Ärzte in der Antike 3805340583, 9783805340588

Forschung - Fakten - Fanatismus: Von Tempelärzten und Gehirnchirurgen Was war zuerst da - die Krankheit oder der Arzt?

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German Pages 168 [169] Year 2009

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Table of contents :
Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Einführung
Griechenland
Machaon – der Kriegerarzt
Asklepiosmedizin – Heilung im Schlaf
Asklepios – der Arzt, den Zeus tötete
Die Philosophenärzte – Wer bin ich? Wie soll ich leben?
Demokedes von Kroton – der Abenteurer
Empedokles von Akragas – Wunderheiler und Seuchenarzt
Räucherungen – der Atem der Götter
Hippokrates – der Wissenschaftler
Knidos und Kos – die Rivalen
Apollonides von Kos – der Liebhaber
Das Corpus Hippocraticum
Gesundheitspfl ege – vorbeugen statt heilen
Diokles von Karystos – der jüngere Hippokrates
Moderne Gesundheitspfl ege – Was gibt es Neues seit der Antike?
Herophilos von Chalkedon – Anatom und Physiologe
Alexandria – die Weltstadt
Erasistratos von Keos – der Arzt, der über Leichen ging
Sektionen – Ethos gegen Forschergeist
Etrusker
Rom
Archagathos – der Schlächter
Die Ausbildung der Ärzte – jeder wie er will
Ärzteschulen in Rom – viele Ärzte, viele Theorien
Asklepiades von Prusa – der Kaltwasserheiler
Bäderwesen und Heilbäder – Hygiene, Heilung und soziales Leben
Antonius Musa – der antike „Kneipp“
Galen von Pergamon – Polemiker und genialer Arzt
Viersäftelehre/Humoralpathologie – von Blut, Schleim und Galle
Ausleitungsverfahren gestern und heute – das Übel der Säfte
Stertinius Xenophon – der Kaisermörder(?)
Spezialisten in der Antike – geldgierige Scharlatane oder hoch spezialisierte Fachärzte?
Aretaios von Kappadokien – der Diabetologe
Arztgräber – Ärzte für die Ewigkeit
Dioskurides – der Kräuterpapst
Krateuas – der malende Wurzelschneider
Phytotherapie – Heilen mit Kräutern
Phytotherapie heute
Scribonius Largus – der Humanitäre
Rufus von Ephesos – der Mitleidige
Militärärzte – Krieger und Heiler
Theodorus Priscianus – der Methodiker
Das Instrumentarium – modernes Design
Caelius Aurelianus – der Diagnostiker
Von Abtreibung bis Zahnheilkunde
Abtreibung und Empfängnisverhütung – das Ungeborene hat keinen Rechtsschutz
Aphrodisiaka – die Kräuter und Gewürze der Aphrodite
Theophrast von Eresos – der Botaniker
Ärztinnen – ebenbürtige Kolleginnen
Marcellus Empiricus – der Gallier
„Drecksapotheke“ – ekelerregend und gesundheitsschädlich
Epilepsie – die heilige (?) Krankheit
Eudemos – der Giftmischer?
Geburt und Kinderkrankheiten – Freuden und Sorgen
Soranos von Ephesos – der Gynäkologe
Geschlechtskrankheiten – in der Antike (k)ein Thema
Oreibasios – der Heide
Nichtärztliche Heilkundige – Trainer, Masseure und Hebammen
Aristoteles – Philosoph und Naturforscher
Cato – der Starrsinnige
Plinius der Ältere – der Traditionelle
Öffentliches Gesundheits- und Ärztewesen – privilegierte Ärzte
Celsus – der Gelehrte
Seuchen im Altertum – eine Strafe der Götter?
Starstich – eine Nadel gegen den grauen Star
Tierheilkunde – Veterinär, ein Beruf mit Zukunft
Apsyrtos – der Briefeschreiber
Pelagonius – Tierarzt der Vornehmen
Vegetius – der Militär
Columella – der Landwirt
Trepanation – Hirnoperation in der Antike
Zahnheilkunde – ein schmerzvolles Thema
Anhang
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Adresse der Autorin
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Ärzte in der Antike
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Heike Achner

ÄRZTE IN DER ANTIKE

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Heike Achner

ÄRZTE IN DER ANTIKE

VERLAG PHILIPP VON ZABERN · MAINZ

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168 Seiten mit 33 Farb- und 2 Schwarzweißabbildungen Umschlagabbildung: Medizinische Instrumente aus Pompeji. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel. Foto: akg-images/Nimatallah (vgl. Abb. 27)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

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© 2009 by Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein ISBN: 978-3-8053-4058-8 Gestaltung: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau Lektorat: Andrea Rottloff, Gersthofen Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Printed in Germany by Philipp von Zabern Printed on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral) · tcf

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INHALT EINFÜHRUNG

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GRIECHENLAND

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Machaon – der Kriegerarzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Asklepiosmedizin – Heilung im Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . Asklepios – der Arzt, den Zeus tötete . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Philosophenärzte – Wer bin ich? Wie soll ich leben? . . Demokedes von Kroton – der Abenteurer . . . . . . . . . . . . . . Empedokles von Akragas – Wunderheiler und Seuchenarzt . Räucherungen – der Atem der Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . Hippokrates – der Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Knidos und Kos – die Rivalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apollonides von Kos – der Liebhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Corpus Hippocraticum – Schriften (nicht nur) von Hippokrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitspflege – vorbeugen statt heilen . . . . . . . . . . . . Diokles von Karystos – der jüngere Hippokrates . . . . . . . . . Moderne Gesundheitspflege – Was gibt es Neues seit der Antike? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herophilos von Chalkedon – Anatom und Physiologe . . . . Alexandria – die Weltstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erasistratos von Keos – der Arzt, der über Leichen ging . . . . Sektionen – Ethos gegen Forschergeist . . . . . . . . . . . . . . . .

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Archagathos – der Schlächter . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausbildung der Ärzte – jeder, wie er will . . . . . Ärzteschulen in Rom – viele Ärzte, viele Theorien Asklepiades von Prusa – der Kaltwasserheiler . . . .

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INHALT

Bäderwesen und Heilbäder – Hygiene, Heilung und soziales Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antonius Musa – der antike „Kneipp“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Galen von Pergamon – Polemiker und genialer Arzt . . . . . . . Viersäftelehre/Humoralpathologie – von Blut, Schleim und Galle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausleitungsverfahren gestern und heute – das Übel der Säfte Stertinius Xenophon – der Kaisermörder(?) . . . . . . . . . . . . . Spezialisten in der Antike – geldgierige Scharlatane oder hoch spezialisierte Fachärzte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aretaios von Kappadokien – der Diabetologe . . . . . . . . . . . . Arztgräber – Ärzte für die Ewigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dioskurides – der Kräuterpapst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krateuas – der malende Wurzelschneider . . . . . . . . . . . . . . . Phytotherapie – Heilen mit Kräutern . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phytotherapie heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scribonius Largus – der Humanitäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rufus von Ephesos – der Mitleidige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Militärärzte – Krieger und Heiler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theodorus Priscianus – der Methodiker . . . . . . . . . . . . . . . . Das Instrumentarium – modernes Design . . . . . . . . . . . . . . . Caelius Aurelianus – der Diagnostiker . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abtreibung und Empfängnisverhütung – das Ungeborene hat keinen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aphrodisiaka – die Kräuter und Gewürze der Aphrodite . . . . . . . Theophrast von Eresos – der Botaniker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ärztinnen – ebenbürtige Kolleginnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcellus Empiricus – der Gallier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Drecksapotheke“ – ekelerregend und gesundheitsschädlich . . . Epilepsie – die heilige (?) Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eudemos – der Giftmischer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geburt und Kinderkrankheiten – Freuden und Sorgen . . . . . . . . Soranos von Ephesos – der Gynäkologe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlechtskrankheiten – in der Antike (k)ein Thema . . . . . . . . Oreibasios – der Heide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtärztliche Heilkundige – Trainer, Masseure und Hebammen

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VON ABTREIBUNG BIS ZAHNHEILKUNDE

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INHALT

Aristoteles – Philosoph und Naturforscher . . . . . . . . . . . . . . . . Cato – der Starrsinnige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plinius der Ältere – der Traditionelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliches Gesundheits- und Ärztewesen – privilegierte Ärzte Celsus – der Gelehrte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seuchen im Altertum – eine Strafe der Götter? . . . . . . . . . . . . . Starstich – eine Nadel gegen den grauen Star . . . . . . . . . . . . . . Tierheilkunde – Veterinär, ein Beruf mit Zukunft . . . . . . . . . . . Apsyrtos – der Briefeschreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pelagonius – Tierarzt der Vornehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vegetius – der Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Columella – der Landwirt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trepanation – Hirnoperation in der Antike . . . . . . . . . . . . . . . Zahnheilkunde – ein schmerzvolles Thema . . . . . . . . . . . . . . .

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TRADITIONELLE EUROPÄISCHE MEDIZIN ANHANG

Weiterführende Literatur Abbildungsnachweis . . . . Adresse der Autorin . . . .

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EINFÜHRUNG Krankheit, Leiden und Tod bestimmten auch in der griechisch-römischen Antike den Alltag der Menschen. Wie in allen Kulturen gab es Heilkundige, aber die Medizin als eigenständige Wissenschaft bildete sich erst nach und nach heraus. Nebeneinander existierten die Tempelmedizin des Asklepioskultes mit ihren glanzvollen Heiligtümern, die häufig von Aberglauben und Magie geprägte Volksmedizin und die wissenschaftliche Medizin, durchdrungen von philosophischem Gedankengut. Zur Zeitenwende hin entwickelte sich zunehmend ein Spezialistentum und die unterschiedlichsten medizinischen Strömungen formten sich aus. In diesem Buch geht es um Ärzte und Ärztinnen sowie um medizinisch gebildete Laien mit ihren unterschiedlichen Lebenswegen und um die Medizin ihrer Zeit. Manchmal erscheint uns diese Medizin merkwürdig fremd, ab und an auch grausam, und dann wieder so vertraut und bekannt, dass man nicht glauben mag, dass inzwischen zwei Jahrtausende vergangen sind. Selbst die ethischen und moralischen Grundsätze vieler antiker Ärzte lassen uns heute staunen. Dieses Buch sei diesen hervorragenden Medizinern gewidmet, die durch ihre Heilkunst, ihren wachen Verstand und ihr Mitleid vielen ihrer Zeitgenossen das Leben ein bisschen einfacher gemacht und ihr Leiden verringert haben.

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GRIECHENLAND Machaon – der Kriegerarzt Machaon war ein Sohn des berühmten Arztes und thessalischen Königs Asklepios. Mit seinem Bruder Podaleirios diente der Prinz als Arzt und Krieger im Heer der Griechen vor Troja. Homer berichtet, wie der junge Heerführer eine Pfeilwunde des Menelaos behandelte. Er entfernte die Pfeilspitze, saugte die Wunde aus und legte ein Heilmittel auf die Verletzung. Das waren die vorrangigen Aufgaben eines Arztes in homerischer Zeit (8. Jh. v. Chr.) – Entfernung von Fremdkörpern, Säuberung der Wunde, Blutstillung, Verbände anlegen und Schmerzlinderung. Von magischen Praktiken ist nichts überliefert, sie scheinen keine Rolle gespielt zu haben. Als die Pest im Lager der Griechen ausbrach, waren keine Ärzte involviert. Die Pest sandte der erzürnte Apollon, sie war also gottgesandt. Die Menschen waren der Gnade der Götter hilflos ausgeliefert. Auch innere Erkrankungen gehörten nicht zum Behandlungsspektrum der homerischen Ärzte, sie waren ausschließlich Wundärzte. Allerdings scheint es Hinweise zu geben, dass Machaons heilkundiger Bruder Podaleirios ein guter Diagnostiker innerer Erkrankungen gewesen ist. Er war es auch, der den Wahnsinn des Ajax zuerst erkannte. Diese Textstellen sind jedoch umstritten. Die anatomischen Kenntnisse dieser Zeit stammten in erster Linie aus Beobachtungen, die man an Verwundeten machte. Die Beschreibungen der Verletzungen bei Homer sind detailliert und kenntnisreich. So berichtet der Dichter von einer Hirnverletzung, die sich ein Krieger im Kampf zuzog: Idomeneus traf mit seiner Lanze den Mund des Erymas. Die Spitze der Lanze drang bis zum Gehirn vor und durchbrach dabei die Knochen, die das Gehirn schützen. Alle Zähne lösten sich, und das Blut drang in die Augen. Auch aus dem Mund und den Nasenöffnungen trat Blut heraus. Oder auch die Beschreibung der Verwundung des Aeneas (Abb. 4): Ein zackiger Stein traf den Helden unterhalb der Flanke, und zwar an jener Stelle, die als Gelenkpfanne bezeichnet wird, wo der Oberschenkel in den Hüftknochen eingepasst ist. Der Knochen war gebrochen, die beiden Sehnen durchtrennt, und der raue Stein zerfetzte die Haut. Er wurde ohnmächtig. Sicher war es nicht allgemein üblich, dass Ärzte auch Kämpfer waren. Aber Machaon war königlichen Geblüts und ein Heerführer. Für ihn, wie auch für seinen Bruder Podaleirios war das Kämpfen selbstverständlich. Es ist die Zeit, in der Ärzte meist aus adligem Haus stammten. Auch untereinander versorgten die Krieger ihre Wunden. Von Achilleus (Abb. 1) wissen wir, dass er die Heilkunst ebenfalls bei Cheiron, dem sanftmütigen, weisen Kentauren erlernt hatte, wie viele der griechischen Helden und wie auch Machaons Vater Asklepios. Und auch Achilleus’ Freund und Gefährte Patroklos war in der Heilkunde bewandert. Ärzte genossen hohes Ansehen. Als Machaon in der Schlacht an der rechten Schulter verwundet wurde, waren die Griechenfürsten höchst besorgt um ihn, denn wie ein Vers des Homer sagt: „Ein heilender Mann wiegt viele andere auf“.

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Asklepiosmedizin – Heilung im Schlaf Im Verlauf des 6. Jhs. v. Chr. breitete sich der Kult um den Heilgott Asklepios allmählich aus. Im 4. Jh. v. Chr. war er bereits im gesamten Mittelmeerraum mit Ausläufern in das gallisch-germanische Gebiet vertreten. Vermutlich ging der Kult von Epidauros (Abb. 2) aus, dem äl-

testen und berühmtesten uns bekannten Asklepios-Heiligtum. Angeblich wurde Asklepios hier geboren. Aufgrund einer verheerenden Seuche bat Rom im Jahr 293 v. Chr. im Heiligtum von Epidauros um Hilfe. Die Priester gaben den römischen Gesandten eine

Abb. 1: Achilleus verbindet den Arm seines verwundeten Freundes Patroklos vor Troja. Innenbild einer Trinkschale des griechischen Töpfers Sosias, aus Vulci, um 500 v. Chr. Dies ist eine der ältesten Darstellungen der griechischen Wundheilkunde. Patroklos war vor Troja auch als Heiler tätig. Hier benötigt er allerdings selbst Hilfe. Die griechischen und trojanischen Helden verarzteten sich oft gegenseitig. Staatliche Museen zu Berlin – Antikensammlung.

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Abb. 2: Epidauros, Tempel des Asklepios. Epidauros war mit seinem Asklepios-Heiligtum einer der bedeutendsten und ältesten Kurorte der Antike. Die erste Kultstätte, zunächst noch für den AsklepiosVater Apollon, stammt aus dem 7. Jh. v. Chr.

der heiligen Aesculap-Nattern mit. Kaum in Rom angekommen, glitt die Schlange in den Tiber und ließ sich auf der Tiberinsel nieder. Hier entstand das erste römische Asklepiosheiligtum. Man gab der Insel die Form eines Schiffes und nannte den neuen Gott Aesculapius. In der Kaiserzeit wurde die Insel mehr und mehr zu einer Anlaufstelle für die Ärmsten der Armen. Arbeitsunfähige Sklaven wurden hier in solchen Massen ausgesetzt, dass Kaiser Claudius (reg. 41–54 n. Chr.) sich gezwungen sah, ein Gesetz zu erlassen, wonach jeder Sklave, der auf der Tiberinsel ausgesetzt wurde, frei war. Die begüterteren Römer mieden im Allgemeinen

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das Heiligtum auf der Insel und zogen die griechischen Heiltempel vor. Doch wie kann man sich die Heilkunde in den Tempeln des Asklepios vorstellen? Es gab dort keine Ärzte im eigentlichen Sinn, sondern lediglich Priester des Heilgottes. Jeder Heilungssuchende war willkommen, auch diejenigen, die als unheilbar galten und bei denen die Ärzte eine Behandlung abgelehnt hatten. Es galt nur das Gebot, dass Sterbende und Gebärende sich dem Heiligtum fernzuhalten hatten. Die Tempel standen in den meisten Fällen an Orten, die als besonders gesund galten und über Quellen mit frischem

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Asklepios – der Arzt, den Zeus tötete Zum ersten Mal begegnet uns Asklepios (Abb. 3) bei Homer. Während des trojanischen Krieges dienten die Helden Machaon und Podaleirios als Krieger und Ärzte im griechischen Heer. Sie waren Söhne des thessalischen Königs Asklepios, der sie die Heilkunst gelehrt hatte. Erst in späteren Jahrhunderten wurde aus dem König ein Gott. Und so berichtet die Sage: Apollon entbrannte in Liebe zu der thessalischen Königstochter Koronis, oder zumindest, sagen wir, begehrte er sie. Nun, jedenfalls empfing sie von dem Gott ein Kind. Doch Koronis war bereits in Ischys, einen Sterblichen, verliebt. Als sie Ischys’ Frau werden wollte, wurde der eifersüchtige Apollon sehr zornig. Er schickte seine ihm stets verbundene Schwester Artemis, die die hochschwangere Königstochter tötete. Der Scheiterhaufen loderte schon, als es Apollon in den Sinn kam, zumindest sein ungeborenes Kind zu retten. Er schnitt den toten Leib seiner ehemaligen Geliebten auf, holte das Kind, einen Knaben, heraus und brachte ihn zu dem Kentauren Cheiron, der ihn aufzog. Viele Helden haben bei Cheiron, dem weisen, wissensreichen Kentauren ihre Erziehung erhalten, so zum Beispiel auch Achilleus und Jason. Cheiron lehrte den jungen Asklepios die Heilkunde, und der junge Mann brachte es zu meisterlichem Können. Durch sein göttliches Blut konnte er sogar hoffnungslose Fälle heilen. Seine Heilkunst bewirkte, dass die Zahl der Toten in der Unterwelt drastisch abnahm. Als er dann noch einen Toten zum Leben erweckte, reichte es Hades, dem Gott der Unterwelt. Er erhob bei Zeus, dem Göttervater, Anklage. Zeus hatte Verständnis für die Sorge seines Bruders Hades, fackelte nicht lange und tötete Asklepios mit einem Blitzstrahl. Nach seinem Tod wurde Asklepios in den Götterhimmel erhoben. Wie Herakles gehört er zu der jüngeren Göttergeneration. Sein bekanntestes Attribut ist die Schlange, die sich um seinen Wanderstab oder seinen Thron windet. Die Schlange stellt im griechischen Raum ein uraltes Heilssymbol dar, allein schon ihre Berührung kann heilen. In späterer Zeit wird die sich um den Stab windende Schlange das Symbol für Medizin und Pharmazie. Gelegentlich wird Asklepios auch durch einen Hund begleitet, über dessen Ursprung noch gerätselt wird. Da auch altorientalische Heilgötter häufig mit einem Hund abgebildet werden, könnte dort die Herkunft vermutet werden. Fast immer wird der Gott als kräftige Gestalt mit väterlich-gütigem Gesichtsausdruck, Bart, Mantel und Stab dargestellt. In klassischer und hellenistischer Zeit bekommt Asklepios eine Familie. Seine Söhne Machaon und Podaleirios kennen wir schon aus der Ilias. Dazu kommen seine Töchter Hygieia, die personifizierte Gesundheit, und Panakaia, die Allheilende. Diese beiden Namen werden im hippokratischen Eid genannt. Im 1. oder 2. Jh. n. Chr. tritt der letzte Sohn mit Namen Telesphoros, „der zum guten Ende bringt“, zu der Familie. Meist steht er in Kindgestalt und in einen Kapuzenmantel gehüllt zu Füßen seines Vaters. Neben der Verehrung des Heilgottes Asklepios gewinnt der Kult um seine Tochter Hygieia und seinen Sohn Telesphoros in den folgenden Jahrhunderten an Bedeutung. In der Spätantike ist es manchmal schwierig, die Darstellungen des Asklepios von denen Jesu Christi zu unterscheiden. Der barmherzige, den Sterblichen zugewandte Gott, der in seinen Tempeln die Lahmen gehend und die Blinden sehend macht, ist dem christlichen Gottessohn in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich und wird auf beinahe gleiche Art dargestellt.

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und heilsamem Wasser verfügten. So finden wir die Heiligtümer häufig auf Anhöhen in einiger Entfernung von größeren Ansiedlungen oder Städten. Nur selten wurden die Heiltempel innerhalb der Stadtbezirke angelegt. Der Tempel auf der Tiberinsel scheint der erste dieser Art gewesen zu sein. In der gesunden, erholsamen Umgebung des Tempels blieben die Heilungssuchenden oft mehrere Wochen, manchmal Monate. Daher gab es extra für die Kranken eingerichtete Gasthäuser nahe des Heiligtums. In Epidauros umfasste das Gasthaus zwei Stockwerke mit 160 Räumen, man war also für einen großen Ansturm an Kranken mit ihren Angehörigen gewappnet. Aber es gab natürlich auch die Wohnhäuser der Priester, Verwaltungsbeamten und Diener. Auch für die Zerstreuung war gesorgt. Die großen Heiligtümer wie Epidauros und Pergamon verfügten über Bibliotheken, Sportplätze, Thermenanlagen und sogar Theater. Vor Betreten des Heiligtums fand eine rituelle Reinigung statt. Dazu waren Brunnenbauten angelegt worden. Nach der rituellen Waschung brachte der Patient ein Opfer dar. Meist gab es einen langgestreckten Altar, auf dem Kuchen geopfert wurde. Danach schritt der Heilungssuchende weiter, um sein Hauptopfer darzubringen. Der Hahn war dem Gott heilig und daher ein beliebtes Opfer, aber auch andere Tiere waren willkommen. Das Fleisch der Opfertiere musste an Ort und Stelle verspeist werden, daher gab es große Räumlichkeiten mit Speisebetten und Tafeln. Allerdings fand das Essen erst nach der Inkubation (dem Heilschlaf) statt. Für manche Hei-

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ligtümer ist eine mehrtägige Fastenzeit für die Patienten vor Betreten des heiligen Bezirkes belegt. Mit Waschungen, Opfern und Gebeten stimmten sich die Heilungssuchenden auf das Betreten des Allerheiligsten ein. Nun wurden sie von den Priestern zu ihren Schlafstätten im Abaton, im Zentrum des Tempels, geführt. Sie kleideten sich in weiße Gewänder, legten all ihren Schmuck und ihre Schuhe ab und ließen ihr Haar offen. Den Kopf bekränzte ein Kranz aus Ölbaumzweigen. Dann legten sie sich zum Schlafen nieder. Im Schlaf erschien der Gott, manchmal zusammen mit einer seiner heilkundigen Töchter und oft in Begleitung der Schlange oder selbst in Schlangengestalt. Er führte entweder sofort die Heilung durch Handauflegen oder schmerzlose Operation herbei, oder er zeigte den Weg auf, wie Heilung erlangt werden konnte. Im günstigsten Fall war der Patient nach dem Schlaf geheilt. Er verließ das Heiligtum, opferte Asklepios und bezahlte die Priester auf angemessene Art und Weise. Doch häufig dauerte die Heilung länger und wurde zu etwas, was wir heute als Kur bezeichnen würden. In den Tempeln mischte sich die Medizin der Antike mit rituellen Handlungen, was anscheinend zu nicht unbedeutenden Heilerfolgen führte. Die Priester halfen dabei, die Worte des Gottes zu verstehen und die Träume zu deuten. Meist waren es Anweisungen für die Einnahme bestimmter Kräuter, für sportliche Betätigungen und heiße und kalte Bäder. Es gibt eine Vielzahl von Heilungsberichten, die von glücklichen, gesundeten Menschen oder von den Priestern auf

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ASKLEPIOSMEDIZIN – HEILUNG IM SCHLAF

kleine Täfelchen geschrieben oder in Wände gemeißelt wurden. Drei seien hier stellvertretend genannt: „Gorgias aus Herakleia, Eiterung. Dieser war in einer Schlacht durch einen Pfeil in der Lunge verwundet worden und war während anderthalb Jahren so voll Eiter, dass er 67 Becken mit dem Eiter füllen konnte. Als er drin (im Tempel) schlief, hatte er ein Gesicht: Ihm träumte, der Gott nehme ihm die Pfeilspitze aus der Lunge. Als der Tag anbrach, kam er gesund heraus und trug die Pfeilspitze in seinen Händen.“

„Euphanes von Epidauros, ein Knabe. Dieser litt an Steinen und schlief drin. Da träumte ihm, der Gott trete zu ihm und sage: Was wirst du mir geben, falls ich dich gesund mache? Er habe geantwortet: Zehn Astralgalen (Würfel). Da habe der Gott gelacht und gesagt, er werde ihn befreien. Als der Tag anbrach, kam er gesund heraus.“ „Ich, Marcus Iulius Apellas, aus Mylasa in Karien, wurde vom Gott hergeholt, weil ich oft krank wurde und an Verdauungsstörungen litt … Als ich ins Heiligtum kam, befahl er mir, für zwei Tage, während

Traumdeutung 1. Träume über die eigene Person und Kleidung Wenn jemand sich selbst im Traum sieht und alles an ihm ist in der richtigen Weise seiner Natur entsprechend beschaffen und weder zu groß noch zu klein, so ist das ein gutes Zeichen für die Gesundheit. Auch weiße Kleidung und das beste Schuhwerk aus dem eigenen Bestand anzuhaben ist gut. Wenn aber die Glieder zu groß oder zu klein erscheinen, ist das kein gutes Zeichen. Man muss es durch die Diät (= Lebensweise) entweder wachsen lassen oder vermindern. Schwarze Kleidung deutet auf Krankheit und Gefahr. Dann muss man die Diät weich und feucht halten. Neue Kleidung aber deutet auf Veränderungen.

2. Träume von Toten Die Toten rein in weißen Kleider zu sehen und etwas Reines von ihnen zu empfangen, ist ein gutes Zeichen. Es bedeutet Gesundheit des Körpers und dessen, was er aufnimmt. Denn von den Toten kommt die Nahrung, das Wachsen und der Samen. Wenn das alles rein in den Körper eingeht, bedeutet es Gesundheit. Wenn aber jemand sie umgekehrt nackt oder in schwarzen Kleidern oder nicht rein sieht oder, wie sie aus dem Haus etwas nehmen oder wegtragen, ist es nicht gut. Das bedeutet Krankheit, denn dann ist das, was in den Körper eingeht, schädlich. Dann muss man mit Rundläufen und Spaziergängen reinigen und nach Erbrechen milde und leichte Nahrung in allmählicher Steigerung zuführen. (Corpus Hippocraticum, Die Regelung der Lebensweisen. Buch 4: Über die Träume)



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Abb. 3: Asklepios aus Munychia. Oberkörper einer großen Marmorstatue (H. 100 cm). Griechischhellenistisch, 3. Jh. v. Chr., gefunden 1888 in Piräus. Leider fehlt das Attribut des Gottes, sein mit Schlangen umwundener Stab. Der Gott wird seit dem 4. Jh. v. Chr. mit dem Stab dargestellt, die Schlange selbst begleitet Asklepios jedoch bereits früher. Archäologisches Nationalmuseum, Athen.

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welcher Regen fiel, den Kopf zu verhüllen, Käse und Brot zu essen, Sellerie mit Salat, allein ohne fremde Hilfe zu baden, mich im Schnelllauf zu trainieren, von einer Zitrone die Schale, in Wasser eingeweicht, einzunehmen, im Bad bei den Akoai mich an der Wand zu reiben, im oberen Umgang zu spazieren, die Schaukel zu benutzen, mich mit Sandbrei einzuschmieren,

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barfuß zu gehen, bevor ich im Bad ins warme Wasser steige, mich mit Wein zu übergießen, mich allein zu waschen und eine attische Drachme dem Bademeister zu geben, dem Asklepios, der Epione und den Eleusinischen Göttinnen zusammen zu opfern, Milch mit Honig einzunehmen … Er befahl mir auch, dies aufzuzeichnen. Dankerfüllt und gesund reise ich ab.“

Die Philosophenärzte – Wer bin ich? Wie soll ich leben? Durch die Verbindung der Medizin mit der vorsokratischen Naturphilosophie wurde der Heilkunde ein wissenschaftliches Fundament gegeben. Die ionische Naturphilosophie versuchte, die Welt ohne magische oder mythologische Denkmodelle zu erklären. Und auch Krankheiten sahen die Gelehrten nicht mehr als gottgegeben an, sondern deuteten sie rein wissenschaftlich. Diese Zeit ist gekennzeichnet durch das leidenschaftliche Streben nach Erkenntnis. Die meisten Philosophen waren gleichzeitig auch Heilkundige, Biologen, Zoologen, Physiker, Mathematiker und Astronomen. Und sie schrieben gern. Die Schriften der großen Philosophen überdauerten die Zeiten. Die Philosophie wurde zur Grundlage aller medizinischen Theorien und Methoden. Besonders deutlich wird die wechsel-

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seitige Beeinflussung bei den philosophisch-naturwissenschaftlichen Systemen des Platon und Aristoteles. Bei Hippokrates (s. S. 22) wird die wissenschaftlich geprägte Medizin deutlich sichtbar. Auch die Ärzteschulen, die sich in hellenistischer Zeit entwickelten, lehrten Medizin auf der Grundlage verschiedener philosophischer Strömungen. Ein griechischer Arzt war gleichzeitig auch immer ein Philosoph. Das blieb sehr lange so. Der berühmte Arzt Galen von Pergamon (1. Jh. n. Chr.) (s. S. 61), der sich ganz der hippokratischen Tradition verschrieben hatte, verlangte, dass ein Arzt nur so genannt werden dürfte, wenn er auch eine philosophische Ausbildung besaß. Daraus lässt sich schließen, dass sich in römischer Zeit eine Ärzteschaft entwickelt hatte, die zwar Medizin, aber nicht mehr Philosophie studiert hatte.

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DIE PHILOSOPHENÄRZTE – WER BIN ICH? WIE SOLL ICH LEBEN?

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Demokedes von Kroton – der Abenteurer Demokedes wurde um 500 v. Chr. in Kroton, einer achäischen Kolonie in Süditalien, als Sohn eines Arztes geboren. Wie wissen einiges über sein Leben, was wir in erster Linie dem Geschichtsschreiber Herodot verdanken, der über ihn als den besten Arzt seiner Zeit berichtete. Demokedes kam nicht gut mit seinem jähzornigen Vater aus und verließ, so bald er seine Ausbildung beendet hatte, Kroton und ließ sich in Aigina nieder. Hier machte er rasch Karriere, die Stadt Aigina ernannte ihn zum öffentlichen Arzt und bezahlte ihm das recht stattliche Gehalt von einem Talent Silber. Rasch wurde er jedoch durch Athen abgeworben und konnte alsbald dem großzügigen Angebot des Tyrannen Polykrates von Samos nicht widerstehen. Dort soll er bereits zwei Talente (zwischen 26 und 37 kg Silber) im Jahr verdient haben. Am Hof des Herrschers ging es ihm gut, aber Polykrates wurde unglücklicherweise 522 v. Chr. ermordet, und Demokedes geriet in Gefangenschaft des Perserkönigs Dareios I. Eine Zeit lang lebte er unerkannt als elender Sklave in Sardis. Eines Tages fiel jedoch der Großkönig beim Jagen vom Pferd und verrenkte sich den Fußknöchel. Sofort waren die ägyptischen Ärzte seines Gefolges zur Stelle, versuchten das Fußgelenk des Herrschers wieder einzurenken und legten ihm solch straffe Verbände an, dass Dareios unter unerträglichen Schmerzen litt und sieben Nächte nicht schlafen konnte. Ein Mann seines Gefolges machte ihn auf den gefangenen griechischen Arzt aufmerksam. In Ketten, angetan mit schmutziger, zerrissener Kleidung wurde ihm der Sklave vorgestellt. Demokedes weigerte sich zunächst, den Großkönig zu behandeln, denn er befürchtete, dann niemals wieder in Freiheit entlassen zu werden, aber Dareios drohte ihm mit Folter und Tod, sodass er schließlich notgedrungen zustimmte. Zunächst befreite er den Herrscher von den straffen Verbänden und legte heilsame, schmerzlindernde Kräuterumschläge an. Dareios konnte wieder schlafen und genas innerhalb kurzer Zeit. Sein Fuß, den er schon fast aufgeben hatte, gewann die volle Funktionsfähigkeit zurück. Zum Dank schenkte der König Demokedes zwei goldene Fußfesseln, eine wenig subtile Art, dem Arzt klarzumachen, dass er noch immer ein Sklave war. Die Frauen des Herrschers waren dem Griechen so dankbar für die Heilung ihres Herrn, dass sie ihm Gefäße randvoll mit Gold schenkten, die Demokedes reich machten und ihm die Möglichkeit gaben, ein prunkvolles Haus in Susa zu kaufen. Noch immer Sklave, wenn auch mit erheblich mehr Freiheiten, wurde er Leibarzt Dareios’ I. Nur seiner beredten Fürsprache war es zu verdanken, dass die unglücklichen ägyptischen Ärzte dem Zorn des Großkönigs entkamen, der bereits ihre Hinrichtung durch Pfählen, oder alternativ durch Kreuzigung, befohlen hatte. Als Leibarzt war Demokedes Tischgenosse des Herrschers und hatte Zugang zu dessen Harem. Atossa, eine der Lieblingsfrauen des Dareios, erkrankte an einem Geschwür in der Brust und vertraute sich dem griechischen Arzt an. Es gelang ihm, sie zu heilen und er gewann sie zur treuen Freundin. Mit ihrer Hilfe schaffte er es, Dareios zu einem Feldzug gegen Hellas zu überreden und wurde auf Atossas Fürsprache hin mit einigen persischen Kriegern, die auf ihn aufpassen sollten, als Kundschafter ausgewählt. In Tarent in Unteritalien bat er König Aristophiles um Hilfe, der die persischen Spione gefangen setzte.

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Endlich frei, reiste Demokedes zurück in seine Heimatstadt Kroton, ließ sich dort als Arzt nieder und heiratete die Tochter des berühmten Olympioniken Milon. Aber die persischen Kundschafter wollten so schnell nicht aufgeben, sie fürchteten den Zorn ihres Herrn. Kaum wieder in Freiheit, reisten sie nach Kroton und ergriffen ihren flüchtigen Gefangenen. Sie hatten nicht mit dem Zorn der Krotoniaten gerechnet, die ihren Arzt befreiten und die Perser aus ihrer Stadt prügelten. Allerdings ließ ihnen Demokedes noch eine Nachricht für den Großkönig ausrichten. Er wusste, dass Dareios ein begeisterter Anhänger des erfolgreichen Ringkämpfers Milon war, und ließ ihm mitteilen, dass er die Tochter des Olympioniken geheiratet habe und ein sehr angesehener Arzt in seiner Heimat sei. Die Zeit der Abenteuer war vorüber. Bis zu seinem Tod lebte Demokedes friedlich in seiner Heimatstadt Kroton. Leider erfahren wir nichts über die Arzneimittel und Heilmethoden, die Demokedes angewandt hat, weder bei der Fußverletzung des Großkönigs noch bei dem Brustgeschwür seiner Lieblingsfrau. Da er aber ein überaus erfolgreicher und angesehener Arzt gewesen ist, müssen seine Kenntnisse über Krankheiten und Heilmittel umfassend gewesen sein.

Das Erscheinungsbild des Arztes – Vorschrift aus dem Corpus Hippocraticum (Autor unbekannt) Das Auftreten des Arztes denke ich mir so: Dem Aussehen nach wird er gut von Farbe und wohlgenährt sein, soweit es seine Natur zulässt. Denn beim Volk stehen die Ärzte, die nicht in diesem Sinne in gutem körperlichen Zustand sind, in dem Ansehen, dass sie auch für andere nicht gut sorgen können. Ferner soll seine Aufmachung reinlich sein; er trage anständige Kleidung und brauche wohlriechende Salben. Denn alles dieses empfinden die Kranken angenehm, und darauf muss man achten. Sein Charakter sei besonnen, was sich nicht nur in seiner Verschwiegenheit, sondern auch in seiner durchaus geordneten Lebensführung zeigen soll; denn das ist besonders vorteilhaft für ein gutes Ansehen. Er verhalte sich wie ein Ehrenmann. Als solcher sei er allen Menschen gegenüber zugleich ernst und freundlich; denn allzu beflissenes Entgegenkommen wird verachtet, auch wenn es ganz nützlich ist. Er sei nicht zu freigiebig mit seiner Person; denn dasselbe sieht man an denselben Personen nur dann gern, wenn sie sich rar machen. Seine Miene sei nachdenklich ohne Strenge; denn ein allzu selbstbewusster Mensch erweckt den Eindruck, menschenfeindlich zu sein. Wer aber immer gleich zum Lachen geneigt und allzu vergnügt ist, wird für einen unfeinen Menschen gehalten; davor muss man sich nicht am wenigsten hüten. In jedem Umgang mit Menschen zeigt er sich als ein rechtlicher Mann, denn in vielen Fällen muss ihm Rechtlichkeit zur Seite stehen. Die Kranken haben ja recht enge Beziehungen zum Arzt; denn sie geben sich den Ärzten in die Hand, und diese kommen zu jeder Zeit mit Frauen, Mädchen und dem wertvollsten Besitz in Berührung. All dem gegenüber muss man Selbstbeherrschung üben. So sollen sein Charakter und seine körperliche Beschaffenheit sein.

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EMPEDOKLES VON AKRAGAS – WUNDERHEILER UND SEUCHENARZT

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Empedokles von Akragas – Wunderheiler und Seuchenarzt Empedokles wurde etwa um 500 v. Chr. in der reichen Handelsstadt Agrigent auf Sizilien geboren. Wie alle Ärzte seiner Zeit war er gleichzeitig ein gelehrter Philosoph und Naturforscher. Er stammte aus einer Adelsfamilie, angeblich hatte man ihm sogar die Königswürde angetragen, aber ihm lag das Wohl des Volkes am Herzen. Mit Sendungsbewusstsein, missionarischem Eifer und unter Einsatz seines nicht geringen Vermögens versuchte er, die Gesetze der Stadt zugunsten demokratischer Vorstellungen zu verändern. Sehr erfolgreich war er damit nicht. Den Großen der Stadt wurde es irgendwann zu viel, und sie vertrieben den einflussreichen, leidenschaftlichen Unruhestifter. Empedokles war zu dieser Zeit nicht mehr jung. Die Sage berichtet, dass er sich in den Krater des Ätna gestürzt habe, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Das muss etwa um 430 v. Chr. gewesen sein. Vermutlich ist er aber, weniger spektakulär, auf das griechische Festland ausgewandert. Für uns besonders interessant ist sein Leben als Wanderarzt. Von Empedokles werden sagenhafte und mystische Begebenheiten berichtet. So soll er Stürme besänftigt, Wassermassen aufgehalten und dem Tod Einhalt geboten haben. Plinius berichtet über den Arzt, dass er während einer verheerenden Seuche Kranke durch magische Ausräucherungen geheilt habe. Überhaupt scheint er sich häufig in Seuchengebieten aufgehalten zu haben. Er ließ Süßwasserkanäle anlegen, verseuchtes, fauliges Wasser ableiten, Sümpfe trockenlegen und schüttete ganze Täler auf, um die Klimabedingungen zu verbessern. In Selinunt wurde er beinahe wie ein Gott verehrt, weil er durch das Umleiten zweier Flüsse die Stadt vor Seuchen und Krankheiten rettete. Empedokles gilt als Begründer der Vier-Elemente-Lehre. Seiner Theorie nach ist die Welt aus den vier Elementen Wasser, Erde, Luft und Feuer aufgebaut. Diese vier Elemente bestehen wiederum aus kleinsten Teilchen, die in sich gleichartig sind. Alle Dinge bestehen aus verschiedenen Mischungen dieser Teilchen, auch der menschliche Körper. Ein Ungleichgewicht der Elemente im Körper führt zu Krankheit. Seine Porenlehre besagt, dass alle sichtbaren Objekte Poren verschiedener Größe besitzen. Zudem gehen von allen sichtbaren Körpern unsichtbare „Ausflüsse“ aus, die wiederum in ihnen entsprechende Poren einzudringen vermögen, womit er auch die Sinneswahrnehmungen erklärt. Sitz des Denkens und der sinnlichen Wahrnehmung war für Empedokles das Herz. Er erkannte, dass es sowohl eine Atmung durch die Nase als auch durch die Haut gibt, auch wenn seine Erklärung dazu aus heutiger Sicht falsch ist. Da er ein Anhänger der Lehre der Seelenwanderung war, lehnte er das Schlachten von Tieren leidenschaftlich ab. Er nannte es ein „scheußliches Morden“. Andererseits sezierte er viele menschliche Embryos und Föten und machte detaillierte Aussagen zur Zeugung und zur Entwicklung des Kindes im Mutterleib . Empedokles war ein großer Arzt und Naturforscher, aber sein Erfolg stieg ihm zu Kopf. Er hüllte sich in teuerste Purpurgewänder, sah sich selbst als einen Bezwinger der Natur, ja, sogar als unsterblichen Gott bezeichnete er sich. Vielleicht stürzte er sich ja wirklich am Ende seines Lebens in den Vulkan. Welch besseren Abgang konnte ein von den Göttern Geliebter haben?

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Abb. 4: Ein Arzt behandelt den verwundeten Aeneas. Wandmalerei aus der Casa de Sirico, Pompeji, 1. Jh. n. Chr. Der Chirurg Iapyx operiert mit der Zange einen Pfeil aus dem Bein des Aeneas. Seine Mutter, die Göttin Venus, und Aeneas’ weinender Sohn Ascanius flankieren ihn. Ascanius wurde der erste Herrscher von Alba Longa in Latium. Museo Nazionale Archeologico, Neapel.

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RÄUCHERUNGEN – DER ATEM DER GÖTTER

Räucherungen – der Atem der Götter Das Räuchern hat gerade im orientalischen Raum eine vieltausendjährige Tradition. Aber auch die griechisch-römische Antike übernahm die Kunst des Räucherns sowohl für religiöse Zwecke als auch für ihre Medizin. Besonders in der Frauenheilkunde hatte das Räuchern einen festen Platz. Gerade bei Gebärmuttererkrankungen empfahlen die griechischen Ärzte eine Beräucherung der Patientin mit wohlriechenden oder auch stinkenden Stoffen von unten, manchmal auch durch die Nase. Bei einigen Erkrankungen sollte der Rauch mittels eines Schlauches in die Vagina geleitet werden. Durch eine Beräucherung des Unterleibes meinten die Ärzte auch feststellen zu können, ob eine Frau schwanger werden konnte oder nicht. Trat der Rauch oder zumindest der Duft des Rauches wieder an der Nase aus, so war ihr Körper durchlässig und zur Empfängnis bereit. Der Gynäkologe Soranos (1. Jh. n. Chr.) (s. S. 120) hielt allerdings eine Beeinflussung der Gebärmutter durch Bedampfung oder Beräucherung für Unsinn. Das Räuchern als Heilmittel scheint in der römischen Medizin von untergeordneter Bedeutung gewesen zu sein. Aber auch in der griechischen Medizin findet man nur selten die Beschreibung der Anwendung bei allgemeinen Erkrankungen wie zum Beispiel Augenleiden oder Halsschmerzen.

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Zumindest in der griechischen Antike scheint die Räucherung auch zur Verbesserung der Luft genutzt worden zu sein. Ab und an wandten Ärzte sie bei um sich greifenden Seuchen an. Im Römischen Reich ist dies auch für die „Antoninische Pest“ belegt. Vermutlich war das Räuchern in der Bevölkerung weiter verbreitet als in der wissenschaftlich ausgerichteten Medizin. Magische Räucherrituale waren häufig, aber auch Räucherungen zu wichtigen Begebenheiten des Lebens wie Geburt, Heirat, schwerer Krankheit oder Tod waren durchaus üblich. In Haus, Hof und Stall wurde geräuchert, um die Atmosphäre zu reinigen und Mensch und Tier gesund zu erhalten. Zur Nacht wurde geräuchert, um den Menschen Ruhe und Frieden zu bringen. Aber erst das Mittelalter mit seinen Seuchen und schrecklichen Krankheiten ließ die Tradition des Räucherns wieder mit aller Macht aufleben. Eine traditionelle Räuchermischung aus dem alten Ägypten war das Kyphi. Es wurde gern am Abend verwandt, um die Menschen zu entspannen und die Sorgen zu vertreiben. Der Geschichtsschreiber und Philosoph Plutarch (1. Jh. n. Chr.) hat uns die Zusammensetzung der Mischung überliefert. Kyphi wurde auch gern, oft in abgewandelter Form, in der griechisch-römischen Antike genutzt.

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Kyphi: – – – – – – – – – – – – – – – – –

4 Teile Weihrauch 2 Teile Benzoe 2 Teile Mastix 2 Teile Myrrhe 1 Teil Zeder 1 Teil Galgant oder Ingwer ½ Teil Kalmus oder Eisenkraut ½ Teil Kardamon 7 Rosinen ½ Teil Zimtrinde ½ Teil Cassia ½ Teil Wacholderbeeren ½ Teil Iris ½ Teil Zypresse einige Tropfen Lotossaft einige Tropfen Wein wenig Honig

Dioskurides (siehe Ärzteporträt S. 79) empfiehlt es Asthmatikern in folgender Zubereitungsart: Nimm je ½ Xestes (antikes Hohlmaß) Zyperngras, ebenso reife Wacholderbeeren, 12 Minen entkernte saftige Rosinen, 5 Minen gereinigtes Harz, gewürzhaften Kalmus, Aspalathos (Pflanze bisher nicht identifiziert), Schoinos (Binse), von jedem 1 Mine, 12 Drachmen Myrrhe, 9 Xestes alten Wein, 2 Minen Honig. Die Rosinen stoße nach der Entkernung und verarbeite sie mit Wein und Myrrhe, und das andere stoße und siebe und mische es dann diesem zu und lasse es ein Tag aufeinander einwirken. Nachdem du dann den Honig bis zur Leimkonsistenz gekocht hast, mische vorsichtig das geschmolzene Harz zu, darauf das Übrige, nachdem du es sorgfältig zerstoßen hast, und bewahre es in einem Gefäß auf.

Hippokrates – der Wissenschaftler „Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt, und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und Göttinnen ...“ Es gibt kaum jemanden, der noch nie etwas vom Eid des Hippokrates (Abb. 5) gehört hat. Aber wer war dieser Hippokrates? Es gibt kaum gesicherte Informationen über diesen berühmten Arzt. Zahlreiche Legenden und Geschichten ranken sich um seinen Namen. Auch weiß man nicht, wie er ausgesehen hat. Porträts oder Statuen, die man ihm sicher zuweisen könnte, gibt es nicht. Man weiß: Er wurde um 460 v. Chr. auf der Insel Kos als Sohn des Arztes Herakleides und seiner Frau Phainarete geboren. Er stammte aus der Ärztesippe der Asklepiaden, die ihren Stammbaum bis zum Heilgott Asklepios zurückführten. Er ging bei seinem Vater in die Schule, wie es für angehende Ärzte üblich war, und arbeitete nach seiner Lehre eine Weile auf Kos als Arzt und Lehrer. Später reiste er als Wanderarzt durch Griechenland und die östlichen Nachbarländer. Er war Zeitgenosse Platons, in dessen Dialogen er zweimal Erwähnung findet, und des Aristoteles, von dem wir wissen, dass Hippokrates zwar ein großer Arzt, aber klein von Gestalt war. Es war die Zeit des Sokrates, des Perikles, des Sophokles. Die Zeit des Sieges von Salamis, der die persische Gefahr abwendete und die Zeit des peloponnesischen Krieges, der Griechenland schwächte und von dem es sich nie wieder richtig erholte. Hochbetagt starb Hippokrates in Larissa in Thessalien. Den Quellen nach wurde er zwischen 85 und 109 Jahre alt.

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Abb. 5: Hellenistische Marmorbüste des Hippokrates. Griechenland, um 280 v. Chr. Hippokrates als der berühmteste aller Ärzte wurde zu allen Zeiten vielfach dargestellt. Wie er wirklich ausgesehen hat, wissen wir leider nicht. Florenz, Uffizien.

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Eine Sammlung von rund 60 Schriften, das sog. Corpus Hippocraticum, wurde ihm lange Zeit zugeschrieben. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die meisten Schriften von anderen Autoren aus verschiedenen Zeiten stammen. Die Verfasser der Schriften gehörten überwiegend der von Hippokrates gegründeten (?) Ärzteschule auf Kos an, deren Lehren sich von anderen Schulen unterschied. Was ist das Besondere der hippokratischen Medizin? Die Ablehnung übernatürlicher Einflüsse oder magischer Behandlungsweisen und die Betonung des naturalistischen Standpunktes. Krankheit ist ein rational erklärbarer Prozess. Grundlage aller Krankheiten ist das Ungleichgewicht der vier Säfte – Blut, Schleim, schwarze Galle, gelbe Galle. Gesundheit ist der Zustand der harmonischen Mischung der Säfte (eukrasia). Diese sog. Viersäftelehre hat die Medizin des Abendlandes bis in die Neuzeit hinein bestimmt. Der Arzt sah seine Hauptaufgabe in der Unterstützung der Selbstheilungskräfte. Hilfreich erschien das Ableiten krankhafter Säfte durch Aderlass, Schröpfen, schweißtreibende und Erbrechen hervorrufende Mittel. Dabei achtete der verantwortungsvolle Arzt darauf, mit dem mildesten Mittel zu beginnen nach dem Motto „Nützen oder doch nicht schaden“. Es gab Umschläge, Massagen, Bäder. Wunden, Knochenbrüche und Verrenkungen wurden behandelt. Blutige Eingriffe sollten möglichst vermieden werden. Die Pflanzenheilkunde spielte keine große Rolle. Kräutertees wurden fast gar nicht genutzt. Dagegen fanden medizinische Tränke häufige Anwendung. Gern wurden Drogen in Suppen oder Getreidebreie eingerührt. Verbreitet waren auch Anal- und Vaginalzäpfchen, bei denen die Drogen in Harz oder Fett verknetet wurden. Meist wurden Heilpflanzen jedoch in Form von Heilpflastern oder Kataplasmen, heißen Breiumschlägen, äußerlich angewendet. Erst in nachhippokratischer Zeit machte die Medizin in Bezug auf die Phytotherapie große Fortschritte. In Folge der Alexanderzüge wurden neue Drogen bekannt, und die Heilpflanzenkunde gewann zunehmend an Beachtung. Für hippokratische Ärzte hatte die Diätetik die größte Bedeutung, die in diesem Fall nicht nur die Ernährung, sondern auch die Regelung der gesamten Lebensführung umfasste. Dabei wurde betont, dass ein Mensch behandelt wurde, nicht eine Krankheit; dass der ganze Körper der Behandlung bedurfte und nicht nur ein Teil. Der Patient musste sorgfältig beobachtet werden, seine Körperhaltung, die Körpertemperatur, die Atmung, die Beschaffenheit der Haut, die Gerüche, die Geräusche; alle Symptome, so unbedeutend sie auch erscheinen mochten. Welchen Umwelteinflüssen war der Mensch ausgesetzt, wie war die vorherrschende Windrichtung, wie die Beschaffenheit von Boden und Trinkwasser, welche allgemeine Wetterlage herrschte vor? Die Verordnungen waren diesen speziellen Bedingungen, der Konstitution des Patienten, seinem Allgemeinzustand und seinen Lebensgewohnheiten anzupassen. Auch die seelische Situation des Patienten spielte eine große Rolle. Der Arzt zur Zeit des Hippokrates war an der Diagnose kaum interessiert. Für ihn waren in erster Linie die Prognose und die Behandlung wichtig. Dies erklärt sich durch die übliche Tätigkeit als Wanderarzt. „Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt ...“ – Dieser Eid stammt wahrscheinlich aus dem 4. Jh. v. Chr., aber nicht von Hippokrates. Die fortschrittliche medizinische Ethik, die in ihm beschrieben wird, lässt ihn zeitlos gültig erscheinen.

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Der Eid des Hippokrates Ich schwöre bei Apollon dem Arzt und bei Asklepios, Hygieia und Panakeia sowie unter Anrufung aller Götter und Göttinnen als Zeugen, dass ich nach Kräften und gemäß meinem Urteil diesen Eid und diesen Vertrag erfüllen werde: Denjenigen, der mich diese Kunst gelehrt hat, werde ich meinen Eltern gleichstellen und das Leben mit ihm teilen; falls es nötig ist, werde ich ihn mitversorgen. Seine männlichen Nachkommen werde ich wie meine Brüder achten und sie ohne Honorar und ohne Vertrag diese Kunst lehren, wenn sie sie erlernen wollen. Mit Unterricht, Vorlesungen und allen übrigen Aspekten der Ausbildung werde ich meine eigenen Söhne, die Söhne meines Lehrers und diejenigen Schüler versorgen, die nach ärztlichem Brauch den Vertrag unterschrieben und den Eid abgelegt haben, aber sonst niemanden. Die diätetischen Maßnahmen werde ich nach Kräften und gemäß meinem Urteil zum Nutzen der Kranken einsetzen, Schädigung und Unrecht aber ausschließen. Ich werde niemandem, nicht einmal auf ausdrückliches Verlangen, ein tödliches Medikament geben, und ich werde auch keinen entsprechenden Rat erteilen; ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel aushändigen. Lauter und gewissenhaft werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Auf keinen Fall werde ich Blasensteinkranke operieren, sondern ich werde hier den Handwerkschirurgen Platz machen, die darin erfahren sind. In wie viele Häuser ich auch kommen werde, zum Nutzen der Kranken will ich eintreten und mich von jedem vorsätzlichen Unrecht und jeder anderen Sittenlosigkeit fernhalten, auch von sexuellen Handlungen mit Frauen und Männern, sowohl Freien als auch Sklaven. Über alles, was ich während oder außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen sehe oder höre und das man nicht nach draußen tragen darf, werde ich schweigen und es geheim halten. Wenn ich diesen meinen Eid erfülle und ihn nicht antaste, so möge ich mein Leben und meine Kunst genießen, gerühmt bei allen Menschen für alle Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, dann soll das Gegenteil davon geschehen.

Facies Hippocratica Der aufmerksame Beobachter Hippokrates beschreibt im Corpus Hippocraticum genau den Gesichtsausdruck des Sterbenden, der nach dem griechischen Arzt noch heute Facies Hippocratica genannt wird:

In akuten Krankheiten muss man auf Folgendes achten: zuerst auf das Gesicht des Kranken, ob es demjenigen gesunder Menschen gleicht, vor allem aber, ob es sich selbst gleichsieht. So wäre es am günstigsten; am schlimmsten aber wäre die größte Unähnlichkeit. Dann sieht es so aus: spitze Nase, hohle Augen, eingesunkene Schläfen, die Ohren kalt und zusammengezogen, die Ohrläppchen abstehend; die Haut im Gesicht hart, gespannt und trocken. Die Farbe des ganzen Gesichts grünlich oder grau.

