätsprinzip beklagt.292 Im hiesigen Kontext deutet sich aber an, dass die im mikroprudenziellen Aufsichtsrecht anzutreffende Überkomplexität gerade auch Folge der in doppelter Hinsicht zersplitterten Rechtsetzungskompetenzen zwischen der EU- und der Mitgliedsstaatenebene (vertikale Dimension) und ihren vielen Behörden (horizontale Dimension) ist.293 Deshalb, aber auch im Interesse der Wettbewerbsgleichheit der Institute untereinander,294 könnte es angezeigt sein, das bankenaufsichtsrechtliche Single-Rulebook de lege ferenda einheitlich auf EU-Ebene in Verordnungsform zu fassen.295 Die unter dem Titel „EU-Bankenpaket“ (bestehend aus „CRD V“, „CRR II“ und „BRRD II“) erst kürzlich abgeschlossenen Reformvorhaben haben all diese Fragen nicht aufgegriffen.296 Man mag damit zwar bei isolierter Betrachtung der BRRD von einem mittlerweile hinreichend entwickelten materiell-rechtlichen „System“ des bankenspezifischen Sanierungs- und Abwicklungsrechts sprechen können.297 Jedenfalls die Sanierungsebene dieses Systems wartet aber bis auf 291 Namentlich Art. 104 f. CRD-IV, Art. 16 Abs. 2 SSM-VO bzw. auf nationaler Ebene §§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 3, 25a Abs. 2 Satz 2, 45b Abs. 1 Satz 1 KWG. Den sanierungsplanungsrechtlichen Besonderheiten (ausgeprägte Dialogstruktur des Planungsund Planbewertungsverfahrens, Vorrang planbezogener vor unternehmensbezogenen Eingriffen) könnte auch durch eine Anpassung dieser Normen Rechnung getragen werden. 292 S. m.w. N. zur Diskussion Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Recht der EU, 72. EL (Stand: 2/2021), Art. 5 EUV Rn. 49. 293 Vgl. auch Wymeersch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 4.146. 294 S. dazu Singh, EBOR 16 (2015), 439. 295 In diese Richtung auch D. Nouy, Vorsitzende des Aufsichtsgremiums des SSM, vgl. Nouy, Everything is connected. Konkretisierende EU-Tertiärrechtsakte dürften freilich unabdingbar bleiben; nationalen Besonderheiten könnte weiterhin durch regelbezogene Wahlrechte/Optionen der Mitgliedsstaaten Rechnung getragen werden. S. auch Binder, EBOR 18 (2017), 401, 411; für einen EU-weit einheitlichen „European Banking Act“ jedenfalls für bedeutende Institute auch Lehmann, Single Supervisory Mechanism, S. 17 ff. Vgl. im Ansatz auch Wymeersch, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 4.147 f. Ferrarini/Recine, a. a. O., Rn. 5.57 ff. 296 S. zum Inhalt der Reformen im Überblick die Pressemitteilung Kommission, MEMO/19/2129, 16.4.2019; ferner auch Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 31 ff.; Wojcik, ZBB 2019, 272, 273 ff. 297 In diesem Sinne Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 32.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
Weiteres auf eine hinreichend konsequente Einbettung in das sonstige mikroprudenzielle Aufsichtsrecht.
B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht Die vorangehenden Betrachtungen widmeten sich vorrangig der Einbettung des Sanierungsplanungsregimes in das Gesamtsystem der sog. mikroprudenziellen Bankenaufsicht. Spätestens seit Beginn der letzten Finanzkrise ist neben dieser institutsbezogenen Aufsichtsdimension allerdings auch die systembezogene sog. makroprudenzielle Aufsicht in den Fokus der internationalen Regulierungsdiskussion gerückt. Für das Sanierungsplanungsrecht ist sie schon deshalb bedeutend, weil eine effektive Umsetzbarkeit der Sanierungspläne im „Ernstfall“ maßgeblich auch von den aktuellen Gegebenheiten im (Markt-)Umfeld der Institute bestimmt wird.298 Aber auch in seiner eigenen Ausrichtung zeichnet sich das Sanierungsplanungsrecht dadurch aus, dass es nicht allein institutsbezogene Zwecke verfolgt, sondern auch den Schutz des Finanzsystems per se zur eigenständigen Zieldimension des Planungs- und Krisenhandelns erhebt. Die Sanierungsplanung kann deshalb jedenfalls in Teilen auch als Instrument der makroprudenziellen Bankenaufsicht eingeordnet werden (dazu II.). Auf operativer Ebene kommt hinzu, dass die in der Planung generierten Informations- und Wissensbestände über ihren primären Entstehungs- und Verwendungszusammenhang, die Krisenvorsorge, hinaus auch die makroprudenzielle Aufsicht unterstützen können (dazu III.). Beiden Punkten widmen sich die nachfolgenden Ausführungen. Ein knapper Überblick299 über die Wesensmerkmale, Akteure und Instrumente der makroprudenziellen Aufsicht ist im Interesse der Nachvollziehbarkeit vorangestellt (dazu I.).
I. Makroprudenzielle Aufsicht Historischer Grundmodus der Banken- und Finanzmarktaufsicht ist die sog. mikroprudenzielle Aufsicht. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass das Primärziel staatlicher Finanzaufsicht, die Gewährleistung von Finanzstabilität im Interesse aller Marktakteure sowie der Gesamtwirtschaft, am besten dadurch verwirklicht wird, dass die einzelnen Marktakteure einer staatlichen Regulierung unter298 S. o., Abschnitt § 5 A. I., II., und zur Reaktion des Sanierungsplanungsrechts auf diesen Umstand durch Institutionalisierung einer dezentralen, netzwerkförmigen Wissensordnung, Abschnitt § 5 B. IV. 1. 299 Ausf. Darstellungen u. a. bei Gurlit, WM 2015, 1217; dies., WM 2015, 1257; Kaufhold, DV 46 (2013), 21; Lastra, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 309. S. auch Alexander, a. a. O., S. 334, 347 ff.; Dalhuisen, in: Andenas/Deipenbrock (Hrsg.), Regulating and Supervising European Financial Markets, S. 365, 375; IMF, Key Aspects of Macroprudential Policy, 10.6.2013. Monographisch zum Ganzen schließlich Bergk, Makroprudentielle Aufsicht; Kaufhold, Systemaufsicht.
B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht
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worfen und konsequent überwacht werden.300 Die Grenzen dieses über Jahrzehnte dominanten und bis heute prägenden Aufsichtsmodus wurden, wie viele andere Aufsichtsmängel, vor allem im Zuge der Finanzkrise 2007–2009 deutlich. Hier zeigte sich, dass eine auf einzelne Unternehmen verengte Aufsichtsperspektive nur bedingt in der Lage ist, akteursübergreifende Wechselwirkungen zwischen individuellen Risikopositionen zu erfassen und die daraus resultierende (In-)Stabilität des Gesamtfinanzsystems angemessen zu bewerten. Seither herrscht in der internationalen Diskussion weitgehend Konsens darüber, dass eine effektive Finanzmarktaufsicht einer ergänzenden, unmittelbar systembezogenen Komponente bedarf.301 Diese sog. Makroaufsicht302 unterscheidet sich von der traditionellen Mikroaufsicht sowohl durch eine unterschiedliche Aufsichtsaufgabe als auch durch abweichende Beobachtungs- und Aufsichtsgegenstände. Anders als die Mikroaufsicht zielt sie nicht auf die Erkennung und Abwehr der auf das individuelle Verhalten einzelner Marktakteure zurückzuführenden Risiken, sondern auf die Erkennung und Abwehr von Systemrisiken.303 Gemeint sind jene Risiken, die sich erst aus dem parallelen, meist aber unkoordinierten Agieren mehrerer Marktakteure innerhalb des Finanzsystems und als Folge der zwischen ihnen bestehenden Verknüpfungen ergeben.304 Aufsichts- und Beobachtungsgegenstand der Makroaufsicht ist demgemäß das Finanzsystem in seiner Eigenschaft „als System“, bestehend aus mehreren Systemelementen.305 Es geht darum, diese Marktakteure in einer übergreifend-horizontalen Perspektive306 in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und die zwischen ihnen bestehenden Verknüpfungen, seien es direkte Interaktionen oder indirekte Interdependenzen, sowie die daraus resultierenden gemeinsamen Entwicklungsdynamiken zu analysieren.307 Berücksichtigt werden dabei verstärkt auch makroökonomische Daten.308 Insge300
Vgl. statt vieler Kaufhold, DV 46 (2013), 21, 24 ff. S. vor allem den Bericht der High Level Expert Group on EU Financial Supervision vom 25.2.2009 (sog. De Larosière-Bericht), Rn. 144 ff.; ferner Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2009/2010, Rn. 198. Deutlich früher etwa auch schon Hellwig, in: Duwendag (Hrsg.), Finanzmärkte im Spannungsfeld, S. 123, 148 f. 302 Synonym auch „makroprudenzielle Aufsicht“, vgl. zum Begriff Clement, BIS Q. Rev. 03/2010, 59. 303 ErwG 10 ESRB-VO. 304 Gurlit, WM 2015, 1217, 1218 (sog. „Querschnittsdimension“ systemischer Risiken). Zu Begriff und Eigenarten von Systemrisiken schon oben, Abschnitt § 2 A. III. 305 Vgl. Schwarcz, Systemic Risk, S. 2, passim; ebenso Dalhuisen, in: Andenas/Deipenbrock (Hrsg.), Regulating and Supervising European Financial Markets, S. 365, 375. 306 Dalhuisen, a. a. O. 307 Hierzu wiederum ausf. und instruktiv Kaufhold, DV 46 (2013), 21, 51 ff.; ferner De Larosière-Bericht, Rn. 145–148; Gurlit, WM 2015, 1217, 1218 f.; Lastra, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 309, 315 ff. Treffend betont Reiling, Der Hybride, S. 143 insofern, die Makroaufsicht ziele auf die Genese von Umweltwissen. 308 ErwG 11 ESRB-VO. 301
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
samt ist die Makroaufsicht damit von einer stark zukunftsgewandten, prognostischen Betrachtungsrichtung geprägt und verfügt, weil sie in dieser Ausrichtung naturgemäß nur bedingt auf Erfahrungswissen aufbauen kann, über einen experimentellen Charakter.309 Zuständig für die Wahrnehmung dieser makroprudenziellen Aufsicht ist auf europäischer Ebene seit 2010 der sog. Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB).310 Sein Instrumentarium lässt sich in zwei Ebenen unterscheiden: Auf der Analyseebene verfügt das ESRB über umfassende Auskunfts- bzw. Informationsrechte gegenüber sämtlichen Finanzaufsichtsbehörden der EU sowie der Mitgliedsstaaten.311 Die Wahrnehmung dieser Informationsrechte bildet einen Schwerpunkt der makroprudenziellen Aufsicht, die vorwiegend eine Analysefunktion erfüllt.312 Hinzu kommen verschiedene Instrumente auf der Steuerungsebene. Sie werden regelmäßig nach ihrer Eingriffsintensität systematisiert und reichen von bloßer Kommunikation (weich) über Warnungen und Empfehlungen (mittel) bis hin zu klassischen Eingriffen (hart).313 Zu letzteren zählen vor allem die verschiedenen seit Basel-III geltenden sog. Kapitalpuffer,314 die allerdings nicht vom ESRB, sondern von den zuständigen Aufsichtsbehörden festgelegt werden. Jedenfalls auf der Steuerungsebene bleibt es damit dabei, dass die makroprudenzielle Aufsicht, wenngleich ihr Aufsichtsgegenstand das Finanzsystem insgesamt ist, zur unmittelbaren Abwehr systemischer Risiken wiederum nur bei den einzelnen Finanzinstituten ansetzen kann.315
II. Makroprudenzielle Gehalte des Sanierungsplanungsrechts Wendet man sich ausgehend von diesen grundlegenden Betrachtungen der Sanierungsplanung zu, dann wird zunächst deutlich, dass diese in erster Linie durch 309 Gurlit, WM 2015, 1217, 1220; Lastra, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 309, 318; s. auch Alexander, in: a. a. O., S. 334, 349 (mit Betonung der prognostischen Ausrichtung). 310 S. Art. 3 Abs. 1 ESRB-VO. Auf nationaler Ebene übernehmen makroprudenzielle Beobachtungsaufgaben zudem die Bundesbank und der sog. Ausschuss für Finanzstabilität, letzterer eingerichtet beim Bundesfinanzministerium, vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 2 FinStabG. 311 Art. 15 ESRB-VO. 312 Vgl. auch Art. 3 Abs. 2 lit. a und b ESRB-VO; ebenso Reiling, Der Hybride, S. 144. 313 Vgl. Andrae/Hellmich/Schmaltz, Bankaufsichtliches Risikomanagement, S. 16; Reiling, a. a. O., S. 144. Herausragende praktische Bedeutung haben vor allem die regelmäßig veröffentlichten Reports des ESRB (abrufbar unter: https://www.esrb.europa.eu/ pub/html/index.en.html, zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). 314 Mit einer Auflistung makroprudenzieller Steuerungsinstrumente z. B. Lastra, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 309, 318 ff. S. auch ESRB, Handbook on Operationalising Macro-prudential Policy, 4.11.2018, S. 26 ff. 315 Alexander, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 334, 348; Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 4; vgl. auch ErwG 13 ESRB-VO.
B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht
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einen mikroprudenziellen Aufsichtsansatz geprägt ist. Durch die Insolvenzverhinderung eines einzelnen Instituts sollen Ansteckungseffekte bzw., allgemeiner, negative Externalitäten zu Lasten anderer Marktakteure sowie des Banken- und Finanzsystems insgesamt verhindert werden. Ganz im Sinne der klassischen Mikroaufsicht zielt das Sanierungsplanungsrecht damit auf die Erreichung von Systemstabilität qua Gewährleistung von Institutsstabilität.316 Bei genauerer Betrachtung geht das Instrument aber über diesen strikt mikroprudenziellen Ansatz hinaus. Denn es bezweckt neben der erfolgreichen Sanierung per se auch eine Externalitätenvermeidung gerade in der Sanierung. Deutlich machen dies gleich mehrere Pflichten sowohl auf der Planungs- und Planumsetzungsebene:317 In der Planungsphase sind die Institute gehalten, jede Sanierungsoption und Kommunikationsmaßnahme im Hinblick etwaige externe Auswirkungen und systemische Folgen zu bewerten und diese, soweit möglich, frühzeitig auf ein Mindestmaß zu reduzieren.318 Gleiches gilt auch in der Planumsetzungsphase. Hier ist die Geschäftsleitung aufsichtsrechtlich verpflichtet, nicht nur auf eine möglichst zügige und effektive Sanierung des Instituts hinzuwirken, sondern bei der Auswahl von Sanierungsstrategien und -maßnahmen wiederum auch systemische Effekte zu berücksichtigen.319 Auf beiden Ebenen wird deutlich, dass der Systemschutz im Sanierungsplanungsrecht nicht nur – wie für mikroprudenzielle Aufsichtsregeln üblich – mittelbar, d.h. als Folge der individuellen Insolvenzvermeidung, Bedeutung erlangt, sondern gleichsam zum eigenständigen und unmittelbaren Steuerungsziel erhoben wird. Gleichzeitig heben die einschlägigen Planungsvorschriften hervor, dass die diesbezüglichen Bewertungen auch jene Effekte zu berücksichtigen haben, die sich gerade aus den parallelen Sanierungsbemühungen mehrerer Marktakteure ergeben.320 Deutlich wird hier die für eine makroprudenzielle Aufsicht so typische horizontale Analyseperspektive, die der relationalen Natur321 systemischer Risiken Rechnung tra-
316
S. dazu auch schon oben, Abschnitt § 3 A. III. All diese Pflichten wurden bereits an früherer Stelle (Abschnitt § 4 A.) ausf. beleuchtet, sollen hier nur kurz zum Zwecke der hiesigen Einordnungsfragen in Erinnerung gerufen werden. 318 Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 2 SAG sowie Art. 10 Nr. 2, 12 Abs. 1 und 2, 14 Abs. 1 lit. c, 19 Nr. 2 und 3 del. VO 2016/1075. Insofern ist es durchaus denkbar, dass makroprudenzielle Erwägungen, vermittelt über die Sanierungsplanung, auch Einfluss auf bankprivatrechtliche Fragen (Organisation, Geschäftsstruktur) haben. Tendenziell anders aber Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 65. 319 Ausf. zu dieser in § 13 Abs. 5 SAG angelegten Prüfpflicht s. o., Abschnitt § 4 A. III. 2. b). 320 Vgl. § 13 Abs. 4 Nr. 2 SAG, Art. 19 Nr. 3–5 del. VO 2016/1075. 321 „Relationalität“ bezeichnet im hiesigen Zusammenhang den Umstand, dass systemische Risiken niemals aus isolierten Einzelereignissen, sondern nur aus einer Verkettung bzw. dem Zusammenspiel der Handlungen mehrerer Systemelemente entstehen, vgl. dazu Kaufhold, Systemaufsicht, S. 144 ff. 317
398
§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
gen soll. Das einzelne Institut wird aufsichtsrechtlich nicht mehr (nur) isoliert in seinen individuellen Eigenarten adressiert, sondern (auch) in seiner Eigenschaft als interdependent eingebettetes Element des Gesamtfinanzsystems.322 Letztlich vereint die Sanierungsplanung damit mikro- und makroprudenzielle Aufsichtsansätze.323 In dieser Eigenschaft bietet das Sanierungsplanungsrecht schließlich auch Anlass, die der makroprudenziellen Aufsicht bisweilen zugeordneten abstrakten Strukturmerkmale nochmals zu hinterfragen: So wurde in Teilen des Schrifttums diagnostiziert, die makroprudenzielle Aufsicht sei gekennzeichnet durch eine Inkongruenz von staatlichen Aufsichtsmaßstäben einerseits und öffentlich-rechtlichen Pflichten der Kontrollierten andererseits. Die Aufsichtsbehörden mögen unter ihrem makroprudenziellen Mandat zwar auf den Schutz der Systemstabilität vor systemischen Risiken festgelegt sein. Für die aufsichtsunterworfenen Institute aber bestehe eine entsprechende Pflicht nicht. Sie könne auch nicht begründet werden, da die Institute selbst Marktakteure seien und in dieser Eigenschaft die Konsequenzen ihrer Systemzugehörigkeit und ihres Verhaltens nicht verhindern können.324 Diese Diagnose mag zwar für strikt erfolgsbezogene Inpflichtnahme Privater zutreffen, nicht aber für eine stärker verfahrensbezogene Inpflichtnahme. Deutlich wird dies anhand des Sanierungsplanungsrechts: Es formuliert Pflichten zur Risikoprüfung, -bewertung und -vermeidung, unter denen die Institute eben nicht final zur erfolgreichen Abwehr von Systemrisiken verpflichtet sind, wohl aber zur kritischen Reflexion der aus ihrem Agieren potentiell (mit-)ursächlich herbeigeführten systemischen Effekte. Erfüllen können die Institute diese verfahrensbezogenen Pflichten naturgemäß nur auf Grundlage des ihnen zur Verfügung stehenden bzw. von ihnen beschaffbaren Informations- und Wissensstandes. Gänzlich unmöglich ist eine Erfüllung der Pflichten aber nicht. Für eine darüberhinausgehende Optimierung der Sanierungsplanung sind die Privaten dann auf staatliche Informations- und Wissensbeiträge angewiesen. Notwendig sind hier entsprechende kooperative Mechanismen zwischen Instituten und Behörden. Das Sanierungsplanungsrecht verfügt dazu über einen dialogorientierten Verfahrensrahmen und eine netzwerkbasierte Wissensordnung.325 322
S. dazu allg. nochmals Kaufhold, DV 46 (2013), 21, 52. Vgl. auch ESRB, Handbook on Operationalising Macro-prudential Policy, 4.11.2018, S. 136, wo die Sanierungsplanung als makroprudenziell einsetzbares Aufsichtsinstrument gelistet wird. Mit makroprudenzieller Einordnung der Abwicklungspläne (und -instrumente) im Ansatz auch Dalhuisen, in: Andenas/Deipenbrock (Hrsg.), Regulating and Supervising European Financial Markets, S. 365, 375, 378 f. Demgegenüber mit verengtem Fokus allein auf Solvabilitäts- und Liquiditätsregeln Ohler, in: Dt. und europ. Bank- und Kap.m.recht II, § 90 Rn. 4. 324 So Kaufhold, DV 46 (2013), 21, 52 f. 325 S. dazu ausf. oben, Abschnitt § 5 B. IV. 1. a) (dort auch zur unterstützenden Funktion des ESRB im Rahmen der Sanierungsplanung). 323
B. Sanierungsplanung und makroprudenzielles Aufsichtsrecht
399
III. Sanierungsplanung als Informationsquelle makroprudenzieller Systemüberwachung Jenseits dieser Strukturfragen stellt sich auf operativer Ebene die Frage, ob und gegebenenfalls wie die Sanierungsplanung die behördliche Systemaufsicht auch jenseits akuter Krisenphasen unterstützen kann. Auch hier bieten die von den Instituten im Rahmen der Sanierungsplanung generierten Informations- und Wissensbestände erhebliche Potentiale.326 Hervorgehoben seien insoweit nur zwei Punkte: Wesentlicher Entstehungsfaktor systemischer Risiken sind die zwischen einzelnen Systemelementen bestehenden Vernetzungsstrukturen und dadurch bedingte Ansteckungspotentiale.327 Eine Kernaufgabe makroprudenzieller Aufsicht besteht daher in der Analyse derartiger Vernetzungsstrukturen sowohl innerhalb des Gesamtfinanzsystems als auch auf der Ebene seiner Teilsegmente. Die finanzökonomische Forschung setzt hier in den letzten Jahren zunehmend auf sog. Netzwerkanalysen.328 Diese sind jedoch auf hinreichend feinkörnige Datenbestände zu den Vertragsverhältnissen der einzelnen Marktakteure angewiesen, um aussagekräftige Informationen ableiten zu können. In der Praxis ergaben sich hier bisher regelmäßig Grenzen,329 die daraus folgen, dass Regelungsgegenstand des mikroprudenziellen Aufsichtsrechts vor allem aggregierte Stabilitätskennziffern, die innere Struktur und Geschäftstätigkeit der Institute im übergreifenden Sinne sind, nicht aber deren einzelne Vertragsverhältnisse.330 Das Sanierungsplanungsrecht bietet hier nunmehr teilweise Abhilfe: Denn die in den Plänen enthaltenen Abschnitte zur sog. strategischen Analyse erstrecken sich insbesondere auch auf eine Darstellung der internen und externen Vernetzungsstrukturen der Unternehmen.331 Mindestens ebenso hilfreich dürften zudem die Daten aus den bereits erwähnten Kontraktdatenbanken sein, in denen die Institute alle relevanten Finanzkontrakte mit anderen Marktakteuren fortlaufend und punktgenau zu erfassen haben.332 Die bis dato nur eingeschränkt für möglich gehaltene Überwachung auf Einzel-
326 Zur informationellen Unterstützung der laufenden Mikroaufsicht s. schon soeben, Abschnitt § 6 A. II. 3. a). 327 S. auch dazu schon einführend oben, Abschnitt § 2 A. III. 3. 328 S. dazu Arrequi/Norat/Pancorbo/Scarlata, Addressing Interconnectedness, S. 6 f., 43 ff.; IMF, Enhancing Surveillance, 15.3.2012; ferner Bundesbank, Monatsbericht 3/ 2011, S. 42 ff. 329 Arrequi/Norat/Pancorbo/Scarlata, Addressing Interconnectedness, S. 40. 330 Eine Ausnahme bildet z. B. das Großkreditregime gem. Art. 387 ff. CRR. Vgl. auch Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 349; dies., in: Augsberg (Hrsg.), Extrajuridisches Wissen, S. 151, 158 sowie Ohler, in: Kirchhof/Korte/Magen (Hrsg.), Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 26, 29. 331 § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. c SAG, Art. 7 Abs. 1 lit. c und d del. VO 2016/1075. 332 S. §§ 13 Abs. 6, 2 Abs. 3 Nr. 21 SAG. Zur dieser Berichtspflicht auch schon oben, Abschnitt § 4 A. II. 4.
