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German Pages 442 Year 2014
Anna Ananieva Russisch Grün
H i s t o i r e | Band 17
Anna Ananieva (Dr. phil.) ist Forschungsstipendiatin an der Universität Mainz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Kultur- und Literaturgeschichte des 18./19. Jahrhunderts sowie intermediale und interkulturelle Transfers.
Anna Ananieva Russisch Grün. Eine Kulturpoetik des Gartens im Russland des langen 18. Jahrhunderts
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2009 von dem Fachbereich 05 Sprache – Literatur – Kultur an der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation angenommen. Prof. Dr. Günter Oesterle gilt der besondere Dank für die Betreuung und weitreichende Förderung des Projekts. Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT sowie der Axel Springer Stiftung
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© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Friedrich Hartmann Barisien (1724-1796): Ansichten des Gartens in Zarskoe Selo, 1760-1761, GMZ Carskoe Selo (Siehe Abb. 23, 24). Lektorat & Satz: Anna Ananieva Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1479-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt
Einleitung ....................................................................................................................9 1. Gartengestaltung im Russland des 18. Jahrhunderts im Fokus der kulturellen Dynamik ....................................................................15 2. Aufbau der Arbeit, Thesen und Überblick ........................................................29
TEIL I DICHTERDENKMAL IM GARTEN ZWISCHEN VERGESSEN UND ERFINDEN 1. Genius loci in Zarskoe Selo: Eine Episode erinnerungskultureller Arbeit im Russland des 19. Jahrhunderts .....................................................39 1. Das abwesende Denkmal als Zeugnis der Erinnerungsarbeit .........................44 2. Denkmalstiftung im Garten zwischen Erinnerung und Poesie ......................48 3. Bedeutungsüberschuss versus Produktion von Gewissheiten.........................59 4. Erfindung des „Russischen“ und die Folgen nationalkultureller Vereinheitlichung .................................................................................................64 2. Interkulturalität, Transfer und Erinnerung: Methodische Standortbestimmung..................................................................73 1. Kulturelle Dynamik und Gedächtnis..................................................................74 2. Transfer und Erinnerungskulturen.....................................................................82
TEIL II ORNAMENT UND TABLEAU: GARTENRÄUME ZWISCHEN VERSCHNÖRKELTER ORDNUNG UND PERSPEKTIVISCHER RATIONALISIERUNG 1. Moskauer Gartenlandschaft um 1700 ............................................................97 1. Ornamentale Vielfalt der zarischen Sommerresidenz in Ismajlowo..............99 2. Alphabetische Ordnung als Garant der Wissensvermittlung: „Vertograd mnogocvetnyj“ von Simeon Polockij ......................................... 104 3. Die Siedlungslandschaft an der Jausa: Nemeckaja sloboda und Golovins Garten ......................................................................................... 113 4. „Mijn thuijns Tekeningen“: Bidloos Garten an der Jausa............................. 122 2. Neue „Paradiese“ im Norden: Von dem Sommergarten in St. Petersburg zu der Gartenlandschaft der Peterhofer Straße ....... 133 3. Verdichtung des Gartens zum politischen Symbol: Annengof und Zarskoe Selo in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts........................ 143 Exkurs über die Thronwirren nachpetrinischer Zeit und ihre Auswirkungen auf die Gartengestaltung ................................................ 144
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Einleitung
1. Von Golovins Garten zum Annengof: Garten als Raum des höfischen Zeremoniells .............................................................................. 148 2. Zarskoe Selo: Vom Lustgarten zur Sommerresidenz. Die Weiterentwicklung der regulären Gartengestaltung um 1750 ............. 157 3. Imaginierter Höhenflug: Der erhabene Raum des Gartens in der odischen Dichtung Lomonosovs .......................................................... 165 4. Bewusstwerden der Differenz: Aufkommen einer neuen Gartenidee......... 172
TEIL III DIVERTISSEMENT UND IMPROVEMENT: MEDIALE UND ERINNERUNGSKULTURELLE KONSEQUENZEN POLITISCHER IMPLIKATIONEN IM LANDSCHAFTSGARTEN VON ZARSKOE SELO 1. Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten: Umgestaltung der regulären Gartenanlage in den 1770er Jahren als freie Modellierung und Gedächtnisstiftung .................................................................................. 181 1. Einzug der neuen Formsprache in die repräsentative Gartengestaltung.... 183 2. Annäherung der Raumgestaltung an die freien Formen der Natur ............ 187 3. Aufforstung der Gartenlandschaft ................................................................... 193 4. Semantisierung durch Denkmalstiftung ......................................................... 196 5. Ästhetische Strategien im Umgang mit polyvalentem Gartenraum zwischen Natur, Kunst und Geschichte.......................................................... 200 2. Poetischer Spaziergang als empfindende Vergegenwärtigung der Zeitgeschichte: „Zarskoe Selo“ von Johann Gottlieb Willamov.... 211 1. Poetisierter Garten als Fluchtpunkt verzeitlichter Sinnbezüge.................... 214 2. Literarische Vermittlung erinnerungskultureller Funktionsweise der Denkmäler im Garten................................................................................. 221
TEIL IV ERZIEHUNG UND BESCHREIBUNG: WIRKUNGSÄSTHETISCHE UND EDUKATIVE STRATEGIEN IN BEZUG AUF DIE GARTENANLAGE ALEXANDROWA DATSCHA 1. Entstehungszusammenhang der Gartenanlage ......................................... 233 2. „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ (Katharina II.) in der deutschsprachigen Publizistik (Bacmeister, Heyne) .................. 239 3. „Vergnügen für Gedanken und Auge“: Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha................................................. 249 1. Gartenraum und pädagogische Intentionen der Jugenderziehung ............. 249 2. Wirkungsprogramm des Erziehungsgartens in dem Poem „Aleksandrova“ von Stepan Džunkovskij....................................................... 254
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Einleitung
TEIL V IMAGINATION UND ERINNERUNG: DER LANDSCHAFTSPARK VON PAWLOWSK ALS EXPERIMENTIERFELD WAHRNEHMUNGSÄSTHETISCHER WECHSELSPIELE 1. Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft ............................. 275 2. Gartenkünste und Gartenfeste: Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp) ........................... 287 3. Synthese der Künste (Gonzaga) ................................................................... 299 4. Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität ..................... 309
TEIL VI PARK UND POESIE: INTERMEDIALE KORRESPONDENZEN UND DIE FRAGE DER ADÄQUATEN LITERARISCHEN WIEDERGABE DES GARTENERLEBNISSES 1. Gartenerlebnis und Gartenbeschreibung.................................................... 323 2. „Briefe über den Garten zu Pawlowsk, geschrieben im Jahr 1802“ von Heinrich Storch ..................................... 329 1. „Freie Sprache“: Die Pawlowsk-Beschreibung im Kontext der Gartenliteraturdebatte um 1800................................................................ 329 2. „Siegende Kunst“ und „unüberwundene Natur“ ........................................... 334 3. „Mischung des Erhabenen und Lieblichen“: Inszenierung der Privatheit zwischen Annäherung und Distanz................ 338 4. „Sänger der Gärten“ (Delille)............................................................................ 341 5. Das „genialische Architekturstück“ ................................................................. 348 3. Inneres Sehen und unmögliches Beschreiben: Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij............................... 359 1. Elegischer Modus als gartenliterarischer Grenzgang .................................... 360 2. Drei Stimmungsbilder auf dem Spaziergang entlang der Slawjanka........... 365 3. Aufgegebene Grenze als poetogene Denkfigur .............................................. 372
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................ 377 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 379 Handbücher und Lexika ........................................................................................ 379 Quellen..................................................................................................................... 381 Weitere Literatur .................................................................................................... 392 Abbildungsverzeichnis......................................................................................... 421 Orts- und Personenregister ................................................................................ 427
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Einleitung
Einleitung
„Unsere Zeit scheint sich durch eine so große und ausgebreitete Revolution in Ansehung der Gärten auszuzeichnen, als noch niemals war.“1
Diese Feststellung, die C.C.L. Hirschfeld am Ende des 18. Jahrhunderts getroffen hat, bekommt zweihundert Jahre später neue Aktualität, überblickt man die zahlreichen Publikationen zum Thema, die sich seit den 1990er Jahren zu einer immer differenzierter werdenden Forschungslandschaft formieren.2 Diese Wiederentdeckung des Gartens vollzieht sich vor dem Hintergrund der selbstreflexiven Erneuerung der Geisteswissenschaften und baut auf dem besonderen Stellenwert des Phänomens in der Kulturgeschichte auf. Das grundlegende Argument dazu liefert die basale Eigenschaft des Gartens als eines von Menschen gestalteten Raums, der sich von der äußeren Natur abgrenzt und zugleich sich natürlicher Gestaltungselemente bedient. Daran 1
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Christian Cay Lorenz Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst. Leipzig 1785, Bd. 5, S. VIII. Im Folgenden entspricht die Transliteration des russischen Alphabets in den bibliografischen Angaben sowie bei den Personennamen durchgehend der Norm der Deutschen Bibliothek (DIN 1460); die Bezeichnungen der russischen Gartenanlagen sowie die Ortsnamen im laufenden Text folgen dagegen der Dudennorm. Wichtige internationale Foren für historische Gartenkunstforschung sind seit den 1980er Jahren die periodisch erscheinenden Publikationen: Studies in the History of Gardens & Designed Landscapes (ehemals: Journal of Garden History, London), - Garden History: the Journal of the Garden History Society (Oxford), – Die Gartenkunst (Worms), – sowie die Sammelbandreihe des Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture (Washington DC). – Neuerdings machen sich Bemühungen einer umfassenden Systematisierung bemerkbar, vgl. Encyclopedia of Gardens: History and Design, hg. v. Candice A. Shoemaker. 3 Bde. Chicago u.a. 2001; Kleines Wörterbuch der europäischen Gartenkunst, hg. v. Gabriele Uerscheln, Michaela Kalusok. Stuttgart 2001; Michel Baridon, Les jardins. Paysagistes – jardiniers – poètes. Paris 1998; Michel Conan, Dictionnaire historique de l’art des jardins. Paris 1998. – Als Standardwerke zur übergreifenden Geschichte der Gartenkunst gelten weiterhin: Marie Luise Gothein, Geschichte der Gartenkunst. 2 Bde. Jena 1914; Vladimir J. Kurbatov, Sady i parki. Istorija i teorija sadovogo iskusstva. Peterburg 1916; Derek Clifford, A History of Garden Design. London 1962. 9
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knüpft die strukturelle Verortung der Gärten im Spannungsfeld der Differenz zwischen Natur und Kultur an. Auch in seinen Funktionsweisen zeigt sich der Garten als höchst wandlungsfähig. Er markiert einen ganz in der kulturellen Gegenwart verankerten, meist bewohnten Raum, der für alltägliche wie festliche Praktiken zur Verfügung steht. Als ein in Sprache und Bild überlieferter Ort bekommt er außerdem eine den historischen Gartenanlagen materiell nicht gegebene Dauer verliehen. Nicht zuletzt deswegen hat der Garten seinen Sitz auch im Gedächtnis der Kultur, das seine weitreichenden symbolischen Bedeutungen, wie der ursprünglichen Ordnung der Welt oder des künftigen glücklichen Jenseits, hervorzubringen und darüber hinaus zu tradieren vermag.3 Aus der potenziellen Verschränkung zwischen einer konkret räumlichen, lebensweltlichen und einer topischen Dimension entsteht eine weitere herausragende Eigenschaft des Gartens, die erdachten Konzepte in seiner materiellen Präsenz zu manifestieren und erlebbar zu machen. Damit kommt eine das Phänomen Garten auszeichnende komplexe zeitliche Struktur zum Vorschein, die sich in der Gegenwart aus einem retrospektiven Zugriff speist und zukunftorientierte Modelle verwirklicht. Dieses Potential einer im konkreten Raum verwirklichten Utopie hat dem Garten neuerdings die Bezeichnung einer „Heterotopie“ eingebracht.4 Die zeiträumliche Kom3
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Vgl. unter den neueren Publikationen dazu: Ursula Frühe, Das Paradies ein Garten – der Garten ein Paradies. Studien zur Literatur des Mittelalters unter der Berücksichtigung der bildenden Kunst und Architektur. Frankfurt am Main u.a. 2002 (Literaturverzeichnis: S. 349-408); Stephen Lessing Baehr, The Paradise Myth in Eighteenth-Century Russia. Utopian Patterns in Early Secular Russian Literature and Culture. Stanford 1991. Siehe auch exemplarisch folgende Lexikonartikel: Art. Gartenbau, in: Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, hg. v. Georg Wissowa und Wilhelm Kroll. Stuttgart 1910, Bd. 13, Sp. 768-841; C. Schneider, Art. Garten, in: Reallexikon für Antike und Christentum. Stuttgart 1966, Bd. 8, Sp. 1048-1061; Art. Gartenkunst, in: Lexikon Alte Kulturen, hg. v. Hellmut Brunner und Meyers Lexikonredaktion. Mannheim u.a. 1993, Bd. 2, S. 49-51; Art. Garten, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Stuttgart 1998, Bd. 4, S. 786-794; Art. Park, in: Ebd., 2002, Bd. 15/2, S. 124-176; Anna Ananieva, Art. Garten, in: Metzler Lexikon literarischer Symbole, hg. v. Günter Butzer und Joachim Jacob. Stuttgart (erscheint 2008). Der Begriff geht auf Michel Foucault zurück, der bereits in „Les mots et les choses“ (1966) auf die epistemologische Funktion der Gärten aufmerksam gemacht hat (vgl. Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Frankfurt am Main 1997, S. 172–173). Ausführlicher geht er darauf in seinem Vortrag „Espaces autres“ (1967) ein: „Die Utopien sind die Plazierungen ohne wirklichen Ort: die Plazierungen, die mit dem wirklichen Raum der Gesellschaft ein Verhältnis unmittelbarer oder umgekehrter Analogie unterhalten. Perfektionierung der Gesellschaft oder Kehrseite der Gesellschaft: jedenfalls sind die Utopien wesentlich unwirkliche Räume. Es gibt gleichfalls - und das wohl in jeder Kultur, in jeder Zivilisation - wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplazierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Uto10
Einleitung
plexität des Gartens, die durch die mannigfaltigen Wechselbeziehungen zu anderen Medien hervorgebracht wird, macht ihn zu einem attraktiven Experimentierfeld in Situationen des kulturellen Wandels. Die in Bezug auf den Garten stattfindende Aktualisierung der relevanten Wissensvorräte des kollektiven Gedächtnisses führt sowohl zur Wiederholung des Bestehenden als auch zur Hervorbringung des Neuen, so gebührt dem Garten auch eine oszillierende Stellung zwischen Tradition und Innovation. Dass bei der Gartengestaltung der kultivierende Eingriff des Menschen in die physikalische Welt qualitativ anders und komplexer ist als bei der Bearbeitung von agrikulturellen Räumen, hat man bereits in der italienischen Renaissance erkannt und in einer neuen Wortschöpfung als „terza natura“ zu fassen versucht. John Dixon Hunt hat den Terminus der dritten Natur aufgegriffen und ihn als eine Reflexionsfigur in die aktuelle Gartenforschung eingeführt.5 In einer Reihe von Untersuchungen hat Hunt vorgeführt, dass auf der Folie der dritten Natur auch wesentliche neuzeitliche Phänomene frucht-
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pien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Weil diese Orte ganz andere sind als alle Plätze, die sie reflektieren oder von denen sie sprechen, nenne ich sie im Gegensatz zu den Utopien die Heterotopien. […] Die Heterotopie vermag an einem einzigen Ort mehrere Räume, mehrere Plazierungen zusammenzulegen, die an sich unvereinbar sind. […] Aber vielleicht ist die älteste dieser Heterotopien mit widersprüchlichen Plazierungen der Garten. […] Der Garten ist die kleinste Parzelle der Welt und darauf ist er die Totalität der Welt. Der Garten ist seit dem ältesten Altertum eine selige und universalisierende Heterotopie.“ Michel Foucault, Andere Räume, in: Botschaften der Macht. Der Foucault-Reader, hg. von Jan Engelmann. Stuttgart 1999, S. 145-157, hier S. 149, S. 153. John Dixon Hunt, The Idea of the Garden, and the Three Natures, in: Zum Naturbegriff der Gegenwart. Kongressdokumentation zum Projekt „Natur im Kopf“. Stuttgart 1994, Bd. 1, S. 305-326, hier S. 312. Die so verstandene Ausdifferenzierung des Gartens gegenüber der äußeren Welt und der menschlichen Tätigkeit setzte die von Cicero stammende Vorstellung der „zwei Naturen“ fort: der von Menschen angeeigneten Fläche des Ackerbaus und der Natur, die sich im Zustand einer unvermittelten Wildheit befindet: „Nostris denique manibus in rerum natura quasi alteram naturam efficere conamur.“ Marcus Tullius Cicero, De natura deorum (II, 60). Stuttgart 1995, S. 226. –Neuerdings hat Beck eine Korrektur des Begriffsursprungs vorgenommen, der auf Lukrez zurückgehen soll (Thomas E. Beck, Garden as a „Third Nature“. The Ancient Roots of a Renaissance Idea, in: Studies in the History of Gardens & Designed Landscapes 22 (2002), S. 327-334). Vgl. dazu: Harald Tausch, „Architektur ist die Nachtseite der Kunst.“ Erdichtete Architekturen und Gärten in der deutschsprachigen Literatur zwischen Frühaufklärung und Romantik. Würzburg 2006, S. 47, Anm. 101 (Stiftung für Romantikforschung; 34). 11
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bar analysiert werden können.6 Damit ist der Weg für die Anwendung des Modells auf den geschichtlichen Zeitabschnitt geöffnet worden, in dem sich die modernen Entwürfe der Natur und der Subjektivität herausbilden. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert ist die Gartengestaltung maßgeblich an der Diskussion um die bis dahin tradierten Vorstellungen beteiligt. Im Wechselspiel der drei Naturen formiert sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Kontroverse um den Landschaftsgarten. Aus formästhetischer Sicht wird dabei die Konkurrenz zweier Gestaltungstypen verhandelt: zum einen geht es um den geometrischen Garten mit seiner architektonischen Ordnung, der eine Höchstform in der Gestalt der repräsentativen französischen Anlagen zur Zeit Ludwig XIV. erreicht hat.7 Zum anderen handelt es sich um den Typus des sogenannten englischen Gartens, dessen erste Entwürfe von britischen Autoren wie Addison, Locke und Shaftesbury formuliert worden sind und zu der Entstehung der als verschönerte freie Natur wirkenden Gartenanlagen geführt haben.8 Diese neuen Gärten vereinen in einem freien, vorzugsweise hügeligen Gelände weite Rasenflächen, einzeln stehende Bäume und Buschgruppen, sowie Teiche mit natürlich wirkenden Uferkonturen und vergnügen durch geschwungene Wegeführung mit überraschenden Aussichten. Die 6
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Zuletzt erschienen: John Dixon Hunt, Greater Perfections. The Practice of Garden Theory. London 2000. Weiterführung des Denkmodells: Brigitte Franzen, Die vierte Natur. Gärten in der zeitgenössischen Kunst. Köln 2000. Die Maßstäbe des sogenannten französischen Gartens setzte der Vaux-leVicomte des Großfinanziers Nicolas Fouquet, ein Garten, der nach seiner Fertigstellung dem Besitzer Enteignung und lebenslange Haft einbrachte. Der hier tätige Gartenarchitekt André Le Nôtre arbeitete anschließend im Auftrag Ludwig XIV. an der Neugestaltung des Gartens in Versailles. Die von Le Nôtre geprägte Raumgestaltung liefert die Grundlagen des klassischen französischen Gartens: sein Zentrum bildet das Schloss, von dem aus eine zentrale Mittelachse durch die gesamte Anlage verläuft; an ihr entlang werden achsensymmetrisch oder strahlenförmig alle Gartenelemente angeordnet, wie Wege, Kanäle, Wasserbecken, Boskette, wobei das geometrische Arsenal – Kreise, Vierecke, Ovale, Kreuze – ihre Form bestimmt. Die Skulpturen im Garten thematisieren eine auf den Herrscher zugeschnittene Mythologie und steigern den Geltungsanspruch hierarchischer Ordnung. Das erste charakteristische Merkmal des englischen Gartens ist die Tatsache, dass seine Entwürfe erst in essayistischen Abhandlungen ihre Gestalt annehmen, bevor sie in der Wirklichkeit realisiert werden. Es geht um die Forderung nach einer Erneuerung der britischen Gartenkunst, die als ein moralphilosophisches Programm formuliert wird. Formal-ästhetische Überlegungen spielen in dieser Entwicklungsphase noch eine nachrangige Rolle. So erscheint der Unterschied zwischen den englischen Gärten wie Stowe oder Chiswick und den formalem geometrischen Gärten französischer Provenienz als wenig revolutionär. Die weitere Entwicklung, die in den 1730er Jahren mit dem Namen William Kent (1685-1748), in den 1760er Jahren mit Lancelot „Capability“ Brown (17161783) und in den 1780er mit Humphrey Repton (1752-1818) in Verbindung steht, wird dennoch von den Zeitgenossen als die „schöne Revolution“ bezeichnet. 12
Einleitung
Diskussion um die ästhetische Neuorientierung der Gartengestaltung hat einen Paradigmenwechsel der Formsprache zur Folge: nicht die Architektur, sondern die Landschaft liefert die Grundlagen der Raumgestaltung; als produktionswirksames Prinzip gilt statt der Variation die Erfindung; die Wahrnehmung stützt sich nicht auf die Regel der Mnemotechnik, sondern folgt der Assoziation.9 In Bezug auf die Praxis der Imagination im Rahmen eines Landschaftsgartens und den damit einhergehenden theoretischen Überlegungen zu der Einbildungskraft vollzieht sich der Wandel von einem mnemotechnisch organisierten, raumbezogenen Konzept der Memoria zu individualisierten und verzeitlichten Formen der Erinnerung.10 Epistemologisch gesehen avanciert der Garten zu dem Experimentierfeld, in dem die Transformationsprozesse der vormodernen Wissensordnungen in Gang gesetzt werden und die neuen Vorstellungen von Natur als Ursprung und Prozessideal sowie von dem autonomen Subjekt, das seine Identität auf der Grundlage individueller Erinnerung konstruiert, erprobt werden. Die Auseinandersetzung mit dem sich herausbildenden Konzept des Landschaftsgartens führt im Verlauf des 18. Jahrhunderts zur Umgestaltung der Gartenanlagen nach den erneuerten Regeln der freien Natur in dem gesamten europäischen Kulturraum.11 Raumästhetisch setzen sich in der Folge 9
Adrian von Buttlar, Der englische Landsitz 1715-1760. Symbol eines liberalen Weltentwurfs. Mittenwald 1982; Michael Gamper, „Die Natur ist republikanisch“. Zu den ästhetischen, anthropologischen und politischen Konzepten der deutschen Gartenliteratur im 18. Jahrhundert. Würzburg 1998 (Epistemata: Reihe Literaturwissenschaft; 247); Tausch, „Die Architektur ist die Nachtseite der Kunst“. 10 In diesem Punkt vertritt die Untersuchung den Ansatz des Forschungsprojekts „Erinnern und Erfinden. Ein ästhetisch-soziales Wechselspiel zwischen poetisierten Gärten und Festen und literarischer Kunst des Erinnerns“ (Laufzeit: 1997-2002) des Sonderforschungsbereichs 434 „Erinnerungskulturen“ der DFG an der JLU Gießen. Die ersten Überlegungen zum Entwurf der Dissertation sind im Umfeld dieses Forschungsvorhabens entstanden, das von Günter Oesterle geleitet worden ist und an dem sich in unterschiedlichen Phasen der Projektförderung Rolf Haaser, Christina Dongowsky, Ute Klostermann, Elke Hoffmann, Natascha N. Hoefer, Harald Tausch und die Verfasserin beteiligt haben. Vgl. Günter Oesterle/Harald Tausch (Hg.), Der imaginierte Garten. Göttingen 2001 (Formen der Erinnerung; 9); Harald Tausch (Hg.), Gehäuse der Mnemosyne. Architektur als Schriftform der Erinnerung. Göttingen 2003 (Formen der Erinnerung; 19); Anna Ananieva/Natascha N. Hoefer (Hg.), Der andere Garten. Erinnern und Erfinden in Gärten von Institutionen. Göttingen 2005 (Formen der Erinnerung; 22). 11 Die folgenreichen Veränderungen in der Gartengestaltung stellen jedoch keinen einmaligen Umbruch bzw. Stilwechsel dar, sondern begleiten einen Prozess des Wandels, der mehr als ein Jahrhundert umfasst und nicht linear verläuft. Vgl. Adrian von Buttlar, Der Landschaftsgarten: Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. Köln 1989; John Dixon Hunt, The Picturesque Garden in Europe. London 2002; Arkadij P. Vergunov/Vladislav A. Gorochov, Russkie sady i parki. Moskva 1988; Dies., Vertograd. Sadovo-parkovoe iskusstvo Rossii. 13
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Pluralität in der Gestaltung und subjektive, verzeitlichte Formen in der Wahrnehmung des Gartens durch. Die Gartengestaltung nach 1800 differenziert sich in viele spezialisierte Formen aus, deren äußere Pole der öffentliche Stadtpark und der private Kleingarten bilden. Der Garten scheint jedoch zugleich sein innovatives sozial-ästhetisches Potential einzubüßen. Er wird von der ästhetisch-philosophischen Karriere der Landschaft nach und nach überholt, – einer Begriffsbildung, die sich seit dem Auftauchen als technischer Terminus der Malerei gegen Ende des 17. Jahrhunderts erst im Wechselspiel der drei Naturen im Verlauf des 18. Jahrhunderts etabliert und ihren Höhepunkt in der Auseinandersetzung um den Landschaftsgarten zwischen Malerei, Poesie und Gartenkunst erreicht.12 Darüber hinaus avanciert die Landschaft im Gefolge des Landschaftsgartens zu einer Bezugsgröße moderner Auffassungen der nationalkulturellen Identität.13 Diese Idee der LandMoskva 1996; Erik de Jong, Nature and Art. Dutch Garden and Landscape Architecture, 1650-1740. Philadelphia 2000; Géza Hajós, Romantische Gärten der Aufklärung: Englische Landschaftskultur des 18. Jahrhunderts in und um Wien. Wien u.a. 1989; Dora Wiebenson, The Picturesque Garden in France. New Jersey 1978; Iris Lauterbach, Der französische Garten am Ende des Ancien Régime. Worms 1987; Dieter Hennebo/Alfred Hoffmann, Geschichte der deutschen Gartenkunst. 3 Bde. Hamburg 1962-1965. 12 Vgl. Wolfgang Kehn, Ästhetische Landschaftserfahrung und Landschaftsgestaltung in der Spätaufklärung: Der Beitrag von Christian Cay Lorenz Hirschfelds Gartentheorie, in: Heike Wunderlich (Hg.), „Landschaft“ und Landschaften im 18. Jahrhundert. Heidelberg 1995, S. 1-23; Eckard Lobsien, Landschaft in Texten. Zu Geschichte und Phänomenologie der literarischen Beschreibung. Stuttgart 1981; Manfred Smuda (Hg.), Landschaft. Frankfurt am Main 1986; Günter Herzog, Hubert Robert und das Bild im Garten. Worms 1989; von Buttlar, Der englische Landsitz. – Zur Begriffsgeschichte siehe: Art. Landschaft, in: Ästhetische Grundbegriffe: historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hg. v. Karlheinz Barck. Stuttgart 2001, Bd. 3, S. 617-665; Art. Landschaft, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. v. Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Basel 1980, Bd. 5, S. 11-27; Art. Landšaft, in: Slovar’ russkogo jazyka 18 veka. Sankt-Peterburg 2000, Bd. 11, S. 115. 13 Joachim Ritter, Landschaft, in: Ders., Subjektivität. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft. Frankfurt am Main 1974, S. 141-164; Wilfried Lipp, Natur – Geschichte – Denkmal. Zur Entstehung des Denkmalbewußtseins der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main u.a. 1987; Friedmar Apel, Deutscher Geist und deutsche Landschaft: eine Topographie. München 1998; Helmut J. Schneider, Erinnerte Natur. Einleitende Bemerkungen zur poetischen Geschichte deutscher Landschaft, in: Ders., Deutsche Landschaft. Frankfurt am Main 1981, S. V-XXII; Albrecht Koschorke, Die Geschichte des Horizonts. Grenze und Grenzüberschreitung in literarischen Landschaftsbildern. Frankfurt am Main 1990. – Trotzdem blendet die neueste Untersuchung zum Thema „Landschaft in Russland“ den ästhetischen und gartentheoretischen Zusammenhang bei der Herausbildung des Landschaftsbegriffs aus: Christopher Ely, This Meager Nature. Landscape and National Identity in Imperial Russia. De Kalb 2002. 14
Einleitung
schaft, in der sich Natur, Geschichte und Subjekt zu einer identitätsstiftenden Grundlage der Nation bündeln, gehört bis heute zu dem Arsenal der kulturpolitischen Rede. In der Zeitspanne, in der sich der von den Zeitgenossen als „schöne Revolution“ (Hirschfeld)14 empfundene Aufstieg und der stille Abklang der Idee des Landschaftsgartens vollzogen hat, ist die vorliegende Untersuchung angesiedelt. Die Arbeit widmet sich den spezifischen Antworten des Gartendiskurses in Russland auf die Herausforderung der Modernisierung und geht der Frage nach, inwiefern Theorie und Praxis der Gartengestaltung zu einem Medium werden, in dem Veränderungen sozialgeschichtlicher, politischer und ästhetischer Art formuliert, diskutiert, umgesetzt oder verworfen werden.
1. Gartengestaltung im Russland des 18. Jahrhunderts im Fokus der kulturellen Dynamik Welche Gärten werden in Russland im Verlauf des 18. Jahrhunderts gebaut? Welche Wissensbestände werden im Gartendiskurs und im Rekurs auf ihn herausgebildet und kommuniziert? Die Untersuchung geht diesen Fragen nach und hat realisierte Gartenprojekte im Blick, wobei ihre Aufmerksamkeit materialiter auf Darstellungen des Gartens in deskriptiven, narrativen oder poetischen Texten gerichtet ist.15 Die Tatsache, dass ein Garten nicht ausschließlich in einer räumlichen Verfasstheit Gestalt annimmt, sondern neben den sprachlichen auch in anderen Medien externalisiert wird, erfordert einen reflexiven Umgang mit seinen Repräsentationsformen und deren materieller Beschaffenheit; zumal die zeitgenössische Diskussion im Verlauf des 18. Jahrhunderts sich gerade aus dem Bewusstsein der medialen Ähnlichkeiten
14 Hirschfeld, Kleine Gartenbibliothek. Kiel 1790, Bd. I, S. V-VII. Siehe dazu: Wolfgang Kehn, Die Gartenkunst der deutschen Spätaufklärung als Problem der Geistes- und Literaturgeschichte, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 10 (1985), S. 195-224. – Ausführlicher zu den historischen Hintergründen der Revolutionssemantik im Zusammenhang mit der Verbreitung des Landschaftsgartens vgl. die Dissertationsschrift: AnaStanca Tabarasi, Der Landschaftsgarten als Lebensmodell: Zur Symbolik der „Gartenrevolution“ in Europa. Würzburg 2007. 15 Der Schwerpunkt auf den textuellen Quellen ergibt sich aus dem medialen Vorteil der sprachlichen Mittel, der in einem beschreibenden Sachverhalt auf der Ebene des Dargestellten einerseits und einer Reflexion im Medium des literarischen Diskurses andererseits gesehen wird. – Vgl. im Zusammenhang mit der Forderung nach der konsequenten Berücksichtigung der gartenbezogenen Textquellen den Begriff „Gartenliteratur“, den Wolfgang Kehn eingeführt hat (Kehn, Die Gartenkunst der deutschen Spätaufklärung, S. 196f.). Zur Ausdifferenzierung des Begriffs und seiner diskursanalytischen Verankerung siehe Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 4-6. 15
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und Differenzen entwickelt.16 In exemplarischen Analysen der Gartenanlagen werden daher andere mediale Formen herangezogen: so nehmen die Bildmedien zuweilen eine zentrale Stelle ein, besonders dann, wenn die Aufmerksamkeit der historischen Akteure dem Wechselspiel zwischen der räumlichen und ikonotextuellen Gartengestaltung gilt. Hier werden verstärkt die historischen Konstellationen unter die Lupe genommen, die die jeweilige Konkurrenz bzw. das Zusammenwirken zwischen Malerei, Literatur und Gartenkunst programmatisch thematisieren.17 Die interdisziplinäre Vorgehensweise, die auf Kernkompetenzen der Literatur-, Kunst- und Geschichtswissenschaften zurückgreift, bildet die Bedingungen für den analytischen Blick auf die in unterschiedlichen Wissensbereichen verstreuten, historischen Aussagen über den Garten.18 Das Spektrum 16 Das Problem medialer Konkurrenz verdichtet sich in dem Begriff „Paragone“, der für den Wettstreit der Künste in der Neuzeit steht. Vgl. Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier, hg. v. Ekkehard Mai u. Kurt Wettengl. Ausst.-Kat. Haus der Kunst München und Wallraf-Richartz-Museum Köln. Wolfratshausen 2002. – Zu der Erweiterung des Paragone auf den Wettstreit der Medien vgl. Konzept der Tagung „Gedächtnisparagone – Intermediale Konstellationen“ des Sonderforschungsbereichs „Erinnerungs-kulturen“ an der JLU Gießen im Juli 2007. 17 Längere Zeit galt das Interesse der Forschung der Verbindung zwischen Gartenkunst und Malerei, die zum Gegenstand zahlreicher ikonologischer und stilgeschichlicher Untersuchungen geworden ist. Dieser vorwiegend kunstgeschichtliche Zugriff bleibt bis heute ein beliebtes Modell für zahlreiche Ausstellungen über die Gartenkunst (zuletzt: Gärten: Ordnung, Inspiration, Glück, hg. v. Sabine Schulze. Ausst.-Kat. Städel Museum. Ostfildern 2007). Die Bedeutung der Literatur als Quelle und Medium der Gartengestaltung hat lange Zeit im Hintergrund gestanden. Die ersten Versuche, dieses Desiderat programmatisch aufzuarbeiten, stammen von Literaturwissenschaftlern; siehe: John Dixon Hunt, The Figur in the Landscape: Poetry, Painting and Gardening during the Eighteenth Century. Baltimore u.a. 1976; Siegmar Gerndt, Idealisierte Natur: Die literarische Kontroverse um den Landschaftsgarten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland. Stuttgart 1981; Kehn, Die Gartenkunst der deutschen Spätaufklärung, S. 195-224. In der germanistischen Literaturwissenschaft besteht inzwischen Konsens über die notwendige Berücksichtung komplexer Medienverhältnisse und ihrer sozialhistorischen Zusammenhänge für die Entwicklung der Landschaftsgartenästhetik des 18. Jahrhunderts, vgl. die bereits erwähnten Monografien von Gamper und Tausch. 18 Die Untersuchung distanziert sich in der Folge von der textuellen Metapher der Kultur, die aus der Sicht der Fragestellungen der Arbeit deswegen als problematisch erscheint, weil sie erstens eine immanente Ganzheit suggeriert und zweitens eine Nivellierung kultureller Objektivationen, wie Garten und Literatur, in ihrer materiellen Beschaffenheit impliziert. An Stelle der Idee der Kultur als Text macht sich die vorliegende Arbeit das Konzept des Wissens und des Gedächtnisses zu Nutze. Der Vorteil dieses Konzepts liegt in der Vorstellung von offenen, dispersen Konstellationen, die erst in einer fach- bzw. disziplinübergeifenden Rekonstruktion ihre historisch fassbare Gestalt annehmen (im Gegensatz zu textwissenschaftlichen Kompetenzen einer hermeneutischen Deutung 16
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reicht von Reisebeschreibungen bis zu ästhetischen, philosophischen und ökonomischen Abhandlungen, von Traktaten über praktische Gestaltung und Bepflanzung von Gärten bis zu fiktionalen wie konkreten Gartenbeschreibungen und bildlichen Darstellungen, von Schilderungen alltagskultureller Praktiken bis zu Festchoreografien. Eine disziplinübergreifende Analyse entspricht dem historischen Diskurs über den Garten, der in einer disziplinären Einengung auf eine Fachabteilung innerhalb der Architekturgeschichte nicht aufgehen kann. Als Konsequenz daraus, dass im Rahmen der Gartengestaltung des 18. Jahrhunderts die vormodernen bzw. die sich herausbildenden modernen Formen der Wissensordnungen gerade verhandelt werden, sind die Grenzen und die Gegenstände der spezialisierten Fachwissenschaften zu hinterfragen, die sich in Folge der limitischen Ordnungen des 19. Jahrhunderts etabliert haben. Die Fokussierung auf die unterschiedlichen Repräsentationsformen des Gartendiskurses macht auf die Vernetzungen der Wissensbestände aufmerksam und erlaubt schließlich, Aussagen über die jeweiligen Transformationen innerhalb des kulturell geteilten Wissens zu treffen. Auf Grund dieser Prämisse rekonstruiert die Untersuchung das gartenspezifische Wissen, wie es in seinem Verhältnis zu den angrenzenden Diskursen, insbesondere der Ästhetik, der Ökonomie und der Politik, hervorgebracht, formuliert und tradiert wird.19
der Texte). Wissensbereiche existieren in einer gewissen Verstreuung; sie nehmen Gestalt in bestimmten medialen Ausformungen an, sie werden kommuniziert, gespeichert aktualisiert oder vergessen und bestimmen so die Arbeit des kollektiven Gedächtnisses. 19 Einen ausführlichen Forschungsbericht über die Publikationen zur russischen Gartengeschichte der Neuzeit habe ich bereits an einer anderen Stelle veröffentlicht: Sady i teksty. Obzor novych issledovanij o sadovo-parkovom iskusstve v Rossii (zus. mit Aleksandra Ju. Veselova), in: Novoe literaturnoe obozrenie 75 (2005), S. 348-375. Der dort vorgenommene Überblick über die internationale Forschungslandschaft ist zugespitzt: 1) auf die Frage nach der medialen Verfasstheit des Untersuchungsobjekts „Garten“, die dem jeweiligen Forschungsblick zu Grunde gelegt wird; und 2) auf die fachspezifischen Kompetenzen und Desiderate in Hinblick auf eine adäquate wissenschaftliche Darstellung der Gartengestaltung im Russland des 18. Jahrhunderts. In diese Publikation sind neben meinen eigenen Forschungsergebnissen auch die Vorarbeiten von Aleksandra Veselova eingegangen, die über literaturkritische und gartentheoretische Schriften Andrej Bolotovs promoviert hat: Aleksandra Ju. Veselova, Ėstetika A.T. Bolotova (literaturnaja kritika i sadovo-parkovoe iskusstvo). Diss. kand. filolog. nauk. Sankt-Peterburg 2000. Neben den bereits erwähnten Gesamtdarstellungen der Geschichte der russischen Gartenkunst von Kurbatov (1916) und Vergunov/Gorochov (1996) müssen an dieser Stelle die Monografie von Tat’jana Dubjago zu dem regulären Gartenbaustil in Russland (1963) und die „Poėzija sadov“ von Dmitrij Lichačëv (1982) als immer noch grundlegende Forschungsarbeiten hervorgehoben werden: Tat’jana B. Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki. Leningrad 1963; Dmitrij S. Lichačëv, Poėzija sadov. K semantike sadovo-parkovych stilej. Sad 17
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Das lange 18. Jahrhundert als der Rahmen der Untersuchung greift die äußeren zeitlichen Koinzidenzen mit der Entwicklung des Landschaftsgartendiskurses auf, die sich auffälligerweise mit tiefgreifenden kulturhistorischen Zäsuren überschneiden. Zum einen ist es das im ausgehenden 17. Jahrhundert aufkommende Konzept der tugendhaften Kultivierung im Prozess der stetigen Veränderung zum Besseren, für das der Garten Modell steht, und das kulturpolitische Programm der Erneuerung Russlands, das sich in die Rhetorik der Rückkehr in die europäische Gemeinschaft kleidet und sich der Logik des „Vorbrechens“ und der Integration bedient. Zum anderen geht es
kak tekst. Leningrad 1982 (2. Auflage: Sankt-Peterburg 1991; 3. Auflage: Moskva 1998). Dem Buch Lichačëvs gebührt das Verdienst, einen entscheidenden Anstoß für die Wiederentdeckung der Gartenkunst in den russischen Geisteswissenschaften gegeben zu haben. Der in den Untertitel seiner Publikation aufgenommene Themenkomplex „Garten als Text“ hat den die Kunstgeschichte als Disziplin übergreifenden Charakter der Gartengestaltung stark gemacht und für eine darauffolgende Neufokussierung der Gartenforschung gesorgt. Der methodische Zugriff Lichačëvs bewegt sich zwar innerhalb einer vergleichenden Stilgeschichte, die interdisziplinären Fragestellungen und die Gesamtheit der von ihm präsentierten historischen Zusammenhänge haben aber zur Erneuerung innerhalb der semiotischen Forschungslandschaft in Russland beigetragen, die zu dem Zeitpunk der Bucherscheinung zu stagnieren begann. Vgl. Tat’jana V. Civ’jan, Verg. Georg. IV, 116 - 48: K mifologeme sada, in: Tekst: semantika i struktura. Moskva 1983, S. 140-152; Jurij M. Lotman, „Sady“ Delilja v perevode Voejkova i ich mesto v russkoj literature, in: Žak Delil’ [Jacques Delille], Sady, hg. v. N.A. Žirmunskaja. Leningrad 1988, S. 191-209 (Literaturnye pamjatniki); Elena A. Pogosjan, Sad kak političeskij simvol u Lomonosova, in: Trudy po znakovym sistemam 24 (1992), S. 44-57. Der Beliebtheit, die das Thema Garten in den letzten Jahrzehnten in Russland genießt, kann man nur wenige nichtrussische Untersuchungen entgegensetzen. „Von den russischen Parks und Gärten sind hierzulande immer noch nur wenige bekannt. […] Sprach- und auch politische Barrieren machen die grenzüberschreitende Forschung weiterhin nicht leicht.“ – So leitet 2006 Clemens Alexander Wimmer, der verdienstvolle Gartenhistoriker und Herausgeber der Zeitschrift „Zandera“ eine lobende Rezension des kurz zuvor erschienenen Buchs von Peter Hayden ein. (Vgl. Die Gartenkunst 18/2 (2006), S. 443-444; Peter Hayden, Russian Parks and Gardens. London 2005). Tatsächlich ist die Monografie des britischen Osteuropahistorikers erst die zweite Publikation mit dem Anspruch einer umfassenden Darstellung nach der Studie der dänischen Kunsthistorikerin Margrethe Floryan (Gardens of the Tzars: A Study of the Aesthetics, Semantics and Uses of Late 18th Century Russian Gardens. Aarhus 1996). Neues Archivmaterial zu den Anfängen des Landschaftsgartens in Russland hat im Rahmen seiner Dissertation Marcus Köhler erschlossen (Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland. Johann Busch als Mentor eines neuen Stils. Berlin 2003). Siehe auch die neuste, im Herbst 2007 erschienene Monografie des Londoner Slawisten Andreas Schönle, The Ruler in the Garden: Politics and Landscape Design in Imperial Russia. Frankfurt am Main u.a. 2007. 18
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um die Durchsetzung der ästhetischen Forderung der Autonomie als Rückkehr zum natürlichen Ursprung, die den kulturmodellbildenden Charakter der Gartengestaltung am Anfang des 19. Jahrhunderts in Frage stellt und sich auf der kulturpolitischen Ebene durch eine ebenfalls programmatische Erfindung des Nationalen, von rhetorischen Abgrenzungsbemühungen begleitet, auszeichnet. Die für die vorliegende Arbeit gewählte Bezeichnung des Untersuchungszeitraums erfolgt hier in Analogie bzw. in Auseinandersetzung mit der Vorstellung von einem „langen 19. Jahrhundert“, das bekanntlich als ein historischer Zeitabschnitt definiert wird, den chronologisch die politischen Umbrüche der Französischen Revolution einerseits und des Ersten Weltkriegs andererseits flankieren und der sich aus epistemischer Sicht durch eine umfassende Etablierung der Prämissen der klassischen Moderne (wie bürgerliche Gesellschaft, Nationalstaatlichkeit, industrielle Produktionsverhältnisse, Autonomie der Kunst, technische und intellektuelle Rationalisierung, Innovations- und Fortschrittsdenken usw.) auszeichnet.20 Das „lange 18. Jahrhundert“ steht dagegen für die vielfältigen Prozesse, die die Denkfiguren und Modelle des eigentlichen Neuen, das später als „Moderne“ diskursfähig geworden ist, entwerfen und entwickeln, sowie verhandeln, verwerfen oder zunehmend durchsetzen lassen. Zu den epochebildenden Charakterzügen dieses „langen“ Zeitabschnitts zählt somit seine markante Beschaffenheit als „Laboratorium“, in dem an den Grundsätzen künftiger verbindlicher Modelle gearbeitet wird. Vor diesem Hintergrund kommt es bei dem vorgeschlagenen Definitionsversuch weniger darauf an, ein einheitliches Epochenverständnis und seine Kohärenzen bzw. Teleologien hervorzuheben, sondern vielmehr die dynamischen und z.T. divergierenden Entwicklungsvorgänge des Zeitabschnitts zu betonen. Damit soll, erstens, die pluralistische Gedankenfigur der vielen „Anfänge der Moderne“, die im Verlauf des langen 18. Jahrhunderts bereitgestellt worden sind und die sich in späteren Jahrzehnten unterschiedlich erfolgreich durchgesetzt haben, programmatisch akzentuiert werden. Zweitens erlaubt die Verwendung dieser Zeitabschnittbezeichnung, eine kritische Distanz zu den gängigen Epochenbegriffen wie „Aufklärung“, „Barock“, „Empfindsamkeit“, „Klassizismus“ usw. aufzubauen und einen problematisierenden Gebrauch deutlich zu signalisieren. Im Zusammenhang mit dem interkulturellen Forschungsinteresse und den fachübergreifenden Fragestellungen der vorliegenden Arbeit stellt diese Zeitabschnittbezeichnung also auch einen pragmatischen Ausweg aus der begriffsdefinitorischen Problemlage dar. Drittens werden mit der Fokussierung auf ein langes 18. Jahrhundert die Möglichkeiten eines alternativen Koordinatensystems ausgelotet, das ein dynamisches Feld der Entstehung des Neuen abzustecken vermag und die gängigen inhaltlichen Festlegungen und Zäsuren nicht nur in Frage stellt oder einfach negiert, sondern vorrangig zu produktiven Differenzierungen 20 Vgl. Jürgen Kocka, Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft. 10. Aufl. Stuttgart 2002 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte; Bd. 13). 19
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und Präzisierungen der historischen Phänomene beiträgt, indem es auf Überschneidungen, auf Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, auf Heterogenität statt auf homogene, wertsetzende Beschreibungen programmatisch hinweist. In Hinblick auf die Ereignisgeschichte Russlands in ihrem gesamteuropäischen Kontext markieren die Jahresdaten 1682 und 1815 die äußeren chronologischen Pole des dynamischen Kraftfeldes des langen 18. Jahrhunderts. Dabei steht am Anfang das Jahr 1682 für die Ernennung des künftigen Peter I. zum russischen Zaren sowie für den kurz darauf erfolgten ersten Strelitzenaufstand in Moskau, der den Widerstand militärischer Eliten gegen die neue innenpolitische Machtverteilung zum Ausdruck bringt. Den Schluss des Zeitabschnitts markiert das Jahr 1815, in dem die Napoleonischen Kriege nach dem gescheiterten Russlandfeldzug der französischen Armee und dem Einmarsch des russischen Heeres und der Koalitionseinheiten in Paris beendet werden. Mit beiden militärischen Ereignissen sind die Namen der politischen Persönlichkeiten Russlands verknüpft, deren Regierungszeit erstens sich durch einen auffallenden Schwellen- bzw. Zäsurcharakter auszeichnet und zweitens die nachhaltige Auswirkung russischer innenpolitischer Ereignisse für gesamteuropäische politische Landschaft demonstriert. In der sogenannten petrinischen Epoche wird die in dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts angestoßene Reformierung des Landes kompromisslos umgesetzt. Mit den sozialpolitischen und kulturellen Modernisierungsmaßnamen, die von den späteren Historiografen als Prozess der „Europäisierung“ Russlands bezeichnet werden, gehen u.a. einher: die neue offensive Migrationspolitik, die innenpolitisch die etablierte Ordnung der sozialen Eliten beeinflusst, und die territoriale Ausdehnung nach Westen, die die Annexion der baltischen Gebiete mit entsprechenden deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen zur Folge hat. Insbesondere die Erfolge Russlands in den Nordischen Kriegen verändern schließlich die alten politischen Kräfteverhältnisse in Europa. Eine Neuordnung unter den europäischen Mächten tritt ebenfalls in Folge der Niederlage Napoleons ein, wobei die „Befreiung“ Europas unter der militärpolitischen Federführung des russischen Zaren Alexander I. die neuen restaurativen Tendenzen einleitet. Bleibt man im Bereich der personen- und ereignisorientierten Zäsursetzungen, so stechen die Jahre 1682 und 1815 auch aus literaturhistorischer Sicht besonders hervor: das erste Datum steht in Verbindung mit Simeon Polockij und seiner Gedichtsammlung „Vertograd mnogocvetnyj“, das zweite markiert den Beginn des literarischen Aufstiegs Aleksandr Puškins mit dem Gedicht „Vospominanija v Carskom Sele“. Beide Texte stehen als kulturhistorische Ereignisse, die die jeweilige Vorstellung vom Garten im Medienwechsel von einem imaginierten und gestalteten zu einem literarischen Raum vermitteln, im Zentrum der jeweiligen Kapitel zu Beginn der Teile I und II der vorliegenden Arbeit. Über die gartendiskursive Bedeutung hinaus, bringen die beiden herausragenden Figuren der russischen Literaturgeschichte einige der entscheidenden Veränderungen zum Vorschein, die in Folge der voranschreitenden Literarisierung den Literaturbetrieb in die Moderne füh-
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ren und im 19. Jahrhundert nachhaltig prägen, und zwar in sozialer wie medialer Hinsicht. Es handelt sich zum einen um die soziokulturelle Entwicklung vom Dichter als einem gelehrten Mönch am Hof hin zu einem Berufsschriftsteller, dessen finanzielle Existenz vom Büchermarkt abhängig ist. Zum anderen geht es um den medienhistorischen Wechsel vom exklusiven Typus des Handschriftenbuchs zur Veröffentlichung in periodisch erscheinenden Druckmedien. Diese Form der literarischen Publikation ist nun an einen potenziell offenen und anonymen Leserkreis statt an einen exklusiven Kreis der Machtelite adressiert. In den kulturellen Formationen des Russlands des langen 18. Jahrhunderts angesiedelt, behält die Untersuchung einen größeren Bezugsrahmen zu der gesamteuropäischen Diskussion im Blick und fokussiert sich zugleich auf die Wechselverbindungen mit dem deutschsprachigen Kulturraum. In Hinblick auf letzteren lässt sich für diesen Zeitabschnitt eine historisch begründete Kontinuität ausmachen: es existieren reale bilaterale Grenzen zwischen den Staaten, die zeitweilig zum Gegenstand kriegerischer Auseinandersetzungen werden; die multiethnische Beschaffenheit und die Migrationpolitik des Landes sorgen dafür, dass die deutschstämmigen Bevölkerungsanteile in der russischen Gesellschaft präsent bleiben; die meist nicht unproblematische Dynamik der inner- wie interkulturellen Beziehungen zwischen Institutionen und Personen beeinflussen außerdem die dynastischen Verbindungen zwischen den russischen Machtinhabern und den deutschen Fürstenhäusern.21 Was die Kontakte zu den anderen europäischen Kulturräumen angeht, so lassen sich hier bei ihrer ständigen Präsenz in den kulturellen Formationen Russlands jeweilige, unterschiedlich intensive bzw. nachhaltige Konjunkturen ausmachen. Diesen geht die Arbeit anhand von exemplarischen Analysen nach und erhellt die Alteritätenkomplexe innerhalb des Gartendiskurses in Hinblick auf beteiligte Personengruppen, bevorzugte Medien und hervorgebrachte Sinnstiftungen. Die Entwicklungen innerhalb des Gartendiskurses werden unter zwei spezifischen Aspekten verfolgt: in medialer Hinsicht geht es um die Wechselbeziehungen zwischen räumlicher Gartengestaltung und textueller Darstellung, und in sozialer Hinsicht werden die Beziehungen zu den nichtrussischen, vor allem deutschsprachigen Kulturräumen untersucht. Die Bewegungen zwischen heterogenen Elementen stehen damit im Mittelpunkt der Untersuchung. Die damit einhergehende Dynamik der Bedeutungsproduktion, die sich zwischen Vergegenwärtigen, Selektieren und Konstruieren ab21 Stellvertretend für zahlreiche Studien sei hier auf das mehrbändige Projekt unter der Leitung von Lew Kopelew hingewiesen: West-östliche Spiegelungen. Russen und Russland aus deutscher Sicht und Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht von den Anfängen bis zum 20. Jahrhundert, hg. v. Mechthild Keller und Lew Kopelew. München 1986-2006. – Weiterführende Literaturangaben zu der Erforschung der deutschsprachigen Bevölkerung im Russland des 18. und 19. Jahrhunderts sind im Kapitel „Erfindung des ‚Russischen‘“ des Teils I der vorliegenden Arbeit enthalten. 21
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spielt, betrifft dabei sowohl die Bestände der kollektiv relevanten Wissensvorräte, als auch das Angebot der identitätsstiftenden Entwürfe eines kollektiven Gedächtnisses. Das Ziel dabei ist, den einzelnen Prozessen der Hervorbringung von Bedeutungen nachzugehen, ihre Reformulierungen zu verfolgen und Bedingungen für die Generierung und Archivierung des Wissens über den Garten zu analysieren. Auf die notwendige Akzentverschiebung von den Mechanismen der sozialen Interaktionen auf die Prozesse der Signifikation, die sie hervorrufen, hat am Ende der 1980er die Pariser Forschergruppe um Michel Espagne und Michael Werner aufmerksam gemacht. Mit dem Begriff Transfer haben sie nicht nur die Rezeptionsseite innerhalb der interkulturellen Kommunikation akzentuiert, sondern auch auf die innerkulturelle Beschaffenheit der jeweiligen Formation hingewiesen, die sich durch eigene Dynamik der permanenten Selbstdefinition auszeichnet und kulturelle Bestände immer wieder neu festlegt.22 Der Analyse solcher umfassenden Transfers, also der interkulturellen Bewegungen der Personen, der Sachen und der Bedeutungen, liegt die Prämisse einer heterogenen und daher dynamischen Verfasstheit der Kulturen zu Grunde. Im Rückgriff darauf wird auch der Begriff der Interkulturalität, der dieser Untersuchung zugrunde liegt, selbst insofern transformiert, als er nicht mehr die Begegnungen zwischen zwei kulturellen Formationen privilegiert, wie es in der traditionellen Beziehungsforschung der Fall ist. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung befinden sich daher nicht die Überschreitungen bilateraler topografischer Grenzen als solche; der analytische Blick richtet sich von der intendierten Distanz zwischen dem Eigenen und dem Fremden 22 Siehe zu dem Pariser Forschungsprojekt: Michel Espagne/Michael Werner. Deutsch-französischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert, in: Francia 13 (1987), S. 502-510; Michel Espagne/Michael Werner, Deutsch-französischer Kulturtransfer als Forschungsgegenstand. Eine Problemskizze, in: Dies. (Hg.): Transferts. Les relations interculturelles dans l´ espace franco-allemand. Paris 1988, S. 11-34. – Die Transferforschung hat mehrere Modelle der transnationalen Kommunikation mit pluralen Bezugshorizonten an historischen Beispielen erarbeitet. Die ursprünglich in erster Linie auf die Ausarbeitung eines deutschfranzösischen Transfermodells bezogene Forschung hat sich im Verlauf ihrer Anwendung auf konkrete Untersuchungsgegenstände fortlaufend weiterentwickelt. Den ersten Schritt bei der Erweiterung des Schemas hin zu multilateralen Transferkonstellationen wurde das deutsch-russisch-französische Dreieck unter die Lupe genommen. Vgl. Michel Espagne/Katia Dmitrieva (Hg.), Transferts culturels triangulaires France-Allemagne-Russie. Paris 1996 (Philologiques; IV); Ekaterina Dmitrieva/Mišel’ Ėspan’ [Michel Espagne] (Hg.), Iskusstvo versus literatura. Francija – Rossija – Germanija na rubeže XIX-XX vekov. Moskva 2006. – Das Anliegen der vorliegenden Untersuchung knüpft an die zentrale Prämisse der Transferanalyse an, die zeitliche Dimension und damit den Prozesscharakter der Kultur in den Vordergrund zu stellen. Für die Belange der Untersuchung ist eine Erweiterung in kultursemiotischer und gedächtnistheoretischer Hinsicht vorgenommen worden. Siehe dazu das Kapitel „Methodische Standortbestimmung“ in Teil I der vorliegenden Arbeit. 22
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auf ihre Nähe.23 In einer kulturwissenschaftlichen Aktualisierung sprachtheoretischer Überlegungen Michail Bachtins bedeutet das, die Aufmerksamkeit von der Figur des Dialogs der Kulturen auf die der kulturellen Polyphonie zu lenken und damit die Verfasstheit eines Kulturraums als heterogenen, hybriden, interkulturellen Zustand vorauszusetzen.24 Auf diese Weise wird dem Gartendiskurs nicht nur als einer plurimedialen, sondern auch einer transnationalen Herausforderung Rechnung getragen. Denn die Auseinandersetzung um die regelmäßige („französische“) und naturnahe („englische“) Gartengestaltung stellt ein Phänomen dar, das sich in der zeitgenössischen Diskussion des 18. Jahrhunderts durch die Tiefendimension interkultureller Bezüge auszeichnet und sich nicht nur auf die europäischen Regionen eingrenzen lässt, bedenkt man etwa seine Auswirkungen in Nordamerika oder Referenzen auf China und zu der Türkei. Erst rückwir23 Vorliegende Untersuchung macht sich eine Auffassung der Interkulturalität zu eigen, die von Reinhold Görling wie folgt problematisiert worden ist: „Interkulturalität [ist] keine Sache der Begegnung zwischen zwei Einheiten mehr, sie ist nicht mehr etwas, das in territorialen Konzepten des Drinnen und Draußen gedacht werden kann. […] Ist man also auch in einer Kultur immer zwischen den Kulturen, und ist der Andere immer auch dort, wo ich bin, so bekommt beides eine besondere Dynamik, wenn dieses gewissermaßen intrakulturelle Verhältnis der Interkulturalität als ein äußeres figuriert und gelebt wird. Rassismus und Kolonialismus, Migration, Vertreibung und Exil: das alles sind Verhältnisse der Interkulturalität, in denen die Topographien des Innen und Außen oder des Eigenen und des Fremden nicht oder viel schwieriger aufrechterhalten werden können als in den vergleichsweise privilegierten Bewegungen des Reisens und Eroberns.“ Reinhold Görling, A Hot Thing, Über die Nähe des Anderen, in: Stefan Rieger/Schamma Schahadat/Manfred Weinberg (Hg.), Interkulturalität zwischen Inszenierung und Archiv. Tübingen 1999, S. 269-284 (Literatur und Anthropologie; 6), hier S. 271, S. 275. 24 Mit dem expliziten Bezug auf Michail M. Bachtin (Das Problem des Textes in der Linguistik, in: Poetica 22 (1990), S. 436-487) arbeiten neuere Kulturtheorien (vgl. Michael Hardt/Antonio Negri, Multitude. Krieg und Demokratie im Empire. Frankfurt am Main 2004, besonders S. 234-238). Der Begriff der Hybridisierung im Anschluss an Bachtin findet vor allem im Zusammenhang mit postcolonial studies erfolgreiche Anwendung. Maßgebend dafür sind die Arbeiten von Edward Said und Homi Bhabha (vgl. Christof Hamann/Cornelia Sieber (Hg.), Räume der Hybridität. Postkoloniale Konzepte in Theorie und Literatur. Hildesheim 2002). Produktive Kritik aus der kulturhistorischen Sicht hat Burke formuliert: Peter Burke, Kultureller Austausch. Frankfurt am Main 2000, S. 2123. – Zu sprachorientierten Überlegungen zur Alterität im Anschluss an Jacques Derrida, die von der latenten Präsenz des Anderen in dem Eigenen ausgehen, siehe: Anselm Haverkamp (Hg.), Die Sprache des Anderen. Übersetzungspolitik zwischen den Kulturen. Frankfurt am Main 1997. – Vgl. hier auch die Ansätze der kulturwissenschaftlichen Xenologie im gleichnamigen Kapitel bei: Alois Wierlacher/Corinna Albrecht, in: Ansgar Nünning/Vera Nünning (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften: theoretische Grundlagen - Ansätze - Perspektiven. Stuttgart u.a. 2003, S. 280-306. 23
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kend, durch das Prisma des Wettstreits der vielen untereinander konkurrierenden „Großen Nationen“ im Europa des 19. Jahrhunderts betrachtet, suggerieren die Bezeichnungen der beiden Gartentypen, des englischen und des französischen, deren Opposition einen ästhetischen Paradigmenwechsel zum Ausdruck bringt, eine nationalkulturelle Zugehörigkeit. In den Kategorien der nationalen Kulturgeschichtsschreibung gedacht, werden insbesondere die Gartenkünste, die diese Arbeit im Blick hat, – die russische und die deutsche – in den späteren Abhandlungen zur Gartenkunstgeschichte mit dem meist abwertend gemeinten Etikett der Nachträglichkeit und der Nachahmung gegenüber den beiden dominierenden englischen und französischen versehen.25 25 Exemplarisch dafür ist die Darstellung bei Clifford, der in seiner „Geschichte der Gartenkunst“, die inzwischen zu den Standardwerken der Gartenkunstgeschichte zählt, den „Gärten in Rußland“ ein eigenes Kapitel widmet. Dieses ist jedoch keine ganze Seite lang und bringt eine Absage an die eigenständige Gartenkunst in Russland zum Ausdruck: „Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts war der Lebensstil der russischen Menschen noch keineswegs verfeinert, seine Kultur fußte auf der von Byzanz. […] Kultivierte Gartenkunst dürfte in Rußland zum ersten Male durch Peter den Großen nach seiner Rückkehr aus dem westlichen Europa – Österreich, Preußen, Holland und England – aufgetreten sein. Peter der Große, oberflächlich von westlicher Kultur berührt, baute 1715 die große Anlage von Peterhof, für die [J.B.] Alexandre Le Blond – dessen Werk „Theorie et pratique du jardinage“ die Doktrin der französischen Schule bewahrt – einen schönen Garten anlegte, der in jüngster Zeit mit seinem Reichtum an Wasserspielen und seiner Fülle vergoldeter Figuren eine glanzvolle Auferstehung erlebte. […] Trotz dieses erfolgversprechenden Ansatzes war die Gesellschaft des alten Rußlands, wenn sie nicht alles Fremde haßte, fremdenfeindlich genug, um nicht sogleich jeder neuen Mode zu folgen. Man lernte den französischen Stil allzu spät kennen, um eine russische Abwandlung zu entwickeln, denn als Peter der Große 1725 starb, kündigte sich bereits die Mode der englischen Gärten an.“ Derek Clifford, Geschichte der Gartenkunst von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, hg. v. Heinz Biehn. München 1966, S. 250. Auch der Herausgeber der deutschen Ausgabe, der damalige Direktor der hessischen Schlösser und Gärten, muss im Vorwort zugeben: „dem englischen Verfasser hat naturgemäß der ‚Englische Garten‘, – eine originale Hochleistung englischen Kunstschaffens, – als letzter Höhepunkt der europäischen Entwicklung vor Augen gestanden.“ Deswegen komme die deutsche Gartenkunst in der englischen Darstellung zu kurz, was den Herausgeber des Werks dazu veranlasst, das Buch mit dem Einverständnis des englischen Autors durch die entsprechenden Kapitel zu vervollständigen, obwohl, wie er schreibt: „Einen ‚Deutschen Garten‘ […] hat es nun tatsächlich nicht gegeben. Denn für den deutschen Garten ist charakteristisch, dass seine Schöpfer zu allen Zeiten begierig die Anregungen aus allen Himmelsrichtungen aufgegriffen haben, um sie dann mit erstaunlicher Freiheit und Phantasie zu verarbeiten [.]“ (Ebd., S. 7). – Auffällig ist insgesamt, dass in Bezug auf die russische Gartenkunst ihre „Vergangenheit“ – das 18. Jahrhundert – kompromittiert ist, weil sie in Verbindung mit der Europäisierungsthese eine pejorative Bedeutung der Nachahmung erhält; aus der Sicht der deutschen Gartengestaltung stellt dagegen ihre Weiterentwicklung nach 1900 durch die faschistische Vereinnahmung des National24
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Die in der Gartenkunstforschung verbreitete Denkfigur des allgemeinen Vergleichs vermeintlich nationaler Gartenkünste ist jedoch selbst in einen Innovations- bzw. Originalitätsdiskurs eingebettet, der gerade in dem Zeitraum der „schönen Revolution“ seine vertraute, nationalkulturelle Gestalt annimmt und im gesamteuropäischen Prozess der distinkten Konturierung von modernen Identitäts-, Sprach- und Subjektkonzepten im Verlauf des 18. Jahrhunderts eingebunden ist. Ein kritischer Blick aus kulturhistorischer Perspektive macht deutlich, dass auf diese Weise die europäische Gartenkunst des gesamten 18. Jahrhunderts auf der Folie der Originalitätsforderungen nationaler Provenienz bewertet wird, wie sie erst nach 1800 konsequent umgesetzt worden sind. Auf die paradoxe Situation zwischen dem supranationalen Wertehorizont der Idee des Landschaftsgartens und dem daraus entwickelten Bewusstsein für das charakteristisch Nationale hat erstmals Adrian von Buttlar ausdrücklich hingewiesen. In seiner Studie ist Buttlar systematisch der Frage nachgegangen, wie das Nationale in dem neuen Stil des Landschaftsgartens überhaupt thematisiert werden konnte.26 stils ein Problem dar. Vgl. auch im größeren soziohistorischen Zusammenhang des Modernisierungsproblems die „Sonderweg“-Debatte, die in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert in der neueren deutsch-russischen vergleichenden Geschichte geführt wird: Leonid Luks/ Donald O’Sullivan (Hg.), Zwei „Sonderwege“ im Vergleich. Köln u.a. 2001. 26 Buttlar, „Das ‚Nationale‘ als Thema der Gartenkunst des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts“, in: Zum Naturbegriff der Gegenwart: Kongressdokumentation zum Projekt „Natur im Kopf“. Stuttgart 1994, Bd. 1, S. 327-350. Der Neuabdruck dieses Aufsatzes führt die Beiträge des Sammelbandes „Gartenkultur und nationale Identität“ an, in dem erstmals eine umfassende kritische Hinterfragung des „Deutschen“ in der deutschen Gartenkunst vorgenommen wird: Gert Gröning/Uwe Schneider (Hg.), Gartenkultur und nationale Identität: Strategien nationaler und regionaler Identitätsstiftung in der deutschen Gartenkultur. Worms 2001. Gröning und Schneider greifen hier die Impulse der allgemeinen Geschichtswissenschaft (in erster Linie Nationalismusforschung von Eric J. Hobsbawm) auf und stellen die bis dahin fehlende umfassende Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex des Nationalen innerhalb der Gartenkunstgeschichte fest (S. 7). Die Einzelstudien des Sammelbandes sollen diesem Desiderat entgegenwirken und einen historischen Überblick der entsprechenden Tendenzen in der deutschen Gartengestaltung vom Ende des 18. bis Ende des 20. Jahrhunderts geben. In der Einleitung wählen die Herausgeber eine vergleichende Vorgehensweise (französische, italienische und amerikanische Beispiele) und betonen die Notwendigkeit einer historischen Kontextualisierung der jeweiligen Bemühungen, die eine Nationalisierung der Gartenkunst zum Ziel haben. Damit wird im ersten Schritt grundsätzlich die Prämisse eines natürlich gegebenen, nationalen Landschaftscharakters in ihrer Allgemeingültigkeit in Frage gestellt und im zweiten Schritt die Aufmerksamkeit auf den Konstruktionscharakter der jeweiligen Vorstellungen und ihre kulturellen Bedingungen gelenkt (S. 15). – Die verspätete Resonanz auf den 1993 von Buttlar vorgestellten und problematisierten Themenkomplex kann durchaus als Indiz für die fehlende Konjunktur der kritischen Nationalforschung in der Gartenkunstgeschichte ge25
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Die Vorstellung, dass das Konzept einer „nationalen Gartenkunst“ einer historischen Veränderung unterliegt, schärft den Blick darauf, dass die Theorie und Praxis der Gartengestaltung im 18. Jahrhundert selbst im Wesentlichen an den Differenzierungsprozessen zwischen Eigenem und Fremdem beteiligt ist. Einen markanten Punkt bildet in diesem Zusammenhang die innovative Forderung der Theoretiker des frühen Landschaftsgartens, die die vorhandenen Gegebenheiten des Standortes in den Vordergrund der Gestaltungsprinzipien rücken und den bis dahin dominanten Anspruch der als universal geltenden Prinzipien der harmonischen Proportionen und der geometrischen Ordnung in Frage stellen. Dieser Gedanke wird mit der Idee eines genius loci theoretisch erfasst, die den Garten zu einem historisch und natürlich konnotierten Raum umwertet.27 Eine folgenreiche Weiterentwicklung erfährt dieses Konzept in den Kategorien des Charakteristischen und des Unrewertet werden; denn die in dem gleichen Tagungs- und Buchzusammenhang von Hunt vorgenommene Konzeptualisierung der Gartenkunst als er „dritten Natur“ ist von der wissenschaftlichen Öffentlichkeit und der Gartenkunstgeschichte speziell aufgegriffen worden. – In Bezug auf die russische Gartenkunst steht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Nationalen bis jetzt aus; einen Anstoß dazu zu leisten, versteht sich als Teilaufgabe dieser Arbeit. Allerdings befinden sich zur Zeit zwei Sammelbände im IRLI in Vorbereitung, die die Idee des Russischen zum Thema haben (Arbeitstitel: „Obraz Rossii v zarubežnom iskusstve“ und „Russkaja ideja“) und auch Beiträge zur Gartenkunst beinhalten werden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Buchpublikationen programmatische Impulse für einen neuen reflexiven Umgang mit dem Thema der nationalen Gartenkunst bringen werden. 27 „To build, to plant, whatever you intend,/ To rear the Column, or the Arch to bend,/ To swell the Terras, or to sink the Grot; In all, let Nature never be forgot. Consult the Genius of the Place in all,/ That tells the Water or to rise, or fall,/ Or helps th’ ambitious Hill the Heav’ns to scale,/ Or scoops in circling Theatres the Vale,/ Colls in the Country, catches opening Glades,/ Joins willing Woods, and varies Shades from Shades,/ Now breaks, or now directs, th’ intending Lines;/ Paint as you plant, and you work, Designs.// Begin with Sens, of ev’ry Art the Soul,/ Parts answ’ring Parts, shall slide into a Whole,/ Spontaneous Beauties all around advance,/ Start, ev’n from Difficulty, strike, from Chance;/ Nature shall join you; Time shall make it grow/ A Work to wonder at – perharps a STOW.” Alexander Pope, Epistle to Richard Boyle, Earl of Burlington (Of the Use of Riches), in: The Poems of Alexander Pope. A One-Volume Edition of the Twickenham Text with Selected Annotations, hg. v. John Butt. London, New York 1966, S. 586-596, hier S. 590. [Hier und im weiteren Verlauf der Arbeit entstammen die Hervorhebungen, wenn nicht anders angegeben, dem Original]. – Vgl. dazu: Jan Piper, Über den Genius Loci. Architektonische Gestaltungen einer antik-römischen Idee, in: Kunstforum international 57/1 (1983), S. 4059. – Weiterführende Literaturangaben zu der Entwicklung des Genie-Begriffs zwischen Ursprünglichkeit und Innovation, Geschichtlichkeit der Kulturauffassung und Originalität der Kunstproduktion siehe: Art. Genie, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 3, Sp. 279-310; Eberhard Ortland, Art. Genie, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 2, S. 661-709. 26
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gelmäßigen: Die erste hebt eine eigens den konkreten Ort auszeichnende zeitliche und räumliche Disposition hervor, die zweite setzt auf die Diversität und den Variationsreichtum der Gestaltungsmöglichkeiten und ihrer Wirkungen im Landschaftsgarten. Das Eigene des Charakteristischen wird im 19. Jahrhundert von den gartentheoretischen Entwürfen eines nationalen Gartens aufgegriffen; die Alterität des unregelmäßig Malerischen avanciert zur Grundlage des ästhetischen Programms des eklektizistischen Gartenstils des Historismus. In den verwirklichten Staffagen des Landschaftsgartens des 18. Jahrhunderts dagegen werden zeitlich wie räumlich eigene und fremde Themenkomplexe unter dem produktionsästhetischen Prinzip der Mannigfaltigkeit und der wirkungsästhetischen Forderung der Abwechslung vereint. Die Herausbildung der neuen Gartengestaltungsprinzipien im Rahmen des Landschaftsgartens hat nicht ausschließlich eine intellektuelle Integration der unterschiedlichen Topografien im Blick, während sie mit der materiellen Verwirklichung der Mannigfaltigkeit beschäftigt ist. Die Theorie und Praxis der Gartengestaltung trägt entscheidend dazu bei, auch die kulturellen Praktiken der „Speicherung der Zeit“ zu entwickeln, die zu der modernen Episteme gezählt und im Museumswesen des 19. Jahrhunderts institutionalisiert werden.28 Die Kleinarchitekturen des Gartens, wie antike Tempel und gotische Türme, chinesische Pagoden und türkische Pavillons, vorzeitliche Grotten und modernste Eisenbrücken, setzten die Akzente in die entfalteten Landschaftsszenerien, die in ihrer bewegenden Wirkung bei dem Besucher kulturelle Assoziationen und individuelle Erinnerungen wecken. Die während des Gartenspazierganges in Gang gesetzte Erinnerungsarbeit zielt nicht nur auf Wiedererkennung und Zuordnung bewusst heterogener Elemente; der charakteristisch unregelmäßige Raum wird idealiter als ein stimmiges Ganzes identitätsstiftend erschlossen.29 Der Landschaftsgarten stellt damit einen kon-
28 „[…] die Idee, alles zu akkumulieren, die Idee, eine Art Generalarchiv zusammenzutragen, der Wille, an einem Ort alle Zeiten, alle Epochen, alle Formen, alle Geschmäcker einzuschließen, die Idee, einen Ort aller Zeiten zu installieren, der selber außer der Zeit und sicher vor ihrem Zahn sein soll, das Projekt, solchermaßen eine fortwährende und unbegrenzte Anhäufung der Zeit an einem unerschütterlichen Ort zu organisieren - all das gehört unserer Modernität an.“ Foucault, Andere Räume, S. 154. Dabei gibt sich der Garten des 18. Jahrhunderts moderner, als die moderne Heterotopie des Museums, weil erst im Gartenerlebnis das Bewusstsein für die Flüchtigkeit der historischen und der individuellen Zeit geübt wird. (Die Anwendung des Heterotopie-Begriffs auf die Gartengestaltung ist in einem von Natascha N. Hoefer und mir konzepierten und herausgegebenen Sammelband „Der andere Garten“ erprobt worden.) 29 Dass der Gartenraum jedoch auch Verunsicherungen produziert und damit die Gefahr des Identitätsverlusts in sich birgt, die mit zunehmender Durchsetzung moderner Wissens- und Wahrnehmungsformen zunimmt, ist den Teilnehmern der zeitgenössischen Diskussion bewusst. Vgl. dazu: Michael Gamper, Zwischen allegorischer Entzifferung und Schwärmerei. Imagination und Beutungsproduktion im deutschen Gartendiskurs des 18. Jahrhunderts, in: Oesterle/Tausch, Der 27
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kreten Gedächtnisraum dar,30 in dem das individuell und kollektiv relevante Wissen über die Differenzen des Eigenen und des Fremden und ihrer Ordnung ständig aktualisiert werden. Die historischen Akteure des Gartendiskurses entdecken in der Gartengestaltung genau das Potential, „an einem einzigen Ort mehrere Räume, mehrere Plazierungen zusammenzulegen, die an sich unvereinbar sind“ und „alle Zeiten, alle Epochen, alle Formen, alle Geschmäcker einzuschließen“, was seinerzeit Michel Foucault dazu veranlasst hat, dem Garten nicht nur eine epistemologische Bedeutung zuzusprechen, sondern ihn als die „älteste“ und „universalisierende Heterotopie“ zu bezeichnen.31 Ohne auf eine kulturimaginierte Garten, S. 45-72; Harald Tausch, Locke, Addison, Hume und die Imagination des Gartens, in: Ebd., S. 23-44. 30 Vgl. Harald Tausch, Art. Architektur, in: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon, hg. v. Nicolas Pethes und Jens Ruchatz. Reinbek bei Hamburg 2001, S. 52-53; Oesterle/Tausch, Einleitung, in: Dies., Der imaginierte Garten, S. 9-22. 31 Foucault, Andere Räume, S. 152. – Die Problematisierung einer ständigen Präsenz des Differenten in einem konkreten Raum, die in der Wortschöpfung „Heterotopie“ zugespitzt ist, wird wiederum von den neueren kulturtheoretischen und literaturwissenschaftlichen Entwürfen aufgegriffen. Eine grundsätzliche Hybridität und die damit verbundene Dynamik der permanenten Grenzziehungen der Kultur gilt als Prämisse für Görling, der in seiner Habilitationsschrift das Modell einer interkulturellen Literaturwissenschaft entwirft. Görling greift dabei auf den Begriff der „Heterotopie“ Foucaults zurück und bringt die postkoloniale Kulturtheorie, die Ansätze der Intertextualität in Fortführung Bachtins sprachtheoretischer Überlegungen in Verbindung mit diskursanalytischer Argumentation: Reinhold Görling, Heterotopia: Lektüren einer interkulturellen Literaturwissenschaft. München 1997. Die Vorgehensweise Görlings hat insofern einen produktiven Denkanstoß für die vorliegende Untersuchung geliefert, als er in seiner Arbeit die These aufgestellt und verfolgt hat, nach der die Interkulturalität einen Sonderfall der Intertextualität darstellt. (Ebd., S. 30.) Hier haben sich weitergehende Anknüpfungen an die gedächtnistheoretische Intertextualitätsforschung angeboten, die an einer anderen Stelle noch erläutert werden. Jedoch fand sein Theorieentwurf keine systematische Anwendung in der vorliegenden Studie. Erstens verfolgt Görling nicht die Interessen einer historischen Forschung, sondern einer postkolonial orientierten neueren Literaturwissenschaft. Zweitens erweist sich der diffuse Raumbegriff als besonders problematisch. Görling stellt zwar die Kritik an den topografischen Konzepten der Kultur und der Nation im Sinne eines Ursprungs bzw. Grunds ins Zentrum seiner Überlegungen, führt aber mit der Heterotopie auf der Metaebene einen neuen raumbasierten Begriff ein, den er anschließend als eine Metapher für literarische Phänomene einsetzt. Damit werden die eigentlichen Qualitäten der Räumlichkeit zu Gunsten seiner „Vertextung“ suspendiert. Der heterotope Raum wird zum heterotopen Text. Für die vorliegende Studie liegt jedoch die Attraktivität der Foucaultschen Auffassung der Heterotopie gerade darin, dass damit neue Analysemöglichkeiten der tatsächlichen räumlichen Inszenierung von Vorstellungen mit nichträumlichen Bedeutungen eröffnet werden. (Vgl. auch die von Weigel geäußerte Kritik am dem Gebrauch 28
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historische Verankerung dieser diskursanalytischen Figur zu verzichten und den konkreten Raum aus dem Blick zu verlieren, will der explizite Bezug darauf in der vorliegenden Arbeit auch als Angebot verstanden werden, einen Rhetorikwechsel in Hinblick auf die Beschreibung der Ausgangssituation Russlands zu Beginn des 18. Jahrhunderts anzuregen: an Stelle der Matapher von der „tabula rasa“ eine Gedankenfigur der „Heterotopie“ zu setzen.
2. Aufbau der Arbeit, Thesen und Überblick Bereits in der Situation des späten 17. Jahrhunderts, mit der die vorliegende Untersuchung zeitlich beginnt, legt die russische Kultur elaborierte Techniken der Hierarchisierung von Ähnlichkeiten und Unterschieden, sowie der Kontrolle von Differenzen an den Tag, die die kulturellen Zugehörigkeiten als fremde markieren, diese in die eigene Kultur integrieren, ausschließen oder verleugnen.32 Durch einen nicht minder ausdifferenzierten Umgang zeichnet des Heterotopie-Begriffs im Sinne einer kulturtheoretischen Pathosformel: Sigrid Weigel, Zum „topographical turn“. Kartographie, Topographie und Raumkonzepte in den Kulturwissenschaften, in: KulturPoetik 2/2 (2002), S. 151-165, besonders S. 159-162). 32 Exemplarisch dazu: Gabriele Scheidegger, Perverses Abendland, barbarisches Russland: Begegnungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Schatten kultureller Missverständnisse. Zürich 1993. Vgl. auch die Forschungsliteratur zum 17. Jahrhundert und zur vergleichenden Geschichte in: Christoph Schmidt, Russische Geschichte 1547 – 1917. München 2003, S. 205-207, S. 242-243 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte; 33). – Die russische Forschung konzentrierte sich bisweilen vor allem auf die Entwürfe der sogenannten „Gegenidentitäten“ und proklamierte als eine Besonderheit der russischen Entwicklung einen kulturimmanenten Antagonismus. Demnach ist die russische Kultur von einer prinzipiellen Bipolarität geprägt, deren Dynamik auf der axiologischen Ebene allein im Wechsel der Vorzeichen besteht, d.h. das jeweils behauptete Neue sich immer nur als eine Umkehrung des jeweils vorherigen Alten realisiert und keine kontinuierliche Entwicklung bedeutet. Siehe: Jurij Lotman/Boris Uspenskij, Die Rolle dualistischer Modelle in der Dynamik der russischen Kultur (bis zum Ende des 18. Jahrhunderts), in: Poetica 9/1 (1997), S. 1-40 (russ. Erstausgabe: 1977); Viktor Živov, Razyskanija v oblasti istorii i predystorii russkoij kul’tury. Moskva 2002. – Die vorliegende Untersuchung lenkt die Aufmerksamkeit dagegen auf eine potenzielle Mehrzahl gleichzeitig existierender Identitätsentwürfe innerhalb der kulturellen Formationen Russlands, die in Akten der Selbst- und Fremdzuschreibungen die jeweilige Gruppenzugehörigkeit konturieren. Auf diese Weise wird die besondere Dynamik der damit einhergehenden, sinn- und identitätsstiftenden Prozesse in den Vordergrund der Analyse gerückt. Diese ist in der Arbeit des kulturellen Gedächtnisses beobachtbar und ermöglicht Aussagen über die Ergebnisse der als different bzw. oppositionell festgelegten Grenzziehungen auf der Ebene der Selbstbeschreibung der Kultur. „Es gibt keine Grenze für den Austausch und die Vermischung von Zeichen […]. – Eine solche Grenze ist keine Frage der Zeichen oder der Sprache, sondern Resultat von 29
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sie sich auch in Hinblick auf das Gartenwissen aus. In diesem komplexen Gefüge aus den profanen und sakralen Bereichen werden die symbolischen (Kirche, Gottesmutter) und die utilitären (Gemüse-, Obst-, Fischzucht) Funktionsweisen des Gartens in alltagskulturelle wie diskursive Praktiken einbezogen. In ihrer Höchstform zeigt sich die Moskauer Gartenkunst in dem Ensemble von Ismajlowo (russ. Izmajlovo), dessen Darstellung den Auftakt des Teils II „Ornament und Tableau: Gartenräume zwischen verschnörkelter Ordnung und perspektivischer Rationalisierung“ bildet. Die Anlage fungiert als Ort der repräsentativen Machtentfaltung und des erholsamen Rückzugs der Zarenfamilie zugleich und gehört seit ihrer Umgestaltung in den 1660er Jahren zum Arsenal der ausländischen Reisebeschreibungen. Die sich überbietende Mannigfaltigkeit der einzelnen Teile der Gesamtanlage ist einer ganzheitlichen räumlichen Ordnung verpflichtet, die von den korrespondierenden Wechselbezügen zwischen dem Wissen, der Welt und dem Garten getragen wird. Die epistemologischen Veränderungen in dieser Ordnung lassen sich auf der poetologischen Ebene an der monumentalen Gedichtsammlung „Vertograd mnogocvetnyj“ (dt. Der blumenreiche Garten) von Simeon Polockij (1629-1680) ablesen. Der Einblick in die räumlich konkrete und poetische Gartengestaltung am Moskauer Hof bereitet die These des Kapitels vor, dass gerade das bereits vorhandene und habitualisierte Gartenwissen die notwendige Kontinuität in der Situation des kulturellen Wandels um 1700 leistet. Damit wird die gängige Vorstellung von der Gartenkunst als vermeintliches Produkt der „Europäisierung“ Russlands in Folge der Petrinischen Reformen grundsätzlich korrigiert. Zu Beginn des Jahrhunderts äußert sich die Kontinuität nicht nur in der innerhöfischen Zirkulation von Gartenpflanzen und Gartenbüchern, die nach der Gründung der neuen Hauptstadt im Norden Russlands zwischen Moskau und St. Petersburg kursieren. Sie findet ihren Ausdruck in dem neuen Projekt der Peterhofer Straße, die eine Kette der einzelnen von dem Zaren verliehenen Landsitze mit Gärten – dači zemel’ (dt. Verteilung der Ländereien) – zwischen St. Petersburg und der Residenz in Peterhof bildet. Die Entstehung der neuen Landsitze, die das Kapitel „Neue ‚Paradiese’ im Norden“ skizziert, wird legitimiert durch eine seit dem Altertum her habitualisierten Gartennutzung, wie man sie auch an den beiden Ufern des Flusses Jausa (russ. Jauza) vor den Toren Moskaus wieder findet. Dem Landleben-Ensemble an der Jausa sind zwei Kapitel des Teils II gewidmet, die die Strategien der Erneuerung und der Integration des kulturell Fremden im Rückgriff auf die Gartengestaltung im Blick haben. Die Besonderheit des Jausa-Landstriches besteht nämlich darin, dass auf dem einen Ufer des Flusses die Landgüter russischer Adliger und Staatsmänner liegen, während sich auf der gegenüberliegenden Seite die NeDiskursen (im Sinne Michel Foucaults), als der Strategie der Homogenisierung von Bedeutungen und des Ausschlusses anderer Weisen und Möglichkeiten des Signifikanz.“ Görling, A Hot Thing, S. 275. (Vgl. in diesem Zusammenhang die Fragen der aktuellen Fremdenforschung in Hinblick auf die problematische Stabilisierung von Fremdbildern durch die komparatistische Arbeitsweise). 30
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meckaja sloboda, eine Siedlung der Migranten aus West-, Mittel- und Nordeuropa befindet. Die Gartenanlage des Kanzlers Fëdor A. Golovin (16501706), die nach seinem Tod zu der Moskauer Residenz des Zaren umgebaut wird, und die gartengestalterischen Tätigkeiten des Niederländers Nicolaas Bidloo (1673/74-1735) stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Diese folgt dem Wechselverhältnis zwischen dem repräsentativen Anspruch des Gartens, der auf die Weltordung-Symbolik verweist und im allegorischen Programm eingelöst wird, und der Nutzung als Lebensraum, die die architektonische Ausstattung bestimmt und eine literarische Begründung im Vergilschen Topos des erholsamen Landlebens hat. Die Bedeutung des Gartens als eines Ortes kreativer Arbeit thematisiert Bidloo in Bezug auf sein privates Gartenprojekt. Auf das von ihm gestaltete, beschriebene und gezeichnete Landgutensemble an der Jausa geht ausführlich das Kapitel „Mijn thuijns Tekeningen“ ein. Die Anlagen wie Golovins Garten (russ. Golovinskij sad) und Peterhof (russ. Petergof), Oranienbaum und Katharinenhof (russ. Ekateringof), die in den ersten zwei Jahrzehnten um- oder neugebaut werden, geben zwar unverändert die Idee einer überbordenden Mannigfaltigkeit wieder, stellen aber der verschnörkelten Ordnung der Gärten von Ismajlowo ein strenges, geometrisches System gegenüber. Es lässt sich feststellen, dass sich zu diesem Zeitpunkt eine achsiale Ausrichtung der Anlagen durchsetzt, die, ob imaginär oder real, eine visuelle Öffnung des Gartens in seine Umgebung nach sich zieht. Die aktuellen Repräsentationsformen des Gartens bekommen in der Druckgrafik eine neue mediale Verbreitung. Als Sinnbild der Wissensordnung wird der gepflegte Garten zunehmend einem Programm der Verbesserung des Menschen verpflichtet, das seine Wirkung in emblematischer Gartenarchitektur entfaltet und in einer sukzessiven Aneignung des Wissens besteht. Eines der prominenten Beispiele stellt die Ausstattung des Sommergartens in St. Petersburg (russ. Letnij sad) mit den Figurengruppen nach Äsopischen Fabeln in den 1730er Jahren dar. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird dieser Garten, der als einer der ersten Anlagen in St. Petersburg realisiert worden ist, verstärkt zum Symbol der Petrinischen Reformen stilisiert. Bereits die Entstehung und Umgestaltung der Gartenanlage in den ersten Jahrzehnten der Stadtgründung registrieren zahlreiche ausländische Reisende. Ihre Berichte lassen die zunehmende Durchsetzung der Idee einer tektonischen Ordnung und der damit einhergehenden perspektivischen Rationalisierung des Gartenraumes rekonstruieren. Wie der Garten durch die politische Symbolik gegen Mitte des 18. Jahrhunderts vereinnahmt und konsequent zur Inszenierung des Festzeremoniells herangezogen wird, macht die Entwicklung sowohl des Golovins Garten in Moskau als auch einer weiteren St. Petersburger Anlage, des Ensembles in Zarskoe Selo (russ. Carskoe Selo), anschaulich. Die Weiterentwicklung der repräsentaiven regulären Gartengestaltung wird an diesen zwei Beispielen im Kapitel „Verdichtung des Gartens zum politischen Symbol“ in Teil II verfolgt.
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Die Gartenanlage Zarskoe Selo im Süd-Osten von St. Petersburg, die unter Elizaveta Petrovna (1709-1762; seit 1741 Elisabeth I.) zu der neuen Residenz der Zarin ausgebaut wird, verräumlicht gewissermaßen die Metapher der „Ruhe“, die aus der Namensdeutung der Zarin hervorgeht und darüber hinaus auf den Beinamen des dynastischen Vorfahren Aleksej Michajlovič (1629-1676) genealogisch rekurriert. Die Verbindung zwischen Zarskoe Selo, wo der Charakter des Gartens als eines kultivierten Raums in idealtypischer Weise aufscheint, und dem russischen Staat wird in der Dichtung der Zeit entwickelt und vermittelt. Exemplarisch dafür stehen die Oden Michail Lomonosovs (1711-1765), der in einem raffinierten poetischen Verfahren eine Höhenstufung der räumlichen Erfassungsmöglichkeiten entstehen lässt, die sowohl den unendlichen, dynamischen Raum des Erhabenen, der dem Wohnsitz der Zarin entspricht, als auch den Raum der Kunst und Wissenschaft, und damit auch den Platz des Dichters, miteinschließt und auf diese komplexe Weise die Vorstellung von einem ins Transzendente hinaus entgrenzten Garten in Sprache übersetzt. Die Gartengestaltung, die die innere tektonische Ordnung der Anlagen mit der ästhetischen Erschließung der umliegenden Landschaft verbindet und sich eines komplexen allegorischen Programms bedient, verlangt nicht nur emblematische Kenntnisse, sondern fordert darüber hinaus die Einbildungskraft des Einzelnen heraus. Die Auseinandersetzungen um mögliche gartengestalterische, poetische und wirkungsäthetische Strategien der Integration der Diversität unter der Prämisse der Mannigfaltigkeit der Sinneseindrücke bestimmen nachhaltig den Gartendiskurs der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die sich formalästhetisch durch die Verbreitung des neuen Gartenstils – des Landschaftsgartens – auszeichnet. Dass die politische Symbolwirkung des Gartens unabhängig von dem Stilwechsel ihre Aktualität beibehält, zeigt die Weiterentwicklung von Zarskoe Selo unter Ekaterina Alekseevna (1729-1796; seit 1762 Katharina II.). Ins Zentrum des Teils III rückt somit die Umgestaltung dieser Anlage zum Landschaftsgarten. Die neue Raumästhetik, die ursprünglich als Ausdruck einer Oppositionshaltung in Großbritannien entstanden ist, avanciert in Russland zur „Sache der Zarin“: Katharina II. fördert gezielt die Verbreitung der neuen gartentheoretischen Schriften und lässt Zarskoe Selo zu einem Landschaftsgarten umgestalten. Dafür engagiert sie eigens einen Gärtner aus London, Johann Busch (um 1725-1795). Mit diesem Schritt verstärkt sie die neue Konjunktur der britischen Pflanzenhändler und Spezialisten für Bewaldungen, die der bis dahin dominierenden niederländischen Gartenbautradition der pflanzlichen Ausgestaltung europaweit Konkurrenz machen. Die semantische Kette von Garten, Staat und regierender Monarchin bestimmt weiterhin die panegyrische Dichtung, so auch Johann Gottlieb Willamovs (1736-1777) Ode „Zarskoe Selo“. An Stelle des erhabenen Höhenfluges über einen emblematischen Raum tritt jedoch die Poetik eines Spazierganges im Garten der Empfindungen und Erinnerungen. Die implizierte Wirkung auf die Einbildungskraft trägt einer zunehmend individualisierten Wahrneh-
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mung im Garten bei; sie hat aber auch die Entwicklung subtiler Formen der Kontrolle über die Anderen und über sich selbst zur Folge. Denn nicht das Wissen über die den Gartenraum bestimmende Ordnung, sondern die im Gartenraum erzeugte sinnliche Wahrnehmung der verschönerten Natur machen die Raumerfahrung des Landschaftsgartens aus, der zu einem Experimentierfeld komplexer wahrnehmungsästhetischer Abläufe wird. Die Übung der Selbstkontrolle im Landschaftsgarten im Zeichen des „improvement“ wird von dem pädagogischen Diskurs aufgenommen und in der Wiedererinnerung an die Bedeutung des Gartens als Ort der Erziehung, vornehmlich für die Prinzenerziehung, adaptiert. Das Konzept findet eine literarische Umsetzung in dem „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ (1781), einem der pädagogischen Mustertexte, die Katharina II. als eine auf neun Bände angelegte „Bibliothek der Großfürsten Alexander und Konstantin“ beinah zeitgleich in St. Petersburg und Berlin veröffentlichen lässt. Die poetischen Bemühungen reformpädagogischer Provenienz bleiben nicht ohne eine deutschsprachige Resonanz. Im Teil IV wird daher das „Märchen“ Katharina II. im Licht der Besprechungen von Hartwig Ludwig Christian Bacmeister (1730-1806) und Christian Gottlob Heyne (1729-1812) vorgestellt und vor dem kulturhistorischen Hintergrund des Kindererziehungsmodells der Philanthropine erläutert, die die symbolischen Aspekte der Erziehung im Garten mit den pragmatischen konsequent verbindet. Denn das „Märchen“ hat auch eine architektonische Verwirklichung in dem Landschaftsgarten Alexandrowa Datscha (russ. Aleksandrova Dača) erfahren. Die Gartenanlage, die auf ein Projekt des Architekten und Schriftstellers Nikolaj L’vov (1753-1803) zurückgeht, hat außerdem nicht nur eine literarische Produktion als Vorgeschichte, sondern ist auch zum Gegenstand einer poetischen Gartenbeschreibung geworden. Das Gartenpoem „Aleksandrova“ (1793) von Stepan Džunkovskij (1763-1839) wird abschließend herangezogen, um eine markante Verbindung zwischen pädagogischen Intentionen mit ästhetischen Grundüberlegungen in der Diskussion um den Landschaftsgarten aufzuzeigen. Das markanteste Beispiel der Landschaftsgartengestaltung in Russland entsteht seit 1777, nur scheinbar an der Peripherie des höfischen Lebens, in Pawlowsk (russ. Pavlovsk), dem Sommersitz des sogenannten „kleinen Hofes“ der großfürsterlichen Familie von Pavel Petrovič (1754-1801; seit 1796 Paul I.) und Marija Fëdorovna (1759-1828). In der Zeit des Wandels der ästhetischen Normen und Vorstellungen von der Welt und der Natur reflektieren die für die Parkanlage in Pawlowsk entwickelten Gartenkonzepte einen Diskussionsstand auf höchstem Niveau. (Teil V „Imagination und Erinnerung“). Deren Verwirklichung, die unter der aktiven Teilnahme der Besitzerin stattfindet, charakterisiert sich durch einen souveränen Umgang mit der neuen ikonotextuellen Zitatkultur des Landschaftsgartens. Zu den herausragenden Merkmalen von Pawlowsk zählen zum einen eine reflexive Haltung gegenüber dem Verhältnis zwischen Gartengestaltung und Literatur und zum anderen die Herausbildung einer eigenen Erinnerungskultur im Garten.
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Den Charakter eines Erinnerungsortes hat Pawlowsk schon in seiner Gründungszeit angenommen. Im Laufe der Zeit entwickelt sich die Parkanlage aus einem idyllischen Ort der Kindheitserinnerungen an die Heimat von Marija Fëdorovna im Montbéliardschen Étupes zu einem Ort kultureller Assoziationen als unmittelbare Folge der großen Europareise der Gartenbesitzer. Auf dem Programm dieser Reise stehen zahlreiche Besuche von Gartenanlagen, und anlässlich des Empfangs des russischen Großfürstenpaares in Versailles wird am 6. Juni 1782 das epochenmachende Werk von Jacques Delille (1738-1813) „Les Jardins, ou l’Art d’embellir les Paysages“ veröffentlicht. Die konsequente Hereinnahme der Memorialkunst in die Gartenanlagen von Pawlowsk, die vorwiegend der Erinnerung an familiäre Ereignisse dient, verstärkt sich nach 1801, als Pawlowsk zu dem Witwensitz der Zarenmutter wird. Zugleich erfährt die praktizierte Engführung von Garten und Literatur in Pawlowsk einen neuen Ausdruck. (Teil VI „Park und Poesie“). Bereits in den ersten Jahrzehnten der Parkgeschichte gehören Friedrich Maximilian Klinger, in seiner Funktion als Vorleser, und Ludwig Heinrich Nicolay, als Bibliothekar, zu dem unmittelbaren Hofleben Pawlowsks. Beide Schriftsteller begleiten das Großfürstenpaar auch auf der Europareise. In dieser Zeit entsteht die früheste poetische Bezugnahme auf den Park von Pawlowsk – eine Ode von Jakob Michael Reinhold Lenz –, die nicht zur Veröffentlichung gelangt ist und als verschollen gilt. Von Erfolg sind dagegen die beiden anderen selbstständigen Gartenbeschreibungen von Pawlowsk gekrönt: die „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ (1802) von Heinrich Storch und die Elegie Vasilij Žukovskijs „Slavjanka“ (1815). In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wird der musikalisch-poetische Salon in Pawlowsk zu einem bevorzugten Treffpunkt der russischen Literaten. Die ästhetische Dimension der Rauminszenierung in Pawlowsk macht deutlich, dass sich der Landschaftsgarten zu einem Produkt der Erinnerung und der Imagination und der Gartenbesuch zu einem individuellen Erlebnis entwickeln. Darauf reagieren die Gartenbeschreibungen mit einer Umkehrung der bis dahin geltenden Poetik. Auf der Suche nach der adäquaten sprachlichen Wiedergabe werden nicht mehr die topischen Muster aus der wirklichen Landschaft herausgelesen und poetisch variiert, sondern es geht um eine individualisierte literarische Wiedergabe des subjektiven Gartenerlebnisses. Ablesbar ist diese Entwicklung an einer zunehmenden Wiedergabe des räumlichen Erlebnisses im Garten in Form von Poesie bis hin zu Texten, die mitunter nur noch durch einen individuellen Erinnerungsrahmen den Bezug zum ursprünglichen Erlebnis innerhalb des imaginativ durchbrochenen Raumgefüges des Landschaftsgartens herstellen. Rückblickend lässt sich um 1800 die Herausbildung zweier Stränge innerhalb des Gartendiskurses beobachten, die in der Engführung einerseits von Garten und Poesie, und andererseits von Garten und Ökonomie besteht. Die beiden Stränge funktionieren in einer gegenseitigen Bezugnahme; sie verschränken in der Vorstellung des Lebens im Garten poetisch-pastorale und literaturkritische, politische und lebensgeschichtliche Dimensionen und erle-
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ben ihren Höhepunkt in einem russischen Projekt des Landschaftsgartens usad’ba (dt. Landsitz). Diese Form ausgreifender Beschäftigung mit dem Garten bringt Aleksandr M. Bakunin in einem Text unter dem Titel „Über Gärten“ (russ. O sadach, 1804) anschaulich und befremdlich zugleich auf den Nenner: „Ich will nicht, dass mein schöner Garten die Hässlichkeiten meines Dorfes vergrößert, dagegen will ich, dass mein Dorf einen verlockenden Prolog zu meinem Garten darstellt. Es wird, so verspreche ich, bei mir einen Garten geben, und zwar weder einen zugeschnittenen, noch einen geschlängelten, weder einen englischen noch einen chinesischen, es wird ein russischer Garten werden. Die Möglichkeit, alle meine Wälder, Wiesen und Felder zu einem Garten zu vereinen, wird mich zu einem Gärtner machen.“33
Die poetogenen Entwürfe des Gartens als Lebenswelt zwischen Poesie und Ökonomie und zwischen Individuum und Geschichte, wie sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts formuliert werden, begründen eine neue Tradition. Die Literatur der russischen Landgüter wird als Poesie einer bewohnten Gartenlandschaft im Verlauf der darauffolgenden Jahrzehnte in zahlreichen Texten aufgegriffen und variantenreich umgesetzt. Im späten 19. Jahrhundert verdichtet sich die Erinnerung daran zu dem Topos des „Adelsnestes“ (russ. Dvorjanskoe gnezdo) innerhalb der realistischen Erzählliteratur. Dieser Zusammenhang weist aber bereits weit über die Grenzen der vorliegenden Untersuchung hinaus.34 33 Pis’ma A.M. Bakunina k N.A. L’vovu. Publikacija L.G. Agamaljan, in: Ežegodnik rukopisnogo otdela Puškinskogo doma na 1997 god. Sankt-Peterburg 2002, S. 43-95, hier S. 55: „[Примиря меня с садами, научите же меня согласить и деревенскую постройку с моим садом]. Я не хочу, чтобы красивый сад умножил безобразие моей деревни, а хочу, чтобы деревня моя была приманчивым предисловием моего сада. [Тогда] будет, обещаю вам, и у меня сад не стриженый, не вьюрчатый, не аглицкой и не китайский, а будет сад русский. Возможность [все мои леса] образовать мои леса, поля, покосы [исподволь образовать] садом [есть уже для меня предварительное наслаждение] сделает меня садовником. [Я уверен, что от одной мысли сей еще более прилеплюсь к земледелию, которое вообще в худшем еще у нас состоянии, нежели садовое искусство.]“ Die Passagen in eckigen Klammern sind im Originalmanuskript gestrichen worden. Für den Hinweis auf die von Agamaljan unternommene Erstveröffentlichung des Textes danke ich Aleksandra Veselova. (Zu der Entstehung und Entwicklung der Idee des „Russischen“ im Zusammenhang mit der Landschaftsgartengestaltung wird demnächst ein gemeinsamer Aufsatz von uns erscheinen). 34 Während der Arbeit an dieser Studie zur Gartengestaltung ist eine Reihe neuer Arbeiten zu dem Phänomen des russischen Landgutes und seiner Literatur erschienen, u.a.: Sel’skaja usad’ba v russkoj poėzii 18 - načala 19 veka, hg. v. E.P. Zykova. Moskva 2005; Marija Naščokina, Russkie sady: 18 - pervaja polovina 19 veka. Moskva 2007; Dies., Russkie sady vtoroj poloviny 19 - načala 20 veka. Moskva 2007; Dies., Usad’by Serebrjannogo veka. Moskau 2007. Außerdem hat 35
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* Mit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, zu dem Zeitpunkt, als die national orientierte Argumentation die dominierenden kulturellen Positionen zu übernehmen beginnt, endet der Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit. Wie weitreichend die nach außen sich abgrenzenden und nach innen homogenisierenden Tendenzen einer nationalen Kulturgeschichtsschreibung für den Untersuchungsgegenstand geworden sind und was sie verdecken, zeigt die Entwicklung des Dichterdenkmals Aleksandr Puškins im Landschaftspark Zarskoe Selo, der in dem Teil I der vorliegenden Arbeit nachgegangen wird. Die Episode erstreckt sich über den eigentlichen Zeitraum der Untersuchung hinaus und bietet ein Paradebeispiel der nationalen Erinnerungskultur. Diese lässt sich als eine Reformulierung unter neuen Vorzeichen genau des Wechselspiels von Erinnerung und Poesie im Garten rekonstruieren, das aus dem Gartendiskurs des 18. Jahrhunderts hervorgegangen ist. Hier wird der genius loci, die Idee, die Alexander Pope etwa einhundert Jahre zuvor zum zentralen Begriff der neuen Naturauffassung und Gartengestaltung erhoben hat, nicht nur in einem Landschaftsgarten verortet, sondern buchstäblich personalisiert und monumentalisiert. Im Fokus der „Geniusloci“-Episode in Zarskoe Selo kommen die Prozesse des kulturellen Erinnerns und Vergessens zum Vorschein, die sowohl den kollektiven Vorrat an relevanten Wissensbeständen als auch an Identitätsangeboten prägen. Mit dem Ausblick auf die Arbeit des kulturellen Gedächtnisses erfolgt anschließend die methodische Standortbestimmung der vorliegenden Untersuchung, die sich auf die Prämissen der Transferanalyse bezieht und diese in kultursemiotischer und erinnerungskultureller Hinsicht erweitert.
im Jahr 2007 eine in diesem Zusammenhang wegweisende Monografie von Ščukin eine Neuauflage erfahren. In dieser Arbeit hat der Krakauer Slawist als erster die Fragestellungen zu der russischen Landgutliteratur des 19. Jahrhunderts in einem kulturhistorischen Zusammenhang verortet und in Verbindung mit den Prozessen des kulturellen Gedächtnisses gebracht. Vgl. Vasilij Ščukin, Mif dvorjanskogo gnezda. Geokul’turnoe issledovanie po russkoj klassičeskoj literature [Krakow 1997], in: Ders., Rossijskij genij prosveščenija. Moskva 2007, S. 157-460. – Ein umfassender Überblick sowie weitere Literaturangaben zu der Forschung der russischen Landgüter sind in meinem Aufsatz enthalten: Sady i teksty, hier S. 365-370. 36
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Teil I
Dichterdenkmal im Garten zwischen Vergessen und Erfinden
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1.
1. Genius loci in Zarskoe Selo: Eine Episode erinnerungskultureller Arbeit im Russland des 19. Jahrhunderts Genius loci in Zarskoe Selo „Wer hat und wann genau wurde im Garten des Lyzeums in Zarskoe Selo, - noch zu Lebzeiten Puškins, - ein Denkmal zu Ehren dieses Dichters errichtet? Auf diesem Gedenkstein ist die Inschrift „Genio loci“ (dem örtlichen Genie) eingemeißelt gewesen. Wohin und auf wessen Veranlassung ist dieses Denkmal entfernt worden?“
Diese Fragen richtet ein Leser der Zeitschrift „Russkaja starina“ (dt. Russisches Altertum) im Jahr 1873 an die Redaktion und das Lesepublikum, veranlasst durch öffentliche Spendenaufrufe für die Errichtung eines Denkmals für „unseren großen Dichter“ Aleksandr Sergeevič Puškin (1799-1837).1 Die Fragen des Leserbriefes rufen umgehend eine Diskussion im Kreis ehemaliger Absolventen des Carskosel’skij Licej (dt. Lyzeum von Zarskoe Selo) hervor, so die russische Bezeichnung der Bildungsanstalt, die im Jahr 1811 auf dem Areal des Landschaftsparks in Zarskoe Selo bei St. Petersburg eröffnet worden war. Angesiedelt in der unmittelbaren Nachbarschaft des Schlosses der Sommerresidenz des russischen Zarenhauses stellt sich die höhere Schule für „Bildung der Jugend, insbesondere für eine spätere Berufung in die wichtigen
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Russkaja starina: ežemesjačnoe istoričeskoe izdanie 8 (1873), S. 244. [Die Übersetzung der Zitate ins Deutsche stammt im weiteren Verlauf der Arbeit, wenn nicht anders angegeben, von mir, A.A.] – Der vollständige Text ist in der Rubrik „Fragen“ veröffentlicht worden und lautet: «Въ послѣднiе годы въ обществѣ довольно живо идетъ подписка на сооруженiе памятника великому нашему поэту Пушкину. Поэтому совешенно кстати спросить: кѣм и когда поставленъ былъ въ Царскомъ Селѣ, въ саду бывшаго тамъ лицея, - еще при жизни Пушкина, - камень въ честь этого поэта? На камнѣ врѣзана была надпись: Genio loci (мѣстному генiю). Куда и по чьему распоряженiю убранъ этотъ камень? Было бы интересно получить отвѣты на эти вопросы, тѣмъ болѣе, что объ этомъ памятникѣ мы не встрѣчали въ печати извѣстiя, между тѣмъ какъ сами его видѣли въ 1833 или 1834 году. А.В. Фр.» 39
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Abteilungen des Staatsdienstes“ in die Tradition der von Aristoteles gegründeten Schule am Lykeion in der Umgebung von Athen an.2 Der ungewöhnliche Name der neuen Einrichtung habe, wie Ivan Puščin (1798–1859), ein Mitglied des ersten Jahrganges, über die Anfänge des Lyzeums in Zarskoe Selo rückblickend berichtet, „die Verwunderung der russischen Öffentlichkeit hervorgerufen, - nicht alle hatten damals einen Begriff von den Kolonnaden und Rotunden der Athener Gärten, wo die griechischen Philosophen wissenschaftliche Gespräche mit ihren Schülern geführt hatten.“3 Unter seinen insgesamt dreißig Kommilitonen befindet sich auch Aleksandr Puškin, der als Adressat der Denkmalwidmung „Genio loci“ in dem Zeitschriftenleserbrief genannt wird. Ihm widmet jedenfalls Puščin seine 1859 erschienenen „Notizen über Puškin“ und betont gleich zu Beginn, man solle in seinen Erinnerungen nicht nach „historischen Genauigkeiten“ suchen, denn: „ich blicke auf Puškin nicht als ein Literaturhistoriker, sondern als ein Freund und Kamerad zurück.“4 Diese einleitende Abgrenzung ist mehr als eine Floskel angesichts der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt die in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Tod Puškins abgeschwächte Popularität des Autors nun abgelöst wird durch eine neue Welle postumer Aufmerksamkeit gegenüber seiner Person und seinem Werk. Der Dichter Puškin wird zunehmend nicht nur als ein „Klassiker“ der neuen russischen Literatur verankert, sondern sogar als ihr Begründer gefeiert.5 2
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Das Projekt der Schule in Zarskoe Selo, das auf Michail M. Speranskij (1772– 1839) zurückgeht, ist von Alexander I. (1777-1825) am 12. August 1810 bewilligt worden. Zur Geschichte der Einrichtung siehe: Marija P. Rudenskaja/Svetlana D. Rudenskaja, S licejskogo poroga: vypuskniki liceja 1811-1917. Očerki. Leningrad 1984; Svetlana D. Rudenskaja, Carskosel’skij-Aleksandrovskij licej 1811-1917. Sankt-Peterburg 1999. – Die Bezeichnung der Schule ist dem griechisch-antiken Lykeion, einem der drei berühmten Gymnasien (neben der Akademie und dem Kynosarges) am Stadtrand von Athen, abgeleitet. Vgl. Art. Aristoteles, Sohn des Nikomachos, aus Stageira, in: Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 1, Sp. 11331145, 1135. Neueste archäologische Funde bestätigen die vermutete Lage im Osten der Stadt: Ulrich Sinn, Athen. Geschichte und Archäologie. München 2004. „[...] Лицея, нового заведения, которое самым своим названием поражало публику в России, - не все тогда имели понятие о коллонадах и ротондах в афинских садах, где греческие философы научно беседовали с своими учениками.“ Ivan Puščins „Zapiski o Puškine“ sind zuerst erschienen in der Zeitschrift: Atenej II/8 (1859). Hier zitiert nach: Ivan I. Puščin, Zapiski o Puškine. Pis’ma. Moskva 1988, S. 32 (Serija literaturnych memuarov). „Впрочем, вы не будете тут искать исторической точности – прошу смотреть без излишней взыскательности на мои воспоминания о человеке, мне близком с самого нашего детства: я гляжу на Пушкина не как литератор, а как друг и товарищ.“ Puščin, Zapiski o Puškine, S. 31. Zur Analyse literaturkritischer, medientechnischer und soziohistorischer Hintergründe des Erfolgs Puškins zu seinen Lebzeiten siehe: Abram I. Rejtblat, Kak Puškin vyšel v genii: istoriko-sociologičeskie očerki o knižnoj kul’ture Puškinskoj ėpochi. Moskva 2001 (Novoe literaturnoe obozrenie: Naucnoe 40
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Vor dem Hintergrund dieser Kanonisierung, die sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in breiten Kreisen der russischen Gesellschaft etabliert, ist nicht erstaunlich, dass die Fragen nach dem verschwundenen Gedenkstein aus dem eingangs zitierten Leserbrief sofort aufgegriffen und zum Tagesordnungspunkt des jährlichen Zusammentreffens der ehemaligen Lyzeumsschüler am 19. Oktober 1873 erhoben werden. Das Ritual des Jahrestreffens am 19. Oktober ist Bestandteil einer eigenen, bis dahin bereits fest etablierten Tradition, den Jahrestag der Gründung des Lyzeums, dieser zu Beginn neuartigen und später legendär gewordenen Einrichtung, im Kreise der Ehemaligen-Gemeinschaft feierlich zu begehen. Der Ursprung des Lyzeums wird seit der ersten Absolventengeneration nicht nur durch eine gemeinsame Zusammenkunft in Erinnerung gerufen.6 Der Vergegenwärtigung des Gründungstages dient außerdem auch eine literarische Form der Teilnahme, auf die vor allem bei dem Fest abwesende Lyzeumsfreunde zurückgreifen. Bekannterweise ist eine ganze Reihe der Gedichte aus diesem Anlass im Kreis des ersten Jahrganges entstanden.7 An dem hier zu erörternden 19. Oktober des Jahres 1873 beteiligen sich in St. Petersburg Vertreter mehrerer Generationen, von dem I. bis zum XXIII. Jahrgang des Lyzeums, an den angestoßenen Nachforschungen über den
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priloženie; 28). – Zu einzelnen Aspekten der Mythologisierung Puškins zu einem „welt-nationalen Dichter“ im Verlauf des 19. Jahrhunderts vgl. Aleksej M. Peskov, K istorii proischoždenija mifa o vseotzyvčevosti Puškina, in: Novoe literaturnoe obozrenie 24 (2000), S. 230-238. – Jurij Lotman zieht bezeichnenderweise in seinen Überlegungen über die Arbeit des kulturellen Gedächtnisses die schwankenden Zu- und Abnahmen der postumen Popularität Puškins heran, um den ständigen Wechsel zwischen Vergessen und Wiedererinnern zu schildern, vgl. Jurij M. Lotman, Pamjat’ v kul’turologičeskom osveščenii, in: Ders., Izbrannye stat’i v trech tomach. Bd. 1: Stat’i po semiotike i tipologii kul’tury. Tallinn 1992, S. 200-203. Es sind zwei Protokolle der Lyzeumsfeste überliefert, die Puškin selbst verfasst hat: Puškin, Protokol prazdnovanija „Licejskoj godovščiny“ ot 19 oktjabrja 1828 goda; Protokol prazdnovanija „Licejskoj godovščiny“ ot 19 oktjabrja 1836 goda, in: Rukoju Puškina: Nesobrannye i neopublikovannye teksty. Moskva, Leningrad 1935, S. 733-739. – Eine umfassende Darstellung der Feste am Jahrestag der Lyzeumsgründung im Zeitraum von 1817 bis in die 1990er Jahre befindet sich in: Rudenskaja, Carskosel’skij-Aleksandrovskij licej, S. 225-237. Puškin, 19 oktjabrja („Роняет лес багряный свой убор ...“), in: Ders., Polnoe sobranie sočinenij v 10 tomach. Bd. 2: Stichotvorenija 1820-1826. Leningrad 1977, S. 244-247 (Erstveröffentlichung im Almanach „Severnye cvety“, Sanktpeterburg 1827); Ders., 19 oktjabrja 1827 („Бог помочь вам, друзья мои ...“), in: Ebd., Bd. 3: Stichotvorenija 1827-1836. Leningrad 1977, S. 34 (Erstveröffentlichung in: Slavjanin 13 (1830)); Anonym [Vil’gel’m K. Kjuchel’beker?], 19 oktjabrja 1828 goda („Какой волшебною одеждой...“), in: Puškiniana, hg. v. Vladimir V. Kallaš. Kiev 1902, Bd. 2, S. 68-69 (Erstveröffentlichung im Almanach „Podsnežnik“, Sanktpeterburg 1829, S. 236-237); Anton Del’vig, 19 oktjabrja 1824 („Семь лет пролетело, но, дружба...“), in: Ebd., S. 53-54 (Erstveröffentlichung in: Russkij Archiv 10 (1872), S. 1486-1487). 41
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Verbleib des Denkmals mit der Inschrift „Genio loci“. Die Ergebnisse werden im selben Jahr im Oktober- und im Dezember-Heft der Zeitschrift „Russkaja starina“ veröffentlicht: Berichtet wird von der Errichtung einer Marmorplatte durch den ersten Jahrgang des Lyzeums, wie auch von der Restaurierung des verwitterten Steins durch die Schüler des zwölften Abschlussjahres. Ein Absolvent des Jahres 1853 erzählt über die Versetzung der Gedenkplatte in den Garten des neuen Standortes der Schule,8 woraufhin ein anderer (Abschlussjahr 1829) feststellt, dass gegenwärtig an der besagten Stelle lediglich ein „mit Grundwasser gefülltes Loch“9 vorhanden sei. Die wirklich überraschende Aussage kommt jedoch von dem ältesten unter den Beteiligten, Modest Korf (1800 – 1876). Der Vertreter des ersten Jahrganges, inzwischen der Leiter der St. Petersburger Öffentlichen Bibliothek, stellt nämlich den Sinn des eigentlichen Diskussionsanstoßes selbst in Frage: „Woher kam die Vermutung auf, dass unter dem berühmten „Genio loci“ Puškin gemeint ist? Zu unserer Zeit existierte nicht einmal der Lyzeumsgarten. An seinem Platz befand sich in der Nähe der Kirche eine Einfriedung, in der einige Birken wild wuchsen und wohin wir keinen Schritt taten; folglich hatte es hier kein Gedächtnis an niemanden geben können. „Genio loci“ war nur eine Fantasie-Inschrift, die sich Engel’gard [Georg Reinhold Engelhardt, der damalige Direktor des Lyzeums, A.A.] in Nachahmung der Alten ausdachte, um einen unsichtbaren Geist, einen Beschützer dieses Haines, einen Faun, zu ehren. Puškin kam hier niemandem in den Sinn; das beweist auch die Tatsache, dass es die gleiche Inschrift im hauseigenen Garten Engel’gards in Zarskoe Selo gegeben hat, lange bevor er Lyzeumsdirektor geworden ist; den Namen Puškins kannten damals nur seine engsten Freunde.“10
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Veröffentlicht im Oktober-Heft des 8. Jahrgangs: A.M. Smirnov, Plita v pamjat’ A.S. Puškina, in: Russkaja starina 8 (1873), S. 597. 9 Veröffentlicht im Dezember-Heft des 8. Jahrgangs: I.R. Von-der-Choven, Licejskij pamjatnik s nadpis’ju „Genio loci“, in: Ebd., S. 1000-1001. 10 „Откуда родилось предположенiе, что подъ знаменитомъ «Genio loci» разумѣется Пушкинъ? Въ наше время еще не существовало никакого лицейскаго сада. Отведенное послѣ подъ него мѣсто было занято церковною оградою, въ которой дико росло нѣсколько березъ и куда никогда не ступала наша нога; слѣдственно, и памяти тутъ ничьей быть не могло. «Genio loci» было просто фантастическою надписью, придуманную Энгельгардтомъ въ подражанiе древнимъ, въ честь невидимаго духа – покровителя этихъ рощей, какого-нибудь фавна. Пушкинъ тутъ никому и на мысль не приходилъ; фактическое тому доказательство – точно такая же надпись была въ саду при домѣ въ Царскомъ Селѣ, принадлежащемъ Энгельгардту задолго еще до назначенiя его директоромъ лицея, когда имени Пушкина не зналъ еще никто, кромѣ его товарищей.“ Ebd., S. 1000. – Die Aussage von Korf wird in der Zeitschrift zitiert mit Hinweis auf seine früheren Aufzeichnungen (Modest A. Korf, Zamentki o Licee, 1854). Diese haben auch später als Quelle für die Lyzeumsgeschichte gedient, u.a für die Publikationen von Jakov Grot (Puškin, ego licejskie tovarišči i nastavniki. Sankt-Peterburg 1899). 42
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Abb. 1. Aleksandr Puškin (1799-1837): Lyzeum in Zarskoe Selo, Tintezeichnung in einem Brief an Natalja Gončarova vom 20. Juni 1830 (Ausschnitt).
Somit steht eine mehrfache Negation am Ende der durch den Leserbrief veranlassten Rekonstruktion der Ereignisse um das Denkmal mit der Inschrift „Genio loci“ im Garten des Lyzeums. Die Erinnerungsarbeit einer generationsübergreifenden Gemeinschaft, die in den Zeitschriftenbeiträgen zum Ausdruck kommt, widerspricht deutlich dem vermeintlichen Bezug des Denkmals zu der Person eines Autors und damit der Bedeutung des Artefakts im Sinne eines Dichterdenkmals. Bestätigt wird lediglich die gegenwärtige Abwesenheit des Gegenstandes. Dieses Nein im Hinblick auf Sinn, Intention und sogar Anwesenheit des Denkmals im Garten, das vor dem Hintergrund einer dennoch beibehaltenen, sogar appellativen gedächtnisstiftenden Bedeutung ausgesprochen wird, dient als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen. Sie richten sich zuerst auf die jeweilige Gemeinschaft der Erinnernden und darauf, in welchen kollektivrelevanten Bezugshorizonten des Vergangenen die Bedeutung des Artefakts und seiner Inschrift sich jeweils rekonstruieren lassen. Im zweiten Schritt dient das Augenmerk dem Wechselverhältnis zwischen Literatur und Garten, insofern sie nämlich als Bestandteile der Vergangenheit ins Gedächtnis gerufen werden und als materielle Träger die Kommunikationsprozesse narrativ und räumlich organisieren.11 11 Im Zentrum der vorliegenden Studie stehen somit zwei kulturelle Objektivationen, – Garten und Literatur –, die u.a. in ihrer Eigenschaft als Medium des Gedächtnisses befragt und in Verbindung zu einander gebracht werden. Astrid Erll hat bereits Literatur und Erinnerung in einem übergreifenden theoretischen Rahmen integriert. In ihrer Untersuchung hat sie das Gedächtnis der Literatur als ein innerliterarisches, textinternes Phänomen sowie die gesellschaftlichen Funktionen kanonischer Literatur im Sinne des Mediums des Funktionsgedächtnisses spezifiziert (Astrid Erll, Gedächtnisromane. Literatur über den Ersten Weltkrieg als Medium englischer und deutscher Erinnerungskulturen in den 43
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Vorangestellt wird die Prämisse, dass semantische Verschiebungen und veränderte Bedeutungszuschreibungen auf der Ebene der erinnerten Inhalte grundsätzlich Rückschlüsse auf Wandlungsprozesse in der gesellschaftlichen Konstruktion der Vergangenheit ermöglichen, die mit dem Begriff der Erinnerungskultur erfasst werden.12 In der historischen Situation eines voranschreitenden 19. Jahrhunderts erreichen die Prozesse der Transformation innerhalb des kollektiven Gedächtnisses13 der russischen Kultur eine weitreichende Dynamik: Denn weder die Abwesenheit des Denkmals zu dem Zeitpunkt der skizzierten Zeitschriftdiskussion, noch die dezidiert negative Feststellung des Zeitzeugen seiner Gründung über die vermeintliche Bedeutung des Dichterdenkmals besiegeln das Ende des besagten Denkmals im Garten von Zarskoe Selo.