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Knidos und Kos – die Rivalen Die Handels- und Hafenstadt Knidos liegt an der Spitze einer Halbinsel an der südwestlichen Küste Kleinasiens. Ihr gegenüber, etwa 30 km entfernt, liegt die dorische Insel Kos, die Heimat des Hippokrates. Beide Städte waren im 5. und 4. Jh. v. Chr. medizinische Zentren, zwischen denen eine gewisse Rivalität und Konkurrenz angenommen wird. Die Knidische Schule hatte sich ganz der Empirie und der detaillierten, streng klinischen Beobachtung von Krankheiten und ihren Symptomen verschrieben. Die knidischen Ärzte versuchten, jedem Krankheitssymptom ein Krankheitsbild zuzuordnen. Listenartig zählten sie in ihren Schriften Krankheiten und ihre Heilmethoden auf. Eine Krankheit war strikt durch ihre Symptome definiert, die individuelle Reaktion des Erkrankten interessierte die knidischen Ärzte nur am Rande. Nicht selten kam es zu einer großen Anzahl von Untergliederungen ein und derselben Krankheit. Galen berichtet, dass die Knidier sieben Gallen-, zwölf Blasen-, vier Nieren-, vier Gelbsucht-, vier Tetanus- und drei Schwindsuchterkrankungen unterschieden. Der lokale Charakter einer Krankheit wurde stark betont. Demzufolge praktizierten die Ärzte auch in erster Linie eine örtliche Therapie. Chirurgische Eingriffe, die Anwendung des Brenneisens und zum Teil recht derbe mechanische Praktiken waren für einen knidischen Arzt das tägliche Brot. Die Behandlung eines Gebärmuttervorfalles wird folgendermaßen beschrieben: Die Patientin wird für vierundzwanzig Stunden mit dem Kopf nach

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unten aufgehängt, in dieser Zeit gibt man ihr Getreidebrei zu essen, dann lässt man sie mit einem heftigen Ruck nach rücklings fallen. Auch Trepanationen (s. S. 153 ff.), Nieren- und Lungenpunktionen, das Durchtrennen von Rippen, um eine Flüssigkeitsansammlung im Brustraum zu behandeln, und vielerlei andere chirurgische Praktiken waren gang und gäbe. Die knidischen Ärzte waren ausgesprochen kenntnisreich im Abhören des Brustkorbes. Die überlieferten Schriften über gynäkologische Themen zeichnen sich durch großen Sachverstand aus. Die knidische Schule hat hervorragende Ärzte hervorgebracht, die die Medizin ein großes Stück voranbrachten. Der Name „Kos“ ist eng mit dem Namen des großen Hippokrates verbunden. Die Schule auf Kos ist etwas jünger als das medizinische Zentrum in Knidos. Während die knidischen Ärzte die Lokalität von Krankheiten betonten und eine recht starre Klassifikation vornahmen, sahen die Ärzte in der Tradition von Kos den kranken Menschen in seiner Gesamtheit und in seiner Individualität. Anders als ihre knidischen Kollegen glaubten die koischen Ärzte, dass sich ein Kranker in kein Schema pressen lässt. Sie beobachteten genau und stellten dann aufgrund einer umfangreichen Untersuchung des Kranken und seines Umfeldes eine Prognose. Die Prognostik wiederum setzte sich aus Krankengeschichte, Diagnose und der Voraussage über den Verlauf der Krankheit zusammen. Die Ärzte aus Kos hatten das Prinzip „Auf jeden Fall nicht schaden“. Sie betonten die

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DAS CORPUS HIPPOCRATICUM – SCHRIFTEN (NICHT NUR) VON HIPPOKRATES

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Apollonides von Kos – der Liebhaber Apollonides von Kos lebte etwa in der Mitte des 5. Jhs. v. Chr. Nicht durch besonderes ärztliches Können tritt er aus dem Dunkel der Geschichte, sondern wegen seiner Liebschaft zu der Tochter des persischen Großkönigs Xerxes I. Der koische Arzt genoss einen guten Ruf in der persischen Welt, nicht zuletzt durch die Heilung einer schweren Verletzung des berühmten Feldherrn Megabyzos. So wurde er Hofarzt am persischen Königshof. Eine Zeitlang ging alles gut, aber dann erkrankte Amytis, die Tochter des Königs. Apollonides stellte die Diagnose einer Gebärmuttererkrankung. Als Therapie schlug er regelmäßigen Geschlechtsverkehr vor. Da er selbst Amytis begehrte, wurde er auch gleich selbst der Therapeut und nahm eine sexuelle Beziehung zu der Prinzessin auf, die zunächst geduldet wurde. Damit stellte er sich außerhalb der ethischen Grundsätze des hippokratischen Eides, die eine sexuelle Beziehung mit einer Patientin verboten. Trotz seines „hingebungsvollen“ Einsatzes wurde die Prinzessin nicht gesund, im Gegenteil, sie wurde immer kränker. Apollonides brach die Beziehung ab. Ob Amytis ihren Arzt und Liebhaber von Anfang an ablehnte oder ihm den Abbruch der Beziehung übel nahm, wissen wir nicht. Doch kurz bevor sie starb, vertraute sie sich ihrer Mutter an und bat sie um Rache. Die Mutter zögerte nicht und machte ihren Einfluss beim König geltend. Xerxes ließ den einst so geschätzten Arzt gefangen nehmen, foltern und schließlich lebendig begraben. So endete die steile Karriere des Apollonides von Kos.

Diätetik in ihrem weitesten Sinn als erstes und bestes Heilmittel, die Chirurgie spielte eine weit untergeordnetere Rolle als in Knidos. Die Rivalität zwischen den beiden, so nahe beieinanderliegenden medizinischen Schulen, noch vor wenigen Jahren

von vielen Wissenschaftlern ausdrücklich betont, wird heute bezweifelt. Beide Zentren brachten hervorragende Ärzte hervor. Im Corpus Hippocraticum finden sich Schriften beider Lehren. Vermutlich haben sich die unterschiedlichen Lehren gegenseitig beeinflusst und beflügelt.

Das Corpus Hippocraticum – Schriften (nicht nur) von Hippokrates Das Corpus Hippocraticum ist eine Sammlung von mehr als sechzig Ärzteschriften aus der 2. Hälfte des 5. Jhs. bis zum Beginn des 3. Jhs. v. Chr. Zusammengestellt wurden die Schriften vermutlich im Verlauf des 3. Jhs. v. Chr. in Kos oder wahr-

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scheinlicher im wissenschaftlichen Zentrum von Alexandria in Ägypten. Schon in der römischen Antike wurde lebhaft diskutiert, welche Schriften Hippokrates selbst zuzuordnen seien, und diese Diskussion hält bis heute an. Die Anzahl als

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Abb. 6: Asklepios heilt eine Frau. Griechisches Weiherelief, 4. Jh. v. Chr. Der Heilgott Asklepios genoss besonders im Mittelmeerraum große Verehrung. Ihm wurden viele Statuen und Marmorreliefs geweiht. Archäologisches Museum Piräus.

„echt hippokratisch“ erkannter Schriften schwankt zwischen null und 31. Vermutlich sind die Werke Epidemien, Prognostikon, Über die Heilige Krankheit und Über die Umwelt Hippokrates selbst zuzuschreiben, vielleicht auch ein Teil der chirurgischen Schriften. Das Buch Über die Natur des Menschen wird vielfach Polybos, dem Schwiegersohn des Hippokrates zugeschrieben. Leider hat keiner

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der Autoren seinen Namen unter seine Schrift gesetzt, so dass eine Zuordnung ungeheuer schwierig ist und sicher noch Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen wird. Eine große Vielfalt an Themen wird im Corpus Hippocraticum besprochen, u. a. Anatomie, Physiologie, Innere Medizin, Gynäkologie, Chirurgie, Diätetik und Lebensführung, Prognostik, Viersäftelehre,

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DAS CORPUS HIPPOCRATICUM – SCHRIFTEN (NICHT NUR) VON HIPPOKRATES

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Lehren aus dem Corpus Hippocraticum Aufgabe des Patienten Ein einsichtiger Mann, der weiß, dass für die Menschen die Gesundheit von höchstem Wert ist, muss sich darauf verstehen, aus eigener Überlegung in den Krankheiten sich zu helfen; er muss verstehen, was von den Ärzten gesagt und seinem Körper verordnet wird, und muss es beurteilen können. All das muss er verstehen, soweit es von einem Laien zu erwarten ist. (Hippokrates [?], Über innere Leiden)

Aufgabe des Arztes Aufgabe des Arztes ist es: Was vorausgegangen ist zu erklären, das Gegenwärtige zu erkennen, das Kommende vorauszusagen. Darin sich üben. Für die Behandlung der Krankheiten gilt zweierlei: nützen oder doch nicht schaden. Die Heilkunst umfasst dreierlei: die Erkrankung, den Kranken, den Arzt. Der Arzt ist der Diener der Heilkunst. Der Kranke muss zusammen mit dem Arzt sich gegen die Krankheit wehren. (Hippokrates, Epidemien)

Einrichtung der ärztlichen Klinik Was aber die Vorschriften für die ärztliche Kunst betrifft, auf Grund deren man ein tüchtiger Fachmann wird, so wollen wir sie von den Anfängen an betrachten, von denen an ein Mensch zu lernen beginnt. Die Behandlung in der ärztlichen Klinik gehört zu dem, was die Anfänger lernen. Erstens muss man den richtigen Platz für das Haus haben. Das wird der Fall sein, wenn weder Wind an ihn herankommt und stört, noch Sonne oder zu große Helligkeit lästig wird. Das Licht soll sehr hell für die behandelnden Ärzte, aber nicht unangenehm für die Behandelten sein. Vor allem muss man das Licht vermeiden, durch das die Augen krank werden können. Dies also sind die Vorschriften für die Beschaffenheit des Lichts. Außerdem achte man darauf, dass niemals seine Strahlen unmittelbar auf das Gesicht des Kranken fallen. Sie belästigen nämlich kranke Augen, und jeder Anlass genügt, kranke Augen noch mehr zu beeinträchtigen. Das Licht also wende man auf diese Weise an. Die Stühle aber sollen in der Höhe möglichst gleichmäßig sein, so wie sie für die Patienten passend sind. Irgendetwas aus Erz soll man abgesehen von den Instrumenten nicht verwenden; denn es erscheint mir plumpe Wichtigtuerei zu sein, sich solcher Geräte zu bedienen. Das Wasser muss man dem Patienten trinkbar und klar reichen. Was man zum Abwischen braucht, sei rein und weich, für die Augen Leinentücher, für die Wunden Schwämme; denn dergleichen scheint ganz von selbst eine gute Hilfe zu gewähren. Alle Instrumente müssen handlich zum Gebrauch nach Größe, Gewicht und Feinheit sein. (Autor unbekannt)

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Voraussetzungen für den ärztlichen Beruf und ethische Fragestellungen. Das Werk bietet also einen Überblick über Theorie und Praxis der Medizin dieser Jahrhunderte. Sowohl die Lehren der koischen als auch der knidischen Schule fanden Aufnahme in das Gesamtwerk, aber auch Autoren ohne erkennbare Schulzugehörigkeit sind im Corpus vertreten. Zu Beginn des 3. Jhs. v. Chr. kamen einige wenige Schriften der hellenistischen Medizin

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hinzu, die sich insbesondere mit der Anatomie beschäftigen. Vielfältig wie die Themen sind auch Stil und Qualität der Schriften. Manche wenden sich an Arztkollegen, andere wiederum scheinen für Laien geschrieben zu sein. Nur in einem entsprechen sie sich: Woher die Autoren auch stammten, sie schrieben alle im ionischen Dialekt, der Sprache der wissenschaftlichen griechischen Literatur.

Gesundheitspflege – vorbeugen statt heilen Eine ganze Reihe antiker Ärzte war bemüht, ihre Landsleute zu einer gesunden Lebensführung zu erziehen. Schon Hippokrates (5. Jh. v. Chr.) empfahl körperliche Übungen, um den Körper gesund zu erhalten. Er war der Ansicht, dass Inaktivität zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit führte und vorzeitig altern ließe. „Übung kräftigt, Untätigkeit lässt zerfallen“ (Hippokrates, Aphorismen). Die Schrift De victu, der umfangreichste Text des Corpus Hippocraticum, dessen Verfasser wir leider nicht kennen, behandelt ausführlich die gesunde, geregelte Lebensführung. Der unbekannte Autor ist der Ansicht, dass nur die genaue Beobachtung des Menschen durch einen Arzt oder Gymnasten hinsichtlich Ernährung, Ruhe und Leibesübungen eine vollkommene Gesundheitspflege zuließe. Da das für keinen Menschen wirklich machbar sei, bliebe auch die absolute Gesundheit unerreichbar. Das gesündeste Klima ist für ihn dasjenige, das von größeren Witterungswechseln im Jahr verschont

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bleibt. Das liege daran, dass der Mensch aus Feuer und Wasser zusammengesetzt sei und nur bei solch ausgeglichenen klimatischen Verhältnissen diese beiden Elemente harmonisch zueinander stünden. Schon Herodot empfand das ägyptische Klima als das gesündeste. Beiden Autoren hätte es wahrscheinlich vor unserem germanischen Wetter gegraust. Vielleicht hätten sie auch ein wenig Mitleid gehabt. Der Autor von De victu rät dazu, bei einem starken Übergewicht des Wassers im Körper trockenere und wenig Speise zu sich zu nehmen, viele anstrengende Leibesübungen zu machen, viele Dampfbäder zu nehmen und öfters einmal durch Nieswurz Erbrechen hervorzurufen. Er schreibt: „Bequemlichkeit macht feucht und schwächt den Körper (im Gegensatz zur Anstrengung), denn im Ruhezustand braucht die Psyche die Feuchtigkeit aus dem Körper nicht auf“. Allerdings gäbe es nur einen gesunden körperlichen Zustand, nämlich wenn

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auch die Psyche sich wohl befände. Der Autor erstellt zudem lange Listen von Nahrungsmitteln, die er nach ihren Eigenschaften unterteilt. Um das Richtige zu sich zu nehmen, müsse man wissen, ob ein Nahrungsmittel trocken, feucht, kühlend, wärmend, abführend, stopfend, harntreibend oder blähend sei. Weiter werden Bäder besprochen, wann sie zu nehmen sind, nüchtern oder nach einer Mahlzeit, wie oft, in süßem oder salzigem Wasser, kalt oder warm, oder auch überhaupt nicht. Geschlechtsverkehr, Schlaf, die Anzahl der Mahlzeiten, all das habe Einfluss auf die Gesundheit. Diokles von Karystos (1. H. 4. Jh. v. Chr.; s. S. 36), ein berühmter Arzt und Gesundheitslehrer, gab desgleichen sehr detaillierte Anweisungen für eine gesunde Lebensweise. Frühmorgens sollte der erwachsene Mensch langsam aufstehen und zunächst Hals und Kopf massieren, um die Anspannungen des Schlafes loszuwerden. Kurz vor Sonnenaufgang stand zunächst ein Dauerlauf von knapp zwei Kilometern auf dem Plan, im Sommer weniger. Nachdem man nach dem Aufstehen seinen Darm entleert hatte, sollte man einige leichte gymnastische Übungen machen und den Körper einölen. Gesicht und Hände waschen, Zähne und Zahnfleisch mit Poleiminze einreiben und Nase und Ohren salben, gehörte ebenfalls zum morgendlichen Ritual. Anschließend gingen die, die ihren Lebensunterhalt verdienen mussten, zur Arbeit. Die glücklichen anderen sollten einen längeren Spaziergang machen. Dabei war darauf zu achten, dass man keinesfalls nach der Nahrungsaufnahme ausgedehnt und schnell spazieren ging, denn die Er-

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schütterungen brächten die Verdauung durcheinander. Nun endlich durfte und sollte man einer sitzenden Beschäftigung nachgehen, zum Beispiel die geschäftlichen Angelegenheiten ordnen. Anschließend war Zeit für die Körperpflege. Die jüngeren Menschen konnten sich auch zunächst auf den Sportplatz begeben. Massagen waren sehr angeraten, alte Menschen sollten sich allerdings selbst massieren, damit sie gezwungen waren, sich aktiv zu bewegen. Nun folgte ein leichtes Frühstück. Direkt danach empfahl der Arzt eine Ruhepause an einem schattigen, windgeschützten Platz. Nach dem Aufwachen konnte man sich wieder um seine geschäftlichen Angelegenheiten kümmern, bevor man eventuell erneut zum Sportplatz ging. Danach sollten die Jüngeren kalt baden, die Älteren und Schwächeren warm. Den Kopf jedoch sollte man nur selten und niemals warm waschen, dafür jeden Tag massieren und salben. Zur Hauptmahlzeit am Abend ging man erst, wenn der Magen wirklich leer war. Das erkannte man daran, dass man nicht mehr rülpsen musste oder die Rülpser geruchlos waren, zudem am deutlichen Umriss von Ober- und Unterbauch und dem triebhaften Verlangen nach Essen. Galen schrieb einige Jahrhunderte später, dass man die beendete Verdauung an der Farbe des Urins ausmachen könnte (mittlere Farbe). Vor und während der Mahlzeit trank man Wasser, um dann auf leichten dunklen Wein überzugehen und die Mahlzeit mit einem Weißwein abzuschließen. Auch die Art der Lebensmittel beschrieb Diokles detailliert, welche Fische, welches Fleisch, welches Gemüse

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und welches Obst zu welchem Zeitpunkt. Die Nahrung musste dabei der Jahreszeit und der Konstitution des Menschen angepasst sein. Nach der Mahlzeit sollten die Mageren, die an Blähungen litten, und diejenigen, die Speisen nur schlecht verdauten, sofort schlafen gehen, während für alle anderen ein kurzer und langsamer Spaziergang angebracht war. Mit vollem Magen war es gesünder auf der linken Seite zu liegen, leerte sich der Magen, war die rechte Seite die Bessere. Auf dem Rücken zu schlafen galt als ungesund. Oberbauch und Füße sollten auf jeden Fall beim Schlafen und Essen gut warm gehalten werden. Gesunden Menschen empfahl Diokles bei Tagesanbruch aufzustehen; diejenigen, die an Blähungen litten, sollten länger schlafen. Wohlgenährten Menschen empfahl er, im Winter nur einmal am Tag zu essen, zudem riet Diokles, in dieser Jahreszeit weniger Gemüse zu sich zu nehmen als im Sommer. Die Unsitte des Erbrechens nach dem Essen lehnte er entschieden ab. Häufiger Geschlechtsverkehr sei für alle Menschen nicht gut, am wenigsten jedoch für die Mageren, Schmalbrüstigen und diejenigen, die wenig Fleisch an Hüften und Lenden hätten. Am besten sei er noch für diejenigen geeignet, die eine kalte, feuchte und melancholische Natur hätten. Maßvoll betrieben und sich danach richtig und reichlich zu ernähren, könnte Schaden abwenden. Damit war er einer Meinung mit Soranos von Ephesos, der sogar eine andauernde Jungfrauenschaft für beide Geschlechter propagierte.

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Den Ärzten war natürlich bewusst, dass es Menschen gab, die ihren Lebensunterhalt durch ihrer Hände Arbeit verdienen mussten und durch ihre Tätigkeit körperlich geschädigt wurden. Diesen rieten sie, stetig um Ausgleich bemüht zu sein. Sehr schön bemerkte Galen in seiner Schrift De sanitate tuenda: „Ein vollkommen gesundes Leben kann aber nur der Mensch führen, der keinen Beruf auszuüben braucht und seine körperlichen Übungen auf dem Sportplatz verrichten kann.“ Nun, das war sicher auch zu Galens Zeiten nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Menschen. Allerdings war Galen der Ansicht, dass bei einer guten, gesunden Lebensführung der Mensch sein ganzes Leben von ernsten, inneren Krankheiten verschont bleiben könnte und selbst Verletzungen ohne größere Komplikation abheilen würden. Viele antike Ärzte sahen die vorsorgende Medizin als ebenso wichtig an wie die heilende. Die Gesundheitserziehung umfasste die „rechte Ausbildung der Seele“ (Galen), die Diätetik in ihrem weitesten Sinn, Leibesübungen und Hygiene. Wichtig erschien es den Ärzten, maßvoll zu leben und jegliche Übertreibungen zu vermeiden. Zudem sollten Leibesübungen und Wechselbäder die Leistungsfähigkeit des Körpers erhöhen. Aber schon die Griechen mit ihrem Schönheitsideal warnten davor, dass Athleten durch das einseitige und übermäßige Trainieren ihrem Körper Schaden zufügen würden, auch sie rieten zu einem ausgewogenen Training (Abb.7). Durch kritische Selbstbeobachtung sollte jeder Mensch in der Lage sein, das rechte Maß zu finden. Und wenn er sich dazu nicht

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in der Lage sah, so sollte der betreuende Arzt das Maß und die Art der Übungen festlegen. Galen führte als empfehlenswerte Leibesübungen u. a. an: Ringen, Faustkampf, Laufen, Hände schwingen, Schattenkampf, Diskus- und Speerwerfen und Hantelarbeit. Zudem gab es Leibesübungen, die gleichzeitig Arbeiten bedeuteten, wie Graben, Rudern, Lastentragen, Mähen, Reiten, Kämpfen mit schweren Waffen, Wandern, Jagen und Fischen. Hier musste der Arzt dafür sorgen, dass ausgleichende Übungen den Schaden, den der Körper durch körperliche Arbeit nahm, in Grenzen hielten. Bedeutsam waren Lockerungsübungen, Massagen und Bäder nach der Arbeit, um der körperlichen und geistigen Erschlaffung entgegenzuwirken. Am Besten war, man kam von der Arbeit, ließ sich eine leichte Massage geben, um den Körper warm und geschmeidig zu machen und trieb dann solange gymnastische Übungen, bis man in warmen Schweiß kam und die Bewegungen begannen, nicht mehr rund zu laufen. Spätestens wenn diese ungleichmäßig wurden, der Übende die „blühende“ Gesichtsfarbe verlor und der Schweiß kalt wurde oder gar nachließ, war es höchste Zeit, mit den Leibesübungen aufzuhören. Anschließend ein kaltes Bad (auch hier maßvoll: Wasser sollte weder lau noch eisig sein) für den Erwachsenen, damit die Haut dicht und fest wurde, und den Körper mit nicht zu weichem Leinen abreiben. Zuletzt das sorgsame Einölen des Körpers. Nun durfte man auch zum Essen gehen. Natürlich auch hier maßvoll. Die Ärzte warnten, dass sowohl Unter- als auch Übergewichtigkeit zu einer erhöhten

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Krankheitsanfälligkeit führe. Die Römer aßen in der Regel nur einmal am Tag, und zwar am Abend. Manchen war es aber förderlicher, noch ein Frühstück zu sich zu nehmen. Reines Wasser und gute Luft waren der Gesundheit zuträglich, allerdings nicht immer vorhanden, gerade wenn man in Rom selbst lebte oder neben einem Fluss oder einem Sumpf seine Wohnung hatte und häufigem Nebel ausgesetzt war. Unbedingt zu vermeiden war auch Schimmel im Haus. Der gesunde Erwachsene durfte, natürlich maßvoll, Geschlechtsverkehr ausüben. Der Jüngling oder Greis dagegen sollte sehr zurückhaltend mit dergleichen Übungen sein. Nach dem Geschlechtsverkehr wurde angeraten, leichte Gymnastik zu machen und ein gutes Essen zu sich zu nehmen, um die Kräfte wieder aufzufrischen. Viel Flüssigkeit beseitigte die Trockenheit, die nach dem Verkehr auftritt. Auch ein kaltes Bad konnte nicht schaden. Galen hielt die körperlichen Übungen für das wichtigste Element in der Gesundheitspflege, dicht gefolgt von der Ernährung, dem Schlaf und dem Geschlechtsverkehr. Alte Menschen sollten ihre Lebensführung ihrem Alter anpassen. Galen empfahl warme Bäder in Süßwasser, feurige Weine als Getränk, leicht verdauliche Nahrung, und da Greise eine trocken-kalte Konstitution hätten, vor allem Nahrungsmittel, die feucht und warm machten. Auch sollten sie dreimal am Tag, dafür aber nur wenig und maßvoll, essen. Viel Obst und Gemüse, viel Fisch und fettarmes Geflügel, und wenn sie vertragen wurde, Ziegen- und Eselsmilch,

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KOLUMNENTITEL

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nur Brot mit Kleie, auf keinen Fall das schlecht verdauliche Brot aus Weizenmehl. Da sich bei alten Menschen überschüssige Schleime ansammelten, sollte der betreuende Arzt darauf achten, dass bei ihnen Urinabsonderungen und Darmentleerungen angeregt wurden. Auch sollte der Körper in Bewegung gehalten werden durch maßvolle Leibesübungen und regelmäßige Massagen. Mageren Menschen empfahl Galen harte und kurze Massagen, bis die Haut rot wurde. Danach sollten die Mageren mittelschwere Leibesübungen ausführen, anschließend baden und sich salben. Und dann natürlich essen. Menschen, die zum Dickwerden neigten, verordnete er schnelle Übungen wie Laufen. Anschließend wurde der Schweiß rau abgerieben und der Körper gesalbt. Dann ging es zum Bad und zur Ruhe bzw. zur gewohnten Tätigkeit. Anschließend ein zweites Bad. Galen riet zu wenig, aber ballaststoffreicher Nahrung, so dass der Mensch das Gefühl hätte, angefüllt zu sein, aber wenig der Nährstoffe im Körper verteilt wurden. Kinder wiederum mussten ebenfalls anders behandelt werden. Der Haut von Neugeborenen tat es gut, mit Salz bestreut zu werden. Muttermilch war als Nahrung das Wichtigste. Auch empfahl Galen, darauf zu achten, die Wünsche des Säuglings zu erfüllen, damit seine



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Seele in Harmonie blieb. Die Kleinkinder sollten einmal täglich warm gebadet und gesalbt werden. Galen wünschte sich für die Kinder eine gute, liebevolle Erziehung und eine ebenso sorgsame Gesundheitserziehung. Körperübungen waren wichtig und sollten dem Leistungsvermögen des Kindes angepasst werden. Sie sorgten dafür, dass das Kind harmonisch wuchs. Mit etwa sieben Jahren war das Kind so weit, auch starke Bewegungen aushalten zu können. Nun konnte es mit dem Reiten beginnen. Zwei- bis dreimal in der Woche sollte das Kind möglichst im Fluss oder Meer baden. Mit vierzehn Jahren galt der Jugendliche als junger Erwachsener und passte idealerweise seine Lebensführung der der Erwachsenen an. Galen war ein Anhänger der Viersäftelehre (s. S. 66), daher gab er nicht nur allgemeine Hinweise für eine gesunde Lebensführung, sondern auch detaillierte Anweisungen für Menschen, bei denen konstitutionell bedingt ein Saft (Schleim, Wasser, schwarze Galle, gelbe Galle) vorherrschte. Auch sie konnten seiner und der Meinung der meisten seiner Kollegen nach durch sorgsame Gesundheitspflege ein lebenslanges gesundes Leben führen. Zudem war zu beachten, dass beim Ernährungs- und Verdauungsprozess Überschüsse entstanden, die wieder abgeführt werden mussten. Unvermeidlich und naturgemäß sei auch der fortschreitende

Abb. 7: Diskuswerfer des Myron. Marmor. Römische Kopie nach einem Bronzeoriginal des Myron, um 450 v. Chr. In dem Diskuswerfer wird das griechische Ideal eines athletischen Mannes mit ausgewogener Muskulatur dargestellt. Als Diskuswerfer muss er natürlich darauf achten, Ausgleichsport zu betreiben, damit die Muskulatur seines Wurfarmes nicht hypertrophiert (sich vergrößert). Das wäre (für seine Landsleute) nicht nur ungesund, sondern auch unästhetisch. Museo Nazionale Romano, Rom.

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Austrocknungsprozess bei gleichzeitiger Abnahme der Wärme, der schließlich zum Tode führen würde. Diesen Prozess konnte auch der beste Arzt nicht aufhalten, aber doch verlangsamen. Galen richtet, wie auch die meisten seiner Ärztekollegen, seine Empfehlungen an Menschen, die die Zeit haben, sich sorgfältig um ihre Gesundheit zu kümmern. Galen sagt, er wisse, dass es

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Menschen gibt, die in abhängigem Dienstverhältnis stehen und sich erst am Ende des Tages von ihrem Arbeitsplatz entfernen könnten. Damit bliebe natürlich nur noch wenig Zeit für Massage, Bad und Ruhe. Allerdings fügt Galen hinzu, dass er niemanden gekannt habe, der ein so unglückliches Leben führte. Glückliches Rom!

Diokles von Karystos – der jüngere Hippokrates Den Beinamen „der jüngere Hippokrates“ bekam Diokles von den Athenern, die ihn sehr verehrten. Geboren wurde er in der 1. H. des 4. Jhs. v. Chr. Er stammte aus Karystos auf der Insel Euboia und war der Sohn des Arztes Archidamos. Die längste Zeit seines Lebens verbrachte er vermutlich in Athen. Etliche medizinische Schriften werden Diokles zugewiesen. Galen, Oreibasios und Plinius d. Ä. zitieren ihn sehr häufig. Von seinem umfangreichen Werk sind leider nur wenige Bruchstücke erhalten. Einige Schriftauszüge könnten darauf hindeuten, dass Diokles ein Schüler des Aristoteles oder zumindest mit ihm bekannt oder befreundet war. Diokles befasste sich eingehend mit der Gynäkologie und Embryologie. Die Entwicklungsstadien des Ungeborenen waren ihm durch Fehl- und Frühgeburten bekannt. Er sezierte Tiere, um seine Erkenntnisse über die weiblichen Geschlechtsorgane, und hier besonders den Uterus, zu erweitern. Seiner Ansicht nach entwickelten sich Jungen im rechten, wie er fand, wärmeren Teil des Uterus, während sich Mädchen im kälteren Teil entwickelten und aufgrund der niedrigeren Temperatur längere Zeit brauchten, um auszureifen. Auch glaubte er, dass sowohl Männer als auch Frauen Samen besäßen, aus denen der Embryo entstünde. Er verfasste eines der ersten Anatomiebücher. Die Quelle des Blutes lag für ihn im Herzen, damit schloss er sich der recht einhelligen Meinung seiner griechischen Ärztekollegen an. Zwar differenzierte er noch nicht zwischen Gefäßen und Nerven, aber er kannte die Aorta mit all ihren Verzweigungen, beschrieb den Gallenblasengang zwischen Leber und Gallenblase und unterschied Dick- und Dünndarm. Das Pneuma spielte für ihn eine große Rolle für die Gesundheit des Menschen. Es war seiner Ansicht nach mehr als Atemluft, sondern es war die Lebenskraft, die die physiologischen Vorgänge im Körper bestimmte. Mit dem Blut bewegte sich das Pneuma vom Herzen, wo es seinen Sitz hatte, durch den Körper. Die Verdunstung des Seelen-Pneumas durch das Blut schaffte seiner Meinung nach Bewegung und sinnliche Erkenntnis.

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Das Rhizotomikon, das Wurzelschneidebuch des Diokles stellt das älteste Heilkräuterbuch der Griechen dar. Erst die Materia medica des Dioskurides löst es im 1. Jh. n. Chr. in seiner Bedeutung ab. Theophrast baute sein Werk auf den Erkenntnissen des Diokles auf, auch wenn er ihn nicht erwähnte. Auch der Chirurgie widmete sich Diokles. Ihm wird die Erfindung eines speziellen Instrumentes zur Entfernung von Pfeilspitzen mit Widerhaken, der sogenannte „Diokles-Löffel“, zugeschrieben. Sein wichtigstes uns überliefertes Werk ist aber seine Schrift über die Diätetik. Seine Gesundheitslehre erscheint uns heute noch in weiten Teilen sehr modern, und seine Differenziertheit ist erstaunlich.

Gesunde Lebensführung – Zitate Ein gesunder Mensch, der sich wohl befindet und sein eigener Herr ist, soll sich an keine Gesetze binden und weder eines Arztes noch eines Salbenarztes bedürfen. Er muss eine wechselnde Lebensweise führen, bald auf dem Lande sein, bald in der Stadt, aber häufiger auf dem Feld. Er muss zur See fahren, jagen, bisweilen ruhen, aber häufiger den Körper üben; denn Trägheit stumpft den Körper ab, Arbeit stärkt ihn. Jene führt zu frühem Alter, diese verschafft eine lange Jugend. Gut ist es, bisweilen ein warmes Bad zu nehmen. (Celsus, De medicina) Wer also eine Wissenschaft oder sonst eine intensive geistige Betätigung ausübt, der muss auch seinem Körper Bewegung verschaffen, indem er sich auch mit Leibesübungen abgibt; wer dagegen sorgsam seinen Körper ausbildet, der muss seiner Seele Bewegung verschaffen und sich dafür der Musenkunst und der ganzen Philosophie bedienen, wenn er mit Recht beabsichtigt, wahrhaft zugleich schön und zugleich gut zu heißen. (Platon, Timaios) Der Zustand, im dem wir weder Schmerzen leiden, noch im Gebrauch der Lebenskräfte behindert werden, nennen wir Gesundheit. (Galen, De san. tuenda) Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen. (WHO, 1946) Bei der Bewahrung der Gesundheit muss die körperliche Anstrengung den Anfang machen, dann folgen Speise und Trank, dann der Reihe nach Schlaf und endlich die Liebe, für die, die die Liebe genießen wollen. (Galen, Hygieina) Denn für viele Menschen ist das Leben mit Beschäftigung verbunden, und sie werden durch ihre Tätigkeit notwenig geschädigt, es ist ihnen aber unmöglich, davon abzustehen. … Für diese kann auch nicht die an sich beste Körperfürsorge beschrieben werden. (Galen, Hygieina)

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Moderne Gesundheitspflege – Was gibt es Neues seit der Antike? Kneipp – Wurzeln in der Antike Sebastian Kneipps im 19. Jh. entwickeltes Naturheilverfahren ist weltbekannt. Es erlangte eine bis heute anhaltende Popularität durch seine erstaunlichen und durchschlagenden Erfolge und seine Einfachheit. Doch ist diese Therapie wirklich etwas Neues? Sehen wir uns die fünf Säulen des Verfahrens an: 1. Wassertherapie Mit kaltem und warmem Wasser werden über die Haut Temperaturreize vermittelt. Effekt ist eine Stärkung der Abwehrkräfte und eine Anregung von Kreislauf, Nerven- und Hormonsystem. Besonders die Hydrotherapie machte Pfarrer Kneipp bekannt. Wer kennt nicht die Kneipp’schen Güsse, die Prießnitz’schen Wickel und das Wassertreten? Die Wasserheilkunde hat eine sehr lange Tradition und wurde besonders im antiken Rom gerne und oft angewandt. Ärzte wie Musa und Asklepiades wurden gar berühmt durch ihre Wasseranwendungen am Patienten. Bereits im Corpus Hippocraticum steht, dass ein kurzer kalter Wasserreiz im Meer mit nachfolgender Bewegung durch Laufen eine bessere und länger anhaltende Erwärmung zur Folge habe, als eine ausschließliche Wärmeanwendung durch heiße Packungen. 2. Bewegung Kneipp empfahl den Menschen, die nicht körperlich arbeiten mussten,

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Ausgleichssport in Form von Gymnastik oder Wandern. Bewegungsmangel erschien ihm schlecht, da er verweichlichte, aber ebenso lehnte er Leistungssport ab. Mäßiges Training, möglichst an frischer Luft, schien ihm am Geeignetsten. Wenn wir die Vorschriften für ein gesundes Leben bei Diokles von Karystos betrachten, so sehen wir, dass auch der antike griechische Arzt, wie die meisten seiner ärztlichen Kollegen, regelmäßige, maßvolle Leibesübungen empfahl. 3. Phytotherapie Im 19. Jh. war zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein Missbrauch chemisch hergestellter Medikamente zu verzeichnen. Dagegen wehrte sich Pfarrer Kneipp. „Gegen jede Krankheit ist ein Kräutlein gewachsen“ war einer der Wahlsprüche des Pfarrers. Als Ergänzung zu seiner Wassertherapie empfahl er Kräutertees und Badezusätze. Auch gab er seinen Wickeln häufig Heilpflanzen bei. Gerade mit der Kombination aus Hydro- und Pflanzentherapie erzielte Kneipp gute Heilerfolge. Die Heilpflanzenkunde ist sehr alt, wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Neu ist hier sicher diese so ausgesprochene Kombination beider Therapien. Die Phytotherapie (Pflanzentherapie) ist für Kneipp keine Alternative, sondern die wirkungsverstärkende Ergänzung zu seiner Wassertherapie.

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MODERNE GESUNDHEITSPFLEGE – WAS GIBT ES NEUES SEIT DER ANTIKE?

4. Ernährung Kneipp empfiehlt für ein gesundes Leben eine vollwertige, natürliche Ernährung mit viel Obst und Gemüse und nur mäßigem Fleisch- und Fischgenuss. Milch- und Milchprodukte spielen in seinen Ernährungsvorschriften eine große Rolle. Als Getränk bevorzugt er klares Wasser, eventuell gelegentlich ein Glas Wein oder Bier, aber keinen Kaffee und auch keinen Schwarztee. Ernährungsempfehlungen wechseln mit den Zeiten. Zu maßvoller, gesunder Ernährung rieten jedoch auch schon die antiken Ärzte. 5. Ordnungstherapie Pfarrer Kneipp war der Ansicht, dass nur, wenn Harmonie zwischen Körper und Seele bestehe, der Mensch dauerhaft gesund sein kann. Darauf muss auch die Lebensgestaltung des Einzelnen ausgerichtet sein. Auch dies ist nicht neu. Für die Philosophenärzte des antiken Griechenland war dies eines ihrer höchsten Prinzipien. Wir können also festhalten: Sebastian Kneipp war nach langen Jahrhunderten einer der ersten, der die antiken Heilprinzipien wieder aufnahm und sie zu einem der Zeit angepassten, modernisierten Gesundheitssystem verband. Grundlage seines Heilverfahrens war die Humoralpathologie, die sich aus der Viersäftelehre der Antike entwickelte. Die durchschlagenden Heilerfolge gaben ihm Recht. Besonders lag dem Pfarrer aber auch die Vorbeugung am Herzen. Er glaubte, dass viele der Krankheiten entstünden, weil

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die Menschen verweichlichten. Auch die antiken Ärzte versuchten, durch ihre strengen diätetischen Vorschriften ihre Patienten abzuhärten und ihnen dadurch ein gesundes Leben zu ermöglichen. Die natürliche, ganzheitliche Heilmethode Kneipps und seine Ratschläge für eine gesündere Lebensweise entsprechen also in großen Zügen denen des Altertums.

Bochumer Gesundheitstraining – ein Vergleich Das Bochumer Gesundheitstraining wurde seit 1982 an der Ruhr-Universität Bochum durch die Arbeitsgruppe Vegetative Funktionen unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Walter Niesel und Dipl.Psych. Erhard Beitel entwickelt. Es hat zum Ziel, durch geeignete Übungen die Selbstheilungskräfte anzuregen und die körpereigene Immunabwehr zu stimulieren. Grundlage ist die Erkenntnis, dass es ein Wechselspiel zwischen körperlichen, seelischen und immunologischen Vorgängen gibt und dass eine gegenseitige Einflussnahme nachweisbar ist. Zunächst für Patienten entwickelt, hat es sich gezeigt, dass das Gesundheitstraining auch für gesunde Menschen von hervorragendem Nutzen ist. Das Bochumer Gesundheitstraining umfasst: 1. Das Erlernen eines Entspannungsverfahrens, z. B. Autogenes Training 2. Das Überdenken und Infragestellen des eigenen bisherigen „Lebensprogramms“ 3. Das Beschäftigen mit psychologischen Themen

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4. Fragen der Ernährung, der körperlichen Bewegung, des gesunden Schlafs, der Freizeitgestaltung, Erholung, Entspannung, der Geselligkeit und Freude sowie spielerischer Beschäftigung 5. Fragen nach dem Lebenssinn, den eigenen Lebenszielen und der eigenen Lebensplanung Wenn wir diese fünf Bereiche mit der Gesundheitspflege der Antike vergleichen, so fällt auf, dass insbesondere Punkt 4 nahezu identisch mit den Empfehlungen der antiken Ärzte ist. Das Bochumer Gesundheitstraining empfiehlt eine Vollwerternährung mit frischem Gemüse, Obst und Vollkornprodukten und ein sehr maßvolles Essen. Da in unserer heutigen Zeit die Humoralpathologie kaum noch eine Rolle spielt, wir dafür aber mehr über Inhaltsstoffe wissen, werden Nahrungsmittel nach ihrem Anteil an Vitaminen, Eiweißen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen ausgewählt. Jahreszeit, Klima, Altersstruktur und individuelle Konstitution spielen bei Ernährungsempfehlungen heute eine eher untergeordnete Rolle. Die Römer und Griechen aßen in der Regel nur einbis zweimal täglich, gerade fettleibigen Menschen wurde angeraten, im Winter nur einmal täglich zu essen. Im Hinblick auf die Insulinausschüttung vielleicht gar keine schlechte Idee, obwohl heute zumindest ein dreimaliges Essen am Tag empfohlen wird. Manche Gesundheitstrainer raten sogar zu vier bis fünf kleinen Mahlzeiten am Tag. Doch diese Frage ist umstritten. Bewegung ist ein weiterer wichtiger Punkt. Das Bochumer Gesundheitstrai-

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ning empfiehlt maßvoll anstrengende Bewegung, da sie die Abwehrlage des Organismus stärkt. Leistungssport schwächt das Immunsystem und hat in einem Gesundheitstraining nichts zu suchen, wie auch schon Platon und Aristoteles erkannt haben. Etwa insgesamt zwei Stunden Bewegung pro Woche sind das Minimum. Der Belastungspuls sollte dabei nicht über 130 Herzschläge pro Minute ansteigen. Zusätzlich sind ruhige, meditative Bewegungsübungen wie z. B. nach Feldenkrais sinnvoll. Ein gesunder Schlaf ist für die Gesundheit wichtig. Anders als die antiken Ärzte werden hier keine Empfehlungen gegeben, wann man ruhen sollte. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass Schichtarbeit die Gesundheit gefährdet und dass der frühe Morgen für die Gesundheit der kritischste Moment ist. Um gut einschlafen zu können, bietet sich ein kurzer Spaziergang vor dem Schlafengehen an. Zudem sollte nicht direkt vor dem Zubettgehen eine schwere Mahlzeit zu sich genommen werden. Es ist ratsam, jeden Abend zur gleichen Zeit schlafen zu gehen, evtl. einen entspannend wirkenden Tee zu trinken, aber keinen Alkohol, da Alkohol ein häufiges nächtliches Aufwachen bewirkt. Den Träumen wird, wie in der Antike, auch im Bochumer Gesundheitstraining eine bedeutende Rolle zugeschrieben. Daher wird geraten, Papier und Stift ans Bett zu legen, damit man Träume aufschreiben kann und sie nicht gleich wieder vergisst. Lebensenergie schöpft man aus den Bereichen Entspannung und Erholung, genügend Bewegung und vollwertiger Ernährung. Doch das reicht nicht. Dazu

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MODERNE GESUNDHEITSPFLEGE – WAS GIBT ES NEUES SEIT DER ANTIKE?

kommen laut Bochumer Gesundheitstraining genügend Wahrnehmung, also beobachten, zuschauen, hören, fühlen, sich selbst und andere wahrnehmen, genügend spielerische Tätigkeit, genügend soziale Kontakte, Lebensaufgaben und geistig-schöpferische Tätigkeiten wie Malen, Musizieren, Dichten, Schreiben, Meditieren, Naturerlebnisse aufsuchen, Forschen, Experimentieren, usw. Zur Lebensenergie muss jedoch die Freude hinzukommen, um auf Dauer gesundheitsfördernd zu wirken. In den Entspannungsübungen wird u. a. ein sehr individueller Ort visualisiert, der ein Gefühl von Kraft, Sicherheit und Ruhe vermittelt. Autogenes Training oder auch progressive Muskelentspannung sind besonders geeignet, sich in hektischen Zeiten Ruheinseln zu schaffen. Wir sehen, dass ein modernes Gesundheitstraining in vielen Punkten mit den antiken Vorstellungen über eine vorbeugende Gesundheitspflege übereinstimmt. Maßvolles Essen, maßvolle, aber regelmäßige Bewegung, gesunder Schlaf, Ruhepausen auch in betriebsamen, hektischen Phasen, sinnvolle Freizeitbeschäftigung, die Freude macht, und ein regelmäßiger Lebensrhythmus. Stärker betont werden im modernen Gesundheitstraining die psychologischen Aspekte, obwohl den antiken Ärzten der Zusammenhang zwischen Körper und Seele sehr bewusst war. Dafür sind die Reglementierungen heutzutage nicht so streng, der

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Tagesablauf nicht so strikt vorgeschrieben, was bei einer mehrheitlich berufstätigen Bevölkerung auch gar nicht möglich wäre. Die antiken Ärzte schrieben für die wohlhabende, gebildete Oberschicht, die sich ihr Leben frei einteilen konnte, und sie waren sich bewusst, dass Menschen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten oder, noch schlimmer, in einem abhängigem Verhältnis arbeiteten, diesen Forderungen einer optimalen Gesundheitspflege nicht nachkommen konnten. Bad, Massage und Einsalbungen, die im antiken Gesundheitsverständnis eine bedeutende Rolle spielen, sind heutzutage nur noch ein „Kann“, aber kein „Muss“ mehr.

Im Vergleich hier noch einmal die Einteilung des Tages nach Diokles von Karystos (nach W. Müri): – Aufwachen, kurze Zeit liegen bleiben (etwa zwischen 5 und 6 Uhr) – Einreiben mit Öl, waschen – Geschäfte oder Spaziergang (etwa 7–10 Uhr) – Gymnastik, Bad (etwa 10–12 Uhr) – Frühstück, Siesta – Geschäfte oder Spaziergang – Gymnastik, Bad (etwa 16–18 Uhr) – Hauptmahlzeit (etwa zwischen 18 und 20 Uhr) – Spaziergang – Ruhe

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Herophilos von Chalkedon – Anatom und Physiologe Herophilos wurde um 335/330 v. Chr. in Bithynien in Kleinasien geboren. Seine medizinischen Lehrer stammten aus Kos und Knidos, er lernte also die Lehren beider Medizinschulen kennen. Um 300 v. Chr. ging er, einem Ruf König Ptolemaios’ I. folgend, nach Alexandria. Er wurde Leibarzt des wissenschaftsfreundlichen Herrschers, der ihm ermöglichte, weitreichende anatomische Studien vorzunehmen. Herophilos war der erste Arzt, der das Tabu brach, menschliche Leichen zu sezieren. Da es auch die ptolemäischen Herrscher mit Tabus nicht so eng sahen – sie führten die Geschwisterehe nach pharaonischem Vorbild im Königshaus ein – konnte Herophilos stets auf Unterstützung hoffen. Diese ging sogar so weit, dass Ptolemaios seinem geschätzten Arzt zum Tode verurteilte Verbrecher zu Vivisektionen zur Verfügung stellte. Herophilos’ etwas jüngerer Kollege Erasistratos führte diese Tradition weiter. Herophilos’ durch das Sezieren gewonnen Erkenntnisse waren umfangreich und revolutionierten die Medizin. Leider sind seine Schriften nur in wenigen Fragmenten erhalten. Doch aus zahlreichen Zitaten späterer Autoren können wir schließen, dass er die Anatomie und Physiologie gewaltig voranbrachte. Er beschrieb die einzelnen Körperteile und untersuchte ihre Beziehung zueinander. Er erkannte die komplizierten Gehirnstrukturen und entdeckte die Hirn- und Rückenmarksnerven und ihre Funktion. Wie Alkmaion zwei Jahrhunderte zuvor sah er den Sitz des Denkens im Gehirn. Im vierten Hirnventrikel vermutete er die Wohnung der Seele. Seine Pulslehre war detailliert und erleichterte die Diagnose. Als einer der ersten Ärzte schrieb er ein Lehrbuch für Hebammen und war selbst ein kenntnisreicher Gynäkologe. Er betonte, dass der Arzt die Grenzen seiner Macht kennen müsse, nur dann sei er ein vollkommener Arzt. Seine Forschungen wurden bewundert, aber er war auch Anfeindungen ausgesetzt. Die Vivisektionen erschienen vielen seiner Zeitgenossen und auch späteren Arztkollegen als grausam, verbrecherisch und zudem sinnlos, da sie der Ansicht waren, dass ein sterbender, gequälter Körper falsche Ergebnisse liefern würde, da sich die bloßgelegten Organe veränderten. Während Herophilos’ anatomische und physiologische Lehren sehr progressiv waren, zeichnen sich erstaunlicherweise die Krankheitslehre und auch die Therapie des Herophilos durch Konservatismus aus. Herophilos starb hochbetagt um 250 v. Chr. Zusammen mit Erasistratos gilt er als Begründer der medizinischen Schule von Alexandria und war einer der bedeutendsten Vertreter der hellenistischen Medizin.

Alexandria – die Weltstadt Alexandria war eine von mehreren Städten gleichen Namens, die Alexander der Große gründete. Gesehen hat Alexander sie nie, doch wurde er dort begraben. Un-

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ter König Ptolemaios I. (322–283 v. Chr.), dem ehemaligen Freund und Feldherrn Alexanders, wurde Alexandria die Hauptstadt Ägyptens. Ptolemaios und seine

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ALEXANDRIA – DIE WELTSTADT

Nachfolger waren der Wissenschaft sehr zugewandt. Sie gründeten die große Bibliothek und das Museion, das Haus der Musen, eine schnell berühmt werdende wissenschaftliche Akademie im Palastbezirk. Damit schafften sie ideale Wirkungsbedingungen für Wissenschaftler aller Sparten, aber besonders bekannt wurde Alexandria durch seine medizinische Schule. Die Herrscher ließen sehr viel Geld in ihre Wissenschaftsinstitutionen fließen und lockten so zahlreiche berühmte Ärzte an, die hier ungehindert forschen und lehren konnten. Damit nahm die hellenistische Medizin einen enormen Aufschwung. Auch das Corpus Hippocraticum wurde vermutlich hier zusammengestellt. Unter den Ärzten Herophilos und Erasistratos (siehe Ärzteporträts S. 42 und 43), denen die Ptolemaierherrscher Sektionen an Menschen, aber auch Vivisektionen an verurteilten Verbrechern erlaubten, erweiterten sich be-

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sonders die anatomischen und physiologischen Kenntnisse; auch die Chirurgie entwickelte sich nun in großen Sprüngen. Die Akademie hatte ihre glanzvolle Hoch-Zeit erreicht. Alexandria wurde unter den Ptolemaiern das Zentrum der Wissenschaft der bekannten Welt. Im Jahr 47 v. Chr. ging die Bibliothek im Zuge einer Strafaktion Caesars in Flammen auf. Nach erheblichen Verlusten an wertvollen Schriftrollen wurde sie daraufhin mit der Bibliothek von Pergamon zusammengelegt. Nach der Schlacht von Aktium, 30 v. Chr., wurde Ägypten römische Provinz, Alexandria verlor ein wenig an Glanz, aber bis zur Spätantike drängte es junge Wissenschaftler, dort zu studieren. Bis zur Zerstörung der Akademie war Alexandria die beste und berühmteste Ausbildungsstätte für Ärzte. Alexandrias Ruf als kulturelles und wissenschaftliches Zentrum der Antike wirkte lange nach und blieb bis heute erhalten.

Erasistratos von Keos – der Arzt, der über Leichen ging Erasistratos wurde um 320/310 v. Chr. auf der Kykladeninsel Keos als Sohn des Arztes Kleombrotos geboren. Zusammen mit dem Schwiegersohn des Aristoteles, Metrodoros, studierte er bei Chrysippos von Knidos und schloss sich eng an die knidische Schule an. Er interessierte sich für das gesamte Spektrum der Medizin. Leider sind uns nur noch wenige Titel seines äußerst umfangreichen Werkes überliefert. Als junger Mann wurde er Hofarzt des Königs Seleukos I. Nikator von Syrien in Antiochia. Angeblich diagnostizierte er dort bei dem Seleukidenprinzen Antiochos durch Fühlen des Pulses die lebensbedrohliche Liebeskrankheit. Der Prinz war nämlich unsterblich in die Frau seines Vaters, Stratonike, verliebt. Erasistratos gelang es, den König dazu zu überreden, Stratonike seinem Sohn abzutreten, der sie unverzüglich heiratete und dadurch geheilt wurde. Ob die junge Frau damit einverstanden war? Das ist uns leider nicht überliefert. Später wirkte Erasistratos in Alexandria. Die Ptolemäerherrscher erlaubten ihm, für seine Studien Vivisektionen an verurteilten Verbrechern vorzunehmen. Die Auflage war,

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dass die Verurteilten bei der „Behandlung“ ums Leben kommen mussten. Bei lebendigem Leib eröffnete er den Verurteilten die Bauchhöhle oder den Brustraum und durchtrennte das Zwerchfell. Zusätzlich führte er zahlreiche Sektionen an Verstorbenen und Vivisektionen an Tieren durch. Die Methode mag uns grausam erscheinen, seine daraus geschöpften Erkenntnisse waren jedoch umfassend. Erasistratos unterschied sensorische und motorische Nerven und sagte, dass sie dem Gehirn entsprängen. Er beschrieb detailliert Groß- und Kleinhirn und erahnte die Bedeutung des Kleinhirns für die Koordination. Schon früh vermutete er anatomische Verbindungen zwischen Venen und Arterien, erkannte Bauchwassersucht als Folge der Leberzirrhose, erfasste, welche toxischen (giftigen) Veränderungen Schlangenbisse an inneren Organen verursachten, beschrieb die Blutgefäße in allen Einzelheiten und erkannte die Herzklappen in ihrer Funktion. Überraschenderweise entdeckte er den Blutkreislauf nicht, wie auch seine berühmten jüngeren Ärztekollegen bis zur frühen Neuzeit den Mechanismus der Blutzirkulation nicht erkannten. Er glaubte, dass die Adern mit Blut und Luft/Pneuma gefüllt seien. Erst Galen, der ein Gegner der Lehren des Erasistratos war, widerlegte ihn. Erasistratos wagte auch größere chirurgische Eingriffe. Er eröffnete die Bauchhöhle, um direkt auf der Leber seine Medikamente zu platzieren oder um Eiteransammlungen im Bauchraum abzusaugen. Neu war auch die Gefäßligatur (-unterbindung), die es überhaupt erst ermöglichte, solche Operationen auszuführen, ohne dass der Patient bei dem Eingriff verblutete. Seine anatomischen Erkenntnisse halfen ihm, einen S-förmigen Blasenkatheter für die männliche Harnröhre zu entwickeln. Obwohl der Arzt die Viersäftelehre der Hippokratier ablehnte, ähneln seine Vorschriften zur Lebensweise und Diätetik denen des Hippokrates: nur milde Abführmittel, Zurückhaltung bei Aderlässen, mäßiges Essen, viele Spaziergänge, kalte Bäder und Dampfbäder. Erasistratos lokalisierte Krankheit in den festen Bestandteilen des Körpers und unterschied sich damit wesentlich von der Viersäftelehre. Eine Schule der Erasistrateer bestand bis ins 2. Jh. n. Chr. und brachte einige berühmte Ärzte hervor. Galen, als entschiedener Gegner der Erasistrateer und ihrer Solidarpathologie, scheint maßgeblich an der Auflösung dieser medizinischen Schule beteiligt gewesen zu sein. Um 245 v. Chr. soll sich Erasistratos, unheilbar erkrankt, auf Samos mit Gift das Leben genommen haben.

Sektionen – Ethos gegen Forschergeist Mit dem Beginn der Naturforschung in der griechischen Antike wurden auch Sektionen an Tieren vorgenommen, um Erkenntnisse über Anatomie und Physiologie zu erlangen. Der Begriff „Anatomie“ leitet sich vom griechischen anatemnein

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ab, was in etwa „zerschneiden, zergliedern“ bedeutet. Das Sezieren menschlicher Leichen war mit einem Tabu belegt. Verstorbene waren unantastbar. Daher behalf man sich mit der Sektion von Tieren und schloss von der tierischen Ana-

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SEKTIONEN – ETHOS GEGEN FORSCHERGEIST

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Abb. 8: Abbildung einer Sektion. Buchmalerei, französisch, 15. Jh., aus: Barthelemy l’Anglais, Livre de la propriété des choses, Ms. français 9140. Sektionen wurden nur zu wenigen Zeiten geduldet oder gar gefördert. Sie stellten immer ein ethisch-moralisches Problem dar, dem der Forschergeist entgegenstand. Bibliothèque Nationale, Paris.

tomie auf die menschliche. Embryos und Föten waren von diesem Verbot ausgenommen, auch totgeborene Kinder, da sie ja nach antikem Verständnis noch nicht gelebt hatten und vor allem auch nicht beseelt waren. Die Erforschung der Anatomie und Physiologie erreichte im 3. Jh. v. Chr.