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§ 6 Die Sanierungsplanung im Gesamtsystem
geschäftsebene333 wird damit auch für makroprudenzielle Zwecke zunehmend möglich. Das ESRB kann diese Daten auf Grundlage seiner Auskunftsrechte länderübergreifend von den zuständigen Aufsichtsbehörden abrufen und in seine eigenen Analysen einspeisen. Mit ganz ähnlicher Zielrichtung ist auch eine gezielte Abfrage der Daten denkbar, die auf Grundlage der periodischen Indikatorberichtspflicht gewonnen werden.334 Die regelmäßige Information über die Entwicklung der Indikatorenwerte verschafft den Behörden nicht nur einen Überblick über die Stabilität der einzelnen Institute in den jeweiligen Berichtszeiträumen, sondern kann vom ESRB in der Gesamtbetrachtung aller Berichte auch aufschlussreiche Informationen über die allgemeine Marktentwicklung bzw. die diesbezüglichen Einschätzungen der Marktakteure335 bieten. Ob die frühzeitige Diagnose stabilitätsgefährdender Entwicklungen dadurch tatsächlich treffsicherer wird, bleibt abzuwarten.336 Jedenfalls aber steigt der zu Analysezwecken zur Verfügung stehende Datenbestand. In der Gesamtbetrachtung zeigt sich auch hier, dass die Sanierungsplanung heute weit über ihre ursprüngliche, krisenbezogene Funktion hinausgeht und auch die makroprudenzielle Aufsicht zu unterstützen vermag.
C. Zusammenfassung Ursprünglich allein als Instrument zur planerischen Krisenvorsorge unter Primärverantwortung der Institute konzipiert, ist die Sanierungsplanung heute sowohl auf struktureller als auch auf operativer Ebene vielfältig mit dem bankenaufsichtsrechtlichen Gesamtsystem verknüpft und kann insoweit als multidimensionales Instrument bezeichnet werden. Hervorzuheben sind insoweit vor allem drei Gesichtspunkte: In mikroprudenzieller Hinsicht ist die Sanierungsplanung Bestandteil des erweiterten Risikomanagements der Institute. Als solche ist sie mit den regulären Instrumenten zur kontinuierlichen Risikoerkennung und -steuerung der Unternehmen verbunden, ergänzt und überlagert diese. Für die Aufsichtsbehörden erlangt der Sanierungsplan vor allem Bedeutung als wesentliches Informationsmittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der laufenden Institutsaufsicht, dies
333 Kaufhold, DV 49 (2016), 339, 349; vgl. auch Ohler, in: Europ. sektorales WirtschaftsR, § 10 Rn. 11. 334 § 7 Abs. 10 MaSanV. 335 Während die quantitativen Indikatoren auf numerischen Daten beruhen, sind wertende Einschätzungen Gegenstand der sog. qualitativen Indikatoren, vgl. BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019, S. 31 (Begründung zu § 7 Abs. 1). 336 Auch vergleichende Analysen bleiben anfällig gegenüber einem kollektivem Überoptimismus in Vorkrisenphasen.
C. Zusammenfassung
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gerade auch jenseits spezifischer Belastungsphasen.337 Vergleichbare, wenn auch weniger offenkundige Bezüge ergeben sich auch zur makroprudenziellen Aufsicht. Im weiteren Sinne betrifft dies zunächst wiederum die informationelle Ebene, indem die im Rahmen der Sanierungsplanung generierten Informationsund Wissensbestände zur Verfügung stehen, um eine effektive Systemüberwachung über den Banken- und Finanzmarkt durch die zuständigen Makroaufsichtsbehörden zu unterstützen. Darüber hinaus wirkt das Sanierungsplanungsrecht an verschiedenen Stellen auch in seiner eigenen Ausrichtung auf eine institutsübergreifende, unmittelbar systembezogene Planungsperspektive hin und erhebt das Ziel einer Systemrisikovermeidung bzw. -minderung zum eigenständigen Steuerungsziel. Es kann deshalb, jedenfalls in Teilen, auch selbst als makroprudenzielles Aufsichtsinstrument eingeordnet werden.338 Hinzu kommen schließlich die Verknüpfungen zwischen Sanierungsplanung und Bankenabwicklung.339 Jenseits der sachlich zusammenhängenden Fragen auf der Planungsebene erlangen die Sanierungspläne hier vor allem Bedeutung, indem sie das akute Krisenmanagement der Institute unterstützen, die Wahrscheinlichkeit einer eigenverantwortlichen Lösungsfindung stärken und in der Gesamtperspektive, namentlich in systemischen Krisen, die Anzahl der abwicklungsbedürftigen Unternehmen reduzieren soll. Funktional wirkt sie damit auf eine Entlastung des Abwicklungsrahmens hin, schont dessen begrenzte Ressourcen und trägt so mittelbar und nach Art eines vorgelagerten „Filters“ wirkend zu dessen effektivem Funktionieren bei.
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S. zum Ganzen, Abschnitt § 6 A. II. S. Abschnitt § 6 B.II. Dazu schon oben, Abschnitt § 3 A. III.
§ 7 Schlussbetrachtung A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung Im Verlauf der hiesigen Darstellung wurde deutlich, dass das Sanierungsplanungsregime in weiten Teilen Strukturen bereitstellt, die einen angemessenen Umgang mit den tatsächlichen Herausforderungen der abstrakt-planerischen Vorsorge für zukünftige Banken- und Finanzkrisen ermöglichen. Wendet man sich ausgehend von dieser grundsätzlichen Diagnose den verbleibenden Optimierungspotentialen des Rechtsrahmens zu, dann lassen sich im Wesentlichen drei Problemkreise identifizieren: Deutlich wurde zum einen, dass die Einbettung der Sanierungsplanung in das bankenaufsichtsrechtliche Gesamtregelungssystem bis auf Weiteres nur unzureichend gelungen und der Konsolidierungsbedarf entsprechend hoch ist. De lege ferenda sollten die Aufsichtsregeln zur Sanierungsplanung (Art. 5 ff. BRRD, §§ 12 ff. SAG) und die allgemeinen Corporate-Governance-bezogenen Anforderungen (Art. 73 ff. CRD-IV, §§ 25a ff. KWG) ihrem inneren Konnex entsprechend auch äußerlich in einen engeren, einheitlichen Regelungszusammenhang gestellt werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei darauf liegen, die Sanierungsplanung und die Notfallplanungen des allgemeinen Risikomanagements auch auf rechtlicher Ebene noch stärker miteinander zu verknüpfen und in Richtung eines integrierten Krisenmanagementrahmens fortzuentwickeln.1 Im Folgenden sollen darüber hinaus zwei weitere besonders dringlich erscheinende Aspekte aufgegriffen und mit Blick auf potentielle Lösungsansätze weitergedacht werden: Ein Problemkreis betrifft die Ausgestaltung des europäischen Bankenaufsichtssystems und damit zusammenhängende Fragen der interbehördlichen Kooperation und Koordination, die auch im Rahmen von Sanierungsplanung und (planungsbasiertem) Krisenmanagement relevant werden (dazu I.). Weitere Probleme deuten sich mit Blick auf die Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen zur an. Aufgeworfen ist vor allem die Frage, ob der Rechtsrahmen ausreichende Mechanismen bereitstellt, um sowohl die Institute als auch die Aufsichtsbehörden in der Praxis zu einer hinreichend restriktiven, sachangemessenen Planung und Krisenvorsorge anzuhalten (dazu II.).
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S. dazu schon oben, Abschnitt § 6 A. III.
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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I. Interbehördliche Kooperation 1. Problembeschreibung Auch knapp eine Dekade nach der letzten Finanzkrise besteht eines der Grundprobleme der europäischen Finanzmarktaufsicht in der Diskrepanz zwischen dem mittlerweile hoch integrierten europäischen Finanzsystem auf der einen Seite und dem weiterhin fragmentierten behördlichen Aufsichtssystem auf der anderen Seite.2 Dieses Grundproblem lässt auch das hier untersuchte Aufsichtsinstrumentarium nicht unbeeinträchtigt, das zu seiner Wirksamkeit vor allem von zwei Faktoren abhängig ist: in der Planungsphase von einem instituts- bzw. gruppenübergreifenden Austausch aller planungsrelevanten Informationen, in der Phase des akuten Krisenmanagements von einer systemweiten Koordination der auf Ebene der einzelnen Institute bzw. Institutsgruppen vorgesehenen Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen.3 In einem, Stand heute, entlang nationaler Grenzen fragmentierten Aufsichtssystem, kommt insoweit einer effizienten interbehördlichen Kooperation entscheidende Bedeutung zu.4 Auf diesen Kooperationsbedarf reagiert das europäische Aufsichtsrecht vor allem durch zwei Mechanismen: Einerseits wird die Sanierungsplanung in institutioneller Hinsicht durch eine instituts- und behördenübergreifende Netzwerkstruktur ergänzt, innerhalb dessen der soeben beschriebene Informations- und Koordinationsbedarf befriedigt werden soll. Speziell für die Beaufsichtigung von grenzüberschreitenden Bankengruppen sehen BRRD und CRD-IV zudem die Einrichtung sog. Aufsichtskollegien vor. In der Planungsphase sollen sie die Erstellung der Gruppen- und Einzelsanierungspläne innerhalb der Bankengruppe begleiten, in der Krisenphase die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen auf Ebene der gruppenangehörigen Gesellschaften steuern.5 Die Wirksamkeit dieser Mechanismen steht jedoch in Frage. Bedenken ergeben sich vor allem aus der Vielzahl der im europäischen Aufsichtssystem agierenden Behörden und der damit verbundenen Interessenvielfalt.6 Es verbleibt die Gefahr, dass eine effektive interbehördliche Kooperation durch einseitige Parteinahmen der nationalen Behörden für eigene Interessen beeinträchtigt wird. In der 2
Vgl. Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 217 (2013). S. zum Ganzen oben, Abschnitt § 5 A. I., II. und § 5 B. IV.; speziell zur Notwendigkeit des Informationsaustausches und zum Koordinationsbedarf in Gruppenkonstellationen § 4 D. 4 Vgl. statt vieler Avgouleas/Goodhart/Schoenmaker, 9 J. Fin. Stab. 210, 213 (2013); Babis, 25 EBLR 459, 477 f., passim (2014); zuletzt auch Campa, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 87, 92; Huertas, in: a. a. O., S. 105, 108 ff. (jeweils mit Blick auf Abwicklungsfragen, im Grunde aber übertragbar). S. auch früh schon Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 20 f. 5 S. nochmals oben, Abschnitt § 5 B. IV. 1. und § 4 D. 6 Vgl. Otto, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 87, 104. 3
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§ 7 Schlussbetrachtung
Planungsphase droht einem effektiven Informationsaustausch etwa die Sorge um die Gewährleistung der Vertraulichkeit der Kommunikation entgegenzustehen.7 In Krisenphasen besteht ein nicht unerheblicher Anreiz, stets solche Krisenmaßnahmen zu bevorzugen, die der Wettbewerbsposition der eigenen „nationalen Champions“ zugute kommt und nationale Einleger-, Anleger- und Fiskalinteressen schützt, all dies ungeachtet der mit solchen Maßnahmen etwaig verbundenen Externalitäten zu Lasten anderer Marktakteure.8 Fraglos erkennt auch das europäische Aufsichtsrecht die Gefahr solcher nationalen Egoismen an. Schon im unmittelbaren Nachgang der Krise wurde die EBA deshalb mit speziellen Kompetenzen ausgestattet, die die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden befördern und eine europaweit wirksame Bankenaufsicht gewährleisten sollen.9 Die EBA übernimmt eine Koordinatorfunktion (Art. 31 EBA-VO). Sie trägt zur Entwicklung der Sanierungs- und Abwicklungspläne bei (Art. 25 EBA-VO), unterstützt die Arbeit der Aufsichtskollegien (Art. 21 EBA-VO), verfügt über Schlichtungsbefugnisse bei grenzüberschreitenden behördlichen Meinungsverschiedenheiten (Art. 19 EBA-VO) sowie über Eingriffs- und Durchgriffsrechte für Fälle, in denen die zuständige Aufsichtsbehörde gegen europäisches Recht verstößt (Art. 17 EBA-VO) oder in denen die Stabilität des europäischen Finanzsystems gefährdet ist (Art. 18 EBA-VO).10 Ob die EBA mit all diesen Kompetenzen aber tatsächlich auf eine effiziente Behördenkooperation in Fragen der Sanierungsplanung und des Krisenmanagement hinwirken kann, bleibt gleichwohl zweifelhaft.11 Auf der Planungsebene ist zunächst zu berücksichtigen, dass die §§ 17 Abs. 4, 18 Abs. 3 SAG die Schlichtungsbefugnisse der EBA gem. Art. 19 EBA-VO auf die Bewertung des Gruppensanierungsplans sowie auf die Anordnung von unternehmensbezogenen Maßnahmen gem. § 16 Abs. 5 Nr. 1, 2 und 4 SAG begrenzen. Im Konfliktfall kann die EBA also weder
7 Herring, in: Scott/Shultz/Taylor (Hrsg.), Ending Government Bailouts, S. 125, 149; Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.37 8 Vgl. auch Babis, 25 EBLR 459, 473 f. (2014) (dort mit Blick auf die Sanierung grenzüberschreitender Institutsgruppen). Ähnl. auch z. B. Binder, ZBB 2015, 153, 156; ders., EBOR 18 (2017), 401, 414, 417; Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/ Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 41, 43, 55; ferner wiederum Douglas/ Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 21 (jeweils primär mit Blick auf Abwicklungsfragen, letztlich aber übertragbar). 9 ErwG 1, 11, 42 EBA-VO. S. zur Rolle der EBA im institutionellen Netzwerk, das der Sanierungsplanung zugrunde liegt, auch schon oben, Abschnitt § 5 B. IV. 1. 10 All diese Befugnisse hat die EBA grundsätzlich auch gegenüber der EZB, vgl. Art. 4 Nr. 2 lit. i EBA-VO. Inwieweit sie sie gegenüber der EZB auch anwenden würde, wird angesichts des institutionellen Ungleichgewichts zwischen beiden Behörden – die EZB als primärrechtlich fundiertes Organ der EU, die EBA als nur sekundärrechtlich eingerichtete Agentur – aber bezweifelt, vgl. Gurlit, EuZW-Beilage 2014, 14, 18. 11 Krit. auch Babis, 25 EBLR 459, 475 ff. (2014); Singh, in: Binder/ders. (Hrsg.), Bank Resolution, Rn. 1.38; Madaus, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 49, 71.
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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über die parallele Erstellung von Einzelsanierungsplänen befinden noch über etwaig erforderliche Änderungen der Geschäftsstrategie oder Organisationsstruktur der Gruppe. Gerade letzterer Punkt dürfte für die tatsächliche Sanierungsfähigkeit der Institutsgruppe aber vielfach zentral sein.12 Zudem droht eine effiziente Steuerung interbehördlicher Konflikte durch allzu lange Entscheidungsprozesse in der EBA beeinträchtigt zu werden. Denn erstens sind auch in den Beschlussgremien der EBA alle nationalen Aufsichtsbehörden vertreten, sodass auch hier die nationalen Interessenkonflikte fortwirken können.13 Zweitens – wichtiger noch – sind die Befugnisse der EBA gem. Art. 17–19 EBA-VO an ein streng stufenförmiges Verfahren geknüpft und stehen damit in erkennbarem Spannungsverhältnis zu dem häufig enormen Handlungsdruck in akuten Krisenphasen. Schließlich müssen die Beschlüsse der EBA gem. Art. 38 Abs. 1 EBA-VO auch die haushaltspolitische Autonomie der Mitgliedsstaaten respektieren. Sanierungsentscheidungen, die im Falle ihres Scheiterns die Gefahr einer Abwicklung auf Staatskosten bergen, dürften deshalb nicht von der Anordnungsbefugnis der EBA erfasst sein.14 Eine tendenziell bessere Kooperation und Koordination ist seit Inkrafttreten der Europäischen Bankenunion demgegenüber innerhalb des SSM zu erwarten.15 Positiv wirkt sich hier vor allem die stärkere Zentralisierung der Aufsichtsbefugnisse bei der EZB aus. Zwar übernimmt die EZB im Grundsatz nur die Aufsicht über die sog. bedeutenden Institute, während die sog. weniger bedeutenden Institute weiterhin von den nationalen Aufsichtsbehörden überwacht werden.16 Zudem sind auch in der EZB die Mitgliedsstaaten im SSM-Aufsichtsgremium und im EZB-Rat repräsentiert.17 Jedoch verfügt die EZB im Anwendungsbereich des SSM über ungleich robustere Steuerungs- und Kontrollbefugnisse gegenüber den nationalen Aufsichtsbehörden als die EBA.18 Erstens kann sie die Sanierungspla12 S. zur Bedeutung organisations- und strukturbezogener Ex-ante-Maßnahmen oben, Abschnitt § 5 D. II. 1. 13 Art. 40 Abs. 1 EBA-VO. Vgl. Verweij, in: Haentjens/Wessels (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution, S. 197, 202; ferner auch Babis, 25 EBLR 459, 476 (2014) (dort, m.w. N., auch genauer zum Beschlussverfahren im Verfahren nach Art. 19 EBA-VO). Formell sind die Mitgliedsstaaten bei der Beschlussfassung innerhalb der EBA gem. Art. 1 Abs. 5 UAbs. 4 und Art. 42 EBA-VO freilich einzig an das Interesse der Union als Ganzes gebunden. 14 Vgl. nochmals Babis, 25 EBLR 459, 475 (2014). 15 Ähnl. Babis, 25 EBLR 459, 471, 477 (2014); Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 46. S. auch Hu, 25 I.C.C.L.R. 328, 334 (2015). 16 S. o., Abschnitt § 4 C. I. 2. 17 Art. 26 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 1 SSM-VO, Art. 283 Abs. 1 AEUV. Wiederum sind Mitglieder im SSM-Aufsichtsgremium bei ihrer Aufgabenwahrnehmung aber exklusiv an Unionsinteressen gebunden, Art. 26 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 SSM-VO. Zum Ganzen auch nochmals Babis, 25 EBLR 459, 471 (2014). 18 S. zum Nachfolgenden wiederum auch Babis, a. a. O., S. 471 f.
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§ 7 Schlussbetrachtung
nungs- und Krisenmanagementtätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden durch Verordnungen, Leitlinien und Weisungen umfassend anleiten und so eine effektive interbehördliche Kooperation und Koordination einfordern (Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO, Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 SSM-VO, Art. 22 SSM-RVO).19 Zweitens kann die EZB, wann immer sie dies zur Sicherung einer kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards für erforderlich hält, die Zuständigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden auch unmittelbar an sich ziehen und die Aufsichtstätigkeit über sämtliche SSM-Institute selbst ausüben (Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO, Art. 67–69 SSM-RVO). Anders als die EBA ist sie dabei weder inhaltlich auf bestimmte Einzelfragen beschränkt noch an eine vorgelagerte Eskalationsstufenordnung gebunden.20 Auch die Beschränkungen der §§ 17 Abs. 4, 18 Abs. 3 SAG greifen insofern nicht, weil die EZB im Falle des Selbsteintritts vollständig in die Stellung der nationalen Aufsichtsbehörde(n) einrückt. Vor allem in Krisenphasen sind die SSM-Strukturen damit besser gerüstet, um den Bedarf nach schnellen, institutsübergreifend koordinierten Entscheidungen zu befriedigen, die auch mit den Abwicklungsbehörden abgestimmt sind. Die Stärken des SSM können aber nicht darüber hinweghelfen, dass die Mehrzahl der großen europäischen Bankkonzerne heute auch über die Eurozone hinaus tätig sind.21 Ohnehin liegen die international bedeutendsten Finanzzentren heute, zumal nach dem Brexit, außerhalb der EU.22 Mehr denn je muss eine effektive Krisenvorsorge deshalb auch den systemischen Verknüpfungen des SSM-Raumes zu den Banken- und Finanzsystemen von Nicht-SSM- und Drittstaaten Rechnung tragen. Das Europäische Aufsichtsrecht setzt insoweit auf die Vereinbarung sog. Memoranda of Understandings (MoU) durch die EZB und die EBA.23 Ob auf dieser Grundlage tatsächlich ein umfassender Informationsaustausch und eine reibungslose Verhaltensabstimmung zwischen den internatio19 Die Einhaltung dieser Vorgaben kann sie gem. Art. 6 Abs. 5 lit. e SSM-VO auch auf Ad-hoc-Basis jederzeit kontrollieren. 20 Gem. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO ist sie allein verpflichtet, die nationalen Aufsichtsbehörden vor Gebrauch ihrer Befugnisse zu konsultieren. S. aber auch Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 159, der für restriktive Auslegung der Befugnis im Einklang mit Art. 127 Abs. 6 SSM-VO plädiert („ultima ratio“). 21 Vgl. Enria, The New Role of the European Banking Authority in the Banking Union, ESE Conference, Frankfurt a. M., 26.9.2013, S. 2; ebenso Babis, 25 EBLR 459, 472 (2014). 22 Vgl. Z/Yen/China Development Institute, Global Financial Centres Index 26, 9/ 2019, S. 4. 23 Art. 33 Abs. 1 EBA-VO, Art. 8 SSM-VO, ErwG 80 SSM-VO. Vgl. auch Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 99, der auch insoweit von einem Konkurrenzverhältnis zwischen EBA und EZB spricht. S. beispielhaft das „Framework Cooperation Arrangement on Bank Resolution“ zwischen der EBA und den US-Aufsichtsbehörden, abrufbar unter: https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/ 1762986/e511be70-e5ca-485d-a37e-3809ac1ee532/Framework%20Agreement%20-%20 EBA-US%20agencies%20-%20September%202017.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7. 2021).