1. Das abwesende Denkmal als Zeugnis der Erinnerungsarbeit Festzuhalten ist, dass sich die Fragen des Leserbriefes über das Denkmal „Genio loci“ erst im Zuge der rekonstruierenden Nachforschungen als scheinbar absurd herausstellen. Die Rekonstruktion der Hintergründe hat eine Ver-
1920er Jahren. Trier 2003). Auf dieser Basis lassen sich die Eigenschaften der Literatur als des Mediums des Gedächtnisses wie folgt definieren: „Literatur als ein Medium, das nicht nur auf Gedächtnisprozessen beruht (‚Gedächtnis der Literatur‘) oder Gedächtnis darstellt (‚Gedächtnis in der Literatur‘), sondern überdies auch ‚Gedächtnis‘ – von kulturspezifischen Schemata über Vergangenheitsversionen bis hin zur Vorstellung von den Funktionsweisen des Gedächtnisses – in der Erinnerungskultur vermittelt.“ Astrid Erll/Ansgar Nünning, Literaturwissenschaftliche Konzepte von Gedächtnis: Ein einführender Überblick, in: Dies. (Hg.), Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft. Theoretische Grundlegung und Anwendungsperspektiven. Berlin 2005, S. 1-10, hier S. 5. 12 Vgl. dazu das Forschungsprogramm des Sonderforschungsbereichs 434 „Erinnerungskulturen“ an der JLU Gießen (1997-2008): Günter Oesterle (Hg.), Gedächtnis – Erinnerung – Wissen. Grundzüge einer kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen 2005 (Formen der Erinnerung; 26); Ders., Art. Erinnerung, kulturelle, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, hg. v. Ansgar Nünning. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart 2001, S. 149-150; Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, in: Nünning/Nünning, Konzepte der Kulturwissenschaften, S. 156185. 13 Siehe zur Definition des auf Maurice Halbwachs zurückgehenden Begriffs: Aleida Assmann, Art. Kollektives Gedächtnis, in: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon, S. 308-310, hier S. 309: „Institutionen und Körperschaften wie Nationen, Staaten, die Kirche oder eine Firma haben kein Gedächtnis, sie machen sich eines und bedienen sich dafür memorialer Zeichen und Symbole, Texte, Bilder, Riten, Praktiken, Orte und Denkmäler. Mit diesem Gedächtnis ‚machen‘ sich Institutionen und Körperschaften zugleich eine Identität.“ 44
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schiebung des zeitlichen Horizonts der Ereignisse um knapp sechs Jahrzehnte zurück zur Folge und fordert damit die Reichweite eines sozialvermittelten, gruppenbezogenen Gedächtnisses heraus.14 Die frappierende Differenz der Sinnzuweisungen macht bei genauerer Betrachtung deutlich, dass hier im Medium der Zeitschrift die Kommunikation von mindestens zwei unterschiedlichen Erinnerungsgemeinschaften vermittelt wird, die jeweils eine andere Erinnerungsintention aufweisen. Dabei geht es weniger um nichtidentische persönliche Erfahrungen eines Fragestellers und seiner Antwortgeber, sondern um divergierende Formen des kollektiven Bezugs auf das „Damals“ und ihrer Repräsentation im „Jetzt“: „Das Vergangene ist keine fixe Entität, die einen festen Ort hätte, an dem sie aufbewahrt werden würde, es ist das Resultat einer Elaboration in der Gegenwart.“15 Anschaulich wird dieser Zusammenhang in der Entwicklung der Genius-loci-Episode, bei der daher zuerst die Frage zu stellen ist, was, von wem und zu welchem Zeitpunkt eigentlich erinnert wird? Aus der Sicht der Angehörigen der Lyzeumsgemeinschaft handelt es sich um ein Artefakt aus den Gründerjahren der Einrichtung, das in seiner Eigenschaft als stummer Zeuge der Vergangenheit erinnerungswürdig ist. Im Gegensatz zu dem Ritual des Jahrestagsfestes, an dem man zu der Gründung des Lyzeums zurückkehrt und die Identität der Gemeinschaft in der wiederkehrenden Erinnerung an die Vergangenheit bestätigt, nimmt der Gedenkstein in der gruppenspezifischen Erinnerungskultur der Lyzeumsgemeinschaft jedoch den Stellenwert eines Randphänomens ein. Das Artefakt gehört zwar der gemeinsamen Vergangenheit an, es tritt jedoch nicht singulär und isoliert auf, sondern verweist auf ihr Ganzes. Eine Erzählung über dieses Relikt bedarf daher einer Rekonstruktion auf der Ebene der komplexen Ereignisse. Die 14 In der Terminologie von Jan Assmann handelt es sich um das „kommunikative Gedächtnis“, das gesellschaftlich nach Gruppen geformt ist, in der Alltagskommunikation entsteht und dadurch veränderlich ist, so dass seine Reichweite maximal drei Generationen umfasst. Dieser Form der kollektiven Vergegenwärtigung ist das „kulturelle Gedächtnis“ entgegengesetzt, das sich in kulturellen Objektivationen äußert, daher eine unbestimmt lange Dauer aufweisen kann und sich durch Identitätskonkretheit, Rekonstruktivität, Geformtheit, Organisiertheit der Trägerschaft, Verbindlichkeit und Reflexivität auszeichnet. „Unter dem Begriff kulturelles Gedächtnis fassen wir den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten zusammen, in deren ‚Pflege‘ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.“ Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Jan Assmann/Tonio Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988, S. 9-19, hier S. 15. Siehe auch: Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1992. 15 Günter Butzer, Fehlende Trauer. Verfahren epischen Erinnerns in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. München 1998, S. 16. 45
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Erinnerungsarbeit innerhalb der Absolventengemeinschaft erlaubt es auch, die Geschichte des Artefakts von der Gründung über die Restaurierung bis hin zur Verlegung detailliert zu rekonstruieren. Aber angesichts der buchstäblichen Leere im neuen Schulgarten und der erklärten Negation einer personenbezogenen Erinnerungsstiftung kann die Klärung des eigentlichen, für die Gegenwart relevanten Sachverhalts in Hinblick auf die Funktion des Denkmals als gescheitert gelten. Die Fragen des Leserbriefs sind offensichtlich in einem anderen Bezugsrahmen angesiedelt, und zwar dem der russischen Gesellschaft überhaupt. Sie verorten sich explizit in einer ihnen aktuellen bürgerlichen Denkmalkultur und weisen zudem einen besonderen Zusammenhang mit dem voranschreitenden nationalen Dichterkult auf. Die Diskrepanz zwischen der Intention der Frage und der Form der Antwort geht letztlich darauf zurück, dass die orts- und gruppenspezifischen Erinnerungspraktiken der Lyzeumsangehörigen in einer offiziellen Erinnerungskultur eine Konkurrenz erfahren. Diese privilegiert eine Monumentalisierung, sie zielt auf die Präsenz des Denkmalskults, auf den Textkorpus des literarischen Kanons und lässt sich nachträglich im Modell einer verbindlichen homogenen Nationalkultur verorten. Die mit der Veröffentlichung der Frage herausgeforderte Reaktivierung des Wissens muss daher über eine gruppeninterne Überlieferung und ihre alltagskulturellen Kommunikationsformen hinausgehen. Nicht der biografische Zusammenhang der Angehörigen einer Gruppe stellt nun den kollektivrelevanten Bezug der Sinnzuweisung des Denkmals dar. In dem neuen Kontext fungiert die „Genio-loci“-Widmung als ein erinnernswerter Teil der Vergangenheit einer herausragenden Bildungsinstitution, wobei die Angehörigen der Lyzeumsgemeinschaft als Augenzeugen und Akteure der Tradierung auftreten. Die eigentliche Referenz des zu Erinnernden jedoch ist nicht ihre gruppenspezifische Vergangenheit, sondern eine einzige Person aus diesem Kreis und ihre außerordentliche Leistung, die als wertstiftend und normgebend für die gesamte kulturelle Formation aufgefasst wird. Die veränderte kollektivbiografische Verortung des Denkmals geht mit seiner Umdeutung einher, die auf Kosten des Vergessens eines „klassisch-antiken“, um 1800 noch in kulturelle Praktiken eingebundenen Wissensvorrats stattfindet. Dagegen ist ein nationalkultureller Bezug auf die „klassisch-russische“ Literaturgeschichte aktuell, gefragt ist das Wissen über ihre Personen, Texte und Institutionen abseits des antikisierenden Vorwissens. Darin ruht der Widerspruch zwischen den Ergebnissen der Nachforschungen und der Intention der Fragestellung, die die Denkmalwürdigkeit einer konkreten Person nicht anzweifelt, sondern gerade auf den kulturellen Sinn der Demontage bzw. der Abwesenheit des Artefakts zielt, sich auf die russische Kultur bzw. die russische Literaturgeschichte bezieht und das Bewahren der Erinnerung an eine herausragende Persönlichkeit fordert.
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Abb. 2. Robert Bach (1859-1933): Denkmal „An Aleksandr Sergeevič Puškin“ in Zarskoe Selo (1900). Fotografie aus den 1960er Jahren von M.A. Veličko.
In der Folgeentwicklung der semantischen Transformationsprozesse, die in dem Zusammentreffen der unterschiedlichen Erinnerungskulturen in der Genius-loci-Episode sichtbar werden, wird die Stellung der literarischen Sprache Puškins zunehmend als normgebende Basis der kulturellen Selbstbeschreibung vorangetrieben. Sie wird in die stabilisierenden Strategien der kulturellen Identität eingebunden, indem die Erinnerung an den Gründer der Nationalliteratur gegenwärtig gehalten wird und die Signifikation aller ihn betreffenden Gedächtniszeichen im Rahmen des kollektiven Gedächtnisses 47
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der gesamten kulturellen Formation Russlands stattfindet. Dass bereits die besagte Fragestellung aus dem Jahr 1873 im Zeichen der Monumentalisierung des Dichters steht und sich in einer spezifischen Erinnerungskultur verortet, bestätigt die Weiterentwicklung der Episode. Dabei materialisieren sich die Bemühungen um die Herstellung von Kohärenzen und die Schließung der Lücken – die Leerstelle im Garten und die Differenzen der kommunizierten Wissensbestände – in den kulturellen Praktiken der Denkmalstiftung.
2. Denkmalstiftung im Garten zwischen Erinnerung und Poesie Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geben die Dichterdenkmäler in vielen russischen Städten Zeugnisse der spezifischen memorativen Praxis ab: im Jahr 1832 entsteht ein Denkmal für Michail V. Lomonosov in Archangelsk (Bildhauer Ivan P. Martos), 1844 wird in Simbirsk an Nikolaj M. Karamzin erinnert (Bildhauer S.I. Gal’berg) und 1847 an Gavriil R. Deržavin in Kasan (Künstler unbekannt).16 Nachdem die russlandweiten Spendenaufrufe für ein Puškin-Denkmal von Erfolg gekrönt waren, ist im Jahr 1880 in der Hauptstadt Moskau das erste repräsentative Monument dieses Autors entstanden.17 Dank der Bemühungen der Bürger der Stadt St. Petersburg kommt es gegen Ende des Jahrhunderts zu der Grundsteinlegung eines weiteren Denkmals für den russischen Nationaldichter. Die Eröffnung findet 1900 statt und zwar an dem ursprünglichen Standort des Gedenksteines „Genio loci“ in Zarskoe Selo. Die figürliche Plastik des aus dem ausgeschriebenen Wettbewerb als Sieger hervorgegangenen Bildhauers Robert Bach (1859-1933), stellt Aleksandr Puškin in einer träumenden Körperhaltung auf einer Gartenbank sitzend dar.18 (Abb. 2) Auf dem Postament des Denkmals sind neben der Namenswidmung mehrere Zitate aus dem lyrischen Werk Puškins angebracht, insgesamt sind es drei Fragmente aus den Gedichten „19. Oktober“19 (1825) und „An Raevskij“20 (1822) sowie ein Zitat aus der ersten Strophe des 16 A.M. Pubinštejn, Art. Pamjatniki pisateljam, in: Kratkaja literaturnaja ėnciklopedija. Moskva 1968, Bd. 5, Sp. 562-564. 17 Das Puškin-Denkmal in Moskau von Bildhauer A.M. Opekušin ist am 6 (18). Juni 1880 eröffnet worden. 18 Denkmal „An Aleksandr S. Puškin“, Bildhauer Robert R. Bach, Standort: Stadt Puschkin (russ. Puškin), Dvorcovaja ulica, Lyzeumsgarten; Eröffnung: 15. Oktober 1900; Materialien: Ganzkörperplastik aus Bronze, Postament aus poliertem Granit, Fundament aus Granit, gravierte vergoldete Inschriften auf dem Postament. 19 „Друзья мои, прекрасен наш союз!/ Он как душа неразделим и вечен —/ Неколебим, свободен и беспечен/ Срастался он под сенью дружных муз./ Куда бы нас ни бросила судьбина,/ И счастие куда б ни повело,/ Всё те же мы: нам целый мир чужбина;/ Отечество нам Царское Село.“ Puškin, Sobranie sočinenij v 10 tomach. Bd. 2, S. 103. 20 „Младых бесед оставя блеск и шум,/ Я знал и труд и вдохновенье,/ И сладостно мне было жарких дум/ Уединенное волненье.“ Ebd., S. 518. 48
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achten Kapitels des Vers-Romans „Evgenij Onegin“21 (1832), die sich alle explizit auf die Gartenlandschaft von Zarskoe Selo beziehen. Den Ungewissheiten, die am Ende der offenen Diskussion aus dem Jahr 1873 entstanden sind, wird die Präsenz eines musterhaften Mediums der nationalen Erinnerungskultur entgegengesetzt. Das Monument füllt damit nicht nur die Leerstelle des historischen Schauplatzes aus, sondern kehrt in den spezifischen Raum zurück, in dem das Dichterdenkmal als memoriale Form ein Jahrhundert zuvor kulturhistorisch entstanden und diskursfähig geworden ist: „Die identifikatorische Funktion einer Vermittlung zwischen einer zu findenden und zu bestimmenden Herkunft, zwischen Geschichte und Gesellschaft also, erfüllt das Denkmal. Durch die auf Natur begründete Legitimität der frühen bürgerlichen Gesellschaft erhält auch die denkmalhafte Befestigung der Identität ihre naturale Anbindung: Der Garten wird das Feld, auf dem Natur, Geschichte und Denkmal zuerst und nachhaltig einander vermittelnd objektiviert werden.“22
Die Platzierung des Denkmals im Garten im Jahr 1900 reaktualisiert die gedächtnistheoretische Bedeutsamkeit des Standortes, die für die individuellbzw. gruppenbiografisch geprägte Debatte in der Zeitschrift „Russisches Altertum“ kaum eine Rolle gespielt hat. Die Verbindung des Personendenkmals mit der inhaltlichen Anbindung an den Ort seiner Aufstellung, die durch die Auswahl der Inschriften ausdrücklich bestätigt wird, lässt das PuškinDenkmal in Zarskoe Selo als eine musterhafte Verwirklichung der Denkmaltradition erscheinen, so wie sie im Rahmen der Landschaftsgartenästhetik entwickelt und in der Gartengestaltung popularisiert worden ist. „Die sinnstiftende Vermittlung im Dichterdenkmal zwischen ausdruckstarker Verehrung, Textgedächtnis, historischer Bedeutsamkeit des literarischen Werkes und ruhmesträchtiger Übereignung an die Zeitlosigkeit der Natur“23 machen den Kern der damals neuen Denkmalkultur aus, die im ausgehenden 18. Jahrhundert von Christian Cay Lorenz Hirschfeld in Deutschland und im Anschluss an ihn von Andrej Bolotov in Russland für den Landschaftsgarten
21 „В те дни в таинственных долинах,/ Весной, при кликах лебединых,/ Близ вод, сиявших в тишине,/ Являться муза стала мне.“ (Entstanden 1829-1839; Erstveröffentlichung 1832). Puškin, Sobranie sočinenij v 10 tomach. Bd. 5: Evgenij Onegin, Dramatičeskie proizvedenija, S. 142. 22 Wilfried Lipp, Natur – Geschichte – Denkmal. Zur Entstehung des Denkmalbewußtseins der bürgerlichen Gesellschaft. Frankfurt am Main u.a. 1987, S. 20. 23 Roland Kanz, Dichterporträts an Gartendenkmälern der Empfindsamkeit, in: Die Gartenkunst 5/1 (1993), S. 126-134, hier S. 126. – Zu dem Zusammenhang der Gedächtnisstiftung im Garten siehe auch John Dixon Hunt, „Come into the garden, Maud“: Garden Art as a Privileged Mode of Commemoration and Identity, in: Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.), Places of Commemoration: Search for Identity and Landscape Design. Washington 2001, S. 9-24. 49
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formuliert worden ist.24 Der Denkmalskult tritt somit seine Karriere im Garten an und verbreitet sich in einer zunehmend von der Gartenästhetik emanzipierten Form in dem städtischen Raum.25 Diese Entwicklung geht einher mit der Ablösung des Gartens in der Funktion eines privilegierten räumlichen Gedächtnismodells des 18. Jahrhunderts durch die Stadt, die als der „Raum einer sich architektonisch artikulierenden Erinnerungskultur in Form zentraler, als Merkzeichen fungierender [...] Bauten“26 die gedächtnistheoretischen und ästhetischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhundert beherrscht. Dass eine, auf den ersten Blick für die Erinnerungskultur um 1900 anachronistische Verortung des Denkmals im Garten keine bloße Wiederholung des Gewesenen darstellt, soll im weiteren gezeigt werden. A posteriori werden hier die Ergebnisse der einschneidenden Veränderungen in der Erinnerungskultur des 18. Jahrhunderts, die die modernen Formen der verzeitlichten Wahrnehmung vorbereitet haben und mit der Literarisierung der Gesellschaft und der Popularisierung der Gartengestaltung einhergegangen sind, unter den neuen Vorzeichen transformiert. Im Zentrum der performativen Vermittlung des Denkmals befindet sich dabei die Verbindung von Literatur, Erinnerung und Gartenraum. Ein Jahr vor der Denkmaleröffnung ist ein Essay von Innokentij Annenskij (1855-1909), einem bedeutenden Schriftsteller der russischen Moderne entstanden, der unter dem Titel „Puškin und Zarskoe Selo“ veröffentlicht und aus Anlass der Grundsteinlegung als Rede gehalten worden ist.27 Gleich zu Beginn verortet Annenskij, seine Rede bzw. seinen Text in dem memorialen Kontext des feierlichen Anlasses: „Vor einhundert Jahren ist in Moskau in der Deutschen Straße ein Mann geboren worden, dessen Schicksal es gewesen ist, seine Heimat zu rühmen und selbst zum Teil ihres Ruhmes zu werden.“28 24 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 2, S. 780f.; Bd. 3, S. 126-170; Bd. 4, S. 81f.; Andrej Bolotov, Obščie zamečanija g. Giršvel’da o statujach, in: Ėkonomičeskij magazin 29 (1787), S. 289-302, 305-315; Ders., Obščie zamečanija g. Giršvel’da o monumentach, in: Ebd., S. 321-333, 337-347; Obščie zamečanija g. Giršvel’da o nadpisjach, in: Ebd., S. 363-367. 25 Siehe dazu die bereits erwähnte grundlegende Untersuchung von Lipp. 26 Tausch, Art. Architektur, in: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon, S. 52-53, hier S. 52. Vgl. auch den Sammelband: Tausch, Gehäuse der Mnemosyne; darin insbesondere der Aufsatz: Nicolas Pethes, Die Geburt der Mnemotechnik aus dem Zusammenbruch der Architektur. Karriere und Grenzen einer Gedächtnismetapher zwischen G. Camillo und Th. De Quincey, S. 2340. 27 Innokentij Annenskij, Puškin i Carskoe Selo. Sankt-Peterburg 1899. 28 „Сто лет тому назад в Москве на Немецкой улице родился человек, которому суждено было прославить свою родину и стать ее славой.“ Innokentij Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, in: Ders., Knigi otraženij, hg. v. N.T. Ašimbaev, I.I. Podol’skaja, A.V. Fëdorov. Moskva 1979, S. 304-321 (Literaturnye pamjatniki), hier S. 304. – Die Deutsche Straße (russ. Nemeckaja ulica, heute Baumanskaja ulica) verdankt ihren Namen der Anbindung an die Siedlung der 50
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Das Panorama des landesweiten feierlichen Gedenkens, das Annenskij anschließend entwirft, vermittelt anschaulich, welche Dimensionen der Dichterkult um 1900 erreicht hat: Er wird von dem bewahrenden Gedächtnis der Archive, der Museen und der Gedenkstätten getragen und erstreckt sich über die Tradierung in den Institutionen der Bildung, der Literatur und der Kunst bis hin zur unmittelbaren Aktualität für jedes russischsprachige Individuum.29 Die Dichterverehrung ist darüber hinaus in den am Ende des 19. Jahrhunderts bereits bestehenden Denkmälern materiell präsent. Zwei ‚Dichtermonumente’ flankieren auch den Essaytext: am Anfang handelt es sich dabei um ein literarisches Denkmal – das poetische Werk Puškins –, und am Ende geht es um die zu enthüllende Statue der Dichters auf der Gartenbank in Zarskoe Selo. Dazwischen platziert Annenskij, narrativ wie erinnerungskulturell, mehrere Schichten poetischer Verfahren, die die Vergangenheit als Erinnerung an Erinnerung in die Gegenwart einholen. Zuerst lässt er eine Reihe von Texten Puškins Revue passieren und rückt ihren spezifischen räumlichen Bezug ins Zentrum seiner essayistischen Darstellung. Indem Annenskij Puškins Lyrik ins Gedächtnis ruft, hebt er besonders die in den Texten wiederkehrende Erinnerung an die Gärten in Zarskoe Selo hervor: „Wer erinnert sich nicht an die Gedichte und Strophen, die Puškin Zarskoe Selo gewidmet hat? – Sie blitzen auf allen Blättern seiner Poesie auf, gleich einem plötzlichen Lächeln einer lauteren Erinnerung. Man rufe sich nur folgende in Erinnerung: In geheimnisvollen Tälern, im Frühling, beim Schrei der Schwäne, an still leuchtenden Gewässern, begann mir zu jener Zeit die Muse zu erscheinen. […].“30
Im Verlauf des Essays unternimmt der Autor nach und nach eine Relektüre von Puškins lyrischem Werk, die schließlich den Landschaftspark von Zarskoe Selo als den Initiationsraum der poetischen Begabung Puškins erscheinen lässt:
Ausländer bei Moskau (russ. Nemeckaja sloboda), zu der die Straße geführt hat. (Siehe dazu das Kapitel „Siedlungslandschaft an der Jausa“ in Teil II der vorliegenden Arbeit). 29 Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, S. 304-305. 30 „Кто не помнит стихотворений и отдельных строф, посвященных Пушкиным Царскому Селу, – они блещут по всем страницам его поэзии, точно беглые и светлые улыбки воспоминания. Вспомните хоть эти строчки: В те дни, в таинственных долинах,/ Весной, при кликах лебединых,/ Близ вод, сиявших в тишине,/ Являться муза стала мне.“ Ebd., S. 306. – Das zitierte Fragment aus „Evgenij Onegin“ (8. Kapitel, 1. Strophe) bringe ich hier in der Prosaübersetzung von Kay Borowsky: Alexander Puschkin, Eugen Onegin. Ein Roman in Versen. Stuttgart 1995, S. 173. Eben dieses Zitat befindet sich auf dem Postament des Dichterdenkmals in Zarskoe Selo. 51
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„Genau hier, in diesem harmonischen Wechsel zwischen Schatten und Licht, Himmelblau und Gold; Wasser, Grün und Marmor; Altertum und Leben; in dieser feinen Verbindung der Natur und der Kunst hat Puškin noch an der Schwelle seiner Jugend alle Bestandteile der herben Schönheit finden können, der er für immer treu geblieben ist, ob in der Gestalt seiner Bilder, ob in der Natürlichkeit der Übergänge, ob in der Raffinesse der Kontraste (vergleicht man diese nur mit den viel gerühmten [Beispielen] Deržavins), und sogar in der Strenge seiner Rhythmen […].“31
Bei einem der Texte, auf den sich Annenskij ausdrücklich bezieht, handelt es sich um das Gedicht „Erinnerungen in Zarskoe Selo“ von 1815, das als eine Art literarische Qualifikationsarbeit im Rahmen einer Lyzeums-Prüfung von Puškin vorgetragen worden ist und nach der anschließenden Veröffentlichung den Namen des jungen Autors bekannt gemacht hat.32 Diesem biografischen Zusammenhang verdankt die in dem Essay angelegte Bedeutung des Gartens als Ort der literarischen Sprachfindung eines einzigartigen Dichters eine besonders nachhaltige Wirkungskraft. Das poetische Heranwachsen im Garten und die anschließend erfahrene Anerkennung durch den bei der Prüfung anwesenden Nestor der russischen Literatur – Gavriil Deržavin – gewinnen an Überzeugung dank der literarischen Topoi, die den Garten als Ort der Erziehung überliefern. Der Zusammenhang erweist sich aber auch als aktuell, indem er zugleich im Bezugshorizont der neuen russischen Literaturgeschichte angesiedelt wird. Die damit angedeutete Kontinuität im Wandel macht die Verbindung von Garten und Literatur als Ort und Medium zu einem alles entscheidenden Fluchtpunkt der weiteren Darstellung, die die Möglichkeiten der Vergegenwärtigung von Vergangenem auslotet. Explizit sind es zum einen die Rituale und Praktiken des Gedenkens, die in der eingangs erwähnten Reflexion über den memorativen Anlass der Rede den literarischen Text als Denkmal vereinnahmen. Zum anderen wird die Poesie selbst als Medium der Erinnerung an die Vergangenheit Puškins ins Rampenlicht gerückt. Anschließend wird das Wechselspiel zwischen literarischer Leistung und ihrem gartenspezifischen Ursprung als besonders erinnerungswürdig inszeniert. Diese Inszenierung kulminiert in der nachträglich vorgenommenen Bedeutungszuweisung des Gartens von Zarskoe Selo als Initiationsraum der Poesie. Parallel zu diesen monumentalisierenden Formen der Erinnerung lässt sich eine implizite Vernetzung mit einem dem Garten in 31 „Именно здесь, в этих гармонических чередованиях тени и блеска; лазури и золота; воды, зелени и мрамора; старины и жизни; в этом изящном сочетании природы с искусством Пушкин еще на пороге юношеского возраста мог найти все элементы той строгой красоты, которой он остался навсегда верен и в очертаниях образов, и в естественности переходов, и в изяществе контрастов (сравните их хотя бы с прославленными державинскими), и даже в строгости ритмов […].“ Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, S. 308. 32 Puškin, Vospominanija v Carskom Sele, in: Ders., Polnoe sobranie sočinenij v 10 tomach. Bd. 1: Stichotvorenija 1813-1820, S. 70-74. 52
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Zarskoe Selo eigenen „Textgedächtnis“ ausmachen. Literaturhistorisch gesehen erscheint nämlich das Essay Annenskijs als Fortsetzung einer seit der Einrichtung von Zarskoe Selo bestehenden Tradition poetischer Wiedergabe des Gartens: der erste prominente Text stammt von Michail Lomonosov und thematisiert 1750 den Garten als erhabenen, der Macht der Zarin zugeordneten Raum, danach folgen Johann Gottlieb Willamov und Gavriil Deržavin, die die Zeichen der zur Historie gewordenen Gegenwart als Denkmal oder Ruine im Landschaftsgarten des ausgehenden 18. Jahrhunderts je unterschiedlich poetisieren.33 An diese literarische Linie knüpft auch der Lyzeumsschüler Puškin mit dem Gedicht „Erinnerungen in Zarskoe Selo“ an, als er den Ausgang seiner poetischen Darstellung bei den Gartendenkmälern der russischen Vergangenheit nimmt und in die Geschichtsträchtigkeit der gegenwärtigen Ereignisse um die Napoleonischen Kriege überleitet. In der narrativen Geste des Essays ruft Innokentij Annenskij die Erinnerung an die frühere Poesie über den Garten hervor und geht damit ein Intertextualitätsspiel mit seinen literarischen Vorgängern ein.34 Damit spricht er sich für den Mo33 Zu dem Kontext der memorativen Praxis der Gartentexte über die Anlage in Zarskoe Selo siehe das Kapitel „Literarische Vermittlung erinnerungskultureller Funktionsweise der Denkmäler im Garten“ in Teil III der vorliegenden Arbeit. – Grundsätzlich zu Ruine und Denkmal, als den beliebten Staffagen des Landschaftsgartens, die die Spannung zwischen Dauer und Vergänglichkeit veranschaulichen, siehe: Adrian von Buttlar, Zum Transzendenten im Landschaftsgarten, in: Garten, Landschaft, Wahlverwandtschaften, hg. v. Fondazione Benetton Studi Recerche. Treviso, Milano 1993, S. 47-62. Weiterführende Literatur zum Ruinen-Themenkomplex: Reinhard Zimmermann, Künstliche Ruinen. Studien zu ihrer Bedeutung und Form. Wiesbaden 1989; Günter Hartmann, Die Ruine im Landschaftsgarten. Ihre Bedeutung für den frühen Historismus und die Landschaftsmalerei der Romantik. Worms 1991; Ute Klostermann, Von der Ruine im Landschaftsgarten zur Ruine der Landschaft, in: Oesterle/Tausch, Der imaginierte Garten, S. 239-253; Andrea Siegmund, Die romantische Ruine im Landschaftsgarten. Ein Beitrag zum Verhältnis der Romantik zu Barock und Klassik. Würzburg 2002; Boris Sokolov (Hg.), Tema ruin v kul’ture i iskusstve. Moskva 2003 (Caricynskij naučnyj verstnik; 6). 34 Das Verdienst, als erste die grundsätzliche Fragestellung nach der Intertextualität als Gedächtnisprozess aufgeworfen zu haben, gebührt Renate Lachmann. In ihrer, 1990 erschienen Monografie „Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne“ erläutert sie u.a. die Kanonisierung Puškins als „Klassiker“ anhand der Rede Fëdor M. Dostoevskijs bei der Denkmaleröffnung in Moskau 1880. Dostoevskij versuche, – so Lachmann, – „den Dichter zu einem singulären Exponenten des Dichtertums zu erklären und ihn zum ‚ÜberKlassiker‘ zu erheben.“ Denn Puškin habe „eine noch verborgene Kraft des russischen Volkes prophetisch erkannt, die im Streben zu Allweltlichkeit/Allwelt (всемирность) und Allmenschlichkeit/Allmenschheit (всечеловечность) bestehe.“ (Renate Lachmann, Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt am Main 1990, S. 301-303). In einem darauffolgenden Kapitel behandelt Lachmann Puškins Horaz-Transposition des „exegi monumentum“-Gedichts. Dabei siedelt sie Puškin im „metonymischen Para53
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dus des lyrischen Schreibens als ein adäquates Mittel der Vergegenwärtigung aus, wobei er gleichzeitig die Historizität der poetischen Mittel mitreflektiert: „Der poetische Duft des Gedichts ist für uns bereits unwiederbringlich verflogen. In dem Gemälde der Mondnacht, die ihr Licht auf Lilienfelder, Najaden und Wasserfälle wirft, kann man kaum den Zarskosel’skij Park erkennen. Viel lebendiger ist dagegen die Poesie der Denkmäler wiedergegeben.“35
An diesem Punkt des frühen Gedichts Puškins setzt Annenskij an und zeichnet das Thema der Erinnerung und der Poesie in den später entstandenen Texten nach. Ob in „Rusalka“ (1819), „Ruslan und Ljudmila“ (1817-1820), „Erinnerung“ (1828) oder „Am Anfang des Lebens denke ich an die Schule zurück“ (1830), so Annenskij, entwerfe Puškin eine eigene Topografie derselben Parkanlage, eigne sie sich an und transformiere die Vergangenheit im poetischen Akt der Erinnerung: „Im Bereich des Lyrischen bleibend, stellen wir fest, dass gerade in Zarskoe Selo, in diesem Park der ‚Erinnerungen’, sich erstmals in der Seele Puškins die Neigung zu der poetischen Form der Erinnerung entwickelt haben musste; auch später hat Puškin diese Stimmung besonders geliebt.“36
In einem entscheidenden Schritt – von der Figur des Ursprungs der Poesie im Garten zu dem Prozess der poetischen Wiedererinnerung – vollzieht Annenskij die poetologische Engführung von Garten und Erinnerung, die gerade um 1900 in dem ästhetischen Diskurs der europäischen Moderne eine Renaissance erfährt.37 Kulturhistorisch geschieht dies zu einem Zeitpunkt, als digma der Intertextualität“ zwischen Horaz, Lomonosov, und Deržavin an. „Das bedeutet im Kontext der anagrammatischen, sylleptischen und zitierenden Verfahren ein Festhalten am Gedächtnis als Partizipation an den Texten der Vergangenheit, eine Teilhabe, die sich im Dialog mit diesen einerseits und in einer den Prätext überbietenden Geste des Weiterschreibens andererseits kundtut.“ (Ebd., S. 303-338, hier S. 303). – Auf Annenskij und den Zusammenhang mit Zarskoe Selo geht Lachmann in ihrer Studie nicht ein. 35 „Его [стихотворения] поэтический аромат уже испарился для нас и безвозвратно. В картине лунной ночи, озаряющей лилии на полях, и наяд, и бисерную реку водопадов, трудно узнать царскосельский парк. Живее передана разве поэзия памятников.“ Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, S. 307. 36 „Оставаясь в области лиризма, мы найдем, что именно в Царском Селе, в этом парке ‚воспоминаний‘ по преимуществу, в душе Пушкина должна была впервые развиться наклонность к поэтической форме воспоминаний, а Пушкин и позже всегда особенно любил этот душевный настрой.“ Ebd., S. 309. 37 Vgl. Manfred Koch, „Mnemotechnik des Schönen.“ Studien zur poetischen Erinnerung in Romantik und Symbolismus. Tübingen 1988; Friedmar Apel, Die Kunst als Garten. Zur Sprachlichkeit der Welt in der deutschen Romantik und im Ästhetizismus des 19. Jahrhunderts. Heidelberg 1983; Thomas Köbner, Der Garten als literarisches Motiv um die Jahrhundertwende, in: Ders., Zurück zur 54
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die Gartenkunst ihren ästhetischen und soziokulturellen Zenit längst überschritten hat. Ihr damals zunehmend als prekär reflektierter Charakter weist sogar eine eigene literarische Traditionslinie auf.38 Gerade alte Gärten, die die Vernichtung durch die ökonomischen Zwänge überlebt haben, werden nun um die Jahrhundertwende neu entdeckt. Diese Konjunktur des verlassenen Gartens zieht sich durch die europäische Moderne und wirkt sich in der Literatur, bildenden Kunst und Kunstkritik, Gartentheorie und Kulturgeschichte aus.39 Sie ist außerdem in eine komplexe poetische Erinnerungspraxis eingeNatur: Ideen der Aufklärung und ihre Nachwirkung. Heidelberg 1993, S. 110165. 38 Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung erscheinen die großen Gartenanlagen auf dem Land, wie die Formen ländlichen Lebens überhaupt, als anachronistisch und entwickeln einen Charakter des „Fremden“ in Bezug zu den städtischen Lebensweisen. Je mehr sich das Leben in der Stadt dem Projekt einer realisierten Utopie verschreibt, desto mehr kollabiert die Vorstellung des Gartens als der idealtypischen Garten-Haus-Einheit. Die Überbleibsel der elaborierten Gartenkultur sind die kultivierte Pflanze eines Zimmer- oder Wintergartens in der städtischen Wohnung und die alten, verwilderten Gartenräume innerhalb und außerhalb der Stadt. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, ökonomischen und ästhetischen Veränderungen, die die Stadt-Land-Opposition erneut in Frage stellen, bekommt die literarische Bearbeitung des Gartenthemas besonders innerhalb des Landgutmodells neue Konjunktur. Unter dem Vorzeichen der Vergänglichkeit der vertrauten Ordnung innerhalb der (adligen) Landgutanlagen werden auch ihre Gärten als (meist unfreiwillig, aus familiären oder ökonomischen Gründen) verlassene Orte thematisiert. Als berühmte literarische Beispiele sind neben Ivan Turgenevs „Dvorjanskoe gnezdo“ (1859) zu nennen: Erbauseinandersetzungen als Grund in Theodor Storms „Die Söhne des Senators“ (1881) oder Anton Čechovs „Der Kirschgarten“ (1904), sowie der Tod in Storms „Viola Tricolor“ (1873), Wilhelm Raabes „Akten des Vogelsangs“ (1893-95). – Zu der „Mythologisierung“ des Landgutes in der russischen Literatur vgl. die materialreichen Monografien: Vasilij Ščukin, Mif dvorjanskogo gnezda. Geokul’turnoe issledovanie po russkoj klassičeskoj literature. Krakow 1997; Ekaterina Dmitrieva/Olga Kupcova, Žizn’ usadebnogo mifa: utračennyj i obretënnyj raj. Moskva 2003. 39 Eine führende Rolle übernimmt in diesem Zusammenhang die Kunstpublizistik im Umfeld der Zeitschrift „Starye gody“. (Siehe zu der Einordnung in dem russischen Gartendiskurs: Anan’eva/Veselova, Sady i teksty, S. 365.) Paradigmatisch sind folgende Aussagen von Lukomskij: „новая книга об усадьбах пишется, читается и даже лежит теперь у всех на столе раскрытой“ (Georgij K. Lukomskij, Pamjatniki starinnoj architektury Rossii. Bd. 1: Russkaja provincija. Petrograd 1916, S. 349); „интеллигенции нашей 1840-1850 (не говорю уж о 60-70х годах) самые «памятники» - дома-усадьбы вовсе не были дороги; не «видели» беллетристы красоты усадеб.“ (Ders., Starye gody. Berlin 1923, S. 115). – Vgl. kommentierte Bibliografien: Russkaja usd’ba na stranicach žurnalov „Starye gody“ i „Stolica i usad’ba“. Annotirovannyj bibliografičeskij ukazatel’, hg. v. Nadežda N. Aurova/Dar’ja D. Lotarëva. Moskva 1994; Starye gody: chronologičeskaja rospis’ soderžanija: 1907-1916, hg. v. Feliks M. Lur’e. Sankt-Peterburg 2007. 55
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bunden, die auf die Vergegenwärtigung des Entzogenen, des Ungreifbaren und des Vergessenen abzielt. Diese Erinnerungskultur hat ihren Ursprung und ihre ästhetische Begründung in der Theorie des Landschaftsgartens. Den damit etablierten Imaginationen des Vergänglichen gehen Prozesse der Temporalisierung voran, die die „Gegenwart“ erst als einen Zeitbegriff um 1800 konstatieren, sie als eine zeitliche Dimension zwischen Vergangenheit und Zukunft „entdecken“ und damit die Dominanz der Denkfigur der Vergegenwärtigung als eine räumliche Präsenz verabschieden.40 Die Rolle des Experimentierfeldes für den Übergang von den verräumlichten zu den verzeitlichten Formen der Vergegenwärtigung übernimmt im 18. Jahrhundert paradoxerweise ein Raum - der Garten. Wahrnehmungsästhetisch tritt an die Stelle der kognitiven Erschließung eines konkreten Raumes seine affektive Aneignung über die Stimmung. So behandelt auch Hirschfeld im Rahmen seiner Ästhetik des Landschaftsgartens die Entstehung der Stimmung aus dem Charakter der Gartenumgebung. Die Gartenstaffagen, die aus dem Zusammenspiel der Kleinarchitekturen, der Denkmäler und der Inschriften entstehen, vermittelt die Stimmung der Vergänglichkeit, der „sanften Melancholie“: „Inschriften scheinen besonders in einem sanftmelancholischen Garten fast unentbehrlich. Sie stimmen die Seele, oder erhalten sie doch in der Stimmung, worin sie versetzt ist; sie führen sie auf höhere Betrachtungen fort, wozu diese Stimmung nur vorbereiten soll.“41
Dabei können diese vordergründig intentionalen Erinnerungszeichen des Gartenbesitzers ihre Wirkung für jeden Besucher entfalten, unabhängig davon, ob man diese im Sinne ihrer jeweiligen Geschichte lesen kann oder nicht. Die wirkungsästhetische Leistung der Stimmungsräume in einem Garten äußert sich darin, dass die in Gang gesetzte Einbildungskraft den Besucher in die individuelle Vergangenheit versetzt und damit seine eigenen Erinnerungen hervorzurufen vermag: „Wir finden in der einsamen Wiedererinnerung nicht selten ein verlorenes Gut wieder, genießen im Bilde noch einmal eine Glückseligkeit, die auf ewig verschwand; mit Phantasien voll süßer Schwermut schwimmen wir der Vergangenheit auf ihrem Strome nach. [...] Diese Betrachtungen, die trüben und doch erhellen, diese Empfin40 Grundlegend zur historischen Semantik der „Gegenwart“: Ingrid Oesterle, Der „Führungswechsel der Zeithorizonte“ in der deutschen Literatur. Korrespondenzen aus Paris, der Hauptstadt der Menschheitsgeschichte, und die Ausbildung der geschichtlichen Zeit „Gegenwart“, in: Dirk Grathoff (Hg.), Studien zur Ästhetik und Literaturgeschichte der Kunstperiode. Frankfurt am Main 1985, S. 11-75. insbesondere S. 48f.; Dies., Innovation und Selbstüberbietung: Temporalität der ästhetischen Moderne, in: Silvio Vietta/Dirk Kemper (Hg.), Ästhetische Moderne in Europa. Grundzüge und Problemzusammenhänge seit der Romantik. München 1998, S. 151-178, besonders S. 154-157. 41 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, 1782, Bd. 4, S. 83. 56
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dungen, die erweichen und doch stärken, unterstützt die Natur sowohl durch tausend Erscheinungen von Vergänglichkeit, als auch durch besondere Gegenden von einem einsamen und ernsten Charakter.“42
Resümierend über die Bedeutung der Gartenanlage von Zarskoe Selo für die Poesie Puškins betont auch Annenskij die Wirkung der Gartennatur im Ganzen, durch „die Musik der dort geborenen Stimmungen.“43 Das charakteristische Merkmal der poetischen Erinnerung Puškins, die ihn von seinen literarischen Vorgängern und Zeitgenossen unterscheidet, sieht Annenskij jedoch gerade nicht in der Fähigkeit, dem „Strome der Vergangenheit nachzuschwimmen“: „Seine [Puškins] Erinnerungen sind das Bewusstwerden des Gefühls der unmöglichen Rückkehr gewesen: so war das mit den ‚Erinnerungen in Zarskoe Selo’, das gleiche sehen wir im Gedicht ‚Wieder in der Heimat’. Jedes Mal hat der Dichter mit der wunderbaren Genauigkeit das gemalt, was er in dem Augenblick fühlte, und nicht das, was er vormals erlebt hatte.“44
Ausdrücklich gefragt ist die Transformation des Vergangenen in dem poetischen Akt der Erinnerung von einem gegenwärtigen Stadtpunkt aus. Darin sieht Annenskij die Modernität Puškins und hebt, in der Retrospektive betrachtet, „die Umkehrung der Intentionalität“ hervor, die die modernen Formen der Erinnerung auszeichnet: „Nicht Rückkehr zum Vergangenen ist das Ziel der Erinnerung, sondern Integration des Gewesenen in die Gegenwart.“45 Die poetologische Aktualisierung des Landschaftsgartens, die sich aus dem Essay „Puškin und Zarskoe Selo“ rekonstruieren lässt, legt die immanente Pluralität seiner Erinnerungskultur offen. Sie knüpft erstens an die Bewahrung des Vergangenen in der raumbezogenen Denkmalkultur an, führt zweitens die literarische Tradierung als Bewusstsein für intertextuelle Verwicklungen fort und inauguriert schließlich die individuelle Aneignung des Vergangenen und des Gegebenen „in einem autonomen Akt des Ich“.46 Im Fokus des Dichterdenkmals im Garten um 1900 gewinnen die sich scheinbar ausschließenden Erinnerungsoptionen an Kontur, die die individu42 Ebd., S. 81 [Hervorhebung A.A.]. 43 „и что вообще природа [Царскосельского сада и дворца] действовала на него не деталями, а общим впечатлением, я бы сказал музыкой рождаемых настроений.“ Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, S. 312. 44 „[…] его воспоминания были сознанием чувства невозвратности: так было с «Воспоминаниями в Царском Селе», то же видим в пьесе «Опять на родине». Всякий раз кисть поэта с волшебной точностью воспроизводила то, что поэт чувствовал теперь, а не то, что переживал прежде.“ Ebd., S. 316. 45 Butzer, Fehlende Trauer, S. 16. Siehe dort ausführliche Darstellung zu dem philosophischen Hintergrund der Dynamisierung des Erinnerungsbegriffs: S. 1345. 46 Ebd., S. 18. 57
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elle und die kollektive Erinnerungsarbeit sowohl im Rahmen als auch abseits der ritualisierten Geselligkeit zu organisieren im Stande sind. Die intentionale Form des Gedenkens und das unwillkürliche Erinnern gehen in dem von Annenskij privilegierten Modell der Erinnerung der Erinnerung einher. Als Repräsentant für dieses Verfahren, das auf die Formel „Poesie der Erinnerung im Garten“ gebracht werden kann, steht das frühe literarische „Meisterstück“ Puškins selbst. Die raumbezogene, „emblematisch und mnemotechnisch ausgerichtete Gedächtnisübung“ und eine verzeitlichte, „kreative Kunst der Erinnerung mit futurischer Tendenz,“47 die den Kern des Paradigmenwechsels des 18. Jahrhunderts ausmachen, bilden in diesem Modell der Erinnerung im Garten um 1900 keine erinnerungskulturelle und ästhetische Opposition mehr, sondern koexistieren als zwei mit einander verknüpfte Modi. Die Gefahr der damit verbundenen latenten Kontingenz, die in der Zeitschriftendiskussion um den „Genius loci“ augenfällig geworden ist, scheint nun durch den wiederbelebten Bezug zu dem Garten aufgehoben zu sein. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass das zu Erinnernde in einem Raum angesiedelt wird, zu dessen konstituierenden Merkmalen Differenzen und Ungleichzeitigkeiten gehören. Die Eigenschaft des Gartens liegt in seiner vergangenen Bedeutsamkeit begründet, die ihn als einen Raum für die produktions- und wirkungsästhetische Verwaltung von räumlichen Präsenzen und Abwesenheiten, sowie von alternierenden Erinnerungskulturen legitimiert. Das Wissen über die Wandlungsfähigkeit des Zusammenspiels von Denkmal, GenieBegriff und Formen der Erinnerung im Landschaftsgarten, aus dem sich ästhetische Subjektivität entfaltet hat, ist am Ende des 19. Jahrhunderts durchaus präsent. Anders als Modest Korf, der in dem eingangs zitierten Statement zu dem „Genio-loci“-Denkmal einen sinnvollen, für die Gegenwart relevanten Zusammenhang verneinend demontiert, halten 1897 die Autoren des Grimmschen Wörterbuchs die Begriffsgeschichte so akribisch wie anschaulich fest: „im 18. jahrh. kam das lat. genius zu einem neuen aufleben und weiterer geltung, auch weit über den antiken begriffskreis hinaus, […] überhaupt entwickelte sich nun ein verhältnis zu jenen antiken geistern, das man wirklich als einen erneuten cultus der genien bezeichnen kann, in der kunst und dichtung wie im leben der höheren gesellschaft. […] in gärten aus jener zeit und noch aus unserem jahrhundert sieht man altäre, säulen, tempelchen dem genius der freundschaft, der liebe, der freude, der erinnerung, der dankbarkeit u.ä. geweiht, oft auch ohne bild, sodasz der genius, zugleich gut deutsch, wie nur als geist und im geiste schwebend gedacht ist. und nun auch nicht mehr fast blosz als allegorische decoration, wie in der italienischfranzösischen periode, nicht mehr nur als kalte nachahmung, als gelehrte verstandes sache ([…] nur personificiertes abstractum), sondern durch die kraft der dichtung 47 Günter Oesterle/Christina Dongowsky/Rolf Haaser/Ute Klostermann, Erinnern und Erfinden. Ein ästhetisch-soziales Wechselspiel zwischen poetisierten Gärten und Festen und literarischer Kunst des Erinnerns, in: Antrag auf Finanzierung des Sonderforschungsbereichs „Erinnerungskulturen“ (Förderungsphase 19971999). Justus-Liebig-Universität Gießen 1996, S. 295-325, hier S. 296. 58
Genius loci in Zarskoe Selo
nun auch ins empfindungsleben einwachsend, wie neu lebendig geworden in einer art unwillkürlichen glaubens an wahrheit dabei […].“48
3. Bedeutungsüberschuss versus Produktion von Gewissheiten In dem oszillierenden Charakter zwischen offiziellem Gedenken und individualisierten Erinnerungsformen, die einen potenziellen Bedeutungsüberschuss der Gedächtnisinhalte aufweisen, ist der Grund dafür zu sehen, dass nicht das repräsentative Moskauer Denkmal Puškins, sondern das Gartendenkmal in Zarskoe Selo zu einem Gedächtnisort der russischen Kultur avanciert ist.49 Eine im Gartenraum lokalisierte und verkörperte Repräsentation des literarischen Genies setzt eine andere Rezeptionshaltung und damit auch eine andere Erinnerungsform voraus, als das Denkmal im öffentlichen Raum 48 Art. Genie 2, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 5 (Gefoppe-Getreibs), hg. v. Rudolf Hildebrand und Hermann Wunderlich. Leipzig 1897, Sp. 3398-3399. – Vgl. die 1880 lexikalisch festgehaltene russische Definition des Begriffs, die nur den aktuellen Wortgebrauch akzentuiert und damit dem negativen Erklärungsversuch Korfs nahe steht: „Генiй, незримый, безплотный духъ, добрый или злой; духъ-покровитель человѣека, добрый или злой./ Самобытный, творческiй даръ в человѣкъ; высшiй творческiй умъ; созидательная способность; высокiй природный даръ, дарования; сомобытность изобрѣтательного ума./ Человѣкъ этихъ свойствъ или качествъ. Генiальный, исполненный генiя; самобытный, творческiй, самодарный. Генiальность, качество, свойство генiального.“ Vladimir I. Dal’, Tolkovyj slovar’ živago velikorusskago jazyka. Moskva 1880 (Nachdruck: Moskva 1956), Bd. 1, S. 348. 49 Auf die paradoxen Auswirkungen monumentaliesierender Gedächtnisstiftung haben die Herausgeber des Sammelbandes „Kulturelles Vergessen“ hingewiesen, die in dem einleitenden Aufsatz die Mechanismen des kulturellen Vergessens erörtert haben. Sie haben gezeigt, dass das Vergessen nicht nur in Folge der Umdeutung der Zeichen oder des Bedeutungsverlustes eintreten, sondern auch eine Folge der Verdrängungsleistung von Monumentalisierungen darstellen kann: Günter Butzer/Manuela Günter (Hg.), Kulturelles Vergessen. Medien Rituale - Orte. Göttingen 2004 (Formen der Erinnerung; 21), S. 9-14. – Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Analyse der „Statuomanie“ (ebd., S. 42) in den europäischen Städten des 19. Jahrhunderts besonders aussagekräftig, die Arnd Beise in seinem Aufsatz präsentiert hat. In seinen Ausführungen problematisiert Beise die inflationäre Präsenz politischer Erinnerungsvorgaben, die, so seine These, gerade im Zeichen des Vergessens stehen. Denn die vermeintliche Zeitlosigkeit der seriell produzierten Denkmäler macht vergessen, wie konstruiert die von ihnen behauptete historische Konstanz eines gesellschaftlichen Wertekanons ist. (Arnd Beise, „Mit einem Gedenkstein um den Hals ins Meer des Vergessens“. Das Paradox der historischen Denkmalstatue, in: Butzer/Günter, Kulturelles Vergessen, S. 41-60.) – Eine detailreiche Darstellung der feierlichen Rituale im Zusammenhang mit dem Puschkin-Denkmal in Zarskoe Selo im 19. und 20. Jahrhundert findet sich bei Rudenskaja, Carskosel’skijAleksandrovskij licej. 59
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der Stadt. Die dem Aufenthalt im Garten angemessene Körperhaltung der plastischen Darstellung Puškins in Zarskoe Selo verweist auf jene im Landschaftsgarten entwickelte und seitdem jedem Gartenbesucher vertraute Verhaltensweise und suggeriert damit eine gewisse Unmittelbarkeit des Erlebnisses. Die an die subjektiven Erfahrungen appellierende Denkmalinszenierung verringert die Distanz zu der zu erinnernden Person und ermöglicht dem Betrachter eine stärkere Identifikation, zumal die subjektiven Erinnerungsformen in den Fragmenten der poetischen Texte thematisiert werden und dadurch eine anleitende Funktion erhalten. In der Topografie der Intimität eines Gartenraums bekommt die historisch-politische Dimension der Erinnerungskultur eine individuell-biografische Alternative.50 Die Folgen der skizzierten Erinnerungsarbeit gehen über die Illustration einer bürgerlichen Denkmalkultur oder eines nationalen Dichterkultes hinaus. In Zarskoe Selo ist zugleich die Entstehung eines lieu de mémoire aus der Transformation der erinnerten Inhalte und der Gedächtnisgemeinschaft selbst zu beobachten.51 Das plurimediale Ensemble aus Gartenraum, Plastik und Schrift dient dabei der Lokalisierung der Erinnerung einer größeren Gemeinschaft und reguliert die intentionale Tradierung des „nationalen Erbes“, das „als Instanz zur Klärung legitimer und illegitimer kultureller Vergangenheitsbeziehungen“52 fungiert. Die Sinngebung erfolgt über die Narra50 Zum Konzept der Topografie der Intimität siehe Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 222-225: „Die Aktivierung der privaten Erinnerungsarbeit ist ein wesentlicher Grundzug des Landschaftsgartens gewesen. Es wurde versucht, die Einbildungskraft der Besucher zu erregen und an gewissen Stellen der Anlage die persönliche Geschichte der Betrachtenden zu aktualisieren. [...] Die Gäste werden aufgefordert, ihr individualbiografisches Wissen einzubringen und im Garten eine Topographie der Intimität zu erstellen.“ – Auf welche Weise diese Forderung in die Erinnerungskultur des Landschaftsgartens von Pawlowsk eingegangen ist, wird im Kapitel „Ort der privaten Erinnerung“ in Teil V der vorliegenden Arbeit ausführlich geschildert. 51 Der Begriff, der einen materiellen, symbolischen oder funktionalen Ort meint, in dem ein Kollektiv sich und seine Geschichte wiedererkennt, geht auf Pierre Nora und sein gleichnamiges Buchprojekt zurück. Pierre Nora (Hg.), Les lieux de mémoire. 7 Bde. Paris 1984-1992; Etienne François/Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bde. München 2001; Georges Nivat/Alexandre Arkhanguelski (Hg.), Les lieux de mémoire russe. Paris [in Vorbereitung]. 52 Günter Oesterle, Zur Historisierung des Erbebegriffs, in: Bernd Thum (Hg.), Gegenwart als kulturelles Erbe: ein Beitrag der Germanistik zur Kulturwissenschaft deutschsprachiger Länder. München 1985, S. 411-451 (Publikationen der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik; 2): „Der Erbebegriff ist ein Krisenbegriff der Tradition und [...] ein Krisenbewältigungsbegriff der Identität. [...]. In den Gebrauch des Erbebegriffs eingegangen ist ein geschichtlicher Tempuswechsel der historischen Zeiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ – Mit einem eher totalisierenden Begriff des nationalen Erbes arbeitet Pierre Nora im Rahmen von „Les lieux de mémoire“: „Problematisch an dieser Art der Betrachtung erscheint die Ausrichtung auf das ‚nationale Erbe‘ (Nation), das den Blick auf die konfligierenden Gedächtnisse und Gedächtnisorte differenter sozialer 60
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tion, wobei gerade die scheinbar universellen Medien des Gedächtnisses – die Schrift (als Widmung und als Textkorpus) und das Denkmal – für die Dynamik des Prozesses sorgen. Der Bezug der Inschrift „Genio loci“ auf den antiken Wirkungsgeist eines Ortes – den Genius des Gartens – ist in dem Nahhorizont des individuellbiografischen Zusammenhangs der Angehörigen der Gruppe der Lyzeumsschüler noch präsent; in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entsteht im Gefolge der neuen Genieästhetik die Verbindung zu der Person Aleksandr Puškins, eines herausragenden Dichters, die die Bedeutung des Ortes im Sinne des Gartens des Genies verfestigt. Die damit abgesteckte Reichweite der fluktuierenden Genius-Vorstellung reicht von der in der Antike verankerten Idee der Personifikation der dem Ort innewohnenden Eigenschaften bis zu dem modernen Kult einer schöpferischen Persönlichkeit. Im Zentrum dieser ambivalenten Begriffsgeschichte steht die Frage nach dem Ursprung und den Möglichkeiten des Neuen, die im Spannungsfeld zwischen Konvention und Individualität angesiedelt ist.53 Kulturhistorisch fungiert der Garten als die diskursive Schnittstelle, die die Ordnung zwischen Raum, Schrift und Gedächtnis innerhalb der ästhetischen und erinnerungskulturellen Neuorientierung hervorbringt und verwaltet: „Der Landschaftsgarten wird zum ästhetischen und pädagogischen Exerzierfeld für eine neuartige Erinnerungskultur. Die im Anschluss an Locke sich ausbildende Assoziationstheorie löst das rhetorische Konzept der memoria als eines stabilen und reproduzierbaren Speichers ab und konstituiert das subjektive Bewusstsein aus einem dynamischen Prozess von Ideen und Erinnerung. Das Ergebnis ist eine folgenreiche Umformulierung der rhetorischen Mnemotechnik durch Aufnahme suggesti-
Gruppen innerhalb einer Gesellschaft zu verstellen droht.“ Beate Binder, Art. Gedächtnisort I, in: Gedächtnis und Erinnerung. Ein inderdisziplinäres Lexikon, S. 199-200. 53 Zur Begriffsgeschichte siehe: Eberhard Ortland, Art. Genie, in: Ästhetische Grundbegriffe. Stuttgart 2001, Bd. 2, S. 661-708 (Literaturverzeichnis: S. 708709). – Zu dem Genius loci als Architekturbegriff siehe: Jan Piper, Über den Genius Loci. Architektonische Gestaltungen einer antik-römischen Idee, in: Kunstforum international 57/1 (1983), S. 40-59. Pieper hat die britische Diskussion im Blick, wenn er schreibt: „das, was Pope aus Horaz und Vergil herausgelesen hat, das, was [Robert] Castell in den Briefen des Plinius über den Genius Loci fand, das ist es, was architekturhistorisch wirksam wurde. […] Der Dichter [Pope] hat damit aus dem diffusen antik-römischen Konzept des Genius Loci einen klar umrissenen architekturtheoretischen Begriff gemacht, der für die Diskussion um den Abbau des Vitruvianismus und vor allem für die englische Assoziationsästhetik ungeheuer wichtig werden sollte.“ (Ebd., S. 44, S. 45) – Zu der neueren Integration des Begriffs in die Konzepte der Stadtplanung siehe: Cornelia Majunke, Der Genius loci: Geist des Ortes oder verorteter Geist. Landschaftsplanung zwischen dem Wunsch nach Ganzheit und moderner Subjektivität. Berlin 1999 (Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur, hg. v. Ludwig Trepl und Ulrich Eisel; Bd. 12). 61
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ver, emotiver Erinnerungsmuster. Die reproduktive memoria wandelt sich durch die Verbindung mit ingenium und inventio zu einem produktiven Vermögen.“54
Die entsprechenden ästhetischen Konzepte werden in der Gartenliteratur entwickelt und mit Hilfe dieser Texte verbreitet, sodass die Imagination der Stimmungsräume aus der Verbindung der literarischen Produktion und des Erlebnisses anhand der Lektüre und des Gartenbesuches entsteht. Das Denkmal im Garten wird dabei als das Gedächtniszeichen gedacht, das die Prozesse der kreativen identitätsstiftenden Erinnerung auslöst. Genau hier knüpft die um 1900 vorgenommene Umdeutung des Genius loci in Zarskoe Selo an, die die Aufmerksamkeit von dem Ort der Vergangenheit auf den Raum der poetischen Imagination verlagert und dadurch kontingente Deutungen wieder ins Spiel bringt. Die monumentalisierende Intention der Gedächtnisstiftung, so wie sie exemplarisch in der eingangs zitierten Leserfrage aus dem späten 19. Jahrhundert zum Ausdruck kommt, dominiert jedoch die narrative Verortung der Genius-loci-Episode in dem kollektiven Gedächtnis der russischen Gesellschaft bis heute. Im Bezugsrahmen der nationalen Erinnerungskultur angesiedelt, ist das erinnerungspoetische, potenziell offene, in der Konsequenz beinahe beliebige Modell, das Annenskij u.a. in seinem Essay entworfen hat, dennoch von den stabilisierenden Tendenzen eingeholt und einheitstiftend transformiert worden. Die durch Annenskij vorgenommene Interpretation, die die Komplexität der Vergegenwärtigungsprozesse zwischen Poesie und Erinnerung offenlegt, hat aber selbst kanonbildende Wirkung gezeigt. Der erinnerungspoetische Zusammenhang ist von allen danach erfolgten kulturund literaturhistorischen Darstellungen des Verhältnisses zwischen dem Ort und dem Schriftsteller übernommen worden.55 Die Erinnerungshoheit beansprucht jedoch die totalisierende Deutung, die den Lyzeumsgarten in Zarskoe Selo als symbolische Quelle poetischer Inspiration des Nationaldichters mit der Denkfigur des Ursprungs der russischen Literatur kurzschließt. Sie hat sich nachhaltig bei den späteren Interpretationen des gesamten literarischen Schaffens des Autors ausgewirkt und zu einer weitgehenden Ausblendung aus dem wahrnehmungsästhetischen und erinnerungskulturellen Kontext des Landschaftsgartens und seiner kulturhistorische Relevanz geführt.
54 Oesterle u.a., Erinnern und Erfinden, S. 296. 55 Siehe: Nikolaj Anciferov, Puškin v Carskom Sele, hg. v. Vladimir Bonč-Bruevič. Moskau 1950; Dmitrij Lichačëv, Puškin i sady Liceja, in: Ders., Poėzija sadov. Leningrad 1991, S. 321-348. 62
Genius loci in Zarskoe Selo
Abb. 3. Gedenkstein mit der Widmung „Genio loci“ in Puschkin bei St. Petersburg, 1999.
Die letzte noch existierende Leerstelle – die Abwesenheit des ursprünglichen Gedenksteins – ist schließlich 1999 geschlossen und ein verbindliches Narrativ im Zusammenhang mit dem eigentlichen Bedeutungsüberschuss dieses Gedächtnisortes endgültig geschaffen worden. (Abb. 3) Auf Initiative der Bürger von Zarskoe Selo, des Ortes, der seit 1937 den Namen des Dichters trägt, ist in Anlehnung an die ursprüngliche eine neue Gedenktafel mit der Widmung „Genio loci“ und in Begleitung der folgenden Erläuterung errichtet worden: „Im Jahr 1817/ nach der Idee von E[gor] Engel’gard/ [haben] die Absolventen des 1. Jahrganges des Lyzeums/ einen Gedenkstein mit der Inschrift/ „genio loci“/ dem Genie des Ortes [angebracht]./ Der Gedenkstein ist rekonstruiert worden/ zum 200. Geburtstag/ A. S. Puškins/ auf die Initiative und dank der Spenden/ der Bevölkerung der Stadt Puschkin.“56 56 „В 1817 году/ по замыслу Е. Энгельгарда/ 1 выпуск лицея/ установил плиту с надписью/ ‚genio loci‘/ гению места/ Плита восстановлена/ к 200 летию со дня рождения/ А.С. Пушкина/ по инициативе и на средства/ жителей г. Пушкин.“ – An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die aktuelle historische Forschung zu den institutionellen Mechanismen der Jubiläen methodisch verstärkt im Anschluss an die Fragen des kulturellen Gedächtnisses erfolgt. Bezeichnend ist dafür das Forschungsprogramm des Teilprojekts unter der Leitung von Winfried Müller „Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus“ des Sonderforschungsbereichs 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“ an der TU Dresden. Dort wird „am Beispiel des historischen Jubiläums die Regelhaftigkeit und Stabilität suggerierende Rhythmisierung von Zeitabläufen als substantielles Element von Institutionalität untersucht. Das Jubiläum wird dabei als ein institutioneller Mechanismus aufgefasst, der von beliebigen Organisationen 63
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4. Erfindung des „Russischen“ und die Folgen nationalkultureller Vereinheitlichung In den ersten zwei Dezennien des 19. Jahrhunderts, in denen die Genius-lociEpisode mit der Lyzeums-Dichtung Puškins und der Grundsteinlegung der ersten Tafel im Lyzeums-Garten ihren Ursprung hat, lässt sich – zeitlich wie personell – die verbindliche Erfindung des „Russischen“ als Bestandteil des nationalen Bewusstseins verorten. Der Sieg über Napoleon in dem „Vaterländischen Krieg“, mit dem Russland 1815 „dem napoleonischen Kontinentalsystem ein Ende bereitete – und Europa zu alter Freiheit verhalf“,57 begünstigt die Aufmerksamkeit auf das Eigene der russischen Kultur und verschärft die Frage nach der „bislang für selbstverständlich erklärte[n] Zugehörigkeit zum Westen“.58 Die in der Folge entwickelten und im Verlauf des 19. Jahrhunderts etablierten Konzepte der national begründeten kulturellen Identität gehen in die institutionalisierte Geschichts- und Literaturgeschichtsschreibung ein. In dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gewinnen insbesondere die poetologischen Debatten um die Bestimmung des Russischen an polemischer Intensität hinzu.59 Das Programm einer national orientierten Strömung innerhalb der russischen Romantik entwirft ein Freund Puškins und sein ehemaliger Lyzeumskommilitone, Wilhelm Küchelbecker (russ. Vil’gelm Karlovič Kjuchel’beker, 1797-1846). In der Zeitschrift „Mnemosyne“ (russ. Mnemozina) formuliert er 1824 in einem stark polemisierenden Artikel seine Forderungen für eine „wahrhaft russische Poesie“.60 Ihre Grundlagen beschränken sich keineswegs
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und Personen adaptiert werden und sich zugleich nur über diese realisieren kann. Die ihm zugewiesene Aufgabe ist es, durch regelmäßige Inszenierung institutionelle Ordnungen im Prozess ihrer Selbstgenerierung affirmativ abzustützen.“ [23.12.2007]. Vgl. Winfried Müller (Hg.), Das historische Jubiläum. Genese, Ordnungsleistung und Inszenierungsgeschichte eines institutionellen Mechanismus, hg. in Verbindung mit Wolfgang Flügel, Iris Loosen und Ulrich Rosseaux. Münster 2004. Schmidt, Russische Geschichte: 1547-1917, S. 60. Ebd. Vgl. Jurij Tynjanovs einschlägige Klassifizierung der literarischen Polemik der 1820er Jahre (Jurij Tynjanov, Archaisty i novatory. Leningrad 1929) und im Anschluss daran die Analyse der poetologischen „Richtungskämpfe“ des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts und die Neubestimmung der Opposition „Klassik und Romantik“, die Renate Lachmann unternommen hat (Lachmann, Gedächtnis und Literatur, S. 294-303). Vil’gel’m Kjuchel’beker [Küchelbecker], O napravlenii našej poėzii, osobenno liričeskoj v poslednee desjatiletie, in: Mnemozina, sobranie sočinenij v stichach i proze 2 (1824), S. 29-44, hier S. 42. – Zu Küchelbecker als Schriftsteller siehe: Vil’gel’m Karlovič Kjuchel’beker, Putešestvie, dnevnik, stat’i, hg. v. Nina V. Koroleva u. Vadim D. Rak. Leningrad 1979 (Literaturnye pamjatniki). Zu der allgemeinen Verortung des poetologischen Programms von „graždanskij romantizm“ in der russischen Literaturgeschichte siehe: Vasilij Kulešov, Istorija 64
Genius loci in Zarskoe Selo
auf „Kraft, Freiheit und Inspiration“,61 die laut Küchelbecker für jede Art von Poesie als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Vielmehr soll die neue russische Dichtung, die den Vorzügen der romantischen Poetik folgt und zu der „sogenannten klassischen Poesie der neueren Europäer“62 auf Distanz geht, auf einem umfassenden Konzept der russischen Kulturgeschichte aufbauen. Küchelbecker hebt das „eigene Russische“, das er in den Texten, den Sitten und in dem Glauben verankert sieht, hervor und löst die nationalkulturelle Poetik aus dem gesamteuropäischen Kontext, vor allem in strikter Abgrenzung gegen die deutsche Literatur, heraus: „[…] es entstehe für den Ruhm Russlands die wahrhaft russische Poesie; es werde das Heilige Rus’ nicht nur in der politischen, sondern auch der geistigen Welt zu der führenden Macht! – Der Glaube der Vorväter, die vaterländischen Sitten, Chroniken, Lieder und Sagen des Volkes sind die besten, klarsten und wahrhaftesten Quellen unserer Literatur. – Wollen wir hoffen, dass unsere Schriftsteller, unter denen die jungen eine unmittelbare Begabung besitzen, sich von den deutschen Ketten befreien und den Willen, russische Schriftsteller zu werden, bekunden. – Hier meine ich insbesondere A[leksandr] Puškin, dessen drei Poeme, und besonders das erste, höchste Hoffnungen auf diesem Gebiet geweckt haben.“63 russkoj literatury XIX veka. Moskva 2005. – An dieser Stelle sei erwähnt, dass im Zentrum der literaturkritischen und poetologischen Polemik des zweiten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts unter anderem die neue russische Übersetzung des Poems „Les Jardins“ von Jacques Delille steht, die 1815 Aleksandr F. Voejkov unternommen hat. Auf diesen Zusammenhang hat seinerzeit Jurij Lotman hingewiesen und den literaturhistorischen Hintergrund der Debatten erläutert (Lotman, „Sady“ Delilja v perevode Voejkova i ich mesto v russkoj literature, in: Delil’, Sady, S. 191-209). Auf die Verortung Delilles „Gärten“ im russischen Gartendiskurs um 1800 wird im Kapitel „Sänger der Gärten“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit kurz eingegangen. Bereits bei den vor Voejkov unternommenen russischen Übersetzungen des Gartenpoems geht es um die Impulse einer poetologischen Erneuerung, die Autoren wie Stanevič und Palicyn mit der „poesie pittoresque“ des französischen Dichters verbinden. Gegen die beschreibende Poesie allgemein und gegen die Sprache der russischen „Gärten“ Voejkovs insbesondere richtet sich dagegen ein Artikel des Mitherausgebers der „Mnemozina“, Vladimir F. Odoevskij (1804-1869), der in Korrespondenz zu dem programmatischen Aufsatz von Küchelbecker steht und in demselben Heft der Zeitschrift veröffentlicht worden ist. Siehe: Vladimir F. Odoevskij, Pis’mo v Moskvu k V.K. Kjuchel’bekeru, in: Mnemozina 2 (1824), S. 168-185. Vgl. auch eine weitere programmatische Besprechung der „Gärten“ von Voejkov: Razbor „Sadov“ Delilja v perevode Vojekova, in: Syn Otečestva 35/3 (1817), S. 117ff. 61 „Сила, свобода и вдохновенiе необходимыя три условiя всякой Поэзiи.“ Kjuchel’beker, O napravlenii našej poėzii, S. 30. 62 „Свобода, изобрѣтенiе и новость составляютъ главныя преимущества Романтической Поэзiи передъ такъ называемою классическою позднѣйшихъ Европейцовъ.“ Ebd., S. 39. 63 „[...] да создается для славы Россiи Поэзiя истинно Русская; да будетъ Святая Русь не только въ гражданскомъ, но и въ нравственномъ мiрѣ первою Державою во вселенной! – Вѣра праотцевъ, нравы отечественные, 65
Russisch Grün
Die Tatsache, dass die poetologische Grundlegung einer vermeintlich unverwechselbaren nationalen russischen Literatur mit einem deutschen Namen verbunden ist, ist weder einzigartig noch kurios. Sie ist vielmehr beispielhaft für die heterogene Beschaffenheit der Kultur, in diesem speziellen Fall der politisch-sozialen Eliten in Russland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche Akteure deutscher Herkunft wirken bei der Gestaltung des kulturellen Lebens in Russland im Verlauf des 18. Jahrhunderts.64 Zu ihnen gehört auch der Vater Wilhelm Küchelbeckers, der aus Sachsen stammende Karl Küchelbecker (1748-1809), der sich in den 1780er Jahren maßgeblich an der Realisierung des Landschaftsgartenprojekts von Pawlowsk in der Funktion als Gartendirektor beteiligt hat. Diesem mehrsprachigen Zustand auf dem literarischen Gebiet zu Beginn des 19. Jahrhunderts trägt das Konzept der ersten „Systematischen Übersicht der Literatur in Rußland“ Rechnung. In der Einleitung zu dem ersten Band formuliert der Herausgeber Heinrich (Andrej Karlovič) Storch (1766-1835), ein in Riga geborener St. Petersburger Schriftsteller und Wissenschaftler, das Programm des Nachschlagewerks:
Лѣтописи, пѣсни и сказанiя народныя лучшiе, чистѣйшiе, вѣрнѣйшiе источники нашей Словесности. – Станемъ надѣяться, что наконецъ наши Писатели, изъ коихъ особенно нѣкоторые молодые одарены прямымъ талантомъ, сбросятъ съ себя поносные цѣпи Нѣмецкiя и захотятъ быть Русскими. – Здѣсь особенно имѣю въ виду А. Пушкина, котораго три Поэмы, особенно первая, подаютъ великiя надежды.“ Kjuchel’beker, O napravlenii našej poėzii, S. 42-43. 64 Die erste umfassende biografische Datenbank zu Ausländern im vorrevolutionären Russland hat Erik Amburger angelegt; aktuell befindet sie sich im „Archiv Erik Amburger“ an dem Osteuropa-Institut München und wird digitalisiert. – Einer systematischen bibliografischen Erfassung und Aufarbeitung der deutschen Autoren und Autorinnen in St. Petersburg widmet sich an der Universität Potsdam seit 2002 Ljubov’ Kirjuchina im Rahmen ihres Projekts „Schreiben als Grenzerfahrung: Das deutsche literarische Leben in Sankt Petersburg (17031917)", siehe: [07.09.2005]. – Zum deutschsprachigen Anteil der Bevölkerung im St. Petersburg des 18. Jahrhunderts siehe folgende neueren Publikationen: Lidija Semenova, Byt i naselenie Sankt-Peterburga: 18 vek. Moskva 1998; Natal'ja Ivanova, Nemeckojazyčnye izdanija v sobranijach S.-Peterburga. Sankt-Peterburg 1999; Kristine Koch, Deutsch als Fremdsprache im Russland des 18. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Geschichte des Fremdsprachenlernens in Europa und zu den deutsch-russischen Beziehungen. Berlin 2002 (Die Geschichte des Deutschen als Fremdsprache; 1); Elena Suslebina, Tri veka Sankt-Peterburga (Sankt-Peterburg i peterburgskie nemcy). Sankt-Peterburg 2004; Galina Smagina (Hg.), Nemcy Sankt-Peterburga: nauka, kul’tura, obrazovanie. Sankt-Peterburg 2005; Norbert Franz (Hg.), Sankt Petersburg - „der akkurate Deutsche“: Deutsche und Deutsches in der anderen russischen Hauptstadt (Beiträge zum internationalen interdisziplinären Symposium in Potsdam, 23.-28. September 2003). Frankfurt am Main 2006 (Kulturen und Literaturen europäischer Regionen; 1). 66
Genius loci in Zarskoe Selo
„Das russische Imperium umfasst außer der Hauptnation zahlreiche Völker, die ihre eigene Sprache und ihre eigene Literatur besitzen; und selbst die russischen Schriftsteller schreiben nicht nur in der einen, russischen Sprache, sondern auch in anderen alten und neueren Sprachen. Folglich kann eine Rundschau der Literatur in Russland nicht auf Bücher beschränkt werden, die ausschließlich in russischer Sprache und von Verfassern russischer Nationalität geschrieben worden sind; die Übersicht muss alle literarische Werke des gesamten Imperiums und aller Schriftsteller umfassen, die als ihre Bürger gelten.“65
Diese Position ist einer differenzierenden Vorstellung von vielfältiger staatlich-kultureller Formation verpflichtet und steht im Kontrast zu den Entwürfen des Nationalismus, der eine Sprache und damit eine nationale Identität privilegiert.66 Ihre auf Abgrenzung nach Außen und Homogenisierung nach 65 „Российская империя заключает в себе кроме главной нации, многие народы, которые имеют собственный язык и литературу; и самыи Российския сочинители пишут не на одном языке Российском, но так же иногда и на других языках, как древних, так и новейших. Следовательно обозрение литературы в России не может быть ограничено книгами, писаными токмо на языке Российском и сочинителями Российской нации; оно должно заключать в себе все произведения литературы сей империи и всех писателей, гражданами оной почитаемых.“ Andrej K. Štorch [Heinrich Storch], Sistematičeskoe obozrenie literatury v Rossii v tečenie pjatiletija s 1801 po 1806 god. Bd.1: Rossijskaja literatura. Sanktpeterburg 1810. – Die deutsche Ausgabe des Werks ist ein Jahr später gedruckt worden: Systematische Übersicht der Literatur in Rußland von 1801 bis 1805. Bd. 1, hg. v. Heinrich Storch; Bd. 2, hg. v. Friedrich Adelung. St. Petersburg, Leipzig 1811. 66 Die historische Semantik der russischen Begriffe „Nation“, „Vaterland“, „Patriot“ steht im Mittelpunkt der Untersuchungen von Ingrid Schierle. Vgl. Ingrid Schierle, Zur politisch-sozialen Begriffssprache der Regierung Katharinas II. Gesellschaft und Gesellschaften: „obščestvo“, in: Claus Scharf (Hg.), Katharina II. Rußland und Europa. Beiträge zur internationalen Forschung. Mainz 2001, S. 275-306; Dies., „Syn otečestva“. Der „wahre Patriot“, in: Peter Thiergen (Hg.), Russische Begriffsgeschichte der Neuzeit. Köln u.a. 2006, S. 347-367; Dies., „Vom Nationalstolze“: Zur russischen Rezeption und Übersetzung der Nationalgeistdebatte im 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für slavische Philologie 64/1 (2005-2006), S. 63-85. – Was die germanistische Forschung angeht, so ist neuerdings Hans Peter Herrmann mit einem expliziten Hinweis auf eine von Ute Planert aufgeworfene Frage nach einer kritischen Revision der etablierten Vorstellung von der Karriere des Nationalismus der Entstehung der nationalen Konzepte in der deutschen Literatur des 18. Jahrhundert nachgegangen, vgl. Hans Peter Herrmann, „Mein Arm wird stark und groß mein Muth […]“. Wandlungen des deutschen Nationalismus im 18. Jahrhundert, in: Hansjörg Bay/Kai Merten (Hg.), Die Ordnung der Kulturen: zur Konstruktion ethnischer, nationaler und zivilisatorischer Differenzen 1750 – 1850. Würzburg 2006, S. 5378 (Stiftung für Romantikforschung; 29); Ute Planert, Wann beginnt der „moderne“ deutsche Nationalismus? Plädoyer für eine nationale Sattelzeit, in: Jörg Echternkamp/Sven Oliver Müller (Hg.), Die Politik der Nationen: deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760 – 1960. München 2002, S. 25-59. 67
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Innen gerichteten Praktiken sind in der Forschung hinreichend beschrieben worden.67 Dennoch bleibt die historiografische Praxis weiterhin stark in den Denkfiguren eines wertenden Vergleichs verhaftet, ob sie die allgemeinhistorischen Figuren von „Vorreitern“ und „Nachzüglern“68 verfolgt oder die Spielarten der Opposition von „Slawophilen“ und „Westlern“ im Verlauf der russischen Geschichte analysiert.69 Die Dynamik der Grenzziehungen zwischen Eigenem und Fremdem, das Verhältnis zwischen Vielfalt und Einheit Das Verhältnis zwischen nationalistischen und imperialen Entwürfen im Russland des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die damit verbundenen Prozesse einer nationalen bzw. imperialen Identitätsstiftung können in dieser Arbeit nicht tiefergehend verfolgt werden. Die Analysen dieses Fragenkomplexes haben zur Zeit in der Russlandforschung Konjunktur. Stellvertretend dazu können die Zeitschrift „Ab Imperio“, die seit ihrer Gründung im Jahr 2000 vierteljährlich in russischer und englischer Sprache in Kazan’ erscheint, sowie die Publikationen aus ihrem Umfeld herangezogen werden: Ab Imperio: issledovanija po novoj imperskoj istorii i nacionalizmu v postsovetskom prostranstve. Ab Imperio: Studies of New Imperial History and Nationalism in the Post-Soviet Space 1 (2000) – 4 (2007), als elektronische Ressource: ; Gerasimov I.V./Glebov S.V./Kaplunovskij A.P./Mogil’ner M.B./Semenov A.M. (Hg.), Novaja imperskaja istorija postsoveckogo prostranstva. Sbornik statej. Kazan’ 2004 (Biblioteka žurnala „Ab Imperio“). 67 Einen Einblick in die aktuellen Diskussionen zu der Überwindung des methodischen Nationalismus in der historischen Forschung gewähren die Beiträge des Fachforums zur Geschichte des kulturellen Transfers und der transnationalen Verflechtungen in Europa und der Welt „geschichte.transnational.“ [15.06.2007]. Als ein Beispiel der neueren, literaturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung sei hier exemplarisch auf den bereits erwähnten Sammelband hingewiesen, der aus dem Gießener Graduiertenkolleg „Klassizismus und Romantik“ hervorgegangen ist: Hansjörg Bay/Kai Merten (Hg.), Die Ordnung der Kulturen: zur Konstruktion ethnischer, nationaler und zivilisatorischer Differenzen 1750-1850. Würzburg 2006 (Stiftung für Romantikforschung; 29). 68 Begriffprägend haben sich in diesem Zusammenhang die Publikationen von Reinhard Bendix ausgewirkt, siehe: Reinhard Bendix, Strukturgeschichtliche Voraussetzungen der nationalen und kulturellen Identität in der Neuzeit, in: Bernhard Giesen (Hg.), Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit. Frankfurt am Main 1991, S. 39-55. 69 Einer der früheren Versuche einer kritischen Auseinandersetzung in Hinblick auf Russland: Manfred Hildemeier, Das Privileg der Rückständigkeit. Anmerkungen zum Wandel einer Interpretationsfigur der neueren russischen Geschichte, in: Historische Zeitschrift 244 (1987), S. 557-603. – Über den neuesten Stand aus der Sicht der Osteuropaforschung informiert der Tagungsbericht: Peter Collmer, Möglichkeiten und Grenzen des historischen Vergleichs, in: [01.04.2005]. Siehe auch: Eva-Maria Stollberg, Transnationale Forschungsansätze in der osteuropäischen Geschichte, in: [01.04.2005]. 68
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innerhalb einer sich in offizieller Argumentation zunehmend als homogen begreifenden Kultur, sowie die Prozesshaftigkeit und der Konstruktionscharakter der Denkfiguren rücken nur allmählich ins Blickfeld der RusslandForschung.70 Ob Kanon, Klassiker oder Nation – es handelt sich um imaginäre Einheiten, die erst im Rahmen einer jeweiligen Erinnerungskultur ihre greifbaren Konturen erhalten.71 Die zentrale Grundlage für das homogenisierende Nationalbewusstsein bildet eine monumental und archivalisch ausgerichtete Erinnerungskultur. Die national fundierte kulturelle Identität wird im Rückbezug auf eine als gemeinsam verstandene Vergangenheit formuliert, die normativ besetzt und begrifflich als „klassisch“ erfasst wird.72 Gerade in der Zeitspanne, die die ehemaligen Lyzeumsschüler rückblickend zu rekonstruieren versuchen, wird im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine der dominanten Vorstellungen von der russischen „Klassik“ angesiedelt. Aus literaturhistorischer Sicht geht die retrospektive Konstruktion des Klassischen mit den Pro70 Ein weiteres Desiderat der Nationalismusforschung bleiben die Fragen der Rezeption und der Trägergruppen. Siehe dazu: Christoph Schmidt, Russische Geschichte, S. 174. – Was die aktuellen Impulse aus der Osteuropaforschung angeht, so existiert seit Mai 2006 ein Themenschwerpunkt „Zur Europäizität des östlichen Europa“ der Clio-online, siehe: [29.05.2006]. 71 Der Konstruktionscharakter dieser Konzepte ist seit dem Beginn der 1980er Jahre ins Bewusstsein der wissenschaftlichen Gemeinschaft nachhaltig eingetreten. Neben dem Begriff der „imaginären Gemeinschaften“, den der Politikwissenschaftler Benedict Anderson eingeführt hat, sind es die britischen Historiker Eric Hobsbawm und Terence Ranger gewesen, die auf die Prozesse der „Erfindung der Tradition“ aufmerksam gemacht haben. Siehe: Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London 1991 (1. Auflage: 1983; dt.: Die Erfindung der Nation: zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin 1998), Eric Hobsbawm/Terence Ranger (Hg.), The Invention of Tradition. Cambridge 1983; Eric Hobsbawm, Nationen und Nationalismus: Mythos und Realität seit 1780. Bonn 2005 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung; 521). – Die Prozesse der Erfindung einer eigenen gemeinsamen Vergangenheit im Rahmen der russischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts haben Andreas Langenohl und Frithjof Benjamin Schenk untersucht: Andreas Langenohl, Erinnerung und Modernisierung: die öffentliche Rekonstruktion politischer Kollektivität am Beispiel des neuen Russland. (Zugl.: Gießen, Univ., Diss., 1999). Göttingen 2000 (Formen der Erinnerung; 7); Frithjof Benjamin Schenk, Aleksandr Nevskij: Heiliger - Fürst - Nationalheld: Eine Erinnerungsfigur im russischen kulturellen Gedächtnis (12632000). (Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2002). Köln 2004 (Beiträge zur Geschichte Osteuropas; 36). 72 Vgl. Aleida Assmann/Jan Assmann (Hg.), Kanon und Zensur: Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation. München 1987 (Archäologie der literarischen Kommunikation; 2); Lachmann, Gedächtnis und Literatur, S. 280303 (darin das Kapitel „Die Ambivalenz der Klassik: Puškin und die russische Gedächtniskultur“). 69
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zessen des Vergessens der historischen Vielfalt der literarischen Produktion einher, und zwar sowohl in Hinblick auf Akteure als auch auf Sprachen und Textsorten. Für die erfolgreiche Tradierung des auf diese Weise homogenisierten Wissens sind die Institutionen der Literaturgeschichtsschreibung zuständig. Als Paradebeispiel für den selektiven Charakter der institutionellen Tradierung kann gerade die Figur Puškins herangezogen werden, denn seine erste Sprache ist Französisch, seine Herkunft geht ethnisch auf schwarzafrikanische Vorfahren und sozial auf die Welt des Adels zurück. Dennoch wird seine „zweite“ Sprache Russisch nachträglich als Initiation und zugleich Hochform der russischen Literatur gefeiert und darüber hinaus in Hinblick auf ihre Ursprünglichkeit und Nähe zur Volkskultur zu der Basis des Nationalbewusstseins aufgewertet: „Denn alle Geheimnisse unserer Sprache und Volkstümlichkeit sowie das Unterpfand ihrer endlosen Weiterentwicklung befinden sich dort, in den Werken Puškins […]. Puškin hat den Schriftstellern nicht nur die vollkommensten Schöpfungen des russischen Wortes hinterlassen und bewiesen, dass die Unsterblichkeit auch zum Schicksal eines russischen Genies werden kann; er hat nicht nur für sie die neuen Gussformen des Schöpferischen hergestellt, die unter der Feder seiner Nachfolger Weltruhm erlangt haben, sondern er hat auch zwei Instrumente einer bis dahin nicht gekannten Geschmeidigkeit hinterlassen – seine Sprache und seine Lyrik. Ganz zu schweigen davon, dass er durch sein Genie, seine edle Natur und auf Grund der erhabenen Tragik seines Schicksals überhaupt die Würde der russischen Schriftsteller gehoben hat.“73
Dem kulturellen Vergessen werden diejenigen Akteure preisgegeben, die dem homogenisierenden Raster nicht entsprechen: so wie Heinrich Storch, der einen der kulturellen Entwürfe vertreten hat, der sich in den modernen Wissensformen nicht durchgesetzt hat, oder wie Georg Engelhardt, der nur dank seiner Funktion als Leiter des Lyzeums, aber nicht als ein Schriftsteller erinnert wird.74 Die Verweigerung erinnerungskultureller Signifikation betrifft in 73 „Ведь все тайны нашего языка и народности и драгоценнейший залог их бесконечного развития — они там, в пушкинских творениях […]. Пушкин не только дал им [писателям] совершеннейшие из творений русского слова и доказал, что бессмертие может быть уделом и русского гения; он не только отлил для них новые формы творчества, ставшие мировыми под пером его преемников, но он дал им два новых орудия небывалой дотоле гибкости; свой язык и свой стих. Говорить ли о том, что своим гением, благородством натуры и высоким трагизмом жребия он поднял самое достоинство русских писателей.“ Annenskij, Puškin i Carskoe Selo, S. 305. 74 Beide Namen können stellvertretend für zahlreiche Autoren herangezogen werden, die keinen Platz in den Nachschlagewerken zur Literaturgeschichte Russlands erhalten haben. Dieses bis heute geltende Desiderat habe ich im Zusammenhang mit meinem Vortrag „Heinrich Storch – ein vergessener Akteur der deutsch-russischen Geschichte?“ (27. April 2005) in einer Sondersitzung der Abteilung für die russische Literatur des 18. Jahrhunderts der russischen Aka70
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erster Linie Autoren, die nicht in der russischen Sprache schreiben, die Textsorten, die aus der Sicht des aktuellen Kanons in literarischen Grenzbereichen angesiedelt sind, und schließlich alle Medien und Wissensbestände, die den limitischen Wissensordnungen der Moderne nicht konform sind.
demie der Wissenschaften diskutiert. Das von der Abteilung herausgegebene „Biografische Schriftstellerlexikon des 18. Jahrhunderts“ ist ein ambitioniertes und sich ansonsten durch ein beispielhaft weites Literaturverständnis auszeichnendes Projekt, das jedoch alle nicht russischsprachigen Publikationen konsequent ausschließt. Die sich in den letzten Jahren abzeichnenden Bemühungen um die lexikografische Erfassung deutschsprachiger Autoren in Russland sind zwar sehr lobenswert, laufen jedoch Gefahr, einer neuen institutionalisierten Marginalisierung der betreffenden Gruppen zu unterliegen. Vgl. Herold Belger, Russlanddeutsche Schriftsteller: von den Anfängen bis zur Gegenwart; Biographien und Werkübersichten. Berlin 1999; Annette Moritz, Lexikon der russlanddeutschen Literatur. Essen 2004 (Forschungen zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen; 12); Lexikon der deutschsprachigen Literatur des Baltikums und St. Petersburgs. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Carola L. Gottzmann u. Petra Hörner. 3 Bde. Berlin 2007. 71
2.
2. Interkulturalität, Transfer und Erinnerung: Methodische Standortbestimmung Methodische Standortbestimmung Die Prämisse der Interkulturalität, die nicht mehr in Konzepten des Innen und Außen gedacht wird und von einer latenten Präsenz des Anderen in dem Eigenen ausgeht, setzt ein Kulturverständnis voraus, das auf Pluralität und Dynamik der kulturellen Entwicklungen basiert. In diesem Zusammenhang stellen die kultursemiotischen Ansätze Jurij Lotmans ein anschlussfähiges theoretisches Modell bereit, auf das die vorliegende Untersuchung zurückgreift. Darüber hinaus hat in methodischer Hinsicht die Auseinandersetzung mit dem von Michel Espagne und Michael Werner entwickelten Konzept des interkulturellen Transfers ausschlaggebende Impulse für die Entwicklung der Fragestellung gegeben. Die von der Transferforschung privilegierte Vorstellung von einer komplexen Beziehungsdimension, in der eine potenzielle Vielzahl mehrerer Kulturhorizonte gleichzeitig zusammen wirkt, spielt eine zentrale Rolle für die Herangehensweise der vorliegenden Arbeit. Beide theoretischen Entwürfe, auf die sich die Studie bezieht, zeichnen sich aus durch ein offenes Kulturmodell, eine besondere Aufmerksamkeit für inner- und interkulturelle Bewegungen und für die damit verbundenen Prozesse der Signifikation. Der auf diese Weise akzentuierte Prozesscharakter der Kultur rückt ihre zeitliche Dimension und damit die Frage nach der Arbeit des kulturellen Gedächtnisses in den Vordergrund. Die vorliegende Studie setzt an diesem Punkt methodisch an und arbeitet den erinnerungskulturellen Aspekt der Transferforschung heraus, der, im ursprünglichen Konzept von zentraler Bedeutung, in den bisherigen Debatten weitgehend vernachlässigt worden ist. Im Folgenden werden die Kultursemiotik, der Transferansatz und die Gedächtnistheorie aufeinander bezogen und gegenseitig erweitert.1 1
Dabei profitiert die Arbeit von den neueren gedächtnistheoretischen Forschungen, die nicht zuletzt im Rahmen des Gießener Sonderforschungsbereichs 434 „Erinnerungskulturen“ intensiv betrieben worden sind. (Vgl. dazu die Publikationsreihe „Formen der Erinnerung“, die bei dem Vandenhoeck & Ruprecht Verlag in Göttingen erschienen ist). – Als eine der Schlüsselfiguren der kulturwissenschaftlichen Konjunktur der Gedächtnisforschung in Deutschland, die Ende der 1980er Jahre eingesetzt hat, gilt bekanntlich der Ägyptologe Jan Ass73
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1. Kulturelle Dynamik und Gedächtnis Ein dynamisches Kulturmodell hat Jurij Lotman in dem Begriff der „Semiosphäre“ gefasst und zugleich die bedeutungsgenerierende Funktion der mann. Seine Monografie „Das kulturelle Gedächtnis“ (1992) liegt inzwischen auch in russischer Übersetzung von M.M. Sokol’skaja vor: Jan Assman [Assmann], Kul’turnaja pamjat’. Pis’mo i pamjat’ o prošlom i političeskaja identičnost’ v vysokich kul’turach drevnosti. Moskva 2004. Bereits drei Jahre früher ist seine, zusammen mit Aleida Assmann in dem Aufsatz „Kanon und Zensur. Zur Archäologie der literarischen Kommunikation“ (1987) vorgenommene Präzisierung der gedächtniskulturellen Fragestellung in Bezug auf literaturwissenschaftliche Belange in Russland veröffentlicht worden: Igor’ P. Smirnov/Dirk Uffel’man/K. Šramm (Hg.), Nemeckoe filosofskoe literaturovedenie našich dnej: antologija. Sankt-Peterburg 2001. In diesem Sammelband ist ebenfalls ein ins Russische übersetzter Aufsatz von Renate Lachmann unter dem Titel „Pamjat’ i utrata mira“ enthalten. (Vgl. die deutsche Erstveröffentlichung: Renate Lachmann, „Gedächtnis und Weltverlust“ – Borges’ memorioso – mit Anspielungen aus Lurijas Mnemonisten, in: Anselm Haverkamp/Renate Lachmann (Hg.), Memoria: Vergessen und Erinnern. München 1993, S. 492-519 (Poetik und Hermeneutik; 15).) Die russische Drucklegung der nicht nur für Slawistik maßgeblichen Monografie von Renate Lachmann „Gedächtnis und Literatur: Intertextualität in der russischen Moderne“ (1990) befindet sich seit einigen Jahren in Vorbereitung. Aus dem Kreis der russischen Literaturwissenschaftler, die sich in den letzten Jahren dem Verhältnis von Literatur und Gedächtnis gewidmet haben, sind die Arbeiten von Michail Gasparov und Boris Averin zu nennen, die jeweils eine poetologische und eine literaturhistorische bzw. literaturbiografische Perspektive aufbauen: Michail L. Gasparov, Metr i smysl: ob odnom iz mechanizmov kul'turnoj pamjati. Moskva 1999; Boris V. Averin, Dar Mnemoziny: romany Nabokova v kontekste russkoj avtobiograficeskoj tradicii. Sankt-Peterburg 2003. – Überblickt man die russische Forschungslandschaft über die Grenzen der Literaturwissenschaft hinaus, so ist ein verstärktes Interesse an der Gedächtnisforschung ebenso unter den russischen Historikern zu verzeichnen, wobei hier starke Impulse aus dem Institut der Allgemeinen Geschichte an der russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau kommen: Lorina P. Repina (Hg.), Vremja - Istorija - Pamjat’: istoričeskoe soznanie v prostranstve kul’tury. Moskva 2007; Dies. (Hg.), Obrazy prošlogo i kollektivnaja identičnost’ v Evrope do načala Novogo vremeni. Moskva 2003; Julija E. Arnautova, Memoria: „total’nyj social’nyj fenomen“ i ob’’ekt issledovanija, in: Ebd., S. 19-37. Der Sammelband von 2003 beinhaltet unter anderem die russische Erstübersetzung eines Aufsatzes von Otto Gerhard Oexle (Aristokratija, memoria i kul’turnaja pamjat’ na primere memorial’noj kapelly Futgerov v Augsburge, in: Ebd., S. 38-51), mit dessen Arbeiten ein eigener Strang der Gedächtnisforschung in Deutschland verbunden werden kann. Vgl. Otto Gerhard Oexle (Hg.), Memoria als Kultur. Göttingen 1995 (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte; 121), darin insbesondere sein Beitrag: Memoria als Kultur, S. 9-78. – In einem kulturhistorisch bzw. sozialwissenschaftlich verorteten Forschungshorizont sind die bereits erwähnten Monografien von Langenohl und Schenk anzusetzen, die die Phänomene des kollektiven Gedächtnisses in Russland untersuchen: Langenohl „Erinnerung und Modernisierung. Die 74
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Schnittstellen zwischen den dominierenden und peripheren Zeichensystemen stark gemacht.2 Die Semiosphäre – ein abstrakter semiotischer Raum unter-
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öffentliche Rekonstruktion politischer Kollektivität am Beispiel des neuen Russland“ (2000) und Schenk „Aleksandr Nevskij. Heiliger - Fürst - Nationalheld. Eine Erinnerungsfigur im russischen kulturellen Gedächtnis“ (2004). Das Interesse an den zeitgeschichtlichen Fragekomplexen, die diese beiden Arbeiten an den Tag legen, bringt sie außerdem in die Nähe der neueren, geschichtspolitisch orientierten Gedächtnisdebatte in Russland. Diese hat durch die Publikationen im Umfeld der Moskauer Zeitschrift „Neprikosnovennyj zapas“ auf sich aufmerksam gemacht; insbesondere durch das Themenheft zum kulturellen Gedächtnis mit einigen grundlegenden Texten von Maurice Halbwachs, Theodor W. Adorno, Pierre Nora sowie neueren Beiträgen von u.a. Harald Welzer und Andreas Langenohl: Neprikosnovennyj zapas 40-41 (2005), als elektronische Ressource: [15.08.2008]; Michail Gabovič (Hg.), Pamjat’ o vojne 60 let spustja: Rossija, Germanija, Evropa. Moskva 2005 (Biblioteka žurnala „Neprikosnovennyj zapas“). – In Anknüpfung an das Großprojekt „Les lieux de mémoire“ von Pierre Nora erfolgt im Pariser Verlag „Editions Fayard“ seit einigen Jahren die Bearbeitung eines umfassenden Werkes unter dem Titel „Sites de la mémoire russe“, das u.a. Beiträge zur Gartenkunst in Russland beinhaltet: Andreas Schönle, Art. „Parcs et jardins russes“, Art. „Neskoutchnyi sad“, in: Nivat, Georges /Arkhanguelski, Alexandre (Hg.), Sites de la mémoire russe. Paris 2007, Bd. 1, S. 403-415, S. 416-423; Ekaterina Dmitrieva, Art. „Usad’ba“, in: Ebd. – Eine im Dezember 2004 an der Geisteswissenschaftlichen Universität in Moskau (RGGU) veranstaltete Tagung des Lehrstuhls für Allgemeine Kunstgeschichte hat das Thema des kulturellen Gedächtnisses gebündelt und zu einem eigenen Gegenstand gemacht; der Sammelband der Tagung „Iskusstvo kak sfera kul’turno-istoričeskoj pamjati“ befindet sich in Vorbereitung. Im kunsthistorischen und übergreifender im alltagskulturellen Bereich hat bis jetzt vor allem Svetlana Boym die gedächtnistheoretischen Ansätze von Walter Benjamin und Maurice Halbwachs produktiv aufgegriffen: Svetlana Bojm [Boym], Konec nostal’gii? Iskusstvo i kul’turnaja pamjat’ konca veka: Slučaj Il’i Kabakova, in: Novoe literaturnoe obozrenie 39 (1999), S. 90-100; Svetlana Boym, The Future of Nostalgia. New York 2001; Dies., Obščie mesta. Mifologia povsednevnoj žizni. Moskva 2002, S. 9-27, S. 265-304 (amerikanische Erstausgabe erschien unter dem Titel: Common Places: mythologies of everyday life in Russia. Cambridge, Mass. 1994). Vgl. Jurij Lotman, Vnutri mysljaščich mirov, in: Ders., Semiosfera. Kultura i vzryv. Vnutri mysljaščich mirov. Stat’i, issledobanija, zametki (1968-1992). Sankt-Petersburg 2001, S. 250-334; Ders., Universe of the Mind: A Semiotic Theory of Culture. London, New York 2001, S. 123-142. – Jurij Lotman arbeitet mit einem binären Kulturmodell. Auch wenn sich diese Binarität nicht auf ein Dialog-Modell einschränken lässt und sich bereits in früheren Arbeiten Lotmans zu der Vorstellung von einer Polyphonie der Kultur bzw. der Texte ausbreitet, gilt für seine Kultursemiotik folgende Prämisse: „Das binäre Verhältnis stellt einen der grundlegenden organisierenden Mechanismen jeder Struktur dar.“ Jurij Lotman, Dinamičeskaja model’ semiotičeskoj sistemy, in: Ders., Semiosfera. Kultura i vzryv. Vnutri mysljaščich mirov. Stat’i, issledobanija, zametki (1968-1992). Sankt-Petersburg 2001, S. 543-556, hier S. 550 (russ. Erstveröf75
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schiedlicher Zeichensysteme – bildet sich heraus, indem sie eine Sprache der Selbstbeschreibung hervorbringt, die die internen Diskurse nominiert und sich als ein geschlossenes, stabiles System bestimmt. Das „Zentrum“ der Semiosphäre besteht aus den in der Selbstbeschreibung als dominant bestimmten Zeichensystemen, die den aktuellen Code der Kultur bilden. Als „Peripherie“ wird die Ansammlung der aus dem „Zentrum“ ausgegrenzten Zeichensysteme bezeichnet, die von dem aktuellen Code als fragmentiert, unabgeschlossen und daher als undecodierbar und „fremd“ definiert werden. Der Grenzraum zwischen dem Zentrum und der Peripherie wird zu dem Ort der Re-Codierung und der Transformation aus dem Austausch zwischen den dominanten und peripheren Diskursen heraus. Auf der ständigen Bearbeitung dieser Grenze im Sinne der geregelten oder kontingenten Transformation der Zeichensysteme und der Diskurse basiert die kulturelle Dynamik, die anhand der semiotischen Repräsentationen ablesbar und beschreibbar werden kann.3 Die verstärkte Verlagerung der Aufmerksamkeit Lotmans von den Fragen der strukturellen Verfasstheit auf das Prozesshafte kultureller Formationen lässt sich in seinem Spätwerk beobachten. Die dynamische Dimension der kulturellen Prozesse wird außerdem in einem weiteren formalisierenden Begriffspaar „Norm – Normverletzung“ konkretisiert und findet Verwendung als eine Typologie des sozialen Handelns.4 Das Normkonforme bildet demnach das Systemeigene einer Kultur. Im Zentrum der Semiosphäre angesiedelt, dient es der Stabilisierung und damit der statischen Aufrechterhaltung des dominierenden Codes. Alles, was sich als Verletzung dieser Norm ausgibt oder als solche erkannt wird, wird zu „außersystemischen“ Texten und Handlungen. Diesen Texten bzw. Handlungen außerhalb des aktuellen Codes kommt die Bedeutung einer dynamischen Reserve der Kultur zu. Zu den immanenten Merkmalen dieses dynamischen Modells zählt damit ihre
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fentlichung des Aufsatzes erfolgte 1974). Darauf, dass eine programmatisch verstandene Bipolarität jedoch nicht verabsolutiert werden soll, hat Lotman bereits in demselben Aufsatz hingewiesen. Ebd., S. 544. – Vgl. dt. Übersetzungen: Jurij Lotman, Das dynamische Modell eines semiotischen Systems, in: Ders., Kunst als Sprache, Untersuchungen zum Zeichencharakter von Literatur und Kunst. Leipzig 1981; Ders., Über die Semiosphäre (1984), in: Zeitschrift für Semiotik 12 (1990), S. 287-305. Die räumliche Metaphorik, die Lotman für die Beschreibung von Semiosphäre benutzt, verleitet dazu, die Teilung in ein Zentrum und seine Peripherie als ein hierarchisches Verhältnis zu verstehen. Im Rahmen kulturhistorischer Anwendung muss diese Differenzierung als zeichentheoretische Gedankenfigur relativiert werden, die primär eine heuristische und nicht wertende Bedeutung hat. Das betrifft auch den Begriff der Grenze, die nicht als eine strikte konkreträumliche Trennung gemeint ist, sondern im Sinne eines semiotischen Zwischenraumes, der vergleichbar mit der gleichnamigen Figur der postkolonialen Kulturtheorien funktioniert. Vgl. die von Reinhold Görling geäußerte Kritik: Görling, A Hot Thing, Über die Nähe des Anderen, S. 269-284. Jurij M. Lotman, Kultura i vzryv. Moskva 1992. 76
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Ambivalenz. Genau an dieser Stelle verweist Lotman auf die Arbeiten von Michail Bachtin, als einem Autor, der dem Phänomen und seinem dynamischen Potential Beachtung geschenkt hat. Die Verstärkung der inneren Ambivalenz der kulturellen Formation, heißt es bei Lotman, „entspricht dem Moment des Übergangs von einem statischen zu einem dynamischen Zustand des Systems. In diesem Prozess wird die Uneindeutigkeit strukturell umgeordnet und bekommt im Rahmen dieser neuen Ordnung einen eindeutigen Sinn zugewiesen.“5 Die besondere Bedeutung der Ambivalenz als eines dynamischen Mechanismus der Kultur besteht darin, dass die Erinnerung an den Code, in dessen Rahmen der Text bzw. die Handlung als Normverletzung gegolten hat, nicht verschwindet, sondern auf der Peripherie der Semiosphäre erhalten bleibt. Das abstrakte kulturdynamische Modell der Semiosphäre eröffnet eine analytische Anwendung für die kulturellen Konstellationen, die nicht nur in sprachlicher oder ethnischer sondern auch in sozialer Hinsicht heterogenen Charakter aufweisen, indem beispielsweise das Verhältnis zwischen der „Hochkultur“ und den scheinbar „präreflexiven“ Alltagspraktiken immer von Neuem hinterfragt wird.6 Berücksichtigt man die neuere, im Anschluss an die anthropologische Forschung vorgenommene kultursemiotische Differenzierung einer sozialen, einer materialen (Medien) und einer mentalen (Codes) Dimension innerhalb des Zeichensystems „Kultur“,7 so erweitert sich die Anwendungsmöglichkeit des Modells der Semiosphäre vom Bereich der Individuen, Institutionen und Gesellschaft auf eine plurale Menge kultureller Objektivationen überhaupt.