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ihre erste große Blütezeit. Die Ptolemaier-Herrscher, selbst gebildet und im aristotelischen Geist erzogen, dabei rücksichtslos und frei von jeglichem TabuDenken, gründeten zwei der bedeutendsten wissenschaftlichen Institutionen der Welt, das Museion und die Bibliothek von Alexandria. Das Wissenszentrum zog

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Wissenschaftler aus aller Welt an. Bedeutende Ärzte folgten dem Ruf der Ptolemaier, denn hier konnten sie mit Unterstützung der Herrscher ungehindert ihren Forschungen nachgehen. Sektionen am Menschen waren erlaubt und wurden sogar gefördert. Auch Vivisektionen an Menschen wurden den ärztlichen Wissenschaftlern ermöglicht. Diese Phase, in der Sektionen an Menschen (Abb. 8) erlaubt waren und gefördert wurden, dauerte jedoch nicht lange. Nach dem Tod der bedeutenden Anatomen Herophilos und Erasistratos bekamen die Ärzte aus der Schule der Empiriker die Oberhand. Die Empiriker bezweifelten den Sinn von Sektionen, die Schule der Methodiker meinte gar, ohne anatomische Kenntnisse auskommen zu können. Somit stagnierte erst einmal die Erkenntnisgewinnung im Bereich der Anatomie und Physiologie. In römischer Zeit waren die meisten bedeutenden Ärzte der Ansicht, dass grundlegende anatomische Kenntnisse für einen Arzt unumgänglich seien und Teil der Ausbildung sein müssten. Eine Sektion an menschlichen Leichen war jedoch nach wie vor unüblich und wurde aus ethischen Gründen abgelehnt. Nicht alle waren damit zufrieden. Celsus (s. S. 139) bedauert, dass eine Sektion am Menschen nicht möglich war, da sie zur Erkenntnisgewinnung eigentlich unumgänglich sei. Die römischen Ärzte griffen auf die Schriften und Abbildungen ihrer hellenistischen Vorgänger zurück und behalfen sich mit Sektionen an Tieren, gerne Affen und

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Schweine. Ärzte wie Galen scheuten sich auch nicht, öffentliche Vivisektionen an Tieren vorzunehmen. Er entwickelte gar ausgeklügelte Vorrichtungen, um das zappelnde Tier während der qualvollen Prozedur ruhig zu halten. Schwere Verwundungen bei Soldaten und Gladiatoren erweiterten ebenfalls das anatomische Wissen. Schon deshalb ging so mancher Arzt zur Legion. Hier hatte er ausgiebige Möglichkeiten, seine anatomischen Kenntnisse zu erweitern. Kaiser Marcus Aurelius (reg. 161–180 n. Chr.) soll seinen Ärzten erlaubt haben, Sektionen an gefallenen Barbaren vorzunehmen. An verstorbenen Angehörigen nicht-barbarischer Völker blieb die Sektion ein Tabu. Auch an verstorbenen Sklaven wurden keine Sektionen vorgenommen. Während des Medizinstudiums wurde mit Hilfe der nackten Körper lebender Sklaven und nur von außen die Anatomie des Menschen erklärt. In byzantinischer Zeit war man sich des Wertes von Sektionen an Leichen durchaus bewusst, ohne dass sie durchgeführt wurden. Besonders in frühchristlicher Zeit wurden Sektionen am Menschen von den Kirchenvätern auf das Äußerste verdammt. Die Leiche eines Menschen war nach wie vor unantastbar. Doch wurden in der berühmten Medizinschule von Salerno im 11. Jh. durchaus auch Sektionen an menschlichen Verstorbenen durchgeführt, wenn man auch meistens auf Schweine zurückgriff. Die Kirche sah Sektionen am Menschen nicht gern, sie waren jedoch nicht ausdrücklich verboten.

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ETRUSKER Die Kenntnisse über die etruskische Medizin verdanken wir beinahe ausschließlich der Archäologie, und sie gibt uns nur einen kleinen Ausschnitt der Heilkunde im ersten Jt. v. Chr. auf italischem Boden wieder. Die Kultur der Etrusker war hoch entwickelt, vermutlich war es ihre Medizin auch. Darauf deuten Zahn- und Kieferfunde aus der Zeit seit dem 6. Jh.

v. Chr. Ausgeklügelte Goldschmiedearbeiten befestigten lose Zähne im Kiefer. Ganze Prothesen aus Menschen- und auch Tierzähnen wurden bei Zahnverlust eingefügt (Abb. 9). Die prothetische Zahnheilkunde wurde von den Römern später übernommen. Auch in der Herstellung von Prothesen nahmen die Etrusker eine Vorreiterrolle

Abb. 9: Etruskische Goldstreifenbrücke zur Befestigung eines Schneidezahnersatzes aus Kalbszahn (Nachbildung). Die Arbeit besteht aus sieben breiten Goldstreifenringen, die miteinander verlötet wurden. Die äußeren Ringe waren an den benachbarten Zähnen befestigt, von denen die zwei rechten noch erhalten sind. Der breite Ring trägt den Ersatz für die fehlenden oberen Mittelschneidezähne. Sie wurden hier aus dem Schneidezahn eines Kalbes geschnitzt, der geschickt eingekerbt wurde, um ihn den zwei mittleren Schneidezähnen ähnlich zu machen. Ein weiterer stiftdurchzogener Ring deutet auf den Ersatz eines kleinen vorderen Backenzahnes hin. Dieser ist nicht mehr erhalten. Original aus Tarquinia, etwa 8. Jh. v. Chr. Medizinhistorische Sammlung des Karl-Sudhoff-Instituts Leipzig (Inv.-Nr. 0004).

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KOLUMNENTITEL

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ETRUSKER

ein. Einige kunstvolle Beinprothesen werden den Etruskern zugeschrieben. Interessante Einblicke geben auch die zahlreichen anatomischen Votivfunde. Mit den Abbildungen verschiedener Körperteile in Ton (Abb. 10) oder, seltener, in Silber, baten die Menschen die Götter um Heilung oder Fruchtbarkeit, oder sie waren Geschenke als Dank, wenn ihre Gebete erhört worden waren. Besonders häufig sind männliche und weibliche Geschlechtsteile, weibliche Brüste und Uteri abgebildet. Aber auch alle anderen Körperteile kommen vor – Augen, Lippen, Ohren, Zungen, Hände, Füße, Beine, innere Organe wie Leber und Milz, Torsi mit geöffnetem Leib, so dass die Eingeweide sichtbar wurden. Neben der häufig schablonenhaften Darstellung sind andere Körperteile wiederum sehr realitätstreu nachgebildet. Inwieweit es den etruskischen Ärzten erlaubt war, Einblicke in menschliche Leichen zu nehmen, ist unklar, da auch das Wissen um die Religion, die Philosophie und die Ethik der Etrusker verloren gegangen ist.



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Nur wenige Instrumentenfunde sind bekannt. In ihrer Form unterscheiden sie sich kaum von den späteren römischen Instrumenten. Es wird berichtet, dass die Etrusker reich an Heilpflanzen gewesen seien. Leider wissen wir nicht mehr darüber. Hygiene war für die Etrusker wichtig. Vielleicht, wie bei vielen frühen Völkern, zunächst aus magisch-religiösen Gründen durchgeführt, gewann die persönliche Hygiene in Form von privaten und öffentlichen Bädern und Latrinen immer mehr an Bedeutung. Die Etrusker waren es auch, die in Rom die Cloaca maxima bauten. Abwasserkanäle und Aquaedukte gehörten zu den Bauleistungen der Etrusker, die später die Römer gern übernahmen. Die etruskische Heilkunde hat wie die griechische Medizin die römische Heilkunst beeinflusst und inspiriert. Es ist schade, dass so viel Erkenntnisse und Wissen aus der Kultur der Etrusker verloren gegangen sind.

Abb. 10: Etruskische Votivgaben. Votive sind Weihegaben, die meistens aufgrund einer erfolgreichen Heilung von dankbaren Menschen gestiftet wurden. Manchmal sind sie auch Ausdruck einer Bitte an die Götter. Diese Votivgaben stammen aus Veji, 2.–1. Jh. v. Chr. und zeigen zwei Arme, ein Bein, eine Hand, eine Gebärmutter, einen Phallus und zweimal eine weibliche Brust. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz.

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ROM Archagathos – der Schlächter Archagathos, Sohn des Lysanias, lebte in der 2. H. des 3. Jhs. v. Chr. Im Jahr 219 v. Chr. reiste er von der Peloponnes nach Rom, um dort sein Glück zu machen. Das klappte zunächst auch sehr gut. Er war einer der ersten griechischen Ärzte, die sich in Rom niederließen und war sehr geschickt in der Behandlung von Wunden und Geschwüren, was ihm den Namen „vulnerarius“, Wundarzt, eintrug. Sein Patientenstamm wuchs rasch. Er war so erfolgreich, dass ihm das römische Bürgerrecht verliehen wurde. Sogar ein Behandlungsraum, eine Taberna, wurde ihm auf Staatskosten an einem viel besuchten, sehr vorteilhaften Platz in Rom eingerichtet. Vielleicht machte ihn der schnelle Erfolg ein wenig zu mutig. Immer größere Operationen wagte er. Rücksichtslos und mit weit überzogener Selbstsicherheit brannte und schnitt er, so dass er bald den Beinamen „carnifex“, Schlächter oder Henker, erhielt. Er trieb es so toll, dass der Zorn der versammelten Bürger sich gegen ihn richtete. Schließlich blieb ihm nichts anderes übrig, als fluchtartig die Stadt zu verlassen, sonst wäre es ihm schlecht ergangen. Archagathos schadete dem Ansehen der griechischen Ärzte in Rom, aber auch sein schlechter Ruf konnte ihre zunehmende Ansiedlung in der Hauptstadt nicht aufhalten.

Die Ausbildung der Ärzte – jeder wie er will Die Ausbildung der Ärzte unterlag weder in der griechischen noch in der römischen Antike einer staatlichen Kontrolle. Es gab weder eine Ausbildungsverordnung noch eine Prüfungsordnung oder Zulassungsbestimmung. Arzt konnte jeder werden, der sich dazu berufen fühlte. Die bei Homer genannten Ärzte Machaon und Podaleirios waren Söhne des Arztes, Fürsten und späteren Heilgottes Asklepios. In homerischer Zeit lagen die Kenntnisse der Wundchirurgie bei den Adelsfamilien und wurden in mündlicher Tradition vom Vater an den Sohn weitergegeben. Ab dem 8./7. Jh. bildete sich langsam der Stand der Berufsärzte aus. Noch immer

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oblag die Ausbildung dem Vater. Die Arztfamilien führten ihren Stammbaum meist bis auf Asklepios zurück. Auch Hippokrates stammte aus einer traditionsbewussten Ärztefamilie und lernte seit frühester Jugend bei seinem Vater Herakleides. Mit der Entstehung der größeren griechischen Städte mit ihren vielen Menschen wuchs auch der Bedarf an Ärzten. Nun wurden erstmals Lehrlinge von außen in den Kreis der traditionellen Arztfamilien aufgenommen. Der hippokratische Eid, dessen zeitliche Einordnung ein Problem darstellt, regelt Rechte und Pflichten von Meister und Schüler. Vermutlich war es ab dem 5. Jh. v. Chr. jun-

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DIE AUSBILDUNG DER ÄRZTE – JEDER WIE ER WILL

gen Männern möglich, bei einem Arzt gegen Bezahlung in die Lehre zu gehen. Wurde in den Jahrhunderten davor in der Hauptsache praktisches Wissen vermittelt, kam nun, durch das aufblühende medizinische Schrifttum, reiche theoretische Bildung hinzu. Es bildeten sich medizinische Zentren heraus, die bekanntesten und frühesten waren die Schulen auf Kos und in Knidos, deren berühmte medizinische Lehrer viele Schüler anzogen. Unter den Ptolemäern entstand im Palastbezirk das wissenschaftliche Zentrum von Alexandria, in dem Medizin auf hohem Niveau gelehrt wurde. Aber auch an anderen Orten entwickelten sich Medizinschulen. Hier war die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Diskussion gegeben, die dem Fortschritt in der Medizin sehr förderlich war. Die Medizin wurde als eigenständige Wissenschaft anerkannt. Wie lange ein Medizinstudium zu dauern hatte, war nicht geregelt. Es ist uns ein Vertrag zwischen einem Arzt und seinem Schüler aus dem 3. Jh. v. Chr. überliefert, der die Lehrzeit auf sechs Jahre festlegt. Galen hat fast zwölf Jahre seines Lebens mit dem Medizinstudium an verschiedenen Schulen verbracht, und er forderte eine ebensolche umfassende Bildung, die insbesondere auch die Philosophie, aber auch Rhetorik, Grammatik und Arithmetik umfasste, für jeden Arzt. Auf der anderen Seite gab es den Arzt Thessalos von Tralles (1. Jh. n. Chr.) aus der Schule der Methodiker, der angab, einen Arzt, und sei er auch Sklave, in sechs Monaten ausbilden zu können. Seine Aussage war sehr populär und man sah ihn stets von einer Schar Schüler umgeben, die laut Galen vom Volk jedoch als „die

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Esel des Thessalos“ bezeichnet wurden. Erst Kaiser Domitian (reg. 81–96 n. Chr.) verwahrte sich gegen dieses Kurzstudium und drohte den Ärzten mit dem Entzug von Privilegien, wenn sich die Ärzteschaft nicht einig und entschieden gegen dieses Verfahren auflehnen würde. Anatomie und Physiologie waren die bedeutendsten Teilgebiete der Medizinausbildung. Alexandria nahm hier eine Vorreiterrolle ein, da hier über einige Jahrhunderte hinweg Sektionen an Menschen vorgenommen worden waren. Viele uns überlieferte anatomische Schriften waren für die Lehre geschrieben worden. Ein bedeutendes Werk war zum Beispiel das Buch von Rufus von Ephesos (s. S. 91) Über die Benennung der Körperteile. Rufus schrieb in erster Linie für die Praxis. So wird auch seine Schrift Die Fragen des Arztes an den Kranken für seine Schüler sehr hilfreich gewesen sein. Sektionen an Menschen waren weiterhin nicht üblich, aber die Schüler lernten durch Sektionen an Tieren, deren Anatomie dem Menschen möglichst nahe sein sollte, wie Affen und Schweine. Nackte Sklaven dienten als Anschauungsobjekte für die äußere Anatomie. Auch Arzneimittellehre stellte ein wichtiges Fachgebiet dar. Die Ausbildung bestand aus Vorlesungen und Unterweisungen am Bett des Kranken oder in der Sprechstunde. Wie heute unsere Chefärzte begleitete oft ein Schwarm von Medizinstudenten den lehrenden Arzt. Je berühmter er war, umso mehr Schüler folgten ihm zu den Patienten. Der Dichter Martial klagt seinem Freund Symmachus, dass ihn bei einer solchen Visite hundert eiskalte Hände angefasst hätten und er, der bis

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dahin nur leicht erkrankt war, nun Fieber bekommen habe. In römischer Zeit stammten die Ärzte zunächst häufig aus dem Sklavenstand. Ihre wohlhabenden Herren ließen sie ausbilden, damit ihre Familien und ihre Diener und Sklaven medizinisch betreut werden konnten. Ließen sie den Arztsklaven irgendwann frei, so war er verpflichtet, der Familie seines ehemaligen Herrn auch weiterhin als Arzt zur Verfügung zu stehen. Aus diesem Grund gab es in Rom lange Zeit keine Nachfrage nach freien Berufsärzten, denn zu viele Familien konnten auf ihre Sklaven-Ärzte zurückgreifen. Zu dieser Zeit hatte noch die Hausmedizin Hochkonjunktur. Die griechische Medizin mit ihrem wissenschaftlichen Anspruch war der römischen haushoch überlegen. Aber der Fortschritt war auch in Rom nicht aufzuhalten. Freigeborene kamen als Ärzte hinzu. Meist waren sie griechischer Abstammung, aber auch freigeborene Römer erkannten das Potential. Unter Kaiser Severus Alexander (reg. 222–235 n. Chr.) wurde der Unterricht Sache des Staates. Einige Ärzte wurden für die Lehre freigestellt und aus staatlichen Mitteln finanziert. Man stellte ihnen öffentliche Hörsäle zur Verfügung. Auch mittellose Studenten bekamen nun Gelegenheit, unentgeltlich am Unterricht teilzunehmen. Aber noch immer war der In-

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halt der medizinischen Unterweisungen dem Lehrer anheim gestellt, es gab keine verbindlichen Lehrpläne und auch keine fachlichen Prüfungen. Damit der Laie das fachliche Vermögen eines Arztes beurteilen konnte, wurde theoretisches medizinisches Wissen mehr und mehr Bestandteil der Allgemeinbildung. Viele medizinische Schriften wurden für Laien geschrieben. Diese Tendenz nahm bis zur Spätantike stetig zu. Die erste verbindliche Medizinalordnung für die Ausübung der Heilkunst erließ im Jahr 1140 der normannische König Roger II. von Sizilien. Er bestimmte eine verpflichtende Prüfung vor einem Gremium, bevor der Student die Heilkunde ausüben durfte. Friedrich II. verfügte einhundert Jahre später eine umfassende Ordnung, in der er auch Leitlinien für die ärztliche Ausbildung festlegte. Der Student musste sich nun zunächst drei Jahre dem Studium der Logik widmen, bevor er sein fünfjähriges Medizinstudium, das auch die Chirurgie umfasste, begann. Nach der Prüfung musste er erst ein Jahr als Assistent bei einem erfahrenen Mediziner tätig sein, bevor er sich selbständig machen durfte. In manchen Gegenden nördlich der Alpen dauerte es Jahrhunderte, bis sich die Medizinalgesetzgebung des Stauferkaisers durchsetzte.

Ärzteschulen in Rom – viele Ärzte, viele Theorien Vier große Ärzteschulen bzw. medizinische Lehren sind in Rom auszumachen: Die Dogmatiker, die Empiriker, die Pneumatiker und die Methodiker.

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Die Dogmatiker standen ganz in der Tradition des Hippokrates. Sie vertraten eine rationalistische Medizin, die nach Ursachen und Zusammenhängen forschte

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ÄRZTESCHULEN IN ROM – VIELE ÄRZTE, VIELE THEORIEN

und großen Wert auf anatomische und physiologische Kenntnisse legte. Auch Herophilos und Erasistratos, die beiden großen Anatomen, werden der dogmatischen Schule zugerechnet. Die Methodiker machten es sich ein wenig einfacher. Asklepiades von Prusa (s. S. 54) und sein Schüler Themison von Laodikeia gelten als Begründer der Schule. Anatomie und Physiologie spielte für die Methodiker keine Rolle, auch die Kenntnis der Krankheitsursache war für die Behandlung von sehr untergeordneter Bedeutung. Der ganze erkrankte Körper wurde gesehen, der sich entweder in einem Zustand der Spannung, der Erschlaffung oder deren Mischung befand. Daraus ergab sich die Behandlung. Ein gespannter Körper musste durch erschlaffende Mittel therapiert werden, ein erschlaffter durch anspannende, tonisierende Arzneimittel und physikalische Anwendungen. Somit brauchte ein Arzt der methodischen Schule wenig theoretisches Wissen und nur wenige Heilmittel. Kein Wunder, dass Thessalos von Tralleis behauptete, er könne einen Arzt in sechs Monaten ausbilden. Aber auch der gut ausgebildete und äußerst fähige Arzt Soranos von Ephesos gehörte dieser Schule an. Durch ihn wurde die methodische Lehre sehr viel differenzierter und erlebte einen neuen Aufschwung. Im Gegensatz zu den Methodikern hatte die Schule der Pneumatiker eine philosophische Grundlage, die Lehre der Stoa. Nach der Stoa besaß jeder Körper, belebt oder unbelebt, das Pneuma, die ganze Welt war vom Pneuma durchdrungen. Die Pneumatiker übernahmen

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diese Grundidee und übertrugen sie auf den menschlichen Körper. Das Pneuma war für sie der Träger aller vitalen, psychischen und kognitiven Funktionen. Die Arterien, die vom Herzen ausgehen, enthielten das Pneuma, das mit jedem Herzschlag durch die Adern getrieben wurde. Durch das genaue Befühlen des Pulses konnte der Arzt schon Wesentliches über die Beschaffenheit des Pneumas und damit über den Zustand des Körpers erfahren. Das Pneuma konnte sich in seiner Zusammensetzung verändern, zu dickflüssig werden oder zu dünn, oder es konnte sich in einem ungesunden Tempo durch den Körper bewegen, zu schnell, zu langsam, schwankend oder hüpfend. Die vier Elementarqualitäten, warm, kalt, feucht und trocken, waren mit dem Pneuma verknüpft. Stimmte die Mischung nicht, nahm das unmittelbaren Einfluss auf das fließende Pneuma. Die Pneumatiker legten großen Wert auf eine wissenschaftlich fundierte Medizin. An einem berühmten Vertreter der Schule, Aretaios von Kappadokien (s. S. 77), kann man gut erkennen, wie kenntnisreich und rational begründet das Wissen des Arztes war und, der Lehre der Stoa gemäß, wie seine Schriften von ethischem Gedankengut durchzogen sind. Wie der Name schon andeutet, stützte sich die Lehre der Empiriker auf die Erfahrung. Die Dogmatiker glaubten an verborgene Ursachen für eine Krankheit, die Empiriker meinten, durch Beobachtung und Beschreibung der Symptome einer Krankheit genug über sie zu wissen. Das Forschen nach der Ursache erschien ihnen sinnlos. Damit war es auch nicht

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mehr notwendig, Sektionen vorzunehmen. Indem man Ähnliches auf Ähnliches übertrug, konnte man sicher und ohne viele Umstände mancherlei Erkrankungen therapieren.

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Aber nicht alle Ärzte rechneten sich einer Schule zu. Viele nahmen sich aus jeder Lehre das heraus, was ihnen sinnvoll erschien und therapierten ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen.

Asklepiades von Prusa – der Kaltwasserheiler Die Lebensdaten des griechischen Arztes Asklepiades sind nicht genau bekannt. Er wurde in der 2. H. des 2. Jh. v. Chr. in Bithynien (Kleinasien) geboren und kam als junger Arzt nach Rom. Hier wirkte er zunächst als erfolgreicher Redner und gewann die Freundschaft einiger bedeutender römischer Politiker wie Crassus und Cicero. Nachdem er Fuß gefasst hatte, wandte er sich der Heilkunst zu. Deswegen war er ja eigentlich nach Rom gekommen. Asklepiades prägte entscheidend das römische Bäderwesen. Nach den schlechten Erfahrungen, die die Römer mit Ärzten wie Archagathos, dem „Schlächter“, gemacht hatten, versprach Asklepiades „sicher, rasch und angenehm“ zu heilen. Neben seinen Kaltwassertherapien in Form von Waschungen, Duschungen und Bädern, durch die er bekannt wurde, verordnete er auch Warmwassertherapien, Thalasso-ähnliche Behandlungen, Massagen, passive Bewegungen wie Getragenwerden im Sessel, Spazierenfahren, Schaukeln in einem Schwebebett, aktive Bewegungen wie Gymnastik und Spazierengehen, Weinkuren, Fasten, Luft, Licht und Musik. Aderlass, Brechmittel und Einläufe wandte er nur mit Vorsicht und sehr ungern an. Seine Therapie umfasste diätetische, physikalische und psychische Behandlungen, war also das, was wir heute als „ganzheitlich“ bezeichnen würden. Asklepiades’ Methoden kamen gut an. Unter seinen Patienten fanden sich so illustre Persönlichkeiten wir Marcus Antonius und Mucius Scaevola. Sein Auftreten muss sehr selbstbewusst und dabei außerordentlich gewinnend gewesen sein. Er war ein Künstler darin, sich selbst zu vermarkten und inszenierte spektakuläre öffentliche Heilungen wie das Erwecken eines Scheintoten, der bereits auf dem Scheiterhaufen lag. Sein Ruf brachte ihm sogar ein lukratives Angebot ein, an den Hof Mithridates’ VI. zu kommen, das er jedoch ablehnte. Stattdessen sandte er dem König seine Schriften. Asklepiades schrieb zahlreiche Werke, zwanzig Titel sind uns namentlich bekannt, aber ihr Inhalt ging verloren. Galen behauptete, dass Asklepiades über keine guten anatomischen Kenntnisse verfügte. Allerdings gilt der Grieche als Erfinder des Luftröhrenschnittes bei Angina, und er unterschied differenziert zwischen akuten und chronischen Erkrankungen. Ausgehend von den Atomtheorien der Platonschüler Herakleides Pontikos und Epikuros entwickelte der Arzt seine eigene Lehre. Asklepiades lehrte, dass Körper und Seele aus unsichtbaren Teilchen bestehen. Solange sich diese Teilchen frei und ausgewogen bewegten, war der Körper gesund. Trat eine Störung bei der freien Bewegung der Teilchen auf, wurde der Mensch krank. Diese physikalische Denkweise unterschied sich grundlegend von der chemischeren Betrachtungsweise der Säftelehre der Hippokrates-Schule. Während die Hippokratiker der Ansicht waren, dass die Natur die Heilerin

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der Krankheiten war, schrieb Asklepiades „Nicht nur, dass die Natur nichts nützt, sie schadet sogar bisweilen.“ Asklepiades starb vermutlich durch einen Unfall hochbetagt um das Jahr 56 v. Chr. Mit ihm hatte die wissenschaftliche Medizin Einzug in Rom gehalten. Die Römer öffneten sich für die ärztliche Kunst und schafften die Voraussetzung für den einsetzenden Zustrom griechischer Ärzte.

Bäderwesen und Heilbäder – Hygiene, Heilung und soziales Leben Privatbäder sind seit mykenischer Zeit (ca. 1600–1000 v. Chr.) nachgewiesen. Die ersten öffentlichen Bäder entstanden etwa im 5. Jh. v. Chr. Seit hellenistischer Zeit diente das Bad zusätzlich medizinischen Zwecken, und nun war es auch möglich, es mittels einer Hypokaustumanlage zu heizen. „Hypokaustum“ bedeutet, dass die Räume vom Fußboden her erwärmt wurden. Im römischen Kulturkreis soll ein findiger Kaufmann namens Sergius Orata die Hypokaustenanlage erfunden haben. Angeblich hatte er seine Austernbänke und Fischbecken beheizt, um seinen Ertrag zu steigern, und als das hervorragend klappte, habe er solche Hypokaustenbäder auch in Privatvillen einbauen und sich teuer bezahlen lassen. Eine schöne Geschichte, aber leider nicht wahr. Beheizbare Bäder sind bereits aus früheren Zeiten archäologisch nachgewiesen. Im Verlauf der frühen Kaiserzeit wurden die Bäder immer luxuriöser, größer und schöner (Abb. 11). Reiche Privatleute, Politiker und Kaiser stifteten repräsentative, kunstvoll ausgestattete Thermen zum Wohl des Volkes, aber auch,

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und das vielleicht an erster Stelle, zur Selbstdarstellung. Bedachte und offene Sportanlagen, Bibliotheken, Massageund Versammlungsräume waren den Thermen angeschlossen. In manchen Bädern wurden sogar Operationen durchgeführt. Aber auch in den ärmeren Wohnbezirken und an Verkehrsknotenpunkten gab es kleinere, weniger schmuckvolle, aber zweckmäßige öffentliche Thermen. Natürlich hatten die Privatvillen der Wohlhabenden eigene Bäder, die mit Marmor, Glas, Mosaiken, Wasserhähnen aus Edelmetall, Standbildern und Säulen ausgestattet waren. Frauen und Männer badeten in den meisten Zeitepochen getrennt, entweder in verschiedenen Räumlichkeiten oder zu unterschiedlichen Tageszeiten. Wie muss man sich nun einen Badevorgang vorstellen? Im apodyterium zog sich der Gast aus. Mitgebrachte Sklaven oder Badbedienstete kümmerten sich während der Abwesenheit des Gastes um seine Kleidung und sorgten dafür, dass nichts gestohlen wurde. Holzsandalen schützten die Füße vor den hohen Fußbodentemperaturen und vor dem Ausrut-

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schen auf dem feuchten oder auch mit Öl verschmutzten Stein- oder Marmorboden. Leintücher dienten zum Abtrocknen und Bedecken des Körpers nach dem Bad. Männer behielten vermutlich den Schurz an, den sie unter ihrer Tunica trugen, Frauen trugen eine Art Bikini. Im Wasser selbst waren die Badegäste wahrscheinlich nackt. Nach einem kurzen Aufenthalt im tepidarium, einem Warmluftraum, der der Akklimatisierung diente, ging es weiter in das caldarium. Dieser warme Baderaum lag meistens nach Süden, damit viel Sonne und Licht in den Raum strömen konnte. Hier fand die Körperpflege statt. Durch das tepidarium wandelte man dann in das frigidarium, das Kaltwasserbad. Das kalte Wasser kühlte den Körper, schloss die Poren und stärkte die Abwehrkräfte. Wenn man wollte, konnte man auch das laconium oder sudatorium aufsuchen, das Schwitzbad. Allerdings war das nur für Männer angezeigt, die Ärzte warnten davor, dass ein Heißluftbad der weiblichen Konstitution nicht zuträglich sei. Auch das frigidarium sollten Frauen möglichst meiden. Dem Mann dagegen gab es Stärke und Widerstandkraft. Eine Salbung mit Öl am Ende des Badeganges stärkte die Haut gegen Umwelteinflüsse. Behaarte Körper galten als unschön, daher gab es spezielle Räumlichkeiten zur Entfernung der Körperhaare. Seneca berichtete davon, wie ihn das Schreien der Leute störte, denen die Achselhaare ausgerissen wurden. Viele Thermen besaßen ein großes



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Schwimmbecken, das entweder im Freien lag oder auch überdacht sein konnte. Gegen Gebühr konnte man sich massieren lassen oder man brachte sich einen Sklaven von zu Hause mit, der sich auf so etwas verstand. Frauen ließen sich hier schminken und die Haare legen. Die Reinigung des Körpers erfolgte mit dem strigilis, einem metallischen Schabgerät. Seife in unserem Sinn gab es nicht. Bimssteine und tonige Erde sind als Seifenersatz bekannt, auch eine Mischung aus Fett und Pflanzenasche, das sapo, wird in der Kaiserzeit erwähnt. War man nun krank, gab es detaillierte und sehr unterschiedliche Empfehlungen und Anweisungen der Ärzte, wie man diesen herkömmlichen Badevorgang verändern musste, um seinem Körper Gutes zu tun. Schon im 5. Jh. v. Chr., also zur Zeit des Hippokrates, wurden verschiedene Kombinationen warmer und kalter Bäder beschrieben, die die Körpersäfte regulieren sollten. Allerdings wurde vor zu häufigem warmem Bad gewarnt, da es dem Körper meist abträglich sei. Auch die Römer bevorzugten zunächst die kalten Bäder. Die griechischen Ärzte Asklepiades und Antonius Musa machten die Kaltwassertherapie im spätrepublikanisch-frühkaiserzeitlichen Rom bekannt und konnten sich nach spektakulären Heilerfolgen vor Patienten kaum retten. Antonius Musa heilte sogar Kaiser Augustus (reg. 31 v. Chr. – 14 n. Chr.) von einem lebensbedrohlichen Leber-

Abb. 11: Badende Frauen im frigidarium römischer Thermen. Lawrence Alma-Tadema, „A favourite custom“ (1909), Öl auf Holz. Das frigidarium war innerhalb der Thermen der Raum zum Abkühlen. Häufig enthielt er ein Kaltwasserbecken. Tate Gallery, London.

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leiden und von seinen chronischen Gelenkschmerzen, indem er ihm Wechselbäder verordnete. Im 1. Jh. n. Chr. wurden einige Erfindungen gemacht, die es ermöglichten, hohe Badetemperaturen zu erreichen und auch zu halten. Baderäume wurden nun mit Hohlkacheln, sog. tubuli, ausgestattet, die die Wärme auch in die Wände leiteten, und die Fenster konnten verglast werden. Nun wurde das Heißbaden modern. Viele Ärzte gingen dazu über, ihren Patienten das Warmbaden zu empfehlen und gaben konkrete Anweisungen, welches Vorgehen bei welchen Krankheiten Anwendung finden sollte. Andere Ärzte bevorzugten wiederum das Baden in Meerwasser. Auch Meerwasser-

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schwitzbäder wurden bei bestimmten Erkrankungen empfohlen. Wie immer und überall neigten auch in der Antike die Menschen dazu, zu übertreiben. Daher sahen sich etliche Ärzte und medizinische Autoren gezwungen, ernsthafte Warnungen auszusprechen, das Warmbaden nicht zu übertreiben, da es der Gesundheit sehr schaden könne. An vielen Orten entstanden Heilbäder. Eines der bekanntesten und ältesten war Baiae im Golf von Neapel. Die Superreichen hatten hier in dieser atemberaubend schönen Landschaft ihre Villen, aber Baiae war auch bei den weniger Betuchten äußerst beliebt. Schwefelhaltige Thermalquellen hatten den Ort schon

Antonius Musa – der antike „Kneipp“ Antonius Musa war ein Schüler des Asklepiades von Prusa und wirkte im 1. Jh. v. Chr. Wie sein Bruder Euphorbos, der Leibarzt des numidischen Königs Juba II., war auch Musa Arzt. Wie viele Mediziner dieser Zeit kam er vermutlich aus dem Sklavenstand. Einige Quellen berichten, dass er Sklave und dann Freigelassener des Marcus Antonius gewesen sei, der ja ein Fan der sanften Wassertherapie des Asklepiades war und Musa bei dem berühmten Arzt in die Lehre schickte. Im Jahr 23 v. Chr. gelang es Musa, Kaiser Augustus durch kalte Bäder und Umschläge von einem akuten, lebensbedrohlichen Leberleiden zu heilen. Auch die quälenden chronischen Gelenkschmerzen des Kaisers verbesserten sich drastisch unter der ausgeklügelten Wechselbadtherapie. Marcus Antonius hat sich bestimmt im Grab umgedreht, dass ausgerechnet sein ehemaliger Sklave seinem Erzfeind das Leben rettete und ihm ein schmerzreiches Leben ersparte. Obwohl Musas Kaltwasser- und Wechselbad-Behandlung bei Marcellus, dem Neffen und Schwiegersohn des Augustus, kurz darauf versagte, wurde der Arzt hochgeehrt, reich beschenkt und sogar als erster römischer Arzt in den Ritterstand erhoben. Eine Bildsäule des Musa zierte den Aesculaptempel auf der Tiberinsel, und er erhielt die immunitas, d. h. er war von der Grundsteuer und persönlichen Abgaben befreit. Im Jahr 10 n. Chr. verlieh der dankbare, stets etwas kränkelnde Augustus allen Ärzten die Immunität. Musa befasste sich auch mit botanischen Studien. Zwei pharmazeutische Schriften werden ihm zugeschrieben, er hinterließ u. a. Rezepte gegen Augenleiden, Nasengeschwüre und Nierenschmerzen.

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Abb. 12: Römische Thermen in Aquae Sulis, dem heutigen Bath in Südwestengland. Die Römer nutzten die drei heißen Quellen, die einzigen auf den britischen Inseln, um sich im rauen Klima Britanniens wenigstens ein wenig wie zu Hause zu fühlen. Schon in neolithischer Zeit wärmten die Menschen in den Quellen ihre kalten und kranken Körper. Seit Mitte des 1. Jh. n. Chr. wurde die Anlage stetig erweitert.

früh berühmt gemacht, aber er hatte noch mehr zu bieten. Neben Schwefel enthielten die Heilwässer des Kurortes Alaun, Natron und Bitumen, heiße Dämpfe stiegen aus der unruhigen, süditalischen Erde. In den Tempeln und Thermen wurden die Gäste und Hei-

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lungssuchenden verwöhnt und umsorgt. Speziell ausgebildetes Personal kümmerte sich sachkundig um die Kur- und Urlaubsgäste. Von der grünen, bewaldeten Hügelkette bis zum Meer erstreckten sich die großartigen, prachtvollen Thermenbauten. Charakteristisch für Thermal-

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bäder waren die großen Schwimmbecken, die von Einzelwannenräumen umgeben waren. Dazu kamen Behandlungs- und Ruheräume. Wenn man Martial und Seneca Glauben schenken darf, ging es in Baiae allerdings ziemlich lebhaft zu, und viele der Gäste nutzten den Aufenthalt für amouröse Abenteuer. Ruhiger war es in den Heilbädern nördlich der Alpen. Die meisten dieser Orte sind auch heute noch in Nutzung.

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Badenweiler, Baden-Baden, Schlangenbad, Aachen (Aquae Granni), Bath in Südengland (Abb. 12), um nur einige zu nennen. Das kalte, unwirtliche Klima legte es für die wärmeverwöhnten Römer nahe, Erholungsbäder anzulegen. Allerdings haben die meisten dieser Heilbäder bereits keltische oder germanische Vorläufer, denn auch die einheimische Bevölkerung wusste den Wert der heißen, schwefel- und mineralhaltigen Quellen

Badeprozedur beim Kranken Nach ihrem Eintritt halten sie (die Kranken) sich zuerst im Warmluftzimmer (tepidarium) auf, darauf steigen sie ins warme Bad (caldarium), dann gehen sie hinaus und steigen ins kalte Bad (frigidarium), schließlich reiben sie sich den Schweiß ab. Der erste Teil des Bades dient dazu, die Stoffe des ganzen Körpers zu erwärmen und zu lösen und Ungleichgewichte auszugleichen, endlich die Haut aufzulockern und was sich unter ihr angesammelt hat zu entleeren. Der zweite Teil dient dazu, falls jemand mit trockener Körperkonstitution ihn anwendet, heilsame Feuchtigkeit in die trockenen Teile des Körpers zu bringen. Der dritte Teil des Badeganges, wenn wir nämlich das Kaltbad anwenden, soll den gesamten Körper abkühlen, die Poren schließen und die Kräfte stärken. Der vierte Teil endlich soll den Körper durch Schweißfluss entleeren, ohne ihn einer Gefährdung durch die Abkühlung auszusetzen. Wenn der erste der drei Baderäume warm genug ist, soll der Kranke, vor seinem Weitertransport in den zweiten, hier entkleidet werden; sollte er dir aber noch zu kalt erscheinen, so soll er nicht nackt, sondern bedeckt weitertransportiert werden. … Es soll aber dieser mittlere Raum nicht nur der Lage nach der mittlere sein, sondern auch hinsichtlich des Wärmegrades den ersten ebenso weit übertreffen, wie dem zweiten nachstehen. In diesem Raum soll laues Öl bereit sein, um es rasch auf dem Kranken zu verteilen. Daraufhin sollen sie in den dritten Raum gehen und ihn in die warme Wanne bringen. … Es soll aber die Luft in allen Baderäumen weder übermäßig heiß noch übermäßig kalt sein, sondern ziemlich temperiert und mäßig feucht; das wird sie aber sein, wenn wohltemperiertes Wasser reichlich aus der Badewanne gesprengt wird, so dass es durch alle Räume hindurchfließt. Im Wasser der warmen Wanne soll der Kranke sich nur kurze Zeit aufhalten, ohne dass ihm eine Übergießung, wie wir sie sonst gewöhnt sind, zuteil wird. Dann soll er hinausgetragen und mit dem ganzen Körper ins kalte Wasser getaucht werden. (Galen, De methodo medendi)

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zu schätzen. Vielfach wurden hier lokale Götter bzw. Quellgötter verehrt, wie Grannus, Sirona oder Dea Sulis. Die Heilbäder mit ihren heißen Quellen fanden lebhaften Zuspruch nicht nur bei den Römern, sondern weiterhin auch bei der einheimischen Bevölkerung. Manche der Heilthermen scheinen aber dem römischen Militär und deren Familienangehörigen vorbehalten gewesen zu sein. Merkwürdigerweise hat sich in Griechenland trotz vieler Thermalquellen nie ein wirkliches Heilbädernetz entwickelt. Aber die Römer nahmen ihre Bäderkultur mit nach Nordafrika und Kleinasien. Neben den öffentlichen Thermen und den Heilbädern gab es Militärbäder an den Truppenstandor-

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ten. Sie enthielten fast immer ein Schwitzbad und ein Schwimmbad sowie einen offenen oder auch bedachten Sportplatz. Sie waren natürlich nicht so luxuriös wie die Bäder in Rom, man errichtete sie in einer Holz-Stein-Mischbauweise. Räume, in denen gebadet wurde und die daher feucht waren und Räume, die durch die Hypokaustumanlage geheizt wurden, baute man aus Stein. Für die meisten Römer bedeutete ein tägliches Bad eine Selbstverständlichkeit. Öffentliche Bäder waren häufig subventioniert, der Eintritt sehr preiswert oder sogar kostenlos. Bäder hatten eine überaus große Bedeutung für die Hygiene, das Wohlbefinden und das soziale Leben.

Galen von Pergamon – Polemiker und genialer Arzt Galen (Abb. 14) wurde 129 n. Chr. im kleinasiatischen Pergamon geboren. Sein Vater war der wohlhabende Architekt und Mathematiker Nikon. Galen spricht stets in großer Ehrfurcht und Dankbarkeit von ihm. Seine Mutter hingegen scheint eine Xanthippe gewesen zu sein, jähzornig und gewalttätig. Angeblich biss sie sogar ihre Sklaven. Von ihr erbte der junge Mann das cholerische Temperament. Der Vater ließ seinem begabten Sohn eine ausgezeichnete Erziehung angedeihen, die sowohl eine umfassende Allgemeinbildung als auch gute mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse umfasste. Als Galen vierzehn Jahre alt war, begann er mit dem Studium der Philosophie. Mit sechzehn Jahren fand er Gefallen an der Medizin. Es traf sich günstig, dass sein Vater zur gleichen Zeit vom Gott Asklepios träumte, der ihm empfahl, den Sohn als Arzt ausbilden zu lassen. Da Geld keine Rolle spielte und Galen einen überaus großzügigen Vater hatte, begann er mit medizinischen Studien. Er hatte seine Berufung gefunden. Sein Vater starb, als er zwanzig Jahre alt war. Nun war er finanziell unabhängig. Sein Ziel stand fest: Er wollte ein einflussreicher Arzt werden. Nur bei den Besten wollte er lernen. So reiste er zunächst nach Athen, aber auch nach Alexandria in Ägypten, das nach wie vor die bedeutendste medizinische Lehrstätte des Römischen Imperiums war. Hier wurde noch die Knochenlehre am menschlichen Skelett gelehrt. Nirgends war das anatomische Wissen so groß wie hier in Alexandria. Die Lehren der fleißigen Sezierer Herophilos und Erasistratos waren hier noch lebendig. Zu Galens Zeiten war es jedoch nicht

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mehr üblich, Studien an menschlichen Leichnamen oder gar lebenden Menschen durchzuführen. Schweine, Affen und Ziegen mussten zu Lehrzwecken herhalten. Galen hatte die berühmtesten Ärzte seiner Zeit als Lehrer, und er war ein ehrgeiziger und lernbegieriger Schüler. Nach fast zwölf Jahren Studium nahm er mit achtundzwanzig Jahren die Stelle eines Gladiatorenarztes in seiner Heimatstadt Pergamon an. Gladiatoren waren wertvoll. Sie erhielten die beste ärztliche Versorgung, die man für Geld bekommen konnte. Leichte und schwere Verletzungen waren hier an der Tagesordnung, und Galen erwarb weitreichende chirurgische Fertigkeiten und erweiterte seine anatomischen Kenntnisse. Um die Gladiatoren fit zu halten, spielten auch Diätetik und körperliches Training eine große Rolle. Drei Jahre waltete er hier als Arzt. Aber seinen Ehrgeiz konnte diese Tätigkeit auf Dauer nicht befriedigen. Er ging dahin, wo das Herz des Weltreiches schlug, nach Rom. Galen war ein sehr fähiger Arzt, aber auch ein begabter Selbstdarsteller ohne jegliche Selbstzweifel. Öffentlich hielt er Vorlesungen über die Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers. Dabei führte er Vivisektionen an Schweinen, Affen und Ziegenböcken durch. Durch eindrucksvolle Heilerfolge war er bald in aller Munde. Die Patienten strömten nur so zu ihm. Bald kamen einflussreiche Kreise hinzu. Seine Konkurrenz war davon wenig begeistert, konnte seinen Erfolg aber nicht aufhalten. Selbst das Kaiserhaus wurde auf ihn aufmerksam. Er stieg bis zum Leibarzt des Thronfolgers Commodus auf, beriet Kaiser Marcus Aurelius selbst. Doch auf dem Höhepunkt seines Ruhmes verließ er im Jahr 166 n. Chr. plötzlich Rom, um nach Pergamon zurückzukehren. Es ist nicht ganz klar, warum er dies tat. Angst vor der wütenden Konkurrenz, die er verhöhnt und gedemütigt hatte? Die „Antoninische Pest“, von der zu erwarten war, dass sie Rom überrollen würde? Er ließ sich Zeit bei seiner Reise zurück nach Griechenland, blieb zu Studienaufenthalten in Campanien, auf Zypern und in Palästina. In Pergamon wurde er erneut Gladiatorenarzt. Marcus Aurelius indes wollte auf seinen Arzt nicht verzichten. Die „Antoninische Pest“ war zu einem großen Problem geworden, der Kaiser forderte Galen auf, zu ihm nach Aquileia zu kommen. Nur zögernd kam der Arzt dieser dringenden Bitte des Kaisers nach. Der Mitregent Lucius Verus war bereits an der Seuche (?) gestorben. Marcus Aurelius kehrte nach Rom zurück. Hier fand sich dann auch mit Verzögerung Galen ein. Als der Kaiser ihn aufforderte, ihn auf seinen Feldzügen gegen die Markomannen zu begleiten, gelang es dem davon wenig begeisterten Galen als Leibarzt des jungen Kaisersohnes Commodus in Rom zu bleiben. Marcus Aurelius starb 180 n. Chr. in seinem Feldlager in Vindobona vermutlich an der „Antoninischen Pest“. Ob Galen in seiner Funktion als Leibarzt des Kaisers bei ihm war, wissen wir nicht. In dreißig Jahren diente Galen fünf römischen Kaisern (Marcus Aurelius, Lucius Verus, Commodus, Septimius Severus und Caracalla). Eine seiner Hauptaufgaben bestand darin,



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Abb. 13: Latrine in den Thermen in Saint-Romain-en-Gal (Dép. Rhône, Frankreich), gallorömische Siedlung (um 30 v. Chr. bis Mitte 3. Jh. n. Chr.). Die Latrinen waren keine abgesonderten Örtchen, sondern durchaus sehr kommunikativ, wie man hier sehen kann. Auf Reinlichkeit wurde sehr geachtet.

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Abb. 14: Galen, Titelblatt der Ausgabe Galeni opera ex sexta Juntarum editione, Venedig 1586. In der Holzschnittbordüre befinden sich Szenen aus dem Leben Galens, u. a. auch die Vivisektion eines Ebers. Galens Werke prägten nachhaltig die antike und arabische Medizin, und seine medizinische Autorität blieb bis weit in die Neuzeit spürbar.

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täglich das komplizierte Allheilmittel und Gegengift Theriak für die hohen Herren herzustellen. Das Datum seines Todes ist nicht genau bekannt. Gesichert scheint nur, dass er vermutlich über 80 Jahre alt wurde und um 210 n. Chr. in Pergamon oder Rom starb. Während er in seiner Kindheit häufig krank war, blieb er im Erwachsenenalter von den meisten Krankheiten verschont und war bis ins hohe Alter als Arzt und Schriftsteller tätig. Schüler oder Nachfolger sind nicht bekannt. Galen war ein sehr produktiver Autor, er soll über 400 Werke verfasst haben. Und er schrieb nicht nur über Medizin, sondern auch über Philosophie und Linguistik. Zudem war er ein aufrichtiger Verehrer des Hippokrates. Seine beißende Kritik und sein Hohn verfolgten all diejenigen, die andere Theorien vertraten. Er folgte dem hippokratischen Prinzip, die Heilkraft der Natur zu unterstützen und war Anhänger der Viersäftelehre, die er weiterentwickelte. Austreibende Maßnahmen wie Aderlässe, Brech- und Abführmittel, Schwitzmittel und harntreibende Arzneimittel sollten Krankheitsstoffe und Stoffwechselschlacken beseitigen und die Säfte harmonisieren. Allerdings warnte er vor einer unmäßigen Anwendung besonders des Aderlasses. Wie Hippokrates schenkte er der Diätetik besondere Beachtung. Die gesunde Lebensführung stand bei ihm vor der medikamentösen Therapie und besonders auch vor der Chirurgie. Dabei war es für ihn wichtig, den derzeitigen individuellen Zustand und das derzeitige Bedürfnis des Patienten zu beachten. Ausführlich beschreibt er Fragen der Ernährung, der Leibesübungen, der Ruhe und der Arbeit. Er gibt ausführliche Anweisungen zum Baden für Gesunde und Kranke und beschäftigt sich auch mit Fragen des geregelten Geschlechtsverkehres, den er auch als Heilmittel anzuwenden weiß. Wie Platon und Aristoteles ist er gegen das Übertrainieren oder das zu einseitige Trainieren, die athletische Körperverfassung hält er für äußerst gesundheitsschädlich. Maßvolles Training sei am wirkungsvollsten für die Gesundheit. Seine Empfehlungen richtet er in seiner „netten“ direkten Art selbstverständlich nur an Menschen mit Bildung – „Ich habe mein Buch nicht für Germanen, auch nicht für Bären oder wilde Schweine geschrieben, sondern für Griechen oder wenigstens für solche Menschen, die griechische Denkweise haben.“ Zumindest hält er die germanische Seife für die beste. Als ausgezeichneter Diagnostiker und hervorragender Sezierer erweiterte er das medizinische Wissen um ein Vielfaches. Die Anatomie war für ihn grundlegend. Nur durch ausgezeichnete anatomische Kenntnisse könne man die Ursachen von Krankheiten herausfinden und eine wirksame Behandlung veranlassen. Er führte zahlreiche Sektionen an Tieren durch, nicht selten auch an noch lebenden Tieren, für deren Sezierung er spezielle Vorrichtungen baute. Dabei ermahnte er seine Leser und sich selbst, nicht auf die Schreie der gequälten Tiere zu achten, sondern ohne zu zögern das Messer zu gebrauchen. Da er den Kaiser nicht auf seinen Feldzügen begleitete, konnte er dessen Angebot nicht annehmen, getötete Barbaren zu sezieren. Für ihn gab es drei Grundbefindlichkeiten des menschlichen Körpers: Gesundheit, Krankheit und einen „neutralen“ Zustand, der dazwischenlag. Der Körper stellte für ihn das Werkzeug der Seele dar. Seine Werke zeigen den brillanten Wissenschaftler, der den Unterschied zwischen sensorischen und motorischen Nerven erkannte, der den Zweck von

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Organen detailliert beschrieb, der das bekannte medizinische Wissen um ein Vielfaches erweiterte und systematisierte, aber auch die polemische, pedantische und außerordentlich prahlerische Persönlichkeit dieses bedeutenden Arztes. Für ihn durfte sich nur Arzt nennen, wer gleichzeitig zumindest auch Philosoph war, sich in medizinischer Astrologie auskannte und ein ebenso weitreichendes Studium absolviert hatte, wie er selbst. Galen beschreibt in seinen Werken, dass er Drogen und Pharmaka aus allen Herren Länder bezog. Die Rezepte sind oft außerordentlich kompliziert und umfassen mehr als zwanzig Mittel, manchmal mehr als sechzig Einzelzutaten. Heute noch bezeichnet man als Galenik „die Wissenschaft von der Zubereitung von Arzneimitteln aus Arznei- und Hilfsstoffen“ (Pschyrembel). Galen systematisierte die in der Antike bekannten Arzneimittel und beschrieb ihre Wirkungsweise und den Wirkungsort. Ausgezeichnete Beobachtungsgabe und Erfahrung liegen seinen Werken zugrunde, aber er zog auch ältere Schriften und Abhandlungen zurate. Die Mittel der sogenannten „Drecksapotheke“ lehnte er für seine Praxis entschieden ab. Galen unterschied 27 Arten des Pulses, die für Diagnostik und Prognose für ihn von entscheidender Bedeutung waren. Auch die unterschiedlichen Schmerzempfindungen, klopfend, reißend, ziehend, dumpf, usw., halfen ihm bei Diagnose und Therapie. Träume waren keine Schäume, sondern Bestandteile der klinischen Untersuchung, die viel über den Zustand des Patienten aussagten. Im Jahr 192 vernichtete ein Brand den Friedenstempel in Rom, den Treffpunkt der römischen Intelligenz. Viele Handschriften wurden hier aufbewahrt. Der Brand vernichtete viele bedeutende Werke, darunter auch zahlreiche des Galen. Doch erhielten sich genügend seiner medizinischen Schriften, um ihm seinen grundlegenden Einfluss auf die Medizin späterer Zeiten zu sichern. Im Mittelalter und der Renaissance beriefen sich die Ärzte in erster Linie auf seine Werke. Die hellenistisch geprägte Medizin des Galen fand auch Eingang ins arabisch-islamische Mittelalter. Zahlreiche arabische Übersetzungen sind bekannt. Der große arabische Arzt Avicenna (Ibn Sina) war ein Bewunderer des Galen. Die Vorstellungen des griechischen Arztes flossen in die muslimische Medizin ein und prägten sie grundlegend, bis das medizinische Wissen der Antike wiederum seinen Weg zurück nach Europa fand.

Viersäftelehre/Humoralpathologie – von Blut, Schleim und Galle Am Anfang stehen die im Corpus Hippocraticum erwähnten Zwei- und Dreisäftelehren. Im Buch Die Heilige Krankheit werden die Säfte Galle und Schleim und in den Schriften Über die Umwelt und Epidemien die Säfte Galle, Schleim und Blut

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unterschieden. In dem viel beachteten Werk Über die Natur des Menschen, dessen Verfasser umstritten ist (vermutlich Hippokrates selbst, vielleicht aber auch sein Schwiegersohn Polybos), werden zum ersten Mal vier Säfte als Ursachen für

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VIERSÄFTELEHRE/HUMORALPATHOLOGIE – VON BLUT, SCHLEIM UND GALLE

Konstitution, Krankheit und Gesundheit des Menschen beschrieben: Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Stehen diese vier Säfte in einem harmonischen Verhältnis zueinander, so ist der Mensch gesund. Es herrscht Eukrasie. Geraten die Säfte in Unordnung, gibt es von einem zu viel oder zu wenig oder sondert sich ein Saft von den anderen ab, so erkrankt der Mensch, es herrscht die sogenannte Dyskrasie. Diese Viersäftelehre der Hippokratier harmonierte hervorragend mit der von dem Naturphilosophen und Wanderarzt Empedokles (ca. 490–430 v. Chr.) (s. S. 19) aufgestellten Lehre über die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde samt ihren zugeordneten Qualitäten warm, feucht, trocken, kalt. Galen, der in der Tradition des Hippokrates stand, entwickelte die Viersäftelehre zu einem ausgeklügelten, komplizierten Denkmodell, mit dem er das Entstehen und den Verlauf der Krankheiten und ihre beste Therapie rational erklären konnte. Viele Menschen, so die Theorie, werden schon mit dem Überhang eines Saftes geboren oder haben die Disposition dazu. Damit sind sie von Geburt an für spezielle Krankheiten besonders anfällig. Aber auch eine unausgewogene, ungesunde Lebensführung, Diätfehler im weitesten Sinne, Umwelteinflüsse, besonders die verschiedenen Jahreszeiten, und das Lebensalter können die Säfte in Unordnung geraten lassen. Logischerweise kann es nur zur Gesundung kommen, wenn der überschüssige Saft aus dem Körper entfernt oder zu einem unwichtigen Körperteil weitergeleitet wird. Ausleitungsverfahren wie Aderlass, Schröpfen, Anregung der Urinausscheidung und der

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Schweißbildung, Erbrechen und Darmentleerung sowie das Therapieprinzip contraria contrariis, d. h. Gegensätzliches mit Gegensätzlichem zu behandeln, also z. B. bei Fieber den Körper zu kühlen, stellten die Basis der Behandlung dar. Jeder dieser Säfte wird laut Galen in einem anderen Organ gebildet. So entsteht das Blut im Herzen und in der Leber, die gelbe Galle in der Leber, die schwarze Galle entstammt der Milz, und der Schleim wird im Gehirn produziert. Großen Einfluss hat dabei die Ernährung, da die Bestandteile der aufgenommenen Nahrung an der Säftebildung grundlegend beteiligt sind. Daraus ergibt sich, dass die Art der Ernährung individuell auf den Säfte-Typus des Menschen abgestimmt sein muss, damit seine Gesundheit keinen Schaden nimmt oder um seine Gesundheit zu verbessern. Manche Lebensmittel sind eher wärmend, andere kühlend, einige sind feucht, andere trocken. Nach dem Prinzip contraria contrariis soll also ein Mensch, bei dem die schwarze Galle überwiegt, dessen Konstitution somit trocken-kalt ist, darauf achten, hauptsächlich feucht-warme Nahrung zu sich zu nehmen wie z. B. Möhren, Pastinak, Sellerie, Knoblauch, Zwiebeln und Fenchel. Zudem ordnete Galen Säften und Elementen noch verschiedene Seelenstimmungen zu, da er der Ansicht war, dass sich die Seele durch die Mischung der Säfte unterschiedlich entwickle. Auch die Affekte, wie z. B. der Zorn, resultierten aus Veränderungen in der Mischung der Säfte und Elemente. Erst im Mittelalter werden den Körpersäften auch die vier verschiedenen Temperamente des Men-

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schen zugeordnet: Blut – der Sanguiniker, Schleim – der Phlegmatiker, gelbe Galle – der Choleriker und schwarze Galle – der Melancholiker.