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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nal zuständigen Behörden gelingen wird, bleibt fraglich. Denn wenn laut aktuellen Praxisberichten der interbehördliche Informationsaustausch selbst innerhalb Europas weiterhin eine zentrale Herausforderung auf dem Weg hin zu funktionsfähigen Sanierungs- und Abwicklungsplänen darstellt,24 dann dürfte Selbiges erst recht im Verhältnis zu Drittstaaten gelten. Mehr noch als in innereuropäischen Konstellationen drohen gerade hier nationale Eigeninteressen tragfähige Kooperationsarrangements zu verhindern. 2. Lösungsansätze Langfristiges Idealziel wäre vor diesem Hintergrund eine globale Finanzaufsichtsarchitektur, in der aufbauend auf globale Aufsichtsregeln auch international einheitliche Behördenzuständigkeiten existieren.25 Derartige Projekte dürften aber auf absehbare Zeit kaum umsetzbar sein. Jedenfalls auf internationaler Ebene wird man deshalb vorerst nicht umhinkommen, die bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen den EU- und Drittstaaten-Behörden im Bereich von Krisenvorsorge (Sanierung- und Abwicklungsplanung) und Krisenmanagement (Frühintervention und Abwicklung) weiter zu stärken.26 Entscheiden dürfte dabei ein hinreichender Detailgrad27 und – vor allem – die Verbindlichkeit der vereinbarten MoUs sein. Letztere könnte etwa durch eine, möglicherweise auch gedeckelte, Haftungsbewehrung der Absprachen vor internationalen Schiedsgerichten realisiert werden. Aber auch auf EU-Ebene verbleibt Optimierungsbedarf. De lege ferenda wünschenswert wäre insoweit eine weitgehende Vereinfachung der europäischen Bankenaufsichtsarchitektur unter dem Dach der EZB (dazu a)). Eine spürbare Verbesserung im Bereich der interbehördlichen Kooperation und Koordination könnte aber auch bereits durch regelmäßige praktische Krisensimulationen erreicht werden (dazu b)). a) Reform der europäischen Bankenaufsichtsarchitektur Ein denkbarer Lösungsansatz zur Bewältigung der soeben skizzierten Kooperations- und Koordinationsprobleme könnte darin bestehen, die überbordende Komplexität28 des europäischen Aufsichtssystems abzubauen.29 Handlungsleitend 24
Vgl. Farkas, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 14, 24. S. mit entsprechenden Vorschlägen etwa Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 429 ff. 26 Ebenso Babis, 25 EBLR 459, 479 (2014). 27 Vgl. Binder, ZBB 2015, 153, 159. 28 Krit. auch Otte, APuZ 52/2009, S. 9, 14 (schon vor Einführung des SSM zum ESFS). 29 Hier nicht näher behandelt werden die komplexen Entscheidungsprozesse innerhalb des SRM, die ihrerseits die Frage nach ihrer Angemessenheit und nach etwaigem 25
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§ 7 Schlussbetrachtung
sollte insoweit die Einsicht sein, dass der zeitliche Engpass in akuten Belastungsphasen danach verlangt, die Anzahl der auf staatlicher Seite involvierten Akteure zu reduzieren,30 die Entscheidungsprozesse zu verschlanken und den interbehördlichen Kommunikationsaufwand möglichst gering zu halten. Anknüpfungspunkt für eine solche Reform könnten die bestehenden SSMStrukturen sein, die in ihrer Reichweite auf das gesamte EU-Bankensystem31 ausgedehnt werden.32 Mit dieser Ausdehnung verbunden wäre ein Wegfall der Doppelstruktur aus EZB und EBA, jedenfalls soweit diese aktuell beide mikroprudenzielle Aufgaben im engeren Sinne wahrnehmen.33 EU-weit einheitlich würde die EZB fortan die unmittelbare Aufsicht über die sog. bedeutenden Institute übernehmen. Gegenüber allen übrigen Instituten und Institutsgruppen obläge ihr die in Art. 6 Abs. 5 SSM-VO festgelegte Oberaufsicht, einschließlich des Selbsteintrittsrechts nach lit. b. Die nationalen Aufsichtsbehörden demgegenüber würden EU-weit einheitlich die Befugnisse aus Art. 6 Abs. 3 und 6 SSM-VO ausüben. Letzteres erscheint nicht nur aus Gründen der Nähe der nationalen Aufsichtsbehörden gerade zu kleineren Instituten und regionalen Marktspezifika weiterhin geboten. Auch primärrechtlich betrachtet bietet Art. 127 Abs. 6 AEUV in seiner heutigen Gestalt keinen Raum für eine vollständige Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB.34 Reformbedarf aufwerfen. S. dazu u. a. Busch, in: ders./Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, S. 343. 30 Gerade hier liegt ein zentrales Problem der EBA, die – ebenso wie das SRB – aufgrund ihrer Rechtsnatur als Agentur, an entscheidenden Stellen nicht eigenverantwortlich handeln kann, sondern der Mitwirkung von EU-Organen bedarf. Vgl. etwa das Verfahren in Art. 17 und 18 EBA-VO unter Mitwirkung der EU-Kommission. Näher zu den Hintergründen, namentlich der sog. Meroni-Doktrin des EuGH (seit EuGH Urt. v. 13.6. 1958 – C-9/56, ECLI:EU:C:1958:7 – Meroni I; Urt. v. 13.6.1958 – C-10/56, ECLI:EU: C:1958:8 – Meroni II), z. B. Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 298 AEUV Rn. 5 ff. (m.w. N.). 31 Aktuell gilt der SSM nur für Mitgliedsstaaten des Euroraumes, Art. 4 Abs. 1, 2 Nr. 1 SSM-VO. Anderen Mitgliedsstaaten steht eine enge Zusammenarbeit offen, Art. 7 SSM-VO, Art. 110 SSM-RVO. Dazu Singh, in: Grundmann/Micklitz (Hrsg.), European Banking Union, S. 293. 32 Ausf. zu Alternativen zum gegenwärtigen EU-Bankenaufsichtssystem Gören, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus, S. 253 ff. (Verf. plädiert – ebenfalls mit guten Gründen – für die primärrechtliche Verankerung einer gänzlich neuen Bankenaufsichtsbehörde auf EU-Ebene, deren Aufgaben und Befugnisse sich auf die gesamte EU erstrecken würden); s. ähnl. auch Ruppel, Finanzdienstleistungsaufsicht in der Europäischen Union, S. 289 ff. (Verf. plädiert dafür, aufbauend auf das ESFS eine integrierte Aufsichtsbehörde zu entwickeln, die EU-weit Aufgaben der Allfinanzaufsicht wahrnimmt); ferner nochmals Babis, 25 EBLR 459, 479 f. (2014), die eine Stärkung der EBA-Kompetenzen und eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen SSM- und Nicht-SSM-Staaten erwägt. 33 Denkbar wäre es aber, dass die EBA weiterhin Funktionen im Rahmen der EUTertiärrechtsetzung gem. Art. 10 ff. EBA-VO) übernimmt. 34 BVerfG Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 Rn. 160–170 (zit. nach juris).
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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Die vorstehend beschriebene institutionelle Strukturreform hätte Rückwirkungen nicht nur auf Fragen der Sanierungsplanung und Frühintervention, sondern würde den gesamten Bereich der laufenden Bankenaufsicht betreffen. Zu ihrer vollen Wirksamkeit wäre sie zudem auch nicht ohne Korrekturen des EU-Primärrechts zu erreichen. Denn zum einen kann die EZB gem. Art. 132 Abs. 1, 139 Abs. 2 lit. e AEUV rechtsverbindliche Beschlüsse gegenwärtig nur gegenüber Euro-Mitgliedsstaaten fassen. Zum anderen sind die Nicht-Euro-Mitgliedsstaaten gem. Art. 283 Abs. 1 AEUV gegenwärtig auch nicht im EZB-Rat vertreten, neben dem sog. Aufsichtsgremium die zentrale Beschlussinstanz des SSM (Art. 26 Abs. 8 SSM-VO).35 Ob für eine derart ambitionierte Reform gegenwärtig der politische Wille besteht, erscheint fraglich.36 Für die EU-Mitgliedsstaaten, die aktuell nicht Mitglied der Bankenunion sind, wäre sie jedenfalls mit spürbaren Souveränitätseinschnitten verbunden. Gleichzeitig aber könnte der Brexit auch einen neuen Impuls für einen solchen Integrationsschritt bieten. Schließlich war die Erstreckung des SSM auf alle EU-Mitgliedsstaaten ursprünglich vor allem auch am Widerstand des Vereinigten Königreiches gescheitert.37 b) Praktische Krisensimulationen Ein weiterer, auf Fragen der Sanierung und Abwicklung beschränkter Lösungsansatz könnte in der Einführung praktischer Krisensimulationen unter Einbeziehung privater und öffentlicher Akteure bestehen. Die Bedeutung solcher Krisensimulationen erschließt sich vor allem vor dem Hintergrund der in § 13 Abs. 2 Nr. 7, 8 SAG vorgesehenen szenariobasierten Belastungsanalysen. Die Szenarioanalysen zielen auf eine theoretische Plausibilisierung der Wirksamkeit der Sanierungspläne anhand beispielhaft modellierter Krisenverläufe, wobei der Schwerpunkt der Analysen auf den krisenbezogenen Handlungsoptionen und Sanierungsindikatoren der Institute liegt.38 Sie unterliegen strukturellen Einschränkungen in mindestens zweierlei Hinsicht: Erstens ermöglichen die Szenarioanalysen, gerade weil sie auf rein modell- bzw. buchbasierten Verfahren basieren, kein Einüben der im Krisenfall anzuwendenden Prozesse und Routinen. Zweitens sind sie ungeeignet, um Sanierungsrisiken abzubilden, die sich aus der Fehlbarkeit der
35 Gegenwärtig versucht die SSM-VO diese primärrechtlichen Schranken zu umgehen, indem sie die Mitgliedsstaaten in sog. enger Zusammenarbeit via Art. 7 Abs. 2 lit. b SSM-VO sekundärrechtlich an die Entscheidungen der EZB bindet, dazu krit. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 28. Als Ausgleich für ihre fehlende Beteiligung im EZB-Rat steht den Mitgliedsstaaten in enger Zusammenarbeit das Widerspruchsrecht gem. Art. 7 Abs. 8 SSM-VO zu. Vgl. auch Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 46. 36 Krit. auch Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 9. 37 Vgl. insoweit früh krit. z. B. Ceyssens, NJW 2013, 3704, 3706. 38 S. dazu ausf. oben, Abschnitt § 4 A.VI.
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§ 7 Schlussbetrachtung
individuell entscheidungsbefugten Personen oder aus gruppendynamischen Prozessen ergeben.39 Als Reaktion auf diese Einschränkungen sieht die EZB in ihren Best-PracticeEmpfehlungen mittlerweile sog. Dry Runs vor. In Ergänzung zu den Szenarioanalysen zielen sie auf eine praktischen Probedurchlauf durch die relevantesten Bestandteile des Sanierungsplans.40 Zwar deuten diese Tests in die richtige Richtung, weil sie stärker den Faktor Mensch bzw. – genauer – die Reaktionen individueller Entscheidungsträger unter Bedingungen begrenzten Wissens und begrenzter Zeit in den Blick nehmen. Die von der EZB vorgeschlagenen Übungen sind dabei aber auf die institutsinternen Abläufe beschränkt, vernachlässigen also, dass sich in realen Systemkrisen höchstwahrscheinlich eine Vielzahl von Instituten parallel im Sanierungs- und Abwicklungsmodus befinden und dabei sowohl private als auch staatliche Akteure in engem Austausch stehen. Um auch diese Gesichtspunkte angemessen abzubilden, sollten die von der EZB vorgeschlagenen Verfahren deshalb in Richtung systemweiter Krisensimulationen fortentwickelt werden, im anglo-amerikanischen Raum bekannt als sog. Financial War Games41. Auch sie haben im Kern eine Echtzeit-Nachstellung beispielhafter Krisenereignisse zum Gegenstand, ermöglichen erfahrungsbasiertes Lernen im Umgang mit finanziellen Extremsituationen, die in der Realität sehr selten auftreten,42 beziehen dabei aber Marktteilnehmer und staatliche Akteure gleichermaßen ein. Der Schwerpunkt solcher Übungen sollte auf den Interaktionen zwischen den relevanten Stakeholdern liegen, die alle dazu aufgerufen sind, jeweils zum Schutze ihrer eigenen Interessen zu handeln. Staatlicherseits sollte dabei vor allem auch die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichts- und Abwicklungsbehörden in den dazu vorgesehenen Koordinierungsgremien (gemeinsame Aufsichtsteams, Aufsichtskollegien, Krisenmanagementgruppen usw.) auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene geprobt werden. Ausgehend davon können dann die Effekte und Wechselwirkungen analysiert werden, die sich aus den individuellen Sanierungs- und Abwicklungsentscheidungen für die Stabilität der Institute und das Finanzsystem ergeben, und die interbehördliche Zusammenarbeit auf Schwachstellen untersucht werden.43 39 Vgl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1316 f. (2014); Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 68 f. (2013). S. allg. auch Paraschiakos, Bankenaufsicht, S. 30 ff. sowie oben, Abschnitt § 5 A.III.3.a) (dort allg. zu den Grenzen der Verhaltensprognose im Finanzmarktkontext). 40 EZB, Report on recovery plans, 7/2018, S. 36–39 (dazu Igl, in: ders. (Hrsg.), Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 3, 6 ff.; Greven, a. a. O., S. 197, 209, 210; Otto/ Renn, a. a. O., S. 324, 336 f.). S. auch EBA, Comparative report on recovery options, 1.3.2017, S. 33 (Ziff. 2.4.); BIS/IOSCO, Recovery of financial market infrastructures, 10/2014, Rn. 2.3.8. 41 Umf. dazu Crawford, 34 Rev. Banking & Fin. Law 111 (2014/2015). 42 Vgl. Crawford, a. a. O., S. 141 ff., 168 ff. 43 Mit ähnl. Forderungen wie hier, allerdings mit Blick auf das US-Living-Will-Regime, auch Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1319 ff. (2014); Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 67 ff. (2013). S. im Ansatz auch Claessens/Herring/Schoenmaker, A Safer World
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Naturgemäß unterliegen auch solche Live-Simulationen Grenzen, zumal die zugrunde gelegten Szenarien wiederum nur auf Grundlage historischer Erfahrungen modelliert werden können und kaum sichergestellt werden kann, dass die involvierten Protagonisten in einer Übung genau so handeln, wie sie es im Ernstfall tatsächlich täten.44 Von unabhängiger Stelle konzipiert, durchgeführt und ausgewertet, könnte sich aus ihnen aber gleichwohl ein deutlicher Mehrwert gegenüber den aktuellen, auf einzelne Unternehmen beschränkten Übungen ergeben. Zudem wären sie, gerade weil ihr Fokus auf der institutionenübergreifenden Zusammenarbeit liegt, ungleich besser geeignet, auch auf persönlicher Ebene die für effiziente Krisenreaktionen unabdingbare Vertrauensgrundlage45 zwischen den relevanten Stakeholdern zu schaffen.
II. Durchsetzung des Sanierungsplanungsrechts 1. Problembeschreibung Nicht minder groß sind die Herausforderungen, die aus einer mangelhaften Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Planungsanforderungen resultieren. Relevant werden Fragen der Rechtsdurchsetzung deshalb, weil die Institute nur unzureichenden Anreizen zu einer intensiven Sanierungsplanung unterliegen. Die hier zum Tragen kommenden Hintergründe wurden bereits in Teilen deutlich:46 Für die Institute bedeutet die Erstellung der Sanierungspläne – in Zeiten, in denen die Compliance-Kosten der Finanzbranche vielfach ohnehin als hoch empfunden werden – zuallererst eine zusätzliche Kostenbelastung, die je nach Komplexität des Instituts und damit korrespondierendem Planumfang (§ 13 Abs. 1 SAG) sogar noch weiter steigt.47 Zudem drohen via § 16 SAG potentiell empfindliche Eingriffe in die Struktur und Geschäftstätigkeit der Unternehmen, die gerade in konjunkturellen Hochphasen kaum populäre Folgewirkungen für die RenFinancial System, S. 65 f.; Kaufman, in: LaBrosse/Olivares-Caminal/Singh (Hrsg.), Managing Risk, S. 194, 195; Leckow/Laryea/Kerr, in: Lastra (Hrsg.), Cross-Border Bank Insolvency, Rn. 12.09 sowie Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, Rn. 273. 44 Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1324 (2014); vgl. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 77 (2013). 45 Vgl. Babis, 25 EBLR 459, 473 f. (2014); Binder, ECFR 2016, 575, 583; Campa, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 87, 91 f. 46 S. schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 47 Die Tatsache, dass die Planungskosten maßgeblich auch von der Komplexität der Institute abhängen, hat Teile des Schrifttums dazu bewogen, die Sanierungs- und Abwicklungsplanung als Komplexitätssteuer (complexity tax) einzuordnen, vgl. Acharya/ Cooley/Richardson/Sylla/Walter, in: Acharya/Cooley/Richardson/Walter (Hrsg.), Regulating Wall Street, S. 1, 7; ebenso Schillig, Resolution and Insolvency of Banks, Rn. 3.32, 7.05. Früh die hohen Compliance-Kosten und das daraus resultierende Anreizdefizit der Institute betonend auch Claessens/Herring/Schoenmaker, A Safer World Financial System, S. 64. Thole, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 220, 224 befürchtet gar einen durch die Planungskosten der Institute getriebenen Standortwettbewerb zwischen verschiedenen Ländern.
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§ 7 Schlussbetrachtung
dite- und Wettbewerbsfähigkeit zeitigen können. Zwar stehen diesen Kostenpunkten auch gewisse regulatorische Anreize gegenüber, etwa dadurch, dass sich funktionsfähige Corporate-Governance-Mechanismen nach der Konzeption des SREP in Form geringerer Eigenkapitalanforderungen auszahlen.48 Weitere positive Effekte könnten sich aus der aufsichtsrechtlich erzwungenen Langfristorientierung der Geschäftsleitervergütung49 ergeben, soll doch gerade die Sanierungsplanung die langfristige Widerstandsfähigkeit der Unternehmen sichern. Wirklich substanzielle Steuerungswirkungen zugunsten einer effektiven Sanierungsplanung dürften aber am ehesten durch marktbasierte Anreizmechanismen zu erwarten sein. Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die Aussichten, die im Falle des Scheiterns einer eigenverantwortlichen Sanierung des jeweiligen Unternehmens zu erwarten sind. Je eher hier eine Abwicklung auf Kosten der Kapitalgeber der Unternehmen zu erwarten ist, desto eher werden diese Kapitalgeber die Institute überwachen und auf eine effektive Sanierungsplanung dringen, die tatsächlich zur Insolvenz- bzw. Abwicklungsverhinderung geeignet ist. Hohe Planungsanstrengungen der Unternehmen könnten dann durch niedrigere Kapitalkosten honoriert werden, Planungsdefizite sich dagegen in höheren Kapitalkosten niederschlagen.50 Die Funktionsfähigkeit des europäischen Abwicklungsregimes steht aber bis auf Weiteres in Frage. Erste Anwendungsfälle stimmen kaum hoffnungsvoll.51 Nicht auszuschließen ist also, dass auch in Zukunft – namentlich in schweren, mehrere Großbanken betreffenden Systemkrisen – weiterhin staatliche Rettungsmaßnahmen ohne hinreichende Kostenbeteiligung der Eigen- und Fremdkapitalgeber zu erwarten sind.52 48 Vgl. Otto, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 87, 97. Zum Zusammenhang von Sanierungsplanung und SREP oben, Abschnitt § 6 A. II. 3. b) aa). 49 Näher dazu die Nachweise oben, in § 6 Fn. 42. 50 Vgl. Thole, Bank Crisis Management and Resolution, S. 8 f. S. auch Feibelman, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 199, 212 f. (dort zu möglichen Auswirkungen auf die Finanzierungskosten durch die Abwicklungsplanung). 51 Vgl. Binder, ZBB 2017, 57 zur Leistungsfähigkeit des BRRD-Abwicklungsinstrumentariums vor dem Hintergrund der Krise um das italienische Bankinstitut Monte dei Paschi di Siena. S. ferner ders., Relevance of the Resolution Tools; Triantafyllakis, WM 2016, 2248. 52 Ebenso De Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.96, 10.98. S. auch Karamichailidou/Mayes, in: Castañeda/Mayes/Wood (Hrsg.), European Banking Union, S. 38, 58 f. Mit Blick auf den US-Markt wird diese Befürchtung auch durch empirische Untersuchungen zu den Finanzierungskosten von US-SIFIs vor und nach Einführung des Dodd-Frank-Acts gestützt. Sie zeigen, dass sich die Einführung des neuen Bankeninsolvenzrahmens nicht substanziell auf die Finanzierungskosten der Institute auswirkte. Es besteht demnach weiterhin die (implizite) Markterwartung staatlicher Bail-Outs, vgl. Acharya/Anginer/Warburton, The End of Market Discipline?, S. 30 ff. Diese Markterwartung dürfte auch einer der maßgeblichen Gründe dafür sein, dass Sanierungspläne bis dato nicht auf Grundlage marktseitiger Anreizmechanismen erstellt wurden, vgl. Jarque/Price, 101 Fed. Res. Richm. Econ. Q. 77, 81 f., 84 f. (2015); Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 799 (2016–2017). S. aber
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Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass der BRRD-Gesetzgeber zur Motivation der Institute bzw. ihrer Geschäftsleiter auch auf Instrumente des Ordnungswidrigkeitenrechts setzt. So können gegen Institute, die gegen ihre Pflicht zur Planerstellung und -aktualisierung verstoßen, Geldbußen bis zu einer Höhe von zehn Prozent ihres Jahresnettoumsatzes verhängt werden (§ 172 Abs. 1 Nr. 1– 3, Abs. 2, 3 SAG, Art. 111 Abs. 1 lit. a BRRD).53 Ebenfalls denkbar sind bei wiederholten Verstößen vorübergehende Tätigkeitsverbote (§ 174 Abs. 1 SAG). Inwieweit die Aufsichtsbehörden von diesen Befugnissen aber tatsächlich Gebrauch machen werden, ist wiederum nicht gesichert: In der Frühphase der Planung droht die behördliche Normdurchsetzung durch einen sog. Regulatory Capture und gegenläufige politische Interessen beeinträchtigt zu werden.54 In der Spätphase dagegen, wenn die gescheiterten Sanierungsanstrengungen des betreffenden Unternehmens erst einmal offenkundig geworden sind und die Abwicklung droht, spricht häufig schon das Eigeninteresse der Behörden gegen eine intensive Verfolgung früherer Aufsichtsverstöße.55 Schließlich dürfte in diesem Stadium nicht selten der Verdacht im Raum stehen, dass die privaten Versäumnisse auch durch unzureichende behördliche Überwachungsmaßnahmen befördert wurden. Der politische Druck auf die staatlichen Institutionen ist in diesem Fall selbst bei ausgeschlossener Staatshaftung56 enorm, speist sich ihre Legitimation doch ganz wesentlich aus einer erfolgreichen Risikobewältigung im Interesse der Allgemeinheit.57 Folglich liegt es nahe, dass die Behörden die öffentliche Aufmerksamkeit in diesem Stadium eher ablenken wollen als sie durch öffentlichkeitswirksame Bußgeldverfahren noch aktiv zu erhöhen.58 auch Schäfer/Schnabel/Weder di Mauro, Bail-in expectations for European banks, dort mit besseren Untersuchungsergebnissen zu den europäischen Märkten; ähnl. zuletzt z. B. Cutura, Debt Holder Monitoring and Implicit Guarantees. 53 Verstöße gegen die in §§ 25c Abs. 4a, Abs. 4b Satz 2 KWG genannten Pflichten, darunter etwa die Pflicht zur Einrichtung angemessener Notfallkonzepte (§ 25a Abs.1 Satz 3 Nr. 5 KWG), unterliegen demgegenüber gem. § 54a KWG einer strafrechtlichen Haftung. Diese Ungleichbehandlung ist kaum einsichtig. Es hätte näher gelegen, von Art. 110 Abs. 1 Satz 1 und 2 BRRD Gebrauch zu machen und Verstöße gegen § 13 Abs. 5 SAG ebenfalls in § 54a KWG aufzunehmen. Tendenziell krit. auch Buchmüller, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 13 SAG Rn. 152. 54 S. wiederum schon oben, Abschnitt § 5 A. III. 3. c). 55 Vgl. Armour/Awrey/Davies et al., Principles of Financial Regulation, S. 565 f. 56 S. dazu schon EuGH Urt. v. 12.10.2004 – C-222/02, EU:C:2004:606 Rn. 24 ff. – Paul u. a. Zur Fortgeltung dieser Rechtsprechung auch heute s. Binder, ZEuP 2017, 569, 585 f.; Hadjiemmanuil, EBOR 16 (2015), 383, 397; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 111, 116; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rn. 1110 f. Im hiesigen Kontext gilt zudem Art. 3 Abs. 12 BRRD, der es den Mitgliedsstaaten explizit erlaubt, die Haftung der Aufsichtsbehörde sowie ihrer Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Befugnisse nach der BRRD zu beschränken. Eben dies ist durch § 4 Abs. 4 FinDAG in Deutschland geschehen (dazu schon oben, Abschnitt § 3 A. I.). 57 Vgl. allg. Beck, Metamorphose, S. 133 f. 58 Vgl. auch schon Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2.2018.