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Lotman, Dinamičeskaja model’ semiotičeskoj sistemy, S. 552. Den Zustand von Ambivalenz bestimmt Lotman unter der Berücksichtigung der Norm bzw. Normverletzung auf zweifache Weise: 1) Der Text/die Handlung bezieht sich auf ein System, das zwar in dem gegenwärtigen Horizont nicht aktiv ist, jedoch im Gedächtnis der Kultur aufbewahrt wird. Dieses Verhältnis wird als eine unter den bestimmten Voraussetzungen zugelassene Normverletzung akzeptiert. 2) Der Text/die Handlung verweisen auf zwei Systeme, die untereinander nicht verbunden sind. In einem der beiden Systeme gilt der Text/die Handlung als „Systemeigene/r“, in dem anderen gilt er/sie als „Systemfremde/r“ und fungiert als eine Normverletzung. Von hier aus eröffnet sich die Möglichkeit einer Anknüpfung sowohl an die Vorgehensweise der Historischen Anthropologie, als auch an das Modell der Zirkulation in New Historicism, insofern, dass die systematische Organisation von Alltag und Bewusstsein das Schema von Grenzziehungen und Grenzverletzungen ins Leben ruft, d.h. das Oszillieren („Zirkulation“) zwischen abgegrenzten Objekten und monologischer Totalität, zwischen Differenz und Totalität, zwischen einer einheitstiftenden Wahrheit und ihrer Vervielfältigung in deutlich geschiedenen Seinsweisen. Vgl. Roland Posner/Dagmar Schmauks, Art. Kultursemiotik, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, S. 350-351. 77
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Die kultursemiotische Vorgehensweise, so wie sie von Lotman entworfen und von den Wissenschaftlern der Moskau-Tartur-Schule erprobt und weiterentwickelt worden ist, erlaubt komplexe Analysen synchroner Konstellationen, ohne dass dabei die zeitliche Tiefenstruktur, die diachrone Dimension vernachlässigt wird.8 Vor diesem Hintergrund haben Jurij Lotman und Boris Uspenskij die Frage nach dem kulturellen Gedächtnis aufgeworfen und in vereinzelten Studien seine Funktionsweisen skizziert. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit dem Gedächtnis ein grundlegender Kulturmechanismus gemeint wird, der die Bedingungen für die Speicherung, die Kommunikation der vorhandenen und der Hervorbringung der neuen „Texte“ der Kultur bereitstellt.9 Entscheidend ist dabei, dass das Gedächtnis für die Kultur nicht ein passives Archiv darstellt, sondern einen wesentlichen Bestandteil ihrer textgenerierenden Prozesse bildet.10 In der Beschreibung der Funkti8
Vgl. dazu: Aleksej M. Peskov/A. R. Zareckij, Imja mifa. K probleme semiotiki kultury, in: Novoe literaturnoe obozrenie 32 (1998), S. 367-390, besonders S. 373. 9 Vgl. Jurij M. Lotman, Pamjat’ v kul’turologičeskom osveščenii (1985), in: Ders., Izbrannye stat’i v trech tomach. Bd. 1: Stat’i po semiotike i tipologii kul’tury. Tallinn 1992, S. 200-203, hier S. 200: „С точки зрения семиотики, культура представляет собой коллективный интеллект и коллективную память, т. е. надиндивидуальный механизм хранения и передачи некоторых сообщений (текстов) и выработки новых. В этом смысле пространство культуры может быть определено как пространство некоторой общей памяти, т. е. пространство, в пределах которого некоторые общие тексты могут сохраняться и быть актуализированы. При этом актуализация их совершается в пределах некоторого смыслового инварианта, позволяющего говорить, что текст в контексте новой эпохи сохраняет, при всей вариантности истолкований, идентичность самому себе. Таким образом, общая для пространства данной культуры память обеспечивается, вопервых, наличием некоторых константных текстов и, во-вторых, или единством кодов, или их инвариантностью, или непрерывностью и закономерным характером их трансформации.“ – Uspenskij definiert die Kultur als ein [biologisch] „nichtvererbbares Gedächtnis des Kollektivs“ siehe: Boris A. Uspenskij, Izbrannye trudy. Moskva 1996-1997. Bd.1, S. 4, S. 338. Vgl. auch: Jurij M. Lotman/Boris A. Uspenskij, The Semiotics of Russian Culture. Ann Arbor 1984, S. 3; Lotman/Uspenskij, O semiotičeskom mechanizme kul’tury (1971), in: Lotman, Jurij M., Izbrannye stat’i. Bd. 3. Tallin 1992, S. 326-344, S. 485-503, S. 487: „Мы понимаем культуру как ненаследственную память коллектива, выражающуюся в определенной системе запретов и предписаний.“ (H.i.O.). 10 „[…] память не является для культуры пассивным хранилищем, а составляет часть ее текстообразующего механизма.“ Lotman, Pamjat’ v kul’turologičeskom osveščenii, S. 202. In diesem Aufsatz erwähnt Lotman das „Gedächtnis der Textgattung“ („память жанра“) von Michael Bachtin als spezifisches literarisches Phänomen (Ebd., S. 200). Die damit zusammenhängenden Modelle des Dialogs und der Polyphonie der literarischen Texte, die im Werk Bachtins stark gemacht worden sind, haben bekanntlich als Grundlage für die von Julia Kristeva entwickelte Theorie der Intertextualität gedient. Eine Auswei78
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onsweise des kulturellen Gedächtnisses werden sowohl das Speichern als auch das Aktualisieren der kulturrelevanten Information gleich stark betont. Die Reichweite der Semiose, die die Arbeit des kulturellen Gedächtnisses hervorbringt, erstreckt sich auf die weit zurückliegenden Vergangenheiten. Sie umfasst die historischen Bruchstellen, genau so wie sie die permanente Neucodierung des Wissenshorizonts in der jeweiligen Gegenwart leistet. Gerade die in Deutschland am meisten verbreiteten Theoreme des kulturellen Gedächtnisses sind in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den kultursemiotischen Arbeiten Lotmans entstanden, die die Dynamik der kulturellen Verfasstheit in einem abstrakten Modell der Semiosphäre zum Ausdruck gebracht und die Frage nach der Bedeutung des Gedächtnisses zur Disposition gestellt haben.11 Gemeinsam teilen sie die Vorstellung von einer tung der Intertextualität im engeren Sinne zu einer Metapher des Gedächtnisses der Kultur überhaupt hat später Renate Lachmann vorgenommen. (Lachmann, Gedächtnis und Literatur, S. 36.) Diese Verwendung der Intertextualität deckt sich mit einem größeren Metapherfeld „Kultur als Text“, das dazu tendiert, alle materiell unterschiedlichen Zeichen der Kulturformationen zu relativieren und zu vereinen. Die Intertextualität als Gedächtnis der Kultur setzt einen sehr weiten Begriff der Literatur voraus, der jegliche sprachbasierten Kommunikationsformen subsumiert und dadurch eine enorme Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten bedeutet. Seine problematische Kehrseite stellt aber die damit beanspruchte Vorrangstellung der Literatur als Zeichensystem, Medium und Institution dar. (Vgl. in diesem Zusammenhang die s.g. „Literaturzentriertheit“ der russischen Kultur, die in letzter Zeit immer stärker behauptet wird, z.B. die These von der sprachlichen Umsetzungsmöglichkeit der Revolution als Denkfigur bei Boris Groys, Das kommunistische Postskriptum. Frankfurt am Main 2006.) Eine kulturwissenschaftliche Präzisierung des Gedächtniskonzepts relativiert dagegen die Kultur-als-Text-Metapher an sich und die Dominanz der Schriftmedien im Einzelnen. Die Literatur fungiert damit 1) als ein Zeichensystem neben anderen innerhalb einer kulturellen Formation und 2) als Medium neben anderen Medien. Sie ist in die Prozesse der kulturellen und intermedialen Zirkulation eingebunden, die erst die Aussagen über ihre spezifischen Eigenschaften ermöglichen. So kann dadurch der Blick auf die Bedeutung der Literatur geschärft werden z. B. im Zusammenhang mit der Narrativität des Geschichtsbewusstseins (Rüsen) oder im Prozess der Erfindung der Traditionen (Hobsbawm), wie die Erfindung Osteuropas, wie Larry Wulff diese kritisch dargestellt hat. Larry Wolff, Inventing Eastern Europe. The Map of Civilsation on the Mind of the Enlightenment. Stanford 1994 (russ.: Moskva 2003). – Zur systematischen Problematisierung der Phänomene der Intertextualität und der Intermedialität aus gedächtnistheoretischer Sicht siehe folgende neueren Anhandlungen: Oliver Scheiding, Intertextualität, in: Erll/Nünning, Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft, S. 53-72; Kirstin Dickhaut, Intermedialität und Gedächtnis, in: Ebd., S. 203-226. 11 Neben der bereits erwähnten Monografie von Renate Lachmann „Gedächtnis und Literatur“ trifft das maßgeblich für die Arbeiten von Jan und Aleida Assmann zu. Vgl.: Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. 2. Auflage. München 1997; Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999. 79
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Gesamtheit an kulturellen Phänomenen, die im Modus eines Archivs/Speichers und zugleich im Modus der Aktualität/Funktion existiert.12 Die beiden Modi befinden sich in synchronen und diachronen Wechselbeziehungen, sie verbinden die individuelle und kollektive Dimension in einer historisch und kulturell verorteten Erinnerungsarbeit, die von Prozessen der Semiose begleitet wird. „Das Gedächtnis der Kultur fungiert nicht nur einheitsbildend, sondern gestaltet sich dabei in seinem Inneren mannigfaltig. Das bedeutet, dass seine Einheit nur auf einer bestimmten Ebene existiert und dabei als Voraussetzung zahlreiche vorhandenen, vereinzelten ‚Dialekte des Gedächtnisses’ aufweist, entsprechend der inneren Beschaffenheit der einzelnen Kollektive, die die Welt der einen gegebenen Kultur ausmachen. Die Tendenz zur Individualisierung des Gedächtnisses stellt einen weiteren Pol seiner dynamischen Struktur dar. Das Vorhandensein der Substrukturen mit einem jeweils unterschiedlichen Inhalt sowie einem jeweils anderen Umfang des Gedächtnisses führt zu einem ständig abweichenden Grad der Geschlossenheit der Texte, die in und zwischen den kulturellen Subkollektiven zirkulieren, und trägt zur Entstehung von ‚lokalen Semantiken’ bei. Nach dem Übergang der Grenzen des einen gegebenen Subkollektivs werden diese Texte nämlich vervollständigt, um im Rahmen eines anderen Subkollektivs verstanden zu werden.“13 12 Diesem Zustand trägt in der Terminologie von Jan Assmann zum einen die Unterscheidung zwischen dem „kulturellen“ und dem „kommunikativen“ Gedächtnis als zwei abstrakten Konzepten des kollektiven Vergangenheitsbezugs Rechnung. (Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 48-65). Zum anderen gehört zu den wesentlichen Merkmalen des kulturellen Gedächtnisses selbst die Prämisse, dass es „im Modus der Potentialität als Archiv und Totalhorizont und im Modus der Aktualität“ existiert. (Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Jan Assmann/Tonio Hölscher (Hg.), Kultur und Gedächtnis. Frankfurt am Main 1988, S. 9-19, hier S. 13). Gerade an dieser Stelle hat seine Gedächtnistheorie eine Weiterentwicklung erfahren, in dem Aleida Assmann eine begriffliche Trennung zwischen dem Funktions- und dem Speicherbereich des kulturellen Gedächtnisses eingeführt und herausgearbeitet hat. (Aleida Assmann, Erinnerungsräume, S. 130-148). Das Funktionsgedächtnis erfüllt dabei die Aufgaben der Identitätskonstruktion und der Legitimation bestehender Gesellschaftsformen. Das Speichergedächtnis fungiert als „Reservoir zukünftiger Funktionsgedächtnisse“, als „Ressource der Erneuerung kulturellen Wissens“ und als „Bedingung der Möglichkeit kulturellen Wandels“. (Ebd., S. 140). Zu der Auseinandersetzung mit diesem Forschungsfeld und der Neuperspektivierung der kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorie Assmanns siehe Erll, Gedächtnisromane, besonders S. 44-53. 13 „Память культуры не только едина, но и внутренне разнообразна. Это означает, что ее единство существует лишь на некотором уровне и подразумевает наличие частных «диалектов памяти», соответствующих внутренней организации коллективов, составляющих мир данной культуры. Тенденция к индивидуализации памяти составляет второй полюс ее динамической структуры. Наличие культурных субструктур с различным составом и объемом памяти приводит к разной степени эллиптичности текстов, циркулирующих в культурных субколлективах, и 80
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Verschränkt man das semiotische Modell der kulturellen Dynamik mit den gedächtnistheoretischen Konzepten über die Arten der zeitlichen Bezüge und ihrer bedeutungsgenerierenden Funktionen innerhalb der kulturellen Formationen, so liegt ein abstrakter Analyseapparat bereit, der kulturhistorische Untersuchungen komplexer Gegenstände in ihrem Wandel erlaubt.14 Das Lotmansche Modell hat die innerkulturelle Dynamik im Blick und entwickelt einen hohen Komplexitätsgrad der Theoriebildung, die die ursprünglich zentralen dichotomen Denkfiguren (wie des Dialogs oder des Dualismus) aufgibt und in seinem Spätwerk für eine Vervielfachung der kulturellen Konstellationen plädiert.15 Wenn es um interkulturelle Phänomene im engeren Sinne geht, bleiben die konkreten Untersuchungen, z.B. der nichtrussischen literarischen Texte und ihrer Rezeption, trotz einer durch die Kultursemiotik vorgegebenen, Ethnozentrismus relativierenden Sichtweise, jedoch implizit in den literaturwissenschaftlichen Kategorien des Vergleichs der Nationalliteraturen verankert. Dagegen gelten gerade die von Jan Assmann ausgearbeiteten Theorien zur Prägung kultureller Identitäten durch kollektive Gedächtnisstrukturen, die in Auseinandersetzung mit der Kultursemiotik Lotmanscher Provenienz, mit ihrer diachronen Dimension und historisch-sozialer Ausrichtung entstanden sind, als Prämissen neuerer Theorien der Interkulturalität.16 Der Problematik einer empirisch fassbaren kulturellen Dynamik als einer interkulturellen haben sich zur gleichen Zeit, in der sich die gedächtnistheoretische Forschung in Deutschland zu formieren begann, französische Germanisten und Kulturhistoriker zugewandt. Mit der Infragestellung des national definierten Kulturbegriffs und der Akzentuieк возникновению «локальных семантик». При переходе за пределы данного субколлектива эллиптические тексты, чтобы быть понятными, восполняются.“ Lotman, Pamjat’ v kul’turologičeskom osveščenii, S. 200. 14 Vgl. die von Astrid Erll vorgenommene Definition der beiden modi memorandi als kulturgeschichtliche Kategorien im Plural: kulturelle und kommunikative Gedächtnisse sind „Geflechte von in kulturellen Formationen dominanten mentalen Dispositionen, von Medien und Formen sowie von sozialen Institutionen und Praktiken. Diese Geflechte sind heterogen, offen und wandelbar und nie vollständig zu rekonstruieren. Sie stellen die Quelle dar, aus der sich einzelne, beobacht- und analysierbare Erinnerungsakte speisen.“ Erll, Gedächtnisromane, S. 51. 15 In dem 1992 erschienenen Buch „Kultur und Explosion” findet die Neuakzentuierung eine ausführliche Darstellung. Das hier entfaltete kultursemiotische Programm knüpft an die Beschreibung eines semiotischen Systems anhand des Verhältnisses zwischen Statik und Dynamik an und führt sie fort. Die Frage danach, auf welche Weise „sich ein System weiterentwickeln, und dabei sich selbst bleiben“ kann, bildet das Kernproblem der Untersuchung. Siehe die verbesserte Neuauflage dieser Untersuchung: Lotman, Semiosfera. Kultura i vzryv. Vnutri mysljaščich mirov. Stat’i, issledobanija, zametki (1968-1992). Sankt-Petersburg 2001, S. 9-149. 16 Roy Sommer, Art. Interkulturalität, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, S. 282-283. 81
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rung der sozialhistorischen Bedingungen der kulturellen Kommunikationsprozesse haben sie der Begründung einer neuen methodischen Ausrichtung der historischen Wissenschaften – der Transferforschung – Vorschub geleistet.17
2. Transfer und Erinnerungskulturen Als Kritik an den herkömmlichen vergleichenden Studien formuliert, stellte das Konzept des Transfers einen wegweisenden Beitrag zu der methodischen Korrektur des kontrastiven Vergleichs dar.18 Mit der Einführung eines neuen 17 Im Folgenden beziehe ich mich vorrangig auf die ersten Veröffentlichungen mit dem programmatischen Charakter aus der Gründungsphase der Forschungsrichtung, die damals von Michel Espagne und Michael Werner noch gemeinsam entwickelt und vertreten worden ist. Zum aktuellen Stand und der entsprechenden Ausdifferenzierung des Kulturtransfers siehe: 1) Michel Espagne, Art. Les transferts culturels, in: [8.2.2005]. 2) Zusammenfassende Darstellung der aktuellen Transferforschung und die methodische Vermittlung zwischen Vergleich und Transfer: Matthias Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik. Thesen zu ihrem Verhältnis, in: Ders. (Hg.), Kulturtransfer und Vergleich. Leipzig 2000, S. 7-41 (Comparativ 10/1 (2000)). 3) Aufwertung der früheren Thesen zu einem Konzept des Histoire croisée durch Michael Werner: „Es geht nicht mehr um die Verflechtungen als neues Objekt von Forschung, sondern um die Produktion neuer Erkenntnis aus einer Konstellation heraus, die selbst schon in sich verflochten ist.“ Michael Werner/Bénédicte Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607-636, hier S. 609. Der insgesamt schnell aufgegriffene Methodenansatz des Kulturtransfers führte zwar zu seiner Verbreitung in den historischen Wissenschaften, hat aber eine offensichtliche Verengung auf die „interkulturellen Beziehungen“ erfahren und in dieser Form den Einzug in die neueren Methodenhandbücher gehalten: z.B. formuliert Lüsebrink Kulturtransfer als „Prozesse der interkulturellen Übertragung und Vermittlung kultureller Artefakte“ und unterscheidet Selektion, Vermittlung und Rezeption als drei Prozesstypen. Siehe: Hans-Jürgen Lüsebrink, Kulturraumstudien und Interkulturelle Kommunikation, in: Ansgar Nünning/Vera Nünning (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen – Ansätze – Perspektiven. Stuttgart 2003, S. 318-319. – Prozesse der Bedeutungsproduktion im Rahmen des Kulturtransfers rücken neuerdings ins Licht der frühneuzeitlichen Forschung, jedoch mit dem Rückbezug auf Peter Burke, siehe Tagungskonzept „Kultureller Austausch in der Frühen Neuzeit“ – 7. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft „Frühe Neuzeit“ (Greifswald, September 2007): [29.01.2007]; Peter Burke, Kultureller Austausch. Frankfurt am Main 2000. 18 Ausführlich hat dazu Espagne Stellung genommen (vgl. Michel Espagne, Les transfers culturels franco-allemands. Paris 1999): Die Komparatistik setze von einander abgegrenzte Kulturräume voraus, um deren Spezifika auf Grund abs82
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Begriffs hat sich die interdisziplinäre Forschungsgruppe um Michel Espagne und Michael Werner programmatisch von den Formulierungen wie „Beziehungen“, „Übernahme“, „échanges“, „introduction“ distanziert, um dadurch die Normvorstellungen und die „störenden Gebrauchsspuren“ aus dem Bereich der einzelnen geisteswissenschaftlichen Fächer – speziell der Literaturwissenschaft und Geschichtsschreibung – zu umgehen.19 Die Bezeichnung Transfer hat außerdem die spezifischen Grundbestimmungen der interkulturellen Prozesse hervorgehoben, die die Prämisse der Transferforschung ausmachen: „die jeweilige Einheit von Ausgangs- und Rezeptionskultur sowie die Dynamik der in Frage kommenden Vorgänge.“20 Die interkulturelle Transferforschung, so wie sie sich inzwischen etabliert hat, erfasst die Bewegungen von Sachen, Personen und Ideen zwischen historisch relativ klar identifizierbaren und abgrenzbaren kulturellen Formationen mit der Konsequenz ihrer Durchmischung. Alle Transfers zeichnen sich grundsätzlich durch eine zweifache Referenz aus, erstens auf die sozialen und medialen Bedingungen der historischen Kommunikation und zweitens auf die damit verbundenen Prozesse der Sinnstiftung. Auf Grund des Grundsatzes der Transferforschung, dass die Kommunikationsakte stets von den Deutungsprozessen begleitet werden, die auf einen verfügbaren Wissensvorrat des kulturellen Gedächtnisses zurückgreifen und die jeweilige Re-Formulierung der Transferobjekte erzeugen, wird die gegenwartsbezogene Ebene des Transfergeschehens systematisch mit einer zeitlichen Tiefendimension verschränkt.21 Die Bedeutungsproduktion lässt sich auf zwei Ebenen beobachten: zum einen sind es semantische Verwandlungen, die jeden einzelnen kulturhistorisch verorteten Transfer begleiten, zum anderen handelt es sich um identitätsrelevante Sinnstiftungen, die sich auf die Prozesse der Interaktion trakter Kategorien überwinden zu können. Verglichen würden aber unantastbare, wesenhafte Einheiten, die durch die Parallelisierung in ihrer Eigenständigkeit anerkannt würden. Eine Vermittlung zwischen den beiden Vergleichsobjekten bleibe im Prinzip immer erstrebenswert, sie erfolge aber in der Form eines tercium comparationis, das weiter nichts als eine theoretische Projektion darstellte. Die Komparatistik parallelisiere synchrone Konstellationen, ohne die chronologische Abfolge von Wechselwirkungen hinreichend zu berücksichtigen. Die Dimension der Zeit könnte Strukturunterschiede erklären, Zeitabläufe ließen sich aber nicht mehr so leicht auf einen gemeinsamen Nenner des Vergleichs bringen. Daraus ergebe sich der wissenschaftliche Vorteil, Forschungsgegenstände auszuwählen, bei denen nicht nur semantisch-formale, sondern auch historische Berührungspunkte nachweisbar sind. Die Berührungspunkte zwischen den Kulturen seien in einer ständigen Veränderung begriffen. 19 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 12-13. Die theoretischen Voraussetzungen der Erforschung interkultureller Beziehungen im Sinne der Transferforschung sind in einem fachübergreifenden Zusammenhang entstanden und im Verhältnis zur Kulturanthropologie, zur Sozialpsychologie und zur Sozialgeschichte formuliert worden. 20 Ebd., S. 13. 21 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 21f., S. 26. 83
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als solche beziehen und den Stellenwert der Transfers in der Selbstbeschreibung der Kultur ständig aufs Neue bestimmen. Als alles entscheidende Voraussetzung in methodischer Hinsicht gilt dabei „eine intellektuelle Operation, die zunächst die Selbstbeschreibung von Kulturen als distinkte Einheiten zum Ausgangspunkt nimmt […] und die verborgene Heterogenität in der vorgestellten Homogenität aufzudecken sucht.“22 Die Problematik des Erinnerns und Vergessens bildet dabei einen wichtigen Bezugshorizont sowohl im Rahmen der empirischen Untersuchungen der historischen Transfers als auch auf der Ebene der Theoriebildung bzw. der methodischen Selbstreflexion der Transferforschung.23 In einer der ersten Forschungsskizzen der Transferanalyse haben sich Espagne und Werner das von Aby Warburg erarbeitete Konzept des Gedächtnisses zu Nutze gemacht: „Das Wort Mnemosyne, das für Warburg geradezu ein Motto war, sollte als Aufforderung verstanden werden, die in jedem Kunstwerk enthaltenen vergessenen Erfahrungen wieder ins Leben zu rufen. […] Jeder Kulturtransfer ist also in seiner Funktion als Bestandteil und Träger eines potentiellen ‚Gedächtnisses’ zu erforschen, damit die gesamtgesellschaftliche Konstellation, aus der er seinen Sinn gewinnt, überhaupt wahrnehmbar wird.“24
Obwohl Aby Warburg keine umfassende Systematik hinterlassen hat, gilt er auf Grund seiner innovativen Arbeitsweise als Vorreiter des kulturwissenschaftlichen Ansatzes und der Gedächtnisforschung zugleich.25 Sein Gedächtnisbegriff erlaubt sowohl die historischen gruppen- oder nationenspezi22 Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik, S. 18. 23 „Der Kulturtransferansatz steht also, indem er die Verflechtung miteinander interagierender Geschichten hervorhebt und das systematisch Verborgene wieder an die Oberfläche des kollektiv Erinnerten zu ziehen versucht, sowohl im Gegensatz zu einem nativen Universalismus als auch zu den Parallelgeschichten des ältesten Komparatismus, die allein auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausgerichtet sind und damit deutliche Spuren eines Objektivismus in die Geschichtsbilder tragen.“ Ebd., S. 23. 24 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 28. Bei dem Projekt „Mnemosyne“, das den Namen der Mutter aller Musen und der Erinnerung trägt, handelt es sich um einen Atlas, der ein epochen- und länderüberschreitendes Bildgedächtnis veranschaulichen sollte. Das wiederholte Auftauchen der Bildmotive in unterschiedlichen Epochen, Kulturräumen und Medien hat Warburg auf die erinnerungsauslösende Kraft kultureller Symbole zurückgeführt und damit kulturhistorische Forschung explizit mit einer Theorie des kollektiven Gedächtnisses verbunden. Die Drucklegung dieses Vorhabens aus den Jahren 1924-1929 ist erst am Ende des Jahrhunderts erfolgt: Aby Warburg, Der Bilderatlas Mnemosyne, hg. v. Martin Warnke. Berlin 2000. 25 Siehe dazu: Carlo Ginzburg, Spurensicherungen. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis. Berlin 1983, S. 115-172; Ernst H. Gombrich, Aby Warburg: eine intellektuelle Biographie. Hamburg 1992 (Europäische Bibliothek; 12). 84
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fischen Ausprägungen kultureller Erinnerung zu untersuchen, als auch die Einbettung dieses Materials in die europäisch-asiatische Erinnerungsgemeinschaft zu berücksichtigen.26 Indem Espagne und Werner an das „soziale Gedächtnis“ der Warburg-Schule anknüpfen, heben sie gerade den interkulturellen Aspekt in den Kontinuitäten und Umdeutungen innerhalb der Transfervorgänge hervor, der auch für die Belange der vorliegenden Studie zentral ist. Der kulturenübergreifende Ansatz des Kunsthistorikers Aby Warburg stellt neben dem „mémoire collective“ des Soziologen Maurice Halbwachs27 einen der beiden Traditionsstränge dar, aus denen sich die heutige kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung speist: „Aufgezeigt zu haben, dass der Schlüssel zu einer Kontinuierung vergänglicher sozialer und mentaler Aspekte der Kultur nicht in einer Art genetischem Gedächtnis liegt, sondern vielmehr in ihrer Vermittlung durch soziale Interaktion und Festschreibung in materialen Objektivationen, ist Halbwachs’ und Warburgs Verdienst. Zugleich haben beide durch ihre Arbeitsweise demonstriert, dass dem Phänomen ‚kollektives Gedächtnis’ nur durch eine Fächergrenzen überschreitende Methodik beizukommen ist.“28
Die Transferforschung hat vorrangig gruppenspezifische Kommunikation zwischen den Individuen im Blick, die sich in einem Wechselverhältnis zu den Institutionen befindet. Damit wird auf der sozialen Ebene die Verschränkung von individuellen und gruppenrelevanten Wissensbeständen thematisiert und zugleich die Frage nach der Geformtheit des tradierten Wissens aufgeworfen. Wenn der erste Zusammenhang mit der Figur des „Vermittlers“ anschaulich gemacht wird,29 so tritt die Figur des „Archivs“ für die zweite Problematik auf und fungiert im Rahmen der Transferforschung ebenfalls sowohl metaphorisch als auch empirisch.30 Die realen Archive als Ansammlungen kultureller Artefakte befinden sich im Focus der Transferanalyse, ge26 Erll, Gedächtnisromane, S. 24. 27 Maurice Halbwachs, La Topographie légendaire des Évangiles en Terre Sainte. Paris 1941 (dt.: Stätten der Verkündung im Heiligen Land: Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis. Konstanz 2003); Ders., La mémoire collective. Paris 1950 (dt.: Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt am Main 1991). 28 Erll, Gedächtnisromane, S. 27. 29 Um sich gegen die Kategorie des Einflusses abzugrenzen, betont die Theorie des Kulturtransfers die Bedeutung der soziologisch erfassbaren Vermittlerschichten oder der einzelnen Vermittler. Die Einbeziehung und Untersuchung der realen Austauschprozesse im Sinne der individualgeschichtlichen Rekonstruktion persönlicher Erlebnisse und Lebensläufe, erlaubt aus der Sicht des Kulturtransfers, über den Schnittpunkt heterogener Entwicklungen zu reflektieren. Vgl. Michel Espange, Französisch-sächsischer Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert, in: Comparativ 2 (1992), S. 100-121, S. 102. 30 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 12, S. 28; Michel Espagne/Katharina Middell/Matthias Middell (Hg.), Archiv und Gedächtnis. Studien zur interkulturellen Überlieferung. Leipzig 2000 (Deutsch-französische Kulturbibliothek; 13). 85
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nauso wie die sie verwaltenden Institutionen, vor allem die Historiografie und die Literaturwissenschaft, die sich für die Verbreitung des Wissens und für die Produktion der Narrative der jeweiligen Vergangenheit verantwortlich zeigen: „Deshalb wird sich die Erforschung des Kulturtransfers insbesondere der Rekonstruktion und Reinterpretation von historischen Praxiszusammenhängen zuzuwenden haben, an denen die Interdependenz von individual- oder gruppenspezifischen Durchsetzungs- bzw. Anpassungsstrategien und gesellschaftlichen Konnexen zu zeigen wäre.“31
Das prospektorisch formulierte Ziel der Transferforschung kann heute insofern direkt in Bezug auf aktuelle kulturwissenschaftliche Gedächtnistheoreme gebracht werden, als der Transferansatz mit ihren Grundannahmen übereinstimmt: erstens wird die Rekonstruktivität des Gedächtnisses der Kultur hervorgehoben,32 zweitens gilt seine Existenz als ein potenziell offenes Gefüge an gespeicherten kulturellen Informationen, die, drittens, in sozialspezifischen Kommunikationsprozessen auftauchen oder versinken, also aktualisiert oder vergessen werden.33 Im Zusammenhang mit dem Transferansatz kann deshalb die kürzlich vorgenommene Begriffspräzisierung angewendet werden, der zufolge das kollektive Gedächtnis als eine offene und veränderliche Gesamtheit mentaler, materialer, sozialer Phänomene der Kultur aufgefasst wird, die auf Kommunikation basiert und sich in den Medien äußert. Die historischen und gruppenspezifischen Ausprägungen des kollektiven Gedächtnisses – Erinnerungskulturen – sind beobachtbar.34 Die Erweiterung des Transferansatzes durch das Modell der Erinnerungskulturen im Sinne kulturell und historisch variabler Ausprägungen kol31 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 26. 32 Vgl. dazu aus erinnerungstheoretischer Sicht: Siegfried J. Schmidt, Gedächtnisforschungen: Positionen, Probleme, Perspektiven, in: Ders. (Hg.), Gedächtnis: Probleme und Perspektiven der interdisziplinären Gedächtnisforschung. Frankfurt am Main 1991, S. 9-55. 33 Vgl. zwei Modi des kollektiven Gedächtnisses bei Jan Assmann (kommunikatives und kollektives Gedächtnis) und die Weiterentwicklung des Konzepts in Bezug auf die Dynamik des kulturellen Gedächtnisses bei Aleida Assmann (Funktions- und Speichergedächtnis). 34 Die Begriffsverwendung erfolgt in Anknüpfung an das Modell des kollektiven Gedächtnisses und der Erinnerungskulturen, das Astrid Erll in ihrer Arbeit eingeführt hat. Dort heißt es: „Die Pluralform zeigt an, dass wir es niemals, auch in den homogensten Kulturen, mit nur einer einzigen Erinnerungsgemeinschaft zu tun haben. Im Gegenteil, Erinnerungskulturen weisen eine Vielzahl koexistenter, häufig konkurrierender kollektiver Gedächtnisse auf. Zweitens verweist der Begriff ‚Erinnerungskulturen‘ (statt ‚Gedächtniskulturen‘) darauf, dass das wissenschaftliche Konstrukt ‚kollektives Gedächtnis’ erst durch seine Aktualisierung in einzelnen Akten kollektiver Erinnerung tatsächlich beobachtbar und kulturwissenschaftlich analysierbar wird.“ Erll, Gedächtnisromane, S. 35-37, hier S. 36. 86
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lektiver Gedächtnisse stellt einen analytischen Apparat für die Untersuchung der kulturellen Prozesshaftigkeit bereit, wie ihn die Transferforschung gefordert hat. Er bietet eine Lösung für die programmatisch aufgestellte, aber methodisch nicht ausreichend aufgelöste Interdependenz zwischen „conjoncture“ und „longue durée“ des Transfersgeschehens.35 Das Modell der Erinnerungskulturen ermöglicht erstens die Beobachtung und die Beschreibung der Zirkulationen von Artefakten und Wissensbeständen, sowie Aussagen über die sozialen und medialen Bedingungen ihrer jeweiligen Produktion. Es erlaubt zweitens eine umfassende Rekonstruktion und Analyse der kulturhistorischen Transformationen und ihrer Verflechtungen, die in Gestalt der ReSignifikationsprozesse auf der semantischen Ebene und im Dienste der Identitätsstiftung im Rahmen der Erinnerungskulturen historische Formen annehmen. Der Transferansatz hebt einzelne Akteure der historischen Kommunikation stark hervor, als Konsequenz daraus, dass ein allgemeingültiges Konzept der „kollektiven Identität“ als fragwürdig erklärt wird.36 Die Akzentsetzung auf den „individuellen Faktor“ entspricht der sozialen Komponente der Erinnerungskulturen, denn erst durch die Mitteilung einer subjektiven Vergegenwärtigung entsteht eine beobachtbare Schnittstelle mit einer gruppenrelevanten Dimension des Wissens, die die jeweilige Auskunft über Aktualisierung und Re-Formulierung innerhalb des kollektiven Gedächtnisses geben kann. Die kommunikative Beschaffenheit und die Bindung an soziale wie materiale Träger der Information, die als Voraussetzung interkultureller Transfers gelten, geht einher mit einem hohen Grad an Aufmerksamkeit gegenüber den Medien der Erinnerungskulturen.37 Als materielle Träger vermittelter 35 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 12. Vgl. die Debatten über die kurze und lange Dauer der Transferprozesse und die Verortung des Begriffs der Konjunktur darin: Werner/Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung, S. 621f.; Wolfgang Schmale, Historische Komparatistik und Kulturtransfer. Europageschichtliche Perspektiven für die Landesgeschichte. Bochum 1998. 36 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 13. 37 Die zeitliche Dimension einer „wiederaufgenommenen Mitteilung“ im Rahmen einer „zerdehnten Situation“ ist immer auf eine Externalisierung in Medien angewiesen. In Bezug auf die textuellen Medien hat diese Ausgangslage aus der gedächtnisspezifischen Perspektive Ehlich beschrieben: Konrad Ehlich, Text und sprachliches Handeln. Die Entstehung von Texten aus dem Bedürfnis nach Überlieferung, in: Aleida Assmann/Jan Assmann/Christof Hardmeier (Hg.), Schrift und Gedächtnis. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation. München 1983, S. 24-43 (Archäologie der literarischen Kommunikation; 1). – Angestoßen durch diesen Definitionversuch der „zerdehnten Situation“ haben Jan und Aleida Assmann Ende der 1980er Jahre in direkter Auseinandersetzung mit den kulturtheoretischen Überlegungen Jurij Lotmans erstmals die Prämissen ihrer eigenen gedächtnistheoretischen Konstruktion entworfen: „Zerdehnung der Kommunikationssituation erfordert Möglichkeiten externer Zwischenspeicherung. Das Kommunikationssystem muß einen Außenbereich entwickeln, in den Mitteilungen und Informationen – kultureller Sinn – ausge87
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Kommunikation sind sie aktiv an der Sinnstiftung beteiligt, die nicht nur die Bedeutung einzelner Objekte des Transfers steuert, sondern ihre Wirkung auf die Einteilung der Wissensbestände zeigt.38 So wie das von Lotman beschriebene Modell der Semiosphäre mit der permanenten Neucodierung des Wissenshorizonts beschäftigt ist, produzieren die Transfers immer wieder die „Grenzräume“, die das kulturelle Wissen und seine Organisation hinterfragen lassen. Die Dynamik der Kultur wird durch die Arbeit am kollektiven Gedächtnis aufrechterhalten, die sich stark selektiv und konstruierend gestaltet. Die Transferobjekte werden in ihrer Zugehörigkeit zu den zentralen oder peripheren Bereichen der Semiosphäre definiert. Diese Identifizierung ist gegenwartsbezogen, sie speist sich aber aus dem gespeicherten Wissensvorrat, der medien- und gruppenspezifisch ist. Dabei wird der jeweils verfügbare Vorrat in der Selbstbeschreibung nicht immer als „Vergangenheit“ definiert, sondern auch als relevante „Information“.39 Je nach der Aktualisierung in der jeweiligen Erinnerungskultur werden die Transfers erfolgreich, wenn die neuen, „aufgetauchten“ Transferobjekte zu den „eigenen“, „zentralen“ Beständen umgedeutet werden, oder sie scheitern und werden als „fragmentierte“ und „fremde“ Elemente identifiziert und in der Peripherie angesiedelt. In lagert werden können, sowie Formen der Auslagerung (Kodierung), Speicherung und Wiedereinschaltung (‚retrieval’). Das erfordert institutionelle Rahmen, Spezialistentum und im Normalfall auch Notationssysteme […].“ Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 22. – Vor diesem Hintergrund bedarf jedoch die zeichentheoretische Nivellierung von Medialität und Materialität der Untersuchungsobjekte, die u.a. für die Lotmansche Semiosphäre zu konstatieren ist, einer Korrektur. Spätestens mit dem Erscheinen des programmatischen Titels von Marshal McLuhan sind die Zeichenträger als solche ins Rampenlicht der kulturwissenschaftlichen Forschung gerückt. Als Folge davon ist nicht nur die Konjunktur der Medienforschung in den letzten zwei Jahrzehnten zu nennen, sondern darüber hinaus die Formierung des so genannten „material turn“ innerhalb der Kulturwissenschaften. Der geschärfte Blick auf die materiellen Träger der Kommunikationsprozesse hat neue Vorgehensweisen in der bis dahin von dem Textmodell dominierten kulturwissenschaftlichen Arbeiten ermöglicht. Vgl. auch Verständnis der „Mediologie“ aus literaturwissenschaftlichgermanistischer Sicht als einer „Interdependenz von technischer Medialität und Semiose“ im expliziten Bezug auf das Medium Schrift bei Albrecht Koschorke: Schriftverkehr und Körperströme. Mediologie des 18. Jahrhunderts. München 1999, hier S. 11. 38 Diesen Zusammenhang haben Espagne und Werner am Beispiel des deutschfranzösischen Kulturtransfers in Bezug auf die Mineralogie erläutert, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwar als angewandte Technik auf die Ebene einer zwecklosen Wissenschaft abgestuft worden ist und dennoch zugleich zur ideologischen Legitimation des materialistischen Ansatzes wirkungsvoll herangezogen werden konnte. Espagne/Werner, Figures allemandes autour de „L’Encyclopédie“, in: Dix-huitième Siècle 19 (1987), S. 263-281. 39 Dieser Aspekt wird in der systemtheoretisch orientierten Gedächtnisforschung herausgearbeitet. Vgl. Elena Esposito, Soziales Vergessen. Formen und Medien des Gedächtnisses der Gesellschaft. Frankfurt am Main 2002. 88
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beiden Fällen sind sie Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses und können entweder explizit in die Mechanismen der kulturellen Tradierung der Erinnerungsgemeinschaft eingebunden werden oder sie bleiben im Reservoir potenzieller künftiger Erneuerung des Wissensvorrats ruhen. Die Bedeutungsproduktion auf der semantischen Ebene des Transfergeschehens steht in einem dynamischen Wechselverhältnis mit den Prozessen der gesellschaftlichen Identitätsbildung, die durch die Vergegenwärtigung des gruppenspezifischen Wissens über sich selbst und die anderen gebildet wird. Das Problem sozialer Bedingtheit der individuellen Erinnerung nimmt eine zentrale Stelle im Halbwachsschen Gedächtnismodell ein: „Erinnert wird, was dem Selbstbild und den Interessen der Gruppe entspricht. Hervorgehoben werden dabei vor allem Ähnlichkeiten und Kontinuitäten, die demonstrieren, dass die Gruppe dieselbe geblieben ist. Die Teilhabe am kollektiven Gedächtnis zeigt an, dass der sich Erinnernde zur Gruppe gehört.“40 In Fortführung des von Halbwachs ausgearbeiteten Fragenkomplexes hat Jan Assmann gezeigt, dass die Identitätsbildung immer „eine Frage des kulturellen Gedächtnisses und seiner Organisationsform ist.“41 Das in Folge verstärkte Bewusstsein für den Konstruktionscharakter der kollektiven Gedächtnisse zeichnet die aktuelle Gedächtnisforschung aus. Diese Erkenntnis muss als eine wesentliche Korrektur der Vorstellung des „mémoire culturell“ als eines „neutralen Speicher[s] verfügbarer Gegenstände und Deutungsformen“,42 die auch in den frühen Entwürfen des Kulturtransfers enthalten ist, verstanden werden. Einen markanten Punkt bilden in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzungen mit der Konstruktion einer nationalen Identität, eines kollektiven Bedeutungssystems, das sowohl in der kulturwissenschaftlichen Gedächtnis- als auch in der Transferforschung problematisiert worden ist. Espagne und Werner haben von Beginn an gefordert, die nationalen Kategorien konsequent als historisch und kulturell verankerte Begriffe zu verhandeln: „die Nationalkultur [unterliegt] wie alle historischen Phänomene einem beständigen Umdeutungsprozess. Die Verwendbarkeit des Begriffs ist darum von Fall zu Fall, von Epoche zu Epoche neu zu überprüfen und gegebenenfalls zu präzisieren.“43 Nichtsdestoweniger setzt neuerdings die Kritik an der aktuellen Transferforschung gerade an dem Problem ihres vermeintlich „nationalen Ausgangspunkts“ an. Trotz der geforderten Historisierung erfolge die Beschreibung, vor allem des „Anfangs- und Endzustandes“ des Transfergeschehens, in den „Kategorien nationaler Klassifizierung.“44 Eine durch die erinnerungskulturelle Dimension erweiterte Transferanalyse erlaubt es, die problematisierten Begrifflichkeiten der nationalen Identität sowohl aus historischer als auch aus analytischer Sicht präziser zu veror40 Erll, Gedächtnisromane, S. 21. 41 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, S. 160f. (inbesondere das Kapitel „Kulturelle Identität und politische Imagination“). 42 Espagne/Werner, Problemskizze, S. 26 43 Ebd., S. 15. 44 Werner/Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung, S. 614. 89
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ten. „Das ideologische Konstrukt der Nationalkultur“45 im Sinne einer „Rezeptionskultur“ innerhalb des Transferansatzes kann grundsätzlich keinen epochenübergreifenden analytischen Bezugsrahmen herstellen, weil es sich dabei um eine in der spezifischen Gegenwart entstehende Vergangenheitsversion im Rahmen einer nationalen Erinnerungskultur handelt. Insofern ist auch eine nationalorientierte Geschichtsschreibung aus der Sicht der erinnerungskulturellen Forschung nur eine historisch und kulturell definierbare Ausprägung des kollektiven Gedächtnisses, die sich durch eine spezifische Konstellation des Erinnerungsgeschehens auszeichnet. „Bei der Konstruktion eines nationalen Gedächtnisses geht es um jene Bezugspunkte in der Geschichte, die das positive Selbstbild stärken[,]“ dabei wird im „Dienste der Identitätsbildung und Handlungsorientierung eine Grenze zwischen Erinnern und Vergessen auf[ge]baut und damit zwischen Wichtigem und Unwichtigem untersch[ieden].“46 Es findet mehrfache Selektion auf der semantischen Ebene statt, die die relevanten Wissensbestände kommunizieren und reproduzieren lässt. Das trägt zur Entstehung eines verbindlichen Narrativs über die gemeinsame Vergangenheit bei, das durch die Institutionen, wie die der Literaturgeschichtsschreibung, bis heute tradiert wird.47 Als eine der prägenden Eigenschaften einer nationalen Erinnerungskultur lässt sich ihre im besonderen Maße homogenisierende und totalisierende Tendenz rekonstruie45 Ebd. 46 Aleida Assmann/Ute Frevert, Geschichtsvergessenheit - Geschichtsversessenheit: vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart 1999, S. 9-18. 47 Vgl. „Geschichtsbewusstsein äußert sich […] immer in narrativ verfassten sprachlichen Gebilden.“ Jörn Rüsen, Historische Orientierung. Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in der Zeit zurechtzufinden. Köln u.a 1994, S. 10. Damit wird die Rolle der historischen wie literarischen Erzählung in Prozessen der Produktion der historischen Narrative hervorgehoben. Die Literatur tritt als eine historische Inhalte vermittelnde Instanz auf und ist damit Medium der Erinnerungskulturen. Sie wird aber auch selbst erinnert und fungiert als Inhalt des kollektiven Gedächtnisses. Als Bestandtteil des kulturellen Kanons formt die Literatur seine Argumentation, bzw. selektiert die Inhalte und kombiniert sie zu einer Erzählung. Damit hat die Literatur einen wesentlichen Anteil an der stabilisierenden Dimension der kulturellen Selbstbeobachtung, die in der Kanonbildung zum Ausdruck kommt und die Zwecke der Identitätsbildung, der Wertvermittlung und der politischen Legitimation zu erfüllen hat. Vgl. Assmann/Assmann, Kanon und Zensur. Beiträge zur Archäologie der literarischen Kommunikation; Herbert Grabes/Margit Sichert, Literaturgeschichte, Kanon und nationale Identität, in: Erll/Nünning, Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft, S. 297-314. – In dem Problembewusstsein der strukturellen Ähnlichkeit des (modernen) Literaturbegriffs mit der konstruierenden und selektiven Arbeit des kollektiven Gedächtnisses ist die selbstreflexive Haltung der historischen Disziplinen verankert. Darüber, dass die Literatur- und Geschichtsschreibung jeweils eine Vergangenheitsversion formt, besteht inzwischen Konsens (vgl. insbesondere die Diskussionanregungen von Clefford Geertz oder Hayden White). 90
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ren. Beobachtbare Folgen sind dabei erstens die Ausblendung auf der Ebene der Teilnehmer, der Bedeutungen und der Träger des Transfergeschehens und zweitens die Installation der Vergangenheitsnarrative, die auf der Konkurrenz unter den abgegrenzten „nationalen Kulturen“ aufbauen und einen deutlichen Ausdruck in einer hierarchisch organisierten Einflussgeschichte oder den Denkfiguren der „Vorreiter“ oder „Nachzügler“48 finden. Die Voraussetzungen für die Etablierung eines auf diese Weise homogenisierenden Nationalbewusstseins werden erst durch das Vergessen des vorangegangenen Prozesses der Machtentfaltung geschaffen. Denn festzuhalten ist, dass die Herausbildung einer sich als homogen präsentierenden nationalen Identität eigentlich eine Art Hybridbildung darstellt, in der heterogene ethnische, sprachliche, soziale und regionale Elemente zu einer widersprüchlichen Einheit gewaltsam zusammengefügt werden.49 An diesem Punkt entsteht eine entscheidende analytische Kohärenz zu der bereits erläuterten intellektuellen Operation des Transferansatzes, der „das systematische Verborgene wieder an die Oberfläche des kollektiv Erinnerten zu ziehen versucht.“50 Die Transferforschung geht von der Gleichzeitigkeit vieler konkurrierender Gruppenidentitäten innerhalb einer historisch verorteten kulturellen Formation aus. Der Heterogenität der kulturellen Verfasstheit, wie sie auch kulturtheoretisch begründet wird, entspricht aus der gedächtnistheoretischen Perspektive die Vielzahl gleichzeitig existierender Erinnerungskulturen und damit die Vielzahl der kollektiven Gedächtnisse. Die an einer früheren Stelle erwähnte grundsätzliche Infragestellung eines allgemeingültigen Konzepts kollektiver Identität im Rahmen der Transferforschung, die Espagne und Werner formuliert haben, kann mit Hilfe gedächtnistheoretischer Argumente revidiert werden. Einem aktualisierten Transferansatz wird so die Vorstellung von einer Pluralität kollektiver Identitäten vorangestellt, die sich in einer dynamischen Wechselwirkung mit Konzepten der Alterität bilden, und zwar sowohl auf der kollektiven Ebene der kulturellen Formation, als auch in Hinblick darauf, wie ein Individuum seine Gruppenzugehörigkeit situativ definiert. Angesichts der Gleichzeitigkeit vieler Identitätsangebote werden die Ein- und Ausschlussmechanismen des als fremd definierten Anderen jeweils im Rahmen der relevanten Erinnerungskulturen neu definiert. Vor dem Hintergrund eines kultursemiotisch und erinnerungskulturell modifizierten Transferansatzes bekommt vor allem der Begriff der Konjunktur eine zusätzliche Dimension. Bekanntlich hat er ursprünglich eine Signalwirkung für die von der Transferforschung geforderte Umkehrung der Per48 Beide Begriffe sind von Reinhard Bendix für die historisch-vergleichende Makrosoziologie eingeführt worden, siehe: Giesen, Nationale und kulturelle Identität, S. 13, S. 16, S. 39-55. 49 Vgl. zu Mechanismen der nationalen Identitätsbildung aus kulturwissenschaftlicher Sicht: Stuart Hall, Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften Bd. 2. Hamburg 1994, S. 180-222, besonders S. 200f. 50 Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik, S. 23. 91
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spektive gehabt: nicht der „Expostwille“ einer „fremden“ Kultur, wie in der traditionellen Vorstellung der Beziehungsforschung der Fall ist, sondern die „Importwünsche“ der „eigenen“ Ausgangssituation sollen im Fokus der Forschung stehen. „Die explizite Begründung und tatsächliche Funktion der kulturellen Fremdanleihen stimmen nur selten überein, zumal das jeweilige Transferobjekt ja in Ausgangs- und Rezeptionskultur einen verschiedenen Stellenwert besitzt und damit per definitionem interpretatorisch multivalent wird.“51
Die Übertragung eines fremden Kulturgutes ist eine Reaktion auf eine besondere heimische Konjunktur, die als ein Auswahlmechanismus dient und die „Akzeptanz von ‚Fremdheit’ steuert“.52 Akkulturation steht für den Prozess der produktiven Umdeutung des rezipierten Kulturguts, für eine „Rekonstruktion des Empfängers.“53 In diesem Kontext bedeutet die Konjunktur „eine auffällige Dichte der Zuwendung zu bestimmten ausländischen Kulturelementen“ und ihre „jeweils historisch spezifische Aneignungsweise,“ von denen aus sich die Implikationen in das kulturelle Gedächtnis anbieten.54 Steht hier die Aufmerksamkeit gegenüber den empirisch fassbaren Begegnungen mit dem kulturell Fremden im Vordergrund der Argumentation, so lässt sich auf der Ebene der kulturellen Selbstreflexion die notwendige Schnittstelle zu den identitätsrelevanten Bestimmungen verzeichnen, sofern im Vorfeld explizit oder implizit die Ähnlichkeiten und Unterschiede verhandelt werden müssen. Hier kommen die Mechanismen des kollektiven Gedächtnisses zum Vorschein, die sich in den Aussagen über die bevorzugten Identitätsangebote auf der Basis der aktuell konstruierten Vergangenheitsversion äußern. Das konjunkturelle Auftreten von zu erinnernden Zeiten, Ereignissen oder Personen hat eine entsprechend weitreichende Auswirkung auf die Verhandlung der Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem und bestimmt den jeweiligen Stellenwert innerhalb der kulturellen Formation. Die Konjunkturen des Transfers sind auf diese Weise in dem Zusammenhang der Erinnerungskulturen angesiedelt, sie sind unmittelbar in die Prozesse der Aktualisierung und der Löschung, der Vergegenwärtigung und des Verges51 Espagne/Werner, Projektskizze, S. 20. 52 Ebd., S. 21. 53 Ebd., S. 21-22. Der Begriff der „Akkulturation“ ist der ethnografischen Forschung entlehnt. Vgl. dazu Middell: „Dieser kulturhistorische Ansatz lässt sich klassifikatorisch den Fragen nach dem Verhältnis von Fremdem und Eigenem zuordnen, die ihren Impuls ebenso aus einer Veränderung der Blickrichtung philosophischer und soziologischer Überlegungen aus neuen Erfahrungen mit der Hybridität der sozio-kulturellen Situationen erhalten.“ Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik, S. 19. Wie bereits an einer anderen Stelle erwähnt worden ist, wird aktuell der Begriff der Hybridität vor allem im Rahmen der postcolonial studies und der neueren Imperialismusforschung produktiv eingesetzt. 54 Middell, Kulturtransfer und Historische Komparatistik, S. 20, Anm. 51. 92
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sens des gruppenrelevanten Wissens eingebunden und bekommen ihre historischen Konturen durch die entsprechende Rekonstruktionsarbeit. Als ein erinnerungskulturell kontextualisierter Begriff lassen sich die Transferkonjunkturen auf der allgemeinen Ebene in zwei äußersten Tendenzen unterscheiden. Zum einen handelt es sich um die Konjunktur der Alterität. Sie kommt zum Ausdruck in einer legitimierenden Argumentation in Hinblick auf die Aufnahme des Anderen, wobei das als fremd konnotierte in seiner Fremdheit explizit hervorgehoben und dadurch die nötige Auseinandersetzung angetrieben wird. Zum anderen betrifft dies die Konjunktur der Hegemonie: jede Form von Fremdheit wird systematisch ausgeschlossen und verborgen, mit dem Ziel, eine homogene Vorstellung von dem Eigenen durchzusetzen und aufrechtzuerhalten. Die Konjunktur der Alterität stellt grundsätzlich den welterklärenden Primat einer Kultur in Frage, die der Hegemonie ist dagegen mit der Wiederherstellung der Vorherrschaft einer bestimmten Kultur beschäftigt.55 Beide Konjunkturen treten in ein wechselseitiges Verhältnis zu den dynamischen Mechanismen der kulturellen Selbstbeschreibung, beide setzen Modifikationen des Eigenen und Aneignungen und Inkorporation des Anderen in Gang. Sie formieren sich jedoch in differente Erinnerungskulturen, die gleichzeitig zu einander existieren können und dennoch sich latent in der Konkurrenz um die Erinnerungshoheit befinden. Einen stattfindenden Wandel innerhalb der Geflechte der Erinnerungskulturen signalisiert die Rhetorik von Zäsuren und Neuanfängen, die besondere Brisanz in der historischen Situation Russlands im Verlauf des langen 18. Jahrhunderts bekommen. Die Erweiterung des Transferansatzes durch die Vorgehensweise der aktuellen kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung trägt der Systematik und der Transparenz der historischen Analysen bei, wenn es um die Einlösung des von dem Kulturtransfer formulierten Zieles geht: die Verflechtung miteinander interagierender „Geschichten“, Vergangenheitsversionen und Wissensbestände hervorzuheben und die durch die Akten der Selbstbeschreibung systematisch verborgenen Alteritäten zu rekonstruieren.56 Als Konsequenz aus der methodischen Erweiterung muss die zugrunde gelegte Auffassung der Interkulturalität selbst insofern modifiziert werden, als die 55 Vgl. die soziologischen Muster der „reflexiven Modernisierung“ und des „reflexiv gewordenen Traditionalismus“ nach Ulrich Beck und Wolf Lepenies. Wolf Lepenies, Die Übersetzbarbeit der Kulturen. Ein europäisches Problem, eine Chance für Europa, in: Haverkamp, Die Sprache des Anderen. Übersetzungspolitik zwischen den Kulturen, S. 95-120, hier S. 111-112. 56 Was die Erkenntnisinteressen der Transferforschung (und in Anknüpfung daran, der vorliegenden Studie) angeht, so zielen sie also nicht auf die „Aufdeckung historischer Wahrheit“. Im Gegenteil könnten an dieser Stelle Sympathien mit der Selbstbestimmung einer „Poetologie des Wissens“ bekundet werden, die dort beginnt, „wo die Gegenstände des Wissens nicht einfach gegeben sind; und sie endet damit, diese Unverfügbarkeit zu erhalten, – nichts Nahes, das nicht in größter Entfernung wiederkehren würde.“ Joseph Vogl, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Poetologien des Wissens um 1800. München 1999, S. 7-18, hier S. 16. 93
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interkulturellen Transfers nicht nur die Interaktionen zwischen „ausländisch Fremdem“ umfassen, sondern sich auf alle Dimensionen des kulturell Differenten in sozialer, medialer und mentaler Hinsicht und ihrer Durchmischung potenziell ausweiten lassen. Diese Auffassung beruht auf der Annahme einer grundsätzlichen Heterogenität kultureller Formationen, die ihr Selbstbild zwischen Vergegenwärtigen und Vergessen gruppenrelevanter Informationen erarbeiten und damit die kulturelle Dynamik erzeugen. Dabei geht es keineswegs darum, die historischen Transfers durch die semiotischen Zirkulationen zu ersetzen und damit eine „Hypostasierung des Kulturellen“57 zu betreiben. Denn gerade das Bewusstsein für den Konstruktionscharakter des Wissens und der Identität, der in historisch verorteten Erinnerungskulturen zum Ausdruck gebracht wird, öffnet den analytischen Blick für die komplexen Interdependenzen zwischen individuellem wie kollektivem Eigensinn und materialer wie sozialer Machtentfaltung innerhalb des Transfergeschehens. Die Aufmerksamkeit den zeiträumlich fassbaren Transfers gegenüber lässt Beobachtungen über ihre Wechselwirkungen mit hegemonialen oder alternierenden Konjunkturen des kollektiven Gedächtnisse zu und ermöglicht damit kohärente Aussagen über Phänomene des kulturellen Wandels.
57 Wolfgang Kaschuba, Einführung in die europäische Ethnologie. München 1999, S. 16. 94
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Teil II
Ornament und Tableau: Gartenräume zwischen verschnörkelter Ordnung und perspektivischer Rationalisierung
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1.
1. Moskauer Gartenlandschaft um 1700
Fokussiert man den Blick auf die Gartengestaltung im Vorfeld der petrinischen Zeit, die gemeinhin für die revolutionäre Erneuerung des „alten Russlands“ steht, so ist man keinesfalls mit der kulturellen Situation einer tabula rasa konfrontiert. Im Gegenteil charakterisiert ein elaborierter und extrem ausdifferenzierter Stand des Wissens um die Ordnungen und Funktionszuweisungen des Gartens die Ausgangslage. Eine Nahsicht auf die Moskauer Gärten um 1700 führt zahlreiche Verflechtungen vor Augen, die sich zwischen ökonomischen und symbolischen, sakralen und profanen, habitualisierten wie innovativen Existenzformen der Gartengestaltung ausmachen lassen. Das zieht eine entsprechend komplexe Verortung des Gartenwissens im kulturellen Alltag und einen reflektierten Umgang damit in der Kunstproduktion nach sich. Ablesbar ist diese Situation an der Tatsache, dass die Gartengestaltung dieser Zeit als Objekt literarischer Beschreibung vorrangig in den Blick ausländischer Reisender rückt und die Gärten ein fester Bestandteil der zahlreichen publizierten Berichte werden.1 So entwirft der englische In1
Eine systematische Auswertung der Reiseberichte unter gartenspezifischem Aspekt bleibt weiterhin ein Forschungsdesiderat. Vorliegende Arbeit zieht lediglich einige ausgewählte exemplarische Reiseliteraturäußerungen heran. – Eine der ersten umfassenden Systematisierungen der auf Russland bezogenen Reiseliteratur hat Friedrich Adelung vorgenommen: Friedrich Adelung, Kritischliterärische Übersicht der Reisenden in Rußland bis 1700, deren Berichte bekannt sind. 2 Bde. St. Petersburg, Leipzig 1846. Als Quellen neuester historischer Forschung stehen die Reise- und Gesandtschaftsberichte im Mittelpunkt folgender Monografien: Gabriele Scheidegger, Perverses Abendland - barbarisches Russland. Begegnungen des 16. und 17. Jahrhunderts im Schatten kultureller Missverständnisse. Zürich 1993; Paul Bushkovitch, Peter the Great. The Struggle for Power, 1671-1725. Cambridge 2001; Wolfgang Geier, Russische Kulturgeschichte in diplomatischen Reiseberichten aus vier Jahrhunderten. Sigmund von Herberstein, Adam Olearius, Friedrich Christian Weber, August von Haxthausen. Wiesbaden 2004 (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund 37), vgl. zu dem Buch Geiers die kritische Rezension von Martina Winkler: [1.2.2005]. 97
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genieur John Perry (1670-1732), der sich um die Jahrhundertwende über ein Jahrzehntlang in Russland aufgehalten hat, in seiner Schrift „The State of Russia, Under the Present Czar“ (1716) eine panoramatisch anmutende Fernsicht auf die russische Metropole: „Moscau ist bey nahe mitten in Rußland an einem Fluß gleiches Nahmens, welcher in die Acca fället, gelegen und hat einen sehr grossen und weitläufftigen Bezirck, darinnen ein jeder, der nur halbwege von Distinction ist, so gar auch mitten in der Stadt einen Garten hinter seinem Hauß und vor demselbigen einen Hof hat. Wann ein Reisender in einen schönen Prospect aussen her von der Stadt kömmt, so lassen die zahlreichen Kirchen, die Clöster, derer von Adel ihre Häuser, die Thürme, Cuppeln und Creutze über denen Kirche, welche theils gemahlt, theils übergüldet sind, so vortrefflich wohl, daß er meinen sollte, als wann dieses eine von denen herrlichsten und schönesten Städten von der Welt wäre, welches mir selbsten begegnet ist, da ich von der Strasse von Novogorod aus zu erst die Stadt erblickte, allwo sie sich auch am allerbesten praesentiret […].“2 2
Hier zitiert nach der deutschen Ausgabe: Johann Perry, Der ietzige Staat von Rußland oder Moscau unter ietziger Czarischen Majestät. Leipzig 1717, S. 422423. – Die englische Originalausgabe: John Perry, The State of Russia, Under the Present Czar. In relation to the several great and remarkable things he has done, as to his naval preparations, the regulating his army. London 1716 [Reprint: London 1968]; die russische Übersetzung: Džon Perri [John Perry], Sostojanie Rossii pri nynešnem zare. V ontošenii mnogich velikich i zamečatel’nych ego po časti prigotovlenii k ustrojstvu flota, ustanovlenija novogo porjadka v armii, preobrazovanija naroda i raznych ulučšenija kraja, in: Čtenija imperatorskogo obščestva istorii i drevnostej rossijskich 1 (1871), S. 169-170. Vgl. zu Perry: Adelung, Kritisch-literärische Übersicht der Reisenden in Rußland, Bd. 2, S. 400401. – Den Garten als einen obligatorischen Bestandteil der Moskauer Häuser erwähnt auch ein italienischer Russlandreisender: „При каждом жилище или боярских хоромах – дворы, службы, баня и сад.“ (Ercole Zani, Relazione e viaggio della Moscovia del sig. cavaliere Ercole Zani bolognese. Bologna 1690, hier zit. nach: Tanner, Opisanie puteščestvija pol’skogo posol’stva v Moskoviju, S. 170); von einer regelrechten Mode von Blumengärten in Moskau berichtet Jan Janszoon Struys (russ. Jan Strejs, gest. 1694): „Недавно вошли в моду цветы. Прежде смотрели на них, как на пустяки и говорили (о разведении их), как о смешной забаве; но с некоторых пор нет дворянина, у которого бы не росла большая часть цветов, свойственных климату Европы“ (Zit. nach der russischen Ausgabe in: Tanner, Opisanie puteščestvija pol’skogo posol’stva v Moskoviju, S. 37). Vgl. Jan Janszoon Struys, Drie aanmerkelijke en seer rampspoedige reysen door Italien, Griekenlandt, Lijflandt, Moscovien, Tartarijen, Meden, Persien, Oost-Indien, Japan, en verscheyden andere gewesten [...] Aangevangen anno 1647. en voor de derde, of laatste reyse t'huys gekomen 1673. begrijpende soo in alles den tijdt van 26 jaren. Nevens twee brieven [...] daar in ook een verhaal der [...] sware ongemakken, uytgestaan by D. Butler, door hem selfs geschreven uyt Ispahan. Met verscheydene curieuse koopere platen, door den auteur selfs na het leven geteekent, verçiert. Voyagien door Moscovien, Tartaryen, Oostindien en andre deelen der werelt. Amsterdam 1676. 98
Moskauer Gartenlandschaft um 1700
Auf einige wenige Gärten aus dem hier von John Perry entworfenen Tableau geht die Darstellung des folgenden Kapitels ein: zuerst wird die Entstehung der Moskauer Sommerresidenz Ismajlowo des Zaren Aleksej Michajlovič geschildert, daraufhin werden die Siedlungslandschaft an der Jausa skizziert und die Gartenanlagen des Diplomaten Fëdor Golovin und des Niederländers im russischen Dienst Nicolaas Bidloo vorgestellt. Literarische Akzente setzen dabei zum einen die einleitenden Überlegungen von Simeon Polockij zu seiner monumentalen Gedichtsammlung „Der blumenreiche Garten“ (russ. „Vertograd mnogocvetnyj“) und zum anderen ein Essay von Nicolaas Bidloo, das er „als Erinnerung“ für seine Kinder und Familie schreibt, um diesen Text (nl. „Schetz bij de Tekeningen tot Een Aandenken voor mijn kinderen & familije“) einer Ansichtensammlung seines eigenen Moskauer Gartens voranzustellen. Auf den ersten - und besonders auf den literaturhistorisch geschulten - Blick lägen zwischen diesen beiden Paratexten Welten. In Hinblick auf die Reflexion der Wechselverhältnisse zwischen Garten, Gedächtnis und Literatur erweisen sie sich jedoch bei eingehender Betrachtung als gleich programmatisch und markant. Einen medienhistorischen Kontrast zu diesen handschriftlichen Textquellen bildet die neue Konjunktur der Druckgrafik, die einen wesentlichen Bestandteil der Popularisierung der Gartengestaltung um und in der neuen Hauptstadt St. Petersburg in dem zweiten Dezennium des 18. Jahrhunderts ausmacht. Den neuen „Paradiesen“ im Norden widmet sich das zweite Kapitel dieses Teilabschnitts, wobei hier eines der ersten Gartenprojekte unter der Bezeichnung Sommergarten (russ. Letnij sad) im Mittelpunkt steht.
1. Ornamentale Vielfalt der zarischen Sommerresidenz in Ismajlowo Bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kommt in der russischen Kultur eine vielfältige und differenzierte Gartenkunst zum Vorschein, die durch archäologische, textuelle und bildliche Zeugnisse belegt ist.3 So signalisiert auch der Gebrauch der Begriffe sad, ogorod, vertograd, vert einen differenzierten Umgang mit dem Gartenwissen, das den profanen Bereich von dem sakralen unterscheidet, genau so wie sich symbolische (Kirche, Gottesmutter) und alltagskulturelle (Gemüse-, Obst-, Fischzucht) Funktionsweisen
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Ivan M. Snegirëv, Vzgljad na istoričeskoe drevnee sadovodstvo v Moskve do Petra Pervogo, in: Vedomosti moskovskoj gorodskoj policii 168 (1853), S. 1-16; Ivan Zabelin, Moskovskie sady v 17 stoletii, in: Žurnal sadovodstva 1 (1856), S. 43-57, 2 (1856) S. 95-122; Sof’ja N. Palentreer, Priemy kompozicii podmoskovnych parkov XVII-XVIII vv. Kand. diss. Moskva 1945 (Typoskript, Moskau PGB); Tat’jana B. Dubjago, Russkie sady XVI-XVII vekov, in: Dies., Russkie reguljarnye sady i parki. Leningrad 1963, S. 11-28; Vergunov/ Gorochov, Vertograd. Sadovo-parkovoe iskusstvo Rossii, S. 21-67. 99
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differenzieren lassen.4 Trotz ihrer spezifischen funktionellen und semantischen Zuweisungen beinhalten alle diese Gartenbezeichnungen die grundlegende Vorstellung von einem kultivierten, abgeschlossenen und wertvollen wie inhaltsreichen Ort. Gartenräume, die nicht sprachlich bzw. literarisch erfasst werden, sondern eine karto- und ikonografische Transformation erfahren, bestehen äußerlich aus beinahe unzähligen einzelnen Teilen. Die Mannigfaltigkeit der grafischen Gestaltung verliert sich jedoch nicht in der Fläche der Karte oder in dem Gefüge des Ornaments. Denn jedes sichtbare Detail verweist hier auf ein harmonisches Ganzes außerhalb des Bildmediums. Das Dekorative und das Nützliche bilden dabei eine mentale Einheit, was in der Funktion und der Gestaltung der Gartenanlagen des ausgehenden 17. Jahrhunderts erkennbar ist.5 Die gartenhistorischen Studien, die sich mit der vorpetrinischen Geschichte befassen, belegen, dass der russische Hof in Moskau über einen Stab von eigenen und ausländischen Kunstgärtnern und Fontänenmeistern verfügt6 und einen regen Austausch mit den Niederlanden und Italien im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Residenzen betreibt.7 Im Moskauer 4
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Art. Vert, Vertograd, in: Slovar’ russkogo jazyka 11-17 veka. Moskva 1975, Bd. 2, S. 97, S. 99-100; Art. Sad, in: Ebd., Moskva 1996, Bd. 23, S. 12-13; Art. Vertograd, in: Slovar’ russkogo jazyka 18 veka. Leningrad 1987, Bd. 3, S. 53. Die Ideenverbindung des Schönen mit dem Nützlichen in der russischen Gartenkunst dieser Zeit hat Lichačëv ausführlich analysiert: Lichačëv, Poėzija sadov. K semantike sadovo-parkovych stilej [1991], S. 110-126. Die Schreibweise der Namen und die Angaben zu Lebensdaten der Gärtnermeister werden in der kunsthistorischen Literatur überwiegend nach den überlieferten Archivmaterialien, vor allem dank der Einstellungs- bzw. Vertragsunterlagen, rekonstruiert. Eine eigene Überprüfung der Verfasserin hat ergeben, dass alle in dieser Arbeit behandelten russischen wie ausländischen Gärtner keine eigenen Einträge in den gängigen nationalen Künstlerlexika und biografischen Nachschlagewerken haben. Sie finden auch in den neuen, internationalen Datenbanken (wie World Biographical Information System, WBIS), mit wenigen Ausnahmen, keine Erwähnungen. – Namentlich bekannte Gärtnermeister, die im 17. Jahrhundert am Moskauer Hof gearbeitet haben, sind: Nazar Ivanov, Ivan Teljatevskij, Tit Andreev (Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 19), Filaret, Larion L’gov, Moisej Terent’ev, Kasim Adžaev, Mamtegej Zampanov, Grigirij Chut, Indrik Kašpir (ebd., S. 28), Ivan Koverin, Avdej Romanov, Kirila Sergeev, Vindilinus Sibilistus (Vergunov/Gorochov, Vertograd, S. 44), Evsej und Fëdor Michajlovy, Lev Ivanov, Pavel Semenov (ebd., S. 46) und Stepan Mušako (ebd., S. 48). Zur Analyse der italienischen Stilelemente in der russischen Gartengestaltung vor 1700 siehe die Ausführungen von Vergunov und Gorochov (ebd., S. 49), die jedoch keine dokumentarischen Belege für die Arbeit der Gartenkünstler aus Italien anführen. Bereits seit dem Ende des 15. Jahrhunderts arbeiten italienische Architekten, darunter Pietro Antonio Solari und Alaisio da Carezano im Auftrag des russischen Zaren an der Errichtung des Großen Palasts im Moskauer Kreml’, sowie auf dem Landgut Kolomenskoe. (Vgl.: Sergej Pod’’japol’skij, 100
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Kreml stehen zu dieser Zeit der Zarenfamilie die berühmten hängenden Gärten (russ. verchovye krasnye sady) zur Verfügung, die unmittelbar an die Wohnräume angeschlossen und der persönlichen Nutzung vorbehalten sind.8 Die zarischen Gartenanlagen vor den Toren der Stadt finden Verwendung als Räume des Rückzugs und der Erholung, sie dienen aber auch der zarischen Repräsentation, da hier ausländische Diplomaten empfangen werden.9 Darüber hinaus haben die Landsitze der Zaren wie Ismajlowo, Kolomenskoe oder Preobraschenskoe eine ökonomische Bedeutung im Zusammenhang mit der Produktion u.a. seltener und exotischer Vegetabilien für den Hof.10 Diese Gärten der Regierungszeit von Aleksej Michajlovič (1629-1676) beschreibt Jacob Reutenfels, ein Berichterstatter in Diensten des toskanischen Herzogs: „In kleiner Entfernung von der Stadt erblickt man mehrere Sommerschlösser, die für die Erholung der Zaren bestimmt sind und wohin sie sich gewöhnlich immer wieder zurückziehen, um neue geistige Kräfte zu sammeln. Nicht der letzte Platz gebührt unter ihnen dem Dorf Ismajlowo, in dem sich ein berühmter weitläufiger Garten mit vier ausladenden Toren und vielen verschnörkelten Wegen befindet. In einer Entfernung von etwa einer halben Meile befindet sich ein sehr reicher Tiergarten oder besser gesagt ein Wald, den eine Mauer umgrenzt und etliche Horden verschiedener Tiere füllen; und in der Nähe Ismajlowos liegt ein elegantes Gebäude, das der HerArchitektory ital’janskogo Vozroždenija v Rossii, in: Pinakoteka 16-17 (2003), S. 20-29.) Zahlreiche Kontakte zu italienischen Fürstenhöfen in der Regierungszeit von Aleksej Michajlovič belegen nicht nur mehrere Gesandtschaften und die entsprechenden Gesandtenberichte (beispielsweise die Beschreibung der diplomatischen Reise zu Ferdinand II. von Toskana im Jahr 1659: Opisanie posol’stva, otpravlennago v 1659 godu ot carja Alekseja Michajloviča k Ferdinandu II, velikomu gercogu Toskanskomu. Moskva 1840), sondern auch erhaltene Objekte materieller Kultur des russischen Hofes (Inna Višnevskija, Ital’janskie tkani iz sobranija Muzeev Moskovskogo Kremlja, in: Pinakoteka 16-17 (2003), S. 227-234). – Zu den niederländisch-russischen Beziehungen allgemein siehe: Hans Schade, Die Niederlande und Russland. Handel und Aufnahme diplomatischer Kontakte zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Frankfurt am Main 1992 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; Bd. 409); Dokumenty o svjazjach Rossii i Niderlandov v fondach Rossijskogo Gosudarstvennogo Archiva Drevnich Aktov. Spravočnik, hg. v. Tat’jana B. Solov’eva, Dmitrij M. Volodichin, Tat’jana A. Lapteva. Moskva 1999. 8 Die Beschreibung der Konstruktion und der Bepflanzung der „verchovye krasnye sady“ sind in den beiden bereits erwähnten Monografien zur russischen Gartenkunst enthalten: Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 19; Vergunov/Gorochov, Vertograd, S. 46-49. 9 Snegirëv, Vzgljad na istoričeskoe drevnee sadovodstvo v Moskve do Petra Pervogo, S. 1-16; Ders., Dvorcovoe carskoe selo Izmajvolo, rodovaja votčina Romanovych. Moskva 1866. – Die Fortführung dieser Semantik, die im Dienste staatlicher Repräsentation steht, findet in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowohl in den Moskauer Anlagen, wie Annengof, als auch in den neuen zarischen Gärten, wie Zarskoe Selo bei St. Petersburg, statt. 10 Ivan E. Zabelin, Moskovskie sady v XVII stoletii, in: Ders., Opyt izučenija russkich drevnostej i istorii. Moskva 1873, Bd. 2, S. 267-322. 101
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stellung der Arzneien dient und einen Garten mit Heilkräutern hat. So ist ebenfalls das Landschloss in Kolomenskoe, das, ganz abgesehen von übrigen Verzierungen und obwohl es aus Holz errichtet ist, eine sehr sehenswerte Bauart darstellt, denn der Schlossbau wirkt insgesamt so, als wäre er gerade erst einer kostbaren Schatulle entnommen worden, dank seiner mit bewundernswerter Kunstfertigkeit ausgeführten Holzschnitzereien, die golden glitzern. Nichts werde ich hier aber über Preobraschenskoe hinzufügen, einen weiteren ebenfalls erhabenen und malerischen Sommersitz des Zaren.“11
Das von Reutenfels an erster Stelle erwähnte Landgut Ismajlowo (russ. Izmajlovo) zählt seit 1640 zum festen Besitz der Familie Romanov und liegt am Fluss Serebrjanka in einer waldigen Gegend östlich der Hauptstadt.12 Die Umgestaltung des weitläufigen Areals von einer Länderei mit zerstreuten kleinen Siedlungen zu einem repräsentativen Landsitz beginnt 1663. Ein topografischer Plan der Gesamtanlage aus dieser Zeit vermittelt die Raumstruktur des Areals in Ismajlowo um eine künstlich angelegte Schlossinsel. (Abb. 4) Die bereits besiedelten, landwirtschaftlich genutzten Gebiete sowie die bewaldeten oder bepflanzten Flächen lassen sich hier erkennen. Die vorhandenen Gebäude fallen durch ihre architektonischen Details auf, daneben bilden die großflächigen Stauseen, unter anderem südlich der Insel ein weiteres charakteristisches Gestaltungselement des Areals. Die einzelnen Gartenpartien, bis auf den eingezäunten Tiergarten, sind jedoch auf diesem Plan in ihrer eigentlichen formalen Ausgestaltung nicht detailliert ablesbar. Lediglich abstrahierende Baumzeichen und kreisförmige Piktogramme verweisen auf vorhandene Teilanlagen, die so in die visuelle Gesamtheit der gezeichneten 11 Jacob Reutenfels, De rebus Moschoviticis ad Serenissimum Magnum Hetruriae Decem Cosmum Tertium. Patavii MDCLXXX. – Hier zit. nach der russischen Ausgabe: Jakov Rejtenfels [Jacob Reutenfels], Skazanija svetlejšemu gercogu Toskanskomu Koz’me tret’emu o Moskovii, Padua 1680. Moskva 1906, S. 93: „В небольших расстояниях от города виднеются несколько летних дворцов, назначенных для отдохновения царей, куда они имеют обыкновение по временам удаляться, дабы собраться с новыми душевными силами. Среди них не последнее место принадлежит селу Измайлову, обладающему знаменитым обширным садом с четырьмя высочайшими, широко раскрытыми воротами, со многими извивающимися дорожками. В расстоянии приблизительно полумили от него находится богатейший зверинец или, лучше сказать, лес, обнесенный забором и наполненный стадами разных животных, а близ него - изящное здание для приготовления лекарств с садом врачебных растений. Таков же и Коломенский загородный дворец, который, кроме прочих украшений, представляет достойнейший обозрения род постройки, хотя и деревянной, так что весь он кажется точно только что вынутым из ларца, благодаря удивительным образом искусно исполненным резным украшениям, блистающим позолотою. Не буду уже ничего здесь еще присовокуплять о Преображенском, тоже величавом и живописном летнем местопребывании.“ 12 Das Museum des Landguts Ismajlowo gehört inzwischen zum Einzugsgebiet von Moskau: [2.2.2005]. 102
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Fläche eingehen. Sie lassen die jeweilige Verortung von Baumgärten, Hainen, Feldern und Wiesen nachvollziehen, bevor das neue Bauvorhaben die Ummodellierung der gesamten Gegend um die Schlossinsel in Ismajlowo nach sich zieht.13 In dem darauffolgenden Jahrzehnt entsteht hier ein in seiner Gesamtkonzeption asymmetrisches Ensemble aus mehreren Gärten. Zwei kompositorische Schwerpunkte bilden dabei der sogenannte Traubengarten (russ. Vinogradnyj sad), eine etwa 16 ha große viereckige Anlage außerhalb der nordwestlichen Grenze der Schlossinsel,14 und der kreisförmige botanische Garten (russ. Aptekarskij sad) im Süden. Insgesamt verbindet die vielen Teilgärten in Ismajlowo ein Wegesystem, das gerade und verschnörkelte Wegführungen in sich vereint. Die überlieferten bildlichen Darstellungen von Ismajlowo nach seiner Umgestaltung beziehen sich auf die einzelnen Gärten des Landsitzensembles.15 In ihrer Eigenschaft als Teilanlagen weisen diese Gärten durchgehend geometrische Grundrisse und ornamentale Strukturen auf. Den strengen äußeren Formen der jeweiligen Teilgärten werden in diesen Darstellungen zahlreiche ineinander eingeschriebene Kreise und Vierecke sowie komplizierte geometrische, ornamentale Muster aufgelegt. Auf diese Weise präsentiert sich jeder der einzelnen Gärten in Ismajlowo als in sich geschlossenes Gebilde mit verspielter Binnenstruktur, ohne dass im Einzelfall ein ersichtlicher Bezug zum übergeordneten räumlichen Zusammenhang der Gesamtanlage visuell hergestellt wird. Die sich schier überbietende Mannigfaltigkeit sowohl in der Gestaltung eines einzelnen Gartens in Ismajlowo als auch in der Anzahl der Gärten in13 Sof’ja N. Palentreer, Sady 17 veka v Izmajlove, in: Soobščenija instituta istorii iskusstv AN SSSR: Architektura 7 (1956), S. 80-103. – Eine umfassende Untersuchung der politischen Implikationen der Kartografierungsmaßnahmen im Russland des 17. Jahrhunderts hat Kivelson in ihrer neusten Monografie vorgelegt. Dabei hat sie u.a. soziale Auswirkungen und rechtliche Kosequenzen der damit einhergehenden ikonotextuellen Landguterfassung ausführlich an einzelnen Beispielen der Karten zentralrussischer Gebiete behandelt: Valerie Kivelson, Cartographies of Tsardom. The Land and Its Meanings in Seventeenth-Century Russia. Ithaka, London 2006 (siehe insbesondere Kapitel „Engaging with Law“ und „Signs in Space“, S. 29-98). – Neben der reichbebilderten Arbeit Kivelsons sind in den letzten Jahren erstmals einige weitere anschauliche Beispiele der üblichen visuellen Darstellungsmodi der Gärten innerhalb der russischen Landgüter dieser Zeit veröffentlicht worden: Tri veka russkoj usad’by: živopis’, grafika, fotografija. Izobrazitel’naja letopis’ XVII - načalo XX vv., hg. v. Marta K. Gurenok. Ausst.-Kat. Gosudarstvennyj Istoričeskij Muzej. Moskva 2004, S. 35 (Abb. 6, 7); Jurij A. Tichonov, Dvorjanskaja usad’ba i krest’janskij dvor v Rossii 17 i 18 vekov. Moskva, St. Peterburg 2005, S. I-III. 14 RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, Nr. 85, 86, 89. Der Plan unter der Nr. 85 ist abgebildet in: Ebd., S. 89. 15 RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, č. 2, Nr. 16, 33, 34, 45, 61, 62, 72, 73. Vgl. Abbildungen in: Palentreer, Sady 17 veka v Izmajlove, S. 90, S. 91, S. 93, S. 95. 103
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nerhalb der Anlage stellt aber nur scheinbar eine Autonomie der Teile von ihrem Ganzen dar. Die Vielfalt ist einer ganzheitlichen Raumvorstellung untergeordnet: Die Gesamtheit der räumlichen Ordnung erschließt sich in einem Vorstellungsakt, wobei jeweils die gegebene topografische Raumordnung der Anlage mit den mannigfaltigen Details ihrer Bestandteile in dem Gedächtnis kombiniert werden muss. So kommt Ismajlowo in der Beschreibung von Reutenfels zuerst nicht als ein Ganzes, sondern als eine additive Folge seiner markanten Teile zum Vorschein. Der von ihm vermittelte Eindruck der Weitläufigkeit der Zarenresidenz, durch die wiederholte Bewunderung der Größe verschiedener erwähnter Bestandteile unterstützt, entsteht aus einer zeitlichen, im Gedächtnis verorteten Perspektive.
2. Alphabetische Ordnung als Garant der Wissensvermittlung: „Vertograd mnogocvetnyj“ von Simeon Polockij Auf der poetologischen Ebene lässt sich dieses Konzept des Gartenraumes an der ersten Fassung der monumentalen Gedichtsammlung „Vertograd mnogocvetnyj“ (dt. Der blumenreiche Garten) von Simeon Polockij (1629-1680)16 ablesen. Die Sammlung entsteht in den letzten Lebensjahren des Universalgelehrten, dessen Dichtung als Auftakt zu der ersten in sich geschlossenen neuzeitlichen Stilrichtung der russischen Literatur gilt. Die dokumentierten Veränderungen an dem Konzept der Gedichtsammlung, die Simeon Polockij vornimmt, stellen insofern einen Glücksfall dar, als sie den Wechsel der Raumordnungsvorstellungen im Rückgriff auf die Gartengestaltung gegen Ende des 17. Jahrhunderts anschaulich machen.17
16 Bei seiner Aufnahme in die Mönchsgemeinschaft des Erscheinungsklosters in Polock hat der gebürtige Weißrusse Samuil Gavrilovič Petrovskij-Sitnjanovič im Jahr 1656 den Namen Simeon erhalten. Davor hat er an dem russischorthodoxen Kollegium von Kiev und Mogilëv (Kievo-Mogiljankaja Kollegija) und an der jesuitischen Akademie in Wilna (Akademia Wileńska) studiert. Den Beinamen Polockij, der seinen Geburtsort benennt, hat er nach seiner Berufung an den Moskauer Zarenhof bekommen, wo er seit 1664 bis zu seinem Tod in verschiedenen Funktionen als Universalgelehrter, Dichter und Erzieher tätig gewesen ist. Vgl.: Michail A. Robinson/Lidija I. Sazonova, Zametki k biografii i tvorčestvu Simeona Polockogo, in: Russkaja literatura 4 (1984), S. 134-137; Lydia [Lidija] Sazonova, „Vertograd mnogocvetnyj“ Simeona Polockogo: istorija sozdanija, poėtika, žanr, in: Simeon Polockij, Vertograd mnogocvetnyj, hg. v. Anthony Hippisley/Lydia Sazonova. Köln u.a. 1996, Bd. 1, S. xi-li (darin biografische Skizze: S. xi-xii) (Bausteine zur slavischen Philologie und Kulturgeschichte; Reihe B, NF 10/1); Simeon Polockij, Izbrannye sočinenija, hg. v. Igor’ P. Erëmin. Moskva, Leningrad 1953. 17 Zum philologischen Vergleich der überlieferten Fassungen siehe die Untersuchungen von Lidija Sazonova: Sazonova, „Vertograd mnogocvetnyj“ po avtografu (K 300-letiju so dnja smerti Simeona Polockogo), in: Izvestija AN SSSR, 104
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Abb. 4. Ismajlowo, Plan-Zeichnung des zarischen Hofes mit der Darstellung des Schlosses […], des Apothekengartens und des Baumgartens, vor 1673, (Autor unbekannt), Papier, Tusche, Aquarell, 80x55 cm. Moskau, RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, č. 2, Nr. 3.
Die erste überlieferte Fassung des Gedichtzyklus „Vertograd“ war ursprünglich einem Prinzip scheinbar loser Abfolge von vordergründig heterogenen Serija literatury i jazyka 4 (1980), S. 301-310; Dies., „Vertograd mnogocvetnyj“ Simeona Polockogo: istorija sozdanija, poėtika, žanr, S. xv-xvii. 105
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Texten gefolgt.18 Die Zugehörigkeit einzelner Gedichte zu einem übergreifenden Themenkomplex hatte sich nicht unmittelbar aus einer sichtbaren formalen Ordnung ergeben; erst eine in der Lektüre zu erstellende Verknüpfung hatte den tatsächlichen intertextuellen Zusammenhang erhellt. Die thematischen Zusammenhänge waren aus einem assoziativen Wechselspiel zwischen eigentlichen und uneigentlichen, metaphorischen und symbolischen Bedeutungen entstanden. Einer kunstvollen Verschlüsselung war die überraschende Auflösung des Rätsels gefolgt. Damit war in den Zyklus ein poetisches Spiel eingelassen, das aus einer unermesslichen Vielfalt der äußeren Welt und des intellektuellen Wissens geschöpft und auf den Effekt der Verwunderung gezielt hatte. Das Hervorbringen eines erhellenden Ganzen aus der Mannigfaltigkeit einzelner Teile, das idealiter die Lektüre des Gedichtszyklus mit didaktischer Absicht erzeugt hatte, hatte auf einem dynamisch verstandenen Verhältnis zwischen der Schrift und der Einbildungskraft des Lesers basiert. Dieses Gedankenspiel, das auf die Anwendung der acumen-Lehre zurückgeht und insgesamt den Charakter von Polockijs Dichtung bestimmt,19 bringt die erste Zusammenstellung der mehr als eintausend Gedichte in einer makrotextuellen Dimension zum Ausdruck. Anders als der früheste Autograf der Gedichtsammlung präsentiert sich die überarbeitete, im Jahr 1678 abgeschlossene Fassung des „Blumenreichen Gartens“ in einer ganz anderen Ordnung: Die Reihenfolge der Texte richtet sich nach dem Alphabet.20 Mit dieser restriktiven alphabetischen Neuanordnung der im wesentlichen beibehaltenen, etwas vermehrten Gesamtanzahl der Gedichte entscheidet sich Simeon Polockij gegen einen assoziativthematischen Zusammenhang. Er wählt eine neue Formgebung, deren Evidenz die Transformation von imaginativer Mannigfaltigkeit in eine intersubjektiv verbindliche Struktur garantieren soll. Für die alphabetisch geordnete Fassung der Gedichtsammlung, die letztlich in Gestalt eines Prachtexemplars am 30. November 1682 der Regentin Sofija Alekseevna (1657-1704) am Zarenhof überreicht wird, verfasst Simeon Polockij ein in mehrfacher Hinsicht aufschlussreiches Vorwort.21 Den Auf18 Die älteste überlieferte Fassung der Gedichtsammlung befindet sich in der Sammlung des Staatlichen historischen Museums in Moskau: GIM, Sinod. sobr. 659, 547 ll. Siehe dazu: Tat’jana P. Protas’eva, Opisanie rukopisej Sinodal’nogo sobranija. Moskva 1973, Bd. 2, S. 109; Sazonova, „Vertograd mnogocvetnyj“ po avtografu, S. 301-310. 19 Lachmann hat anhand von mikrotextuellen Analysen die Anwendung der acumen-Lehre in der Dichtung Simeon Polockijs analysiert: Renate Lachmann, Die Zerstörung der schönen Rede. Rhetorische Tradition und Konzepte des Poetischen. München 1994, S. 158-162. 20 Es handelt sich dabei um das zweite überlieferte Exemplar der Handschrift, eine im August 1678 abgeschlossene Reinschrift der Gedichtsammlung: GIM, Sinod. sobr. 288. (Siehe: Sazonova, „Vertograd mnogocvetnyj“: istorija sozdanija, poėtika, žanr, S. xxxviii). 21 Die eigentliche Veröffentlichung des Buches, an deren Abschluss eine weitere Schlüsselgestalt des literarischen Lebens um 1700, Sil’vestr Medvedev, entschei106
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takt seiner einleitenden Überlegungen bildet die Beschreibung eines Brauchs, dem nach es üblich und lobenswert sei, etwas aus einem fremden reichen Garten, den man erlebt und genossen hat, in den eigenen, heimischen Garten mitzunehmen und dort anzupflanzen, um Freude und Nutzen davon mit den Familienangehörigen zu teilen, denen der Besuch der fremden Gärten verwehrt geblieben ist.22 In einer figurativen Wendung erklärt Simeon Polockij anschließend die Absicht seiner dichterischen Arbeit: Die unzähligen merkwürdigen literarischen Erlebnisse, die den gelehrten Dichter während seines Lebens bei der Lektüre der Weltliteratur begleitet haben, möchte er der heimischen Literatur hinzufügen. Der vorhandene Reichtum der russischen Sprache soll damit gleich dem zuvor beschriebenen heimischen Garten um viele weitere „Wurzeln“ und „Samen“ vermehrt werden. Der rhetorischen Figur des Gleichnisses zwischen Garten und Literatur folgt eine Aneinanderreihung symbolischer Sinndeutungen des Gartens, der als Kirche, deren „Schutzzaun“ die Sprache darstellt, als himmlisches Paradies und schließlich als die Gedichtsammlung selbst im Text der Einleitung aufgerufen wird.23 In einem weiteren Schritt begründet der Verfasser die gewählte Ordnung seines Buches, wobei er sich weiterhin auf den Vergleich zwischen Garten und Literatur stützt und diesen nun durch die Komponente des Artifiziellen erweitert. Er ruft zuerst die Gestaltungsprinzipien eines wohlgeordneten,
dend mitgewirkt hat, findet damit erst zwei Jahre nach dem Tod Simeon Polockijs statt. Dieses Prachtexemplar der Gedichtsammlung „Vertograd mnogocvetnyj“ wird auf Erlass von Peter I. zwischen 1709 und 1711 zusammen mit weiteren Büchern der zarischen Bibliothek aus Moskau nach St. Petersburg gebracht und befindet sich heute in der Sammlung der Akademie der Wissenschaften (BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Pervaja čast’ (A), Nr. 54, 621+IV ll.). Siehe: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki akademii nauk, Bd. 1: XVIII vek, S. 34, S. 389 (Abb. der Titelseite: S. 51). 22 Simeon Polockij, Predislovie ko blagočestivomu čitatelju, in: Ders., Vertograd mnogocvetnyj [1996], S. 2-8, hier S. 2: „Твари, свѣтом разума во плоти от Бога украшенной, обычай есть, еже аще прилучится во вертоградѣх богатых быти, и различных цвѣтов сладким благовонием и сердцевеселящим доброличием и краснолѣпым цвѣтением увеселится, и о ползѣ их здравию тѣлесному много и скоро успѣшной извѣщенну быти, то абие всеусердное тщание полагати, да от тѣх же обилия нѣчто себѣ получит, и в домашних своих оградѣх или насѣет сѣмена, или насадит корение во общую ползу и веселие всѣм домашним и не успѣвшым отстоящих посѣщати вертов цвѣтоносных.“ 23 Ebd., S. 4: „Tѣм же аз […] благодатию сподобивыйся странных идиомат пребогатоцвѣтныя вертограды видѣти, посѣтити и тѣх пресладостными и душеполѣзными цвѣты услаждения душеживиьелнаго вкусити, тщание положих многое и труд не малый, да и в домашний ми язык славенский, яко во оплот или ограждение Церкве Российския, оттуду пересаждение кореней и перенесение сѣмен богодухновенноцвѣтородных содѣю, не скудность убо исполняя, но богатому богатство прилагая, зане же имущему дается.“ 107
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formalen Kunstgartens in Erinnerung und stellt diese anschließend in den Dienst der damit verbundenen verlässlichen Wissensvermittlung: „So wie man pflanzt, damit [die Blumen] bequemer zu erreichen sind, anders also als die Gräser, die ohne Kenntnisse eines virtuosen Künstlers auf dem Feld nur dank der Natur wild durcheinander wachsen und für einen Suchenden schwer zu erreichen sind, aber wie es für einen kunstfertigen Blumengärtner üblich ist, der die verschiedenen Arten und Typen von Blumen und Kräutern wohlgeordnet nach Beeten und Reihen sät und setzt, so ist alles in diesem meinen blumenreichen Garten kunstvoll und ordnungsgemäß gestaltet, weil es nach dem slavischen Alphabet gedichtet ist.“24
Die Hervorhebung der Kunstordnung gegenüber einer natürlichen Regellosigkeit, wie sie in der zitierten Passage auf die formale Gesamtstruktur der Gedichtsammlung bezogen wird, erfährt in dem weiteren Verlauf des Vorwortes eine Vertiefung. Die Idee der messbaren Ordnung findet nämlich eine spezifische Zuspitzung in Hinblick auf das metrische System der Dichtung, das Simeon Polockij in seiner Sammlung konsequent verwendet.25 Wie der Dichter bekräftigt, erfolgt die Wahl seiner poetischen Mittel vor allem aufgrund ihrer mnemotechnischen Vorzüge. Indem er den Akzent auf die Gedächtnisübung durch lautes Vorlesen und wiederholtes Rezitieren der Gedichte legt, unterstreicht er die moralisch-didaktische Absicht seiner Gedichtsammlung.26
24 Ebd., S. 4: „Иже убо удобнѣйшаго ради обрѣтения, не яко трава на поли не хитростию художника искуснаго, но естеством изводимая, смѣшенно раждается и не скоро ищущым обрѣтаема бывает, насадишася, но яко же есть обычай цвѣтовертником искусным всяческих цвѣтов и зелий, роды же и виды благочинно по сподом и лехам сѣяти и садити, тако и во моем сем вертѣ многоцветном художественнѣ и по благочинию вся устроишася, ибо по алфавитному славенскаго диалекта сочинению.“ 25 Zu der Bedeutung der regelmäßigen syllabischen Dichtung von Simeon Polockij für die Entwicklung der russischen Metrik siehe den Aufsatz von Erëmin: Igor’ P. Erëmin, Simeon Polockij – poėt i dramaturg, in: Simeon Polockij, Izbrannye sočinenija, S. 223-260, insbesondere S. 256f. 26 Simeon Polockij, Predislovie, S. 6: „Иже убо не вѣтийскаго художества ухищрением мною насадишася, но пиитическаго рифмотворения равномѣрием слогов по различным устроишася родом, того ради да присвойственною себѣ сладостию сердцам читателей приятнѣший суще, аки нуждею влекут я ко читанию частѣйшему. И яко в немнозѣ пространствѣ многшая заключающеся, удобнѣе памятию содержатися могут, и на память изученная внегда провѣщаются временно, благосладящая суть слухи и сердца слышащых.“ 108
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Abb. 5. Titelblatt „Vertograd mnogocvetnyj“ von Simeon Polockij. Links: Moskau, GIM, Sinod. sobr. 288, l. 1. Rechts: St. Petersburg, BAN, ro, Petrovskoe sobr. A 54, l. 1.
Die traditionelle rhetorische Formel von Nutzen und Vergnügen, die Simeon Polockij zu Beginn des Vorwortes bezeichnenderweise als Bestandteil bzw. sogar als das Ziel des von ihm beschriebenen Gartenbrauchs einführt, geht somit in der übergreifenden Idee einer mit äußeren Sinnen wahrnehmbaren Regelmäßigkeit auf.27 Diese manifestiert sich in literarischer Hinsicht auf der Ebene der Großform, der alphabetischen Anordnung des Buchwerks, und wirkt bis in die kleinsten Bestandteile des Textes, indem sie die sicht- und hörbare Ordnung der Silben und Verse bestimmt. Auffällig und entscheidend zugleich ist dabei, dass der Dichter in seiner literaturpragmatisch (didaktischer Zweck der Dichtung) und poetologisch (Formfragen) orientierten Argumentation auf die Gartenkunst als Modell zurückgreift. Der reguläre Kunstgarten dient ihm als konkretes Beispiel für bereits vorhandene Künstlerverfahren, die die Mannigfaltigkeit der äußeren Welt in eine adäquate, regelmäßige Kunstform überführen können. Insofern kann man im Fall von den einleitenden Überlegungen zu „Vertograd“ von einem legitimierenden Medienvergleich zwischen Garten und Buch sprechen, der von dem Autor für die Begründung seiner eigenen Kunst27 Es handelt sich dabei um den topischen Ausdruck „vo polzu i veselie“ (ebd., S. 2), der die Formulierung der dichterischen Aufgaben nach der Horazschen „Ars poetica“ zitiert („aut prodesse volunt aut delectare poetae/aut simul et iucunda et idonea dicere vitae“). Die in den ersten Zeilen des Vorworts verwendete topische Formel aktualisiert somit die doppelte Ausrichtung der Poetik der Sammlung Polockijs (Belehrung und Unterhaltung). 109
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produktion eingesetzt wird. Es scheint nicht ausreichend zu sein, dass bereits mit der Titelgebung des Buches – „Der blumenreiche Garten“ – eine verlässliche Aktualisierung der gängigen semantischen Kette von Garten, Buch und Welt angelegt worden ist.28 Auch die augenfällige Verbindung zu der Tradition der früheren Buchproduktionen, die einem Sammlungsprinzip folgen und meistens in didaktischer Absicht sich dem Alphabet unterordnen, genügt für die Begründung der Absichten der neuen Gedichtsammlung ihrem Verfassers nicht. Seinen literarischen Anspruch, der in der von ihm gewählten Formensprache innovative Züge aufweist, verknüpft Simeon Polockij mit der Vorstellung eines in Wirklichkeit realisierbaren Idealzustands. Sinnlich vermittelt sieht der Dichter diesen Zustand, der erstens konsequent in den Kategorien einer regelmäßigen sowie mess- und lesbaren Ordnung gedacht ist und zweitens in der Kunstproduktion konkrete Formen erhalten kann, in der ihm aktuellen Gartengestaltung. Eine konkrete Gestalt erfährt diese Ordnungsidee, die von dem Wechselspiel zwischen Garten, Schrift und Wissen auch außerhalb rhetorischer Formen lebt, im botanischen Garten. Diesem Typus entspricht ein Garten in Ismajlowo, auch wenn er noch, übrigens wie die vier anderen überlieferten botanischen Gärten in Moskau, die Bezeichnung „aptekarskij sad“ (dt. Apothekengarten) trägt.29 Denn bis ins 18. Jahrhundert bleiben botanische Gärten europaweit ausschließlich dem Anbau von Arzneipflanzen und der damit zusammenhängenden medizinischen Wissensvermittlung vorbehalten. Die Gartenanlage bei der Apotheke in Ismajlowo erachtet auch Reutenfels – erinnert man sich an seine Schilderung der zarischen Sommersitze – für besonders erwähnenswert.30
28 Grundlegend: Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt am Main 1981. – Im Kontext der slavischen Literaturen siehe die Darstellungen bei Čiževskij und Sazonova: Dmitrij Čiževskij, Das Buch als Symbol des Kosmos, in: Ders., Aus zwei Welten. Beiträge zur Geschichte der slavisch-westlichen literarischen Beziehungen. ’S-Gravenhage 1956, S. 85-114 (Slavistische drukken en herdrukken; 10); Lidija Sazonova, Poėt isad: iz istorii odnogo toposa, in: Folia Litteraria: Studia z literatury rosyjskiej i radzieckiej 22 (1988), S. 36-45. 29 Vergunov/Gorochov, Vertograd, S. 45-46. – Einer der frühesten botanischen Gärten in Europa ist der Garten von Padua, der als ein Heilkräutergarten (it. giardino dei semplici) um 1545 gegründet wurde. Seine Anlage fand in einer gedruckten und illustrierten Beschreibung von 1591 weite Verbreitung und gilt als Vorbild für zahlreiche Gartengründungen dieser Art. Vgl. Staffan Müller-Wille, Paradies, Akademie, Ökonomie. Zur Transformation botanischer Gärten im 18. Jahrhundert, in: Ananieva/Hoefer, Der andere Garten, S. 235-249, hier S. 240. 30 Rejtenfels, Skazanija, S. 93. 110
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Abb. 6. Plan des botanischen Gartens in Ismajlowo (Aptekarskij sad), Zeichnung, vor 1673. Moskau, RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, č. 2.
Der Kreis bestimmt die äußere Form des botanischen Gartens von Ismajlowo und lässt ein geschlossenes Raummodell als Grundidee der Gartengestaltung erkennen.31 Auf einem der Einzelpläne der Anlage sind detaillierte Angaben zur Bepflanzung ihrer insgesamt 6 ha umfassenden Fläche enthalten. (Abb. 6) Die jeweiligen Bezeichnungen der angebauten Pflanzen sind jedem der dreißig einzelnen Raumsegmente des Gartens eingeschrieben. Der verschriftlichte Bepflanzungsplan vermittelt den Eindruck einer freien Kombination von Nutz- und Zierpflanzen, von Bäumen, Sträuchern, Stauden, Blumen, Kräutern und Getreide, die von der Gartenmitte heraus einander in beliebiger
31 Vergleichbare Denkmodelle, die den geschlossenen Garten mit dem Idealzustand der Natur gleichsetzten und dabei auf die Kategorien geometrischer Ordnung als Grundlage der kosmischen Ordnung aufbauen, sind im ausgehenden 17. Jahrhundert zahlreich auch in englischen Schriften enthalten, z.B. bei John Dryden „The State of Innocence, and Fall of Man“ (1674) oder Thomas Burnet „The Theory of The Earth“ (1681). Trotzdem werden sehr bald die für die Gartengestaltung revolutionären Gedanken zu einer alternativen Ordnung gerade aus dem britischen Raum kommen. Siehe dazu: Buttlar, Der englische Landsitz, S. 140-141. 111
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Abwechslung zu folgen scheinen.32 Die strenge Verbindung radialer und konzentrischer Wegeführung trennt die einzelnen Kompartimente und Rabatten untereinander und bestimmt damit die visuelle Binnenordnung der Anlage, die durch eine durchgehende Außengrenze, bestehend aus einer Wildrosenhecke, gerahmt wird. Die Schrift übernimmt bei dieser Darstellung des botanischen Gartens in Ismajlowo die Zuständigkeit für eine konkrete Verortung der Pfanzen innerhalb der Anlage. Über die pragmatischen gartengestalterischen Zwecke hinaus verweist jeder der eingeschriebenen Namen idealiter auf ein spezifisches botanisches und medizinisches Wissen, insofern mit der Bezeichnung der Pflanze umfassende Informationen über ihre Merkmale, ihren Gebrauch sowie über verschiedene literarische Überlieferungen verknüpft sind. Eine äußere Formgebung bzw. eine sichtbare Ordnung verleiht der Pflanzenvielfalt des botanischen Gartens und den damit verbundenen Wissensbeständen erst die geometrische Segmentierung durch drei konzentrische und zehn gerade Linienführungen. Auf einer solchen Kunstordnung des Gartenraums fusst die Denkfigur in den einleitenden Überlegungen zu „Vertograd mnogosvetnyj“, die auf diese Weise die Vorteile der Wissensvermittlung argumentativ hervorzuheben bestrebt ist. Wie bereits gezeigt worden ist, führt Simeon Polockij damit die Idee der alphabetischen Ordnung innerhalb seiner Gedichtsammlung ein. In den botanischen Schriften dieser Zeit übernehmen in der Tat die alphabetischen Pflanzenlisten die endgültige, klassifikatorisch gedachte Anordnung des Gartens bzw. des botanischen Wissens. Sie liefern das Instrumentarium für eine verbindliche Wissensordnung der Pflanzen bei ihrer gleichzeitigen Kombinationsfreiheit im realen Gartenraum. In ihrer Funktion als ein verräumlichter Katalog klassifikatorischen Wissens avancieren daher gerade botanische Gärten zu einem der dominanten epistemologischen Modelle im 18. Jahrhundert.33 Berücksichtigt man nun diese Art von Ordnungsverhältnis zwischen Schrift, Wissen und Gartenraum, erfährt die Logik der Neuanordnung der Gedichtsammlung „Vertograd“ ihre weitere Erklärung dafür, warum das Prinzip des alphabetischen Registers, das dieser poetischen Sammlung ursprünglich nur als traditionelles Hilfsmittel zur Seite gestanden hat, letztlich zu einem zentralen Gestaltungsprinzip des gesamten Buchwerks erhoben worden ist.34 32 RGADA, f. 27, d. 484, l. 45 („Plan novomu ogorodu“), l. 61 („Čertëž kruglogo ogoroda“), l. 62 („Plan kruglogo sada”). Siehe dazu: Palentreer, Sady 17 veka, S. 91. 33 Auf die epistemologische Funktion der botanischen Gärten weist Foucault hin: Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Frankfurt am Main 1997, S. 172-173. Vgl. auch: Müller-Wille, Paradies, Akademie, Ökonomie, S. 235-236. – Eine umfassende Interpretation des Apothekengartens von Ismajlowo, besonders im Hinblick auf die unmittelbare Repräsentation der topologischen Beziehungen in der Anlage des Gartens, steht noch aus. 34 Auf den aus literaturwissenschaftlicher Sicht merkwürdigen „Aufstieg“ des Hilfsmittels „Register“ bei der Neuordnung des Textkorpus hat bereits Sazono112
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3. Die Siedlungslandschaft an der Jausa: Nemeckaja sloboda und Golovins Garten Bewegen wir uns nun ein Stück weiter von Ismajlowo nach Westen, Richtung Moskau an das Ufer des Flusses Jausa. Um die Wende ins 18. Jahrhundert muss diese Gegend als ein beinahe geschlossenes Landleben-Ensemble gewirkt haben. Auf dem linken, hohen Ufer der Jausa lagen die Landgüter der führenden russischen Adelsgeschlechter von Ivan K. Naryškin, Vasilij F. Saltykov und Fëdor A. Golovin. Auf der gegenüberliegenden rechten Seite des Flusses, zur Stadt hin, befand sich die Novo-Nemeckaja sloboda, eine jenseits der eigentlichen Stadtgrenze gelegene Einwanderersiedlung. Ihre Bezeichnung als „Neue Deutsche Siedlung“ geht zurück auf die sogenannten „Deutschen“ (russ. nemcy), den russischen Sammelbegriff für Migranten aus West-, Mittel- und Nordeuropa.35 Entstanden ist die Siedlung an der Peripherie der Hauptstadt zur Mitte des 17. Jahrhunderts, nachdem Zar Aleksej Michajlovič per Gesetz den Erwerb von Grundstücken in Moskau für die nichtrussische Bevölkerung eingeschränkt und später ihre Umsiedlung veranlasst hatte. Stattdessen haben die ausländischen Familien für ihre Wohnzwecke das Land innerhalb der neuen Siedlung als unentgeltliche Gabe des Zaren zugewiesen bekommen.36 va in ihrer Analyse der ersten zwei Fassungen der Gedichtsammlung hingewiesen. Siehe: Sazonova, „Vertograd mnogocvetnyj“: istorija sozdanija, poėtika, žanr, S. xxxiv. 35 Die Wortgeschichte der russischen Bezeichnung für die Deutschen – nemcy– schildert geradezu die sprachorientierten und nationalkulturellen Differenzierungprozesse. Sie dient im Russischen lange Zeit als Bezeichnung für die ausländischen, nicht asiatischen Fremden überhaupt, bevor sich ihre heute gültige Spezifizierung als Benennung der Zugehörigen zu einem Staat (Deutschland) herausbildet und etabliert. Die ursprüngliche Bedeutung, die die Nichtbeherrschung der russischen Sprache als Distinktionsmerkmal der „Deutschen“ einsetzt, wird noch bis ins Ende des 19. Jahrhunderts lexikografisch tradiert. Die in dem Begriff etymologisch angelegte „Stummheit“ der Fremden erweist sich rückblickend eher als ein Wunschbild bzw. als eine harmonisierende Strategie innerhalb der Selbstbeschreibung einer Kultur, die in sprachlicher wie ethnischer Hinsicht höchst heterogen beschaffen ist, als eine tatsächliche Ausdruckslosigkeit des damit distingierten Anderen. Vgl. Art. Nemoj/ Nemec, in: Dal’, Tolkovyj slovar’ živago velikorusskago jazyka, Bd. 2, S. 562-563: „нѣмой“/ „нѣмецъ, нѣмка“: „не говорящiй по-русски, всякiй иностранецъ съ запада, европеецъ (азiятцы ‚бусурмане’); въ частности же, германецъ“. 36 Die Geschichte der Siedlung hat zuletzt ausführlich Kovrigina aufgearbeitet: Vera A. Kovrigina, Nemeckaja sloboda Moskvy i eë žiteli v konce XVII - pervoj četverti XVIII vv. Moskva 1998 (Issledovanija po russkoj istorii; 9). Zu der entsprechenden zarischen Gesetzgebung siehe dort S. 26, S. 27: „Соборное уложение 1649 г. ограничило продажу дворов иноземцам в самом городе, а 4 октября 1652 г. последовал указ Алексея Михайловича о выселении выходцев из западной Европы за пределы Москвы, туда, где прежде находилась старая Иноземная слобода, получившая теперь название Ново113
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Bernhard Leopold František Tanner widmet der „Deutschen“ Siedlung (russ. Nemeckaja sloboda) in seinem 1689 in Nürnberg erschienenen Gesandtschaftbericht ein eigenes Kapitel unter dem Titel „Germanorum urbs Kukui dicta“.37 Dabei gibt er seiner Leserschaft detaillierte Einblicke in die soziale Struktur der Siedlung sowie die allgemeine Beschaffenheit der dortigen Lebensverhältnisse. Unter anderem bemerkt er die gut gepflegten Blumenund Gemüsegärten, die jedes Siedlungshaus aufweist.38 Den Eindruck des böhmischen Reisenden bestätigen die erhaltenen Archivakten: Die Gärten der einzelnen Wohnhäuser in der „Deutschen“ Siedlung hatten grüne Hecken und Boskette, Blumenparterre, Pavillons und sogar Orangerien, neben den Obst- und Gemüsegärten gab es oft mehrere Fischteiche.39 Die Bebauung der Gehöfte orientierte sich dabei an der traditionellen russischen Hofordnung; die meist aus Holz errichteten Wohnhäuser40 der benachbarten Grundstücke trennte ein großzügiger, bepflanzter Gartenstreifen, wobei alle ökonomischen Einrichtungen in einzelnen Holzschuppen (russ. privorotnye izby) untergebracht waren.41
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Немецкой или просто Немецкой слободы. […] На новом месте участки под дворы давлись без всякой оплаты, земля Немецкой слободы объявлалась «данной белой землей».“ Bernhard Leopold František Tanner, Legatio Polono-Lithuanica in Moscoviam potentissimi Poloniae regis ac reipublicae mandato et consensu Anno 1678. feliciter suscepta, nunc breviter sed accurate quoad singula notabilia descripta a teste occulato Bernhardo Leopoldo Francisco Tannero, Boemo Pragense, Dn. legati principis camerario Germanico. Norimbergae 1689, S. 69-73. – Übersetzung ins Russische von I. Ivakin: Berngard Tanner, Opisanie puteščestvija pol’skogo posol’stva v Moskoviju v 1678 godu. Moskva 1891 (Čtenija obščestva istorii i drevnostej rossjskich, Bd. 3). Tanner, Legatio Polono-Lithuanica in Moscoviam, S. 71: „ Domibus singulis hortus bene cultus lactucis floribus´que refertus, est annexus […].“ Siehe dazu die Verweise auf die Akten aus RGADA (insbesondere fond 158 und fond 248) bei Kovrigina, Nemeckaja sloboda Moskvy, S. 29 (Anm. 17). Über die sozioökonomischen sowie bauhistorischen Verhältnisse zwischen adligen Landgütern und Bauernhöfen dieser Zeit gibt die Monografie von Tichonov detailreich Auskunft: Jurij A. Tichonov, Dvorjanskaja usad’ba i krest’janskij dvor v Rossii 17 i 18 vekov. Moskva, St. Peterburg 2005. – Von dem unvergleichlichen Fischreichtum seiner großen Gartenanlage in Nemeckaja sloboda berichtet auch Franz Lefort an seinen Bruder in die Schweiz im Jahr 1694. Siehe: Moritz C. Posselt, Der General und Admiral Franz Lefort. Sein Leben und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte Peter’s des Grossen. Frankfurt am Main 1866, Bd. 1, S. 212; Dubjago, Russkie reguljarnye sady, S. 281-282 (Anm. 354). „Между предместьями – главное Кукуй; дома в нем деревянные, но красивы точно игрушки; оно предоставлено немцам.“ (Zani, Relazione e viaggio della Moscovia, in: Tanner, Opisanie puteščestvija pol’skogo posol’stva v Moskoviju, S. 172). Vgl. die Äußerungen weiterer Russlandreisender, die im Anhang zur russischen Ausgabe von Tanners Schrift abgedruckt sind, beispielsweise den Bericht von Augustin Meyer von Meyerberg (1629-1676), der Russland in den 1660er Jahren 114
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Trotz der deutlichen gesellschaftspolitischen Distinktionsabsicht, die diesen Stadtteil an der Jausa hat erst entstehen lassen, entwickelt sich dieser Landstrich zu einem Ort, an dem scheinbar fremde Lebenswelten aus der dominanten Kultur und den diversen Kulturkreisen der Migranten, zumindest was die Gestaltung der Wohnumgebung angeht, nicht nebeneinander existieren, sondern ineinander übergehen und sich vermischen. Den Eindruck einer kulturellen Heterotopie an der Jausa legt jedenfalls die Darstellungstechnik der Siedlungsbeschreibung bei Tanner nahe. Am Ende des „Germanorum urbs“-Kapitels wird sogar eine gewisse Nähe dieser an die Stadtperipherie verwiesenen Siedlungslandschaft zu den repräsentativen Gartenanlagen des Zaren suggeriert. Diese Nähe ist allerdings räumlich gedacht und kleidet sich rhetorisch in eine Textfigur, in der der Autor eine Brücke von dem Lebens- und Arbeitsort der nichtrussischen Bevölkerung Moskaus zu den Orten zarischer Präsenz außerhalb der Stadt schlägt. Zum Abschluss der Siedlungsbeschreibung kommt Tanner auf die vom Zaren angelegten und bevorzugten (wenn auch in diesem Textabschnitt nicht namentlich genannten) Ismajlowo und Kolomenskoe zu sprechen: „Ganz eben ist die Gegend bei jenem Stadtteil, wo sich in den schon genannten Werkstätten die Arbeit der Deutschen ausbreitet. Dem Zaren hat die Landschaft so besonders gefallen, dass er mit zweien für seine Erholung errichteten und dort angebauten Gärten diesen Ort adelte (einer von denen nach der Art italienischer Gärten geschmückt, der andere mit dreihundert eleganten Spitztürmchen, die mit seltener Kunstfertigkeit die Grenze eines Gehöfts schmücken, bewundernswert). Weil diese Gegend vor allen übrigen den Sinn des Zaren gefangen genommen hat, hat er sich selbst zum Gesetz gemacht, dass er sich jede einzelne Woche (wenn die milde Witterung es erlaubt) dorthin begibt, um Umschau zu halten, spazieren zu gehen und falls etwas der Verschönerung bedarf, alles Notwendige zu veranlassen.“42 bereist hat: „По замечанию других моих предшественников, при большинстве домов находятся обширные пустыри и дворы, к очень многим домам примыкают еще огороды, плодовитые сады, да, кроме того, разделяют их друг от друга довольно обширные луга“ (Augustin von Mayerberg [Meyerberg], Iter In Moschoviam Augustini Liberi Baronis De Mayerberg, Camerae Imperialis Aulicae Consiliarii, Et Horatii Gulielmi Caluuccii, Equitis, Ac In Regimine Interioris Austriae Consiliarii: Ab Augustissimo Romanorum Imperatore Leopoldo, Ad Tzarem Et Magnum Ducem Alexium Mihalowicz, Anno M.DC.LXI. Ablegatorum/ Descriptum Ab Ipso Augustino Libero Barone de Mayerberg cum Statutis Moschoviticis ex Russico in Latinum idioma ab eodem translatis. O.o. [ca 1665]), zit. in: Tanner, Opisanie puteščestvija pol’skogo posol’stva v Moskoviju, S. 122). 42 Tanner, Legatio Polono-Lithuanica in Moscoviam, S. 72: „Plana admodum est ad eam civitatis partem regio, ubi in jam dictis officinis labor Germanorum defu[n]dat. Allexit Czarum rara planities, ut binis relaxationie suæ extructis excultis´que ibidem hortis (quorum unus ad Italicorum hortorum formam comptus, alter trecentis turriculis in cuspides elegantes in uno eodem´que ædificio definentibus, raro´que artis opere ordinatis mirè spectabilis) locum fecerit nobiliorem. E[o] quia locus iste præ reliquis animum Czari occupavit, eam sibi ipse 115
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Noch näher rückten die Lebenswelten der an die Stadtgrenze verwiesenen Nichtrussen und die Repräsentationsräume der russischen Machtelite in Moskau knapp ein Jahrzehnt nach dem Erscheinen der Schrift Tanners.43 Einen ersten wirklichen und nicht nur rhetorischen Schritt stellen die Umbaumaßnahmen an der privaten Residenz eines der Weggefährten Peter I., des Admirals und gebürtigen Genfers Franz Lefort (1656-1699), in Nemeckaja sloboda dar. Im Jahr 1698 wird seine Anlage an der rechten Uferseite durch einen repräsentativen Schlossbau auf staatliche Kosten erweitert und dient fortan als einer der Schauplätze für diplomatische Empfänge und höfische Feste in Moskau. Nach dem Tod Leforts geht dieses Ensemble, das heute als Namensgeber des Stadtteils auf beiden Uferseiten der Jausa (russ. Lefortovo) dient, im Jahr 1708 in den Besitz des Fürsten Aleksandr D. Menšikov (16731729) über und wird in den darauf folgenden zwei Jahren erneut umgebaut.
legem imposuit, ut singulis hebdomadis (favente aëris temperie) eodem ad pervidenda, perlustranda´que, etsi quid ad ornatum desideraretur ad suppeditanda omnia, se conferat.“ 43 Die besagte Textstrategie Tanners, die die in sozialer Hinsicht konträren, peripheren und zentralen Lebenswelten Moskaus zusammen zu bringen erlaubt, erscheint vor dem Hintergrund der frühneuzeitlichen Diskussion über die Bedeutung und Funktion der herrschaftlichen Landsitze nicht als rein zufällig oder als gar unvermittelt. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts werden die ländlichen Räume der fürstlichen Erholung, unter anderem die der Jagd dienenden Tiergärten der Landsitze als eine aus den gängigen Ordnungen herausgehobene soziale Rahmung inszeniert, die sich durch Nähe des Fürsten zu seinen Untertanen auszeichnet. Im ausgehenden 17. Jahrhundert argumentieren beispielsweise einige deutsche Schriften dahingehend, dass die fürstlichen Aufenthalte auf dem Land eine unmittelbare Kommunikationsform ermöglichen, die außerhalb des offiziellen Zeremoniells angesiedelt ist und daher zur Steigerung der Regierungsqualität beitragen kann: „Weil nun offtmals die gottlose Hoffschrantzen/ mit ihrem referiren einen frommen Herrn betriegen/ und einem armen Mann Audientz abschneiden. Als hat der Hochweise Hessische Held/ Philipp der Großmütige/ in seinem Fürstlichen Testament für gut angesehen/ daß seine Herrn Söhne unterweilens auff die Jagd ziehen/ und sich dabey erlustigen. Dann dadurch kan/ in Abwesenheit der Schreiber und Doctor/ ein armer Bauer oder ander Unterthan/ offt Gelegenheit gewinnen/ seinem herrn seine Sache und sein Anligen selbst fürzutragen.“ (Johann Balthasar Schupp, Lehrreiche Schrifften, deren sich beydes Geist- als Weltliche, weß Standes und Alters sie auch sind, nützlich gebrauchen können. Franckfurt am Mäyn 1684, S. 25), zit. nach (siehe dort auch weitere Beispiele): Thomas Fuchs, Traditionsstiftung und Erinnerungspolitik: Geschichtsschreibung in Hessen in der frühen Neuzeit. Kassel 2002, S. 220-221. 116
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Abb. 7. Adrian Schoonebeck nach Zeichnung von Nicolaas Bidloo: Golovinskaja usad’ba pod Moskvoj [Golovins Landgut bei Moskau], 1705, Kupferstich (2 Druckplatten), 69,5 х 77,5 cm.
Ein entschieden ambitionierteres Repräsentationsprojekt als Leforts Schlossanlage entsteht 1702 auf der anderen Seite der Jausa, flussabwärts: Es handelt sich dabei um einen repräsentativen Landsitz des Oberhaupts des Diplomatischen Dienstes (russ. Posol’skij prikaz) und russischen Kanzlers Fëdor A. Golovin (1650-1706). Einen ersten Eindruck von der äußeren Gestalt dieser Anlage, auf die im weiteren näher eingegangen wird, vermittelt ein Kupferstich aus dem Jahr 1705, den Adrian Schoonebeck (auch: Adriaen Schoonebeek, 1661-1705) - ein Niederländer im russischen Dienst - ausgeführt hat.44 44 Adrian Schoonebeck arbeitete seit 1698 in Moskau. Die Berufung in den russischen Dienst hatte der Schüler von Romeyn de Hooghe Fëdor Golovin zu verdanken, der 1697 russischer Gesandter in den Niederlanden war. In Moskau leitete Schoonebeck eine Kupferstecherwerkstatt, die nach seinem Tod sein Stiefsohn, der bereits erwähnte Kupferstecher Pieter Picart, übernahm. Picart, der seit 1702 in Moskau und nach 1714 in St. Petersburg tätig war, wirkte wahrscheinlich auch bei dem Druck von Golovins Gartenansicht mit. Vgl. Adriaan Schonebeeck, Korte maniere om de Ets-Konst volkomen te leeren (1698), BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Vtoraja čast’ (B), Nr. 154, 39 ll. (Handschrift enthält 17 Federzeichnungen); Art. Adrian Šchonebek, in: Dmitrij Rovinskij, Podrobnyj slovar’ russkich graverov XVI-XIX vv. Sanktpeterburg 1895; Art. Peter Pikar, in: Slovar’ russkich chudožnikov (XI-XIX v.). Sanktpetersburg 1893-1899. Zur Bedeutung des Stichs für die Rekonstruktion des Zustandes der Gartenanlage um 1700 siehe: Alla A. Aronova, Grafika načala 18 veka kak istočnik predstavlenij o 117
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Die Blickführung des Stiches richtet sich nach der Mittelachse der Gartenanlage am hohen Ufer der Jausa, führt über die Nemeckaja sloboda hinweg, fächert sich in der endlosen Perspektive der Stadt Moskau aus und verliert sich in dem großflächigen Himmel. (Abb. 7) Schoonebeck stellt Golovins Garten (russ. Golovinskij sad) als eine symmetrische Anlage dar; eine Mittelachse teilt das Gelände des Anwesens mit seinen Gebäuden und Gartenquartieren in zwei sich spiegelnde Hälften auf.45 Die beiden großen Wasserflächen des Gartens werden von einer rechteckig angeordneten Bepflanzung umrahmt: den Fischteich links im Bild umgibt ein gedeckter Laubengang, um das Bassin in der rechten Bildhälfte verläuft eine lichte Baumkette. (Abb. 8) Das Gartenarrangement auf diesem Stich hat nichts mehr von der verschnörkelten Ordnung der Gärten von Ismajlowo. Die Darstellung gibt zwar unverändert die Idee einer überbordenden Mannigfaltigkeit wieder, diese unterliegt jedoch nun einem strengen, geometrischen System und ist perspektivisch rationalisiert. Die durchgreifende Anwendung der Zentralperspektive, die die visuelle Öffnung des Gartens zu seiner Umgebung ins Bild setzt, wie es hier der Fall ist, bildet rückblickend betrachtet eine Zäsur sowohl in der räumlichen Gestaltung als auch der bildlichen Darstellung der Gärten petrinischer Epoche. Der veränderten Technik der Visualisierung der Gartenräume tragen durchgehend die neuen russischen Gartenanlagen Rechnung, die in und um St. Petersburg gebaut werden.46
rannich usad’bach Petrovskogo vremeni, in: Istočniki po istorii russkoj usadebnoj kul’tury. RGGU i Obščestvo izučenija russkoj usad’by. Moskva 1997 (zugleich auch in: [29.6.2008]). 45 Eine kurze Bemerkung über die Innenraumarchitektur der Golovins Anlage aus den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts hat der niederländische Maler und Reisende de Bruin hinterlassen: Cornelis De Bruin, Reizen Over Moskovie, Door Persie En Indie. Verrykt met Driehondert kunstplaten, Vertoonende De beroemste lantschappen en steden, ook de byzondere dragten, beesten, gewassen en planten, die daar gevonden worden; Voor al Derzelver Oudheden, En wel voornamentlyk heel uitvoerig, die van het Heerlyke en van oudts de geheele werrelt door befaemde Hof Van Persepolis, By den Persianen Tchilminar genaemt. Alles door den Auteur zelf met groote naeukeurigheit na't leven afgetekent, en nooit voor dezen in't ligt gebragt. Amsteldam 1714. Vgl. die russische Übersetzung von E.V. Barsov: [Cornelis De Bruin], Putešestvie čerez Moskoviju Kornelija de Bruina. Moskva 1873, S. 110. 46 An dieser Stelle sei daran erinnert, dass der Begriff Raum, der nicht mehr für die Bezeichnung eines Ortes (locus), sondern eines Zwischenraumes (spatium) und damit als Darstellungsinhalt der Malerei gebraucht wird, im Zusammenhang mit der Theorie der Perspektive Ende des 17. Jahrhunderts im kunsttheoretischen Kontext auftaucht und sich in letzterer Bedeutung im 18. Jahrhundert als ein Kunstbegriff etabliert. Vgl. Walter Kambartel, Art. Raum (V. Kunsttheorie), in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Basel 1992, Bd. 8, S. 108-111. 118
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Abb. 8. Adrian Schoonebeck nach Zeichnung von Nicolaas Bidloo: Golovinskaja usad’ba pod Moskvoj [Golovins Landgut bei Moskau], 1705, Kupferstich (Ausschnitt).
Markant ist die Weiterentwicklung von Golovins Garten, der dem Erben des verstorbenen Diplomaten Golovin im Jahr 1721 durch den Zaren Peter Alekseevič abgekauft wird. Die Anlage dient im Verlauf des 18. Jahrhunderts als Sommerresidenz des Zarenhauses in Moskau und wird in mehreren Schüben umgebaut und erweitert.47 Die erste Umbauphase des Gartenensembles, die konsequent der repräsentativen Funktionsweise des Gartens unterworfen wird, hängt mit der Tätigkeit von Nicolaas Bidloo (1673/74-1735) zusammen.48 Auf diesen Niederländer geht nach neuesten Erkenntnissen auch die Zeichnung von Golovins Garten zurück, die Bidloo als Vorlage für die bereits erwähnte Druckgrafik des Kupferstechers Schoonebeck aus dem Jahre 1705 angefertigt hat.49 47 In der Regierungszeit von Anna Ivanovna wird jedoch diese Moskauer Residenz zwischenzeitlich zu Annengof umbenannt. Zu der Umgestaltung dieses Gartens im Verlauf der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. siehe das Kapitel „Von Golovins Garten zum Annengof: Garten als Raum des höfischen Zeremoniells“ in Teil II der vorliegenden Arbeit. 48 Der holsteinische Kammerjunker Friedrich Wilhelm von Bergholz notiert in dem zweiten Teil seines Russlandtagebuchs im Juni 1722 eine ihm mitgeteilte Nachricht über die bereits begonnene Umgestaltung der Gartenanlage, die unter Aufsicht von Bidloo stattfindet: Fridrich-Vil’gel’m Berchgol’c [Bergholz], Dnevnik kamer-junkera […] 1721-1725, in: Neistovyj reformator [Iogann Gottgil’f Fokkerodt; Fridrich-Vil’gel’m Berchgol’c]. Moskva 2000, S. 105-502, hier S. 428: „Нас уверяли, что его величество отдает этот сад [недостроенный сад княза Гагарина] молодому графу Головину и берет у него за то прекрасное место, находящееся очень близко от нашей Слободы. Такая мена была бы весьма невыгодна графу Головину. Между тем, по приказанию государя, уже деятельно приступлено к расчистке головинского сада, производящейся под надзором доктора Бидлоо, и от этой работы ожидают очень многого.“ Vgl. auch: Friedrich Wilhelm von Bergholz, großfürstl. Oberkammerherrn, Tagebuch, welches er in Rußland von 1721 bis 1725 als holsteinischer Kammerjunker geführet hat, in: Magazin für die neue Historie und Geographie 19 (1785), S. 1-202; 20 (1786), S. 330-592; 21 (1787), S. 179-360; 22 (1788), S. 425552. 49 Tri veka russkoj usad’by, S. 243, Kat. Nr. 43. 119
Russisch Grün
Nicolaas Bidloo ist 1702 auf Einladung des russischen Gesandten in den Niederlanden Andrej A. Matveev (1666-1728) von Amsterdam nach Moskau gekommen, wo er als Leibarzt Peter I. in den russischen Dienst eingetreten ist.50 Nach 1705 jedoch begleitet Bidloo den Zaren nicht mehr auf seinen Reisen, er lässt sich in Moskau nieder und geht neben seinem eigentlichen medizinischen Beruf der Dichtung, der Malerei, der Architektur und der Gartengestaltung nach.51 Unter seiner Leitung entsteht 1707 das erste Hospital in Moskau.52 Bidloo ist an den Entwürfen der Einrichtung unmittelbar beteiligt, er überwacht die Bauarbeiten und übernimmt nach der Eröffnung des Hospitals dessen Leitung. Das Moskauer Hospital, das bis zu 200 Patienten beherbergen kann, liegt unterhalb der Nemeckaja sloboda, auf der gegenüberliegenden, linken Uferseite des Flusses. Das Hospital besitzt einen eigenen Garten, auch an die Hospitalapotheke schließt ein Apothekengarten an. Das Hospital-Ensemble liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Golovins Garten. Im Mai 1722 bekommt Bidloo die bereits erwähnte Umgestaltung der früheren Gartenanlage des Kanzlers zu einem repräsentativen Zarensitz übertragen.53 Danach kursieren Entwürfe, Pläne und Projektbeschreibungen zwi50 Die Unterlagen zu seiner Berufung nach Russland sind in den folgenden Akten enthalten: RGADA f. 143, op. 3, 1702, d. 536, ll. 1-4. In einem auf ein Jahr danach datierten Konvolut wird der Verlauf seiner Ausbildung in Leiden dargelegt: RGADA f. 158, 1703, d. 222, l. 1 ob. Vgl. Kovrigina, Nemeckaja sloboda Moskvy, S. 37; 46 (Anm. 61). – Nicolaas Bidloo, Disputatio medica inauguralis de menstruorum suppressione: qvam [...] ex auctoritate [...] Godefridi Bidloo [...] pro gradu doctoratus [...] Nicolaus Bidloo publico examini subjicit, ad diem 17. Januarii [...]. Leiden 1697. 51 [Nicolaas Bidloo], Privetstvie Petru I ot Nikolaja Bidlo po slučaju Poltavskoj pobedy s risunkami i opisaniem triumfal’nych vorot (1709), BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Vtoraja čast’ (B), Nr. 143, 10 ll. (Siehe dazu: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki akademii nauk, Bd. 1: XVIII vek, S. 419, S. 116, Abb. 55); Nicol[aas] Bidloo, Privetstvije Petru I ot Nikolaja Bidlo po slučaju vozvraščenija carja iz-za granicy v 1717 godu (1717), BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Vtoraja čast’ (B), Nr. 146, 8 ll. (enthält 2 Zeichnungen); Ders., Nastavlenie dlja izučajuščich chirurgiju v anatomičeskom teatre, sostavleno 1710 goda, janvarja 3 dnja/ Instructio de chirurgia in theatro anatomico studiosis proposita a.d. 1710, januarii die 3, hg. v. M.V. Danilenko. Moskva 1979. 52 Dem Zusammenhang der Hospital-Gründung verdankt man, dass Bidloos Name nicht ganz aus der Geschichtsschreibung verschwunden ist. (Vgl.: Jakov Čistovič, Istorija pervych medicinskich škol v Rossii. Sanktpeterburg 1883, S. 51f.) Dennoch hat Bidloo in der neuesten Studie zur russischen Medizingeschichte keinen Eintrag in den Kurzbiografien der ausländischen Ärzte erhalten und findet überhaupt nur einmal Erwähnung im Zusammenhang mit der Hospitalschule und der Ausbildung der russischen Fachkräfte, vgl.: Sabine Dumschat, Ausländische Mediziner im Moskauer Rußland. Stuttgart 2006 (Quellen und Studien zur Geschichte des Östlichen Europa; 67), S. 355. 53 RGADA, f. 9, op. 1, d. 15 (Kniga zapisnaja ukazom Ego Im. Vel. 1722 goda), ll. 72-73. Siehe dazu: Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 37-38. 120
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schen St. Petersburg und Moskau. Diese lassen die Entwicklung der angestrebten Veränderungen nachvollziehen, die darin bestand, eine aufwendigere Raumarchitektur zu schaffen, die die Wasserkaskaden mit Fontänenspielen verbindet und abwechslungsreiche Szenerien für den Aufenthalt im Garten durch zahlreiche Lusthäuschen, Grotten, Brücken und Laubengänge bietet.54 Die entscheidende Neuerung äußerte sich aber darin, dass der neue Moskauer Residenzgarten nun einem durchgreifenden mythologischen Programm, und zwar den Heldentaten des Herkules, durchgehend untergeordnet wird.55
54 Erstmals haben sich unabhängig von einander Dubjago und Evangulova mit den betreffenden Dokumenten befasst, die den Kommunikationsverlauf zwischen dem zarischen Auftraggeber und dem niederländischen Meister widerspiegeln: Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 37-38, 106-109; Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 283-284. – Dabei hat Dubjago die Quellen aus der Sammlung der St. Petersburger Bibliothek der Akademie der Wissenschaften (BAN) gesichtet, wobei sich Evangulova auf die Moskauer Bestände (RGADA) beschränkt hat. Aus einer, im Folgenden erstmals unternommenen Zusammenführung des Quellenmaterials lässt sich der folgende Ablauf des Projekts rekonstruieren: 1) Der zarische Auftrag (datiert auf d. 12. Mai 1722) an Bidloo enthält einen Gartenplanentwurf mit dazugehörigen Erklärungen, die Richtlinien für die Umgestaltung der vorhandenen Anlagen zu einem „niederländischen Garten” enthalten: RGADA, f. 9, op. 1, d. 15 (Kniga zapisnaja ukazom Ego Im. Vel. 1722 goda), ll. 72-73 (Teilabdruck bei Evangulova, S. 37-38, S. 106-109: „Plan“, „Pojasnenija k proektu, prislannomu iz Peterburga“); 2) Daraufhin verfasst Bidloo im Dezember 1722 eine ausführliche Beschreibung des neuen Gartenprojekts und entwirft einen entsprechend erläuterten Gartenplan dazu: Nic[olaas] Bidloo, Privetstvie ot doktora Bidlo, v kotorom i o stroenii ogoroda, čto v Moskve v dome Golovina predlagal v 1722 gode [Pis’mo Nikolaja Bidlo k Petru I ot dekabrja 1722 g., s ob’’jasneniem značenija allegoričeskich figur Gerkulesa i Cerbera pri ustrojestve fontanov v sadu pokojnogo admirala Golovina, s proektom ustrojstva plotin i ukrašenija ich], BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Vtoraja čast’ (B), Nr. 115, 6 ll.; 3) Die vom Zaren durchgesehenen Pläne werden mit einem zustimmenden Begleitschreiben nach Moskau zurückgeschickt. In den Jahren 1723-1724 finden die Bauarbeiten statt: RGADA, f. 9, op. 1, otd. II, kn. 62, ll. 234-235 (der genehmigte Gartenplan und eine Erklärung dazu), l. 236 (Entwurf zu den Wohnräumen im Garten), l. 237; Ebd., kn. 63, ll. 1203-1204 (Brief Bidloos an den zuständigen Bauaufseher Olsuf’jev vom 27. Dezember 1723); Ebd., kn. 71, l. 1020 und f. 9, op. 1, d. 17 (Kniga zapisnaja ukazom Ego Im. Vel. 1724 goda), l. 37 (Briefwechsel mit I. Zarudnyj bezüglich der Bauarbeiten an den Gartenpavillons). 55 Vgl. Pis’mo Nikolaja Bidlo k Petru I ot dekabrja 1722 g., s ob’’jasneniem značenija allegoričeskich figur Gerkulesa i Cerbera pri ustrojestve fontanov v sadu pokojnogo admirala Golovina. – Bidloo hat bereits 1709 aus Anlass der gewonnenen Schlacht bei Poltava einen in russischer und lateinischer Sprache verfassten Panegyros für Peter I. verfertigt und dabei die Gestalt des Herkules in den Mittelpunkt des allegorischen Programms gestellt. Zu dem Gedicht hat Bidloo außerdem ein thematisch korrespondierendes Modell für einen Triumph121
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Diese Semantik wird von den Skulpturen getragen, die in der gesamten Anlage nach einem sorgsam ausgeklügelten Konzept platziert werden: in der zentralen Fontäne, entlang der Wasserbecken der Kaskade und in der Grotte des Gartens. Mit der allegorischen Verbindung zwischen dem Besitzer des Gartens und dem mythologischen Helden hat man einen doppelten Bogen geschlagen, zum einen zu dem thematisch gleichen Programm der neuen Sommerresidenz in Peterhof am Finnischen Meerbusen, zum anderen zu dem literarischen Topos der verdienten Erholung auf dem Lande nach der getanen schweren Arbeit, die seit der effektvollen Umsetzung im französischen Garten von Nicolas Fouquet in Vaux-le-Vicomte einen eigenen Gartentopos begründet hat. Für eine gelungene Lösung der Umgestaltung von Golovins Garten zur repräsentativen zarischen Residenz spricht die Tatsache, dass die späteren Veränderungen durch die neuen Zaren und Zarinnen meistens eine Erweiterung der Anlage an der Jausa darstellten, die um den nahezu unangetasteten Grundbestand herum erfolgten, den Bidloo zu verantworten hatte.