Zusammenfassend können also für die Antike folgende Zuordnungen festgehalten werden:

Schleim

feucht-kalt

Wasser

Säugling

Blut

feucht-warm

Luft

Kindesalter/Jugendlicher

Gelbe Galle

trocken-warm

Feuer

Erwachsener

Schwarze Galle

trocken-kalt

Erde

Greisenalter

Nicht alle antiken Ärzte waren Anhänger der Viersäftelehre; einige, wie die Empiriker, lehnten sie ab, bei anderen, z. B. Celsus, Asklepiades und Erasistratos, spielte sie nur eine untergeordnete Rolle. Aber Galens außerordentliche ärztliche Dominanz und seine rhetorische Überlegenheit sorgten dafür, dass die Viersäftelehre sich als bestimmende Krankheitslehre bis in die Mitte des 19. Jhs. hielt. Erst als Virchow die Zellteilung entdeckte, wurde die Viersäftelehre oder Humoralpathologie von der Zellularpathologie abgelöst.

Humoralpathologie heute In der alternativen Medizin und auch besonders in der Traditionellen Europäi-

schen Medizin spielt die Humoralpathologie noch heute eine bedeutende Rolle. Lange Zeit wurde sie in einer abgespeckten Version gehandhabt, was der Therapie einen schlechten Ruf einbrachte. Aderlass ist nicht für jeden angebracht, nicht jeder hat Vorteile davon, täglich drei Liter Wasser zu trinken, und ob Umschläge oder Wickel warm oder kalt zu sein haben, muss durch Beobachtung herausgefunden werden. Die Therapie muss der individuellen Konstitution angepasst werden. Das ist es, was Galen und Hippokrates verlangten, und darauf besinnt sich die alternative Medizin heute wieder. Die Humoralpathologie ist keineswegs tot, sondern befindet sich in der Phase der Weiterentwicklung, was Galen bestimmt gefreut hätte.

Ausleitungsverfahren gestern und heute – das Übel der Säfte In der Antike basierten die meisten Therapien auf der Viersäftelehre. Ein Ungleichgewicht der vier Kardinalssäfte Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe

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Galle samt den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften und Qualitäten verursachte nach herkömmlicher Ansicht Krankheit. Folglich bestand die Thera-

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Abb. 15: Schröpfköpfe mit Ständer. 2. Jh. n. Chr. Schröpfköpfe sind typische Attribute eines antiken Arztes etwa seit dem 5. Jh. v. Chr. Der Äskulapstab wurde erst viel später das Kennzeichen des Ärztestandes. Städtisches Museum, Bingen.

pie darin, die Säfte wieder in Einklang zu bringen, ein Zuviel abzuleiten oder einen verschobenen Säftezustand umzuleiten. Dazu nutzten die Ärzte unterschiedliche Methoden. Schon in der griechischen Antike war der Schröpfkopf (Abb. 15) das Kennzeichen eines Arztes. Das Schröpfen hat eine sehr lange Tradition. Schröpfköpfe bestanden meist aus Bronze, seltener aus Glas. Das Erwärmen des Innenraumes erzeugte einen Unterdruck, anschließend setzte man den Schröpfkopf auf die unversehrte oder auch angeritzte Haut. Durch das Vakuum im Schröpfkopf wird dem Körper

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Blut und Lymphe entzogen, ein positiver Effekt im Sinne der Viersäftelehre. Heute werden in der Alternativmedizin noch immer Schröpfköpfe eingesetzt. Sinn der Therapie ist es, durch die gesetzten Reize die Selbstheilungskräfte anzuregen und eine Umstimmung im Körper zu erreichen. Der gestörte Regelkreis im kranken Körper soll wieder normalisiert werden. Zudem wird die reflektorische Wirkung bestimmter Hautzonen auf ihnen zugeordnete Organe genutzt, die so genannten Head’schen Zonen. Eine weitere häufig angewandte Therapie bei fast allen Erkrankungen war in

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der Antike der Aderlass. Da am besten zugänglich, wurde meist Blut aus der Ellenbogenvene entnommen. Aber auch andere Körperstellen kamen durchaus in Frage. Besonders Galen weist darauf hin, dass es günstig ist, in der Nähe der erkrankten Körperstelle Blut zu entnehmen. Die Menge des zu entnehmenden Blutes war sehr umstritten. Einige Ärzte entnahmen nur wenige Milliliter, andere führten Aderlässe bis zur Ohnmacht des Patienten durch. Wieder andere Heilkundige verboten den Aderlass bei Schwangeren, Greisen und Kindern, andere hielten das für Unsinn. Auch in der Tiermedizin wurde der Aderlass häufig angewandt. Pferden entnahm man üblicherweise Blut aus der Halsvene, dem Nacken oder den Beinen. Da diese Therapiemethode in der Antike sehr bedeutsam war, gibt es etliche Schriften verschiedener medizinischer Autoren über Technik und Anwendungsgebiete des Aderlasses (Abb. 16). In Mittelalter und Neuzeit nahm die Therapie mittels Aderlass überhand. Übermäßige Blutentnahmen waren an der Tagesordnung, so dass die Therapie in Verruf geriet. Als die Humoralpathologie von der Zellularpathologie Virchows abgelöst wurde, verschwand diese Behandlungsmethode fast vollständig. Der Wiener Arzt Bernhard Aschner entdeckte Anfang des 20. Jhs. diese und andere Ausleitungsmethoden neu und machte sie publik. In der traditionellen Medizin nimmt heute der Aderlass wieder seinen festen Platz ein. Durch den Aderlass soll der Kreislauf beschleunigt werden, um damit Schadstoffe schneller auszuleiten, zudem sollen die Blutspei-

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cher des Körpers angeregt werden, sich zu leeren und damit dem Herzen mehr Blut zur Verfügung zu stellen. Die Leistungssteigerung der blutbildenden Organe bewirkt auch eine vermehrte Bildung von roten und weißen Blutkörperchen und damit eine gesteigerte Abwehrbereitschaft. Zudem hat der Blutentzug auch eine Wirkung auf vegetativ-hormonelle Abläufe. Gern wird heute der Aderlass auch vorbeugend genutzt. Gerade bei vollblütigen, fettleibigen Menschen mittleren Alters, die ein Risiko für HerzKreislauf- und Stoffwechselerkrankungen haben, kann diese Therapie vorbeugend eingesetzt werden. Allerdings entnimmt man heute selten über 200 ml Blut. Auch in der Tiermedizin ist der Aderlass bei einigen bedrohlichen Stoffwechselentgleisungen, wie zum Beispiel der Hufrehe im Akutstadium, das erste Mittel der Wahl, das auch Schulmediziner anwenden. Hier werden dann allerdings gleich literweise Blut abgeführt. In Europa scheint die Blutegel-Therapie seit römischer Zeit durchgeführt worden zu sein. Sie wird in den Schriften des Themision von Laodikeia (1. Jh. v. Chr.) und des Galen erwähnt und beschrieben. In Indien und im Orient ist diese Therapie sehr viel älter. Es ist zu vermuten, dass auch die griechischen Ärzte diese Behandlungsmethode kannten. Der exzessive Gebrauch der Egel in Mittelalter und Neuzeit brachte die Population der blutsaugenden Ringelwürmer an den Rand des Aussterbens. Nachdem die Therapie fast in Vergessenheit geraten war, erfuhr sie im 19. Jh. eine Renaissance. Über ihren Speichel sondern die Egel etwa 20 verschiedene Substanzen in

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Abb. 16: Aderlass-Szene. Rotfigurige Vasenmalerei. Griechenland, 5. Jh. v. Chr. Der Aderlass war mindestens seit den Zeiten des Hippokrates eine häufig eingesetzte Therapie für vielerlei Erkrankungen. Im Rahmen der Vorstellungen der Humoralpathologie war er eines der wichtigsten Ausleitungsverfahren. So mancher Arzt oder Quacksalber übertrieb es mit der Anwendung. Musée du Louvre, Paris.

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die Bisswunde ab, besonders bedeutend für die Therapie ist der Blutgerinnungshemmer Hirudin. Dazu kommen einige schmerzlindernde und entzündungshemmende Stoffe. Weiter bewirkt der Biss des Tieres eine Beschleunigung des Lymphstromes und eine Aktivierung der Bildung von weißen Blutkörperchen. Die Saugzeit eines Blutegels beträgt zwischen 15 Minuten und einer Stunde. In dieser Zeit saugt er etwa 10 ml Blut. Durch die Hemmung der Blutgerinnung blutet die Bisswunde noch einige Stunden nach, wodurch ca. weitere 40 ml Blut abgeleitet werden. Anwendungsgebiete sind in erster Linie Thrombosen und Arthrosen, aber die Blutegeltherapie hat sich bei allen möglichen entzündlichen Prozessen bei Mensch und Tier bewährt. Um schädliche Säfte aus dem Körper abzuleiten, wurden in der Antike gern auch hautreizende Pflaster aufgelegt. Sie verursachten eine lokale Entzündung und eventuell eine Blasenbildung. Gern genutzt bei Mensch und Tier wurden Ätzkalk, scharfer Essig, Arsenikon, Natron, Senfrauke, Canthariden, Kalkblüte, gebrannter Kalk, Senf, Pfeffer, Asche und Germer. Heute noch manchmal angewendet wird das Canthariden-Pflaster. Cantharidin ist eine Substanz, die aus der Spanischen Fliege gewonnen wird und sehr hautreizend und blasenbildend ist. Das Pflaster bleibt bis zu 24 Stunden auf der Haut und wird dann vorsichtig entfernt. Je nach Methode wird die Blasenhaut abgetragen oder nur das Serum in den Blasen abgesaugt. Gerade bei entzündlichen Prozessen in den Gelenken hat sich dieses Verfahren bewährt, jedoch heilen die

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Blasen oft unter Hyperpigmentierung oder seltener unter Narbenbildung ab. Das Cantharidin des Spanischen Käfers wirkt durchblutungsfördernd, lymphstrombeschleunigend, entzündungshemmend und schmerzstillend. Ein weiteres hautreizendes Verfahren ist das Baunscheidtieren. Erfinder dieser Therapie ist Carl Baunscheidt, der im 19. Jh. lebte. Durch einen mit Nadeln besetzten Schnepper wird die Haut vorbereitet. Bei der Anwendung des Schneppers darf kein Blut austreten. Anschließend wird ein spezielles Öl eingerieben, so dass ein künstlicher Bläschenausschlag entsteht. Die Heilwirkung ist ähnlich wie beim Cantharidenpflaster. Auch hier kann es bei der Abheilung zu einer Hyperpigmentierung der Haut und eventueller Narbenbildung kommen. Aufgrund dieser Risiken und auch der Möglichkeit einer Infektion der Haut wird dieses hautreizende Verfahren nur noch sehr selten angewandt. In der Antike gern angewandt wurden Verfahren, die den Darm oder Magen entleerten. Mittels manchmal sehr stark wirkender Arzneimittel wie der Nieswurz wurde für Erbrechen oder Durchfall gesorgt. Besonders die gründliche Entleerung des Darmes stand in hohem therapeutischem Ansehen. Aber wie der Name schon sagte, erzeugte die Nieswurz auch Niesanfälle, die zur Ausleitung schädlicher Säfte gern gesehen waren. Tränke, Klistiere oder Zäpfchen waren die übliche Form der Anwendung. Die Alternativmedizin nutzt heute in erster Linie mild abführende Maßnahmen zur Darmentleerung. Stärker wirkende Drogen wie Sennesblätter werden seltener genutzt. Dazu soll eine ballast-

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stoffreiche Ernährung ebenfalls für einen regelmäßigen entgiftenden Stuhlgang sorgen. Fastenkuren sind groß in Mode. Auch mittels Einläufen wird der Darm in manchen naturheilkundlichen Therapien gereinigt und entleert. Das Hervorrufen von Erbrechen als Therapie ist zumindest in der europäischen Medizin eher unüblich. Gern regten die antiken Ärzte auch die Ausleitung der schädlichen Säfte über die

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Niere an. Harntreibende Mittel wie Spargel, Minze, Lauch, Sellerie, Melone und Kürbiskerne waren häufig im Einsatz. Entwässernde Mittel werden heute nicht nur in der Naturheilkunde angewendet, sondern auch in der Schulmedizin, um zum Beispiel Ödeme (Wassereinlagerungen) auszuschwemmen. Die Naturheilkunde empfiehlt zur Prävention im Frühling und Herbst die kurmäßige Anwendung von sogenannten Blutreini-

Stertinius Xenophon – der Kaisermörder(?) C. Stertinius Xenophon stammte aus einer Asklepiadenfamilie aus Kos. Anfang des 1. Jhs. n. Chr. kam er nach Rom, ließ sich dort als Arzt nieder und erwarb das römische Bürgerrecht. Er muss sehr fähig gewesen sein, denn schon bald gehörte er zu den Spitzenverdienern unter den Ärzten und baute sich ein prachtvolles Haus auf dem Mons Caelius, einem der vornehmsten Wohnviertel des antiken Rom. Aber das war nur sein Stadthaus. Da er auch in dem mondänen Badeort Baiae praktizierte, besaß er dort ebenfalls einige Häuser. Zum Leibarzt des alternden Tiberius ernannt, bezeichnete er arrogant die hoch dotierte, ehrenvolle Stellung als finanzielle Einbuße. Auch Kaiser Claudius diente er einige Jahre später als persönlicher Arzt. So schlecht kann die Bezahlung beim mächtigsten Mann der Welt also nicht gewesen sein. Zudem erhob ihn Claudius in den Ritterstand und gab ihm politische Ämter, die ihm Einfluss und Macht einbrachten. Im Jahr 43 n. Chr. begleitete er den Kaiser auf seinem Britannienfeldzug. Überraschenderweise hatte er den Rang eines Militärtribunen inne. Ob er auch militärische Aufgaben hatte, ist ungewiss; er wurde jedoch nach der siegreichen Beendigung des Feldzuges mit hohen militärischen Auszeichnungen geehrt. 54 n. Chr. starb der Kaiser infolge einer Vergiftung. Xenophon ist hoch verdächtigt, an dem Giftmord beteiligt gewesen zu sein. Agrippina, die Gemahlin und Mörderin des Claudius, entließ den Arzt ehrenvoll und reich belohnt aus ihren Diensten. Spätere Inschriften weisen ihn als „Freund des Nero“ aus. Stertinius Xenophon blieb Zeit seines Lebens seiner Heimat Kos eng verbunden. Da er großen Einfluss auf den Kaiser hatte, erlangte er Abgabenfreiheit, die immunitas, für Kos, und aufgrund seines großen Vermögens konnte er dem Asklepiosheiligtum große Stiftungen machen. Kos wiederum zeichnete den Arzt mit Ehrentiteln und Priesterämtern aus und errichtete Statuen für ihn. Medizinische Schriften sind von Xenophon nicht bekannt, und er scheint sich auch nicht als Lehrer betätigt zu haben. Wahrscheinlich empfand er das als Zeitverschwendung.

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gungstees, die in erster Linie harntreibend wirkende, aber auch stoffwechselanregende Arzneimittel enthalten. Auch die Menstruation der Frau wurde als ein Ausleitungs- und Reinigungsvorgang gesehen, durch den der weibliche Körper von schädlichen Substanzen befreit wurde. Daher griff der Arzt durchaus ein, wenn die Periode unregelmäßig, zu stark oder zu schwach war oder gar ganz ausblieb.

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Ausleitungsverfahren waren die Therapie Nr. 1 in der Antike. Aber auch heute finden sie regelmäßige Anwendung bei Heilpraktikern und naturheilkundlich arbeitenden Ärzten. In erster Linie sollen sie eine Verstärkung der Ausscheidungsund Entgiftungsvorgänge bewirken, den Stoffwechsel entlasten, eine vegetative Umstimmung in Gang bringen, das Immunsystem anregen und eine Schmerzlinderung erreichen.

Spezialisten in der Antike – geldgierige Scharlatane oder hoch spezialisierte Fachärzte? Herodot berichtet uns, dass es bereits in Ägypten ein ausgeprägtes Spezialistentum unter den Ärzten gegeben habe. Manche Ärzte seien gar nur für einen Körperteil zuständig gewesen. Die Anfänge der ärztlichen Spezialisierung im antiken Griechenland finden wir in Ansätzen bei Homer. In der Ilias behandelt der Krieger und Arzt Machaon, ein Sohn des Asklepios, die Pfeilwunde des Menelaos mit Kräutern. Er scheint für die chirurgischen Erkrankungen, die sich in erster Linie aus Kampfverletzungen zusammensetzten, zuständig gewesen zu sein. Homer beschreibt detailliert mehr als 140 Verletzungen, die von erstaunlichen anatomischen Kenntnissen zeugen. Machaons Bruder Podaleirios, ebenfalls Arzt und ein Sohn des Asklepios, schreibt man eher die diagnostischen Verfahren bei inneren Erkrankungen zu. Aus dem hippokratischen Eid geht hervor, dass es spezialisierte Ärzte gab,

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die nur für das Blasensteinschneiden zuständig waren („Auf keinen Fall werde ich Blasensteinkranke operieren, sondern ich werde hier den Handwerkschirurgen Platz machen, die darin erfahren sind.“). In den Palästren wirkten Gymnasten, die eine besondere Erfahrung in der Diät und im Sporttraining hatten und iatroleiptai, die für die Einsalbungen und Massagen besonders bei Ringkämpfen zuständig waren. Beide Gruppen hatten auch medizinische Kenntnisse, nicht selten war der Übergang zu den Ärzten fließend. Im Corpus Hippocraticum werden bereits als Spezialgebiete die Chirurgie, die Gynäkologie und die Augenheilkunde genannt, doch ist unbekannt, ob sich bereits Ärzte auf ein Fachgebiet spezialisierten. Die hippokratische Medizin zeichnet sich dadurch aus, dass der Mensch als Ganzheit gesehen wird und somit auch ganzheitlich behandelt werden soll. Das spricht gegen eine spezialisierte Ärzteschaft.

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Aretaios von Kappadokien – der Diabetologe Aretaios lebte etwa in der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. und stand dem Kreis der Pneumatiker nahe, entwickelte aber auch eigenständige und sehr individuelle Ideen und Lehren. Er war ein Zeitgenosse des Dioskurides. Unvollständig erhalten sind acht Bücher, die er in der Tradition des von ihm verehrten Hippokrates in ionischem Dialekt schrieb: Über Ursachen und Symptome akuter und chronischer Krankheiten und deren Therapie. Gesundheit bedeutete für Aretaios das Gleichgewicht zwischen den festen und flüssigen Bestandteilen des Körpers und des Geistes. Als Krankheitsursachen sieht er ein Ungleichgewicht der Körpersäfte und Veränderungen des Pneumas, das seinen Sitz im Herzen, dem Zentralorgan des Körpers, habe und in enger Verbindung zu den Säften stehe. Das Pneuma, eine sich stofflich manifestierende Lebenskraft, die schon die Hippokratier kannten, steuert seiner Ansicht nach physiologische Vorgänge und bewegt sich mit dem Blut durch den Körper. Auf sehr kenntnisreiche Weise beschreibt und differenziert Aretaios verschiedene Krankheiten, besonders detailliert die Schwindsucht, das Asthma, die Migräne und den Diabetes mellitus (vermutlich Typ 1). Zum ersten Mal wird in Aretaios’ Schriften das Wort „Diabetes“ (=Hindurchgehen) benutzt. Er beschreibt, dass die Patienten, sobald sie das Vollbild der seltenen Erkrankung erreicht haben, schon bald sterben werden. Vermutlich haben nur sehr wenige Diabetes-Kranke das Erwachsenenalter erreicht. Präzise beschreibt er die Symptome des extremen Durstgefühls, des unaufhörlichen Harndranges (daher das Wort „Diabetes“), des trockenen Mundes, des brennenden Schweregefühles in den Eingeweiden, der Übelkeit und der zunehmenden Auszehrung, an deren Ende der unausweichliche Tod steht. Aretaios empfiehlt nur wenige und eher milde Heilmittel: Ausleitungsverfahren mittels Aderlass, Schröpfen oder Blutegeln, Ernährungsumstellungen, Anpassung der Lebensführung, Luftveränderungen, Spazierfahrten und passive Bewegungen. Sollte der Kranke nicht zu heilen sei, so soll der Arzt zumindest sein Mitgefühl zeigen.

Aber mit den zunehmenden anatomischen Kenntnissen ist eine Spezialisierung nicht aufzuhalten. So gibt es im Corpus Hippocraticum Schriften Über Schädelverletzungen, Über Knochenbrüche, Über Einrichtung von Gelenken und Über Einrenkung mittels Hebelvorrichtungen. Um 250 v. Chr. entwickelte sich der Zweig der mechanischen Knochenchirurgie (Organikoi), der in erster Linie die Behandlung von Luxationen, also Verrenkungen, und Knochenbrüchen vornahm. Luxationen wurden bereits auf hohem Niveau ver-

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sorgt. Bei Risswunden war der gängige Weg, die Verletzung zum Eitern zu bringen. Wundnähte waren bekannt, allerdings noch keine Gefäßligatur (-unterbindung). Die Chirurgen eröffneten Leber- und Nierenabszesse, entfernten Polypen und Hämorrhoiden und amputierten Gliedmaßen. Aderlässe waren beliebt, manchmal bis zur Ohnmacht des Patienten. Auch die Augenheilkunde begann sich bereits als Spezialfach zu entwickeln. Man glaubte, dass Sehstörungen darauf zu-

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Abb. 17: Stück einer Augensalbe mit dem Stempel des Q. Valerius Sextus und einem Balsamrezept gegen das Schwinden der Sehkraft. Gallorömisch, 1.–3. Jh. n. Chr. Die meisten Augensalbenstempel finden wir in den nördlichen Provinzen des Römischen Reiches. Spezialisierte Augenärzte sind ab dem 1. Jh. n. Chr. sicher belegt. Musée d’Art et d’Histoire, Metz.

rückzuführen seien, dass krankhafte Schleimansammlungen aus dem Gehirn in die Augen flössen (vgl. S. 66). Um 1000 n. Chr. entwickelte sich aus dieser Vorstellung der Begriff „Katarakt“, was mit „Wasserfall“ übersetzt werden kann. Konsequenterweise gab man dem Patienten Abführmittel, trepanierte den Schädel oder machte Einschnitte in die Kopfhaut, um das Zuviel an Schleim abzuleiten. Aber auch die Star-Operation war bekannt (in Indien seit etwa 1000 v. Chr.), und die Augenheilkundigen schabten die Bindehaut, um körnige Veränderungen zu entfernen. Celsus beschreibt die chirurgische Technik eines Starstiches in sei-

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nem Werk Von der Chirurgie: Einem sitzenden Patienten, dessen Kopf durch einen Gehilfen fixiert wird, wird eine scharfe Nadel ins Auge gestochen. Der Arzt bringt die Nadel an den Star heran und schiebt die getrübte Linse allmählich bis unter die Pupille hinunter. Diese Operationstechnik wurde bis ins 19. Jh. benutzt. Es scheint auch die Möglichkeit bestanden zu haben, die Trübung durch eine Hohlnadel abzusaugen. Spezialisierte Gynäkologen gab es selten. Meist übernahmen dies die allgemein arbeitenden Ärzte, oder sie überließen die Behandlung von Frauenkrankheiten den Hebammen, deren Aufgabengebiet

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SPEZIALISTEN IN DER ANTIKE – GELDGIERIGE SCHARLATANE

Behandlung einer Lungenentzündung (nach Aretaios von Kappadokien) Bei der Behandlung der Lungenentzündung spielt der Zeitfaktor eine große Rolle. Aretaios empfiehlt ein den Krankheitssymptomen entgegengesetztes Mittel mit einer schnellen Wirkung. Zunächst soll der Arzt rasch die Venen am Ellenbogen öffnen und zwar rechts und links, damit die Ableitung des Blutes aus beiden Lungenflügeln geschieht. Es sollen große Mengen Blutes entnommen werden, da dann die Atmung leichter wird, aber kein Aderlass bis zur Bewusstlosigkeit. Gleichzeitig reibe man den Anus mit Natron, Honig, Raute und flüssigem Terpentinharz ein, um weitere Flüssigkeiten und Winde abzuleiten. Sollte ein Aderlass nicht möglich sein, kann man ein scharfes Klistier anwenden. Natron mit Salzen, Terpentinharz mit Honig, Raute in Öl, Ysop in Wasser gekocht und das Fleisch vom wildem Kürbis hält Aretaios für besonders wirkungsvoll. Dazu leichte Schröpfköpfe zwischen die Schulterblätter, am Rücken und Oberbauch, evtl. auch am Brustkorb, sind zusätzlich der Behandlung zuträglich, da sie durch den Entzug von Flüssigkeiten das Atmen erleichtern. Bei den Heilmitteln muss darauf geachtet werden, dass sie die Flüssigkeiten für die Atmung verdünnen und für das Aushusten schlüpfrig und gleitfähig machen. Natron mit einem Absud von Ysop oder Meerwasser mit Essig und Honig oder flüssigen Senf mit Honigwasser sind da hilfreich. Noch Iriswurzel oder Pfeffer zu dem Getränk zu geben, findet Aretaios gewagt. Sollte der Patient nicht zur Ruhe kommen, empfiehlt der Arzt die Gabe von Schlafmitteln, damit die Schlaflosigkeit den Kranken nicht zusätzlich erschöpft. Aber natürlich nur, wenn der Patient nicht unter Erstickungsanfällen leidet. Auch die Speisen, die man dem Kranken gibt, sollen scharf und dünn sein, dazu geeignet, dicke Substanzen aufzulösen. Aretaios empfiehlt Gemüse, Lauch, Schweinekresse, Brennnesseln oder Kohl, in Essig gekocht. Auch Gerstenschleim mit Dost oder Ysop und mit Natron und Pfeffer gewürzt, ist für den Kranken bekömmlich, vielleicht auch Graupen mit Honigwasser gekocht. Man muss jedoch darauf achten, dass die Nahrung nicht bläht, da Blähungen bei einer Lungenentzündung gefährlich sind. Zu trinken geben kann man dem Patienten Wein, wenn er fieberfrei ist, allerdings darf dieser keine zusammenziehende Wirkung haben, da das den Körper verdichten würde. Wie die Speisen soll der Trank aber auflockern. Überhaupt sollte der Kranke nur wenig trinken, da die Lunge Flüssigkeiten aus den Körperorganen anzieht, was bei einer Lungenentzündung gefährlich ist. Den Brustkorb bedecke man mit Wolle zusammen mit Öl, Natron und Salzen. Einreibungen sollen erfolgen mit Limnestis (Tausendgüldenkraut?) oder trockenem Senf mit flüssiger Wachssalbe. Aretaios hält es für wichtig, dass Flüssigkeiten, Wärme und Pneuma nach außen geleitet werden. Das kann auch durch das Riechen an scharfen Stoffen geschehen, durch Einreibungen und Verbände an den Extremitäten. Sollten all diese Maßnahmen die Krankheit nicht zum Nachlassen bringen, so besteht für den Patienten keine Hoffnung.

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sehr viel weiter gefasst war als heute. Auch etliche weibliche Ärzte scheinen sich auf die Frauenheilkunde spezialisiert zu haben. Erst durch die Sektionen und Vivisektionen des Herophilos und Erasistratos an der wissenschaftlichen Schule in Alexandria machte die Medizin den nächsten großen Sprung. Durch deren anatomischen Studien blühte die Augenheilkunde auf und blieb bis ins 18. Jh. fast unverändert. Zur hoch entwickelten Chirurgie kamen in hellenistischer Zeit die Zahnheilkunde und die Ohrenheilkunde als Spezialfächer hinzu. In der römischen Kaiserzeit nahm das Spezialistentum weiter zu. Nach Galen gab es Ärzte, die sich auf das Richten von Leistenbrüchen spezialisiert hatten, andere waren Blasensteinschneider, Starstecher, Kräuterärzte, Weinärzte, Badeärzte oder Nieswurzspezialisten. Die ägyptischen Ärzte galten als Spezialisten für Hauterkrankungen. Einige Ärzte verstanden sich besonders darauf, Fisteln zu behandeln, andere entfernten geschickt die Brandmale auf der Haut ehemaliger Sklaven. Auch Tierärzte kamen nun hinzu.

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Besonders viele Augenärzte scheint es in römischer Zeit gegeben zu haben. Über 300 Namen sind uns als Augenarztstempel auf den Kollyrien, den brötchenartig gestalteten, halbfesten Augensalben, bekannt. Überraschenderweise stammen die meisten Okulistenstempel (Abb. 17) aus Gallien, Britannien und Germanien, die Namen der Ärzte sind häufig griechischen Ursprungs. Das sich ausbreitende Spezialistentum wurde von den Zeitgenossen nicht immer geschätzt. Die gesellschaftliche Stellung der Spezialisten war nicht selten sehr viel höher als die des Allgemeinarztes. Häufig wurde diesen Ärzten unterstellt, dass sie nur aufs Geldverdienen aus seien und nicht mehr der kranke Mensch im Mittelpunkt ihres Interesses stünde. Besonders Galen spottet scharfzüngig über die sogenannten Fachärzte, die oft schlecht ausgebildet waren und nur schnell reich werden wollten. Sicher traf das auch häufig zu, aber wie heute wird es auch im antiken Rom ausgezeichnete Spezialisten gegeben haben, denen das Wohl ihrer Patienten am Herzen lag.

Arztgräber – Ärzte für die Ewigkeit Im gesamten römischen Imperium finden sich Arztgräber, kenntlich durch die Beigabe ärztlichen Instrumentariums, Reliefabbildungen oder Inschriften. Doch die Sitte der Arztgräber scheint älter zu sein. Das Grab des Ialysos auf Rhodos (um 500 v. Chr.) enthielt sechs Schröpfköpfe, in Nauplion fand sich in einem Kammergrab aus der 2. H. des 2. Jts. v. Chr. ein bronze-

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nes Chirurgenbesteck. Weitere griechische Arztgräber sind bekannt. Der Schröpfkopf spielt als Kennzeichen eines Arztes eine große Rolle. Kennen wir aus dem antiken Griechenland nur einige wenige Gräber, so breitete sich seit der Zeitenwende die Sitte über das gesamte Römische Reich aus. Vom tiefsten Germanien bis ins

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heiße Afrika wurden Arztgräber entdeckt, und ihre Anzahl nimmt weiter zu. Oftmals wurden den Toten ganze Sätze an Instrumenten beigegeben. Das Arztgrab von Bingen am Rhein enthielt gar mehr als sechzig Instrumente, darunter verschiedene Skalpelle, Spatel, Pinzetten, Wundhaken, Meißel, Zangen, Lanzetten, Nadeln u. a. Auch Trepane zum Öffnen des Schädels gehörten dazu. Und natürlich ein Satz Schröpfköpfe, hier sogar mit einem Ständer mit Weinlaubdekor. Der Schröpfkopf zur Ausleitung von Blut blieb das wichtigste Erkennungszeichen des Arztes. Der Äskulapstab wurde erst sehr viel später Standeszeichen des ärztlichen Berufes. Hunderte an Inschriften bezeichnen namentlich Männer und Frauen und ihre ärztliche Tätigkeit. Sehr schön und oft

kunstreich und liebevoll ausgeführt sind die Reliefs auf den Grabstelen und Weihesteinen. Hier ist in der Regel der Arzt im Kreise seiner Familie oder noch häufiger bei der Behandlung von Patienten abgebildet. Schröpfköpfe und medizinische Instrumente geben seinen Berufsstand an. Tierärzte sind weniger mit Schröpfköpfen, die beim behaarten Tier auch schlecht anwendbar sind, sondern mit Kastrierkluppen abgebildet. Ab und zu findet man auch noch Reste von Arzneimitteln wie Kollyrien zur Behandlung von Augenerkrankungen. Einfache und prunkvolle Behältnisse aus Glas, Bronze oder Holz mögen ehemals Arzneien enthalten haben, die nicht mehr nachweisbar sind. Recht häufig gaben die Angehörigen den verstorbenen Ärzten Amulette mit. Ob sie sie auch schon zu

Dioskurides – der Kräuterpapst Pedanius Dioskurides (Abb. 18) wurde Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in der kilikischen Stadt Anazarbos, in der heutigen Türkei, geboren. Vermutlich studierte er in Tarsus und Alexandria. Als Erwachsener trat er als Arzt in die Legionen des Nero und des Domitian ein und lernte zahlreiche Länder kennen. Die Heilpflanzen hatten es ihm besonders angetan. Detailliert und kenntnisreich beschreibt er die Heilkräuter, die er auf seinen Reisen kennengelernt hat, macht präzise Angaben über Aussehen, Standort, Zubereitung, Aufbewahrung, Wirkung und Anwendung. Auch gibt er Hinweise, wie Fälschungen aufgedeckt werden können. Seine in Griechisch abgefasste Materia medica umfasst das gesamte pharmazeutische Wissen seiner Zeit und blieb bis ins 16. Jh. das Standardlehrbuch der Arzneimittellehre an den europäischen und arabischen Universitäten. Aber nicht nur an die 800 Pflanzen beschreibt er, sondern auch mehr als 200 heilsame Mineralien und Heilmittel aus dem Tierreich. Anders als der „Wiener Dioskurides“ (512 n. Chr.) und der berühmte „Codex Neapolitanus“ (Anfang 7. Jh.), war die ursprüngliche Materia medica des Dioskurides vermutlich nicht bebildert. Die Sprache seiner fünf Bücher ist ein wenig ungeschliffen. Aber das weiß Dioskurides und bittet in der Einleitung seine Leser, nicht auf die Form, sondern auf den sorgsam recherchierten und durch seine Erfahrung bereicherten Inhalt zu achten. Leider ist aus seinem sicherlich sehr spannenden und ereignisreichen Leben nichts weiter bekannt.

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Lebzeiten getragen haben, ist ungewiss. Wir sprechen von Arztgräbern, doch sind damit durchaus auch Ärztinnengräber gemeint. Inschriften, Grabreliefs und nicht zuletzt anthropologische Un-

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tersuchungen zeigen, dass auch die Ärztinnen der Antike stolz auf ihr Ansehen und ihren Beruf waren und sich auf gleiche Art wie ihre männlichen Kollegen begraben ließen.

Abb. 18: Lehrender Dioskurides. Illustration aus einer arabischen Übersetzung der Materia medica des Pedanius Dioskurides, 1220 n. Chr. Die Arzneimittellehre des Dioskurides wurden bis ins 19. Jh. viele Male in etliche Sprachen übersetzt und so manches Mal ergänzt und überarbeitet. Sie gehört zu den wichtigsten Werken der Pharmazie.

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ARZTGRÄBER – ÄRZTE FÜR DIE EWIGKEIT

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Der Wegerich Dioskurides beschreibt zwei Arten des Wegerichs, den kleinen, schmaleren, den wir heute Spitzwegerich (Abb. 19) nennen, und den größeren, breitblättrigen, der heute Breitwegerich heißt. Dioskurides hält den Breitwegerich für besser geeignet für die Heilkunst. Er erkannte bereits die austrocknende, zusammenziehende Wirkung der Blätter.

Anwendungsgebiete nach Dioskurides: – Umschläge bei Elephantiasisleiden und schmutzigen Geschwüren – Hemmung von Blutflüssen – fressende Geschwüre, Karbunkel und kriechende Geschwüre – zur Vernarbung alter und bösartiger Geschwüre – Verbinden von Wundrändern – Hundebisse – Brandwunden – als Gemüse mit Salz und Essig gekocht bei Durchfall und Magenleiden – ebenfalls gekocht gegen Bleichsucht, Epilepsie und Asthma – Saft der Blätter gegen Geschwüre im Mund und wundes Zahnfleisch – Saft der Blätter als Injektion bei Fisteln – eingetröpfelter Saft bei Augen- und Ohrenleiden – als Klistier bei Durchfall – als Trank bei Auszehrung – als Zäpfchen mit Wolle gegen Gebärmutterkrämpfe und –flüsse – die Samen mit Wein getrunken gegen Blutspeien – die gekochte Wurzel als Mundspülwasser und gekaut bei Zahnschmerzen – Wurzeln und Blätter in Süßwein gegen Blasen- und Milzgeschwüre – Wurzeln mit Wein gegen das Drei- und Viertagefieber – Blätter mit Minze und Honig bei Entkräftung

Naturheilkundliche Anwendung heute: Erstaunlicherweise erwähnt Dioskurides nicht die hervorragende Anwendung des Spitzwegerichs als Husten- und Fiebermittel. Nach wie vor wird der Wegerich bei frischen und schlecht heilenden Wunden gebraucht, bei Geschwüren und bei juckenden und anschwellenden Insektenstichen. Auch das Einträufeln des Saftes bei Ohrenbeschwerden ist noch heute bekannt. Ein antibiotisch wirkender Stoff, das Aucubin, verhindert, dass der Wegerichsaft jemals schimmelt. Zusammen mit dem hohen Anteil an Schleimstoffen, den Bitterstoffen, der Kieselsäure und den Flavonoiden sorgt dieser Stoff dafür, dass der Wegerich eine herausragende Heilpflanze bei Atemwegserkrankungen und Verletzungen ist.

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Abb. 19: Spitzwegerich. In der Antike wurde der Breitwegerich bevorzugt. Die Wirkweisen sind sehr ähnlich. Der Spitzwegerich hat einige wenige Inhaltsstoffe mehr, aber beide Arten besitzen das antibiotisch wirkende Aucubin.

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Krateuas – der malende Wurzelschneider Krateuas wurde 120 v. Chr. geboren. Er war Leibarzt des berühmt-berüchtigten Königs Mithridates VI. Eupator von Pontos. Berühmt ist sein Wurzelschneiderbuch, denn diese Schrift zeigte zum ersten Mal farbige Illustrationen von Pflanzen und Tieren. Dieses Kräuterbuch ist leider nicht erhalten, aber es soll sehr genau und detailliert gewesen sein, sodass viele Ärzte ihren Nutzen daraus zogen. Vielleicht stammen die wunderschönen Abbildungen im „Codex Vindobonensis“ bzw. „Wiener Dioskurides“ (um 512 n. Chr.), die dem Dioskurides-Text beigegeben sind, ursprünglich aus diesem Wurzelschneiderbuch des Krateuas. König Mithridates war selbst Botaniker und Pharmakologe und förderte Krateuas, wo er nur konnte. Zum Dank benannte der kräuterkundige Arzt zwei Pflanzen nach seinem Gönner – Mithridatia und Eupatoria. Auch verfasste Krateuas eine Materia Medica, die der des Dioskurides ähnlich gewesen sein muss. Hier beschrieb er insbesondere die medizinischen Eigenschaften von Metallen. Dioskurides benutzte Krateuas’ Werk als Quelle, kopierte sie zumindest in einigen Teilen. Der Arzt starb etwa 63 v. Chr.

Abb. 20: Hippokrates und Galen disputieren. Fresko in der Krypta der Kuppelkirche von Anagni, Latium, 1231–1255 n. Chr. Hippokrates und Galen haben sich natürlich nie getroffen, aber eine Diskussion zwischen diesen beiden fähigen, selbstbewussten und berühmten Ärzten wäre sicher interessant geworden.

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Phytotherapie – Heilen mit Kräutern Die Pflanzenheilkunde der Antike war empirisch. Durch Erfahrung und Beobachtung erkannte man die Heilkraft einer Pflanze. In der hippokratischen Medizin spielte die Phytotherapie noch keine allzu große Rolle. Kräutertees waren unbekannt. Man verwendete medizinische Tränke, die kalt angesetzt wurden, sogenannte Mazerationen, oder zerkleinerte die Droge und gab sie in Wein, Wasser, Honig und Essig dem Kranken zu trinken. Oft wurden Arzneimittel auch Mehl- oder Schlürfsuppen beigegeben. Sehr gebräuchlich waren Zäpfchen, die vaginal oder rektal benutzt wurden. Bestandteil von Zäpfchen waren Honig, Myron (fertige Salbe mit einer Konsistenz zwischen Pflanzenöl und festem tierischen Fett), Harze, Myrrhe und Galbanum mit Wachs, Fetten und eventuell Wein. Als Salbe wird im Corpus Hippocraticum alles bezeichnet, was auf die Haut aufgetragen wird, also Honig, Fette, Öle, Milch und Wein. Als Grundlage einer Salbe dienten meist Schweinefett, Gänsefett und Öl. Tampons, die zumeist in der Frauenheilkunde Verwendung fanden, wurden mittels eines feinen Leinenstückchens appliziert, an dem häufig ein Faden befestigt war, um es leichter wieder entfernen zu können. Auch Kataplasmen, zähe Breiumschläge mit zugemischten Arzneimitteln fanden häufige Anwendung. Streupulver wurden für Wunden und Augenerkrankungen verwendet. Klistiere dienten zu vaginalen und rektalen Spülungen. Im Rahmen der Viersäftelehre verordneten die Ärzte den Kranken häufig Ab-

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führmittel. Gern verwendeten die Heilkundigen die schwarze Nieswurz. Ihre Wirkung war durchschlagend und die Verwendung nicht ungefährlich. Sanfter wirkten reines Öl, Eselsmilch, Honig und süßer Wein. Als Brechmittel eignete sich die weiße Nieswurz besser. Aber auch durch das Kitzeln des Rachens mit einer Feder brachte man den Kranken zum Erbrechen. Gegen Eingeweidewürmer wie Bandwürmer und Askariden gebrauchten die griechischen Ärzte die Früchte oder Blätter des Keuschlammstrauches mit Ochsengalle und Zedernöl vermischt. Diese Mischung wurde alle drei Tage in Zäpfchenform in den Darm gegeben und verblieb dort 24 Stunden. Auch Darmspülungen mit einer Salzlake sollten helfen. Gleichzeitig wurde dem Wurmbefallenen geraten, viele rohe und gekochte Zwiebeln zu sich zu nehmen oder auch Knoblauch mit Honig und Wein. Noch war die Auswahl an Heilpflanzen beschränkt. Erst durch die Alexanderfeldzüge (320 v. Chr.), als sich das Wissen um die verschiedensten Arzneimittel um ein Vielfaches erweiterte, stieg die Pflanzenheilkunde zu einer der bedeutendsten Therapien der Antike auf. Die Ärzte kauften ihre pflanzlichen Arzneimittel bei Arzneimittelhändlern (pharmakopoloi) und Wurzelschneidern (rhizotomen) und stellten in der Regel selbst die Arznei her. Nach den Alexanderfeldzügen widmeten sich viele Ärzte und interessierte Laien der Heilpflanzenkunde und gaben pharmazeutische Schriften heraus. Einer der ersten war Theophrast von Eresos (ca. 370–ca. 285

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v. Chr.) (s. S. 110), der als der Begründer der wissenschaftlichen Botanik gilt. Das berühmteste Werk sind sicher die Materia medica des Dioskurides, aber auch Plinius

der Ältere (s. S. 131) und Celsus widmeten sich der Pflanzenheilkunde. Die ausführlichsten und kompliziertesten Rezeptierungen finden wir bei Galen.

Weiße Nieswurz (veratrum album) – Weißer Germer Schon Theophrast beschrieb diese Pflanze und ihre Anwendung im 4. Jh. v. Chr. Die Viersäftelehre ging davon aus, dass bei einer Krankheit ein Ungleichgewicht der Säfte, also schwarzer Galle, gelber Galle, Schleim und Blut, herrschte. Das Zuviel eines Saftes musste korrigiert werden, indem man ihn abführte oder an einen anderen Ort weiterleitete. Auch angelagerte Schlacken- und Giftstoffe konnten durch Purgation (d. h. Entfernen schädlicher Stoffe aus dem Körper durch eine ausleitende Therapie wie verstärktes Abführen oder Hervorrufen von Erbrechen) eliminiert werden. Dabei war die Weiße Nieswurz einer der besten und am häufigsten angewandten Helfer. Von einem Selbstversuch ist abzuraten, denn diese Gebirgspflanze ist durch ihre stark wirkenden Alkaloide hochgiftig, und ihre Dosierung war schon in der Antike ein Problem. Dioskurides beschreibt daher auch, dass man nur die fleischigen, leicht zerbrechlichen, weißen Wurzeln suchen sollte, die nicht zu brennend schmecken, da die anderen sehr schnell ein Erstickungsgefühl bewirken. Die Weiße Nieswurz reinigt den Körper durch Erbrechen. Bei Kranken ist natürlich Vorsicht geboten, da diese Pflanze sehr heftig wirken kann. Daher rät Dioskurides, die Wurzel mit einem Schlürftrank aus Brei oder Graupenschleim zu geben und vorher eine kleine Mahlzeit zu verordnen. Man kann auch ein Zäpfchen mit Essig in den After einführen. Auch das soll Erbrechen bewirken. Aber nicht nur zum Purgieren ist die Weiße Nieswurz nützlich. Sie erregt, wie der Name schon sagt, Niesen. Die Ägypter glaubten, dass durch das Niesen krankheitserregende Dämonen und der Gesundheit abträgliche Stoffe den Körper verlassen. Als Zäpfchen eingeführt, tötet die Weiße Nieswurz den Embryo, wie Dioskurides berichtet. Die Wurzel wurde also als Abortmittel vielfach genutzt. Durch ihre drastische Wirkung glaubte man auch, dass sie bei der Behandlung von Geisteskrankheiten nützlich sei, da sie Körper und Seele erschütterte. Man kann aber auch einfach Mäuse im Haus mit der Nieswurz töten, dann aber mit Mehl und Honig gemischt. Eine Einnahme von 2 g kann beim Menschen schon zum Tod führen. Trotzdem war die Weiße Nieswurz in der Antike als Heilmittel hochgeschätzt. Aufgrund ihrer Gefährlichkeit gehörte sie jedoch nur in die Hände sehr erfahrener Ärzte.

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Abb. 21: Schlafmohn. Zur Gewinnung des Opiums werden die prallen Mohnkapseln angeritzt und der austretende Mohnsaft, das Rohopium, nach einigen Stunden gesammelt. Opium war eines der wichtigsten Heilmittel der Antike, denn man konnte mit ihm Schmerzen lindern und Schlaf fördern. Es war auch unverzichtbarer Bestandteil des Allheilmittels Theriak.

Schlafmohn (Papaver somniferum) – Opium Theophrast berichtet, wie der Saft des Mohnes (Abb. 21) durch das Einritzen der Kapseln gewonnen wird. Gelangt der Saft an die Luft, so gerinnt er zu einer braunen Masse, dem Rohopium oder den „Mohn-Tränen“. Aber Mohn wurde mindestens schon seit Homers Zeiten angebaut, bereits viel früher in den alten Kulturen in Ägypten und Kreta genutzt und ist auch aus dem Paläolithikum Mitteleuropas bekannt. Götter wie Hypnos, der Gott des Schlafes, und Thanatos, der Gott des Todes, wurden mit Mohnpflanzen zusammen abgebildet. Aber auch Demeter, Aphrodite und Hermes schmückten sich mit der magischen Pflanze. Die berauschende Wirkung des Mohnes wurde in vielen Kulten genutzt, um Hellsichtigkeit und prophetische Gaben zu erlangen oder auch einfach als Aphrodisiakum. Aufgrund der schlaffördernden und schmerzstillenden Wirkung war der Mohn eines der wichtigsten Heilmittel der Antike. Er war immer wesentlicher Bestandteil des Allheilmittels Theriak. Angeblich war Kaiser Marcus Aurelius, der Theriak viele Jahre täglich einnahm, durch das in ihm enthaltende Opium körperlich abhängig geworden. Dioskurides beschreibt uns das weite Anwendungsgebiet des Schlafmohns. Natürlich wurde der Mohn in erster Linie bei allen schmerzhaften Erkrankungen angewandt. Gern nutzte man ihn auch, um tiefen Schlaf zu fördern. Galen schreibt, dass Opium die Sinne betäube und einen todesähnlichen Schlaf bewirke. Es fand daher auch zusammen mit Nachtschattengewächsen wie Bilsenkraut und Alraune bei Operationen Anwendung. Aber Mohn lindert auch den schmerzhaften Husten, wir nutzen diese Wirkung heute noch im Hustenmittel Codein, und heilt Magenbeschwerden.

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Auch hier ist bei der Dosierung Vorsicht geboten. Die Ärzte der Antike warnten davor, dass ein Zuviel Lethargie und im schlimmsten Fall den Tod des Kranken bewirken könne.

Anwendungen nach Dioskurides: – in erster Linie Schlaflosigkeit und Schmerzen – fein gestoßene Mohnköpfchen mit Grütze gemischt als Kataplasma bei Geschwülsten – mit Honig eingekocht als schmerzstillendes Leckmittel bei Husten, Erkältung und Magenbeschwerden – fein gestoßener Same mit Wein gegen den Fluss der Frauen – mit Wasser gemischt als Umschlag auf die Stirn und Schläfen bei Schlaflosigkeit – erbsengroße Pastille des getrockneten Saftes als Schmerz- und Schlafmittel – hustenlindernd – verdauungsfördernd – mit Rosenöl aufgesprengt gegen Kopfschmerzen – mit geröstetem Eiklar und Safran bei Augenentzündungen – mit Essig bei Wunden – als Zäpfchen zum Einschlafen – mit Mandelöl, Safran und Myrrhe eingetröpfelt bei Ohrenschmerzen

Abb. 22: Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea). Tausendgüldenkraut enthält viele Bitterstoffe und ist somit für die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen besonders gut geeignet. Das Kraut war in der Antike als Heilpflanze hoch geschätzt. Heute steht es unter Naturschutz.

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Myrrhe – das Harz des Myrrhenbaumes Myrrhe gehörte schon im Altertum zu den wertvollsten und teuersten Heilmitteln und wurde aus Arabien eingeführt. Wir erinnern uns an die Heiligen Drei Könige und ihre Geschenke an das Jesuskind. Laut Dioskurides hat die Myrrhe erwärmende, betäubende, verklebende und austrocknende Kraft. Sie hilft bei chronischem Husten und Brustschmerzen, starkem Durchfall und Fieber. Noch heute verwenden wir Myrrhetinktur gern bei Zahnfleischentzündungen. Auch Dioskurides empfiehlt die Myrrhe für die Mundpflege, da sie Zähne und Zahnfleisch fest macht und den Atem verbessert. Aber sie heilt auch eiternde, entzündete Ohren und offene Wunden, die bis auf den Knochen bloßgelegt sind und verklebt blutende Kopfwunden. Auch soll sie bei Wurmbefall hilfreich sein. Die Myrrhe ist aufgrund ihrer Heilkraft Bestandteil vieler Rezepte. Die antiken Ärzte verwendeten gerne Harze als Heilmittel. Neben Myrrhe sind es Weihrauch, Mastix und Balsam, die häufig zur Anwendung kamen. Diesen Harzen ist gemeinsam, dass sie eine stark antibakterielle, entzündungshemmende und beruhigende Wirkung haben und zudem noch schmerzlindern sind. Da die Harze sehr teuer waren, kam es gerade bei ihnen häufig zu Arzneimittelfälschungen. Der Arzt musste also über ein großes botanisches Wissen verfügen, um Fälschungen, die oftmals sehr geschickt waren, zu erkennen.

Phytotherapie heute Die Phytotherapie ist heute sowohl Bestandteil der Schulmedizin, mehr jedoch noch und in größerem Umfang der naturheilkundlich ausgerichteten Medizin und Tiermedizin. Pflanzen werden zur Vorbeugung und Behandlung verschiedenster Krankheiten verwendet. Ihr breites Wirkspektrum und die Tatsache, dass sie oft weniger Nebenwirkungen haben als synthetisch hergestellte Arzneimittel, machen sie als Therapeutikum zunehmend beliebter bei Patienten sowie ärztlichen und nicht-ärztlichen Heilkundigen. Auch die Selbstmedikation nimmt zu. Hunderte Publikationen unterschiedlicher Güte zeigen, wie sehr die Phytotherapie im Trend liegt. Besonders unsere heimischen Heilpflanzen sind sehr gut erforscht. Wir kennen viele der Inhaltsstoffe und wie

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sie wirken, aber etliche Rätsel bleiben noch. Auch wissen wir, dass Inhaltsstoffe einer Pflanze, die als Ganzes zusammenwirken dürfen, besser wirken, als wenn man einzelne Inhaltsstoffe extrahiert. Zu der wissenschaftlichen Erforschung kommt der Erfahrungsschatz von Jahrtausenden. Heilpflanzenprodukte kann man in der Apotheke fertig kaufen oder von dort Einzeldrogen beziehen und sich dann selbst ein Heilmittel zusammenmischen. Man kann natürlich auch in die Natur gehen und selbst Heilkräuter ernten, vorausgesetzt, man erkennt die Pflanzen sicher, erntet zur richtigen Zeit und am richtigen Ort, beachtet das Naturschutzgesetz, ist sich klar darüber, dass Wirkstoffe in einer lebenden Pflanze Schwankungen unterliegen, und bereitet das Sammelgut sorg-

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fältig auf. Die Glücklichen, die einen Garten besitzen, können natürlich auch dort Heilkräuter anpflanzen. Wie in der Antike werden heute aus Heilpflanzen Tinkturen, Öle, Säfte, Pulver, Salben, Tees, Bäder und Umschläge hergestellt. Klistiere und Pessare haben

in der europäischen Heilpflanzenkunde ihre Bedeutung verloren, Tees und Tränke sind erheblich beliebter geworden. Trotz der steten Entwicklung der Schulmedizin ist die Phytotherapie nicht tot, im Gegenteil, sie erfährt gerade eine große Renaissance.

Scribonius Largus – der Humanitäre Scribonius Largus war vermutlich gebürtiger Römer und wurde in der 1. H. des 1. Jhs. n. Chr. geboren. Wie sein Kollege Stertinius Xenophon war er als Hofarzt des Kaisers Claudius tätig und begleitete den Kaiser 43 n. Chr. als Legionsarzt auf seinen Britannienfeldzug. 47 n. Chr. brachte er als Auftragsarbeit des Kaisers eine umfangreiche Rezeptsammlung heraus. Die meisten dieser Rezepte scheint er selbst erprobt zu haben. Neben magischen Mitteln enthält sein Werk äußerst wirksame und manchmal erstaunliche Rezepturen. So empfiehlt Largus bei anhaltenden starken Kopfschmerzen das Auflegen eines lebenden Zitterrochens, da dessen elektrische (das war ihm natürlich noch nicht bekannt) Schläge die Schmerzen betäubten. Dieses Rezeptbuch widmete er dem einflussreichen Freigelassenen und Sekretär des Kaisers C. Iulius Callistus, der vermutlich ein Freund und Gönner war. Die ethischen und humanitären Grundsätze des Largus sind erstaunlich. Er gehört zu den ersten Ärzten, die in ihrer Schrift den hippokratischen Eid erwähnen. Mitgefühl stellt für ihn eine wichtige Eigenschaft eines Arztes dar. Largus bedauert, dass es in seiner Zeit so viele Ärzte gibt, die den Beruf nicht mehr ernst nehmen und nur noch ans Geld verdienen denken. Auch die Wissenschaft leide darunter. Er beklagt das zunehmende Spezialistentum, auch wenn er erkennt, dass die Weite der Medizin Spezialisten erfordert. Diätetik, Pharmazie und Chirurgie stellen für Scribonius Largus drei Stufen der Medizin dar. Zunächst wird der Patient mit einer speziellen Diät und mit einer Veränderung seiner Lebensweise behandelt. Nützt dies nichts, so wendet man Arzneimittel an. Führen auch sie nicht zur Heilung, muss über chirurgische Maßnahmen nachgedacht werden. Wir kennen schon aus dem Corpus Hippocraticum die Worte: Was das Wort nicht heilt, das heilt das Kraut. Was das Kraut nicht heilt, das heilt das Eisen. Was das Eisen nicht heilt, das heilt das Feuer. In dieser Beziehung stand Largus also ganz in der hippokratischen Tradition, auch wenn man ihn keiner medizinischen Schule zuweisen kann.

Theriak – das berühmte Allheilmittel Zum ersten Mal erwähnt wird Theriak bei Scribonius Largus, dem Leibarzt des Kaisers Claudius. Grundgedanke des Heilmittels war „Vorbeugung durch Immunisierung“, d. h. man wollte sich vor Krankheiten, aber noch mehr vor Vergiftungen schützen.