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Bestätigt werden die Zweifel an einer rein behördlichen Durchsetzung der §§ 12 ff. SAG usw. schließlich auch durch einen Blick in die Vergangenheit. So befand etwa der Anfang 2009 im Auftrag der EU-Kommission erstellte De Larosière-Bericht, dass die letzte Finanzkrise maßgeblich auch durch eine unzureichende Sanktionspraxis in den Mitgliedsstaaten befördert wurde. In Zukunft sei deshalb ein solides, EU-weit einheitliches und abschreckendes Sanktionsregime zum Umgang mit aufsichtlichen Rechtsverstößen geboten – eine Forderung, auf die man unter anderem mit der Einrichtung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) und einer stärker national entkoppelten Aufsicht antwortete.59 Die durch den Regulierungsmodus bedingte enge Aufsichtsbeziehung zwischen Behörden und Unternehmen besteht heute aber fort.60 Es ist deshalb kaum auszuschließen, dass an die Stelle einer sog. National Bias nun eben eine European Bias tritt und die europäischen Institute im Wettbewerb mit amerikanischen oder – infolge des Brexit – britischen Konkurrenten weiterhin eher großzügig überwacht werden.61 2. Lösungsansätze Aufgeworfen ist damit die Frage, durch welche alternativen Mechanismen die Unternehmen und Aufsichtsbehörden zu einer hinreichend restriktiven Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben bewogen werden können. Positive Steuerungseffekte könnten zum einen dadurch erreicht werden, dass die Vorgänge im Rahmen der Sanierungsplanung zukünftig – zumindest teilweise – veröffentlicht werden (dazu a)). Eine weitere Möglichkeit, die sich vor allem an die Institute richtet, könnte in einer privatrechtlichen Haftungsbewehrung der Vorschriften in §§ 12 ff. SAG, Art. 3 ff. del. VO 2016/1075 sowie der MaSanV bestehen (dazu b)). a) Publizität der Sanierungsplanung Ein möglicher Weg zur Disziplinierung der planungsbeteiligten Akteure könnte in einer verstärkten Transparenz des Planungsverfahrens liegen.62 De lege lata stehen diesem Ansatz die §§ 4 ff. und § 21 SAG (Art. 84, 98 BRRD) entge-
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De Larosière-Bericht, Rn. 83 f. S. nur EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, 3/2018, S. 98, 116, wonach informelles Verwaltungshandeln, geprägt durch enge Kontakte und persönliche Gespräche, weiterhin expliziter Bestandteil des Aufsichtsinstrumentariums ist. 61 Ausgehend von einer Auswertung der Sanktions- und Durchsetzungsstatistiken der EZB und BaFin i. E. insgesamt weniger skeptisch Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 144 ff. 62 Dazu im Ansatz auch schon oben, Abschnitt § 5 B. V., § 5 D. IV. 1. und § 5 D. V. S. allg. zum Ansatz einer informations- bzw. marktbasierten Verhaltenssteuerung in der Finanzmarktregulierung z. B. Merkt, in: Hopt/Binder/Böcking (Hrsg.), Hdb. Corporate Governance, 2. Aufl. 2020, § 19; Enriques/Gilotta, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 511. 60
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gen.63 Danach müssen sowohl die Institute und ihre Mitarbeiter als auch sämtliche staatliche Stellen Verschwiegenheit über alle planungsbezogenen Informationen wahren. Den Vorschriften liegt die Erwägung zugrunde, dass die Geheimhaltung der Pläne Voraussetzung für deren tatsächliche Funktionsfähigkeit in Krisenphasen ist. Wäre anderen Marktteilnehmern der konkrete Inhalt der Pläne bekannt, könnten sie die Sanierung der Institute frühzeitig antizipieren. Bei einer Annäherung an die im Plan definierten Sanierungsschwellenwerte wäre ein frühzeitiger Vertrauensentzug kaum zu verhindern, die Umsetzung der geplanten Sanierungsoptionen könnten durch marktseitigen Preisdruck beeinträchtigt werden.64 Ergänzend wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass die Sanierungspläne auch Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen enthalten.65 In der Tat sind gerade im Abschnitt über die sog. strategische Analyse weitreichende Informationen zum Geschäftsmodell und zu den Geschäfts- und Risikostrategien enthalten, deren Öffentlichkeit die Gewinnaussichten der Unternehmen empfindlich beeinträchtigen können. Dass diese Erwägungen jedoch keinesfalls zwingend dazu führen müssen, die Sanierungspläne in all ihren Bestandteilen für geheimhaltungsbedürftig zu erklären, zeigt schon der rechtsvergleichende Blick in die USA. Die dort anzufertigenden Abwicklungspläne (Living Wills) sind in einen öffentlichen und einen vertraulichen Abschnitt unterteilt. Der öffentliche Teil (public section) enthält eine Zusammenfassung aller wesentlichen Planbestandteile und wird jährlich gemeinsam mit dem zugehörigen behördlichen Bewertungsschreiben (feedback letter) veröffentlicht.66 Auch die Empfehlungen des FSB zur Ausgestaltung von Sanierungsplänen sehen eine Pflicht zur vollstän63 Dies übersehen Amorello/Huber, 3 Law Econ. Y. Rev. 296, 315 (2014), wenn sie – offenbar mit Blick auf die aktuelle Rechtslage – davon sprechen, eine Offenlegung der sanierungsplanungsrelevanten Informationen könne Transparenz und Marktvertrauen befördern. 64 S. schon oben, Abschnitt § 3 D. II. 65 Douglas/Guynn/Nazareth et al., Credible Living Wills, S. 21 f.; Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 86 (2013). Allg. weisen zahlreiche Autoren auf das Vertraulichkeitsbedürfnis bei der Sanierungs- und Abwicklungsplanung hin, während Publizitätsinteressen kaum Erwähnung finden, vgl. Grieser/Mecklenburg-Guzmaìn/van Kisfeld, in: Grieser/ Heemann (Hrsg.), Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2. Aufl. 2020, S. 953, 968; Leckow/Laryea/Kerr, in: Lastra (Hrsg.), Cross-Border Bank Insolvency, Rn. 12.10; Schelo, Bank Recovery and Resolution, S. 65. De Serière, in: Busch/Ferrarini (Hrsg.), European Banking Union, 2. Aufl. 2020, Rn. 10.79 sieht ein Transparenzbedürfnis erst im Stadium der Abwicklung, um Marktvertrauen herzustellen. 66 Abrufbar unter: http://federalreserve.gov/supervisionreg/resolution-plans.htm (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). Zu den Rechtsgrundlagen s. (für die Title-I-Resolution Plans) 12 U.S. Code of Federal Regulations § 243.8 (c), (d) sowie (für die IDI-Resolution Plans) 12 U.S. Code of Federal Regulations § 360.10 (f)(1); dazu z. B. Guynn, in: Kenadjian/Dombret (Hrsg.), Bank Recovery and Resolution Directive, S. 109, 120 f., 143. Ursprünglich war in den USA sogar vorgesehen, dass die Pläne im Normalfall vollständig veröffentlicht und nur auf besonderen Antrag der Institute hin geheim gehalten werden, vgl. Feibelman, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 199, 209.
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digen Geheimhaltung der Pläne nicht vor.67 Es stellt sich damit die Frage nach alternativen Arrangements, die den berechtigten Vertraulichkeitsinteressen Rechnung getragen, gleichzeitig aber auch eine marktseitige Kontrolle und einen verstärkten fachöffentlichen Austausch nicht gänzlich unterbinden. Erwägenswert erscheinen insoweit drei Lösungsansätze, die in der Praxis möglicherweise auch kombinierbar sind: Ein Lösungsansatz bestünde darin, auch hierzulande, analog zur Aufsichtspraxis der US-Behörden, eine gekürzte Version der Sanierungspläne zuzüglich der aufsichtsbehördlichen Bewertungsschreiben zu veröffentlichen.68 Dies hätte den Vorteil, dass Kapitalgeber die Planungsleistungen der Institute nachvollziehen und überzeugende Vorsorgemaßnahmen, ganz im eingangs beschriebenen Sinne, durch individuelle Zinsabschläge honorieren könnten. Mindestens zwei Faktoren stellen diesen Ansatz jedoch in Frage: Erstens ist unklar, ob die zur Veröffentlichung vorgesehenen Planzusammenfassungen nach einer Bereinigung um Geschäftsgeheimnisse und sonstige kritische Informationen überhaupt noch eine aussagekräftige Detailtiefe aufweisen, die von externer Seite eine realitätsgetreue Beurteilung der individuellen Krisenvorsorgemaßnahmen erlauben würden.69 Zweitens stellt sich die Frage, ob die veröffentlichten Planzusammenfassungen, gepaart mit den behördlichen Bewertungsschreiben, nicht sogar zu unerwünschten Fehlsteuerungen führen können. Zu Recht wurde schon mit Blick auf die USPraxis darauf hingewiesen, dass eine öffentlich einsehbare Positivbewertung der Abwicklungspläne seitens der Marktteilnehmer als staatlich erteiltes „Stabilitätssiegel“ zugunsten der Unternehmen missverstanden werden könnte. Schlimmstenfalls befördert diese Form der Planungspublizität damit eine neue Form des Überoptimismus, der zu weniger strengen Risikokontrollen seitens der Vertragspartner der Institute führt und die Systeminstabilität sogar eher erhöht als verringert.70 67
FSB, Key Attributes, 15.10.2014, Rn. 11.1, I-Annex 1, I-Annex 4. Offen dafür auch Russo, EBOR 20 (2019), 735, 741, 772 (mit Blick auf die Abwicklungspläne); Slaughter and May, Unfinished testaments, S. 8. Huertas, in: Dombret/Kenadjian (Hrsg.), Resolution in Europe, S. 105, 117 plädiert im Interesse marktdisziplinierender Effekte gar für eine vollständige Offenlegung der Abwicklungspläne. 69 Die von den US-Instituten veröffentlichten Dokumente lassen jedenfalls Zweifel aufkommen. Die dortigen Beschreibungen der geplanten Abwicklungsmaßnahmen beinhalten häufig recht grobkörnige konzeptionelle Beschreibungen, ohne quantitative Untermauerungen, vgl. früh krit. Carmassi/Herring, 5 J. Fin. Econ. Pol. 361, 371 ff. (2013); ebenso Jarque/Price, 101 Fed. Res. Richm. Econ. Q. 77, 91 (2015); Suska, 36 Rev. Banking & Fin. Law 779, 794 (2016–2017); weniger krit. offenbar aber Russo, EBOR 20 (2019), 735, 741, 772. 70 Vgl. Baradaran, 67 Vand. L. Rev. 1247, 1315 f. (2014); s. auch Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 87 f. (2013). Auch insoweit ist ein Blick auf die von den US-Instituten veröffentlichten Planzusammenfassungen vielsagend, die in ihrem Ton häufig ersichtlich von dem Bemühen geprägt sind, auf Seiten der Leser Vertrauen in die Krisenmanagementkapazitäten der Unternehmen zu wecken (ähnl. Baradaran, a. a. O.). Letztlich mag diese Form der Darstellung kaum zu überraschen, werden die Institute doch von Teilen der 68
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Vor diesem Hintergrund könnte in alternatives Lösungsmodell darin bestehen, dass die Sanierungspläne und die zugehörige Kommunikation zwischen Aufsichtsbehörden und Instituten künftig vollumfänglich, dafür jedoch anonymisiert veröffentlicht werden.71 Mangels Zuordenbarkeit wäre damit zwar einer individuellen Bepreisung der Planungsleistungen der Institute der Boden entzogen. Die vollständige Offenlegung der Dokumente würde der Fachöffentlichkeit aber ein deutlich umfassenderes Verständnis von der gegenwärtigen Planungspraxis in der EU ermöglichen und den Weg hin zu einer Best-Practice-Kultur eröffnen, die nicht nur im Verhältnis zwischen Instituten und Behörden verwurzelt ist, sondern vermehrt auch externen, wissenschaftlichen Input aufnehmen kann.72 Auch der Gesetzgeber kann die Rechtsanwendungspraxis der Behörden auf dieser Grundlage bereichsspezifisch besser kontrollieren und, wenn nötig, durch Gesetzesänderungen korrigieren. Innerhalb des SSM stehen ihm insoweit bisher nur die eher global ausgerichteten Rechenschaftspflichten gem. Art. 20 f. SSM-VO zur Verfügung.73 Ebenfalls denkbar wäre auch eine Ex-post-Publizität der Sanierungspläne. Sie könnte, gegebenenfalls um eine Karenzzeit verzögert,74 zum Zuge kommen, wenn die privatwirtschaftliche Sanierung des jeweiligen Instituts scheitert und das Unternehmen abgewickelt werden muss. Die bloß einzelfallbezogene und nachträgliche Veröffentlichung der Pläne würde zwar einer flächendeckenden Begleitung der laufenden Planungsprozesse durch die Fachöffentlichkeit den Boden entziehen. Gleichwohl dürfte sie gegenüber den planenden Akteuren aber einen Steuerungsanreiz in Richtung einer vorsichtigen Planung entfalten, da diese nunmehr davon ausgehen müssten, dass ihre Arbeit im Falle des Scheiterns einer nachträglichen öffentlichen Überprüfung zugänglich wäre. Sinnvoll erschiene diese Form der Planungspublizität vor allem in Kombination mit einer etwaigen privatrechtlichen Haftungsbewehrung der Sanierungsplanungspflichten. Praxisliteratur sogar explizit dazu aufgefordert, die Pläne als Ort der Selbstpräsentation zu nutzen (vgl. Duwe/Igl, in: Igl/Heuter (Hrsg.), Sanierungsplanung, S. 79, 94 f.: Verf. betonen, die strategische Analyse in den Plänen biete „die Chance, das eigene Institut, dessen spezifische Eigenheiten und Alleinstellungsmerkmale [. . .] zu präsentieren und zu würdigen“.). 71 Ganz ähnlich ermöglicht etwa auch § 174 Abs. 3 Satz 1 SAG eine anonymisierte Bekanntmachung von Bußgeldentscheidungen der Abwicklungsbehörden. Fraglich wäre insofern einzig, ob in der Praxis tatsächlich eine wirksame Anonymisierung der Sanierungspläne möglich wäre, ohne einen allzu hohen Informationsverlust hinnehmen zu müssen. 72 Nochmals sei darauf hingewiesen, dass derartige Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung auch in anderen Phänomenbereichen fester Bestandteil der Verfahren zur Risikobewältigung sind, s. schon § 5 Fn. 358. 73 Die Bedeutung dieser Rechenschaftspflichten für ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau des SSM betonend BVerfG Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/ 14, 2 BvR 2631/14 Rn. 208–218 (zit. nach juris). 74 S. für die Bekanntmachung von Bußgeldentscheidungen § 174 Abs. 3 Satz 2 SAG.
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b) Private Enforcement? Eine weitere Möglichkeit zur Bewältigung der eingangs skizzierten Probleme könnte darin bestehen, die aufsichtsbehördliche Rechtsdurchsetzung gezielt durch Mechanismen der privatrechtlichen Haftung zu ergänzen – ein Ansatz, der in seiner ganzen Tragweite freilich weit über die Sanierungsplanung hinausreicht, im hiesigen Zusammenhang aber zumindest beispielhaft skizziert werden soll.75 Ausgangspunkt der diesbezüglichen Überlegungen ist die Einsicht, dass sich öffentliches Recht und Privatrecht heute nicht mehr als zwei grundsätzlich disparate, in sich geschlossene Teilrechtsordnungen gegenüberstehen, von denen erstere allein der Verwirklichung von Gemeinwohlzwecken im Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger dient, während letztere den Interessenausgleich zwischen Privaten regelt.76 Aus einer Steuerungsperspektive dienen vielmehr beide Teilrechtsordnungen im weitesten Sinne der Bewältigung sozialer Konflikte, können einander bei der Verwirklichung gesetzgeberischer Ziele also ersetzen oder ergänzen.77 Gerade das private Haftungsrecht bietet insoweit breite Einsatzmöglichkeiten, weil es – neben seiner kompensatorischen Funktion – auch verhaltenssteuernde Wirkung entfalten und gezielt dazu eingesetzt werden kann, sozial unerwünschte Aktivitäten zu unterbinden.78 Entsprechend ist grundsätzlich auch im hiesigen Zusammenhang eine Ergänzung der bußgeldrechtlichen Durchsetzung des Aufsichtsrechts durch ein sog. Private Enforcement79 denkbar. 75 Vgl. ansatzweise im hiesigen Zusammenhang auch Grundmann, in: ders. (Hrsg.), Bankvertragsrecht, Bd. 1, 1. Teil Rn. 102; ders., ZHR 179 (2015), 563, 590 (jeweils speziell im Hinblick auf die Pflicht zur Erstellung eines Kommunikationskonzeptes gem. § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG; da diese Kommunikation der Vertrauensbildung der Marktteilnehmer untereinander diene, sei die Frage der Sanktionierung dieser Regeln durch Schadensersatzansprüche eine „offene privatrechtliche Folgefrage“). S. zuletzt ausf. zu derartigen Haftungsfragen mit Blick auf das gesamte EU-Bankenaufsichtsrecht Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 163 ff., 243 ff., passim und Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 551 ff., passim; ferner Engel, Systemrisikovorsorge, S. 140 ff., 213 ff. S. ansatzweise und knapp auch schon Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2.2018. 76 Zu diesem traditionellen Funktionsverständnis Knauff, ZVglRWiss 112 (2013), 136, 137 ff. S. auch Becker, NVwZ 2019, 1385, 1386 ff. 77 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ders. (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 7, 12 f.; Becker, NVwZ 2019, 1385, 1386; ferner m.w. N. auch Augsberg, DV 49 (2016), 369, 372. S. umf. zur Durchdringung des Privatrechts mit wirtschaftsregulierenden Zielen Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 98 ff., 155 ff. 78 S. zur (parallelen) Ausgleichs- und Präventionsfunktion des Deliktsrechts etwa Wagner, in: MüKo BGB, Bd. 7, 8. Aufl. 2020, Vor § 823 Rn. 43 ff. 79 Der Begriff wurzelt in den USA, das Konzept ist dort lange verbreitet, im Kapitalmarktrecht seit den 1960er-Jahren, vgl. MacNeil, in: Oxf. Hdb. of Fin. Reg., S. 280, 293. Umf. zum Private Enforcement im US-amerikanischen Recht auch Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 51 ff.
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aa) Traditionelle Lösung im deutschen Deliktsrecht: sog. Schutznormtheorie In Betracht kommt insoweit vor allem eine privatrechtliche Außenhaftung für Verstöße gegen die bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen zur Sanierungsplanung. Passivlegitimierte könnten die Institute oder – vermittelt über § 13 Abs. 5 SAG – möglicherweise sogar deren Geschäftsleiter80 sein. Als Aktivlegitimierte kommen demgegenüber vor allem die Gläubiger der Institute (Einleger, Anleger, professionelle Gegenparteien) in Betracht.81 Ansatzpunkt für eine solche Haftung ist mangels einschlägiger Sonderregelungen das nationale Deliktsrecht, wobei taugliche Anspruchsgrundlage im Ergebnis einzig § 823 Abs. 2 BGB sein dürfte.82 Zentrale Voraussetzung für eine Ersatzpflicht nach dieser Norm ist ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz. Die Feststellung der Schutzgesetzeigenschaft erfolgt in Deutschland traditionell nach der sog. Schutznormtheorie. Hiernach kommt einer Norm dann die Qualität eines Schutzgesetzes zu, wenn sie erkennbar dazu dienen soll, den Einzelnen oder einen einzelnen Personenkreis gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Nach der Rechtsprechung kommt es insoweit „nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder zumindest mitgewollt hat.“ 83 Einschränkend sei dabei zu berücksichtigen, dass das deliktsrechtliche Haftungssystem des BGB eine Haftung für fahrlässig herbeigeführte (reine) Vermögensschäden grundsätzlich nur im Ausnahmefall vorsehe.84 Ausgehend von diesen Maßstäben wird – mit
80 S. grundsätzlich offen für eine verstärkte persönliche Haftung des Bankmanagements jedenfalls systemrelevanter Banken als Mittel gegen exzessives Risikoverhalten auch Avgoulas/Goodhart, Bank Resolution, S. 7, 9; ferner schon Nolan/Sakellaris/Tsoukalas, Optimal Bailout of Systemic Banks, S. 33 ff. und Schwarcz, 102 Minn. L. Rev. 761, 788 (2017). 81 Ebenfalls denkbar ist zudem auch eine Binnenhaftung der Geschäftsleitung nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben. S. dazu speziell § 143 SAG (parallel § 45c Abs. 2 Nr. 10 KWG), wonach die Abwicklungsbehörde im Abwicklungsfall einen Sonderprüfer einsetzen soll, der Schadensersatzansprüche gegen (ehemalige) Organmitglieder wegen der Verletzung von Sorgfaltspflichten prüft. 82 Eine Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB scheidet regelmäßig aus, stehen doch bei einem Verstoß gegen bankenaufsichtsrechtliche Regelungen (reine) Vermögensschäden im Vordergrund, nicht aber eine Verletzung absoluter Rechte und Rechtsgüter. Ebenfalls nur im Ausnahmefall relevant sein dürfte eine Haftung gem. § 826 BGB, die Vorsatz und Sittenwidrigkeit voraussetzt. 83 St.Rspr., BGH NJW-RR 2018, 738, 739 Rn. 14; NJW 2010, 3651, 3652; NJW 2004, 2664, 2665. 84 Vgl. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, 13. Aufl. 1994, S. 436.