4. „Mijn thuijns Tekeningen“: Bidloos Garten an der Jausa Etwas länger als Peter I. an dem neu gestalteten Golovins Garten in Moskau hat Nicolaas Bidloo wohl an seinem eigenen Garten an der Jausa Freude haben dürfen. Er hat nämlich in Moskau sein eigenes Anwesen neu gestaltet, nachdem 1718 sein Hof in Nemeckaja sloboda ausgebrannt war.56 Danach hat er ein neues Grundstück außerhalb der Siedlung erworben, und zwar in unmittelbarer Nachbarschaft des Hospitals. Von diesem Gartenensemble hat Bidloo eine Serie von insgesamt 19 Zeichnungen und eine literarische Skizze hinterlassen, als er 1735 in Moskau gestorben ist.57 Die gesamte Mappe hat sich im Besitz seiner Nachfahren befunden, bis sie im Jahr 1966 in die Bibliotheksammlung der Leidener Universität übergeben worden ist, der Hochschule, an der Bidloo seine medizinische Ausbildung erhalten hat.58 Die Mappe gibt einen detaillierten Einblick in die äußere Beschaffenheit der privaten Haus- und Gartenanlage, die die Familie Bidloo an der Jausa seit den 1720er Jahren bewohnt hat.
bogen entworfen (vgl. Privetstvie Petru I ot Nikolaja Bidlo po slučaju Poltavskoj pobedy s risunkami i opisaniem triumfal’nych vorot). 56 Kovrigina, Nemeckaja sloboda Moskvy, S. 268. 57 Universiteitsbibliotheek Leiden, BPL 2727, 1-21. Erstveröffentlichung der gesamten Mappe: David Willemse (Hg.), The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, Director of The First Hospital in Russia. Voorburg 1975. Vgl. auch: Erik de Jong, Virgilian Paradise: a Dutch Garden near Moscow in the Early 18th Century, in: Journal of Garden History 1/4 (1981), S. 305-345. 58 Willemse, The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, S. 11. 122
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Abb. 9. Nicolaas Bidloo, Mijn thuijn van de Jauze te zien in ’t Perspectiv [Mein Garten von der Jausa aus gesehen], Sepiazeichnung, 43x54 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-4).
Die Serie der Zeichnungen beinhaltet neben einem Plan und einer Gesamtdarstellung des Anwesens zwei panoramatische Ansichten der unmittelbaren Umgebung sowie vierzehn Teilansichten der einzelnen Gartenpartien. Außerdem gewährt Bidloo einen Einblick in das Wohnhaus der Familie dank einer dreifachen Innenansicht des in Blockbauweise errichteten Holzhauses. Bei dem Anwesen Bidloos handelt es sich um ein im Grundriss rechteckiges, langgezogenes Grundstück, das an einer der beiden kurzen Seiten unmittelbar an das Ufer der Jausa anschließt. Hier verläuft auch eine der Gartengrenzen, die die wellige Form der Uferseite aufnimmt und eine visuelle Öffnung zu dem Fluss bietet: in der Mitte ihres Laufs befindet sich ein leicht über das Ufer erhöhtes Belvedere.59 Von diesem Flussuferpavillon garteneinwärts verläuft ein gerader, mit Hecken bepflanzter Weg durch die gesamte Anlage.60 An den beiden Seiten dieser Mittelachse liegen symmetrisch angeordnet acht etwa gleich große quadratische Kompartimente, die das eigentliche Gartenensemble der Anlage bilden. Zu der einen Seite befinden sich die Hauspartie mit ornamentalem Blumenparterre61 und zwei Bosketten, die abwechselnd Rabatte, geschnittene Hecken und frei wachsende Bäume kombi59 Universiteitsbibliotheek Leiden, BPL 2727, Nr. 11. 60 Ebd., Nr. 19. 61 Ebd., Nr. 7, 8, 10. 123
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nieren. Diese Art von Bosketten wiederholt sich auch auf der anderen, südlichen Seite des Gartens. Gegenüber der Hauspartie in der Flussnähe liegen zwei weitere, südwärts ausgerichtete Gartenquartiere. Das eine beherbergt ein langgezogenes Bassin mit einer Grotte,62 das andere besteht aus einem labyrinthischen Heckentheater und einem kleineren rundlichen Bassin.63 Die zweite, dem Fluss abgewandte Hälfte des Grundstücks nehmen zwei ebenfalls symmetrisch angelegte landwirtschaftliche Bereiche ein. Zwischen diesem Ackerteil im östlichen Teil des Grundstücks und dem Garten liegt ein ebenfalls rechteckiger Hof mit ökonomischen Einrichtungen. In diesem mittleren Teil des Anwesens befindet sich die Einfahrt mit einem Tor.64 Die äußeren Grenzen des Anwesens bilden neben dem bereits erwähnten Fluss eine Baumallee entlang der Straße auf der anderen kurzen Seite sowie zwei schmale Doppelalleen, die die Anlage rechts und links der Länge nach rahmen. (Abb. 9) Die Gesamtdarstellung der Anlage zeigt, dass das Moskauer Anwesen Bidloos unmittelbar an den Garten des Hospitals angeschlossen hat. Diese Verbindung zwischen seinem beruflichen und dem privaten Tätigkeitsbereich setzt Bidloo bereits in dem Frontispiz zu den Gartenzeichnungen zentral ins Bild. Der durch einen Triumphbogen gerahmte Blick fällt auf das Architekturvolumen des Hospitals, das durch die Linienführung der grünen Heckenwände flankiert wird und sich einem ausladenden Parterregarten öffnet, der parallel zu der Gebäudefassade verläuft.65 Auch in der panoramatischen Darstellung des Anwesens vom Fluss aus gesehen bringt Bidloo die Nähe seines Gartens zu der imposanten Hospitalanlage zum Ausdruck. (Abb. 10) Die Verbindung zwischen seiner Arbeit als Mediziner und als Gartenbauer mit der Lebenswelt seiner Familie betont nicht nur das allegorische Arrangement im unteren Bildbereich des Frontispizes, sondern auch das lateinische Motto, das als ein Spruchband den Triumphbogen oben im Bild krönt. Die Inschrift über dem Bogen, der einen tatsächlich vorhandenen, dem Hospital zugewandten Gartenbau Bidloos andeutet,66 fordert die Nachfahren dazu auf, sich an den mühevollen Erzeugnissen der Arbeit ihres Vaters zu erfreuen.67 (Abb. 11) Tatsächlich ist das Vorhaben Bidloos von einem Impuls der dauerhaften Überlieferung seiner Arbeit in Moskau geprägt. Diesen Impuls hält der Titel einer literarischen Skizze fest, die Bidloo den Zeichnungen seines Gartens an die Seite stellt: „Schetz bij de Tekeningen tot Een Aandenken voor mijn kinderen & familje“.68 62 63 64 65 66 67 68
Ebd., Nr. 14. Ebd., Nr. 15, 16. Ebd., Nr. 12, Nr. 20. Ebd., Nr. 1. Ebd., Nr. 13. Ebd., Nr. 1. Die Inschrift lautet: „voluptatum genitrio operum qs creatrio“. Bidloo, Schetz bij de Tekeningen tot Een Aandenken voor mijn kinderen & familje, Universiteitsbibliotheek Leiden, BPL 2727, Nr. 2. 124
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Abb. 10. Nicolaas Bidloo, Gezigt van des Rieviers zijde met het Hospitaal dass naast Gelegen & de Zlabode & Le Forts huijs int verschiet [Ansicht meines Gartens und des angrenzenden Hospitals (A), mit dem Ausblick auf das Schloss Franz Leforts (B) und auf die Siedlung Nemeckaja sloboda (C)], Sepiazeichnung, 29,5x53 cm, Ausschnitt. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-5).
Im Mittelpunkt dieses Textes, der im Zeichen der familiären Gedächtnisstiftung entsteht, befindet sich die eigene Biografie Bidloos, seine berufliche Laufbahn in Moskau in der betonten Nähe zu dem russischen Zaren. Den signifikanten Fluchtpunkt der autobiografischen Darstellung bildet jedoch die Errichtung des Landgutes an der Jausa. In der Rede von der in das Haus und den Garten investierten Arbeit scheint das Bewusstsein des niederländischen Migranten für die Flüchtigkeit der Zeit durch. Die Betrachtung seines Gartens verbindet Bidloo mit besinnlichen Gedanken über die Unbeständigkeit des materiellen Besitzes, wodurch der memoriale Aspekt der Ansichtenfolge auch auf der textuellen Ebene besonders hervorgehoben erscheint. Tatsächlich lebt Bidloo zu dem Zeitpunkt, als er diese Erinnerungszeichnungen anfertigt, bereits seit knapp drei Jahrzehnten in Russland.69 In diesen Jahren hat er nicht nur den Tod seiner ersten Frau, den Verlust seiner Besitzungen in Nemeckaja sloboda sowie den Brand des von ihm errichteten Hospitalgebäudes erlebt, sondern auch den Machtwechsel nach dem Ableben Peter I. überstanden.70 Dennoch finden alle diese krisenhaften Ereignisse keine Erwähnung in seinem Essay: „Seine Majestät gewährte mir einen kleinen Strich Land neben dem Garten des Hospitals, wo ich für mich selbst einen Garten und ein kleines Landleben kreierte./ […] und im Verlauf meiner aufreibenden und schweren Arbeit war meine größte Ruhe und Freude, mich dort in Einsamkeit meinen Studien und Beschäftigungen zu widmen, daher entschloss ich mich diese meine geliebte Eremitage zu zeichnen. Sodass, wo immer ich sei, diese Ansichten mir helfen könnten, den Ort mir in die Einbildung zurückzurufen, der mir so viel Freude bereitet hat./ Während ich meinen Gar-
69 Die Leidener Mappe ist undatiert. Als wahrscheinlich können die Jahre um 1730 als Ausführungsdatum der Zeichnungen angenommen werden. Vgl. zu dem Kontext dieser Datierung die Untersuchung von De Jong, Virgilian Paradise, S. 306. 70 Kovrigina, Nemeckaja sloboda Moskvy, S. 245, S. 265-269. 125
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ten auf dem nackten Erdboden anpflanzte, auf dem weder Bäume noch Gräser wuchsen, und auch während ich jetzt ihn zeichnete, war es mir stets bewusst, dass die weltlichen Güter, diesen Garten eingeschlossen, nicht von unveränderlichem Bestand waren, dass ich ihn früher nicht besaß und dass das Schicksal ihn mir genau so gut wieder wegnehmen konnte, und dass bei meinem Tod ich ihn und die ganze Welt zurücklassen muss. Darum habe ich ihn [den Garten] mit meinen eigenen Händen gezeichnet, sodass im Fall, dass das Schicksal ihn mir wegnehmen würde, ich mich immer noch an der Zeichnung und der Erinnerung erfreuen könnte. […] Aber wenn das Schicksal es will, dass ich meine Tage hier beende und diese meine Erquickung behalte, dann, meine Kinder, bewahret wenigstens meiner Hände Arbeit, und ihr werdet immer in der Lage sein zu sehen, welche einfachen Freuden euren Vater erquickten. Und solltet ihr nicht die Gelegenheit haben, diesen Garten zu besitzen, dann wandert durch diese Zeichnungen eures Vaters, und wenn ihr euch dazu geneigt fühlt, folgt diesen Fußstapfen auf der Suche nach einer nützlichen, ehrenwerten und vergnüglichen Zerstreuung.“71
Mit diesem optimistisch gestimmten Appell an die Nachkommen, sich selbst in Erinnerung an den Vater mit realer oder imaginärer Gartenkunst zu befassen, beschließt Bidloo den begleitenden Text zu seinen Gartenzeichnungen. Der privaten Memoria räumt der Verfasser jedoch erst in der zweiten Hälfte des Essays ihren Platz ein. Denn die individual- bzw. familiärbiografischen Absichten der der Erinnerung an den Garten bestimmten Mappe sind in einen größeren Kontext der kulturellen Semantik der Gartengestaltung eingelassen, dem der erste Teil des Textes gewidmet ist.
71 Bidloo, Schetz bij de Tekeningen tot Een Aandenken, BPL 2727, Nr. 2. Transkription der Handschrift nach: Willemse, The Unknown Drawings, S. 4950, hier S. 50: „Zijn Maj. vereerde mij naast de thuijn van’t Hospitaal Een/ kleen Stuckje land, daar ik mij een thuijn & Clijn landleven/ maakte, om zoveel mij doenlijk was mijn aangeboren/ lust aldaar te hebben […]. […] en dat het mijn in mijn lastige & veelvuldige bezigheden/ mijn grootste rust en vermaak is geweest, aldaar in mijn eenig/heijd mijne Studien en affaires waar te nemen, zo nam/ ik voor dise mijne geliefde heremitage af te tekenen; opdat/ ik mij door dese gezigten waar ik ook was altoos nog zoude/ kunnen verbeelden, waar ik wel Eer zo veel genoegen gehad/ had. / Dese mijne thuijn plantende op Caal land daar nog loof, nog/ gras wies, en nu de zelve tekenende, dagt ik altoos, dat ’s werelds/ goed, ook dese thuijn geen vast goed was, dat ik die wel Eer niet/ gehad had, dat de gevallen miy die weder ontroven konnen/ & ik die en de gehele wereld met de dood moet verlaten;/ hierom heb ik die met mijn ijgen handen getekend, om geval mij daaraf stiet dat ik mijn in de tekening, en de/ herdencking mogt vermaken. […] Dog zo bij geval het mogt gebeuren, dat ik mijn daegen alhier/ ijndige & dese mijne verquikking behouw, zo bewaar Gij mijn/ kinderen ten minsten mijn handenwerk, zo kund Gij nog/ altoos zien, wat Eenvouding vermaak uw Vader kon verquikken/ en zo het Ul. niet geviel, of dat het uw niet geluckte deselve/ te bezitten, zo wandelt in dese Tekeningen van Uw Vader/ & zo ’t Ul. lust volgt zijn voetstappen in zo nutte Eerlijke/ & vermaakelijke uijtspanning te zoeken.“ 126
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Abb. 11. Nicolaas Bidloo, Gezigt van ’t hujs naar d’Eerepoort staande tegens des Hospitaals Thuijn [Ansicht des Hauses in die Richtung des Triumphbogens gegenüber dem Garten des Hospitals], Sepiazeichnung, 27x42,5 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-8).
In der ersten Hälfte des Essays greift Bidloo nämlich mehrere topische Stränge auf, die zum einen die eigentliche Arbeit an und in einem Kunstgarten legitimieren und zum anderen die sozusagen sekundäre Gartenproduktion, also die Gestaltung des Gartens im Text und im Bild, begründen. Auf die Modulationen dieser mehrfach ausgerichteten Topik soll nun im Folgenden eingegangen werden. Zu Beginn des Essays ruft Bidloo die biblische Schöpfungsgeschichte in Erinnerung. Er spricht von Gott-Vater als dem ersten Gärtner, von dem ersten Garten Eden und verweist damit auf einen Gemeinplatz, demnach der Beginn der Gartenkunst in der christlichen Urgeschichte angesiedelt ist.72 Weiterführend legt er die Vertreibung aus diesem Gottesgarten nach dem Sündenfall nicht als einen folgenreichen Verlust, sondern als eine neue Chance aus. Das sei erst die notwendige Voraussetzung für das gesamte Menschengeschlecht gewesen, sich in einem viel größeren Garten auszuagieren, denn „sie verbreiteten sich über das ganze Angesicht der Erde; jeder auf der Suche nach einem angenehmen Garten, von der Art, wie er überall gefunden werden kann. Denn die ganze Welt ist der Hort der Freude, wenn man sie nur mit Verstand betrachtet.“73 Mit dem Einsatz ihres Verstandes und ihrer 72 „God Stelde het Eersten paar menschen in den Lusthof Eden/ dien hij voor haar gepland had, tot haar/ nooddruft en vermaak.“ Ebd., S. 49. Vgl. „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.“ (Genesis 2). 73 „[…] om/ vanzelfs uijt te gaan, en zig de gehele wereld over te/ verspreijden en Elk op ’t best hij kon eenen lusthof te zoeken/ dien hij overal gemackelijk kann 127
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Tatkraft sei es den Menschen möglich geworden, auch außerhalb der Grenzen des ersten Gartens in Frieden und mit Vergnügen zu leben. Vor dem Hintergrund der alttestamentarischen Urgeschichte legt Bidloo nahe, die horto- und agrikulturelle Arbeit als Vergegenwärtigung des urgeschichtlichen Glückszustands zu deuten. Diese Art der Erinnerung an den verlassenen Gottesgarten durch Arbeit wird als Basis einer harmonischen Weltordnung verstanden. Die Variationen der biblischen Topik in Bidloos „Schetz bij de Tekeningen“ sind zum einen in der etablierten Legitimationslogik der Gartenschriften verankert und weisen damit in die Geschichte des Gartendiskurses zurück. So stammt eine der prominentesten Textstellen in diesem Zusammenhang bereits von Francis Bacon. Der britische Philosoph hat in seinem Essay „Of Gardens“ ein Jahrhundert zuvor der Gartenkunst die größte Vollkommenheit zugesprochen, indem er sich rhetorisch markant auf den ersten von Gott gepflanzten Garten bezogen hat.74 Zum anderen weist aber die auffällige positive Bewertung der arbeitsamen menschlichen Existenz, die Bidloo in seinem Essay konsequent entfaltet, auf das neue, 18. Jahrhundert hin. Damit lässt sich sein Text als ein Beitrag in die transformierte neuzeitliche Gartentopik einordnen, die im Bild des irdischen Gartens Eden den Genuss, das Vergnügen, dem das verlassene Eden gewidmet war, nun mit der nach dem Sündefall existenznotwendig gewordenen Arbeit versöhnt und so ein optimistisches Weltbild konstruiert. Diese harmonisierende Verbindung der Arbeit mit dem Genuss, also die Verflechtung des Rückkehrwunsches zu dem urzeitigen Garten mit der Zukunftserwartung auf den himmlischen Garten erreicht im Sinne der kultivierten Natur ihre Höchstform in dem aufgeklärten Projekt des Landschaftsparks. Denn nicht zuletzt in einer Art Wiedererinnerung an John Miltons „Paradise Lost“ (1667) werden von britischen Autoren zu Beginn des 18. Jahrhunderts Grundsätze einer liberalen Ethik und der entsprechenden Kunstproduktion formuliert und ein alternatives Modell der Gartengestaltung entworfen. Die Schnittstellen zu einer sich wandelnden Gartenästhetik lassen sich neben der Gartentopik des Essays von Bidloo auch auf der Ebene der Formsprache in der äußeren Gestalt des Moskauer Gartens rekonstruieren. Eine der markanten Merkmale seiner Gartenanlage ist die harmonische Einbindung der ungestalteten Elemente der umliegenden Natur in die symmetrivinden; dewijl de gehele/ wereld niet dan een lustprieel is, voor ijmand die dezelve/ met verstand aanziet.“ Bidloo, Schetz bij de Tekeningen, in: Willemse, The Unknown Drawings, S. 49. 74 „God Almightie first Planted a Garden. And indeed, it is the Purest of Humane pleasures. It is the Greatest Refreshment to the Spirits of Man; Without which, Buildings and Pallaces are but Grosse Handy-works: And a Man shall ever see, that when Ages grow to Civility and Elegancie, Men come to Build Stately, sooner then to Garden Finely: As if Gardening were the Greater Perfection.“ Francis Bacon, Of Gardens (1625), in: Ders., The Essayes Or Counsels, Civill and Morall, hg. v. Michael Kiernan. Oxford 2000, S. 139-145, hier S. 139. 128
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sche Grundstruktur sowie in die Binnenordnung der Gartenanlage. Dies lässt sich anhand der Kombination des Baumschnitts mit den freien Baumkronen der Alleen und Boskette nachvollziehen. Das als unproblematisch empfundene Nebeneinader der „ersten“ und der „dritten“ Natur an der Jausa wird darüber hinaus an der unterschiedlichen Formgebung der Wasserflächen der Anlage sichtbar: diese verbindet die freie, unregelmäßige Linienführung der sogar repräsentativ fungierenden Uferseite mit den geometrisch strengen, regelmäßigen Umrissen der beiden Bassins innerhalb der ufernahen Kompartimente.75 Eine der Neuerungen, die mit der Entwicklung des Landschaftsgartens einhergehen, lässt sich darin ausmachen, dass nun nicht der repräsentative höfische Garten, sondern der Landsitz als eine Gartenlandschaft in das Zentrum der neuen Ästhetik gestellt wird: „ein ganzes Landgut“ ließe sich „in eine Art von Garten verwandeln“, so Addison in einem seiner wegweisenden „Spectator“-Essays.76 Diesen Schritt der Ästhetisierung eines gesamten Anwesens, der die Erweiterung des eigentlichen Kunstgartenbezirks auf die landwirtschaftlichen Bestandteile des Landguts sowie auf die umliegende Gegend bedeutet, vollzieht Bidloo in seinem Projekt der „Andenken-Mappe“. Im Text des Essays äußert dies sich darin, dass Bidloo in einem weiteren Gedankenlauf jeder landwirtschaftlichen Arbeit eine Sonderstellung unter Wissenschaften und Künsten zuteilt, denn es handle sich hierbei um die Kunst des Landbaus („landbouwConst“).77 Diese Feststellung leitet zu einer Passage über, in der die aus der antiken Tradition abgeleitete Topik des tugendhaften ländlichen Lebens eingeführt wird. Dabei weitet Bidloo seine Auffassung vom Garten eines Landguts als Ort der Arbeit und der Vervollkommnung aus und modifiziert damit den traditionellen Topos des Landlebens insofern, als der Aufenthalt im Garten keineswegs mehr als Rückzug aus dem aktiven Leben verstanden wird. Im Gegenteil wird der Garten, der sich ideell auf das gesamte Landgut ausbreitet, als Ort der Regeneration und der Creation gleichermaßen inauguriert.
75 De Jong hat in seiner Untersuchung die Präsenz der „wilden Natur“ in dem niederländischen Gartendiskurs vor und um 1700 ausführlich erläutert. Vgl. De Jong, Virgilian Paradise, S. 323-332. – Den Moment einer in der repräsentativen Gartenkunst integrierten „Naturall wildnesse“ beinhaltet auch die bereits erwähnte Abhandlung von Bacon, Of Gardens, S. 143. 76 Joseph Addison, [On The Pleasures of The Imagination], in The Spectator 411421 (1712); [Reprint: The Spectator. A New Edition, hg. v. Henry Morley. London 1891, Bd. 2, S. 713-732; Bd. 3, S. 1-17); hier: The Spectator 414/ Wednesday, June 25 (1712) [1891], Bd. 2, S. 725: „It might, indeed, be of ill Consequence to the Publick, as well as unprofitable to private Persons, to alienate so much Ground from Pasturage, and the Plow, in many Parts of a Country that is so well peopled, and cultivated to a far greater Advantage. But why may not a whole Estate be thrown into a kind of Garden by frequent Plantations, that may turn as much to the Profit, as the Pleasure of the Owner ?“ 77 Ebd., S. 50. 129
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An dieser Stelle leitet der Gang des Essays zu den eigentlichen autobiografischen Inhalten über. Dabei deutet Bidloo eine weitere signifikante Fluchtlinie an, die in einen neuen, sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts formierenden Gartendiskurs führt. Es geht um Literarisierung der Lebenswelt in einer Gartenlandschaft. Diese bringt Bidloo in seinem „Schetz bij de Tekeningen“ mit der Geste einer ebenfalls topisch anmutenden Wiederholung zur Sprache. Stellvertretend für eine breit gestreute Traditionsgeschichte der antiken und nachantiken europäischen Landlebendichtung nennt Bidloo den Namen Vergils. Mit dieser exemplarischen Nennung ruft er die Gemeinplätze des traditionellen Lobs des Landlebens ins Gedächtnis, für das archetypisch Vergils „Georgica“ (2. Gesang, Vers 458-540) steht. Unterstrichen wird dieser Bezug weiterhin dadurch, dass damit die Motive idyllischer Schäferdichtung aus Vergils Eklogen assoziiert werden können.78 Die Weiterentwicklung seines eigenen Textes zeigt aber, dass Bidloo die bestehende literarische Tradition in eigener Absicht aktualisiert und damit modifiziert: So wie er vorher aus der biblischen Topik heraus die Idee des Gartens auf die des Landgutes ausgeweitet, die kreativen Aspekte der Arbeit betont hat, so setzt er nun die literarische Gartengestaltung als legitimierende Pforte zu seiner autobiografischen Darstellung ein, in der es sich vorrangig um die Errichtung des Gartens an der Jausa und die daraus folgende künstlerische Produktion, die Gartenzeichnungen handelt. Auch wenn Vergils Name als rhetorischer Verweis auf einen literarischen Kanon dient, hängt mit seinem literarischen Werk eine gartenspezifische Besonderheit zusammen, die in einer von ihm hinterlassenen Lücke besteht. Diese betrifft den literarischen Gartenentwurf aus dem 4. Gesang (Vers 116148) der „Georgica“, der mit einer unausgeführten Gartenbeschreibung beendet wird (Vers 147-148). Diese Stelle wirkt selbst kanonbildend, und zwar für die Gartenliteratur im eigentlichen Sinne.79 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erscheint der Verweis auf die von Vergil hinterlassene Lücke, auf das von ihm nicht geschriebene Gartengedicht, als der entscheidende Impuls für die neuere Gartendichtung, für die paradigmatisch Jacques Delilles „Les Jardins, ou l’art d’embellir les paysages“ (1782) steht. Der französische Autor arbeitet sich an der „Lücke“ Vergils ab und entwickelt dabei ein eigenes Programm der Gartenpoetik, die selbst eine Tradition der beschreibenden Gartenliteratur begründet.80
78 Klaus Garber, Der locus amoenus und der locus terribilis. Bild und Funktion der Natur in der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Köln, Wien 1974 (Literatur und Leben; N.F., Bd. 16); Ders. (Hg.), Europäische Bukolik und Georgik. Darmstadt 1976 (darin: Literaturverzeichnis, S. 486529). 79 Vgl. Civ’jan, Verg. Georg. IV, 116-48. K mifologeme sada, S. 140-152. 80 Vgl. das Vorwort zu der zweiten Ausgabe des Poems: Delille, Les Jardins, ou l’art d’embellir les paysages. London 1801. 130
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Abb. 12. Nicolaas Bidloo, Gezigt van het Thuijn hujs aan de Jauze met zijn voorpleijn [Ansicht des Gartenhauses an der Jausa], Sepiazeichnung, 27x42,5 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-11).
Abb. 13. Nicolaas Bidloo, Gezigt van ’t huijs en de bloemparken daar voor gelegen uijt de Thuij naar ’t huijs te zien [Ansicht des Hauses mit dem davor gelegenen Blumenparterre], Sepiazeichnung, 27x43 cm (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-7).
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Festzuhalten bleibt, dass die Darstellungsstrategie, die das Essay Bidloos offenlegt, von einer Ausdifferenzierung der tradierten Landlebentopoi Zeugnis ablegt. Bei der eigenen Fortführung des Werks von „Vergilius … & vele andere“81 geht es Bidloo weder um ein Schäferleben im Sinne der Bukolik, noch um ein Bauerndasein, wie es in der Georgik poetisiert wird. Sein Essay zu den „mijn thuijns Tekeningen” läuft auf eine Fokussierung der individualbiografischen Gestalt des Gartenbauers und Künstlers hinaus. Es bedarf zwar noch einer deutlichen Geste pastoraler Legitimation, doch stehen die Variationen der topischen Zusammenhänge im Zeichen einer privaten Absicht, – der familiären Erinnerungsstiftung. Die komplexe Verbindung zwischen der Lebenswelt des Landgutes, der praktischen Gartengestaltung und der ikonotextuellen Wiedergabe sowie der Geste der Erinnerungsstiftung an diese vielseitige Beschäftigung mit dem eigenen Garten, die das Gesamtprojekt Bidloos erkennen lässt, erfährt einen Höhepunkt in der Landgutpoesie um 1800. Diese entsteht in einem Wechselverhältnis zu dem heterogenen und ständig anwachsenden Korpus der Gartenliteratur und modelliert zunehmend eine eigene Tradition, die in Russland bis ins 20. Jahrhundert nachwirkt.82 Zu einem wesentlichen Merkmal zählt dabei die enge Verflechtung von Gartenarbeit, Genuss und darstellender Kunst, wobei hier die Bild- und Textmedien ineinander greifen. Ein frühes Beispiel dieser Art von poetogener Erfassung konkreträumlicher und individualbiografischer Wirklichkeit bietet Bidloos Mappe der Gartenzeichnungen.
81 Bidloo, Schetz bij de Tekeningen, in: Willemse, The Unknown Drawings, S. 50. 82 Eine repräsentative Auswahl russischer Texte beinhaltet die Anthologie „Sel’skaja usad’ba“; zahlreiche Beispiele sowie eine analytische Darstellung einzelner Aspekte der russischen Landgutpoesie finden sich in der Untersuchung „Žizn’ usadebnogo mifa“ von Dmitrieva und Kupcova. 132
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2. Neue „Paradiese“ im Norden: Von dem Sommergarten in St. Petersburg zu der Gartenlandschaft der Peterhofer Straße Neue „Paradiese“ im Norden Der ornamentalen Verschönerung eines vorhandenen parzellierten Raums des 17. Jahrhunderts, so wie sie in der Anlage von Ismajlowo musterhaft eingelöst worden war, steht nun im 18. Jahrhundert das „Paradies“-Projekt in St. Petersburg gegenüber. Die Idee der Erneuerung, verbunden mit dynamischem Handeln, zielt auf die komplexe Raumplanung einer Stadt, deren Konzeption spezifizierte Gartenräume im Stadtkern und am Stadtrand beinhaltet. Es lässt sich zusammenfassend feststellen, dass sich zu diesem Zeitpunkt eine perspektivische, axiale Ausrichtung der Gartenanlagen durchsetzt, der die Vielfalt ihrer einzelnen Bestandteile wohlgeordnet unterliegt. Das zieht, ob imaginär oder real, eine visuelle Öffnung des Gartens in seine Umgebung nach sich. Die Repräsentationsformen der Gartenkunst erfahren in der Druckgrafik eine neue mediale Verbreitung. Außerdem kommt zum ersten Mal deutlich ein alternativer Typ des Gartenkünstlers als eines vielseitig versierten Dilettanten zum Vorschein, der für sich selbst und im Auftrag anderer arbeitet. Dieser Typ tritt zunehmend in Konkurrenz zu den professionellen Gärtnern und Architekten und trägt maßgeblich zu der Entwicklung und Verbreitung des neuen Gartenstils in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bei. In dem ersten Drittel des Jahrhunderts bleibt jedoch die Arbeit der eigenen geschulten Gärtner, die meistens aus Moskau bezogen werden, von entscheidender Bedeutung. Neben diesen personellen Ressourcen spielt ebenso die Verfügbarkeit über umfassende Pflanzenbestände eine wichtige Rolle: so fungiert beispielsweise Ismajlowo als die hauptsächliche Bezugsquelle für den neuen, 1703 angelegten Sommergarten in St. Petersburg.1 Auch äußerlich-formal weckt diese neue Insel-Residenz im Norden Erinnerungen an die höfischen Anlagen bei Moskau. Die Gestaltung des Sommergartens in dem ersten Jahrzehnt seiner abwechslungsreichen Geschichte
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Dubjago, Letnij sad. Moskva, Leningrad 1951, S. 12. 133
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geht auf die Planung von Ivan Matveev zurück.2 Aus dieser Zeit stammt die erste umfassende Beschreibung des Gartens: „Entlang des Flüsschens [Fontanka] liegt die Residenz des Zaren [...], im Garten [befindet sich] eine Voliere, aus der das Gezwitscher von Vögeln unterschiedlicher Art zu vernehmen ist. Weiter – ein hervorragender Pavillon aus Flechtwerk [...]. Im hinteren Teil des Gartens steht ein anderes großes Haus, das eine Vorrichtung für das Fontänenwerk beherbergt [...], daneben eine kleine Menagerie. [...] Zum Schluss folgt eine runde Orangerie [...]. In der Mitte des Gartens liegt ein großes gekacheltes Wasserbecken und in seiner Mitte – eine Grotte, aus der sich eine Fontäne ergießt.“3
Neben dieser deutschsprachigen Beschreibung, die 1713 publiziert worden ist, hat auch ein schwedischer Verfasser, Lars Johan Ehrenmalm (1688-1774), seine Bemerkungen über den Stand der Entwicklung der Gartenanlage in den Jahren zwischen 1712 und 1714 hinterlassen und die Schönheit der Baumalleen sowie die Qualität der Orangerie hervorgehoben.4 Eine der wohl bekanntesten deutschen Quellen, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts mehrfach aufgelegte und übersetzte Russlandbeschreibung von Friedrich Christian Weber, beinhaltet eine detaillierte und mit Verweisen auf einen dem Buch beigelegten Stadtplan versehene Auskunft über den Zustand des Sommergartens in den Jahren 1716 bis 1720. Der Verfasser zielt hier auf eine Gesamtwürdigung bzw. auf eine angemessene Wertung der Gesamtanlage, um an2 3
Ebd. [H.G.], Exacte Relation von der von Sr. Czaarschen Majestät Petro Alexiowitz, (cum. tot. tit.) an dem grossen Newa Strohm und der Oost-See neu erbaueten Vestung und Stadt St. Petersburg, wie auch von dem Castel Cron Schloß und derselben umliegenden Gegend, ferner Relation von den uhralten rußischen Gebrauch der Wasser Weyh und Heiligung, nebst einigen besonderen Anmerckungen. Leipzig 1713 [Reprint: Lügde 1999]. – Hier zitiert nach der russischen Ausgabe (Opisanie Sanktpeterburga i Kronšlota v 1710-m i 1711-m godach. Sanktpeterburg 1860) in: Dubjago, Letnij sad, S. 15: „Вплоть у этой речки (Фонтанки) царская резиденция [...], в саду – небольшой птичник, в котором щебечут разного рода пташки. Далее – изрядная беседка из плетня [...]. Сзади, в саду же, другой дом с фонтанным снарядом [...], а подле – небольшой зверинец. [...] Наконец, следует круглая оранжерея [...]. В середине сада большой выложенный плитою водоем и в центре его грот, из которого бъет фонтан.“ 4 „ При летнем доме есть красивый сад с аллеями, фонтанами, прекрасными деревьями и хорошей оранжереей. Здесь я видел 4 изображения, или статуи, из мрамора, которые были привезены в Петербург из Варшавы в Польше; среди них особенно ценными были изображения короля Яна Собеского и королевы Кристины.“ Lars Johan Ehrenmalm, Rysslands tillstand under Peter I. (Manuskript: Sveriges Riksarkivet, Manuskriptsamlingen, 79; Uppsala universitetsbibliote, H-195). Russische Übersetzung der schwedischen Schrift zit. aus: Opisanie goroda Peterburga, vkupe s neskol’kimi zamečanijami, in: Peterburg Petra I v inostrannych opisanijach, S. 21-24, S. 9198, hier S. 93. 134
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schließend auf ihre spezifischen Eigenschaften detaillierter einzugehen. Dazu zählen die seltene dendrologische Ausstattung und die auffällige architektonische Ausschmückung dieses Gartens. In der Beschreibung des Sommergartens gelingt dem Verfasser eine plastische Vermittlung eines im Entstehen begriffenen städtischen Sommerresidenzensembles des Zarenpaars: „Ueber dem Arm des Stroms bey Lit. Q ist Sr. Czarischen Majestät Sommer-Haus, in welchem sie des Sommers residiren, von Mauernsteinen aufgeführet, ist zwar klein, aber wohl gemacht. Das Haus lieget im Garten, welcher nach Beschaffenheit des Orts, und in Ansehen der kurzen Zeit, recht wohl angeleget und nichts dabey auszusetzen ist. Anno 1716. hat man um diesen Garten einen Canal geführet und rings herum im Garten einige hübsche Bindwerke gegen die Gänge gemacht, worin etliche schöne Statuen von weissen Marmor aufgesetzt sind. Insonderheit ist merkwürdig, daß, da sonst im ganzen Lande, ja in dem ganzen Nördlichen Rußland keine Eichen zu finden, dennoch die Plantage von dieser Art Bäume hier im Garten gut thut, und fürtreflich fortkommet, welches gnugsam zeiget, daß durch den Fleiß alles zuwege gebracht werden kan. Noch ist neben dem Garten eine Orangerie, item eine Wasser-Kunst und insonderheit eine Grotte, welche, wenn sie zur Perfection kommen, keiner nachgeben wird. Vor dem Garten hinaus lieget eine grosse Wiese Lit S. auf welcher itzo ein BaumGarte [sic] angelegt worden. Gegen über dem Arm der kleinen Revier Lit. P. liegt der Czarin Garten und Sommer-Haus, und neben am Wasser herunter, ihrer Bedienten Wohnungen, imgleichen ihr Maarstall. Das Sommer-Haus ist zwar nur von Holz, hat aber inwendig schöne Gemächter und Schildereyen. So fehlt es auch im Garten weder an Verduren [sic] noch sonsten an allem demjenigen, was zu seiner Auszierung etwas beytragen kan. Und weil nähest dachinten noch ein grosser Platz ledig steht, so ist nicht zu zweifeln, es werde derselbe noch mit der Zeit den besten Ort von der Stadt abgeben, insonderheit weil allhier die Passage nach dem festen Lande nothwendig wird geführet werden müssen.“5 5
Friedrich Christian Weber, Anhang von der Stadt Petersburg und denen dahin gehöhrigen Anmerckungen, in: Ders., Das veränderte Rußland/ In welchem die ietzige Verfassung Des Geist- und Weltlichen Regiments/ Der Krieges-Staat zu Lande und zu Wasser, Der wahre Zustand der Rußischen Finantzen, die geöffneten Berg-Wercke, die eingeführten Academien [...], nebst der allerneuesten Nachricht von diesen Völckern, Ingleichen Die Begebenheiten des Czarewitzen, Und was sich sonst merckwürdiges in Rußland zugetragen, Nebst verschiedenen bißher unbekannten Nachrichten vorgestellet werden; Mit einer accuraten Land-Carte und Kupferstichen versehen. Neu-verbesserte Auflage. Frankfurt am Main, Leipzig 1744, S. 445-482, hier S. 453-454 [Hervorhebungen markieren den Typenwechsel von der Fraktur in die Antiqua]. – Russische Übersetzungen: Zapiski Vebera, hg. v. Pavel Barsov, in: Russkij Archiv 6 (1872), S. 1058-1705; Priloženie o gorode Peterburge i otnosjaščichsja k ėtomu zamečanijach, in: Peterburg Petra I v inostrannych opisanijach: vvedenie, teksty, kommentarii, hg. v. Jurij N. Bespjatych. Leningrad 1991, S. 102-132, hier S. 108-109. – Matthes weist in seiner Monografie darauf hin, das Weber wahrscheinlich die erste, oben zitierte Petersburgbeschreibung von 1713 bereits gekannt hatte, als er nach Russ135
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Mannigfaltigkeit und Abwechslung dienen als übergreifende Gestaltungsprinzipien nicht nur im dem sich rasch entwickelnden neuen städtischen Raum, sondern auch in ländlichen Vororten St. Petersburgs. Das gilt vorrangig für die als eine Kette von Landsitzen angelegte Peterhofer Straße, welche die Verbindung zwischen St. Petersburg und dem Aufenthaltsort des Zaren in Peterhof bildet. Die Stadt mit ihrer architektonischen Raumordnung stellt die kulturgeschichtliche Neuerung dar, die in Russland im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts entsteht. Der markante Charakter einer neuen Hauptstadt, die am Meer liegt, wird verstärkt in Medium der Druckgrafik visualisiert und proklamiert.6 Die Wahrnehmung der in der neuen städtischen Umgebung entstehenden Gartenräume stützt sich jedoch auf die bereits eingeübten Kulturtechniken der kombinatorischen Einbildungskraft, die einzelne geometrische Formen in ein harmonisches Ganzes zusammenfügt. Dem auswuchernden Ornament, das in Ismajlowo eine als unproblematisch empfundene Kombination von regelmäßigen geraden Alleen mit geschlängelten Gartenwegen zugelassen hatte, steht nun aber eine verstärkte tektonische Ordnung der Architektur gegenüber. Diese lässt sich bereits als raumästhetische Grundlage der ersten zitierten Beschreibung des Sommergartens erkennen, die sich erzählerisch an den architektonischen Bestandteilen orientiert und den Gartenraum aus dem Verhältnis der Bauwerke zueinander konstruiert. Was die bildlichen Darstellungen der Gärten der petrinischen Epoche angeht, so ist eine ikonografische Zäsur in der durchgreifenden Anwendung der Zentralperspektive zu sehen. Das hat die visuelle Öffnung des Gartens zu seiner Umgebung zur Folge und stützt den Eindruck eines sich in die Landschaft hinaus ausbreitenden Gartenensembles, so wie es bei der Schilderung der Anlagen des Sommergartens bei Weber bereits anklingt. Die bildliche Wiedergabe eines nach zentralperspektivischen Regeln strukturierten Raums stützt sich entscheidend auf das Prinzip der Maßstabgerechtigkeit. Diesem Prinzip entspricht die Einführung des Koordinatensystems in der kartografischen Raumerfassung.7 Der veränderten Technik der grafischen Visualisierung der Gartenräume trägt die von Aleksej Zubov ausgeführte Ansicht des Sommergartens Rechnung. (Abb. 14)
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land reiste. Seine eigene Russlandbeschreibung ist später ebenfalls in dem Leipziger Verlag von Nicolai Förster erschienen. Vgl.: Eckhard Matthes, Das veränderte Rußland. Studien zum deutschen Rußlandverständnis im 18. Jahrhundert zwischen 1725 und 1762. Frankfurt am Main 1981, S. 146 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; 135). Aleksej A. Fëdorov-Davydov, Russkij pejzaž 18 - načala 19 veka. Moskva 1953, S. 40f., 61ff. Dmitrij M. Lebedev, Geografija v Rossii petrovskogo vremeni. Moskva 1950. – Aufschlussreich zur frühen Verbindung von Raumdarstellung und Kartografie in Russland: Fëdorov-Davydov, Russkij pejzaž, S. 39ff. 136
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Abb. 14. Aleksej F. Zubov (1682-1751): Letnej Dvorec [Sommerschloss], Kupferstich, 1716-1717.
Überhaupt entsteht zwischen 1716 und 1717 eine Reihe von Grafiken der neuen russischen Gartenanlagen. Von Aleksej Rostovcev (1670er-1730er) werden die Ansichten von Oranienbaum und Peterhof gestochen, Aleksej Zubov (1682-1751) fertigt neben der bereits erwähnten Ansicht des Sommergartens auch die Darstellung von Katharinenhof. (Abb. 18) In diesen Werken dominiert das Bemühen, die Gartenanlagen als Ganzes in ihrer architektonischen Struktur und Verbindung zur Umgebung abzubilden. Der inszenierte Blick lässt eine totalisierende Einheit des Hauses, des Gartens und der Umgebung entstehen. Überliefert ist, dass Peter I. in diesen Jahren sogar die Vorbereitung eines Albums mit sogenannten „Perspektiven“ plant, in dem die Ansichten aller entstehenden Gärten in und um St. Petersburg versammelt werden sollen. Zwar bleibt dieses ambitionierte repräsentative Projekt unausgeführt, doch wird ein anderes grafisches Musterwerk für gartengestalterische Elemente und Kleinarchitekturen unter dem Titel „Gartenkünste“ (russ. Kunšty sadov) realisiert, das ebenfalls von Rostovcev, Zubov sowie von Pieter Picart (1668/69-1737) gestochen und im April 1718 in St. Petersburg gedruckt worden ist.8 Die Gartenansichten verlassen also nach 8
Kunšty sadov. Sanktpeterburg 1718. – Als Indiz für den aktiven Gebrauch dieses Musterwerks kann die Tatsache angesehen werden, dass keines der erhaltenen Exemplare dieses Druckwerks mehr vollständig ist. Alle drei Teile des Buches aus den Sammlungen der russischen Bibliotheken weisen Lücken auf. Siehe da137
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und nach die ihnen bis dahin vertrauten Grenzen privater Sammlungen9 sowie der Ateliers der Baumeister. Die Gartendruckgrafik bleibt zwar weiterhin ein kostspieliges Medium, die Zirkulation der gedruckten Ansichten lässt sich jedoch tendenziell nicht mehr uneingeschränkt kontrollieren. Die Verbreitung der Bilder der neuen Gartenanlagen speist den öffentlichen Diskurs und trägt zur Verbreitung der neuen Raumästhetik im Verlauf des Jahrhunderts bei. Als Sinnbild der Wissensordnung wird der perspektivisch rationalisierte Garten zunehmend einem Programm der Verbesserung des Menschen verpflichtet, das seine Wirkung in emblematischer Gartenarchitektur entfaltet und in einer sukzessiven Aneignung des Wissens besteht. Eines der signifikanten Beispiele stellt in diesem Zusammenhang die Ausstattung des Sommergartens mit den Figurengruppen nach Äsopischen Fabeln dar. Die semantische Einbettung in ein frühaufklärerisches Tugendprogramm lässt sich an dem hier präsentierten Arsenal allegorischer Formen und Bedeutungen erkennen, die ein Wechselspiel bildender und sprachlicher Kunst hervorbringen. Die Funktionsweise des Fabel-Ensembles verlangt nämlich nach einer allegorischen Deutung und macht eine gezielte Reaktualisierung von früheren Lektüreerfahrungen notwendig, da die Äsopischen Fabeln bis dahin innerhalb der Textsammlungen wie beispielsweise der „Blumenreiche Garten“ tradiert worden sind. Darüberhinaus wird dabei ein verbindlicher intermedialer Zusammenhang zwischen diesem Buchwissen und seiner plastischen Verkörperung in dem konkreten Raum des Sommergartens hergestellt und zur Herausbildung einer eigenen memoria im Sinne eines neuen Wissensvorrates beitragen. Die didaktischen Absichten des in den 1730er Jahren unter dem Architekten Michail G. Zemcov (1684-1743) realisierten FabelEnsembles werden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den kultur-
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zu ausführlich den Eintrag Nummer RU\NLR\A1\PETRI\1146 in der Datenbank der RNB „Russkaja kniga graždanskoj pečati 1708 - 1800“ [22.5.2008]. – Das Album mit den aquarellierten Zeichnungen für dieses Stichwerk befindet sich in der Handschriftensammlung der BAN (Al’bom risunkov vidov fasadov i planov 24 besedok, BAN, ro, Petrovskoe sobranie, Vtoraja čast’ (B), Nr. 114), vgl. dazu: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki akademii nauk, Bd. 1: XVIII vek, S. 108-109, S. 415. Vgl. als ein Beispiel die Sammlung der Gartenansichten des Bojaren Artemon S. Matveev (1625-1682), die Zabelin nach der Bestandsaufnahme aus dem Jahr 1677 beschreibt: „Но кроме разсказовъ привозимы были даже книги и эстампы о садовомъ строенiи. У боярина Артемона Сергѣевича Матвѣева въ числѣ картинъ и рисунковъ, описанных по случаю его ссылки въ 1677 году, - находилось ‚три больших листа садоваго строенья да девять маленьких,‘ привезенные по всему вѣроятiю изъ-за границы. Такимъ образомъ въ это время существовали уже рисунки и планы увеселительныхъ садовъ и можетъ быть были уже примѣры разведенiя ихъ по иностраннымъ образцамъ и у частныхъ лицъ. “ Zabelin, Moskovskie sady v XVII stoletii, S. 308. 138
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historischen Schriften Jakob Stählins besonders hervorgehoben, so dass der Sommergarten als einer der ersten Gärten in St. Petersburg zum Symbol der Petrinischen Reformen überhaupt stilisiert wird.10
* Über die pragmatischen Gründe, wie die Verfügbarkeit über Fachkräfte oder vegetabile Betände, hinaus leistet die Gartengestaltung um 1700 in gewisser Weise die notwendige Konstruktion einer kulturellen Kontinuität in der Situation eines programmatischen Wandels. Dabei lassen sich zwei wesentliche Aspekte der Gartengestaltung benennen, die ihre Bedeutung aus der überlieferten Tradition schöpfen: Zum einen sind dies die alltagskulturellen Funktionen des Gartens als Ort der Arbeit und der Erholung, und zum anderen geht es dabei um die Idee einer räumlichen Modellierung der äußeren sowie der inneren Ordnungen. Die ständige Reaktualisierung der beiden Bereiche, sowohl auf der abstrakten Ebene des Wissens als auch im Rahmen der konkreten Kulturpraktiken, sorgt für die anhaltende Konjunktur des Gartens im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Aus der Verflechtung seiner rekreativen und repräsentativen Funktionsweisen, die aus den beiden tradierten Aspekten hervorgehen, entwickelt sich eine weitere herausragende Eigenschaft der Gartengestaltung, die den Garten zunehmend als Medium zur Erprobung des Neuen attraktiv macht. So wird seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die Rede über die Veränderungen in der Gartengestaltung folgenreich in vielseitige Wechselverhältnisse mit politischen, ökonomischen und ästhetischen Zusammenhängen gestellt. 10 Formalästhetisch kommen in dem Fabel-Ensemble des Sommergartens die Implikationen einer bereits europaweit Maßstäbe setzenden Realisierung der äsopischen Fabel in dem Labyrinth von Versailles zum Vorschein. In der Tat ist die französische Repräsentationskunst in ihrer Höchstform auch personell durch den Architekten Jean Baptiste Alexandre Le Blond (1679-1719) in St. Petersburg vertreten, der mit den Projektentwürfen der Stadt und seiner Gärten betraut wird. Zu den Tätigkeiten Le Blonds in Russland siehe die neueste Untersuchung von Medvedkova: Olga Medvedkova, Jean-Baptiste Alexandre Le Blond: architecte 1679-1719. De Paris à Saint-Pétersbourg. Paris 2007 (La République européenne des Lettres-La République européenne des Arts; 2). Jedoch muss angesichts seines frühen Todes in Russland und der stadtbildprägenden Arbeit zahlreicher russischer und nichtrussischer Baumeister, wie des Schweizer Architekten Domenico Andrea Trezzini (1670-1734), die gängige These der Nachahmung der höfischen Gartenkunst französischer Provenienz relativiert werden. Auch die polemische Gegenüberstellung des französischen Königs („the unjust Prince is Ignoble and Barbarous“) zu dem russischen Zaren („the good Prince only Renowned and Glorious“), die in der zeitgenössischen englischen Publizistik vorgenommen wird, wirft ein anderes Licht auf diese Problematik. Siehe: Richard Steele, [On The Love of Glory], in: The Spectator 139 [Thursday, August 9] (1711), S. 480-483, hier S. 482. 139
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Um zu veranschaulichen, wie prägend die Verbindung des ökonomischen und des ästhetischen Ansatzes für die Gestaltung eines ganzen Landstriches zwischen der neuen Hauptstadt St. Petersburg und der Zarenresidenz Peterhof geworden ist, sollen nun zum Schluss drei topografische Schriften über St. Petersburg herangezogen werden. Exemplarisch geben diese Aussagen, die jeweils am Anfang, gegen Mitte und am Ende des 18. Jahrhunderts verfasst und veröffentlicht worden sind, Auskunft über den Kontext der Entstehung sowie die Weiterentwicklung des Landsitzensembles entlang der sogenannten Peterhofer Straße. Der bereits erwähnte englische Beobachter John Perry hält im Jahr 1716 als kritischer Zeitzeuge der angeordneten Umsiedlung von Moskau in den Nordwesten des Landes die typischen pragmatischen, lebensweltlichen Aspekte der traditionellen Gartennutzung angesichts der Verlegung der russischen Hauptstadt fest: „Da hingegen zu Moscau alle grosse Herren und Leute von Distinction nicht allein sehr grosse Gebäude bereits in der Stadt, sondern auch ihre Land=Güter und Dörffer, und bey denenselbigen ihre schönen Weiher und Gärten benebenst einer Menge von allerhand Früchten und Lust=Plätzen haben; Petersburg aber, welches im 60 ¼ Grad Norder Breite gelegen, zu Hervorbringung dergleichen Sachen viel zu kalt ist. Uber [sic] dieses ist Moscau ihre Vater=Stadt, welche ihnen gar zu sehr an das Hertz gewachsen ist, weilen sie ihre Freunde und Bekandte daselbsten um sich herum, und ihre Dörffer in der Nähe haben, aus welchen sie alle benöthigte Victualien spott wohlfeil und mit leichter Mühe herbekommen können, indem ihnen solche ihre Sclaven wohl zuführen müssen.“11
Auf diesen Mangelzustand geht ebenfalls Andrej Bogdanov (1692-1766) ein, als er auf die ersten knapp fünfzig Jahre der Sankt-Petersburger Geschichte zurückblickt. Der Verfasser der ersten russischen historisch-topografischen Beschreibung schildert die Entstehung der neuen Landsitze in der Umgebung der neu gegründeten Hauptstadt. Dabei sieht er die eigentliche Legitimation der Entscheidung des Zaren über dači zemel‘ (dt. Verteilung der Ländereien) in der seit dem Altertum her habitualisierten Gartennutzung: „Seit jeher besitzen adlige Herrschaften [...] im Landesinneren eigene Ländereien und Landgüter, Landhäuser, Gärten, Haine, Wälder und Wiesen, Fischteiche [...], auf die sie sich von Zeit zu Zeit zurückziehen, sobald sie sich von den Geschäften befreien, wegen der Bewegung und der sauberen Luft. [...] Hier in der Residenzstadt jedoch, wo man lebt und keine Ländereien besitzt, hat man dies stark bedauert, weswegen Seine Majestät Peter der Große [...] erlassen hat, die in der Umgebung der Stadt dafür vorhandenen passenden Plätze am Meeresufer, auf den Inseln und an der Neva an die hiesigen Herrschaften als Landstücke zu vergeben, damit dort Landhäuser, Gärten, Teiche und Gemüsegärten gebaut werden.“12 11 Perry, Der ietzige Staat von Rußland, S. 420-421. 12 Andrej I. Bogdanov, Istoričeskoe, geografičeskoe i topografičeskoe opisanie Sankt-Peterburga o načala zavedenija ego s 1703 po 1751 god. Sankt-Peterburg [1750] 1779. Zit. nach: Sergej B. Gorbatenko, Petergofskaja doroga. Istoriko140
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Tatsächlich hat sich die Peterhofer Straße nicht nur mit Peterhof, Oranienbaum oder Strelna geschmückt, die zu Objekten der prominenten europäischen Gartenschriften wie „Coup d’œil“ von De Ligne oder Hirschfelds „Theorie der Gartenkunst“ avancieren. Vielmehr hat sich die Gegend um diese zarischen Wohnsitze und entlang des Prospekts nach Peterhof im Verlauf des 18. Jahrhunderts in eine Gartenlandschaft verwandelt, die in ihrem Charakter als Ensemble Assoziationen mit den Jausa-Siedlungen weckt, aber in dem realisierten Ausmaß jeglichen Vergleich übersteigt. Symptomatisch wird daher der poetisierende Blick Heinrich Storchs, der in seinem „Gemälde von St. Petersburg“ 1794 die Peterhofer Straße in der Sprache der Gartenbeschreibungen schildert und sie mit einem „Lustgarten“ vergleicht: „Eine ununterbrochene Kette von Landhäusern reiht sich hier an einander. Pracht und Geschmack, Aufwand und Kunst haben sich hier vereinigt [,] eine Wüste zu einem Paradiese umzuschaffen, dessen Reiz durch die abstechende Mannigfaltigkeit der Anlagen und Ideen erhöht wird. Prächtige Landsitze, holländische Dörfer, Einsiedeleyen, Teiche, Inseln, ländliche Aussichten wechseln unaufhörlich ab. Der überraschte Reisende, der sich aus den morastigen Wäldern Ingermannlands plötzlich auf diese Heerstraße versetzt sieht, glaubt sich in den Regionen einer Feenwelt, wo Natur und Kunst einen zauberischen Reihentanz um seinen Wagen tanzen.“13
Heinrich Storch, ein aus einer deutschen Rigaer Familie stammender Schriftsteller, hat nicht nur durch eine Vielzahl an Schriften zur Nationalökonomie zur Entwicklung der staatspolitischen Wissenschaften in Russland aktiv beigetragen. Von ihm stammt außerdem die erste umfassende literarische Beschreibung eines der markantesten Landschaftsgärten Russlands und eines Juwels der Gartengeschichte überhaupt, die 1803 unter dem Titel „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ in St. Petersburg erschienen ist.14 Im Kontext des neuen Naturideals sowie im Zuge der Auseinandersetzungen mit der Ästhetik des Landschaftsgartens bekommt im ausgehenden 18. Jahrhundert auch das Erscheinungsbild der „alten“ Hauptstadt Moskau eine neue Konjunktur im Sinne einer „Gartenstadt“. Von diesem Eindruck wusste ja bereits John Perry in der eingangs zitierten Passage zu berichten, ohne jedoch auch auf durchaus trügerische Qualitäten dieses Panoarchitekturnyj putevoditel’. Sankt-Peterburg 2002, S. 9: „Все издревле как знатное господство [...] имеют внутри государства свои вотчины и поместья, загородные домы, сады, рощи, леса и луга, пруды рыбные [...], в которыя со временем, упражняяся от дел, ездят для прогула и чистаго воздуха. [...] Здесь же живучи, не имея таких угодий в сем царствующем граде, всем о том не без знатного прискорбления было, чего ради Его Величество Петр Великий [...] благоволил имеющияся в округе сего града удобныя места приморския и острова и по берегам Невы реки здешним жителем всему господству раздать дачи земель, на них бы строены были загородные домы, сады, пруды и огороды.“ 13 Heinrich Storch, Gemählde von St. Petersburg. Riga 1794, Bd. 1, S. 79. 14 Siehe dazu die Ausführungen in Teil VI der vorliegenden Arbeit. 141
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ramas um 1700 in der weiteren Darstellung seiner Schrift zu verzichten. Im direkten Vergleich mit europäischen Metropolen, wie dem zeitgenössischen London, wird um 1800 die Moskauer Gartenstadt-Landschaft als Paradebeispiel eines gesunden Stadtlebens aufgegriffen und emphatisch als ein nachahmungswürdiges Modell in die Publizitik eingeführt: „Ihr, glücklichen Menschen in Moskau! Euer Haus ist wie ein Landhaus, um euch herum gedeihen Gärten, die Luft ist frisch, die Aussicht ist schön, zu einer Seite liegt der altwürdige Kreml, zur anderen breiten sich Felder und einfache Hütten aus, wie in einem Dorf; und wir sind hier wie in einer Höhle im Inneren eines riesigen Berges. […] Ich sage offen, dass unser Moskau die schönste Stadt in Europa ist und dass es als Vorbild für alle Großstädte dienen kann.“15
15 „Вы щастливые люди в Москвѣ! Домъ вашъ, какъ загородной, около васъ сады, воздухъ свѣжiй, видъ прекрасной, съ одной стороны старинный кремль, с другой поле и простыя хижинки, будто въ деревнѣ; а здесь мы, как в пещерѣ превеликой каменной горы. [...] Я скажу смело, что Москва наша прекраснѣйшiй городъ в Европѣ, и что она можетъ служить образцомъ для всѣхъ большихъ городовъ.“ Rossijanin v Anglii. Otryvki iz pisem odnogo putešestvennika (1789), in: Prijatnoe i poleznoe preprovoždenie vremeni 9 (1796), S. 56-63, S. 65-71, S. 97-107, hier S. 67. – Was die Autorschaft dieser anonym erschienen Reisebeschreibung angeht, vermutet Cross einen Schwiegersohn Andrej A. Samborskijs, den späteren Gründungsdirektor des Lyzeums in Zarskoe Selo Vasilij F. Malinovskij (1765-1814). Vgl. Ėntoni Kross [Anthony G. Cross] (Hg.), „Anglofilija u trona”. Britancy i russkie v vek Ekateriny. Ausst. Kat. Manchester 1992, Kat. Nr. 168. 142
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3. Verdichtung des Gartens zum politischen Symbol: Annengof und Zarskoe Selo in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Verdichtung des Gartens zum politischen Symbol Im Gefüge höfischer Zeremonialordnungen regelt der Gartenraum vorrangig das Vergnügen und die Rekreation. Gartenfeste, Maskeraden und Promenaden stellen die notwendige performative Rahmung für die Umsetzung dieser zeremoniellen Aufgaben.1 Einen besonderen Platz im Zusammenhang der höfischen Festkultur nehmen Theateraufführungen ein, für die der Garten den eigentlichen Inszenierungsraum bietet, wobei er einmal als Bühne, ein andermal als Kulisse in Erscheinung treten kann.2 Bezeichnenderweise entsteht auch die erste Moskauer Theaterbühne 1672 auf dem Landsitz des Zaren Aleksej Michajlovič in Preobraschenskoe (russ. Preobraženskoe).3 Die spezifischen räumlichen Möglichkeiten eines regulären, barocken Gartens mit seinen inszenierten Überraschungen stellen in Verbindung mit der auf das Vergnügen ausgerichteten zeremoniellen Funktion die besonderen Bedingungen für Situationen quasi privater Kommunikation innerhalb der höfischen Gesellschaftsordnung bereit. Der Garten kann sogar als der Raum fungieren, der eine Zusammenkunft zweier Souveräne ermöglicht, ohne dass 1
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Im Rahmen des Zeremoniells wird der Garten dem Bereich des „divertissement“ zugeordnet; in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts macht diese Zuordnung europaweit den Usus aus und wird dementsprechend in den Zeremoniell-Regelwerken festgehalten. Vgl. das Kapitel „Von Schloß- und ZimmerCeremoniellen“, Paragrafen 52-56 in: Julius Bernhard von Rohr, Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft Der Großen Herren […]. Berlin 1733 (Reprint: hg. v. Monika Schlechte. Leipzig 1990). Zur europäischen Gartentheatergeschichte siehe: Rudolf Meyer, Hecken- und Gartentheater in Deutschland im XVII. und XVIII. Jahrhundert. Emsdetten 1934 (Die Schaubühne. Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte; 6). Die Hintergründe der Theatergründung in Preobraženskoe hat aus literaturhistorischer Sicht ausführlich Erëmin dargestellt. Vgl. Igor’ P. Erëmin, Moskovskij teatr XVII v., in: Istorija russkoj literatury v 10 tomach. Bd. 2, Teil 2: Literatura 1590 - 1690 gg. Moskva, Leningrad 1948, S. 368-373. 143
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man die eigenen Regeln der höchsten Form des Staatszeremoniells befolgen muss. Auf eine solche reduzierte Form des „inoffiziellen“ Zeremoniells im Gartenraum greift der russische Zar Petr Alekseevič bei seinen Unterredungen mit Kaiser Leopold I. und mit seinem Sohn Joseph I. zurück, als im Sommer 1698 die kaiserlichen Zusammenkünfte jeweils in den Lustschlossanlagen Favorita bei Wien und im Auegarten arrangiert werden.4 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden höfische Gartenanlagen in Russland konsequent zur Inszenierung des höfischen Zeremoniells herangezogen. Zunehmend bekommt der Garten auch im Rahmen der offiziellen, repräsentativen höfischen Feste, die beispielsweise Krönungszeremonien begleiten, einen immer wichtiger werdenden Platz zugewiesen.5 Den gartengestalterischen Strategien der Repräsentation der politischen Macht und den medialen Formen ihrer Verbreitung wird im folgenden Kapitel in Bezug auf zwei Gartenanlagen nachgegangen. Zuerst stehen die Veränderungen im Vordergrund, die der Moskauer Golovins Garten, mittlerweile zum Annengof umbenannt, in den 1730-1740er Jahren erfährt. Anschließend gerät die Transformation der Gartenanlage in Zarskoe Selo bei St. Petersburg in den Fokus der Betrachtung, wobei hier die Entwicklung von der Entstehung des Gartens in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts bis zu Beginn der 1760er Jahre dargestellt wird.
Exkurs über die Thronwirren nachpetrinischer Zeit und ihre Auswirkungen auf die Gartengestaltung Im Mittelpunkt des zeitlichen Rahmens, der dieses Kapitel absteckt, liegen zwei Jahrzehnte nach dem Tod Peter I., die durch machtpolitische Kämpfe um eine dynastische Neuordnung gekennzeichnet sind. Diese seien nun kurz 4
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Vgl. Nachricht von der Visite so Ihre Czaarische Majestät, als Sie sich bey Dero Groß=Gesandtschaft zu Wien incognito aufhielten, bey Kayser Leopoldo abgelegt, de Anno 1698, in: Johann Christian Lünig, Theatrum Ceremoniale […]. Leipzig 1719, Bd. 1, S. 156-157. – An diesem Beispiel hat Cornelia Jöchner sehr aufschlussreich die raumästhetischen Möglichkeiten des Zeremoniells im Garten um 1700 erläutert, siehe: Cornelia Jöchner, Barockgarten und zeremonielle Bewegung. Die Möglichkeiten der „Aleé couverte“. Oder: Wie arrangiert man ein incognito im Garten?, in: Jörg Jochen Berns/Thomas Rahn (Hg.), Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Tübingen 1995, S. 471-483 (Frühe Neuzeit; 25). – Beschreibungen dieses Treffens haben auch in mehreren Zeitungen und Chroniken ihren Niederschlag gefunden, vgl. Ebd., S. 472. Die zeremonielle Machtinszenierung im Russland des 18. Jahrhunderts steht im Mittelpunkt der soziohistorischen Untersuchung von Wortman, siehe: Richard S. Wortman, Scenarios of Power. Myth and Ceremony in Russian Monarchy. Bd. 1: From Peter the Great to the Death of Nicholas I. Princeton 1995 (russ.: Scenarii vlasti. Mify i ceremonii russkoj monarchii ot Petra Velikogo do smerti Nikolaja I. Moskva 2002). 144
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eingeführt. Erstens sollen damit die faktischen Hintergründe der familiären Verbindungen zwischen dem russischen Zarenhaus und den deutschen Fürstenhäusern benannt werden, um eine im 18. Jahrhundert relevante Konkurrenz zwischen der Linie Braunschweig-Wolfenbüttel und Holstein-Gottorp innerhalb der Romanov-Dynastie zu erhellen. Zweitens soll damit betont werden, dass die gängige historische sowie historiografische Argumentation, die die 1730er Jahre oft mit dem Klischee der deutschen Fremdherrschaft behaftet, jeweils im Kontext einer dynastisch bzw. machtpolitisch motivierten Rede zu bewerten ist. So weist auch der Machtwechsel, den die Palastrevolution vom Dezember 1741 initiierte, indem sie sich argumentativ gegen die Übermacht der Deutschen richtete und den Thron für die Tochter Peter I. frei machte, einen weitaus komplexeren Hintergrund auf. Nicht anders verhält es sich in Hinblick auf die von den proklamierten Absichten entfernten Langzeitfolgen dieses Machtwechsels. Dieser Sachverhalt kann zwar in der vorliegenden Arbeit nicht weiter untersucht werden, darf aber nicht unerwähnt bleiben. Drittens, schließlich, kommt es auf analytischer Ebene darauf an, auf die offensichtliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen politischen Lage und der medial demonstrierten Macht in dem nachpetrinischen Russland hinzudeuten und den daraus folgenden Legitimationsbedarf der regierenden Monarchen hervorzuheben. Bekannterweise hat Petr Alekseevič, als russischer Kaiser Peter I., die traditionelle Thronfolgeregelung aufgehoben, um das Recht für die Regelung der Nachfolge dem jeweiligen Souverän zu überlassen. Nachdem seine Witwe Katharina I. (geb. Martha Skavronskaja, verh. Kruse, 1684-1727) zwei Jahre lang unter Mitwirkung des Fürsten Aleksandr Menšikov die Regierungsgeschäfte geleitet hat, tritt 1727 Peter II. (1715-1730) für zweieinhalb Jahre die Regentschaft an. Der Enkel des Zaren Peter I. stammt aus der Ehe dessen Sohnes Aleksej (1690-1718) mit der Prinzessin Charlotte Christine Sophie von Braunschweig-Wolfenbüttel (1694-1715). Peter II. ist dadurch in die Annalen der russischen Geschichte eingegangen, dass er den Weggefährten Peter I., den Fürsten Menšikov, in die Verbannung geschickt und zwischenzeitlich der Stadt Moskau den Status der Hauptstadt zurückgegeben hat. Nach seinem Tod tritt für zehn Jahre eine Nichte Peter I. den Thron an, die Zarin Anna Ivanovna (1693-1740). Sie ist eine der beiden Töchter von Ivan Alekseevič (1666-1696), des gekrönten Halbbruders Peter I., die mit deutschen Fürsten verheiratet worden sind: Anna Ivanovna ging 1710 eine Ehe mit dem Fürsten Friedrich Wilhelm von Kurland (1692-1711) ein, wobei ihre Schwester Ekaterina Ivanovna (1691-1733) 1716 den Fürsten Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin (1679-1747) ehelichte. Die Regierungszeit von Anna Ivanovna ist von den Machtkämpfen zwischen den Staatsmännern Peter von Bühren (russ. Biron, 1690-1772), Graf Burkhard Christoph von Münnich (russ. Minich, 1683-1767) und Graf Heinrich Johann Friedrich Ostermann (1687-1747) gekennzeichnet.6 Diese Kämpfe kulminieren nach dem 6
Der Herzog von Kurland Peter von Bühren ist bekanntlich zum Namensgeber der „Deutschenherrschaft“ – Bironovščina – geworden, vgl. dazu: Lew Kopelew, 145
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Tod der Zarin im Oktober 1740 in der Krönung des gerade zwei Monate alten Ivan Antonovič (1740-1764) und führen zu mehreren Palastrevolutionen innerhalb des darauffolgenden Jahres. Schließlich verliert der fünfzehn Monate alte Kaiser, der als erster Sohn aus einer in St. Petersburg geschlossenen Ehe zwischen Anna Leopoldovna (einer Enkelin von Ivan Alekseevič, geb. Elisabeth Christiane von Mecklenburg-Schwerin, 1718-1746) und Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (1714-1776) hervorgegangen ist, infolge eines neuen Staatsstreichs seinen Thron im November 1741 an die Großfürstin Elizaveta Petrovna (1709-1761). Die jüngste Tochter Peter I. proklamiert ihren Regierungsantritt als eine Art Wiederherstellung dynastischer Ordnung, die sich gegen eine illegitime Fremdherrschaft richtet. Gleichwohl besteht eine der ersten Taten der neuen Kaiserin darin, ihren Neffen, den deutschen Prinzen Karl Peter Ulrich, als Nachfolger nach Russland zu rufen. Darüber hinaus heiratet er kurz darauf keine russische, sondern eine deutsche Prinzessin, die spätere Katharina II.7 Zwei offensichtliche dynastischen Folgen hat die Machtübernahme durch Elizaveta Petrovna: erstens zieht sie eine unausweichliche Verbannung des gekrönten Kaiser-Konkurrenten mit seiner gesamten Familie nach sich und beendet damit die Braunschweigische Linie der Romanovs, zweitens bereitet sie eine neue deutsche Linie innerhalb des russischen Zarenhauses vor. Denn schließlich begründet Elizaveta Petrovna die dynastische Linie HolsteinGottorp, indem sie nach ihrem Tod die Kaiserkrone tatsächlich, wie 1742 angekündigt, im Erbgang Peter III. (1728-1762) überlässt. Überblickt man die Verzweigungen dynastischer Stammbildungen der Romanovs, erkennt man schnell, dass unter dem rhetorischen Deckmantel eines gegen die fremde, deutsche Vorherrschaft gerichteten politischen Diskurses Elizaveta Petrovnas eine interne Konkurrenz zwischen den beiden russischen Familienzweigen des Zarenhauses, der Angehörigen von Miloslavskij und Naryškin, ausgetragen wird. Diese Entzweiung geht auf die beiden Ehen des Zaren Aleksej Michajlovič zurück: denn Ivan Alekseevič ist sein Sohn aus der ersten Ehe mit Marija Miloslavskaja (1625-1669), wobei Petr Alekseevič aus der zweiten Eheschließung mit Natalija Naryškina (1651-1694) stammt.8 Mit der Thronbesteigung von Elizaveta Petrovna wird der Machtanspruch der Naryškins installiert. So soll auch der Enkel Peter I., der als Sohn der Schwester Elisabeth I., Anna Petrovna (1708-1728) und des Herzogs Karl
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Lehrmeister und Rivalen, Kameraden und Fremdlinge … Deutschenbilder im Jahrhundert der Aufklärung, in: Dagmar Herrmann (Hg.), Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1992, S. 11-52 (West-Östliche Spiegelungen; Reihe B, Bd. 2), besonders S. 26-40. Siehe dazu: Manfred von Boetticher, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Braunschweigische Fürsten in Russland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1998, S. 12-17 (Veröffentlichungen der niedersächsischen Archivverwaltung; 54), hier S. 12. Zu berücksichtigen wären auch die Interessen der Familienzweige der Saltykovy und Lapuchiny, die jeweils durch die Eheschließungen von Ivan Alekseevič und Petr Alekseevič (in erster Ehe) in die Romanov-Dynastie eingegangen sind. 146
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Friedrich von Holstein-Gottorp (1700-1739) geboren ist, als Stammhalter der Naryškin-Linie fungieren. Der erhoffte Träger einer direkt auf Peter I. zurückgehenden Zarendynastie bleibt jedoch kein halbes Jahr russischer Kaiser. Nach einem Staatsstreich wird er ermordet, und seine Frau Ekaterina Alekseevna (geb. Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, 1729-1796) besteigt den Thron als Katharina II., um bis Ende des Jahrhunderts an der Macht zu bleiben. Zwei Jahre nach dem Tod Peter III. wird übrigens auch der als Kind gekrönte Ivan Antonovič ermordet, dessen offizielle Existenz als Kaiser bereits vorher gelöscht worden war. Die Zarin Elizaveta Petrovna hatte sogar jegliche Erinnerungszeichen an ihn mit bemerkenswerter Konsequenz und mit nicht geringem Aufwand tilgen lassen.9 Obwohl Peter III. nur sehr kurz an der Macht geblieben ist, hat er zwei Entscheidungen gefällt, die für das Untersuchungsobjekt der vorliegenden Arbeit (Gartengestaltung in Russland) von herausragender Bedeutung sind. Erstens betrifft dies die Friedensschließung mit Preußen und damit die Beendigung des Siebenjährigen Krieges für Russland. Unbeachtet der äußerst ungünstigen Bedingungen des Abkommens für die russische Seite, hat die Situation des Friedens und die damit zusammenhängende Freistellung der finanziellen Mittel die notwendigen sozialen und materiellen Voraussetzungen für die Entwicklung der neuen Kunst des Landschaftsgartens in Russland geschaffen. Eine vergleichbare impulsgebende Wirkung hat das Kriegsende gleichzeitig auch für die Gartengestaltung in verschiedenen deutschen Territorialstaaten gehabt.10 Zweitens hat Peter III. mit der geäußerten Absicht der 9
Eine detailreiche Rekonstruktion der Maßnamen, die unter Elisabeth I. gegen alle materiellen Zeichen des gestürzten, gekrönten und in Verbannung lebenden Kind-Zaren getroffen wurden, hat Ingrid Schierle unternommen, vgl. Ingrid Schierle, Damnatio memoriae: Ivan VI. als Unperson, in: Boetticher, Braunschweigische Fürsten in Russland, S. 176-205. 10 Das betrifft beispielsweise die hessischen Gartenanlagen, vgl. Eckhard G. Franz, Aufgeklärt und „empfindsam“: Hessische Fürsten und ihre englischen Gärten, in: Bernd Modrow (Hg.), Gespräche zur Gartenkunst und anderen Künsten (Symposium der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen am 28. Juni 2002). Regensburg 2004, S. 103-115. – Auch die Entwicklung des wohl berühmtesten deutschen Landschaftsgartens in Wörlitz steht im Zusammenhang mit dem Siebenjährigen Krieg. Die erste Englandreise unternahm Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) im Jahr 1763. Später, im Jahr 1775 besuchten das Fürstenpaar von Anhalt-Dessau in Begleitung von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff gemeinsam die Gärten im Bekanntenkreis von Lord Shelburne: Chiswick, Stourhead, Painshill, Stowe, Bowood Park und Rousham. Die Beziehungen des Fürsten zu Mitgliedern dieser Partei gehen auf die Kontakte zurück, die während des Siebenjährigen Krieges entstanden sind, als sich die deutschen Fürsten auf die Seite Englands und Preußens gegen Frankreich gestellt haben. Vgl. dazu: Die Englandreise der Fürstin Louise von Anhalt-Dessau im Jahr 1775, hg. v. Johanna Geyer-Kordesch unter Mitarb. von Angela Erbacher und Uwe Quilitzsch. Berlin 2007 (Kataloge und Schriften der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz; Bd. 26); Michael Rüffer, „Grand Tour“. Die Rei147
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Befreiung des Adels aus dem Staatsdienst die ersten Grundlagen für eine rechtlich abgesicherte Entlassung der männlichen Adligen aus der bis dahin geltenden Verpflichtung, einem regulären staatlichen Dienst nachzugehen, geschaffen. Durch dieses, dank der späteren Gesetzgebung Katharina II. verwirklichte Vorhaben von „Manifest o vol’nosti“ konnten die Adligen erstmals seit den petrinischen Reformen ihre eigenen Landgüter nicht nur einfach wirtschaftlich nutzen und bei sporadischen Besuchen nach dem Rechten sehen, sondern auch dauerhaft bewohnen. Anders als die Nutzung und Herrichtung der Datscha-Gartenanlagen am Dienstort, die ein Privileg für Wenige geblieben ist, eröffnete das „Manifest“ für eine weitaus breitere Schicht die Möglichkeit, den adligen Landsitz zum Mittelpunkt der eigenen Lebenswelt zu wählen und entsprechend auszugestalten.11
1. Von Golovins Garten zum Annengof: Garten als Raum des höfischen Zeremoniells Exemplarisch für die Entwicklung des Gartens zu einem Ort des offiziellen höfischen Zeremoniells ist die Umgestaltung der Moskauer Gartenanlage an der Jausa – Golovinskij sad (dt. Golovins Garten) – in der Regierungszeit von Anna Ivanovna (1693-1740). Die neue Besitzerin lässt die Moskauer Residenz von Peter I., die von Nikolaas Bidloo in den 1720er Jahren gestaltet worden war, weniger als zehn Jahre später in Letnij Annengof (dt. Annas Sommerhof) umbenennen und wesentlich ausbauen. Für die Veränderung der Anlage wird der gerade von einer Ausbildungsreise nach Russland zurückgekehrte Architekt Francesco Bartolomeo Rastrelli (1700-1771) beauftragt, dessen spätere Arbeiten in und um St. Petersburg als Verkörperung des russischen Barock stilprägend werden sollten.12 sen Leopolds III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs, in: Weltbild Wörlitz. Entwurf einer Kulturlandschaft, hg. v. Frank-Andreas Bechtoldt, Thomas Weis. Ausst.-Kat. Deutsches ArchitekturMuseum Frankfurt am Main, 22.3.-2.6.1996. Wörlitz 1996, S. 117-130 (Kataloge und Schriften der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz, Orianienbaum, Luisium; Bd. 1). 11 Dies ist freilich nur für die vermögenden Adelsschichten tatsächlich möglich gewesen, die wirtschaftlich ertragreiche Landgüter besessen haben und dadurch nicht auf Einkünfte aus dem Staatsdienst angewiesen gewesen sind. Eine Analyse der konkreten Auswirkungen des „Manifests“ auf der Grundlage der Aktenauswertung und einer statistischen Gesamtschau hat als erste Faizova vorgelegt, siehe: Irina V. Faizova, „Manifest o vol’nosti“ i služba dvorjanstva v XVIII stoletii. Moskva 1999. 12 Der in Paris geborene Rastrelli kam im Alter von 15 Jahren in Begleitung seines Vaters, des italienischen Bildhauers Carlo Bartolomeo Rastrelli (1675-1744), nach St. Petersburg und erhielt hier seine erste Ausbildung. Zwischen 1725 und 1730 hielt er sich in Italien, Österreich und Deutschland auf, bevor er 1730 in den Dienst bei Anna Ivanovna berufen und 1736 mit dem Posten des Hofarchi148
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Während der Bauarbeiten in Annengof wird die Gesamtfläche der Anlage fast verdreifacht. Durch den neuen Schlossbau, der oberhalb des alten Golovins Gartens mit seinen zur Jausa hin niedersteigenden Terrassen entsteht, wird eine neue Gliederung des Gesamtensembles etabliert. Die Schlossarchitektur Rastrellis greift die bereits vorhandene Mittelachse des alten, Unteren Gartens auf und führt sie im Bereich des neuen, Oberen Gartens fort. Über diese zentrale Mittelallee, die in dem oberen Teil der Anlage von einem weit ausladenden System von Alleenperspektiven flankiert wird, erfolgt die Zufahrt zum Schloss. (Abb. 15) Insgesamt heben die Veränderungen, die der Golovins Garten als Annengof unter Francesco Bartolomeo Rastrelli erfährt, unmissverständlich den repräsentativen Charakter des Ensembles hervor. Die architektonische und visuelle Ausbreitung der Anlagen nach Außen in die umliegende Landschaft, die klare perspektivische Gliederung der neu gestalteten Gartenpartien sowie die eindeutige Ausrichtung auf das Schloss im Zentrum der Anlagen bringen eine sich wandelnde Funktionszuweisung des Gartens zum Ausdruck. Diese äußert sich darin, dass die Gartenanlagen nicht ausschließlich die höfische Unterhaltung zu rahmen haben, sozusagen das Divertissement einer geschlossenen Gesellschaft bedienen, sondern nun die Bedeutung der politischen Macht in ihrer räumlichen Entfaltung visualisieren sollen. Damit kommt eine neue Tendenz der Gartengestaltung zum Ausdruck, die die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und die in sich verschränkten Funktionen des höfischen Gartens gegeneinander abzuwägen bestrebt ist. Auf raumgestalterischer, architektonischer und medialer Ebene wird die Absicht erkennbar, in Bezug auf den Gartenraum zwischen der Rekreation und der Repräsentation zu differenzieren. Eine zeitgenössische Verbreitung und eine dauerhafte Überlieferung des Machtausdrucks, der durch die Gestaltung des Gartens allgemein und durch die Inszenierung innerhalb der Gartenfeste anlassspezifisch realisiert wird, haben andere Kunstformen zu gewährleisten. Die plurimediale Wirkungskraft einer räumlichen Inszenierung der monarchischen Darstellung im Garten wird vorrangig in eine textuelle Wiedergabe der Beschreibung und eine bildliche Darstellung des Kupferstichs überführt. Vor diesem Hintergrund wird auch Jacob Stählin als Spezialist für emblematische Programme und als praktizierender Kupferstecher aus Dresden nach Russland berufen, wo er 1735 seine erfolgreiche Laufbahn an der russischen Akademie der Wissen-
tekten betraut worden ist. Vgl. die neueste Publikation zu Rastrelli: Cornelia Skodock, Barock in Russland: zum Œuvre des Hofarchitekten Francesco Bartolomeo Rastrelli (mit Werkkatalog auf CD-ROM). Wiesbaden 2006 (Veröffentlichungen des Osteuropa-Institutes München: Reihe Geschichte; 70). – Zu der Annengof-Umgestaltung unter seiner Leitung siehe: Evangulova, Dvorcovoparkovye ansambli Moskvy, S. 44-61; Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 286-289. 149
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schaften in St. Petersburg startet.13 Die gedruckten Darstellungen der temporären Architekturen und der Feuerwerke der Gartenfeste, an denen Stählin 13 Jakob von Stählin-Storcksburg (russ. Jakov Jakovlevič Štelin, 1709-1785), in Memmingen geboren, studierte in Leipzig und bildete sich dort zusätzlich im Perspektivzeichnen aus. Er verkehrte im Umfeld von Johann Christoph Gottsched und Carl Philipp Emanuel Bach. In der literarischen Öffentlichkeit machte er sich in dieser Zeit durch eine Übertragung von Gedichten der Sappho aus dem Griechischen ins Deutsche und durch die Übersetzung eines arkadischen Singspiels aus dem Italienischen einen Namen. Stählin wirkte an den allegorischen Darstellungen zur Besteigung des polnischen Throns durch den sächsischen Kurfürsten August III. mit. Wegen seiner über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordenen Fähigkeiten auf dem Gebiet der allegorischen Feuerwerkkunst wurde er 1735 nach St. Petersburg berufen, wo er ab 1737 als ordentlicher Professor der Eloquenz und Poesie in der historischen Klasse der russischen Akademie der Wissenschaften angestellt war. Neben seiner Funktion als Veranstalter von Feuerwerken wurde er als Hofdichter beschäftigt. Zwischen 1742 und 1745 war er als Erzieher des Großfürsten, des späteren Zaren Peter III., tätig und wurde danach kaiserlicher Hofrat und Bibliothekar. Nach dem Sturz Peters III. war er als Wirklicher Staatsrat (seit 1775) im Dienste Katharina II. und als Sekretär der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg tätig. Seine Publikationen griffen vielfältige Themen aus dem Bereich der Kunst und der Kulturgeschichte auf. Insbesondere seine Arbeiten zur Musikgeschichte und zur Theatergeschichte Russlands gelten bis heute als maßgeblich. Auch mit der Herausgabe einer deutschsprachigen Zeitschrift nach dem Vorbild des englischen „The Spectator“ hat sich Stählin in St. Petersburg befasst. Sein Beitrag zu der russischen Gartenkunst besteht vor allem darin, dass er eine Reihe Augenzeugenberichte über die frühen St. Petersburger Gärten gesammelt und im Rahmen der „Originalanekdoten von Peter dem Großen“ veröffentlicht hat. Außerdem lieferte er die Beiträge über die neuere russische Gartengestaltung für die „Theorie der Gartenkunst“ Hirschfelds. – Vgl. Schriften Stählins zur Geschichte der Kunst und des Petrinischen Russlands: Jacob von Stählin, Zur Geschichte des Theaters in Rußland. Nachrichten von der Tanzkunst und Balletten in Rußland. Nachrichten von der Musik in Rußland, in: [Johann Joseph] Haigold’s Beylagen zum neuveränderten Rußland, Riga [u.a.] 1769 -1770, S. 397432 [Reprint: Frankfurt am Main 1982]; Ders., Art. Rußland, in: Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst. Leipzig 1785, Bd. 5, S. 286-292; Ders., Originalanekdoten von Peter dem Großen. Aus dem Munde angesehener Personen zu Moskau und Petersburg vernommen und der Vergessenheit entrissen. Leipzig 1785; Ders., Ljubopytnyja i dostopamjatnyja skazanija o Imperatorě Petrě Velikom. Sanktpeterburg 1786; Zapiski Jakoba Štelina ob izjaščnych iskusstvach v Rossii [sostavlenie, perevod s nemeckogo, vstupitel’naja stat’ja, predislovija k razdelam i primečanija K. V. Malinovskogo]. 2 Bde. Moskva 1990. – Vgl. zu Stählin: P.M. Majkov, Art. Jakov Jakovlevič Štelin [Stählin], in: Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 27 [„Šebanov-Šjutc“], S. 419-420; Karl Stählin, Jacob von Stählin: Biographischer Beitrag zur deutsch-russischen Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1920; Klaus Harer, Lomonosov und Stählin. Zur Textgeschichte von Jacob Stählins „Fragmens anecdotes“, in: Zeitschrift für slavische Philologie 61/1 (2002), S. 41-88. 150
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fortan arbeitet, nehmen einen wichtigen Platz in dem Arsenal der höfischen Repräsentationsmedien ein. Sie eignen sich hervorragend dafür, sowohl die Kurzlebigkeit der aufwendigen Gartenfeste aufzuheben, als auch den inszenierten Machtanspruch über seinen exklusiven Ereignisrahmen im eigenen Land und sogar über das eigene Herrschaftsgebiet hinaus zu kommunizieren. An die repräsentative, machtpolitische Funktionszuweisung des Gartens knüpft die Nachfolgerin auf dem Zarenthron, die Kaiserin Elizaveta Petrovna (1709-1761) an, als sie 1742 während ihrer Moskauer Krönungszeremonien dem Golovins Garten eine wichtige Rolle zukommen lässt. Die neue Zarin distanziert sich mehr als deutlich von der Politik der Vorgängerin, die in der Öffentlichkeit mit dem negativen Urteil deutscher Fremdherrschaft behaftet ist. Die Rhetorik der Abgrenzung betrifft sogar die Moskauer Gartenanlage an der Jausa, die von Annengof wieder in Golovins Garten umbenannt wird. Elizaveta Petrovna bedient sich jedoch vielfach aus dem Arsenal der gerade unter Anna Ivanovna etablierten Symbole und baut auf die erprobten Mittel politischer Machtdarstellung.14 Als fortdauernd erweist sich ebenfalls ihr Rückgriff auf die bewährten Spezialisten in Sachen monarchischer Repräsentation: so bleiben beispielsweise Rastrelli und Stählin nicht nur im Dienst, sondern erreichen in der Regierungszeit Elizaveta Petrovnas ihren jeweiligen beruflichen Höhepunkt. Was die Legitimation und die Befestigung ihrer politischen Macht angeht, so setzt die neue, durch einen Staatsstreich an die Macht gekommene Zarin auf eine beinahe alle Bereiche der Politik umfassende Technik von Tilgen durch Umschreiben. Paradigmatisch kommt dies in den Maßnahmen zur Änderung von Widmungsblättern zum Ausdruck, als per Ukaz alle kirchlichen und weltlichen Bücher, die die Namen der gestürzten Kaiserfamilie tragen, zur verpflichtenden Umwidmung an die jeweiligen Verlage und Druckereien zurückbeordert werden.15 14 Hier sei darauf hingewiesen, dass auch Pogosjan bei ihrer Untersuchung der Produktionszusammenhänge der repräsentativen odischen Dichtung u.a festgestellt hat, dass gerade in der Regierungszeit von Anna Ivanovna das Zeremoniell eines offiziellen höfischen Festes entwickelt und etabliert wird, das seine Gültigkeit bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts behalten soll. Vgl. Elena A. Pogosjan, Vostorg russkoj ody i rešenie temy poėta v russkom panegirike 1730 1762 gg. Tartu 1997 (Dissertationes philologiae slavicae Universitatis Tartuensis; 3), S. 23, S. 55-56. 15 Siehe die Darstellung des gesamten Maßnahmenkatalogs Elizaveta Petrovnas in: Schierle, Damnatio memoriae, S. 180f. – Dies betrifft auch die politische Verwendung der Gartensymbolik unter Elisabeth I. (siehe dazu das Kapitel „Imaginierter Höhenflug“ in Teil II der vorliegenden Arbeit). Auffällig ist dabei, dass auch in diesem Zusammenhang eine Strategie der Tilgung und der Umschreibung in Hinblick auf den gestürzten Kind-Kaiser Ivan III. durchgreifende Anwendung findet. Denn in der feierlichen Illumination seiner Krönung ist die politische Gartenemblematik bereits ins Zentrum des ikonotextuellen Programms gesetzt worden. So ist auf einem der Feuerwerke eine Gartenszene dargestellt worden, in der der neue Zar Ivan Antonovič als Baum von der Personifikation 151
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Abb. 15. Gartenanlage Golovins Garten/ Anengof um 1742. Plan-Schema nach den Vorlagen aus dem 18. Jahrhundert, ca. 1960.
Die Kaiserin Elisabeth I. arbeitet systematisch an den Grundlagen einer eigenen Erinnerungskultur, indem sie die störenden Informationen, wie das Wissen über den gestürzten Kind-Kaiser, dem Vergessen preisgibt. Dagegen wird die Erinnerung an die Person ihres Vaters, Peter I., als der markante, ihre eigene Macht legitimierende Vergangenheitsbezug ins kollektive Gedächtnis gerufen und ständig aktualisiert. Mit einer bemerkenswerten Konsequenz setzt die neue Kaiserin damit für ihre eigene Gegenwart auf der symbolpolitischen Ebene neue Maßstäbe.16 Für ihre Inthronisation setzt sie ebenfalls ein eigenes Denkmal: den Ablauf der Moskauer Krönungsfeierlichkeiten aus dem Frühjahr 1742 dokumentiert das nachträglich entstandene, prachtvoll illustrierte KrönungsalRusslands umarmt wird. Vgl.: Dmitrij A. Rovinskij, Obozrenie ikonopisanija v Rossii do konca XVII veka. Opisanie fejerverkov i illuminacij, 1674-1891. Sanktpeterburg 1903, S. 223. 16 Der Kontextualisierung der Krönungszeremonien auf der Ebene politischer Symbolik und der Analyse der maßstabsetzenden Bedeutung der „Ikonografie des Glücks“, die Elizaveta Petrovna in den Festlichkeiten, die zwischen Februar und April 1742 stattgefunden haben, vorangetrieben hat, geht Richard S. Wortman in dem dritten Kapitel seiner Monografie nach, siehe: Wortman, Scenarii vlasti, S. 129-152. – Wortman berücksichtigt jedoch die spezifische Funktion der Gartenräume nicht. 152
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bum.17 Das fünfte Blatt des Albums ist dem Einzug der Imperatorin nach Moskau gewidmet, wobei die Garten- und Schlossanlage an der Jausa den eigentlichen Fluchtpunkt der zeremoniellen Ordnung der gesamten Festgesellschaft bildet.18 (Abb. 16) Die dargestellte Gesellschaft bewegt sich auf den in der Nachbarschaft des alten Sommer-Palastes von Anna Ivanovna neu errichteten Winter-Schlossbau (russ. Zimnij Dvorec). Dieser Holzpalast, der ursprünglich nach einem Projekt von Rastrelli in dem Moskauer Kreml errichtet worden war, wird aus Anlass der Krönungsfeierlichkeiten von seinem alten Standort an das Jausa-Ufer übertragen und dort von Michail Zemcov wiederaufgebaut bzw. umgebaut. Zu den Krönungsfeierlichkeiten gestaltet Zemcov das gesamte Areal um den kleineren neuen Schlossbau wesentlich um. Neben einem neuen Thronsaal entstehen hier ein Opernhaus und ein Illuminationstheater.19 Die einschneidendste Veränderung stellt aber die neue räumliche Ausrichtung der Schloss- und Gartenanlage dar, die die von Rastrelli festgelegte Raumordnung umkehrt. An Stelle der früheren Zufahrt zum Annengof durch das obere Gartenparterre im Südosten, inszeniert Zemcov mit Hilfe einer neu angelegten „Gartenperspektive“ im Nordwesten eine direkte Anbindung des Ensembles an das Stadtgebiet über die Deutsche Straße.20
17 Obstojatel’noe opisanie toržestvennych porjadkov blagopolučnogo všestvija v carsvujušij grad Moskvu i svjaščennejšego koronovanija Eja Avgustejšego Imperatorskogo Veličestva […] Elisavety Petrovny. Sankt-Peterburg 1744 (Reprint: Sankt-Peterburg 2006). 18 „№ 5 Ceremonija šestvija Eja Imperatorskoga Veličestva v Moskvy“ (Größe: 41,5 x 88,6 cm; Provenienz: GNIMA R III-6999). Enthalten in: Obstojatel’noe opisanie toržestvennych porjadkov. – Wie stark dabei die grafische Darstellung politisch motiviert gewesen ist, hat bereits Ol’ga Evangulova in ihrer Analyse des Blattes anhand des Vergleichs der beiden Schlossbauten des Gartenensembles betont. Der alte Anna-Palast (russ. Letnij Annengof) und das neue Elisabeth-Schloss (russ. Zimnij Dvorec) dienen als Ziel der dargestellten zeremoniellen Bewegung und geben dabei nicht die realen Größenverhältnisse, sondern die symbolische Ordnung des Festes wieder. Siehe: Evangulova, Dvorcovoparkovye ansambli Moskvy, S. 54. 19 Neben Zemcov arbeiten an diesem Objekt seit Dezember 1741 P[eter?] Gejden, Andrej Kvasov und Ivan Kazakov (RGADA, Gosarchiv, razd. XVI, d. 559, l. 2; Dvorc. Otd., d. 35 947, ll. 1, 7-8, 36). Vgl. Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 65-68. 20 Zemcov schreibt: „надлежит быть чрез Яузу реку мосту от положенной садовой перспективы, которая приходит на самую средину построенного кремлевского […] дому [...].“ RGADA, Gosarchiv, razd. XVI, d. 559, l. 24, 11 janvarja 1742. Zit. in: Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 139. 153
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Abb. 16. Ivan Sokolov: „Ceremonija šestvija Eja Imperatorskoga Veličestva v Moskvy“ [Zeremonieller Einzug Ihrer Kaiserlichen Hoheit in Moskau], 1744, Kupferstich, (Auschnitt). GNIMA, R III-6999. Blatt № 5 aus: Obstojatel’noe opisanie toržestvennych porjadkov […]. Sankt-Peterburg 1744.
Die neue Paradeallee führt über eine Jausa-Brücke durch einen Triumphbogen21 am Eingang zum Unteren Garten, an dem alten Golovins Garten vorbei direkt zu dem neuen Schloss der Zarin. Dieser Wegführung folgt die höfische Gesellschaft auf dem Kupferstich des Krönungsalbums. Wenn der Thronsaal des Winterpalastes als Ort des höfischen Maskenfestes fungiert,22 so bietet der Garten an der Jausa im Rahmen der Festlichkeiten eine hervorragende Bühne für das große feierliche Feuerwerk nach der Krönung. Das ikonografische Programm dieser Vorführung des Illuminationstheaters in Golovins Garten stammt von Jacob Stählin, der inzwischen zum Professor für Eloquenz und Vorsteher der Kupferstecherabteilung der Akademie in St. Petersburg aufgestiegen ist. Stählin ist nicht nur an der Planung und Durchführung der Moskauer Krönungsfeierlichkeiten beteiligt, sondern auch für die nachträgliche Verbreitung der Informationen darüber verantwortlich. Er verfasst ein literarisches Erklärungswerk für die allegorische Feuerwerkvorstellung, die nach der Krönung „unter andern öffentlichen Lustbarkeiten vor Ihro Kayserl[ichen] Majest[äts] Hof in Moscau angesteckt worden“ ist.23
21 Das entsprechende Blatt des Krönungsalbums ist abgebildet in: Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 66; siehe dazu auch: S. 66-67. 22 Vgl. Blatt des Krönungsalbums, abgebildet in: Ebd., S. 73 und in: Wortman, Scenarii vlasti, S. 147. 23 [Jacob Stählin], Izobraženie i iz’’jasnenie fejėrverka i illuminacii kotorye aprělja 25 dnja 1742 godu po blagopolučno soveršivšetsja vysokom pomazanii i koronovanii Eja Veličestva [...] Gosudaryni Elisavety Petrovny Imperatricy i Samoderžicy vserossijskija [...] pri pročich publičnych uveselenijach pred domom Eja Imperatorskago Veličestva v Moskvě zazženy byli./ Abriß und Erklährung der Feuerwercks- u. Illuminations-Vorstellung, welche nach der den 25ten April 1742. glücklich vollbrachten hohen Salbung und Krönung Ihro Majestät Der Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten und unüberwindlichsten Fraun Elisabeth Petrowna Kayserin und Selbstherrscherin aller Reussen etc. un154
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Abb. 17. Abriß des Feuerwerckes und der Illumination welche nach der den 25ten April 1742 glücklich vollbrachten hohen Salbung und Krönung Ihro Majestät Elisabeth Petrowna Selbstherrscherin aller Reussen in Moscau angezündet worden, 1742, Kupferstich. Faltblatt aus: [Jacob von Stählin], Izobraženie i iz’’jasnenie fejėrverka i illuminacii [...]./ Abriß und Erklährung der Feuerwercks- u. IlluminationsVorstellung [...]. Sankt Petersburg [1742]. Stuttgart Württembergische Landesbibliothek (Sammlung von Gelegenheitsschriften für die Zarin Anna), Signatur Div.G.fol. 304.
Diese Beschreibung des Feuerwerksprogramms erscheint in russischer und deutscher Sprache relativ zeitnah zu den Festlichkeiten. Die zweisprachige Buchausgabe enthält außerdem einen Kupferstich mit der grafischen Darstellung der feierlichen Illumination, der ebenfalls in dem zwei Jahre später erschienenen Krönungsalbum abgedruckt wird.24 (Abb. 17) Die achtseitige
ter andern öffentlichen Lustbarkeiten vor Ihro Kayserl. Majest. Hof in Moscau angesteckt worden. Sankt Petersburg [1742]. 24 Der Druck entspricht dem illuminierten Kupferstich № 45 unter dem Titel „Fejerwerk i iljuminacija byvšie pri […] Eja Imperatorskago Veličestva dome čto na Jauze“ aus dem Krönungsalbum „Obstojatel’noe opisanie toržestvennych por155
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Erklärung des Festfeuerwerks druckt zusätzlich in einer ihrer Beilagen die Zeitung „Verdomosti“ ab.25 Sie trägt dadurch zu dem Bekanntheitsgrad seines allegorischen Programms bei, das sich auf die Bildsprache der Gartenkunst stützt und die Metaphorik der kultivierenden Tätigkeit eines Gärtners im Zusammenhang mit der heranbrechenden Regierungszeit der neuen Zarin entfaltet: „Uberhaupt [sic] stellet nemlich diese Illumination eine grosse Landschafft für, worunter das Rußische Reich abgebildet ist. In der Mitten siehet man einen erhabnen Felsen=Berg, dessen Aufgang von beyden Seiten mit Zedern bewachsen ist, die an den Gipfeln nach Art der Taxus=Bäume zu Kronen verschnitten, und so gesetzet sind, daß sie eine aufsteigende Allee vorstellen. Die zwo obersten Zedern schlüssen [sic] einen grünenden Bogen, unter welchem der Gipfel des Berges, als ein aus dem Felsen gebildetes Monument mit dem Nahmen Ihro Kayserl. Majestät und der Kayserlichen Krone erscheint. Unter dem Felsen in der Tieffe siehet man eine kleinere Allee in die Bergs=Höhle auslauffen, in deren innern Mitten ein zweyköpfiger Adler sicher ruhet. Rings um den Felsen ist eine prächtige Gallerie mit gekrönten Pavillons aufgeführt; und zu beyden Seiten oder Enden läufft die gantze Gegend in ein beblühmtes Garten=Feld aus, in dessen Mitten aus einem erhöheten Garten=Beth eine vollkommene Granaten=Pflantze in ihrer Reiffe, die mit einem gekrönten Granat=Apfel hervorstammet. Die genauere Deutung dieser allegorischen Illuminations=Vorstellung ist kürtzlich diese: Nemlich: daß nach würdigster und gerechtester Erhebung Ihro Kayserl. Majest. und nach Dero glücklich vollbrachten Krönung, nunmehro die getreuen Unterthanen unter dem Zepter Ihro Kayserl. Majest. gleichsam als unter einem Felsen sicher wohnen und durch Allerhöchst=Deroselben angestammte Gnade und mächtigen Schutz, die Wald=Bäume in zierliche Alleen von Lorbeer und Palmen, und die Felder in blühende und angenehme Gärten verwandelt, d.i. alles in blühenden und vergnügten Zustand gesetzet werde, bey welchen, als einziger Schmuck und Zierde die mit der Krone geschmückte Granaten=Frucht erkannt, oder die erhabene und gekrönte Kayserin angesehen und verehret wird.“26
Die bei den Krönungsfeierlichkeiten eingesetzte, politisch wirksame Semantik des Gartens wird in der Regierungszeit von Elizaveta Petrovna konsequent zu einem politischen Symbol ausgebaut.27 Auf der Ebene der konkreten Gartengestaltung führt vor allem die auf Repräsentation ausgerichtete zarische Sommerresidenz in Zarskoe Selo bei St. Petersburg die entsprechenden raumästhetischen Strategien vor Augen. jadkov […] koronovanija Eja Avgustejšego Imperatorskogo Veličestva […] Elisavety Petrovny“ (Sankt-Peterburg 1744). 25 Primečanija k Vedomostjam 47-48 (1742), S. 185-192. 26 [Stählin], Izobraženie i iz’’jasnenie fejėrverka i illuminacii, o.P. [S. 5-6]. 27 Insgesamt sind allein in dem Illuminationen-Verzeichnis von Dmitrij Rovinskij dreizehn Feuerwerke aus der Zeit Elisabeth I. erwähnt, in denen der Garten als Symbol des russischen Staates in Szene gesetzt wird. Vgl. Rovinskij, Obozrenie ikonopisanija. Opisanie fejerverkov i illuminacij, S. 225-231; Elena A. Pogosjan, Sad kak političeskij simvol u Lomonosova, in: Trudy po znakovym sistemam 24 (1992), S. 44-57, S. 49. 156
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2. Zarskoe Selo: Vom Lustgarten zur Sommerresidenz. Die Weiterentwicklung der regulären Gartengestaltung um 1750 Auf dem Areal eines früheren schwedisch-finnischen Landgutes vierundzwanzig Kilometer südlich von St. Petersburg entsteht in den ersten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine Gartenanlage, die im späteren Verlauf als Zarskoe Selo Berühmtheit erlangen wird. Nachdem Zar Petr Alekseevič 1708 diese Länderei seiner zweiten Frau Ekaterina Alekseevna (später Katharina I.) zum Geschenk gemacht hat, wird das Gehöft Saari mojs (russ. Sarkaja Myza) zum ländlichen Sitz der Zarengattin und der künftigen Zarin ausgebaut. (Abb. 18) Den Status einer offiziellen zarischen Sommerresidenz erlangt dieser Garten nach dem Regierungsantritt ihrer Tochter Elizaveta Petrovna. Die räumliche und archetektonische Umgestaltung von Zarskoe Selo seit den 1740er Jahren weist dadurch eine zusätzliche, politische Dimension auf. So lässt sich in der Zeit von Elizaveta Petrovna eine Verzahnung der Ästhetik des Erhabenen mit der Symbolik der staatlichen Macht rekonstruieren, die in der Idee eines kultivierten, wohlgeordneten Gartenraums ihren Ausdruck und in der odischen Dichtung ihre Verbreitung findet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lässt die nächste Kaiserin Katharina II. die bestehende Schloss- und Gartenanlage erneut umbauen und das gesamte Ensemble in einen weitläufigen Landschaftspark integrieren. Die Landschaftsgestaltung von Zarskoe Selo, die Katharina II. vornimmt, aktualisiert und erweitert diesen symbolischen Gehalt des Gartens. In dem Horizont einer innovativen Raumästhetik angesiedelt, stellt die allenthalben als vorbildhaft empfundene Beschäftigung der Zarin mit dem Gartenbau die Verbindung zu einem breitgefächerten Konzept gesellschaftlicher Verbesserung her, die moralische, pädagogische und ästhetische Erziehungsmaßnahmen beinhaltet.28 Über die Gründungszeiten der Anlage von Zarskoe Selo überliefert Johann Christian Förster (um 1660-1747),29 einer der an dem ersten Bauprojekt beteiligten Architekten, eine Anekdote, die, von Jacob Stählin aufgezeichnet, „der Vergessenheit entrissen und für die Nachwelt verwahrt“ wird.30 Die Geschichte über die Entstehung des Gartens auf dem Gebiet der Siedlung Saari mojs ruft die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ins Gedächtnis zurück, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Augenzeuge selbst längst tot ist und sogar der Chronist sein Lebensende erreicht hat. Bereits in ihrem Titel stellt die 28 Siehe dazu Teil III und IV der vorliegenden Arbeit. 29 Siehe: Art. Johann Christian Foerster, in: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1916, Bd. 12. 30 „Nr. 62. Peter des Großen Erkenntlichkeit gegen diejenigen, die in oder um Petersburg anbauten“, in: Jacob Stählin, Originalanekdoten von Peter dem Großen. Aus dem Munde angesehener Personen zu Moskau und Petersburg vernommen und der Vergessenheit entrissen. Sankt-Peterburg 1785 (Neuabdruck: München 1968), S. 117-121, hier S. 7. 157
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Erzählung von Förster den Zusammenhang der Gartengründung mit einem durch den Zaren Petr Alekseevič geförderten Ausbau der neuen russischen Stadt an der Newa und ihrer Umgebung her. Der eigentlichen Beschreibung des Gründungsaktes, eines Gartenschenkungsrituals der Zarengattin, wird ein Bericht über die Einrichtung eines anderen Lustgartens vorangestellt. Es geht dabei um den Katharinenhof (russ. Ekateringof), eine Anlage, die Petr Alekseevič für Ekaterina Alekseevna als einen der ersten Gärten in St. Petersburg hat einrichten lassen: „Weiterhin außer der Stadt jenseits der Fontanka, nahm er [Peter I.] einen Landstrich, etliche Werste lang, unter der Seemündung zu einer Muisa oder Landgut für seine Gemahlin ein und nannte es Katharinenhof. Daselbst legte er ein Holzhaus nach holländischer Art auf steinernem Fundament in einem anmutigen Lustwäldchen nebst einem Kanal und kleinen Hafen nächst dem Hause an, in welchen man mit Schaluppen aus der Mündung der Newa fahren konnte.“31
Die restriktiven und mühevollen Maßnahmen, die die Erschließung der St. Petersburger Gegend samt ihrer Gartenanlagen erst möglich gemacht haben, finden keinen Platz in der überlieferten Erzählung. Die Gartengründung wird mit einer spielerisch anmutenden Topik verknüpft, die die gekrönten Machtinhaber als dankbare und sich gegenseitig überraschende Ehegatten darstellt: „Die jetzt erwähnte Gefälligkeit des Kaisers in Ansehung des für die Kaiserin und auf ihren Namen gebauten Katharinenhofes wollte diese würdige und erkenntliche Gemahlin nicht unerwidert lassen und ihrem Gemahl auch wieder eine unvermutete Freude mit einem anderen Anbau, unfern Petersburg machen. Zu dem Ende wählte die Kaiserin eine besonders hoch- und wohlgelegene Gegend, fünfundzwanzig Werste von der Residenz südostwärts, wo die ganze Landfläche um Petersburg und die Stadt selbst übersehen werden konnte. […] Da legte die Kaiserin ein Lustschloß von Stein mit allem Zubehör und einen auf Terrassen zugänglichen Garten mit dichten Laubwänden und Lindengängen an.“32
31 Stählin, Originalanekdoten von Peter dem Großen, S. 118. – Lustschloss und garten in Ekateringof wurden vermutlich von Domenico Trezzini (1670-1734), dem damaligen Hauptarchitekten des Hofes, gebaut und befanden sich seit 1712 in der Nutzung der Zarenfamilie. Im Winter 1716-1717 erarbeitet Jean Baptiste Alexandre Le Blond einen Verbesserungsplan der Anlagen. Mit der Umsetzung der von Le Blond vorgeschlagenen Gartengestaltung wird vermutlich der Gärtner D. Brocket beauftragt, der daraufhin einen Gartenplan mit ornamentalen Blumenparterren ausarbeitet. Die russische Übersetzung des Berichts Le Blonds zum Katharinenhof hat Tatjana Dubjago veröffentlicht (Russkie reguljarnye sady i parki, S. 325-326). Die Baugeschichte dieses, über eine lange Zeit wissenschaftlich eher vernachlässigten Garten- und Schlossensembles hat kürzlich Batorevič umfassend rekonstruiert. Siehe: Natalija I. Batorevič, Ekateringof. Istorija dvorcovo-parkovogo ansamblja. Sankt-Peterburg 2006, hier S. 48-55. 32 Stählin, Originalanekdoten von Peter dem Großen, S. 119. 158
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Die ganzen Arbeiten erfolgen „im Geheimen“, so der damalige Architekt, um die Ergebnisse nach drei Jahren bei einem arrangierten Ausflug ins Grüne, in „eine zwar öde, aber sehr angenehme und gesunde Gegend unfern Petersburg“33 effektvoll in Szene setzen zu können: „Am Fuß der bisher vor sich gesehenen [Duderhofischen] Berge lenkte man links ein und fuhr meistenteils auf allmählichen Anhöhen und manchmal wechselweise wieder bergab, so daß von der angepriesenen Gegend nichts in die Augen fiel, bis man schon ziemlich nahe die letzte Anhöhe ereicht hat. Daselbst erblickte der Zar auf einmal in der Ferne ein schönes neues steinernes Gebäude von zwei Stockwerken in einer Gegend, die er vorher noch nie betreten hatte. In voller Verwunderung kam er auf dem Platz dieses neuen unvermuteten Lustschlosses an, woselbst ihn die Kaiserin als Wirtin mit den Worten empfing: ‚Hier ist die Gegend, von der ich mit Euer Majestät gesprochen, und dies ist das Landhaus, so ich für meinen Herrn gebaut habe.’ Der Zar fiel ihr um den Hals, herzte sie, küsste ihr wohl zehnmal die Hände und sagte öffentlich: ‚Noch niemals hat mich meine Kathinka betrogen oder mir fälschlich berichtet. Sie hat die Wahrheit gesprochen, die Gegend ist schön, und ihre heimlich angewandte Bemühung, mir diese unvermutete Freude durch den Anbau einer schönen Gegend zu machen, verdient meinen ganzen Dank. Ich sehe wohl, sie hat mir an ihrem Bau zeigen wollen, dass es auch trockene schöne Gegenden um Petersburg gibt, die angebaut zu werden verdienen.’“34
Der ländliche Sitz der Zarin an der Sarkaja Myza hat in den ersten Jahren seines Bestehens die Funktion eines Landgutes (russ. usad’ba). Darin unterscheidet sich der Charakter der Anlage, deren ursprüngliche Bezeichnung als Siedlung auf der Anhöhe allmählich an die neuen Besitzverhältnisse angepasst wird und schließlich das Zarische Dorf (russ. Carskoe Selo) heißt, von den repräsentativen Gartenensembles im Westen von St. Petersburg wie Peterhof oder Oranienbaum. Ein Indiz für eine eher private, wirtschaftlich und rekreativ ausgerichtete Nutzung von Zarskoe Selo in dieser Zeit sind die fehlenden bildlichen Darstellungen. Im Gegensatz zu dem bereits erwähnten Katharinenhof, wird Zarskoe Selo nicht in den Katalog der repräsentativen Gartenansichten der neuen Stadt aufgenommen.35 Dass die Gestaltungsarbeiten bei dem „Anbau“ dieser „schönen Gegend“ nicht weniger intensiv geführt worden sind, belegen reichlich archivalische Quellen.36 Einen neuen Schub bekommen die Arbeiten nach 1716. Das bestehende Landgutensemble aus einem Landhaus mit dem dazugehörigen Garten, den Häusern für Bedienste33 Ebd. 34 Ebd., S. 120. 35 Aleksej F. Zubov (?), St. Kateringof [Ekateringof], 1716-1717, Kupferstich. (Vgl. Abb. 18). – Die Nutzungsart der Anlage als Landgut hat Einzug in die Forschungsliteratur gehalten, vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 7; Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 219. 36 Die beiden grundlegenden Monografien von Anatolij Petrov und Tatjana Dubjago erfassen die für die Geschichte der regulären Anlagen von Zarskoe Selo relevanten Archivbestände. Die Rekonstruktion der Namen der beteiligten Gärtnermeister ist in diesem Fall ebefalls das Verdienst der beiden Gartenhistoriker. 159
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te und den ökonomischen Gebäuden wird neu projektiert und umgestaltet. Die Projektvorbereitung der Gartenanlagen, die vor dem neuen zweigeschossigen Schlossbau entstehen sollen, übernimmt der Gärtnermeister Jan Roosen (russ. Rozen, gest. 1726).37 Mit der daraufhin beschlossenen Umgestaltung wird Gärtnermeister Johann Caspar Foght (russ. Focht, geb. 1690) beauftragt.38 In den 1720er Jahren entsteht vor der Gartenfassade des Schlosses eine dreistufige Terrasse. Sie setzt sich zusammen aus ornamentalen Blumenparterren mit Ahornspalieren auf der ersten schlossnahen Stufe, die von Bosketten flankiert wird. Auf der mittleren Stufe folgen zwei rechteckige Bereiche, die durchgehend von einer Allée couvert gebildet werden und auf den Überkreuzungen der Laubengänge kleinere Pavillons beinhalten.39 Zwei symmetrisch angelegte rechteckige Teiche schließen auf der dritten Terrassenstufe die Schlosspartie ab.40 Die formalgeometrisch geprägte Gliederung dieser Partie aus den drei parallel angelegten, gleichgroßen Parterren wird durch eine, quer zum Schloss orientierte Mittelachse visuell unterstützt. Dem nach außen abgegrenzten Terrassenbereich des Schlossgartens mit seinen in sich geschlossenen räumlichen Binnenstrukturen folgt der sogenannte Untere Garten. Dieser wiederum grenzt an das Parterre d’eau im Nordwesten an und wird auf der westlichen Seite von dem Großen See flankiert.41 Der Untere Garten eröffnet einen gefächerten Einblick in die Anordnung seiner Kompartimente mittels eines Patte d’oie. Die Boskette des Unteren Gartens sind in ihrem Inneren abwechselnd mit Obstbäumen und Beerensträuchern bepflanzt.42 Die letzte Gartenpartie auf der südöstlichen Seite der Anlage bildet ein als der Wilde Hain bezeichnetes Birkenwäldchen.43
37 Nach der Besichtigung des alten Boskettgartens 1716 verfasst der seit 1712 im Sommergarten tätige Roosen einen Bericht über die Umgestaltungsmaßnamen und fertigt eine dazugehörige Raumskizze an: „Tolkovanie o gore Carica myza, kakim obrazom na men’šich protorjach sdelat’ sad“ (BAN, ro, Sobranie rukopisnych kart po dopolnitel’noj opisi, Nr. 225). Vgl. dazu: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki akademii nauk: Karty. Moskva, Leningrad 1961, S. 94-95. 38 RGIA, f. 487, op. 21, 1723, d. 61, l. 334. Vgl. dazu: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 8, S. 116 (Anm. 13). 39 Bau- und Pflanzarbeiten werden im Sommer 1722 durchgeführt. Siehe: Ebd., S. 8. 40 Petrov datiert die Aushebung der Teiche auf 1719 und 1722. Ebd. 41 In der Mitte des sechseckigen Sees entsteht 1723 ein Holz-Pavillon (russ. Lustgaus). Der als „Saal auf der Insel“ bezeichnete achteckige Pavillon wird von im Wasser befindlichen Stelzen getragen und ist von Förster, Stählins Augenzeugen der Gartengründung, gebaut worden. Siehe dazu: Ebd., S. 8, S. 116 (Anm. 19). 42 Vgl. dazu Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 220. 43 Ebd. 160
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Abb. 18. Grigorij S. Musikijskij (1660/1671-1739): Porträt von Ekaterina Alekseevna mit der Schloss- und Gartenanlage Ekateringof im Hintergrund, 1724, EmailMiniatur nach einem Porträt von Jean-Marc Nattier (1717) und einer EkateringofAnsicht von Aleksej F. Zubov (1716), 6,5x8,8 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. ERR-3825.
Auf der gegenüberliegenden, nordwestlichen Seite des Schlosses legt Foght eine neue „Perspektive“ an: eine Allee, die sich auf der Mittelachse des Schlosses befindet und ihn auf der Seite der Cour d’honneur mit der Menagerie verbindet. Auf einer Projektvorlage von Roosen basierend, realisiert Foght zwischen 1719 und 1726 die Gestalt der schlossnahen Gartenpartien von Zarskoe Selo, die in ihrer räumlichen Einteilung bis heute existiert. Freilich haben die architektonischen und vor allem die pflanzlichen Veränderungen, die in den darauffolgenden Jahrhunderten vorgenommen worden sind, das äußere Erscheinungsbild des ursprünglichen Ensembles grundsätzlich gewandelt. Nach dem Tod Katharina I. 1727 geht die Anlage in Zarskoe Selo an ihre Tochter Elizaveta Petrovna über. In den 1730er Jahren wird die gesamte Anlage durch weitere Bauten unter der Mitwirkung des Architekten Michail Zemcov wesentlich vermehrt. In diesem Zusammenhang entsteht unter anderem das älteste der bis heute erhaltenen Gebäude in Zarskoe Selo, die Schlosskirche (russ. Znamenskaja cerkov’).44 Nach der Thronbesteigung 1741 erklärt Elizaveta Petrovna den Garten zur offiziellen Sommerresidenz. Entsprechend dem neuen repräsentativen Status der Gesamtanlage bereitet Zem44 Die Grundsteinlegung erfolgt im Jahr 1734. Siehe dazu: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 8. 161
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cov die Umgestaltungspläne vor.45 Seit 1745 werden schließlich sowohl Schlossbau, als auch der Garten systematisch erweitert und umgebaut.46 (Abb. 19) Die Architekten Andrej Kvasov, Savva Čevakinskij und Francesco Rastrelli werden mit dem Ausbau des Schlosses und der Einrichtung der neuen Pavillonbauten des Gartens, die insgesamt über zehn Jahre andauert, beauftragt. Das architektonische Zentrum der in der Planung befindlichen Erweiterung von Zarskoe Selo soll die ausgebaute Schlossanlage bilden, welche die Größe des bisherigen Baus bei weitem übersteigt. Auf ein Projekt von Rastrelli geht die Gestaltung der neuen Fassaden zurück.47 Rastrelli gelingt es auf eine beeindruckende Weise, alle bis dahin vorhandenen Bauteile der Schlossanlage in ein stimmiges Ganzes zu verbinden, was schließlich zwischen 1753 und 1755 ausgeführt wird.48 Dem neuen Anspruch, Bestandteil des Herrschersitzes der absolutistisch regierenden Monarchin zu sein, kann auch die bisherige, geschlossene und nach innen gewandte Struktur des Gartens nicht genügen. Eine der markantesten Veränderungen äußert sich in der Einrichtung eines neuen Oberen Gartens zwischen dem Cour d’honneur und der Menagerie. Dadurch wird das eigentliche Gartenareal stark vergrößert und das Schloss nun auch räumlich in dessen Mitte gerückt. (Abb. 22) Die äußeren Pole der imaginären Zentralachse dieses erweiterten Ensembles bilden zwei große Pavillonbauten.49 Die Eremitage (von Zemcov begonnen und von Rastrelli fertiggestellt) befindet sich in der Mitte der äußersten Gartenpartie im Südosten. Ihr Pendant bildet das Monbijoux (gebaut von Čevakinskij) im Zentrum der Menagerie im Nordwesten.50
45 Den Anteil von Zemcov an Planung der Neugestaltung sowie an den vor seinem Tod im November 1743 begonnenen Bauprojekten schildert Petrov (Ebd., S. 89). Eine eigenhändige Aufzählung der bis 1730 ausgeführten Bauprojekte von Zemcov zieht Dubjago heran: Dubjago, Letnij sad, S. 42-43. 46 Vgl. die Sammlung der Bauskizzen in RGVIA, f. 418. Siehe dazu: Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 331 (Anm. 294). 47 Rastrelli, dessen erstes Großprojekt die Schloss- und Gartenanlage in Annengof gewesen ist, arbeitet inzwischen im Auftrag von Elizaveta Petrovna an dem repräsentativen Stadtsitz der Zarin, dem Winter-Palais in St. Petersburg, und ist für die neuen Schlösserbauten in den Residenzen verantwortlich. Vgl. Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy, S. 44-61, S. 112-120. 48 Aleksandr Benua, Carskoe selo v carstvovanie imperatricy Elizavety Petrovny. Sankt-Peterburg 1910, S. 33; Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 11. 49 Beide Pavillons, Monbijoux und Eremitage, sind von Michail I. Machaev (17181770) um 1754-1755 gezeichnet und in Kupfer gestochen worden. 50 Vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 61-64. 162
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Abb. 19. Schlossanlage mit dem Unteren Garten in Zarskoe Selo (Ausschnitt), Ende 1750er Jahre. Warschau, Biblioteka Narodowa.
Abb. 20. Francesco Bartolomeo Rastrelli (1700-1771): Katal’naja Gora in Zarskoe Selo, Aufriss, 1749/50(?), Zeichnung. Warschau, Biblioteka Narodowa, WAF. 89, Rys. 5313.