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König Mithridates von Pontos (132–63 v. Chr.) entwickelte das nach ihm benannte Mithridaticum, ein aus zahlreichen Einzelbestandteilen bestehendes Arzneimittel, um sich vor Giftanschlägen zu schützen. Er hatte erkannt, dass eine langsam gesteigerte Dosis eines Giftes ihn vor dem Gift selbst schützen konnte. Der hochgebildete König interessierte sich sehr für Botanik und Medizin, und da er selbst nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel war, um unliebsame Personen aus dem Weg zu schaffen, befürchtete er, vermutlich zu Recht, Anschläge seiner Feinde und Neider. Mit Hilfe berühmter Ärzte entwickelte er also das Gegengift und nahm täglich eine kleine Menge davon ein. Viele Menschen, Sklaven und verurteilte Verbrecher, mussten bei der Erprobung des Mithridaticums ihr Leben lassen. Der König experimentierte gern und überließ nichts dem Zufall. Das Mittel scheint gut gewirkt zu haben, denn nach dem Sieg des Pompeius wollte der König mit Gift seinem Leben ein Ende setzen. Aber er erwies sich als immun und musste einen Sklaven bitten, ihn mit dem Schwert zu töten. Pompeius ließ die pharmakologischen Aufzeichnungen und Schriften des Mithridates nach Rom bringen und veröffentlichen. Nach Celsus bestand das Mithridaticum aus Kostwurz, Kalmus, Hartheu (Johanniskraut), Gummi, Sapapenum, Akaziensaft, Illyrischer Iris, Kardamom, Anis, Gallischer Narde, Enzianwurzel, getrockneten Rosenblättern, Mohnsaft, Petersilie, Kassia, Sil, Taumellolch, Langem Pfeffer, Storax, Castoreum (Bibergeil), Turis, Hypocistis-Saft, Myrrhe, Opopanax, Malabathron-Blättern, Blüten der Runden Binse, Terebinthenharz, Galbanum, Kretischem Möhrensamen, Narde, Opobalsamum, Hirtentäschel, Rhabarberwurzel, Safran, Ingwer und Zimt. Die Identifizierung mancher Zutaten gestaltet sich heute schwierig. Jedenfalls wurden all diese Zutaten mit Honig vermischt und in Wein gelöst verabreicht. Theriak war eine Weiterentwicklung des Mithridaticums. Andromachos, der aus Kreta stammende Leibarzt des Kaisers Nero (reg. 54–68 n. Chr.), baute das Gegengift zu seiner klassischen Form weiter auf und verfasste ein Lehrgedicht über den Theriak. Sein Sohn, Andromachos der Jüngere, hinterließ drei pharmakologische Werke und beschrieb das Rezept noch einmal in aller Ausführlichkeit. Der kompliziert zusammengesetzte Theriak enthielt nun 64 Ingredienzien mit seinem wichtigsten Bestandteil, dem Opium. Das Opium hatte Nachteile, das war den meisten Ärzten bewusst. Galen, Leibarzt des Marcus Aurelius, beobachtete beim Kaiser eine zunehmende körperliche Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen, sobald der Mohnanteil im Theriak verringert wurde. Andererseits war die Dosis des Opiums manchmal so hoch, dass der Kaiser nicht nur die beruhigende Wirkung des Theriak erfuhr, sondern sehr schläfrig wurde, was ihn als disziplinierten Arbeiter sehr störte. Andromachos fügte zum ersten Mal Vipernfleisch hinzu. Auch wenn das Rezept oftmals umgewandelt wurde, auch aufgrund seiner Kompliziertheit, das Fleisch einer Giftschlange gehörte seit Andromachos als wesentliche Zutat in den Theriak. Mehr und mehr entwickelte sich der Theriak von seiner ursprünglichen Bestimmung als Vorsichtsmaßnahme gegen Vergiftungen zu einem Allheilmittel und wurde in späteren Zeiten zur Vorbeugung und zur Therapie aller Arten von Seuchen, besonders aber der Pest, verwendet. Bis ins 19. Jh. hinein ist eine Verwendung des Theriaks nachweisbar.

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Rufus von Ephesos – der Mitleidige Rufus von Ephesos lebte ca. 80–150 n. Chr. Neben Alexandria und Pergamon war Ephesos ein viel gerühmtes medizinisches Zentrum. Es brachte eine Reihe berühmter Ärzte hervor, so z. B. auch den in etwa gleichaltrigen Soranos, von dem an anderer Stelle die Rede sein soll. Vermutlich hat Rufus in Alexandria studiert und eventuell auch praktiziert. Auf jeden Fall scheint er einige Zeit in Ägypten gelebt zu haben, denn in seinen Schriften erwähnte er gerne medizinische Einzelheiten, die er in Ägypten erfahren oder beobachtet hatte. Ob er jemals in Rom war, ist unbekannt, aber durchaus möglich. Über sein Leben ist leider nicht sehr viel bekannt. Einer Ärzteschule lässt er sich nicht zuordnen. Er stand sicher den Dogmatikern nahe, ohne sich in ein zu enges Korsett pressen zu lassen. Dafür war er zu wissbegierig, zu sehr auf das Wohl des Patienten fixiert und zu wenig an philosophischen Hintergründen interessiert. Ende des 1. Jhs. n. Chr. war es nicht mehr möglich, Sektionen an Menschen vorzunehmen. Daher sezierte Rufus in erster Linie Affen und andere Tiere, deren „Innenleben“ dem Menschen nahe kam, um seine Kenntnisse in Anatomie und Physiologie zu erweitern. Selbst Galen, der wenig Gutes über seine Ärztekollegen zu sagen hatte, lobte Rufus’ Fähigkeiten als Arzt und Autor. Rufus hinterließ zahlreiche medizinische Schriften. Er war in erster Linie Praktiker, philosophische Abhandlungen, wie sie die meisten seiner schreibenden Kollegen verfassten, sind von ihm nicht bekannt. Besonders viel Wert legte er auf die Befragung der Kranken und der Menschen, die dem Kranken nahestehen. Erst danach sollte die körperliche Untersuchung erfolgen, dann die Harnschau und wenn vorhanden, die Inspektion des Erbrochenen. Wenn möglich, sollte sich der Arzt zunächst immer an den Patienten direkt wenden und auch nach den Träumen des Kranken fragen. Schon bei diesem Gespräch konnte der Arzt feststellen, ob die Geisteskräfte des Kranken normal waren, ob seine Sprache klar und deutlich erschien, ob Gedächtnis und Temperament Veränderungen zeigten. Wie Hippokrates legte auch er Wert darauf, Umwelt, Wasser, Luft und Klima in seine diagnostischen Überlegungen mit einzubeziehen. Seine Schriften sind in einem klaren Stil in hellenistischem Griechisch abgefasst. Als Urtext sind uns erhalten seine Abhandlungen über Nieren- und Blasenleiden, über die Benennung der Körperteile des Menschen, über Satyriasmus und Gonorrhöe und die ärztliche Fragestellungen. In arabischer oder lateinischer Übersetzung liegen uns vor seine Schriften über die Gelenkkrankheiten, über die Gelbsucht und die sogenannten Krankengeschichten. Zudem gibt es zahlreiche Fragmente, die Rufus zugeordnet werden, in denen er unter anderem auch Lebensregeln für Greise, Jungfrauen, Kinder und Schwangere gibt. Gerade seine Schrift Über die Benennung der Körperteile beim Menschen, die sicher für Studenten der Medizin gedacht war, legt nahe, dass Rufus auch in der Lehre tätig war. Als sein bedeutendstes Werk, da vollständig erhalten, gilt Über die Nieren- und Blasenleiden. Ausführlich werden Symptome, Verlauf und Therapie beschrieben. Rufus unterschied bei den Medikamenten harntreibende, blutungshemmende, steinzerklei-

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nernde, zusammenziehende und erwärmende Mittel. Klistiere, Massagen, Abreibungen, Schwitz- und Sitzbäder und Einsalbungen unterstützten die medikamentöse Therapie. Aderlass empfahl Rufus bei heftigen Schmerzen bei Nierenentzündungen und zu Beginn einer Blasenerkrankung. Für den Aderlass gab es verschiedene infrage kommende Körperstellen. Meistens war es die Ellenbeuge, aber auch Hand, Schienbein, Kniekehle, Fußknöchel oder Zungenvene konnten genutzt werden. Rufus empfahl, 1 Unze bis 1 Litra (= 22–273 ml) zu entnehmen und unbedingt eine Ohnmacht zu verhindern. Viele seiner Kollegen waren da weniger zurückhaltend und fanden eine Aderlass bis zur Ohnmacht durchaus wünschenswert. Auch die diätetischen Vorschriften nahmen einen großen Platz ein. Waren die Nieren vereitert, sollte man Schafmilch zu sich nehmen, dazu dünnen Gerstenschleim und Hühnerbrühe. Esels- oder Stutenmilch mit Honig dagegen waren bei Nierensteinen angebracht, allerdings nur, wenn die Steine schon ausgeschieden waren. Ging es dem Kranken besser, sollten vorsichtige und maßvolle Körperbewegungen dazukommen. Das Prinzip seiner Behandlung war contraria contrariis, also mit dem Gegensätzlichen behandeln, so wie es auch heute noch meistens gehandhabt wird. Bei Durchfall gibt man ein Medikament, das stopft, bei Fieber eine Arznei, die Fieber senkt. Heilmittel konnten auf verschiedenste Weise zu sich genommen werden. Rufus erwähnt neben der oralen Einnahme das Gießen über den Kopf, das Einträufeln in die Nase, das Blasen in die Kehle, das Gurgeln, das Einbringen mit dem Katheter in die Harnröhre und Einreibungen. Von operativen Eingriffen hielt er nicht viel und empfahl sie nur sehr zurückhaltend. Schneiden und Brennen fanden aber durchaus Anwendung. Wärme konnte aufgebracht werden in Form von mit heißem Wasser gefüllten Blasen, Beuteln voll warmen Mehles, heißen Schwämmen oder in heißem Öl getränkten Lappen. Durch all seine Schriften schimmert das hohe Verantwortungsbewusstsein und sein Mitleid mit den Kranken, und, was ungewöhnlich ist für einen Wissenschaftler seines Ranges, seine Bescheidenheit.

Blasenstein-OP (nach Celsus) Wenn es sich aber einmal zeigt, dass der Blasenstein nicht entfernt werden kann, ohne dass der Blasenhals zerreißt, muss der Blasenstein zertrümmert werden. Der Erfinder dieser Methode, Ammonios, erhielt deshalb den Beinamen „der Steinschneider“. Dies geschieht in folgender Weise: Ein Haken wird so an den Stein herangeführt, dass er ihn auch dann, wenn dieser einem Stoß ausgesetzt wird, bequem festhält, damit er nicht wieder zurückgleitet; dann wird ein eisernes Instrument von mäßiger Dicke benutzt, dessen vorderes Ende dünn, aber stumpf ist. An den Stein herangebracht, zertrümmert es ihn durch einen Schlag auf das andere Ende, wobei große Sorgfalt darauf gelegt wird, dass weder das eiserne Instrument an die Blase selbst herankommt noch ein Bruchstück des Steins eine Schnittverletzung verursacht.

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Militärärzte – Krieger und Heiler Machaon, der Sohn der Asklepios, war Arzt im Heer der Griechen vor Troja. Aber in erster Linie begleitete er die Achaier in seiner Funktion als Sohn eines Fürsten und als Krieger und Heerführer. Auch die späteren griechischen Heere wurden in der Regel nicht von Ärzten begleitet, sondern sie verpflichteten im Falle einer Schlacht ansässige Heilkundige, die Verwundeten zu versorgen. Alexander der Große wurde von seinen Leibärzten begleitet. Um seine Soldaten und Gefährten kümmerten sich Ärzte, die das Heer begleiteten. Verwundete wurden in den Städten zurückgelassen und Privatleuten zur Pflege gegeben. Alexander als Arzt zu dienen, war keine ungefährliche Sache. Es wird berichtet, dass der schnell ungehaltene und höchst unbeherrschte König einen seiner Ärzte wegen einer ihm schlecht erscheinenden Therapie ans Kreuz schlagen ließ. Die römischen Feldherren und höheren Offiziere wurden von ihren Hausärzten, meist Sklaven, auf den Feldzügen begleitet. Die einfachen Soldaten waren auf ihre Kameraden angewiesen und wurden nach einer Verwundung möglichst rasch nach Rom oder eine andere größere römische Stadt geschickt, wo sie Privathaushalten anvertraut wurden. Vor Augustus gibt es keinen Hinweis für ein militärisches Ärztewesen. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass bereits Caesar, der geniale Stratege und Organisator, die Notwendigkeit eines organisierten Militärsanitätsdiensts erkannt hatte und hier die Anfänge liegen. Die Militärärzte seit Augustus waren Berufssoldaten, die eine übliche Dienst-

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zeit von 16–26 Jahren, je nach Truppengattung, zu absolvieren hatten. Es gab aber auch Vertragsärzte, die ihre Dienstdauer und ihren Sold frei verhandeln konnten. Die Arztsoldaten standen im Rang von immunes, d. h. sie waren einfache Soldaten, jedoch vom Waffen- und Wachdienst und von der Steuerbezahlung befreit. Ihr Sold war in der Regel etwas höher als der eines einfachen Legionärs. Wie alle anderen Soldaten konnten sie Karriere machen. Der höchste Rang, den sie erreichen konnten, war der eines medicus ordinarius, der einem Zenturio gleichgestellt war. Auf eine Legion kamen mehrere Ärzte, man rechnet einen Arzt auf 500–1000 Mann, das bedeutet ca. sechs bis 12 Ärzte pro Legion, vielleicht mehr. Als Augustus anfing, Militärärzte für seine Legionen anzuheuern, musste er aus Mangel an Interessierten auf peregrini, also freie Nichtrömer, Freigelassene und Sklaven zurückgreifen. Für die Sklaven war der Job sicher attraktiv, da sie freigelassen werden mussten, um als Soldaten in der römischen Legion zu dienen. Andere reizte vielleicht die Aussicht auf ein abenteuerliches Leben und einen festen Sold. Zu den Ärzten kam noch medizinisches Hilfspersonal, die capsarii, die man als Sanitäter bezeichnen könnte. Neben den Humanärzten gab es die Tierärzte der Legion, die sich um die Pferde und die Last- und Zugtiere kümmerten. Das gesamte medizinische Personal unterstand dem Lagerpräfekten, dem praefectus castrorum, einem Offizier aus dem Ritterstand. Die Ärzte auf den Militärschiffen wurden du-

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Abb. 23: Der heilende Amphiaros. Attisches Votivrelief, 1. H. 4. Jh. v. Chr. Amphiaros war ein griechischer Seher, der Unsterblichkeit erlangte. Als Heilheros wurden ihm mehrere Kultstätten geweiht, die wichtigste lag in Oropos. Das Relief weihte der dankbare Patient Archinos nach seiner Heilung dem Amphiarostempel in Oropos. Nationalmuseum, Athen.

plicarii genannt, da sie den doppelten Sold bezogen. In den meisten römischen Legionslagern, selbst in den Auxiliarkastellen, allerdings nicht bei der Flotte, sind großzügige und auf hohem hygienischem Niveau angelegte valetudinaria, also Lazarette, für

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die Verwundeten auszumachen (Abb. 24). Ein optio valetudinarii hatte die Leitung über die größeren Lazarette. Ihm oblagen administrative und militärische Aufgaben. Vermutlich gab es zusätzlich einen ärztlichen Leiter. Die zahlreichen gut belüfteten, aber zugfreien Patientenzimmer

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konnten etwas drei bis fünf Betten aufnehmen, zusätzlich gab es häufig Einzelzimmer für die Offiziere. Dazu kamen Behandlungsräume, helle Operationssäle, eine Apotheke, eine Küche, Bäder, Latrinen, Personalräume und ein Kräutergarten. In dem Lazarett wurden Sanitäter ausgebildet und vielleicht auch zukünftige Militärärzte. Es gab auch unter den Soldatenärzten Spezialisten, wie z. B. die marsi, die sich besonders auf die Behandlung von Schlangen- und Skorpionsbissen verstanden. Ein valetudinarium besaß stets einen eigenen Tross, um bei Feldzügen die Verwundeten transportieren und versorgen zu können. Weiterhin wurden die Kaiser und Feldherren von ihren Leibärzten auf die Feldzüge begleitet. In Krisensituationen stellten die hohen Herren ihre Ärzte jedoch auch den Legionären zur Verfügung. Es stand den Soldaten frei, sich an zivile Ärzte zu wenden, wenn sie das vorzogen. Aufgaben der Militärärzte waren in erster Linie die Gesundheitsvorsorge und die

Tauglichkeitsprüfung bei der Rekrutierung bzw. bei der vorzeitigen Ausmusterung. Sie berieten die Feldherren bei hygienischen Fragestellungen, bei der Ernährung der Legionäre und bei den befohlenen Trainingsmaßnahmen. Wichtig war, die Legion in gesundem, einsatzbereiten Zustand zu halten. Da Sektionen an Menschen in der römischen Kaiserzeit nicht mehr üblich waren, stellte die Versorgung Schwerverwundeter für anatomisch interessierte Ärzte natürlich ebenfalls einen Anreiz dar, beim Militär zu dienen, da sie hier die Gelegenheit bekamen, einen tieferen Einblick in die menschliche Anatomie zu nehmen. Meist waren die Ärzte bei der Legion hervorragende Chirurgen. Manche Soldatenärzte ließen sich jedoch auch in eines der vielen Heilbäder versetzten, die den verwundeten oder kranken Legionären zur Erholung zur Verfügung standen. Der Beruf des Militärarztes war hoch angesehen, wie uns zahlreiche Grabsteine aus dem gesamten römischen Imperium belegen.

Rezept – Allgemeine Schmerzbekämpfung Seseli (= Heilwurz)

trockene Äpfel des Alrauns

gelbe Iris

Blüten des runden Binsengrases

Samen der wilden Raute

Pfefferkörner

Bibergeil (Castoreum: Sekret aus zwei kleinen Drüsen zwischen After und den Geschlechtsteilen des Bibers beiderlei Geschlechtes; enthält Salizylsäure)

Einzeln verreiben, Rosinenwein hinzuträufeln, zusammen zerkleinern bis die Masse die Konsistenz von Dreck hat.

Zimt

Kleines Stückchen trocken einnehmen oder in Wasser auflösen.

Mohnsaft

(Celsus)

Panaxwurzel

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Abb. 24: Römisches Lazarett, Militärlager Vetera I bei Xanten, Mitte 1. Jh. n. Chr. Valetudinaria gab es seit der Zeit des Augustus. Hier wurden kranke und verwundete Soldaten behandelt. Alle römischen Lazarette weisen eine ähnliche Bauform auf. Modell Xanten, LVR RömerMuseum, Xanten.

Theodorus Priscianus – der Methodiker Theodorus Priscianus lebte in der 2. H. des 4. und Anfang des 5. Jhs. n. Chr. in Rom. Vermutlich stammte er aus Nordafrika. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er Leibarzt des Kaisers Gratian (reg. 375–383 n. Chr.). Er schrieb ein viel beachtetes Buch über Leicht zu beschaffende Heilmittel (Euporista). Seine Quellen waren Galen, Soranos, Plinius d. Ä. und Dioskurides. Es war ein Buch für die Praxis, das er zunächst in Griechisch abfasste, um es dann ins Lateinische zu übersetzen. Der Einfluss der methodischen Schule ist deutlich zu erkennen. Er bevorzugt die einfachen Heilmittel und lehnt jegliche theoretischen wissenschaftlichen Spitzfindigkeiten ab. Die Heilkraft der Natur und die aus Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse stehen bei ihm an der Spitze der Medizin. Buch 3 seines Werkes befasst sich mit Frauenkrankheiten. Überraschenderweise hat er diese Schrift einer Frau gewidmet – Victoria. In seinem Vorwort bezeichnet er jene Victoria als „liebste Gehilfin meiner Kunst“. Aus seinen Bemerkungen ist zu schließen, dass Victoria eine Gynäkologin war, vielleicht seine Assistentin. Jedenfalls klingt große Wertschätzung aus seinen Worten. Als typischer Vertreter der spätantiken Ärzte lässt auch Theodorus magische Arzneimittel in seine Schriften einfließen. Von seinem Werk Physica ist leider nur wenig erhalten.

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Vorfall der Därme infolge einer die Bauchhöhle eröffnenden Verletzung (nach Celsus) Wenn die Därme schon ziemlich trocken sind, muss man sie mit Wasser überspülen, dem ganz wenig Öl zugesetzt ist. Dann muss der Gehilfe die Wundränder mit seinen Händen leicht auseinanderziehen, oder er tut das mit zwei Haken, die an der (Körper-) Innenhaut ansetzen. Der Arzt führe sodann immer als Erstes die Darmschlingen zurück, die als letzte vorgefallen sind, und zwar so, dass er die Lage der einzelnen Windungen beachtet. Ist alles wieder am Ort, muss man den Patienten leicht schütteln, denn dadurch geschieht, dass die einzelnen Därme von sich aus in ihre korrekte Lage gleiten und darin verbleiben.

Das Instrumentarium – modernes Design Über die chirurgischen Instrumente, die die römischen Ärzte in der späten Republik und in der Kaiserzeit benutzen, sind wir recht gut informiert (Abb. 25). Anders sieht es bei den Instrumenten der griechischen Mediziner aus. Informationsquellen sind in erster Linie die archäologischen Funde aus den Arztgräbern und aus verschütteten oder zerstörten Siedlungen, dazu kommen verschiedene Textstellen in medizinischen Werken und Abbildungen auf Grab- und Weihereliefs. Einige wenige griechische und römische Malereien wie die Pfeilziehoperation am Oberschenkel des Aeneas geben weitere Aufschlüsse. Schon in griechischer Zeit war der Schröpfkopf das wichtigste Kennzeichen für einen Arzt. Er findet sich häufig auf Grabreliefs und in Arztgräbern. Der Schröpfkopf dient zur lokalen Blutableitung. Er wird auf die Haut aufgesetzt, vorher meist erwärmt, und durch den Unterdruck wird Blut in die Haut gesogen. Hat man die Haut eingeritzt, nennt man den Vorgang blutiges Schröpfen, bei unblutigem Schröpfen bleibt die Haut

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intakt, es entsteht ein Bluterguss. Das Schröpfen ist ein Ausleitungsverfahren, d. h. schädliche Säfte werden aus dem Körper entfernt, gleichzeitig wird das behandelte Hautareal stärker durchblutet. Die meisten Schröpfköpfe waren aus Bronze, aber auch gläserne oder silberne werden beschrieben. Zu den häufigsten Instrumenten gehören auch die verschieden gestalteten Sonden. Sie waren für den Arzt unentbehrlich und in vielen Situationen einsetzbar. Mit ihnen konnte man urologische Untersuchungen vornehmen, aber auch die Tiefe von Wunden feststellen oder andere Körperöffnungen wie Nase und Ohren sondieren. Die breiteren Formen konnten zum Kauterisieren verwendet werden; manche Sonden haben einen scharfen Rand, so dass eine zusätzliche Verwendung als Schaber naheliegt. Auch bei der Arzneimittel- und Kosmetikherstellung kam man nicht ohne Sonden aus. Für chirurgische Eingriffe benötigte der Arzt Skalpelle. Häufig haben die schön geformten Griffe Einschnitte, die

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Abb. 25: Chirurgische Instrumente aus den Thermen der Colonia Ulpia Traiana (Xanten) aus Bronze und Eisen mit Einlegearbeiten aus Silber, Gold und Niello (schwarze Legierung aus verschiedenen Metallen und Schwefel), 2. Jh. n. Chr. Das Besteck besteht aus zwei Skalpellgriffen, zwei Knochenmeißeln und einem runden Eisengriff (Reste eines Brenneisens?). Ärzte waren vermutlich recht häufig in Thermen tätig, da die Räumlichkeiten gute Voraussetzungen für die Behandlung von Patienten boten. Regionalmuseum, LVR RömerMuseum, Xanten.

erlaubten, die Klingen auszutauschen, sobald sie stumpf wurden oder auch, sobald eine andere Klingenform vonnöten war. Da die Ärzte den Patienten kaum etwas zur Schmerzlinderung geben konnten, mussten sie schnell arbeiten. Daher waren die Skalpelle häufig Doppelinstrumente, d. h. auf der einen Seite befand sich das scharfe Skalpell und auf der anderen Seite ein stumpfer Spatel, um zum Beispiel Wundränder auseinander-

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zuschieben. Pinzetten gibt es schon seit prähistorischen Zeiten, da sie auch gut zu kosmetischen Zwecken einsetzbar sind. In der Chirurgie leisten sie ebenfalls gute Dienste. Manche konnten festgestellt werden und so als Aderklemmen dienen. Auch wenn Griechen und Römer mit der Entfernung von Zähnen aufgrund der Risiken sehr zögerlich waren, so sind doch etliche Zahnzangen belegt. Sie sind

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so konstruiert, dass sie keinen direkten Druck auf den Zahn ausüben, sondern ihn weit umfassen. Andere Spezialzangen wurden entwickelt, um einen Embryo im Mutterleib zu zerstückeln und dann herauszuziehen. Das war manchmal die einzige Chance, das Leben der Mutter zu retten. Weitere Knochenzangen in verschiedenen Ausführungen sind bekannt. Sägen kamen bei Amputationen zum Einsatz, Knochenheber korrigierten die Lage verletzter Knochen, Wundhaken hielten Verletzungen bei der Operation offen und Knochenmeißel dienten zum Entfernen von Geschossen oder zum Abtragen von Knochenmaterial. Der sogenannte „Löffel des Diokles“ wird in der medizinischen Literatur lediglich beschrieben, ohne dass man ihn bisher archäologisch sicher nachweisen konnte. Er diente zur Entfernung von Geschossen, die Widerhaken hatten. Diese letztgenannten Instrumente fanden sich besonders im militärischen Zusammenhang. Zum Öffnen des Schädels kamen auch runde Krontrepane zum Einsatz. Trepanationen sind seit der ausgehenden Altsteinzeit (ca. 10.000 v. Chr.) bekannt. Häufig überlebten die Patienten tatsächlich den Eingriff. Anthropologische Befunde aus griechischer und römischer Zeit scheinen jedoch nur einen recht seltenen Einsatz nahezulegen, obwohl in der medizinischen Literatur ihr Einsatz häufig beschrieben wird. Bei ausgedehnteren Infektionen empfiehlt Celsus statt des Trepans die Verwendung eines Bohrers. Natürlich gehörten auch Brenneisen, verschieden große Nadeln und Lanzetten zum chirurgischen Instrumentarium.

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Auch Katheter zur Untersuchung der Blase und eventueller Entfernung kleiner Steine sind häufig. Auffallend sind die sehr unterschiedlich gestalteten specula, die zur Untersuchung der weiblichen Geschlechtsorgane und des Darmausganges benutzt wurden (Abb. 26). Man konnte ein speculum auch zum Spreizen größerer Wunden benutzen. Die specula funktionierten nach unterschiedlichen mechanischen Prinzipien, manche verwendeten Hebelwirkung, andere hatten ein Schraubgewinde, manche konnten fixiert werden, und wiederum andere erlaubten das Zurückziehen eines Teiles während der Untersuchung. Die Instrumente wurden in der Praxis in besonderen Instrumentenschränken aufbewahrt. Instrumentenkästchen aus Holz oder Metall oder auch runde oder eckige Metalletuis kamen zum Einsatz, wenn der Arzt einen Patientenbesuch machte oder auf Reisen war. Aus Pompeji ist die tragbare Ausrüstung zweier Ärzte bekannt, die versucht hatten, beim Vesuvausbruch 79 n. Chr. ihren Mitbürgern zu helfen und selbst zu Tode kamen; bestehend aus Klappetuis für Skalpelle, Pinzetten und Zangen, runden Büchsen für Sonden und dünnen, langen Instrumenten sowie Medikamentenkästchen. Einige dieser Instrumentenetuis sind in Gräbern erhalten geblieben, andere finden wir auf Grab- und Weihereliefs abgebildet. Die Instrumente bestanden vornehmlich aus Bronze oder Messing, die Klingen aus gehärtetem Eisen, das nicht selten durchaus Stahl vergleichbar war (Abb. 27). Häufig waren die Griffe aufwendig verziert. Dennoch scheint es nur sehr selten so gewesen zu sein, dass sich

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Metallhandwerker ausschließlich auf die Herstellung medizinischer Instrumente spezialisierten. Kaiserzeitliche Grabreliefs zeigen, dass das Angebot an hergestellten und angebotenen Metallwerkzeugen sehr vielseitig war. Feine Arztinstrumente

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stellten lediglich einen kleinen Ausschnitt der Ware dar. Die Instrumente waren wertvoll und scheinen daher oft über mehrere Generationen in Benutzung gewesen zu sein. Andere folgten ihrem Besitzer ins Grab.

Abb. 27: Medizinische Instrumente aus Pompeji. Die Vielfalt der medizinischen Instrumente sieht man sehr schön bei diesem Fund aus dem Haus des Chirurgen. Die Instrumente wurden in speziellen Schränkchen aufbewahrt. Ein Teil konnte aber auch bei Hausbesuchen in flachen oder runden Etuis mitgenommen werden. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel.



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Abb. 26: Bronzenes Vaginalspeculum (L. 31 cm). Pompeji, 1. Jh. n. Chr. Specula wurden hauptsächlich von Spezialisten eingesetzt. Neben Vaginalspecula gab es auch „Spiegel“ zur Untersuchung des Enddarms. Archäologisches Nationalmuseum, Neapel.

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Caelius Aurelianus – der Diagnostiker Caelius Aurelianus stammte aus Sicca in Nordafrika und lebte zu Beginn des 5. Jhs. n. Chr. als Arzt und Lehrer in Rom. Zu seinen Lebzeiten wurde Rom durch den Westgotenkönig Alarich erobert und geplündert. Es war der Anfang vom Ende des einst so mächtigen Römischen Reiches. Aurelianus war einer der letzten und einer der fleißigsten medizinischen Schriftsteller des weströmischen Reiches (Das Weströmische Reich besteht seit 395 durch die Reichsaufteilung unter Kaiser Theodosius I.), dessen Erkenntnisse und Therapien man noch im 18. Jh. hoch einschätzte. Als einer der letzten Ärzte aus der Schule der Methodiker übersetzte er die Schriften des Soranos ins Lateinische. Kenntnisreich schilderte er in seinem Werk De morbis acutis et chronicis verschiedenste Krankheitsbilder, übernahm oder verwarf Heilungsvorschläge früherer Ärzte und entwickelte eine auf physikalischen Maßnahmen basierende Therapie. Diätetische und hygienische Anweisungen spielen in seinen Therapievorschlägen eine große Rolle. Aurelianus’ Diagnosen zeichnen sich durch eine erstaunliche Klarheit und Exaktheit aus, die beinahe einzigartig ist. Leider sind viele seiner Schriften nur durch die Erwähnung der Titel bei späteren Autoren bekannt.

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VON ABTREIBUNG BIS ZAHNHEILKUNDE Abtreibung und Empfängnisverhütung – das Ungeborene hat keinen Rechtsschutz Die griechische und römische Antike kennt vier Möglichkeiten, die Anzahl der Kinder zu begrenzen: die Abtreibung, die Empfängnisverhütung, die Kindesaussetzung und die Kindestötung. Mittel zur Empfängnisverhütung und Abtreibung werden nicht immer klar getrennt, auch sind die Begrifflichkeiten häufig unklar. Einer der ersten Ärzte, der eine deutliche Trennung vornimmt, ist der bedeutende Gynäkologe Soranos von Ephesos am Ende des 1. Jhs. n. Chr. Er weist zudem deutlich darauf hin, dass für die Frauen eine Empfängnisverhütung sehr viel ungefährlicher sei als eine Abtreibung. Für Soranos ist eine Abtreibung nur indiziert, wenn Gefahr für die Mutter besteht. Dann soll man jedoch zunächst mit harmloseren Maßnahmen versuchen, die Schwangerschaft zu unterbrechen. Soranos nennt anstrengende Übungen, kräftige Massagen, gefolgt von Umschlägen und Bädern, und wenn das nicht fruchtet, Aderlass und gewaltsames Schütteln. Erst zuletzt empfiehlt er abortiv wirkende Arzneimittel, die als Zäpfchen gegeben werden. Im antiken Griechenland waren kinderreiche Familien aus staatspolitischen Gründen nicht immer erwünscht. Ein

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ausgeglichenes Bevölkerungswachstum wurde angestrebt, auch wenn eine fruchtbare Frau gleichzeitig hoch geschätzt wurde. So war für Aristoteles eine in den ersten Schwangerschaftswochen vorgenommene Abtreibung ein probates Mittel, um die Bevölkerungszahl möglichst konstant zu halten. Das ungeborene Kind besaß keinen Rechtsschutz. Die meisten philosophischen und medizinischen Autoren gingen davon aus, dass erst mit der Geburt das Kind eine Seele erhält, das Ungeborene war seelenlos, Teil der Eingeweide der Mutter. Die meisten Ärzte empfahlen eine Abtreibung zwischen dem zweiten und dritten Monat, praktiziert wurde der künstliche Abbruch jedoch sicher bis zum neunten Monat. Im Eid des Hippokrates steht: „ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel aushändigen“. Dieser Passus ist mehrfach zu deuten. In manchen Übersetzungen heißt es: „ich werde niemals einer Frau ein Frucht abtreibendes Zäpfchen geben“. Das bedeutet, dass anscheinend nur diese eine Applikationsform verboten war, Tränke und mechanische Maßnahmen zum Abbruch aber erlaubt waren. Und selbst, wenn man der ersten Übersetzung den Vorzug gibt, heißt das nicht, dass die

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Ethik den griechischen Ärzten verbietet, einen künstlichen Abort vorzunehmen. Vielleicht ist nur gemeint, dass dieser Bereich den Hebammen vorbehalten ist. Denn im weiteren Verlauf des Textes heißt es weiter, dass der Arzt auch keine Blasensteinkranken behandeln soll, sondern dies den Blasensteinschneidern, also denen, die sich gut darauf verstehen, überlassen soll. Es würde sich bei diesem Passus also eher um eine tätigkeitsbegrenzende Beschreibung handeln. Auch ist denkbar, dass der Staat Kontrolle darüber behalten wollte, wie viele Kinder geboren wurden und dies nicht den Frauen bzw. Ärzten überlassen wollte. Amulette und magische Rituale wurden in der Bevölkerung von den Frauen zur Empfängnisverhütung angewandt, aber von den meisten Ärzten als wirkungslos erkannt. Es gab antikonzeptive Vaginalzäpfchen und Tränke. Räucherungen sollten beides bewirken, die Empfängnis verhüten und einen künstlichen Abbruch hervorrufen. Der Coitus interruptus war sicher bekannt, wurde aber wohl, da besonders unangenehm für den Mann, nicht häufig angewandt. Jedenfalls erscheint er kaum in den medizinischen Quellen. Starke Diuretika (Mittel zur Wasserausschwemmung), Brech- und Abführmittel und drastische Aderlässe sollten die Schwangere schwächen und so die Maßnahmen zum Abbruch unterstützen. Pessare getränkt in scharfen Arzneimitteln, Tränke, die Uteruskontraktionen auslösten, und mechanische Maßnahmen wie starke Erschütterungen des Körpers waren die wirksamsten Abtreibungsmittel. Im Corpus Hippocraticum wird eine Prostituierte dazu aufgefordert, so lange

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auf- und abzuspringen und dabei mit den Hacken gegen ihr Gesäß zu schlagen, bis die Leibesfrucht abgestoßen wird. Empfängnisverhütung war im antiken Rom gang und gäbe. Das ging so weit, dass die führenden Politiker fürchteten, die „echten Römer“ würden bald aussterben. Mit verschiedenen Maßnahmen versuchte man, dem Rückgang der Geburtenzahl entgegenzuwirken. Kaiser Augustus erließ ein Gesetz, das Familien mit mindestens drei Kindern eine Vielzahl von Privilegien zusagte. Kaiser Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) verbot gar Abtreibung und Kindesaussetzung. Nichtsdestotrotz gab es nur wenige Familien mit vielen Kindern. Selbst in den ärmeren Bevölkerungsschichten hielt man es für klüger, die Anzahl des Nachwuchses zu beschränken, um die eigene Existenz nicht zu bedrohen. Die wohlhabenden Familien achteten darauf, einen Erben zu haben, aber ein oder zwei Kinder reichten ihnen völlig aus. Viele Familien verzichteten auch ganz auf Kinder. Erben konnte man schließlich auch adoptieren. Besonders die Frauen scheinen in hohem Maße gegen eine Schwangerschaft eingestellt gewesen zu sein, sei es aus wirtschaftlichen Motiven, aus Gründen der Schönheit oder einfach, weil Kinder Mühe machen. Auch sollte man nicht unterschätzen, dass es jeder Frau bewusst war, dass eine Schwangerschaft nicht ohne Risiken für ihre Gesundheit und ihr Leben war. Die Mittel, die zur Empfängnisverhütung eingesetzt wurden, waren zahlreich und vielfach wirksam. Samen und Blätter der Weide, beispielsweise, verhindern den Eisprung. Das Einreiben des Mutter-

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mundes mit altem Olivenöl, Honig, Zedernharz und Saft des Balsambaumes oder auch mit einer Salbe aus Myrrhe, Bleiweiß, flüssigem Alaun und mit in Wein gemischtem Galbanum ist ebenfalls wirksam, denn die Harze und Säfte fungieren durch ihre antiseptische Wirkung als Spermizide. Myrrhe und Galbanum haben vermutlich eine hormonelle Wirkung, während Öl und Honig die Mobilität der Spermien verringern. Man kann auch einfach den Muttermund mit einem Wollbüschel verschließen oder mit einem Schwämmchen, das in Zitronen- und Essigwasser getaucht ist und die Fortbewegung der Spermien hemmt. Ein zur Kugel geformtes und in die Scheide eingeführtes Arzneimittel aus Bienenwachs, Akazienblättern und Harz zeigt sich ebenfalls wirkungsvoll. Auch die Kerne und die Schale von Granatäpfeln scheinen eine hormonell wirkende empfängnisverhütende Wirkung zu besitzen. Aber nicht nur einzuführende Mittel werden in der römischen Literatur empfohlen, auch verschiedene Tränke und Arzneimittel in Pillenform fanden Anwendung. Der Samen der Weinraute, Goldlack, Myrte, Myrrhe, weißer Pfeffer, Wiesenbärenklau und Levkojen kommen beispielsweise in Anwendung, deren Wirksamkeit heute bestätigt werden kann. Manche der Arzneimittel haben sowohl empfängnisverhütende als auch abtreibende Wirkung. Sehr wirksam scheint auch das Silphion gewesen zu sein, dessen weites Anwendungsspektrum zu einem Raubbau und damit zur Ausrottung der Pflanze führte. Nur einmal im Monat sollte der Saft eines erbsengroßen Stückes Silphion in Wasser

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eingenommen, eine Empfängnis verhindern oder auch einen Fötus abtreiben. Auch bei der Empfängnisverhütung kamen gerade im Volk nicht selten magische Amulette und Mittel aus der „Drecksapotheke“ zur Anwendung. Daneben sollten kräftiges Auf- und Abspringen nach dem Geschlechtsverkehr, das Duschen des Unterleibes und provoziertes Niesen gegen eine ungewollte Empfängnis helfen. Ein Schwangerschaftsabbruch fand im antiken Rom meist zwischen dem zweiten und siebten Monat statt. Wie bereits erwähnt, empfahl Soranos Zurückhaltung bei Abtreibungen, da sie das Leben der Mutter gefährdeten. Sie sollten also nicht leichtfertig bei jedem Ehebruch oder bei jeder „Sorge um jugendliche Schönheit“ durchgeführt werden, sondern nur, wenn die Frau durch die Schwangerschaft gefährdet war. Über zweihundert Abortiva sind aus römischer Zeit bekannt, fast allen wird heute eine mittlere bis sehr gute Wirksamkeit attestiert. Die meisten Abortiva verursachten Gebärmutterkontraktionen und –blutungen, andere töteten den Embryo und verursachten eine Totgeburt. Abtreibungen wurden in Rom von der um die Bevölkerungszahl besorgten herrschenden Schicht nicht gern gesehen, aber sie standen nicht unter Strafe. Das Gesetz des Septimius Severus Ende des 2. Jhs. n. Chr. bestrafte nur die Frau, die ihrem Mann durch einen Schwangerschaftsabbruch seine Kinder und Erben vorenthielt, daher konnten nur verheiratete oder frisch geschiedene Frauen bestraft werden. Anders sah es aus, wenn der Vater seine Zustimmung zur Abtrei-

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Unfruchtbarkeit Wenn die Frau über lange Zeit nicht schwanger wird, obwohl sie die Regel hat, dann warte man drei oder vier Tage, zerreibe weiche Alaunerde, löse sie in Parfüm auf, sauge die Substanz in Wolle auf, führe das Pessar ein und belasse es drei Tage drinnen. Am vierten Tag aber koche man getrocknete Rindergalle in Öl, weiche Wolle darin und führe das Pessar ein; dieses belasse man drei Tage lang drinnen. Am darauffolgenden Tag nehme es die Frau es heraus und schlafe mit ihrem Mann. (Corpus Hippocraticum, De sterilibus [Über die Frauenkrankheiten]) Wenn eine Frau nicht empfängt und man wissen möchte, ob sie empfangen kann, dann wickle man sie in Decken und bedampfe sie von unten. Wenn der Geruch durch den Körper zur Nase und zum Mund zu gelangen scheint, dann erkennt man, dass sie an und für sich nicht unfruchtbar ist. (Corpus Hippocraticum, Aphorismen) Man muss darauf hinweisen, dass sich Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren allgemein gut für die Empfängnis eignen, auch sollen sie nicht von männlichem Wesen und auch nicht dick sein, nicht zu fleischig und nicht übermäßig fett, auch nicht allzu weich und nicht zu nass, und zwar deswegen, weil die Gebärmutter – entsprechend dem ganzen Körper – gegebenenfalls wegen großer Trockenheit die Einbindung des Samens nicht ohne Weiteres zulässt, oder auch wegen übergroßer Schlaffheit und Schwäche. Auch sollen die Frauen keine übermäßig nasse, aber auch nicht trockene, weder eine zu ausgeweitete noch eine sehr enge Gebärmutter haben; der Reinigungsfluss soll regelmäßig stattfinden, und zwar nicht durch irgendeinen Sud oder verschiedenartige Flüssigkeiten, sondern durch Blut, wobei dieses weder in zu großer noch in ganz geringer Menge abfließen soll. … Zudem sollen sie keine Schwierigkeiten mit der Verdauung haben …, außerdem sollen sie einen ausgeglichenen und heiteren Charakter haben. … Im Übrigen fügten wir hinzu, dass auch der Trieb und die Lust zur Vereinigung vorhanden sein müssen. Denn wie es nicht möglich ist, dass der Samen von den Männern ohne Lust ausgeschleudert wird, so ist es unmöglich, dass er von den Frauen ohne Lust empfangen wird. (Soranos, Gynaecia) Wenn sich aber einer zu maßlos der geschlechtlichen Liebe hingibt, dann ziehen die Hoden zu oft den Samen aus dem Gewinde der Gefäße und entleeren diese vollständig. Und wenn man ein solches Wesen aufschneidet, wird man darin keine samenhaltige Flüssigkeit finden. Andererseits wird man entsprechend beim Aufschneiden eines Lebewesens, das sich der geschlechtlichen Liebe enthält, sehr viel und sehr dicken Samen finden. (Galen, De semine [Über den Samen])

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APHRODISIAKA – DIE KRÄUTER UND GEWÜRZE DER APHRODITE

bung gegeben hatte, oder wenn das Kind aus einem Ehebruch resultierte. Starb die Frau nach der Verabreichung eines Abtreibungsmittels, stand dies unter Strafe, daher werden Ärzte und Hebammen nicht leichtfertig mit Abortiva umgegangen sein. Das Ungeborene hatte nach Ansicht der meisten römischen Ärzte und Machthaber keine Seele, wurde erst Mensch mit der Geburt, daher war eine Tötung des ungeborenen Kindes nicht strafbar. Dies änderte sich erst mit der christlichen Gesetzgebung. Aber auch das Neugeborene hatte noch nicht automatisch das Recht auf Leben. Der Familienvater, der pater familias, dem die Kinder gehörten, hatte das Recht zu entscheiden, ob er den Säugling großziehen wollte. Neugeborene wurden aus wirtschaftlichen Gründen ausgesetzt, weil sie eine Behinderung aufwiesen, weil sie die Frucht einer außerehelichen

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Beziehung waren oder weil eine Sklavin sie geboren hatte. Die meisten dieser ausgesetzten Kinder starben, andere wurden zumindest in der römischen Kaiserzeit in Findelhäusern aufgezogen. Kindesaussetzungen waren aber auch im antiken Griechenland durchaus Usus. Platon und Aristoteles rieten, dass Eltern nur wohlgestaltete, gesunde Kinder aufziehen sollten. Und auch Soranos, der so einfühlsam über die Behandlung von Säuglingen und Kleinkindern schreibt, sagt, dass es sich nur lohne, gesunde Neugeborene großzuziehen. Heute gehen viele Autoren davon aus, dass die massive Anwendung von empfängnisverhütenden Mitteln, die vielfach vorgenommenen Abtreibungen und auch die Kindesaussetzungen zu einer drastischen Bevölkerungsabnahme während der römischen Kaiserzeit geführt haben.

Aphrodisiaka – die Kräuter und Gewürze der Aphrodite Aphrodisiaka sind seit Tausenden von Jahren bekannt. Der Name leitet sich von Aphrodite ab, der schaumgeborenen, verführerischen und schönen Göttin der Liebe. Aphrodisiaka sollen Verschiedenes bewirken: Die Libido bei Mann und Frau steigern oder überhaupt erst Lust erregen, das Durchhaltevermögen des Mannes stärken oder ihn überhaupt erst potent machen. Ärzte nutzten Aphrodisiaka in erster Linie, um eine Impotenz zu heilen oder um Frigidität zu lindern. Auch die Kräuterhändler und Wurzelschneider betätigten sich gern in dem lukrativen Geschäft mit Liebesmitteln. Oft waren

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Magie und Aberglauben eng mit dieser Materie verbunden, überliefert sind zahlreiche Zaubersprüche und luststeigernde Amulette, die verschiedenen Körperstellen umgebunden wurden. Aphrodisiaka konnten als Trank, Pille oder Speise oral eingenommen werden, sie konnten geraucht oder geräuchert werden oder auch als Salben oder Öle in die Haut eingerieben werden. Auch rektal oder vaginal einzuführende Aphrodisiaka sind bekannt. Die meisten Aphrodisiaka sind pflanzlichen Ursprungs. Sehr viele sind bei Dioskurides, Theophrast, Galen und Pli-

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nius d. Ä. beschrieben, aber auch bei den römischen Dichtern wie Ovid und Petronius war das Thema sehr beliebt. Oft ist ihre Dosierung problematisch, da besonders Pflanzenfamilien als wirksam infrage kommen, deren Inhaltsstoffe bei Überdosierung schädlich, wenn nicht sogar tödlich sind. Zu nennen sind hier die Nachtschattengewächse wie Alraune, Stechapfel, Bilsenkraut und Tollkirsche. Harmlosere Familienmitglieder sind Tomate, Paprika und Aubergine. Als besonders wirksam gelten auch Mohn, Hanf und Wein. Auch sie haben Nebenwirkungen und müssen so dosiert werden, dass sie weder das Bewusstsein trüben, „high“ machen, narkotisierend wirken oder gar der Gesundheit schaden. Das richtige Maß zu finden, war sicher eine Kunst für sich. Die Moly genannte Pflanze, die als Aphrodisiakum in der Antike hoch gerühmt war, konnte bisher nicht identifiziert werden. Auch musste der Arzt wissen, ob ein Mittel besser wirkte, wenn es oral eingenommen oder äußerlich appliziert wurde. So soll Opium beispielsweise besser als Aphrodisiakum wirken, wenn es gegessen wird. Auch Wein, oft versetzt mit anderen Aphrodisiaka, wurde gern als liebesfördernd genutzt. Aber auch hier schadete ein Zuviel der Potenz und der Zeugungsfähigkeit bzw. der Empfängnisbereitschaft, wovor etliche antike Ärzte warnten. Der Wein hergestellt aus Granatäpfeln sollte besonders erotisierend sein. Vor nicht allzu langer Zeit schlug man Hengsten, die „es nicht brachten“, mit Brennnesseln unter den Bauch, um ihre Geschlechtsorgane zu reizen. Wenn man einigen römischen Dichtern Glauben schenken mag, gab es

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zu ihrer Zeit auch Männer, die dieses doch sehr unangenehme Mittel anwandten, um ihre Potenz zu stärken. Ob diese Therapie vom Arzt verschrieben wurde, kann bezweifelt werden. Gewürze fanden ebenfalls als Aphrodisiaka Anwendung. Anis empfahlen die antiken Ärzte bei Impotenz. Auch die verschiedenen Pfefferarten waren sehr beliebt, wie auch andere Gewürze, die aus dem Orient oder aus Asien eingeführt wurden, wie Zimt, Ingwer und Safran. Aus dem Tierreich ist das bekannteste und wirksamste Aphrodisiakum die Spanische Fliege, Cantharis. Dieser Käferart wurde und wird noch heute häufig für Reizpflaster verwendet (Cantharidenpflaster). Aber der Käfer wurde auch als Aphrodisiakum hochgelobt. Auch hier war die Anwendung problematisch, da er in zu hoher Dosis tödlich giftig ist, und daher auch zu Hinrichtungszwecken genutzt wurde. Selbst in niedriger Dosierung kann die Spanische Fliege Verätzungen und innere und äußere Entzündungen auslösen. Es soll jedoch Länder geben, in denen die Männer noch heute den Käfer als Potenzmittel nutzen. In der Homöopathie wird Cantharis unter anderem genutzt, um zu starke geschlechtliche Erregung abzumildern. Die Homöopathie empfiehlt bei Cantharidenvergiftung Camphora, also Kampfer, Essig und Alkohol. Auch der Skink, eine Eidechsenart, wird von Dioskurides als Aphrodisiakum hochgelobt. Allerdings nahm man vom getrockneten und in Kresse eingelegten Skink nur die Teile um die Nieren in Wein ein. Gern aß man auch Teile von den Tieren, die durch ihr Aussehen oder durch

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Anforderungen an eine Hebamme (nach Soranos von Ephesos) Geeignet ist aber diejenige Frau, die der Schrift kundig ist, die eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis besitzt, die arbeitsfreudig, integer und ganz allgemein in ihrem Wahrnehmungsvermögen nicht beeinträchtigt ist, die über gesunde Glieder verfügt und kräftig ist, die aber, wie einige behaupten, auch lange und schlanke Finger und nicht über die Fingerkuppen hinausragende Nägel hat. Der Schrift soll sie kundig sein, damit sie auch mit der Hilfe der Theorie ihre Kunst erlernen kann; von schneller Auffassungsgabe, damit sie dem, was gesagt wird und was geschieht, leicht folgt; von gutem Gedächtnis, damit sie auch die ihr vermittelten Kenntnisse in Erinnerung behält. Wissen beruht nämlich auf der Erinnerung an das geistig Aufgenommene; arbeitsfreudig, damit sie in allen nur möglichen Situationen ausharrt, denn diejenige, die ein so großes Wissen erwerben will, braucht männliches Beharrungsvermögen; integer deshalb, weil man ihr Wohnungen und Geheimnisse des Lebens anvertrauen wird …, mit langen und schlanken Fingern und mit kurz geschnittenen Nägeln, damit sie die in der Tiefe befindliche Entzündung mit geringerer Gefahr, Verletzungen zu verursachen, berührt. … Spezieller bezeichnen wir als die beste Hebamme diejenige, die in allen Teilen der Therapie geübt ist, denn manche Fälle muss man mit diätetischen Maßnahmen, andere mit chirurgischen Eingriffen behandeln, wiederum andere durch Heilmittel wieder in Ordnung bringen. …, die vielmehr dem Verlauf der Krankheit entsprechend Anweisungen gibt, die unerschütterlich ist, unerschrocken in gefährlichen Situationen, dazu imstande, klug über die Heilverfahren Rechenschaft abzulegen, die den Patientinnen Trost spendet, ihre Schmerzen mitempfindet und nicht auf jeden Fall zuvor selbst geboren haben muss, wie einige behaupten …, und nicht auf jeden Fall jung sein muss, wie manche behaupten …, die besonnen ist und stets nüchtern wegen der Ungewissheit der Möglichkeiten, zu Frauen gerufen zu werden, die sich in Gefahr befinden; die eine ruhige Wesensart hat, da sie in Situationen kommen kann, an vielen der mit dem Leben verbunden Geheimnisse teilzuhaben; die nicht geldgierig ist, so dass sie nicht des Lohnes wegen in schlimmer Absicht ein Abtreibungsmittel verabreicht; frei von Aberglauben, damit sie nicht wegen eines Traumes oder wegen irgendwelcher Vorzeichen …, das Zuträgliche übersieht. Sie soll sich auch um die Zartheit ihrer Hände bemühen, indem sie sich unter anderem vor Wollarbeiten hütet, die zu Verhärtungen führen können, indem sie aber durch Salben die Weichheit, wenn sie nicht von Natur aus vorhanden ist, sogar erst hinzugewinnt. Von solcher Art muss die beste Hebamme sein.

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ihr Verhalten als potenzsteigernd betrachtet wurden, so die Hoden von Hähnen und Stieren, das Genitalsekret brünstiger Stuten, Austern, Schlangen, geraspeltes Hirschhorn oder auch pulverisierte Phallen etc. Das hat sich bis heute kaum verändert, wenn man bedenkt, dass manche Tierarten wie Nashörner, Tiger und einige asiatische Hirscharten in ihrem Bestand

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stark gefährdet sind, da in Asien und Afrika der Handel mit aus ihnen hergestellten Aphrodisiaka boomt. Auch Muscheln und Schnecken sind von alters her als Potenzmittel gefragt, vermutlich wegen der Form ihrer Schalen. Manche Gesteinsarten wurden pulverisiert und als luststeigernd in Wein oder Essig getrunken. Enthielten diese Gestei-

Theophrast von Eresos – der Botaniker Der Aristotelesschüler Theophrast wurde zwischen 372 und 368 v. Chr. als Sohn eines Walkers (?) in Eresos auf Lesbos geboren. Früh ging er nach Athen und wurde Schüler des greisen Platon. In dessen Umfeld lernte er den 14 Jahre älteren Aristoteles kennen, und sie freundeten sich an. Als Platon 347 v. Chr. starb, ging Aristoteles in die südliche Troas und später nach Makedonien, um Lehrer Alexanders des Großen zu werden. Theophrast begleitete seinen älteren Freund und Lehrer. 322 v. Chr. starb Aristoteles. Er vermachte dem Freund seine gesamte berühmte Bibliothek. Theophrast übernahm die Leitung des Peripatos, der von Aristoteles begründeten Schule. Als umtriebiger und äußerst arbeitseifriger Philosoph verfasste er eine große Anzahl an Schriften, von denen jedoch nur sehr wenige vollständig erhalten sind. Durch die Alexanderfeldzüge nach Indien hatte sich das naturwissenschaftliche Wissen um ein Beträchtliches erweitert. Die neuen Erkenntnisse flossen ein in Theophrasts Schriften zur Pflanzenkunde (Historia plantarum, 9 Bücher) und zur Physiologie der Pflanzen, also über den pflanzlichen Organismus und seine Funktion (De causis plantarum, 6 Bücher). Dioskurides benutzte später in der Hauptsache das neunte Buch über Pflanzensäfte, Gifte und Heilwirkungen als Quelle für seine Materia medica. Wie sein Freund und Lehrer Aristoteles es bereits für die Zoologie vorgemacht hatte, wandte Theophrast nun für die Botanik die wissenschaftliche exakte Naturbeobachtung an. Er sammelte, ordnete und interpretierte das gesamte Material, das ihm zur Verfügung gestellt wurde. Schematisch teilte er die Pflanzen in die Hauptgruppen Bäume, Sträucher, strauchige Pflanzen und Kräuter ein. Diesen Hauptgruppen ordnete er wiederum Untergruppen zu wie Gemüse, Hülsenfürchte, Getreide, Wasserpflanzen u. a. Für die Ärzte waren sicher besonders seine Ausführungen über Arznei- und Giftpflanzen hochinteressant. Nur wenige Fragmente sind von seinen Schriften zur Physiologie des Menschen und zur Medizin erhalten. Theophrast starb um 285 v. Chr. als einer der berühmtesten und bekanntesten Schüler des Aristoteles. Er war Philosoph, kein Arzt, aber wie viele der hochgebildeten Philosophen seiner Zeit war er auch in medizinischen Fragen sehr bewandert. Sein übergroßer Arbeitseifer und Forscherdrang hinderten ihn daran, jemals zu heiraten. Dafür hatte er einfach keine Zeit.

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APHRODISIAKA – DIE KRÄUTER UND GEWÜRZE DER APHRODITE

ne viel Magnesium und Zink, werden sie sogar wirksam gewesen sein. Die meisten pflanzlichen Aphrodisiaka enthalten hochaktive Wirkstoffe aus der Alkaloid-Gruppe. Alkaloide wirken oft sehr heftig auf den menschlichen Organismus, besonders auch auf die Psyche. So sind die Nachtschattengewächse und auch das Opium stark alkaloidhaltig. Andere Pflanzen enthalten ätherische Öle, die stimulierend wirken, wiederum andere besitzen hormonähnliche Stoffe. Hanf weist als erotisierende Inhaltstoffe Cannabinole auf, die den Al-

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kaloiden sehr ähnlich sind und entsprechend wirken. Aphrodisiaka wirken auf verschiedene Weise, die sich der antike Arzt zunutze machte. Manche der „Liebesmittel“ wirken bewusstseinsverändernd, andere fördern die Durchblutung des Unterleibs, wiederum andere sind erotisierend und steigern die Libido. Mehr noch als heute spielte in der Antike die Potenz eines Mannes im gesellschaftlichen Leben eine bedeutende Rolle. Ärzte werden häufig mit Problemen im Sexualleben ihrer Patienten konfrontiert worden sein.