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§ 7 Schlussbetrachtung
Ausnahme von § 32 Abs. 1 KWG85 – der weit überwiegenden Zahl der bankenaufsichtsrechtlichen Rechtsnormen in Rechtsprechung und Literatur verbreitet keine Schutzgesetzqualität zugesprochen. Begründet wird diese Auffassung in der Regel damit, dass die Vorschriften des Bankenaufsichtsrecht primär dem Systemschutz und damit dem öffentlichen Interesse dienen, der Anleger-, Einlegeroder, allgemeiner, Gläubigerschutz demgegenüber nur eine nachrangige Rolle spiele.86 Entsprechendes müsste demnach auch für die hier relevanten Regelungen des SAG gelten. Denn auch sie stehen, wie sich aus dem Regelungsgehalt der zugrundeliegenden Richtlinie ergibt, zuvörderst im Dienste der Finanzstabilität, während der Gläubigerschutz wiederum nur als ein vom Systemschutz abgeleitetes und damit nachrangiges Ziel Bedeutung erlangt.87 bb) Denkbare Alternative: sog. funktionale Subjektivierung Die vorstehende Betrachtung lässt aber unberücksichtigt, dass die Durchsetzung des Bankenaufsichtsrechts mittlerweile weitgehend durch europarechtliche Maßstäbe determiniert wird. Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Private Enforcements sind im hiesigen Zusammenhang deshalb vorrangig in der BRRD selbst zu suchen. Die Richtlinie trifft insoweit jedoch keine direkten Aussagen. Zwar formuliert Art. 34 Abs. 1 lit. e der BRRD (parallel Art. 15 Abs. 1 lit. e SRM-VO) den 85 Hier bejaht der BGH in st.Rspr. die Schutzgesetzqualität, vgl. BGH NJW-RR 2015, 1144, 1146 Rn. 25; NJW-RR 2014, 307, 308 Rn. 13; NJW 2005, 2703, 2703; s. auch dazu m.w. N. Wagner, a. a. O., § 823 Rn. 570 ff. 86 S. etwa OLG Frankfurt BeckRS 2008, 2699 Rn. 65 (= AG 2008, 453) („Vorschriften des KWG [. . .] erfüllen allein eine ordnungspolitische Funktion“); m.w. N. aus der Rspr. Wagner, in: MüKo BGB, Bd. 7, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 603. Stellv. aus dem Schrifttum Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO, 5. Aufl. 2016, Einf. Rn. 177; Langen/Donner, in: Schwennicke/Auerbach (Hrsg.), KWG, 4. Aufl. 2021, § 25a KWG Rn. 188 (Schutz des Bankkunden sei bloßer „Gesetzesreflex“); Schäfer, WM 2012, 1022, 1022 (§ 25a KWG sei nach „ganz h. M.“ kein Schutzgesetz); Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 587 ff. sowie S. 754 ff. S. anders aber u. a. mit Blick auf § 25a KWG zuletzt Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 276 ff. (ausgehend von der Einschätzung, dass dem europäischen Bankenaufsichtsrecht mittlerweile ein – auch deliktsrechtlich bewehrter – Individualschutz zu entnehmen sei); ebenso schon Renner, Bankkonzernrecht, S. 302 f. S. zum Verhältnis von Funktions- und Gläubigerschutz auch schon oben, Abschnitt § 3 A. I. Zum ähnl. gelagerten Meinungsstand im Kapitalmarktrecht s. Poelzig, ZGR 2015, 801, 803 f.; Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 55 f. 87 S. Abschnitt § 3 A. II. Ebenso Engel, Systemrisikovorsorge, S. 143 f. A. A. aber Renner, Bankkonzernrecht, S. 303, der die gruppenbezogenen Pflichten zur Sanierungsund Abwicklungsplanung, §§ 14 ff. und §§ 46 ff. SAG, als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 SAG einordnet. Schließlich würden die Regelungen, so Renner, auch dem (individuellen) „Vermögensschutz von (Alt- und Neu-)Gläubigern der gruppenverbundenen Gesellschaften“ dienen. Offen bleibt dabei aber der konkrete normative Anknüpfungspunkt, aus dem der Verf. die individualschützende Ausrichtung der Normen ableitet (s. auch schon oben, § 3 Fn. 43).
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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Grundsatz, dass natürliche und juristische Personen im Rahmen der Abwicklung nach dem geltenden Recht des jeweiligen Mitgliedsstaates zivil- und strafrechtlich im Rahmen ihrer Verantwortung für den Ausfall eines Instituts haften sollen. Die Verpflichtung zur Einrichtung eines umfassenden privatrechtlichen Haftungsregimes für Verstöße gegen die Vorgaben der Richtlinie bzw. ihrer Umsetzungsakte lässt sich daraus aber nicht ableiten.88 Stattdessen verpflichtet die BRRD Mitgliedsstaaten in Art. 110 ff. allein zur Festlegung verwaltungs- bzw. bußgeldrechtlicher (Sanktions-)Maßnahmen (sog. Public Enforcement).89 Man mag dieses Schweigen der Richtlinie kombiniert mit der Anordnung behördlich gesteuerter Durchsetzungsmechanismen auf den ersten Blick dahingehend deuten, dass ein umfassendes Private Enforcement vom europäischen Gesetzgeber nicht gewollt war. Dafür spricht insbesondere, dass der europäische Gesetzgeber im Nachgang der Finanzkrise in anderen Teilbereichen des Finanzaufsichtsrechts sehr wohl explizit auch privatrechtliche Haftungstatbestände geschaffen hat, etwa in Art. 35a Ratingagenturen-VO90.91 Zwingend ist ein solcher Umkehrschluss aber nicht,92 könnte der Unionsgesetzgeber die Klärung privatrechtlicher Haftungsfragen durch sein Schweigen doch auch gezielt der Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Wissenschaft überantwortet haben. Hinzu kommt, dass die BRRD nur eine Mindestharmonisierung vornimmt, den Mitgliedsstaaten also die Festlegung strengerer Aufsichtsstandards ermöglicht.93 Schließlich ist im hiesigen Zusammenhang die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bankinter zu berücksichtigen. In einer vergleichbaren Konstellation – finanzaufsichtsrechtliche Richtlinie, die ein Public Enforcement anordnet, dagegen zu einem Private Enforcement schweigt – entschied der EuGH dort ausdrücklich, dass es „der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten [zukommt], die vertraglichen Folgen eines Verstoßes gegen [Richtlinienverpflichtungen] festzulegen“. Dabei seien sie aber aufgefordert, „die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität“ zu beachten.94 88 Für eine, wenn auch begrenzte, Verpflichtung zur Schaffung neuer Haftungstatbestände aber Hadjiemmanuil, EBOR 16 (2015), 383, 396. Dagegen spricht aber der Wortlaut der Norm, die explizit allein auf eine Haftung nach bereits „geltendem Recht“ der Mitgliedsstaaten verweist. 89 Dazu schon soeben, Abschnitt § 7 A. II. 1. 90 Dazu Wojcik, NJW 2013, 2385. 91 In diesem Sinne zuletzt allg. Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 833; im Anschluss an Schmolke, NZG 2016, 721, 723 (zur MAR); Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 275 (zur MiFID I). S. auch Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 66 und Thomale, NZG 2020, 328, 330 f. 92 Vgl. auch Cless, Unionsrechtliche Vorgaben, S. 34 ff. (dort im Kontext der MAR). 93 Art. 1 Abs. 2 und ErwG 10 BRRD. Ähnl. auch Poelzig, ZGR 2015, 801, 813 f.; Veil/Koch, WM 2011, 2297, 2305 (beide zur MAR). 94 EuGH Urt. v. 30.5.2013 – C-604/11, ECLI:EU:C:2013:344 Rn. 57 – Bankinter (die Entscheidung betraf die MiFID I). Ähnl. auch EuGH Urt. v. 16.2.2017 – C-219/15, ECLI:EU:C:2017:128 Rn. 59 – TÜV Rheinland.
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§ 7 Schlussbetrachtung
Unter anderem diese Rechtsprechung hat einen Teil des Schrifttums in den letzten Jahren dazu veranlasst, in europarechtlich überformten Bereichen des Wirtschaftsrechts, darunter vor allem im Kapitalmarktrecht, für eine Ausweitung der privatrechtlichen Haftung der Aufsichtsobjekte für aufsichtsrechtliche Verstöße einzutreten. Konkreter Ansatzpunkt ist dabei das vom EuGH erwähnte Effektivitätsprinzip. Als Ausfluss des übergeordneten Grundsatzes der Unionstreue (Art. 4 Abs. 3 EUV) verpflichtet es die Mitgliedsstaaten, die „volle“ bzw. „praktische“ Wirksamkeit unionsrechtlicher Rechtsakte zu gewährleisten.95 Notwendig sind dazu wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen.96 Ausgehend von diesen Grundsätzen ergebe sich, so die Argumentation, die Pflicht, neben den obligatorisch vorgesehenen verwaltungs- bzw. bußgeldrechtlichen Sanktionen auch zivilrechtliche Haftungsfolgen vorzusehen, sofern die Mitgliedsstaaten nur auf diesem Wege tatsächlich die volle Wirksamkeit des europäischen Rechtsaktes gewährleisten können.97 Maßgeblich seien insoweit funktionale Betrachtungen zur praktischen Wirksamkeit öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Durchsetzungsmechanismen im jeweiligen Regulierungsbereich. Die traditionellen Maßstäbe des deutschen Deliktsrechts, namentlich die Anforderungen der Schutznormtheorie, seien in diesem Fall nicht maßgebend, § 823 Abs. 2 BGB vielmehr erweiternd unionsrechtskonform auszulegen.98 In Betracht komme eine private Rechtsdurchsetzung grundsätzlich immer dann, wenn die Verletzung (wirtschafts-)rechtlicher Vorgaben zugleich auch Individualinteressen beeinträchtigt. Schließlich habe der durch einen Rechtsverstoß Geschädigte ein eigenes Interesse daran, diese rechtswidrige Handlung zu unterbinden.99 Erkenne 95 S. zuletzt EuGH Urt. v. 24.10.2018 – C-234/17, ECLI:EU:C:2018:853 Rn. 44 – XC u. a.; ferner schon EuGH Urt. v. 9.3.1978 – C-106/77, ECLI:EU:C:1978:49 Rn. 24 – Simmenthal und die Nachweise in § 7 Fn. 102–104. 96 Grundlegend EuGH Urt. v. 10.4.1984 – C-14/83, ECLI:EU:C:1984:153 Rn. 23 – Von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen; s. stellv. ferner EuGH Urt. v. 21.9. 1989 – C-68/88, ECLI:EU:C:1989:339 Rn. 24 – Kommission/Griechenland. Laut Poelzig, ZGR 2015, 801, 807 geht es dabei nicht nur um die Gewährleistung einer Mindesteffektivität, sondern um eine darüberhinausgehende praktische, wenn auch nicht größtmögliche Wirksamkeit. Zurückhaltender Harnos, ZEuP 2015, 546, 566 f.; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 151 f. 97 Poelzig, ZGR 2015, 801, 805; vgl. auch dies., in: Möslein (Hrsg.), Regelsetzung im Privatrecht, S. 227, 235 ff., 252. Zumindest im Ausgangspunkt ähnl. auch Wagner, in: MüKo BGB, Bd. 7, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 539 ff. Demgegenüber eher zurückhaltend Binder, ZEuP 2017, 569, 594. Die unionsrechtliche Kompetenz, die Mitgliedsstaaten zur Einrichtung auch privatrechtlicher Haftungstatbestände zu verpflichten, soll sich dabei als Annexkompetenz aus der Kompetenzregelung zum Erlass der materiell-rechtlichen Verhaltensnormen (hier also Art. 114 Abs. 1 AEUV) ergeben, vgl. Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 295 f.; Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 15 und Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 812 (m.w. N.). Anders aber Harnos, ZEuP 2015, 546, 557; Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 276. 98 Wagner, a. a. O., § 823 Rn. 540; ebenso Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14. 99 Vgl. Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446 f.; s. ferner Alexander, in: Säcker/ Schmidt-Preuß (Hrsg.), Grundsatzfragen des Regulierungsrechts, S. 119, 123.
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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man den Geschädigten individuell durchsetzbare Rechte auf Einhaltung der objektiven wirtschaftsrechtlichen Verhaltensgebote zu, werden diese zwar weiterhin im eigenen Interesse tätig. Die individuelle Rechtsverfolgung komme aber gleichzeitig auch der Allgemeinheit zugute, der Einzelne werde also mittelbar zum „Agenten des öffentlichen Interesses“ 100 (sog. funktionale Subjektivierung).101 In der Tat liegt diese Argumentation auch auf der Linie früherer Entscheidungen des EuGH. So hatte der EuGH bereits in der Rechtssache Courage zum europäischen Kartellrecht entschieden, dass es Aufgabe der mitgliedsstaatlichen Gerichte sei, dessen volle Wirkung durch eine privatrechtliche Durchsetzung zu gewährleisten. Wörtlich führte er aus: „Die volle Wirksamkeit des Art. 85 EGV und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in Art. 85 Abs. 1 EGV [heute Art. 101 Abs. 1 AEUV] ausgesprochenen [Kartell-]Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist“.102 Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöhe nämlich die Durchsetzungskraft der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln und sei geeignet, von wettbewerbswidrigem Verhalten abzuhalten.103 Ganz ähnlich entschied der EuGH schließlich auch in der Rechtssache 100
Poelzig, ZVglRWiss 110 (2011), 395, 397. S. zum Ganzen wie hier skizziert stellv. Poelzig, ZGR 2015, 801, passim (zur MAD und MAR) sowie verallgemeinernd dies., Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 255 ff. Mit ähnlichem Ansatz, ebenfalls im kapitalmarktrechtlichen Zusammenhang, Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14 ff.; Hellgardt, AG 2012, 154, 156 ff. sowie Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, S. 229; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 607; Tountopoulos, ECFR 2014, 297; Wundenberg, ZGR 2015, 124, 134 f. (letztere jedoch zweifelnd daran, ob die Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Courage und Muñoz ohne Weiteres auch auf Richtlinien übertragbar ist, vgl. Klöhn, a. a. O., S. 244; Tountopoulos, a. a. O., S. 306 f., passim; Wundenberg, a. a. O., S. 135); monographisch Carstens, Marktmanipulation und zivilrechtliche Haftung. S. im bankenaufsichtsrechtlichen Zusammenhang Hadjiemmanuil, EBOR 16 (2015), 383, 392 ff.; im Ansatz auch Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2.2018. Verallgemeinernd für alle Bereiche des regulierenden (Wirtschafts-)Rechts Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 184 ff., 187 ff., 200 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, S. 193 ff. (auf S. 264 ff. jedoch ebenfalls wiederum einschränkend zur Reichweite des Effektivitätsprinzips gerade bei der Durchsetzung von Richtlinienrecht); Oster, EuR 2019, 578, 583 ff.; Ruffert, in: Calliess/ders. (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1 AEUV Rn. 28 f.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 410 ff. Umf. zu den europarechtlichen Wurzeln einer gezielten Einbindung des einzelnen Bürgers bzw. Marktteilnehmers in die (dezentrale) Durchsetzung des Unionsrechts letztlich auch schon Masing, Die Mobilisierung des Bürgers, S. 19 ff. 102 EuGH Urt. v. 20.9.2001 – C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465 Rn. 26 – Courage und Crehan. 103 Ebenda, Rn. 27. Ebenso EuGH Urt. v. 13.7.2006 – C-295/04, ECLI:EU:C:2006: 461 Rn. 59 f., 90 f. – Manfredi; Urt. v. 14.6.2011 – C-360/09, ECLI:EU:C:2011:389 Rn. 28 f. – Pfleiderer; Urt. v. 6.11.2012 – C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684 Rn. 41 f. – Otis u. a.; Urt. v. 6.6.2013, C-536/11, ECLI:EU:C:2013:366 Rn. 22 f. – Donau Chemie u. a. 101
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§ 7 Schlussbetrachtung
Muñoz, die die Durchsetzung von Lebensmittelqualitätsnormen im europäischen Binnenmarkt betraf. Auch dort befand der EuGH, die volle Wirksamkeit der Normen verlange danach, dass „deren Beachtung im Wege eines Zivilprozesses durchgesetzt werden kann, den ein Wirtschaftsteilnehmer gegen einen Konkurrenten anstrengt.“ 104 Denn eine solche Klagebefugnis stärke die Durchsetzungskraft der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, indem sie die behördliche Durchsetzung ergänze und dazu beitrage, schwer aufdeckbare Praktiken zu unterbinden, die den Wettbewerb verfälschen könnten.105 Dieser funktional-subjektivierenden Herangehensweise steht im hiesigen bankenaufsichtsrechtlichen Kontext auch nicht die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Peter Paul u. a. entgegen. Zwar hat der EuGH in dieser Entscheidung aus dem Jahr 2004 festgestellt, dass die damals geltenden Vorschriften des europäischen Bankenaufsichtsrechts106 den Einlegern keine individuell-subjektiven Rechte verleihen, die haftungsrechtlich durchsetzbar wären. Seine Ausführungen beschränkten sich dabei jedoch explizit nur auf das Verhältnis zwischen den Einlegern und den zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden sowie die damit verknüpfte Frage einer etwaigen Staatshaftung.107 Nicht Stellung genommen hat der EuGH demgegenüber zu der Frage, ob die bankenaufsichtsrechtlichen Regelungen – etwa aus Effektivitätsgründen – ein individuell-durchsetzbares Recht der Einleger auf aufsichtskonformes Verhalten gegenüber den Instituten bzw. ihren Geschäftsleitern gewähren (können).108 cc) Verbesserte Durchsetzung des Sanierungsplanungsrechts durch Private Enforcement? Will man der soeben beschriebenen, am Effektivitätsprinzip (Art. 4 Abs. 3 EUV) orientierten Argumentationslinie – trotz der dagegen geäußerten Kritik109 – 104 EuGH Urt. v. 17.9.2002 – C-253/00, ECLI:EU:C:2002:497 Rn. 30 – Muñoz und Superior Fruiticola. 105 Ebenda, Rn. 31. 106 Zur Fortgeltung dieser Rechtsprechung s. schon die Nachweise oben in § 7 Fn. 56. 107 Vgl. EuGH Urt. v. 12.10.2004 – C-222/02, EU:C:2004:606 Rn. 30, 46 – Paul u. a. Hintergrund der Entscheidung war eine Vorlage des BGH, der die Europarechtskonformität des § 6 Abs. 4 KWG (§ 4 Abs. 4 FinDAG) geklärt wissen wollte. S. dazu schon oben, Abschnitt § 3 A. I. 108 Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 244 f.; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 149 (letzterer entnimmt der Entscheidung aber die implizite Aussage des EuGH, ein Private Enforcement sei im Bankenaufsichtsrecht nicht geboten, vgl. a. a. O., S. 149 f.). 109 Krit. etwa Schmolke, NZG 2016, 721, 726 ff. unter Verweis auf Gesichtspunkte der institutionellen Balance zwischen EuGH und Gesetzgeber. U.a. im Anschluss daran auch Rau, BKR 2017, 57, 61 sowie zuletzt auch Mörsdorf, RabelsZ 2019 (83), 797, 813 ff.; Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 66 f.; Thomale, NZG 2020, 328, 330 f.; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarkt- und Bankenaufsichtsrecht, S. 113 ff. Gerade
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
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auch im vorliegenden Zusammenhang folgen, dann ist auch hier danach zu fragen, ob und inwieweit die Zuerkennung privatrechtlicher Haftungsansprüche zugunsten einzelner Marktakteure erkennbare Lücken in der Durchsetzung der BRRD-Regeln schließen und die Verwirklichung der Richtlinienziele stärken kann. Dass Zweifel an der Wirksamkeit einer rein aufsichtsbehördlichen Durchsetzung der BRRD-Vorschriften zur Sanierungsplanung bestehen, wurde bereits deutlich.110 Fraglich ist jedoch, ob ein privatrechtliches Haftungsregime diese Durchsetzungslücken schließen könnte. Dafür spricht zunächst, dass ein Verstoß gegen die Pflichten aus §§ 12 ff. SAG und ein daraus resultierendes Scheitern von Sanierungsbemühungen zuallererst die Gläubiger der Institute trifft. Sie sind es, die mit einem Verlust ihrer an das jeweilige Institut gezahlten Gelder (Einlagen, Darlehen usw.) rechnen müssen, sei es im Rahmen der Insolvenz oder im Rahmen der Abwicklungsfinanzierung. Entsprechend hoch dürfte ihr grundsätzliches Interesse sein, ihre finanziellen Einbußen, die nicht durch die bestehenden Einlagensicherungsinstrumente kompensiert werden,111 gegenüber den Verantwortlichen geltend zu machen.112 Auf Seiten der Institute demgegenüber könnte der mit einem Private Enforcement verbundene Durchsetzungsdruck abschreckende Wirkung entfalten und eine vorsichtige Handhabung der Pflichten aus den §§ 12 ff. SAG usw. bereits ex ante anregen.113 Die Aussicht auf diese Steuerungswirkung wiederum könnte vertrauensbildend zugunsten der Institute wirken, Kaim hiesigen Zusammenhang ist m. E. aber nicht zweifelsfrei erkennbar, ob der Unionsgesetzgeber tatsächlich eine abschließende Regelung zugunsten einer rein aufsichtsbehördlichen Durchsetzung der BRRD-Vorgaben treffen wollte (s. schon soeben). S. im kapitalmarktrechtlichen Zusammenhang krit. auch Harnos, ZEuP 2015, 546 (vor allem unter Verweis auf die fehlende Unionszuständigkeit für die privatrechtliche Durchsetzung des Kapitalmarktrechts; ferner mit dem Argument, es bestünden in Deutschland keine Defizite bei der Durchsetzung der MiFID I, vgl. mit Blick auf die MIFiD I ebenso BGH Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12 Rn. 28–30, zit. nach juris); im Kontext der MAR auch Cless, Unionsrechtliche Vorgaben; ferner Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht, S. 559 ff., dort allg. krit. zur Lehre von der funktionalen Subjektivierung im Unionsprivatrecht. 110 S. soeben, Abschnitt § 7 A. II. 1. 111 Die Einlagensicherungsrichtlinie sieht eine Einlagensicherung in Höhe von 100.000 EUR vor und schützt primär Privateinleger, vgl. Kolossa, in: BankR-Hdb., § 138 Rn. 4 ff. 112 Im Falle der Insolvenz nützt den Gläubigern ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 12 ff. SAG gegen das Institut freilich wenig, weil auch hier allein die Insolvenzquote realisiert werden könnte. Anderes gilt dagegen, wenn die Gläubiger unmittelbar gegen die – regelmäßig mit einer D&O-Versicherung ausgestatteten – Geschäftsleiter vorgehen könnten. 113 In diese Richtung deuten auch empirische Untersuchungen zum Private-Enforcement-Regime in den USA. Laut Dalla Pellegrina/Saraceno, 7 J. Fin. Stab. 215 (2011) sollen Aktionärssammelklagen zur Durchsetzung von Geschäftsleiterpflichten dort tatsächlich zu einem vorsichtigeren Risikomanagement der Banken beitragen. Zsf. zu weiteren empirischen Studien im Kapitalmarktrecht Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, S. 229, 244 f.