Außerdem entstehen zwei weitere große Gartenarchitekturen: seit 1749 wird nach einem Entwurf von Rastrelli an der Grotte der nördlichen Uferseite des Großen Sees gearbeitet, und zwischen 1754 und 1757 errichtet Rastrelli nach einem Projekt des Ingenieurs Andrej Nartov (1693-1756) den Pavillon namens Rutschberg (russ. Kata[te]l’naja gorka) auf dem hohen, nordöstlichen Ufer.51 (Abb. 20) 51 Ebd., S. 67-68. – Eine weitere Rutschbahn gab es im Garten von Oranienbaum am Finnischen Meerbusen, die von Antonio Rinaldi zwischen 1762-1774 errichtet worden war. (Vgl. Džul’etta Kjučarianc, Chudožestvennye pamajtniki goroda Lomonosova. Leningrad 1985, S. 144-146). Eine Rutschbahn namens „montag163
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Die Binneneinteilung des Unteren Gartens sowie der Gartenterrassen der Schlosspartie werden 1745 von dem Architekten Čevakinskij,52 wahrscheinlich unter Mitwirkung des französischen Gartenkünstlers Nicolas Gérard verändert.53 Das Gegenstück zum alten Schlossgarten, zu dessen neuer Ausstattung inzwischen auch allegorische Skulpturen zählen, bilden auf der anderen Seite des auf eine Gesamtbreite von 306 Metern ausgebauten Gebäudes die vier entsprechend dimensionierten Kompartimente des neuen Oberen Gartens. Die in einem Quadrat angeordneten Vierecke mit dem Ausmaß von je 200 x 200 Metern erhalten einen jeweils eigenen Inszenierungsschwerpunkt.54 (Abb. 21)
ne russe“ befand sich außerdem auf der Südseite der Gartenanlage auf der Pfaueninsel in Potsdam. Der Gartenführer aus dem Jahr 1837 weist mehrmals auf den schönen Ausblick hin, der sich von der Rutschbahn auf das Schloss und die Ebene des Gartens eröffnet. Diese Konstruktion, die anders als in Zarskoe Selo aus Holz gebaut worden war, bestand auf der Pfaueninsel bis 1935. Siehe dazu: Gustav Adolph Fintelmann, Wegweiser auf der Pfaueninsel. Kommentierter Nachdruck der Ausgabe von 1837, hg. v. Michael Seiler. Berlin 1986, S. 26-27, S. 55. 52 Siehe die entsprechende Anordnung aus dem Bauamt (Konceljarija strojenij) an den Verwalter von Zarskoe Selo A. Uvarov: „Каков партер сочинения господина архитектора Чевакинского [...] опробован [...]. Сей партер надлежит в скорости учинить по обеим сторонам, где прежние были.“ (RGIA, f. 487. op. 11, ed. chr. 67, l. 76, 1745). Zit. in: Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 222. 53 Nicolas Gérard findet laut „Dictionnaire biographique de la Haute-Loire“ (Hg. v. Gaston Joubert. Yssingeaux 1982) erstmals 1699 Erwähnung als Maler und Zeichner. (Vgl. Eintrag des Archives Biographiques Françaises (III 208, 405), in: WBIS). Nach St. Petersburg kam er 1716 als ein „Dessinateur“ im Gefolge von Le Blond und arbeitete später im privaten Auftrag für den Grafen B. Chr. Münnich. Der Versuch, ihn für die Arbeiten in Zarskoe Selo zu engagieren, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sein Arbeitgeber Münnich seit 1742 in der sibirischen Verbannung gelebt hat. Von dem geplanten Engagement zeugt ein von Petrov zitiertes Schreiben vom 13. Juni 1745: „мастерового француза Жирарда сыскав в село Царское отвесть и показать ему там в саду нынешние партеры, вместо которых быть новым приказать ему, сделав, объявить чертежи, а когда объявит доложить ее величеству.“ (RGIA, f. 466, op. 36/1629, 1745, d. 67, l. 24-26). Siehe: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 58, S. 126 (Anm. 4); Igor’ Ė. Grabar’ (Hg.), Russkaja architektura pervoj poloviny 18 veka. Issledovanija i materialy. Moskva 1954, S. 365-368. 54 Vgl. Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 223 (nach dem Dokument aus: RGIA, f. 470, op. 76/118, ed. chr. 99, l. 1); Perov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 9092. 164
Verdichtung des Gartens zum politischen Symbol
Abb. 21. Petr Radionov: Kopie des Projekts des Neuen bzw. Oberen Gartens in Zarskoe Selo, um 1740-50, RGIAL.
Für die Ausgestaltung des vierteiligen Oberen Gartens mit je einem Heckentheater, einem Berg Parnass, einem Essplatz mit Broderien und einem, wohl nach dem mit grünem Rasen bekleideten Erdwall in der Mitte des Kompartiments, als Scarpir bezeichneten Pavillonensemble sind die Gartenmeister Konrad Schröder (russ. Šreder, 1733-1757) 55 und Michail Kondakov (gest. 1760)56 verantwortlich.
3. Imaginierter Höhenflug: Der erhabene Raum des Gartens in der odischen Dichtung Lomonosovs Nicht nur die imaginäre Sichtachse zwischen dem Oberen oder Neuen Garten und dem Unteren oder Alten Garten soll alle vorhandenen Gartenbezirke in Zarskoe Selo zu einem repräsentativen, nach zentralperspektivischen Re55 Dubjago stützt sich in diesem Zusammenhang auf zwei Rapporte des Gärtnermeisters: „по проекту моему в новозаводящемся тамо саду в наступающее сие летнее время довольно будет разных по рисункам мелочных и других работ.“ (RGIA, f. 487. op. 11, ed. chr. 113, l. 55); „[просьба] об отпуске ему к сочинению против опробованного новому саду плана и для разных по тому плану чертежей материалов и ниструментов.“ (RGIA, f. 470, op. 76/188, ed. chr. 248, l. 37). Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 222-223, S. 331 (Anm. 298, 299). 56 Petrov benennt beide Gärtner und fügt eine biografische Anmerkung zu Kondakov hinzu, wobei er seine Bedeutung als Ausbilder hervorhebt. Vermutlich zählt Petr Radionov (Abb. 21) zu seinen Lehrlingen. Laut Petrov hat Michail Kondakov seine Gärtnerausbildung im niederländischen Leiden erhalten. Seit den 1740er Jahren hat er an dem Neuen Garten in Zarskoe Selo als Oberster Gärtnergeselle, seit 1752 als Gärtnermeister gearbeitet. Vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 130 (Anm. 3); siehe auch: Dubjago, Letnij sad, S. 96. 165
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geln konstruierten Gesamtgefüge verbinden. Drei linear verlaufende Zufahrtstraßen auf der Seite des Oberen Gartens unterstützen zusätzlich die gewünschte Ausrichtung auf das Schloss und bilden ungekehrt, vom Schloss aus gesehen, die sich in die Weite der Landschaft öffnenden Sichtachsen.57 (Abb. 22) Die visuelle Neuordnung der Sommerresidenz wird durch die Grundrissdarstellungen und die Ansichten des umgestalteten Gartens verbreitet und während der zahlreichen Gartenfeste demonstriert. Diese werden noch vor dem offiziellen Abschluss der Umgestaltung regelmäßig in Zarskoe Selo gefeiert. Jacob Stählin, der bereits für die Inthronisation von Elisabeth I. 1741 in St. Petersburg58 und für ihre Moskauer Krönungsfeier 174259 die Gartensymbolik in dem allegorischen Programm der Feuerwerke zentral inszeniert hat, ist weiterhin für Erstellung und Ausführung der festlichen Illuminationen zuständig. Als Verfasser der russischen Festgedichte der feierlichen Programme tritt an der Seite Stählins regelmäßig Michail Lomonosov (17111765) auf, der führende russische Gelehrte und eine der zentralen Figuren des literarischen Diskurses.60 Die poetische Inschrift zum Anlass des großen Fes57 Petrov: Puškin. Dvorcy i parki, S. 89-90; Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 219-237. – Auf dem Effekt der im Garten angelegten Sichtachsen basiert die Wirkungskraft der beiden Gemälde, die Friedrich Hartmann Barisien (russ. Bariz’en, 1724-1796) zwischen 1760 und 1761 anfertigt. Sie stellen jeweils eine panoramatisch anmutende Ansicht des Alten Gartens und des Neuen Gartens dar, wobei die Schlossanlage den Fluchtpunkt und die Horizontlinie der räumlichen Ordnung bildet. (Siehe die Abbildungen 23 und 24 in diesem Kapitel). 58 Die Beschreibung ist bei Rovinskij enthalten: Rovinskij, Obozrenie ikonopisanija. Opisanie fejerverkov i illuminacij, S. 225 („иллюминация представляет далеко простирающуюся садовую аллею [...] по сторонам приятные проспекты из нескольких обсаженных деревьями аллей состоящие“). 59 [Stählin], Izobraženie i iz’’jasnenie fejėrverka i illuminacii, [S. 3-6]; Rovinskij, Obozrenie ikonopisanija. Opisanie fejerverkov i illuminacij, S. 231. 60 Aleksandr Morozov, Michail Vasil’evič Lomonosov, in: Michail V. Lomonosov, Izbrannye sočinenija. Leningrad 1986, S. 8-59 (Biblioteka poėta; Bol’šaja serija), hier S. 45-46: „Важнейшей обязанностью Петербургской академии наук было художественное оформление различных празднеств, придворных маскарадов и потех. […] Ломоносов не только сочинял ‚надписи‘ для иллюминаций, но и участвовал в составлении их проектов. Он связывал их образное содержание с мотивами и проблематикой петровского барокко.“ Vgl. die Nachdichtungen Lomonosovs zu den allegorischen Programmen Stählins: Lomonosov, Pochval’nye nadpisi, in: Ebd., S. 209-234. – Siehe zu Lomonosov allgemein: Lomonosov, Polonoe sobranie sočinenij. 10 Bde. Moskva 19501957; Engel’ P. Karpeev (Hg.), Lomonosov: kratkij ėnciklopedičeskij slovar’ (Rossijskaja Akademija Nauk, Muzej M. V. Lomonosova). Sankt-Peterburg 1999; Jurij Murašov, Jenseits der Mimesis: russische Literaturtheorie im 18. und 19. Jahrhundert von M. V. Lomonosov zu V. G. Belinskij. München 1993. – Deutschsprachige Übersetzungen einer Auswahl seiner natur- und literaturwissenschaftlichen Werke sind im Akademie-Verlag erschienen: Michail Lomonos166
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tes am 30. Juli 1756, als die Beendigung der Bauarbeiten in Zarskoe Selo gefeiert wird, stammt ebenfalls von Lomonosov.61 Auf einen früheren Besuch der Sommerresidenz in Zarskoe Selo geht einer der berühmteren Texte Michail Lomonosovs zurück: eine Ode, deren Titel bereits auf diesen Entstehungszusammenhang verweist: „Ode, in der der Verfasser Ihrer Majestät gegenüber seine Dankbarkeit äußert für Ihre in Zarskoe Selo am 27. August 1750 erbrachte Wohltat“.62 Das poetische Verfahren, das Lomonosov hier für die Lobpreisung des Gartens in Zarskoe Selo wählt, lässt Rückschlüsse darauf zu, wie die ästhetischen Vorstellungen von einem erhabenen und entgrenzten Raum, die die Formsprache der Gartenumgestaltung bestimmt haben, in ein literarisches Medium überführt werden konnten. Im Text der poetischen Wiedergabe des Gartenerlebnisses Lomonosovs werden die semantischen Bezüge der Raumästhetik zu dem politischen Machtausdruck miteinander verbunden, verbalisiert und dank der bildhaften Formulierung verbreitet.
sow [Lomonosov], Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Bd. 1: Naturwissenschaften; Bd. 2: Geschichte, Sprachwissenschaften und anderes. Berlin 1961. – Die Darstellung der Verbindungen Lomonosovs, der u.a. an der Universität Marburg studiert hat, zu den deutschen Gelehrten beinhalten folgende Studien: Eduard Winter (Hg.), Lomonosov, Schlözer, Pallas. Deutsch-russische Wissenschaftsbeziehungen im 18. Jahrhundert. Berlin 1962, S. 3-106; Dagmar Herrmann (Hg.), Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1992, besonders S. 155-189. 61 Lomonosov, Nadpis’ na novoe stroenie Sarskogo Sela, in: Ders., Izbrannye sočinenija, S. 231. – Im darauffolgenden Jahr wird der Garten den Gesandten aus Frankreich und Österreich vorgeführt, wovon das „Kamerfur’erskij žurnal“ (1757) berichtet. 62 Lomonosov, Oda v kotoroj Ee Veličestvu blagodarenie ot sočinitelja prinositsja za okazannuju emu Vysočajšuju milost’ v Sarskom Sele avgusta 27 dnja 1750 goda, in: Ders., Izbrannye proizvedenija, S. 127-131, S. 505. Die Ode umfasst 23 zehnversige Strophen mit dem Reimschema aBaBccDeeD, das Versmaß folgt dem vierhebigen Jambus. – Eine umfassende Untersuchung der Entwicklung der russischen feierlichen Ode in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der entsprechenden Verortung der odischen Dichtung Lomonosovs hat Pogosjan vorgelegt („Vostorg russkoj ody i rešenie temy poėta v russkom panegirike 1730 - 1762 gg.“ Tartu 1997). – Zu der weitreichenden Bedeutung der metrischen und rhythmischen Eigenschaften der Oden Lomonosovs, die er seit dem Regierungsantritt der Zarin Elizaveta Petrovna verfasst, siehe die aufschlussreiche Analyse von Šapir: Maksin I. Šapir, U istokov russkogo četyrechstopnogo jamba: genezis i ėvoljucija ritma (K sociolingvističeskoj charakteristike sticha rannego Lomonosova), in: Philologica 3/5-7 (1996), S. 69-108. 167
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Abb. 22. Plan von Zarskoe Selo: Der Alte und der Neue Garten mit der Menagerie, 1744-1762. RGVIA, f. VUA, Nr. 22779.
In der ersten Strophe des Gedichts findet eine räumliche Elevation des odischen Ich statt. Der erhöhte Standpunkt, der mit Mitteln eines lyrischen Enthusiasmus in die Ode eingeführt wird, ist die notwendige Voraussetzung für einen umfassenden Blick über den gesamten Gartenraum: „Welche Freude empfinde ich?/ Wovon bin ich heute begeistert?/ Ich koste von den himmlischen Speisen,/ ich bin auf die Spitze des Olymps versetzt worden!“63
Dieser Standpunkt entspricht der imaginären Position des Betrachters, wie sie in den grafischen Darstellungen eines regulären Gartens, so etwa in der frühen Sommergartenansicht, zum Ausdruck kommt.64 (Abb. 14) Die poetische Blickführung, die in dem Text der Ode erzeugt wird, nähert sich der Simultaneität des Blicks an, die die Einheit des Gartenraumes nach zentralperspektivischen Regeln im Bildmedium konstruiert. (Abb. 23) Lomonosov greift auf die poetische Einbildungskraft zurück, um in perspektivischer Abfolge immer neue Teilbilder des Gartens heranzuführen:
63 Lomonosov, Oda v kotoroj Ee Veličestvu blagodarenie ot sočinitelja prinositsja, S. 127: „Какую радость ощущаю? Куда я ныне восхищен? Небесну пищу я вкушаю, На верьх Олимпа вознесен!“ 64 Michael Gamper, Von Gartenhöhen ins weite Land unendlich weit Unendlichkeitsgemälde sehen. Die neue Raumauffassung im Garten des 18. Jahrhunderts, in: Paul Michel (Hg.), Symbolik von Ort und Raum. Bern 1997, S. 217–239. 168
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Abb. 23. Friedrich Hartmann Barisien (1724-1796): Ansicht des Neuen Gartens bei dem Schloss in Zarskoe Selo [vom Parnass-Berg aus betrachtet], 1760-1761, Leinen, Öl. GMZ Carskoe Selo, ED-190-X.
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„Die Schönheit ist der des Eden gleich,/ dort, wo die Göttin ihren Garten baut,/ wonnige Plätze begehrend;/ Dort, wo die Felder den Himmel nachahmen/ und sich mit Blumen schmücken./ Nicht nur der zarte Frühling,/ sondern auch der Herbst sind dort des Jahres Jugend;/ Immer zeigt sich die Natur in ihrer Pracht,/ gefördert durch die Kunst von Menschenhand.// Wenn der Sonnenaufgang mit seinem rotglühenden Augenlicht/ die Wangenröte der Rosen vermehrt,/ dann beginnen auf den hohen Wipfeln/ und zwischen den grünen Hecken/ Vögel ihren zwitschernden Gesang,/ wecken aus dem Schlaf die Freude,/ die auf meinen Auen herrscht.“65
Der Dichter preist die Wälder, die Wasserlandschaften der umliegenden Gegend; er beschreibt die Pflanzenwelt im natürlichen Wandel der Jahreszeiten neben den kunstvollen Erzeugnissen der Gartenkunst, die den natürlichen Abläufen trotzen kann. Dieses stellt die Technik der Wasserspiele im Garten sowie die Pflanzenwelt der Orangerien unter Beweis. (Abb. 24) Die sinnliche Wahrnehmung der empirischen Gegebenheiten geht im Text mit der intellektuellen Arbeit der Betrachtung einher, die auch das Unsichtbare des unendlichen Raums zu erfassen vermag.66 Die rhetorischen 65 Lomonosov, Oda v kotoroj Ee Veličestvu blagodarenie ot sočinitelja prinositsja, S. 129-130: “Эдемской равна красота, Где сад богиня насаждает, Прохладны возлюбив места; Поля, где небу подражают, Себя цветами испещряют. Не токмо нежная весна, Но осень тамо юность года; Всегда роскошствует природа, Искусством рук побуждена. Когда заря багряным оком Румянец умножает роз, Тогда на ветвии высоком И посреде зеленых лоз Со свистом птицы воспевают, От сна к веселью возбуждают, Что царствует в моих лугах.“ 66 Die sinnliche Verzückung, die der Autor der Ode während der Betrachtung der Gartenwelt aus der Vogelperspektive imaginiert und damit auch den Betrachter bzw. Leser selbst vergrößert und entgrenzt, ist in einer übergreifenden und stabilisierenden Idee der Vernunft eingebettet. Die philosophische Position, die diese Art von Poetik einer sinnlichen Anschauung begründet, fasst unmissverständlich die Vernunft als die oberste Erkenntniskraft und damit als omnipotentes Herrschaftsinstrument. Das prominenteste philosophische und poetologische Programm ist zu der Zeit Lomonosovs mit dem Namen Johann Christoph Gottscheds (1700-1766) verbunden. Vgl. Hans Peter Herrmann, Naturnachahmung und Einbildungskraft. Zur Entwicklung der deutschen Poetik von 1670 bis 1740. Bad Homburg u.a. 1970, S. 92-162; Gabriele Dürbeck, Einbildungskraft und Aufklärung. Perspektiven der Philosophie, Anthropologie 170
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Verweise auf Geschichte und Mythologie stützen dieses Vorhaben, das in der gelehrten Ergriffenheit vor der Natur kulminiert und zur panegyrischen Huldigung der Wissenschaften führt: „O ihr, glücklichen Wissenschaften!/ Breitet euere fleißigen Hände/ sowie den Blick hin zu den entferntesten Orten aus.“67
Im Textverlauf von Lomonosovs Ode entsteht eine poetische Höhenstufung der räumlichen Erfassungsmöglichkeiten, die sowohl den unendlichen, dynamischen Raum des Erhabenen, der dem Wohnsitz der Zarin entspricht, als auch den Raum der Kunst und der Wissenschaft, und damit auch den Platz des Dichters, einschließen kann.68 Auf diese Weise wird die Vorstellung von einem entgrenzten Raum in Sprache übersetzt. Da aber das Konzept des unendlichen Raums immer noch durch poetologische Richtlinien abgesichert werden muss und deshalb die Redeabsicht höher gewertet wird als ihr Bezug zu dem Garten, führt der poetische Gartentext letztlich von dem konkreten räumlichen Anlass weg. In diesem Sinne erfährt der Gartenraum eine mythische Überhöhung. Innerhalb der Ode bekommt Zarskoe Selo den idealtypischen Charakter eines Raummodells und findet sich schließlich in einer semantischen Kette Garten – Staat – Paradies wieder.69 Als der Höhepunkt einer kultivierten künstlerischen Raumgestaltung sublimiert, verdichtet sich der Garten zu einem wirkungsmächtigen politischen Symbol.70
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und Ästhetik um 1750. Tübingen 1998, S. 47-54. – Gottsched hat als der erste Vermittler russischer Literatur im deutschsprachigen Raum fungiert. Siehe dazu: Lew Kopelew, Die ersten Vermittler: Gottsched und sein Kreis, in: Mechthild Keller (Hg.), Russen und Russland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1987, S. 339-356. Lomonosov, Oda v kotoroj Ee Veličestvu blagodarenie ot sočinitelja prinositsja, S. 131: „О вы, счастливые науки! Прилежны простирайте руки И взор до самых дальних мест.“ Diese Gedankenfigur entspricht der Konzeption des unendlichen Raums nach Newton, wonach der Mensch in der Lage ist, durch Umwandlung des relativen Existenzraumes in einen künstlerischen Raum den absoluten, unendlichen Raum zu erahnen. Vgl. Oesterle/Tausch, Der imaginierter Garten, S. 13. – Siehe auch die Ausführungen von Buttlar im Kapitel „Newton’scher Freiraum und Kinästhesie“ in: Ders., Der englische Landsitz, S. 76-78. – Allgemein zur sprachlichen Wiedergabe des erhabenen Raums vgl. Koschorke, Horizont, S. 110-137, besonders S. 96. Pogosjan, Sad kak političeskij simvol u Lomonosova, S. 47. – Zur Entwicklung der russischen Paradies-Thematik vgl. die bereits erwähnte Monografie von Stephen L. Baehr „The Paradiese Myth in Eighteenth-Century Russia“ (1991). Zu dem Unterschied zwischen Allegorie und Symbol vgl. die Definition von Kurz: „Das Symbol ist ein immanentes Element einer Geschichte. Zwischen Symbol und Symbolisiertem herrscht eine notwendige Kontiguität, beide gehören demselben Geschehenszusammenhang an, demselben raum-zeitlichen Er171
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Die damit verbundene Vorstellung eines idealtypischen, kultivierten Raums greift argumentativ auf den Metaphernvorrat aus der Vergangenheit zurück. Sie aktualisiert den allegorischen Gehalt der Gartengestaltung, der die harmonische Weltordnung mit der staatlichen Macht verbindet und vereinzelt in der Regierungszeit von Aleksej Michajlovič sowie von Peter Alekseevič eingesetzt wird. In einer facettenreichen und konsequenten Form wird die Bedeutung des Gartens als Symbol der regierenden Macht jedoch erst in der Zeit von Elizaveta Petrovna entwickelt und vermittelt.71 Die odische Dichtung von Michail Lomonosov, in der die semantische Verbindung zwischen der Residenz der Zarin in Zarskoe Selo, dem mythologischen Paradies und dem russischen Staat geschlossen wird, nimmt dabei eine führende Rolle ein.
4. Bewusstwerden der Differenz: Aufkommen einer neuen Gartenidee Dass man von einem zarischen Garten potentiell in einem anderen als erhabenen Modus literarisch berichten und sich anderer als panegyrischer Formen bedienen kann, deutet die eingangs zitierte Erzählung über die Gründung von Zarskoe Selo an. Die beiden vorgestellten Beispiele lassen die Vielfalt der möglichen Modi aufscheinen, die die Rede über den Garten gestalten können. Die offensichtlichen Differenzen ergeben sich aus den jeweiligen verbindlichen Vorgaben der Textsorte. Was die Ausdrucksmittel angeht, so sind sie ebenfalls der Verortung in einem je spezifischen Zeitrahmen geschuldet, in dem die jeweiligen Texte entstehen, aufgeschrieben und veröffentlicht werden. Ein tiefgreifender Unterschied lässt sich darin festhalten, dass die seinerzeit in Zarskoe Selo zusammenwirkenden Förster, Stählin und fahrungsfeld. Die Allegorie dagegen, das diversiloquium oder alieniloquium, erzählt oder setzt zwei Bedeutungszusammenhänge, die diskontinuierlich miteinander verbunden sind. […] Zwischen beiden Bedeutungszusammenhängen muß über-setzt werden.“ Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol. Göttingen 1997, S. 77. 71 Pogosjan hat am Beispiel ausgewählter Oden Lomonosovs gezeigt, wie er seit 1742 die Bedeutung des Gartens im Rahmen der politischen Ikonografie Elisabeth I. ausarbeitet. Siehe dazu: Pogosjan, Sad kak političeskij simvol u Lomonosova, S. 48-50. In ihrem Aufsatz hat die Autorin darauf hingewiesen, dass dabei ein „dynastisches Gedächtnis“ aus dem Begriffspaar „Stein“ und „Ruhe“ (jeweils abgeleitet von der griechischen Schreibweise der Namen der beiden Monarchen Peter I. und Elisabeth I.) entwickelt wird. Aus einer semantischen Gleichsetzung von „Ruhe“ und „Garten“ entsteht infolgedessen die Basis für das politische Emblem der Zarin Elizaveta Petrovna, die die Leistung des Vaters, der als Gründer des erneuerten russischen Staates aufgefasst wird, dank einer stetigen Entwicklung und Verbesserung zum Höhepunkt bringt. (Ebd., S. 55-57). – Vgl. auch die ausführliche Erläuterung Šapirs zu dem Vornamen der Zarin als einer metrischen Herausforderung sowie zu den etymologischen Explikation von „Elizaveta“ in den odischen Texten Lomonosovs: Šapir, U istokov russkogo četyrechstopnogo jamba, S. 82-84, S. 93 (Anm. 21). 172
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Lomonosov bei ihren Texten über denselben Garten sich einmal für „Erzählung“ – Stählins Anekdote über den Bericht Försters – und einmal für „Dichtung“ – Lomonosovs Ode – entscheiden. Das Bewusstsein für diese Alternative macht mit einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Gartenliteratur im späten 18. Jahrhundert einen der Kernpunkte der Diskussion aus, die die Möglichkeiten der sprachlichen Wiedergabe eines individualisierten Gartenerlebnisses auslotet.72 Berücksichtigt man die poetologische Polemik, die Michail Lomonosov mit seinem Dichterkollegen Aleksandr Sumarokov (17181777) gerade in Bezug auf die Ausdrucksmittel der odischen Dichtung geführt hat, so wird die Gleichzeitigkeit alternierender ästhetischer Ansprüche evident: der erhabenen, prachtvollen und hochartifiziellen Poetik Lomonosovs stellt Sumarokov ein Programm entgegen, das auf Rückzug und Einfachheit basiert.73 Im Fokus der Debatten um den dichterischen Ausdruck gerät die Differenz der jeweils privilegierten Naturvorstellung zum Vorschein. Für Lomonosov lässt sie sich als die Verwirklichung eines irdischen Paradieses durch Arbeit zusammenfassen, wobei eine von Menschenhand modellierte, verschönerte Natur die größte Vollkommenheit in dem kunstvollen Garten erreichen kann. Sumarokov sieht dagegen in den „übergroßen Bauten mit den Decken- und Wandmalereien sowie den marmornen Böden, in den Gärten und in den Wasserspielen, die mit großer Kunstlist in die Höhe getriebenen werden“, nicht die Schönheit der Natur, sondern nur ihre künstliche Imitation.74 Das wahre Natürliche, so Sumarokovs im Mai 1759 veröffentlichte Epistel „Über die Schönheit der Natur“ (russ. O krasote prirody), kann man nur in der ländlichen Landschaft erkennen und genießen.
72 Im Rahmen des Spezialdiskurses werden beispielsweise dichterische Verfahren unter den Verdacht der Lüge gestellt, dagegen fordert man faktengetreue, auf die Vermittlung objektiver Gegebenheiten ausgerichtete Gartenbeschreibungen. Diese geraten wiederum in Kritik, weil sie, durch die Absage an jegliche Fiktionalität, gerade einem auf Imagination ausgerichteten Landschaftsgarten nicht gerecht werden können. (Vgl. Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 9091). Die Problematik der sprachlichen Wiedergabe wird in dem Teil VI „Park und Poesie“ der vorliegen Arbeit ausführlicher behandelt. 73 Vgl. zu der Polemik im Zusammenhang mit den poetologischen Debatten die einführende Darstellung in: Istorija russkoj literatury. Bd. 1: Drevnerusskaja literatura. Literatura XVIII veka, hg. v. D.S. Lichačëv, G.P. Makogonenko. Leningrad 1980, S. 465-570. 74 Sumarokov verstärkt seine Naturauffassung und die Forderung nach der Einfachheit dadurch, dass er diese an die alte Topik der Opposition zwischen Stadt und Land anlehnt. „Огромныя зданiя, потолки и стѣны испещренные живописью, мраморныя полы, сады, бiющия къ верьху и многою хитростiю понуждаемыя ключи: все то на что въ городѣ смотрят люди, с удивленiемъ нахожу я здѣсь не въ подражанiи но в естетсвѣ.“ Aleksandr Sumarokov, O krasote prirody, in: Trudoljubivaja pčela [Mai] (1759), S. 312-314, hier S. 312. 173
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Die Naturauffassung Sumarokovs ist zwar selbst in einer literarischen, pastoralen Tradition verhaftet, jedoch wird der Topos des tugendhafteren Lebens auf dem Land, der sich in Fortführung von Horaz und Vergil in seiner Argumentation erkennen lässt, zu dieser Zeit durch ein alternatives Modell der neuen Gartengestaltung modifiziert. Ihr Programm fußt auf der moralphilosophischen Prämisse der sittlichen Macht der Natur; ihre Formsprache verpflichtet sich der freien, naturnahen Gestaltung. Nicht der repräsentative höfische Garten französischer Provenienz, sondern eine naturähnliche Gartenlandschaft des Landsitzes steht im Zentrum dieser innovativen Ästhetik. Ihre Grundlagen werden erstmals von britischen Autoren formuliert, auf dem Kontinent als eine revolutionäre Stiländerung in der Gartenkunst aufgefasst und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als das Konzept des Landschaftsgartens europaweit verbreitet und transformiert.75 Die markante Art der neuen britischen Gartenanlagen fasst Ivan Šuvalov (1727-1797), – der ehemalige Kurator der Moskauer Universität und ein Gönner Michail Lomonosovs, – in einem vielzitierten Brief zusammen, den er am 10. Mai 1765 an den Grafen Michail Voroncov (1714-1767) richtet, wobei er die Umgestaltung des gräflichen Landgutes in Kimry an der Wolga im Blick hat: „Die Gärten [Englands] sind wunderschön, nach einem Geschmack, der sich von allen anderen sonst unterscheidet. Nach meiner Rückkehr werde ich einen Vorschlag unterbreiten, wie man in Kimora einen ähnlichen Versuch unternehmen kann; die ganze Kunst besteht darin, dass es der Natur gleich ist. Mir scheint, es ist das Beste.“76
75 Eine Schilderung der europaweiten Entwicklung des neuen Gartenstils steht im Mittelpunkt der Monografien zu dem Landschaftsgarten von Buttlar und Hunt: Adrian von Buttlar, Der Landschaftsgarten: Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. Köln 1989; John Dixon Hunt, The Picturesque Garden in Europe. London 2002. 76 „Сады прекрасные, совсем иного от других вкусу. По возвращении моем дам идею, как в Киморе подобный опыт завесть; все искусство в том, чтоб было сходно с натурой. Мне кажется, что сие лучше.“ Archiv knjazja Voroncova, hg. v. P. I. Bartnev. Moskva 1873, Bd. 6, S. 304. Zit. in: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 73, S. 127 (Anm. 35). – Siehe zu Ivan Šuvalov zuletzt ausführlich das Themenheft der Zeitschrift: Filosofskij vek 8 (1998) (Themenheft: Ivan Ivanovič Šuvalov (1727-1797). Prosveščennaja ličnost’ v rossijskoj istorii, hg. v. T.V. Artem’eva/M.I. Mikešin). 174
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Abb. 24. Friedrich Hartmann Barisien (1724-1796): Ansicht des Alten Gartens in Zarskoe Selo [mit den Sichtachsen v.l.n.r. auf die Eremitage, den Rutschberg, das Schloss und die Orangerie entlang der Gartenstraße], 1760-1761, Leinen, Öl. GMZ Carskoe Selo, ED-191-X.
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Diesen Brief verfasst Šuvalov nicht von einer Auslandsreise, sondern aus dem Exil, wo der prominente Politiker der elisabethschen Epoche seit dem Regierungsantritt der neuen Zarin Ekaterina Alekseevna leben muss. Dennoch, anders als seine Situation eines Exilanten nahe legen würde, trägt die Idee eines naturnahen Gartens in Russland kaum die ideologischen Züge einer politischen Oppositionshaltung, die seine Entstehung in England ursprünglich geprägt hat.77 Die neue Ästhetik des Landschaftsgartens avanciert in Russland zur „Sache der Zarin“: Ekaterina Alekseevna fördert gezielt die Verbreitung der neuen gartentheoretischen Schriften, gestaltet ihre Sommerresidenz in Zarskoe Selo zu einem Landschaftsgarten um und kommuniziert europaweit und öffentlichkeitswirksam ihre ästhetisch avancierten Vorlieben.78 Die gartengestalterischen und -literarischen Auseinandersetzungen der Zarin mit der neuen Ästhetik des Landschaftsgartens stehen im Mittelpunkt des folgenden dritten Teils dieser Studien. Die Idee einer steten Verbesserung, als improvement, im Sinne eines der zentralen pragmatischen Begriffe der englischen Landschaftsästhetik, bildet den roten Faden innerhalb der Darstellung. Im Zusammenhang mit der Umgestaltung und Erweiterung der regulären Gartenanlage in Zarskoe Selo zu Beginn der 1770er Jahre werden hier die zentralen raumästhetischen wie poetologischen Konsequenzen dieser Erneuerung skizziert. In dem darauffolgenden vierten Teil werden die wirkungsästhetischen Strategien der Garteninszenierung am Beispiel von Ale77 Buttlar, Der englische Landsitz 1715–1760, S. 98-107. 78 Siehe die veröffentlichten Briefe an ihre prominenten europäischen Korrespondenten: François Marie Arouet de Voltaire (1694-1778): [Ekaterina II./Voltaire], Documents of Catherine the Great: The Correspondence With Voltaire, and the Instruction of 1767 in the English Text of 1768, hg. v. William F. Reddaway. Cambridge 1931; Dies., Voltaire - Catherine II, Correspondance, 1763 - 1778, hg. v. Alexandre Stroev. Paris 2006. – Briefwechsel mit Denis Diderot (17131784): Maurice Tourneux, Diderot et Catherine II. Paris 1899; Didro v Peterburge, hg. v. Vasilij A. Bil’basov. Sankt-Peterburg 1884. – Briefwechsel mit Friedrich Melchior Freiherr von Grimm, Baron von Grimmhoff (1723, n.a. 1727-1807, n.a. 1797): [Ekaterina II.], Pis’ma Imperatricy Ekateriny II k Grimmu, 1774-1796 (franz.: Lettres de Catherine II. à Grimm 1774 - 1796), hg. v. Jakov K. Grot. Sanktpeterburg 1878 (Sbornik Imperatorkogo russkago istoričeskago Obščestva; Bd. 23). – Zur propagandistischen Wirksamkeit des Briefwechsels Katharina II. im Kontext der Politik des aufgeklärten Absolutismus siehe folgende Untersuchungen: Ivan P. Chruščov, O prosvetitel’skoj dejatel’nosti Ekateriny II., in: Universitetskie izvestija 12/2 (1873), S. 1-21; Vasilij A. Bil’basov, Ekaterina II. i Didrot [Diderot], in: Russkaja starina 5 (1884), S. 223278 und 6 (1884), S. 445-494; P.K. Ivanov, O prosveščennom absoljutizme v Rossii 60x godov 18 veka, in: Voprosy istorii 5 (1950), S. 85-99; Jurij Stennik, Die aufklärerische Position M.V. Lomonosovs und die aufgeklärte Politik Katharina II., in: Gabriela Lehmann-Carli (Hg.), Russische Aufklärungsrezeption im Kontext offizieller Bildungskonzepte (1700 - 1825). Berlin 2001, S. 463-475; Inna Gorbatov, Catherine the Great and the French Philosophers of the Enlightenment: Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Diderot and Grimm. Bethesda, Md. 2006. 176
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xandrowa Datscha geschildert. Damit steht am Ende dieses Anschnitts der Arbeit ein Landschaftsgarten, der eine literarische Vorgeschichte in den pädagogischen Schriften Katharina II. aus den frühen 1780er Jahren aufweist und ein Jahrzehnt später im Dienste einer modern verstandenen Erziehung als einer Einübung in die Selbstkontrolle geplant und gebaut wird. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Pawlowsk angelegt, bietet die Gartenanlage Alexandrowa Datscha zugleich eine Art Annäherung an das Thema des fünften Teilabschnitts der Arbeit, der sich eingehend diesem Landschaftspark des Großfürstenpaares Pavel Petrovič und Marija Fëdorovna widmet.
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Teil III
Divertissement und Improvement: Mediale und erinnerungskulturelle Konsequenzen politischer Implikationen im Landschaftsgarten von Zarskoe Selo
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1. Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten: Umgestaltung der regulären Gartenanlage in den 1770er Jahren als freie Modellierung und Gedächtnisstiftung Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten In der repräsentativen Gartengestaltung des mittleren 18. Jahrhunderts, in der Regierungszeit von Elizaveta Petrovna, wird die höfische Festkultur der Vorgänger aufgegriffen und weiterentwickelt, so dass die Sommerresidenz der Zarin über den zeremoniellen Bereich des divertissements hinaus zum Inbegriff ihrer Macht überhaupt erhoben wird. Entscheidend dabei ist, dass der Garten seine Existenz nun nicht ausschließlich im Bereich der figürlichen Rede (als Emblem, Metapher oder Symbol) führt, sondern sich auch als eine Präsentation der Macht in der Lebenswelt behauptet. Die konsequente ikonotextuelle Vermittlung der Gartenfeste erzeugt zunehmend eine spezifische eigene Teilhabe an dem Gartendiskurs für eine breitere Schicht der gesellschaftlichen Elite. Die gedruckten Darstellungen des Gartens aktualisieren und vermehren den ikonografischen Wissensvorrat. In Verbindung mit den kurzen, prägnanten Bildbeschreibungen steuern und tradieren die Kupferstiche die emblematische Sinndeutung des Gartens. Im komplexen Gefüge der festlichen Gartendichtung angesiedelt, wird diese Emblematik variiert und transformiert, und zwar so weit, – wie die odische Dichtung Lomonosovs zeigt, – dass die Gartenikonografie und ihre sinnstiftende Auslegung in Bezug auf einen konkreten Gartenraum gebracht, kontinuierlich mit einander verbunden und damit zu einem Symbol verdichtet werden. Der festlichen Poesie kommt eine weitere signifikante Rolle im Prozess der Transformation des Gartendiskurses zu. Eine der Aufgaben panegyrischer Gartendichtung besteht nämlich darin, die Muster des zeremoniellen, auf den Garten bezogenen Verhaltens nicht nur literarisch zu fixieren und in ein sprachliches Medium zu überführen, sondern auch die Bewegung der Emotionen angesichts des Erhabenen der Macht vorzuleben und damit dem Leser zur imaginären Wiederholung vorzulegen.1 So stellt der odische 1
Die Vermittlung der emotionalen Haltung der Begeisterung angesichts des erhabenen Anlasses, so wie ihn die Autoren der panegyrischen Dichtung in Szene 181
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Höhenflug Lomonosovs über Zarskoe Selo die poetische Technik des Enthusiasmus bereit, die die Erfahrung einer visuellen Öffnung des Gartens in die reale Landschaft der Umgebung und darüber hinaus in die imaginären Weiten des Zarenreichs vermittelt. Indem der begeisterte Dichter sowohl die mythologischen und allegorischen Figuren aus dem Gedächtnisvorrat des emblematischen Wissens aufruft und variiert, als auch die anlassgebundenen, neuen Verbindungen aus dem Spannungsverhältnis zwischen der sinnlichen Erfahrung und der fernen, räumlich entrückten Ideen hervorbringt, führt er die Arbeit der produktiven Einbildungskraft, der poetischen Phantasie, angesichts des Gartens vor. Diese beiden Vermögen – Enthusiasmus und Einbildungskraft – machen Karriere im Zusammenhang mit der Verbreitung der neuen Gartengestaltung nach den Regeln der freien Natur, im Sinne der Ästhetik des Landschaftsgartens. Denn nicht allein das verfügbare Wissen über die zeremonielle oder rhetorische Ordnung, über die mythologische Ausstattung oder emblematische Sinnstiftung, die den Garten bestimmen, macht die Raumerfahrung der neuen Gartengestaltung aus. Das Gartenerlebnis konstituiert sich vielmehr dank der impliziten Wirkung der landschaftlichen Inszenierung auf die Einbildungskraft des Besuchers. Es wird zunehmend auf der Grundlage der sinnlichen Wahrnehmung und nicht allein der vernunftorientierten Erkenntnis erzeugt. Aus gedächtnistheoretischer Sicht vollzieht sich damit der Übergang von der raumorientierten Gedächtniskunst zu den verzeitlichten Formen der Erinnerung.2 In Bezug auf den Gartendiskurs geht es um die Transformation eines regulären, tektonischen Gartens und der emblematischen Darstellungsformen hin zu der Gestalt einer aus der traditionellen architektonischen Ordnung befreiten Landschaftskunst und den autonom werdenden literarischen Formen. Die Veränderungen der Formsprache der Gartengestaltung und der Wahrnehmungsästhetik stehen im Wechselverhältnis zu den Transformationen des höfischen Zeremoniells im Garten, die sich im Verlaufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer stärker abzeichnen. Die markante Verwobenheit des Politischen und des Ästhetischen, die in dem höfischen Gartenfest und seiner Plurimedialität kulminiert, bleibt aber keinesfalls ein Phänomen der regulären Gartengestaltung. Die politische Bedeutung der
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gesetzt haben, hat Pogosjan sehr aufschlussreich analysiert. Sie hat außerdem das spezifische Moment einer kollektiven Identitätsstiftung in der feierlichen Ode hervorgehoben, das der Äußerung des poetischen Enthusiasmus innewohnt und dabei idealiter eine Gemeinschaftsidee (ideja korporativnosti) zum Ausdruck bringt. Siehe: Pogosjan, Vostorg russkoj ody, besonders S. 21f. Grundlegend für die Untersuchung der räumlichen Konzepte der Memoria in der Frühen Neuzeit sowie der sich abzeichnenden Transformationsprozesse sind neben dem Standardwerk von Frances A. Yates („The Art of Memory“, 1966) die Forschungsarbeiten von Berns, vgl. Jörg Jochen Berns/Wolfgang Neuber (Hg.), Ars memorativa. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Gedächtniskunst 1400-1750. Tübingen 1993; Dies. (Hg.), Das enzyklopädische Gedächtnis der Frühen Neuzeit. Tübingen 1998. 182
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Gartenkunst wird durch den Landschaftsgartendiskurs sogar verstärkt und auf neue Bereiche weit außerhalb der höfischen Repräsentation ausgedehnt.3 Zwischenzeitlich, auf dem Höhepunkt der Machtpolitik Katharina II., scheinen die politisch motivierten Implikationen des Gartendiskurses einen beinahe universellen gesellschaftlichen Charakter für sich zu behaupten: die hegemonialen Ansprüche lassen sich sowohl auf der Ebene der staatspolitischen Maßnahmen und der imperialen Großprojekte als auch in den lebensweltlichen, das einzelne Individuum betreffenden Bereichen rekonstruieren.4 Die nun folgende Darstellung geht auf die ersten Jahre der Umgestaltung der Sommerresidenz in Zarskoe Selo ein, schildert den ästhetischen und literarischen Hintergrund der gartengestalterischen Aktivitäten Katharina II. und wendet sich anschließend der Ode „Zarskoe Selo“ von Johann Gottlieb Willamov (1736-1777) zu. Der Text dieser zu Beginn der 1770 Jahre entstandenen poetischen Beschreibung der erneuerten Anlage lässt, ganz im Sinne der Funktionsbestimmung der odischen Dichtung, Rückschlüsse darüber zu, welche wesentlichen Veränderungen im Vergleich zu dem sublimierten Erlebnis eines tektonischen Gartens der 1750er Jahre in Hinblick auf ein intendiertes, adäquates Verhalten in einem zarischen Landschaftsgarten stattgefunden haben.
1. Einzug der neuen Formsprache in die repräsentative Gartengestaltung Der voranschreitende Abbau der tektonischen Gartengestaltung barocker Provenienz steht in Russland in einer zeitlichen Koinzidenz mit dem erneuten Machtwechsel. In der Regierungszeit der neuen Zarin Katharina II. werden die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, die eine intensive Auseinandersetzung mit den neuen Tendenzen in der Gestaltung der Landsitze und ihrer Gärten ermöglichen, für die die britischen Anlagen Twickenham bei London von Alexander Pope, Chiswick von Lord Burlington 3
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Tom Williamson, Polite Landscapes. Gardens and Society in EighteenthCentury England. Baltimore 1995; Martin Warnke, Politische Landschaft. Zur Kunstgeschichte der Natur. München 1992. – Einen Einblick in die Möglichkeiten machtpolitisch fokussierter Lektüre der Gartenkunst in Russland bietet ein Aufsatz von Gestwa: Gestwa, Klaus: Der Blick auf Land und Leute. Eine historische Topographie russischer Landschaften im Zeitalter von Absolutismus, Aufklärung und Romantik, in: Historische Zeitschrift 279/1 (2004), S. 63-126. Die weitausgreifenden Facetten der machtpolitischen Strategien Katharina II., die unmittelbar in der Praktik der Gartengestaltung begründet sind, hat neuerdings Schönle in seiner Monografie ausführlich bearbeitet und überzeugend analysiert. Siehe: Andreas Schönle, The Ruler in the Garden. Politics and Landscape Design in Imperial Russia. Bern u.a. 2007. – Die vorliegende Arbeit konzentriert sich daher auf einen Teilaspekt des Diskurses: das Wechselspiel zwischen der Entwicklung der innovativen Wirkungsästhetik und den literarischen Strategien der Gartenliteratur angesichts der verzeitlichten und individualisierten Formen der Wahrnehmung im Landschaftsgarten. 183
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oder Stowe bei Buckingham von Lord Cobham herausragende Beispiele geben. Aus gartenhistorischer Sicht geschieht dies zu einem Zeitpunkt, als die britische Art der praktischen Gartengestaltung nun auch eine theoretische Erfassung in Form von Gartentraktaten erfährt. Bekannterweise haben die herausragenden Gartendesigner des frühen Landschaftsgartens wie William Kent oder Lancelot Brown keine eigenen Schriftwerke hinterlassen. Die unmittelbare Bekanntschaft mit den Prototypen eines als modern empfundenen, den ganzen Raum umfassenden, irregulären Stils ist daher lange Zeit den Englandreisenden vorbehalten gewesen.5 Trotz des relativ regen Austausches zwischen Großbritannien und Russland6 weisen die Gartenerfahrungen eines Fürsten Ivan Šuvalov oder einer Fürstin Ekaterina Daškova (1743-1810)7 einen exklusiven, elitären Charakter auf. Entschieden andere Dimensionen der Bekanntmachung der neuen Formsprache eröffnen dagegen die Gartenschriften, die nun in Buchform verbreitet werden. So hat beispielsweise die russische Übersetzung der für die Auffassung des „Jardin anglais chinois“ maßgeblichen Ausführungen von William Chambers (1723-
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Ein herausragendes deutsches Beispiel einer Inspiration zum englischen Garten auf diesem Weg stellen die Englandreisen des deutschen Fürstenpaares Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) und seiner Frau Luise Henriette Wilhelmine (geb. von Brandenburg-Schwedt, 1750-1811) dar. Nach dem ersten Englandaufenthalt 1763 ist die Gestaltung im Stil des Landschaftsgartens zuerst im Garten von Wörlitz etwa ab 1764-1765 und nach 1774 im Luisium in Angriff genommen worden. Siehe dazu: Erhard Hirsch, Dessau-Wörlitz. Aufklärung und Frühklassik. Leipzig 1986; Anette Froesch, Das Luisium bei Dessau. Gestalt und Funktion eines fürstlichen Landsitzes im Zeitalter der Empfindsamkeit. Berlin 2002. Über die russisch-englischen Beziehungen geben die zahlreichen Studien von Cross detailreich Auskunft. Siehe im Zusammenhang mit den Gartenreisen insbesondere das Kapitel „Russians on the Grand Tour” in der Monografie: Antony G. Cross, „By the Banks of the Thames”. Russians in Eighteenth Century Britain. Newtonville 1980. Vgl. auch: Ders., „By the Banks of the Neva”. Chapters from the Lives and Careers of the British in Eighteenth-century Russia. Cambridge 1997. – Die Rezeption englischer Gartengestaltung steht außerdem im Mittelpunkt der Forschungen von Švidkovskij und Sokolov, vgl. Dmitrij Švidkovskij, Anglo-russkie svjazi v architekture vtoroj poloviny 18 – načala 19 veka. (Avtoreferat diss. […] dok. Iskusstv). Moskva 1994; Boris Sokolov, Britanskaja teorija pejzažnogo sadovodstva i ee mesto v kul’ture russkogo Prosveščenija, in: Filosofskij vek 20 (2002) (Themenheft: Rossija i Britanija v ėpochu Prosveščenija, Bd. 2), S. 193-213. Ekaterina Daškova (geb. Voroncova) unternahm zwischen 1769 und 1771 ihre erste große Auslandsreise. Im Zeitraum zwischen 1783 und 1794 hat sie die russische Akademie der Wissenschaften (zuerst als Direktorin und später als Präsidentin) geleitet. Die Beschreibung ihrer England-Reise von 1770 hat Daškova fünf Jahre später in einer Zeitschrift veröffentlicht: Putešestvie odnoj Rossijskoj znatnoj gospoži po nekotorym Anglinskim [sic] propincijam [sic], in: Opyt trudov Vol’nogo Rossijskogo sobranija 5 (1775), S. 105ff. 184
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1796) eine Auflagenhöhe von 1200 Exemplaren, als sie 1771 in St. Petersburg gedruckt wird.8 8
O kitajskich sadach. Perevod iz knigi sočinennoj g. Čembersom, soderžaščej v sebe opisanie kitajskich stroenij, domašnich uborov, odejanij, machin i instrumentov. Sanktpeterburg 1771. (Die Auflagenhöhe ergibt sich aus den Angaben der Datenbank der Russischen Nationalen Bibliothek in St. Petersburg „Russkja kniga graždanskoj pečati 18 veka (1708-1800) f fondach bibliotek Rossijskoj Federacii.“); William Chambers, Design of Chinese Building, Furniture, Dresses, Machines and Utensiles. London 1757 (franz.: 1757 und Paris 1776), vgl. darin das Kapitel über die Gärten: S. 14-19; ders., Dissertation on Oriental Gardening. London 1772 (franz.: 1772; dt.: Gotha 1775). – Zu Beginn der 1770er Jahre arbeitet Katharina II. sogar eigenhändig an der Übertragung eines weiteren Werkes über den neuen Landschaftsgarten ins Russische: Thomas Whately „Observations on Modern Gardening Illustrated by Descriptions“ (London 1770; dt. Übersetzung von Johann E. Zeiher: Leipzig 1771). Siehe: Sobstvennoručnaja francuzskaja rukopis’ Ekateriny II ob ustrojstve sadov i perevod eja na russkij jazyk, RGADA f. 10, op.1, d. 383, 291 l. – Diese, für die Weiterentwicklung der Landschaftsgartenästhetik zentrale Schrift Whately liegt der Zarin in der französischen Übersetzung von François de Paul Latapie vor (L’art de former les jardins modernes, Ou L’art des jardins anglois. Paris 1771). Das französische Exemplar des Buches befindet sich in ihrer „bibliothéque portative“ sogar bis in die 1790er Jahre (Eine auf das Jahr 1795 datierte Liste der Reisebibliothek ist veröffentlicht in: Russkaja starina 9 (1874), S. 46-50, hier S. 48, S. 50). Die von Katharina II. begonnene Übersetzung aus dem Französischen ins Russische ist zwar von einem Engländer Namens Johnson Newman abgeschlossen worden, die Drucklegung der Schrift hat dennoch nicht stattgefunden. Vgl. dazu ausführlicher: Anthony G. Cross, Catherine the Great and Whately’s „Observation on Modern Gardening”, in: Study Group on Eighteenth Century Russia Newsletter 18 (1990), S. 21-29; Boris M. Sokolov, Tomas Vejtli i roždenie angliskoj teorii pejzažnogo parka, in: Iskusstvoznanie 1 (2006), S. 136-185 (neue russ. Teilübersetzung des Gartentraktats: S. 144-185); Aleksandra Ju. Veselova, Ešče raz o russkich perevodach anglijskich sadovodčeskich traktatov iz fondov RGADA, in: XVIII vek. Sbornik 25. Sankt-Peterburg 2008 (diese Publikation beinhaltet u.a. eine Autopsie und erstmals eine Blatt-für-Blatt-Beschreibung des Konvoluts aus RGADA). – Dagegen ist noch vor 1776 die russische Übersetzung der Gartenschrift eines anderen englischen Autors bei Johann Karl Schnoor in St. Petersburg gedruckt worden: George Mason (1735-1806), An Essay on Design in Gardening. London 1768; [Dž. Mejson,] Opyt o raspoloženii sadov. Perevedeno s anglinskogo [sic] jazyka. Sanktpeterburg o.J. Vgl. dazu: Cross, The English Garden and Russia: An Anonymous Identified, in: Study Group on Eighteenth Century Russia Newsletter 2 (1974), S. 25-29. – Außerdem entgehen der Aufmerksamkeit der Zarin nicht die Bemühungen um Systematisierung und Theoriebildung des Landschaftsgartens aus dem deutschsprachigen Raum: Katharina II. tritt sogar als Schirmherrin (s.g. „Bandpate“) des 16. Bandes der „Encyclopädie“ von Johann Georg Krünitz auf. (Oeconomische Encyclopädie oder allgemeines System der Land-, Haus- und Staats-Wirthschaft: in alphabetischer Ordnung. Bd. 16. Berlin 1779, darin: Vorrede mit Widmung: S. 1-3). Dieser Band beinhaltet einen umfassenden Artikel „Garten“ (ebd., S. 148391), der einen unveränderten, jedoch anonym veröffentlichen Abdruck der 185
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Der Popularisierung des avancierten ästhetischen Programms durch die Gartenliteratur geht der Einzug der „englischen“ Gärten in die akademischen Bereiche der russischen Kunst voraus. Ein Indiz dafür liefert eine Prüfungsaufgabe der russischen Akademie der Künste, die im Jahr 1765 der Direktor der Akademie Aleksandr Kokorinov (1726-1772) und der Professor der Architektur Jean Baptiste Michel Vallin de Lamothe (russ. Vallen de Lamot, 1729-1800)9 gemeinsam formulieren. Dabei handelt es sich um die Umgestaltung von Ekateringof der Zarin Katharina I., einer der ältesten Gartenanlagen St. Petersburgs. Der seit dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts bestehende Garten in Ekateringof soll nun unter Verwendung von Gestaltungselementen des Peterhofer Gartenbezirks Marly am Finnischen Meerbusen nach dem „englischen Geschmack“ neu modelliert werden.10 Den Entwurf des Modernisierungsprojekts legt der Architekt Vasilij Baženov (1738-1799) vor, der ein Jahr vorher zum Mitglied der Akademie in Rom ernannt worden ist und sich mit dem Ekateringof-Projekt um einen Titel des Professor für Architektur an der Akademie der Künste in St. Petersburg bewirbt, nachdem er bereits die Mitgliedschaft erhalten hat. Der Schüler von Savva Čevakinskij und Charles de Wailly (1729-1798) bestätigt damit seine herausragenden Qualifikationen als Architekt, die er davor in St. Petersburg, Paris und in Rom erworben hat.11 Sein Entwurf für den neuen Garten in Ekateringof stellt ersten einbändigen Fassung der „Theorie der Gartenkunst“ darstellt, die Hirschfeld in Leipzig 1775 erstmals veröffentlicht hat. Vgl. dazu: Wolfgang Kehn, Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742-1792). Eine Biographie. Worms 1992, S. 183. 9 Vallin de Lamothe kam 1759 auf Einladung von Ivan I. Šuvalov nach St. Petersburg und blieb bis 1776 in Russland. Vgl. Sergej N. Kondakov, Jubilejnyj spravočnik Imperatorskoj Akademii chudožestv 1764-1914. [Sankt-Peterburg] [1914], Bd. 1. 10 Aleksandr Kokorinov/Jean Baptiste Michel Vallin de Lamothe, Program Imperatorskoj Aademii chudožestv akademiku Vasiliju Ivanoviču Baženovu, in: Sergej V. Bezsonov [Bessonov], Ob’jasnitel’naja zapiska V.I. Baženova k ego proektu Ekateringofskogo dvorca i parka, in: Architektura SSSR 2 (1937), S. 18-20, hier S. 19: „Расположить оный [сад] в английском вкусе удобными прудами, каналами и пристанями, для чего имеете получить план Петергофском Примарленском доме пруду, с малыми позади онаго прудиками, дабы по разсмотрению подобные оным в пристойных местах положить могли. Вокруг всего зделать зверинец с павильонами и проспектами, для разных охот, величиною оный сколько место позволит. В сем проэкте генерально требуется новой, еще не употребляемой вкус, в величавой простоте, сохраняя красоту, спокойствие и выгодность, наблюдая, дабы как в наружных украшниях, так и внутренних уборах красота с пользой были нераздельны, [...].“ 11 Nach der Bestätigung der Akademiemitgliedschaft in St. Petersburg ist Baženov vorwiegend in Moskau tätig. Berühmt wird vor allem seine Arbeit an der Moskauer Gartenresidenz der Zarin in Zarizyno (russ. Caricyno), wo er zwischen 1775 und 1785 die innovative Formsprache der russischen Gotik entwickelt. Vgl. Tat’jana P. Každan, Tvorčestvo V.I. Baženova v 70e gody 18 veka. (Avtore186
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eine mustergültige Anlage britischer Provenienz dar: einen Schlossbau im Palladianischen Geschmack nach der Art der Villa Rotonda bringt der russische Architekt mit einem freimodellierten Gelände in eine harmonische Beziehung. Dabei geht er auf die spezifische feuchte Lage der Gegend ein und gestaltet das Areal zu einem System von malerischen Teichen, Kanälen und Inseln. Die unregelmäßigen Binnenstrukturen der entlegenen Gartenbezirke greifen asymmetrisch ineinander, wobei die verstreuten Gartenbauten die Sinngebung der einzelnen Szenen prägen. Bei der Semantisierung des Schlossareals und der Gartenkompartimente greift Baženov auf das gesamte Arsenal der zeitgenössischen Gartenkunst zurück, wobei er die emblematischen Elemente wie die Statuen mit allegorischem (Vier Weltteile) und mythologischem (Diana, Herkules) Inhalt mit den kunst-archäologischen Reminiszenzen der neueren Italienrezeption verbindet. Dem Kontext der italienischen Grand Tour und den Bilderwelten antiker wie moderner RomVeduten sind die von Baženov projektierten römisch-antiken Architekturzitate geschuldet, unter welchen sich auch eine Tempelruine nach der Art des Sybillentempels befindet.12
2. Annäherung der Raumgestaltung an die freien Formen der Natur Vier Jahre nach dem geschilderten Akademie-Prozedere wird auch in Zarskoe Selo die Umgestaltung der Anlage in Angriff genommen. Die bestehende Raumordnung der Sommerresidenz mit ihrer kunstvollen tektonischen Vereinnahmung des Gartengeländes sowie der zeitlosen Präsenz der allegorischen Sinnstiftung wird von der neuen Besitzerin als überholt und veraltet moniert. Die der Repräsentation einer modernen Monarchin angemessene Formsprache verabschiedet die übernatürliche Simultanität des Gartens, der sich als Krönung der kunstreichen Überwindung der äußeren Widerstände zelebriert. Die alternative Gartenvorstellung speist sich aus einem Programm der Tugend, die als eine sukzessive Verbesserung nach den ferat dissertacii […] kandidata iskusstvovedenija). Moskva 1952; Klavdija Mineeva, Caricyno. Dvorcovo-Parkovyj ansambl’. Moskva 1988; Caricynskij naučnyj vestnik, Bd. 1-8. Moskva 1993-2005; Sergej Chačaturov, „Gotičeskij vkus“ v russkoj chudožestvenoj kul’ture 18 veka. Moskva 1999. 12 Siehe dazu den von Sergej Bessonov entdeckten und vollständig veröffentlichten Text der Projektbeschreibung: Vasilij Baženov, Ob’jasnitel’naja zapiska, in: Bezsonov [Bessonov], Ob’jasnitel’naja zapiska Baženova, S. 18-20. Vgl. auch: Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki, S. 328 (Anm. 195); Batorevič, Ekateringof, S. 92-96. – Die tatsächliche Umgestaltung von Ekateringof findet erst 1823 statt, und zwar nach einem anderen Projekt, für das sich der damalige Hofarchitekt August Montferrand (1786-1858) verantwortlich zeigt. Montferrand modelliert die Anlage in Ekateringof zu einem weitläufigen Volksgarten mit Variationen „gotischer“ Szenerien u.a. im russischen Stil. Vgl. dazu: Elena A. Borisova, Russkaja architektura v ėpochu romantizma. Sankt-Peterburg 1997, S. 122-123; Batorevič, Ekateringof, S. 106-125, S. 148-150. 187
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natürlichen Gesetzen, als stetiges improvement von Innen heraus verstandenen wird. Die äußere, freie Natur wird dabei als die sittliche Macht inauguriert, die als Ursprung und zugleich als Ziel der Verbesserung begriffen wird.13 Die konkreten Modernisierungsmaßnahmen in Zarskoe Selo, die in der Folge der Hofarchitekt Vasilij Neelov (1722-1782) ausarbeitet und leitet, haben weitreichende Konsequenzen für die landschaftliche, pflanzliche und architektonische Gestalt des Gartenensembles. Von 1769 an werden der alte, schlossnahe Bezirk des Unteren Gartens an die natürlichen Vorbilder durch pflanzliche Umgestaltung angenähert und das gesamte Areal um den Großen Teich westlich vom Schloss neu modelliert und semantisiert. Die sinngebende Inszenierung des gesamten Geländes entfaltet sich entlang der überwiegend neu arrangierten Gartenstaffagen wie gotische Kleinarchitekturen, Ruinen und Obelisken, die variationsreich die Zeitlichkeit des an die natürlichen Formen angelehnten Raums in Szene setzen. Der Große Teich bildet den Mittelpunkt des entstehenden „englischen“ Gartens. Die alten Uferlinien eines langgezogenen Hexagons bekommen ein neues, geschlängeltes Design. Oberhalb des Großen Teiches legt Vasilij Neelov ein regelrechtes Wasserlabyrinth aus kleineren Teichen, Kanälen, Inseln, Hügeln und bewaldeten Partien an.14 In diesem Areal baut er die wohl belieb13 Den Ambiguitäten des Tugendprogramms, das mit einer medialen und anthropologischen Komplexitätssteigerung einhergeht, sich aber paradoxer Weise einer Rhetorik der Vereinfachung bedient, ist folgende Arbeit von Koschorke gewidmet: Albrecht Koschorke, Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts. München 1999. „Einerseits wird die Natur durch Arbeit verändert, andererseits die Spur der Arbeit wie aus schlechtem Gewissen verborgen – eine Wendung des Prinzips der Naturbeherrschung gegen sich selbst, was man im weitesten Sinn als Rousseauismus bezeichnet.“ (Ebd., S. 432) Eine Schlüsselrolle hat in diesem Zusammenhang die Beschreibung der „künstlichen Wildnis“, des „Elysiums“ des Ehepaars Wolmar aus „Nouvelle Héloïse“ von Jean Jacques Rousseau (4. Teil, 11. Brief). Vgl. dazu Koschorke: „Die Natur – sei es auf der Ebene der Landschaftsästhetik, sei es in Bezug auf Anthropologie oder Moral – ist nicht mehr Inbegriff einer fundamentalen Verderbnis, ein zu überwindendes Provisorium, als das es nach dem christlichen Dogma des Sündenfalls und auf eine moralisch radikalisierte Weise im Puritanismus erschien. Sie wird im Gegenteil zum Maß und Vorbild der zivilisatorischen Bestrebungen selbst. Die Episode in ‚Julie‘ zeichnet diesen Wandel sinnfällig nach. Der Wille zur Tugend stellt sich der Natur nicht mehr einfach entgegen; er setzt sie überhaupt erst ins Werk. Gleichwohl haften dem Akt der Reduplikation der Natur Spuren der Gewalt an, die ihn in Gang gesetzt hat. An den Rändern der Harmonie sind Verbotstafeln aufgestellt, und Rousseau ist ein ausreichend genauer Autor, um auch den Subtext des Verbots namhaft zu machen.“ (Ebd., S. 436). 14 Belege und Beschreibungen der Bauarbeiten enthalten die folgenden Akten: RGIA, f. 468, op. 43, 1769, d. 122; Ebd., f. 487, op. 21, 1748-1792, d. 126, l. 27; RGADA, f. 14, d. 52, č. 3, l. 32 ob. Siehe zu den Bauarbeiten an den Teichsystemen und der nötigen Wasserversorgung 1773 und 1774 die Darstellung bei: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 16, S. 74-75. 188
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testen „englischen“ Gartenstaffagen: die Pyramide (1770-1772) nach der Art des römischen Cestius-Grabmals15 und die Sibirische Marmorgalerie (17701774) als eine Variation der Palladianischen Brücke.16 Die geschlängelten Wege um und innerhalb des irregulären Gewässersystems, das aus den Oberen Teichen im westlichen Teil der Anlage, dem Großen Teich in der Mitte und den Unteren Teichen im Osten besteht, verbinden die neuen und alten Gartenbezirke. Der neue landschaftliche Teil des Gartens geht sanft in die alten regulären Strukturen des Unteren Gartens über. Die äußere Gestalt der alten Gartenpartien, die auch einer Verbesserung unterzogen werden, lehnt sich ebenfalls an die neue freie Formensprache an. Die Spaliere des Unteren Gartens, die die schlossnahen Terrassen gesäumt haben, werden entfernt. Die vorhandenen Heckenwände der Bosquette 15 Später, 1782, hat Charles Cameron an derselben Stelle eine neue Pyramide errichten lassen. Vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 79, S. 81-82. Zu der Verbreitung des Motivs haben um die Mitte des 18. Jahrhunderts die Römischen Ruinencapricci von Giovanni Paolo Pannini (1698-1768) beigetragen, wie beispielsweise die markanten Pyramiden-Ansichten „Das Grabmal Achills“ oder „Ruinen und die Cestius-Pyramide“ (beide 1740). Seine Gemälde sind in den 1760er Jahren für den russischen Hof ebenfalls erworben worden (vgl. Sammlung des Staatlichen Museums Ėrmitaž in St. Petersburg). Ein neues Kapitel für eine beinahe massenhafte Zirkulation der römischen Veduten hat die Druckgrafik Giovanni Battista Piranesis (1720-1778) eröffnet (vgl. hier seine „Veduta del Sepoltero di Cajo Cestio“). Ein prominentes Beispiel der deutschen Gartengestaltung, die sich von den römischen Capricci inspirieren ließ, bietet das „englische Dörfle“ in Hohenheim bei Stuttgart. Die „Vedute di Roma“ von Piranesi hat Carl Eugen von Württemberg bereits bei seiner ersten Italienreise 1753 erworben, den Garten hat er jedoch erst nach seiner Englandreise 1776 errichten lassen. Vgl. Italienische Reisen. Herzog Carl Eugen von Württemberg in Italien. Ausst.-Kat. Schloss Ludwigsburg. Weissenhorn 1993, S. 100-101. Siehe zu Hohenheim das Kapitel „Gartenkünste und Gartenfeste während der Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)“ in Teil V der vorliegenden Arbeit. 16 Über die vorbereiteten Bauentwürfe und ein angefertigtes Holzmodell für die „Sibirische Galerie“, die Palladianische Brücke, berichtet Vasilij Neelov in einem Rapport vom 18. Dezember 1770 (RGIA, f. 487, op. 13, d. 37, 1770, l. 4). Der Text dieses Rapports ist abgedruckt in: Boris Vasil’ev, Architektory Neelovy, in: Architekturnoe nasledstvo 4 (1953), S. 73-90, S. 89. – Die Palladianische Brücke gilt als das wohl berühmteste Beispiel der plastischen Umsetzung einer Architekturphantasie, die bei Andrea Palladio (1508-1580) ein Entwurf geblieben ist und erstmals 1737, und zwar im Gartenraum des Wilton-House in Weltshire, realisiert worden ist. Darauf folgten zahlreichen Wiederholungen ebenfalls in Landschaftsgärten: Stowe 1742, Prior-Park in Bath 1756, Hagley und South Lodge in Endfield 1764 und schließlich Zarskoe Selo. Vgl. Adrian von Buttlar, Der englische Landsitz 1715-1760: Symbol eines liberalen Weltentwurfs. Mittenwald 1982, S. 71; Joachim Rees, Das Capriccio und die Privatisierung der Bildwelt in Interieurs des 18. Jahrhunderts, in: Ekkehard Mai/Joachim Rees (Hg.), Kunstform Capriccio: von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne. Köln 1998, S. 113-138, (Kunstwissenschaftliche Bibliothek; 6), hier S. 125-126. 189
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um den Patte d’oie im weiteren Verlauf der regulären Partie werden nicht mehr geschnitten, und alle Wege, bis auf die zentrale Allee, werden mit Gras eingesät.17 Zwar behält der alte Untere Garten seine räumliche Grundstruktur, sie bildet aber keine übergreifende formale Einheit des gesamten Geländes mehr. Die unregelmäßigen, „irregulären“ Formen greifen sogar in den Charakter seiner Binnenstrukturen ein, wofür die asymmetrische Umformung der beiden Teiche des Parterre d’eau ein leuchtendes Beispiel bietet.18 Auch die Mauer, die die schlossnahe Partie entlang der östlichen Seite flankiert hat, wird abgetragen. Diese sichtbare Grenze des Gartens ersetzt ein tief liegender Kanal mit mehreren kleinen Wasserkaskaden.19 Die visuelle Öffnung des alten Unteren Gartens von der gegenüberliegenden, westlichen Seite her organisieren von nun an die wechselnden Blickführungen zu den neu arrangierten Kleinarchitekturen der weitläufigen Partie um den Großen Teich.
17 Vgl. den Rapport von Vasilij Neelov vom 20. Mai 1770: „в старом саду все широкие дороги и по уступам кроме верхнего ко дворцу запустить травою, а только чистить одну середину против лестницы, шириною, на тех же уступах и в шпалернику столбики и бруски все выбрать и шпалернику вместо позябших не подсаживать кроме широких трех дорог от дворца к армитажу.“ (RGIA, f. 487, op. 13, 1770, d. 18, l. 2-3). Zit. in: Vasil’ev, Architektory Neelovy, S. 78. 18 Diese Umgestaltung geht auf den jüngeren Sohn des Hofarchitekten, Il’ja Neelov (1745-1793) zurück, vgl. seinen Plan vom 29. Mai 1778 (RGIA, f. 487, op. 17, 1778, d. 1052, l. 24). Siehe dazu: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 118 (Anm. 58). – Die Ausbildung von Il’ja Neelov als Maler und Architekt findet 1761-1770 an der Akademie der Künste in St. Petersburg statt; dem folgt ein Studienaufenthalt in Italien, u.a. in Rom; 1774 erwirbt Il’ja Neelov die Mitgliedschaft an der Akademie in Bologne und kehrt nach St. Petersburg zurück. Il’ja Neelov übernimmt nach dem Tod des Vaters 1782 die Aufgaben des Hofarchitekten. Unter seiner Leitung werden die neuen Areale in dem Babolovskij sad und in dem Oberen Garten in Zarskoe Selo gestaltet. Vgl. Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 13, S. 270-271; Vasil’ev, Architektory Neelovy, S. 78-89. 19 Eine Aufgabenbeschreibung vom 11. November 1774 lautet: „каменную садовую стенку сломать и фундамент выбрать, а вместо оной вырыть канал с талуем от саду, канал выстлать булыжником.“ (RGIA, f. 487, op. 1, 1776, d. 843, l. 19), zit. in: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 127 (Anm. 32). Der Befehl zur „irregulären“ Umgestaltung der Unteren Teiche, in die der neu angelegte Kanal mündet, wird am 14. Januar 1775 wiederholt (RGIA, f. 487, op. 21, 1748-1792, d. 126, l. 2). Vgl. Ebd., S. 127 (Anm. 33). 190
Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten
Abb. 25. Semën Ščedrin (1745-1804): Insel im Großen Teich im Park von Zarskoe Selo [links: Sibirische Marmorgalerie und künstliche Turm-Ruine], 1777, Tusche, Gouache, Lack auf Papier, 53,8х65,3 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. RR-6423.
Einen Eindruck über das Ausmaß sowie den Fortgang der begonnenen Umgestaltung von Zarskoe Selo zum Landschaftsgarten gewähren zwei ausführliche Rapporte von Vasilij Neelov aus dem Jahr 1770.20 Die Berichte vom Mai des genannten Jahres beschäftigen sich mit den Bauarbeiten an dem neuen Teichsystem, der Modellierung von Hügeln, der Einrichtung von Verbindungskanälen und der Bepflanzung von Ufern. Im Dezember legt der Architekt eine umfassende Stellungnahme zu allen von ihm geleiteten Bauarbeiten an den bestehenden Bauten in Zarskoe Selo und seiner Siedlung vor. Bei den Parkbauten geht es u.a. um die Gartenpavillons wie Grotte und Monbijoux, die Orangerie und die zahlreichen ökonomischen Gebäude entlang des Unteren Gartens. Das Dokument hält außerdem die neuen, in Planung befindlichen Projekte fest. Auf der Liste der fertiggestellten Modelle und Baupläne stehen: die Sibirische Marmorgalerie, drei Brücken, zwei Obeliske, ein Plan für die neu angelegten Teiche und ein Generalplan von Zarskoe Selo.21 Alle aufgelisteten Unterlagen stellt Neelov zusammen und 20 Beide Dokumente hat Boris Vasil’ev in seinem Aufsatz eingeführt und ausführlich daraus zitiert. Siehe: Vasil’ev, Architektory Neelovy, S. 77-78, S. 89. 21 „Reestr ostavlennym četrižam pri učenike Petre Ivanova“ (RGIA, f. 487, op. 13, d. 37, l. 4). – Vermutlich ist auf der Grundlage dieses Generalplans (Nr. 1 „Selu Carskomu general’nyj plan“), der zwischen 1774-1775 verbessert worden ist, der 191
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übergibt sie an seinen Vertreter, bevor er im Januar 1771 nach London aufbricht. Seine Reise nach Großbritannien dauert etwa ein halbes Jahr.22 Im Juli 1771 kehrt Vasilij Neelov nach St. Petersburg zurück und bringt einen „englischen“ Gärtner mit: den Londoner Pflanzenhändler brandenburgischer Abstammung, Johann Busch (um 1725-1795).23 Im August 1771 wird Johann Busch als Gärtner und Ausbilder in Zarskoe Selo unter Vertrag genommen.24 Hier bleibt er bis 1789 und ist, neben dem russischen Hofgärtner Trifon Il’in (gest. 1781),25 der bereits seit drei Jahrzehnten die Anlagen pflegt, für die neue Bepflanzung des Landschaftsgartens zuständig.
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erste von I[van] Kuvakin gestochene Plan von dem umgestalteten Zarskoe Selo 1778 gedruckt worden. Vgl. „Plan Sargogo sela s nachodajščimisja vo onom stroenijami i sadami”, St. Peterburg 1778, ca. 52 x 90 cm (vorhanden in: GMZ Carskoe Selo, Inv. Nr. ED-8106; illuminiertes Exemplar: Gosudarstnennyj russkij Muzej, St. Petersburg (GRM), Inv. Nr. Gr 38449). Über den Verlauf der Reise, auf der der Hofarchitekt von seinem älteren Sohn Petr Neelov (1749-1848) begleitet wird (sein jüngerer Sohn Il’ja befindet sich zu dem Zeitpunkt in Rom), ist kaum etwas bekannt. Die Angaben über die Ankunft in London und die Abreise sind in den Unterlagen aus dem Archiv von Andrej Samborskij (IRLI, Archiv A.A. Samborkogo, f. 620, ed.chr. 132, nr. 1, f. 2) und der russischen Vertretung in London (AVP RI, Londonskaja missija, f. 36/1, d. 296, l. 5, 22) enthalten. Vgl. dazu: Cross, „By the Banks of the Thames”, S. 219-220; Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 253 (Anm. 504). Die Rekonstruktion der beruflichen Laufbahn von Johann Busch, über den die Forschung bis dahin nur wenige Mutmaßungen angestellt hat, ist das Verdienst von Markus Köhler. Siehe seine als Mikrofilm veröffentlichte Dissertation: Marcus Köhler, „...thinking himself the greatest gardener in the world“ – der Pflanzenhändler und Hofgärtner Johann Busch. Eine Studie zur europäischen Gartengeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Berlin 1998. Die 2003 unter dem Titel „Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland. Johann Busch als Mentor eines neuen Stils“ in Buchform erschienene Fassung der Arbeit enthält leider nicht die vollständige Bibliografie und den Materialanhang des Typoskripts. Köhler hat die Hintergründe des Bewerbungsverfahrens, an dem sich außer Busch noch zwei weitere Gärtner, u.a. Thomas Cloase aus Hampton Court auf Empfehlung von Lancelot Brown, beteiligt haben, in seiner Arbeit nach den Unterlagen der russischen Vertretung in London erörtert. In seiner Monografie befinden sich auch die Angaben zu den Vertragsverhandlungen, die man mit Busch seit Oktober 1770 geführt hat, sowie dem Vertragsabschluss. Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 98-99, S. 253. – Petrov bezieht sich auf die Akten des RGIA, f. 487, op. 17, d. 999, 1771, ll. 1-2. Vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 118 (Anm. 52). Trifon Il’in ist in Zarskoe selo von 1734 bis 1781 tätig (RGIA, f. 466, op. 36/1629, 1734, d. 25, l. 84). Vgl. Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 128 (Anm. 38). 192
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Abb. 26. Semën Ščedrin (1745-1804): Ansicht des Großen Teiches im Park von Zarskoe Selo, 1777, Tusche, Gouache, Lack, 57,7х75,2 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. RR-6424.
3. Aufforstung der Gartenlandschaft Mit Johann Busch wird ein ausgewiesener Spezialist für Gehölze und Gräser nach Zarskoe Selo geholt, ein Kenner derjenigen Mittel also, die die pflanzliche Neuartigkeit der „englischen“ Gartenanlagen bestimmen. Die Umgestaltung des Areals durch die freie Modellierung des Erdreichs und der Gewässer stellt die notwendige Voraussetzung für die eigentliche „Baummalerei“ eines Landschaftsgärtners her.26 Denn erst die Kompositionen aus Waldungen, Baumgruppen und einzelnen Bäumen bringen den „natürlichen“ Charakter der gestalteten Gartenlandschaft zur Geltung. Einen ersten Schritt in diese Richtung bildet die bereits erwähnte Maßnahme der Naturalisierung von bestehenden Bosketten in Zarskoe Selo, die nicht mehr gestutzt werden und frei wachsen sollen. Der alte Baumbestand in Zarskoe Selo umfasst überwiegend fruchttragende Bäume und Gesträuche. Auch die die einzelnen Wege säumenden Linden gehören zu einer traditionellen Ausstattung mit Holzgewächsen. Von Johann Busch erwartet man nun eine innovative Bepflan-
26 Anders, als die entsprechenden Arbeiten Buschs in Zarskoe Selo, die in der Gartenkunstforschung bislang kaum Würdigung erfahren haben, haben die „baummalerischen“ Erfolge von Pietro di Gonzaga in Pawlowsk dank der Monografie von Flora Syrkina Eingang in die Forschung gefunden. Siehe dazu das Kapitel „Synthese der Künste (Gonzaga)“ in Teil V der vorliegenden Arbeit. 193
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zungspolitik, die der „plantomanie“ der Besitzerin Rechnung trägt.27 Dies verlangt dendrologische Kenntnisse über die nordamerikanischen Gehölzarten und fordert kompetenten Umgang mit dem gesamten Angebot an neueren Baumsorten, Erfahrung mit deren Aufzucht, Standortbestimmung sowie deren Verwendung und Wirkung in der Landschaft.28 Die notwendigen Voraussetzungen bringt Busch insofern umfassend mit, da seine Londoner Gärtnerei seit den 1760er Jahren mit einem eigenen Pflanzenkatalog die neuen Bedürfnisse in erster Linie deutscher Gartenbesitzer erfolgreich bedient.29 27 So der eigene Ausdruck der Zarin aus dem viel zitierten Brief an Voltaire, in dem sie programmatisch ihre neuen Vorlieben im Hinblick auf die Gartengestaltung bekannt gibt und dabei u.a. den Topos der unnatürlichen Zwänge am Beispiel der Wasserspiele bemüht, den beispielsweise auch Sumarokov bei seiner Polemik gegen das aus seiner Sicht überholte Naturverständnis ins Feld gezogen hat. Vgl. Katharina II. an Voltaire, Peterhof, d. 25. Juni (6. Juli) 1772, in: Voltaire, Oeuvres complètes. Paris 1861, Bd. 34, S. 88-89, S. 88: „J’aime à la folie présentement les jardins à l’anglaise, les lignes courbes, les pentes douces, les étangs en forme de lacs, les archipels en terme ferme, et j’ai un profond mépris pour les lignes droites, les allées jumelles. Je hais les fontaines qui donnent la torture à l’eau pour lui faire prendre un cours contraire à sa nature; les statues sont reléguées dans les galeries, les vertibules, etc.; en un mot, l’anglomanie domine dans ma plantomanie.“ – Voltaires Briefwechsel ist 1785 im Rahmen seiner Werkausgabe veröffentlicht worden; in Russland ist der Briefnachlass Katharina II. von der Russischen Historischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert aufgearbeitet und publiziert worden. In diesem Zusammenhang siehe: Sbornik russkago istoričeskogo obščestva 13 (1874). 28 Vgl. in diesem Zusammenhang die aufschlussreichen Ausführungen Köhlers über den spezifisch „englischen“ Typ des Gärtners als eines „botanist-gardener“, der sowohl eine eigene Gärtnerei mit Pflanzenhandlung betreibt, als auch im fremden Auftrag als Kunstgärtner tätig ist. Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 19. 29 Bereits nach der ersten Veröffentlichung des Versandkatalogs im Jahr 1759 erreicht der Kundenkreis Buschs eine bemerkenswerte Breite nicht zuletzt dank der intensiven Vermittlung von Friedrich August von Veltheim. Fünf Jahre später wird das Pflanzenangebot Buschs in dem „Leipziger Intelligenzblatt“ (Nr. 55, vom 22. Dezember 1764, S. 586-575) gedruckt. (Vgl. Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 20-28.) – Interessanterweise ergeben sich aus dem Kreis der Pflanzenkäufer Buschs mehrere direkte und indirekte Verbindungen nach Russland: Unter den neu erworbenen Kunden von Busch befindet sich Johann Georg Sulzer, der für seinen Berliner Garten die Pflanzensamen ankauft (Ebd., S. 232, Anm. 100; S. 239, Anm. 219). Auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit Sulzers „Unterredungen über die Schönheit der Natur“ (Berlin 1770; russ.: Sanktpeterburg 1777) gehen mehrere Schriften von Andrej Bolotov zurück. (Vgl. Aleksandra Ju. Veselova, Ėstetika A.T. Bolotova (literaturnaja kritika i sadovo-parkovoe iskusstvo). Sankt-Peterburg 2000 [Typoskript der Dissertation].) Im Jahr 1768 geben u.a. der hessische Hof in Darmstadt und 1765 der Hof des Landgrafen von Hessen-Kassel jeweils Bestellungen bei Busch auf (Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 27, S. 89). Zu beiden deutschen Fürstenhäusern bauen die Ro194
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Entsprechend wird der Baumbestand in Zarskoe Selo durch die systematische Neupflanzung in dem darauffolgenden Jahrzehnt sichtbar vermehrt.30 Neben der Aufforstung des Geländes mit ausländischen und einheimischen Baumsorten unternimmt Busch auch Versuche, im russischen Norden die exotischen Pflanzen aus dem gesamten imperialen Reichtum aufzuziehen. Neben der gartenkulturellen Nutzung der Teepflanze und verschiedener kernloser Weintraubensorten sind es seine Experimente mit der großflächigen Auffors-
manovs in den 1770er Jahren dynastische Verbindungen durch die Eheschließungen des Sohnes von Katharina II. auf (1773 mit Wilhelmine von HessenDarmstadt und nach ihrem Tod 1776 mit Sophia Dorothea von WürttembergMontbéliard, einer Nichte der Landgräfin von Hessen-Kassel und des Fürsten von Württemberg). Im Jahr 1773 unternimmt die Landgräfin Caroline von Hessen-Darmstadt eine Reise nach St. Petersburg, um eine ihrer drei Töchter Wilhelmine (später: Großfürstin Natal’ja Alekseevna), Luise und Amalie als Braut für den Großfürsten Pavel Petrovič vorzustellen. Im Gefolge der Landgräfin befindet sich auch Johann Heinrich Merck als Sekretär. Der Schriftsteller ist eine der führenden Gestalten im Kreis der „Gemeinschaft der Heiligen“ am Darmstädter Hof. (Die Rollenspiele im empfindsamen Garten, die die Darmstädter „Heiligen“ intensiv zwischen 1771-1773 geführt haben, hat Holm analysiert, vgl. Christiane Holm, Amor und Psyche. Die Erfindung eines Mythos in Kunst, Wissenschaft und Alltagskultur (1765-1840). Berlin 2006 (Kunstwissenschaftliche Studien; 130), S. 45-55, S. 142-158. Siehe auch: Nikola Rossbach, „Pais de fées“ und „KartoffelAcker“. Gärten bei Johann Heinrich Merck, in: Ulrike Leuschner/Mathias Luserke-Jaqui (Hg.), Neue Lektüren zu Johann Heinrich Merck. Berlin 2003, S. 21-40.) Nach der Reise hat sich Merck mit den Zuständen in Russland und darunter mit der Entwicklung der Baukunst noch länger befasst, siehe dazu die Darstellung in: Mechthild Keller, Wielands „Teutscher Merkur“ über Russland - Ausschnitte, Silhouetten, Reflexe, in: Dies. (Hg.), Russen und Russland aus deutscher Sicht. 18. Jahrhundert: Aufklärung. München 1987, S. 457-480 (West-östliche Spiegelungen; Reihe A, Bd. 2), hier S. 462, S. 468; Walter Schübler, Johann Heinrich Merck (1741-1791). Biographie. Weimar 2001, besonders: S. 41-52, S. 108-113. – Mit großer Wahrscheinlichkeit hat auch das Württemberger Fürstenhaus die Pflanzensamen bei Busch erworben (Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 232, Anm. 99). Ein eigener Pflanzenkatalog des „englischen“ Gartens in Hohenheim bei Stuttgart wird im Jahr 1780 in Buchform veröffentlicht: Systematisches Verzeichniß derjenigen ausländischen größtentheils Nord-Americanischer Bäume und Gesträuche, welche in dem Americanischen Garten auf dem Hochgräflichen Guth Hohenheim befindlich sind, und daselbst im freyen Grund den Winter ausdauren. Stuttgart 1780. (Allgemein zu der Rolle der Gartenkataloge dieser Zeit siehe den Aufsatz: Gerhard Drude/Clemens A. Wimmer, Alte Gartenkataloge, in: Zandera 10/1 (1995), S. 1-13). 30 Über die Anzahl der jungen Bäume und Auswahl der Baumsorten, die zwischen 1766 und 1774 in Zarskoe Selo angepflanzt worden sind, gibt Petrov Auskunft: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 118 (Anm. 51) und S. 128 (Anm. 43). 195
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tung der sibirischen Zeder, die über Russland hinaus auf sich aufmerksam machen.31
4. Semantisierung durch Denkmalstiftung Während Johann Busch die Gartenlandschaft in Zarskoe Selo bepflanzt und die malerischen Waldungen und Wiesen komponiert, setzt Antonio Rinaldi (1709-1794) darin die gartenarchitektonischen Akzente.32 Der römische Architekt, der seit 1754 in St. Petersburg arbeitet, pointiert damit das erneuerte semantische Programm des Parks, das Vasilij Neelov im Sinne einer Assoziationslandschaft mit antiken und zeitgenössischen Reminiszenzen angelegt hat. Im Auftrag der Zarin realisiert Rinaldi eine Reihe von Kleinarchitekturen, die einer gezielten Erinnerungsarbeit dienen sollen: es geht um die aktuellen Ereignisse der damaligen russischen Zeitgeschichte. Bei der Semantisierung der Gartenlandschaft von Zarskoe Selo bilden in den 1770er Jahren die Siege Russlands in dem russisch-türkischen Krieg (1768-1774) das zentrale Thema. Auf einem kleinen künstlichen Hügel vor dem Eigenen Garten am Westflügel des Schlosses erinnert ein Obelisk (russ. Kagul’skij obelisk; erbaut zwischen 1771 und 1772) an den Sieg des Grafen und Feldmarschalls Petr Rumjancev (1725-1796) am Fluss Cahul in Moldavien über das osmanische Heer am 21. Juli 1770.33 Im südwestlichen Parkbezirk am Übergang vom Unteren Garten zum neuen englischen Park am Großen Teich befindet sich ein zweites Denkmal, die Morée-Siegessäule (russ. Morejskaja kolonna; errichtet im Oktober 1771). Auf dem Abakus dieser Marmorsäule toskanischer Ordnung befindet sich eine kleinere RostrumSäule, die in Verbindung mit einer Inschrift auf die Seeschlacht unter der 31 Köhler weist in diesem Kontext auf die Zusammenarbeit Buschs mit Peter Simon Pallas (1741-1811) hin. Vgl. Köhler, Frühe Landschaftsgärten in Russland und Deutschland, S. 120-121. – Zu Buschs Aufgaben in Zarskoe Selo zählt somit nicht nur die Anpflanzung ausländischer Gehölze, sondern auch eine Art Umsetzung im Kleinen einiger Ergebnisse der großangelegten Erschließung der russischen Pflanzenwelt, mit der Katharina II. den Forscher Peter Simon Pallas beauftragt hat. Vgl. Peter Simon Pallas, Von sibirischen Bäumen und Sträuchern welche zur Verzierung und Anlegung von Kunst- und Lustwäldern und GartenHecken in nördlichen Gegenden zu gebrauchen sind, in: St. Petersburger Journal, April (1776), S. 26-48; Ders., Flora Rossica seu stirpium Imperii Rossici per Europam et Asiam indigenarum descriptiones et icones: iussu et auspiciis Catharinae II. Augustae. 2 Bde. Petropoli 1784-1788 (russ. Übersetzung von Vasilij Zuev: Opisanie rastenij Rossijskago gosudarstva s ich izobraženijami. Sanktpeterburg 1786). – Allgemein zu Pallas siehe: Folkwart Wendland, Peter Simon Pallas (1741 - 1811). Materialien einer Biographie. Berlin 1992. 32 Džul’etta Kjučarianc, Antonio Rinal’di. Leningrad 1976; Alfredo Buccaro/ Giulietta Kjučarianc [Džul’etta Kjučarianc]/Petrana Miltenov, Antonio Rinaldi. Architetto vanvitelliano a San Pietroburgo. Milano 2003. 33 Petrova/Petrov, Gorod Puškin, S. 76 (Abb. S. 77). 196
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Führung des Grafen Fëdor Orlov (1741-1796) am 17. Februar 1770 am Peloponnes verweist.34 Eine weitere maritime Schlacht ruft die Tschesme-Säule ins Gedächtnis (russ. Česmenskaja kolonna; Bauarbeiten dauern zwischen 1771 und 1776 an). Das Denkmal, das den Kriegsereignissen vom 26. Juni 1770 in der Bucht der osmanischen Hafenstadt Çeşme im Ägäischen Meer gewidmet ist, ragt über die Wasserfläche des Großen Teiches auf einer kleinen Insel hervor. Diese Rostrum-Säule schmücken drei Reihen von Schiffsschnäbeln entlang des Schafts und eine Adlerfigur oberhalb des toskanischen Kapitels.35 An diese Art von Glorifikation der erfolgreichen Ereignisse aus der damaligen unmittelbaren russischen Zeitgeschichte knüpfen zwei weitere memoriale Bauten des Parks an. Zum einen handelt es sich dabei um einen Triumphbogen (russ. Orlovskie vorota; erbaut zwischen 1772 und 1778), der sich formal an den römischen Titusbogen anlehnt.36 Dieses Denkmal wird ebenfalls von Antonio Rinaldi entworfen und dient als Erinnerungszeichen an die überwundene Pest-Epidemie in Moskau in dem Jahr 1771. Zum anderen geht es um eine, nicht weit von dem Triumphbogen entfernte, dorische Säule aus hellgrauem „sibirischem“ Marmor (russ. Sibirskaja oder Krymskaja kolonna, 1777). Bemerkenswerter Weise bekommt diese Siegessäule erst acht Jahre nach ihrer Aufstellung eine eindeutige zeithistorische Bedeutung zugewiesen. Ihre geläufige Benennung als Krim-Säule wird nämlich erst mit der im Jahr 1783 erfolgten Annexion der Krim legitimiert. Eine aus Bronze gegossene Trophäen-Gruppe, die zwei Jahre nach diesem Ereignis als Bekrönung der Säule angebracht wird, macht schließlich diese Semantisierung dingfest.37 Im Zeichen eines dialektischen Verhältnisses zwischen Niederlage und Sieg, zwischen Vergangenheit und Zukunft steht dagegen die memoriale Staffage, die von Georg Friedrich Veldten (russ. Jurij Fel’ten, 1730-1802) entworfen und von Ivan Sitnikov (1755-1781) zwischen 1771 und 1773 erbaut worden ist. Es handelt sich um ein künstliches Ruinenensemble, das aus einer monumentalen dorischen Säule und einem Rundbogenanbau besteht, die beide zur Hälfte im Erdboden versunken zu sein scheinen. Auf dem Kapitel der Säule befindet sich ein kleiner Rundtempel mit Spitzbögen und Zinnenkranz. An dem Schlussstein des Rundbogens ist eine russische Inschrift angebracht, die an die Erklärung des russisch-türkischen Krieges im Jahr 1768 erinnert.38 (Abb. 27) Mit dieser Ruinenstaffage hält in Zarskoe Selo eine weitere Darstellungsform der Gartenarchitektur Einzug, die als Chiffre der Vergäng34 Inschrift zitiert in: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 78; Petrova/Petrov, Gorod Puškin, S. 72 (abgebildet auf S. 73). – Die russische Bezeichnung des Denkmals – Morejskaja kolonna – leitet sich von dem französischen Namen der Halbinsel Peloponnes (franz. Morée) ab. 35 Petrova/Petrov, Gorod Puškin, S. 96 (Abb. 2, 3, S. 97). 36 Ebd., S. 92 (Abb. 1, S. 93). 37 Ebd., S. 130 (Abb. 5, S. 131). 38 Ebd., S. 92 (Abb. 2,3). 197
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lichkeit einer idealen Ganzheit zur elegischen Vergangenheits- und Zukunftsbetrachtung im Garten veranlassen soll.39
39 Vgl. Ute Klostermann, Von der Ruine im Landschaftsgarten zur Ruine der Landschaft, in: Oesterle/Tausch, Der imaginierte Garten, S. 239-252. – Der Ruinenzusammenhang kann an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden. (Siehe weitere Literaturangaben zur Ruine im Garten im Kapitel „Denkmalstiftung im Garten zwischen Erinnerung und Poesie“ in Teil I der vorliegenden Arbeit). Es sei aber hier auf einen wichtigen Aspekt der zeitgenössischen Rezeption der Antike bzw. ihrer Fragmente hingewiesen, der für das Verständnis einer konstruierenden Erinnerungsarbeit im Sinne einer „Entstellung“ abseits der Wiederholungsidee einer authentischen Vergangenheit entscheidend ist. Das unten angeführte Beispiel der Betrachtung griechisch-antiker Ruinen in der Türkei von 1759 bzw. 1764 ist außerdem für den russischen historischen Zusammenhang von nicht geringer Relevanz, hat doch Katharina II. die Kriegsführung gegen die Türkei und die Eroberung der Krim eine zeitlang mit der Ideologie der „Eroberung“ einer russisch-byzantinischen Vergangenheit im Rahmen des sogenannten „Griechischen Projekts“ legitimierend in Verbindung gebracht. Joachim Rees hat in seiner Arbeit zu Comte de Caylus sehr pointiert eine problematisierende Sicht auf die antiken Reste in der osmanischen Lebenswelt geschildert. Dies hat Comte de Caylus am Beispiel des Diana-Tempels in Ephesos reflektiert, indem er die Antikenrezeption eines europäischen Betrachters programmatisch im Spannungsfeld von Rekonstruktion und Entstellung angesiedelt hat: „Le plus grand nombre des colonnes, & même des chapiteaux, a été enlebé par les Turcs pour la construction de leurs mosqueées: quand les anciennes colonnes ont été trop longues, & qu’elles ne convenoient pas à leurs mesures, ils les ont coupées ; ils ont donée des traits de scie aux chapiteaux ; ils ont indifférement placé des colonnes de différens ordres à côté l’une de l’autre: souvent ils ont renversé les fûts. Ce tableau de l‘ignorance quelquefois fait sur mon esprit le même effet que le plus grand nombre de nos explications modernes, des anciens monuments, produiroits sur l’esprit d’un ancien Grec éclairé, qui reviendroit au monde“. Caylus, Memoire sur le temple de la Diane d’Ephèse, in: Mémiores de l’Académie des Inscriptions et des Belles-Lettres. Paris 1764, Bd. 30, S. 343. Vgl. dazu: Joachim Rees, Die Kultur des Amateurs. Studien zu Leben und Werk von Anne Claude Philippe de Thubières Comte de Caylus (1672-1765). Weimar 2006, S. 75-81, S. 80: „Die Arbeit der Antiquare, darum bemüht, den Fragmenten einen sinnvollen Platz in ihren Erklärungsmodellen zuzuweisen, könnte nicht minder das Urteil der Ignoranz treffen, ihre vermeintliche Rekonstruktion als Akt der Entstellung entlarvt werden. Die phantasierte Rückkehr des ‚ancien Grec èclairé‘ steht demnach für beides: für den bereits als irreal apostrophierten Wunsch, die eigenen Interpretationen der Begutachtungen durch eine normativ-autoritative Instanz vorzulegen, die zugleich die definitive Lösung aller Rätsel verheißt, und die Einsicht, dass sich das reale Substitut einer solchen Instanz nirgendwo anders als in der beständigen, sich stets erneuernden Auseinandersetzung mit den vorliegenden Erklärungsmodellen herausbildet.“ 198
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Abb. 27. Ivan Bel’skij (?): Ruine und Triumphtor (Orlovskie vorota) in Zarskoe Selo, 1788, Öl auf Leinwand, 69x117 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Russkij Muzej, Inv. Nr. Ž-3148.
Resümierend lässt sich festhalten, dass die in den 1770er Jahren erfolgte neue Gestaltung der Gartenlandschaft in Zarskoe Selo ein breites Spektrum formästhetischer Mittel der Gartenarchitekturen realisiert, dessen semantischen Kernbereich die Bewegung der Zeit ausmacht. Auf diese Weise verortet sich zentral in der symbolischen und lebensweltlichen Dimension des Gartenraums ein Bewusstsein für die Historizität aller Ereignisse, ob auf dem Gebiet der Kunst, der Natur oder der menschlichen Geschichte. In ihren Inszenierungen sind die Gartenstaffagen des ersten Jahrzehnts der Umgestaltung von Zarskoe Selo zum Landschaftsgarten auf memoriale Evokationen hin angelegt, wobei die intendierte Erinnerungsarbeit durch die spezifischen Architekturformen ausgelöst und durch die Schrift begleitet wird. Idealiter beansprucht damit die neue Inszenierung des Gartenraumes sowohl eine in der Gegenwart angesiedelte und in die Zukunft ausgerichtete Gedächtnisstiftung zu erfassen, als auch einen adäquaten ästhetischen Rahmen für eine elegische Rückschau zu geben. In dem Zusammenhang solcher changierenden Erinnerungsmodi einer polyperspektivisch ausgerichteten Zeitbetrachtung ist auch die Bedeutung der „gotischen“ Bauten von Zarskoe Selo angesiedelt. Ebenfalls in den 1770er Jahren entstehen hier das Ensemble der Admiralität an dem Großen Teich (russ. Admiraltejstvo oder Gollandija, 1772-1777) und die sogenannte Küche bei der Eremitage im Unteren Garten (russ. Ėrmitažnaja kuchnja oder Krasnye vorota, 1774-1776), die auf den Architekten Vasilij Neelov zurückgehen.40 Von Georg (Jurij) Veldten ist das gusseiserne gotische Tor (russ. Gotičeskie vorota, 1777-1780) entworfen, das auf dem Weg zu der bereits erwähnten Turmruine am westlichen Ende des „englischen“ Parks installiert ist.41
40 Ebd., S. 98-99. 41 Ebd., S. 96 (Abb. 1, S. 97). 199
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5. Ästhetische Strategien im Umgang mit polyvalentem Gartenraum zwischen Natur, Kunst und Geschichte Die potenzielle Polyperspektivität der intendierten Bedeutungen einzelner Gartenstaffagen des Landschaftsgartens profitiert von der charakteristischen Vielfalt visueller Perspektiven, die einen der wesentlichen Bestandteile der gartengestalterischen Planung seit der Etablierung der axialen, zentralperspektivischen Raumordnung ausmacht.42 Was die wahrnehmungsästhetischen und lebensweltlichen Strategien im Umgang mit der polyvalenten Gartenumgestaltung im Zarskoe Selo der 1770er Jahre angeht, so macht sich hier eine Grundhaltung deutlich bemerkbar, die zur ludistischen Variation und zur freien Entfesselung der semantischen Referenzen tendiert. Sie äußert sich in einem spielerischen Umgang mit der Formensprache und den Zeitebenen des gestalteten Raumes und ist im Stande, sogar die intentionalen Zeichen einer staatlichen, politisierten Erinnerungskultur zu vereinnahmen, die die Kriegsdenkmäler verkörpern. Die Indikatoren für ein entsprechendes ästhetisches Programm sind in den Randbezirken des Gartens zu finden. Es handelt sich um die von Vasilij Neelov und Johann Conrad Gerhard (russ. Ivan Gerard, 1720-1808) gestalteten Gartenzufahrten: die Kleine Caprice (russ. Malyj Kapriz, 1770) und die Große Caprice (russ. Bol’šoj Kapriz, 1772). Durch die beiden Durchfahrten, die in ihrer äußeren Gestalt jeweils an einen aus Wildsteingeröll freigelegten Rundbogen erinnern, führt der direkte Weg zur Schlossanlage, der entlang der neuen „englischen“ Partie des Gartens verläuft. Die kurz nacheinander errichteten Caprice-Bögen markieren die topografisch und imaginär erweiterten Grenzen des Gartenbereichs. Die sprechenden Bezeichnungen der Garteneinfahrten wecken Assoziationen zu den Kategorien der Laune als Ausgangsimpuls der Gartengestaltung und zu der Fantasie als Rezeptionsart ihrer Ergebnisse. Sie führen damit das Capriccio in Zarskoe Selo ein, ein Kunstprinzip, das die eigensinnigen Vermischungen und die raffi-
42 Bei der Umgestaltung der alten Anlagen zum Landschaftsgarten werden die visuellen Strategien der regulären Gartenkunst mit ihrer Vielfalt und Lenkung der Sichtachsen aufgegriffen und weiterentwickelt. Die damit zum Ausdruck gebrachte Tendenz zur Verbildlichung stellt daher nicht die eigentliche Innovation der „Gartenrevolution“ dar. Eine Kritik an der sonst verbreiteten Sichtweise auf den Landschaftsgarten im Rahmen der Ästhetik des Pittoresken enthält die Arbeit von Tausch. Im Anschluss an Heinz Brüggemann setzt er sich mit der Verengung der ästhetischen Entwicklung auf das Paradigma der Bildhaftigkeit auseinander. Vgl. Tausch, Die Architektur ist die Nachtseite der Kunst, S. 52: „Dagegen wäre festzuhalten, dass der Landschaftsgarten von der frühen Aufklärung als ein Sozialmodell entworfen wurde, das gerade nicht mehr nur daraufhin komponiert war, den in Bewegung versetzten Betrachter mit jenen überraschenden, unterhaltenden und insgesamt als präzise Abfolge komponierten Anblicken zu konfrontieren, auf welche beispielsweise der als Maler ausgebildete André Le Nôtre in den Jahren 1653-1661 in Vaux-le-Vicomte abzielte.“ 200
Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten
nierten bis launischen Produkte der künstlerischen Einbildungskraft bereits seit dem 17. Jahrhundert kunsttheoretisch erfasst.43 Das Capriccio fällt hier, da die Caprice-Bögen gerade den Eingangs- bzw. den Grenzbereich des Gartens markieren, als eine Rahmung des gesamten Ensembles in den Blick. Von der Peripherie der Anlage aus verweisen sie auf das traditionelle architektonische und symbolische Zentrum des Gartenensembles, den Schlossbau. Auffallenderweise verschließen sie aber gleichzeitig die Sicht auf das erhabene Ziel der Bewegungsrichtung, weil die Geröllstaffagen der Caprice-Bögen die bestehende, gerade ausgerichtete Alleenzufahrt zweimal nacheinander unterbrechen. Die direkte visuelle Verbindung zwischen dem Garten und dem Schloss, so wie sie in der regulären Gartenstruktur Bestand gehabt und für die Dominanz des gebauten Architekturkörpers über die Gartenlandschaft gesorgt hat, wird auf diese Weise aufgehoben. Infolgedessen werden viel stärker die imaginativen Vermögen gefordert und durch die Capricen zusätzlich gefördert, weil sie unaufdringliche vielfache Referenzen zu den Innenräumen des Schlosses herzustellen und damit eine ästhetische Einheit der Garten- und Schlossanlage zu unterstreichen vermögen. Diese Verbindung scheint zuerst nur architektonischer bzw. ikonografischer Natur zu sein: Die Capricen im Garten haben formalästhetisch ihre Pendants in den Supraporten der Schlossräume. Die Zimmerdurchgänge schmücken nämlich seit den 1750er Jahren die galanten Szenen der Capriccio-Veduten, die die Darstellungen von Ruinen und sonstigen Fragmenten antiker Denkmäler in einer Naturgartenlandschaft fantasievoll variieren.44 Be43 Eine emblematische Personifikation des Capriccio wird erstmals 1603 in die „Iconologia“ von Cesare Ripa aufgenommen. Siehe: Roland Kanz, Capriccio und Groteske, in: Ekkehard Mai/Joachim Rees (Hg.), Kunstform Capriccio: von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne. Köln 1998, S. 13-32 (Kunstwissenschaftliche Bibliothek; Bd. 6), hier S. 23. – Die Capriccioforschung der letzten zehn Jahre hat große Anstrengungen unternommen, zu einer Klärung seines vielfältigen und wandlungsfähigen Facettenreichtums beizutragen. Dabei hat sie eine doppelte Strategie verfolgt; zum einen wurden verschiedene markante Einzelbeispiele des Capriccio als Kunstform vor allem in der bildenden Kunst, aber auch in der Musik und in der Literatur im beschreibenden Verfahren analysiert. Zum anderen hat sie, auf begriffsgeschichtlichen und kulturtheoretischen Untersuchungen basierend, das Capriccio als Kunstprinzip einzukreisen versucht. Vgl. Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya. Malerei – Zeichnung – Graphik, hg. v. Ekkehard Mai. Ausst.-Kat. Wallraf-Richartz-Museum, Köln u.a. Mailand 1996; Mai/Rees, Kunstform Capriccio: Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne; Roland Kanz, Die Kunst des Capriccio. Kreativer Eigensinn in Renaissance und Barock. München, Berlin 2002. – Zu der Entwicklung des Capriccio im Garten zu einem autonomen Phantasieprodukt siehe das Kapitel „Das ‚genialische Architekturstück’“ aus dem Teil VI der vorliegenden Arbeit. 44 Solche Darstellungen werden für die Supraporten des Schlosses in Zarskoe Selo und in Ekateringof zwischen 1753-1755 von Boris Suchodol’skij und Antonio Peresinotti (1708-1778) gemalt. Siehe die Exemplare aus der Sammlung des GRM: Gosudarstvennyj russkij muzej. Živopis’ XVIII-XX veka. Katalog v 15 201
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trachtet man die in der umgestalteten Gartenlandschaft gebauten neuen Kleinarchitekturen im Zusammenhang mit den bereits bestehenden bildlichen Darstellungen der Supraporten als ein korrespondierendes Ganzes, so erscheinen die Capricen als ein programmatisches Angebot für das geänderte Wahrnehmungsmuster des Ensembles als eines im Raum realisierten Capriccio. Tatsächlich haben Laune und Spiel, verbunden mit der Ästhetik des Überraschenden und Exotischen, bereits das Programm der Eigenen Datscha (russ. Sobstvennaja Dača) in Oranienbaum gebildet. Diesen Garten am Finnischen Meerbusen, der in dem vergrößerten Areal des ehemaligen älteren Ensembles des Fürsten Menšikov liegt, hat Katharina II. als Großfürstin bewohnt. Die Garten- und Schlossanlage der Eigenen Datscha hat ab 1756 Antonio Rinaldi im Stil anglo-chinoise erbaut.45 Interessanterweise hat etwas später, in der Regierungszeit der Zarin, Charles-Joseph de Ligne (1735-1814), der die Entwicklung der russischen Gartengestaltung seit 1780 unmittelbar hatte beobachten können, in seinem Buch über die europäischen Gärten ausgerechnet den Garten Katharinas II. in Oranienbaum als ein herausragendes Beispiel eines „Naturgartens“ gewürdigt: „Bemerket hier, daß das Wenige, was in Naturgärten geschieht, wie ich sie nenne, keineswegs so viel heißen könne, als Gärten anzulegen. Oranienbaum verdankt dem Gehölze, den Bergen und dem baltischen Meere alles; und wenn Czarskozelo, von dem ich in der Übersicht der Kunstgärten reden werde, damit verbunden wäre, so würden, […] alle Wohnungen und Landhäuser in der Welt demselben nachstehen müssen.“46 tomach. Bd. 1: XVIII vek. St. Petersburg 1998, S. 137 (Peresinotti), S. 159 (Suchodol’skij; seine Lebensdaten sind unbekannt). 45 Die Bauarbeiten wurden bis in die Mitte der 1770er Jahre durchgeführt. Siehe: Džul’etta Kjučarianc, Chudožestvennye pamajtniki goroda Lomonosova. Leningrad 1985. Ein Album mit den nach Rinaldi gestochenen Ansichten des Gartens in Oranienbaum ist zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers erschienen. Der darin enthaltene Generalplan, der die typischen Strukturen eines anglochinoisen Gartens wiedergibt, ist bei Kjučarianc abgebildet. Ebd., o.S. (Bildtafel zwischen Textseiten S. 96-97). Siehe: Antonio Rinaldi, Pianta ed devazione delle Fabriche esistante nel nuovo Giardino di Oranienbaum. Roma 1796. 46 Das Buch von de Ligne ist erstmals in Brüssel 1781 und in der zweiten erweiterten Auflage 1786 erschienen. Die deutsche Übersetzung hat Wilhelm Gottlieb Becker 1799 besorgt. Vgl. Charles-Joseph de Ligne, Der Garten zu Beloeil nebst einer kritischen Uebersicht der meisten Gärten Europens. Dresden 1799 [Reprint: Wörlitz 1995], Bd. 2, S. 11; siehe auch das französische Original in der Auflage von 1795: Charles-Joseph de Ligne, Coup d’œil sur Belœil et sur une grande partie des jardins d’ Europe. Wien, Dresden 1795, Bd. 1, S. 167-168. – De Ligne führt die Anlage in Oranienbaum am Schluss des ersten Bandes an, unmittelbar bevor er die Entwicklung des Naturgartens, dem der Band gewidmet ist, aus der Sicht der europaübergreifenden Geschichte der Gartenkunst abrundend nachzeichnet. In seinen Ausführungen nehmen die südlichen Gebiete des russischen Reiches, die die Spuren der griechischen Antike mit der damaligen 202
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Entsteht der Reiz des Ensembles in Oranienbaum aus dem Ineinandergreifen der verspielten Geländegestaltung, die geometrische wie irreguläre Elemente mit der waldigen Szenerie vereint, und aus dem Kontrast zwischen den klassischen europäischen Architekturformen und den exotischen fernöstlichen Lackmalereien der Innenräume, so werden in Zarskoe Selo die Einzelteile des griechisch-römischen Altertums und der nordeuropäischen Kleinarchitekturen zu neuen Konstruktionen in der materialiter durch Pflanzen und Baustoffe russisch konnotierten Gartenlandschaft zusammengesetzt. Bedenkt man nun das Kunstprinzip Capriccio und berücksichtigt man dabei das den Capricen in Zarskoe Selo inhärente Assoziationspotenzial, das u.a. die Refeosmanischen Lebenswelt vereinen, eine zentrale Rolle ein. In der Beschreibung des vor Ort vorgefundenen „Palimpsestes“ nähert sich de Ligne den bereits zitierten Ausführungen von Caylus über Ephesus an, wendet jedoch seinen eigenen „archäologischen“ Blick in ein optimistisches landschaftsgestalterisches Programm um. Seine ästhetisch fundierte Argumentation geht deutlich einher mit der Politik der Kultivierung und der Verschönerung eines vergrößerten imperialen Raumes, die die russische Regierung bei der Erschließung der Krimschen Gebiete in den 1780er Jahren durchzusetzen bemüht ist. (Diesem Zusammenhang hat Schönle ein Kapitel in seiner Monografie gewidmet, siehe: Garden of the Empire: Catherine II’s Appropriation of the Cremea, in: Schönle, The Ruler in the Garden, S. 75-111.) De Ligne führt also in der zweiten Auflage seines Buches die Eindrücke der Krimreise all die von ihm in deren Verlauf gesehenen Fragmente des Altertums und die Szenen der Fremde angesichts der Landschaft „von Eupatori bis nach Theodisia“ in eine Schlussapotheose des Naturgartens zusammen: „Ich habe von Eupatori bis nach Theodosia einen Garten von achtzig französischen Meilen gesehen. Ich habe jenes reizende Amphiteater an den Ufern des Pontus Eurinus gesehen, ganz mit Wohnungen der Tartarn besäet, denen die äußerst flachen Dächer zu Tabaksläden dienen, wo sie wie Affen beisammen hocken. Ich habe ihre malerischen Todtenäcker gesehen, wo Arten von Thermen, die oben einen Turban haben, der zuweilen vergoldet ist, unter hohen Bäumen und nahe an Bächen, eine Idee von elysischen Gefilden erregen.“ (De Ligne, Der Garten zu Beloeil, Bd. 1, S. 173; franz. Orig.: Coup d’œil sur Belœil, S. 172.) „Das ist die Region der Wunder! das ist das Land der Zaubereien! Es sind nicht bloß kalte Anspielungen darauf oder Nachäffungen derselben. Das ist der ursprüngliche Ort, der in anderen Gegenden abgeschmackte oder missgestaltete Copien veranlasst. Dort ist der glückliche Himmelsstrich, wo man alles findet, was man an Bächen und Pflanzungen bedarf, um sich vor übermäßiger Sonnenhitze zu schützen. Das ist doch ein ganzes Land voll Gärten, welches mein System begründet: die Natur aufzusuchen, und sich nicht erst eine Natur um sich her zu schaffen.“ (De Ligne, Der Garten zu Beloeil, Bd. 1, S. 179.) Der deutsche Übersetzer beendet den ersten Band mit diesem Satz, obwohl das französische Original an dieser Stelle fortfährt: „Il semble que le Ciel ait voulu dédommager les Musulmans, de ne pouvoir pas y entrer, en leur prodiguant sur la Terre, tous les avantages de la Nature.“ Vgl. De Ligne, Coup d’œil sur Belœil, S. 178-179 (dt.: „Der Himmel hat, wie es scheint, die Muslime dafür entschädigen wollen, dass sie nicht in ihn gelangen können, und hat sie daher bereits auf der Erde mit allen Vorteilen der Natur überhäuft.“). 203
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renzen zu Oranienbaum und zum Schlossbau in Zarskoe Selo beinhaltet, so erscheinen die Gartenarchitekturen, – Obelisken, Säulen und Triumphbogen, – die Antonio Rinaldi zu Beginn der 1770er Jahre für die Residenz der Zarin in Zarskoe Selo entwirft, ebenfalls als kunstvolle Gartencapricci. Das trifft für die Sibirische Galerie (Palladianische Brücke), die Pyramide oder die gotische Admiralität ebenso zu, die von Vasilij Neelov gebaut worden sind. Imperiale Monumentalisierung und individuelle Laune sind damit als gleichzeitige capricciohafte Intentionen und nicht als divergierende Tendenzen in Zarskoe Selo zu sehen, im Rahmen einer Gartengestaltung, die Irregularität und Formfreiheit gegenüber den alten, konventionellen Gartenformen für sich beansprucht. Sie sind eher gleichgewichtige Bestandteile einer „normalen Ruinierung“,47 eines Prozesses der Verformung historischer und zeithistorischer Kontexte und der damit einhergehenden Konstruktion eines neuen Gebildes aus unterschiedlichen Fragmenten und Einzelteilen. Denn gerade die Erneuerung durch die Entstellung und Zerstörung der etablierten, konventionellen Normen, die Verkehrung des Gewohnten und Vermischung heterogener Elemente markieren eine andere Tradition der ästhetischen Modernisierung, für die das Capriccio als Kunstprinzip und Grenzphänomen im Gegensatz zu einem normativen klassizistischen Ideal steht.48 Neben den Kleinarchitekturen des in Umgestaltung begriffenen Raums werden in Zarskoe Selo auch die intentionalen Zeichen einer heroisch-politischen Gedächtnisstiftung in den Dienst einer reizvollen bis launischen Mannigfaltigkeit gestellt. Einen solchen grotesk-vergnüglichen Umgang legt eine Bemerkung Katharina II. an den Tag, mit der sie in einem Brief an Voltaire aus dem Jahr 1771 eine ausführliche Aufzählung der bereits errichteten bzw. noch geplanten Memorialarchitekturen einleitet: „Wenn dieser Krieg noch länger andauert, verwandelt sich mein Garten in Zarskoe Selo zu einem schönen Kegelspielplatz, denn nach jeder Ruhmestat habe ich ein betreffendes Monument errichten lassen.“49 47 Peter Gaimer, „Das Haus der Inkohärenz“ - Capriccio und Sammlungen im 18. Jahrhundert, in: Mai/Rees, Kunstform Capriccio, S. 139-154, hier S. 140. 48 Die oben geschilderte Mehrdeutigkeit der Staffagen ist bereits ein Signal für eine potenzielle Individualisierung der Wahrnehmung der gestalteten Landschaft. Sie verweist auf eine sich abzeichnende Transformation innerhalb der traditionellen rhetorischen Techniken, die sich in einer poetologischen Gewichtsverlagerung von dem reproduktiven Gedächtnis (memoria) zu der produktiven Einbildungskraft (ingenium und inventio) äußert. In Verknüpfung mit den produktionsästhetischen Merkmalen eines Capriccio werden damit neue Akzente nicht nur in Bereichen der Kunstproduktion, sondern auch der Rezeption gesetzt, was u.a. zur Herausbildung der autonomen, subjektiven Techniken der Wahrnehmung eines Gartens beiträgt. 49 Katharina II. an Voltaire, Brief vom 14. (25.) August 1771, in: Voltaire, Oeuvres complètes. Paris 1861, Bd. 33, S. 440-441: „ Mais si cette guerre continue, mon jardin de Czarskozélo ressemblera bientôt à un jeu de quilles, car à chaque action d’eclat j’y fais élever quelque monument. La bataille de Kogul, où dix-sept 204
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Stellt man diese Aussage der Zarin in den Kontext eines Gartencapriccio, so verliert die in den 1770er Jahren in Zarskoe Selo praktizierte Vermischung von Kriegsführung und Gartenausstattung, von Politik und Willkür an Ambivalenz bzw. an ihrem Zynismus, der sich, im Rückblick betrachtet, in den gartengestalterischen Tätigkeiten der Zarin erkennen lässt.