Abb. 28: Deckel eines Arzneikästchens aus dem Römerlager in Haltern mit der Ritzinschrift Ex radice Britanica und Arztbesteck. Möglicherweise ist mit der hier genannten „britischen Wurzel“ eine Ampferart gemeint. Die Instrumente bestehen aus Sonden, Nadeln, einem Spatel, einer Pinzette und einem Knochenheber aus Bronze. Nicht mit abgebildet ist das bronzene Sägeblatt einer Knochensäge. 9 n. Chr. wurde das Lager im Nachgang der Varusschlacht aufgegeben. LWL-Römermuseum, Haltern.

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Silphion – das ausgerottete Heilmittel Das aus dem nordafrikanischen Kyrene stammende Silphion war schon zu Herodots Zeiten ein wertvolles, hochgeschätztes Heilmittel und wird im Corpus Hippocraticum vielfach erwähnt. Das teure Handelsprodukt, das die Stadt Kyrene reich gemacht hatte, war der harzige Milchsaft der Pflanze. Er galt als Allheilmittel. Dioskurides beschreibt, dass er als Gegenmittel gegen tödliche Gifte hilft, den Star im Auge heilt, Zahnschmerzen nimmt, Ischias lindert, gegen Biss und Stich giftiger Tiere nützlich ist, Husten und Brustfellentzündung heilt, gegen allerlei Krämpfe wirkt, magenstärkend ist, die Anfälle von Epileptikern verhindert und dem Starrkrampf entgegenwirkt. Man kann Silphion auch gegen Hühneraugen nehmen oder es einfach essen, denn es sei sehr wohlschmeckend. Auch wurde Silphion als Mastfutter für das Vieh geschätzt. Am wirksamsten als Heilmittel sei der Saft, so sagt Dioskurides, danach kämen die Blätter, dann der Stängel. Schon im 1. Jh. n. Chr. war die Pflanze durch Raubbau ausgerottet. Der letzte Stängel soll Kaiser Nero überreicht worden sein. Man versuchte, Silphion an anderer Stelle anzubauen, aber die Versuche schlugen fehl. Bis heute ist es leider nicht gelungen, vielleicht doch noch einige Restbestände der Pflanze auszumachen.

Ärztinnen – ebenbürtige Kolleginnen In einer von Männern dominierten Arbeitswelt fanden auch Ärztinnen ihren Platz. Die meisten medizinisch tätigen Frauen arbeiteten als Hebammen oder in der Gynäkologie, häufig als Partnerinnen ihrer Arztehemänner. Doch scheinen sich gar nicht so wenige Frauen auch der Allgemeinmedizin, der Zahnmedizin und der Chirurgie gewidmet zu haben. Einige sind uns aus der Literatur oder auch von Inschriften und Grabsteinen namentlich bekannt, andere bleiben namenlos, zeigen aber durch das Inventar in ihren Gräbern, welchem Beruf sie nachgegangen sind. Zunächst haben wir Antiochis von Tlos, die Arzttochter, die in der 1. H. des 1. Jhs. v. Chr. gelebt hat. Der Arzt und Pharmakologe Herakleides von Tarent widmete ihr eine seiner Schriften. Zudem ist ein ihr zugeschriebenes Rezept gegen

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Milzschmerzen, Ischiasbeschwerden und Rheuma bei Galen erhalten. Auch die Stadt Tlos in Kleinasien wertschätzte ihre Ärztin und errichtete ihr eine Ehrenstatue. Galen lobt in seinen Schriften auch die Rezepte zweier weiterer Ärztinnen. Obwohl seinen Arztkollegen gegenüber meist kritisch eingestellt, scheint der scharfzüngige Arzt mit Frauen in seinem Beruf kein Problem gehabt zu haben, solange er sie für fähig hielt. Inschriften verraten, dass es schon vor dieser Zeit Ärztinnen gegeben hat. Aus dem 4. Jh. v. Chr. stammt die Grabinschrift der Ärztin und Hebamme Phanostrate. Auf ihrem Grabrelief sind sie selbst, einige Kinder und eine weitere weibliche Person abgebildet, was den Schluss nahelegt, dass Phanostrate sich in erster Linie mit der Frauenheilkunde beschäftigte. Durch die Bezeichnung iatros ist sie

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ÄRZTINNEN – EBENBÜRTIGE KOLLEGINNEN

als Ärztin gekennzeichnet. Interessanterweise wurde hier die männliche Form des Wortes gewählt, aber es gibt durchaus auch Inschriften, die die weibliche Form iatrine verwenden. Die Funde in den Arztgräber sind manchmal schwer zu interpretierten. Anthropologische Untersuchungen sind selten möglich, und viele der Beigaben können sowohl Männern als auch Frauen zugeordnet werden. Für mehrere Gräber aus dem 1. Jh. n. Chr. werden Frauen angenommen, die als Chirurginnen und Ärztinnen gearbeitet haben, so das Grab einer Zahnärztin aus Wederath, das Grab der Chirurgin von Strée und das Grab einer weiteren Chirurgin aus Südspanien. Alle drei Gräber enthielten chirurgisches Instrumentarium.

Inschriften sind eindeutiger. Die Ärztinnen werden als medica (lat.) oder iatriné (griech.) bezeichnet. Eine Hebamme wird obstetrix genannt. Häufig werden dem Namen und der Berufsbezeichnung auch Lobreden hinzugesellt. So gibt es in Capua eine ehrenvolle Inschrift für eine junge Frau, Scantia Redempta, die im Alter von 22 Jahren starb. Die Inschrift bezeichnet sie als „unvergleichliche Frau, hervorragend in der Medizin“. Besonders aus Rom, aber auch von außerhalb der Hauptstadt sind etliche Inschriften von Ärztinnen auf marmornen, manchmal fast monumentalen Grabsteinen bekannt, die auf hohe Anerkennung und Reichtum schließen lassen. Selbst bei Arztehepaaren scheint es nicht so zu sein,

Marcellus Empiricus – der Gallier Marcellus Empiricus war hoher Staatsbeamter unter Kaiser Theodosius I. und lebte Ende des 4. und Anfang des 5. Jhs. n. Chr. in Rom. Er stammte vermutlich aus Burdigala, dem heutigen Bordeaux, also aus dem gallo-keltischen Raum. Marcellus interessierte sich sehr für die Medizin und schrieb im Jahr 408 n. Chr. ein 36 Kapitel und 1800 Rezepte umfassendes Buch über Heilmittel, De medicamentis, das er seinen Söhnen widmete. Seine Quellen waren in erster Linie Scribonius Largus und der ältere Plinius. Aber auch sehr viele Rezepte aus der Volksmedizin, besonders auch aus dem gallo-keltischen Raum, flossen in seine Schrift ein. Unter seinen rund 500 erwähnten Arzneimitteln finden sich etliche mit magischem Hintergrund, dazu Zaubersprüche und magische Handlungen. Auch der sogenannten „Drecksapotheke“ ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Zunächst beschreibt Marcellus die pflanzlichen Medikamente, darauf folgen die Mineralien, dann die Arzneimittel aus der Tierwelt, anschließend zählt er die Exkremente von Lebewesen auf, die seiner Ansicht nach als Heilmittel Verwendung finden können, und zum Schluss widmet er sich den Nahrungsmitteln. Die Wasserkur als Therapie nimmt einen ganz besonderen Stellenwert bei Marcellus ein. Die Heilzaubersprüche sind größtenteils wohl keltischen Ursprungs. Da Marcellus vermutlich Christ war, fließen auch Arzneimittel, die dem christlich-jüdischen Aberglauben entsprangen, in seine Rezepte ein. So beschreibt er den Kreuzdorn als besonders heilsam und wundertätig, da Christus mit seinen Dornen gekrönt worden ist. Aber die Volksmedizin der Römer und der druidischkeltischen Welt nehmen den größten Raum in seiner höchst interessanten Schrift ein.

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dass die Frau automatisch die Frauenheilkunde übernommen hat bzw. darauf beschränkt war. Selbst in christlicher Zeit gab es noch unbehelligt praktizierende Ärztinnen. Namentlich bekannt sind uns z. B. Metrodora, der eine gynäkologische Schrift zugeschrieben wird, und Aemilia Hilaria, die Tante des spätantiken Dichters und Kaisererziehers Ausonius. Der

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Arzt Theodorus Priscianus widmete im 4. Jh. n. Chr. sein Buch über Frauenkrankheiten seiner Assistentin (?) Victoria, der „liebsten Gefährtin meiner Kunst“. Ärztinnen hatten einen festen Platz in der medizinischen Welt der Antike. Vermutlich wird die Anzahl der Inschriften, Weihereliefs und Gräber in den nächsten Jahren weiter ansteigen.

„Drecksapotheke“ – ekelerregend und gesundheitsschädlich Tierische und menschliche Ausscheidungen, Kot und Urin, Menstrualblut, Fliegenköpfe, auch andere gekochte Tierköpfe, Bibergeil, Tiergalle, Ohrenschmalz, Schusterschwärze, Blut von sterbenden Gladiatoren und andere nicht so besonders appetitliche Beigaben zu Arzneimitteln werden als „Drecksapotheke“ bezeichnet und haben eine sehr lange Tradition. Ihre Verwendung hat sowohl rationale, mehr aber noch magisch-abergläubische Hintergründe. In der wissenschaftlichen Medizin der gebildeten Griechen und Römer spielt sie nur eine sehr untergeordnete Rolle, anders in der Volksmedizin. Einige dieser Medikamentenzutaten mögen durchaus ihren Nutzen haben. Die meisten erscheinen uns heute aber ekelerregend. Oder wer möchte gern Schafläuse, Dreck aus Eselsohren oder geschabte Hirnschale eines Menschen zu sich nehmen? Auch pulverisiertes Eichhörnchen, Speichel, Schweiß eines Sterbenden und ein wenig Froschlaich klingt nicht viel besser. Besonders beliebt waren

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Hundekot und Vogeldreck, frisch oder gebrannt. Ein frischer Kuhfladen sollte bei Kopfschmerzen Wunder tun (diesmal um den Kopf gewickelt, nicht eingenommen). Auch gebrannte Schwalbenköpfe und ein Pulver aus den Käfern, die in Pferdeäpfeln stecken, klingen nicht gar so appetitlich. Noch im 17. Jh. verfasste der Leibarzt des Münsteraner Bischofs ein dickes Buch über die Heylsame Drecksapotheke, in der er zahlreiche Rezepte zusammentrug, die im 18. Jh. sogar noch ergänzt wurden und tatsächlich ernst gemeint waren. Diese Rezepte richteten sich in erster Linie an die Landbevölkerung, die von diesen „Heilmitteln“ umgeben war, aber auch vornehmen Reisenden, die unterwegs erkrankten, wurde empfohlen, auf solcherart Heilmittel zurückzugreifen. Der Arzt Galen sagt im 2. Jh. n. Chr. dazu: „Ich würde es nie über mich bringen, solches Zeug zu schlucken, selbst um den Preis, nie krank zu werden.“ Allerdings fügt er kurze Zeit später hinzu: „Doch muss ein guter Arzt dies alles

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EPILEPSIE – DIE HEILIGE (?) KRANKHEIT

wissen …, auf der Reise, der Jagd oder auf dem Land, wo nichts Besseres zur Verfügung steht, oder bei den Bauern, die ab-

gehärtet sind wie Packesel, kann man zuweilen in die Lage kommen, Tiermist medizinisch zu gebrauchen.“

Zaubersprüche gegen Bauchkneifen 1. Man drückt den Daumen der linken Hand auf den Bauch und sagt: ADAM BEDAM ALAM BETUR ALAM BOTUM. Wenn man dies neunmal gesagt hat, berührt man mit demselben Daumen die Erde, spuckt aus, sagt es wiederum neunmal und wieder zum dritten Mal neunmal und berührt jeweils bei dem Wechsel nach den neun Malen die Erde und spuckt aus. 2. Indem man mit dem linken Daumen und den beiden kleinsten Fingern den Bauch reibt, sagt man: „Es stand ein Baum mitten im Meer, und dort hing ein Krug voll von menschlichen Därmen. Drei Jungfrauen gingen herum, zwei banden fest, eine wickelte wieder ab.“ Dies sagt man dreimal, und dreimal spuckt man aus, wobei in gleicher Weise die Erde berührt wird. Wenn man Zugtiere bespricht, sagt man „von Därmen von Maultieren“ bzw. „von Pferden“ bzw. „von Eseln“. (Marcellus Empiricus)

Epilepsie – die heilige (?) Krankheit In der Vorstellung der antiken Völker war die „Fallsucht“ eine von den Göttern stammende Krankheit. Doch schon recht früh sprachen sich rational geprägte Ärzte gegen diese in der Bevölkerung vorherrschende Ansicht aus. Eine der ersten fassbaren Schriften stammt aus dem Corpus Hippocraticum. Der Autor des Werkes Über die heilige Krankheit, der wahrscheinlich nicht Hippokrates selbst war, vermutet wie bei allen anderen Krankheiten eine gänzlich natürliche Ursache. Polemisch wendet er sich an seine ärztlichen Kollegen, die an der göttlichen Ursache festhalten, und wirft ihnen vor, nur aus Ratlosigkeit und Angst vor den Konsequenzen bei Therapieversagen den Kranken zu sagen, dass die Fallsucht heilig sei. Entsühnungen und Besprechungen, Einreibungen mit

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Blut und auch ihre zweifelhaften Empfehlungen zur Diätetik seien vollkommen sinnlos. Der Autor seinerseits ist der Ansicht, dass diese Krankheit vererbt wird und nur diejenigen Menschen befällt, die nach der Viersäftelehre eine schleimige Konstitution besitzen. Ein Überschuss an Schleim im Gehirn sei der Auslöser. Dieser Schleim sucht sich seinen Weg nach unten in den Körper des Menschen. Wenn er dabei die Adern verstopft, die Blut und Pneuma transportieren, so kommt es zu einem epileptischen Anfall. Der Kranke verliert die Sprache, leidet unter Erstickungsanfällen, Schaum fließt aus seinem Mund, die Zähne schlagen aufeinander, die Hände verkrampfen sich, er verdreht die Augen und verliert das Bewusstsein. Auch geht bei manchen

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während des Anfalles Kot ab. All dies geschehe, weil der kalte Schleim in das warme Blut fließe und es zum Stehen bringe und zudem die Bewegung des Pneumas behindere. Äußere Auslöser sind beim Kind meist psychische Erregungen wie Schreck, Furcht oder Weinen. Bei älteren Menschen sind es eher klimatische Bedingungen. So ist es nach Meinung des Autors sehr ungesund für die Kranken, wenn sie aus der Wärme des Feuers im Haus in die Kälte vor der Tür treten oder umgekehrt. Daher sind die Kranken besonders im Winter gefährdet. Auch das Umschlagen von Winden kann einen Anfall auslösen. Besonders gefährlich sei der Südwind. Wenn die Krankheit chronisch geworden ist, kann sie nicht mehr geheilt werden, da der Schleim das Gehirn zerfrisst. Das kann man erkennen, sagt der Autor, wenn man das Gehirn von Ziegen seziert, die auch recht häufig von der Krankheit befallen werden. Anders als die Menschen, deren Gehirn von Galle zerstört wird, sind die Patienten mit einer schleimigen Konstitution still in ihrer Krankheit, sie schreien und lärmen nicht, sind nicht aggressiv. Auch beschreibt der Autor, dass viele Kranke merken, wenn ein Anfall bevorsteht und sich aus Scham an einen einsamen Ort zurückziehen und sich verhüllen. Exzellent und überaus detailliert hat Aretaios von Kappadokien (Ende 1. Jh. n. Chr.) die Epilepsie beschrieben. Wie der Autor der Schrift Über die heilige Krankheit nimmt er eine Veränderung der Säfte und des Pneumas als Auslöser der Krankheit an. Ausführlich beschreibt er den Anfallsverlauf, in dem zunächst

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die Kranken eine Aura aus Lichtblitzen, Ohrgeräuschen und üblen Geruchswahrnehmungen haben und dann ohne ersichtlichen Grund aufbrausend oder gereizt werden. Drastisch und in allen Einzelheiten erfolgt dann die Darstellung eines großen Anfalls mit all seinen furchtbaren Erscheinungen. Trotz der kühlen, sachlichen Schilderung fühlt man das Mitleid des Arztes, wenn er die Auswirkungen für die Kranken beschreibt und das schwere Schicksal betrauert. Wenn er einen solchen Anfall überstehe, lebe der Kranke „unter einem Druck von Scham, Schimpf und Schmerzen“. Und so manchen kindlichen Patienten habe die Krankheit entstellt. Und es bleibe nicht bei den Anfällen. Auch in den Zeiten dazwischen fühlten sich die Kranken matt, lustlos und niedergeschlagen. Viele seien menschenscheu, litten an Schlaflosigkeit und hätten keinen Appetit. Manche Patienten verlören auch den Verstand. Ursache der scheußlichen Krankheit sind nach Meinung des Arztes Kälte mit Feuchtigkeit, also eine schleimige Konstitution nach der Viersäftelehre. Während eines Anfalles rät Aretaios zu äußerlichen Maßnahmen wie Erwärmen der kalten Gliedmaßen, Salben und Massieren der verdrehten Glieder und eventuell Hervorrufen von Erbrechen durch eine in Irissalbe getränkte Feder. Zwischen den Anfällen empfiehlt der Arzt sehr drastische Therapien wie heftige Ausleitungsverfahren durch die Gabe starker Abführ- oder Brechmittel, ausgiebige Aderlässe und wenn das alles nicht hilft, Trepanation des Schädels oder sogar Anwendung des Brenneisens am ge-

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EPILEPSIE – DIE HEILIGE (?) KRANKHEIT

öffneten Schädel. Wie die meisten anderen Ärzte misst auch Aretaios der Diätetik einen besonderen Wert zu. Ein geregeltes Leben, wozu auch ein äußerst maßvolles Sexualleben oder Enthaltsamkeit gehört, ist bei dieser Krankheit unausweichlich. Celsus nennt die Epilepsie morbus maior oder morbus comitialis. Letzter Name stammt daher, dass ein epileptischer Anfall, der anlässlich einer Volksversammlung, also einer Comitia, auftrat, zum Abbruch der Versammlung führte. Hier ist noch die Deutung der Krankheit als göttlich erkennbar. Der Entstehung der Epilepsie widmet sich Celsus nicht, aber die Beschreibung des Verlaufes der Krankheit nimmt einen großen Platz ein. Auch schildert er, dass viele Kranke eine Vorahnung haben, wann ein Anfall bevorsteht. Tritt die Krankheit bereits in der Pubertät auf, so ist sie nach Celsus Ansicht am leichtesten zu heilen, je später sie im Leben zum ersten Mal auftritt, umso schlechter ist sie zu behandeln. Während eines Anfalles empfiehlt Celsus Aderlässe, allerdings nur, wenn der Patient keine klonischen, unwillkürlichen Krämpfe hat. Immer sollte jedoch eine Entleerung des Darmes stattfinden, am Besten durch ein Klistier, auch die Anwendung der schwarzen Nieswurz zur Purgation ist angebracht, wenn der Kranke es aushält. In den ersten Tagen nach dem Anfall soll sich der Patient schonen, zwei Tage nichts essen, seinen Kopf rasieren und mit Öl und Essig salben. Wie die meisten ihrer ärztlichen Kollegen distanzieren sich Aretaios und Celsus von jegli-

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chen magischen Mitteln wie z. B. Amuletten oder Einreibungen mit Gladiatorenblut zur Heilung der Epilepsie. Auch der Kaiserarzt Galen ist der Ansicht, dass die Epilepsie aus zu viel Schleim im Gehirn entsteht, der den Fluss des Pneumas behindert. Die Mondphasen haben für ihn einen deutlichen Einfluss auf die Schwere und Häufigkeit der Anfälle. Ausführlich beschreibt Galen unterschiedliche Anfallsarten, die unseren heutigen Klassifikationen nahekommen. Die vorgeschlagenen Therapien entsprechen im Wesentlichen denen der meisten anderen Ärzte – Aderlass, Ausleitungsverfahren, ein geregeltes, maßvolles Leben und das Meiden von starken psychischen Erregungen. Auch er lehnt entschieden magische Methoden oder Mittel aus der sogenannten „Drecksapotheke“ ab, die ihn anwiderten. Wie bei den heutigen Gewährsmängeln beim Pferdehandel wurde dem Käufer eines Sklaven eine Gewähr darauf gegeben, dass der Sklave frei von Epilepsie war. Sollte ein Anfall innerhalb von sechs Monaten auftreten, konnte der Sklave zurückgegeben werden. Aussatz und Unfruchtbarkeit bei Frauen waren die beiden anderen „Gewährsmängel“, die in den Kaufvertrag aufgenommen werden konnten. Wenn die wissenschaftlich ausgerichteten Ärzte der Antike auch für die Epilepsie eine natürliche Ursache annahmen, so blieb in der Bevölkerung doch lange Zeit die Vorstellung von der von den Göttern gesandten, heiligen Krankheit bestehen.

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Eudemos – der Giftmischer? Der griechische Arzt Eudemos lebte in der 1. H. des 1. Jhs. n. Chr. in Rom. Er gehörte der Schule der Methodiker an. Von ihm ist überliefert, dass er sich umfassend mit der Tollwut und der Melancholie beschäftigte und anerkannte Schriften dazu verfasste. Der gelehrte Arzt war ein Freund der Livilla, der Schwiegertochter und Nichte des Kaisers Tiberius. Livilla war mit Drusus, dem Sohn des Tiberius verheiratet, der im Jahr 23 n. Chr. an einer schweren Krankheit starb. Der mächtige Prätorianerpräfekt Seianus liebte Livilla und hielt nach dem Tod des Drusus um ihre Hand an, die ihm, als nicht standesgemäß, zunächst verweigert wurde. Dennoch blieben Livilla und Seianus eng befreundet. Als Seianus im Jahr 31 n. Chr. des Hochverrates angeklagt und hingerichtet wurde, kamen Gerüchte auf, dass er mit Hilfe seiner Geliebten Livilla und des Arztes Eudemos den Kaisersohn Drusus einige Jahre zuvor vergiftet habe. Eudemos wurde gefangen gesetzt und gefoltert. Unter den Qualen der Folter gab er schließlich zu, den Giftmord begangen zu haben und wurde ebenfalls, vermutlich unschuldig, hingerichtet. Das verhängnisvolle Gerücht stammte von der rachsüchtigen, verlassenen Ehefrau des Seianus, und Tiberius, der in seinen späten Jahren sein nüchternes, klares Denkvermögen verlor, schenkte dem Schreiben der verbitterten Frau Glauben. Das kostete Eudemos und Livilla das Leben.

Geburt und Kinderkrankheiten – Freuden und Sorgen Die Jahreszeiten, die für die Gesundheit und Entwicklung des Kindes am zuträglichsten zu sein scheinen, sind der Frühling und der Frühsommer. Das meint jedenfalls Galen, der darauf hinweist, dass nach der Viersäftelehre ein Kind warm und feucht ist. Erst mit dem Älterwerden trockne der Mensch immer mehr aus. Kleinkinder mit einer ausgewogenen Mischung der Säfte im Gehirn haben rötliche Haare, so Galen, größere Kinder blassblonde Haare. Ob das bedeutet, dass blonde Kinder stets ein ausgewogeneres Säfteverhältnis haben und damit gesünder sind? Den antiken Ärzten fiel selbstverständlich auf, dass Kinder nicht nur Ähnlichkeit mit ihrem Vater, sondern auch mit ihrer Mutter hatten. Daraus schlossen sie, dass auch die Mutter eine Art Samen

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besitzt, mit dem sie ihrem Kind eine Ähnlichkeit mit ihr übertragen kann. Ist das Kind geboren, so soll die Nabelschnur möglichst vier Finger vom Bauch entfernt mit einem eisernen scharfen Gegenstand durchtrennt werden. Soranos lehnt die häufig von Hebammen benutzten Instrumente aus Glas, Schilfrohr oder Tonscherben ab. Anschließend soll der Nabel mit einem in Öl getränkten Leinen- oder Wollläppchen verbunden werden. Soranos empfiehlt, das Neugeborene mit Salz oder Natriumkarbonat zu bestreuen und anschließend mit lauwarmem Wasser zu waschen. Die ganze Prozedur soll einmal wiederholt werden. Auch Augen, Ohren und Mund sollen sorgfältig von Schleim befreit werden. Um den Darm zu entleeren, soll der Anus

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GEBURT UND KINDERKRANKHEITEN – FREUDEN UND SORGEN

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Abb. 29: Geburtsszene. Relief vom Grabbau der Hebamme Scribonia Attice und des Chirurgen M. Ulpius Amerimnus, aus Ostia bei Rom. Häufig teilten sich Mann und Frau die Praxis und die Aufgaben. Dabei waren Frauen nicht nur auf Hebammentätigkeiten beschränkt. Museo Ostiense, Ostia.

mit dem Finger vorsichtig gedehnt werden. Nach einer schweren Geburt sind oft die Glieder des Kindes verformt. Massagen und Einsalbungen sollen sie wieder in ihre richtige Form bringen. Viele Ärzte empfahlen die Ganzkörpereinwicklung des Neugeborenen mit Wollbinden über 40 bis 60 Tage, um die

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Glieder zu fixieren und Verformungen und Selbstverletzungen vorzubeugen. Sollte das Kind die Wollbinden nicht gut vertragen und mit Hautreizungen reagieren, so kann man ihm ein einfaches Untergewand anziehen. Auch sollen die Eltern darauf achten, das Neugeborene nicht zu früh zu füt-

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Soranos von Ephesos – der Gynäkologe Soranos wurde in der 2. H. des 1. Jhs. n. Chr. in Ephesos geboren und studierte als junger Mann in Alexandria Medizin. Nach seinem Studium ließ er sich um 100 n. Chr. in Rom als Arzt nieder. Es war das Rom des Trajan und des Hadrian, die verschiedenen medizinischen Schulen blühten. Soranos’ Hauptwerk ging im griechischen Urtext verloren, ist uns aber in der lateinischen Übersetzung des Caelius Aurelianus zumindest in Fragmenten überliefert. Soranos schrieb drei Bücher über akute und fünf Bücher über chronische Erkrankungen. Auch bei ihm erfolgte die Untersuchung des Patienten in der üblichen Weise a capite ad calcem, also vom Kopf zu den Füßen. Als Methodiker lehnte er die Viersäftelehre ab. Die Diätetik nimmt bei Soranos den weitesten Raum ein, operativen Eingriffen gegenüber ist er zurückhaltend eingestellt. Sehr systematisch beschreibt er die Krankheiten nach Ursachenforschung, Symptomatologie, Diagnose und differentialdiagnostischen Möglichkeiten, und zuletzt stellt er die Therapie mit eigenen Rezepten dar. Sein bedeutendstes Werk schrieb er über die Gynäkologie. Es ist ein für die Praxis entwickeltes Lehrbuch, das die wesentlichen Frauenkrankheiten und deren Therapien beschreibt. Auch befasste er sich ausführlich mit den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Empfängnis und der Geburtshilfe. Er empfiehlt, dass eine Frau jungfräulich bleiben soll, bis sich ihre Periode stabilisiert hat. Und eigentlich ist er der Ansicht, dass Enthaltsamkeit beiden Geschlechtern gut tut, aber es sei nun mal so, dass die Art erhalten bleiben müsse, was nur über den Geschlechtsverkehr ginge. Um schöne Kinder zu bekommen, sollte die Frau während des Geschlechtsverkehres schöne Bilder anschauen und auf jeden Fall nüchtern sein. Eine Frau sei am besten für eine erfolgreiche Empfängnis geeignet, wenn sie „nicht von männlichem Wesen und auch nicht dick sei, nicht zu fleischig und nicht übermäßig fett, auch nicht allzu weich und nicht zu nass“, außerdem sollte sie keine Verdauungsprobleme haben und von ausgeglichenem, heiteren Charakter sein. Andererseits sollte sie aber auch nicht zu viel Sport treiben und zu enthaltsam leben. Empfangen könne die Frau den Samen des Mannes nur, wenn sie auch Lust empfinde. Nicht selten kommt es vor, dass das Kind bei der Geburt falsch liegt. Soranos beschreibt ausführlich die Handgriffe, die getan werden müssen, um das Kind in die richtige Lage zu bringen. Eine Embryotomie, also eine Zerstückelung des Ungeborenen im Mutterleib, kam für den Arzt nur in Frage, wenn alle anderen Maßnahmen gescheitert waren und die Mutter in Lebensgefahr schwebte. War eine Empfängnis unerwünscht, so rät Soranos, den Muttermund mit Baumwolle, Salben oder Öl zu verschließen oder eine andere empfängnisverhütende Maßnahme anzuwenden. Das sei allemal besser, als später eine Abtreibung vornehmen zu müssen, die die Mutter gefährde. Obwohl Soranos als Anhänger der methodischen Lehre der Anatomie nur wenig Beachtung schenkte, hat er sachkundige Beschreibungen der weiblichen Geschlechtsorgane und ihrer Beziehungen untereinander hinterlassen. Da Soranos der Geburtshilfe einen großen Stellenwert einräumte, schrieb er auch ein kleines Werk über die Ausbildung und das Verhalten von Hebammen. Eine Hebamme

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GEBURT UND KINDERKRANKHEITEN – FREUDEN UND SORGEN

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sollte sich nicht nur in der Gynäkologie und Geburtshilfe auskennen, sondern weitreichende Kenntnisse der Diätetik, Chirurgie und Arzneimittelkunde besitzen. Kam es bei einer Geburt dennoch zu Problemen, sollte auf jeden Fall ein Arzt (oder eine Ärztin) hinzugezogen werden. Umfassend beschreibt er die Säuglingspflege und die Erkrankungen von Kleinkindern wie Zahnungsprobleme, Durchfall, Fieber und Hautausschläge. Selbst der Auswahl der geeigneten Amme widmet er einige Abschnitte. So soll sie nicht jünger als zwanzig und nicht älter als vierzig Jahre alt sein und möglichst schon mehrere eigene Kinder geboren haben. Brustwarzen und Milch der Amme sollten sorgfältig geprüft werden. Und natürlich durfte eine Frau während der Stillzeit weder Wein trinken noch sich zu sehr anstrengen. Aber ein bisschen Gymnastik war der Milch zuträglich. Auch sollte sie auf eine geregelte Verdauung achten und auf Geschlechtsverkehr verzichten. Sollte die Amme schwanger werden, musste sie ausgetauscht werden. Um die Mutter zu schonen und auch weil es hieß, dass die Muttermilch in den ersten zwanzig Tagen unbrauchbar sei, durfte der Säugling ihr erst am zwanzigsten Tag zum Stillen gegeben werden, und er wurde mit eineinhalb bis zwei Jahren von der Brust entwöhnt. War eine Amme zu teuer, so wurde das Neugeborene bis zum zwanzigsten Tag mit Ziegenmilch und Honig ernährt. Große Fürsorglichkeit und detailreiches Wissen spricht aus seinen Schrift. Befremdlich aus heutiger Sicht erscheint uns da die Bemerkung des Arztes zu Anfang der Beschreibung der Kleinkinderdiät, dass seine Empfehlungen nur für gesunde Kinder gälten, da ein gegenteilig beschaffenes Kind nicht zum Aufziehen geeignet sei. Soranos war ein sehr gebildeter Mann und überaus gelehrter Arzt. Es ist bedauerlich, dass so viele seiner Schriften der Zeit zum Opfer fielen.

tern. In den ersten zwei Tagen sei das Kind noch voll von Nahrung aus dem Uterus. Erst nach diesen zwei Tagen dürfe man mit mäßig gekochtem Honig beginnen und auch mit der Milch einer Amme. Muttermilch sei in ihrer Konsistenz in den ersten Tagen für das Kind nicht zuträglich. Nach zwanzig Tagen sei das Stillen durch die Mutter jedoch vorzuziehen, da dies natürlicher sei und eine stärkere emotionale Bindung entstünde. Vielleicht war es nicht nur die vermutete Unbrauchbarkeit der Muttermilch in den ersten Tagen, die die Ärzte anraten ließen, zunächst eine Amme das Kind stillen zu lassen. Möglicher-

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weise wollte man auch aufgrund der hohen Kindersterblichkeit keine zu enge Bindung zwischen Neugeborenem und Mutter schaffen, um die Mutter bei einem eventuellen frühen Tod des Kindes zu schonen. Etwa ab dem sechsten Monat sollte das Kleinkind eine Beikost aus eingeweichten Brotkrumen und süßem Wein oder Honigwein erhalten. Auch empfahl Soranos, das Kind im Laufe der Zahnung abzustillen. Es sollte nun Brot, Hülsenfrüchte und Fleisch bekommen. Alles natürlich vorgekaut. Auch warmer, stark verdünnter Wein oder kühles Wasser eigne sich zur Ernährung.

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Bei älteren Kindern sei darauf zu achten, dass sie eine Ausbildung in Gymnastik, Musik, Arithmetik und Geometrie erhielten, allerdings ohne Zwang und ohne sie zu überfordern. Das sei der Entwicklung ihres Körpers und ihres Geistes sehr zuträglich. Bereits im Corpus Hippocraticum werden eine Reihe spezieller Krankheiten genannt, die Kinder bestimmter Alterstufen gehäuft befallen. So litten Neugeborene gehäuft unter Aphten (Mundentzündungen), Erbrechen, Husten, Schlaflosigkeit,

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Angstzuständen, Nabelentzündung und Ohrfeuchte. Während des Zahnungsprozesses hätten die Kinder oft Fieber, ihr Zahnfleisch jucke, sie litten unter Durchfällen und Krämpfen. Kleinkinder erkrankten häufig an Mandelentzündung, Asthma, Steinleiden, Eingeweidewürmern, Warzen und Schwellungen im Ohrbereich. Im späteren Kindesalter seien länger andauerndes Fieber und gehäuftes Nasenbluten zu beobachten. Kinderkrankheiten im heutigen Sinn werden nicht genannt.

Geschlechtskrankheiten – in der Antike (k)ein Thema In der medizinischen Literatur der Antike werden bereits Erkrankungen an den Geschlechtsorganen beschrieben. Heute wie damals scheint die Gonorrhoe (der Tripper) eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten gewesen zu sein. Zwar wurde sie in der Regel nicht als solche erkannt, aber die Beschreibungen sind recht eindeutig. Bei der Frau entwickelt sich Ausfluss, ein Brennen beim Wasserlassen, beim Aufsteigen der Infektion kolikartige Bauchschmerzen, Fieber, evtl. Eierstockund Bauchfellentzündungen. Bei über 60 % der Frauen verläuft die Gonorrhoe jedoch symptomenarm. Der Mann hat nach einer Infektion mit Tripper fast immer Symptome, die sich als eitriger Ausfluss und Schmerzen beim Wasserlassen manifestieren. Harnröhrenentzündungen mit Ausfluss werden in den medizinischen Schriften besonders im antiken Rom sehr häufig beschrieben, zumindest

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ein Teil dieser Erkrankungen wird eine Gonorrhoe gewesen sein, auch wenn sie als eigenständige Krankheit nicht erkannt wurde. Ansteckungsorte waren in den meisten Fällen die zahlreichen Bordelle, in denen die Männer für sehr kleines Geld ihre Triebe befriedigen konnten. Die Gonorrhoe wird durch Kontakt- und Schmierinfektion übertragen. Häufig werden auch Geschwüre verschiedener Ausprägung an den Geschlechtsorganen beschrieben. Zum Teil wird ein ausschweifendes Geschlechtsleben als Grund für die Erkrankung mit Geschwüren angesehen. Die Gefahr einer Ansteckung hat man jedoch nicht erkannt. Die Syphilis gab es in der Antike noch nicht. Sie wurde erst in den 90er Jahren des 15. Jhs. von Kolumbus’ Matrosen und Soldaten aus Amerika nach Europa eingeschleppt.

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Therapie bei Ohrenschmerzen und Ausfluss krankhafter Körpersäfte durch die Gehörgänge Zunächst soll eine Umstimmung der inneren Körperbeschaffenheit erfolgen. Bei akuten Beschwerden: 쮿 zusammenziehende Arzneien in das Ohr träufeln 쮿 helle, reine Wolle mit Mandelöl und Weinessig tränken und in das Ohr verbringen 쮿 Ruhe des Körpers und Stille für das Ohr 쮿 Nahrungsenthaltung Dauert die Krankheit an und verschlimmert sie sich: 쮿 warmes Olivenöl ins Ohr träufeln 쮿 der Kranke soll in einem warmen Raum liegen 쮿 eventuell einen Aderlass vornehmen 쮿 Nahrungsenthaltung bis zum 3. Tag, danach leichte, schlürfbare Speise 쮿 lindernde, warme Breiumschläge 쮿 beim Höhepunkt des Schmerzes Blutegel rund um die Ränder des äußeren Ohres setzen. Nicht direkt auf den Ohrknorpel! 쮿 Schröpfköpfe hinter dem Ohr aufbringen, zuvor Umschläge mittels warmer Meeresschwämme machen 쮿 mit der Ohrsonde in warmes Olivenöl eingetauchte Schafswolle ins Ohr einbringen Bei Ausfluss aus dem Ohr: 쮿 mit Wein zubereiteter Wassermet, der zuvor mit der Schale des Granatapfels gekocht wurde 쮿 Bittermandeln, Weinessig, Safran, Myrrhe und Alaun (= zusammenziehende Arzneimittel) 쮿 Ohrbereich mit Breiumschlag aus Quitte umhüllen 쮿 zusammenziehende Speisen 쮿 Spülung des Ohres mit Klistierspritze mit über Asche gegossenem Wasser 쮿 Breiumschläge mit Feigen, bis starke Rötung eintritt 쮿 über den Kopf herabströmender Wasserguss Und: 쮿 schmerzvertreibende Arzneimittel (Soranos von Ephesos)

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Oreibasios – der Heide Oreibasios von Pergamon wurde um 325 n. Chr. geboren. Er stammte aus einem vornehmen Elternhaus und erhielt eine umfassende und sorgfältige Erziehung. Medizin studierte er bei dem berühmten Arzt Zenon von Kypros in Alexandria. Wie viele Ärzte hatte er eine starke philosophische Veranlagung und interessierte sich für Politik. Nach seiner Studienzeit ließ er sich in seiner Heimatstadt Pergamon als Arzt nieder. Hier lernte er den späteren Kaiser Julianus kennen. Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, und Oreibasios wurde Leibarzt und Vertrauter des Prinzen. Die Zeiten waren schwierig für den jungen Caesar und seinen ärztlichen Freund. Flavius Claudius Iulianus wurde 331 als Sohn eines Halbbruders Konstantins des Großen geboren. Als er sechs Jahre alt war, musste er miterleben, dass Soldaten seinen Vater und seinen ältesten Bruder ermordeten. Sein jüngerer Halbbruder Gallus und er selbst entkamen der Säuberungsaktion der neuen Kaiser nur aufgrund ihres jugendlichen Alters. Er erhielt eine umfassende Erziehung und wurde im arianisch-christlichen Glauben unterrichtet. Sein lebhafter Geist beschäftigte sich aber auch mit der antiken Philosophie. Als sein Bruder Gallus zum Caesar, also zum designierten Thronanwärter, erhoben wurde, fühlte er sich frei, ganz in der Philosophie zu leben. In Pergamon, wo der Prinz seine Studien vorantrieb, traf er mit Oreibasios zusammen, der seine Interessen teilte und dessen Intelligenz und Bildung mit seiner mithalten konnte. Die jungen Männer verlebten eine schöne Zeit, die jäh beendet wurde, als Julians Halbbruder Gallus des Hochverrates angeklagt und enthauptet wurde. Julian brachte es fertig, Kaiser Konstantius II. davon zu überzeugen, dass er keinerlei politische Ambitionen habe. Konstantius wies Julian Athen als Aufenthaltsort zu. Oreibasios begleitete ihn. Spätestens hier wandte sich Julian dem Heidentum zu und trug das christliche Bekenntnis nur noch nach außen. Ob Oreibasios in seiner Kindheit Christ war, wissen wir nicht, aber nun teilte er den Glauben seines Freundes. Der liebenswürdige Prinz kam in Athen bei den Bürgern gut an, zu gut, wie der Kaiser befand, und befahl Julian nach Mediolanum (Mailand), wo er acht Monate inhaftiert wurde. Wo sich Oreibasios in dieser Zeit aufhielt, wissen wir nicht. Durch Vermittlung der Kaiserin Eusebia wurde der Prinz 355 n. Chr. aus der Haft entlassen und zum Caesar ernannt. Konstantius machte ihn zum Oberbefehlshaber von Gallien und schickte ihn mit einer lächerlich kleinen Streitmacht in den Norden. Oreibasios begleitete ihn. Es gibt einen Brief Julians, in dem er schreibt: „Meine Dokumente und Papiere vertraute ich dem einzigen meiner vielen Kameraden und Freunde an, der mich auf Reisen begleiten durfte, da niemand um die Vertraulichkeit unserer Beziehung wusste: Es war der Arzt Oreibasios.“ Julian war erstaunlich erfolgreich. Er blieb fünf Jahre in Gallien, sicherte die Grenzen und erließ eine Fülle von Reformen. Sein Erfolg und seine Beliebtheit endeten damit, dass die Legionen ihn zum Kaiser ausriefen. Ehe es zu einem offenen Krieg gegen Konstantius kam, starb der Kaiser überraschend, und Julian übernahm 361 n. Chr. die Regierung. Unter den begeisterten Männern, die Julian zum Kaiser ausriefen, war auch

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Abb. 30: Deckel eines Arzneikästchens. Bronze mit Einlagen in Niello (s. Abb. 25) und Silber. Es zeigt eine Asklepios-Statue vor einer Tempelfassade. Rheinland, 1. Jh. n. Chr. Die Ärzte transportierten bei Hausbesuchen oder auf Reisen ihre Arzneien in rechteckigen Kästchen aus Metall oder Holz. Meist gibt es innerhalb der Behälter Unterteilungen, um die verschiedenen Pillen und Kräuter voneinander zu trennen. Staatliche Museen, Antikensammlung, Berlin.

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Oreibasios. Als vertrauter Berater war er mit Sicherheit in die Umsturzpläne des Prinzen eingeweiht. Julian brach nun endgültig mit dem christlichen Glauben und wechselte zum Heidentum. Dafür gab ihm die christliche Geschichtsschreibung den Namen Apostata, der Abtrünnige. Oreibasios wurde zum Quästor von Konstantinopel ernannt. Inwieweit der Arzt an den Regierungsgeschäften des Kaiser wirklich beteiligt war, ist nicht bekannt. Oreibasios’ Einfluss ist es zu verdanken, dass sein Lehrer Zenon nach Alexandria zurückberufen wurde. Bischof Georgios hatte den Arzt einige Jahre zuvor verbannt. 362 n. Chr. erließ Julian ein Gesetz, das die Archiatri, also die öffentlichen Ärzte, von den Steuern befreite. Oreibasios war sicher ein leidenschaftlicher Politiker, aber noch mehr war er Arzt und ein außergewöhnlicher Lehrer der Heilkunst. In Auftrag des Kaisers verfasste Oreibasios ein Sammelwerk, das 70 Bücher über die gesamte Medizin der berühmtesten Ärzte umfasste, die Collectiones medicae. Die Enzyklopädie behandelte Diätetik, Heilmittel, Anatomie, Hygiene, Krankenpflege, Diagnose, Prognose und Therapie. 25 Bücher sind heute noch erhalten. Eine eigens als Studienhilfe für seinen Sohn Eustathios verfasste Schrift fasste diese Bücher in kürzerer Form zusammen (9 Bücher). Als Reiseliteratur schrieb Oreibasios das Werk Leicht zu beschaffende Heilmittel, das mehr praxisorientiert ist (4 Bücher). Um sich in dem Wust der galenischen Schriften besser zurechtzufinden, verfasste er auf Julians Geheiß ein Kompendium. 362 n. Chr. begleitete Oreibasios den Kaiser auf einen Persienfeldzug. Im Verlauf des wechselhaft verlaufenden Krieges traf den Kaiser ein Speer in den Bauch. Alle ärztliche Kunst konnte ihm nicht mehr helfen. Oreibasios’ Freund und Kaiser starb, ein herber persönlicher Verlust für den Arzt und ein ebensolcher Verlust für das Römische Reich. Julians Nachfolger, die nicht der konstantinischen Linie entstammten, verbannten Oreibasios ans Schwarze Meer. Hier wurde der berühmte Arzt von den Goten hochverehrt. Schließlich riefen die Kaiser Valentinian I. und Valens den Arzt zurück nach Konstantinopel und rehabilitierten ihn. Er heiratete eine Frau aus vornehmer Familie, mit der er vier Kinder hatte. Aus dieser Ehe stammt auch der Sohn Eustathios, der in seine Fußstapfen trat und ebenfalls Arzt wurde. Oreibasios blieb Zeit seines Lebens seiner heidnisch-hellenischen Gesinnung treu. Er starb nach 400 n. Chr.

Nichtärztliche Heilkundige – Trainer, Masseure und Hebammen Im antiken Griechenland gehörte es zur Ausbildung der Jungen und Mädchen, regelmäßig das Gymnasion zu besuchen, um sich dort körperlich (und auch geistig) zu betätigen. Aber auch Erwachsene und Athleten suchten die Gymnasien

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und Palästren auf, denn Leibesübungen gehörten zum täglichen Leben. Ein trainierter, widerstandsfähiger und harmonisch schöner Körper war wesentlicher Bestandteil der griechischen Diätetik. Die Leibesübungen bestanden aus Lau-

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fen, Springen, Ringen, Boxen, Speerwerfen, Fechten, aber auch aus maßvolleren körperlichen Ertüchtigungen. In den Gymnasien wirkten die Gymnastiklehrer, die Masseure und Einsalber. Das Personal der Gymnasien war natürlich gründlich in Erster Hilfe ausgebildet, da es gerade bei den Kampfsportarten nicht selten zu Verletzungen wie Verrenkungen, Knochenbrüchen und offenen Wunden kam. Aber wichtigerer Teil ihrer Aufgaben war die Überwachung der Leibesübungen und Anweisungen zur Diätetik. Ihre medizinischen Kenntnisse standen oft denen der Ärzte kaum nach. Diese Konkurrenz blieb nicht unbeachtet. Besonders Galen polemisierte gegen das vermeintliche Halbwissen der Trainer. Namentlich bekannt ist uns der paidotribe, also berufsmäßige Trainer, Herodikos (ca. 500–430/420 v. Chr.). Durch eine langwierige Krankheit kam dieser darauf, eine besondere Art der Diätetik für Kranke zu entwickeln. Er glaubte, dass Anstrengungen und Schmerzen den Kranken guttäten, daher ließ er seine fiebernden Patienten spazieren gehen, immer weitere Strecken laufen und ringen. Diese Methode fand viel Aufsehen und auch Anerkennung, und Herodikos wurde berühmt. Genau wie Galen zweifelte bereits Platon den Sinn dieser Therapie an. Er sagte, dass Herodikos die Kranken nur quäle und den Unheilbaren das Sterben lang mache. Zu dieser Zeit werden den Gymastiklehrern und Einsalbern jedoch noch nicht die ärztlichen Fähigkeiten abgesprochen. Platon erwähnt Gymnasten und Ärzte in einem Atemzug. Die Gymnasten waren Sportlehrer und „Sportärzte“ in einer Person. Die Gleichwertigkeit der Tätigkeit

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von Gymnasten und Ärzten wird erst in der hoch spezialisierten Zeit des Hellenismus und des antiken Roms bestritten. Aber noch Plinius der Jüngere ließ sich Ende des 1. Jh. n. Chr. bei einer Erkrankung von dem Gymnasten Harpocras mit Salben, Ölen, Wechselbädern und speziellen Ernährungsvorschriften behandeln und gesundete rasch. Krankenpfleger bzw. Sanitäter sind seit der römischen Kaiserzeit greifbar. Die sogenannten capsarii dienten vornehmlich im römischen Heer und bei den stadtrömischen Truppen. Sie waren Gehilfen der Ärzte, legten Verbände an, mischten nach Anweisung der Ärzte Medikamente zusammen und versorgten die Verwundeten und Kranken. Ausbildung und Weiterbildung übernahm vermutlich die Legion. Eine dritte Gruppe nicht-ärztlicher Heilkundiger stellen die Arzneimittelhändler, die pharmakopoloi, die gewerbsmäßigen Wurzelschneider, die rhizotomoi, und die Salbenhändler, die unguentarii, dar. Die Arzneimittel- und Salbenhändler handelten mit Drogen und bereiteten sie oft auch auf. Dazu berieten sie ihre Kundschaft, die sich aus Ärzten und Privatpersonen zusammensetzte. Dafür benötigten sie gute medizinische Kenntnisse und ein großes Wissen über pflanzliche, mineralische und tierische Drogen. Das trifft auch auf die Wurzelschneider zu, die heilsame Kräuter und Wurzeln suchten, fachgerecht aufbereiteten und verwahrten. Auch diese Gruppe der Händler wurde von den griechischen und römischen Ärzten häufig als Scharlatane bezeichnet und heftig angegriffen. Sicher gab es schwarze Schafe unter ihnen, Kurpfuscher, Betrüger und Arzneimittelfäl-

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scher, aber die meisten der Händler und Wurzelschneider werden über ein großes medizinisches Wissen verfügt haben. Die Hebammen in der Antike waren in ihrem Tätigkeitsbereich weniger eingeschränkt als heute. Manchmal ist der Übergang zu Ärztinnen fließend. Sie waren nicht nur für Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege zuständig, sondern kannten sich vielfach auch sehr gut im allgemeinen gynäkologischen Bereich aus. Nach Plinius d. Ä. verfügten Hebammen durchaus auch über Mittel gegen Kopfgeschwüre, Grind, Biss tollwütiger Hunde sowie Tertian- und Quartanfieber. Manche dieser Frauen waren auch schrift-

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stellerisch tätig. Plinius nennt einige pharmakologische Werke berühmter Hebammen, die er obstetricum nobilitas nennt. Etwa seit hellenistischer Zeit konnte eine Hebamme auch eine umfassende theoretische Ausbildung erhalten, da einige Ärzte die Bedeutung dieses medizinischen Standes erkannten und spezielle Lehrbücher verfassten, wie z. B. das Hebammenlehrbuch des alexandrinischen Arztes Herophilos von Chalkedon (1. H. des 3. Jhs. v. Chr.). Zu beachten ist, dass viele Hebammen der Antike gebildete, umfassend in Diätetik, Chirurgie und Arzneimittelkunde ausgebildete Frauen waren.

Aristoteles – Philosoph und Naturforscher Aristoteles, geboren 384 v. Chr. in Stageiros auf der Halbinsel Chalkidike, stammte aus einer Ärztefamilie und kannte sich daher in der medizinischen Literatur aus. Er selbst fühlte sich jedoch mehr zur Philosophie und zu den theoretischen Wissenschaften hingezogen. Seine Eltern starben früh. Mit siebzehn Jahren reiste er nach Athen und trat in Platons Akademie ein. Beinahe zwanzig Jahre blieb er dort. Nach Platons Tod im Jahr 347 v. Chr. reiste er herum, gründete u. a. in Assos in Kleinasien eine eigene Schule. Als König Philipp II. von Makedonien ihn an seinen Hof rief, kam er der Aufforderung gerne nach. Die Familie des Aristoteles hatte gute Verbindungen zum makedonischen Königshaus, da Aristoteles’ Vater Nikomachos Leibarzt und Freund des Königs Amyntas III. gewesen war. Drei Jahre lang unterrichtete er den Prinzen Alexander in hellenistischer Kultur. 335 v. Chr. reiste er zurück nach Athen und lehrte am Lykeion im Hain des Gottes Apollon Lykeios. Später gründete er eine eigene Philosophenschule, den Peripatos. In seinen Laubengängen wandelte er mit seinen Schülern, unterrichtete und diskutierte. Zwölf Jahre widmete er sich hier seinen Studien und richtete eine großartige Bibliothek ein, die sein ehemaliger Schüler Alexander zum großen Teil finanzierte. Aristoteles hinterließ ein äußerst umfangreiches Schrifttum, vom dem jedoch viel verloren ging. Leider sind auch seine medizinischen Werke darunter. Seine naturwissenschaftlichen und zoologischen Schriften enthalten eine Fülle von anatomischen und physiologischen Beobachtungen auch des Menschen. Aristoteles sezierte Tiere und wird als der Vater der vergleichenden Anatomie bezeichnet. Seine entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen sind erstaunlich.

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Zentralorgan ist für Aristoteles das Herz, in dem er drei Kammern unterschied. Es entwickelt sich als erstes Organ beim Embryo und wenn es aufhört zu schlagen, tritt der Tod ein. Das Herz ist auch Sitz der Wahrnehmung und des Denkens. Auch die Seele hat hier ihren Sitz, während der Geist, als Teil der Seele, an kein Organ gebunden ist. Das Gehirn, das sehr viel größer ist als beim Tier, enthält seiner Meinung nach kein Blut und ist kalt. Wie die Lungen stellt es ein Kühlorgan dar. Da Aristoteles keine Menschen sezierte, sind seine anatomischen Übertragungen vom Tier auf den Menschen manchmal fehlerhaft. Mit diesem Problem schlagen sich auch heutige Forscher noch herum, wenn sie feststellen müssen, dass tierexperimentelle Versuche häufig auf den Menschen nicht übertragbar sind. Detailliert sind Aristoteles’ Aussagen über Geschlechtsreife, Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt. Wie auch sein Lehrer Platon bringt er biologische Aspekte mit staatlichen Interessen zusammen. Der Staat benötigt gesunde, kräftige und zeugungsfähige Menschen. Aristoteles’ biologische Studien und Empfehlungen berücksichtigen dies in großem Umfang. In Anbetracht der Zeugungsfähigkeit und der unterschiedlichen Alterungsprozesse bei Mann und Frau rät er Mädchen, mit achtzehn Jahren zu heiraten, Männern um das siebenunddreißigste Jahr. Mehr als zwanzig Jahre sollten die Ehepartner jedoch nicht auseinander liegen, da es sonst zu Zwistigkeiten kommen könnte, wenn die Frau noch im gebärfähigen Alter sei, aber der Mann nicht mehr zeugungsfähig. Nicht nützlich sei auch die athletische Konstitution, weder für die politischen Tätigkeiten, noch für die Gesundheit oder die Kinderzeugung. Aber natürlich sei auch die schwächliche Konstitution unangebracht. Männer und Frauen sollten daher maßvoll trainieren und sich maßvoll ernähren. Gerade die schwangeren Frauen sollten sich viel bewegen, damit auch das Ungeborene schon eine passive Bewegungsübung erhält. Der individuelle Aspekt ist bei Aristoteles sehr ausgeprägt. Er weiß um die verschiedenen Konstitutionen der Menschen und verlangt daher, dass der Arzt oder Gymnast seine Anweisungen hinsichtlich Leibesübungen und Ernährung den individuellen Verhältnissen anpasst. Aristoteles’ wissenschaftliche Forschungen, seine Theorien und seine makedonischen Freundschaften waren manchen einflussreichen Mitbürgern ein Dorn im Auge. Nach dem Tod Alexanders des Großen wurde Aristoteles der Gottlosigkeit angeklagt und floh nach Chalkis auf Euboia. Dort starb er 322 v. Chr. an einem Magenleiden.

Cato – der Starrsinnige Der römische Politiker und Censor Marcus Porcius Cato wurde 234 v. Chr. geboren. Er schrieb ein viel beachtetes Buch über die Landwirtschaft, De agri cultura, in dem er auch viele Hinweise auf traditionelle Heilmittel und auf Maßnahmen zur Erhaltung der Gesundheit bei Mensch und Tier gibt. Insbesondere der Kohl, brassica, als beinahe universelles Heilmittel hatte es ihm angetan. Besonders gesund ist der Kohl, wenn man ihn isst, meint Cato, aber auch als Umschlag bei Verdauungsstörungen und Verletzungen oder als

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Spülungen oder Niesmittel ist er ungeschlagen. Allerdings sollte der Kohl weniger bei frischen als bei alten, geschwürigen Wunden verwendet werden. Zunächst sollte der Kranke mit Wasser oder lauem Wein gewaschen werden, dann folgte der Umschlag mit rohem, gestampftem Kohl. Auch bei Gicht, gemischt mit Gerstenmehl, Raute und Koriander, sollte der Kohl seine heilsame Wirkung entfalten. Stark sei auch die heilende Wirkung des Urins von Menschen, die zuvor Kohl gegessen haben. Cato empfiehlt Einreibungen mit kohlgeschwängertem Urin besonders bei Muskelschmerzen. Die Magie als wichtiger Teil der Volksmedizin spielt auch bei Cato eine große Rolle. Sollte der Kohl mal nicht helfen, gibt es ja noch immer Zaubersprüche, um eine Krankheit zu lindern. Auch dem Wein spricht er große Heilkraft zu. Fasten sollte ein Kranker überhaupt nicht, sondern weiterhin Gemüse und ein wenig Fleisch von Enten, Tauben oder Hasen essen. Cato hasste die griechischen Ärzte, die in Rom Fuß zu fassen suchten. Seinem Sohn Marcus verbot er, jemals einen dieser Ärzte aufzusuchen oder Umgang mit ihnen zu pflegen. Er glaubte an eine geschickte Verschwörung mit dem Ziel, alle Barbaren mit der griechischen Heilkunde umzubringen. Und das Schrecklichste für ihn daran war, dass die Griechen die Römer ebenfalls den Barbaren zurechneten. Zumindest bei ihm selbst scheinen seine Gesundheitsvorschriften gewirkt zu haben. Noch im hohen Alter heiratete er eine junge Frau und starb im Jahr 149 v. Chr. im Alter von 85 Jahren.