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pitalabzüge in finanziellen Belastungssituationen hemmen, gegebenenfalls sogar die Gewährung neuer Finanzmittel zu Sanierungszwecken unterstützen und damit zum Stabilitätsziel in Krisenphasen beitragen.114 Auf den ersten Blick scheint eine privatrechtliche Haftungsbewehrung der §§ 12 ff. SAG usw. damit durchaus zur effektiven Verwirklichung der Richtlinienziele beitragen zu können. Die beschriebene Steuerungswirkung ist jedoch entscheidend davon abhängig, ob in der Praxis tatsächlich mit einer Durchsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Privatrechtsverhältnis zwischen Gläubigern und Institut oder zwischen Gläubigern und (Instituts-)Geschäftsleitung zu rechnen wäre.115 Aus Sicht eines rational agierenden Gläubigers sind insoweit neben der Schadenshöhe die Erfolgsaussichten der Anspruchsdurchsetzung sowie die drohenden Kosten im Falle des Unterliegens maßgebend.116 Zentral für eine erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung im zivilprozessualen Klageverfahren ist dabei, ob er die anspruchsbegründenden Tatsachen – hier insbesondere die aufsichtsrechtliche Pflichtverletzung, das Verschulden, einen Schaden sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen kann. Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang angeführt, eine privatrechtliche Durchsetzung marktregulierender Regeln hätte den Vorteil, dass sie vom dezentral angesiedelten Wissen marktnaher privater Akteure profitieren könne.117 Dieser Gedanke mag in vollem Umfang dort zutreffen, wo das Aufsichtsrecht drittbezogene Pflichten anordnet, etwa im Bereich der wertpapierrechtlichen Informations- und Beratungspflichten (§§ 63 ff. WpHG) oder der bankenaufsichtsrechtlichen Pflichten zur Kreditwürdigkeitsprüfung (§§ 18, 18a KWG). Dort können die einzelnen Bankkunden wohl tatsächlich am besten nachvollziehen, ob die jeweilige Bank in ihrem Verhältnis gegen besondere Pflichten verstoßen hat und im Bejahungsfall einen Zivilprozess anstrengen. Die sanierungsplanungsrechtlichen Pflichten weisen aber eine gänzlich andere Ausrichtung auf. Sie sind, wie das sonstige Corporate-Governance-bezogene Aufsichtsrecht auch, vorrangig auf die Binnenorganisation der Bankunternehmen bezogen.118 Ihre Einhaltung ist für außenstehende 114 Vgl. im Ansatz auch schon Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2.2018. Zum Zusammenhang von Kredit und Vertrauen sowie Vertrauen und Sanierungserfolg s. schon oben, Abschnitt § 2 A. II. 2. und § 5 D. II. 2. b) bb). 115 Vgl. Becker, 76 J. Pol. Econ. 169, 176 ff. (1968); Shavell, Foundations of Economic Analysis of Law, S. 479 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 444; s. auch Poelzig, ZGR 2015, 801, 821. 116 Vgl. Klöhn, in: Schulze (Hrsg.), Compensation of Private Losses, S. 179, 190 ff.; s. wiederum auch Poelzig, a. a. O., S. 823. 117 In diese Richtung etwa Fikentscher/Hacker/Podszun, FairEconomy, S. 56 f., 85; ähnl. Alexander, in: Säcker/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Grundsatzfragen des Regulierungsrechts, S. 119, 123, 135; Poelzig, ZVglRWiss 110 (2011), 395, 397; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446; ders., in: MüKo BGB, Bd. 7, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 583. 118 Vgl. Binder, ZEuP 2017, 569, 585 f.; Möslein, EBOR 16 (2015), 547, 561; Hadjiemmanuil, EBOR 16 (2015) 383, 387.
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Marktteilnehmer damit nicht ohne Weiteres nachvollziehbar.119 Zwar wäre in diesem Fall grundsätzlich eine (gegebenenfalls auch nur teilweise) Beweislastumkehr zugunsten der Kläger im Wege unionsrechtskonformer richterlicher Rechtsfortbildung120 denkbar.121 Sie würde aber zu Lasten der beklagten Institute bzw. Geschäftsleiter gegen den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit verstoßen. Als Ausdruck eines fairen Verfahrens (Art. 47 Abs. 2 GrCh) gebietet er, „dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, [. . .] ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen“.122 Eben daran wären Institute und Geschäftsleiter aber gehindert, zumal sie gem. § 21 SAG im Prozess weiterhin an die Planvertraulichkeit gebunden wären und damit der Vermutung eines schuldhaften Pflichtverstoßes kaum wirksam entgegentreten könnten. Im Ergebnis werden die Institutsgläubiger den Beweis eines aufsichtsrechtlichen Pflichtverstoßes damit nur in den seltensten Fällen erfolgreich führen können. Praktisch relevant könnten zivilrechtliche Haftungsprozesse heute also allenfalls im Nachgang eines bußgeldrechtlichen Verfahrens werden, in dem Verstöße gegen die §§ 12 ff. SAG durch die zuständige Aufsichtsbehörde zunächst öffentlichkeitswirksam123 aufgearbeitet wurden (sog. follow-on-Klage). In diesem Fall greifen aber wiederum die oben dargestellten Einschränkungen: Erstens sind die bußgeldrechtlichen Tatbestände sehr eng ausgestaltet, wären also keinesfalls geeignet, die aufsichtsrechtlichen Vorgaben in ihrer ganzen Breite durchzusetzen. Zweitens ist nicht gesichert, ob die Aufsichtsbehörden Verstöße gegen die §§ 12 ff. SAG in allen in Betracht kommenden Fällen tatsächlich mit hinreichendem Nachdruck verfolgen würden.124 Drittens schließlich ist der Effektivitätsgewinn solcher follow-on-Klagen ohnehin gering, decken sie doch keine neuen
119 Zu Recht skeptisch schon Hadjiemmanuil, a. a. O., S. 396; ferner Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 279; Uhlmann, Individualschutz im Kapitalmarktund Bankenaufsichtsrecht, S. 789. Eben dies lässt Renner, Bankkonzernrecht, S. 302 unberücksichtigt, wenn er – u. a. unter Berufung auf den Effektivitätsgrundsatz – für ein Private Enforcement des § 25a KWG eintritt. Anders als hier auch noch Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2. 2018 (dort allg. mit Blick auf das prudenzielle Bankenaufsichtsrecht). 120 Dazu allg. statt vieler Roth/Jopen, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 13 Rn. 48 ff. 121 So etwa Badenhoop, Europäische Bankenregulierung, S. 279 f. 122 EuGH Urt. v. 6.11.2012 – C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684 Rn. 71 – Otis u. a. 123 Gem. § 174 Abs. 2 SAG sollen Sanktionen der „Abwicklungsbehörden“ öffentlich bekannt gemacht werden. Da die Vorschrift jedoch der Umsetzung von Art. 112 BRRD dient (vgl. BT-Drs. 18/2575, S. 193), letzterer aber auch die Veröffentlichung von Sanktionsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden verlangt, ist § 174 Abs. 2 SAG in unionsrechtskonformer Auslegung erweiternd auch auf die Aufsichtsbehörden anzuwenden. Ebenso Czaja, in: Luz/Neus/Schaber et al. (Hrsg.), KWG und CRR, Erg.bd., § 174 SAG Rn. 6. 124 S. zu beiden Punkten schon soeben, Abschnitt § 7 A. II. 1.
428
§ 7 Schlussbetrachtung
Rechtsverstöße auf, sondern führen allenfalls zu einer weiteren Erhöhung der Verstoßkosten über den Bußgeldbetrag hinaus.125 De lege lata ist also zweifelhaft, inwieweit eine privatrechtliche Haftungsbewehrung der §§ 12 ff. SAG usw. zugunsten der Institutsgläubiger tatsächlich zu einer verbesserten Durchsetzung der Vorschriften und zur Verwirklichung der BRRD-Vorgaben beitragen könnte.126 Eben dies hatte der EuGH in den Entscheidungen Courage und Muñoz aber (zumindest implizit) zur Voraussetzung dafür erklärt, dass er eine zivilrechtliche Haftung im Interesse der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts als geboten ansieht.127 Relevanz könnte ein Private Enforcement des Sanierungsplanungsrechts damit allenfalls de lege ferenda erlangen, dann in Kombination mit einer verstärkten Publizität der Planung. Insoweit böte sich vor allem eine individualisierbare Ex-post-Publizität der Sanierungspläne an, die zeitlich verzögert nach einer Abwicklung oder Insolvenz des betreffenden Instituts greift.128 dd) Folgefragen Aber auch auf diesem Weg stellen sich gleich mehrere Folgefragen:129 Zu berücksichtigen ist erstens, dass die privatrechtliche Durchsetzung, gerade weil sie einzig auf private Initiative aufbaut, kaum Flexibilität oder zentrale Steuerbarkeit ausweist.130 Einerseits liegt hier ihr Vorteil, wirkt sie damit doch einer unsachgemäßen Zurückhaltung bei der Durchsetzung aufsichtsrechtlicher Maßgaben entgegen, wie sie bei einem rein behördlich gesteuerten Haftungsregime möglich wäre. Fraglich ist aber, ob mit dieser Inflexibilität auch Effekte einhergehen können, die den Zielsetzungen der BRRD entgegenlaufen.131 So wäre etwa die Frage zu klären, ob die marktseitige Erwartung einer Klagewelle wegen Verstößen gegen die §§ 12 ff. SAG usw. zu einer weiteren Destabilisierung des betreffenden Instituts führen könnte, die aus Sicht der übergeordneten Regelungsziele der 125
Vgl. Poelzig, ZGR 2015, 801, 827 f. (m.w. N.). Ähnl. krit. aus funktionaler Perspektive Hadjiemmanuil, EBOR 16 (2015), 383, 396, dort allg. im Hinblick auf die prudenziellen Normen des CRD-IV-Pakets. 127 Poelzig, ZGR 2015, 801, 811; dies., Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 271 f.; Klöhn, in: Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, S. 229, 233. 128 S. auch dazu schon soeben, Abschnitt § 7 A. II. 2. a). 129 Hinzu kommen allgemeinere Fragen der Abstimmung von Public und Private Enforcement u. a. mit dem Ziel, widersprüchliche Entscheidungen von Aufsichtsbehörden und Gerichten sowie Mehrfachsanktionen zu verhindern, vgl. dazu Alexander, in: Säcker/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Grundsatzfragen des Regulierungsrechts, S. 119, 136 f.; Poelzig, ZGR 2015, 801, 839 ff. 130 Alexander, in: Säcker/Schmidt-Preuß (Hrsg.), Grundsatzfragen des Regulierungsrechts, S. 119, 132. Vgl. auch Grundmann, in: FS Canaris, S. 907, 946 f. 131 Vgl. auch nochmals Alexander, in: a. a. O., S. 131, dort mit der Feststellung, dass die private Rechtsdurchsetzung ungeeignet ist, wirtschaftspolitische Zielsetzungen und Marktstrukturüberlegungen zu berücksichtigen. 126
A. Offene Herausforderungen der Sanierungsplanung
429
BRRD nicht gewollt sein kann.132 Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das betreffende Unternehmen ohnehin schon in einer fragilen Lage im Grenzbereich zur Sanierung und Abwicklung befindet. Gerade hier zielt die Richtlinie wohl vorrangig auf eine zügige Restabilisierung des betreffenden Unternehmens, um negative Folgewirkungen für das Finanzsystem zu verhindern.133 Zu bewältigen wären derartige Konfliktfälle allenfalls dadurch, dass die Durchsetzbarkeit privatrechtlicher Ansprüche daran gekoppelt wird, inwieweit sie im Einzelfall mit Interessen der Finanzstabilität vereinbar sind.134 Zweitens müsste das privatrechtliche Haftungsregime im Einzelnen so ausgestaltet werden, dass eine aufsichtsrechtlich unerwünschte Übersteuerung verhindert wird. Diese Frage stellt sich insbesondere mit Blick auf eine persönliche Außenhaftung der Geschäftsleitung, die parallel zur gesellschaftsrechtlichen Binnenhaftung Anwendung finden würde.135 Hier ist zu berücksichtigen, dass die Vorgaben aus §§ 12 ff. SAG, Art. 3 ff. del. VO 2016/1075 und MaSanV ganz überwiegend nur rahmenförmige Verhaltensvorgaben formulieren und maßgeblich auf eine einzelfallbezogene Konkretisierung angewiesen sind. Im Interesse des Haftungsgleichklangs wäre hier ein funktionales Äquivalent zum Beurteilungsspielraum der Aufsichtsbehörden im Verwaltungsprozess136 nötig. Parallel zu Art. 35a Abs. 1 Ratingagenturen-VO wäre etwa einer Haftungsbegrenzung auf Fälle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit denkbar.137 Drittens schließlich stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus der behördlichen Prüfung der Sanierungspläne für eine privatrechtliche Haftung er132 Vgl. Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 581; ders., EBOR 16 (2015), 357, 369 (allg. mit der Feststellung, dass Finanzstabilitätserwägungen und private Interessen abweichen können). 133 Zum Vorrang des Funktionsschutzes in der BRRD s. schon Abschnitt § 3 A. II. 134 Im Bußgeldverfahren können solche Erwägungen berücksichtigt werden, da das Bußgeldrecht vom Opportunitätsprinzip (§ 47 OWiG) beherrscht wird. Auch Art. 114 BRRD ordnet an, dass im Bußgeldverfahren „allen maßgeblichen Umständen“ Rechnung getragen werden muss. Dazu dürften auch etwaige destabilisierende Effekte von Sanktionen zählen. Allg. zur Berücksichtigung von Interessen der Allgemeinheit im Bußgeldverfahren z. B. Mitsch, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 118 (m.w. N.). 135 Vgl. Pakin, 9 Berk. Bus. L.J. 29, 90 (2013) (Verf. hegt die Erwartung, die Geschäftsleitung von US-Instituten wäre kaum bereit, Abwicklungspläne zu genehmigen, wenn sie persönlich für deren Krisentauglichkeit haften müsste); ähnl. Davis Polk & Wardwell LLP, FDIC Releases Joint Notice of Proposed Rulemaking on Resolution Plans and Credit Exposure Reports, S. 4. 136 S. dazu oben, Abschnitt § 5 B. III. 3. 137 ErwG 33 der Ratingagenturen-VO begründet die Haftungsbegrenzung mit der Komplexität des Ratingprozesses und mit dem drohenden hohen Haftungsumfang, s. dazu auch Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 205. I. E. ebenso im kapitalmarktrechtlichen Zusammenhang ders., AG 2012, 154, 166 sowie Poelzig, ZGR 2015, 801, 836. S. für Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot (Art. 14 MAR) ferner Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 19.
430
§ 7 Schlussbetrachtung
geben. Schließlich ist absehbar, dass eine Geschäftsleitung, die in der Krise streng nach Maßgabe des Sanierungsplans handelt und im Ergebnis dennoch mit ihren Sanierungsbemühungen scheitert, sich auf die aufsichtsbehördliche „Genehmigung“ des Sanierungsplanes berufen wird. Zwar wird man der behördlichen Prüfung keine pauschale „Legalisierungswirkung“ in dem Sinne beimessen können, dass eine anschließende Haftung gänzlich ausgeschlossen ist. Dagegen spricht schon, dass infolge begrenzter aufsichtlicher Ressourcen sowie des Proportionalitätsprinzips138 nicht alle Sanierungspläne mit der gleichen Intensität geprüft werden können und sollen. Die aufsichtsbehördliche Ex-ante-Einschätzung zur Krisentauglichkeit des Planes sollte aber im Rahmen des Verschuldens Berücksichtigung finden.139 Zur Klärung all dieser Fragen wären im Interesse des europaweit einheitlichen Haftungsniveaus unionsrechtliche Vorgaben sinnvoll.140 Sollten hier tatsächlich Regelungen folgen, dann werden sie sich jedoch höchstwahrscheinlich kaum auf den hier aufgeworfenen Themenkreis beschränken. Vielmehr stellt sich dann in globaler Perspektive die Frage, ob und inwieweit die Institute (und gegebenenfalls ihre Geschäftsleiter) künftig für Verstöße gegen mikroprudenzielle Aufsichtsregeln nach privatrechtlichen Regeln haften sollen.
B. Fazit und Ausblick Von Einsatzplänen militärischer Streit- und Polizeikräfte, über Zivilschutz- und Evakuierungspläne im Bereich des Katastrophenschutzes bis hin zu Fortführungs- und Wiederanlaufplänen im Bereich öffentlicher Infrastrukturen – überall gehört Planung heute zum Standardrepertoire zur Vorbereitung auf Notfälle und Krisenlagen. Als Instrument der Bankenaufsicht war eine solche Notfallplanung demgegenüber lange kaum bekannt. Dies änderte sich schlagartig in 2011 als die planerische Vorsorge für Bankenkrisen in Form der Sanierungs- und Abwicklungsplanung Eingang in die sog. Key Attributes des Financial Stability Boards (FSB) fand. Seither ist sie Kernbestandteil des international harmonisierten Sonderinsolvenzrechts für Banken, zum Teil gelobt als eine der wenigen Innovation im Reformprozess nach der Finanzkrise überhaupt.141 138
§ 13 Abs. 1 SAG. S. dazu oben, Abschnitt § 3 D. I. In diese Richtung auch de Gioia Carabellese/Zhang, 30 I.C.C.L.R. 380, 398 (2019). Ähnl. zur Wirkung informeller aufsichtsbehördlicher Auskünfte im Bereich der Wertpapieraufsicht auch Poelzig, in: Möslein (Hrsg.), Regelsetzung im Privatrecht, S. 227, 248, m.w. N. 140 Im Ansatz ähnl. schon Kraatz, Complementing Centralised Banking Supervision, EU Law Enforcement, Beitrag v. 28.2.2018. 141 Vgl. Feibelman, in: Eidenmüller (Hrsg.), Regulatory Competition, S. 199, 199, 217; ders., 1 Am. Univ. Bus. L. Rev. 93, 112 (2011). Bei Lichte betrachtet war die Einführung der Sanierungs- und Abwicklungsplanung freilich weniger innovativ als auf den ersten Blick angenommen, enthielt doch jedenfalls das europäische Bankenauf139
B. Fazit und Ausblick
431
Ihrem Wesen nach antwortet die Sanierungsplanung auf zwei Grunderfahrungen der modernen Gesellschaft, die im Finanzsystem in noch einmal massiv zugespitzter Form sichtbar werden: Die Marktgeschehnisse auf den internationalen Finanzmärkten sind von einer Dynamik gekennzeichnet, die langes Zuwarten und Wägen von Handlungsalternativen kaum zulassen. Vor allem in akuten Krisenphasen müssen zentrale Weichenstellungen sowohl der Unternehmen als auch der staatlichen Behörden buchstäblich von einem Tag auf den anderen erfolgen. Dieser Dynamik steht eine nie da gewesene Komplexität der Marktprozesse gegenüber. Global agierende Finanzkonzerne, undurchsichtige Finanzprodukte und Risikostrukturen sowie enorme Marktvolumina stellen sämtliche Marktakteure konstant vor kaum überwindbare Informations- und Wissensprobleme. Beide Strukturbedingungen – Komplexität und Dynamik der Marktprozesse – sowie ein im Wesentlichen auf Ad-Hoc-Lösungen beschränktes Aufsichtsinstrumentarium führten das internationale Bankensystem auf dem Höhepunkt der letzten Finanzkrise im Oktober 2008 nahezu zum vollständigen Zusammenbruch.142 Doch auch nach Einführung der Sanierungsplanung werden Bankenkrisen in Zukunft nicht ausbleiben.143 Ausdruck überzogener Erwartungen wäre es auch, davon auszugehen oder gar zu beanspruchen, infolge der Sanierungsplanung werde künftig jede Unternehmensschieflage mit Gewissheit auf privatwirtschaftlicher Grundlage zu bewältigen sein. Zwar setzt der Rechtsrahmen, wie im Verlauf der Arbeit deutlich wurde, in weiten Teilen auf die richtigen Steuerungsmechanismen und -strategien, um den tatsächlichen Herausforderungen einer präventiv-planerischen Krisenvorbereitung gerecht zu werden. Ungeachtet dessen bleibt aber in Rechnung zu stellen, dass die denkbaren Krisenszenarien zu vielgestaltig und die Möglichkeiten der Zukunfts- und Risikovorsorge strukturell zu begrenzt sind, als dass derartige Heilsversprechen realistisch wären.144 Zielführender dürfte es eher sein, den Blick auf den Bankensektor insgesamt zu richten und das Instrument in seiner Breitenwirkung zu betrachten. Freilich fällt es angesichts langer und undurchsichtiger Kausalketten gerade in dieser Makrodimension sichtsrecht schon vorher strukturell ähnliche Vorgaben zu Notfallplänen zum Umgang mit Liquiditäts- und operationellen Risiken. S. dazu schon oben, Abschnitt § 6 A. I. 3. b) und § 6 A. II. 2. c). 142 S. zu diesen Strukturbedingungen und den Folgen während der letzten Finanzkrise nochmals instruktiv Laux/Rosa, WSI Mitteilungen 10/2009, 547. 143 Krit. auch Farina/Scipione, in: Chiti/Santoro (Hrsg.), Banking Union Law, S. 271, 297. 144 Ähnl. krit. zur Möglichkeit einer vollständigen Systemrisikobewältigung Kaufhold, Systemaufsicht, S. 369, in anderen Phänomenbereichen auch Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207, 228 f.; Lepsius, VVDStRL 63 (2004), 264, 308. S. auch Laux/ Rosa, WSI Mitteilungen 10/2009, 547, 548 (Verf. plädieren allg. dafür, politische Entscheidungen im Finanzmarktkontext bereits dann als „politisch rational“ zu erachten, wenn sie in ihren Effekten und in der vorausgehenden Auseinandersetzung um Handlungsalternativen zwar nicht optimal, wohl aber zufriedenstellend, etwa im Bereich von 60–80 % des Optimums, ausgestaltet sind).