* Die Siegesdenkmäler gehören zu den zahlreichen Variationen einer neuen Gartenikonografie im „englischen“ Geschmack. In dem ästhetischen Programm des Landschaftsgartens verankert, fungieren die Gartenarchitekturen nicht als Selbstzweck, sondern dienen der malerischen Bereicherung der gestalteten Landschaft, schmücken die natürlichen Gartenszenen harmonisch aus und verbessern ihre Ausdruckskraft. Paradigmatisch steht in diesem Zusammenhang der Ratschlag des Gartenkunstkenners Charles-Joseph de Ligne, der den Lesern seiner Gartenabhandlung folgende Handlungsweise für praktische Gartengestaltung anempfiehlt: „Sollte etwa eine schöne, sehr geschmückte Parthie, in der Nähe eines erhabenen Tempels, eine zierliche Brücke verlangen, so kann man sich, ohne gerade die von Czarskoselo und Wilton nachzuahmen, eine Colonnade erlauben. Ausserdem werden sie [Brücken], je sonderbarer sie ausfallen, nur desto mehr Vergnügen bereiten.“50
Die Besitzerin der Gartenanlage in Zarskoe Selo äußert ihre Ambitionen, eine ästhetische Modernisierung ihrer Residenz betreffend, nicht nur in ihrer europaweiten Korrespondenz, sondern lässt die Informationen darüber, was ihr in dem umgestalteten Garten „Vergnügen bereitet“ in Bild und Text kontinuierlich verbreiten.51 mille combattans en battirent cent cinquante mille, y a produit un obelisque avec une inscription qui ne contient que le fait et le nom du général: la bataille navale de Tschesme a fait naitre dans une trés-grande pièce d’eau une colonne rostrale; la prise de la Crimée y sera perpétuée par une grosse colonne; la descente dans la Morée et la prise de Sparte, par une autre./ Tout cela est fait des plus beaux marbres qu’on puisse voir, et que les Italiens mêmes admirent. Ces marbres se trouvent les uns sur les bords du lac Ladoga, les autres à Caterinimbourg [sic], en Sibérie, et nous les employons comme vou voyez: il y en a presque de toutes couleurs.“ – Jakov Grot zitiert die oben erwähnte Stelle mit dem Spielplatz in russischer Übersetzung bereits 1864 in seinem Kommentar zu dem Gedicht Deržavins „Progulka v Sarskom Sele“ (1791), und zwar nach der Beschreibung von Zarskoe Selo von Ščekatov (Geografičeskoj slovar’, Art. Carskoe selo), in: Deržavin, Sočinenija, Bd. 1, S. 424. 50 De Ligne, Der Garten zu Beloeil, Bd. 2, S. 11. Siehe auch: Ders., Coup d’œil sur Belœil, Bd. 2, S. 13. 51 Zu der Weiterentwicklung der Gartenanlagen in Zarskoe Selo nach 1782, u.a. was die Hereinnahme der chinesischen Elemente und die Erweiterung des En205
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Der erste von Ivan Kuvakin gestochene Plan des umgestalteten Gartens in Zarskoe Selo wird 1778 in St. Petersburg gedruckt. Einige Jahre später erscheinen zwei weitere repräsentative Generalpläne, die die Vermittlung eines Gesamteindrucks der Erweiterung und der Ummodellierung des Geländes zur Aufgabe haben. Sie propagieren die neue freie, naturnahe Formsprache der Raumgestaltung und bringen neben einer malerischen Mannigfaltigkeit der Kleinarchitekturen die entscheidende semantische Neuerung zum Ausdruck, die sich in einem bewussten Einbezug der Historizität in den Parkraum äußert und von den Siegesdenkmälern römisch-antiker Provenienz sowie den „gotischen“ Kleinarchitekturen getragen wird. Die beiden neuen Generalpläne werden jeweils nach einer Zeichnung der Söhne des Architekten Neelov und des Gärtners Busch gestochen.52 Der Plan von Il’ja Neelov gibt den Stand um 1779 wieder;53 auf die Weiterentwicklung der Anlage in sembles durch zwei weitere Gartenpartien um den oberen Neuen Garten unter den Architekten Charles Cameron und Giacomo Quarenghi angeht, bis in die Restaurierungsmaßnahmen im 20. Jahrhundert siehe die Darstellungen in: Vasil’ev, Architektory Neelovy, S. 79-89; Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 57-114; Evgenija N. Petrova/Anatolij N. Petrov, Gorod Puškin, in: Pamjatniki architektury prigorodov Leningrada. Leningrad 1985, S. 14-159; Dimitri Shvidkovsky [Dmitrij Švidkovskij], The Empress and the Architect: British Architecture and Gardens at the Court of Catherine the Great. New Haven 1996; Natal’ja Tumanova, Ekaterininskij park. Istorija razvitija i metodika vosstanovlenija. SanktPeterburg 1997. 52 Nach dem Tod von Vasilij Neelov übernimmt sein Sohn Il’ja Neelov (17451793) die Aufgaben des Hofarchitekten in Zarskoe Selo. In dieser Funktion baut er eine eigene Werkstatt aus, aus der u.a. mehrere repräsentative Alben mit Plänen und Architekturzeichnungen hervorgehen, die die Weiterentwicklung der Anlage illustrieren. (Zwei Alben stammen aus dem Jahr 1779, ein drittes Album wurde 1796 angefertigt, ein viertes Exemplar ist undatiert). Vgl. Vasil’ev, Architektiry Neelovy, S. 89, S. 90 (Anm. 41). – Der Sohn von Johann Busch, Joseph Busch (1760-?) bleibt auch nach der Rückkehr seines Vaters nach London in Russland und arbeitet hier weiter als Gartenarchitekt. Zu seinen Werken zählt u.a. der 1830 angelegte neue Petrinische Garten in Oranienbaum, der seine räumliche Struktur bis heute weitgehend erhalten hat. (Vgl. Kjučarianc, Chudožestvennye pamajtniki goroda Lomonosova, S. 62f.) Außerdem betreute Joseph Busch in St. Petersburg mehrere Gartenprojekte im städtischen Raum, vgl.: Sady i parki Sankt-Peterburga 19 – načalo 20 veka (gorodskoe sadovoe chozjajstvo), hg. v. N. G. Žukova. Moskva, Sankt-Peterburg 2004, S. 28, S. 46, S. 138, S. 228.) Die Tochter Johann Buschs, Catherine (1765-1817), heiratet 1784 den Hofarchitekten Charles Cameron (1736-1812), der seit den 1780er Jahren für die Umgestaltung der Schloss- und Parkbauten in Zarskoe Selo sowie in Pawlowsk verantwortlich ist. 53 Il’ja Neelov, Generalnyj plan Carskogo Sela, 1777-1779. Ein Exemplar des illuminierten Drucks befand sich bis 1956 in CChMF (Central’noe chranilišče muzejnych fondov leningradskich prigorodnych dvorcov-museev, Inv. Nr. ED 20800/1) und ist abbgebildet bei: Vasil’ev, Architektory Neelovy, S. 71. Sein aktueller Standort konnte nicht ermittelt werden, vermutlich befindet er sich aber in der Sammlung des GMZ Carskoe Selo. Eine andere Version des General206
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den 1780er Jahren bezieht sich der 1789 gedruckte Plan von Joseph Busch.54 Bei diesem Plan handelt es sich um ein Dedikationsgeschenk seines Vaters, des zu dieser Zeit aus dem russischen Dienst scheidenden Gärtners Johann Busch.55 Die von Vasilij Neelov modellierte, von Johann Busch bepflanzte und von Antonio Rinaldi akzentuierte Gartenlandschaft in Zarskoe Selo setzt der Landschaftsmaler Semën Ščedrin (1745-1804) erstmals 1777 in drei Gartenveduten um.56 (Abb. 25-26, 28) Eine erste literarische Beschreibung der neuen Anlagen in Zarskoe Selo liefert der bereits erwähnte Charles-Joseph de Ligne in seinem 1781 gedruckten Gartenwerk „Coup d’œil sur Belœil“.57 Im Jahr 1785 veröffentlicht
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plans, der einen etwas früheren Zustand der Schloss- und Parkanlage darstellt, hat Petrov mit gleichen Angaben in seinem Buch von 1969 abgebildet. (Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 75). Es handelt sich dabei um einen sehr ähnlichen Generalplan aus den Beständen der RNB, der noch nicht den künftigen Alexander-Palast beinhaltet, der von Giacomo Quarenghi ab 1792 gebaut wird. Im Vergleich zu dem ersten gedruckten Plan von 1778 weist dieser Generalplan die neuen Formen der Teiche im Unteren Garten (realisiert 1778) und im Oberen Garten (realisiert 1783) auf. Die Ermittlung der Provenienz ist auch in diesem Fall nicht erfolgreich gewesen. Gestochen von Tobias Miller, enthalten in: British Museum, Inv. Nr. 36662 (I); GMZ Carskoe Selo, Inv. Nr. 4676 (ohne Ränder); Architekturmuseum Moskau, PSch 6499/555 und 3515/556 (Separatdruck mit den Kleinarchitekturen). Siehe: Köhler, Frühe Landschaftsgärten, S. 259 (Anm. 591). Vgl. die Widmung auf dem Plan: „Dédié A SA Majesté Catharine II./ IMPERATRICE de toutes les RUSSIES/ comme un homage des sentimens profons/ de respect et de reconnoissance/ de son tres obéissant serviteur/ Jean Bush“. Abgebildet in: Hunt, The Picturesque Garden in Europe, S. 180-181 (Abb. 165). Diese Gouacheansichten gehören zu einer Serie der Petersburger Gartenveduten, die der Sohn Katharinas II., Großfürst Pavel Petrovič, in Auftrag gibt. Auf diese Weise kündigt sich gewissermaßen ein Generationswechsel in der russischen Gartengestaltung an. Die Sommerresidenz des Großfürsten und seiner zweiten Frau Marija Fëdorovna in Pawlowsk entwickelt sich nämlich seit der Gründung der neuen Anlage auf einem dem Thronfolger-Ehepaar im Jahr 1777 geschenkten Areal unweit von Zarskoe Selo zu dem Höhepunkt der Landschaftsgartengestaltung in Russland. (Siehe dazu Teil V „Imagination und Erinnerung“ der vorliegenden Arbeit). Vgl. französisches Original der Beschreibung in der Gesamtwerk-Ausgabe: Charles-Joseph de Ligne, Coup d’œil sur Belœil et sur une grande partie des jardins d’ Europe. Wien, Dresden 1795, Bd. 2, S. 25-26. Deutsche Übersetzung von Becker (Dresden 1799, S. 23-24): „Die Gleichgültigkeit, die man im Süden von Europa gegen den Gott des Geschmacks beweiset, hat ihn zu einem verzweifelten Entschluß verleitet. So frostig er auch ist, so hat er sich doch nach Norden gewendet. Bei seiner Ankunft fand er Gehör bei der Kaiserin von Rußland. Sie wurden bald einig mit einander. […] Czarskozelo, wo sich, wie die Kaiserin sich ausdrückte, ihre Capricen befinden, bietet von allen Seiten anmuthige Gemälde dar. Diese sogenannten Capricen bestehen in optischen und Wasser-Spielen, die 207
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Hirschfeld in der in deutscher und französischer Sprache erschienenen „Theorie der Gartenkunst“ eine weitere, von Jacob Stählin verfasste Beschreibung der Parkanlage.58 De Ligne unterstreicht die Vielfalt der visuellen Reize, die die „gut ausgedacht[en] und mannigfaltig[en]“ Kompositionen aus Landschaft und Kleinarchitekturen in Zarskoe Selo dem Besucher bieten. Dahingegen zielt Stählins additive Beschreibung der Einzelteile der „so vielen abwechselnden und reizenden Szenen der Natur und der Kunst“ über die unmittelbare Gegenwart hinaus. „Dieser prächtige Garten“, so lautet sein resümierendes Gesamturteil, „wird ein unvergängliches Denkmal von dem feinen Geschmack der Monarchin bleiben.“59
gut ausgedacht und mannigfaltig sind. Eine Brücke von sibirischem Marmor im architektonischen Style des Palladio, das Bad, der türkische Pavillon, die Admiralität, eine Art von kleiner Stadt, an der man eben baut, das eiserne Thor, die Ruine, die Denkmäler der Siege Romanzows und Orlows, die prächtige mit Schiffsschnäbeln gezierte Säule wegen des Sieges bei Czesma, die mitten im See steht, ein artiges Gebäude am Ufer, angenehme Umrisse, viel seltene Blumen und ausländische Gesträuche, ein eben so schöner Rasen wie in England und noch besser unterhalten, chinesische Brücken und Kioske, ein Tempel von zwei und dreißig Marmorsäulen; ferner die Colonnade gegen den Garten zu, die Große Herkulestreppe: alles das zusammengenommen macht diesen Garten zum interessantesten in der Welt.“ 58 Stählin, Art. Rußland, in: Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst. Leipzig 1785, Bd. 5, S. 289: „Sie [Monarchin] entwarf demnächst den Plan zu einem sehr großen Garten im edlen Geschmack, bey Ihrem schon durch seine schöne und hohe Lage reizenden Lieblingsschloß Carskoe Selo, einem Garten, der eine deutsche Meile im Umfang hält, dessen Einrichtung gleich im zweiten Jahr nach der Krönung angefangen ward, und bisher mit einem erstaunlichen Aufwand noch immer fortgesetzt wird. Dieser prächtige Garten mit den schönen Aussichten, Pflanzungen, Wäldern, Lustbüschen, Seen, Inseln, Bächen, Wasserfällen, Bergen und Thälern, mit so mancherley Arten von marmornen und anderen steinernen Gebäuden, mit den herrlichen Monumenten großer Siege, Triumphbogen, Pyramiden, Obelisken zur Erinnerung denkwürdiger Begebenheiten der Nation, mit den trefflichen Brücken, Pavillons, Gallerien und Tempeln, mit so vielen abwechselnden und reizenden Szenen der Natur und der Kunst, die sich fast auf den ganzen Horizont rings um das Lustschloss verbreiten, […] – wird ein unvergängliches Denkmal von dem feinen Geschmack der Monarchin bleiben, und, wenn einst alles vollendet ist, ohne Zweifel durch eine würdige Beschreibung zu seinem Ruhm den Ausländern bekannter werden.“ 59 Ebd. 208
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Abb. 28. Semën Ščedrin (1745-1804): Landschaft in Zarskoe Selo [links: Admiralität, rechts: Tschesme-Palais], nach 1776, Tusche, Gouache, 58х72,5 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. RR-6428.
In einen Gestus rhetorischer Verneigung angesichts der Macht gekleidet, hebt diese Aussage dennoch die wesentliche Innovation des umgestalteten Gartens hervor, indem sie auf seine eigene, künftige Historizität verweist. Die sich während des ersten Jahrzehnts der Umgestaltung zum Landschaftsgarten abzeichnende Herausbildung einer eigenen, neuen Erinnerungskultur in Zarskoe Selo entwickelt sich zu dem eigentlichen Bezugshorizont für alle nachfolgenden Diskussionen, insbesondere für die poetischen Auseinandersetzungen mit diesem Landschaftsgarten.60 Als besonders attraktiv erweist sich der scheinbar paradoxe Kernpunkt dieser Erinnerungskultur, der die Einübung in die Subjektivität in den Horizont einer totalisierenden Idee des perfekten gesellschaftlichen Ganzen einbindet. Der poetogene Erinnerungsakt wird auf diese Weise in dem Paradigma der individuellen und gesellschaftlichen Zeit verortet. Eine der ersten poetischen Reflexionen auf das umgestaltete Gartenensemble in Zarskoe Selo stellt eine zwischen 1772 und
60 Siehe dazu exemplarisch die Darstellung in dem Kapitel „Genio loci“ in Teil I der vorliegenden Arbeit. 209
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1776 entstandene Ode von Johann Gottlieb Willamov dar, die den Namen des Gartens in ihrem Titel führt.61
61 Der im preußischen Mohrungen geborene Dichter und Schriftsteller Johann Gottlieb Willamov (1736-1777) hatte an der Universität Königsberg (17521756) studiert, bevor er als Lehrer und nach 1758 als ordentlicher Professor der griechischen und lateinischen Sprache und der schönen Künste (ab 1761) am Gymnasium in Thorn angestellt worden war. Im Jahr 1767 ist er als Direktor der deutschen St. Petri-Schule nach St. Petersburg berufen worden. Nach seinem Rücktritt 1772 ist er überwiegend als freier Schriftsteller und Herausgeber tätig gewesen. Zehn Jahre nach seiner Ankunft in Russland ist Willamov in St. Petersburg verstorben, wo seine Familie auch nach seinem Tod geblieben ist. Vgl. ausführlichere bio- und bibliografische Angaben und Kurzdarstellungen in: ADB, Bd. 43, S. 249; Carlo Denina, La Prusse littéraire sous Frederic II: ou Histoire abrégée de la plupart des auteurs, des académiciens et des artistes qui sont nés ou qui ont vécu dans les états prussiens depuis MDCCXL jusq'à MDCCLXXXVI. Berlin 1791, Bd. 3; Johann Georg Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. Leipzig 1815, Bd. 15; Franz Brümmer, Deutsches Dichterlexikon: biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Eichstätt 1877, Bd. 2; Julius Iversen, Das Lehrerpersonal der St. Petri-Schule von ihrem ersten Beginn bis zur Gegenwart (1710-1887): mit biographischen Notizen. St. Petersburg 1887. 210
2.
2. Poetischer Spaziergang als empfindende Vergegenwärtigung der Zeitgeschichte: „Zarskoe Selo“ von Johann Gottlieb Willamov Poetischer Spaziergang Die Gartenanlage in Zarskoe Selo bleibt nach ihrer Umgestaltung zum Landschaftsgarten weiterhin ein beliebtes Objekt panegyrischer Dichtung. So widmet auch Michail Lomonosov im August 1764 der Residenz der neuen Zarin eine eigene poetische Lobpreisung.1 Bereits die ersten Zeilen dieses Gedichts heben auf die neue Idealvorstellung einer an der freien Natur orientierten Gartengestaltung ab: Der Dichter erkennt in der hügeligen Landschaft, den Wiesen und Strauchgehölzen des Gartens in Zarskoe Selo eine mustergültige paradiesische Schönheit: „Wiesen, Büsche, angenehme Anhöhen,/ ein Beispiel und das Muster der Schönheit Edens,/ gebührend loben will ich heute euch,/ […].“2
In der darauffolgenden reflektierenden Verspassage legt Lomonosov dar, dass eine so hoch gesteckte poetische Ehrung im Falle Zarskoe Selos durchaus Berechtigung habe. Als erstes werden eine angenehme Gesamtwirkung der Gar1
2
Das sechzehnzeilige Widmungsgedicht erschien erstmals als Separatdruck in St. Petersburg 1764, vgl. Michail V. Lomonosov, Na Sarskoe Selo Avgusta 24 dnja 1764 goda, in: Ders., Izbrannye sočinenija. Leningrad 1986, S. 234, S. 517. – Die odische Dichtung Lomonosovs der 1760er Jahre im Zusammenhang mit den jeweiligen historischen wie poetologischen Besonderheiten hat Pogosjan eingehend untersucht. Sie hat außerdem eine in der Lomonosov-Forschung oft kolportierte Meinung, der Hofdichter habe unter der neuen Zarin in seinen letzten Lebensjahren an Bedeutung und Einfluss verloren, überzeugend widerlegt, vgl. Pogosjan, Vostorg russkoj ody, S. 107-123. Lomonosov, Na Sarskoe Selo, S. 234: „Луга, кустарники, приятны высоты, Пример и образец эдемской красоты, Достойно похвалить я ныне вас желаю, Но выше по чему почтить, еще не знаю.“. 211
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tenpartien und die Zartheit der reichlichen pflanzlichen Ausstattung als Gründe vorgebracht. Neben den Gegebenheiten der Natur seien es auch die bildenden Künste, die einen weiteren Anlass für seine Poesie liefern, insofern sie nämlich alle im Dienste der Gartengestaltung ihre Fertigkeiten erschöpfend haben einfließen lassen.3 Dass der Architektur in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zugewiesen wird, zeigt die Weiterentwicklung der Argumentation, die in der neunten Zeile schließlich die Aufmerksamkeit auf den Schlossbau lenkt.4 Die Ausführungen der nächsten vier Verse des Gedichts auf Zarskoe Selo legen nahe, dass trotz einer an die verschönerte Natur angelehnten Ästhetik der Gartenanlage das Residenzschloss nichts an der etablierten Bedeutung als der eigentliche Mittelpunkt des Zarinnensitzes eingebüsst hat. Zwar benennt Lomonosov die Funktion des Schlossensembles, das der herrschenden Monarchin ein legitimes Rückzugsfeld bietet, jedoch relativiert er den Retirement-Charakter des Landsitzes im selben Schritt. Dies gelingt Lomonosov nicht zuletzt dadurch, dass er auf poetische Weise die Schlossarchitektur in ihrer engen Bindung an die repräsentative Architektur der Hauptstadt in Form von symbolischen und visuellen Referenzen vor Augen führt. Die Verkörperung der politischen Macht im Gartenraum und das poetische Bild dafür im Text liefert die hoch über die Gartenlandschaft aufragende Architektur des alles dominierenden Schlosses. Die Schlusspointe der Lobpreisung hebt darauf ab, dass für die volle Entfaltung der Wirkungskraft der landschaftlich-architektonischen Disposition des gesamten Ensembles allein die leibliche Anwesenheit der Zarin die wesentliche und entscheidende Voraussetzung darstellt. Erst durch ihre Präsenz in dem architektonischen Gehäuse der Macht verwandelt sich, so die Aussage des Panegyros, die Anlage in Zarskoe Selo in einen blühenden Paradiesgarten, in dem die natürliche wie künstlerische Schönheit auf einzigartige Weise zum Leben erweckt wird. Das poetisch vermittelte Erleben dieses Gartens findet schließlich seinen Gipfelpunkt in der Vision eines „zeitlosen“ Goldenen Zeitalters.5 Wenige Jahre nach Lomonosovs panegyrischer Würdigung des neuen Landschaftsgartens verfasst ein deutscher Autor in St. Petersburg ein weiteres 3
4
5
Ebd.: „Не тем ли, что везде приятности в садах И нежны зефиры роскошствуют в цветах? Или что ради вас художеств славных сила Возможность всю свою и хитрость истощила?“ Ebd.: „Или что мещет с вас златая блеск гора, Откуда видим град Великого Петра? Гора, или то дом, богам земным пристойной, К отдохновению величества спокойной?“ Ebd.: „Всех больше красит сей Екатерина край: При ней здесь век златой и расцветает рай. Она все красоты присутством оживляет, Как свет добротами и славой восхищает.“ 212
Poetischer Spaziergang
Gedicht, das dem ästhetischen Wandel in Zarskoe Selo in einer weit größeren Konsequenz Rechnung trägt. Der Schönheitspracht der Architektur und der Gartenkunst, in der die odische Tradition der Zarskoe-Selo-Dichtung bis dahin den Zustand eines poetischen Enthusiasmus gesucht und gefunden hat,6 wird bereits in der ersten Strophe eine den enthusiastischen Odenstil Lomonosovs parodierende, rhetorisch inszenierte Absage erteilt: „Nicht der güldnen Zinnen feyerliche Pracht Die fernhin einer Gottheit Sitz Verkündigt, nicht die hohen Säulen, nicht Der kunstreichen Gärten Stolz, Die dich zum Wohnplatz der Wonne erhöhn, Prächtiges Zarskoe Selo, sing ich!“
So beginnt die hier in Rede stehende Ode unter dem Titel „Zarskoe Selo“, die Johann Gottlieb Willamov zu Beginn der 1770er Jahre verfasst.7 Mit diesem programmatischen Auftakt unterstreicht der Verfasser die veränderte Semantik der zarischen Sommerresidenz. Deutlich erkennbar ist das Bestreben Wil6
7
Pogosjan spricht von der rhetorischen Figur der Begeisterung („риторическая фигура восхищения“), die Lomonosov als ein Wirkungsmittel der feierlichen Ode in seiner eigenen rhetorischen Lehre stark macht und in den odischen Texten konsequent zum Einsatz bringt. Vgl. dazu: Pogosjan, Vostorg russkoj ody, S. 92f. Johann Gottlieb Willamov, Zarskoe Selo, in: Ders., Sämmtliche Poetische Schriften. Leipzig 1779, S. 117-122. Das angeführte Zitat befindet sich auf S. 117. – Bei der hier zitierten Veröffentlichung handelt es sich um die erste, postum erschienene Werkausgabe des Autors. Diese ist aber von Willamov selbst noch durchgesehen worden. Das Entstehungsdatum der Ode ist nicht genau überliefert, als Zeitrahmen kann aber der Abschnitt zwischen 1772 (Rücktritt von dem Schuldirektorposten, den er seit seiner Ankunft in St. Petersburg 1767 bekleidet hat) und 1776 (Datierung des Vorwortes des Bandes) mit großer Sicherheit angenommen werden. Die „Sämmtlichen Poetischen Schriften“ enthalten außerdem eine andere, mit dem Jahr 1770 datierte Ode Willamovs, die dem Park in Peterhof gewidmet ist. Im vorliegenden Zusammenhang kann sie aber leider nicht eingehend analysiert werden. Siehe: Willamov, Peterhoff, in: Ebd., S. 108116. – Weitere Schriften des Autors sind: Willamov, Dithyramben. Berlin 1763; Das Teutsche Athene. Berlin 1764; Dialogische Fabeln. 1765; Spaziergänge: eine monatliche Wochenschrift für das deutsche Publikum in St. Petersburg. St. Petersburg 1772; Das hohe Vermählungsfest Ihro Kayserlichen Hoheit des Durchlauchtigsten Großfürsten und Thronfolgers des Rußischen Reiches Paul Petrowitz, mit der Durchlauchtigsten Fürstin Natalia Alexiewna gebohrnen Prinzeßin von Hessen-Darmstadt. St. Petersburg [1773]; Johann Gottlieb Willamov’s sämmtliche poetische Schriften. Karlsruhe 1783; Sämmtliche Poetische Schriften. 2 Bde. Wien 1793. – Vgl. auch die einzige existierende literaturwissenschaftliche Abhandlung: Rudolf Schreck, Johann Gottlieb Willamov (17361777): „Der deutsche Pindar“. Heidelberg 1913; und die zum größten Teil daraus kompilierte neuere biografische Darstellung: Karl Willamowius, Johann Gottlieb Willamov: Leben und Werke. Dülmen 2001. 213
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lamovs, seinen Text über Zarskoe Selo der neuen Rauminszenierung der Anlage anzugleichen. Indem er über den intermedialen Bezug zu dem Landschaftsgarten hinaus auch intertextuelle Verbindungen zu der antiken Panegyrik in der Tradition Pindars evident macht, reaktualisiert er die alten poetischen Formen in einem neuen literarischen und kulturellen Kontext analog zu der Umdeutung antiker Denkmalsformen in Zarskoe Selo im Dienste einer russisch-imperialen Erinnerungskultur. Gerade diese Memorialarchitekturen greift nämlich Willamov in der zweiten Hälfte seiner Ode auf, und zwar als einzige materielle Gestaltungselemente des Gartens überhaupt. An den Siegessäulen, die im poetischen Text gewissermaßen als Zeitindizes fungieren und auf das Gewesene und das Künftige verweisen, führt er eine sich abzeichnende Dynamisierung des Gartenraums vor. Diese Konstellation intendiert eine veränderte Wahrnehmungstechnik, die der zeiträumlichen Komplexität des Landschaftsgartens gerecht zu werden scheint. Willamovs Text zeichnet einige daraus folgende Möglichkeiten beispielhaft nach und hebt dabei die markanten Veränderungen in der kulturellen Praxis eines Gartenerlebnisses hervor: nicht Betrachten, sondern Wandeln, nicht Erkennen, sondern Empfinden und Erinnern bilden die Grundlagen einer angemessenen Haltung des Besuchers in dem Landschaftsgarten.
1. Poetisierter Garten als Fluchtpunkt verzeitlichter Sinnbezüge Die erste Strophentriade der Willamovschen Ode „Zarskoe Selo“ legt einen sich vollziehenden Wechsel an den Tag, der die topische Dimension der Gartenpoesie betrifft. In der ersten Abfolge der reimfreien, in unregelmäßiger Metrik verfassten Strophe und Antistrophe baut Willamov eine pointierte Opposition zwischen „Pracht“ und „Ruhe“ auf. Er polarisiert damit die beiden zentralen Begriffe, deren harmonisches Zusammenspiel die Poetik der Zarskoe-Selo-Oden bis dahin ausgezeichnet hat. In der darauffolgenden Epode, die sich von den beiden sechszeiligen Strophen durch die Anzahl der Verse unterscheidet, führt Willamov in das thematische Feld seiner Ode ein: „Erdrückend ist des Diadems prächtige Last! Der allzeit geschäftige Geist Angestrengt ohne Unterlaß Lechzet darunter nach erquickender Still’ einmal, Also von der Geschäfte täglichem Joch Ermüdet, sucht die große Unsterbliche Erholung ihrer erhabnen Seele würdig In ihrem geliebten Zarskoe Selo.“8
Die Ruhe im Garten – „erquickende Still[e]“ – interpretiert Willamov im Anschluss an das topische Muster eines regenerativen Retirements, eines Rück8
Willamov, Zarskoe Selo, S. 117. 214
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zugs aus dem Alltag, das die temporäre, also zeitlich markierte Aussetzung des aktiven Handelns bedeutet.9 Auf der solchermaßen akzentuierten Denkfigur des Verzichts auf jegliche Machtausübung im Garten beruht konsequenterweise der literarische Moduswechsel in der Darstellung von Zarskoe Selo. Darin kommt die Differenz zu den früheren Oden auf Zarskoe Selo zum Vorschein, die zwar ebenfalls die „Ruhe“ als Leitmotiv aufweisen, sie aber im Zusammenhang mit der Topik der friedenstiftenden Macht poetisch einlösen. Während noch bei Lomonosov die semantische Verkettung von Ruhe und Frieden als erwünschte Voraussetzung für die produktive Entwicklung der Künste und Wissenschaften die Gartengestaltung in Zarskoe Selo repräsentiert, setzt Willamov die Ruhe-Semantik in den funktionalen Kontext der Erholung und der Regeneration ein.10 Die Gartenanlage in Zarskoe Selo literarisiert er innerhalb der Ode als einen Ort, an dem sich die Monarchin von den Insignien der Macht, den repräsentativen Pflichten und der höfischen Öffentlichkeit befreien kann. Willamovs Gedicht inszeniert die Parkanlage von Zarskoe Selo als einen der Zarin bereitgestellten Raum der zurückgezogenen Einsamkeit, – freilich nur im Sinne einer höfischen Privatheit, die gleichwohl mit dem Kreis der engeren Vertrauten geteilt werden muss, – in dem die Herrscherin durch Abwandern der Gartenlandschaft und in der Atmosphäre der Kontemplation Erholung finden kann: „Fern von des Hofes wühlendem Gedränge Im Cirkel eines erwählten kleinen Gefolges Thront Catharine hier den Musen und Grazien Sich selbst allgenugsam, und eingedenk Ihrer Augenblicke kostbaren Werths Ist sie geweiht dem Denken und Empfinden. Unbelagert von Trabanten oder vom ecklen Gepränge Wandelt sie denn bey der Morgenröthe Glanz Mit vertrautem Gefolge beseeligt Durch der Gärten heilge Haine, Nachdenkend über Künftigkeiten, Und übersieht klarer in stolzer Ruh Was für große Sorgen sie erwarten, Und wie sie ihres Berufs Wink erfülle. Rings um lächeln ihr da die schattigen Gebüsche Empfindend der Göttin Wandertritt. 9
Zu der Semantik des regenerativen Rückzugs im Zusammenhang mit dem englischen Landschaftsgarten vgl. Adrian von Buttlar, Retreats or Attacks? Der Garten zwischen Arcadia und Utopia, in: Die Gartenkunst 1 (1997), S. 15-26. – Den Transfigurationen dieses Topos in der russischen Literatur ist Dmitrieva nachgegangen: Dmitrieva/Kupcova, Žizn’ usadebnogo mifa, S. 9-19. 10 Das in der ersten Epode eingeführte Thema der regenerativen Erholung, die u.a. durch empfindsame Versunkenheit als mentale Vorbereitung für künftige Taten von Nutzen ist, wird verstärkt jeweils in der zweiten, dritten und vierten Epode aufgegriffen und variiert. Willamov, Zarskoe Selo, S. 118, S. 119, S. 120. 215
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Klarer spiegelt der Teich, empfindlicher grüßt Sie der Nachtigall Morgengesang – O Sie, die Menschen beglückt, ist jedem Geschöpf Eine verehrte Gottheit, stets.“11
Indem der Autor die Person der Zarin Katharina II. als „Gottheit“ aufruft, variiert er in den letzten zwei Zeilen der dritten Strophe eine poetische Formel, die auch Lomonosov in der bereits angesprochenen Lobpreisung des Zarinnengartens verwendet hat. Die Ausstrahlungskraft der persönlichen Anwesenheit der Monarchin, die in der rhetorischen Logik der konventionellen Odendichtung stets zur Verwandlung ihrer Umgebung führt, inszeniert Willamov unter neuen Vorzeichen. Als emotionale Grundhaltung gilt in seinem Odentext die Empfindung, nicht die Begeisterung. Als soziale Disposition kommt hier die Einsamkeit zur Geltung, und nicht die imaginäre Staatsbürgergemeinschaft.12 Als privilegierte Bewegungsform erscheint schließlich nicht die Simulation eines Höhenflugs über den imaginierten Garten, sondern der Spaziergang als „wandelnde“, also nicht zielgerichtete Fortbewegung in dem sinnlich erfahrbaren Raum. Diese drei Momente – Empfindung, Einsamkeit und Spaziergang – markieren charakteristische Veränderungen in der Ästhetik und Poetik des Gartens im Verlauf des 18. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund des genannten Topikwechsels, der mit dem Funktionswandel der Gartengestaltung und der zunehmenden Verbreitung der Landschaftsgartenästhetik einhergeht, bilden sie die neuen Herausforderungen an die poetische Wiedergabe des Gartenerlebnisses.13 Die Gartenanlage in Zarskoe Selo der 1770er Jahre stellt den Dichter Willamov vor eine zusätzliche Schwierigkeit: die Sommerresidenz hat programmatisch die freien Gestaltungsformen eines Landschaftsgartens angenommen und ihren offiziellen Charakter beibehalten. Als Reaktion auf diese neue Ästhetik der naturnahen Formen der repräsentativen Gartengestaltung ist daher die semantische Trennung der „Pracht“ von der „Ruhe“ zu deuten, die Willamov in der ersten Strophentriade vollzieht. An die Stelle der poetischen Wiedergabe der prachtvollen Repräsentationsstrategien des Gartens, die den offiziellen Charakter der odischen Rede über die Residenz der Zarin traditionell evident gemacht hat, setzt Willamov auf die Entfaltung der Idee der Tugend. Diese ist in der eingeholten Topik der Erholung im Garten intendiert, wird dann im Verlauf der odischen Darstellung auf vergangene wie künftige Taten der Zarin umfassend bezogen und in der letzten, sechsten Strophentriade als ein Programm festgehalten. Die Verwandlung zum Besseren, die Her11 Ebd., S. 118-119. 12 In Bezug auf die russischen panegyrischen Oden der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts führt Pogosjan in diesem Zusammenhang programmatisch den Begriff der „kollektiven Emotionen“ ein, siehe: Pogosjan, Vostorg russkoj ody, S. 21. 13 Eine ausführliche Darstellung der Problematik des Medienwechsels (Gartenanlagen vs. Gartenliteratur) im Zusammenhang mit dem Landschaftsgarten beinhaltet das Kapitel „Gartenerlebnis und Gartenbeschreibung“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit. 216
Poetischer Spaziergang
ausbildung der „Tugend, die einst das allgemeine Glück der Welt machen wird“,14 ist dabei mit der Denkfigur der fortlaufenden Zeit eng verknüpft. Die Reflexion der Zeitvorgänge, für die bereits die Erholung im Sinne der Aussetzung der Machtausübung eine deutliche Zäsur darstellt, wird infolgedessen auf konkrete Bewegung und leibliche Raumerfahrung im Garten bezogen und zugleich auf eine moralische Verbesserung zum vollkommen Guten perspektiviert. Den Denkmälern von Zarskoe Selo weist dabei der poetische Text Willamovs eine tragende Bedeutung zu. Eine weitere Zeitdimension eröffnen neben der zeitlich gedachten Entwicklung zur Tugend die innerliterarischen Verweise, die die Ode „Zarskoe Selo“ implizit bereitstellt. Zum einen verortet sie sich, wie bereits skizziert, im Diskurshorizont zu den früheren Oden anderer Autoren über denselben Garten. Zum anderen stellt sich Willamov als Autor in die zeitlich viel weiter reichende literarische Tradition antiker Lobgesänge. Die formalen Eigenschaften seiner Ode, die unregelmäßige Metrik und reimlose triadische Strophenstruktur, weisen Analogien zu dem ersten Epinikion der Pythischen (Delphischen) Lieder von Pindar auf.15 Die Verankerung in der antiken Lite14 So eine Formulierung von Johann Georg Sulzer (1720-1779), der um 1750 an der neuen, psychophysiologischen Theorie der Empfindungen arbeitet und damit die „niederen Seelenvermögen“, also die sinnlichen Formen der (vernunftgeleiteten) Erkenntnis eingehend untersucht. Siehe: Sulzer, Untersuchung über den Ursprung der angenehmen und unangenehmen Empfindungen (franz. Erstausgabe: Berlin 1751-1752), in: Ders., Vermischte Philosophische Schriften. Aus den Jahrbüchern der Akademie der Wissenschaften zu Berlin versammelt. Leipzig 1773, S. 1-98, hier S. 92. Vgl. dazu: Wolfgang Riedel, Erkennen und Empfinden. Anthropologische Achsendrehung und Wende zur Ästhetik bei Johann Georg Sulzer, in: Hans-Jürgen Schings (Hg.), Der ganze Mensch. Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Stuttgart 1994, S. 410-439; Gabriele Dürbeck, Einbildungskraft und Aufklärung. Perspektiven der Philosophie, Anthropologie und Ästhetik um 1750. Tübingen 1998, S. 134-139, S. 195-204. – Zu den intensiven Auseinandersetzungen von Andrej Bolotov mit der Morallehre Sulzers siehe die Arbeit von Veselova, Ėstetika A.T. Bolotova, S. 117-123. – Zu den genuinen Verbindungen zwischen den ästhetischen Schriften Sulzers und der Gartenästhetik Hirschfelds vgl. die Darstellungen: Wolfgang Kehn, „Natur und Tugend führen zu Gott“. Metaphysik und Moralphilosophie in der deutschen Gartenkunst der Spätaufklärung, in: Das Gartenamt 34/Februar (1985), S. 77-82; Gamper, „Natur ist republikanisch“, S. 32-42. – Die tugendhafte Erziehung im Garten im Zusammenhang mit den pädagogischen Schriften Katharina II. steht im Mittelpunkt des Teils IV der vorliegenden Arbeit. 15 Pindar, Pythien 1, in: Ders., Epinica, hg. v. B. Snell und H. Maehler. Leipzig 1989. – Den thematischen Ausgangspunkt der Pythischen (Delphischen) Lieder Pindars bildet die Kultstätte des Musen-Gottes Apollon, des Schirmherrn der Pythischen Spiele. In Bezug auf diesen religiös-kultischen Bereich erweist sich die charakteristische Verbindung der konkreten Örtlichkeit in Delphi mit dem Mythos als bedeutsam. Als Anlass der Lobgesänge, die sich vorrangig durch einen exaltierten Stil mit wechselnden rhythmischen Charakteren auszeichnen, gilt eine personenbezogene Lobpreisung führender Politiker oder Priester in ih217
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raturtradition leistet folglich eine zusätzliche Absicherung für einen angemessen repräsentativen Impetus der poetischen Rede über Zarskoe Selo. Die intertextuell vergegenwärtigte Erinnerung an die Lobgesänge des antiken Autors legitimiert den offiziellen Charakter von Willamovs Gedicht, den eine Ode auf die Residenz der Zarin nicht abstreifen kann. Eine herausragende Bedeutung kommt der Reaktualisierung dieser literarischen Tradition der repräsentativen Auftragsdichtung jedoch insofern zu, als für die pindarischen Oden eine enge Verflechtung von lobpreisender Persönlichkeit, jüngst geschehenen Taten und konkreter Lokalität als das konstituierende Merkmal gilt. Dank dieser poetologischen Fokussierung rückt ebenfalls die Ode „Zarskoe Selo“ die Verschränkung von Person, Geschichte und Landschaft ins Zentrum ihrer eigenen textuellen Inszenierung.
rer Eigenschaft als Sieger der Großen Spiele und Wettkämpfe. Trotz dieses Auftrags, der den Charakter der repräsentativen Dichtung Pindars bestimmt, zeichnen sich seine Epinikien dadurch aus, dass darin auch der persönliche Bereich des Dichters einen angemessenen Ausdruck findet. Dieser äußert sich in einer selbstreflexiven Haltung zu der dichterischen Arbeit im Dienste der Musen und zieht stillere Töne sowie ichbezogene Gefühlsäußerungen im Text der Lobpreisung nach sich. Im 18. Jahrhundert stellen die prominentesten Auseinandersetzungen mit Pindarischen Liedern die Texte von Gryphius und Hölderlin in Deutschland, von Ben Jonson und Thomas Gray in England dar. Trotz der Präsenz der Pindarischen Lobgesänge im literarischen Diskurshorizont haben die russischen Autoren, wenn es sich um Oden über Zarskoe Selo im 18. Jahrhundert gehandelt hat, andere literarische Bezugsgrößen privilegiert. Dennoch hat Pumpjanskij im Zusammenhang mit der Dichtung Lomonosovs darauf hingewiesen, dass man bezeichnender Weise mit der ersten Pythischen, der Lobpreisung der neugegründeten Stadt Aitna am Fuße des Vulkans in Sizilien und ihrem Gründer Hieron von Syrakus gewidmeten Ode Pindars, allgemein das topische Muster der Ruhe verbindet, das für die odische Dichtung des 18. Jahrhundert von Bedeutung ist. Gemeint ist dabei wohl die vierte Antistrope und Epode (Pindar, Pythien 1, Verse 67-72). Vgl. Lev V. Pumpjanskij, Očerki po literature pervoj poloviny 18 veka, in: XVIII vek. Sbornik 1. Moskva, Leningrad 1935, S. 83-132, hier S. 111; Ders., Lomonosov i nemeckaja škola razuma, in: XVIII vek. Sbornik 14. Leningrad 1983, S. 3-44, hier S. 27, S. 34. Einen Überblick über die Antikenrezeption in der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts bietet das Buch von Georgij Knabe, Russkaja antičnost’. Soderžanie, rol’ i sud’ba antičnogo nasledija v kul’ture Rossii. Moskva 1999, S. 77-154. 218
Poetischer Spaziergang
Abb. 29. Vignette der Zeitschrift „Spaziergänge, eine moralische Wochenschrift für das deutsche Publikum in St. Petersburg“, 1772. Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Signatur MC DD ZA 152.
Neben einer legitimierenden Wiedererinnerung an die Textsorte der Epinica erlauben gerade die formalen Eigenschaften pindarischer Oden, ihr unregelmäßiger, wechselnder rhythmischer Charakter, dem Autor der Ode „Zarskoe Selo“, die Bewegung im Gartenraum und die Abwechslung der Aussichten ins Blickfeld des Lesers zu rücken und die konkreten örtlichen wie zeitlichen Bezüge der durchwanderten Gartenszenerien hervorzuheben. Der erhabene Anlass der poetischen Rede wird somit nicht in die mythologische Unzeitlichkeit entrückt, sondern mit dem Verweis auf ein Landschaftsgartenerlebnis im Text der Ode vergegenwärtigt.16 Die Ode Willamovs hat weiterhin die Würdigung des Ensembles als ihr eigentliches Ziel. Der Verfasser trägt aber
16 Diese Textstrategie markiert den deutlichen Gegensatz zu Lomonosovs Zarskoe-Selo-Oden, wo der Gartenraum von einem festen, erhöhten Standpunkt simultan erschlossen wird. Betrachtet man die Bewegung des Textes mit der zu vermittelnden Erfahrung der erhabenen räumlichen Ganzheit des Gesamtensembles in den Oden vor Willamov, so wird das Bemühen erkennbar, sowohl die Gesamtanlage als auch die einzelnen Parkarchitekturen auf eine zentrale Position zu beziehen. Wie an einer anderen Stelle der vorliegenden Arbeit bereits gezeigt worden ist, führt diese poetische Lösung weg von der Lokalität des Gartens und kulminiert in einer Überhöhung des Konkreträumlichen ins Mythische. Erzeugt wird infolgedessen die imaginative Bewegung auf Metaebene durch einen entzeitlichten Raum des Gartens. 219
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der veränderten Raumauffassung der neuen Gartengestaltung Rechnung,17 und zwar sowohl in produktions- als auch in rezeptionsästhetischer Hinsicht, indem er den Text an die Bewegungsart eines Spaziergangs im Garten anlehnt.18 Der poetische Spaziergang Willamovs führt in den umgestalteten Park und damit insbesondere zu seinen neuen Denkmälern. 17 „Der neuen Raumauffassung entspricht ein weiteres wichtiges Phänomen, nämlich eine neue Bewegungsweise und ein neues Bewegungsgefühl des Rezipienten. Im barocken tektonischen Garten bewegte man sich zielbezogen in einem hierarchischen Netzwerk festgelegter Positionen. […] ganz anders im englischen Garten, wo die Bewegung einen Eigenwert annimmt und für die Wahrnehmung konstitutiv wird.“ Buttlar, Der englische Landsitz, S. 77. 18 Neben den Garten-Oden verfasst Willamov zahlreiche Beiträge für die unter dem Titel „Spaziergänge“ in St. Petersburg erscheinende moralische Wochenschrift, die er selbst im Verlag von Johann Karl Schnoor herausgibt. (Spaziergänge, eine moralische Wochenschrift für das deutsche Publikum in St. Petersburg. 1 Jg., 25 Hefte, St. Petersburg 1772). – Auffallend ist das Titelbild der Zeitschrift, das im Vordergrund einen Verkäufer von Kupferstichen mit einem potenziellen Käufer darstellt. Diese Figurengruppe befindet sich in einer parkähnlichen Umgebung und ist direkt vor einer Gartenkleinarchitektur bzw. einem Gartendenkmal dargestellt. Von dem Gartendenkmal herunter beugt sich eine satyrähnliche Gestalt, die sich in den Vorgang der zum Verkauf angebotenen Bilderauswahl einzumischen scheint. In dem Hintergrund des Titelbildes sind drei männliche Figuren beim Spaziergang im Garten zu sehen (vgl. Abbildung 29). Das Titelbild setzt ikonografisch zwei für diese periodische Publikation Willamovs programmatische Akzente: erstens wird mit der Anspielung auf den „Dämon Capriccio“ bzw. die Laune auf die heterogene Beschaffenheit der Beiträge der Zeitschrift hingewiesen, deren einzelne Lieferungen sich aus „vermischten Betrachtungen“, also aus verschiedenen Textsorten zu unterschiedlichen Themen zusammensetzen. (Zur Personifizierung des Capriccio in der deutschsprachigen Literatur nach 1760 und der Transformation der Idee im Rahmen der Gartenbeschreibung von Pawlowsk siehe das Kapitel „Das ‚genialische Architekturstück’“ in Teil VI). Zweitens wird mit der Darstellung des Spaziergangs in einer parkähnlichen Umgebung die charakteristische Rahmung der ostentativ disparat gehaltenen Gegenstände betont. In der einleitenden „Unterredung über den Titel“ erläutert Willamov in direkter Anknüpfung an die kulturelle Praxis des Spazierengehens die Vorzüge eines imaginierten Spaziergangs für den Verfasser und für den Leser seiner moralischen Wochenschrift und begründet somit die Übertragung des Spaziergangs in ein literarisches Medium. Dabei werden die leibliche Bewegung, die literarische Unterhaltung und die moralische wie körperliche Verbesserung zu einer poetologisch legitimierten Gedankenfigur zusammengeführt: „Und da man überhaupt bey dem Spazierengehen einen doppelten Endzweck haben kann, nemlich für seine Gesundheit zu sorgen, und sich zu vergnügen: so scheinet es mir, daß dieser Titel nicht undeutlich zu verstehen gebe, daß man das lehrreiche mit dem angenehmen nach der horazischen Regel, so nahe verbinden wolle, als immer möglich.“ (Ebd., S. 5) – Vgl. zum Verhältnis von Spaziergang bzw. Gartenspaziergang und Literatur seit dem späten 18. Jahrhundert folgende germanistischen Studien: Gamper, „Die Natur ist republikanisch“ (Kapitel „Spaziergang des Textes“, S. 197-201; darin 220
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2. Literarische Vermittlung erinnerungskultureller Funktionsweise der Denkmäler im Garten Die Gartenanlage in Zarskoe Selo inszeniert Willamov in den zwei letzten Strophentriaden konsequent als einen Gedächtnisraum des gesamten russischen Imperiums, das „Nation in Nationen verwebt“ und die Völker der „Tungus’ und Ostiack’, Kirgiß’ und Kamtschadalen“19 miteinschließt. Die Denkmäler im Garten fungieren dabei als exemplarische Beispiele für die Überlieferung der Namen und für die Tradierung der Taten der herausragenden Akteure der russisch-imperialen Zeitgeschichte. Die Tschesme-Säule und der Cahul-Obelisk bewahren das Wissen über die jüngsten Ereignisse des russisch-türkischen Krieges und sollen, so die odische Aussage, dieses Wissen sowohl in dem weitläufigen Raum des Landes als auch in der Reichweite vieler Generationen seiner Bevölkerung überliefern: „Sey Du der Nachwelt unbestochner Zeuge Hievon auf ewig, Zarskoe Selo, Bewahrerin der rühmlichen Trop[h]äen Die Marmorsäulen spät bey dir verkünden. Den Helden, die fürs Vaterland Ihr Blut und Leben nicht geschont Sind sie geweiht; dir Alexei der bey Tschesme Die Seemacht Stambuls wie ein Zeus zerdonnerte, Dem edlen Bruder, der ein andrer Curtius Sein Leben für sein Volk in Händen trug; Und jenem Helden, der am Kagulstrom Mit einer Handvoll hundert tausende erlegte, Und für des Vaterlandes Wohl geschäftig, Mit ehrner Stirn noch mehr besieget hätte, Dem edlen Rumänzow, den ferne Staaten Als Feind verehrt, den Wonnegeber nannten.“20
Die memorialen Gartenarchitekturen, die hier als intentionale Erinnerungszeichen beschrieben werden, konstituieren eine aufbewahrende, verräumlichte Ordnung der Zeitgeschichte im Raum des zarischen Gartens. Auf den ersbefindet sich auch ein kurzer Hinweis auf die Zeitschrift von Willamov, S. 197, Anm. 108); Wolfgang Riedel, „Der Spaziergang“ Ästhetik der Landschaft und Geschichtsphilosophie der Natur bei Schiller. Würzburg 1989; Angelika Wellmann, Der Spaziergang. Stationen eines poetischen Codes. Würzburg 1991 (Epistemata, Literaturwissenschaft; 70). – Zum Spaziergang und Literatur aus kulturhistorischer Sicht siehe: Gudrun M. König, Eine Kulturgeschichte des Spazierganges. Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780-1850. Weimar 1996 (Kulturstudien. Bibliothek der Kulturgeschichte; Sonderband 20). 19 Willamov, Zarskoe Selo, S. 120. 20 Ebd., S. 120-121. 221
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ten Blick lässt sich darin ein scheinbar statisches, auf eindeutige Speicherung der Informationen angelegtes Modell der Gedächtnisstiftung erkennen. Mit Blick auf die semantischen Kontexte der regenerativen Ruhe zum einen und der in die Zukunft gerichteten Entwicklung zur Tugend zum anderen, die dieser Denkmal-Passage in dem Aufbau der Ode vorangehen, kann man eine dynamisch gedachte Rahmung dieses Gedächtnismodells feststellen. Das auf diese Weise signalisierte Bewusstsein für die historische Bedeutsamkeit der jüngsten Vergangenheit für die Nachwelt lässt die „Marmorsäulen“ als deutliche Zeit-Markierungen im Gartenraum erkennen. Sukzessiv zeichnet Willamov eine spezifische Funktionsweise der Denkmäler in Zarskoe Selo nach, die sich auf das kürzlich Vergangene beziehen und über die Gegenwart hinaus für die Zukunft die Erinnerung an die militärischen Erfolge bewahren sollen. In einem weiteren Schritt deuten sich in der Ode eigene Konturen einer Gedankenfigur, die die Ebene der kollektivrelevanten Ereignisse mit einer individualbiografischen Geschichte verflechten lässt. Folgt man dem Willamovschen Text, so ist diese Möglichkeit in einer empfindenden und auf Selbstvergegenwärtigung zielenden Wahrnehmung der Memorialszenerien begründet, die dem einsamen Spaziergänger auf seinem Weg durch den Garten vor Augen treten. Die erinnerungsstiftenden Implikationen einer auf Empfindung abgestellten Garteninszenierung fasst Willamov in dem Schlussteil der Ode zusammen und stellt damit eine signifikante Verknüpfung zu dem Beginn des Textes her, zu der zweiten Strophentriade, in der er eine erneuerte Semantik der regenerativen Ruhe im Garten entfaltet hat.21 Mit Blick auf die Denkmäler in Zarskoe Selo formuliert Willamov in den letzten Strophen der Ode ein poetisches Programm, das die Muster empfindender Erinnerungsarbeit und das Ideal staatspolitisch motivierte Tugend miteinander verbindet: „Süß findt sie es bey diesen Monumenten Umher zu wandeln, eingedenk der Tugend Der Helden, die für sie, und für das Vaterland Sich hingewagt; empfindsam lohnet sie Nach Griechischer Art den Muth, der für sie glüht, Und welcher Muth glüht nicht für Sie? – Steht ewig da! Denkmale stehet! Die sie geweiht erhabner Tugend, Zu ihrer Ehre steht ihr da! Der Enkel Nacheifrung seid heilig! So ist sie selbst in ihrer Ruh Stets Göttin ihres Volks, stets wachsam für sein Wohl. Ha! mehr ist hier, als güldner Zinnen Und prächtiger Säle Meisterstück! 21 Die dafür zentralen Verse der zweiten Epode lauten: „Wandelt sie denn bey der Morgenröthe Glanz/ Mit vertrautem Gefolge beseeligt/ Durch der Gärten heilge Haine,/ Nachdenkend über Künftigkeiten“ (Ebd., S. 118). 222
Poetischer Spaziergang
Zu singen. Freilich auch das gier’ge Aug Reitzen sie im Überfluß da; denn jeder sucht bewundernd Die äußre Pracht, und wird daran entzücket. Aber der Dichter, der Muse Zögling Sieht mehr, als jene, und verehrt in Zarskoe Selo Die wohlthät’ge Ruhe der Gottheit ihrer Völker.“22
Die literarisch vermittelte Gesamtszenerie des umgestalteten Zarskoe Selo fungiert also modellbildend sowohl für prospektive wie retrospektive Modi der Vergegenwärtigung, die sich paradigmatisch zwischen der erinnerungskulturellen Wirkung von Denkmal und Poesie als Ausdruck des Subjektiven bewegt. Die Ode Willamovs führt vor, dass im Text die Zeitlichkeit und die damit zusammenhängende Prozesshaftigkeit und Medialität der Erinnerung sowohl beschrieben als auch reflektiert werden. Gerade aus den ständigen impliziten wie expliziten intermedialen Referenzen, die zwischen der Textualität der Gartendichtung und der Räumlichkeit des Gartens bzw. der Dinglichkeit der Architektur konstituiert werden, entsteht innerhalb des Gedichts eine selbstreflexive Spannung. Der literarische Garten erweist sich daher bei näherer Betrachtung als ein dynamischer, polysemantischer und polyfunktionaler Ort der Erinnerung. Fokussiert man den Blick auf das Wechselverhältnis zwischen Gartenliteratur und Gartengestaltung, lassen sich einige Rückschlüsse über die Denkmäler in Zarskoe Selo in Hinblick auf ihre spezifische Funktionsweise ziehen, die eine sich abzeichnende Entwicklung dieses Gartens zum Gedächtnisort vorbereitet. Die memorialen Gartenstaffagen, die in den 1770er Jahren für Zarskoe Selo entworfen werden, zitieren die Formsprache der „Denkmäler der alten klassischen Baukunst“.23 Die Obelisken, Siegessäulen und Triumphbögen werden für einen symbolisch bedeutsamen Raum gebaut; in diesen hineingesetzt, verkörpern sie sichtbare Zeichen der Vergangenheit. Ihre Präsenz im Hier und Jetzt der Gartenlandschaft erzeugt eine evidente Signalwirkung für eine notwendige Erinnerungsarbeit, die erst der jeweiligen Szenerie ihre eigentümliche Bedeutung verleiht. In einer der Natur angenäherten Umgebung angesiedelt, initiieren die antiken Denkmalsformen allerdings eine produktive, aktualisierende Interpretation, deren Ziel es ist, einen kontinuierlichen Zusammenhang zwischen einem historischen Zeichen in der Gegenwart und einem Zeitpunkt der Geschichte in der Vergangenheit herzustellen. Die freie Gartenlandschaft suggeriert dabei eine freie, erinnernde Assoziationsfindung;
22 Ebd., S. 121. 23 Vgl. die Charakterisierung der Arbeitsweise von Rinaldi: „Er ist einer derjenigen, die wieder anfingen, ihr Augenmerk auf die Denkmäler der alten klassischen Baukunst zu richten, und in eigenen Werken die Formen derselben in Anwendung zu bringen.“ (Art. Rinaldi, in: Georg K. Nagler, Neues allgemeines Künstlerlexikon oder Nachrichten von dem Leben und den Werken der Maler, Bildhauer, Baumeister, Kupferstecher, Lithographen, Formschneider, Zeichner, Medailleure, Elfenbeinarbeiter etc. München 1843, Bd. 13, S. 198.) 223
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der Garten als politisches Symbol bestimmt jedoch die Wahl der Erinnerungskultur, in deren Wissenshorizont die aktualisierende Sinnstiftung stattfinden soll. Die neuen memorialen Architekturen in Zarskoe Selo erscheinen zwar äußerlich von der allegorisch-repräsentativen Lesart einer Gartenskulptur befreit, die von ihnen ausgehende Sinnstiftung wird dennoch nicht dem Zufall überlassen. Im Fall der intentionalen Erinnerungszeichen in Zarskoe Selo sorgen darüber hinaus die Denkmal-Inschriften für die Steuerung der Signifikation. Die an den Denkmälern angebrachten Erläuterungen stellen den eigentlichen singulären Bezug zu einem der aktuellen Ereignisse der russischen Zeitgeschichte her.24 In diesem Sinnhorizont werden die beiden Siegessäulen – Tschesme und Cahul – im Text der Ode verortet. Im Raum des Gartens trägt die Materialität der zu deutenden Erinnerungszeichen (zusätzlich zu der Sprache der Inschriften, die die antiken Formen der Memorialarchitekturen in neuen Kontexten verräumlicht und verzeitlicht) ihrer „lokalen“ Vereinnahmung bei. In Zarskoe Selo äußert sich dieser Zusammenhang in der Verwendung genuin eigener Baumaterialien, dem innovativen Einsatz von unterschiedlichen „sibirischen“ Marmorsorten. Für eine breitenwirksame Bekanntmachung der zaristischen Gartenbaupolitik, die augenfällig auf die Ressourcen aus dem eigenen Land zurückgreift, ob es sich um Bepflanzung oder um Baumaterialien handelt, werden mit der Unterstützung der Zeitungen bereits die Transporte der fertiggestellten Säulen vom Ural nach St. Peterburg zu einem spektakulären Ereignis inszeniert. Die Staffagen mit den Memorialarchitekturen antiker Provenienz bringen einen der innovativen Aspekte der neuen Gartengestaltung zum Ausdruck, indem sie eine produktive Art der Umdeutung der antiken Formen exemplarisch vorführen und die Entstehung einer durch eigentümliche Natur und Geschichte geprägten verzeitlichten Gartenlandschaft zum Ausdruck bringen. Sie markieren aber auch eine der zentralen Ambivalenzen innerhalb der Ästhetik des Landschaftsgartens: zwar wird die Signifikation der Zeichen von allzu eindeutigen Zuschreibungen befreit und eine aktualisierende und erfindende Erinnerungsarbeit gefordert, doch wird diese nicht ausschließlich der individuellen Sinnfindung überlassen, sondern mit einem medienübergreifenden Einsatz gesteuert und stabilisiert.25 Die Denkmäler in Zarskoe Selo wirken daher zugleich innovativ und traditionsstiftend. Sie modifizieren und 24 In diesem Zusammenhang sei auf weitere Oden Willamovs hingewiesen, die die Ereignisse des russisch-türkischen Krieges (1768-1774) zum Gegenstand haben: „Auf Eroberung von Chotyn“ (S. 130-132), „Auf die Seeschlacht bei Tschesme“ (S. 137-140, S. 141-143), „Auf die Schacht von Kagul“ (S. 133-136). Hier die Seitenangaben nach: Willamov, Sämmtliche Poetische Schriften (1779). 25 Dieser Zusammenhang wird in der Gartenliteratur des 18. Jahrhunderts vorrangig anhand der Benutzung der Inschriften im Landschaftsgarten problematisiert: Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 3, S. 154-169; Bolotov, Obščee zamečanie g[ospodina] Giršvel’da o nadpisjach, in: Ėkonomičeskij magazin 29 (1787), S. 363-367. – Vgl. die Darstellung der deutschsprachigen Diskussion in dem Kapitel „Die rezeptiven Vermögen“ der Monografie von Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 201-214. 224
Poetischer Spaziergang
erneuern den semantischen Vorrat des kollektiven Gedächtnisses: so verweist hier eine Rostrum-Säule nicht auf die punischen Kriege oder auf das entsprechende Denkmal am Forum Romanum, sondern erinnert an den Grafen Aleksej Orlov (1737-1807) und die von ihm strategisch geleitete Seeschlacht bei Tschesme.26 Indem die Gartenarchitekturen aber die memoriale Funktion der Siegessäulen als Denkmal gezielt aktualisieren, tragen sie zu der Herausbildung eines kollektiven Selbstverständnisses, einer gemeinschaftsbildenden Identität bei: das zu erinnernde Ereignis, wie die Schlacht am Fluss Cahul unter der Führung von Graf Pëtr Rumjancev (1725-1796), wird hier als ein Bestandteil der gemeinsamen Zeitgeschichte einer bestimmten sozialen Formation hervorgehoben und bekommt im Rahmen russisch-imperialer Erinnerungskultur eine historische Bedeutsamkeit zugesprochen. Die textbasierte Arbeit an einer identitätsstiftenden Traditionserfindung steht im Wechselverhältnis zu den Bildmedien der Erinnerung. Unter den bildlichen Darstellungen von Zarskoe Selo, die verschiedene Szenerien des Landschaftsgartens thematisieren, nehmen zwei Gemälde von Vladimir Borovikovskij (1757-1825) eine herausragende Stellung ein. Es handelt sich um zwei Ganzkörperporträts von Katharina II., die die Zarin beim Spaziergang in Zarskoe Selo darstellen. Die Besonderheit der beiden gleichbetitelten Porträts besteht darin, dass der Maler zwei unterschiedliche Gartenansichten mit einem jeweils anderen Denkmal als Hintergrund für die weitgehend identisch bleibende Personendarstellung gewählt hat. Die Handbewegung der spazierenden Zarin deutet auf dem ersten Gemälde von 1794 auf die TschesmeSäule im Parkbezirk des Großen Teiches hin. Auf der späteren, zweiten Variante des Porträts, das um 1810 entstanden ist, weist ihre Hand auf ein anderes Denkmal, den Cahul-Obelisk hin, der sich in dem Eigenen Garten von Zarskoe Selo befindet. Die wechselnden Gartendenkmalansichten der beiden Gemälde lassen sich nachgerade als eine Illustration zu Willamovs odisch inszeniertem Spaziergang durch den Park in Zarskoe Selo betrachten. (Abb. 30) Eine relativ hohe Verbreitung findet seit den 1820er Jahren das zweite Gemälde mit dem Cahul-Obelisk als Stich des Graveurs Nikolaj Utkin (17801863).27 In dem kulturellen Gedächtnis bleibt dieses Motiv bis heute dank der Puškin-Forschung erhalten, denn bekanntlich ist in der Auseinandersetzung mit diesem Stich die Gartenszene in Zarskoe Selo aus der Novelle „Die Kapitäns-Tochter (russ. Kapitanskaja dočka, 1836) entstanden.28 26 Interessant ist die Tatsache, dass zu den medienpolitischen Strategien im Zusammenhang mit diesem Ereignis auch ein Gemälde-Auftrag an Jakob Philipp Hackert gezählt werden muss. (Untergang der türkischen Flotte in der Schlacht von Tschesme, 1771, Öl auf Leinwand, 162 x 220 cm, Staatliches Museum Eremitage, St. Petersburg, Inv. Nr. II. 1772). 27 Nikolaj I. Utkin (Stich)/Vladimir Borovikovskij (Gemälde): Porträt von Katharina II, 1827, Druck auf Papier, 66,5 х 50 сm. 28 Puškin, Kapitanskaja dočka, in: Ders., Polnoe sobranie sočinenij v 10 tomach. Bd. 6: Chudožestvennaja proza. Leningrad 1978, S. 258-370 (Kapitel 14, S. 357359). 225
Russisch Grün
Zu den konstituierenden Eigenschaften der Gartenstaffagen mit memorialem Hintergrund, die seit den 1770er Jahren in Zarskoe Selo entstehen, zählt die Tatsache, dass sie eine eigene Erinnerungskultur des Ensembles zu konstruieren vermögen und auf diese Weise zu einer neuen Traditionsstiftung beitragen, und zwar in doppelter Hinsicht: Sie erscheinen mustergebend für eine produktive Erinnerungsarbeit im Landschaftsgarten und fungieren identitätsstiftend für historisch konkrete soziale Formationen. Die Dynamik einer solchen Erinnerungskultur, die sich im Spannungsfeld verinnerlichter, staatlich legitimierter Gedächtnisstiftung und subjektiver Vergegenwärtigung bewegt, vermögen insbesondere literarische Texte über Zarskoe Selo zu externalisieren. Die besondere Leistung der Gartenliteratur lässt sich darin erkennen, dass sie nicht nur eine topische Dimension der Überlieferung medienspezifisch zum Ausdruck bringt, sondern darüber hinaus gewisse literarische Muster einer individualisierten Selbstvergegenwärtigung zu vermitteln vermag.29 Auf der sinnlichen Wahrnehmung basiert die Entfaltung von Subjektivität,30 die unter Einbezug individualbiografischer Erfahrung das Erleben der Gartenlandschaft im Sinne einer neuen Kulturpraxis einführt. Dieses neue Moment einer Erinnerungsarbeit aus der Empfindung der memorialen Gartenarchitektur heraus hält für Zarskoe Selo erstmals die Ode Willamovs fest. Das Thema der Erinnerungslandschaft dieser Gartenanlage wird im späten 18. Jahrhundert von Gavriil Deržavin in seinen Gedichten „Spaziergang in Zarskoe Selo“ (russ. Progulka v Carskom Sele, 1791)31 und „Ruinen“ (russ. Razvaliny, 1797) weiter herausgearbeitet.32
29 Siehe dazu: Adrian von Buttlar, Gedanken zur Bildproblematik und zum Realitätscharakter des Landschaftsgartens, in: Die Gartenkunst 2 (1990), S. 7-19; Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 114-173 (Kapitel „Visualiät“). – Eine ausführlichere Darstellung in Hinblick auf den russischen Gartendiskurs (erläutert am Beispiel des Landschaftsgartens in Pavlovsk) enthält Teil VI der vorliegenden Arbeit. 30 Eine medizinisch und philosophisch fundierte Theorie der Subjektivität aus der sinnlichen Wahrnehmung heraus hat zu dem hier verhandelten Zeitpunkt in Deutschland Ernst Platner formuliert. Vgl. Ernst Platner, Anthropologie für Ärzte und Weltweise. (Nachdruck der Ausgabe: Leipzig 1772. Mit einem Nachwort von Alexander Košenina). Hildesheim 1998; Ernst Bergmann, Ernst Platner und die Kunstphilosophie des 18. Jahrhunderts. Leipzig 1913. 31 Zuerst anonym veröffentlicht in: Moskovskij žurnal 3 (1791), S. 125ff. Vgl. Deržavin, Progulka v Carskom Sele, in: Ders., Sočinenija, hg. v. Jakov Grot, Bd. 1, S. 423-427. 32 Die Erstveröffentlichung erfolgte im Ausland als Sonderdruck im Auftrag des nach Sachsen emigrierten Aleksej G. Orlov. Vgl. Deržavin, Razvaliny, in: Ebd., Bd. 2, S. 92-101. 226
Poetischer Spaziergang
Abb. 30. Vladimir Borovikovskij (1757-1825): Katharina II. auf dem Spaziergang in Zarskoe Selo, Öl auf Leinwand. Links (mit der Tschesme-Säule im Hintergrund): 1794, 94,5x66 cm. Moskau, Tret’jakovskaja Galereja, Inv. Nr. 5840. Rechts (mit dem Cahul-Obelisk): um 1810, 99x68 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Russkij Muzej.
Im 19. Jahrhundert ist es Aleksandr Puškin, dessen Gedicht mit dem Titel „Erinnerungen in Zarskoe Selo“ (russ. Vospominanija v Carskom Sele, 1815) die literarische Erinnerungskultur dieses Gartens fortführt und auf eine markante Weise transformiert. Der mit historischen Erinnerungszeichen aufgeladene Landschaftsgarten erscheint in Puškins lyrischem Text als Raum poetischer Imagination, deren Topografie in einem subjektiven Erinnerungsakt erschlossen wird. Der Garten in Zarskoe Selo fungiert damit als Ort der literarischen Sprachfindung, die sich zwischen Erinnerung und Poesie vollzieht.33 Von Willamov über Deržavin bis hin zu Puškin lässt sich in den Gedichten zu Zarskoe Selo beobachten, wie jeweils die poetischen Textstrategien das semantische Gedächtnis modifizieren, die Gruppenzugehörigkeit bei beibehaltener Erinnerungsfunktion immer wieder neu konstituieren und dabei ein Subjekt und ein kollektives Ganzes als Differenz und zugleich eine harmonische Einheit in der Gartenlandschaft präsentieren.
33 Vgl. zu den erinnerungskulturellen Folgen dieser literarischen Entwicklung das Kapitel „Genius loci in Zarskoe Selo“ in Teil I der vorliegenden Arbeit. 227
Russisch Grün
Abb. 31. Semën Ščedrin (1745-1804): Zarskoe Selo (Ansicht der Tschesme-Säule), ca. 1790, Öl auf Leinwand, 91x126 cm. Moskau, Tret’jakovskaja Galereja.
Zu Beginn der 1770er Jahre führt Willamov mit seiner Ode „Zarskoe Selo“ auf eine exemplarische Weise vor, wie die Idee einer moralischen Verbesserung durch Verinnerlichung der in der gestalteten, schönen Natur angesiedelten Vorbilder umfassend von den Strategien der absolutistischen Machtrepräsentation vereinnahmt werden kann. Auf der Folie der Umgestaltung der Anlagen in Zarskoe Selo zu einem Landschaftsgarten wird deutlich, dass die Naturalisierung der äußeren Formen und die Subjektbezogenheit ihrer Wahrnehmung dem totalisierenden Anspruch des allseitigen improvements,34 der auch im Dienste der russisch-imperialen Erinnerungskultur erfolgreich gestellt wird, eine neue Qualität verleihen. Die Einübung in die subtilen Formen der Selbstdisziplinierung wird im folgenden Kapitel anhand der ästhetischen Erziehung im Garten und ihrer Literarisierung im Gartenpoem „Aleksandrova Dača“ ausführlicher betrachtet.
34 Einige Problemlagen im englischen Diskurs des ausgehenden 18. Jahrhunderts hat Rees exemplarisch erörtert, siehe Joachim Rees, Regeneration und Repression. Ein Beitrag zur Pathognomik des Gartens um 1800, in: Ananieva/Hoefer, Der andere Garten, S. 359-384. 228
Poetischer Spaziergang
Teil IV
Erziehung und Beschreibung: Wirkungsästhetische und edukative Strategien in Bezug auf die Gartenanlage Alexandrowa Datscha
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Den engen Verflechtungen von pädagogischen Intentionen und einer gartenspezifischen Wirkungsästhetik wird im ausgehenden 18. Jahrhundert im Projekt des Landschaftsparks Alexandrowa Datscha (dt.: Datscha Alexanders) ein eigenes Denkmal gesetzt. Das Programm einer allgemeinen Verbesserung des Menschen, das mit der Addisonschen „tabula rasa“ in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einen bildhaften Ausdruck gefunden hat und mit wachsendem Bewusstsein für die Komplexität der Sinneseindrücke sich in zunehmendem Maß als problematisch erweist, findet dennoch eine pointierte Anwendung bei der Erziehung der Jugend. Zwei Aspekte sind in diesem Zusammenhang zu unterstreichen. Erstens lassen sich in dem exemplarischen Fall der Alexandrowa Datscha die gartengestalterischen Strategien im Rahmen der aktuellen pädagogischen Diskussion verorten. Zu dem Entstehungszusammenhang der Gartenanlage gehören nämlich die pädagogischen Schriften von Katharina II., die im Folgenden aus dem Blickwinkel der deutschsprachigen Publizistik vorgestellt und in Verbindung zu den avancierten Methoden der Philanthropine gebracht werden. Zweitens erlaubt der beinahe einzigartige literarische Hintergrund der Alexandrowa Datscha, eines Gartens, der nicht nur auf einen Märchentext zurückgeht, sondern darüber hinaus die Entstehung eines eigenen Gartenpoems hervorgerufen hat, die Frage der medialen Vermittlung zwischen Garten und Text aufzuwerfen. Im Fokus literarischer Darstellungstechniken werden daher die Wechselwirkungen zwischen räumlicher Gartengestaltung und ihrer poetischen Wiedergabe erläutert und in Hinblick auf die rekonstruierbaren Techniken eines Gartenspazierganges als einer imaginierten und einer erlebbaren Bewegung zum Ideal der Tugend befragt.
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1.
1. Entstehungszusammenhang der Gartenanlage
Bei der Alexandrowa Datscha handelt es sich um eine Gartenanlage, die in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts als ein Garten für den Zarewitsch Aleksandr Pavlovič (1777-1825), dem späteren Zaren Alexander I., entworfen und gebaut wird. Der Garten grenzt an Pawlowsk, den Landschaftspark der Eltern Alexanders, der Großfürsten Pavel Petrovič und Marija Fëdorovna, fünfundzwanzig Kilometer südlich von St. Petersburg gelegen. Bereits die Geschichte des Parks Pawlowsk ist mit Aleksandr Pavlovič verbunden. Das Landstück macht die Zarin Katharina II. ihrem Sohn und dessen zweiter Gattin zum Geschenk aus Dankbarkeit über die Sicherung der Stammhalterschaft, anlässlich der Geburt des ersten Sohnes des Großfürstenpaares. Alexander ist gerade einmal fünf Jahre alt, als man mit dem Bau der Gartenanlage Alexandrowa Datscha beginnt, und auch das gartenästhetische Konzept ist, wie im weiteren Verlauf der Ausführungen deutlich werden wird, auf eine spezifische Weise mit der Kindheit des Zarewitsch verflochten. Der künftige Thronfolger (Regierungszeit: 1801-1825) bleibt aber nicht lange Besitzer der Anlage. Mit 16 Jahren wird er verheiratet, damit gilt auch seine Erziehung als abgeschlossen. Die Gartenanlage geht in private Hände über; und zwar interessanterweise an einen der Erzieher Alexanders, den Fürsten Nikolaj I. Saltykov (1736-1816).1 1
Siehe zu Alexandrowa Datscha: Sočinenija Deržavina, s ob’jasnitel’nymi primečanijami Ja. K. Grota, 9 Bde. Sankt-Peterburg 1864-1883, Bd. 1, S. 129131, S. 795; Michail Semevskij, Pavlovsk. Očerk istorii i opisanie 1777-1877. Sankt-Peterburg 1877 [Reprint 1997], S. 81-84; Dmitrij Švidkovskij, Ot Aleksandrovoj dači do Aleksandrovskogo dvorca. „Tema Aleksandra“ v architekture sagorodnych dvorcov „pozdnej“ Ekateriny, in: Voprosy iskusstvoznanija 4 (1994), S. 335-357; Natalja Grjaznova, Nravstvennye kategorii v sadovoparkovom ansamble Aleksanrovoj dači, in: Istorija sadov, pod red. D. O. Švidkovskogo, Vyp. 1. Moskva 1994, S. 44-54; Vadim Nesin/Galina Sautkina, Pavlovsk imperatorskij i velikoknjažeskij 1777-1917. Sankt-Peterburg 1996, S. 25-32; Vergunov/Gorochov, Vertograd, S. 212-213; Andrej Tatarinov, Skazka Ekateriny II „O careviče Chlore“ i eë architekturnaja illjustrazija – Aleksandrova dača pod Pavlovskom, in: Ekaterina Velikaja. Epocha rossijskoj istorii. SanktPeterburg 1996, S. 277-280; Borisova, Russkaja architekrura v ėpochu roman233
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Die unmittelbare Verbindung zu den herausragenden Mitgliedern des russischen Zarenhauses, namentlich Katharina II. und Alexander I., die direkte Nachbarschaft zu Pawlowsk, einem der berühmtesten russischen Landschaftsparks, und schließlich die Korrespondenz zu einer viel diskutierten Ode des russischen Schriftstellers Gavriil Deržavin, die als Antwort auf ein von Katharina II. verfasstes Märchen entstanden ist, haben dazu beigetragen, dass die Gartenanlage Alexandrowa Datscha inzwischen zu einem der am häufigsten erwähnten Gärten in den Arbeiten zu verschiedenen Bereichen der russischen Kulturgeschichte zählen kann. Dennoch kommt man nicht umhin, diesen Landschaftspark als einen hortus minor zu bezeichnen.2 Der Referenzzusammenhang mit prominenten Themen, der auf den ersten Blick eine gewisse Prominenz der Gartenanlage erwarten lassen sollte, hat bei genauer Betrachtung im Gegenteil eher zu deren Marginalisierung beigetragen und bewirkt, dass der Garten Alexandrowa Datscha konsequent an den Rand des jeweiligen Untersuchungshorizontes ausgelagert wurde. Auch im engeren Zusammenhang des russischen Gartendiskurses spielt diese Gartenanlage eine untergeordnete Rolle; eine der Öffentlichkeit zugängige architekturhistorische Studie, die Auskunft über den Verlauf der Bauarbeiten und der formalen Gestaltung geben könnte, steht bis heute aus.3 Sogar über den Namen des Architekten hat man in der Kunstgeschichte lange Zeit nur gemutmaßt.4 Die
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tizma, S. 35, S. 37; Boris Januš, Neizvestnyj Pavlovsk. Sankt-Peterburg 1997, S. 97-104. Die folgenden Ausführungen arbeiten einen von mir bereits veröffentlichten Aufsatz mit dem Titel „’Alexandrowa Datscha’: Literarisches Erziehungsprogramm und seine Umsetzung im Garten“ aus (erschienen in: Ananieva/Hoefer, Der andere Garten, S. 101-124). Anna Matveevna Charlamova hat die ersten architekturhistorischen Vorortuntersuchungen auf dem Gebiet der Gartenanlage Alexandrowa Datscha im Rahmen ihres Dissertationsvorhabens über die russische Landsitzarchitektur des späten 18. Jahrhunderts durchgeführt. Die Arbeit ist in Moskau im Jahr 1965 abgeschlossen worden, ist aber leider unpubliziert geblieben. Teilergebnisse der Untersuchung hat Charlamova in einer gemeinsamen Publikation über Architekturprojekte L’vovs veröffentlicht: Marija V. Budylina/Ol’ga I. Brajсeva/Anna M. Charlamova, Architektor N.A. L’vov. Moskva 1961. Die bislang neueste topografische Bestandsaufnahme hat Semënova zwischen 1995 und 1996 unternommen und in einer ebenfalls unveröffentlichten Studie 1998 erfasst (Galina V. Semënova, Aleksandrova Dača [Manuskript], KGIOP, P 253, N-4754). Auf ihre Untersuchungsergebnisse weist die Forscherin in folgendem Aufsatz hin: Galina V. Semënova, Aleksandrova Dača v kul’turnom landšafte Carskogo Sela i Pavlovska, in: Boris M. Sokolov (Hg.), Tema ruin v kul’ture i iskusstve. Moskva 2003, S. 133-147, S. 144, Anm. 8. Dort finden sich zudem erstmals genaue Angaben zu dem topografischen Plan der Gartenanlage, der von dem Landvermesser Vasilij Priluckoj erstellt worden ist und auf die 1790er Jahre datiert werden kann (RGIA, f. 485, op. 3, d. 596, l. 2). Die heute verbreitete Meinung über die Autorschaft Nikolaj L’vovs basiert maßgeblich auf den bereits erwähnten Untersuchungen von Anna Charlamova. Die bis dahin herrschende Auffassung hat die Entstehung der Gartenanlage auf den 234
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neuesten Forschungen gehen davon aus, dass für die Ausführung der Arbeiten Nikolaj L’vov (1753-1803) zuständig war, ein Mann, der inzwischen zu den wichtigsten Gestalten der russischen Gartenkunst am Ende des 18. Jahrhunderts gezählt wird.5 Entsprechend den zeitgenössischen gartentheoretischen Überlegungen vertritt Nikolaj L’vov, der gartengestalterisch, literarisch und künstlerisch tätig war, die Position der Rücksichtnahme der Gartenprojekte auf klimatische und historische Besonderheiten des Landes. Seine zahlreichen, vor allem auf den Landgütern der Twerschen Gegend realisierten Bauvorhaben zeugen von der Prämisse einer harmonischen Verbindung der Pläne eines Gartenarchitekten mit den charakteristischen Gegebenheiten einer Landschaft. L’vov tritt als einer der prominenten russischen Verfechter des Landschaftsgartens auf, wobei er sich auch unter bestimmten Voraussetzungen für den gezielten Rückgriff auf Elemente des regulären Stils ausspricht.6
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Architekten Charles Cameron zurückgeführt. Vgl. Vladimir N. Taleporovskij, Čarls Kameron, Moskva 1939; Michailovskij I.B., Pavlovsk: istorikoarchitekturnaja monografija, 1937-1939 [Manuskript], NMIIS KGIOP, Nr. 1242). – Laut Charlamova haben die Bauarbeiten vermutlich zwischen 1782 und 1789 stattgefunden (vgl. Budylina/Brajсeva/Charlamova, Architektor L’vov, S. 17-18 und S. 91-94). Das Ende der Bauarbeiten datiert sie auf der Grundlage eines Plans von Pawlowsk von 1789, auf dem das Gebiet der Datscha als „Saltykovskaja“ bezeichnet wird (Ebd., S. 91, Anm. 1.) - Auf diese Attribution und Datierung beziehen sich die neueren Darstellung des Architekturnachlasses L’vovs: Andrej Tatarinov, Architekturnye raboty N.A. L’vova, in: Nikolaj A. L’vov, Ausgewählte Werke/Izbrannye sočinenija, hg. v. Konstantin Lappo-Danilevskij. Köln, St. Petersburg 1994, S. 371-394 (Bausteine zur Slavischen Philologie und Kulturgeschichte, NF Bd. 7). Siehe zu L’vov: Budylina/Brajсeva/Charlamova, Architektor N.A. L’vov; Natalija I. Nikulina, Nikolaj L'vov. Leningrad 1971; Aleksandr N. Glumov, N. A. L'vov. Moskva 1980 (Serija „Žizn’ v iskusstve“); Nikolaj A. L’vov, Ausgewählte Werke/Izbrannye sočinenija, hg. v. Konstantin Lappo-Danilevskij; Ders., Ital’janskij dnevnik/Italienisches Tagebuch, hg. v. Konstantin Lappo-Danilevskij. Köln 1998. – Die Impulse einer neuen, umfassenden Aufarbeitung des künstlerischen und literarischen Nachlasses L’vovs kommen in der letzten Zeit verstärkt aus Twer (russ. Tver’), der Universitäts- und Hauptstadt des Kreises, in dem der Familienstammsitz des Künstlers, Tscherenzy (russ. Čerency), liegt. Auch die neuerdings von Galina Dmitrieva veröffentlichte Richtigstellung der Angaben zu dem Geburtsjahr L’vovs verdankt man einer im Jahr 2001 an der Universität Twer durchgeführten Tagung. Die Ergebnisse dieser neueren Forschungsbemühungen umfassen inzwischen vier Bände: Michail Stroganov (Hg.), Genij vkusa: Nikolaj A. L’vov. Materialy i issledovanija. Tver’ 2001 (Bd. 1-2), 2003 (Bd. 3), 2005 (Bd. 4). Eine der zentralen Quellen für die gartengestalterischen Ansichten von L’vov stellt die Projektbeschreibung für eine Moskauer Gartenanlage des Grafen Bezborodko dar, für den L’vov 1783-1784 auch als Architekt der St. Petersburger Datscha tätig gewesen ist. (L’vov, Kakim obrazom dolžno by bylo raspoložit’ sad knjazja Bezborodki v Moskve, in: Ders., Ausgewählte Werke, S. 316-325; Erst235
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Von der Alexandrowa Datscha ist heute, nach verschiedenen Umgestaltungen unter mehreren wechselnden Besitzern im 19. Jahrhundert, nach der zeitweiligen Praxis der Verpachtung und Vermietung der Gartenanlage als private Sommerdatscha, und schließlich nach der Zerstörung während und nach dem Zweiten Weltkrieg, nur noch ein Pavillon in äußerst ruinösem Zustand erhalten. Die noch kaum erkennbare Ruine und die erhaltenen Teile des verwilderten Landstückes des Gartens lassen viel Spielraum für Mutmaßungen über sein einstiges Aussehen im 18. Jahrhundert. Wesentlich besser ist die literarische Geschichte der Alexandrowa Datscha dokumentiert. Neben der eingangs bereits erwähnten Ode Deržavins sind es insbesondere zwei literarische Texte, die einen engen Bezug zu der Parkanlage aufweisen: Das „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ (1781), ein Text, der fast zeitgleich in russischer und deutscher Sprache veröffentlicht worden ist und vermutlich als Vorlage und Vorwand für den Garten gedient hat, und eine poetische Gartenbeschreibung, das Poem „Aleksandrova“ (1793) von Stepan Džunkovskij.7
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veröffentlichung: German G. Grimm, Proekt parka Bezborodko v Moskve. Materaly k izučeniju tvorčestva N. A. L’vova, in: Soobščenija Instituta istorii iskusstv 4-5 (1954), S. 107-135.) – Zu der lange Zeit vernachlässigten Frage nach der verlässlichen Attribution der architektonischen Kunstwerke L’vovs siehe: Aleksandra Ju. Veselova, Atribucija architekturnych pamjatnikov N. A. L’vova (predvaitel’nyj svod), in: Stroganov, Genij vkusa, Bd. 3, S. 217-236. – Eine umfassende Darstellung des architektonischen Werks des Künstlers bietet die neue L’vov-Monografie von Nikitina: Alla B. Nikitina, Architekturnoe nasledie N. A. L’vova. Sankt-Peterburg 2006. Gerade die poetische Gartenbeschreibung Džunkovskijs muss gewöhnlich als einziges umfassendes Zeugnis für den nicht mehr existierenden Garten herhalten. Die schwierige Lage der kaum verfügbaren Quellen zu der Baugeschichte der Gartenanlage und die im Gegensatz dazu sehr reiche Materiallage der auf den Garten bezogenen literarischen Texte haben meist die Verfasser der Studien über die Alexandrowa Datscha dazu verleitet, auf der Grundlage der literarischen Quellen und ihrer Abbildungen eine topografische Rekonstruktion des Gartens vorzunehmen, wobei die in Text und Bild vermittelten Details als realitätsgetreue Dokumentationen der Raumgestaltung vorausgesetzt wurden. Im Folgenden werden dagegen sowohl das Bildmaterial, das dem Gartenpoem „Aleksandrova“ als Illustration an die Seite gestellt worden ist, als auch das „Märchen von Zarewitsch Chlor“ und das Gartenpoem selbst als jeweils selbstständige Objektivationen mit jeweils eigener medialer Logik und Geschichte behandelt. Diese gilt es, erst im intermedialen Wechselverhältnis zu einander und sodann zu der Gartenanlage in ihrer plurimedialen Beschaffenheit hin zu untersuchen. Einen weiteren literarischen Text zu Alexandrowa Datscha stellt das Gedicht von Vasilij A. Žukovskij unter dem Titel „O divnoj roze bez šipov“ von 1819 dar. Dieses Gedicht ist zu Lebzeiten nicht gedruckt worden, kann aber trotzdem als semi-öffentlich bezeichnet werden, da es für das Album des Pavillon des Roses in Pawlowsk geschrieben worden und dadurch in die literarische Kommunikation des Salons der Zarenwitwe Marija Fëdorovna eingeflossen ist. Der lyrische Text zählt zu den sogenannten Pawlowsk-Gedichten Žukovskijs und bietet 236
Entstehungszusammenhang der Gartenanlage
Abb. 32. Nikolaj L’vov (1753-1803): Alexandrowa Datscha bei Pawlowsk, Entwurfzeichnung. BAN, fond byvšego Alupkinskogo dvorca, SO Nr. 3/arch. čert. 433.
weitreichende Anknüpfungspunkte im Zusammenhang mit der Gartenpoetik des Autors (vgl. dazu das Kapitel „Inneres Sehen“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit), kann aber an dieser Stelle nicht weiterverfolgt werden. Siehe: Vasilij A. Žukovskij, O divnoj roze bez šipov, in: Ders., Polnoe sobranie sočinenj. Bd. 2: Stichotvorenija 1815-1852 godov. Moskva 2000, S. 174 (Kommentar: S. 569570). 237
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2. „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ (Katharina II.) in der deutschsprachigen Publizistik (Bacmeister, Heyne) „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts wendet Katharina II. beträchtliche Mühen auf, die Methoden der Kindeserziehung in Russland in Anlehnung an die pädagogischen Zielvorstellungen der europäischen Aufklärung zu beeinflussen. Bestrebungen, eine tiefgreifende Reform des Bildungs- und Schulwesens umzusetzen, stützt sie durch die Bereitstellung eines umfassenden Korpus von pädagogischer Literatur, und zwar fiktionalen wie nicht-fiktionalen Charakters. Diese Musterbibliothek, die vor allem als Handreichung für eine neue Generation von Erziehern gedacht ist, entsteht unter der persönlichen Aufsicht der Zarin und ist, – und das ist durchaus bemerkenswert, – zu einem guten Teil sogar von Katharina selbst verfasst. Ihre Bestrebungen um die Reform des Erziehungswesens schließen auch ein besonderes Augenmerk auf die Erziehung der Thronfolger ein, was sich daran ablesen lässt, dass sie mit großer Sorgfalt auf ein ausgefeiltes und stimmiges Erziehungsprogramm für ihre Enkel Alexander und Konstantin achtet. Einen beinahe unmittelbaren Einblick in die Details der praktischen Prinzenerziehung und in die selbstgeäußerten pädagogischen Ansichten Katharina II. erlaubt ihr Briefwechsel mit dem Großfürstenpaar während deren Europareise 1781-1782.1 So berichtet sie im April 1782 über die neuen Kinderbücher, die sie dem fünfjährigen Alexander Pavlovič zur Lektüre gibt: „dasjenige, womit sich Ihr ältester Sohn beschäftigt (der sich ebenfalls wie der jüngere in bestem Zustand befindet), ist die Geografie Russlands, die ihn auf wunderbare Weise fasziniert; Großmutter hat ihm ein kleines Buch verschafft, das eine Reise durch das russische Imperium darbietet und mit moralischen Kindermärchen ganz nach seinem Geschmack gefüllt ist; und man kann sagen, dass er das alles gierig verschlingt und schon das dritte Buch liest; das ist seine Bibliothek.“2 1 2
Teilveröffentlichung in: Sbornik russkago istoričeskago obščestva 9 (1872), S. 64-194. Katharina II., Brief an das Großfürstenpaar Marija Fëdorovna und Pavel Petrovič aus Zarskoe Selo vom 25. April 1782, abgedruckt in: Sbornik russkago istoričeskago obščestva 9 (1872), S. 141: „celle, dont est doué Votre fils aîné (qui de même, que le cadet se porte parfaitement bien), nous l’exerçons présente239
Russisch Grün
Eigens für die Erziehung ihrer Enkel verfasst Katharina u.a. zwei Märchen, „Das Märchen vom Zarewitsch Fewei“ (russ. Skazka o Careviče Fevee) und „Das Märchen vom Zarewitsch Chlor“ (russ. Skazka o Careviče Chlore“). Letzteres soll hier näher betrachtet werden. Dem fast zeitgleichen Erscheinen des „Märchens“ in einer deutsche Übersetzung, die zuerst in der Zeitschrift „Neues St. Petersburgisches Journal“ veröffentlicht wird, folgt eine beträchtliche deutschsprachige Resonanz.3 Hartwig Ludwig Christian Bacmeister bespricht das „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ in seiner deutschsprachigen Zeitschrift „Russische Bibliothek, zur Kenntnis des gegenwärtigen Zustandes der Literatur in Rußland“, die gleichzeitig in St. Petersburg und Leipzig erscheint. Dieser Rezension aus dem Jahr 1782 entstammt die folgende Inhaltsangabe:4 „Das Märchen von dem Tzarewitsch Chlor [...] betrift den schönen, klugen und lebhaften Prinzen Chlor, der als ein Kind von einem Kirgisischen Chan entführet wurde. Um dessen berühmte Klugheit auf die Probe zu stellen, gab der Chan ihm den Auftrag, die Rose ohne Dornen zu suchen. Der Prinz machte sich in Begleitung des Jünglings Verstand auf den Weg, und erfuhr nach langem Suchen, daß die Rose ohne Dornen, die Tugend sey, und daß sie auf dem Gipfel eines nahen Berges wüchse. Bald begegnete ihnen ein alter Mann und eine alte Frau (die Rechtschaffenheit und die Wahrheit), die ihnen ihre Stäbe anboten, um sich darauf zu stützen (und eben dieser Auftritt ist auf der Kupfertafel abgebildet.) Also fand Chlor endlich die Rose
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ment à merveille sur la géographie de la Russie; grand maman lui a procuré un petit livret, qui fait le tour de l’Empire de Russie, farci de contes moraux d’enfants fort à son goût, et l’on peut dire qu’il lit cela avidement, voilà le troisième livret, qu’il gobe; c’est sa bibliothèque à lui.“ – Im Zusammenhang von Buch, Garten und verräumlichtem Wissen sei auf die Forschung von Jean-Marc Besse hingewiesen. Besse betont die signifikante Bedeutung der sogenannten „geografischen Gärten“ im Prozess der Verräumlichung des Denkens, der für den Aufschwung der Pädagogik zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert charakteristisch ist. Zu der Anwendung seiner Forschungsergebnisse für die historische Gartenkunst siehe den Sammelband: Monique Mosser/Philippe Nys (Hg.), Le Jardin, art et lieu de mémoire. Besançon 1995. Das Märchen vom Zarewitsch Chlor, in: Neues St. Peterburgisches Journal 4 (1781), S. 75-92. – Einen Einblick in die Rezeptionsprozesse der russischen Literatur allgemein in der deutschsprachigen Publizistik dieser Zeit gewährt die Untersuchung von Grasshoff: Helmut Grasshoff, Russische Literatur in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung. Die Propagierung russischer Literatur im 18. Jahrhundert durch deutsche Schriftsteller und Publizisten. Berlin 1973 (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik; 59). Russische Bibliothek, zur Kenntnis des gegenwärtigen Zustandes der Literatur in Rußland, hg. v. Hartw[ig] Ludw[ig] Christi[an] Bacmeister, Mitglied der Königl[ichen] Deutschen Gesellschaft in Göttingen und der freyen Russischen Gesellschaft in Moskau und der freyen ökonomischen in St. Petersburg. St. Petersburg, Riga und Leipzig, Bde. 1 (1772) -11 (1789). Die Zeitschrift erscheint im Verlag von Johann Friedrich Hartknoch. 240
„Märchen vom Zarewitsch Chlor“
auf dem Gipfel des Berges, und brachte sie dem Chan, der ihn zu seinen Eltern zurück schickte.“5
Bacmeister legt in seiner zusammenfassenden Wiedergabe des Märcheninhalts eine emblematische, den allegorischen Charakter des Textes betonende Lesart nahe, vernachlässigt dabei allerdings die auf eine emotive Wirkung abzielende Grundstruktur der Erzählung. Bacmeisters Wahrnehmung wird wenig später von Christian Gottlob Heyne in den „Göttingischen Gelehrtenanzeigen“ teilweise korrigiert. Heynes Rezension bezieht sich auf die mittlerweile bei Friedrich Nicolai in Berlin erscheinende und auf acht Bände angelegte „Bibliothek der Großfürsten Alexander und Konstantin“, die in den beiden ersten Bänden die Zarewitsch-Märchen Katharinas enthält: „Die Lehren für die kleinen Prinzen, Enkel der großen Kaiserin, sind in den durch die Natur bestimmten Stufen des Kindesalters durchgeführt, der Fassungskraft und den wachsenden Einsichten angepaßt, bildervoll eingekleidet, und mit einer edlen, einfachen, wirksamen Moral begleitet; die immer wieder auf die großen Grundsätze zurückkehrt, die das Leben leiten und richten müssen; dabey ist die Abwechslung und Mannigfaltigkeit nicht vergessen; kurze Lehren für Sitten und Leben, Erfahrungssätze, russische Sprüchwörter, wechseln ab mit Erzählungen und Allegorien, eingekleidet in das Gewand von Mährchen, wie Kinder sie gern hören. Dahin gehört Prinz Chlor, der geschickt wird, die Rose ohne Dornen zu suchen, die nicht sticht; es ist die Tugend mit Unschuld; anmuthig erdichtet ist das Mährchen vom Zarewitsch Fewei. [...] Bald siehet man sich überrascht mit geographischen, historischen, statistischen Notizen, welche sich durch Gemeinnützigkeit, Kürze und Mannigfaltigkeit empfehlen. Der Umfang der hiezu erforderlichen Kenntnisse nahm uns oft nicht weniger Wunder, als die zweckmäßige Wahl, die Kürze und der treffende Ausdruck mit der edlen Einfalt.“6
Eine ganze Reihe der Elemente, die für das „Chlor-Märchen“ Katharinas bedeutsam sind, werden in der Rezension Heynes benannt. Rein erzieherische Aspekte wie das Prinzip des spielerischen Lernens, die Berücksichtigung von Natürlichkeit und Kindgemäßheit bei der Wissensvermittlung, die Verfestigung eines moralischen Wertekanons durch beispielhaft agierende Identifikationsfiguren etc. werden in einer Weise erzählt, die eine bewusste Reflexion auf Fragen des Stils erkennen lässt. Die Frage nach der spielerischen Aneignung des Wissens durch die Lektüre zieht sich wie ein roter Faden ebenfalls durch die bereits erwähnten Briefe Katharinas II. an das Großfürstenpaar. Dabei übernimmt sie argumentativ die Rolle einer verantwortungsvollen Großmutter, bringt die Sorgen um eine angemessene Lektüre für ihre kleinen Enkel zum Ausdruck und berichtet den abwe-
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Bacmeister, Russische Bibliothek 8 (1783), Teil 1-2, S. 54-55. [Christian Gottlob Heyne], Rez. Bey Fr[iedrich] Nicolai: Bibliothek der Großfürsten Alexander und Konstantin, in: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen 125. Stück/ den 9. August (1787), S. 1259-1263, hier S. 1261. 241
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senden Eltern kommentierend von den ersten Lese- bzw. Büchererfahrungen Alexanders und Konstantins: „Ihre Kinder sind beide gesund und wir sind dabei, für den Ältesten ein kleines Lesebuch zusammenzustellen; denn er bitten nachdrücklich und schreit regelrecht nach Büchern; er beschäftigt sich mit allem, was er findet, und weil er nichts versteht, befürchte ich, wenn man ihm keine passende Lektüre nach seinen Bedürfnissen verschaffen wird, er für lange Zeit entmutigt sein wird.7 […] Alexander wird durch seine Lektüren stark eingenommen; ich habe ihm ein kleines Buch mit einem Dutzend Kindermärchen über kluge und nicht kluge Kinder besorgt, die eine hervorragende Wirkung erzielt haben; er liest sie und liest sie immer wieder und richtet sich nach ihnen; er ist höflich, gehorsam ganz genau wie Constantin; dieser eifert seinem Bruder nach, und das macht ihn zu einer sehr angenehmen Person.“8
Abwechslung und Mannigfaltigkeit, Anschaulichkeit und Lebhaftigkeit der Texte aus der „Bibliothek der Großfürsten Alexander und Konstantin“, resultieren zwar aus den reformpädagogisch motivierten Vorgaben, sind aber abgeleitet aus den ästhetischen Kategorien des Schönen und Erhabenen, sowie des Pittoresken. Allegorisch deutbare Märchenelemente werden in einen an der Tradition des russischen Volksmärchens, der Skazka, ausgerichteten Erzähltext überführt, der auch Momente des Wunderbaren und Rätselhaften enthält. Die rationale Deutungsebene wird mit einer auf intuitive und emotive Wirkung ausgelegten Erzählweise kombiniert, die sowohl eine emblematische Lesart im Sinne Bacmeisters zulässt, als auch eine gefühlsorientierte Rezeptionshaltung evoziert, wie man sie bei Heyne angedeutet findet. Das „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ beginnt folgendermaßen: „Vor Kii’s des Fürsten von Kiew Zeiten, lebte, und war in Rußland ein Zar und guter Mann, der die Wahrheit liebte, und allen Leuten wohl wollte; er durchreiste oft seine Provinzen, um zu sehen wie die Leute lebten, und erkundigte sich überall, ob sie recht thun.“9
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Katharina II., Brief an das Großfürstenpaar aus Petersburg, 25. Februar 1782, in: Sbornik russkago istoričeskago obščestva 9 (1872), S. 124: „Vos enfants se portent parfaitement bien tous les deux, et nous sommes àprés eux à rassembler un petit livre de lecture pour l’aîné, qui à corps et à cris demande des livres pour lire; il s’empare de tous ce qu’il trouve, et comme il n’y comprend rien, je crains que si on ne lui fournira pas des lectures à sa portée, il en sera découragé pour longtemps.“ Dies., aus Petersburg, 10. März 1782, in: Ebd., S. 127: „Alexandre est fort occupé de ses lectures; je lui ai fait avoir un petit livre avec une douzaine de contes d’enfants sages et non sages, qui ont fait un excellent effet; il les lit et les relit et se règle après; il est poli, obéissant, guai de même que Constantin; celui-ci imite son frère, et c’est un très-plaisant personnage.“ Katharina II., Das Märchen vom Zarewitsch Chlor. Berlin 1782, S. 7. 242
„Märchen vom Zarewitsch Chlor“
Bereits der erste Satz macht das Märchen als fiktionalen Erziehungstext erkennbar. Die Verortung der Märchenhandlung in eine Region an der südlichen Peripherie des russischen Reiches sowie die Ansiedlung des Erzählstoffes in einer Art goldenen Vorzeit der russischen Geschichte schaffen eine räumliche und zeitliche Distanzierung und eröffnen damit einen Spielraum für die Verwendung des Textes in einem edukativen Zusammenhang. Die erzieherischen Absichten im Sinne einer aufklärerischen Reformpädagogik sind leicht erkennbar. Der Text will eine generelle Neugier an der russischen Geschichte wecken, bzw. Querbezüge zu einem bereits auf dem Gebiet der Geschichte erworbenen Wissensstand ermöglichen, entsprechend der in Katharinas pädagogischen Schriften angewandten Methode, fiktionale und nicht-fiktionelle Erziehungstexte aufeinander zu beziehen. Weiterhin soll durch das Märchen das Interesse des Zarewitsch auf die südlichen Provinzen des Reiches gelenkt werden, die in Katharinas politischem Kalkül eine große Rolle spielen.10 Schließlich wird im Eingangssatz des Märchens noch deutlich, dass der Zarewitsch dazu angeregt werden soll, das Vorbild des guten Zaren zu verinnerlichen und dessen Tugenden nachzueifern. Die Vorteile der hier skizzierten Situierung liegen auf der Hand: die räumliche Distanzierung erweist sich als geeigneter Kunstgriff, da sich dadurch nicht nur die Gelegenheit ergibt, eine bestimmte Provinz des Reiches emotional im Bewusstsein des Zarewitsch zu verankern, sondern auch die Möglichkeit eröffnet, exotisch-wunderbare Elemente11 in die Märchenhandlung einzuflechten. Von Anfang an wird Chlor als Identifikationsfigur für Alexander und seinen jüngeren Bruder Konstantin aufgebaut. Auf einer der im Eingangssatz des Märchens erwähnten Visitationsreisen, die der „gute Zar“ in Begleitung der Zarin unternimmt, wird der Zarewitsch, dem man den Namen Chlor gibt, geboren. Bereits während der Feierlichkeiten zu der Geburt des Thronfolgers machen es kriegerische Unruhen notwendig, dass der Zar, begleitet von der Zarin, mit seinen Truppen in den Krieg ziehen muss. Chlor bleibt unter der Obhut von klugen und in der Erziehung geschickten Ammen und Erziehern zurück und wächst ohne Eltern auf. Die Parallele zu der eigenen Lebenssituation der unmittelbaren Adressaten ist bewusst hergestellt. Die Trennung des Thronfolgers von den leiblichen Eltern aus Gründen der Staatsräson sollte allerdings nicht zu sehr psychologisiert werden, angesichts 10 Im Zusammenhang mit dem Namen des Zarewitsch Chlor könnte man u.a. folgende Deutungen zulassen: Chloris (als griechische Bezeichnung für Flora) oder Chlorus (als Beiname des Begründers der konstantinischen Dynastie). Im Rahmen des Griechischen Projekts Katharinas II. soll Flavius Valerius Constantinus I. als Namensvorbild für ihren Enkel Konstantin Pavlovič gedient haben. Zu dem Griechischen Projekt vgl. Andrej Zorin, Russkaja oda konca 1760 – načala 1770 godov, Vol’ter i „grečeskij proekt“ Ekateriny II., in: Novoe literaturnoe obozrenie 24 (1997), S. 5-29. 11 Vgl. zu der Theorie des Wunderbaren: Friedmar Apel, Die Zaubergärten der Phantasie. Zur Theorie und Geschichte des Kunstmärchens. Heidelberg 1978. 243
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dessen, dass das Verfahren durchaus gängige Praxis im absolutistischen Staatswesen darstellte. Allerdings beginnt eine Problematisierung mit der zunehmenden Intimisierung der Verwandtschaftsbeziehungen auch innerhalb der Herrscherfamilie, wie sie etwa von Marija Fëdorovna befördert wird. Man kann daher wohl ein Element der Rührung in der Rezeption des „Märchens“ seitens der beiden Zarewitsche annehmen, wodurch eine emotionale Identifikation mit dem Märchenhelden stattgefunden haben dürfte. Zu den von den Eltern getroffenen Vorkehrungen zum Wohle des zurückgelassenen Zarewitsch gehört auch die Sicherstellung eines seiner Entwicklung förderlichen Ambientes: „[...] das Haus worinnen der Zarewitsch Chlor wohnte, war zwar nicht von sibirischem Marmor und Porphir, aber sehr gut und bequem eingerichtet. Hinter den Zimmern waren Gärten angelegt, mit fruchtbaren Bäumen, neben welchen gegrabene Teiche mit Fischen die Gegend verschönerten; Lusthäuser nach dem Geschmack verschiedener Völker, von welchen die Aussicht sich weit umher über Felder und Thäler verbreitete, vermehrten den Reiz dieses Wohnsitzes.“12
Die in der Parklandschaft skizzierten Elemente der Mannigfaltigkeit und des Stilpluralismus dürften beim zeitgenössischen Leser die Assoziation zu Teilen von Katharinas eigener Gartenanlage am Sommersitz in Zarskoe Selo geweckt haben, wo Katharina u.a ein Dorf im chinesischen Stil hatte errichten lassen.13 Die günstigen Rahmenbedingungen für die Perfektibilität der natürlichen Anlagen Chlors tragen Früchte, denn in der Tat reift ein idealer Prinz heran, dessen äußere Schönheit seinen herausragenden inneren Qualitäten entspricht. Die Begehrlichkeiten, die die Kunde von den hervorragenden Eigenschaften Chlors bei einem kirgisischen Chan weckt, sind das auslösende Moment für die weitere Handlung des Märchens. Die Motive für das Verhalten des Chans bleiben allerdings unklar und rätselhaft und grundieren den weiteren Handlungsverlauf mit einer latenten, beunruhigenden Spannung. Allenfalls in Konturen wird erkennbar, dass eine merkwürdige Mischung aus Neid und Neugierde, ausgelöst durch die ideale Tugendhaftigkeit Chlors, ihn antreibt, sich der Person Chlors zu bemächtigen. Zunächst versucht er, mit falschen Höflichkeiten, Schmeicheleien und Bestechung an sein Ziel zu gelangen, und als diese Mittel nicht fruchten, lässt der Chan ihn schließlich gewaltsam entführen. Unvermittelt sieht sich Chlor daher aus dem vertrauten Garten in die Welt der wilden Steppe und in das Filzzelt des Chans versetzt. Offensichtlich um sich der dem Zarewitsch nachgesagten Tugendhaftigkeit zu vergewissern, stellt der Chan ihm die Aufgabe, nach der Rose ohne 12 Katharina II, Das Märchen vom Zarewitsch Chlor, S. 9-10. 13 Ich verzichte an dieser Stelle auf Auflistung der umfangreichen Publikationen zu dem Thema und verweise auf eine zuletzt von Marcus Köhler unternommene Interpretation des chinesischen Dorfes in Zarskoe Selo: Köhler, „...thinking himself the greatest gardener in the world“, S. 187-191. 244
„Märchen vom Zarewitsch Chlor“
Dornen, die nicht sticht, zu suchen. Hier nun beginnt die eigentliche Quest im Stile der literarisierten Abenteuerreisen, wie man sie aus der europäischen Aufklärungsliteratur kennt. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Auftritt einer Ratgeberin, Felica genannt, erwähnenswert, die in ihrer Konzeption auf die Rolle Katharinas als großmütterliche Ratgeberin für die Thronfolger verweist.14 Die etablierte ikonografische Stilisierung Katharinas als russische Minerva15 macht sich Katharina als Autorin des Märchens zunutze und inszeniert sich im „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ als Mentorin, analog der Figur der in der Gestalt Mentors auftretenden Minerva in François de Salignac de La Mothe Fénelons (1651-1715) Erziehungsroman „Les Aventures de Télémaque. Suite du quartrième livre de l’Odyssée d’Homer“.16 Damit wird das Märchen als russische Telemachiade lesbar, was Katharina als Adaptorin französischer Erziehungsliteratur interessant werden lässt. Darüber hinaus, und darauf kommt es in dem noch zu erörternden Zusammenhang an, führt die Linie der moralphilosophischen Prinzenerziehung mittels Literatur, die Fénelon als Erzieher des Dauphins am Hofe von Ludwig XIV. in der Tradition des Fürs14 Zu der Verbreitung und der Etablierung dieser Rolle in der zeitgenössischen Rezeption und damit zu der Gleichstellung Felicas mit Katharina II. hat Deržavins gleichnamige Ode maßgeblich beigetragen, die 1783 anonym in der Zeitschrift „Sobesednik ljubitelej rossijskogo slova“ erschienen ist. 15 Vgl. dazu Susan Tripton, Die Russische Minerva. Katharina die Große und die Ikonografie der Aufklärung, in: Katharina die Große. Ausst.-Kat. Museum Fridericianum Kassel, 13. Dezember 1997 - 8. März 1998. Kassel 1997, S. 73-90; Wortman, Scenarios of Power. Bd. 1, S. 110-168. – Zu der Minerva-Ikonografie bei der Inszenierung von Fürstinnen grundlegend: Ruprecht Pfeiff, Minerva in der Sphäre des Herrscherbildes: von der Antike bis zur Französischen Revolution. Münster 1990. 16 Offizielle Erstausgabe erschien 1717; davor schon seit 1699 in ungenehmigten Fassungen mehrfach verbreitet. – Die russische Adaption des Romans hat Vasilij Trediakovskij (1703-1768) in Versform verfasst und mit einem eigenen Traktat über epische Dichtung versehen: Vasilij K. Trediakovskij, Tilemachida ili Stranstvie Telemacha Syna Odisseeva opisannoe v sostave iroičeskija piimy […] s Francuzskija nestichoslovnyja reči sočinennyja Franciskom de-Salin’njakom de-la-Motom Fenelonom […]. 2 Bde. Sankt-Peterburg 1766; darin enthalten: Pred’’iz’’jasnenie ob iroičeskoj piime, Bd. 1, S. I-LXIV. Der Rückgriff auf das Motiv von Mentor und Telemach ist im 18. Jahrhundert ebenfalls im Rahmen der Bildungsreisen, der Grand Tour, die unter anderem zu den berühmten europäischen Gartenanlagen führten, verbreitet gewesen. Ein Beispiel dafür bietet das folgende Doppelporträt, das vor dem Reiseantritt in Auftrag gegeben worden ist: Johann Valentin Tischbein, Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha und sein Erzieher Ulrich von Thun als Telemach und Mentor, ca. 1747 (Gotha Schlossmuseum Friedensstein). Für diesen Hinweis danke ich Joachim Rees. Vgl. Joachim Rees/Winfried Siebers, Erfahrungsraum Europa: Reisen politischer Funktionsträger des Alten Reichs 1750 – 1800. Ein kommentiertes Verzeichnis handschriftlicher Quellen. Berlin 2005 (Aufklärung und Europa; 18). 245
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tenspiegels fortsetzt, zu einer neuen unterhaltenden Belehrung im Garten, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts auf seinem Roman aufbaut. Als zwei prominente Beispiele für die Engführung des literarischen Telemach-Stoffs mit der Gartengestaltung gelten in erster Linie Lietzenburg (besser bekannt als Charlottenburg) von Sophie Charlotte von Preußen und Sanspareil von Wilhelmine von Bayreuth. Ist der Bayreuther Felsengarten der Schwester Friedrich des Großen nach seiner Fertigstellung 1749 eher einer ludistischen Schauer-Ästhetik verpflichtet,17 so steht der frühere Fall von Lietzenburg, ein Ort, an dem auch Gottfried Wilhelm Leibniz verweilte,18 „für den Einsatz des Romans in der frühneuzeitlichen Prinzenerziehung.“19 Als einzigartiges Zeugnis für diesen Zusammenhang gilt die „Conversation sur le livre de Télémaque“, ein Text,
17 Im Mittelpunkt der Wirkung von Sanspareil als einer Telemach-Inszenierung, die in den zeitgenössischen Gartenbeschreibungen betont wird, steht ein als „Insel der Kalypso“ genannter Hain, dessen Höhepunkt das Ruinen- und Grottentheater (1743-1746) bildet. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die Bayreuther Gartenstaffagen jedoch weniger durch Fénelons moralphilosophische Intentionen, als durch „Le Telémaque travesti“ von Pierre de Marivaux inspiriert. Siehe dazu: Gerhard Pfeiffer, Markgräfin Wilhelmine und die Eremitage bei Bayreuth und Sanspareil, in: Archive und Geschichtsforschung. Studien zur fränkischen und bayerischen Geschichte. Neustadt a.d. Aisch 1966, S. 109-221; Sylivia Habermann, Bayreuther Gartenkunst. Die Gärten der Markgrafen von Brandenburg-Culmbach im 17. und 18. Jahrhundert. Worms 1982, S. 147-172; Mechthild Habiger/Helke Kammerer-Grothaus, Les Aventures de Télémaque: ein literarisches Programm für den markgräflichen Felsengarten in Sanspareil und die klassizistische Bildtapete von Dufour (Paris 1823), in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 51 (1997), S. 179-194. 18 Die Briefe von Sophie Charlotte über ihre Begegnungen mit Peter I. dienen Leibniz als eine der ersten Quellen über die Person des neuen russischen Zaren. Sie ist am 8. August 1697 gemeinsam mit ihrer Mutter, Sophie von Hannover, auf Schloss Coppenbrügge mit Peter I. zusammengetroffen. (Hinweis darauf ist enthalten in: Ines Böger, „Ein seculum … da man zu Societäten Lust hat“. Darstellung und Analyse der Leibnizschen Sozietätspläne vor dem Hintergrund der europäischen Akademiebewegung im 17. und frühen 18. Jahrhundert. 2 Bde. München 2001, Bd. 2, S. 168, Anm. 93.) Ausführliche Darstellung der russlandbezogenen Projekte Leibniz’ siehe ebenfalls bei Böger: Ebd., Bd. 1, S. 456-487. 19 Iris Wenderholm, Extrait de Télémaque. Zur Verwendung von Fénelons „Aventures de Télémaque“ in der Prinzenerziehung am Berliner Hof um 1700, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 43 (2002), S. 381-389, hier S. 381. – Vgl. auch: Wenderholm, Gelehrsame Spaziergänge. Zur Rezeption von Fénelons Roman „Les Aventures de Télémaque“ am Hofe der Sophie Charlotte, in: Aspekte der Kunst und Architektur in Berlin um 1700, hg. v. der Generaldirektorin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Potsdam 2002, S. 37-47. 246
„Märchen vom Zarewitsch Chlor“
Abb. 33. Antoine Trouvain (1656-1708): „La Reine de Prusse“ (Darstellung von Sophie Charlotte als französisches Modeporträt), nach 1701, Kupferstich, 36,3x24,1 cm. SPSG, Plankammer, Kunstblattsammlung 218.
der auf Veranlassung von Sophie Charlotte im Jahr 1700, vermutlich von Antoine Teissier, verfasst worden ist.20 Die „Conversation“ gibt eine fiktive Unterhaltung zwischen Sophie Charlotte und Friedrich Wilhelm wieder, die im Garten von Lietzenburg angesiedelt ist.21 Die zukünftige preußische Königin
20 Volker Kapp, „Conversation sou le livre de Télémaque“, in: Dis-Huitième Siècle 14 (1982), S. 221-229. 21 Wenderholm, Katalogbeitrag zu Kat. I, 81 [Antoine Teissier (?), Conversation sur le livre de Télémaque. Entre la R. & le P.R., angebunden an: Fénelon, Avantures de Telemaque, fils d’Ulysse, ou Suite du Quatrième Livre de l’Odyssée d’Homer, servant d’Instruction à Monseigneur le Duc de Bourgogne. Berlin 1721], in: Sophie Charlotte und ihr Schloss. Ein Musenhof des Barock in Bran247
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(„la Reine“) ermuntert dabei ihren zwölfjährigen Sohn („le Prince Royal“) zur Lektüre und Nachahmung der Telemachiade: „Diejenigen, die Zeuge dieser Unterhaltung waren, glaubten, Minerva hätte Telemach nur verlassen, um in die Gärten von Lützenburg zu kommen und dem jungen Prinzen von Brandenburg Überzeugungen einzugeben, die Minerva selbst und dem berühmten Geschlecht, dem der Prinz entstammt, würdig sind.“22
An dieser Stelle sollen abschließend drei Sachverhalte kurz benannt werden. Erstens lässt sich Katharinas Erziehungsprogramm in einem gewissen Sinne als eine Fortführung der bereits bestehenden Tradition der Prinzenerziehung und der entsprechenden Literatur, genauer gesagt deren Reformulierung für spezifisch russische Verhältnisse, rekonstruieren. Als eine signifikante Veränderung erscheint die Tatsache, dass nicht ein mit der Erziehung beauftragter Gelehrter, sondern die regierende Monarchin selbst als Verfasserin der pädagogischen Schriften für den Thronfolger auftritt. Zweitens lässt die aktualisierende Wiedererinnerung an die Fénelonschen pädagogischen Maximen die Vermutung zu, dass die von Fénelon in seiner Schrift „Réflexions sur la Grammaire, la Rhétorique, la Poétique et l’Histoire“ (1715) propagierten erzählerischen Stilmittel der malerischen Anschaulichkeit für die Herausbildung des Erzählstils Katharinas eine Rolle gespielt haben könnten. Drittens erlauben die überlieferten Beispiele der Verknüpfung eines Erziehungsromans mit dem Garten als Ort der Erziehung, den spezifischen Transformationen dieser Verknüpfung am Ende des 18. Jahrhunderts nachzugehen. In Bezug auf das Gartenprojekt Alexandrowa Datscha, so die These der weiteren Überlegungen, handelt es sich um eine komplexe Inszenierung des Erziehungsprozesses zur Tugend im Verlauf eines inszenierten Gartenspaziergangs, der sich nicht mit den emblematischen Weichenstellungen und symbolischen Lesarten begnügt, sondern ein umfassendes auf Imagination aufbauendes Wirkungsprogramm entfaltet.
denburg-Preussen. Ausst.-Kat. Schloss Charlottenburg. München 2000, S. 219220. 22 Antoine Teissier (?), Conversation sur le livre de Télémaque, hier zitiert in der Übersetzung von Iris Wenderholm: Wenderholm, Kat. I, 81, S. 220. – Ein weiteres Zeugnis der an den französischen Diskurs anknüpfenden Prinzenerziehung am preußischen Hof bieten die vermutlich zur gleichen Zeit, also noch im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, entstandenen zehn kartuschenförmigen Tafeln mit Telemach-Szenen in den östlichen, dem Garten zugewandten Räumen des Schlosses. Vgl. Wenderholm, Katalogbeitrag zu Kat. IV. Die östlichen Paraderäume [Raum 120], in: Ebd., S. 332. 248
3.