Kohl in der Volksmedizin – Rezepte aus mehreren Jahrhunderten Trübe Augen – Häufiger Verzehr von grünem Kohl

– Zwei- bis dreimal täglich ein Glas Kohlsaft trinken

Zu wenig Muttermilch – Der Verzehr von Kohl bringt die Muttermilch zum Fließen

Ischias- und rheumatische Beschwerden – Umschlag mit heißen Kohlblättern, am besten Weißkohl- oder Wirsingblätter. Blätter in kochendem Wasser einweichen, abtrocknen, die harte mittlere Rippe entfernen. Kohlblätter direkt auf die schmerzende Stelle legen und zwölf Stunden liegen lassen.

Haarausfall – Mischung aus Kohl, Saueressig und Alaun Arthritis – Auflagen mit Grünkohl: Kohl kurz in kochendem Wasser blanchieren, dann die Kohlblätter um das schmerzende Gelenk wickeln und mehrere Stunden einwirken lassen.

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Neurodermitis – Einpinseln der betroffenen Stellen mit Kohlöl (Kohlsaft 1:1 mit Olivenöl mischen)

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Entgiftung – Kohlauflagen auf den Bauch über mehrere Stunden, mehrmals wechseln Verbrennungen – Umschlag mit Kohlblättern. Wirsingblätter kurz in kochendes Wasser tauchen, abtrocknen, mittlere Rippe entfernen. Umschlag zwölf Stunden liegen lassen. Magenleiden und Magengeschwüre – Pro Tag einen Liter Kohlsaft trinken oder Kohlsuppe essen Morgenübelkeit – Roher oder gekochter Weißkohl oder Sauerkraut

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Osteoporose/„schwache“ Knochen – viel Kohl essen Geschwüre und Wunden/„offene Beine“ – Auflegen von Kohlblättern. Blätter mit lauwarmen Wasser abspülen, abtropfen lassen und mit einem Nudelholz weich walzen. Umschlag zweimal täglich wechseln. – Kohlbrei auflegen Bronchitis – Umschläge mit Kohlblättern Verrenkungen und Verstauchungen – Umschläge mit weich gewalzten Kohlblättern. Solange drauf lassen, bis der Kohlgeruch intensiv zu riechen ist.

Plinius der Ältere – der Traditionelle Gaius Plinius Secundus wurde Ende 23/Anfang 24 n. Chr. in Novum Comum am Lacus Larius (Comer See) geboren. Er stammte aus dem vermögenden Ritterstand. Die Familie besaß zahlreiche Landgüter und Villen rund um den wunderschönen oberitalienischen See, von denen heute nur noch wenige Reste erhalten sind. In jungen Jahren reiste er nach Rom, um Philosophie zu studieren. Dort machte er die Bekanntschaft des greisen Arztes Antonius Castor, eines Freigelassenen des Marcus Antonius. Besonders bewunderte er den botanischen Garten des Arztes und verbrachte dort sehr viel Zeit. Dieser Garten und die vielen Gespräche mit dem erfahrenen Mann weckten Plinius’ Interesse an medizinischen und naturkundlichen Fragen. Obwohl der von ihm bewunderte Mann Grieche war, lehnte Plinius, ähnlich wie Cato, die griechische Medizin ab und stand den griechischen Ärzten überaus skeptisch gegenüber. Er war der Ansicht, dass man sehr wohl ohne Ärzte, aber nicht ohne Heilmittel leben könnte. Die Stärke der traditionellen römischen Medizin sah er in ihren Heilmitteln, und so betonte er den weit überlegenen Wert der römischen Volksmedizin mit ihren seit Generationen bekannten Arzneimitteln. Plinius war ein unermüdlicher Arbeiter. Er brauchte wenig Schlaf, sein lebhafter, wissbegieriger Geist kam nicht zur Ruhe. Er studierte unermüdlich, machte selbst beim Bad kaum eine Pause, diktierte unentwegt oder ließ sich vorlesen, und benutzte Sänften, damit er die Zeit zum Arbeiten nutzen konnte. Sein Neffe, Plinius der Jüngere, schrieb später, dass sein Onkel und Adoptivvater Zeit, die nicht den Studien gewidmet war, als verloren betrachtete. Aber Plinius las nicht nur viel, sondern schrieb auch selbst. Sein bedeutendstes Werk ist die Naturalis historia, die Naturgeschichte, mit einer Widmung an Kaiser Titus im Vorwort. Die Naturalis historia umfasst 37 Bücher, in denen Plinius Erfahrungen und Wissen aus anderen Quellen zusammenfasste, aber auch eigene Beob-

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achtungen einfließen ließ. Die Bücher 20–27 beinhalteten die Heilmittel aus der Pflanzenwelt, die Bücher 28–32 die Arzneimittel aus dem Tierreich und die Bücher 33–37 die Mineralien. Die anderen Bücher beschäftigen sich mit Kosmologie, Geographie, Anthropologie, Zoologie und Botanik. Plinius war kein Arzt, aber ein hochgebildeter Mann, der uns einen tiefen Einblick in die Volksmedizin seiner Zeit gestattet. Bis ins 18. Jh. waren seine Schriften eine der bedeutendsten Quellen, auf die die Ärzte zurückgriffen. Aber nicht nur der Naturkunde widmete er sich. In 20 Büchern beschrieb er die Kriege in Germanien, er verfasste ein Werk über das Speerwerfen im Reiterdienst und schrieb eine Biographie über Pomponius Secundus, einem Tragödiendichter und bedeutenden Feldherrn, mit dem Plinius befreundet war und den er sehr bewunderte. Auch fanden rhetorische und grammatikalische Studien seine Aufmerksamkeit, und er verfasste Werke mit den Namen Der Student und Sprachprobleme. Plinius hatte über etliche Jahre viel Zeit zum Studieren. Während der Regierungszeit Kaiser Neros (reg. 54–68 n. Chr.) führte er ein zurückgezogenes Leben, widmete sich seinen Studien und arbeitete als Anwalt. Erst nach Neros Tod setzte er seine Ämterlaufbahn fort. So wurde er Adjutant des Präfekten von Ägypten, Finanzprokurator in der Provinz Hispania Tarraconensis und nahm weitere bedeutende Ämter in verschiedenen Provinzen des römischen Reiches an. Ein besonderes vertrautes Verhältnis entwickelte sich zu Kaiser Vespasian (reg. 69–79 n. Chr.). Da der Kaiser ebenso wenig Schlaf benötigte wie Plinius und ein ähnliches Arbeitstier war, trafen sich die beiden Männer häufig schon weit vor Tagesanbruch, um ihre Geschäfte zu besprechen. 77 n. Chr. übernahm Plinius den Oberbefehl über die kaiserliche Flotte im westlichen Mittelmeer und zog nach Misenum, den Kriegshafen des Imperiums am Golf von Neapel. Plinius blieb sein Leben lang unverheiratet und kinderlos. Er nahm aber seine verwitwete Schwester bei sich auf und adoptierte seinen Neffen, Plinius den Jüngeren. Schwester und Neffe folgten ihm nach Misenum. So erlebten alle drei den Vesuvausbruch am 24. August 79 mit. Plinius war fasziniert. Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit war sein Forscherdrang ungebrochen, daher ließ er sofort ein kleines Schiff klarmachen, um den Ausbruch des Vulkans aus größerer Nähe zu beobachten. Zur gleichen Zeit erreichte ihn ein Hilferuf seiner guten Freundin Rectina, die mit ihren Leuten auf ihrem Landgut in der Nähe von Herculaneum von jedem Fluchtweg abgeschnitten war. Sofort eilte er zu ihrer Rettung. Statt des leichten Schiffes nahm er nun die schweren Vierruderer, um die verzweifelten Menschen zu retten. Er erreichte seine Freunde, aber die Schiffe waren zu schwer, die Wellen zu hoch und der Wind aus Westen verhinderte ein erneutes Auslaufen. Er versuchte, die Menschen zu beruhigen, aß selbst in Ruhe zu Abend und legte sich schlafen. Doch in der Nacht nahmen Erderschütterungen und Asche- und Steinregen weiter zu, Schwefelgeruch breitete sich aus. Die erschreckten Freunde weckten den Feldherrn, aber der Wind und die hohen Wellen drückten die Schiffe in die Bucht, an ein Auslaufen war nicht zu denken. Panisch flohen die Menschen in alle Richtungen. Plinius fühlte sich schon seit einigen Stunden unwohl. Mit Hilfe von Sklaven kam er mühsam auf die Beine, stürzte aber wieder zu Boden und war sofort tot. Plinius war seit Jahren starker Asthmatiker und wohl recht übergewichtig. Vermutlich versagte sein Herz.

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Essig als Heilmittel Plinius bemerkt richtig, dass selbst der Essig, der aus dem von ihm so überaus geschätzten Wein entsteht, ein gutes Heilmittel darstellt. Essig kühlt und mit Wasser getrunken, ist er dem Magen sehr zuträglich. Beliebt als erfrischendes Getränk war die Posca bei den Römern. Ein Essig-Umschlag bei brennenden, von der Sonne gereizten Augen ist hilfreich, ebenso bei nässenden Geschwüren, Tierbissen, Skorpionsstichen und bei Verletzungen durch die Stacheln giftiger Tiere. Mit einem Schwamm aufgelegt, ist er gut bei Blutfluss. Getrunken stillt er Durchfall, als Einlauf beseitigt er Verstopfung. Er vertreibt hartnäckigen Husten und Schleim im Hals und macht wackelnde Zähne wieder fest. Meerzwiebelessig ist hervorragend gegen Sodbrennen, sagt Plinius, und fast noch besser in seiner Wirkung als Weinessig. Er macht Schlund und Magen unempfindlich, beseitigt schlechten Mundgeruch und befestigt lockere Zähne, denen er zudem eine schönere Farbe gibt. Auch bei Blutergüssen und Nierenerkrankungen hat er sich sehr bewährt, nur bei Geschwüren sollte man ihn nicht verwenden. Dioskurides lobt den Essig ebenfalls sehr. Getrunken oder aufgelegt, stillt Essig den Blutfluss. Er heilt Gebärmutter- und Mastdarmvorfall, festigt blutendes, sich abtrennendes Zahnfleisch. Heilsam ist er auch bei fressenden Geschwüren. Mit Schwefel vermischt und als warmer Umschlag lindert er die Gicht. Bei Sonnenstich hilft er mit Rosenöl, feuchter Schafwolle oder Schwämmen aufgelegt. Bei tödlichen Giften warm getrunken, verursacht er heftiges Erbrechen. Warm geschlürft lindert er Atembeschwerden. Und nicht zuletzt hilft er warm als Mundspülung bei Zahnschmerzen. Essig wurde im antiken Griechenland und Rom vornehmlich aus Wein hergestellt. Meerzwiebelessig stellt also etwas ganz Besonderes dar.

Essigtherapie heute: Die entzündungshemmende, zusammenziehende, antibakterielle und entschlackende Wirkung des Essigs macht sich auch heute noch die Haus- und Volksmedizin zu nutze. Meist kommt, anders als in der Antike, Apfelessig zur Anwendung. Kuren mit Apfelessig sollen vielerlei Beschwerden lindern und das Immunsystem stärken. Auch für Haut und Haare soll Apfelessig direkt verjüngend wirken, die Haut wird rosig, frisch und faltenlos, die Haare glänzend und gesund. Bei Sonnenbrand und Juckreiz wirkt der Essig beruhigend und heilend. Viele Haut- und Darmpilze können in saurem Milieu nicht überleben, auch hier findet Essig Einsatz.

Olivenöl als Heilmittel Das Öl aus Oliven war das häufigste der Öle, die in der Antike Anwendung fanden. Es stellte das wichtigste Salbmittel für die Haut dar und war auch in der Speise sehr beliebt. Aber auch als Heilmittel wurde Olivenöl hoch geschätzt. Es gab verschiedene Zubereitungs-

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möglichkeiten, und auch das Alter des Öls spielte eine Rolle. Plinius d. Ä. beschreibt, dass das Öl sehr gut für das Zahnfleisch sei, außerdem sorge es dafür, dass die Zähne schön weiß blieben. Patienten, die zu Schweißausbrüchen neigten, sollten ebenfalls das Öl zu sich nehmen. Neben dem Olivenöl waren für Plinius insbesondere die Blätter des Ölbaumes von besonderer Heilkraft, so bei Geschwüren und Entzündungen jeglicher Art. Auch Dioskurides empfiehlt das Öl des Olivenbaumes für fauliges Zahnfleisch und zum Befestigen lockerer Zähne. Celsus wiederum rät zur Anwendung bei Lähmungserscheinungen der Glieder und bei Vergiftungen. Auch bei Gebärmuttererkrankungen, hier als Spülung, und sogar bei Knochenbrüchen soll das Olivenöl heilsam sein.

Anwendung heute: Ein hochwertiges Olivenöl enthält viele Mineralien, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, dazu einen hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren. Das macht das Olivenöl für die Ernährung wertvoll. Aber auch als Heilmittel wird das Öl noch vielfach angewandt. Bekannt ist die Ölziehkur, bei der man morgens einen Schluck Olivenöl in den Mund nimmt und es zwischen den Zähnen hin- und herzieht. Dann spült man den gesamten Mund und spuckt es aus. Diese Prozedur wiederholt man einige Male. Ziel der Kur ist, Giftstoffe und Schlacken, die sich im Mund befinden, zu lösen und auszuscheiden. Auch soll das Öl sehr gut für Zähne und Zahnfleisch sein. Morgens nüchtern einen Esslöffel Olivenöl eingenommen, regt die Verdauung und den Stoffwechsel an, hilft bei Verstimmungen des Magen-Darm-Systems. Ein Einlauf mit warmem Olivenöl wird bei Verstopfung empfohlen. Bei akuten Vergiftungen kann man versuchen, mit Olivenöl Erbrechen auszulösen. Auch bei Ohrentzündungen wird wie in der Antike lauwarmes Olivenöl ins Ohr geträufelt, übrigens auch bei Tieren. Da sollte man die Prozedur jedoch im Freien machen, da sich die Tiere danach heftig schütteln und Öl verspritzen. Olivenöl pflegt spröde Haut und hilft bei Hautproblemen, ist allerdings eine ziemlich „ölige“‘ Angelegenheit.

Öffentliches Gesundheits- und Ärztewesen – privilegierte Ärzte Im antiken Griechenland stellten die Herrscher öffentliche Ärzte ein, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Diese öffentlichen Ärzte wurden teils aus der Privatschatulle der Herrscher bezahlt, manchmal fand sich auch ein wohlhabender Bürger, weitaus häufiger jedoch wurde eine besondere Steuer erhoben. Zusätzlich nahmen diese Ärzte noch ein Honorar von ihren Patien-

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ten, aber auch kostenlose Behandlungen kamen vor. Die öffentlichen Ärzte hatten häufig ein höheres Ansehen als ihre privat praktizierenden Kollegen und genossen etliche Privilegien. Da auch die öffentlichen Ärzte wie ihre privaten Kollegen Wanderärzte waren, schlossen sie meist nur für kurze Zeit Verträge mit der jeweiligen Gemeinde ab, die wiederum darauf bedacht war, durch attraktive

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Gehälter und Vergünstigungen gute Ärzte an sich zu binden. Seit 50 v. Chr. sind im römischen Reich Gemeindeärzte bekannt, die unentgeltlich die Kranken behandelten, deren Mittel zu gering waren, um für eine Behandlung aufzukommen. Üblicherweise aber nahmen auch sie zusätzlich zu ihrem staatlichen Gehalt ein Honorar von ihren Patienten. Anders als in Griechenland erhob der römische Staat keine gesonderte Arztsteuer, sondern bezahlte die öffentlichen Ärzte von den allgemeinen Steuern. Diese Gemeindeärzte waren auch verpflichtet, medizinischen Unterricht zu erteilen und waren als Gutachter tätig. Sie erstellten ärztliche Zeugnisse über den Gesundheitszustand eines Arbeiters oder Sklaven, wurden bei Prozessen zurate gezogen und stellten Totenscheine aus. Der Titel archiater oder achiatros, aus der sich unser deutsches Wort „Arzt“ ableitet, war seit hellenistischer Zeit eine Ehrenbezeichnung, die den Hof- und Leibärzten der Herrscher zukam. Erst später, etwa ab dem 2. Jh. n. Chr., bezeichnete der Ausdruck Archiater einen Amtsarzt. Häufig waren auch in römischer Zeit die öffentlichen Ärzte angesehener und verdienten auch besser als die Privatärzte. Doch in der späten Republik hatten sich auch die privaten Ärzte in Rom etabliert und genossen beachtliches Ansehen. 46 v. Chr. verlieh Caesar allen in Rom praktizierenden Ärzten die Vollbürgerschaft, um sie im Land zu halten. Augustus ging noch weiter. 10 n. Chr. verlieh er den Ärzten die Immunität, d. h. sie waren von der Grundsteuer und von persönlichen Abgaben befreit. Auch die nachfolgenden Kaiser hielten an den Vergünstigungen für die

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Mediziner fest. Das Edikt des Kaisers Vespasian bestätigte die Steuerbefreiung, gleichzeitig beinhaltete der Erlass einen Schutz vor widerrechtlichen Verhaftungen und das Recht, eine Art Berufsverband zu gründen, der die Interessen der Ärzte nach außen vertrat und die Aus- und Weiterbildung regelte. Allerdings gelang es auch diesen Interessensgemeinschaften nicht, eine verbindliche Ausbildungsregelung zu schaffen. Gleichberechtigt zu den Ärzten sind die iatroleipten, eine Art Heilgymnasten zu sehen, die mit Diäten und Massagen ihre Patienten therapierten. Auch sie genossen, zumindest zeitweise, die gleichen Vergünstigungen. Kaiser Hadrian (reg. 117–138 n. Chr.) gewährte in der 1. H. des 2. Jhs. den Ärzten die volle Immunität, die nicht nur Steuerbefreiung beinhaltete, sondern auch die Befreiung vom Militärdienst. Hier haben wir den Höhepunkt der Privilegienverteilung an Ärzte im Römischen Reich. Der Nachfolger Hadrians, Antoninus Pius, privilegierte nur noch die Handvoll Stadtärzte und einzelnen Mediziner, die durch ihre Leistungen aus der Masse hervorstachen. Der öffentliche Arzt stand also wieder an der Spitze der medizinischen Gemeinde. Im 3. Jh. überließen die Kaiser die Immunitätsverteilung den Verwaltungsbehörden. Alexander Severus sorgte aber dafür, dass auch Söhne aus armen Familien kostenlos eine Ausbildung zum Arzt machen konnten. Dazu bezahlte er medizinische Lehrer aus staatlichen Mitteln und stellte öffentliche Hörsäle zur Verfügung. Neben den privilegierten und gut verdienenden öffentlichen Ärzten gab es besonders in römischer Zeit zahlreiche pri-

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vate Ärzte, die aus unterschiedlichen Schichten stammten und ein sehr unterschiedlich hohes Einkommen hatten. Ärzte aus dem Stand der Sklaven und Freigelassenen hatten häufig den Status eines Handwerkers und verdienten auch ähnlich, während die Ärzte, die ihr Auskommen bei den adligen Familien fanden, über enorme Einkünfte und viel Einfluss verfügten. Schon damals polemisierten viele ihrer Kollegen, aber auch Schriftsteller und Dichter gegen die überhöhten Arzthonorare und die um sich greifende Geldgier. Neben den weiter vorhandenen Spitzenverdienern scheinen ab dem 2. Jh. n. Chr. aber auch die Honorare der Allgemeinärzte stetig gestiegen zu sein. Kunstfehler waren nicht selten Gegenstand von Prozessen, wie uns die Prozessakten aus römischer Zeit beweisen. Aber auch überhöhte Behandlungskosten konnten dem Arzt vorgeworfen werden und ein Fall für das Gericht sein, wie auch ein fehlerhaftes Gutachten beispielsweise beim Kauf eines Sklaven. Patienten wurden in der Praxis des Arztes behandelt oder bei sich zu Hause. Nur in sehr seltenen Fällen blieben Schwerkranke oder Frischoperierte für einige Nächte im Haus ihres behandelnden Arztes. Der Arzt konnte medizinisches Hilfspersonal abstellen, um bettlägerige Kranke in ihrem Heim zu versorgen. Krankenhäuser und Hospitäler für die Bevölkerung gab es nicht, sie bildeten sich erst nach und nach in der Spätantike durch christliches Gedankengut heraus. In griechischer Zeit gab es keine Einrichtungen, die einem Hospital ähnelten. In römischer Zeit entwickelten sich Lazarette oder valetudinaria für die Soldaten des Imperiums, deren Ge-

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sundheit und Einsatzkraft für den Staat von großer Bedeutung war. Wirtschaftliche Aspekte führten auch zu der Entwicklung der Sklavenhospitäler. Seit der spätrepublikanischen Zeit hatten sich auf den Landgütern und in großen Privathaushalten Krankenanstalten für Sklaven herausgebildet, in denen verletzte oder kranke Unfreie des Haushaltes gepflegt wurden. Der Agrarschriftsteller Columella, selbst Besitzer großer Gutsbetriebe, empfiehlt, auch solche Sklaven in das valetudinarium aufzunehmen, die eine Krankheit vielleicht nur simulieren, da sie vermutlich von der Arbeit überanstrengt sind und eine kleine Erholungspause benötigen. Nicht Nächstenliebe ließ die Römer diese häufig sehr großen Krankenanstalten für ihre Sklaven schaffen, sondern in erster Linie sollte die Arbeitskraft ihrer wertvollen Bediensteten und Arbeiter erhalten bleiben. Vermutlich wurden auch Sklaven befreundeter Haushalte aufgenommen, da die meisten dieser Anlagen viel Platz boten. Medizinisch ausgebildetes Personal aus dem Stand der Unfreien kümmerte sich um die kranken und erschöpften Mitsklaven. Ein großes valetudinarium des Staates gab es auf der Tiberinsel. Hierhin wurden Personen mit ansteckenden Krankheiten verbracht, um die übrige Bevölkerung zu schützen. Nach und nach etablierte sich die Sitte, kranke und arbeitsunfähige Sklaven auf der Insel auszusetzen, um die sich die Besitzer nicht kümmern wollten. Kaiser Claudius erließ daraufhin ein Edikt, das jedem auf der Tiberinsel ausgesetzten Sklaven die Freiheit gab, was die Anzahl der so „entsorgten“ Sklaven deutlich reduzierte. Stationär aufgenommen wurden auch

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die Heilungssuchenden in den Tempelanlagen des Heilgottes Asklepios. Allerdings wurde hier eine deutlich andere Form der Medizin betrieben. Kein Kranker wurde abgewiesen, alle, die Hilfe beim Gott suchten, waren willkommen. Auch wenn die

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Heilungssuchenden meist außerhalb der Anlage in Gasthäusern wohnten, so gebot es der Heilritus, dass sie zumindest einige Tage und Nächte im Tempelbezirk verbrachten. Am Ende der göttlichen Behandlung war auch hier ein Honorar fällig.

Abb. 31: Anatomiestudie nach Galen: Der „Baum der Gefäße“ (Gefäßsystem nach Galen). Feder und braune Tusche mit leichter farbiger Lavierung über schwarzer Kreide. 280 x 198 mm. Die Anatomiestudie stammt aus der Feder Leonardo da Vincis (1452–1519), des genialen Forschers und Künstlers, dessen Wissensdurst auch vor Sektionen nicht haltmachte. Atlas der anatomischen Studien, fol. 36 r. (R.L.12597r). Royal Library, Windsor Castle.

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Abb. 32: Porträt des Celsus. Kupferstich von Georg Paul Busch (?) (gest. 1756). Seit kurzem geht man davon aus, dass Celsus kein medizinischer Laie, sondern sehr wohl Arzt war. Für einen Laien sind seine Kenntnisse zu weitreichend.

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Celsus – der Gelehrte Aulus Cornelius Celsus (Abb. 32) lebte im 1. Jh. n. Chr. Wir wissen nicht viel über sein Leben. Selbst die Frage, ob er Arzt war oder nur ein gelehrter Laie, ist unbekannt und wird heiß diskutiert. Sehr vieles spricht jedoch für Ersteres. Um 30 n. Chr., also in der späteren Regierungszeit des Kaisers Tiberius, verfasste Celsus sein Werk Über die Künste. Erhalten blieben davon seine acht Bücher über die Medizin, De arte medicina. Unüblich für medizinische Schriften ist, dass er sein Werk in klassischem Latein abfasste. Vielleicht nahmen die griechischen Ärzte späterer Zeiten deswegen so selten auf Celsus’ Werk Bezug, sie scheinen diese bedeutenden medizinischen Schriften nicht einmal gekannt zu haben. Dabei zitiert Celsus in seinen Büchern fast ausschließlich griechische Autoren. Erst im Spätmittelalter, als De medicina in Druck ging, bekamen die medizinischen Bücher den Stellenwert, den sie verdienen. In der Einleitung beschreibt Celsus die Entstehung und Entwicklung der Medizin in Griechenland. Besondere Wertschätzung bringt er Hippokrates entgegen, den er „Vater der Medizin“ nennt. Dennoch beleuchtet er seine Aussagen stets kritisch und mit wissenschaftlichem Verstand. Celsus’ erstes Buch behandelt die gesunde Lebensführung für Gesunde in verschiedenen Lebensabschnitten, bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Konstitution und äußeren Einflüsse sowie die Diätetik für Kranke. Er betont, dass ein Mensch, der gesund lebt, eine wechselnde Lebensweise führt, sich körperlich betätigt, auf angemessene Ernährung achtet und bisweilen ein warmes Bad nimmt, keines Arztes bedürfe. Sein zweites Buch beschäftigt sich mit den Ursachen von Krankheiten, mit den Symptomen, der Diagnostik, den Prognosen und der Therapie. Auch geht er noch einmal auf die Vorbeugung ein. Besonderen Stellenwert bei der Gesunderhaltung nehmen die Nahrungsmittel ein, die Celsus nach verschiedenen Kriterien einordnet. Sein drittes Buch beschreibt die allgemeine Krankheitslehre, die Krankheiten des gesamten Körpers wie Fieber, Depressionen, Lähmungen, Gelbsucht, Schwindsucht und Rheuma. Hier werden auch die vier Kardinalsymptome einer Entzündung beschrieben, die heute noch Geltung haben: Rötung (rubor), Schwellung (tumor), Wärme (calor) und Schmerz (dolor). Später kommt noch die functio laesa hinzu, die eingeschränkte Funktion. Das vierte Buch widmet sich, im Unterschied zum dritten, den mehr lokalen Leiden, den Organerkrankungen. Im fünften und sechsten Buch beschreibt er zahlreiche Heilmittel. Auch auf diesem Gebiet zeigt sich Celsus sehr differenziert und belesen. Allerdings finden auch Arzneimittel aus der sogenannten „Drecksapotheke“ Aufnahme. Die letzten beiden Bücher beschäftigen sich mit eindrucksvollem Kenntnisreichtum mit der Chirurgie. Celsus maß der Chirurgie einen hohen, wenn nicht den höchsten Stellenwert zu. Detailliert beschreibt er den Blasensteinschnitt, Staroperationen, Trepanationen, Bruchoperationen, Amputationen und plastische Operationen. Auch empfahl er, dass der Chirurg ein recht junger Mann sein sollte oder zumindest kein alter, dass er eine überaus sichere Hand haben müsse, dass seine rechte Hand so geschickt wie die linke sein sollte, außerdem gehörten ein scharfer Blick und Furchtlosigkeit zu einem Chirurgen, der sich auf keinen Fall von den Schmerzensschreien seiner Patienten beeindrucken lassen dürfte. Auch empfiehlt Celsus jedem Arzt, einen Schwerstverletzten nicht zu behandeln, damit er

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nicht für den späteren Tod des Kranken verantwortlich gemacht werden kann. So etwas wie unterlassene Hilfeleistung scheint es in der Antike nicht gegeben zu haben. Der Aufbau des medizinischen Werkes entspricht im Großen und Ganzen dem, den die alten griechischen Schulen vorschlugen – Diätetik, Pharmazeutik und Chirurgie. Auch ethische und psychologische Anklänge finden sich in seinen Schriften. So legt Celsus Wert darauf, dass der Arzt, sobald er ein Krankenzimmer betritt, nicht sofort mit der Untersuchung beginnt, sondern erst einmal eine heitere, beruhigende Atmosphäre erzeugt, indem er in Ruhe mit dem Kranken spricht. Haben Ärzte auch in der Antike schon unter Zeitmangel gelitten?

Seuchen im Altertum – eine Strafe der Götter? Die früheste Schilderung einer Seuche in der abendländischen Literatur finden wir in der Ilias des Homer (8. Jh. v. Chr.). Die Achaier hatten den Apollonpriester Chryses beleidigt, der seinen Gott um Rache bat. Daraufhin sandte Apollon mit seinen tödlichen Pfeilen die Pest in das Lager der Griechen. Zuerst starben die Maultiere, dann die Hunde und zuletzt die Menschen. Die Menschen dieser Zeit sahen Seuchen als übernatürlich an, als Strafen eines zürnenden Gottes für eine Freveltat. Das Prinzip der Ansteckung war ihnen nicht bekannt. Deshalb waren für die Heilung auch nicht die Ärzte zuständig, sondern die Priester, die das Volk wieder mit dem Gott versöhnen mussten. Sicher war die Seuche, die Apollon den Achaiern sandte, nicht die Pest in unserem heutigen Sinn. Das Wort „Pest“ leitet sich vom Lateinischen pestis ab, was allgemein „Seuche“ bedeutet. Die erste wirkliche Pestwelle, die uns bekannt ist, traf 541/42 n. Chr. Europa. Sie wurde unter dem Namen „Justinianische Pest“ bekannt und ist, nach den Beschreibungen des byzantinischen His-

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torikers Prokopios, eindeutig als Beulenpest identifizierbar. Hippokrates lehnte übernatürliche Ursachen für das Entstehen von Krankheiten ab. Im Griechenland seiner Zeit (5. Jh. v. Chr.) boomten die Naturwissenschaften, man versuchte den Ursachen rational auf den Grund zu gehen. Allerdings gehörte nicht die gesamte Bevölkerung zu der aufgeklärten Bildungsschicht. Viele glaubten weiterhin an übernatürliche Gründe für das Auftreten von Seuchen. Von 431 bis 404 v. Chr. dauerte, mit Unterbrechungen, der Peloponnesische Krieg zwischen Athen und Sparta. Schon zu Beginn dieses Krieges zogen sich die Athener auf Anraten ihres Strategen Perikles hinter ihre wehrhaften Mauern zurück. Sämtliche Einwohner Attikas, vornehmlich Bauern mit Teilen ihres Viehs, folgten. Dadurch stieg die Bevölkerungszahl in Athen gewaltig an. Das erste Kriegsjahr verlief für die Athener sehr erfolgreich. Aber im zweiten Jahr brach die „Pest“ aus. Vermutlich war die Seuche aus Äthiopien eingeschleppt worden. Zumindest berichtet uns dies der Geschichtsschreiber und hervorragende Beobachter

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Thukydides, der selbst an der „Attischen Pest“ erkrankte, sie aber überlebte. Er beschreibt eindrucksvoll die Symptome der Seuche. Wie aus dem Nichts fühlte der Erkrankte plötzlich eine starke Hitze im Kopf, die Augen entzündeten sich, Schlund und Zunge wurden blutigrot, der Atem übel riechend, dann kamen Niesen, Heiserkeit und starker Husten dazu, krampfhaftes Erbrechen quälte den Kranken. Der Körper bedeckte sich mit einer dichten Schicht kleiner Blasen und Geschwüre. Nun war die innerliche Hitze kaum noch zu ertragen, dabei fühlte sich die Haut nur mäßig warm an. Quälender, unstillbarer Durst, Unrast und Schlaflosigkeit peinigten den Menschen. Manche starben am siebten oder neunten Tag an den Folgen der inneren Hitze. Sollte der Tod nicht so gnädig sein, trat ein schwächender, wässriger Durchfall auf, an dem die meisten Kranken schließlich vor Erschöpfung starben. Einige wenige überlebten die Seuche, aber oft kostete sie die Krankheit Finger, Zehen, Geschlechtsteile oder das Augenlicht. Viele verloren auch die Erinnerung und erkannten ihre Angehörigen nicht mehr. Die Überlebenden waren zumindest für einige Zeit immun gegen die Krankheit. Die Ärzte fanden kein Heilmittel gegen die Seuche. Zwei Jahre wütete die Krankheit und kostete mehr Menschenleben als der Krieg. Nach einer kurzen Ruhepause brach im Winter 427/26 die Seuche erneut aus. Auch der Stratege Perikles fiel ihr zum Opfer. Die meisten Athener waren der Ansicht, dass Apollon sie wegen eines Frevels gestraft habe. Sie suchten den Gott durch Opfer und Bittgänge zu versöhnen. Nur die Bildungsschicht, der

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auch Thukydides angehörte, sah die Krankheit nüchtern und rational. Im Corpus Hippocraticum wird „Pest“ definiert als eine Fieberkrankheit, die innerhalb einer Bevölkerung zu einer bestimmten Zeit weit verbreitet ist, bei allen Kranken dieselbe Form hat und häufig tödlich endet. Über Ansteckung wird überraschenderweise kaum etwas gesagt, obwohl bereits Thukydides sehr wohl erkannt hatte, dass sich die Menschen bei der Pflege Erkrankter ansteckten und starben. Auch viele der Ärzte starben durch den Kontakt mit den Kranken. Ursachen sahen die Hippokratier in krankmachenden Verunreinigungen (miásmata) der Luft. Durch das Atmen gelangten diese in den Körper des Menschen. War der Körper bereits durch eine fehlerhafte Lebensführung geschwächt, so erkrankte der Mensch. Folglich empfahlen die hippokratischen Ärzte keine Quarantänemaßnahmen, sondern eine individuellere Vorsorge durch eine gesunde Lebensführung, eine Luftveränderung oder Schutz vor den Verunreinigungen der Luft durch das Einatmen von aromatischen Kräutern und das Anzünden von Fackeln. Eine Identifizierung dieser während des Peloponnesischen Krieges aufgetretenen Seuche ist bis heute nicht eindeutig gelungen. Vermutlich war es eine Art von Typhus, aber auch Pocken, Fleckfieber, Gelbfieber, Antrax, Ebola und viele andere Geißeln der Menschheit sind im Gespräch. Möglicherweise könnte es sich auch um eine Toxinvergiftung durch Getreide gehandelt haben. Zur Zeit des Kaisers Tiberius schleppte ein Ritter aus Asien eine hochgradig epi-

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demische Hautkrankheit ein. Die Krankheit war nicht lebensbedrohlich, sie war nicht einmal schmerzhaft, aber sie entstellte auf fürchterliche Weise das Gesicht. Sie wurde leichén genannt, was auf Griechisch „Flechte“ bedeutete, die Römer nannten sie auch „Kinnkrankheit“, da sie am Kinn begann. Scheußliche Schuppen bedeckten zunächst das Gesicht und breiteten sich dann auf Hals, Brust und Hände aus. Die gängige Therapie der Ärzte bestand in der Verwendung von Ätzmitteln, die die Krankheit bis auf die Knochen ausbrannte. War man zu zaghaft beim Ätzen, so erschien die Krankheit sehr bald wieder. Diese Methode war, wie man sich denken kann, äußerst qualvoll und hinterließ furchtbare Narben. Überraschenderweise steckten sich weder Frauen, Sklaven, das niedere Volk noch der Mittelstand an. Es waren nur Männer der vornehmen Gesellschaft betroffen. Dies hatte seinen Grund in einem Begrüßungszeremoniell. Die adligen Männer küssten sich zur Begrüßung. Der Kaiser dämmte die Seuche ein, indem er den traditionellen Begrüßungskuss per Edikt verbot. Tiberius war der einzige Kaiser, der, soweit wir wissen, in ein Seuchengeschehen aktiv eingriff. In der 2. H. des 2. Jhs. n. Chr. brach die sogenannte „Antoninische Pest“ aus. Sie wütete im gesamten Römischen Reich und flammte immer wieder auf. Die aus den Partherkriegen des Lucius Verus (165–167 n. Chr.) heimkehrenden Legionen brachten sie mit und verbreiteten sie bis nach Britannien. Vermutlich fiel Kaiser Marc Aurel dem Erreger 180 n. Chr. in seinem Heerlager in Vindobona, dem heutigen Wien, zum Opfer. Die Seuche

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hatte einen Mortalitätsfaktor von 25– 30 %. Symptome waren u. a. hohes Fieber mit wirren Fieberphantasien, heftige Gallenblasenschmerzen und absolute Appetitlosigkeit. Auch bei dieser Seuche handelte es sich nicht um die Beulenoder Lungenpest, sondern wohl um eine schwere Pockenepidemie. Überraschenderweise griff der Kaiser zu keiner Zeit ein. Es gab keine zusätzlichen Hygieneverordnungen, keine Quarantänemaßnahmen, man ließ die Seuche ihren Gang nehmen. Die Ärzte scheinen auch dieser Seuche, trotz des hohen Standes der Medizin, hilflos gegenübergestanden zu haben. Vielleicht war die Theorie der Hippokratier noch zu sehr in den Köpfen der Ärzte verankert, dass Miasmen, also Verunreinigungen der Luft schuld an den Erkrankungen seien. Zwar gab es bereits Ansätze, nicht sichtbare belebte Krankheitserreger für den Ausbruch von Krankheiten verantwortlich zu machen (vgl. z. B. Varro und Vitruv), aber diese Ideen wurden nicht weiterentwickelt Im 3. Jh. gab es noch eine Seuche, die als „Pest“ bezeichnet wurde, die „Cyprianische Pest“, die nach Bischof Cyprian von Karthago benannt wurde, der über sie berichtete. Sie brach 250/51 n. Chr. in der Regierungszeit des Kaisers Decius (reg. 249–251 n. Chr.) aus. Ihre Symptome waren beständiger Durchfall, ein tief im Innern loderndes Feuer, das auf die Kehle übergriff, qualvolles, fortwährendes Erbrechen, entzündete Augen, Fäulnis der Gliedmaßen, auftretende Lähmungen, unstillbarer Durst, Taubheits- und Blindheitserscheinungen. Auch diese Krankheit ist leider nicht eindeutig identifizierbar. Wie Cyprian beschreibt, wurde sie durch

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Berührung, durch Kleidungsstücke und sogar durch Blickkontakt übertragen (Tröpfcheninfektion?). Für die Kirchenfürsten war die Seuche ein Zeichen des nahen Weltendes und stellte für die Christen eine Prüfung Gottes dar, die Heiden jedoch wurden vom Christengott mit der Krankheit grausam bestraft. Die Heiden sahen das vermutlich etwas anders.

Malaria – die Geißel der Antike Die Wechselfieber oder Sumpffieber genannte Erkrankung erscheint in drei verschiedenen Krankheitsformen, die bereits im Corpus Hippocraticum beschrieben wurden. Die differenzierteste Beschreibung des Wechselfiebers finden wir bei Celsus, Galen ergänzt später dessen Ausführungen. Der Begriff „Malaria“ stammt aus dem 16. Jh. und bedeutet mala aria, also schlechte Luft. Das Quartana-Fieber, das Viertagefieber, wurde schon in der Antike als die harmloseste Form des Wechselfiebers beschrieben. Es tritt alle 72 Stunden auf mit zwei dazwischenliegenden fieberfreien Tagen. Beim Tertiana-Fieber liegen die Fieberschübe 48 Stunden auseinander und bei der schweren Form des anhaltenden Fiebers, die wir heute als Malaria tropica bezeichnen, ist der Verlauf häufig tödlich. Hippokrates unterscheidet in den Epidemien noch weitere Formen des Wechselfiebers, wie das Zweieinhalbtagesfieber, das Fünftage-, Siebentage- und Neuntagefieber, die aber in diesem Zusammenhang keine große Rolle spielen sollen. Manchmal kommt es zu Doppelbefall durch den Erreger, so dass uncharakteristische Fieberverläufe auftreten.

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Hippokrates erkannte, dass das anhaltende Fieber die schwerste Fieberform ist. Das Dreitagefieber, so sagt er, führe schnell zur Krise, sei aber selten tödlich, das Viertagefieber dagegen sei äußerst langwierig, aber im Verlauf am harmlosesten und schütze manchmal sogar vor anderen schweren Krankheiten. Den Krisen in den Fieberverläufen maßen die Ärzte besondere Bedeutung für den Ausgang der Krankheit zu. Verfärbte sich der Urin des Patienten dunkel, so wurde die Krankheit als unmittelbar tödlich angesehen. Vermutlich handelte es sich bei dieser Fieberform um das sogenannte Schwarzwasserfieber. Das Wechselfieber wird von der weiblichen Anopheles-Stechmücke übertragen und durch vier verschiedene Plasmodienarten, einzelligen Organismen, verursacht. Die Anopheles-Stechmücke liebt sumpfige Gegenden oder stehende Gewässer und benötigt eine gewisse Wärme, um zu existieren. Wie die detaillierte Beschreibung der verschiedenen Verläufe des Wechselfiebers bei Hippokrates zeigt, war diese Erkrankung in der griechischen Antike wohlbekannt. Auch die römische Republik und die frühe Kaiserzeit kennt diese Krankheit, ohne ihr jedoch eine besondere Bedeutung beizumessen. Neben präzisen Beschreibungen ihrer verschiedenen Verlaufsformen und ihrer Behandlung, u. a. auch mit Weidenrinde und Beifuß, wurde auch über ihre Ursache nachgedacht. Der römische Universalgelehrte Varro vermutete, dass unsichtbare Tierchen aus den Sümpfen die Krankheit verursachten, und der Baumeister Vitruv sparte bei seinen Bauunternehmungen die seuchengefährdeten Gebiete aus und

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legte großen Wert auf gute Luft und klares Wasser. Andererseits waren gerade die Innenhöfe der Villen der Wohlhabenden mit Süßwasserbecken ausgestattet, die die Mücken gerne zum Brüten nutzten. Vom Ende des 2. Jhs. an scheinen sich die Brutstätten der Anopheles-Stechmücke ausgebreitet zu haben. Mehr weibliche Mücken erreichten das Erwachsenenalter und konnten so Wirte für die Malaria-Erreger werden. Das Viertagefieber, das auch Jahrzehnte nach der Ansteckung immer wieder aufflackern kann, scheint der Normalzustand für die in den sumpfigen Niederungen arbeitenden Sklaven gewesen zu sein und schwächte ihren Gesundheitszustand und damit ihre Arbeitskraft. Aber auch die lebensgefährliche Malaria tropica mit ihrem anhaltenden, schwankenden Fieber breitete sich aus. Die Kindersterblichkeit schnellte in die Höhe. In Kindergräbern konnte man die DNA der Plasmodien nachweisen. Der Zusammenhang zwischen der Mücke und dem Fieber wurde von den antiken Ärzten

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nicht erkannt, aber man gab nach und nach die Flachlandsiedlungen auf und baute auf der Höhe, ein durchaus wirksamer Schutz gegen die Stechmücke. Einige heutige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die massive Ausbreitung der Malaria in Italien den Niedergang des Römischen Reiches beschleunigt hat. Im Mittelalter waren die malariaverseuchten Gebiete auf der Apenninhalbinsel mit dafür verantwortlich, dass keine Stadt mehr die Bedeutung erlangte, die sie in der Antike hatte. Rom hatte zu Beginn der Kaiserzeit über eine Million Einwohner, im Mittelalter noch gerade dreißigtausend. Die Malaria entschied Kriege, tötete die Eroberer aus dem Norden und raffte gemeinsam mit der Ruhr einen Herrscher nach dem anderen dahin. Heute erkranken jährlich etwa 300–500 Millionen Menschen an Malaria, etwa zwei Millionen sterben. Besonders betroffen sind Kinder und schwangere Frauen. Noch immer ist die Malaria eine der Geißeln der Menschheit.

Starstich – eine Nadel gegen den grauen Star Der Arzt Paulos von Aigina wirkte in der ersten Hälfte des 7. Jhs. n. Chr. Er war ein glühender Verehrer Galens und Celsus’

und beschrieb die Starerkrankung und den Starstich (Abb. 33) so, wie er es bei diesen medizinischen Autoren gelesen hatte:

Nachdem wir nun dies (den Aufbau des menschlichen Auges und die Pathologie des Stars) bei Galen gelernt haben, werden wir den Patienten zum Licht hin, ohne dass er in die Sonne sieht, Platz nehmen lassen, das gesunde Auge sorgfältig verbinden und die Lider des anderen Auges, nachdem wir sie geöffnet haben, von der sogenannten Iris bis hin zu dem kleinen Augenwinkel im Maß eines Sondenkopfes auseinanderstellen und markieren dann mit dem stumpfen Ende der Starnadel die Stelle, an welcher der Stich vorgenommen werden soll, indem wir an dem linken Auge mit der rechten Hand und an dem rechten mit der linken arbeiten, und nachdem wir das Instrument umgedreht haben, drücken wir die an ihrem Ende abgerundete Spitze der Starnadel kräftig hinein und gelangen durch den zuvor

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STARSTICH – EINE NADEL GEGEN DEN GRAUEN STAR

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Abb. 33: Starstich. Kupferstich aus Lorenz Heister: Chirurgie. Nürnberg 1719. Die Methode des Starstichs unterschied sich auch im 18. Jh. noch nicht wesentlich von der der Antike. Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (Trew Ix 825).

markierten Teil in einen Hohlraum. Als Maß für das Eindringen in die Tiefe diene dir der Abstand von der Pupille bis zur Iris. Nachdem wir nun die Starnadel oben an die Spitze des Stars herangebracht haben – das Metall ist wegen der Durchsichtigkeit der Hornhaut deutlich zu sehen –, wollen wir den Star mit ihr in den darunterliegenden Bereich hinunterdrücken, und wenn er sich sofort hinunterdrücken ließ, wollen wir eine kurze Zeit ohne Bewegung warten, wenn er aber wieder auftaucht, wollen wir ihn wiederum hinunterdrücken. Nach dem Niederdrücken des Stars entfernen wir die Starnadel behutsam mit einer drehenden Bewegung, und danach werden wir, nachdem wir ein wenig kappadokisches Salz in Wasser gelöst haben, das Auge damit beträufeln, und nachdem wir außen Wolle, die mit Eigelb unter Zusatz von Rosenöl benetzt worden ist, aufgelegt haben, werden wir es verbinden, wobei wir auch das gesunde Auge mit verbinden, damit es sich nicht bewegt. Und nachdem wir den Patienten in einen unterirdischen Raum gebettet haben, werden wir ihm die Weisung erteilen, sich völlig ruhig zu verhalten, wobei wir ihn mit leichter Kost ernähren und er bis zum siebenten Tag verbunden bleibt, falls nicht etwas daran hindert; nachdem wir nach dem siebenten Tag den Verband gelöst haben, wollen wir sein Sehvermögen prüfen, indem wir ihm einige Gegenstände zeigen. Dies bei dem Eingriff oder sofort nach dem Eingriff zu tun, werden wir deshalb verbieten, weil durch das krampfhafte Fixieren der Star leicht wieder auftaucht. Falls aber eine Entzündung es dringend erforderlich macht, werden wir den Verband schon vor dem siebenten Tag lösen und sie bekämpfen.

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Tierheilkunde – Veterinär, ein Beruf mit Zukunft Die Tierheilkunde der Griechen Von den Griechen vor der Zeitenwende sind nur sehr wenige veterinärmedizinische Schriften bekannt. Tierkrankheiten werden zum ersten Mal im Corpus Hippocraticum erwähnt, das Entstehungsdatum der Schrift ist ungewiss. Eine der frühesten Quellen, die zumindest ein wenig Tierheilkunde beschreibt, ist die Tierkunde, Historia animalium, des Aristoteles (384–322 v. Chr.) (s. S. 128). Aristoteles stammte aus einer Arztfamilie, kannte sich also mit medizinischen Schriften aus. Er sezierte alle möglichen Arten von Tieren, um mehr über Anatomie und Physiologie zu erfahren. Wie viele Wissenschaftler seiner und auch unserer Zeit war er nicht zimperlich und nahm häufig Sektionen an noch lebenden Tieren vor. Nur ein kleiner Teil seines Werkes ist den Krankheiten der Haustiere (Pferd, Rind, Schwein, Hund, Kamel, Esel und Vögel) gewidmet, über Therapien notiert er nur wenig. So beschreibt er die Kolik beim Pferd, als deren Heilmittel er die Kastration empfiehlt. Auch erwähnt er akut verlaufende Lähmungen, Starrkrampf und Krankheiten, bei denen die Identifizierung schwerfällt. Maßnahmen der Behandlung sind meist Brennen, Verätzen oder Kastrieren. Ausführlich beschreibt er die Vorgänge der Kastration sowohl beim männlichen (Zermalmen und Abtrennen der Hoden) als auch beim weiblichen Tier (Einschnitt vor dem Schambein). Aristoteles gilt als der Vater der Zoologie und der vergleichenden Anatomie.

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Ein weiterer Autor, der sich umfassend mit Pferden befasste, ist Xenophon (um 430–354 v. Chr.). Xenophon war ein Schüler des Sokrates. Als junger Mann diente er bei der athenischen Reiterei und führte ein recht abenteuerliches Leben. Noch heute wirkt sein Werk über die Reitkunst absolut modern. Die Liebe und den Respekt, den er vor seinem Partner Pferd hatte, schimmert durch all seine Schriften. Er beschreibt in aller Ausführlichkeit, was man beim Kauf eines Pferdes zu beachten hat, wie man ein Pferd beurteilt, wie der Stall beschaffen sein soll und wie die Ausbildung des Pferdes idealerweise vonstattenzugehen hat. Ernährung und Pflege nehmen einen recht großen Teil des Werkes ein, aber es ist fast nichts über die Erkrankungen des Pferdes und seine Therapie zu finden. Landwirtschaftliche Schriften hat es mit Sicherheit gegeben, Terentius Varro erwähnt einige Dutzend. Allerdings ist von ihnen kaum etwas erhalten geblieben, und sie scheinen nicht von praktischem Nutzen gewesen zu sein.

Veterinäre in der Legion In den Armeen des Römischen Reiches ist mit mehreren Tausend Tieren pro Legion zu rechnen: Pferde, Maultiere, Zugochsen und Vieh. Am wertvollsten waren sicher die Pferde der Alen, der römischen Kavallerieeinheiten. Ein ausdauerndes, kräftiges, nervenstarkes Pferd war nicht einfach zu bekommen, seine Leistungsfähigkeit zu erhalten war enorm wichtig. Die Tiere medizinisch zu versorgen war

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Apsyrtos – der Briefeschreiber Apsyrtos lebte zur Zeit Konstantins des Großen, ca. 300–350 n. Chr. Er war Militärtierarzt und nahm als Hauptveterinär an den Feldzügen gegen Sarmaten und Goten an der Donau teil. Vermutlich hat er in Alexandria Human- und Veterinärmedizin studiert und lebte lange Zeit in Kleinasien, wo er auch geboren wurde. In Prusia und Nikomedeia arbeitete er nach den Feldzügen als Tierarzt und war in der Lehre tätig. Apsyrtos schrieb kein systematisch-wissenschaftliches Werk, sondern verfasste seine in Griechisch gehaltenen Verordnungen, Anweisungen und Lehren in Briefform. So schrieb er an Freunde, Bekannte, Schüler, Kollegen, Militärs und andere „hohe Herren“ oder er beantwortete echte oder fingierte Briefe. Diese Briefe gab er schließlich in Buchform heraus. Der Stil seiner Vorschriften ist äußerst selbstbewusst. Er fühlte sich als die größte Autorität in tiermedizinischen Fragen seiner Zeit. Wahrscheinlich war er das auch. Die Beschreibung der Pferdekrankheiten und ihrer Behandlung ist umfassend und lässt den scharfen Verstand des Autors dahinter erahnen. Jedenfalls sind uns aus dieser Zeit kaum andere Tierärzte bekannt, was aber daran liegen mag, dass sich nicht jeder zum Schreiben berufen fühlte. Zu nennen ist hier aber der Gelehrteste unter den Veterinären, Theomnestos, der ebenfalls Militärtierarzt war und viele seiner Erfahrungen, die er auf dem Feldzug mit Kaiser Licinius (reg. 308–324 n. Chr.) machte, sehr eindrucksvoll schilderte. Er schrieb ein pferdeheilkundliches Werk für die Praxis, das später sogar ins Arabische übersetzt wurde. Im Gegensatz zu Theomnestos scheint Apsyrtos kein gebildeter Mann gewesen zu sein. Die Sprache seiner Briefe ist keineswegs geschliffen und gut zu lesen, sondern eher in dem Umgangsgriechisch der unteren Schichten verfasst. Seine gesammelten Schriften fanden Aufnahme im Corpus Hippiatricorum Graecorum.

Sache der veterinarii, Soldaten im Rang von immunes (in etwa Gefreite). Ob es auch höherrangige Veterinäre gab, ist unbekannt. Immunes waren Soldaten, die für spezielle Aufgaben von anderen militärischen Verpflichtungen und vom Routine-Arbeitsdienst freigestellt waren. Diese Soldaten-Tierärzte hatte nicht nur die Aufgabe, erkrankte Pferde zu behandeln, sondern in erster Linie sollten sie sie gesund und einsatzfähig erhalten. Dazu gehörte auch ein regelmäßiger Aderlass, um die Tiere von angesammelten Giftstoffen zu befreien. Xenophon empfiehlt

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in seiner Schrift über die Reitkunst, Militärpferde zu kastrieren, da sie dann besser handhabbar sind. Davon hielten die Römer nichts. Sie setzten auf die größere Aggressivität der Hengste und hielten deren quadratischeren Körperbau für besser geeignet für die Reiterei. Sicher überprüften die Veterinäre auch Haltung, Futter und Training der Pferde. Da die Tiere unbeschlagen waren, musste besonderes Augenmerk auf die Hufe gelegt werden. „Ohne Huf kein Pferd“ sagt man heute noch. Das galt sicher noch mehr in der antiken Militärreiterei. Zug-

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und Lasttieren band man bei Bedarf, also bei schlechtem Boden, sogenannte Hipposandalen unter die Hufe, von Pferden ist das nicht bekannt, da die Konstruktion vermutlich zu instabil war. Allerdings wird in der Mulomedicina Chironis bei einem Pferd mit einer Hüfterkrankung geraten, das gesunde Bein des Tieres mit einer Hipposandale zu schützen. Die meisten römischen Militärlager besaßen ein veterinarium, ein Tierlazarett, in dem kranke, verwundete und erschöpfte Tiere behandelt wurden. Und von manchen römischen Heilbädern ist bekannt, dass dort auch Pferde zu Erholung hingeschickt wurden. Stallungen,

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Koppeln, Trainingsplätze und sogar Bewegungsbäder standen den vierbeinigen Patienten zur Verfügung. Speziell ausgebildete veterinarii oder mulomedici wurden dort für die Behandlung der wertvollen Pferde eingesetzt. Die heute als so innovativ beworbene Wasserbewegungstherapie in Rehakliniken für Pferde ist also ein ganz alter Hut. Grabsteine und Weihereliefs, die Tierärzte bei der Arbeit zeigen, machen deutlich, dass die Veterinäre, ganz gleich, ob sie der Legion oder dem Postdienst angehörten oder als Freiberufler auftraten, stolz auf ihre Arbeit waren und der Beruf große Anerkennung genoss.

Pelagonius – Tierarzt der Vornehmen Pelagonius Saloninus lebte in der 2. H. des 4. Jhs. n. Chr. Er verfasste die erste lateinisch geschriebene Schrift über Pferdeheilkunde. Wie auch in der Humanheilkunde waren die meisten Tierärzte Griechen. So wurde die Ars veterinaria auch sehr rasch ins Griechische übersetzt und in das Corpus Hippiatricorum Graecorum aufgenommen. Wie Apsyrtos, den er als Quelle benutzte, verfasste Pelagonius seine Vorschriften und Anweisungen in Briefform. Auch der Agrarschriftsteller Columella diente ihm als Vorbild und Quelle. Er war kein Militärtierarzt, wie viele seiner Kollegen, sondern war vornehmlich in den Rennställen reicher und vornehmer Personen beschäftigt und verdiente wahrscheinlich ziemlich gut, denn Rennpferde waren äußerst teuer und wertvoll. Vermutlich züchtete er auch selbst Rennpferde. Er scheint ein gebildeter Mann gewesen zu sein. Umso mehr erstaunt es, dass sein tiermedizinisches Werk so viele Zaubermittel und -sprüche enthält. Doch damit passt er sich der Strömung der Spätantike an, wieder vermehrt magische Mittel und Mittel aus der sogenannten „Drecksapotheke“ zu verwenden.