432
§ 7 Schlussbetrachtung
schwer, einzelne Maßnahmen und Aufsichtsinstrumente in ihrer Wirkung abschließend zu beurteilen – dies selbst ex post, im Nachgang einer Krise.145 Ausgehend von den vorangehenden Betrachtungen spricht jedoch viel dafür, dass die Sanierungsplanung die Resilienz des Bankensektors stärken kann, indem sie in zukünftigen Krisen einer Vielzahl von Unternehmen zu einer verbesserten Reaktionsfähigkeit verhilft. Die Zahl der abwicklungsbedürftigen Unternehmen könnte dadurch gesenkt, die staatlich gesteuerten Abwicklungssysteme entlastet und so insgesamt die Wahrscheinlichkeit eines unkontrollierten Systemkollapses, einschließlich der damit verbundenen realwirtschaftlichen Folgen, reduziert werden.146 Inwieweit diese positiven Wirkungen tatsächlich eintreten, ist maßgeblich davon abhängig, wie das Regelungsregime in den kommenden Jahren in der Praxis gehandhabt wird. Entscheidend dürfte dabei sein, ob bzw. wie die im hiesigen Kapitel beschriebenen Herausforderungen bewältigt werden: Ohne eine gleichermaßen koordinierte wie restriktive Aufsichtspraxis der EZB, des SRM sowie der nationalen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden werden substanzielle Resultate kaum zu erzielen sein. Es liegt auf der Hand, dass eine restriktive Krisenvorbereitung auch ihren Preis haben kann – sei es in Form erhöhter Planungskosten oder in Form präventiver Vorsorgemaßnahmen. Letztere können, wenn sie etwa auf einen Risikoabbau abzielen, nicht nur die Renditeaussichten der Unternehmen senken, sondern z. B. über eingeschränkte Kreditvergaben auch realwirtschaftliche Folgen zeitigen.147 Die staatliche Aufgabenwahrnehmung steht hier – wie im gesamten Bereich der Finanzmarktaufsicht – vor einem Zielkonflikt, der weit über die „technischen“ Feinheiten der Sanierungsplanung hinausreicht: Einerseits ist es Aufgabe der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten, in Europa auf ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum hinzuarbeiten (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EUV).148 Andererseits haben sie jedoch auch für die Gewährleistung der Finanzstabilität Sorge zu tragen.149 In diesem Spannungsverhältnis hat der europäische Gesetzgeber eine deutliche Priorisierung getroffen, indem er mit der Verabschiedung von BRRD und SRM-VO in 2014 eine erneute Finanz- und Weltwirt-
145
Vgl. wiederum Laux/Rosa, WSI Mitteilungen 10/2009, 547, 548 f. Zu diesem Konnex zwischen Sanierung und Abwicklung schon oben, Abschnitt § 3 A. III. 147 S. schon oben, Abschnitt § 5 D. III. 148 In den letzten Jahren wurde dieses Ziel vor allem durch eine anhaltende „Kultur des billigen Geldes“ und eine zunehmende Verschuldung öffentlicher und privater Haushalte durchzusetzen versucht. Krit. dazu Dalhuisen, Transnational, Comparative, Commercial, Financial and Trade Law, Volume 3, 6. Aufl. 2016, S. 551 ff.; s. auch Dahrendorf, Merkur 5/2009, 373, 374 ff. 149 S. m.w. N. zur staatlichen Gewährleistungsverantwortung für ein funktionsfähiges Finanzsystem oben, § 2 Fn. 141, ferner auch Art. 127 Abs. 5 AEUV, der dem ESZB eine unterstützende Funktion bei der Gewährleistung der Finanzstabilität zuweist. 146
B. Fazit und Ausblick
433
schaftskrise vom Ausmaß der Jahre 2007–2009 unbedingt verhindern wollte.150 Inwieweit die staatlichen Behörden dieses Ziel auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verwirklichen können, wird entscheidend vom gesamtgesellschaftlichen Klima abhängen. In diesem Zusammenhang kommt eine entscheidende Aufgabe auch den zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren zu. Sie sind es, die immer wieder verdeutlichen müssen, welche Ansprüche sie an ein modernes Finanzsystem im 21. Jahrhundert stellen, wie und zu welchem Preis sie auch in Zukunft gesamtwirtschaftliches Wachstum erzielen wollen.151 In einer zunehmend finanzialisierten Wirtschaftsordnung, geprägt vom Einfluss global agierender Finanzkonzerne,152 stehen dabei gerade diejenigen Stimmen vor großen Herausforderungen, die an einer Finanzbranche mit gesamtwirtschaftlich strikt dienender Funktion interessiert sind und ausgeprägtem Innovationsstreben sowie hohen Renditezielen in diesem Sektor eher kritisch gegenüberstehen. Dies gilt umso mehr, als die Risiken im Finanzsystem lange unsichtbar bleiben, die Folgen eines verhaltenen Wirtschaftswachstums dagegen offen zutage treten und in der Öffentlichkeit nahezu täglich kommuniziert werden.153 Unter diesen Bedingungen ist mit zunehmendem Abstand und verblassenden Erinnerungen an frühere Krisenjahre die Gefahr groß, dass langfristige Stabilitätsgesichtspunkte im Interesse kurzfristiger Effekte vernachlässigt werden. Auf der anderen Seite treten in ganz anderen Kontexten heute mehr denn je auch die Grenzen und negativen Nebenfolgen einer Wirtschaftsweise zutage, die am Ziel einer ständigen Reichweitenvergrößerung orientiert ist. Es bleibt abzuwarten, wie lange unter diesen Eindrücken überhaupt noch an bis dato gefestigten wirtschaftspolitischen Grundüberzeugungen festgehalten werden kann, allen voran am Dogma fortwährenden wirtschaftlichen Wachstums. Sollte sich hier mit der Zeit ein grundlegender Mentalitätswandel Bahn brechen,154 dürfte er entscheidende Rückwirkungen auch auf die Bank- und Finanzwirtschaft haben.
150
ErwG 1–5 BRRD und ErwG 1, 6 SRM-VO. Vgl. auch Huertas, Living Wills, sub. Abs. 2 („Essentially, what society has to do is to decide what should be the level of risk to society at which it whishes the banking system to operate.“). 152 S. stellv. zu Begriff und Diagnose Heires/Nölke, in: Kessler (Hrsg.), Internationale Politische Ökonomie der Weltfinanzkrise, S. 37, 38 ff. 153 Ähnl. Admati/Hellwig, The Bankers’ New Clothes, S. 199. 154 Es mehren sich insoweit jedenfalls die kritischen Stimmen. S. einführend in die Diskussion etwa Schmelzer/Vetter, DeGrowth/Postwachstum. 151
§ 8 Wesentliche Ergebnisse 1.
Banken übernehmen in modernen Volkswirtschaften eine zentrale Funktion, indem sie die Kapitalvermittlung zwischen Wirtschaftseinheiten mit Kapitalüberschüssen und -defiziten unterstützen. Im Rahmen dieser sog. Finanzintermediaton harmonisieren sie Abweichungen auf der Kapitalangebotsund -nachfrageseite durch eine Transformation des vermittelten Kapitals im Hinblick auf seine Losgröße, Fristigkeit und Risikoexposition.1 Mit diesen Transformationsleistungen korrespondieren Risiken, die das Bankgeschäft in besonderem Maße prägen: Dazu gehören neben dem Ausfall- bzw. Kreditrisiko das Liquiditätsrisiko, das Marktpreisrisiko und das operationelle Risiko. Hinzu tritt ferner das sog. Reputationsrisiko, das wesentlich mit der Vertrauensbedingtheit des Bankgeschäfts verbunden ist.2 Realisieren sich diese Risiken in einem von der betreffenden Bank nicht antizipierten Ausmaß, kann sie in die Insolvenz geraten. Eine solche Bankeninsolvenz kann, je nach Beschaffenheit des Unternehmens und je nach aktueller Marktlage, in eine Destabilisierung und Funktionsbeeinträchtigung des gesamten Finanzsystems münden. Typisches Kennzeichen einer solchen systemischen Bankeninsolvenz sind Ansteckungseffekte zwischen verschiedenen Marktakteuren.3 Zur Identifikation systemrelevanter Banken haben sich in der Aufsichtspraxis indikatorbasierte Messansätze durchgesetzt, die vor allem auf die Verflechtung, Größe, Substituierbarkeit, Komplexität und grenzüberschreitende Aktivität der Unternehmen abstellen.4
2.
Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 und die durch sie ausgelöste internationale Finanzkrise führten der (Fach-)Öffentlichkeit vor Augen, dass die Bankenaufsichtsbehörden zahlreicher Staaten über ein nur unzureichend entwickeltes Instrumentarium zum geordneten Umgang mit komplexen Bankeninsolvenzen verfügten.5 Maßgeblich vorangetrieben durch einen entsprechenden Reformprozess auf Ebene der G20, mündete diese Einsicht in die Entwicklung eines speziell auf die Besonderheiten von Bankeninsolvenzen zugeschnittenen, international harmonisierten sog. Sonderinsolvenzrechts für Banken. Dessen Kernbestandteile wurden im 1 2 3 4 5
Dazu Abschnitt § 2 A. I. Dazu Abschnitt § 2 A. II. Dazu Abschnitt § 2 A. III. 2. Dazu Abschnitt § 2 A. III. 3. Dazu Abschnitt § 2 B. I.
§ 8 Wesentliche Ergebnisse
435
Herbst 2011 vom Financial Stability Board (FSB) unter dem Titel „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ vorgestellt. Es umfasste neben einem speziellen Abwicklungsinstrumentarium unter anderem auch vorgelagerte Planungsinstrumente zur Vermeidung und Bewältigung systemischer Bankeninsolvenzen, die Sanierungs- und Abwicklungsplanung.6 Auf europäischer Ebene umgesetzt wurden diese Empfehlungen in der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD), die am 1.1.2015 in Kraft trat.7 Der deutsche Gesetzgeber verankerte die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungs- und Abwicklungsplanung – nachdem er bereits zum 1.1.2011 ein ähnlich gelagertes, allerdings auf Ad-hoc-Lösungen beschränktes Planungsregime im KredReorgG schuf (sog. Sanierungs- und Reorganisationsverfahren) – zunächst in §§ 47 ff. KWG, später dann in §§ 12 ff. und §§ 40 ff. SAG.8 3.
Übergeordnetes Hauptziel der BRRD ist die Aufrechterhaltung und Stärkung der Finanzstabilität als Funktionsbedingung für einen prosperierenden europäischen Binnenmarkt. Dieses Ziel verfolgt die BRRD auf zwei Ebenen: Auf der einen Seite zielt die BRRD auf eine Stabilisierung des Finanzsystems unmittelbar in akuten Krisenlagen, konkret durch eine Begrenzung der negativen Externalitäten, die aus der Schieflage oder Insolvenz eines (systemrelevanten) Instituts resultieren. An dieser Stelle fügt sich auch die Sanierungsplanung ein, die durch präventiv-planerische Vorbereitungsmaßnahmen im Bedarfsfall eine gleichermaßen autonome, systemschonende und nachhaltige Krisenbewältigung des betreffenden Instituts ermöglichen soll. Negative Ansteckungseffekte zu Lasten anderer Marktakteure sollen dadurch bereits frühzeitig bewältigt, eine Insolvenz verhindert und eine Inanspruchnahme des in seinen Ressourcen begrenzten, behördlich gesteuerten Abwicklungssystems vermieden werden. Daneben zielt die BRRD aber auch auf eine Risikominimierung bereits im Vorfeld akuter Stresssituationen. Sie setzt dazu vor allem auf eine indirekte, anreizbasierte Verhaltenssteuerung, die im Kern daraus resultieren soll, dass mit dem Wegfall staatlicher Rettungsgarantien der marktwirtschaftliche Grundsatz der Einheit von Risiko und Haftung (erneut) zum Tragen kommt. Eine überzogene Risikoexposition der Institute soll unter diesen Bedingungen bereits von den Institutsgläubigern in deren eigenem Interesse unterbunden werden. In ihrer gesamten Ausrichtung stellt die BRRD damit den Funktions- bzw. Systemschutz zugunsten der Allgemeinheit in den Vordergrund. Aspekte des Gläubigerschutzes treten demgegenüber in den Hintergrund und sind nur insoweit relevant, wie sie dem Primärziel des Funktionsschutzes zuträglich sind.9 6 7 8 9
Dazu Abschnitt § 2 B. II. Dazu Abschnitt § 2 B. III. Dazu Abschnitt § 2 B. IV. Zum Ganzen Abschnitt § 3 A.
436
§ 8 Wesentliche Ergebnisse
4.
Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung – in Deutschland geregelt insbesondere in §§ 12 ff. SAG, Art. 3 ff. del. VO 2016/ 1075 sowie in den Vorschriften der MaSanV10 – richten sich an CRR-Kreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen mit Inlandssitz, ferner an Institutsgruppen, deren übergeordnete Unternehmen ihren Sitz im Inland haben, sowie an sog. institutsbezogene Sicherungssysteme mit Inlandssitz.11
5.
Inhaltlich wird die Sanierungsplanung von drei übergeordneten Grundsätzen beherrscht, die unabhängig von den bereichsspezifischen Einzelanforderungen für den gesamten Planungsprozess gelten:12 Dazu gehört der Grundsatz der Proportionalität (§ 12 Abs. 1 SAG), der Grundsatz der Vertraulichkeit (§§ 4 ff., 21 SAG) sowie der Grundsatz der institutsautonomen Krisenbewältigung (§ 13 Abs. 3 SAG). Letzterer verpflichtet die Institute ihre Krisenvorbereitung auf die Annahme zu stützen, dass ihnen – von einigen engen Ausnahmen (Zentralbankfazilitäten, Notfallliquiditätshilfen) abgesehen – im Belastungsfall keine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung steht.
6.
Ausgehend von der aufsichtsrechtlichen Systematik bildet der Einzelsanierungsplan den Grundtypus der Sanierungspläne. Er setzt sich aus mehreren funktional verknüpften Elementen zusammen, die in § 12 Abs. 2 SAG aufgelistet und in verschiedenen Konkretisierungs- und Ausführungsvorschriften umfangreich ausgestaltet werden. Im Einzelnen gehören dazu eine sog. strategische Analyse der Unternehmens-, Geschäfts- und Risikostruktur des jeweiligen Instituts, ein System zur Erkennung krisenhafter Entwicklungen (sog. Sanierungsindikatoren), ferner krisenspezifische unternehmensinterne Steuerungsprozesse (sog. Krisen-Governance) sowie schließlich konkrete krisenbezogene Handlungs- bzw. Sanierungsoptionen einschließlich der zugehörigen Kommunikationskonzepte, die im Rahmen sog. szenariobasierter Belastungsanalysen plausibilisiert werden. In seiner Gesamtheit muss der Plan dabei den Zielvorgaben in § 13 Abs. 4 SAG gerecht werden.13 Aufbauend auf iese Regelanforderungen existieren darüber hinaus besondere Inhaltsanforderungen für Gruppensanierungspläne (§ 14 SAG, Art. 20 del. VO 2016/1075), Sanierungspläne institutsbezogener Sicherungssysteme (§§ 18 ff. MaSanV) und vereinfachte Sanierungspläne (§ 19 SAG, §§ 10 ff. MaSanV).14
7.
Auch in verfahrensbezogener Hinsicht ist gesetzliches Grundmodell das Verfahren der Einzelsanierungsplanung, geregelt vor allem in §§ 15 f. SAG und
10 11 12 13 14
Dazu Abschnitt § 3 B. Dazu Abschnitt § 3 C. Dazu Abschnitt § 3 D. Zum Ganzen im Einzelnen Abschnitt § 4 A. Dazu Abschnitt § 4 B.
§ 8 Wesentliche Ergebnisse
437
Art. 16 ff. del. VO 2016/1075. Mit Blick auf den Ablauf des mehrstufigen Planungsverfahrens ist danach zu differenzieren, ob das betreffende Institut erstmalig zur Planerstellung aufgefordert wurde oder einen bereits existenten Sanierungsplan nur überarbeitet und aktualisiert. Weiter ist danach zu unterscheiden, welche Aufsichtsbehörde für die Sanierungsplanung des jeweiligen Instituts bzw. die Institutsgruppe zuständig ist. Die Sanierungsplanung ist institutionell eingebettet in den sog. Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM). Sog. bedeutende Institute und Institutsgruppen führen die Sanierungsplanung im Austausch mit der EZB durch, sog. weniger bedeutende Institute und Institutsgruppen im Dialog mit der BaFin.15 Weitere Besonderheiten ergeben sich im Verfahren der Gruppensanierungsplanung. Die §§ 17 f. SAG enthalten insoweit – zum Teil überlagert durch die SSM-VO und die SSM-RVO – spezielle Mechanismen zur Verfahrenskoordinierung zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder, in denen die jeweilige Institutsgruppe aktiv ist. Eine bedeutende Rolle kommt hierbei den sog. Aufsichtskollegien zu.16 8.
Nähert man sich ausgehend von diesen Betrachtungen der praktischen Umsetzung der Sanierungsplanung an, so wird deutlich, dass mit der Erfüllung der Planungsanforderungen eine Reihe von Herausforderungen tatsächlicher Art einhergehen. Diese Herausforderungen lassen sich im Wesentlichen drei Bereichen zuordnen: Erstens sieht sich die Sanierungsplanung mit dem Problem der Dezentralität der planungsrelevanten Informationen konfrontiert. Als gleichermaßen unternehmens- und finanzsystembezogenes Instrument ist die Umsetzung der Sanierungsplanung abhängig sowohl von unternehmensinternen als auch markt- bzw. systembezogenen Informationen. Während die Institute erstere eigenständig zusammentragen bzw. generieren können, verfügen sie bezüglich letzterer über ein strukturelles Informationsdefizit. Dieses Informationsdefizit können allein die staatlichen Aufsichtsbehörden kompensieren, die über flächendeckend, d.h. gegenüber allen Marktteilnehmern einsetzbare Auskunfts- und Informationsmittel verfügen.17 Zweitens ist der Sanierungsplanungsprozess, soll er auch in systemischen Krisen eine Verwirklichung der in § 13 Abs. 4 SAG genannten Ziele gewährleisten, auf institutsübergreifende Koordinationsmaßnahmen angewiesen. Dies gilt sowohl für die Phase der Ausarbeitung als auch für die Phase der Umsetzung der Sanierungspläne.18 Drittens wird eine effiziente Sanierungsplanung durch die inhärenten Grenzen der prognostischen Risikoanalyse herausgefordert. Zwar herrscht heute weitgehender Konsens hinsichtlich der grundlegen15 16 17 18
Zum Ganzen im Einzelnen Abschnitt § 4 C. Dazu Abschnitt § 4 D. Dazu Abschnitt § 5 A. I. Dazu Abschnitt § 5 A. II.
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§ 8 Wesentliche Ergebnisse
den Eigenschaften, Merkmale und Entwicklungsdynamiken finanzmarktbezogener Risiken. Auf objektive Grenzen stößt aber die Bezifferung des konkreten Schadenspotentials und der Sanierungskapazität der Pläne sowie die rechtzeitige Diagnose unvermittelt auftretender Krisen. Zudem droht die Sanierungsplanung in subjektiver Hinsicht durch sog. kognitive Verzerrungen (Biases) sowie substanzielle Anreizdefizite auf Seiten der planungsbeteiligten Akteure beeinträchtigt zu werden.19 9.
Auf struktureller Ebene sind die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung durch eine Reihe spezifischer Mechanismen und Steuerungsstrategien gekennzeichnet, die in ihrer Funktion in weiten Teilen als Reaktion auf die soeben skizzierten tatsächlichen Herausforderungen der abstrakt-planerischen Krisenvorsorge gelesen werden können. Bei systematisierender Betrachtung lassen sich diese Mechanismen und Strategien zwei Kategorien zuordnen: Ein Teil von ihnen betrifft vor allem das Verfahren der Planerstellung sowie der späteren Planumsetzung – sie werden hier als verfahrensbezogene Strukturmerkmale bezeichnet.20 Daneben lassen sich jedoch auch Strukturmerkmale identifizieren, die stärker die punktuell-situativen Einzelentscheidungen der beteiligten Akteure innerhalb dieses Verfahrens betreffen – sie werden hier als entscheidungsbezogene Strukturmerkmale bezeichnet.21
10. Die verfahrensbezogenen Strukturmerkmale des Instruments erschließen sich in ihrem Gehalt vor allem dann, wenn man sie im Zusammenhang mit der allgemeineren Steuerungsdiskussion betrachtet, die in den letzten Jahrzehnten in Reaktion auf die zunehmend risiko- und komplexitätsgeprägte spätmoderne Gesellschaft unter anderem im Bereich des sog. Risikoverwaltungsrechts geführt wurde. Die dort diskussionsprägend gewordenen Konzepte der sog. Prozeduralisierung des Rechts und der sog. regulierten Selbstregulierung bieten gewinnbringende Orientierungspunkte auch für eine analytische Auseinandersetzung mit dem Sanierungsplanungsrecht.22 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich die Sanierungsplanung in ihrer Ausgestaltung durch die §§ 12 ff. SAG (Art. 5 ff. BRRD) durch eine eigentümliche Prozess-, Diskurs- sowie Wissens- und Lernorientierung auszeichnet. 11. Prozessorientierung des Sanierungsplanungsrechts: Auf den in akuten Unternehmenskrisen bestehenden Handlungsdruck und die strukturellen Defizite einer rein hoheitlich-imperativen Regulierung der Institute reagiert das Sanierungsplanungsrecht mit einer Vorverlagerung des Steuerungszugriffs – zeitlich in die Frühphase des regulären Geschäftsbetriebes, sachlich in die 19 20 21 22
Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt §
5 A. III. und IV. 5 B. 5 C. 5 B. I.
§ 8 Wesentliche Ergebnisse
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unternehmensinternen Prozesse, welche das spätere, unmittelbar krisenbezogene Handeln der Institute anleiten.23 Die Institute sollen dort, unterstützt durch die Aufsichtsbehörden, einen umfassenden Vorentwurf ihrer krisenbezogenen Diagnose- und Handlungsmöglichkeiten entwerfen. Systemtheoretisch betrachtet formulieren die Sanierungspläne damit institutsspezifisch ausgestaltete sog. Entscheidungsprämissen. Sie sind funktional darauf angelegt, die Umweltkomplexität der Organisation zu reduzieren, um so die organisationale Reaktionsfähigkeit in akuten finanziellen Stressphasen zu erhöhen und gleichzeitig Erwartungssicherheit für andere Akteure, insbesondere die Aufsichtsbehörden, zu schaffen.24 Das Sanierungsplanungsrecht zielt damit nicht etwa auf eine frühzeitige Vorwegnahme späterer Krisenentscheidungen. Stattdessen kombiniert es die Leistungspotentiale abstrakten und situativen Entscheidens. Der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit und Wandelbarkeit der Finanzmarktgeschehnisse trägt der Rechtsrahmen dadurch Rechnung, dass er den Planungsprozess als iteratives, evolutionär angelegtes Verfahren ausgestaltet. Realisiert wird diese Dynamisierung auf Seiten des Aufsichtsrechts durch eine weitgehend (real-)folgenorientierte Programmierung der Planungsanforderungen und durch die Pflicht zur fortwährenden Planaktualisierung (§ 12 Abs. 4 SAG).25 12. Diskursorientierung des Sanierungsplanungsrechts: Mit Blick auf die Ausarbeitung der Sanierungspläne setzt der Gesetzgeber auf einen diskursiven Verfahrensmodus. Aufbauend auf die nur rahmenförmig formulierten gesetzlichen Planungsanforderungen und das dialogförmig strukturierte Planungsverfahren, sollen Institute und Aufsichtsbehörden in kritischer Auseinandersetzung darüber befinden, welche Planungslösungen im Einzelfall für das jeweilige Unternehmen angemessen sind. Der Rechtsrahmen reflektiert damit die Wertungsabhängigkeit der im Rahmen der Planung aufgeworfenen Risikoentscheidungen und wirkt einer allzu optimistischen Planungspraxis, geprägt durch einseitig verzerrte Risikowahrnehmungen der Institute, entgegen.26 Aus Rechtsschutzperspektive führt diese Diskursorientierung der Planung dazu, dass die aufsichtsbehördlichen Entscheidungen in weiten Teilen einem Beurteilungsspielraum unterliegen, also nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind.27 13. Wissens- und Lernorientierung des Sanierungsplanungsrechts: In Reaktion auf die oben skizzierten kognitiven Herausforderungen (Dezentralität von Informationen, Koordinationsbedürfnisse) institutionalisieren die §§ 12 ff. SAG 23 24 25 26 27
Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt §
5 B. II. 1. 5 B. II. 2. 5 B. II. 3. 5 B. III. 1. und 2. 5 B. III. 3.
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usw. einen Planungsprozess, der – gleichsam spiegelbildlich zu dem soeben geschilderten dialogförmigen Formulierungsmodus – auch als wechselseitiger Lern- und Koordinationsprozess im Verhältnis zwischen Instituten und Aufsichtsbehörden rekonzeptualisiert werden kann. In diesem Lern- und Koordinationsprozess können die planungsbeteiligten Akteure auf ein kognitives Netzwerk zurückgreifen, das über die zweipoligen Aufsichtsverhältnisse hinausreicht und innerhalb dessen alle planungsrelevanten Informations- und Wissensbeiträge zusammengeführt und zirkuliert werden können.28 Diese Form des Zusammenwirkens zwischen Instituten und Behörden führt zu einer Diffusion privater und staatlicher Gestaltungsbeiträge, die in ihrem Ausmaß aufsichtsrechtlich nicht einheitlich vorgezeichnet ist, sondern maßgeblich von den Eigenarten und Planungsleistungen der Institute abhängt (sog. Hybridisierung).29 Was die inhaltliche Ausrichtung der planungsbezogenen Lernprozesse betrifft, sind die aufsichtsrechtlichen Vorgaben offen für eine reflexive Planungspraxis. Diese reflexive Planungspraxis ist auf die Offenlegung potentieller Fehlerquellen bei der Planung (sog. Risiken zweiter Ordnung) fokussiert. Konsequent umgesetzt, kann so ein Sanierungsplan entstehen, der seine eigenen Grenzen aktiv reflektiert und gerade in diesem Bewusstsein nach bestmöglichen Lösungen sucht.30 14. Auch die vorgenannten Steuerungsstrategien und -mechanismen können jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass die Sanierungsplanung aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit strukturell zwingend in den Grenzbereich des vorhandenen Wissens führt. Verbleibende Ungewissheiten, die sowohl im Rahmen der Planung als auch in der Phase des akuten Krisenmanagements auftreten können, müssen durch punktuelle Entscheidungen der Institutsgeschäftsleitung und der behördlichen Amtswalter überwunden werden.31 Den §§ 12 ff. SAG usw. lassen sich auch insoweit spezifisch entscheidungsbezogene Strukturmerkmale entnehmen, die diese Form der Unsicherheitsüberbrückung durch punktuell-situatives Entscheiden unterstützen: Für die Institute gilt insoweit, parallel zu den Vorgaben an das allgemeine Risikomanagement (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 KWG), das sog. Vorsichtsprinzip. Das Vorsichtsprinzip wirkt als übergreifende Ergänzung zu den verschiedenen Einzelpflichten der Institute in den Phasen der Planerstellung und -umsetzung. Es fungiert als Zweifelsregelung, verpflichtet die Institute in Grenzfällen zur Entscheidung auf Grundlage konservativer Zukunftsannahmen und wirkt insoweit auf einen begrenzten Vorrang von instituts- und systembezogenen Stabilitätsinteressen gegenüber gegenläufigen Interessen an einer „Minimal28 29 30 31
Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt §
5 B. IV. 1. 5 B. IV. 2. 5 B. IV. 3. 5 C. I.
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planung“ hin.32 In der Phase der behördlichen Planbewertung (§§ 15 f. SAG) reagiert das Sanierungsplanungsrecht auf das beschriebene Ungewissheitsproblem zudem auf beweisrechtlicher Ebene. Abweichend vom deutschen Regelbeweismaß unterliegen die prognostischen Tatbestandsprüfungen der Aufsichtsbehörden hier dem sog. Überwiegensprinzip. Die geringeren Anforderungen an die behördliche Überzeugungsbildung erlauben einerseits schnellere Positiventscheidungen, andererseits aber auch deutlich frühzeitigere Eingriffsmaßnahmen, mithilfe derer die Institute zu einer angemessenen Krisenprävention gezwungen werden können. Für ein sog. non liquet verbleibt in behördlichen Eingriffskonstellationen damit nur noch ein äußerst schmaler, in der Praxis eher unbedeutender Anwendungsbereich.33 15. Der Sanierungsplanung liegt das Ziel zugrunde, Banken durch präventivplanerische Vorsorgemaßnahmen zu einer erfolgreichen Bewältigung selbst schwerwiegender systemweiter Finanzkrisen zu befähigen. Diese denkbar umfassende Zielsetzung steht im Spannungsverhältnis zu den (makro-)ökonomischen Rahmenbedingungen, die im Ernstfall einer systemischen Krise zu erwarten sind.34 Das Sanierungsplanungsrecht reagiert auf diesen Umstand, indem es die Aufsichtsbehörden in § 16 Abs. 4–6 SAG zum Erlass unternehmensbezogener Maßnahmen ermächtigt, auf Grundlage derer Sanierungshindernisse bereits ex ante ausgeräumt und die Krisentauglichkeit der Institute hergestellt werden kann. Diese Befugnisse ermöglichen, ähnlich wie die §§ 59 f. SAG, Eingriffe in die Struktur und Geschäftstätigkeit der Unternehmen, letztlich aber auch in deren einzelne Geschäfts- und Risikoentscheidungen. Unmittelbares Eingriffsziel kann dabei sowohl eine Erhöhung der Sanierungskapazität als auch eine Minderung des in der Krise drohenden Schadenspotentials sein.35 Branchenweit einheitlich umgesetzt, können sie damit auch als funktionales Äquivalent zu einer flächendeckenden gesetzlichen Bankenstrukturreform dienen. Begrenzt werden die Befugnisse aus § 16 SAG zum einen von grundrechtlicher Seite her, daneben aber vor allem durch die inhärente Steuerungslogik der Sanierungsplanung selbst: Eingriffe in die Institute sind danach nur solange unbedenklich, wie die langfristige Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unangetastet bleibt und eine solide Eigen- und Fremdkapitalbereitstellung nicht beeinträchtigt wird.36 Die praktische Handhabung der Befugnisse aus § 16 SAG stellt die Aufsichtsbehörden vor erhebliche Komplexitätsprobleme und birgt die Gefahr einer unsachgemäßen behördlichen Zurückhaltung (sog. Regulatory
32 33 34 35 36
Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt §
5 C. III. 5 C. II. 5 D. I. 5 D. II. 5 D. III.
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Forbearance). Dieser Gefahr lässt sich durch ein alternatives prozedurales Arrangement des Planungsprozesses entgegenwirken: Es zielt darauf ab, den Bedarf nach Maßnahmen der in § 16 Abs. 4–6 SAG bezeichneten Art bereits frühzeitig durch die Institute selbst analysieren zu lassen, ohne dass es dazu einer Aufforderung durch die Aufsichtsbehörde bedarf. Diese Verfahrensgestaltung hat den Vorteil, dass die Möglichkeit unternehmensbezogener Anpassungen bereits in der Frühphase des Planungsprozesses in den Wahrnehmungsfokus aller Beteiligten rückt und sich ein Dialog zu der Frage entwickeln kann, wie man den Zielen des Aufsichtsinstruments auch unter Berücksichtigung der potentiell widrigen ökonomischen Rahmenbedingungen gerade in systemweiten Krisenlagen gerecht werden kann.37 16. In all diesen Dimensionen weist die Sanierungsplanung erhebliche Überschneidungen mit dem bankenaufsichtsrechtlichen Gesamtsystem auf. Besonders eng sind dabei die Bezüge zum sonstigen mikroprudenziellen Aufsichtsrecht. Normstrukturell betrachtet stellt sich das Sanierungsplanungsrecht hier als organisch gewachsener Bestandteil der sog. qualitativen Bankenaufsicht dar.38 Aus Sicht der Unternehmen ist die Sanierungsplanung eine Erweiterung des allgemeinen Risikomanagements gem. § 25a KWG. Eine zusammenhängende Betrachtung beider Funktionskreise ergibt dabei, dass Sanierungsplanung und allgemeines Risikomanagement im Umgang mit finanziellen Belastungssituationen nach Art zweier aufeinander aufbauender Verteidigungslinien zusammenwirken.39 Während diese Verknüpfung der Aufsichtsinstrumente in der Praxis bereits weitgehend vorangeschritten zu sein scheint, spiegelt sie sich in den aufsichtsrechtlichen Vorgaben selbst bislang nur unzureichend wider. De lege ferenda erscheinen hier Anpassungen geboten, die dem inneren Konnex beider Instrumente dadurch Rechnung tragen, dass sie inhaltlich noch stärker integriert und auch äußerlich in einen einheitlichen Regelungszusammenhang gestellt werden.40 17. Ähnlich deutlich gestaltet sich der Zusammenhang zwischen Sanierungsplanung und bankenaufsichtsrechtlichem Gesamtsystem auch aus aufsichtsbehördlicher Perspektive: Hier fungiert die Sanierungsplanung vor allem als Informationsquelle für die Aufgabenwahrnehmung der Behörden im Rahmen der laufenden Bankenaufsicht – ein Konnex der unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass das behördliche Verfahren zur Bewertung der Sanierungspläne mittlerweile weitgehend mit dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahren (SREP) verbunden ist.41 Vergleichbare, 37 38 39 40 41
Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt § Dazu Abschnitt §
5.D. IV. 6 A. I. 5. und § 6 A. II. 1. 6 A. II. 2. 6 A. III. 2. 6 A. II. 3.
§ 8 Wesentliche Ergebnisse
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wenn auch weniger offenkundige Bezüge ergeben sich auch zur makroprudenziellen Aufsicht. Im weiteren Sinne betrifft dies zunächst wiederum die informationelle Ebene, indem die im Rahmen der Sanierungsplanung generierten Informations- und Wissensbestände in Teilen auch für die Systemüberwachung genutzt werden können. Darüber hinaus wirkt das Sanierungsplanungsrecht an verschiedenen Stellen auch in seiner eigenen Ausrichtung auf eine institutsübergreifende, systembezogene Planungsperspektive hin und erhebt das Ziel einer Systemrisikovermeidung zum eigenständigen Steuerungsziel. Es kann deshalb in Teilen auch selbst als makroprudenzielles Aufsichtsinstrument eingeordnet werden.42 18. Wirft man vor diesem Hintergrund den Blick auf die perspektivisch größten Herausforderungen des Sanierungsplanungsrechts, dann wird deutlich, dass diese zum einen im Bereich der internationalen Behördenkooperation liegen, dies gerade im Umgang mit grenzüberschreitend aktiven Bankengruppen.43 De lege ferenda könnte hier eine weitgehende Vereinfachung des institutionellen Aufsichtssystems zu Verbesserungen führen. Vorstellbar wäre eine Ausdehnung der SSM-Strukturen auf den gesamten EU-Raum – verbunden mit einer Auflösung der Doppelstruktur aus EZB und EBA, jedenfalls soweit diese beide mikroprudenzielle Aufgaben im engeren Sinne wahrnehmen.44 Ein weiterer Lösungsansatz könnte in der Einführung regelmäßiger praktischer Krisensimulationen liegen, in denen nicht nur die Reaktionsfähigkeit der Unternehmen geprüft wird, sondern ein wesentliches Augenmerk auch auf der Erprobung der interbehördlichen Zusammenarbeit liegt.45 19. Darüber hinaus bestehen Zweifel daran, ob die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung in der Praxis im Zweifelsfall auch ordnungsgemäß angewendet und durchgesetzt werden.46 Unbefriedigend ist in diesem Zusammenhang insbesondere die weitgehende Intransparenz der Sanierungsplanung, die aus den Geheimhaltungsregeln in §§ 4 ff., 21 SAG resultiert. De lege ferenda bieten sich hier verschiedene Alternativmodelle an, in denen – in unterschiedlichem Ausmaß – die Publizität der Planung gestärkt wird, um einer (fach-)öffentlichen Kontrolle den Weg zu bereiten.47 Ob daneben auch ein sog. Private Enforcement dazu in der Lage wäre, die Anreizdefizite im Rahmen der Sanierungsplanung zu bewältigen, erscheint zweifelhaft. Denkbarer Anknüpfungspunkt könnte eine deliktsrechtliche Außenhaftung der Institute und ihrer Geschäftsleiter für Verstöße gegen das 42 43 44 45 46 47
Dazu Abschnitt § 6 B. Dazu Abschnitt § 7 A. I. 1. Dazu Abschnitt § 7 A. I. 2. a). Dazu Abschnitt § 7 A. I. 2. b). Dazu Abschnitt § 7 A. II. 1. Dazu Abschnitt § 7 A. II. 2. a).
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Sanierungsplanungsrecht sein (§ 823 Abs. 2 BGB). Selbst wenn man hier – in Abkehr von der in Deutschland traditionell vorherrschenden sog. Schutznormtheorie – eine funktional subjektivierende Betrachtung zugrunde legt, dann wäre eine Zuerkennung privatrechtlicher Haftungsansprüche zugunsten einzelner Marktakteure erst dann sinnvoll, wenn auch die zur Durchsetzung eben dieser Ansprüche bestehenden beweisrechtlichen Hürden beseitigt werden. Wiederum wäre dazu eine ausreichende Transparenz der Vorgänge rund um Sanierungsplanung und Krisenmanagement in den Unternehmen Voraussetzung. Auch dann verbleiben jedoch eine Reihe offener Folgefragen: Sie betreffen mögliche systemdestabilisierende Folgewirkungen eines privatrechtlichen Haftungsregimes, den anzuwendenden Verschuldensmaßstab sowie die Auswirkungen einer behördlichen Plangenehmigung auf die privatrechtliche Haftung.48 20. Insgesamt betrachtet setzt der aufsichtsrechtliche Rechtsrahmen zur Sanierungsplanung in weiten Teilen auf die richtigen Steuerungsmechanismen und -strategien, um den tatsächlichen Herausforderungen einer präventiv-planerischen Krisenvorbereitung gerecht zu werden. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass deshalb in Zukunft jede Bankenkrise mit Sicherheit ohne staatliche Hilfe bewältigt werden wird. Angemessener ist eher eine Betrachtung des Instruments in seiner Breitenwirkung. In dieser Perspektive ist es durchaus denkbar, dass die Sanierungsplanung die Resilienz des Bankensektors insgesamt stärken und die Stabilität des Finanzsystems auch in systemischen Belastungsphasen befördern kann. Entscheidend wird insoweit sein, ob in den kommenden Jahren die soeben skizzierten Herausforderungen – eine effektive interbehördliche Kooperation und Koordination sowie eine wirksame Durchsetzung der planungsrechtlichen Anforderungen – gelöst werden. Auf übergeordneter Ebene schließlich ist aber auch das gesamtgesellschaftliche Klima in Fragen der Finanzmarktpolitik von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Von diesem Klima werden auch die staatlichen Behörden und Unternehmen in ihrem Handeln beeinflusst. Politik und Zivilgesellschaft müssen akzeptieren, dass Finanzstabilität und fortgesetztes Rendite- bzw. Wachstumsstreben in einem Spannungsverhältnis stehen. Das Eine wird deshalb langfristig kaum ohne Abstriche beim Anderen zu verwirklichen sein.49
48 49
Dazu Abschnitt § 7 A. II. 2. b). Zum Ganzen Abschnitt § 7 B.
Behördliche Dokumente BaFin, Begleitschreiben zur Konsultation 01/2012 – Überarbeitung der MaRisk, Gz.: BA 54-FR 2210-2012/0002, 26.4.2012, abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/ resource/blob/598800/8811e75ee0176ca186e624e9f9d567b4/mL/2012-04-26-ueber arbeitung-uebersendung-entwurf-1-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021) [zitiert als: BaFin, Begleitschreiben zur MaRisk-Konsultation 01/2012, Gz.: BA 54-FR 2210-2012/0002, 26.4.2012]. BaFin, Anschreiben an alle Verbände der Kreditwirtschaft, MaRisk-Novelle 2012 – Veröffentlichung der Endfassung, GZ: BA 54-FR 2210-2012/0002, 2012/0723212, 14.12.2012, abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/resource/blob/598740/78 d54c1db0a899c46e70b0d70cf1a753/mL/2012-12-14-anschreiben-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021) [zitiert als: BaFin, Anschreiben zur MaRisk-Novelle 2012, GZ: BA 54-FR 2210-2012/0002]. BaFin, Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2013, Bonn/ Frankfurt a. M. 2014. BaFin, Rundschreiben 3/2014 (BA) – Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan), 25.4.2014, abrufbar unter: https://beck-online.beck.de/ Bcid/Y-100-G-KWG_285050 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Erläuterungen zu den MaSan 03/2014, 25.4.2014, abrufbar unter: https://www. bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1403_ba_erläuterungen_ masan.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2015, Bonn/ Frankfurt a. M. 2016. BaFin, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe (Abwicklungsmechanismusgesetz – AbwMechG); BT-Drucks. 18/5009, 26.6.2015, R-FR 2320-2015/0001, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/380710/f939b214d1198f7330e665f116bb4 00f/01-data.pdf (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2016, Bonn/ Frankfurt a. M. 2017. BaFin, Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2017, Bonn/ Frankfurt a. M. 2018. BaFin, Konsultation 09/2017 – Entwurf einer Rechtsverordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen und Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, R-K 3170-2017/0002, 9.8.2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2017/kon_ 080817_RV_MasanV_R.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021).
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Behördliche Dokumente
BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, 27.10.2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/Rundschreiben/dl_rs1709_marisk_pdf_ba.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA) – Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT), in der Fassung vom 14.9.2018, abrufbar unter: https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1710_ba_BAIT.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 27.10.2017, 27.10.2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/ dl_rs0917_marisk_Endfassung_2017_pdf_ba.html (zuletzt abgerufen am: 15.7. 2021). BaFin, Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2018, Bonn/ Frankfurt a. M. 2019. BaFin, Neufassung des RTF-Leitfadens – Normative Perspektive, 29.5.2018, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veranstaltung/dl_180529_ RTF-Leitfaden_3_RTF_Leitfaden_Neufassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). BaFin, Konsultation 09/2019 – Entwurf einer Rechtsverordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen, Gz.: R-K 31702019/0001, 25.4.2019, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffent lichungen/DE/Konsultation/2019/kon_09_19_MaSanV_Rundschreiben.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). [zitiert als: BaFin, Konsultationsentwurf MaSanV 2019]. BaFin, Merkblatt zur Sanierungsplanung, 31.3.2020, abrufbar unter: https://www.bafin. de/dok/13891902 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021). [zitiert als: BaFin, Merkblatt Sanierungsplanung]. BaFin/Bundesbank, Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank (Aufsichtsrichtlinie), 21.5.2013, geändert am 19.12.2016, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/ Richtlinie/rl_130521_aufsichtsrichtlinie.html?nn=9021442 (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021) [zitiert als: BaFin/Bundesbank, Aufsichtsrichtlinie]. BaFin/Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, 24.5.2018, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Anlage/dl_180524_rtf-leitfaden_veroeffentlichung.html (zuletzt abgerufen am: 15.7.2021) [zitiert als: BaFin/Bundesbank, ICAAP Neuausrichtung]. Bundesbank, Monatsbericht Januar 2002, 54. Jahrgang Nr. 1, Frankfurt a. M. 2002. Bundesbank, Monatsbericht März 2011, 63. Jahrgang Nr. 3, Frankfurt a. M. 2011. Bundesbank, Monatsbericht Dezember 2015, 67. Jahrgang Nr. 12, Frankfurt a. M. 2015. Bundesbank, Monatsbericht Januar 2016, 68. Jahrgang Nr. 1, Frankfurt a. M. 2016. Bundesbank, Monatsbericht September 2016, 68. Jahrgang Nr. 6, Frankfurt a. M. 2016.
Behördliche Dokumente
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Sachwortverzeichnis Abschlussprüfer 255–256 Abwicklungsplan bzw. -planung 32, 68, 70, 76–77, 111, 115, 117, 119, 121, 123, 133, 142, 241, 250, 304–307, 316–318, 381, 415 Aktualisierung des Sanierungsplans 172, 177, 187–188, 201, 235–236, 238–239, 262, 268, 270, 383 Bank Run 43, 49–50, 56, 301, 314 Bankeninsolvenz, systemische 50–61 bedingte Pflichtwandelanleihen 300 Beweismaß 275–287 Biases siehe kognitive Verzerrungen Contingent Convertible Bonds (CoCoBonds) siehe bedingte Pflichtwandelanleihen Eingriffsmaßnahmen, unternehmensbezogene siehe Vorwirkung Entscheidungsprämissen 226–230 Finanzinnovationen 284, 313–314 Finanzintermediation 37–41 Frühintervention 68, 110, 126–127, 387 Funktionsschutz 82–85 Gesamtbewertung des Sanierungsplans 142, 145, 151, 158, 160–166, 201 Gläubigerschutz 82–85, 88–89, 93, 343, 347, 419–420 Governance – Krisen-Governance 124, 129–134, 137, 147, 158, 372, 375–377 – Regel-Governance 366, 372 Gruppensanierungsplan 102–103, 166– 169, 171, 190–193, 200
Handlungsoptionen 76, 90, 106, 115, 117, 125, 134–145, 146, 159–160, 168, 170–171, 184, 200–201, 299, 301, 367 Hybridisierung 257–260 Indikatorberichtspflicht 383, 400 Indikatoren – Frühwarnindikatoren siehe Frühwarnsignale – Frühwarnsignale 372, 374–375, 375 – Sanierungsindikatoren 124–129, 294– 295, 372–375, 383 Informations- und Wissensnetzwerk 251–260, 267–268, 272, 398 institutsbezogenes Sicherungssystem 77, 103–104, 169–170 Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) 349, 359 – ICAAP-Kapitalplanung 365–367 kognitive Verzerrungen 204, 209, 271 Komplexitätsreduktion 230–234, 269 Kontraktdatenbank 123–124, 383, 399 Krisenkommunikation 145–150, 308, 313 Krisensimulationen 409–411 Liquiditätsnotfallplan 379–381, 389 makroprudenzielle Bankenaufsicht 394, 394–396, 397–399, 401 mikroprudenzielle Bankenaufsicht 340, 393–394, 400 Multiple Point of Entry (MPoE) 305 Notfallkonzept 140, 350, 377, 389 Notfallliquiditätshilfen 110–112
Sachwortverzeichnis Planzusammenfassung 114, 416 Private Enforcement 418–430 privatrechtliche Haftung siehe Private Enforcement Produktverbote 314–316 Proportionalitätsprinzip 105–106, 170, 288, 350–351, 430 Prozeduralisierung 215–219, 223, 268 Publizität 414–417, 428 qualitative Bankenaufsicht 352–356, 356–357, 388 Rechtsschutz 188–190, 245–248 reflexive Sanierungsplanung 260–267, 268, 273–274, 284–285, 298 Regulatory Capture 210, 413 Regulatory Forbearance 328, 336 regulierte Selbstregulierung 219–222, 223, 256–257, 268, 356 Reorganisationsverfahren 73–74 Ring Fencing 307 Risiko – bankbetriebliche Risiken 41–50 – Grenzen der Risikoanalyse 201–209, 211, 274–275 – Reputationsrisiko 45–50 – Risiko erster Ordnung 260–262 – Risiko zweiter Ordnung 260–262, 285, 325, 333 – Systemrisiko 51–53, 53 Risikotragfähigkeit 289–291, 348, 358– 372, 389
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Sanierungsoptionen siehe Handlungsoptionen Sanierungsverfahren 72–73 Single Point of Entry (SPoE) 305 strategische Analyse 76, 114–124, 201, 207, 364, 381, 399, 415 Stresstests 349, 352, 367–372 Supervisory Review and Evaluation Process (SREP) 270–271, 344, 350–352, 355, 384–388, 390, 392 systemrelevante Finanzinstitute siehe Systemrelevanz Systemrelevanz 58–61 Systemschutz siehe Funktionsschutz Systemtheorie 226 Szenarioanalysen 150–158, 264–265, 367–372, 409 Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung 419, 177, 179 vereinfachter Sanierungsplan 78, 170– 171 Vertrauen 46–48, 49, 55–57, 83, 93, 149–150, 165, 313 Vertraulichkeit 106–108, 145, 272, 328, 336, 416, 427 Vorbereitung der Planumsetzung 158– 160 Vorsichtsprinzip 289–295, 296–297, 360 Vorsorgeprinzip 278, 296–297 Vorwirkung 186, 298–337 Zentralbankfazilitäten 112 Ziele des Sanierungsplanungsrechts 80– 94, 420