3. „Vergnügen für Gedanken und Auge“: Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
1. Gartenraum und pädagogische Intentionen der Jugenderziehung Das Beispiel der Rezensionen von Bacmeister und Heyne führt anschaulich vor, dass das „Märchen von Zarewitsch Chlor“ bzw. die pädagogische Belletristik Katharinas im Grunde auf ähnliche Weise diskutiert wird, wie die zeitgleich geführte Diskussion um den Gartenstil, und es sei hier nur am Rande darauf hingewiesen, dass Christian Gottlob Heyne in dieser Zeit nicht nur die Zarewitsch-Märchen Katharinas, sondern auch die Gartentheorie Hirschfelds im „Göttingischen Magazin“ bespricht. Die Nähe des Märchens zu der zeitgleichen Gartendebatte wird aber auch bereits im Text selbst hergestellt, insofern gärtnerische Tätigkeiten als Erziehungsfaktor inhaltlich ebenso präsent sind wie Gärten und gartenähnliche Naturszenerien als Handlungsorte des Märchens. Die enge Verflechtung von Garten und Erziehung im Diskurs der deutschen Aufklärungspädagogik mag dazu beigetragen haben, dass die Rezeption der Zarewitschmärchen Katharinas in deutschsprachigen Publikationsorganen ohne Zeitverzug und in einem beachtenswerten Ausmaß vonstatten geht. Für den Zusammenhang mit dem Projekt Alexandrowa Datscha, d. h. der Anlage eines Erziehungsgartens in Anlehnung an das „ChlorMärchen“ Katharinas genügt es daher, auf zwei für die Konzeption relevante Texte hinzuweisen, die in Russland präsent sind und die auch zeitlich in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erscheinen des Märchens und dem Entstehen der Gartenanlage zu bringen sind. Eine besondere funktionale Bedeutung in der Erziehung weist dem Garten Christian Cay Lorenz Hirschfeld in dem Kapitel „Gärten bey Akademien“ im 5. Band seiner „Theorie der Gartenkunst“ zu.1 Damit wird der Diskussionsstand der Aufklärungspädago1
Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 74-78. – Die Verbreitung seiner Schriften in Russland hat zeitgleich sowohl in der deutschen Original-Ausgabe als auch in französischer Übersetzung von Friedrich von Castillon (Leipzig 1779-1785) und in russischer Übersetzung, die Andrej Bolotov besorgt und in seiner Zeitschrift „Ėkonomičeskij Magazin“ verbreitet hat (Moskva 1780-1789), 249
Russisch Grün
gik zu erzieherischen Vorteilen von Gartenanlagen reflektiert. Von August Hermann Francke (1663-1727)2 bis hin zu Johann Bernhard Basedow (17241790) zeichnet sich eine programmatische Entwicklung ab, in der den Gärten im Zusammenhang mit Erziehungseinrichtungen eine entscheidende Rolle zukommt.3 Praktische Gartenarbeit und Gartenkunst werden in das Erziehungsprogramm des Philanthropismus integriert. Auf die enorme Bedeutung, die der Beschäftigung mit Garten und Gartenarbeit für die Erziehung von Prinzen und Prinzessinnen zukommt, hat Basedow in einem seiner vielbeachteten Bücher, dem „Agathokrator: oder von der Erziehung künftiger
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stattgefunden. Das in der L’vov-Forschung als verschollen gegoltene Exemplar der „Theorie der Gartenkunst“ aus der Bibliothek Nikolaj L’vovs hat vor kurzem Boris Sokolov in den Beständen der wissenschaftlichen Bibliothek des Moskauer Gosudarstvennyj Muzej Izobrazitel’nych Iskusstv imeni A.S. Puškina (GMII) wiederentdeckt und erstmals im August 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die ausführlichen handschriftlichen Notizen und Zeichnungen L’vovs, die diese französische Ausgabe der „Theorie“ enthält, zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung des russischen Architekten mit den Vorstellungen Hirschfelds. Siehe: Boris Sokolov, „Pravilo iz kotorago velikija možno vyvesti krasoty!“ Vnov’ najdennyj ėkzempljar „Teorii sadovogo iskusstva“ K.K.L. Chiršfel’da s zamenkami i risunkami N.A. L’vova, in: Iz veka Ekateriny Velikoj: putešestvija i putešestvenniki. Materialy 8 Carskosel’skoj konferencii. Sankt-Peterburg 2007, S. 454-478. Der Aufsatz erschien zugleich als Internetpublikation auf der Homepage des Autors: [31.3.2008]. Vgl. Jürgen Helm, Geschlossene Offenheit. Die Gärten der Franckeschen Schulund Waisenanstalten, in: Ananieva/Hoefer, Der andere Garten, S. 159-174; Christian Juranek (Hg.), Gärtnerische Wäldchen. Museen und Gartenkunst des 18. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt. Dößel (Saalkreis) 2006 (Edition Schloss Wernigerode; 11). Bekannterweise steht auch die Eröffnung des Dessauer Philanthropins am 27. Dezember 1774, als einer vorbildhaften Institution der zu dem Zeitpunkt modernen Erziehungslehre, in unmittelbarem Zusammenhang mit den gartengestalterischen Projekten des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von AnhaltDessau (1740-1817). Das ambitionierte Landesverschönerungsprogramm des Fürsten hat zum Entstehen des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches im Umfeld der Wörlitzer Anlagen geführt. Vgl. Erhard Hirsch, Hortus Didacticus. Der Garten als permanente Moral-Anstalt, in: Rudolf W. Keck (Hg.), Spätaufklärung und Philanthropismus in Niedersachsen. Hildesheim, Zürich 1993, S. 285-300 (Veröffentlichungen des Landschaftsverbandes Hildesheim e.V.; 2); Rosemarie Ahrbeck-Wothge (Hg.), Studien über Philanthropismus und Dessauer Aufklärung. Halle 1970 (Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg; 3); Michael Niedermeier, Mitteldeutsche Aufklärer und elsässische „Genies“ im Kampf um das pädagogische Musterinstitut des Philanthropismus in Dessau, in: Lenz-Jahrbuch. Sturm-und-Drang-Studien 5 (1995), S. 92-117; Nicolas Pethes, Zöglinge der Natur. Der literarische Menschenversuch des 18. Jahrhunderts. Göttingen 2007, S. 219-243. 250
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
Regenten“ (Leipzig 1771), aufmerksam gemacht.4 Spätestens seit 1775, mit der öffentlichen Vorstellung seiner Arbeiten bei der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, sind die Schriften Basedows offizieller Bestandteil der pädagogischen Diskussion in Russland.5 Zudem wird 1784 Christian Heinrich Wolcke (auch Wolke, 1741-1825) nach St. Petersburg berufen und mit der Gründung einer Schule nach philanthropischem Vorbild beauftragt. Wolcke, der zusammen mit Basedow an dem für die pädagogische Reformidee zenralen „Elementarwerk“6 mitgewirkt sowie das Dessauer Philanthropin ins Leben gerufen und zuletzt auch geleitet hat, bringt bereits im darauffolgenden Jahr sein neues enzyklopädisches Lesebuch für Kinder heraus, das sich explizit auf einen neuen Leserkreis richtet und in russischer, deutscher und französischer Fassung in St. Petersburg erscheint.7 Darin macht er eine
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Zu Philanthropinen und Gartenerziehung siehe: Michael Niedermeier, Nützlichkeit und Mysterien der Mutter Natur. Pädagogische Gärten der Philanthropen, in: Oesterle/Tausch, Der imaginierte Garten, S. 155-198. Vgl. dazu Claus Scharf, „La Princesse de Zerbst Catherinisée“. Deutschlandbild und Deutschlandpolitik Katharinas II., in: Herrmann, Deutsche und Deutschland aus russischer Sicht, 18. Jahrhundert: Aufklärung, S. 271-340. – Zu der Rezeption des Philanthropins in Dessau am russischen Hof und dem „Re-Import“ des Konzepts ist eine kuriose Anekdote über den Gärtner Katharinas überliefert: „In Ihrer Sorge um die Volksbildung wandte Katharina ihre Aufmerksamkeit auch der Lehr- und Erziehungsanstalt zu, die im Jahre 1777 in Dessau unter dem Namen ‚Philanthropin‘ eröffnet worden war. [...] Ueber diese Anstalt wurde in St. Petersburg viel gesprochen, aber nur der Gärtner der Kaiserin – ‚Ihro Kaiserlichen Majestät von allen Reussen bestellter Hof-Gärtner‘ – Johann Lorenz Hofmeister – zog aus diesen Gesprächen eine Nutzanwendung: in seinem Testamente, das er in Petersburg am 4. Januar 1780 machte, warf er 4500 Rubel für die Errichtung eines ‚Philanthropin‘ in seinem Geburtsort Elkershausen, in der Nähe von Hannover, aus.“ Basil von Bilbassoff [Vasilij A. Bil’basov], Katharina II. im Urtheile der Weltliteratur. Berlin 1897, Bd. 1, Nr. 422, S. 355. Johann Bernhard Basedow, Des Elementarwerkes erster bis vierter Band. Ein geordneter Vorrath aller nöthigen Erkenntniß. Zum Unterrichte der Jugend von Anfang, bis ins academische Alter. Zur Belehrung der Eltern, Schullehrer und Hofmeister. Zum Nutzen eines jeden Lesers, die Erkenntniß zu vervollkommen. In Verbindung mit einer Sammlung von Kupferstichen, und mit französischer und lateinischer Uebersetzung dieses Werks. Dessau 1774. Christian Heinrich Wolcke, Das Buch für Anfänger im Lesen und Denken. St. Petersburg 1785, S. 5-10 (Erklärung des russischen, altslavischen, deutschen und lateinischen Alphabets), S. 80-106 (russische, römische und arabische Zahlen), S. 128-134 (russische Geografie), S. 215-252 (russische Geschichte), S. 283 (Absichtserklärung des Werkes). – Vgl. Susanne Hahn/Magdalena Nima-Rolf, 1783: Wolke, Erste Kenntnise für Kinder, in: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Von 1750 bis 1800, hg. v. Theodor Brüggemann und Hans-Heino Ewers. Stuttgart 1982, S. 878-881; Dies., 1785: Wolke, Das Buch für Anfänger im Lesen und Denken, in: Ebd., S. 1126-1129, S. 1251; Koch, Deutsch als Fremdsprache im Rußland des 18. Jahrhunderts, insbesondere: S. 191f. 251
Russisch Grün
an der äußeren Dingwelt orientierte, fühlbare Wissens- und Sprachvermittlung stark, indem er seinen Ansatz der „Prämonstration“ erläutert: „Man führe seinen Schüler zu den Sachen, die er kennen oder deren Namen er lernen soll, in der Stube, in der Küche, im Stall, in den Werkstätten der Handwerker und Künstler, auf dem Felde, am Flusse, im Walde sc. oder man bringe die tragbaren Sachen, Instrumente, Maschinen, Naturalien, oder auch wenn diese fehlen, die Abbildungen und Modelle derselben, ihnen vor Augen, zeige und bespreche sie, in der Sprache, die gelernet weden soll.“8
Für die ästhetische Diskussion um den Garten als Erziehungsmittel ist weiterhin die Publikation Johann Georg Zimmermanns „Betrachtungen über die Einsamkeit“ ausschlaggebend. In der Fassung von 1785, über die sich Katha-
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Wolcke, Das Buch für Anfänger, S. 287. – Von einer kritischen Auseinandersetzung mit den philanthropischen Bildungskonzepten gibt u.a ein literarischer Text eines prominenten Autors – Aleksandr Radiščev (1749-1802) – ein anschauliches Zeugnis ab. Im Kontext der vorliegen Arbeit sei darauf hingewiesen, dass in diesem Essay, das Radiščev zu Beginn des Jahres 1801 verfasst hat, erstens die russische „Telemachiade“ von Vasilij Trediakovskij als der zentrale Referenztext für eine dezidiert literarische Polemik gilt und zweitens der spezifische Zusammenhang zwischen gefühlsorientierter Erziehung auf einem Landgut, Spaziergängen in der umliegenden Natur und imaginären Reisen anhand der Bilderbücher bereits eine distanzierende, bisweilen satirische Umkehrung erfährt: „Цымбалда […] [б]удучи пожалован в дядьки и Профессоры к Фалелею, обязан будучи учить его чему-нибудь и не зная ничего, опричь Тилимахиды, он вознамерился преподавать наставления своему воспитаннику так, как то делывали некоторые древние философы в Афинах, то-есть, преподавать учение в разговорах во время прогулки. Встретившись таким образом мыслию с Руссо и Базедовом, относительно изящности чувственного учения, он с новоманерным своим Емилем ходил в ясные дни Маия и Июня гулять вдаль от дома, или когда ненастливая погода не дозволяла им делать Емилеподобные представления по лесам, лугам и нивам, то комната их превращалася в Филантропину, где недоставало только Вольке и Базедова с их начальною или стихийною книгою и нужных для нее картин, а то бы мыза Наренгоф столь же прославилася в Европе, как и заведенное в Германии училище сими славными Педагогами.“ Aleksandr Radiščev, Pamjatnik daktilochoreičeskomu vitjazju ili Dramatikopovestvovatel’nye besedy junoši s pestunom ego, opisannye sostavom nestichoslovnyja reči otryvkami, iz iroičeskija piimy slavnogo v učenom svete muža N.N. pobornikom ego znamenitogo tvorenija, in: Ders., Polnoe sobranie sočinenij, hg. v. Ivan K. Luppol, Grigorij A. Gukovskij, Vasilij A. Desnickij. Moskva 1941, Bd. 2, S. 199-222, hier S. 204. – Eine ausführliche Darstellung der Reflexionen der Erziehungskonzepte im Umfeld der russischen Empfindsamkeit ist in der Monografie von Kočetkova enthalten: Natal’ja D. Kočetkova, Literatura russkogo sentimentalizma (Ėstetičeskie i chudožestvennye iskanija). Sankt-Peterburg 1994, S. 27-42 (Hinweis auf Radiščev: S. 36). 252
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
rina mit Begeisterung in einem Brief an den Autor äußert,9 bezeichnet Zimmermann den Landschaftsgarten als den am deutlichsten geeigneten Ort, die pädagogische Wirkung der Einsamkeit auf die Erziehung und die Förderung der Tugend zu erfahren.10 Es fehlt also nicht an den gartentheoretischen Voraussetzungen für die konkrete Umsetzung eines Erziehungsprogramms in eine Gartenanlage, wie dies im Falle von Alexandrowa Datscha unternommen wird. Die Idee liegt sozusagen in der Luft, nicht zuletzt auch, weil im wirklichen Leben der Garten als Erziehungsort und die Gartenarbeit als Erziehungsprogramm für den Zarewitsch von früher Kindheit an selbstverständlich ist. In der Konzeption des Alten Chalets im elterlichen Park von Pawlowsk wird der Versuch unternommen, der malerischen, ländlich anmutenden Partie des Gartens eine am Nützlichkeitsideal der Aufklärungsepoche orientierte Funktion zu verleihen. Die Gartenpartie dient als bevorzugter Aufenthaltsort für die Kinder des Großfürstenpaares, entsprechend einem gerade angesagten Erziehungsmodell, wie man es gleichzeitig in Deutschland etwa in den in dieser Zeit in Mode gekommenen Philanthropinen in Dessau und anderswo vorfindet. Ende März schreibt Katharina II. aus St. Petersburg nach Livorno an Marija Fëdorovna und Pavel Petrovič: „Nos neiges nous ont quitté totalement dans huit jours, les pierres sont déjà à voir dans les rues et le temps est si doux, que Vos enfants ont déjà couru il y a trois jours avec dix degrés de chaud, какъ подорожники на прогалинкѣ[,] усыпанной пескомъ[,] в моемъ саду, а теперь мы ждемъ съ великимъ нетерпѣнiемъ время ѣхать въ Царское Село, о чемъ у меня часто навѣдуются, говоря: «бабушка, когда поѣдемъ?» Dès que j’y serai, je Vous donnerai des nouvelles de Pawlovskoe.“11 9
„1785 bedachte sie [Katharina] den Arzt und Schriftsteller Johann Georg Zimmermann gleichfalls mit einer goldenen Medaille und einem Brillantring, als sie sein Buch ‚Von der Einsamkeit‘ gelesen hatte. Das Werk hatte sie tief beeindruckt. ‚In diesem Buche’, schrieb sie dem Verfasser, ‚ist Kraft und Macht und Reitz der Seele [...].’“ Aus dem Brief Katharina II. an Zimmermann vom 22. Februar 1785 (Veröffentlicht in: Der Briefwechsel zwischen der Kaiserin Katharina II. von Russland und Johann Georg Zimmermann, hg. v. Eduard Bodemann. Hannover 1906, S. 4). Scharf, „La Princesse de Zerbst Catherinisée“, S. 303. 10 Die Bedeutung der gartengestalterischen Schriften im Zusammenhang mit der moralischen Erziehung der jungen Erwachsenen habe ich an einer anderen Stelle ausführlich am Beispiel der russischen Übersetzung des Romans „Village Memoirs: in a Series of Letters Between a Clergyman and His Family in the Country, and his Son in Town” (London 1774) von Joseph Cradock (17421826) erörtert, die Efim Runič im Jahr 1784 besorgt hat. Vgl. Anna Anan’eva/ Aleksandra Veselova, Sad v chudožestvennoj sisteme romana Dž. Kredoka „Sel’skie memuary“, in: Sbornik statej pamajti Jurija D. Levina, hg. v. V.E. Bagno. Sankt-Peterburg (im Erscheinen). 11 Brief von Katharina II. an Marija Fëdorovna und Pavel Petrovič aus St. Petersburg vom 25. März 1782, in: Sbornik russkago istoričeskago obščestva 9 (1872), S. 133 (dt.: „Unser Schnee hat uns in den letzten acht Tagen völlig verlassen, die 253
Russisch Grün
Drei Monate später folgt ein Briefbericht des damaligen Direktors des Gartens in Pawlowsk Karl Küchelbecker, der Folgendes festhält: „Am 19. Juni gegen fünf Uhr nachmittags gingen Ihre Hoheiten Großfürsten hier [in Pawlowsk] spazieren. Die meiste Zeit verbrachten sie bei dem Chalet, wo sie mit ihren kleinen Gartenspaten und Harken arbeiteten. Sie bestellten für sich größeres Werkzeug, denn das von dem letzten Jahr ist bereits zu klein geworden. Ihre Hoheiten tranken hier Milch, aßen Kirschen und nahmen Pflaumen und Blumensträuße mit.“12
2. Wirkungsprogramm des Erziehungsgartens in dem Poem „Aleksandrova“ von Stepan Džunkovskij In dem Jahr, als Alexander durch die Heirat mit einer badischen Prinzessin die Phase seiner Erziehung beendet, erscheint in St. Petersburg ein Gartenpoem unter dem Titel: „Alexandrowa, der Lustgarten des Großfürsten Aleksandr Pavlovič“ (russ. Aleksandrova, uveselitel’nyj sad Velikago Knjazja Aleksandra Pavloviča).13 Der Verfasser Stepan Džunkovskij14 widmet seine Arbeit Steine auf den Straßen sind schon zu sehen und insgesamt ist die Zeit so lieblich, dass Ihre Kinder seit drei Tagen mit zehn Grad Wärme wie die kleinen Wegeriche auf den mit Sand gestreuten Pfaden in meinem Garten spazieren laufen, und nun warten wir mit großer Ungeduld auf die Zeit, wenn wir nach Zarskoe Selo fahren können, wonach sie sich oft erkundigen, fragend ‚Großmama, wann fahren wir?’. Sobald ich da gewesen sein werde, werde ich Sie auch von den Neuigkeiten aus Pavlovsk unterrichten.“). 12 Aus dem Brief von Karl Küchelbecker an Marija Fëdorovna vom 19. Juni 1782, hier übersetzt nach: Uspenskij, Imperatorskije dvorcy, Bd. 2, S. 470. Der französische Originaltext ist abgedruckt in: Semevskij, Pavlovsk [1877], S. 347. 13 Stepan S. Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad ego imperatorskago vysočestva blagovernago gosudarja i Velikago Knjazja Aleksandra Pavloviča. Sankt-Peterburg 1793. – Im 19. Jahrhundert kolportiert die Gartenenzyklopädie von Loudon fälschlicher Weise die Autorschaft des Hofpredigers und Verfassers landwirtschaftlicher Anhandlungen Andrej A. Samborskij (siehe Kapitel „Gartenkünste und Gartenfeste während der Europareise“ in Teil V der vorliegenden Arbeit). Loudon beschließt seine ausführliche Darstellung der neueren Gartenkunst mit einem Kapitel „Russian Gardening, as a Science, and the Authors it has produced”, das diese falsche Zuschreibung enthält und wegen seiner Kürze im Folgenden komplett zitiert wird: „We know of no original Russian author on gardening. There is a poem, On Gardens, by Samboursky, translated into the French language by Masson de Blamont: there is also a poem on glass, by the Russian poet Lomonosow, which, as containing an eulogium on hothouses, may be considered as belonging to this subject. Some translations have been published in German; and various papers on botanical, physiological, and agricultural subjects appear from time to time in the Transactions of the Imperial Economical Society.” John Claudius Loudon, Encyclopedia of Gardening. London 1835, Sp. 480 (hier zitiert nach der elektronischen Ressource: 254
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
der Zarin Katharina II. Im Vorwort, das an sie gerichtet ist, preist er die erfolgreichen Bemühungen der Zarin bei ihrer weisen Erziehung der Enkelkinder Alexander und Konstantin: ). Erwähnt wird hier die französische Übersetzung der „Aleksandrova Dača“, die zwar keinen Autornamen auf der Titelseite führt, aber einen Namenskürzel des Verfassers „E. D.“ am Ende des Vorwortes enthält, der für Etienne Džunkovskij steht (Alexanderova ou Les Jardins de Son Altesse Imperiale monseigneur le grand duc Alexandre Pauloide: Poeme dedie a Sa Majeste Imperiale Catherine Seconde imperatrice et autocratrice de toutes les Russies: Traduit du russe. Saint Petersbourg 1793.) Zu der Entstehung der Übersetzung ins Französische, die im Verlag der Akademie der Wissenschaften gedruckt worden ist, siehe: C.F.P. Masson, Memoires secrets sur la Russie. Paris 1859, S. 131. – Die Verwechslung Loudons ist nicht ganz zufällig. Denn zwischen Džunkovskij und seinem Förderer Samborskij besteht eine enge biografische Verbindung: auf Empfehlung Samborskijs hin wird dem künftigen Verfasser des Gartenpoems ein längerer Ausbildungsaufenthalt im Ausland ermöglicht; im Jahr 1784 überträgt Andrej Samborskij, der zu diesem Zeitpunkt mittlerweile am Hof in St. Petersburg tätig ist, ihm die Aufgaben als Lehrer seines jüngsten Sohnes in London (vgl. Slovar’ russkich pisatelej, Bd.1, S. 262-263; Antony G. Cross, „By the Banks of the Thames“. Russians in Eighteenth Century Britain. Newtonville (Mass.) 1980, S. 42-43, S. 79-80). Die Patronage hat wohl auch nach der Rückkehr Džunkovskijs aus England Bestand gehabt und ist den Zeitgenossen gut bekannt gewesen. Überliefert ist sie beispielsweise über den Briefwechsel von Gavriil Deržavin. In einem Brief vom 22. April 1794 an Ivan Dmitriev berichtet er sogar von der offiziellen Überreichung des Gartenpoems an Katharina II.: „Хотѣлъбыло къ вамъ продолжить мою бесѣду, но ѣдетъ на дворъ отец [Андрей Афанасьевич] Самборской съ стихами своего воспитанника [Джунковского Степана Семеновича], прiѣхавшаго недавно изъ Англiи, которые онъ вчера поднесъ Ея Величеству.“ Gavriil Deržavin, Sočinenja, hg. v. Jakov K. Grot. Bd. 6: Perepiska (1794-1816) i zapiski. Sanktpeterburg 1871, S. 7. 14 Stepan Semënovič Džunkovskij (25. Dezember 1762 (5. Januar 1763) – 3. (15). April 1839), Schriftsteller und Landwirtschafter, studierte 1784-1792 in England, Frankreich und Flandern. Nach der Rückkehr von seinen Studienreisen ist er bis 1800 als Lehrer für englische Sprache bei den Töchtern Marija Fëdorovnas angestellt. In dieser Zeit ist er auch literarisch tätig: neben seiner Gartenbeschreibung von Alexandrowa Datscha (der russischen und französischen Erstausgabe von 1793 folgt eine zweite 1804 in Wien erschienene französische Ausgabe „Alexandrova où les jardins de S.A.J. le Grand-Duc Alexandre Pauloïde“ und 1810 in Char’kov eine zweite russische Ausgabe) veröffentlicht er 1794 eine Ode an Katharina II. und 1799 die erste vollständige Übersetzung ins Russische von Edward Youngs „The Complaint, Or Night Thoughts On Life, Death and Immortality“. 1803 wird Džunkovskij zum Mitglied und danach zum Sekretär der Freien Ökonomischen Gesellschaft in St. Petersburg ernannt. Er fungiert als Herausgeber der Jahresbücher der Gesellschaft und veröffentlicht zahlreiche Artikel zur Land- und Hauswirtschaft. 1809 erscheint seine „Rede über die Notwendigkeit der Übung in Landwirtschaft und Hausbau für alle Inhaber privater Landsitze“. Džunkovskij wirkt maßgeblich an der Publikation von dem „Neuen und vollständigen System der praktischen und ländlichen Hauswirtschaft“ 255
Russisch Grün
„Ein glückliches Russland beginnt bereits auf seinem gesamten Raum Früchte der guten Erziehung zu genießen. Der großartige Anfang und das beeindruckende Beispiel davon hast DU gezeigt, unvergleichliche MONARCHIN, an Deinen eigenen geliebten Enkelkindern [...]. Deine Hand, die tiefgründige und scharfsinnige Gesetze gezeichnet hat, stellte in den angenehmen Fabeln Tugendhaftigkeit dar, für die hohen Seelen Deiner Zöglinge. So wendeten bereits die höchsten Morallehrer, von der Macht der Fabel wissend, diese mit Erfolg nicht nur bei der Erziehung der Jünglinge an, sondern auch in der Lenkung der Männer.“ 15
Dieser eindeutige Verweis auf den Erziehungstext Katharinas hebt die Intention des Gartens Alexandrowa Datscha im Sinne eines Erziehungsgartens für den heranwachsenden Großfürsten und dessen nächstjüngeren Bruder Konstantin hervor. Poetologisch verschreibt sich Džunkovskij nicht einer bloßen Wiedergabe der äußeren Wirklichkeit. Der ideelle Hintergrund der Gartenanlage ruft die Begeisterung des Autors hervor. In der Gartenbeschreibung „Aleksandrova“ projiziert Džunkovskij den Text des „Märchens vom Zarewitsch Chlor“ und dessen pädagogischen Impetus auf die Rezeption der Gartenanlage. Einleitend lobt Džunkovskij in einer vergleichenden Gesamtschau den Wohlstand Englands und die ökonomischen Errungenschaften Russlands unter Katharina II., eine Parallele, die den aktuellen Gegebenheiten seiner eigenen Biografie entspricht. Denn es ist gerade ein Jahr vergangen, seit Džunkovskij sein landwirtschaftliches Studium in England absolviert hat und
(1807, 15 Bände) mit. Seit 1811 befindet er sich im Staatsdienst und ist u.a. für die Maßnahmen der Trockenlegung der Vororte von St. Petersburg zuständig. Biografische Angaben zu Džunkovskij: Dmitrij Priklonskij, Biografija tajnogo sovetnika S.S. Džunkovskogo, in: Severnaja pčela: gazeta političeskaja i literaturnaja Nr. 112 (20 Maja), (1840), S. 447-448; Ravdin B.N./Roginskij A.B., Art. Džunkovskij, in: Slovar' russkich pisatelej 18 veka, Bd. 1, S. 262-263; Cross, “By the Banks of the Thames”, S. 42-43, S. 79-80; Jurij Levin, Vosprijatie anglijskoj literatury v Rossii. Leningrad 1990, S. 155-156. 15 Stepan Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad ego imperatorskago vysočestva blagovernago gosudarja i Velikago Knjazja Aleksandra Pavloviča. Sankt-Peterburg 1793, o.S [I-II]: „Щастливая Россiя начинаетъ уже во всемъ своемъ пространствѣ вкушать плоды добраго воспитанiя. Великое начало и поразительный примѣръ онаго показала ТЫ, Несравненная МОНАРХИНЯ, на собственныхъ Твоихъ возлюбленныхъ Внукахъ [...]. Десница Твоя, начертавшая глубокомысленные и прозорливые законы, изобразила въ прiятныхъ притчахъ нравственность для напоенiя душъ высокихъ Твоихъ воспитанниковъ. Тако самые великie нравоучители, вѣдая силу притчей, употребляли оные съ успѣхомъ не токмо въ воспитанiи младенцовъ, но и въ управленiи мужей.“ – Im weiteren Verlauf beziehen sich die Seitenangaben in den Zitaten aus dem Text des Gartenpoems auf diese Ausgabe aus dem Bestand der Russischen Nationalbibliothek (RNB, Signatur 330a/67). 256
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
nach Russland zurückgekehrt ist. Im weiteren Schritt werden die Bemühungen der russischen Herrscherin, die in Anspielung auf die weise Ratgeberin aus dem „Märchen vom Zarewitsch Chlor“ mit dem Namen Felica angesprochen wird, um die landwirtschaftliche Erschließung der Gegend um St. Petersburg gewürdigt: „Natur in ihren wunderbaren Gestalten/ bedeckte mit Wäldern das Land um die Newa;/ Die himmlische Hand der weisen Felica/ wandelt alles in Garten um und baut ein Paradies./ Ihr großer Geist dient als Beispiel,/ der liebenswürdige Alexander folgt ihren Spuren/ er ist ihr Enkel dem Namen und den Taten nach./ Er richtete seinen Verstand nach dem Märchen vom Chlor aus,/ und stellte die moralischen Gedanken im Garten dar,/ nun nimmt er das angenehme Geschenk aus den ländlichen Händen.“16
Der im Anschluss an diese Huldigung der Herrscherin literarisch inszenierte Spaziergang durch den Garten beginnt mit der Schilderung der farbenfrohen Blumenwiese, die sich vor einem Landhaus ausbreitet. Diese Landschaftsdarstellung leitet den heiteren Grundton des gesamten Gartenpoems ein. Ebenfalls gleich zu Beginn stellt Džunkovskij die inhaltliche Verbindung zu dem Text des „Märchens vom Zarewitsch Chlor“ her, indem er sich einer rhetorischen Frage bedient: „Ist nicht dies Haus ein Abbild der Behausung des Chans,/ der den zarten Chlor geschickt hat,/ den Ort zu suchen, wo die Rose ohne Dornen wächst?“17
So wie der Zarewitsch Chlor im „Märchen“ verweilt auch der lyrische Gartenbesucher nicht lange an dieser Stelle und muss das Haus des Chans verlassen, um sich wie das literarische Vorbild auf die Suche nach der Rose ohne Dornen zu begeben. Der weitere Verlauf des Weges wird angedeutet und „das ländliche Spiel“,18 so der Text des Gartenpoems, fortgesetzt: 16 Die Strophe des russischen Originals (fünfhebige Jamben) folgt dem Reimschema: аАаАbbBccB. – Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 3: „Природа въ зданiяхъ своихъ чудесна Покрыла весь лѣсами Невскiй край; ФЕЛИЦЫ мыдрыя рука небесна Все обращаетъ въ садъ и строитъ рай. Ея великiй духъ примѣромъ водитъ, Любезный АЛЕКСАНДРЪ во слѣдъ Ей ходитъ И именемъ Ея и дѣломъ Внукъ. Онъ Хлора сказкою свой умъ направя, И мысли нравственны въ саду представя, Прiятный даръ беретъ изъ сельских рукъ.“ 17 Ebd., S. 4: „Сей домъ не образъ ли жилища Хана, Что Хлора нѣжнаго послалъ изъ стана Искать, гдѣ Роза безъ шиповъ растетъ?“ 18 Ebd., S. 5. 257
Russisch Grün
„Nach Westen unsere Augen gerichtet,/ sehen wir den Anfang eines neuen Weges,/ wer will, kann die Rose auf ihm finden./ Ach nein! Dieser Garten ist, wie das Leben, angenehm fürs Auge,/ aber um in ihm den Berg des Glückes zu besteigen,/ ist es nötig, unterwegs sich Mühe zu geben.“19
Es folgen Erwähnungen von Gartenszenerien, die unmittelbar mit dem Text des „Märchens von Zarewitsch Chlor“ korrespondieren. Zu Beginn der poetischen Gartenreise platziert Džunkovskij in direkter erzieherischer Absicht eine scheinbar reizvolle und verlockende Aussicht auf das Gelage des Faulen Murza: „Entzückend ist die von Bäumen umgebene Wiese,/ ein geschmücktes Zelt erscheint hier;/ um es herum wird Reichtum ausgestellt,/ im Inneren ist es eingerichtet, wie der faule Hochmut.“20
Zwar gehören die Darstellung des „leeren Schimmer[s]“ und der „kostbaren Verzierungen“, die „das Auge blenden“,21 so wie sie bei der Inszenierung des Murza-Gelages skizziert werden, laut der zeitgenössischen gartengestalterischen Überlegungen nicht in einen Erziehungsgarten. In dem Gartenpoem „Aleksandrova“ aber werden die bildhaften Bezüge darauf pointiert eingesetzt. Sie verbinden sich zu einem negativen Beispiel, das mit der Referenz auf den Text des „Märchens“ gedeutet wird. Dementsprechend wird die kurz davor angesprochene Ambivalenz zwischen dem Genuss von angenehmen Empfindungen, die eine bereits erreichte Gartenpartie, wie die der heiteren Umgebung des Chanschen Hauses, ausgelöst hat, und der bevorstehenden Anstrengung bei der angetretenen Gartenreise, auch in dieser Szene im Sinne der moralisierenden Intention des „Märchens“ entschieden: „Wer es wünscht, die Rose ohne Dornen zu suchen,/ wird unter diesem Dach nicht lange ruhen;/ der Faule Murza ist ein gefährlicher Freund für die Jugend:/ der Ort hier ist wonnig, die Aussichten sind schön,/ aber in Unwissenheit sind alle Freuden nutzlos,/ der überzeugende Geist strebt weiter.“22 19 Ebd.: „На Западъ обративъ очей стремленье, Увидимъ новаго пути теченье, Кто хощетъ, Розу вдругъ по немъ найдетъ. Ахъ нѣтъ! сей садъ, какъ жизнь, прiятенъ взору, Но что бы въ немъ взойти на щастья гору, Потребно на пути труды имѣть.“ 20 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 6: „Прелестно поле вдругъ древами окруженно Нaметъ украшенный представитъ здѣсь; Богатство вкругъ его изображенно, Внутри онъ убранъ, какъ лѣнива спесь.“ 21 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 77. 22 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 6: „Кто Розы безъ шиповъ искать желаетъ, 258
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
Dem bloßen Angenehmen sowie dem blenderischen Reizvollen der geschilderten Szenerien im Haus des Faulen Murza bietet ein positiver Kontrast die Hütte des Bauern. Die Beschreibung dieser Szenerie entspricht dem Topos des Natürlichen und der edlen Simplizität: „Auf dem Weg, der fort von hier führt, steht eine Behausung,/ nicht Haus, sondern Hütte, wird sie im Volk genannt./ Um sie herum ist der Boden mit Nahrung bedeckt,/ in ihr wohnt Fleiß und Frieden./ Die Siedler behaupten sich nicht auf dem Sand, sondern auf den Steinen,/ ernähren sich nicht vom Glanz, sondern von Wahrheit,/ so suchen sie die ruhigen Tage.“23
Nachdem die in der Opposition von blenderischem Reichtum der Faulheit und wahrer Schönheit des Fleißes veranschaulichte moralische Intention vermittelt worden ist, folgt die sinnesorientierte Bestätigung der richtigen Wahl: in dem Vergnügen des Anblicks, den an dieser Stelle des Gartens der Ceres-Tempel gewährt. „Plötzlich verlässt der Weg das Tal,/ steigt hinauf und führt in einen weißen Tempel hinein;/ Kunst weist ihre Hand auf den Säulen auf./ Natur hat den Geschmack über die Felder gerstreut.“24
Der Beschreibung des Ceres-Tempels folgt die Schilderung eines farbenreichen Gemäldes der umliegenden Plätze, der Kornfelder und der ländlichen Arbeit. Schließlich schweift der Blick des lyrischen Betrachters von dem Weg ab und wird von einer zum Verweilen einladenden Quelle gefangen. Die Schilderung der Quelle, die keine Entsprechung im Text des „Märchens“ hat, entspricht der Stimmung des heiteren ländlichen Lebensraums der Szenerie um den Ceres-Tempel. Der Abstecher zu dieser Quelle, die der Mutter Alexanders gewidmet ist, lädt zu einer Abkürzung ein. Das würde aber den BesuПодъ кровомъ симъ не долго отдыхаетъ; Лѣньтягъ Мурза опасный юнымъ другъ: И мѣсто нѣжно тутъ, и виды красны, Но всѣ въ нѣвежествѣ забавы праздны, И твердый далѣе стремится духъ.“ 23 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 7: „Отселѣ по пути стоитъ жилище, Не домъ, то хижиной народъ зоветъ; Вокругъ его земля покрыта пищей, Въ немъ трудолюбiе и миръ живетъ. Не на пескѣ, на камнѣ утверждаясь, Не блескомъ здѣсь, но истиной питаясь, Селяне такъ покойныхъ ищутъ дней.“ 24 Ebd., S. 8: „Но вдругъ стезя долины оставляетъ, Возносится и въ бѣлый вводитъ храмъ; Искуство на столпахъ свой перстъ являетъ, Природа вкусъ растлала по полямъ.“ 259
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cher von dem ausgewählten Weg abbringen, so der Text der Beschreibung, weshalb er auf diese Möglichkeit verzichtet. Die Wahrnehmung der neben der Quelle liegenden Grotte der Nymphe Egeria wird dem Betrachter daher ebenfalls nur aus der Entfernung zuteil. (Abb. 34) In dem weiteren Verlauf verlässt der literarische Spaziergänger die heitere grüne Wiesenlandschaft und wird mit einem verstärkt an die sinnlichen Empfindungen gerichteten Programm konfrontiert, im Kontrast zu der an die Vernunft appellierenden Schilderung der ersten drei Gartenszenerien. Dem literarischen Gartenbesucher steht auf seinem Weg zu der Rose ohne Dornen zunächst die Überquerung einer stürmisch brausenden Wasserkaskade bevor, die einen weiteren Schritt bei der Einübung in die noch zu erlangende Selbstsicherheit des Heranwachsenden bedeutet. Hier vermischt sich das schaurige Gefühl angesichts des wilden Wasserstroms mit dem lustvollangenehmen Erleben der anmutigen Gartenlandschaft: „Seitlich des Weges stürmt das Wasser,/ fällt auf die Steine, rauscht und sprudelt,/ es symbolisiert das Leben und verschönert den Garten.“25
Das Motiv der Überwindung des bedrohlichen Stroms auf dem Weg zur Tugend entstammt einer stereotypen moralphilosophischen Ikonografie. Die in der Szene angelegte Wirkung greift aber auf neue Techniken der Landschaftsgartenästhetik zurück, die auf das Gefühl des angenehmen Schauers abzielen. Denn die Inszenierung der Bedrohung angesichts des sprudelnden Wasserstroms gehört zu den beliebten Staffagen in den neueren Gärten, und das Aushalten des Schreckens macht einen Teil des Vergnügens im Rahmen der Erlebnispalette des Landschaftsgartens aus.26 25 Ebd., S. 10: „По сторонамъ ея вода стремится. Чрезъ камни падая, шумитъ, вертится, И буйну кажетъ жизнь и краситъ садъ.“ 26 Zur Wirkungsästhetik des Schauers im Garten siehe: Hans von Trotha, Angenehme Empfindungen. Medien einer populären Wirkungsästhetik im 18. Jahrhunderts vom Landschaftsgarten bis zum Schauerroman. München 1999. – Trotha hat ausführlich dargelegt, dass die Erschließung eines neuen wirkungsästhetischen Programms aus der wechselseitigen Beeinflussung von Literatur und Landschaftsgarten befördert wird: „Schon vor der Etablierung eines künstlerischen Systems von Produktions- und Rezeptionstechniken hatte sich der Rückgriff auf die Literatur als taugliches Mittel erwiesen, Natur als Landschaft im Garten zum Gegenstand ästhetischen Genusses werden zu lassen. Die Transponierung in einen literarischen Kontext schien der Natur die potentielle Bedrohung zu nehmen, die sie als Gegenstand ästhetischen Vergnügens ausgeschlossen hatte.“ Als ein Beispiel für die Inszenierung des Gartens zum begehbaren Schauplatz von Literatur zieht Trotha die bereits oben erwähnte Gartenanlage in Sanspareil mit ihren Zitaten der „Aventures de Télémaque“ heran. An diesem frühen Beispiel, das mit Hilfe von Hinweistafeln zur eindeutigen Identifizierung der Motive dem Besucher ein textuelles Hilfsmittel zur Seite stellt, macht er die späteren Techniken der Literarisierung der Natur im Landschaftsgarten deut260
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
Abb. 34. Ansicht des Hauses und der Grotte in dem Garten Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Aleksandr Pavlovič, (Autor unbekannt), 1793-1794, Feder, Tusche, Aquarell, ca. 30x40 cm.
Auch nach dem Passieren der Kaskade sind die Anstrengungen des Gartenweges durch Alexandrowa Datscha noch nicht beendet. Vor dem literarischen Gartenbesucher erscheint plötzlich ein steiniger Berg, den eine bewaldete Kuppe krönt. Džunkovskij schildert, wie beim Anblick des Berges eine Ahnung darüber aufkommt, dass auf seiner Spitze nun die gesuchte Rose zu finden sein wird. Der starke Wunsch nach dem Erreichen des geheimnisvollen Ziels verstärkt die Neugierde und ruft Fragen nach dessen Deutung hervor. Die entsprechende Erläuterung erfolgt auch sogleich im Text des Gartenpoems aus dem Munde der weisen Ratgeberin Felica: Die Rose sei das Bild der Tugend. Es folgt ein langsamer, bedächtiger Aufstieg auf den Berg. Beim Erreichen der Spitze beeindruckt den Besucher das Erscheinungsbild eines lich. „Der exponierte Fels in der Landschaft wurde zur Zauberinsel Ogygia, auf die es den schiffbrüchigen Odysseus verschlagen hatte. Die Wandlung des spröden Felsens zur Zauberinsel gelang vermittelst der Symbiose von Naturzitat, Gartenstaffage und Literaturreminiszenz. Mangels Eindeutigkeit und anderweitiger Codierung (die raffinierte Ästhetik der Wirkung und des Zitats im System Landschaftsgarten stand ja noch nicht zur Verfügung) wurden die einzelnen Szenen durch Hinweistafeln identifizierbar gemacht. Der Spaziergänger erwanderte sich die Grotte der Kalypso, die Sibyllenallee, die Vulkanshöhle, die Mentorsgrotte und das Monument der Penelope. Um keinerlei Zweifel an der Codierung aufkommen zu lassen, als eine Art Überschrift zum literarischen Garten passierte der Spaziergänger am Weg in den Hain einen mit einer Urne verzierten Steinhügel, das Ulysses-Monument. Der literarische Schlüssel war in Sanspareil offenbar nötig, um eine der ungewöhnlichen Natur angemessene, noch ungewöhnlichere Rezeptionsweise zu sanktionieren, um den Felsenhain zum Auslöser angenehmer Empfindungen werden zu lassen.“ (Ebd., S. 173). 261
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schönen runden Tempels. In der Mitte des Tempels befindet sich ein Gefäß mit der darin wachsenden Rose ohne Dornen. Der Autor des Gartenpoems ist bemüht, in der Beschreibung den großartigen Moment, in dem nun das Ziel der Gartenreise erreicht ist, mit dem Entzücken über die anmutig und still wirkende Rose in Einklang zu bringen. In dem Text des „Märchens“ ist es der Höhepunkt der Handlung, der auch den Schluss der Erzählung einleitet. Direkt auf das „Märchen“ bezogene Staffagen der Gartenanlage enden hier. Die Inszenierung im Garten, wie Džunkovskij sie schildert, verspricht jedoch eine Steigerung der mit dem Fund der Rose ohne Dornen erreichten Glückseligkeit. Es folgt eine Beschreibung abwechselnder Aussichten. Der Blick des Gartenbesuchers wird zuerst zur Decke des Tempels geführt. Die auf dem Deckengemälde angedeuteten tugendhaften Taten der russischen Herrscher Peter I. und Katharina II. verschmelzen bei Džunkovskij mit weiteren Heldentaten anderer verdienstvoller Personen des Landes, die man auf dem Gemälde „mehr empfindet, als sieht.“27 Diesen rühmlichen Beispielen, so eine weitere Aussage dieser Passage, sollen die beiden Enkelkinder Katharinas folgen, die auf dem Gemälde als spielende Engel, einer mit dem Gordischen Knoten, der andere mit dem Kreuz, dargestellt sind. Die Betonung der aufkommenden Empfindungen des Betrachters im Tempel der Rose steht nicht im Widerspruch zu dem allegorischen Charakter der Deckenverzierungen. Die „sittliche Wirkung“ der allegorischen Darstellung der verdienstvollen Persönlichkeiten wird nämlich erst „durch eine Verwebung von rationalen und sensualen Prozessen“ erreicht.28 In gartentheoretischen Überlegungen um die Rezeptionspraktiken des Landschaftsgartens am Ende des 18. Jahrhunderts wird die rationale Inhaltsvermittlung mit der Wirkung auf das Empfindungsvermögen ausführlich diskutiert.29
27 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 13. Die Dechiffrierung der Namenskette Felica – Minerva – Katharina II. findet bezeichnenderweise im Kontext der Beschreibung der Deckenmalereien des Tempels der Rose ohne Dornen statt. 28 Michael Gamper, Zwischen allegorischer Entzifferung und Schwärmerei. Imagination und Bedeutungsproduktion im deutschen Gartendiskurs des 18. Jahrhunderts, in: Oesterle/Tausch, Der imaginierte Garten, S. 45-72, S. 53. Siehe auch: Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 201-214. 29 Zur Diskussion dieses Sachverhalts in Bezug auf Gartengestaltung vgl. Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 3, S. 130. 262
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
Abb. 35. Ansicht des Tempels, der Felica gewidmet ist und wo die Rose ohne Dornen wächst, in dem Garten Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Alexander Pavlovič, (Autor unbekannt), 1793-1794, Feder, Tusche, Aquarell, ca. 30x40 cm.
Die Beschreibung des eigentlichen Höhepunkts des Gartens, des Tempels der Rose ohne Dornen, wird im Gartenpoem „Aleksandrova“ im Einklang mit vermögenspsychologischen Vorstellungen der Zeit nicht ausschließlich der rationalen Erkenntniskraft überlassen. Neben der Lektüre allegorischer Darstellungen nimmt eine gefühlsorientierte Gartenrezeption einen bedeutsamen Platz in den Beschreibungstechniken des Gartens Alexandrowa Datscha ein. Nach dem Erkennen der allegorischen Bedeutung des Ziels und nach der Belehrung durch die Vorbilder der russischen Herrscher in dem Tempel der Rose werden dem Gartenbesucher die ästhetischen Reize der Landschaft vor Augen geführt. Von dem lyrischen Betrachterstandpunkt öffnet sich die Aussicht auf das Flusstal am Fuß des Tempelberges. Der Blick des Betrachters wird über die Uferlandschaft und die Wasserfläche geführt, die in ihrem Spiegelbild scheinbar einen weiteren neuen Garten zu erkennen gibt. Die Vielfalt der Blickmöglichkeiten kommt zum Ausdruck, indem ein erneuter Wechsel der Blickführung vorgenommen wird. Die Gartenbeschreibung gibt die Aussicht in die Ferne wieder, über die topografische Grenze des Gartens hin zum Horizont. Die Stimmung einer ländlichen Idylle gestaltet sich aus der hergestellten visuellen Korrespondenz zum benachbarten Park von Pawlowsk. Das Erkennen des Schlosses ruft Gedanken an die Besitzer der Anlage wach und womöglich die Erinnerung an eigene Gartenerlebnisse in Pawlowsk. „Neue Erscheinungen flimmern vor Augen/ ländliche Häuser, von Wald umgeben;/ dort ist der Acker gepflügt, Herden gedeihen;/ alles wird erfüllt mit einem empfind-
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samen Geist./ Im Osten zeigen sich hohe Gebäude,/ fleißige Gedanken streben dorthin;/ dort genießen Maria und Paul das Angenehme,/ im Gefolge einer Schar liebenswürdiger Grazien,/ die Größe finden sie in Einfalt,/ weiden sich am Anblick der Kinder und verehren die Mutter.“ 30
Die nächste Abwechslung der Blickführung erfolgt beim Abstieg von dem Tempelberg und wird als Inszenierung der Glückseligkeit der Elysischen Felder und des daran anschließenden schattigen Waldes beschrieben. „Genug haben wir Gedanken und Auge vergnügt,/ die Rose ohne Dornen haben wir vom Busch gepflückt,/ entdecken wir eine neue Lage,/ unten angekommen; glückselige Plätze!“31
Vergleichbar mit der Wirkung von Darstellungen der Heroen aus der russischen Geschichte im Tempel der Rose ohne Dornen, dient die verstandesmäßige Rezeption von Denkmälern der Elysischen Felder einer moralischen Lehre mittels exempla.32 Denn in einem Erziehungsgarten kann man „mit 30 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 16: „Явленья новыя въ глазахъ пестрѣют, Жилища сельскiя, лѣса вокругъ; Тамъ нивы вспаханы, стада тучнѣютъ; Все вдругъ чувствительный питаетъ духъ. Къ востоку зданiя высоки зрятся, И мысли къ нимъ усердныя стремятся; Съ МАРIЕЙ ПАВЕЛЪ тамъ прiятность пьютъ, Любезныхъ Грацiй хоръ съ собою водятъ, Величество во простотѣ находятъ, Дѣтьми любуются и Матерь чтутъ.“ Die Darstellung der Tempelszenerie wirkt interessanterweise den gartengestalterischen Vorstellungen Hirschfelds in Bezug auf das Aussehen eines Gartens „bey Akademien“, wie auf den Leib geschnitten: „Die Lage zwischen angenehmen Höhen und Wäldern ist sehr vorteilhaft; jene locken zum gesunden Steigen und zum Genuß belebender Aussichten, diese erfrischen mit Schatten und Ruhe.“ Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 76. 31 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 16: „Довольно усладивъ и мысль и зрѣнье, И Розу безъ шиповъ сорвавъ съ куста. Откроемъ новое расположенье, Сошедши въ низъ; блаженные мѣста!“ 32 Die exemplarische Wirkung der in dieser Passage des Gartenpoems benannten Denkmäler von Numa Pompilius, Titus Flavius und Marcus Aurelius zielt auf den Vorbildcharakter dieser römischen Herrscher. Der Rückgriff auf Marcus Aurelius steht zudem in einem persönlichen Bezug zu der Erziehung Alexanders, insofern nämlich, als sein Schweizer Lehrer Frédéric César de La Harpe (1754-1838) sich selbst gerne als Seneca und seinen Schüler als Marcus Aurelius bezeichnet hat. Zu dem Briefwechsel zwischen La Harpe und Aleksandr Pavlovič, der diese Nammensgebung belegt, siehe: Wortman, Scenarios of Power, Bd. 1, S. 160. 264
Wirkungspoetik der Alexandrowa Datscha
Geschmack, immer der Bestimmung eines solchen Gartens gemäß, durch mancherley Arten der Denkmäler unterrichten und erinnern.“33 In der Rezeption der Elysischen Felder von Alexandrowa Datscha, so wie sie im Gartenpoem von Džunkovskij beschrieben wird, werden eine moralisierende, allegorische und eine den Empfindungen überlassene Rezeption nebeneinandergestellt. Es kann angenommen werden, dass die Interpretation der Elysischen Felder in Stowe Džunkovskij vertraut war und in seine Rezeption dieses Gartenteils von Alexandrowa Datscha eingeflossen ist. Der weitere Verlauf des Gartenweges führt durch den schattigen Wald zu dem letzten in dem Poem beschriebenen Pavillon der Anlage, dem Tempel der Flora und der Pomona: „Von einer kunstvollen Hand gestaltet/ steht am Ende ein Tempel für die Ruhe,/ er ist Pomona und Flora gewidmet:/ vor ihm bieten Beerensträucher ihre Früchte dar,/ und Blumen verbreiten einen süßen Duft./ Mit diesen Annehmlichkeiten wird der lange Weg belohnt.“ 34
Vernunft, die das „Märchen“ thematisiert, und Verstand, der in der Gestalt des Sohnes der weisen Ratgeberin Felica den Zarewitsch auf seiner Suche begleitet, werden in der literarischen Wiedergabe des Gartens Alexandrowa Datscha mit dem Vergnügen unzertrennlich verbunden. Der Grundton der gesamten Gartenbeschreibung lässt sich in einer einzigen Aussage fassen: Das Vergnügen besteht sowohl in dem Erkennen der vernünftigen Inhalte aus dem „Märchen von dem Zarewitsch Chlor“ als auch in den Empfindungen, die durch die Gestaltung der Gartenanlage angeregt werden. Vor dem Hintergrund der gartenästhetischen Diskussion um die emblematischen und expressiven Darstellungsmittel im Landschaftsgarten,35 wird die Alexandrowa Datscha im Text des Gartenpoems als ein Sonderfall geschildert, bei dem Verstand und Vernunft mit dem aisthetischen Gartenerlebnis einhergehen. Der Text des Gartenpoems kann insofern als eine adäquate Repräsentation des Gartenkunstwerkes Alexandrowa Datscha betrachtet werden, als der Autor den moralisierenden Impetus der zu vermittelnden Inhalte mit der Rezeption des Gartens durch Empfindungen zu ver33 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 77. – Zu der entsprechenden Funktionsweise der memorialen Gartenarchitekturen im Rahmen der Umgestaltung der zarischen Sommerresidenz in Zarskoe Selo in den 1770er Jahren siehe die Ausführungen im vorangegangenen Teil III (Kapitel „Poetischer Spaziergang als empfindende Vergegenwärtigung der Zeitgeschichte“). 34 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, S. 18: „Искусною украшенный рукою Поставленъ при концѣ храмъ для покою, Помонѣ онъ и Флорѣ посвященъ: Предъ нимъ кустарники плоды раждаютъ, И запахъ сладостный цвѣты пускаютъ. Прiятствомъ такъ путь долгoй награжденъ!“ 35 Gamper, Zwischen allegorischer Entzifferung und Schwärmerei, S. 45-72. 265
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binden versucht. Die edukative Bestimmung der Gartenanlage dominiert zwar den Text der Beschreibung. Die Bemühungen des Autors um eine Vermittlung der verstandes- und gefühlsorientierten Rezeption des Gartens entsprechen jedoch der wirkungsästhetischen Bestimmung eines Erziehungsortes, wie sie von Hirschfeld in Bezug auf die „Gärten bey Akademien“ formuliert wurde: „Die Schönheit und Heiterkeit einer Gegend schmeichelt nicht blos dem äußeren Sinn, sie erwärmet nicht blos unsere Lebensgeister zu einer schnellern Bewegung; sie belebt auch die Einbildungskraft mit frischen Bildern, und erhöhet durch die Anmutigkeit, die sie in den innern Sinn ergießt, zugleich die ganze Thätigkeit des Geistes.“36
Abrundend lässt sich feststellen, dass im Gesamtkonzept der Gartenanlage Alexandrowa Datscha mindestens drei bedeutende europäische Diskursstränge konvergieren, die von den beteiligten historischen Akteuren nicht nur aufgegriffen, sondern mit explizit eigenen russischen Komponenten und Bedürfnissen in Ausgleich gebracht werden. Zum einen sind es Elemente der französischen Frühaufklärung in Fortführung von Fénelons Schriften, die im Zusammenhang mit den pädagogischen Schriften Katharina II. die inzwischen etablierten Konzepte der Prinzenerziehung zitieren und aktualisieren. Die charakteristischen Merkmale wie die literarische Vermittlung der Tugend und ihre räumliche Inszenierung in einer Gartenlandschaft bilden die Grundlagen dieses erzieherischen Programms. Die Reformulierung des Traditionsstranges geschieht, zum zweiten, in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen deutschen Reformpädagogik. Die gartengestalterische Umsetzung findet, zum dritten, unter den Vorzeichen der neuen Wirkungsästhetik statt, die in direkter Verbindung mit der vor allem von britischen Autoren angestoßenen Diskussion um emblematische und expressive Gartengestaltung steht. Die Idee der kultivierenden Verbesserung des Menschen, für die der Garten Modell und Experimentierfeld bietet, verdichtet sich im Fall der Alexandrowa Datscha zu einem Extrakt des „improvement“, das seine Wirkungskraft aus einem vielseitigen Wechselspiel von Literatur und Gartengestaltung schöpft. Die poetische Gartenbeschreibung stellt hier den entscheidenden Konnex zu der „raffinierte[n] Ästhetik der Wirkung und des Zitats im System Landschaftsgarten“37 her und sanktioniert dadurch die spezifische Rezeptionsweise im Rahmen des Gartenerlebnisses. Sogar angesichts des gegen Ende des 18. Jahrhunderts sich abzeichnenden Scheiterns „eines der letzten Projekte zur Verbesserung der Menschheit“38 kann die kultivie-
36 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 75. 37 Trotha, Angenehme Empfindungen, S. 173. 38 Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 307f.; Rees, Regeneration und Repression. Ein Beitrag zur Pathognomik des Gartens um 1800, S. 359-384. 266
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rende Wirkung des Gartens ihre Legitimität in der Ausrichtung auf die Erziehung der Jugend noch für sich behaupten. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass zu dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Gartens die Alexandrowa Datscha ihre Funktion als Erziehungsgarten für den heranwachsenden Großfürsten allmählich verliert, wodurch der Anlage eine Deutung zukommt, die die ihr ursprünglich zugedachte Funktion transgrediert. Nun, als das Gartenpoem „Aleksandrova“ abgeschlossen wird, lässt sich die Alexandrowa Datscha auch als ein Ort deuten, der als Erinnerung an die pädagogischen Bemühungen der kaiserlichen Großmutter einerseits und andererseits als ein nachahmungswürdiges Vorbild für erfolgreiche Erziehungsmaßnahmen überhaupt dienen kann. Ein Verweis darauf findet sich auch in der als Vorwort zu dem Gartenpoem Džunkovskijs fungierenden Apostrophe an die Zarin: „Der Großfürst Aleksandr Pavlovič, als Anführer der russischen Jugend und erstes Beispiel der großartigen Früchte Deiner mütterlichen Bemühungen um die allgemeine Erziehung, empfand in besonderer Weise die Größe und die Richtigkeit einer von Dir geschriebenen Fabel, genannt ‚Vom Zarewitsch Chlor‘, und wünschte diese in der Gestaltung seines Lustgartens darzustellen. In der Natur errichtete er sich ein ewiges Denkmal der von Dir empfangenen Erziehung und ein Beispiel für die Jugendlichen, die es mögen, das Angenehme mit der Belehrung verbunden zu sehen.“39
Als eine Art Kustos des Gartens bezieht der „emeritierte“ Erzieher Alexanders das dazugehörige Wohnhaus und sorgt dafür, dass die Anlage einer an pädagogischen Fragestellungen interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die ursprüngliche Funktion eines Ortes, an dem Erziehung unmittelbar stattfindet, wird überlagert durch eine Funktion, die den Garten als begehbares Denkmal für die modellhafte Erziehung des Zarewitsch zum Zuge kommen lässt. Durch die veränderte Funktionszuweisung wandelt sich der Garten in einen Ort heterotoper Struktur, und es gehört wohl zu den eher merkwürdigen kryptischen Verläufen des kollektiven Gedächtnisses, dass in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Gelände der Alexandrowa Datscha neben einer Pflanzenschule, ein Garten für die Kinder umliegender Schulen und eine Lehrerfortbildungsanstalt eingerichtet wird.
39 Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad, o.S. [II-III]: „Благовѣрный и Великiй Князь АЛЕКСАНДРЪ ПАВЛОВИЧЪ, яко начальникъ Россiйскаго юношества и предшественникъ великихъ плодовъ Твоего матерняго о всеобщемъ воспитанiи попеченiя, возчувствовалъ особливо высокость и справедливость мыслей въ одной изъ начертанныхъ Тобою притчей называемой Царевича Хлора, восхотѣлъ представить оную въ расположенiи своего увеселительнаго сада. В самой природѣ онъ соорудилъ себѣ всегдашнiй памятникъ принятаго отъ Тебя воспитанiя, и примѣръ юношамъ, любящимъ видѣть прiятность соединеную съ наставленiемъ.“ 267
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Teil V
Imagination und Erinnerung: Der Landschaftspark von Pawlowsk als Experimentierfeld wahrnehmungsästhetischer Wechselspiele
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Imagination und Erinnerung
Imagination und Erinnerung
„In einer Entfernung von fünf Wersten von diesem kaiserlichen Lustschloß [Zarskoe Selo] wählten sich der Großfürst und die Großfürstinn eine wilde, mit vielen natürlichen Abwechselungen bereicherte Gegend zu einem Landhause, das Sie nach Ihrer so beglückenden Liebe zu den sanften und stillen Reizen der Natur und nach Ihrem geschmackvollen Entwurf bauen, und mit anmuthigen Anpflanzungen und Anlagen umgeben ließen. Seit etlichen Jahren ist dieser angenehme Ort, der von dem Großfürsten den Namen Pawlofska führt, ungemein angebauet, und weil der Prinz und seine Gemahlinn die unter den Großen noch seltene Kunst verstehen, hier in der Ruhe des glücklichen Landlebens Sich Selbst zu genießen, so nimmt auch der Garten jährlich an Verschönerungen seiner Lage, an Erweiterung reizender Aussichten, an neuen Gebäuden und Auszierungen mit seltenen Werken zu.“1
Hinter diesen knappen Bemerkungen verbirgt sich ein früher Hinweis auf einen der markantesten Landschaftsgärten Russlands und eines Juwels der Gartengeschichte überhaupt.2 Die immense Weitläufigkeit des Parks von Pawlowsk, mit seiner Fläche von über 730 ha im 18. Jahrhundert, von denen heute noch ca. 600 ha erhalten sind, stellt eine Besonderheit dieser Gartenanlage dar. Die Größendimension der Gesamtanlage prägt die spezifische ästhetische Wirkung architektonischer Elemente und einzelner Gartenpartien dieses Landschaftsparks.3 Eine weitere Besonderheit des Parks liegt in der relativen Geschlossenheit der Anlage, begründet in der durchgängigen, fast fünfzigjährigen Ausgestaltung durch die Großfürstin, später Zarengattin und schließlich Zarenmutter Marija Fëdorovna, deren Handschrift die Anlage trotz wechselnder 1 2
3
Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 5, S. 286-292, hier S. 290. Als Verfasser des Beitrages über russische Gärten [Zweyter Anhang: Kurze Nachrichten von Gärten, Lustschlössern, Landhäusern, Gartengebäuden und Gartenprospekten. Kapitel VIII: Rußland] gibt Hirschfeld einen gewissen Wirklichen Staatsrat von Staehelin an. Zweifellos ist damit der seit 1735 in Russland tätige Jacob von Stählin gemeint, dessen Todesjahr mit dem Erscheinungsjahr des fünften Bandes der „Theorie der Gartenkunst“ Hirschfelds zusammenfällt. Vgl. auch Kapitel „Von Golovins Garten zum Annengof: Garten als Raum des höfischen Zeremoniells“ in Teil II der vorliegenden Arbeit. Ein Vergleich mit dem vielfach als zu klein kritisierten Landschaftspark in Hohenheim (1 ha), dem Wörlitzer Garten (112,5 ha) oder mit dem Englischen Garten in München (373 ha), mag einen Eindruck von den gewaltigen Ausmaßen des Parks von Pawlowsk veranschaulichen. 271
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Architekten und Gartenkünstler trägt.4 Die Schloss- und Parkanlage verlieren auch im Verlauf des 19. Jahrhunderts nicht die charakteristischen Merkmale des Ensembles. Trotz der wesentlichen Veränderungen in der Funktionsweise des Parks, der nach der Eröffnung des Eisenbahnverkehrs zum beliebtesten Ausflugsziel der städtischen Bevölkerung avanciert, bleibt der markante Charakter Pawlowsks sowohl in den Details als auch in der Gesamtheit der architektonischen und landschaftlichen Ausstattung erhalten. Noch zu Beginn der 1920er Jahre hebt diese Eigenschaft des Ensembles Vladimir Taleporovskij (1884-1958) hervor, der zwischen 1918 und 1924 als Kurator der damals erstmals zum Museum erklärten Anlage tätig gewesen ist: „Pawlowsk stellt ein ausnahmsloses, auch über die russischen Grenzen hinaus einmaliges Phänomen dar […]. Hier ist, ohne zu verblassen, ein Gesamtensemble des 18. Jahrhunderts gänzlich erhalten gelieben; hier sind nicht nur einzelne Gegenstände von höchster historischer Bedeutung erhalten, sondern auch die tausende von
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Vgl. die immer noch als die ausschlaggebende Quelle dienende Biografie der Fürstin: Evgenij S. Šumigorskij, Imperatrica Marija Feodorovna (1759-1828). Eja biografija. Sankt-Peterburg 1892. Vgl. außerdem Art. „Marija Feodorovna“, in: Ėnciklopedičeskij slovar’, hg. v. F.A. Brokgaus [Brockhaus] u. I.A. Efron, Sankt-Peterburg 1896, Bd. 18 A, S. 638-639. – Inwiefern die gängige Ausdeutung der Person Marija Fëdorovna einem historisch verortbaren, idealen Programm weiblicher Tugenden verpflichtet ist, das sich gerade zu Lebzeiten der Fürstin herausbildet und etabliert, muss noch im Einzelnen untersucht werden. Hier erscheint die Berücksichtigung neuerer Forschung wünschenswert, z.B. des aufschluss- und erfolgreichen Interpretationsansatzes, den Anette Froesch in ihrer Arbeit über den Landsitz von Luise Henriette Wilhelmine von Anhalt-Dessau (1750-1811) verfolgt hat. Nicht nur die zeitliche Nähe der Anlagengestaltung in Luisium und in Pawlowsk, sondern auch einige semantische Aspekte der Gartenensembles, besonders das Merkmal von „Natürlichkeit und Simplizität“, bieten interessante Anknüpfungspunke dar. Siehe: Anette Frösch, Das Luisium bei Dessau. Gestalt und Funktion eines fürstlichen Landsitzes im Zeitalter der Empfindsamkeit. Berlin 2002 (Forschungen zum Gartenreich Dessau-Wörlitz, hg. v. Adrian von Buttlar; 1). Festzuhalten ist jedoch, dass sich die vorhandenen Publikationen gerade nicht durch eine kritische bzw. distanzierte Haltung diesem Problemfeld gegenüber auszeichnen, so dass eine angemessene Infragestellung des Verhältnisses zwischen der öffentlichen Funktion, dem inhaltlichen Anspruch und den gestalterischen Strategien eines ländlichen Sitzes, der in den Händen einer Frau, einer Gemahlin des künftigen bzw. des regierenden Landesherren liegt, ein Desiderat bleibt. Vgl. Imperatrica Marija Fëdorovna, hg. v. S.V. Mironenko/N.S. Tret’jakov. Pavlovsk, Sankt-Peterburg 2000 (Vladel’cy pavlovskogo drovca; 2); Alexeï Gusanov [Aleksej Guzanov], L’impèratrice Maria Fédorovna, in: Montbéliard sans frontières. (Colloque international de Montbéliard 8 e 9 octobre 1993). Montbéliard 1994, S. 191-200; Peter Hayden, The Empress Maria Feodorovna as a Gardener, in: Study Group on EighteenthCentury Russia Newsletter 15 (1987), S. 16-17. 272
Imagination und Erinnerung
Kleinigkeiten […], all das, was es uns möglich macht, eine Epoche nicht nur zu erahnen, sondern auch zu erleben und zu sehen.“5
Wie bereits an der eingangs zitierten Kurzbeschreibung des Gartens von Jacob Stählin im fünften Band von Hirschfelds „Theorie der Gartenkunst“ ablesbar, stellt sich das Gartenprojekt von Pawlowsk von Anfang an in den damals aktuellen Diskurshorizont des neuen Gartenstils, wobei das in diesem Zusammenhang entwickelte Gartenkonzept sich in seinen jeweiligen Ausgestaltungsphasen auf der Höhe des gesamteuropäischen Diskussionshorizonts bewegt. In einer Zeit des Wandels der ästhetischen Normen und der tiefgreifenden Veränderung der Vorstellungen von Natur und Kunst hat Pawlowsk teil an der Entstehung einer Zitatkultur, einem bestimmten Kanon an Gartenpoesie, einem kollektiven Sinnvorrat, der europaweit, innerhalb und zwischen mehreren Kulturräumen entsteht und verfügbar ist. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass Pawlowsk gleichzeitig spezifisch russische Charakteristika in die Parkgestaltung einbezieht und damit den Anfang der Integration von Komponenten des eigenen Kulturraums in den russischen Landschaftspark markiert.6
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„Павловск [...] представляет совершенно исключительное явление, несоизмеримое даже не только в пределах России [...]. Здесь сохранился, не растаяв, весь комплекс XVIII века; сохранились не только отдельные предметы высокоисторического значения, но и тысячи мелочей [...], словом всё то, что даёт нам возможность не только догадываться об эпохе, но переживать и видеть её.“ Vladimir N. Taleporovskij, Pavlovskij park, hg. v. S.V. Viževskij. Sankt-Peterburg 2005 [Neuabdruck der Ausgabe: von 1923], S. 5 (dort zitiert nach: E.V. Korolev, V.N. Taleporovskij i sozdanie chudožestvennogo muzeja v Pavlovskim dvorce, in: Musej 10 (1990), S. 259). – Die einschneidenden Zerstörungen der Schloss- und Parkanlage treten erst in Folge des zweiten Weltkrieges ein. Zu dem bereits 1944 begonnenen Wiederaufbau und den anschließenden Restaurierungsarbeiten unter der Leitung von Anatolij Kučumov und Anna Zelenova siehe: Nikolaj S. Tretjakov, Die Evakuierung, in: Krieg und Frieden, S. 420-427; A.S. Ëlkina, Aus Schutt und Asche, in: Ebd., S. 428-437; Massi [Massie], Pavlovsk, S. 270-454 (mit dem Personenverzeichnis der beteiligten Restauratoren). Zur umfassenden Kontextualisierung dieser Ansicht vgl. die Publikation zur Münchener Ausstellung „Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk“ (Kurator Hubertus Gaßner), Haus der Kunst München, 9.11.2001 10.2.2002. – Siehe darin auch meinen Aufsatz: Erinnerung und Imagination. Der Landschaftspark von Pawlowsk im europäischen Gartendiskurs zwischen 1777 und 1828, S. 226-280. 273
1.
1. Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
Die Geschichte des Parks beginnt im Jahr 1777 mit der Geburt Alexanders, des ersten Sohnes des Großfürstenpaares Pavel Petrovič und Marija Fëdorovna. Aus Dankbarkeit über die Sicherung der Stammhalterschaft macht die Zarin Katharina II. das Landstück ihrem Sohn und dessen zweiter Gattin zum Geschenk.1 Marija Fëdorovna (geb. Sophia Dorothea Auguste Luise von Württemberg-Montbéliard), Nichte des Herzogs Carl Eugen von Württemberg, ist gerade ein Jahr vorher nach Russland gekommen, um die zwischen Friedrich II. und Katharina II. ausgehandelte Ehe mit dem russischen Thronprätendenten einzugehen. Sie wird von ihren späteren Biografen als eine aufgeklärte, nach den rousseauistischen Idealen erzogene Frau geschildert, die sich hingebungsvoll ihrer Familie widmet, die daneben zahlreiche karitative Aufgaben übernimmt und die der Kunst in ihrem Leben einen besonderen Stellenwert einräumt.2 Für die beiden Besitzer von Pawlowsk kann 1
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Zur Geschichte der Parkanlage siehe: Heinrich Storch, Briefe über den Garten zu Pawlowsk, geschrieben im Jahr 1802. St. Petersburg 1803 (Neuabdruck in: Krieg und Frieden, 2001); Platon A. Storch, Putevoditel’ po sadu i gorodu Pavlovsku. Sankt-Peterburg 1843; Michail I. Semevskij, Pavlovsk. Očerk istorii i opisanie. 1777-1877. Sankt-Peterburg 1877 (Reprint: 1997); Vladimir N. Taleporovskij, Pavlovski park. Petrograd 1923 (Reprint: Sankt-Peterburg 2005); Anna I. Zelenova, Pavlovskij park. Leningrad 1964; Anatolij M. Kučumov, Pavlovsk. Putevoditel’ po dvorcu-museju i parku. Leningrad 1970; Suzanne Massie, Pavlovsk: The Life of a Russian Palace. Boston, Toronto, London 1990 (russische Ausgabe: Sankt-Peterburg 1997); Emmanuel Ducamp (Hg.), Pavlovsk. Le palais et le parc. Paris 1993; Vadim Nesin/Galina Sautkina, Pavlovsk imperatorskij i velokoknjažeskij 1777-1917. Sankt-Peterburg 1996; Boris Januš, Neizvestnyj Pavlovsk. Isoriko-kraevedčeskij očerk. Bd. 1. Sankt-Peterburg 1997. Entsprechend den Ansprüchen der fürstlichen Erziehung hat Marija Fëdorovna seit ihrer Jugend gemalt, gezeichnet und aquarelliert. Darüber hinaus ist sie später als Steinschneiderin und Medailleurin in die Künstlerlexika aufgenommen worden. 1818 ist sie zum ordentlichen und zugleich Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Künste ernannt worden. Siehe dazu: Gisela Zick, Maria Fjodorowna und die Medaillenkunst. Ausgewählte Arbeiten in westeuropäischen Sammlungen, in: Krieg und Frieden, S. 78-97; Nina Stadničuk/Albina Vasil’eva, Die Künstlerin Marija Fjodorovna, in: Ebd., S. 392-416. 275
Russisch Grün
die aus der unmittelbaren Erfahrungswelt der eigenen Kindheit und Jugendzeit geschöpfte Kenntnis der zeitgenössischen Gartenkunst als ein fester Bestandteil des Wissenshorizontes zu dem Zeitpunkt vorausgesetzt werden, als sie mit der Umgestaltung der waldigen Gegend um Pawlowsk, durch die sich das unwegsame, sumpfige Tal des Flüsschens Slawjanka zieht, in einen Landschaftspark beginnen. Denn den Verlauf der „schönen Revolution“, die Hirschfeld in dem oben zitierten letzten Band der „Theorie der Gartenkunst“ konstatiert und dabei auch die Veränderung der Gartenkunst in Russland im Blick hat, erleben Pavel Petrovič und Maria Fëdorovna unmittelbar in den Gärten ihrer Familien und der näheren höfischen Umgebung. Wenn man die Frage nach den konkreten Gartenanlagen stellt, die die Großfürsten in der Zeit vor ihrer Eheschließung kennenlernen und mit denen sie sich gegebenenfalls auseinandergesetzt haben, so sind für die Seite Maria Fëdorovnas vor allem die Gartenlage von Étupes bei Montbéliard (Mömpelgard), einer württembergischen Enklave in der Franche Comté, neben dem Park im hinterpommerschen Treptow an der Rega zu nennen, während für die Sozialisation Pavel Petrovičs die Petersburger Gartenanlagen, vor allem in Zarskoe Selo in Betracht gezogen werden können.3 Zu den gemeinsamen Erfahrungen können die preußischen Gartenanlagen gezählt werden, die im Sommer 1776 als Rahmen verschiedener Feierlichkeiten aus Anlass der gelungenen Eheanbahnung dienen. Zum einen sind dies die Gärten der Schlösser Friedrichs II. in Berlin (Charlottenburg) und Potsdam (Sanssouci).4 Zum anderen die Gartenanlage des Prinzen Heinrich von Preußen in Rheinsberg, wo die Frischverlobten zu einem zweitätigen Aufenthalt eingeladen worden sind.5 Auffällig ist, dass es sich bei allen genannten, auf württembergisch-französischen, preußischen und russischen Gebieten liegenden En3
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Ausführliche Darstellung dieser „Familiengärten“ befindet sich in: Ananieva, Erinnerung und Imagination, S. 230-236. – Siehe auch: Die Gärten der Herzöge von Württemberg im 18. Jahrhundert, hg. v. Andrea Berger-Fix u. Klaus Merten. Ausst.-Kat. Schloss Ludwigsburg Württembergiches Landesmuseum Stuttgart. Worms 1981, S. 94-95; Michel Wittig, Le Château d'Étupes, in: Bulletin de la Société d'Émulation de Montbéliard 116 (1993), S. 115-183. Johann Georg Oelrichs, Ausführliche Beschreibung der Reise Sr. Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten von Russland Paul Petrowitz von St. Petersburg an den Königl. Preuss. Hof nach Berlin, nebst der dabey vorgefallenen Feyerlichkeiten und Freudesbekundungen, wie auch der Reise Ihro Kaiserl. Hoheit der Prinzessin Sophia Dorothea Augusta Louisa von Württemberg-Stuttgart verlobten Braut des Großfürsten von Berlin nach St. Petersburg. Berlin 1776. Prinz Heinrich von Preußen. Ein Europäer in Rheinsberg. Ausst.-Kat. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Schloss Rheinsberg 4.8.27.10.2002. Berlin 2002. – Siehe dort die Beschreibung und die Abbildung der Festarchitektur (Kat. Nr. VI.223, S. 401-402): Johann Martin Will nach Carl Wilhelm Hennert, Abriss derer Zierathen auf der Rheinsberg Strass zum Eingang des H.G.I. Grossherzogs den 5. August 1777 [sic] und der Mahlereyen in Vorstellung der Gemachten Belichtung in den Garten den 6ten August, 1777 [sic]. Radierung 33,6 x 47,5 cm; SMBPK, Kunstbibliothek, OS 2923. 276
Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
sembles durchgängig um Gärten handelt, in denen der neue Gartenstil ganz wesentlich zum Tragen kommt. Und es liegt auf der Hand, dass das Großfürstenpaar in Pawlowsk alles daransetzen würde, mit der Anlage des Parks nicht hinter den avancierten Standard dieser Gärten zurückzugehen. Am Anfang der Gartengestaltung in Pawlowsk stehen allerdings vorerst bloß zwei Jagdhäuschen namens Krik und Krak.6 Wenn das Krik zunächst als Datscha für Ausflüge im Sommer von Pavel Petrovič und Maria Fëdorovna benutzt wird,7 so dient das Krak vorwiegend als Aufenthaltsort während der Jagd, denn von diesem als ein kleineres Holzhaus in „holländischem Geschmack“ mit Belvedere beschriebenen Haus,8 führt eine Straße zu dem Tiergarten (russ. Zverinec) und in die Jagdgebiete Pavel Petrovičs. Bereits 1778 werden zwei neue Landhäuser gebaut, die nach ihren Besitzern die Namen Paullust und Marienthal erhalten. Vor Paullust wird ein Eigener Garten (russ. Sobstvennyj Sadik) angelegt, ein Spielgarten (russ. Sad s igrami) mit einer Schaukel, einem Kegelplatz und einem grünen Heckenpflanzen-Labyrinth.9 Unter den ersten, im Jahr 1778 entstandenen Gartenpavillons wird außerdem eine angeblich als Nachahmung der Einsiedelei in Étupes entstandene Eremitage erwähnt.10 Diese sogenannte Hütte des Eremiten (russ. Chižina pustynnika) wird als eine mit einem Strohdach bedeckte Hütte beschrieben, deren Außenwände mit Rinde ausgekleidet sind und deren Innenausstattung den ärmlichen Hausrat eines alten Invaliden fasst.11 Während das Landhaus Paullust 1781 dem an seiner Stelle errichteten neopalladianischen Schlossbau weichen muss, bleibt das Marienthal zunächst erhalten. Es wird in die sich schnell ausdehnende Parkanlage nach und nach integriert, bevor es schließlich 1794 doch noch abgerissen und durch eine neue Spielburg namens Bip ersetzt wird. Bereits in der Zeit, als Paullust und Marienthal noch von den Großfürsten bewohnt werden, beginnt die Trockenlegung des versumpften Tales des 6
Semevskij, Pavlovsk [1997] (zu Krik: S. 326-328 mit Abb., Krak: S. 419); Taleporovskij, Pavlovskij park, S. 67-68. 7 Das Gebäude (in der Parkpartie Staraja Sil’via) ist bis ins 20. Jahrhundert erhalten geblieben. 8 Das Haus in der Nähe der späteren Bip-Burg ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts in private Hände übergegangen und in den 1920er Jahren abgerissen worden. 9 In dieser regulären Gartenpartie neben dem Landhaus wird etwas später (17801782) eine Vogel-Voliere gebaut. Zu diesem Zweck werden die Säulengänge, die den zentralen Saal mit zwei kleinen Pavillons links und rechts verbinden, seitlich mit Netzen verspannt. In den Pavillons selbst wird eine Sammlung antiker Trauerurnen aufbewahrt. In seinem Ensemble stellt diese Architektur die Idee des Lebens und des Todes dar. 10 Semevskij, Pavlovsk [1997], S. 312-313 11 Dies steht im Gegensatz zu dem im Rokoko-Garten üblichen Spiel mit dem Kontrast des ländlichen Äußeren und der reichen Innenausstattung, wie dies im Hameau de la Reine des Petit Trianon maßstabsetzend realisiert worden ist. Vgl. Pierre-André Lablaude, Die Gärten von Versailles. Worms 1995, S. 152-160. 277
Russisch Grün
Flüsschens Slawjanka, die Abholzung umliegender Waldflächen und die Ummodellierung des gesamten Areals zum Landschaftsgarten, entsprechend der aktuellen ästhetischen Vorstellungen. Als Landsitz des nicht regierenden Großfürsten nimmt der Park zunächst die Rolle eines privaten Rückzugsortes ein, der in der Semantik des englischen Gartenstils eng mit dem Topos des antiken Arkadien verknüpft ist. In dieses Bild passt auch, dass der Park zudem schon in seiner Gründungszeit den Charakter eines Erinnerungsortes verliehen bekommt, indem er als ein idyllischer Ort der Kindheitserinnerungen an die Heimat von Marija Fëdorovna in einer ländlich-sentimentalen Art inszeniert wird. Für die Gestaltung der Park- und Schlossanlage von Pawlowsk wird 1779 als verantwortlicher Architekt Charles Cameron (1736/1745-1812) engagiert.12 Der Engländer ist zu der gleichen Zeit aufgrund seiner Kenntnisse der imperialen römischen Architektur mit der Umgestaltung der Sommerresidenz Zarskoe Selo betraut. In dem Tal des Flüsschens Slawjanka bringt Charles Cameron antike Reminiszenzen mit dem im Geiste palladianischer Villen entstehenden neuen Schloss in Einklang.13 12 Cameron führte die Grabungen am Erdgeschoss der Titus-Thermen durch und stieß dabei auf Neros Domus. Daraufhin annoncierte Cameron in London 1767 das Erscheinen seiner Grabungsergebnisse unter dem Titel „Thermae of the Roman Emperors“. Nach der fünf Jahre später in englischer und französischer Sprache erfolgten Veröffentlichung galt er bald als einer der führenden Kenner antiker Architektur. (Charles Cameron, The Baths of the Romans Explained and Illustrated: with the restorations of Palladio corrected and improved. To which is prefixed an introductory preface [...] and a dissertation upon the state of the arts during the different Periods of the Roman Empire. London 1772). Cameron siedelte 1779 nach Russland über, arbeitete im Auftrag von Katharina II. und gründete eine eigene Werkstatt. Er wohnte in Zarskoe Selo und heiratete bald Catherine Busch, Tochter des Hofgärtners Johann [John] Busch, der die Gartenanlagen von Zarskoe Selo umgestaltete. Seit den 1780er Jahren wird er für die Ausführung des neuen Ensembles in Pawlowsk engagiert, das als das Hauptwerk Camerons gilt. Vgl. Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 8 [„Ibak-Ključarev“], S. 442; Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, hg. v. K.G. Sauer. München, Leipzig 1997, Bd. 15, S. 669-671; Georges Loukomski [Georgij Lukomskij], Charles Cameron. An Illustrated Monograph on his Life and Work in Russia, particularly at Tsarskoe selo and Pavlovsk, in Architecture, Interior Decoration, Furniture Design and Landscape Gardening. London 1943; Dmitrij Švidkovskij, Architektor Č. Kameron. Novye materialy i issledovanija. (Avtoreferat dissertacii kandidata iskusstvovedenija). Moskva 1984; Ders., Anglo-russkie svjazi v architekture; Ders., The Empress and the Architect; Ders., Čarlz Kameron i architektura imperatorskich rezidencij. Moskva 2008. 13 Der englische Landsitz bestand nicht nur aus dem Park, ein wesentlicher Teil dieses Gesamtkunstwerkes bildete die Villa bzw. das Landhaus selbst. Der vorherrschende Stil dieser Landvillen in England war ab ca. 1720 der Neopalladianismus, der sich auf italienische Vorbilder, speziell die Bauwerke Andrea Palladios (1508-1580) bezog. Variationen der Villa Rotonda etablieren sich als 278
Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
Abb. 36. Gavriil S. Sergeev (1765/66-1816): Ansicht des Slawjanka-Tals in Pawlowsk mit dem Blick auf den Tempel der Freundschaft, 1799, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x56,6 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-1043/3.
An der linken Seite des Schlosses entsteht ein Parkensemble mit einer „wilden“ Kaskade, einer Ruinengruppe, dem Freundschaftstempel und der Apollokolonnade, das die Prinzipien klassizistischer Architektur und Landschaftsgestaltung in einem ausgewogenen Konzept mit der Vorstellung eines Landschaftsparks im englischen Stil verbindet. Das Wasser als Naturelement vermeidet die gerade Linie, genauso wie die Natur selbst, so lautet eines der ästhetischen Grundprinzipien dieser Zeit. Eine der Natur angepasste kunstvolle Wegführung schlängelt und krümmt sich durch das Slawjankatal. Natürliche Hindernisse, Baumgruppen und Bodenerhebungen werden oft eigens angelegt, um dem Verlauf der Wege einen eigenständigen und eigentümlichen Charakter zu verleihen. Die Wege selbst übernehmen für den Parkbesucher die Rolle eines stummen Führers, damit sich dem Spaziergänger die wechselnden Schönheiten des Landschaftsgartens fortlaufend und scheinbar wie von selbst erschließen. Nach einem Entwurf von Charles Cameron baut zwischen 1779 und 1782 der St. Petersburger Architekt Grigorij Pil’nikov (1755-1818)14 an der rechten Talseite des Flüsschens Slawjanka den Freundschaftstempel (russ. Chram Družby), eine Rotunde mit einer flachen Kuppel auf 16 dorischen Säulen. Beispiel der klassischen Einfachheit. Das palladianische Landhaus und der natürliche Landschaftspark stehen in England für das Ideal der Freiheit. Vgl. dazu Buttlar, Der englische Landsitz. 14 Vgl. Slovar’ russkich chudožnikov (XI-XIX vv). Sankt-Peterburg 1893-1899; Arkadij F. Krašeninnikov, Pavlovsk, in: Pamjatniki architektury prigiridov Leningrada. Leningrad 1985, S. 160-261, hier S. 236. 279
Russisch Grün
(Abb. 36) Die Inschrift am Eingang in den Pavillon verdeutlicht, dass das Bauwerk Katharina II. gewidmet ist, die in Gestalt der Göttin Ceres in der Mitte des Tempels dargestellt ist und der die Erbauer ihre „Liebe“, ihren „Respekt“ und ihre „Dankbarkeit“ darbringen.15 Neben dem Freundschaftstempel, in dem sowohl Konzerte als auch Mahlzeiten abgehalten werden, ist für den letzteren Zweck eine Dorfküche 1783 eingerichtet worden.16 Tempel dieser Art sind ein häufiges Motiv in den Landschaftsgärten der Zeit. Sie erinnern an das Goldene Zeitalter einer verklärten Antike und rufen in der arkadischen Szenerie eines Landschaftsgartens Assoziationen zu den mythisch-historischen Schauplätzen der italienischen Bildungslandschaft hervor. Durch die Rezeption der Antike und der als klassisch empfundenen Bauformen gewinnt der Landschaftsgarten eine zitierend-abbildende Dimension. Die Situierung der Bauten im Freiraum des Landschaftsgartens rechnet mit einem subjektiven fernsichtigen Betrachterstandpunkt und wird in das Wahrnehmungsmuster der auf bildhaft-fernsichtige Rezeption berechneten Gartenvedute eingebunden.17 Auch die Apollokolonnade (russ. Kolonada Apolona), die zwischen 1780 und 1783 gebaut wird, entsteht zuerst als eine malerische Staffage für das Tal des Flusses. Diese Kleinarchitektur (ebenfalls nach einem Entwurf von Cameron) stellt eine doppelte runde Kolonnade dorischer Ordnung dar, deren offener Innenraum von einer Statue des Apollo von Belvedere beherrscht wird.18
15 Was die Widmung angeht, so muss man von einer doppelten Adressierung ausgehen. Vermutlich ist im Vorfeld der Errichtung des Pavillons Katharina II. gemeint gewesen; dann aber ändert sich die Widmungsadresse und richtet sich an Joseph II., der zu der Grundsteinlegung 1780 eingeladen worden ist. (Aus diesem Anlass verfasst Jakob Michael Reinhold Lenz ein „Lyrisches Gedicht“, das jedoch unveröffentlicht bleibt. Siehe dazu das Kapitel „Gartenerlebnis und Gartenbeschreibung“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit). Später ist dennoch der Widmungsbezug fest an die Person der russischen Zarin gebunden worden, unterstützt durch die Inschrift und die Ceres-Statue. – Über die Grundsteinlegung, bei der auch u.a. Graf Nikita Panin (1718-1783) und Fürst Grigorij PotëmkinTavričeskij (1736/39-1791) anwesend waren, sowie über die brieflichen Äußerungen des deutschen Kaisers berichtet ausführlich der Biograf von Paul I.: Dmitrij Kobeko, Cesarevič Pavel Petrovič. Sankt-Peterburg 1882, S. 179. 16 Siehe ausführliche Angaben zu den Bauarbeiten mit den Angaben des Archivmaterials bei: Taleporovskij, Pavlovsk, S. 82-87, S. 159; Krašeninnikov, Pavlovsk, S. 236-267. 17 Vgl. Buttlar, Der englische Landsitz, S. 48-52. 18 Diese Statue des Apollo von Belvedere, in der Bronzegussausführung nach einem Modell von Fëdor Gordeev, wird später in die Gartenpartie Staraja Sil’vija versetzt. 280
Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
Abb. 37. Apollo-Kolonnade in Pavlovsk, 1790er Jahre, Gobelin der Sankt-Petersburger Gobelinmanufaktur, 139x150 cm, 9-10 Kettfäden pro cm, Gewebt, Wolle, Seide. GMZ Pavlovsk, Inv.- Nr. CCh-4843-II.
Die Entscheidung über den Standort der Apollokolonnade wird jedoch immer wieder revidiert. Nachdem die erste Platzierung am rechten Ufer der Slawjanka unterhalb des Schlosses schnell aufgegeben worden ist, entscheidet man sich für einen Hain auf der Erhöhung des linken Ufers, wo die Kolonnade bis in den Herbst 1799 stehen bleibt.19 Die Szenerie des Haines soll beim Betrachter die Erinnerung an den aus Landschaftsmalerei und arkadischer Poesie vertrauten Topos eines Apollo-Tempels im Heiligen Hain wecken. (Abb. 37) Mit dem neuen Wunsch der Gartenbesitzer, vom Schloss aus einen Ausblick auf eine Wasserkaskade zu haben, wechselt der Pavillon seinen Standort ein weiteres Mal. Auf dem hohen Ufer des zum See gestauten Flusses unter-
19 Krašeninnikov, Pavlovsk, S. 232. 281
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halb der Rückseite des Schlosses wird die Kolonnade nun zum Zentrum einer Inszenierung des Berges Parnass. (Abb. 38) In klaren antiken Formen der Architektur erhebt sich die Figur des Gottes der Kunst und des Anführers der Musen über dem reißenden Strom einer steinigen Kaskade. Den eigentlichen Höhepunkt in der poetischen Wirkung dieser Szenerie erzielt jedoch die Natur selbst: Während eines heftigen Unwetters im Jahr 1817 bricht der vordere Teil der Kolonnade in sich zusammen, an einer Stelle, wo das Fundament durch die Strömung der Kaskade immer mehr unterspült worden ist. In dem neuen, ruinierten Zustand erscheint die Staffage nun als ein Bild der befreiten Poesie und ruft stärker als zuvor die Bewunderung der Kunstliebhaber hervor.20 Die Entwicklung einer bildhaften Wahrnehmung der konkreten freien Natur, die es erlaubt, einen solchen verändernden Eingriff ungezügelter Naturmächte auf vom Menschen künstlich angelegte Gartenszenerien als ästhetische Steigerung zu empfinden, wird in der Gartenästhetik von den Nachbardisziplinen Dichtung und Malerei begleitet und forciert. Das neue Naturideal, wie es nicht zuletzt durch die Naturpoesie geprägt ist, beeinflusst die Ausgestaltung und Wahrnehmung von Gartenanlagen ebenso wie durch die Malerei bildlich vermittelte paradiesisch-arkadische Szenerien. In Pawlowsk wie in den europäischen Gärten überhaupt sind es in erster Linie die Werke von Nicolas Poussin, Claude Lorrain und Salvatore Rosa, die für die Anlage des Gartens ein reiches Repertoire an Vorlagen und Modellen liefern, etwa in der Gestaltung von gebirgigen Partien, geborstenen Bäumen, felsigen Wasserfällen, wogenden Flüssen, verlassenen Tempeln, Ruinen, Fontänen oder Pyramiden bis hin zu Schäfern mit ihren Herden, die den Vordergrund beleben.21 Über Poussins berühmtes Arkadien-Bild (1635-36) und über die literarische Arkadien-Rezeption, vor allem durch die 1756 erschienenen und kurz darauf ins Französische und Russische übersetzten „Idyllen“ Salomon Geßners wird die Vorstellung von dem mythischen Land eines unschuldigen Schäferlebens, das seit Vergils fünfter Ekloge zum Topos des Rückzugsortes gehört, zum festen Bestandteil des Landschaftsgartens. „Die Illusion eines von den Alltagssorgen der kleinen Leute sorgfältig abgeschirmten Arkadiens, die nicht davor zurückschreckt ganze Dörfer aus dem Blickfeld zu räumen, bestimmt ganz überwiegend die aristokratische und großbürgerliche Gartenkunst des 18. und 19. Jahrhunderts.“22 20 Vgl. z.B. die Interpretation der Ruine von Vladimir Kurbatov, Pavlovsk: očerkputevoditel’. Sankt-Peterburg 1912 . 21 Vgl. die Lesart der Parklandschaft in Pawlowsk als einer Abfolge von Landschafts- und Architekturveduten bei Ljudmila W. Kowal [Koval’], Der Schlosspark zu Pawlowsk - ein Meisterstück russischen Kunstgeschmacks aus der Zeit des ausgehenden 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts, in: Krieg und Frieden, S. 206-225. 22 Adrian von Buttlar, Retreats or Attacks? Der Garten zwischen Arcadia und Utopia, in: Die Gartenkunst 1 (1997), S.15-26, hier S. 20. 282
Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
Abb. 38. Semën Ščedrin (1745-1804): Aussicht in Pawlowsk mit Schloss, der Zentauren-Brücke, der Apollo-Kolonnade und der Kaskade, 1801, Öl auf Leinwand, 106x136 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. CCh-1837-III.
Die von den britischen Gartenkünstlern wiederentdeckte ästhetische und neu akzentuierte semantische Dimension eines Rückzugsortes mit der Betonung auf pastorale, arkadische Bilder des Landlebens führt auf dem Kontinent zu der Entstehung des höfischen „Jardin anglo-chinois“.23 Diese neue Form der Gartenkunst verweist zudem auf die Idee eines miniaturisierten Idealstaates, dem der Regent, nach dem Vorbild chinesischer Kaiser,24 als ein sein Land bebauender Gärtner zu reicher Ernte verhilft. Im Rahmen einer Gartenanlage wird infolge ein ideales arkadisches Dorf mit einem passenden Volk geschaffen, in dem das glückliche Landleben als galantes Rollenspiel erlebt werden 23 Interessanterweise gilt auch der Garten von Étupes zu seiner Zeit als eine vorbildhafte Anlage im neuen Stil und wird als solche in das mehrbändige Tafelwerk von George-Louis le Rouge aufgenommen, das der gezielten Verbreitung des neuen Stiles auf dem Kontinent gedient hat. Vgl. George-Louis le Rouge, Jardins Anglo-Chinois. Paris 1775 - 1790, Jg. 1788, Heft 20, Tafel 8, XX. (Reprint: hg. und komment. von Iris Lauterbach, Nördlingen 2001); Lauterbach, Der französische Garten am Ende des Ancien Régime, S. 109-119. 24 Zur weiteren Verbreitung chinesischer Gartenmotive im Zusammenhang mit dem englischen Landschaftsgarten auf dem Kontinent tragen maßgeblich die gartentheoretischen Werke von William Chambers und Thomas Whately bei, sowie die Reisebeschreibungen des französischen Jesuitenpaters Du Halde (russische Übersetzung erschien 1774) und des französischen China-Reisendenden Pater Attiret „Lettres édifiantes“ (1743). 283
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kann.25 So trägt auch die Gestaltung der Gartenpartie um Paullust in den 1770er Jahren die markanten Züge eines Gartens in dem anglo-chinois-Stil, und auch der weitere Ausbau der schlossnahen Gartenpartien in Pawlowsk führt diesen anfänglichen Impuls fort. Die capricciohafte Szenerie um die Einsiedelei und um die Ruinen (Türmchen, Mauer, Brücke) wird ausgefüllt mit exotischen Bauten, dem Chinesischen Pavillon (russ. Kitajskaja besedka) und dem Türkischen Zelt (russ. Tureckaja palatka), die die Idee der Verfügbarkeit aller Kulturen als Exempla in den Rahmen des Landschaftsgartens einbeziehen. Der Inszenierung eines einfachen Lebens dienen die Charbonniére (russ. Scharbon’era) und das Milchhaus (russ. Moločnja)26, deren ästhetische Wirkung durch den Kontrast zwischen der schlichten bis ärmlichen äußeren Fassade und der eleganten, hochartifiziellen Innenausstattung erzielt wird. Die als kleine Kabinette für das Musizieren (in der Charbonniére) oder für die Handarbeit und das Lesen (in dem Milchhaus) eingerichteten Pavillons, bringen das Interesse der Besitzer an horti- und agrikulturellen Lebensformen, neben der Wertschätzung der Buchlektüre und der generellen Adelung der Arbeit zum Ausdruck. 27 25 Vgl. dazu Adrian von Buttlar, Englische Gärten in Deutschland. Bemerkungen zu Modifikation ihrer Ikonologie, in: „Sind die Briten hier?“ Relations between British and Continental Art 1660-1860, hg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte. München 1981, S. 97-126; Elisabeth Syzmczyk-Eggert, Die Dörfle-Mode in den Gärten des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in: Die Gartenkunst 1/8 (1996), S. 59-74; Ute Klostermann/Günter Oesterle/Harald Tausch, Vom sentimentalen zum sentimentalischen Dörfle. Der Garten von Hohenheim als Modell divergierender Erinnerungskonzepte bei Hirschfeld, Rapp und Schiller, in: Wolfram Martini (Hg.), Architektur und Erinnerung. Göttingen 1999, S. 129-158 (Formen der Erinnerung; 1). 26 Das Milchhaus, als ein Bauprojekt von Cameron mit 1779 datiert, wurde 1782 gebaut. Auf das Milchhaus („laiterie“) beziehen sich Briefe von der EuropaReise der Großfürsten (Ein am 3. März 1782 in Rom von L.H. Nicolay verfasster Brief enthält auf drei Blättern den Plan eines als Milchkammer bezeichneten Pavillons des Herzogs von Württemberg; in zwei Briefen vom 14. April und 25. Oktober 1782 erkundigt sich Marija Fëdorovna über den Stand der Bauarbeiten an dem Milchhaus in Pawlowsk). 1798 werden drei Zimmer des Milchhauses mit russischen Kacheln in „holländischem“ Stil gearbeitet. Neben dem Pavillon befand sich ein Viehhof (bis 1786 diente einer der vier Räume des Pavillons als Kuhstall), der erst mit dem Bau der Ferma ca. 1801 versetzt wurde. 27 Die gelungene Art der harmonischen Inszenierung des Gartens hebt die Beschreibung von Charles-Joseph de Ligne hervor, der die Anlage während seiner Russlandreisen gesehen hat: „Bei Czarskozelo verdient Pawleskoe, welches der Großfürstin gehört, gesehen zu werden. Da es mitten im Gehölze liegt, und sie, anstatt der Natur entgegen zu handeln, sich dasselbe auf eine geschickte Art zu Nutze gemacht hat; so gewähren daselbst alle Gegenstände viel Annehmlichkeit, und die Ungleichheiten des Erdreichs sind sehr gut genützt. Die kleine Ruine, die Brücke, die ein so altes Ansehen hat, die Milch- und Sennhütte, die, von aussen Hütte, inwendig den niedlichen Sallon vom vortrefflichsten Geschmack enthält, wie man ihn in den artigen kleinen Häusern von Paris antrifft, und der 284
Ländlich-sentimentale Inszenierung der Landschaft
Die Anzeichen eines Überganges von einem raffiniert inszenierten Landleben im Rahmen eines künstlichen Garten-Dörfchens in die Umsetzung der Idee einer umfassenden Landesverschönerung,28 die sich in Pawlowsk um 1800 in der Einrichtung karitativer Institute und landwirtschaftlicher Musterlandgüter wie der Ferma (dt. Bauernhof),29 aber auch durch die Idealdörfer Glazovo und Étupes (russ. Ėtüp) äußern wird, ist bereits in der Konzeption eines der ersten pastoralen Pavillons, des Alte Chalets (russ. Staraja Šaleja) in der bewaldeten Partie an der rechten Uferseite der Slawjanka angedeutet.30 (Abb. 39) Dieser ländliche Pavillon in Pawlowsk setzt sich von dem Rokoko-Spiel in dem anmutig gestalteten Dörfchen in der Nähe des Landhauses ab. In der Konzeption des Alten Chalets mit seiner konkreten landwirtschaftlichen Ausrichtung wird der Versuch unternommen, der malerischen, ländlich anmutenden Partie des Gartens eine am Nützlichkeitsideal der Aufklärungsepoche orientierte Funktion zu verleihen. Das Schweizerhaus im Park von Pawlowsk dient als bevorzugter Aufenthalts- und Erziehungsort für die Kinder der Großfürsten, und nicht zufällig begegnet man dem Konzept des aufgeklärten
Tempel der Eintracht: alle diese Anlagen machen dem Geschmack der Großfürstin Ehre.“ De Ligne, Der Garten zu Beloeil [1995], Bd. 2, S. 27 [dt. Übersetzung von Wilhelm Gottlieb Becker]. Vgl. franz. Orig. in: de Ligne, Coup d’œil sur Belœil [1795], Bd. 2, S. 28-29. 28 Günter Oesterle, Der prekäre Frieden des Gartens. Herders garten- und architekturästhetische Alternative zu Kants Autonomieästhetik und die Freiheitsutopie der spätaufklärerischen Landesverschönerung, in: Klaus Garber/Jutta Held u.a. (Hg.), Erfahrung und Deutung von Krieg und Frieden. Religion – Geschlechter – Natur und Kultur. München 2000, S. 737-755; Klostermann/Oesterle/Tausch, Vom sentimentalen zum sentimentalischen Dörfle, S. 129-158. 29 Die Ferma („fermé“) wird zwischen 1801-1805 von Andrej Voronichin im russischen Stil gebaut. (Abb. 49) In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts nimmt Karl Rossi eine Reihe von Veränderungen im „gotischen“ Stil vor. 30 Der Pavillon im Stil der Schweizer Häuser wird nach einer Projektskizze Camerons 1780 gebaut (vgl. Aleksandr I. Uspenskij, Imperatorskie dvorcy. Moskva 1913, Bd. 2, S. 469, 471-472). Das Chalet besteht aus einem einstöckigen runden Haus mit einem kegelförmigen Strohdach, das von einem Glockentürmchen gekrönt ist. In einem seitlichen Anbau befindet sich eine Küche. Das Haus besteht aus vier Zimmern. In dem ersten stehen Spinnräder, in dem zweiten (russ. Kruglyj Sal) sind die Wände und die Decke kunstvoll bemalt, der Innenraum mit Spiegeln, Marmortischen und Porzellangeschirr ausgestattet, das dritte Zimmer ziert eine perspektivische Wandmalerei, die eine Kolonnade darstellt. Das letzte und gleichzeitig kleinste Zimmer ist fensterlos und dunkel; hier wird das Gartenwerkzeug der großfürstlichen Familie aufbewahrt. Der Hof um das Chalet ist eingezäumt und enthält einen Gemüsegarten und einen Pavillon, in dem Hühner gehalten werden (Semevskij, Pavlovsk [1997], S. 310, Abb. S. 311). 285
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Utilitarismus im Zusammenhang mit einem neu entwickelten Erziehungsmodell.31
Abb. 39. Henri Francois Gabriel Viollier (1750-1829): Altes Chalet, 1789, Zeichnung für die Knopfserie zu Pawlowsk, Papier, Tusche, Feder, Durchmesser 2,9 cm.
31 Siehe dazu die Ausführungen in Bezug auf Alexandrowa Datscha in Teil IV der vorliegenden Arbeit. 286
2.
2. Gartenkünste und Gartenfeste: Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
Als das russische Thronfolgerpaar im September 1781 seine große Europareise antritt, eilt ihm bereits der Ruf seiner passionierten Gartenliebhaberei voraus, und entlang der Route beeilen sich die großen und kleinen Höfe Europas, mit großer Zuvorkommenheit dieser Vorliebe der Gäste Rechnung zu tragen. Die rund anderthalbjährige Reise führt über Kiew, Wisnowice, Wien, Triest, Venedig, Bologna, Pesaro, Rom, Neapel, Rom, Livorno, Florenz, Pisa, Parma, Mailand, Turin, Chambéry, Lyon, Fontainebleau, Paris, Orléans, Tours, Angers, Nantes, Brest, Rouen, Amiens, Lille, Ostende, Gent, Brüssel, Anvers, Den Haag, Amsterdam, Saardam, Spa, Düsseldorf, Bonn, Koblenz, Frankfurt, Straßburg, Montbéliard, Besançon, Lausanne, Bern, Basel, Karlsruhe, Stuttgart, Wien, Brünn, Olmütz, Krakau, Belostok, Grodno, Kaunas und Riga zurück nach St. Petersburg.1 Mehrtägige Aufenthalte in den Parkan1
Das Journal dieser Reise ist anschließend in 600 Exemplaren veröffentlicht worden: Sergej I. Pleščeev, Načertanie putešestvija ich imperatorskich vysočestv, gosudarja knjazja Pavla Petroviča i gosudaryni velikoj knjagini Marii Feodorovny pod imenem grafa i i grafini Severnych. […] S častnymi i obščimi perečnymi vsego putešestvija, predprinjatogo v 1781 i okončannogo v 1782 godu. SanktPeterburg 1783. (Siehe insbesondere das handschriftlich vervollständigte Exemplar der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg, Signatur 330а/23). – Zu der Europareise des Comte und der Comtesse du Nord vgl. Louis Renard, L'Étrange destin de deux Romanof - Montbéliard, in: Bulletin de la Société d'Émulation de Montbéliard 66, Montbéliard 1967, S. 67-173 (darin zur Europareise: Kapitel VII. Voyage dans les capitales Europeennes, S. 92-106); Aleksej Guzanov, Zagraničnoe putešestvie, in: Imperatrica Marija Fëdorovna, S. 14-17; Ders., Die Grand Tour des Comte und der Comtesse du Nord, in: Krieg und Frieden, S. 98-151; Vera A. Vitjazeva, „Blagosklonnyj k vam Pavel…“ Perepiska grafa u grafini Severnych s K.I. Kjuchel’bekerom 1781-1782, in: Naše nasledie 66 (2003) (zugleich unter: [30.4.2008]); Andrej V. Skorobogatov, Cesarevič Pavel Petrovič. Političeskij dis287
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lagen von Schönbrunn, Versailles, Chantilly, Étupes und Hohenheim sind ebenso wie kürzere Besichtigungen einzelner Gartenanlagen und botanischer Gärten Bestandteil des Reiseprogramms, und wo immer es möglich ist, zeigen die jeweiligen Gastgeber sich bemüht, das möglichst Beste und Aktuellste, das man zu dem Gartendiskurs beisteuern kann, zu präsentieren.2 Unterstützt wird dieser Impuls noch durch die Tatsache, dass die Großfürsten inkognito reisen und es dadurch den jeweils besuchten Höfen ermöglichen, die Empfänge von einem starren Zeremoniell freizuhalten und in der Ausrichtung der Feierlichkeiten auch unkonventionellere Wege einzuschlagen.3 An Stelle des barocken Apparats der zeremoniellen Repräsentation tritt im Rahmen der Landschaftsgärten eine andere Inszenierung gesellschaftlicher Rangunterscheidung, eine neue Raumchoreografie, die der Ausrichtung auf individuelle Empfindungen, Selbstbesinnung und Einbildungskraft der Erinnerung Rechnung trägt. Besonders deutlich wird dies bei den Besuchen im französischen Chantilly und im württembergischen Hohenheim, wo jedesmal die zwischen 1770 und 1790 neu aufgekommene Mode, ein Dörfchen in einem einfachen, bäuerlich-ländlichen Stil in den Landschaftsparks anzulegen, sich nachhaltig auf die Ausrichtung der Feierlichkeiten zu Ehren der Reisenden auswirkt. Um
2
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kurs i social’naja praktika. Moskva 2005 (Kapitel zu der Europareise 1781-1782). – Zu der historischen Einordnung der Europareisen vgl. folgende neuere Veröffentlichungen: Joachim Rees/Winfried Siebers/Hilmar Tilgner (Hg.), Europareisen politisch-sozialer Eliten im 18. Jahrhundert. Theoretische Neuorientierung – kommunikative Praxis – Kultur- und Wissenstransfer. Berlin 2002 (Aufklärung und Europa; 6); Rees/Siebers, Erfahrungsraum Europa; Rainer Babel (Hg.), Grand Tour: adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert (Akten der Internationalen Kolloquien in der Villa Vigoni 1999 und im Deutschen Historischen Institut Paris 2000). Ostfildern 2005. Wie nachhaltig im einzelnen der damals aktuelle Gartendiskurs in den jeweils bereisten Residenzen Europas in den Rezeptionsprozess während der Durchquerung verschiedener Kulturräume hineinspielt und wie dieser sich auf die Auswahl der „fremden“ Elemente und deren produktive Umdeutung in der Parkanlage von Pawlowsk niederschlägt, ist noch weitgehend unerforscht und bleibt einer zukünftigen Publikation vorbehalten. Allgemein zu dem Inkognito-Status siehe: Richard Wrigley, Protokollierte Identität: Anmerkungen über das Inkognito in der Reisepraxis und der Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, in: Rees/Siebers/Tilgner, Europareisen politisch-sozialer Eliten im 18. Jahrhundert, S. 209-218. – Zum Zusammenhang zwischen Zeremoniell und Raumchoreografie siehe: Werner Paravicini (Hg.), Zeremoniell und Raum. Sigmaringen 1997 (Residenzenforschung, hg. v. der Residenzenkommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen; 6). – Zur Inszenierung des Zeremoniells im barocken Garten um 1700 siehe: Cornelia Jöchner, Barockgarten und zeremonielle Bewegung. Die Möglichkeiten der Aleé couverte. Oder: Wie arrangiert man ein incognito im Garten?, in: Berns/Rahn, Zeremoniell als höfische Ästhetik, S. 471-483. – Zur Tendenz der Intimisierung des Zeremoniells um 1800 siehe: Günter Oesterle, Die Kaiserkrönung Napoleons. Eine ästhetische und ideologische Instrumentalisierung, in: Ebd., S. 632-649. 288
Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
dies zu veranschaulichen, sei das Programm des Ankunftstages in Chantilly skizziert, wo die Reisegesellschaft, von Paris kommend, nach kurzen Zwischenaufenthalten in Montmorency und Ermenonville, am 10. Juni 1782 eintrifft. Mit Chantilly besucht das russische Thronfolgerpaar einen der frühesten Landschaftsgärten Frankreichs, der für seine rustikalen Gartenszenen ebenso bekannt ist wie für seine zahlreichen Bäche, Kanälchen und Seen, die zur Gestaltung der einzelnen Szenen des Gartens beitragen. Beim Eintreffen in Chantilly werden die Reisenden sogleich in ein arkadisches Zauberreich versetzt. Der Prince Louis-Joseph de Bourbon-Condé4 und einige weitere Mitglieder der Königsfamilie kommen ihnen in ländlich-pastoraler Kleidung entgegen und schmücken die Ankömmlinge mit Blumen und Kränzen, bevor man sie zu einigen Tänzen in das Schloss führt. Danach begibt sich die Gesellschaft in den Garten, um dort zwei Theaterstücke zu betrachten, die unter freiem Himmel aufgeführt werden, eine pastorale Komödie „Rose et Colas“ sowie ein Stück mit dem Titel „Le Jardinier de Quinze Ans“. Im Anschluss daran steht eine inszenierte Bauernhochzeit auf dem Programm. Im Verlauf dieser rustikalen Maskerade formiert sich die Festgesellschaft zu einem Hochzeitszug, der von den Prinzen de Condé und de Bourbon angeführt wird. Der Zug endet an dem 1774 fertiggestellten Hameau, der den Gästen des Prince de Condé auf diese Weise vorgeführt wird. Sieben riedgedeckte kleine Fachwerkgebäude gruppieren sich um einen Platz. Brunnen, Nutzgärten, Dorfulme, Mühle, Stall, Molkerei und Küche vervollständigen das ländliche Erscheinungsbild. Zwei von außen ärmlich wirkende Hütten, der Salon und die Salle à Manger, überraschen durch ihre kostbare und originelle Inneneinrichtung. Die Salle à manger versetzt die Besucher in eine Waldszenerie: Die Wände des halbrund abschließenden Raums sind mit einer Baumszenerie bemalt, über der sich der Himmel zu öffnen scheint. Den Boden bedecken Rasen mit Blumentuffs, Kieswege verbinden die Türen miteinan4
Louis-Joseph de Bourbon-Condé (1736-1818) war für Chantilly ab 1753 verantwortlich. Er ließ die bereits bestehenden Anlagen verändern, durch Hinzufügen „aktueller“ Bauten und durch Anlegen eines kleinen englischen Gartens in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts. Wenige Jahre nach dem beschriebenen Besuch in Chantilly schenkte der Prince de Condé dem russischen Großherzogspaar einen 1784 datierten Sammelband mit 32 Plänen und Ansichten des Schlosses und der Gärten von Chantilly und seiner Umgebung. Die äußerst sorgfältig ausgeführten und kolorierten, großformatigen Tafeln dokumentieren den Zustand von Schloss und Gärten sehr genau. Der Band ist in rotes Maroquinleder gebunden, das in Goldprägung das russische Doppeladlerwappen zeigt. Titel: „Recueil des Plans des Châteaux Parcs et Jardins de Chantilly levé en 1784.“ Format der Seiten 64,5 x 48,5 cm. Er befindet sich in der Bibliothek des Museé Condé in Chantilly unter der Bezeichnung „Album du Comte du Nord“. 1789 verließ der Prince de Condé Frankreich und begab sich ins Exil nach Russland, wo er über einen längeren Zeitraum als Gast Pauls in Gattschina lebte. Vgl. Iris Lauterbach, Der Garten von Chantilly im Jahre 1784. Das Album du Comte du Nord im Museé Condé, in: Die Gartenkunst 2 (1990), S. 217-237. 289
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der, Baumstümpfe und Rasenbänke dienen als Sitzgelegenheiten. Zu dem frugalen Nachtmahl, das hier eingenommen wird, sind der Hameau, die Salle à manger, Wege und Bäume mit bunten Laternen geschmückt, so dass sich der englische Garten festlich beleuchtet präsentiert. Etwas mehr als zwei Monate nach dem Gartenfest in Chantilly wird am 19. September 1782 das „englische Dörfle“ im Landschaftspark von Hohenheim zum Schauplatz einer denkwürdigen ländlichen Inszenierung. Im Gegensatz zu Chantilly wird aber in Hohenheim der Besuch der Großfürsten zum Anlass genommen, ein Fest aufzuführen, das innerhalb der Dörfle-Mode den Übergang von einem höfisch-arkadischen Maskeradenspiel zu dem Schauspiel eines ernsthafteren Landlebens andeutet. Die Festchoreografie versammelt in den einzelnen Gartenpartien, gleichsam als echte Dorfbewohner, Mitglieder der unterschiedlichsten ländlichen und bürgerlichen Berufsgruppen, die aus verschiedenen württembergischen Oberämtern zusammengezogen sind.5 Sie alle sind Bestandteil eines in deutscher Sprache aufgeführten Schauspiels, das im Stile eines Gesamtkunstwerks sämtliche Gartenszenen mit pseudorealistischen theatralischen Auftritten durchzieht. Bei der Meierei drängt sich ein Haufen von Dörflern herbei, um die fremden Herrschaften zu sehen; man wagt es aber noch nicht, näher heranzukommen. Ein russischer Invalide jedoch, der sich auf dem Dörfle zur Ruhe gesetzt hat, kennt den Großfürsten als Freund und Wohltäter des Landvolks und der Armen, so dass der „Haufen“ endlich näher kommt. Es entwickelt sich ein Gespräch über das Lob des Landlebens und der Fürsten, die dasselbe ehren und schützen. Ein hinzugekommener Hofmann versichert, dass die guten Bauern das Glück des Landlebens nur halb fühlen könnten, da sie das Entgegengesetzte nicht so drückend erfahren hätten wie er, und ein ebenfalls herbeigeeilter ehemaliger Minister preist sich glücklich, dass er durch seinen Rückzug auf das Land nun im kleinen Kreise sogar mehr bewirken könne als in seinem ehemaligen Wirkungskreis, wo er der Intrigen niemals Herr habe werden können. Ähnliche Auftritte spielen sich an anderen Szenen im Dörfle ab. Bei der Einsiedlerhütte preist ein von dem Besuch der Hofgesellschaft völlig überraschter Einsiedler in einer spontanen Ansprache das Leben in der Einsamkeit, und bei den alten Katakomben gibt ein Italiener ein schlagendes Beispiel für die hohe moralische Wirkung des natürlichen Lebens, indem er eine Führung anbietet und „seinem Nationalcharakter zuwider“ solches umsonst zu tun bereit ist.6 Eine solche Stilisierung des einfachen Lebens, wie sie sich bei diesem Fest im Hohenheimer Dörfle geradezu emphatisch ausstellt, scheint eine so hohe Faszinationskraft auf eine in vielen Bereichen von zeremoniellen Regeln bestimmte höfische Gesellschaft auszuüben, dass man Auftritte wie diese offensichtlich willig über sich ergehen lässt. Eine gartenästhetische Kontroverse 5
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Vgl. die Beschreibung des Festes: Gottlob Heinrich Rapp, Carl’s Gartenfeste in Hohenheim, in: Taschenkalender auf das Jahr 1797 für Natur und Gartenfreunde. Tübingen 1796, S. 140-144 (Reprint: Stuttgart 1992-1995). Ebd. 290
Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
um das Hohenheimer Dörfle, an der sich neben anderen vor allem Friedrich Nicolai, C.C.L. Hirschfeld, Gottlob Heinrich Rapp und Friedrich Schiller beteiligen, wird aber schon bald nach der Abreise des Großfürstenpaares ab 1783 einsetzen und das gesamte Dörfle-Konzept einem Umdeutungsprozess unterwerfen.7 Gerade das Feld der Literatur nimmt in erheblichem Maße Anteil an der kulturraumübergreifenden Ausformulierung der Natur- und Gartenästhetik, was sich beispielsweise an der Tatsache ablesen lässt, dass der französische Schriftsteller Jacques Delille sein epochemachendes Gartenpoem „Les Jardins, ou l’Art d’embellir les Paysages“ anlässlich des Besuchs des Großfürstenpaares in Trianon 1782 veröffentlicht und ein Widmungsexemplar den Gästen überreicht.8 In einen vergleichbaren Zusammenhang gehört es auch, wenn beim Besuch der russischen Reisenden an der Académie Française, der Schriftsteller Jean François La Harpe (1739-1803) ein Sendschreiben unter dem Titel „Des bienfaits de la nature champêtre et de la poésie descriptive“ verliest, das an seinen langjährigen, schriftstellerisch tätigen Briefpartner Grafen Andrej Šuvalov (1744-1789) gerichtet ist. Auch dass Marija Fëdorovna bei der Durchquerung der Schweiz im September 1781 Johann Kaspar Lavater (1741-1801) einen Besuch abstattet,9 während gleichzeitig ihr Sekretär Ludwig Heinrich Nicolay sich mit dem Idyllendichter Salomon Geßner (1730-1788) trifft, macht deutlich, welchen Stellenwert die Reise auch für Begegnung und Austausch mit nennenswerten Vertretern des literarischen Lebens bietet. In diesem Zusammenhang scheint es besonders wichtig, auf die Schriftsteller hinzuweisen, mit denen sich das Thronfolgerpaar auf der Reise ständig umgibt. Unter dem Begleiterstab befinden sich neben zwei maßgeblichen Repräsentanten der deutschen intellektuellen Elite, nämlich dem in russischen Diensten stehenden Sturm-und-Drang-Dichter Friedrich Maximilian Klinger10 und dem aus Straßburg stammenden Literaten Ludwig Heinrich 7
Siehe dazu detailliert: Klostermann/Oesterle/Tausch, Vom sentimentalen zum sentimentalischen Dörfle, S. 129-158. 8 Zu Delille siehe das Kapitel „Sänger der Gärten“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit. 9 Vgl. Pis’ma Lafatera gosudaryne imperatrice Marii Fëdorovne 1789, in: Christianskoe čtenie 3-4 (1881). 10 Friedrich Maximilian Klinger (1752-1831), der auf Empfehlung Johann Georg Schlossers und durch Friedrich Eugen von Württemberg nach Russland vermittelt worden war, war 1780 mit dem Posten des Vorlesers bei Paul I. betraut. Einen großen Teil seines Werkes verfasste er in Russland, wo er zeitweise seinen Wohnsitz in der Parkanlage von Pawlowsk zugewiesen bekommen hatte. Siehe biobibliografische Angaben: Erich Schmidt, Art. Klinger, in: ADB, Bd. 16, S. 190-192; Adalbert Elschenbroich, Art. Klinger, in: NDB, Bd. 12, S. 83-89; Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 8 [„Ibak-Ključarev“], S. 738-740; Max Rieger, Friedrich Maximilian Klinger: sein Leben und Werke. 2 Bde. Darmstadt 18801896. Eine Korrektur des negativen Bildes Klingers als russischem Bildungsbeamten, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und später sowohl in der russischen als auch deutschen Germanistik verbreitet worden ist, 291
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Nicolay11, noch der Schweizer Schriftsteller Franz Hermann Lafermière12 als Bibliothekar sowie der Kenner britischer Agrarkultur, der Schriftsteller Andrej Samborskij als Hofprediger.13
hat Ol'ga Smoljan 1958 unternommen. Siehe: Ol'ga Smoljan, Klinger v Rossii, in: Učënye zapiski Leningradskogo Gosudarstvennogo Pedagogičeskogo Instituta imeni A.I. Gercina 32 (1958), S. 31-77; Dies., Friedrich Maximilian Klinger: Leben und Werk. Weimar 1962 (Beiträge zur deutschen Klassik; 12). – Neuere Werkausgabe: Friedrich Maximilian Klinger, Werke (Historisch-kritische Gesamtausgabe), hg v. Sander L. Gilman/Karl-Heinz Hartmann/Thomas Salumets u.a. 21 Bde. Tübingen 1978-2007. 11 Ludwig Heinrich Nicolay (1737-1820) war in diesen Jahren mit den Aufgaben des Kabinettsekretärs und des Bibliothekers bei dem Großfürstenpaar betraut. Seinen Dienst in Russland nahm Nicolay 1769 als einer der Lehrer bei dem Großfürsten Pavel Petrovič auf. Insgesamt befand er sich über 34 Jahre lang am russischen Hof und stieg bis zu dem Posten des Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg (seit 1798) auf. Kurz nach seiner Versetzung in den Ruhestand 1803 veröffentlichte Nicolay ein großes, in deutscher Sprache verfasstes Poem mit dem Titel „Das Landgut Monrepos“ über seinen Park im heutigen Grenzgebiet zwischen Russland und Finnland: Ludwig Heinrich Nicolay, Das Landgut Monrepos in Finnland 1804: nebst einem Grundrisse. Petersburg 1806; weitere Ausgaben des Poems: Vermischte Gedichte und Prosaische Schriften. Berlin, Stettin 1792-1810, Bd. 8, T. 2, S. 1-22; Poetische Werke. Wien 1817, Bd. 4, S. 153-183; Das Landgut Monrepos in Finnland 1804: mit 12 Lithographien. [Kopenhagen 1840]. Einen Nachdruck der Ausgabe von 1840 hat schließlich Martin Sperlich vorgenommen: Ludwig Heinrich Nicolay, Das Landgut Monrepos in Finnland. Berlin 1995 (Mitteilungen der PücklerGesellschaft; N.F., 10). Versucht man eine kulturhistorische Rekonstruktion des Gartenlebens des Straßburgers Nicolay auf seinem Landsitz in der Nähe des finnischen Vyborg zu untenehmen, so stellt man schnell fest, dass es keinesfalls in den einfachen Beschreibungsmustern der Oppositionen wie Stadt – Land, Russisch – Deutsch aufgehen kann. Literarische Tradition der römisch-griechischen Antike, nordische finnische Folklore, russische Kunst und russischer Alltag sowie das deutsche Literaturmarktgeschehen verflechten sich in dem literarisierten Landleben in Monrepos. Einen detailreichen Einblick in die lebensweltlichen und poetologischen Gegebenheiten dieses Gartenlebens gewährt der Briefwechsel Nicolays mit Johann Heinrich Voss (1751-1826), Friedrich Leopold Stolberg (1750-1819) und Friedrich Nicolai (1733-1811). (Erstveröffentlichung des Briefwechsels: Die beiden Nicolai. Briefwechsel zwischen Ludwig Heinrich Nicolay in St. Petersburg und Friedrich Nicolai in Berlin (1776-1811), hg. v. Heinz Ischreyt. Lüneburg 1989). Die Entwicklung dieses Zusammenspiels bringen die poetischen Texte Nicolays, von seinen frühen Eklogen bis hin zu dem Gartenpoem „Das Landgut Monrepos“, zum Ausdruck. (Eine ausführliche Darstellung des gartenliterarischen Zusammenhangs enthält mein Aufsatz: „Zwar nicht in Albion, nicht an dem See der Genfer …“ Poėtičeskoe opisanie parka Monrepo L.G. Nikolai v kontekste evropejskogo diskursa o sadach, in: Monrepo: Al’manach. Vyborg 2010). 292
Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
Eine nicht geringere Rolle als die der Literatur kommt während der Europareise des Großfürstenpaares der Beschäftigung mit den bildenden Künsten Vgl. biobibliografische Angaben: Georges Livet, Art. Nicolay, Ludwig Heinrich Freiherr von (1737-1820), in: NDB, Bd. 19, S. 209f.; Wilhelm Bode, Art. Nicolay, Ludwig Heinrich Freiherr von (1737-1820), in: ADB, Bd. 23, S. 631-632). Eine neuere literaturhistorische Einordnung hat Heier vorgenommen: Edmund Heier, L.H. Nicolay (1737-1820) as an Exponent of Neo-Classicism. Bonn 1981 (Studien zur Germanistik, Anglistik und Komparatistik; 105), darin Werkverzeichnis: S. 211-220. Zu der Geschichte der Parkanlage Monrepos siehe: Viktor Dmitriev, Monrepo, in: Naše nasledie 2 (1989), S. 150-158; Eeva Ruoff, Das finnische Monrepos: „Ein Garten für das Herz, ein Garten für den Geist“, in: Die Gartenkunst 1/4 (1992), S. 35-54; Dies., Monrepos: muistojen puutarha. Porvoo 1993; Rainer Knapas, Monrepos. Ludwig Heinrich Nicolay och hans värld i 1700-talets ryska Finland. Stockholm 2003; Eurooppalainen Monrepos - Det europeiska Monrepos - Monrepos a European Haven, hg. v. Havu Sirkka u. Inkeri Pitkäranta. Ausst.-Kat. Näyttely Kansalliskirjaston Galleriassa 14.6.-17.10.2006. Helsinki 2006. 12 Der Schriftsteller Franz Hermann Lafermière (1737-1796) ging nach dem Studium in Straßburg nach Paris, wo er mit den Enzyklopädisten Diderot und d’Alembert verkehrte. Durch die Vermittlung von Fürst Voroncov bekam er den Posten des Bibliothekars bei Paul I. . Er ist u.a. Verfasser verschiedener Librettos zu Opern des russischen Komponisten Dmitrij Bortnjanskij (1751-1825), die im Park von Pawlowsk ihre Uraufführung gefunden haben. 13 Andrej Afanas’evič Samborskij (1732-1815) lebte zwischen 1765-1780 in London und diente dort in der Kirche der russischen Botschaft. Nach der Rückkehr nach Russland ist Samborskij zum Pfarrer der neuen Sofia-Kirche in Zarskoe Selo berufen worden. (Zu dem architektonischen Konzept von Sofia als einer Musterstadt in der direkten Nachbarschaft der Sommerresidenz der Zarin siehe: Švidkovskij, The Empress and the Architekt, S. 106-114). Zwischen 1784 und 1793 war Samborskij der geistliche Erzieher von Konstantin und Alexander Pavlovič. Er ist Verfasser der im Auftrag Katharinas entstandenen „Beschreibung der praktischen englischen Landwirtschaft, zusammengetragen aus Werken verschiedener englischer Schriftsteller“ (Opisanie praktičeskogo anglijskogo zemledilija, sobrannoe is raznych anglijskich pisatelej. Moskau 1781). Samborskij wird neben Nikolaj L’vov als möglicher Gartenarchitekt der Alexandrowa Datscha gehandelt, nachweislich hat er Stepan Džunkovskij gefördert, den Verfasser der poetischen Beschreibung dieses Gartens. (Der englische Gartenautor Loudon schreibt Samborskij sogar die Autorschaft des Gartenpoems „Aleksandrova Dača“ zu, vgl. Loudon: Encyclopedia of Gardening, Sp. 480; siehe dazu ausführlicher die Anmerkungen zum Kapitel „Wirkungsprogramm des Erziehungsgartens“ in Teil IV der vorliegenden Arbeit). Samborskij gilt als einer der engen Vertrauten des Fürsten Aleksandr Bezborodko. Es ist insofern bezeichnend, dass ebenfalls bei Bezborodko Heinrich Storch nach dem Studium seine Laufbahn in St. Petersburg begonnen hat und dass der Fürst als Auftraggeber für mehrere Bauprojekte von Nikolaj L’vov fungiert hat. So bezieht sich sogar die einzige geschlossene gartengestalterische Schrift L’vovs auf ein Moskauer Gartenprojekt, das er für Bezborodko ausgearbeitet hat. (Vgl. L’vov, Kakim obrazom dolžno by bylo raspoložit’ sad knjazja Bezborodki, S. 107-135). – 293
Russisch Grün
Abb. 40. Abraham Luis Rodolphe Ducros (1748-1810): Großfürst Paul und Großfürstin Marija Fëdorovna in Tivoli, 1782, Öl auf Leinwand, 99x137 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. CCh-3762-III.
zu, insbesondere mit der Landschaftsmalerei, die einen wesentlichen Beitrag zur Veranschaulichung und Verbreitung der neuen Naturauffassung und Landschaftswahrnehmung leistet. Nicht unerwähnt kann daher bleiben, dass eigens für die Europareise der Landschafts- und Porträtmaler Henri Francois Gabriel Viollier (1750-1829) als ständiger Begleiter des Fürstenpaares engagiert wird.14 Zahlreiche Atelierbesuche während der Aufenthalte in Rom und Paris bei den namhaftesten Malern der Epoche, oft mit anschließender AufInsgesamt ist das weitgestreute Tätigkeitsfeld von Samborskij noch kaum erforscht. Ausführlichere biografische Informationen sowie eine Schilderung seiner theologischen Ansichten sind in älteren biografischen Artikeln enthalten: Art. Samborskij, in Ėnciklopedičeskij slovar’ [F.A. Brokgauz/I.A. Efron], Bd. 28; N. Barsov, Art. Samborskij, in: Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 18 [„Sabaneev – Smyslov“], S. 147-155. 14 Henri Francois Gabriel Viollier wird um 1780 auf Empfehlung der Großfürstin Marija Fëdorovna von Genf nach St. Petersburg berufen. Vermutlich hat er in den 1770er Jahren als Miniaturmaler im Dienste ihrer Eltern in Montbéliard gestanden. Bis 1785 befindet sich das Cabinet d'Estampes des Großfürsten Pavel Petrovič unter seiner Aufsicht. Von ihm stammt die Plan-Zeichnung für den Eigenen Garten bei dem Schloss Pawlowsk, außerdem ist Viollier an der Gestaltung des Interieurs des Alten Chalets beteiligt gewesen. Vgl. Denis Roche, Neskol’ko zamečanij o Vuale i Viollie, in: Starye gody: ežemesjačnik dlja ljubitelej iskusstva i stariny 8 [Oktjabr’] (1909), S. 574-593; K.P. Belavskaja, Chudožnik F. Viol’e i ego raboty v Pavlovske, in: Pamjatniki kul’tury. Novye otkrytija: Pis’mennost’, iskusstvo, archeologija. Moskva 1977, S. 309-322. 294
Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
tragvergabe, zeugen von der Bedeutung auch dieses Kunstzweiges für das russische Thronfolgerpaar. Der deutsche Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert (1737-1807), den die Großfürsten in Rom persönlich kennenlernen, macht für sie während eines Abstechers nach Tivoli und Frascati den Cicerone. Für die knappe Schilderung dieses kurzen Reiseabschnitts sei das Wort einem autorisierteren Vertreter dieses Metiers überlassen: „Um diese Zeit war der Großfürst und die Großfürstin von Rußland nach Rom gekommen, und Hackert wurde denselben beim Rat Reiffenstein vorgestellt. Er brachte viele Abende bei ihnen zu, und begleitete sie und den Prinzen Ludwig von Würtemberg, nachmaligen Churfürsten, da Reiffenstein am Podagra krank lag, nach Tivoli und Frascati. Sie hatten von ihm gehört, daß er im Frühjahr 1782 eine Reise nach Neapel machen werde, worauf sie sogleich viele Bestellungen von den dortigen Ansichten, mehreren umliegenden interessanten Gegenden, als von Puozzoli, Baja und Caserta, bei ihm zu machen geruhten; so wie schon vorher verschiedene andere Gemälde von Frascati und Tivoli für sie zu fertigen, ihm aufgetragen hatten. Bei dieser Gelegenheit drang sowohl der Großfürst als die Großfürstin darauf, daß Hackert sich entschließen möge, eine Reise nach Rußland zu machen.“15
Das während des Aufenthaltes in Tivoli entstehende Porträt der Großfürsten von Abraham Louis Rodolphe Ducros (1748-1810) vor dem Hintergrund der imposanten Naturkulisse, die vielfach in Gärten, Gemälden und Büchern zitiert wird, kann als symptomatisch für die Selbstverständlichkeit betrachtet werden, mit der für das Thronfolgerpaar Gartenkunst und Landschaftsmalerei ineinander übergehen. Die besondere Bedeutung der zahlreichen Besuche und Aufenthalte in den Garten- und Parkanlagen entlang der Reiseroute wird noch unterstrichen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass gleichzeitig zu Hause in Pawlowsk die Ausbauarbeiten zu dem Park und dem Schloss in vollem Gange sind. Während der gesamten Reise ist das Thronfolgerpaar nicht nur über den Fortgang der Arbeiten ständig auf dem laufenden, sondern es nimmt auch aus der Distanz seine Rolle als Bauherren der Anlage wahr. Ungeachtet 15 Johann Wolfgang von Goethe, Jakob Philipp von Hackert, in: Sämtliche Werke. (Münchner Ausgabe.) München, Wien 1987, Bd. 9, S. 749f. – Da Goethe die Biografie seines Freundes und zeitweiligen Weggefährten während seiner Italienreise Jakob Philipp Hackert aus dessen handschriftlichen autobiografischen Aufzeichnungen gearbeitet hat, kann man diesen Bemerkungen einen gewissen Quellencharakter nicht absprechen. Die von Goethe erwähnten Verhandlungen zwischen den Großfürsten und Hackert um eine Anstellung in St. Petersburg scheiterten an zu hohen finanziellen Forderungen Hackerts. Interessant ist die Tatsache, dass eine der frühesten Auftragsarbeiten des Landschaftsmalers in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Landsitzkultur steht: 1762-1763 fertigte Hackert eine Tapetenserie für den Gartensaal in dem Landhaus des schwedisch-pommerschen Regierungsrates Adolf Friedrich von Olthoff in Boldevitz auf der Insel Rügen an. Vgl. dazu Tagungsprogramm anlässlich der Präsentation des von Evelyn Adler (Dresden) restaurierten Tapetensaales: [08.09.2005]. 295
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der großen Entfernungen wechseln ununterbrochen Kuriere zwischen Sankt Petersburg und den jeweiligen Aufenthaltsorten der Großfürsten hin und her, in ihren Portefeuils befinden sich Pläne und detaillierte Anweisungen zu den aktuellen Bauphasen, ebenso wie umgekehrt Rechenschaftsberichte des zuständigen Gartendirektors Karl Küchelbecker (1748-1809).16 Die Tatsache, dass für die Ausgestaltung der Parkanlagen von Pawlowsk ein eigens dafür verantwortlicher Gartendirektor berufen worden ist, ist für diese Zeit noch nicht unbedingt selbstverständlich und kann als ein Indiz für den Stellenwert gewertet werden, der der Gartengestaltung als einer eigenständigen Kunstform zugeschrieben wird. Man trägt damit einer Forderung Rechnung, die Hirschfeld im Hinblick auf die Verantwortung und die außerordentliche Bedeutung der Aufgaben eines Direktors formuliert hat: „Jeder ansehnliche Hof sollte billig einen aufgeklärten Mann zum besonderen Gartendirektor wählen, der ganz allein seine Talente, Kräfte und Zeit diesem Geschäfte widmete, der Kenntniß, Geschmack, Eifer, Verbindung und Ansehen genug hätte, um sowohl die Ehre der Gärten des Landes, als auch die Ausbreitung der nutzbaren Gartenkultur befördern zu können.“17
Damit ist im Grunde die Rolle Karl Küchelbeckers umrissen, der in seiner Korrespondenz mit Maria Fëdorovna und deren Sekretär Heinrich Ludwig Nicolay laufend die Anweisungen der Großfürsten entgegennimmt und die zahlreichen Anfragen über den Verlauf der Arbeiten gewissenhaft beantwortet.18 Auch in dem während der Reise intensiv geführten Briefwechsel zwischen Katharina II. und den Großfürsten ist das Thema der Parkausgestaltung in Pawlowsk virulent. Dies dokumentiert der im Folgenden wiedergegebene Brief der Zarin aus Zarskoe Selo vom 2. Mai 1782, der gleichzeitig einen Einblick in den Zustand des Parks während der Europareise der Großfürsten gewährt. „Vorgestern machte ich eine Spazierfahrt nach Pawlowsk, wobei ich an den beiden Seiten der Straße viel Schnee vorfand. An dem kleinen Eingang des Gartens stieg ich aus der Kutsche aus und bestieg den Berg über den Fußweg. Ich gelangte zu dem Haus [Paullust], trat ein und fand die Möbel sauber und gut erhalten vor. Auf dem Hof wird bereits das Fundament für das neue Haus und den Flügel an der linken Seite vorbereitet. Aus dem Haus gingen wir zu der Ruine über den Weg an dem Hügel entlang, von dort aus nahmen wir den einzigartig entworfenen Weg, den wir sehr praktisch gefunden haben, und gelangten den Berg hinunter ganz in die Nähe des Tempels [Chram Družby], der von Cameron gebaut wird. Der Bau ist fast fertig und 16 Der aus Sachsen stammende Karl Küchelbecker hatte den ersten Gartendirektor, den Fürsten Gagarin, abgelöst und bekleidete dieses Amt bis 1789. 17 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst. Bd. 5, S. VI. 18 Teilveröffentlichungen des Briefwechsels: Pis’ma vel. Knjagini Marii Fedorovny k K.I. Kjuchel’bekeru, hg. v. Ju. V. Kosov, in: Russkaja starina 1/3 (1870), S. 245249; Semevskij, Pavlovsk [1877], S. 517-552; Uspenskij, Imperatorskije dvorcy, Bd. 2, S. 470; Vitjazeva, „Blagosklonnyj k vam Pavel …“, in: [30.4.2008]. 296
Europareise des Comte und der Comtesse du Nord (Delille, Rapp)
sieht von außen sehr schön aus; im Inneren steht noch das Baugerüst, weswegen alles sehr düster wirkt. Der Wasserspiegel im Fluss ist niedrig, weil die Befürchtungen der Schneeschmelze es nicht erlaubten, die Schleusen zu schließen. Von dort gingen wir über die Brücke, vorbei an der Kaskade, die ohne Wasserspiel war, zu dem Chalet, das wir sauber und in einem guten Zustand vorfanden. Dort setzte ich mich hin und fand die Aussicht von dort sehr hübsch, bedenken Sie, dass die Wiesen noch nicht grün sind und die Bäume kein einziges Blättchen haben. Vom Chalet gingen wir den Weg durch die Waldlichtung und beschauten die Kolonnade, an der gearbeitet wird. Von dort gingen wir zu der Säule, auf der die Florastatue aufgestellt wird; diese letzte und einzige Sache, erlaube ich mir zu kritisieren, weil ich bei ihr eine unpassende Ähnlichkeit mit der Madonnastatue an der großen Straße entdeckte. Aber dieser Mangel ist sicher gar keiner, denn er gehört zu denen, die sehr verzeihlich sind; an dem neuen Tor, das bei dem Ausgang von der Wiese auf die große Straße angebracht wird, nahmen wir den Materialweg und bestiegen wieder die Kutsche, nachdem wir gute zwei Stunden umhergewandert und über alle Abhänge, ob steil oder nicht, geklettert waren, und zu Tode erschöpft; wir sagten: schade, dass die Besitzer nicht da sind, sie hätten uns das Laufen leichter gemacht und hätten uns die Sachen in einem angenehmeren Blickwinkel erscheinen lassen, aber jetzt, da sie nicht hier sind, sieht alles so traurig und leer aus, dass mein Herz sich mit Schmerz erfüllt hat. Kehren Sie nur so bald als möglich zurück, allein damit Pawlowsk dieses traurige Aussehen verlieren möge. Eure Kinder sind gesund und laufen so schnell, dass kaum jemand ihnen folgen kann. Adieu, meine lieben Kinder! Ich umarme Euch.“19 19 Katharina II. an Pavel Petrovič und Marija Fëdorovna, Carskoe Selo, d. 2. Mai 1782, in: Sbornik russkago istoričeskago obščestva 9 (1872), S. 145-147: „Avanthiet j'ai été me promer à Pawlofsky, où j'ai trouvé des deux côtés du chemin d'abord beaucoup de neige. Arriveé à la petite porte du jardin, je suis descendue de carosse et j'ai monté la montagne par le sentier, arrivée à la maison j'y suis entrée et j'ai trouvé les chambres et les meubles très-propres- et très-bien entretenus. Dans la cour on fait l'excavation des fondements de la nouvelle maison et de l'aile à côté gauche. De la maison nous sommes allés à la ruine par le chemin, qui côtoie la montagne, et d'ici par un nouveau chemin tracé seulement, et que nous avons rendu praticable, nous avons descendu la montagne tout proche le temple, que Caméron bâtit, ce bâtiment est presque achevé et son apparence extérieure est très-belle, l'intérieur était couvert par des échafaudages, qui le rendaient très-sombre. Les eaux de la rivière sont très-basses, parce que la crainte de la fonte des neiges a empêché, qu'on ne ferme les écluses; de là nous nous sommes rendus par le pont, en passant devant la cascade, qui ne jouait pas au chalet, que nous avons trouvé très-propre et bien entretenu; là je me suis assise et j'ai trouvé la vue très-agréable, notez que les tapis ne sont pas verts encore et qu'il n'y a pas une feuille; du chalet nous avons pris par le chemin, qui cotoie la forêt et nous avons été voir la colonnade à laquelle on a commencé à travailler, de là à la colonne sur laquelle l'on posera Flore, celle-ci et la seule chose, que j'ai pris la liberté de critiquer, parce que je lui ai trouvé un faux air de Madonna du grand chemin, mais ce défaut assurément n'en est pas un, parce que celles-ci sont assurément très-vénérables; à la nouvelle porte qu'on va bâtir du tapis vert au grand chemin, nous avons pris le chemin des matériaux, et nous nous sommes remis en carrosse après avoir trotté pendant deux grosses heures, monté et descendu toutes les pentes douces et non douces, et fatigués à mourir; nous 297
Russisch Grün
avons dit: dommage que les hôtes n'y sont pas, ils nous auraient fait trotter d'avantage et nous auraient montré les choses dans un point de vue plus agréable, à présent, comme ils n'y sont pas, il y règne un air de tristesse et de vide qui m'a serré le cœur. Revenez donc au plus vite – ne serait-ce que pour ôter cet air languissant à Pavlofsky. Vos enfants se portent bien et ils courent si vite, que plus personne ne peut les suivre. – Adieu, mes chers enfants! je Vous embrasse.“ 298
3.