Corpus Hippiatricorum Graecorum Das Corpus Hippiatricorum Graecorum (kurz CHG), entstammt dem oströmisch-byzantinischen Bereich und enthält eine Anzahl tiermedizinischer Schriften aus dem 3.–5. Jh. n. Chr. Tiermedizinisch ist

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vielleicht zu weit gefasst. In der Spätantike galt das Hauptinteresse der Veterinäre dem Pferd und über dessen Erkrankungen schrieben sie. Basis des Sammelwerkes bilden die Schriften des Apsyrtos (1. H. 4. Jh.), sieben weitere Autoren sind auszumachen, Eumelos von Theben

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(3. Jh.), ein weiterer Hauptautor, Theomnestos (Anf. 4. Jh.), Pelagonius (2. H. 4. Jh.), Hippokrates, Hierokles, Tiberios und Anatolius (alle 4. o. 5. Jh. n. Chr.), weitere Autoren sind wahrscheinlich. Im 9. oder 10. Jh. wurden die Schriften der verschiedenen Veterinäre zu den sog. Hippiatrika (= Pferdeheilkundliches) zusammengestellt. Das CHG enthält 132 Kapitel. Zu Anfang werden die häufigsten Pferdekrankheiten beschrieben, z. B. Fieber, Rotz, Lungenerkrankungen, Hufrehe. Danach folgen Vorschriften wie, wo und wann ein Aderlass zu erfolgen hat.

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Wie die Humanmediziner hielten sich auch die Veterinäre an das gängige systematische Verfahren „vom Kopf bis zu den Füßen“ und handelten nun die Pferdekrankheiten von Augen, Ohren, Nüstern über den Hals-, Nacken- und Schulterbereich, den inneren Erkrankungen, den Extremitäten und den Hufen und zuletzt von Haut und Haaren ab. Am Ende geben die Autoren eine Sammlung zahlreicher und höchst interessanter Rezepte für Heiltränke, Umschläge, Pflaster und Salben. Erst im 18. Jh. erreichte die Pferdeheilkunde wieder dieses wissenschaftliche Niveau und konnte weiterentwickelt werden.

Rezept bei ausgetrockneter Haut Wenn die Haut eines Tieres ausgetrocknet ist, und es, obwohl gefüttert, keinen Fortschritt macht (= appetitlos ist), was sich aus der großen Sommerhitze heraus ergibt, so wird es auf folgende Weise geheilt: Nachdem du vorher den ganzen Körper mit Rautenöl abgerieben hast, gib hierauf den nachfolgenden vorher dargereichten Trank, der besteht aus Möhre (Pastinak), Tragant, wilder Raute und wilder Minze je 1 1/2 Unzen, Sellerie, Honigklee und pontischem Wermut, von jedem die gleiche Menge. Nachdem du alles zusammen fein zerrieben, zusammengemischt und mit heißem Wasser gekocht hast, setze es ihm vor. (CHG/Pelagonius)

Vegetius – der Militär Publius Vegetius Renatus lebte vermutlich zur Zeit des Kaisers Theodosius I., also in der 2. H. des 4. Jh. und zu Beginn des 5. Jh. n. Chr. Er gehörte dem hohen Adel an und so sind auch seine in gepflegtem Latein verfassten Schriften für die römische Oberschicht gedacht. Zwei bedeutende Werke sind von Vegetius bekannt. Zum einen verfasste er ein berühmtes Werk über das Militärwesen, dem seine ganze Leidenschaft gehörte. Zum anderen schrieb er über sein anderes Interessensgebiet, die Veterinärmedizin. Die Digesta artis mulomedicinalis umfassen vier Bände, die sich mit der Heilkunde der Pferde, Maultiere und Rinder beschäftigen. Vegetius bezog sich dabei auf die Schriften seiner Vorgänger Chiron, Apsyrtos, Pelagonius und Columella. Auch die Mulomedicina Chironis fand in seiner Schrift Aufnahme und wurde hauptsächlich in der Sprache verfeinert. Vom Mittelalter bis zur Neuzeit galt Vegetius als der bedeutendste Vertreter der Tiermedizin. Ob er selbst praktizierender Tierarzt war, bleibt jedoch unbekannt. Manchmal scheint er

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eher ein etwas unsortierter Sammler tiermedizinischer Schriften und Erkenntnisse gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz kannte er sich hervorragend in der Tierheilkunde aus. Anders als viele seiner Zeitgenossen lehnte er jegliche magischen Heilsprüche ab, er ließ nur die reine Wissenschaft gelten. Vegetius bedauert in seinem Werk, dass die Tätigkeit der Hippiater, der Pferdeärzte, oft geringer eingeschätzt wird als die Arbeit der Humanmediziner. Dabei stellt er, nicht ganz unrichtig, fest, dass es die Tierärzte doch sehr viel schwerer haben, da ihre Patienten ihre Leiden nicht mit Hand oder Stimme bezeichnen könnten. Auch prangert er Kollegen an, die aus Gewinnsucht viel zu teure Behandlungen vornehmen, und damit einige Tierhalter dazu zwingen, ihr Tier seinem Schicksal zu überlassen oder selbst an ihm herumzupfuschen. Hier wird deutlich, dass die Tierärzte der Spätantike ein ausgeprägtes Berufsethos besaßen, das ihren vierbeinigen Patienten sicher zugute kam.

Mulomedicina Chironis Die Mulomedicina Chironis stammt aus dem weströmischen Bereich der 2. H. des 4. Jhs. Neben dem Corpus Hippiatricorum Graecorum (CHG) gehört die Mulomedicina zu den bedeutendsten Werken über die Tierheilkunde der Spätantike. Es ist eine Sammlung tiermedizinischer Texte verschiedener Zeitabschnitte. Über den Autor weiß man nicht viel. Als Quelle wird jedoch u. a. Apsyrtos genannt. Die Mulomedicina ist nur durch eine Niederschrift des 15. Jhs. erhalten und in einem bäuerlichen Umgangslatein verfasst. Wie die meisten tierheilkundlichen Schriften der

Spätantike geht es auch in der MC in erster Linie um Pferde. Aber es gibt auch einige wenige Kapitel über Rinder, Schafe und Schweine. Weit unsystematischer als das CHG lässt die Mulomedicina Chironis in ihren zehn Büchern doch das enorme Fachwissen in Anatomie, Diagnostik und Therapie erkennen. Zum ersten Mal wird hier die Periodische Augenentzündung oder Mondblindheit genannt, eine periodisch auftretende, nicht-eitrige Entzündung der Iris und der Aderhaut, die im schlimmsten Fall zur Erblindung des Pferdes führt. Auch in der Mulomedicina gibt es eine sehr interessante Rezeptsammlung in Buch IX.

Rezept bei Verrenkungen und Erkrankungen von Sehnen und Gelenken (Umschlag) Gartenminzesamen

Honig (1/2 Unze)

Terpentinharz

(1 Unze entspricht etwa 27,29 g)

Storaxharz

Nachdem du alles gekocht hast, schütte 4 Eier und genügend Wein hinein. Nachdem du es dann auf ein Stück Leinwand aufgestrichen hast, gebrauche es.

Bdellium (Balsamharz) Mutterharz trockenes Pech (je 6 Unzen)

(CHG)

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Abb. 34: Villa rustica des Dominus Julius. Römisches Mosaik aus Karthago, 5. Jh. n. Chr. Viele der großen Gutsbesitzer hatten Erfahrung und Kenntnisse in der medizinischen Behandlung von Tieren. Geschultes Personal kümmerte sich um den wertvollen vierbeinigen Besitz. Museum Bardo, Tunis.

Rezept zur Blutstillung 10 Scripula Misum 10 Scripula gebranntes Kupfer 4 Scripula Kresse 4 Scripula Korkrinde 4 Scripula Weihrauchmehl 15 Scripula Chalkitis 10 Scripula Weihrauch 8 Scripula Harz (1 Scripulum entspricht etwa 1,14 g)

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Das alles zerreibst du in einem irdenen oder hölzernen Gefäß, darin sollst du es beiseite stellen. Durch langes Stehen wird es milder und verdunstet. Frisch aber führt diese Arznei zum sofortigen Erfolg. Du wirst die blutende Stelle mit dem Finger festdrücken, solange sie offen ist und sie dann auflegen, in derselben Stunde wirst du die Blutung zum Stillstand bringen. (Mulomedicina Chironis)

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Columella – der Landwirt Lucius Iunius Moderatus Columella wurde im 1. Jh. n. Chr. in Gades (heute Cádiz) in der Baetica, einer römischen Provinz in Südspanien, geboren. Er stammte aus dem römischen Ritteradel und diente vermutlich als Militärtribun in der Legio VI Ferrata in Syrien und Kilikien. Columella war kein Tierarzt, aber er besaß große Güter in der Nähe von Rom und hatte ein ausgesprochenes Faible für die Landwirtschaft. In seinem vollständig überlieferten zwölfbändigen Werk De re rustica handelt er die wichtigsten Fragen der Landwirtschaft ab und beschäftigt sich zudem in Buch VI–XI mit der Tierheilkunde und der Haltung und Aufzucht von Haustieren. Anders als die Veterinärautoren der Spätantike beschäftigte er sich mit allen Nutz- und Haustieren. Natürlich stehen auch bei ihm Pferd und Maultier an erster Stelle, aber ebenso wichtig waren dem Gutsherren Rinder, deren Krankheiten und Behandlungen er ausführlich beschreibt, dann folgen Schafe, Ziegen, Schweine, Hunde, Esel, Geflügel, Bienen und Wildtiere wie Rehe, Antilopen und Wildschweine, die im Gehege gehalten wurden und der Ernährung dienten. Columella erwähnt in seiner Schrift auch Tierärzte und regt an, dass jeder Gutsbesitzer auch in der Kunst der Tierheilkunde bewandert sein sollte. Es sei von großer Wichtigkeit, dass er jeden Tag seine Tiere untersuche und kranke Tiere in ein Tierlazarett schaffen lasse. Wie wir uns diese Tierlazarette vorstellen dürfen, ist der Phantasie überlassen, da bisher noch keines bei Ausgrabungen eindeutig identifiziert wurde. Columellas Schriften gehören zu den frühesten erhaltenen tiermedizinischen Abhandlungen. Älter ist das Werk des Universalgelehrten und Agrarschriftstellers Marcus Terentius Varro (116–27 v. Chr.), der sich in seiner Schrift über die Landwirtschaft in erster Linie mit Haltung und Zucht, aber auch, wenn auch nur zu einem geringen Teil, mit den Erkrankungen von Weide- und Hütetieren und von Hoftieren beschäftigt. Da Varro jedoch im Gegensatz zu Columella kein Landwirt war, gehen seine Angaben und Vorschriften manchmal ein wenig an der Praxis vorbei.

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Trepanation – Hirnoperation in der Antike von Dr. med. K.-M. Heidecker Löcher im Kopf sind ein Phänomen, das Wissenschaftler und aufgeschlossene Laien immer mehr fasziniert, sobald sie ihr Augenmerk auf dieses Thema gerichtet haben. P. B. Prunières (1874) und Paul Broca (1876 und 1877) begründeten mit ihren Veröffentlichungen die Trepanationsforschung. László von Károlyi unterzog sich der Fleißaufgabe, über 700 bis dahin publizierte europäische Funde trepanierter Schädel in seiner 1963 erschienenen Arbeit zusammenzustellen. Seitdem wurden bei Ausgrabungen und in Flüssen in Europa, Asien, Afrika und Amerika immer neue trepanierte Schädel entdeckt und beschrieben, sodass heute über 1000 solcher Schädel bekannt sind. Die ältesten trepanierten Schädel werden in die Epoche der Jungsteinzeit datiert, sie sind 8.000–10.000 Jahre alt. Mitteldeutschland und das Pariser Becken sind Regionen, in denen zahlreiche trepanierte Schädel gefunden wurden.

Trepanationen in prähistorischer und historischer Zeit Nicht jedes Loch im Kopf ist Folge einer Trepanation. Man muss grundsätzlich unterscheiden zwischen Knochendefekten, die erst nach dem Tode des Betroffenen entstanden und denen, die zu seinen Lebzeiten als Heilmaßnahme oder aus anderen Gründen von Heilkundigen und Ärz-



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ten bewusst herbeigeführt wurden. In prähistorischer und historischer Zeit war es nicht unüblich, Köpfe von besiegten Gegnern auf einem Pfahl als Trophäe auszustellen oder auf einer Lanze aufgespießt den Gegnern zu zeigen. Es gibt auch angeborene Defekte am Schädel oder solche, die durch eine Krankheit, wie z. B. Syphilis verursacht sind. Mit modernen Untersuchungsmethoden lassen sich die Ursachen von Schädeldefekten genau erkennen. Unter Trepanation versteht man die chirurgische Eröffnung einer Knochenhöhle, besonders der Schädelhöhle bei einem lebenden Menschen, die nach regulärer Beendigung mit einem lochförmigen oder muldenförmigen Substanzdefekt unterschiedlicher Form und Größe endet, ungeachtet der Indikation und des Schädelzustandes zum Zeitpunkt des Eingriffes (Pahl). Die bei einer Trepanation gesetzten Knochendefekte wachsen nicht mehr zu. Wenn der Patient den Eingriff überlebt, bilden sich an den Rändern des Knochens Wulstungen (Abb. 38). Da dies einige Zeit dauert, sind diese Veränderungen am Knochen ein sicheres Zeichen dafür, dass der Eingriff mindestens einige Wochen oder Monate überlebt wurde. Erstaunlicherweise ergaben die exakten Untersuchungen der trepanierten Schädel, dass nach Regionen und Technik unterschiedlich diese schwerwiegenden Eingriffe am

Abb. 35: Bingener Trepan mit herausgenommenem Führungsdorn. Historisches Museum am Strom, Bingen.

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Kopf in 50–90 % der Fälle überlebt wurden, und das zu Zeiten, in denen Sterilität und Narkose unbekannt waren.

Gründe für eine Trepanation Schon seit Beginn der Trepanationsforschung stellte man Überlegungen an, aus welchen Gründen solche Operationen vorgenommen wurden. Bis in unsere Tage wird in Veröffentlichungen behauptet, man habe bei Kopfschmerzen, Migräne und Epilepsie trepaniert. Man habe sich vorgestellt, dass bei Epilespie ein böser Geist im Kopf sei, der die Krämpfe verursache und den man durch eine Schädelöffnung herauslassen müsse. Für die Zeit der Antike haben wir seit ca. 500 v. Chr. medizinische Schriften, in denen Krankheiten, Verletzungen und Behandlungsmaßnahmen einschließlich Operationen beschrieben sind. Meine Untersuchungen dieser ärztlichen Literatur für die Zeit von 500 v. bis 700 n. Chr. haben eindeutig ergeben, dass kein antiker Arzt solche magischen Vorstellungen hatte. Bei Epilepsie, die mit ihrer Symptomatik genau bekannt war, wurden verschiedene Behandlungsverfahren empfohlen, aber nie eine Trepanation. Wir sind hier nicht auf Mutmaßungen angewiesen. Die griechischen und römischen Ärzte beschreiben sehr klar, wann man eine Trepanation vornehmen solle. Gründe dafür waren einerseits schwere Schädelverletzungen und andererseits Knocheneiterungen. Von langfristig eiternden Weichteilwunden, Geschwüren, Fisteln oder entzündeten Geschwülsten kann die eitrige Entzündung auf den Knochen übergehen

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und zu seinem Absterben führen. Die Erfahrung hatte die antiken Ärzte gelehrt, dass eine eitrige Knochenentzündung, eine Osteomyelitis, nur zur Ausheilung gebracht werden kann, wenn man alles abgestorbene Gewebe beseitigt, eine Erkenntnis, die auch heute noch gültig ist. Zur Entfernung abgestorbenen Knochens benötigt man Schaber, Meißel und Trepane. Ziel der Behandlung ist dabei nicht die Eröffnung des Schädels, sondern die Beseitigung abgestorbenen Knochens. Dazu reichte u. U. auch eine Ausmuldung des Knochens, wenn in der Tiefe noch gesundes, durchblutetes Knochengewebe vorhanden war. Dies belegen Schädel mit muldenförmigen Vertiefungen. Ein wesentlicher Anlass für Trepanationen waren schwere Schädelverletzungen. Da es noch keine bildgebenden Untersuchungsverfahren gab, war der Arzt dabei auf eine genaue Erhebung der Vorgeschichte und auf eine Untersuchung des Verletzten mit seinen fünf Sinnen angewiesen. Bei der Vorgeschichte war nach Schlägen auf den Kopf mit Schwert, Axt oder Keule, nach herabfallenden Steinen oder Gegenständen zu fahnden oder nach Stürzen aus der Höhe. Dann war auf neurologische Symptome zu achten: Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Hinstürzen auf den Boden, Blutungen aus Nase und Ohren, Krämpfe, Verlust der Sprache oder des Sehens, halbseitige Lähmungen. Insbesondere wenn diese Symptome sich in rascher Folge entwickeln, sind sie auch für den heutigen Unfallchirurgen Zeichen einer schweren Schädelverletzung. Liegen diese Symptome vor, soll man nach einem Schädelbruch suchen. Wenn

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eine Wunde am Ort der Gewalteinwirkung vorhanden war, soll man die Wundränder mit Haken auseinanderziehen, um im Wundgrund den Knochen zu inspizieren. Wenn keine offene Wunde vorliegt, solle man am Ort der Gewalteinwirkung eine X–förmige Wunde schneiden, die Wundzipfel auseinanderziehen und dann den Knochen nach einem Bruch absuchen. Die antiken Ärzte wussten auch, dass mitunter an der der Gewalteinwirkung gegenüberliegenden Seite des Schädels ein Berstungsbruch auftreten kann. Deshalb sollte man dort nach einem Knochenbruch fahnden, wenn man an der Stelle der direkten Gewalteinwirkung keinen Bruch gefunden hat. Knochensplitter sollten sorgfältig entfernt werden. War bei einem Schädelbruch ein Knochenteil in die Tiefe gedrückt, so sollte man diesen wieder in das normale Niveau anheben. Celsus beschreibt, dass es bei Gewalteinwirkungen auf den Kopf mit und ohne einen Schädelbruch zu Blutungen in die Schädelhöhle kommen kann, durch die große Schmerzen und Blindheit verursacht werden können. Für die Jungsteinzeit und Bronzezeit gibt es natürlich keine Schriftzeugnisse, die uns Aufschluss über die Indikation zur Trepanation geben. Hier sind wir auf naturwissenschaftliche Untersuchungen an den trepanierten Schädeln angewiesen. Die sehr gründlichen Untersuchungen von Ullrich und Wickmann an 41 mitteldeutschen neolithischen und bronzezeitlichen Schädeln ergaben erstmals begründete Hinweise auf Ursachen, Motivation und Indikation für diese schwierigen Schädeloperationen. Die erhobenen Befunde lassen die prähistorische Trepana-

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tion in erster Linie als eine therapeutische Handlung erscheinen, die bei Schädelbrüchen und intrakraniellen Traumen angewandt wurde.

Instrumente und Operationstechnik für die Trepanation In der Jungsteinzeit wurden Trepanationen mit Steinklingen in Schneid- und Schabtechnik ausgeführt. In der Bronzezeit dürfte man Bronzemesser und Schaber gebraucht haben. In der Eisenzeit wurden Eisen- und Stahlklingen, sowie Lochbohrer und Trepane als Operationswerkzeuge benutzt. Wie dies zu bewerkstelligen sei, wurde schon von Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) und sehr genau bei Celsus (1. Jh. n. Chr.) und bei Paulos von Ägina (7. Jh. n. Chr.) beschrieben. Ein Trepan ist ein röhrenförmiges, leicht konisches, am unteren Ende mit einem Kranz von Sägezähnen versehenes Instrument, durch dessen Mitte ein herausnehmbarer Führungsdorn geht. Zu dem umfangreichsten Grabfund chirurgischer Instrumente aus der Römerzeit, der 1925 in Bingen geborgen wurde, gehören neben Skalpellen, Pinzetten, Knochenhebeln und -meißeln fünf Instrumente für die Schädeltrepanation: zwei Trepane mit unterschiedlichen Durchmessern, eine Andruckschale, ein mit zwei Scharnieren versehener Fidelbogen, mit dessen Hilfe die Trepane in Drehung versetzt werden, und ein gewinkeltes Hebelinstrument, mit dem man heruntergedrückten Knochen wieder anheben kann. Wenn man diese Instrumente kennt, mit Nachbauten davon experimentiert

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Abb. 36: Schädel eines 30-jährigen Kelten, wegen Osteomyelitis trepaniert, 3.–2. Jh. v. Chr. Fundort Katzelsdorf/Niederösterreich. Die unvollendete dritte Bohrung und die glatten Knochenränder an den Trepanationslöchern sprechen dafür, dass der Patient bei oder kurz nach der Operation starb.

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hat und mit eigener Erfahrung in der Praxis der Trepanation die antiken Operationsbeschreibungen liest, kann man die Operationstechnik der antiken Chirurgen sehr genau rekonstruieren. An einem Holzmodell lässt sie sich anschaulich darstellen (Abb. 37). Zur Hebung einer Impressionsfraktur empfiehlt Celsus in dem stehengebliebenen Knochenteil einen Finger breit neben dem Bruchspalt mit dem Trepan ein Loch zu bohren. Um den Trepan ganz exakt ansetzten zu können, soll man an der gewünschten Bohrstelle mit einem Meißel eine kleine Vertiefung machen und hier den Führungsdorn, der über den Zahnkranz des Trepans hervorragt, einsetzen. Mit Hilfe eines Lederriemens, der einmal um den Trepan gewickelt werden muss, und mit dem der Fidelbogen armiert ist, setzt man den Trepan in Drehung. Dazu muss der Trepan mit der eingefetteten Andruckschale nach unten gedrückt werden. Celsus schreibt: „Man muss beim Aufdrücken das richtige Maß einhalten, damit man einerseits mit dem Instrument eindringt und andererseits dasselbe ordentlich bewegen kann. Denn drückt man zu schwach, so kommt man zu wenig vorwärts, drückt man zu stark, so bewegt sich das Instrument nicht“. Schon Hippokrates beschreibt, dass der Trepan sich bei dieser Arbeit erhitzt. Durch die Hitze wird der lebende Knochen geschädigt. Deshalb soll man den Trepan immer wieder in Wasser abkühlen, um eine Knochenschädigung zu vermeiden. Dass mit einem Trepan wie in Bingen gefunden, Schädel trepaniert wurden, beweist am eindrucksvollsten der Schädel eines ca. 30-jährigen keltischen Mannes aus Katzelsdorf/Niederösterreich aus

dem 3.–2. Jh. v. Chr., der wegen einer Knocheneiterung operiert worden war (Abb. 36). Bei der kleeblattförmigen Bohrung sind beim dritten Bohrloch die Vertiefung durch den Führungsdorn und der kreisrunde Einschnitt des Trepans zu erkennen. Ist der Trepan so tief wie hier zu sehen in den Knochen eingedrungen, so hat er genügend seitliche Führung. Dann kann man den herausnehmbaren Führungsdorn entfernen und ohne ihn weiterbohren (Abb. 35). Die letzten Umdrehungen soll man besonders vorsichtig machen, um auf keinen Fall die harte Hirnhaut zu verletzen. Dazu kann man durch zwei gegenüberliegende Löcher unter dem oberen Trepanrand einen Querstift schieben und mit dessen Hilfe ohne Fidelbogen und Andruckschale mit mehr Gefühl diese Drehungen ausführen, bis die runde Knochenscheibe ganz herausgelöst ist. Nach der Entnahme dieses Scheibchens löst man mit einem stumpfen Instrument die harte Hirnhaut ganz vorsichtig von der Unterseite des Schädels in Richtung Bruchspalt soweit ab, sodass sich das gewinkelte Hebelinstrument zwischen Schädelknochen und Hirnhaut bis unter das nach unten gedrückte Schädelbruchstück einschieben lässt. Mit Hilfe des Hebels wird dieses angehoben. Wenn das eingedrückte Bruchstück zu fest verklemmt ist, muss man ein zweites Loch bohren und mit zwei Hebeln die Hebung vornehmen. Celsus stellt abschließend fest: „Diese Art der Behandlung bewirkt, dass gebrochene Knochen, die noch an einer Stelle festsitzen, wieder fest einwachsen. So bleibt das Gehirn nach der Erhaltung der Knochen mehr geschützt, als dies nach Weg-

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Abb. 37: Bohrung mit Modell der Binger Trepanationsinstrumente

nahme der Knochen der Fall sein würde“. Durch die Bohrlöcher und durch Löcher, die durch die Entfernung von Knochensplittern entstehen, „bleibt hinreichend Platz zum Abfließen der Wundsekrete“. Diese Trepantechnik wurde, wie der Katzelsdorfer Schädel beweist, auch bei der Entfernung abgestorbenen Knochens bei Osteomyelitis angewendet. Wenn bei einer breitflächigen Knocheneiterung ein noch größeres Knochenstück entfernt werden musste, so verwendete man eine

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andere Technik. Man bohrte mit einem Bohrer, ähnlich wie ihn die Zimmerleute verwenden, zuerst am Rand des abgestorbenen Knochens mehrere Löcher um den ganzen herauszunehmenden Knochenteil herum und muss dann die dazwischenliegenden Knochenbrücken mit einem Meißel entfernen. Im Zusammenhang damit weist Celsus erneut darauf hin, dass man dabei besonders vorsichtig vorgehen muss, damit man nicht die Gehirnhaut verletzt, „denn dadurch ent-

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steht heftige Entzündung mit Todesgefahr“. Diesen genauen Beschreibungen kann man entnehmen, dass die antiken Ärzte, die sich an solche Operationen heranwagten, über genaue anatomische Kenntnisse bezüglich des Knochenbaues und des Verlaufs der Blutgefäße verfügen mussten, dass sie, wie der Bingener Grabfund belegt, Präzisionsinstrumente verwendeten und über praktische Erfahrung in der Anwendung dieser Instrumente verfügten, sonst hätten sie nicht so hohe Heilungsquoten erzielen können. Die Operationswunden wurden nicht zugenäht, sondern mit Essig besprengt und mit einem elastischen, lockeren Verband mit frisch geschorener Wolle bedeckt. Es wurde also eine offene Wundbehandlung durchgeführt. Das war unter den damaligen Umständen mit hoher Infektionsgefahr sicher das Beste. Wir haben aus der griechischen und römischen Zeit nur relativ wenige trepanierte Schädel vorzuweisen. Das liegt daran, dass Griechen und Römer im allgemeinen ihre Toten verbrannten. Dabei wurden die Schädelknochen weitgehend zerstört. Deshalb gibt es erst mit der Zunahme der Körperbestattungen seit der Ausbreitung des Christentums wieder mehr Belege für durchgeführte Trepanationen.

Das Schmerzproblem Es gab in der prähistorischen und historischen Zeit weder Narkose noch örtliche Betäubung. Man kannte gewisse Drogen wie Opium, Bilsenkrautsamen und Mandragora, durch die Schmerzen gelindert werden konnten. Man experimentierte

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in der Römerzeit mit Schlafschwämmen. Dazu wurden Schwämme, mit betäubenden Säften von Opium, Mandragora, Hyoscyamus, Schierling, Lattich und anderen Drogenabkochungen getränkt, dem Kranken vor Mund und Nase gebunden und von den eingeatmeten Dämpfen Schlaf und Schmerzlosigkeit erwartet. Eine Wirkung war sicher da, aber es wurde über gefährliche Vergiftungen berichtet, die dazu führten, dass Operationen in aller Regel ohne solche Narkoseversuche durchgeführt wurden. Deshalb sollte laut Celsus ein Chirurg „furchtlos im Gemüt sein. Mitfühlend sei er nur in der Weise, dass es sein fester Wille ist, den in Behandlung genommenen Kranken zu heilen, ohne sich durch das Geschrei desselben rühren und zu größerer Eile, als es die Umstände erfordern, oder zu weniger und kleineren Schnitten als nötig sind, bestimmen zu lassen; er führe alles so aus, als ob durch das Klagegeschrei des Kranken bei ihm kein Mitleid erregt würde“. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass das Schädeldach, im Gegensatz zu den Knochen des Gesichtsschädels, offenbar keine schmerzleitenden Nerven aufweist, so dass das Schneiden und Bohren an der Schädelkalotte nicht als schmerzhaft empfunden wird. Außerdem werden viele Kopfverletzte bewusstlos, wobei sie keinen Schmerz mehr wahrnehmen. So kann man besser verstehen, dass solche Operationen ausgehalten werden konnten. Sogar in heutiger Zeit gibt es noch Menschen, die nach steinzeitlichen Methoden trepaniert werden. R. Meschig berichtete 1983 über Beobachtungen, die er beim Stamm der Kisii in Ostkenia

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Abb. 38: Verheilter trepanierter Schädel aus römischer Zeit, Trier, 3./4. Jh. n. Chr. Der Patient hat überlebt. Rheinisches Landesmuseum Trier.

machte. Sie berauschen sich bei Festen mit Maisbier und schlagen dann im Rausch mit Knüppeln aufeinander ein, wodurch es oft zu Schädelbrüchen kommt. Es gibt dort Familien, die auf die Versorgung schwerer Schädelbrüche spezialisiert sind. Ohne Narkose und ohne sterile Instrumente führen sie mit primitiven Messern und anderen Werkzeugen Schädeloperationen aus, die von den Betroffenen in hohem Prozentsatz überlebt werden. Dies wurde 1991 in der Fernsehreihe Terra X filmisch dokumentiert. Nach H. Ullrich verdienen die Fähigkeiten und das Können der steinzeitlichen

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und bronzezeitlichen Schädelchirurgen unseren größten Respekt und Bewunderung. Meine Studien zu den Trepanationen in der Antike ergaben, dass die griechischen und römischen Ärzte über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügten, naturwissenschaftlich dachten, nicht magischem Denken verhaftet waren, klare Vorstellungen von der Anatomie des Kopfes hatten und Erfahrungen gewissenhaft weitergaben. Sie verfügten über Instrumente, die ein präzises Operieren ermöglichten. Die sehr genauen Operationsbeschreibungen sprechen für ein großes Erfahrungswissen.

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Zahnheilkunde – ein schmerzvolles Thema Schon von den Ägyptern beschrieb Herodot im Jahr 460 v. Chr., dass die Ärzteschaft hoch spezialisiert sei und es Ärzte nur für die Behandlung von Zähnen gäbe. In Griechenland war die Zahnheilkunde seit hellenistischer Zeit ein eigener Zweig der ärztlichen Kunst. Allerdings beschäftigten sich auch die meisten der uns bekannten Allgemeinärzte mit der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Hippokrates, der in der Zahn- und Kieferanatomie sehr bewandert war, erwähnte als Erster das Zahnziehen, ohne jedoch dabei das Instrument zu beschreiben, mit der diese Prozedur vonstattengehen sollte. Der Arzt Erasistratos ließ im 3. Jh. v. Chr. eine bleierne Zahnzange im Apollontempel zu Delphi aufstellen, um damit darauf hinzuweisen, dass nur Zähne gezogen werden sollten, die schon so locker waren, dass sie mit der weichen Bleizange entfernt werden konnten. Zahnextraktionen waren ein heikles Thema. Die meisten uns bekannten Ärzte rieten davon ab, da sie zu viele Gefahren bargen. Es gab einfach zu viele Patienten, deren Zähne im Kiefer abbrachen oder deren Kiefer beschädigt wurden. Selbst Todesfälle waren als Folge gar nicht so selten. Wenn also gezogen werden musste, sollte der Zahn vorher gelockert werden. Auch in der Kaiserzeit empfahlen viele Ärzte noch bleierne Zangen oder noch besser die Finger zum Zähneziehen, allerdings sind die meisten uns überlieferten Zangen aus Eisen mit verschieden und häufig sehr speziell geformten Zahnbacken, die es ermöglichen sollten, den Zahn zu ziehen, ohne ihn abzubrechen.

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Wenn man also den Zahn nicht ziehen wollte, wie behandelte man ihn dann? Celsus sagt in einer seiner Schriften, dass es kaum etwas Unerträglicheres und Qualvolleres gäbe als Zahnschmerzen. Handlungsbedarf war also vorhanden. Die Schmerzbekämpfung stand an erster Stelle. Wer schon einmal richtige Zahnschmerzen hatte, weiß, dass hier schnelle Hilfe nottut. War Karies der Grund für die Schmerzen, so brachte man verschiedene Arzneien in die Löcher ein. Mohn bzw. Opium war dabei ein fester Bestandteil, um die Schmerzen zu lindern. Auch Nachtschattengewächse wie Bilsenkraut und Alraune hatten ihren festen Platz. Celsus empfahl als warme Mundspülung eine Mischung aus Fünffingerkraut in verdünntem Wein, Bilsenkrautwurzel in verdünntem Wein und etwas Salz. Oder auch gekochte Schalen des Mohnkopfes oder den Saft der Alraunwurzel. Natürlich sollte das Ganze nicht heruntergeschluckt werden. Von außen konnte man eine aus Irisöl zubereitete Wachssalbe auflegen, mit Wolle bedecken und den Kopf gut einhüllen. Musste der Zahn doch gezogen werden, so war darauf zu achten, dass alle Knochensplitter und Wurzelreste entfernt wurden. Besser war es jedoch, den Zahn zu erhalten. Löcher im Zahn konnten mit Blei oder Gold gefüllt werden. Soranos verordnete bei Zahnschmerzen schmale Kost und Bettruhe, dazu adstringierende (zusammenziehende) Mundspülungen. Auch bei seiner Therapie spielten Mohn, Bilsenkraut und Alraune natürlich eine wesentliche Rolle. Heißfeuchte Umschläge auf die Wange

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und eventuell ein Aderlass bei unerträglichen Schmerzen kamen dazu. So konnte man Schröpfköpfe entlang der Wangenmuskeln oder an die Ansatzstellen des Zahnfleisches aufbringen. Auch legte man in heißes Öl getränkte Wolle um den kranken Zahn. Hilfreich sei auch ein über dem Feuer erhitztes Körnchen Weihrauch, dass man in Leinen wickle und in das Kariesloch einbringe, damit es dort heiß brenne. Die Wange sollte mit Säckchen mit heißem Weizenmehl warm gehalten werden. Sollte sich dennoch der Schmerz verschlimmern, konnte man die Arzneien absetzen. Mit dem eisernen Schaber brachte man den Zahn zum Absterben oder ritzte das Zahnfleisch ein und löste es kreisförmig von dem kranken Zahn, damit er sich lockerte. Klingt für moderne Ohren alles ziemlich qualvoll und schmerzhaft. Galen empfahl in erster Linie Dampfbäder und Bilsenkraut gegen den Zahnschmerz. Um die Arzneien dichter an den Zahn zu bringen, konnte man ihn mit einem kleinen Bohrer anbohren. Half das alles nichts, musste der Zahn gelockert werden. Galen empfahl, Mutterkraut mit starkem Essig aufzutragen. In wenigen Stunden würde diese Mischung den Zahn so lockern, dass man ihn sogar mit den Fingern herausziehen könnte. Besser war es natürlich, die Zähne gut zu pflegen und so in Ordnung zu halten. Wie anthropologische Untersuchungen gezeigt haben, litt gerade die römische Oberschicht kaum unter Karies, bei der normalen Bevölkerung war es um Einiges mehr, aber immer noch längst nicht so viel wie in heutiger Zeit. Vermutlich legte die Oberschicht mehr Wert auf

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Zahnpflege und konnte so die Karies in Grenzen halten. Es war eine große Anzahl von Zahnpflegemitteln bekannt. So gab es Mundwasser aus Rosenhonig, Myrrhentinktur, Mastixöl und verdünntem Dattelsaft. Mastixharz wurde sehr gern zwischendurch gekaut, da es den Mundgeruch verbesserte und zudem entzündungswidrig wirkte. Die Zähne reinigte man mit Salz und zerriebener Poleiminze oder, komplizierter, man mischte Salz und Honig, wickelte die Salbe in weißes Leinen, verbrannte alles zu Asche, gab ein wenig pulverisierte Schwertlilie hinzu und rieb damit die Zähne ab. Man konnte natürlich auch den Schädel eines Hasen verbrennen und sich mit der Asche die Zähne reinigen. Bimsstein war gut zum Bleichen der Zähne. Verfärbte Zähne galten auch damals schon als sehr unschön. Auch grobe Austernschalenasche plus die Asche von Horn- und Purpurschnecken plus Bimsstein, alles zusammen mit Salz gebrannt, hat eine starke Bleichwirkung. Zahnstocher aus Mastixholz oder Metall waren ebenfalls in Gebrauch. Aufgesprungenen Lippen half eine Mixtur aus Terpentin und Wollfett oder in Honig zerstoßenen grünen Galläpfeln oder auch einfach Spinnweben, sie wieder kussweich zu machen. Auch für Mundschleimhautentzündungen gab es reichlich Rezepte. Warmes Mastixöl, Most von herben Trauben oder Honig und Granatapfelsaft. Sobald Schmerzen dazukamen, kam auch wieder Bilsenkraut oder Mohn in Anwendung. Zahnfleischbluten wirkte man mit Alaun und Aloesaft oder Honigsalbungen entgegen. Hatte ein Kleinkind Schmerzen

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Abb. 39: Etruskische Goldstreifenbrücke (Nachbildung). Diese Goldstreifenbrücke diente zum Ersatz des ersten linken Backenzahns im Unterkiefer. Die Brückenarbeit zeigt vier miteinander verlötete Ringe. Ein größerer war für den zweiten Backenzahn bestimmt. Daneben findet sich ein leerer Ring – in diesem ist ein quer verlaufender Goldstift zu erkennen, der den eingesetzten Zahn trug. Anschließend finden sich zwei kleinere Ringe, die beide Prämolaren umschlossen. Damit wurde der Zahn so fixiert, dass er stabil genug war, die Kaufunktion zu gewährleisten. Das Original stammt aus dem 8.–4.Jh. v. Chr., Valsiarosa (Civita Castellana). Medizinhistorische Sammlung des Karl-SudhoffInstituts Leipzig (Inv.-Nr. 2039).

beim Zahnen, bestrich man das Zahnfleisch mit einer Mischung aus Butter, Honig und Lilienöl. Ein schief wachsender Zahn bei einem Kind sollte jeden Tag mit dem Finger zurechtgerückt werden. Kopfmassagen, die allmählich auf Nacken und Körper ausgedehnt wurden, das Bearbeiten der Wange mit einem rauen Tuch bis zur Rötung oder das Schlürfen von warmem Olivenöl sollten die Heilung beschleunigen.

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Auf jeden Fall, da waren sich die antiken Ärzte einig, sollte man immer zunächst versuchen, den kranken Zahn zu erhalten. Ganz abgesehen davon, dass eine Entfernung beträchtliche Gefahren barg, galt ein lückenhaftes Gebiss als äußerst unschön und hatte zudem den Nachteil, die Aussprache zu verändern. Das konnten sich gerade Politiker nicht leisten. Schon Hippokrates beschrieb, wie man lockere Zähne durch Manipulatio-

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nen des Zahnfleisches wieder festigte oder, wenn das nicht half, an den Nachbarzähnen befestigte. Einen Höhepunkt erreichte das Herstellen von Zahnersatz in der etruskischen Zeit. Zähne aus Elfenbein oder zurechtgeschnittene Tier- und Menschenzähne wurden geschickt in eine Prothese eingebracht und mittels Golddraht an den gesunden Zähnen befestigt (Abb. 39). Es gab sogar so etwas wie Kro-

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nen – Menschenzähne, von denen man das Elfenbein abgekratzt hatte, bis nur die Schicht aus Zahnschmelz übrig geblieben war und die man dann auf die beschädigten Zähne aufsetzte. Vermutlich wurden diese kunstvollen Beispiele für Zahnersatz nicht von Ärzten, sondern von spezialisierten Handwerkern oder Goldschmieden hergestellt und waren gewiss, wem sage ich das, nicht preiswert.

Zahnziehen (nach Celsus) Wenn aber ein Zahn Schmerzen verursacht und man zu dem Entschluss kommt, ihn zu extrahieren, weil die Heilmittel nichts nützen, muss man ihn ringsherum abschaben, damit sich das Zahnfleisch von ihm löst; dann soll er hin- und hergerüttelt werden. Und das soll so lange getan werden, bis er sich leicht bewegen lässt, denn ein festsitzender Zahn wird nur unter höchster Gefahr herausgerissen, und bisweilen wird der Kiefer aus seiner Lage gebracht. … Und wenn der Zahn ausgehöhlt ist, muss er zuvor entweder mit Charpie (Verbandmaterial) oder mit einem gut passenden Bleikügelchen ausgefüllt werden, damit er nicht unter der Zange zerbricht. … Sobald aber ziemlich viel Blut fließt, muss man sogleich wissen, dass irgendein Teil von dem Knochen zerbrochen ist. Man muss also mit der Sonde den Knochensplitter suchen, der sich gelöst hat und ihn mit einer kleinen Zange hervorziehen. Wenn er nicht Folge leistet, muss das Zahnfleisch eingeschnitten werden, bis man den entgleitenden Knochensplitter zu fassen bekommt. Wenn dies nicht sofort geschehen ist, verhärtet sich der Kiefer außen, so dass der Patient den Mund nicht öffnen kann. Man muss aber so lange einen warmen Umschlag aus Mehl und Feigen auflegen, bis sich dort Eiter bildet; dann muss das Zahnfleisch eingeschnitten werden. Auch in großer Menge fließender Eiter ist ein Zeichen für einen gebrochenen Knochen. … Sooft auch von einem gezogenen Zahn eine Wurzel zurückgeblieben ist, muss auch diese sogleich mit einer zu diesem Zweck hergestellten Zange, welche die Griechen „Rizagra“ [Wurzelzange] nennen, entfernt werden.

Der Chirurg Der Chirurg soll ein Mann in den besten Jahren sein oder doch von diesem Alter nicht zu weit entfernt. Eine gelenke, feste Hand, die nie zittert; mit der Linken so gewandt wie mit der Rechten. Die Augen scharf und hell; im Gemüt unerschütterlich; gerade so viel Mitgefühl, dass er den, der zu ihm kommt, geheilt wissen will, dagegen sich nicht von seinem Geschrei drängen lässt, mehr als es die Umstände erfordern, sich zu beeilen oder weniger als nötig zu schneiden. Vielmehr soll er so handeln, wie wenn er durch das Wimmern des Kranken sich nicht rühren lassen könnte. (Celsus, de medicina)

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TRADITIONELLE EUROPÄISCHE MEDIZIN Es wurde Zeit, dass sich die europäischen Naturheilkundler auf unser medizinisches Erbe besinnen. TEM – Traditionelle Europäische Medizin heißt diese relativ neue Strömung, die sich neben der TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin, und dem Ayurveda etabliert. TEM – das ist die Medizin der Antike, die wir in diesem Buch kennengelernt haben, samt ihren Einflüssen aus dem alten Ägypten und Babylonien. Aber nicht nur das. Die Medizin der Druidenärzte und der keltischen und germanischen Bevölkerung fließt ebenfalls in dieses Gesundheitssystem ein. Das sind die Wurzeln. Die Medizin entwickelte sich weiter. Die mittelalterliche Klostermedizin, also die Medizin der Mönche und der Ordensfrauen sind Teil der TEM. Das Macer floridus aus der Spätphase der Klostermedizin im 12. Jh. macht deutlich, auf welch hohem Niveau sich die Kräuterheilkunde der Ordensleute befand. Hildegard von Bingen ging noch weiter. In ihren medizinischen Schriften beschreibt die Äbtissin nicht nur zahlreiche Heilkräuter samt ihrer Einordnung in eine Elementenlehre, sondern stellt auch die Heilkraft der Edelsteine, der Tiere und Metalle dar. Auch die Psychosomatik ist Teil ihres Heilsystems. Durch die Klostermedizin wurde die Meditation Teil der europäischen Heilkunde. Neben der Klostermedizin stand gleichberechtigt die Heilkunde der wei-

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sen Frauen und Kräuterkundigen, als Hexen verpönt und bestraft durch die Kirche und doch noch lebendig. Sie entwickelte sich aus der keltischen und germanischen Volksmedizin. Die weisen Frauen wussten um die Krankheiten der Frauen, kannten Verhütungsmittel und Mittel, um abzutreiben, sie mischten Liebestränke und Aphrodisiaka. Sie kannten Rauschdrogen und Giftpflanzen, oft mischten sich magische Elemente in ihr Heilwirken. Das alles machte sie der Kirche suspekt, doch waren viele Menschen von ihrem großen Heilwissen abhängig. Viel von diesem Wissen ging verloren. Das, was sich über die Jahrhunderte in unsere Zeit retten konnte, ist Teil der TEM, natürlich ohne die magischen und abergläubischen Elemente. Neben den heilkundigen Ordensleuten und den weisen Frauen gab es weiterhin wissenschaftlich ausgerichtete Ärzte. Berühmt war die medizinische Schule von Salerno, die vom 10.–13. Jh. ihre Blütezeit hatte und auch Frauen zu Ärztinnen ausbildete. Sie stand in der Tradition Galens und der Klostermedizin der Benediktiner. Aber in Salerno werden auch die arabischen Elemente der europäischen Heilkunde sichtbar. Neben den vielen Quacksalbern der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Medizin gab es die in der Tradition der antiken Medizin stehenden Ärzte. Paracelsus brachte im 16. Jh. die Medizin

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nach einer jahrhundertelangen Stagnation erneut einen Schritt vorwärts. In seinen Wanderjahren studierte er auch das Heilwissen der Volks- und Hexenmedizin. Die Natur und Gott stellten für ihn die Basis allen Heilwissens dar. Ein Arzt sollte aber auch gleichzeitig Philosoph und Astronom sein und sich mit der Alchemie auskennen. Die Signaturenlehre, also die Ansicht, dass sich aus dem Erscheinungsbild einer Pflanze Rückschlüsse auf ihre Heilwirkung ziehen lassen, wurde von Paracelsus entwickelt. Sie ist Teil der Traditionellen Europäischen Medizin. Und auch Pfarrer Kneipp mit seinen fünf Säulen der Gesundheit ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Der Arzt Edward Bach mit seiner von ihm entwickelten Bachblütentherapie, und nicht zuletzt die Homöopathie des Samuel Hahnemann, sie alle sind Teil der TEM, auch wenn sich hier das aus der Antike

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TRADITIONELLE EUROPÄISCHE MEDIZIN

stammende Heilprinzip contrarii contrariis curantur und das Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie similia similibus curentur (Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt) gegenüberstehen. Die Traditionelle Europäische Medizin vereint die Konzepte der überlieferten Volksmedizin und der wissenschaftlichen Medizin, deren Wurzeln in der Antike liegen. Diese Kombination macht sie stark, und sie kann durchaus den traditionellen asiatischen Heilmethoden als gleichwertig angesehen werden. Vielleicht ist sie für uns Europäer, die wir in diesem Umfeld geboren und aufgewachsen sind, hilfreicher als die unseren Genen fremde asiatische Medizin. Auffallend ist jedoch, wie sehr sich die jahrtausendalten Heilsysteme der europäischen und asiatischen Hochkulturen zumindest in ihren Grundsätzen ähneln.

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ANHANG Weiterführende Literatur J. Berendes (Hrsg. u. Übers.), Arzneimittellehre des Pedanios Dioskurides von Anazarbos in 5 Büchern (1902). 쒁 Die gesamte Materia medica des Dioskurides. Auch online einzusehen. H. Diller (Hrsg. u. Übers.), Hippokrates. Ausgewählte Schriften (1994). 쒁 Der Hrsg. hat einige wichtige Kapitel, nicht nur von Hippokrates, aus dem Corpus Hippocraticum zusammengestellt. A. Hassl, Das Wechselfieber in der römischen Antike. Forum Archaeologiae 47, VI, 2008. 쒁 Interessante Theorie zum Ende des römischen Weltreiches. I. Hecht, Aus der heylsamen Dreck-Apotheke (1979). 쒁 Kuriose Rezepte, die noch in der Neuzeit angewandt wurden. R. Jütte, Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart (1993). 쒁 Erstaunliche Einblicke in die Frauenmedizin der Antike mit rechtlichen Hintergründen. C. Hummel, Das Kind und seine Krankheiten in der griechischen Medizin. Von Aretaios bis Johannes Aktuarios (1.–14. Jh.). Medizingeschichte im Kontext 1 (1999). 쒁 Kurz gehaltene Biographien verschiedener antiker Ärzte, die sich mit dem Kind in der Medizin beschäftigt haben. Sehr ausführlich die Darstellung der Kinderkrankheiten und ihre Behandlung. J. Kollesch/D. Nickel (Hrsg.), Antike Heilkunst. Ausgewählte Texte aus den medizinischen Schriften der Griechen und Römer (1994). 쒁 Die Hrsg. haben zahlreiche und interessante Schriften verschiedener medizinischer Autoren zusammengestellt. R. König/G. Winkler, Plinius der Ältere. Leben und Werk eines antiken Naturforschers (1980). 쒁 Viele Details aus der Lebensgeschichte dieses überragenden Mannes. R. König (Hrsg. u. Übers.), C. Plinius Secundus d. Ä. Naturkunde Buch XXIII u. XXIV Medizin und Pharmakologie (1993). 쒁 Die Übersetzung der Naturkunde ist sehr hilfreich zum Verständnis der antiken Medizin.

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A. Krug, Heilkunst und Heilkult. Medizin in der Antike (1993). 쒁 Eines der Standardwerke über antike Medizin. J. Krüger, Buch IX der Mulomedicina Chironis. Übersetzung und Besprechung. Diss. (1981). 쒁 Interessierte der Tiermedizin finden hier viele Anregungen und Rezepte. F. Kudlien, Untersuchungen zu Aretaios von Kappadokien (1963). 쒁 Viele Überlegungen zu diesem erstaunlichen Arzt. E. Künzl, Medizin in der Antike. Aus einer Welt ohne Narkose und Aspirin (2002). 쒁 Ein Standardwerk zur Medizin in der Antike aus archäologischer Sicht. K.-H. Leven (Hrsg.), Antike Medizin. Ein Lexikon (2005). 쒁 Hier findet man Informationen von „A capite ad calcem“ bis „Zwitter“. Mit Literaturhinweisen für diejenigen, die sich über ein bestimmtes Thema weiter informieren möchten. K. F. Liebau, Handbuch für die Naturheilkunde. Einführung in naturheilkundliche Diagnose und Heilweise (1997). 쒁 Hilfreich für jeden, der sich mehr mit naturheilkundlichen Methoden beschäftigen möchte. M. Meier (Hrsg.), Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas (2005). 쒁 Einige sehr interessante Artikel über Seuchen in der Antike. W. Müri (Hrsg.), Der Arzt im Altertum. Griechische und lateinische Quellenstücke von Hippokrates bis Galen (1986). 쒁 Eine ausführliche Zusammenstellung verschiedener medizinischer Schriften in Griechisch bzw. Latein mit deutscher Übersetzung. P. Platiel, Das Spezialistentum in der Medizin bis zum Ausgang der Antike. Diss. (1977). 쒁 Die Dissertation beschäftigt sich in gut lesbarer Form mit den einzelnen Arztspezialisten. K. Pollak, Wissen und Weisheit der Alten Ärzte. Die Heilkunde der Antike (1993). 쒁 Pollak beschäftigt sich seit langer Zeit mit der antiken Medizin. Auch dies ist eines der Standardwerke. I. C. Popa, Celsus „De medicina“ über Zähne, Mundhöhle, Gesicht und Kieferknochen. Diss. (1999). 쒁 Für die an Zahnheilkunde der Antike Interessierten.

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C. Rätsch, Heilkräuter der Antike in Ägypten, Griechenland und Rom (1998). 쒁 Eine Zusammenstellung vieler Heilpflanzen, die in der Antike genutzt wurden von Mythologie bis Wissenschaft. ders., Pflanzen der Liebe. Aphrodisiaka in Mythos, Geschichte und Gegenwart (2008). 쒁 Herr Rätsch ist ein weit gereister Ethnopharmakologe. Dieses Buch ist liebevoll gemacht mit erstaunlichen Einblicken. J. Schäffer, Die Rezeptsammlung im Corpus Hippiatricorum Graecorum I. Diss. (1981). 쒁 Gerade für Pferdebesitzer eine Fundgrube. P. Schmid, Oreibasios. In: P. Wiench (Hrsg.), Die großen Ärzte. Geschichte der Medizin in Lebensbildern (1982). 쒁 Die Lebensgeschichte dieses Arztes reizt geradezu, daraus einen Roman zu machen. R. Schmitz, Geschichte der Pharmazie 1: Von den Anfängen bis zum Ausgang des Mittelalters (1998). 쒁 Sehr schöne Darstellung der Medizingeschichte mit dem Schwerpunkt auf der Pharmazie. Unbedingt lesenswert. C. Schubert/U. Huttner (Hrsg. u. Übers.), Frauenmedizin in der Antike (1999). 쒁 Viele Textstellen, die sich auf die spezielle Frauenmedizin beziehen, in Griechisch und Latein mit deutscher Übersetzung. A. Sideras, Rufus von Ephesos und sein Werk im Rahmen der antiken Medizin. ANRW II: Principat 37.2 Wissenschaften, 1994, 1077 ff. 쒁 Nicht nur diese Publikation ist höchst interessant, sondern es finden sich einige sehr lesenswerte Artikel in den 37er Bänden des ANRW über Medizin und Biologie. F. Steger, Asklepiosmedizin. Medizinischer Alltag in der römischen Kaiserzeit. Medizin, Gesellschaft und Geschichte Beiheft 22, 2004. 쒁 Die überarbeitete Fassung einer Dissertation. Viele kontroverse Diskussionen. H. Thomssen, Die Medizin des Rufus von Ephesos. ANRW II: Principat 37.2 Wissenschaften, 1994, 1254 ff. 쒁 siehe unter Sideras.

ANHANG

A. von den Driesch/J. Peters, Geschichte der Tiermedizin. 5000 Jahre Tierheilkunde (2003). 쒁 Ein wirklich wertvolles Buch zur Geschichte der Tiermedizin mit vielen Abbildungen. H.-J. Wehren, Vorbeugende Gesundheitspflege bei Galen. Diss. (1965). 쒁 Erstaunliche Einblicke in die Gesundheitserziehung der Antike. J. C. Wilmanns, Der Sanitätsdienst im Römischen Reich: eine sozialgeschichtliche Studie zum römischen Militärsanitätswesen. Medizin der Antike 2, 1995. 쒁 Ein wichtiges Werk zum Arzt in der Legion. G. Wöhrle, Studien zur Theorie der antiken Gesundheitslehre. Hermes. Zeitschrift für Klassische Philologie 56, 1990. 쒁 Die überarbeitete Fassung einer Habilitationsschrift. Manchmal nicht einfach zu lesen, aber höchst interessant.

Abbildungsnachweis Titel, 6, 27 akg-images/Nimatallah | 1 bpk/Antikensammlung, SMB/Johannes Laurentius | 2 akgimages/John Hios | 3, 13 Hervé Champollion/akgimages | 4, 16, 17, 20, 23, 29 akg-images/Erich Lessing | 5 akg-images/Rabatti – Domingie | 7 akgimages/Pirozzi | 8, 11, 14, 31, 32 akg-images | 9, 39 Karl-Sudhoff-Institut, Leipzig | 10 Foto RGZM/ Künzl (Inv.-Nr. O.6389, O.6401, O.6402, O.6403, O.28480, O.28479, O.33127, O.6405, O.28482). | 12 Public Domain/Guenter Wieschendahl | 15, 35, 36, 37, 38 Dr. K. M. Heidecker, Bingen | 18 akgimages/Werner Forman | 19 Creative Commons Attribution License 2.5/Hans Hillewaert | 21 Foto Botanikus | 22 GNU License 1.2/EvaK | 24, 25 Foto LVR/Archäologischer Park Xanten/RömerMuseum | 26 akg-images/Electa | 28 Foto LWL-Archäologie für Westfalen/Stefan Brentführer | 30 bpk/Antikensammlung, SMB/Ingrid Geske-Heiden | 33 Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg | 34 akg-images/Gilles Mermet

Adresse der Autorin Heike Achner Langelohstr. 39 44627 Herne

R. Toellner, Illustrierte Geschichte der Medizin 1, 1986. 쒁 Eine Fundgrube an Informationen, wenn auch manchmal überholt oder ungenau. Sehr viele Abbildungen, aber der Text kommt nicht zu kurz.

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