3. Synthese der Künste (Gonzaga)
Als die Großfürsten im November 1782 in Petersburg eintreffen, finden sie den Park und das Schloss von Pawlowsk bereits in einem fortgeschritten Bauzustand vor. Schon im darauffolgenden Jahr wird am äußeren Ende der dreifachen Lindenallee (russ. Lipovaja Aleja) eine Gartenpartie namens Ende der Welt (russ. Konec Sveta) angelegt, deren Kerninszenierung eine gleichnamige Säule darstellt. Das Konzept dieses, auch als Ende des Parks gedachten Orientierungspunktes muss aber umgehend neu formuliert werden, um der rasanten Ausdehnung der Gesamtanlage Rechnung zu tragen, mit der Konsequenz, dass die Säule an die neue Peripherie des Parks versetzt werden muss. Bis 1784 sind die Bauarbeiten insgesamt soweit gediehen, dass das Schloss bezogen werden kann. Von nun an verbringt das Thronfolgerpaar immer häufiger die Sommer- und frühen Herbstmonate in Pawlowsk. Von dieser Zeit an findet eine Veränderung in der Semantik der Parkanlage statt, die mit einem gleichzeitigen Wechsel des zuständigen Architekten einhergeht. Ab 1786 wird für die Ausführung der von Cameron entworfenen Projekte regelmäßig der italienische Baumeister Vincenzo Brenna (17451820)1 herangezogen, der schließlich 1789 den Posten des Hauptarchitekten übernimmt. Seine Aufgabe im Auftrag der Großfürsten besteht darin, die ländlich-arkadische Landschaft von Pawlowsk durch Partien mit feierlichem und repräsentativem Charakter zu bereichern. Noch ein weiterer Italiener wird hinzugezogen, um die Vielfalt der Empfindungen, die der Park von Pawlowsk bieten soll, zu steigern: der Venezianer Pietro di Gottardo Gonzaga (1751-1831).2 1
2
Vincenzo Brenna, Maler und Architekt, geboren in Florenz, ausgebildet in Rom und Paris. 1777-1780 studierte er antike Denkmäler in Rom und fertigte Veduten-Stiche. 1780 ging er nach Polen, von wo aus er 1783 nach Russland engagiert wurde. Er verließ 1800 Russland und starb zwanzig Jahre später in Dresden. Vgl. Architektory. Kratkij biografičeskij slovar’. Moskva 2000, S. 64-65; Andrea Corna, Dizionario della storia dell' arte in Italia. Piacenza 1930, Bd. 2; Agostino Mario Comanducci, Dizionario illustrato dei pittori, disegnatori e incisori italiani moderni e contemporanei. Milano 1970-74, Bd. 5. Pietro di Gottardo Gonzaga arbeitete als Bühnenmaler in Venedig, Mailand, Genua und Rom, wo er u.a. die „Vier Bücher über Architektur“ von Andrea Pal299
Russisch Grün
Zu den markanteren Erweiterungen und Umgestaltungen Brennas im Park von Pawlowsk zählt der zwischen 1789 und 1793 entstehende Parkteil Sylvia (russ. Staraja Silvija). 3 Dabei wird ein ausgedehntes Waldstück, das an die rechte Seite des Slawjankatals angrenzt, mit einem System gerader Alleen in Form eines Zifferblattes einer Uhr durchzogen und in die Gesamtanlage integriert. Im Zentrum des Gartenbezirks, auf das sternförmig zwölf Alleen zulaufen, wird die aus der Kolonnade entnommene Bronzeskulptur des Apollo neu in Szene gesetzt. In der Sylvia tritt der Musaget nun tatsächlich in einem Musenkreise auf, der sich durch die am Auslauf jedes der zwölf Gartenwege aufgestellten weiblichen Figuren bildet. 1792 schließt Vincenzo Brenna die zwischen 1786-87 begonnene Arbeit an der Großen Kaskade (russ. Bolšoj Kaskad) ab, indem er die Mauer der Kaskade rustiziert und eine schmale Balustrade mit zwei Vasen links und rechs aufstellt.
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ladio studierte und sich intensiv mit dem Werk von Piranesi auseinandersetzte („Architetture e Prospettive“, vor allem „Carceri“). Das Interesse Gonzagas in dieser Zeit galt in erster Linie den Wahrnehmungstechniken; er vertrat die Auffassung der Landschaftsmalerei als eines Porträts der Natur. 1782 bekam er seinen ersten Auftrag für eine Wandmalerei und erstellte eine Landschaft al fresco im Palazzo Venturi-Petorelli in Parma. Er erhielt 1791 eine Einladung von dem Theater „Fenice“ in Venedig (Einfluss von Francesco Guardi); weiterhin entwarf er Bühnendekorationen für „La Scala“ in Mailand, so entstanden dort z.B. im Jahr 1791 nach seinen Entwürfen Dekorationen zu elf Theaterstücken. Fürst Nikolaj Borisovič Jusupov (1750-1831), ab 1783 russischer Gesandter am Hof des Königs von Sardinien in Turin, lernte Gonzaga als Bühnendekorateur in der Mailänder „La Scala“ kennen und verschaffte ihm 1791, in seiner neuen Funktion als Direktor über „Musik und Prunk“ des russischen Hofes, dem Künstler eine Einladung nach Russland, wo er ab Juni 1792 unter Vertrag genommen wurde. Zu Gonzaga siehe die mit einem umfangreichen Materialanhang ausgestattete Monografie: Flora Syrkina, Pietro di Gottardo Gonzaga (1751-1831). Žizn’ i tvorčestvo. Sočinenija. Moskva 1974. Zwei einschlägige Publikationen zu Gonzaga als Theatermaler sind in den 1960er Jahren in Italien erschienen: Ugo Sofia-Moretti, Pietro Gonzaga, scenografo e architetto veneto (1751 Longarone - Pietroburgo 1831) e l'ambiente artistico del suo tempo con 40 facsimili di scenografie inedite in tavole fuori testo e commento. Milano 1960; Scenografie di Pietro Gonzaga. Ausst.-Kat., hg. v. Maria Teresa Muraro/Gianfranco Folena. Venice 1967 (Istituto di Storia dell'Arte; 27). Der Name „Sylvia“ soll vermutlich an den Parc de Sylvie von Chantilly erinnern. Vgl. Vergunov/Gorochov, Vertograd. Sadovo-parkovoe iskusstvo Rossii, S. 186. 300
Synthese der Künste (Gonzaga)
Abb. 41. Gavriil S. Sergeev (1765/66-1816): Blick auf den Marienthaler Teich [v.l.n.r.: Schloss, Schlosskirche und Trillage], 1799, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x56,6. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-1043/3.
Für die Parkpartie Marienthal wird von ihm eine ausladende Steintreppe entworfen, die zum Ufer des Sees hinunterführt und mit sechs Marmorstatuen sowie zwei Löwenfiguren entlang des Treppenganges geschmückt ist. An dem oberen Treppenvorplatz entsteht eine Trillage (russ. Tril’jaž), eine runde Kolonnade mit Gitterwerk und einer flachen Kuppel. (Abb. 41) Die unter Brenna sich abzeichnende Verstärkung der repräsentativen Züge des Landschaftsparks, insbesondere der zentralen Parkpartie in der Nähe des Schlosses, erfährt eine Steigerung, nachdem Paul I. 1796 den russischen Thron besteigt und Pawlowsk zu der offiziellen Sommerresidenz der Familie des nunmehrigen Zaren erklärt wird. In dieser Zeit wird auch der Baukörper des Schlosses durch zwei zusätzliche Flügel vergrößert. In der Nähe des Schlosses, auf der linken Seite der dreifachen Lindenallee, entsteht 1799 ein Blumenparterre, Große Kreise (russ. Bol’šye Krugi) genannt, mit den allegorischen Figuren von Frieden und Gerechtigkeit in der Mitte zweier kreisförmig angelegter Blumenbeetpartien. An der Seite der Großen Kreise errichtet Brenna zwischen 1797-1799 die sogennante Große Italienische Treppe (russ. Bolšaja Ital’janskaja Lestnica). Diese repräsentative Steintreppe, für die eine ältere Ruinengruppe weichen muss, verbindet jetzt die obere Terrasse des Gartens, den Schlossbezirk, direkt mit dem Slawjankatal. Um 1800 vollendet Brenna die Ausgestaltung der von Cameron angelegten Parkpartie Großer Stern (russ. Bol’šaja Zvezda) mit einem Konzertpavillon – Runder Saal (russ. Kruglyj Sal) – in ihrem Rondell. Das Grundmuster dieser großen bewaldeten Parkpartie, die überwiegend für Spazierfahrten geplant ist, bildet, vergleichbar der Sylvia, ein System radial angelegter gerader Alleen, die in diesem Fall durch gerade Wege untereinander in der Form eines Sternes ver-
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Russisch Grün
bunden sind. Auch dem weitläufigen Gartenbezirk Neue Sylvia (russ. Novaja Sil’vija), der 1800 entsteht und einen Übergang vom Park zu dem umliegenden Wald bildet, liegt abermals eine gerade Alleenführung zugrunde. Die Wege sind jedoch viel sparsamer „gefächert“ und mit einer verschlungenen Ringstraße untereinander verbunden. Der Umgestaltungsdruck, der im Zusammenhang mit der Thronbesteigung Pavel Petrovičs einer stärkeren Repräsentationsfunktion des Parks von Pawlowsk Genüge leisten muss, bringt die Gesamtkonzeption des Parks in eine prekäre Lage, denn es gilt dafür Sorge zu tragen, dass der bislang avancierteste Landschaftsgarten Russlands nicht auf die alten Fehler der traditionellen regulären Parkanlagen zurückfällt. Der Mann, der dies verhindern soll, heißt Pietro di Gottardo Gonzaga. Er wird in den darauffolgenden Jahrzehnten durch seine grenzensprengende Kunstauffassung und seine kompromisslose Innovationskraft die entscheidenden Akzente für die ästhetische Modernisierung der Parklandschaft setzen. Die ersten Entwürfe für russische Projekte von Pietro di Gottardo Gonzaga sind mit Januar 1792 datiert, und es handelt sich dabei um Skizzen für den Landschaftsgarten von Pawlowsk.4 Damit beginnt seine Arbeit an der Gestaltung des Parks, mit der er fast bis zum Ende seines Lebens betraut bleibt. In Pawlowsk bekommt Gonzaga ein Landhaus zugeteilt, das er in den warmen Jahreszeiten als Wohnsitz benutzt, um so seinen Gartenschöpfungen täglich nahe zu sein. Zu seinen Aufgaben zählen nicht nur die Gestaltung der Landschaft und die Arbeit an der Architektur des Parkpavillons und des Schlosses, sondern auch die Dekorationen der Feste und der Theateraufführungen in Pawlowsk sowie der benachbarten Gattschina. In dieser Funktion ist er für die künstlerische Gestaltung der offiziellen Anlässe der Zarenfamilie verantwortlich; so inszeniert Gonzaga nicht nur die Feierlichkeiten der Thronbesteigung von Paul I., Alexander I. und Nikolaus II., sondern auch die Trauerzüge Katharinas II. und Pauls I. In dem Lebenswerk von Gonzaga verschwimmen die Grenzen zwischen der Kunst der Theaterdekoration, der Wandmalerei, der Architektur und der Landschaftsgestaltung. Diese Synthese der Künste wird zu einem grundlegenden Prinzip der Gestaltung der gesamten Parkanlage von Pawlowsk. Eine harmonische Eingliederung eines Werkes der Malerei in die Umgebung der Natur ist die wichtigste Forderung und Eigenschaft der Arbeiten von Gonzaga, gleich ob es sich dabei um eine gemalte Landschaft, die von der realen Architektur eingerahmt wird, handelt oder um eine gemalte Architektur, die mitten in der konkreten natürlichen Umgebung platziert wird. Diese Forderung äußert sich in der konsequenten Suche nach einer Möglichkeit, die gebaute Architektur, die Natur und eine realistische Darstellung von beiden in der Malerei zusammenzuführen und ein ideales harmonisches Gesamtkunstwerk zu produzieren.
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Syrkina, Gonzaga: Žizn’ i tvorčestvo, S. 45, Anm. 1. 302
Synthese der Künste (Gonzaga)
Gonzaga, der sich als ein „Operateur der Natur“ versteht,5 erfindet malerische Bilder der Landschaft, in die architektonische Elemente der Parkanlage plastisch eingehen. Die wichtigsten Fähigkeiten und Aufgaben eines Gärtners, so wie sie von Gonzaga in seinen theoretischen Überlegungen „La Musique des yeux et l’optique theatrale“ 1800 formuliert werden, bestehen in dem Erkennen des Charakters der Gegend und der kunstvollen Komposition verschiedener Szenen, die den charakteristischen Eindruck der Landschaft verstärken sollen.6 Getreu seiner Vorstellung von einer kunstvollen Komposition, wird die Landschaft um die bereits existierenden Staffagen antiker Provenienz in dem Slawjankatal umgestaltet. Die Dorfküche bei dem Freundschaftstempel wird abgerissen, die Apollokolonnade wird aus dem Tal der Slawjanka an das Ufer des Sees hinter dem Schloss versetzt, das Kalte Bad wird neu gebaut und ausgestattet.7 In den weiteren Parkteilen arbeitet Gonzaga an der „Musik für die Augen“, sucht nach natürlichen Rhythmen und Leitmotiven. Es entstehen die malerische Partie des Paradefeldes (russ. Paradnoe Pole) mit einem weitausladenden Baum in der Mitte einer grünen Wiese, und der Gartenbezirk Weiße Birke (russ. Belaja Berëza), deren Fußwege entlang an Birkengruppen, an einsamen Eichen, an dichten Gebüschen und durch kleine Haine zu einem Kreis weißer Birken führen. Dieses Ensemble erinnert an einen Reigen tanzender Frauen, die sich zu einem Rundtanz nach traditioneller dörflicher Art versammelt haben. Die Einbildungskraft der Besucher wird in diesem Parkteil auch noch an anderen Stellen angeregt, eine Reihe hoher, glattstämmiger Kiefern kann plötzlich als eine go5
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Ebd., S. 57 (Selbstbezeichnung des Architekten als „хирург природы“). – Folgende Schriften Gonzagas gewähren einen aufschlussreichen Einblick in die Relexionen des Künstlers und geben Auskunft über die Pointierungen seines eigenen ästhetischen Programms: Pietro di Gottardo Gonzaga, Information a mon chef ou éclaircissement convenable du decorateur théatral Pierre Gothard Gonzague sur l’éxercice de sa profession. Saint-Peterbourg 1807; Ders., Du sentiment, de gout et de beau. Saint-Peterbourg 1811 (Ein Exemplar dieser Schrift ist in der privaten Bibliothek von F.M. Klinger enthalten gewesen; es befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Tartur); Ders., Remarques sur la construction des théatres, par un artist. Saint-Peterbourg 1817. [Pietro di Gottardo Gonzaga], La Musique des yeux et l’optique théatrale. SaintPeterbourg 1800 (russ. Übersetzung von Aleksandr Movšeson): Muzyka dlja glaz i tetral’naja optika, in: Syrkina, Gonzaga: Žizn’ i tvorčestvo, S. 89-120; siehe darin zu der Gartenkunst: S. 102-103. Andrej Voronichin (1759/60-1814) gestaltete später die Steinbrücke neben dem Kalten Bad neu, indem er sie vor allem mit mehreren Kentaurenstatuen aus Marmor verzierte. Er stellte damit einen interessanten Zusammenhang zu Entdeckungen in der Villa Hadrian in Tivoli her. Durch dieses Beispiel einer produktiven Umdeutung und spielerischen Einbeziehung eines archäologischen Fundes in das gartenarchitektonische Ensemble, verlieh er nicht nur der Brücke eine neue Bedeutungsebene, sondern setzte auch mittelbar das über die Brücke zugängliche Bad in einen neuen assoziativen Bezug zu den Bädern der Villa Hadrian in Tivoli. Vgl. German G. Grimm, Architektor Voronichin. Leningrad 1963; Vladimir Lisovskij, Andrej Voronichin. Leningrad 1971. 303
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tische Galerie empfunden werden, zusammengewachsene Äste mehrerer Birkenbäume erscheinen als sanfte Arkaden, oder drei aus einer Stelle entspringende Baumstämme erwecken den Eindruck, als handele es sich um die Überreste einer Kolonnade. Die Mitwirkung Gonzagas an der Außen- wie Innenausstattung des Schlosses und der Parkbauten beginnt mit dem Projekt des Piel-Turms (russ. Pil’-Bašnja), eines Gartenpavillons im Slawjankatal, der 1795-97 nach einem Entwurf von Vincenzo Brenna gebaut wurde. Kernziel dieses Gartenelements ist die Illusion eines im Verfall begriffenen Türmchens, das zu einer Mühle umfunktioniert wurde. Ein Mühlrad und eine Brücke über die Slawjanka, die an dieser Stelle zu einem Mühlbach umgedeutet wird, gehören zu der Staffage. Der „neue Besitzer“, ein allem Anschein nach fleißiger und armer Müller, hat diese Mühle offenkundig mühselig renoviert. Gonzaga unterstreicht den ärmlichen, ländlichen Charakter des Türmchen durch die Vortäuschung abgefallenen Stucks, so dass an vielen Stellen nun das darunterliegende Fachwerk zum Vorschein gekommen scheint, und durch die Abbildung von gemauerten Backsteinen an Stellen, die den Eindruck von kümmerlichen Ausbesserungsarbeiten erwecken. Hinter dieser ausgeklügelten illusionistischen Staffage verbirgt sich die Funktion des Gebäudes als Lesekabinett mit einem malerischen Fensterblick auf die künstlich angelegte Kaskade im Uferbereich der Slawjanka. Das aus der Dörfle-Kultur des letzten Drittels des 18. Jahrhunderts übernommene Moment der Divergenz von Innen- und Außengestaltung kommt bei diesem Gartenelement erneut zum Tragen. Das spezifisch Neue besteht aber darin, dass die Illusionstechnik Gonzagas nicht mehr dazu dient, eine ländlich-arkadische Idylle herzustellen, sondern vielmehr diese durch die Verwendung von Mitteln aus dem Arsenal der Ästhetik des Hässlichen illusionistisch aufzurauhen. Mit der Technik der konsequenten Zusammenführung heterogener ästhetischer Mittel zu einem neu konzipierten Kunstwerk versuchen Gonzaga und seine Mitarbeiter einen gartenästhetischen Standard umzusetzen, der den Anforderungen des heraufziehenden neuen Jahrhunderts gerecht werden soll. Die Experimentierfreudigkeit Gonzagas findet zumindest in einzelnen ausgewählten Gartenpartien einen Spielraum, der den grundlegenden Charakter des Landschaftsgartens in seiner Gänze zwar unangetastet lässt, ihn aber durch die Setzung verschiedener modernistischer Akzente bereichert und aktualisiert. Im Schönen Tal (russ. Krasnaja Dolina) in der Nähe der 1804 von Andrej Voronichin (1759/60-1814) neu gestalteten künstlichen Ruinen findet sich der Elisabeth-Pavillon, ein architektonisches Capriccio, für das Gonzaga die Innenräume ausgestaltet.8 Gonzaga, der zu Beginn des 19. Jahr8
Nach einem Entwurf von Cameron (1800) von Paul Daniel Schröter gebaut. Der dicht von Bäumen umstellte Pavillon überrascht die zeitgenössischen Parkbesucher, weil er sich bewusst als ein ästhetisches Ensemble von Versatzstücken verschiedener Stile präsentiert. Siehe zu der zeitgenössischen Rezeption und den Strategien der literarischen Wiedergabe dieser Gartenstaffage das Kapitel „Das ‚genialische Architekturstück’“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit. 304
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hunderts als Theater- und Dekorationsmaler die traditionelle trompe- d’œilTechnik steigert und in ein neues ästhetisches Konzept integriert, findet nicht nur im Elisabeth-Pavillon Gelegenheit, seine innovative Kunstauffassung im Park und in der Parkarchitektur umzusetzen. Die rasche Austauschbarkeit des Ambientes ist eine der Zielvorstellungen der gonzagischen Kunstauffassung, die er sehr anschaulich in der Errichtung des neuen Lufttheaters (russ. Vozdušnyj Teatr) 1811 einlöst. Die Verwendung der grünen Bühne, die aus dem Anlass einer Kindertheateraufführung entsteht und als Pendant zu dem massiven Amphitheater von Vincenzo Brenna aus den 1790er Jahren auf der dem Schloss gegenüberliegenden Seite des Slawjankatals wirkt, wird jeweils von Fall zu Fall neu definiert. Diesem Zweck trägt der Umstand Rechnung, dass die gemalten Kulissen austauschbar sind. Je nachdem, ob beispielsweise ein Feuerwerk oder eine kleinere Theateraufführung gegeben werden soll, wird ein eigens dafür geschaffenes, austauschbares Ambiente installiert. Bereits 1798 hat Gonzaga in einer Art theatralischer Vorführung in Anwesenheit des Thronfolgers Alexander ein Theaterereignis inszeniert, das ausschließlich aus einer tour de force von ständig wechselnden Kulissen komponiert war. Die ohne eine dramatische Handlung, ohne Darsteller und ohne Musikbegleitung auskommende Aufführung dauerte drei Stunden und zog ihren ästhetischen Reiz aus dem bloßen visuellen Strom von unentwegt wechselnden Kulissen.9 Das Prinzip des raschen Wechsels von Szenerien, das Gonzaga auch konsequent und großräumig im Park von Pawlowsk in Anwendung gebracht hat, erlaubt und ermöglicht es seinem Kunstverständnis nach, unterschiedliche Stilrichtungen gewissermaßen vorübergehend zu zitieren. Innerhalb des Gartens bedeutet dies, dass beispielsweise das gegen Ende des 18. Jahrhunderts ästhetisch überholte Konzept des regulären Gartens wieder heraufbeschworen und, für einen vom Künstler begrenzt oder überschaubar gehaltenen Zeitabschnitt, rehabilitiert werden kann. So entwirft Gonzaga 1815 ein großes Bühnenbild unter der Bezeichnung „Garten“ zu einem Theaterstück „Tod des Herkules“, das eine regelmäßige Parkpartie französisch-italienischer Provienenz darstellt, mit einer antikisierten Rotunde im Hintergrund, zu der die grünen, geschnittenen und mit Statuen und Vasen geschmückten Heckenarkaden führen. Dieses Bühnenbild findet seinen Platz in dem pawlowskschen Gartentheater und wird so mit der rahmenden Umgebung des realen Landschaftsgartens konfrontiert. Im gleichen Jahr wie dieses Bühnenbild entsteht in Pawlowsk die Gartenpartie um die Insel der Liebe (russ. Ostrov Ljubvi) mit einem Pavillon (russ. Chram Amura), der eine Amorstatue zentral inszeniert. Die Insel der Liebe beinhaltet ein deutlich wiedererkennbares Gartenelement, das an die Gärten von Versailles erinnert und die artifizielle Verknüpfung zwischen Natur und Kunst hervorhebt. Damit wird für die unregelmäßige Landschaftsauffassung der natürlich wirkenden Umgebung ein gartenstilis-
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Syrkina, Pietro di Gottardo Gonzaga; Massie, Pavlovsk. The Life of a Russian Palace, S. 85. 305
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tisch gesehen regulärer Kern gesetzt.10 Die moderne Qualität an einem solchen, alte und vermeintlich überholte Muster zitierenden Verfahren kommt in diesen Garteninszenierungen darin zum Ausdruck, dass der Gartenbesucher zunehmend dazu bereit ist, eine solche offensichtliche Stilkollision zu ertragen und sogar zu genießen.11 Zu der Strategie der sukzessiven Erneuerung und Verschönerung des Landschaftsparks von Pawlowsk trägt eine immer deutlicher sichtbar werdende Tendenz zur Aufnahme spezifisch russischer Elemente in den Garten bei, was mit der Ausformulierung eines nationalcharakteristischen Stilgefüges einhergeht. Auf botanischer Ebene bedeutet dies die gezielte Verwendung der russischen Pflanzenwelt bzw. der Pflanzen nördlicher Breiten überhaupt in das Landschaftsgartenkonzept, wobei die im Zuge der Aufklärung mittlerweile enorm vorangetriebene systematische Bestandsaufnahme der russischen Flora12 und der damit einhergehende hortikulturelle Diskurs in den gartenökonomischen Zeitschriften und Sammelwerken13 die dazu notwendige Wissensagglomeration bereitstellt und fortlaufend aktualisiert.14 In architektonischer Hinsicht ist die Tendenz zur Ausformulierung eines nationalen Stils im Landschaftspark von Pawlowsk bereits in der Konzeption des Bauernhofes (russ. Ferma) augenfällig. (Abb. 49) Am deutlichsten kommt die neue Formsprache jedoch in dem Projekt des russischen Musterdorfes Glazovo zum Ausdruck, dessen Entwurf auf Carlo Rossi (eigentl. Charles, russ. Karl Ivanovič, 1775-1849) zurückgeht. Dieses Dorf wird am äußeren östlichen Ende der Anlage etwa um 1815 errichtet, die ersten Planungen einer bäuerlichen 10 Syrkina, Pietro di Gottardo Gonzaga, S. 77. 11 Vgl. dazu das Gartenprojekt von Nikolaj L’vov für den Fürsten Bezborodko in Moskau, wo es ausdrücklich darum geht, die gegensätzlichen Konzepte der Gartengestaltung von William Kent und André Le Nôtre in Verbindung zu bringen und auf einander abzustimmen („согласить учение двух противоположных художников Кента и Ленотра“), L’vov, Kakim obrazom dolžno by raspoložit’ sad knjazja Bezborodki v Moskve, in: Ausgewählte Werke, S. 316-325, hier S. 316. 12 Peter Simon Pallas, Flora Rossica seu stirpium Imperii Rossici per Europam et Asiam indigenarum descriptiones et icones. Petropoli 1784-1788. 13 Andrej Bolotov, Ėkonomičeskij Magazin. Moskva 1780-1789. 14 Dass gleichzeitig die Faszination, die von exotischen Pflanzen ausging, ungebrochen war und weiterhin gärtnerische Verwendung fand, zeigt die folgende in der Literatur zu Pawlowsk überlieferte Begebenheit. Bereits im Jahr 1786 zählte der Park fünf Treibhäuser. 1793 war eine weitere neue Orangerie in Pawlowsk fertig, für die Marija Fëdorovna sich einige neue Pflanzen aus der SüdseeRegion wünschte. Die Bestellung ging an den britischen Gesandten in St. Petersburg, woraufhin sie 1795 von König George III. eine Pflanzenkollektion aus 126 seltenen Pflanzen aus den Londoner Kew Gardens geschenkt bekam. Außerdem waren nicht nur die Pläne der Orangerie Cape House in Kew und gestochene und gemalte Abbildungen der Pflanzenkollektion, sondern auch ein spezieller Gärtner namens Noe, der die wertvolle Fracht des speziell für den Pflanzentransport ausgestatteten Schiffs „Venus“ begleitete, Bestandteil dieses königlichen Geschenks. 306
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Gartenpartie im russischen Stil in Pawlowsk gehen aber auf das Jahr 1795 zurück.15 (Abb. 42) Ein Jahr zuvor hat Heinrich Storch in seinem „Gemählde von St. Petersburg“ bereits beschrieben, dass einzelne Dörfer entlang der Peterhofer Straße St. Petersburgs, die einen spezifischen Nationalcharakter erkennen lassen, keineswegs ungewöhnlich sind und sich harmonisch in das kultivierte Landschaftsgefüge eingliedern. Es ist symptomatisch für den ästhetischen Blick Storchs und seiner Zeitgenossen, dass er diese Dörfer im Rahmen der sie umgebenden Landschaft in der Sprache der Gartenbeschreibungen schildert und sie mit einem „Lustgarten“ vergleicht.16 Dass solche Dörfer mit unterschiedlichen Nationalstilen als ästhetische Bereicherung der Landschaft angesehen werden, fordert zum Vergleich mit einheimischen russischen Dörfern heraus und stellt die Gartenkunst ganz generell vor die Aufgabe, deren Charakteristika zu definieren und letztlich in die Parklandschaft zu integrieren. Mit der Errichtung des als russisches Idealdorf konzipierten Glazovo ist ein solcher Schritt im Landschaftspark von Pawlowsk vollzogen. Bald wird in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ein württembergisches Dorf hinzukommen, das, bezeichnenderweise, als Referenz an den Ort, in dem Maria Fëdorovna ihre Jugendzeit verbracht hat, den Namen Etüp erhält.
15 Vgl. zu Glazovo: Ekaterina Anisimova, K istorii sozdanija derevni Glazovo pod Pavlovskom. Ot projektov Karlo Rossi k sozdaniju Leone Adamini 1815-1822 (mit ital. und dt. Kurzfassung). Montagnola 1997 (Quaderni La Ricerca; 4); Dies., K istorii sozdanija derevni Glazovo pod Pavlovskom, in: Pavlovskie čtenija, hg. v. N.S. Tret’jakov u. L.V. Koval’. Sankt-Peterburg, Pavlovsk 1998, S. 20-26; Anja Hecker/Andreas Kalesse, Die russische Kolonie Alexandrowka in Potsdam: Zum Forschungsstand, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 54 (2003), S. 200-218; Galina V. Semënova, Derevnja Glazovo v Pavlovskom Parke, in: Boris Sokolov (Hg.), Prostranstvo i vremja voobražaemoj architektury. Moskva 2005, S. 139-146 (Caricynskie čtenija; 7-8). 16 Storch, Gemählde von St. Petersburg, Bd. 1, S. 78-79. Siehe zu Storch ausführlicher das 2. Kapitel („Briefe über den Garten zu Pawlowsk, geschrieben im Jahr 1802“ von Heinrich Storch) in Teil VI der vorliegenden Arbeit. 307
Russisch Grün
Abb. 42. Carlo Rossi (1775-1849): „Bauern Hof in Rußland“ (rechts unten: „Rossy architécte“), 1815 (?), Tusche, aquarelliert, 97,5x64,1 cm. SMBPK Kupfersichkabinett, Berlin, Mappe Top Russland ZM.
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4.
4. Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität
Im Kontrast zu der unentwegt sprühenden Imaginationskraft und Innovationskunst Gonzagas durchzieht andererseits die Struktur einer bewahrenden Memorialkunst den Landschaftspark von Pawlowsk, ein Charakterzug, der seit seiner Gründung einen Stellenwert innerhalb des gartenkünstlerischen Konzeptes der Anlage behauptet und über den Zeitraum der rund fünfzig Jahre unter Marija Fëdorovna als Gartenbesitzerin hinweg stetig erweitert und ergänzt wird. Die Ausgestaltung der Gartenanlage in Pawlowsk findet vor dem Hintergrund einer komplex gewordenen Gartenästhetik statt. Diese verbindet Elemente der Memorialkunst mit der Reflexion über Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit. Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts integriert der Gartendiskurs ausdifferenzierte Umgangsstrategien sowohl mit dem natürlichen Wechsel der Tages- und Jahreszeiten als auch mit dem anthropologischen Wandel im Horizont der individuellen oder gesellschaftlichen Geschichte. Die beliebten Staffagen des Landschaftsgartens, Ruinen und Denkmal, veranschaulichen die Spannung zwischen Dauer und Vergänglichkeit, Denkmäler treten als Zeugnisse der kollektiven oder privaten memorativen Praxis auf.1 Zudem werden in der Auseinandersetzung mit dem mnemotechnischen Speichermodell, das die architektonische Ordnung eines regulären Gartens prägt, in dem dynamischen Raum des Landschaftsgartens die modernen, verzeitlichten Formen der Gedächtnisstiftung erprobt. Der Garten etabliert sich zu einem kulturgeschichtlich und literarisch privilegierten Ort für die Entfaltung sowohl kultureller als auch individueller Erinnerung.2 Im russischen Pawlowsk werden zahlreiche memorative Elemente durch eine assoziative Konstitution von Erinnerung in das imaginativ durchbrochene Raumgefüge des Landschaftsgartens eingefügt. Auch die eigene Geschichte der Gartenanlage wird gerne in der Landschaftsgestaltung themati1
2
Adrian von Buttlar, Zum Transzendenten im Landschaftsgarten, in: Garten, Landschaft, Wahlverwandtschaften, hg. v. Fondazione Benetton Studi Recerche. Treviso, Milano 1993, S. 47-62. Siehe die Sammelbände: Oesterle/Tausch, Der imaginierte Garten; Tausch, Gehäuse der Mnemosyne; Ananieva/Hoefer, Der andere Garten. 309
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siert. Dazu gehört ein Obelisk oberhalb der Uferböschung der Slawjanka zur Erinnerung an die Gründung der Anlagen von Pawlowsk mit der Inschrift: „Pawlowskoe/ begonnen zu bauen/ im Jahr 1777“. Auch das Häuschen Krik, das wohl älteste Bauwerk des Parks, wird bis ins 20. Jahrhundert hinein gewissermaßen als Augenzeuge der ersten Tage des Parks erhalten und gepflegt. Im Jahr 1877 dient es zudem als Ausstellungsort für die historischen Ansichten des Parks zum 100-järigen Jubiläum seiner Entstehung. Einen wesentlichen Bestandteil der Erinnerungskultur im Park von Pawlowsk bilden persönliche Erinnerungen der Besitzer. Der sichtbarste Ausdruck dieser Tradition ist der sogenannte Familienhain (russ. Semejnaja rošča), ein 1785 um eine Schicksalsurne angelegtes Baum-Ensemble. (Abb. 43, 50) Auf welche Weise sich die genealogische Gedächtnisstiftung in den natürlichen Zeichen materialisiert und damit in die Zeitordnung der Natur eingebunden wird, bringt Heinrich Storch im Text der ersten literarischen Beschreibung von Pawlowsk zum Ausdruck: „Ein freundliches Gehölz empfängt Sie, und zeigt Ihnen in seinem Innern ein rührendes Denkmal, den Empfindungen der Natur von der Natur selbst gesetzt. Sehen Sie dort die schlanken Birken, die in geselliger Unordnung das Ufer bekränzen, und die jungen Sprößlinge hier, die sich an jene anzuschmiegen scheinen? Jedes dieser Bäume und Bäumchen bezeichnet irgend ein großes und glückliches Familienereigniß. Jener junge, aber schöne und starke Baum, der seinen wohlthätigen Schatten schon so weit verbreitet, verdankt sein Daseyn der Geburt unsers geliebten Kaisers; diese hier zählen eben so viel Sommer als seine liebenswürdigen Geschwister. Auch die Tage, da Hymen der erhabenen Familie neue Freuden schenkte, finden in diesen blühenden Bäumchen Denkmäler, von der Mutterliebe errichtet. Eine sanfte und heitere Phantasie hat diese kleine, so interessante und so sehr zum Herzen sprechende Pflanzung mit Rosen- und Lilienfeldern umgeben, und zwischen denselben ruht auf einem stummen Fußgestelle die Urne des Schicksals. Wie wahr und natürlich muß das Gefühl seyn, das dieses Plätzchen zu seiner Bestimmung geweiht hat, und welch einen Stoff von Ideen und Empfindungen bietet es dem gefühlvollen Beobachter dar!“3
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Storch, Biefe [2001], S. 288. – Genau diese Art von Inszenierung führt Fëdor Glinka (1786-1880), der Verfasser einer der russischsprachigen PawlowskBeschreibungen, in einem Essay unter dem Titel „Einige Bemerkungen über die Gärten“ (1815) als ein wirkungsvolles Beispiel der Gestaltung des Gartens als einer Erinnerungslandschaft (in diesem Fall dem freundschaftlichen, nicht dem familiären Kreis gewidmet) heran. Siehe: Fëdor N. Glinka, Neskol’ko slov o sadach, in: Ders., Pis’ma k drugu, hg. u. komm. v. V.P. Zverev. Moskva 1990, S. 129-138, S. 134: „На острове Дружбы насадите рощицу, в которой бы каждое дерево, каждый куст посвящен был одному из ваших друзей; имя его, написанное на дощечке, должно быть привязано к дереву. В середине рощицы простой жертвенник; на нем белая урна с надписью: алтарь Дружбы.“ 310
Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität
Abb. 43. Henri Francois Gabriel Viollier (1750-1829): Schicksalsurne im Familienhain, 1789, Zeichnung für die Knopfserie zu Pawlowsk, Papier, Tusche, Feder, Durchmesser 2,9 cm.
Zur Erinnerungskultur in Pawlowsk gehört, wie bereits erwähnt, eine sentimentale Bindung an die verlassene Heimat Marija Fëdorovnas. Die Kindheitserinnerungen erfahren in dem neu angelegten Landschaftspark in Pawlowsk, einer der vielen Gartenanlagen, die dem russischen Großfürstenpaar zur Verfügung stehen, die Inszenierung in einer ländlich sentimentalen Art. Einige Gartenpavillons, wie die Meierei, die Köhlerhütte, die Voliere mit dem Bassin oder die Ruine verweisen sogar auf gleichnamige Gartenbauten in Étupes und deuten damit auf formale Parallelen in der Gestaltung der beiden Gärten hin. Dennoch sind es nicht die einzelnen Kleinarchitekturen, die als Erinnerungsträger einer sentimentalen Bindung an den verlassenen Garten in Étupes oder in Treptow dienen. Solche Gartenstaffagen bleiben weitgehend einer europaweiten Zitatkultur verpflichtet, einem kollektiven Sinnvorrat, der sich mit dem neuen Gartenstil in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verbreitet. Im Falle Marija Fëdorovnas in Pawlowsk ist es neben dem Akt der Gartengestaltung das Erlebnis in dem Gartenraum selbst, der durch die Intentionen der Besitzerin einen erinnerungsstiftenden Zusammenhang herzustellen vermag. Der Grundimpetus der Besitzerin geht dabei mit einer gartenspezifischen Kulturtechnik einher, die einen imaginativen Umgang mit der exponierten und versteckten Erinnerung regelrecht kultiviert.4 Dieses Wechselspiel konstituiert den Garten als einen Erinnerungsort, dessen räumliche und dingliche Inszenierung sich, zwischen Lesbarkeit und Unlesbarkeit oszillierend, entfaltet.
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Angesichts der zunehmenden Individualisierung der Wahrnehmung im Rahmen der Ästhetik des Landschaftsgartens gegen Ende des 18. Jahrhunderts werden verstärkt die adäquaten Beschreibungsstrategien in der Gartenliteratur diskutiert. In Bezug auf die deutschsprachige Literatur siehe dazu Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 83-113. 311
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Gartentheoretisch wird dieses Phänomen in der Entwicklung des Landschaftsgartens reflektiert. Hirschfeld beschreibt im Rahmen seiner „Theorie der Gartenkunst“ einen Erinnerungsort, der intentionale Erinnerungszeichen des Besitzers enthält. Als Voraussetzung gilt für ihn die Prämisse, dass jedem Gartenbesitzer zugestanden wird, den Garten nach seinen individuellen Vorlieben zu gestalten. Die in den Gartenpavillons, Denkmälern und Inschriften materialisierten Erinnerungszeichen erzeugen in ihrem Zusammenspiel einen harmonisierten Raum und rufen dabei eine sanftmelancholische Stimmung hervor: „Bey so manchen Scenen der Vergänglichkeit [...], bei so vielfältigen Täuschungen unserer Hoffnungen und Leidenschaften, scheint nichts dem Bedürfnisse unserer Natur angemessener, als zuweilen den Trost der Einsamkeit und die Weisheit stiller Betrachtungen zu suchen. [...] Wir finden in der einsamen Wiedererinnerung nicht selten ein verlorenes Gut wieder, genießen im Bilde noch einmal eine Glückseligkeit, die auf ewig verschwand; mit Phantasien voll süßer Schwermut schwimmen wir der Vergangenheit auf ihrem Strome nach.“5
Neben den zahlreichen architektonischen Elementen des Gartenraumes ist es nicht zuletzt die Literatur, der in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung zukommt. Die in der Inszenierung des Raumes erzeugte flüchtige Stimmung erhält erst durch den Text ihre Dauerhaftigkeit, zugleich wird die aufkommende „sanfte Melancholie“ kontrollierbar: „die Poesie giebt rührende Inschriften, welche die Erinnerung an Vergänglichkeit mit Lehren der Weisheit begleiten. [...] Sie stimmen die Seele, oder erhalten sie doch in der Stimmung, worin sie versetzt ist; sie führen sie auf höhere Betrachtungen fort, wozu diese Stimmung nur vorbereiten soll.“6
Der besondere ästhetische Reiz erinnerungsstiftender Gartenpassagen geht für Hirschfeld davon aus, dass die Stimmung ihre Wirkung auf jeden Besucher ausübt, unabhängig davon, ob er einzelne Erinnerungszeichen im Sinne ihrer jeweiligen tatsächlichen Geschichte ablesen kann oder nicht. Die wirkungsästhetische Leistung der Stimmungsräume in einem Garten äußert sich darin, dass die in Gang gesetzte Einbildungskraft den Besucher in seine individuelle Vergangenheit versetzt und damit seine eigenen Erinnerungen hervorruft: „Wenn [...] die Urne einer verblüheten Schönheit stünde, worauf von der Hand ihres Geliebten diese Inschrift gegraben wäre: [...] wessen Herz könnte so fühllos seyn, den, auch wenn ihn kein näheres Interesse mit der Geschichte der Liebenden verbände, eine solche Inschrift, sobald er sie lieset, nicht innig rührte? Und wenn er von dieser betrübten Szene weiter fortschritte, und [...] in einem heiteren Gefilde voll Blumen und Rosen seinen Weg endigte, wo ihn diese Inschrift empfinge: Rosen auf den Weg gestreut,/ Und des Grams vergessen?/ Eine kleine Spanne Zeit/ Ward uns 5 6
Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 4, S. 81. Ebd., S. 83. 312
Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität
zu gemessen, – würde er dem Eindruck dieser sanften Empfindung noch widerstehen können?“7
Zu einem Erinnerungsort par excellence avanciert der Landschaftsgarten von Pawlowsk nach der Ermordung des Zaren Paul I., der in der Gründungszeit der Anlage, noch als Großfürst Pavel Petrovič, zum Namensgebers des Parks geworden ist. Nach seinem Tod verändern sich die Formen höfischer Repräsentation innerhalb des Landschaftsgartens von Pawlowsk entscheidend. Nachdem sich die dynastische Funktion des Landschaftsparks in der Vergangenheit bereits einmal von einem Rückzugsort des „kleinen Hofes“ der Thronfolgerfamilie hin zu der offiziellen Sommerresidenz des regierenden Zaren geändert hat, streift Pawlowsk nun seine repräsentative Funktionszuweisung wieder ab und verwandelt sich in den bevorzugten Witwensitz der nunmehrigen Zarenmutter Marija Fëdorovna. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begegnen Besucher des Parks von Pawlowsk zahlreichen Denkmälern, Gedenksteinen und Pavillons, die an die Mitglieder der Zarenfamilie erinnern.8 Ein Beispiel dafür bietet der Gedenkplatz für Aleksandra Pavlovna (1783-1801), der ursprünglich die imaginäre Anwesenheit der ältesten Tochter, entgegen der heiratspolitisch bedingten räumlichen Trennung, evozieren soll. Eine tragische Umdeutung erfährt diese Gartenpartie, als Aleksandra Pavlovna nach wenigen Ehejahren mit dem Erzherzog Joseph von Österreich im Kindbett stirbt. (Abb. 44) Diesen Zusammenhang reflektiert Storch in den „Briefen“ auf seinem Spaziergang, der ihn an dem Gärtchen und dem Denkmal der „verewigten Großfürtin Alexandra“ vorbeiführt: „Folgen Sie mir jetzt auf dem Seitenwege [...]. Er führt in gerader Richtung auf der Anhöhe fort, aber mehrere kunstlos gewundene Fußsteige schlängeln sich in das Thal hinab, und begleiten das Flüßchen. Hart am Ufer desselben, und neben dem Fahrwege, findet sich ein kleines Blumenstück, von jungen Bäumchen umgeben; eine Schöpfung der liebeswürdigen Großfürstin Alexandra. Hier saß sie, die einst der Erde zur Zierde diente und jetzt dem Himmel gehört, oft und gern unter den Zöglingen ihrer sanften Pflege. Keiner der diesen verklärten Engel gekannt hat, betritt dieses Plätzchen, ohne eine Zähre süßer Wehmuth zu zollen: urtheilen Sie, mein Freund, welches die Empfindungen seyn müssen, die das Herz der edlen und gefühlvollen Mutter bestürmen, wenn sie diese Pflanzungen besucht. Ihr Schmerz, unsterblich wie ihre Liebe, errichtet in diesem Augenblick der Verewigten auf diesem ihrem Lieblingsplätzchen ein Denkmal. Eine schlanke edle Gestalt, deren Gesichtszüge das Bild der Himmlischen zurückrufen, und die den Stern der Verklärung schon über der Stirne trägt, ist im Begriff, sich der Erde zu entziehen. Vergebens bemüht sich ein neben ihr stehender Genius, sie zurückzuhalten; sie strebt empor, ihr Blick ist gen Himmel gerichtet, und ihr Körper scheint ihrem Blicke folgen zu wollen.“9 7 8 9
Ebd. S. 84. Detailliert über die Umsetzung der Erinnerung im Landschaftspark von Pawlowsk siehe: Ananieva, Erinnerung und Imagination, S. 260-264. Storch, Briefe [2001], S. 192. 313
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Was den spürbaren Lauf der Geschichte innerhalb der Parkanlage in Pawlowsk angeht, so erfährt gerade die Erinnerung an den prägenden Garten der Jugendzeit Marija Fëdorovnas eine grundlegende Wendung. Die Erinnerung an den Garten von Étupes, bekundet durch verschiedene Zitate und Stilähnlichkeiten innerhalb der Parkanlage von Pawlowsk, hatte vor 1789 lediglich die geografische Distanz zu überbrücken. Im Zuge der Französischen Revolution wird Étupes jedoch restlos beseitigt. Daran nimmt die ganze Familie in St. Petersburg Anteil. An den nun endgültig verlorenen Garten sollen als Andenken sechs Miniaturen mit Motiven aus Étupes erinnern, die Marija Fëdorovna 1790 ihrer Mutter, Friederike Sophie Dorothée, Herzogin von Württemberg (1736-1798), widmet.10 Damit finden neben den zahlreichen plastischen memorativen Elementen des Landschaftsparks auch die miniaturisierten, haptisch greifbaren Formen der Memoria Einzug in die Erinnerungskultur des Gartens. Die Einübung in eine melancholische Gemütsstimmung, wie sie im sentimentalen Garten der Rousseau-Zeit Programm war und zum Spektrum der neu entstehenden Gefühlskultur gehörte, wird nach der Französischen Revolution in Pawlowsk unfreiwillig um eine zusätzliche konkrete Dimension erweitert, die im Grunde keiner Trauerweiden und arkadischer Sarkophage mehr bedarf, um sich in der Topografie der Intimität einzunisten.11 Im Falle Marija Fëdorovnas ist es der Garten selbst, der diesen Erinnerungszusammenhang herstellt, und zumindest einer steht ihr in diesem Schmerz sicher nicht nach, der Prinz von Condé nämlich, der, - kaum zehn Jahre ist es her, - das Thronfolgerpaar im Schäferkostüm zu einem rauschenden Gartenfest in Chantilly empfangen hat und der sich nun auf der Flucht in St. Petersburg unter den Schutz Pauls I. begeben hat. Vielleicht beim Besuch der Sylvia oder auf einem der zahlreichen Ruhepunkte im Park von Pawlowsk mag der Prinz beim gemeinsamen Durchblättern des Albums von Chantilly, das er vor kurzem erst dem Thronfolgerpaar zur Erinnerung geschickt hat, den Verlust seines Landsitzes beklagt haben. Leider hat sich kein Chronist gefunden, der eine solche Szene für die Nachwelt überliefert hätte, und genausowenig wissen wir, ob die folgende Bemerkung Heinrich Storchs ihn aufgemuntert haben mag, die dieser in seinem bereits erwähnten „Gemählde von St. Petersburg“ mit Blick auf die Gartenanlagen von Pawlowsk und Gattschina fallen lässt: „Die Wunder von Chantilly, die unter dem zerstörenden Einfluß der Zeitbegebenheiten im Süden verlorengehen, werden hier im Norden erneuert.“12
10 Vgl. Die Gärten der Herzöge von Württemberg, Hinweis mit Abbildung auf S. 98. 11 Auf die griffige Formel der „Topographie der Intimität“ setzt Michael Gamper die privaten Erinnerungsleistungen in Bezug zu den memorialen Elementen des Landschaftsparks am Ende des 18. Jahrhunderts, vgl. Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 222-224. 12 Storch, Gemählde von St. Petersburg, Bd. 1, S. 101. 314
Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität
Abb. 44. Denkmal für die Großfürstin Aleksandra Pavlovna (1783-1801), (Autor unbekannt), 1820er Jahre, Pinsel, Aquarell, Gouache, 36x27 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-25.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wird der Park in Pawlowsk einem immer breiter werdenden Publikum zugänglich. Die systematisch betriebene Vergabe und Vermietung von Datschen in der unmittelbaren Umgebung des Landschaftsgartens, die Erstellung einer Eisenbahnverbindung und das verlockende Unterhaltungsprogramm des Vauxhall, wo über mehrere Jahre in der Sommersaison Johann Strauß gastiert, tragen dazu bei, dass Pawlowsk sich zu einem der populärsten Erholungs- und Vergnügungsorte für die städtische Bevölkerung St. Petersburgs etabliert. Bei dieser Entwicklung zeigen sich verstärkt zwei divergierende Tendenzen, die die Funktion der Gartenanlage zwischen einem Volkspark und einem privaten Garten ansiedeln. Die Öffnung der Gartenidee für größere Bevölkerungskreise, die das egalitäre Programm des Landschaftsgartens des 18. Jahrhunderts aufgreift und fortführt, wird im 19. Jahrhundert auf eine scheinbar paradoxe Weise von einer wachsenden Intimisierung des Verhältnisses zwischen Gartenbesucher und Garten begleitet. Die Intimisierung des Gartenerlebnisses äußert sich im Park von Pawlowsk darin, dass die Parkbesucher aufgefordert werden, ihr individualbiografisches Wissen in die Gartenwahrnehmung konsequent einzubeziehen und ihre eigene Topografie der Intimität zu erstellen. Die ästhetische Dimension der Landschaftsinszenierung und die implizierte Wirkung auf die Einbildungskraft machen den Gartenbesuch letztlich zu einem individuellen Erlebnis, das keiner Verortung in den Wissensordnungen des kultu-
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rellen Gedächtnisses bedarf.13 Aber auch die Besitzer von Pawlowsk setzen einen immer stärkeren Akzent auf den privaten Charakter der Gartennutzung. Die Zarenmutter zieht sich in einen kleinen Teil des Gartens – den Eigenen Garten – zurück, der der Öffentlichkeit und damit der Masse der Parkbesucher entzogen ist.14 Vor dem Hintergrund des Funktionswandels des Landschaftsparks von Pawlowsk erfahren die tradierten Formen der gartenspezifischen Erinnerungspraxis eine Transformation. In dem Maße, wie die Parkanlagen sich zu einem für breitere Bevölkerungsschichten zugänglichen Vergnügungspark öffnen, nimmt die Nachfrage nach vorproduzierten Erinnerungsstücken zu, die der Wiedererinnerung eines flüchtigen Gartenerlebnisses dienen können.15 Eine gartenbezogene Erinnerung in ein haptisch begreifbares Medium 13 Ein prominentes literarisches Beispiel für diese Veränderungen in der Gartennutzung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet sich in dem Roman „Idiot“ (1868-1869) von Fjodor M. Dostoevskij. In den Gartenräumen Pawlowsks, dem Landschaftspark und den Datschen, entfalten sich die Handlungsstränge des Romans, die zwischen hoffnungsvollem Traum und beginnendem Wahnsinn changieren. Hier verwandelt sich sogar eine harmlose Gartenbank zum prekären Angelpunkt einer tiefen innerlichen Krise des Fürsten Myschkin. 14 Siehe dazu das Kapitel „Mischung des Erhabenen und Lieblichen“ in Teil VI der vorliegenden Arbeit. – Eine vollkommene Illusion des Eigenen Gartens sollte in dem Park der Residenz einer der Töchter, der Großfürstin Maria Pavlovna (1786-1859), in Belvedere bei Weimar entstehen, und zwar in der Gestalt eines kleinen Gartens mit der Bezeichnung der „Russische Garten“. Mit dem Russischen Garten entsteht eine Stafette von drei aufeinander bezogenen Gärten Étupes, Pawlowsk und Belvedere -, die auf eine durch die Heiratspolitik der Romanows bedingte Mobilität der Frauen zurückgeht und eine eigene gartenspezifische Erinnerungskultur hervorbringt. Die elegische Komponente gewinnt dabei zunehmend an Gewichtung, insofern die Erinnerungspraktiken nicht mehr ausschließlich auf einen räumlich entfernten Garten verweisen, den man, wenn auch selten, aufsuchen kann, sondern auf einen nicht mehr existenten Ort. Siehe dazu meinen Aufsatz: Garten, Andenken und Erinnerungskultur zwischen Pawlowsk und Weimar, in: Joachim Berger/Joachim von Puttkamer (Hg.), Von Petersburg nach Weimar. Kulturelle Transfers 1800 bis 1860. Frankfurt am Main u.a. 2005, S. 261-285 (Jenaer Beiträge zur Geschichte; Bd. 9). 15 Paradigmatisch für diese europaweite Entwicklung ist der Gartentourismus zum „Rousseau-Garten“ auf der St. Petersinsel im Bieler See. Die Nachfrage nach den Erinnerungsstücken vor Ort in Verbindung mit den neuen Drucktechniken machen den Anfang einer systematischen Fabrikation von Gartensouvenirs. Vgl. Barbara Piatti, Rousseaus Garten. Eine kleine Kulturgeschichte der St. Petersinsel von Jean-Jacques Rousseau über die Schweizer Kleinmeister bis heute. Basel 2001. – Ein berühmtes deutsches Beispiel bietet die Produktion der Andenkenblätter im Landschaftspark Wörlitz. Über die Druckgrafiken mit den Wörlitzer Ansichten schreiben die „Propyläen“ im Jahr 1799: „So ist doch keinesfalls zu tadeln, dass man sich auch theilweise nach dem Geschmack des Publikuns bequemt, die Käufer anlockt, um sie, nach und nach zu einer höhern Liebhaberey auszubilden. Solchen Rücksichten verdanken wohl die Prospecte von Wörlitz, besonders die buntgedruckten, ihre Existenz. Denn wer möchte nicht gern 316
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zu überführen, bezeichnet eine neue Andenkenpraxis, die sich angesichts der Temporalisierung des öffentlichen Lebens als besonders leistungsfähig erweist und im neunzehnten Jahrhundert die Konjunktur dinglicher Erinnerungsträger begründet.16
aus jenen reizenden Anlagen wenigstens ein Schattenbild mit nach Hause nehmen, um sich des genossenen Vergnügens einigermaßen zu erinnern.“ Johann Wolfgang Goethe/Heinrich Meyer, Chalkographische Gesellschaft zu Dessau, in: Propyläen 2/1 (1799), S. 124-161, hier: S. 127. Siehe dazu ausführlicher: Christiane Holm/Anna Ananieva, Andenken und Eingedenken. Erinnerungsstücke an das Gartenreich Dessau-Wörlitz, in: „… Mittelpunkt des Einfachen und Erhabenen …“ Erhard Hirsch zum 80. Geburtstag. Sandersdorf 2008, S. 85-115 (Neue Beiträge zum Dessau-Wörlitzer Kulturkreis; 1). 16 Anna Ananieva/Christiane Holm, Phänomenologie des Intimen. Die Neuformulierung des Andenkens seit der Empfindsamkeit, in: Der Souvenir. Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken, hg. v. Ulrich Schneider. Ausst.-Kat. Museum für Angewandte Kunst Frankfurt 29.06.-29.10.2006. Köln 2006, S. 156-187; Ananieva, Garten, Andenken und Erinnerungskultur, S. 261285. 317
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Teil VI
Park und Poesie: Intermediale Korrespondenzen und die Frage der adäquaten literarischen Wiedergabe des Gartenerlebnisses
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Park und Poesie
Park und Poesie
Im 18. Jahrhundert haben die Zeitgenossen den Wandel von einem geometrischen, regulären Parkstil zu einem naturnahen Landschaftsgarten als Übergang von den Zwängen der Architektur zu der Freiheit der Malerei und der Poesie begriffen. Die Rolle des poetischen Elementes bei der Entstehung des Landschaftsgartens kann daher gar nicht stark genug betont werden. Sie reicht von der materiellen Präsenz der Literatur im Gartenraum als prägnante Inschrift oder als wiedererkennbares Zitat literarischer Motive innerhalb einer Gartenstaffage, über die Funktion des Textes als Ideengeber oder als Entwurf und Konzept für die künftige Realisierung eines Gartens, bis hin zur Bedeutung komplexer literarischer Beschreibungen von imaginären wie realen Gartenanlagen, die die Landschaftsgartenästhetik hervorbringen, kommentieren und verbreiten. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts formiert sich europaweit ein Textkorpus der „Gartenliteratur“, das bei seiner auffälligen äußeren Heterogenität einen Gartendiskurs formt, „der sich durch die inhaltliche Ausrichtung seiner Textbestände definiert und Gartentheorie, praktische Fragen der Gärtnerei, Beschreibungen von Gartenanlagen und Rezensionen umfasst.“1 Vor dem Hintergrund der komplex gewordenen Ästhetik und der 1
Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 4. Siehe dort die Einordnung der Bezeichnung „Gartenliteratur“ als einen historischen (Hirschfeld, Gartenkalender 1778, S. 8) und literaturwissenschaftlichen (Kehn, Die Gartenkunst der deutschen Spätaufklärung, 1985) Begriff, sowie seine diskursanalytische Verortung (Gamper, Ebd., S. 1-14). Die Verfasserin der vorliegenden Studie folgt der von Gamper formulierten Unterscheidung zwischen der „Gartenliteratur“ und den Gartenmotiven in der fiktionalen Literatur: „Im Gegensatz zur Gartenliteratur, die als ‚Diskurs‘ [Michel Foucault] betrachtet wird, der zu immanenter Spezialisierung, spezifischer Zurichtung des Gegenstandes und eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten tendiert, gleichzeitig aber nach Integration, Kopplung und Verzahnung mit anderen Diskursen strebt, wird Literatur hier als eine spezifische Form von ‚Interdiskurs‘ [Jürgen Link] definiert. Sie hat die Eigenschaft, sich nicht als eine durch ein spezifisches Gegenstandsgebiet zu formieren, sondern durch eine Reihe von formalen Fähigkeiten, welche die Verfahren und Rituale der Spezialdiskurse aufnehmen und sie neu – oft kritisch und in anderem Kontext – darstellen können. Die Aussagen zum Garten-Thema sind in diesen Texten meist Mittel zu einem Zweck, der sich der Paradigmatik der Gartenliteratur entzieht.“ Ebd., S. 4-5. 321
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habitualisierten Praktik des Landschaftsgartens um 1800 bekommt die Frage nach einer adäquaten literarischen Wiedergabe des subjektiven Gartenerlebnisses neue Schärfe und Aktualität. Diesem Problemfeld wird im folgenden Kapitel in Bezug auf zwei Beschreibungen der Parkanlage in Pawlowsk nachgegangen. Es handelt sich dabei um die bereits zitierten „Briefe über den Garten zu Pawlowsk, geschrieben im Jahr 1802“ von Heinrich Storch und die Elegie „Slavjanka“ von Vasilij Žukovskij aus dem Jahr 1815.
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1.
1. Gartenerlebnis und Gartenbeschreibung
Im Landschaftspark von Pawlowsk findet die enge Verknüpfung von Garten und Literatur ihren sinnfälligen Ausdruck in einem Gartenpavillon, der speziell als Ort des geselligen Literaturgesprächs eingerichtet wird. Der Sommersitz der Zarenwitwe, das ursprünglich als eine der Sommerresidenzen des „kleinen Hofes“ des Großfürsten Pavel Petrovič entstandene Pawlowsk, wird spätestens mit dem 1810 begonnenen Bau des musikalisch-poetischen Salons im Pavillon des Roses (russ.Rosovyj Pavil’on) zu einem bevorzugten literarischen Treffpunkt: „Pawlowsk hat zu dieser Zeit unsere besten Schriftsteller versammelt. [Nikolaj] Karamzin, [Ivan] Krylov, [Ivan] Dmitrijev, [Jurij] Neledinskij-Meleckij, [Nikolaj] Gnedič, [Vasilij] Žukovskij sind bei den abendlichen Gesprächen der kaiserlichen Förderin der vaterländischen Talente erschienen. Außerdem sind dazu nicht selten [Friedrich Maximilian] Klinger, [Heinrich Friedrich] Storch, [Grigorij Ivanovič] Villamov, [Friedrich] Adelung nach Pawlowsk eingeladen gewesen.“1 1
Karl Zejdlic [Seidlitz], Žizn’ i poėzija Žukovskogo, 1873-1852. Sankt-Peterburg 1883, S. 90: „Павловск в это время был средоточием луших писателей наших. Карамзин, Крылов, Дмитриев, Нелединский-Мелецкий, Гнедич, Жуковский являлись на вечерних беседах августейшей покровительницы отечественных талантов. Кроме того нередко приглашаемы были в Павловск Клингер, Шторх, Вилламов, Аделунг.“ – Die entsprechende Stelle der deutschen Ausgabe des Buchs weicht etwas von der russischen Variante ab: „Ohne eigentlich feste Anstellung ward er [Žukovskij] Vorleser bei der verwitweten Kaiserin, welche in Pawlowsk einen Kreis von Gelehrten und Schriftstellern um sich versammelte, besonders zu den abendlichen Gesellschaften. Da waren Karamsin, Adelung, Kryloff, Dmitrieff, Neledinsky, Gneditsch, Storch, Klinger, Adelung, Willamoff und Andere, so wie auch Damen eingeladen. Joukoffsky wohnte bis zum Spätherbst in Pawlowsk, darauf im Winter bei Bludoff in Petersburg. In Pawlowsk machte seine elegische Stimmung in der Elegie ‚Slawänka‘ sich Luft, welche eine Beschreibung des Pawlowsky’schen Parkes in Mondschein-Beleuchtung ist.“ Carl Seidlitz, Wasily Andrejewitsch Joukoffsky. Ein russisches Dichterleben. Mitau 1870, S. 75. – Bei Villamov handelt es sich um den Sohn des Dichters Johann Gottlieb Willamov, Gregor Willamow [sic] (russ. Grigorij Ivanovič Villamov, 1773-1842). (Siehe das Kapitel „Poetischer 323
Russisch Grün
Abb. 45. Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (geb. 1790): Rozovyj pavil’on/ Le pavillon des roses [Pavillon der Rosen], 1824. Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-286/5.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass im Pavillon des Roses im Park von Pawlowsk ein nicht unwichtiges Stück Literaturgeschichte geschrieben wird.2 Eine solche ostentative Engführung von Landschaftsgarten und Literatur in Pawlowsk ist keineswegs zufällig. Die Tendenz zur Literarisierung, die sich an
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Spaziergang: ‚Zarskoe Selo‘ von Johann Gottlieb Willamov“ in Teil III der vorliegenden Arbeit). Dem jüngeren Willamow, dessen Patentante Katharina II. gewesen ist, gelingt eine erfolgreiche Kariere im russischen Dienst. Trotz der schweren Umstände der Familie nach dem Ableben des Vaters 1777 durchläuft er zwischen 1788 und 1789 eine Ausbildung in dem Kollegium für auswärtige Angelegenheiten. Anschließend tritt er 1792 in den diplomatischen Dienst in Stockholm ein und ist seit 1794 als Übersetzter des Kollegiums in St. Petersburg tätig. Seit 1801 befindet sich Gregor Willamow im Dienst bei der Zarenwitwe Marija Fëdorovna als ihr Sekretär. Willamow, der zu den regelmäßigen Besuchern des literarischen Salons in Pawlowsk zählt, teilt u.a. die Sekretärsaufgaben mit dem russischen Dichter Jurij Neledinskij-Meleckij, der die Einstellung von Vasilij Žukovskij in Pawlowsk protegiert. Nach dem Tod von Marija Fëdorovna im Jahr 1828 bekleidet er den Posten des Staatssekretärs der Eigenen Kanzlei Ihrer Kaiserlichen Majestät und ist in diesem Zusammenhang schriftstellerisch tätig. Vgl. Grigorij Villamov [Gregor Willamow], Chronologičeskoe načertanie dejanij […] Imperatricy Marii Feodorovny v pol’zu sostojavšych pod […] eja pokrovotel’stvom zavedenij. Sankpeterburg 1836. Vgl. Lichačëv, Poėsija sadov, S. 219. 324
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diesem Ort geradezu exemplarisch nachvollziehen lässt, gehört zu den vielen Besonderheiten dieses Landschaftsgartens. Bereits im Juli 1780 arbeitet Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792), der in der livländischen Provinz des russischen Reiches geborene deutsche Sturm-und-Drang-Dichter, in Petersburg an einem „Lyrischen Gedicht“. Dieser Text stellt die früheste überlieferte poetische Bezugnahme auf den Park von Pawlowsk dar, auch wenn der Verfasser selbst in der Nachricht an seinen Vater die russischen Gartenanlagen Pawlowsk und Peterhof verwechselt: „Die Veranlassung des Gedichts war eine Begebenheit in Peterhof [sic!] die hier allgemeine Sensation gemacht. Der Großfürst [Pavel Petrovič] spaziert mit dem Kaiser [Joseph II.] – er führt ihn in seinen Lustgarten, den die Großfürstin [Marija Fëdorovna] anlegen lassen. Der Großfürst umarmt ihn, er solle den Grundstein legen. Es sei ein Tempel der Freundschaft, den er errichten wolle. Alle Umstehenden weinten – so wie der Kaiser und der unnachahmliche Großfürst von Russland.“3
Um dieses Ereignis poetisch zu würdigen, entscheidet sich Lenz für eine literarische Form – odische Dichtung –, die formal-ästhetisch den festlich-zeremoniellen Hintergrund der Begebenheit in besonderem Maße hervorhebt. Semantisch zeichnet sie sich jedoch durch „eine gewisse Dunkelheit“ aus, die „bei einem lyrischen Gedicht“ „unvermeidlich ist“.4 „Unverständlich“ werde es aber nach Ansicht des Verfassers „den Personen, die es angeht [,] nicht
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Brief von Jacob Michael Reinhold Lenz an Christian David Lenz (1720-1798) aus St. Petersburg, vom 5. Juli 1780, in: Jakob Michael Reinhold Lenz, Werke und Briefe in drei Bänden, hg. von Sigrid Damm. Bd. 3: Gedichte, Briefe. Frankfurt am Main 1992, S. 617-619, hier S. 618. – Vgl. zu Lenz die biografisch orientierte Darstellung: Siegrid Damm, Vögel, die verkünden Land. Das Leben des Jacob Michael Reinhold Lenz. Frankfurt am Main 1992. – Neuere Forschungsergebnisse, die die etablierte Einordnung Lenz’ in die Literaturgeschichte aus sozioliterarischer Perspektive revidieren, beinhaltet die materialreiche Arbeit von Tommek. Besonders aufschlussreich ist dabei sein Versuch, das letzte Lebensjahrzehnt, das traditionell unter dem Etikett der „geistigen Umnachtung“ steht, in einen neuen Kontext im Anschluss an Pierre Bourdieu zu setzen. Der Verfasser der Studie analysiert u.a. die Moskauer Zeit Lenz’, indem er seiner Stellung und seinen Machtansprüchen als Intellektueller im russischen Feld der Macht nachgeht. Siehe: Heribert Tommek, J.M.R. Lenz. Sozioanalyse einer literarischen Laufbahn. Heidelberg 2003, S. 237-390. Lenz, Brief an den Vater, S. 618. Daher folgt in dem Brief eine kurze Erklärung des Titels des heute als verschollen geltenden Gedichts: „Der Titel ist aus der heidnischen Mythologie, am besten geschickt, die Geheimnisse der Höfe einzukleiden. Semele bedeutet die Zuschauer und Russland überhaupt. Sie bat sich von Jupitern dem Vater der Götter die Gunst aus, ihn ohne Wolke zu sehen. Sie ward ihr gestattet, und sie ward von dem Feuer verzehrt, das ihn umgab.“ (Ebd.) 325
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sein [,] da es in der Sprache ihres Hofes und in Beziehung auf ihre Taten geschrieben ist.“5 Welche poetischen Mittel bei der Ausführung dieses Vorhabens Lenz tatsächlich gewählt hat, bleibt ein Geheimnis, denn das am 5. Juli fertiggestellte „Lyrische Gedicht“ ist nicht zur Veröffentlichung gelangt, sein Manuskript gilt als verschollen.6 Daher kann nicht geklärt werden, ob es ihm gelungen ist, den panegyrischen Rahmen und die mythische Verkleidung des Textes in Einklang mit der auffällig gefühlsbetonten Inszenierung der Grundsteinlegung des Pavillons in dem Landschaftsgarten von Pawlowsk zu bringen.7 Das Bewusstsein für das Wechselverhältnis zwischen avancierten dichterischen Aufgaben und der aktuellen Gartenästhetik hat Lenz jedoch bereits sechs Jahre früher gezeigt und sowohl produktions- als auch rezeptionsästhetisch auf den Punkt gebracht. In einem 1774 entstandenen Text hat er die strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen einer innovativen poetologischen Programmatik und der Gartenästhetik zum Ausgangspunkt seiner eigenen „Theorie der Dramata“ gesetzt. Lenz hat dabei auf eine gartenästhetische Metaphorik zurückgegriffen und den regulären Garten französischer Provenienz gegen den Landschaftsgarten ausgespielt, um die Spezifik der neuen, nicht-klassischen dramatischen Texte deutlicher zu veranschaulichen: „Es gibt zweierlei Art Gärten, eine die man beim ersten Blick ganz übersieht, die andere da man nach und nach wie in der Natur von einer Abwechslung zur anderen fortgeht. So gibt es auch zwei Dramata, meine Lieben, das eine stellt alles aufeinmal und aneinanderhangend vor und ist darum leichter zu übersehen, bei dem anderen muß man auf- und abklettern wie in der Natur. Wenn nun die Rauhigkeit der Gegend die Mühe nicht lohnt, so ist das Drama schlecht, sind aber die Sachen die man sieht und hört wohl der Mühe wert seine Phantasei ein wenig anzustrengen, dem Dichter im Gang seiner vorgestellten Begebenheiten nachzufolgen, so nennt man das Drama gut. Und ist die Aussicht die er am Ende des Ganges eröffnet, von der Art daß unsere ganze Seele sich darüber erfreut und in ein Wonnegefühl gerät das sie vorher nicht gespürt hat, so ist das Drama vortrefflich. Das ist die Theorie der Dramata.“8 5
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8
Ebd. – Vgl. außerdem das im gleichen Zeitraum, im Stil einer Huldigungsode, geschriebene Gedicht „Empfindungen eines jungen Russen der in der Fremde erzogen seine allerhöchste Landesherrschaft wieder erblickte“, in: Lenz, Gedichte und Briefe, S. 227-230. Sigrid Damm/Ralph F.H. Böttcher, Anmerkungen zu den Briefen, in: Lenz, Gedichte, Briefe, S. 921. Wie es Lenz beispielsweise gelungen ist in seinem Gedicht auf den Tod der ersten Frau von Pavel Petrovič Natalja Alekseevna (Wilhelmine von Hessen Darmstadt, 1755-1776), der Schwester der Herzogin Luise von Sachsen-WeimarEisenach. Siehe: Lenz, Auf einen einsamen Spaziergang der durchlauchtigsten Herzogin Luise unter Bäumen nach dem tödlichen Hintritt der Großfürstin von Rußland (1776), in: Lenz, Gedichte und Briefe, S. 187. Lenz, Für Wagnern (Theorie der Dramata), in: Ders., Werke und Schriften, hg. v. Britta Titel/Hellmut Haug. Stuttgart 1965, Bd. 1, S. 466. – Erstmals hat Michael Gamper auf diesen Text als ein frühes Beispiel der deutschen Rezeption 326
Gartenerlebnis und Gartenbeschreibung
Treffend hebt Lenz die wesentlichen Merkmale des Paradigmenwechsels in der zeitgenössischen Gartenkunst hervor. Erstens stellt er die simultane Visualität gegenüber einer sukzessiven Weise der Wahrnehmung, die der Erschließung des Gartenraums nicht vorrangig durch stilles Betrachten, sondern in der Bewegung des Spazierganges privilegiert. Zweitens greift Lenz das Prinzip der Abwechselung auf. Seine produktionsästhetischen Konsequenzen sind von großer Bedeutung, denn es geht darum, die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu erlangen, die intensive Einwirkung auf die Einbildungskraft zu erzielen und mit einer überraschenden Aussicht die Anstrengungen zu belohnen. Der programmatisch verstandene Vergleich beider Arten von Gärten und Dramen impliziert schließlich eine medienübergreifende Reflexion über das Verhältnis zwischen Kunst und Natur, wobei der artifiziellen Simultanität einer klassischen performativen Umsetzung die angestrebte neue dynamische Inszenierung im Bühnen-, Text- wie Gartenraum gegenübergestellt wird. In der „Theorie der Dramata“ bedient sich Lenz des Vergleichs zweier Künste, wobei die Techniken der Gartengestaltung, einer sich gerade in Veränderung befindlichen Kunstform, als Vorbild für die innovative literarische Produktion und ihre Wirkung im Theater dienen sollen.9 Für die Gartenliteratur dieser Zeit geht die auf diese Weise skizzierte intermediale Beziehung über die metaphorischen Bezüge von Garten und Literatur hinaus. Das Ver-
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der ästhetischen Debatte um den Landschaftsgarten hingewiesen (der Text ist etwa 1774 entstanden). Siehe: Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 200201. Die Frage nach dem Wechselverhältnis unterschiedlicher Medien wird um 1800 mehrfach in Bezug auf die aktuelle Gartengestaltung formuliert und in zahlreichen Gartentexten erläutert. Die Kombination der ästhetischen Wirkungskraft der Poesie, der Architektur und der Malerei, wie sie beispielhaft in der Gartengestaltung zum Ausdruck kommt, haben die Schriftsteller Aleksandr Palicyn (um 1750-1816) und Evstafij Stanevič (1775-1835) im Blick. (Vgl. Evstafij I. Stanevič, K Aleksandru Aleksandroviču Palicynu, in: Ders., Sobranie sočinenij v stichach i proze. Sanktpeterburg 1805, S. 29-41). Ihre Reflexionen über das mediale Wechselverhältnis bringen sie sowohl in eigenen literarischen Produktionen als auch mittels Übersetzungen französischer Gartenautoren in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts zum Ausdruck. Bezeichnenderweise verbinden sie in eigener Praxis literarische Produktionen mit gartengestalterischen Arbeiten auf dem Landgut Popovka. Hier hat Palicyn, selbst der russische Übersetzer von „La Nouvelle Héloïse“, einen Schülerkreis versammelt, dem auch Stanevič angehört, und dadurch auch eine Art Übersetzerwerkstatt gegründet, aus der die russischen Veröffentlichungen neuerer französischer Gartenliteratur wie Delille’s „Homme de champs“ (1800) und „Les Jardins“ (1801), René-Louis de Girardins „De la composition des paysages“ (1777) und „Essay sur la nature champêtre“ (1787) von Claude-François-Adrien de Lezay-Marnésia hervorgegangen sind. Siehe dazu meinen Aufsatz: O „poėtičeskom metode“ vosprijatija sadovogo prostanstva: vzaimootnošenie poėzii, živopisi, architektury v Rossii 19 veka, in: Boris Sokolov (Hg.), Prostranstvo i vremja voobražaemoj architektury. Sintez iskusstv i roždenie stilja. Moskva 2005, S. 279-290 (Caricynskij naučnyj vestnik; 7-8). 327
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hältnis zwischen der Gartengestaltung und der Gartenbeschreibung stellt ein poetologisches Problem dar und spitzt sich in dem Fragenkomplex der adäquaten sprachlichen Wiedergabe zu. Es geht dabei um die Möglichkeiten und die Grenzen der Transformation des plurimedialen Ensembles eines Gartens in ein sprachliches, textuelles Medium. Die erste umfassende literarische Beschreibung des Landschaftsparks von Pawlowsk „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ von Heinrich Storch ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie die literarische Gattung der Gartenbeschreibung auf die ästhetische Herausforderung des sich als Kunstwerk immer komplexer zeigenden Landschaftsgartens reagiert und diese reflektiert.
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2.
2. „Briefe über den Garten zu Pawlowsk, geschrieben im Jahr 1802“ von Heinrich Storch Briefe über den Garten zu Pawlowsk 1. „Freie Sprache“: Die Pawlowsk-Beschreibung im Kontext der Gartenliteraturdebatte um 1800 Mit seinen malerischen Beschreibungen der Gartenanlagen, die durch das topografisch-statistische Werk „Gemählde von St. Petersburg“ gestreut sind,1 hat sich Heinrich Storch bereits einen Namen als Gartenschriftsteller gemacht.2 Dank der in deutscher Sprache verfassten und 1803 in dem Verlag 1
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Eine dieser Gartendarstellungen bezieht sich auf den Landschaftsgarten von Pavlovsk: „Der Weg von Zarskoje Selo bis Pawlowsk, dem ersten großfürstlichen Lustschlosse, beträgt fünf Werst, und geht durch anmuthige belebte Gefilde. Dem Wanderer, dessen Seele für den Eindruck der Gegenstände empfänglich ist, kann der Austausch der Empfindungen nicht entgehen, welcher hier durch den Übergang aus den Regionen der Pracht und der Größe in den Kreis des heitern Geschmacks und der kunstlosscheinenden Einfalt hervorgebracht wird. Wenn die Fantasie sich dort von Wesen höherer Art begleitet glaubte, so wähnt sie hier unter den Götterchen der Freude zu seyn, welche die nachbarlichen Fluren und Hayne bewohnen. Nichts stört den süßen Irrthum, nicht einmal der Anblick des Schlosses. Mitten unter den Schöpfungen der Blumenköniginn, in einem der reizendsten Standpunkte dieser schönen Wildniß, steht es in seiner edlen Einfalt, ein Denkmal des feinsten Geschmacks, da, nicht um die Wirkung des Ganzen zu stören, sondern um sie durch das Gefühl zu erhöhen, daß Natur und Kunst in diesem Elysium auf Einen Zweck berechnet sind. Eben diese Übereinstimmung ist in dem Innern des Pallastes sichtbar. – Der Garten, dessen kühne Regellosigkeit durch die größere Mannigfaltigkeit der Natur unterstützt wird, hat, außer einer Eremitenwohnung und einem verfallenen Tempel, keine künstliche Anlage, die hier der schönen Wirkung nur hinderlich wäre.“ Storch, Gemählde von St. Petersburg, Bd. 1, S. 99-100. Heinrich Friedrich (Andrej Karlovič) von Storch wird 1766 in Riga geboren und bekommt dort an der Domschule seine Schulbildung, die ihm die nötigen Voraussetzungen für ein 1784 beginnendes Studium an der Universität in Jena liefert. 1786 unternimmt Storch eine Reise durch den Süden Deutschlands und durch Frankreich und fasst seine Eindrücke unter dem Titel „Skizzen, Scenen 329
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der russischen Akademie der Wissenschaften erscheinenden „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ hat er sich endgültig in der europäischen Gartenliteratur etabliert.3 Das Buch ist, wie bereits der Titel ankündigt, in Form von Brie-
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und Bemerkungen, auf einer Reise durch Frankreich gesammelt“ zusammen. Diese Schrift erscheint 1787 in Heidelberg, wo er inzwischen seine staatswissenschaftichen Studien fortsetzt. Die Publikation trägt ihm das Ansehen eines guten Beobachters und vielversprechenden Autors ein. Bald darauf folgt Storch einem Ruf nach St. Petersburg, wo er den Posten eines Professors der schönen Literatur am dortigen Kadettencorps übernimmt. Storch veröffentlicht nicht nur Abhandlungen zur Literatur, sondern tritt zunehmend als ein kompetenter Autor zahlreicher Arbeiten zur Geschichte und Statistik Russlands auf. Sein erstes großes statistisches Werk „Gemählde von St. Petersburg“ erscheint in zwei Bänden 1794 in Riga bei Johann Friedrich Hartknoch. In kurzen Zeitabständen erscheinen französische, schwedische und englische Übersetzungen, die zu dem großen Erfolg des Werkes beitragen. 1799 wird Storch als Erzieher der Zarentöchter Aleksandra Pavlovna und Elena Pavlovna engagiert. Seine Aufgaben bestehen unter anderem in der Vermittlung statistischer Kenntnisse über Ungarn und Mecklenburg, die Länder, in die die beiden Fürstinnen verheiratet werden sollen. Gleiche Aufgaben nimmt Storch auch für Maria Pavlovna (später von Sachsen-Weimar) und Ekaterina Pavlovna (später von Holstein-Oldenburg) wahr. 1801 wird er mit dem Posten des Vorlesers bei der Zarenmutter Marija Fëdorovna betraut; er übernimmt damit die Stelle, die in den 1780er Jahren Friedrich Maximilian Klinger und nach 1815 Vasilij Žukovskij bekleidet haben. In dieser Zeit entstehen die „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“. Nachdem Storch 1804 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt worden ist, wird er 1830 mit dem Amt des Vize-Präsidenten betraut, dem ersten in der Geschichte der Akademie. Im selben Jahr erfolgt die Beförderung zum Geheimrat. Bis zu seinem Tod im Jahr 1835 leistet Heinrich von Storch durch eine Vielzahl an Schriften zur Nationalökonomie einen aktiven Beitrag zur Entwicklung der staatspolitischen Wissenschaften in Russland; in dieser Rolle ist der ansonsten weitgehend vergessene Autor heute noch einem spezialisierten Kennerkreis präsent. – Vgl. Das gelehrte Deutschland. 1798, Bd. 7, S. 682-683; Ebd., 1803, Bd. 10; 1805, Bd. 11; 1811, Bd. 15; 1825, Bd. 20; Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrtenlexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Mitau 1832, Bd. 4. S. 213-214, S. 303-308; ADB, Bd. 36, S. 437-439; Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 23, S. 428-432. – Zu einer umfassenderen Darstellung des schriftstellerischen Werks und dem Versuch einer neueren Kontextualisierung siehe meinen Aufsatz: Kul’tura Rossii v naučnoj i chudožestvennoj proze Andreja Karloviča Štorcha (1766-1835), in: XVIII vek. Sbornik 25, hg. v. N.D. Kočetkova. Sankt-Peterburg 2008, S. 243-255. Heinrich Storch, Briefe über den Garten zu Pawlowsk geschrieben im Jahr 1802. St. Petersburg 1803 (Leipzig 1804; weitere Auflagen: St. Petersburg 1804 und 1805). Neuabdruck der Gartenbeschreibung erfolgte 2001 auf meine Initiative im Rahmen der Publikation zur Ausstellung im Haus der Kunst München: Heinrich Storch: Briefe über den Garten zu Pawlowsk geschrieben im Jahr 1802, in: Krieg und Frieden, S. 281-306. Vgl. dazu meine Einführung: Parkbeschreibung und Gartenerlebnis, in: Ebd., S. 307-315. – Eine französische Übersetzung 330
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
fen verfasst und richtet sich an einen unbekannt bleibenden Adressaten. In acht aufeinander folgenden Spaziergängen, von denen jeder einzelne aufgrund der enormen Ausgedehntheit des Parks einen ganzen Tag beansprucht, durchschreitet der Verfasser die Anlage, wobei er bei der Beschreibung der einzelnen Gartenbezirke immer auch ihre Wirkung im Gesamtensemble des Parks im Blick hat. Storchs „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ sind dabei mehr als die bloße Dokumentation des äußeren Zustandes des Parks, wie er sich im Jahr 1802 dem Gartenbesucher darstellt. Sie erbringen den Beweis, dass die Gartenbeschreibung zu diesem Zeitpunkt eine stark wirkungsästhetisch fundierte Gattung mit literarischen Ansprüchen ist, die sich nicht mit der unmittelbar abbildenden Funktion eines reinen Gebrauchstextes zufriedengibt. In seiner Beschreibung projiziert Storch den Park von Pawlowsk auf die Folie eines modernen Gartenideals und präsentiert die Beschreibung selbst als einen literarisierten Text, der sich auch formal auf der Höhe des europäischen Gartendiskurses bewegt. Zum Zeitpunkt der Abfassung der „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ ist der literarische Gartendiskurs so ausdifferenziert, dass die Gattung der deutschsprachigen Gartenbeschreibung bereits auf zwei divergierende Beschreibungstraditionen zurückblicken kann.4 Die eine, fundiert in der rationalistischen Erkenntnis- und Gegenstandskonzeption, hat dazu geführt, dass die Gartenschilderung in den Bereich des bloß Historischen, des FaktischEmpirischen abgedrängt wurde. Durch die Konzentration auf das Faktenmaterial sollte der Eindruck größtmöglicher Objektivität entstehen, eine Beschreibungsart, die weitgehend den Anforderungen der „objektiven“ Informationsvermittlung gehorcht.5 Die Richtung zeichnet sich aus durch rigorose Gegnerschaft gegenüber poetischen Gartenbeschreibungen und das Bemühen, die Gattung auf die bloße Wiedergabe der äußeren Wirklichkeit zu verpflichten.
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der „Briefe“ ist 1809 in Wien erscheinen. Die erste russische Übersetzung hat Jurij Chodosov besorgt: Andrej Štorch, Pis’ma o sade v Pavlovske, pisannye v 1802 godu. Sankt-Peterburg 2004. Diese Diskussion ist gegen Ende des 18. Jahrhunderts so aufgefächert, dass verschiedene Parkanlagen in Deutschland bereits über unterschiedliche Gartenschilderungen mit konkurrierenden Beschreibungsverfahren verfügen. Am deutlichsten zeigt sich dieses Phänomen in den teilweise sehr konträren Beschreibungen zu der Gartenanlage von Machern in der Nähe von Leipzig: Paul Christian Gottlob Andreae, Machern, für Freunde der Natur- und Gartenkunst. Nebst einem alphabetischen Verzeichnisse der daselbst befindlichen ausländischen Gewächse. Leipzig 1796; Die Spazierfahrt nach Machern, oder Taschenbuch und Wegweiser für die, welche von Leipzig aus den großen und schönen Garten daselbst besehen wollen. Leipzig 1797; Ephraim W. Glasewald, Beschreibung des Gartens zu Machern, mit besonderer Rücksicht auf die in demselben befindlichen Holzarten. Berlin 1799. Siehe dazu: Gamper, Die „Natur ist republikanisch“, S. 83-113. Ebd., S. 86. 331
Russisch Grün
Gegen diese vor allem von Friedrich Nicolai (1733-1811) propagierte Auffassung von Gartenschilderung tritt ein Konzept der Gartenbeschreibung auf, das sich als eine adäquate Repräsentation des Gartenkunstwerks versteht.6 Man bedient sich Formen der avancierten Kunstkritik; Charakterisierung tritt an die Stelle von Abbildung, wodurch die Gartenbeschreibung freier literarischer Diskursivität unterstellt wird. Diese Forderung wird durch Johann Christian August Grohmann (1769/1770-1847) im Rahmen seiner „Neuen Theorie der Gartenkunst“ festgehalten: „Ich glaube, eine Beschreibung von Kunstwerken besteht nicht allein darin, mathematisch das Einzelne bei Gärten, das Locale, anzugeben, wodurch nie der Geschmack, der Geist eines Kunstwerks erkannt werden kann, sondern darin, auch zugleich den Geist, den Geschmack des Kunstwerks darzustellen. Dieses kann nun freilich nicht anders geschehen als erstlich durch eine mehr oder weniger freie Sprache, durch Dichtung, die dem Geiste des Kunstwerkes angemessen ist, zweitens durch Kunstbemerkungen, welche darauf hingehen, eine Kritik über das Kunstwerk anzustellen und durch dieselbe den Geist des Kunstwerks zu charakterisieren. […] Zweitens scheint mir aber auch der Hauptzweck der Beschreibungen von Gärten, wenn etwas Verdienstliches und ein Nutzen dabei sein soll, nicht gerade in solchen localen Bezeichnungen des Plans des Gartens zu bestehen, sondern vielmehr darin, den Geschmack zu charakterisieren, nach welchem der Garten angelegt ist, und durch diese Charakterisierung, verbunden mit Kunstbemerkungen, die von dem vorliegenden Kunstwerk abgezogen sind oder auf dasselbe angewandt werden, überhaupt den Gartengeschmack zu verbessern, welches doch eigentlich der Hauptzwecke der Taschenbücher ist, die solche Beschreibungen von Gärten liefern.“7
Die literarischen Gartenschilderungen haben immer wieder für sich in Anspruch genommen, die neue Kunstform des Landschaftsgartens zu erklären und zu propagieren. Die Stellung der Gartenbeschreibung als einer Führerin durch die neue Kunstform, hebt sie ebenfalls von den bloß rationalistischaufklärerischen Beschreibungen ab.8 Diese Auffassung transportiert ebenfalls 6 7
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Ebd., S. 90f. Johann Christian August Grohmann, Neue Theorie der schönen Gartenkunst. 2. Theil. Leipzig 1797, S. 143-144. – Mit seiner Veröffentlichung zielt Grohmann auf die Schließung der aus seiner Sicht noch vorhandenen Lücke in der Gartenliteratur und arbeitet eine umfassende ästhetische Gartentheorie heraus. In seiner systematischen Absicht stellt er theoretische Bezüge zu Immanuel Kant her und unterscheidet sich dadurch von der populärphilosophischen Linie, die Hirschfeld in Anknüpfung an Sulzer vertritt. In der Vorrede zu der „Neuen Theorie“ definiert Grohmann seine Aufgabe folgendermaßen: „Ich habe mich bemüht, alles, so viel als möglich, von reinen, das heißt, von wahren Gesetzen der Aesthetik abzuleiten; und insbesondere habe ich die Grundsätze der Kritik derselben, der Kritik der Urtheilskraft, zum Grunde gelegt, so viel sich nehmlich daraus auf meinen Gegenstand anwenden ließ, und so viel sich darbot, um darnach mein System der schönen Gartenkunst näher zu bestimmen und zu bewähren.“ Ebd., 1. Theil, S. V-VI. Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 105. 332
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
das gartengestalterische Sammelwerk „Sadovodstvo polnoe“ (dt. Sämtliche Gartengestaltung), das Vasilij Levšin (1746-1826) 1805 in Moskau herausgegeben hat.9 Auch in den „Briefen über den Garten zu Pawlowsk“ geht es dem Autor nicht in erster Linie darum, die objektiven Gegebenheiten zu erfassen. Vielmehr wird der Garten als Raum verstanden, der sich in Harmonie mit der Innenwelt des Menschen befindet. Heinrich Storch versucht, den Wahrnehmungsprozess des Gartenbesuchers beschreibend nachzuvollziehen. Das sprachliche Verfahren seiner Beschreibung unterstützt den Versuch, Beziehungen zwischen dem Menschen und der Natur zu knüpfen, in denen nicht das handelnde Subjekt sich eines passiven Objekts bemächtigt, sondern den Gegenständen ebenso aktive Qualitäten zugestanden wird wie der beobachtenden Instanz.10 Der Text der Gartenbeschreibung Storchs beschränkt sich dabei auf eine gemäßigte Empfindungsvermittlung, die dem Besucher des Gartens den Freiraum gestattet, sein individuelles Erlebnis im Garten zu realisieren. In der Briefform findet Storch ein diesem Anspruch adäquates sprachliches Verfahren. Die Beschreibung von Parks und Gärten in Briefform ist in den Gartenkalendern und periodisch erscheinenden Publikationen zur Gartenliteratur im späten 18. Jahrhundert bereits etabliert. Auch als eigenständige Gartenbeschreibung in einer Folge von Briefen haben Storchs „Briefe über den Park zu Pawlowsk“ bereits einen Vorläufer, nämlich in dem 1797 von einem anonymen Autor in Erfurt veröffentlichten Band „Beschreibung und Gemälde der Herzoglichen Parks bey Weimar und Tiefurt besonders für Reisende“.11 Hier ist die literarisierte Gartenführung in einer Folge von Briefen angelegt, um den Leser direkt ansprechen zu können und eine privat-intime Verständigung mit ihm herzustellen. Wie der Titel aber bereits zeigt, hat der anonyme 9
„Читатель в сем описании провождается как прогуливающийся по самому саду, и притом изображаются ощущения, кои при созерцании прекрасных местоположений и прелестных частей сада могут проникать душу чувствительного человека“. Vasilij Levšin, Sadovodstvo polnoe, sobrannoe s opytov i iz lučšich pisatelej o sem predmete s priloženiem risunkov. 4 Bde. Moskva 1805-1808, Bd. 1, S. 370. Zit. in: Aleksandra Ju. Veselova, Jazyk i stil’ sadovych traktatov konca 18 - načala 19veka, in: Sokolov, Prostanstvo i vremja voobražaemoj architektury, S. 270-278, hier S. 270-271. – Eine Übersicht über die zahlreichen literarischen und fachwissenschaftlichen Publikationen Levšins enthält der biografische Artikel: Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 10, S. 160-163. 10 Vgl. zu dem neuen Verhältnis zur Objektwelt, wie es in der deutschen Gartenliteratur zum Ausdruck gebracht wird: Gamper, „Die Natur ist republikanisch“, S. 109. 11 Ebd., S. 105f. – Die erste ausführliche literarische Beschreibung der Gartenanlagen von Pawlowsk in russischer Sprache hat Fëdor Glinka (1786-1880) ebenfalls in Briefform verfasst. Seine zehnteiligen „Briefe aus Pawlowsk“ sind erstmals 1816 in St. Petersburg im ersten Teil eines größeren, dreiteiligen Zyklus unter dem Titel „Briefe an einen Freund“ veröffentlicht worden. Siehe: Fëdor N. Glinka, O Pavlovske, in: Ders., Pis’ma k drugu, hg. u. komm. v. V.P. Zverev. Moskva 1990, S. 186-198. 333
Russisch Grün
Verfasser dabei keinen bestimmten Einzeladressaten im Auge, die vom Autor eingenommene Ebene der Vertraulichkeit mit dem Adressaten erstreckt sich auf jeden möglichen Parkbesucher oder Leser des Buches. Storch geht mit seinen „Briefen über den Garten zu Pawlowsk“ einen Schritt weiter. Auch wenn sein Beschreibungsverfahren eine öffentliche Leserschaft nicht explizit ausschließt, so sind die „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ doch in einer Weise in Szene gesetzt, als ob ein ganz bestimmter Adressat der exklusive Empfänger wäre. Dem Lesepublikum scheinen die Briefe erst nachträglich, gewissermaßen als Dokument einer Freundschaft zweier Gartenliebhaber eröffnet zu werden. Die Herstellung der Individualisierung und sogar der Intimität als immer bestimmender werdenden Qualitäten des Gartenerlebnisses gelingt damit Storch in einer für die deutschsprachige Gartenbeschreibung um 1800 bemerkenswerten Intensität.
2. „Siegende Kunst“ und „unüberwundene Natur“ Es ist die Stärke von Storchs „Briefen“, dass die memorative, auf Paul I. bezogene Panegyrik nur in einer sehr gemäßigten Form aufscheint12 und die Stilisierung der Besitzerin der Parkanlage, der Imperatoren-Witwe Marija Fëdorovna, im Vergleich zu dem „Gemählde von St. Petersburg“ als Ganzes zurückgenommen wird.13 Jenseits der pflichtschuldigen Honneurs gegenüber 12 Die ostentative Nennung des Jahres 1802 als Datum der Abfassung der Briefe verweist mittelbar auf eine markante Umbruchstelle in der politischen Entwicklung Russlands, insofern es sich nämlich um das Jahr nach der Ermordung Pauls I. handelt. Dieser historische Einschnitt hat, wie bereits oben gezeigt, auch eine Auswirkung auf den Park. Es liegt daher nahe, in der Gartenbeschreibung einen rückschauenden Überblick über den Park auf der Höhe seines repräsentiven Funktionszusammenhangs zu geben und gleichzeitig die nun einsetzende Tendenz zum memorativen Erinnerungsort der Zarenwitwe an ihren Gemahl nachzuvollziehen. Letztere Absicht zeigt sich beispielsweise in der geradezu panegyrischen Anekdote der liebevollen Aufnahme Pauls im Kreis der Familie, die sich im Jahr 1798 nach einer Reise in die entlegenen Provinzen des Zarenreiches im Park von Pawlowsk abgespielt haben soll und die in den vierten Brief der Parkbeschreibung aufgenommen ist. Vgl. Storch, Briefe [2001], S. 291-292. 13 Vgl. die Assoziationskette Madonna – Blumenkönigin – Maria – Marienthal, die in der Abschlusspassage der Gartenbeschreibung von 1794 nahegelegt wird: „In der Nähe von Pawlowsk hat die Großfürstinn sich eine kleine Einsiedeley geschaffen, wo die rührende Simplicität der Natur durch keinen Schleyer verhüllt wird. Das geschmackvolle Wohnhaus ist mit einer Meyerei umgeben, in welcher diese liebenswürdige Fürstinn sich an dem Anblick ländlicher Beschäftigungen vergnügt. Marienthal ist der Name dieser kleinen romantischen Schöpfung.“ Storch, Gemählde von St. Petersburg, Bd. 1, S. 100. – An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu der bei Storch 1802 zurückgenommenen Fixierung in den Gartentexten nach 1815 die Person der Gartenbesitzerin zum eigentlichen Kernpunkt der Pawlowsk-Poetik von Vasilij Žukovskij erhoben wird. Zu dieser Schlussfolgerung kommt Il’ja Vinickij in sei334
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seiner Dienstherrin, steht das eigentliche Anliegen des Verfassers der „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ im Mittelpunkt des Interesses, der fiktive Kunstdialog über den Garten von Pawlowsk und die Beschreibung seines Charakters im Spannungsfeld zwischen Natur und Kunst. In immer neuen Varianten durchzieht dieses Diskursmuster die Ausführungen Storchs. Eine Reihe von Äußerungen in den Briefen über den Park zu Pawlowsk und mehr noch in dem „Gemählde von St. Petersburg“ deuten darauf hin, dass Storch das Verhältnis zwischen Natur und Kunst, dem im Landschaftspark auf vielfältige Weise Ausdruck verliehen wird, als Abbild einer grundlegenden Konstante des menschlichen Lebens, jedenfalls so wie es sich den Bewohnern der nördlichen Breiten darstellt, auffasst.14 Menschliche Geschichte vollzieht sich ner Analyse der Gedichte aus den 1810-1820er Jahren. In Bezug auf das Gedicht „Gornaja pesn’“ beispielsweise resümiert er: „Стихотворение [...] может быть прочитано [...] как поэтическое «видéние» императрицы Марии Федоровны и ее владений, отсылающее к картине небесного царства Марии (Пушкин, заметим, обыграл тему двух Марий - небесной и земной в связи с Жуковским). Павловские владение Марии Федоровны - своего рода земная тень небесного царства. Это «блаженная страна», максимально удаленная от суетной жизни [...].“ Il’ja Vinickij, Dom Tolkovatelja. Poėtičeskaja semantika i istoričeskoe voobraženie V.A. Žukovskogo. Moskva 2006, S. 148. 14 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Heinrich Storch durch seine grundsätzlichen Überlegungen zu dem Begriff des Nationalreichtums in den staatswissenschaftlichen Diskurs eingegangen ist, den er mittels einer von ihm entwickelten Theorie der „inneren Güter“ erweitert und neu zu fassen bestrebt ist. (Cours d'économie politique, ou Exposition des principes qui déterminent la prospérité des nations: Ouvrage qui a servi à l'instruction de Leurs Altesses Impériales, les grands-ducs Nicolas et Michel. St. Pétersbourg 1815; dt.: Handbuch der National-Wirthschaftslehre. Aus dem Franz., mit Zusätzen von Karl Heinrich Rau, 6 Bde. Hamburg 1819 - 1820). Unter dem Begriff der inneren Güter versteht Storch alle nicht-physischen Vermögen des Menschen, deren Bewertung bei ihm zum integrativen Bestandteil einer Beschreibung des Nationalreichtums avanciert. Um die Funktionsweise der nichtmateriellen Güter zu veranschaulichen, greift er an einer Stelle auf die Gartenmetaphorik zurück: „Diese Arbeit hat eine gewisse Ähnlichkeit mit jener, die ein Gärtner verrichtet, der seine Pflanzen durchaus nicht verkauft, sondern ihre Sämlinge dazu benutzt, auf einem fremden Boden dieselben Sorten wachsen zu lassen: er veräußert sie nicht, sondern vervielfältigt sie.“ (Storch, Cours d'économie politique, Bd. 5, S. 14). Zu den inneren Gütern rechnet Storch unter anderem die Ästhetik und die Erholung, womit er deutlich macht, dass seine Parkbeschreibung durchaus in einem Zusammenhang mit seinen späteren nationalökonomischen Arbeiten gesehen werden kann. Zu der Stellung Storchs im zeitgenössischen nationalökonomischen Diskurs siehe: Annelies Grasshoff, Heinrich Storch (1756-1835). Wissenschaftliche Statistik und russische Literaturgeschichtsschreibung im 18. Jahrhundert, in: Helmut Reinalter (Hg.), Gesellschaft und Kultur Mittel-, Ostund Südeuropas im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Festschrift für Erich Donnert zum 65. Geburtstag. Frankfurt am Main 1994, S. 109-116; Jochen Schumann, Heinrich von Storch: Originäre nationalökonomische Beiträge eines 335
Russisch Grün
in diesem Beschreibungsmodell Storchs als ein elementarer Kampf des Menschen, der durch seine Kunstfertigkeit und Schöpfungskraft einer widerstrebenden und sich sträubenden Natur all das abtrotzt, was er für seine Existenz braucht und wessen er für die Wahrung eines kulturellen Standards bedarf. Als sichtbarster Ausdruck für die Leistungen des Menschen innerhalb dieses Elementarkampfes, der zur Metapher der menschlichen Existenz überhaupt aufsteigt, stellt sich die Stadt St. Petersburg dar. Bei aller Zuversicht in die schier grenzenlos scheinenden Möglichkeiten der menschlichen Kunstfertigkeit ist Storchs Beschreibungsdiskurs nicht frei von einem melancholischen Zug, der aus der Erkenntnis resultiert, dass die Natur im Grunde als das stärkere Element angenommen wird und am Ende als Siegerin aus diesem Kampf hervorgeht. Bereits in seinem „Gemählde von St. Petersburg“ hat Storch das Muster des Widerstreits zwischen Kunst und Natur zur Beschreibung der Umgebung der Stadt St. Petersburg verwendet: „Dort [in St. Petersburg] fesselt unsern Blick der Sieg der Kunst über die Schwierigkeiten ihres Gebiets, hier [in der Umgebung der Stadt] über die widerstrebende Natur. Bey einem so ungleichartigen Kampf kann der Ausgang nicht einerley seyn; alle Forderungen sind erfüllt, wenn die Kunst, unüberwunden von der stärkern Natur, mit ihr zugleich den Kampfplatz behauptet.“15
Im Landschaftsgarten von Pawlowsk sieht Storch den Ort, an dem diese widerstreitenden Komponenten, wenn auch nur für eine zeitlich begrenzte Dauer, einen höchstmöglichen Ausgleich anstreben. In dem Maße, wie die Kunst ihre Anleihen bei der Natur nimmt, amalgamiert sich in einem umgekehrten Prozess die Natur mit der Kunst. Als paradigmatisch für diese Auffassung der wechselseitigen Befruchtung von Natur und Kunst kann eine Passage aus dem sechsten Brief herangezogen werden, wo die Wechselwirkung zwischen der Schlossarchitektur und der umgebenden Natur der SlawjankaGartenpartie in der Beschreibung der Bewegung in dem Raum eine besondere Dynamik erhält: „Mit jedem Schritt, den man auf diesem Wege weiter thut, verändert sich die große, malerische Scene. Die hin und wieder verstreuten Massen von Bäumen ziehen sich, indem man seitwärts an ihnen vorüber geht, bald näher zusammen, bald weiter aus einander, und schließen und öffnen dadurch immer neue Aussichten. Sie sind die Koulissen auf dieser prachtvollen Bühne, die der Spaziergänger, ohne ein Zeichen zu geben, durch sein natürliches Fortschreiten unaufhörlich nach Gefallen verändert. Und welch eine Bühne! Wie weit lässt ihr Umfang, ihre Beleuchtung, die Größe und
russischen Klassikers deutscher Herkunft. Münster 1991; Konrad Rentrup, Heinrich von Storch: Das „Handbuch der Nationalwirthschaftslehre“ und die Konzeption der „inneren Güter“. Heidelberg 1989; Ders., An Economist Who Sank Into Oblivion: Heinrich von Storch. Some Observations on His Work and His Concept of „Inward Goods”. Münster 1990. 15 Storch, Gemählde von St. Petersburg, Bd. 1, S. 76. 336
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
Majestät der Gegenstände, alle die armseligen Nachahmungen hinter sich, mit welchen die Kunst auf unsern Bretterbühnen prahlt! Auch hier hat die Kunst das ihrige zur Dekoration beygetragen; aber nach eben dem idealischen und kolossalen Maßstabe, der bey den Gegenständen der Natur zum Grunde liegt. Hoch über dem ganzen lebendigen Gemälde erhebt sich der majestätische Dom des Pallasts, von der Abendsonne vergoldet. Die Szene verändert sich, und an seiner Stelle springt der Tempel des Apolls hervor. Auch diese verschwindet, und man sieht den Thurm einer geschmackvollen Kirche über den Bäumen hervorragen. Gestehen sie, mein Freund, daß nie eine so einfache Maschinerie so zauberische Wirkung hervorgebracht hat!“16
Dass bisweilen in einzelnen Parkelementen die Kunst die Oberhand über die Natur gewinnen kann, während in anderen Gartenpartien die Natur sich gegenüber der Kunst behauptet, sind für Storch nur zwei verschiedene Seiten derselben Medaille. Ein solches Denkmodell erlaubt es dem Verfasser der Gartenbeschreibung, auch solchen Gartenelementen einen wirkungsästhetischen Wert zuzuschreiben, die gerade nicht auf den Ausgleich zwischen Kunst und Natur angelegt sind und sogar die Möglichkeiten einer klaren Grenzziehung zwischen den beiden Gestaltungs- und Wirkungsbereichen auszuloten bestrebt sind. Vor diesem Hintergrund ist auch die rhetorische Aufforderung an den Empfänger der „Briefe“ zu verstehen, die der oben zitierten Passage vorangeht und ein architekturfreies Ensemble von Blumenund Baumkompartimenten beschreibt: „Ein weites Feld dehnt sich vor Ihren Blicken aus, und verspricht Ihnen Genüsse anderer Art. Wenn eine reizende Abwechselung von Hügeln und Thälern Sie bisher entzückt hat, so soll Ihnen diese große Fläche wenigstens keine Klage über Einförmigkeit ablocken; und vielleicht gestehen Sie mir, daß die siegende Kunst hier mehr Bewunderung verdient, als dort die unüberwundene Natur.“17
Insgesamt lässt sich aus den verstreuten Implikationen der „Briefe“ ein ambitionierter Erwartungshorizont des Verfassers gegenüber dem Adressaten ablesen. Neben der Kenntnis wichtiger Topoi der Kunst und der Poesie wird die Bekanntschaft mit der avancierten zeitgenössischen Gartengestaltung als selbstverständlich vorausgesetzt, wie es am Beispiel der kritischen Bemerkungen über den Wörlitzer Landschaftsgarten anschaulich gemacht wird.18 Der fiktive Leser verfügt über genügend Einbildungskraft und ästhetisches Urteilsvermögen, um sich aus den Andeutungen Storchs ein eigenständiges Bild zusammenzusetzen und sich selbstbewusst mit dem ästhetischen Konzept der Gesamtanlage zu befassen, ohne die literarische Vermittlung des Ganzen aus dem Auge zu verlieren. Dies soll im Folgenden anhand von Beschreibungen
16 Storch, Briefe [2001], S. 299. 17 Ebd., S. 298. 18 Vgl. Storchs Kritik an dem Wörlitzer „Stein“, der ebenso berühmten wie umstrittenen Vesuv-Staffage im achten Brief. Ebd., S. 305. 337
Russisch Grün
des „eignen Gartens der Kaiserinn“ aus dem zweiten Brief19 und des „Pavillons Elisabeth“ im Schönen Tal aus dem vierten und fünften Brief20 näher erläutert werden.
3. „Mischung des Erhabenen und Lieblichen“: Inszenierung der Privatheit zwischen Annäherung und Distanz Während in dem „Gemählde von St. Petersburg“ die Parkbeschreibung von Pawlowsk vor allem aus dem Kontrast zu der Gartenanlage in Zarskoe Selo erwächst, – ein Oppositionspaar, das analog dem klassizistischen Modell der edlen Einfalt und stillen Größe inszeniert wird, – so wird in den „Briefen“ dem Park von Pawlowsk die Vermischung beider wirkungsästhetischer Elemente, „des Erhabenen und Lieblichen“21 zugeschrieben. Dieses dem zweiten Brief entnommene Zitat markiert den essentiellen Unterschied zwischen den beiden von Storch verfassten Parkbeschreibungen desselben Landschaftsgartens. Mit dem Wechsel des Wahrnehmungsmodus reagiert Storch auf den sich wandelnden Funktionszusammenhang und die damit einhergehende Umgestaltung des Parks von Pawlowsk. Die romantisierende Stilisierung der Besitzerin im Rahmen der literarischen hortus-conclusus-Symbolik, die in Verbindung mit dem klassizistischen Topos der edlen Einfalt gebracht und auf die Person der Gartenbesitzerin bezogen worden ist, wird in dem Text der „Briefe“ modifiziert und schließlich auf den Charakter der Parkanlage insgesamt übertragen. Die ferne Wiedererinnerung an die frühere, in Bezug auf die Gartenbesitzerin angewandte Ikonografie taucht nur im Zusammenhang mit einer Gartenpartie auf: einer in sich geschlossenen Einheit, die sich „Sobstvennyj sadik“ – „das Eigene Gärtchen“ nennt (Abb. 46), wobei das Epitheton „Sobstvennyj“ auf die Zarenwitwe Marija Fëdorovna verweist:
19 Ebd., S. 283-287, hier S. 306. 20 Ebd., S. 294-297. 21 Ebd., S. 285. 338
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Abb. 46. Allee im Eigenen Gärtchen in Pawlowsk, ca. 1820, (Autor unbekannt), Aquarell. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk. „Lassen Sie uns jetzt durch den Portikus in dies Heiligthum der Blumengöttin treten. Es ist der eigne Garten der Kaiserin, die gewöhnlich das untere Geschoß des Pallastes bewohnt, um diesem reizenden Aufenthalte näher zu seyn. Alles athmet hier die nahe Gegenwart der Schutzgöttinn dieses Ortes. Sehen Sie diese schattenreichen Laubengänge, deren magisches Helldunkel zum Nachdenken einzuladen scheint; diese stolzen Pappeln, deren schlanker und erhabener Wuchs die Säulen des Portikus beschämt; dieses Gebüsch, der Lieblingsaufenthalt der Sänger des Waldes; diese Blumenfelder, deren Dunstkreis die Sinne berauscht – können Sie in dieser zauberischen Mischung des Erhabenen und Lieblichen den Charakter einer Schöpfung Mariens verkennen?“22
Der Einblick in diesen (auch architektonisch durch die unmittelbar angrenzenden Gebäude des Palastes und der Schlosskapelle) verschlossenen Garten, den Heinrich Storch seinem fiktiven Briefpartner und damit dem Leser der „Briefe“ in der zitierten Passage gewährt, entspricht dem Bedürfnis nach einer in Szene gesetzten Privatheit. Der Abschnitt über den Eigenen Garten ist Teil eines raffinierten poetischen Spiels zwischen Annäherung und Distanzierung, das eine der Strategien des gesamten Textes ausmacht und sich nicht zuletzt in der Briefform der Gartenbeschreibung manifestiert. Bei der Wiedergabe der räumlichen Wirkung des Eigenen Gartens zeichnet sich die dem Text innewohnende Strategie der „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ durch die Bemühung aus, der Wahrnehmung einer geschlossenen 22 Ebd. 339
Russisch Grün
und kleinteiligen Grundstruktur entgegenzuarbeiten und diese argumentativ zu öffnen. „Nie habe ich, bey einer größern Simplicität des Plans, mehr Mannigfaltigkeit in der Ausführung gefunden, und nie hat mich die Anlage eines Gartens so wahrscheinlich über den Umfang desselben getäuscht. [...] das Ganze [bildet] vier etwas unregelmäßige Quadrate [...]. Die beyden Felder zunächst am Pallast sind mit den auserlesensten Blumen besetzt; das dritte Feld schließt eine regelmäßige Pflanzung von Eichen, Ulmen, Linden und Eschen ein, die ein allerliebstes Wäldchen bildet.“23
Die Elemente der „regelmäßigen Gartenanlagen“ werden konsequent in das wahrnehmungsäthetische Repertoire des Landschaftsgartens integriert und dadurch legitimiert. So heißt es über das ornamentale Kompartiment auf der linken Seite des Ensembles: „Auch in dem Plan des vierten Feldes herrscht eine gewisse Regelmäßigkeit, die aber der liebenswürdigen Unordnung der Natur keinen Eintrag thut. Bäume, Stauden, Pflanzen aus den entferntesten Welttheilen schlingen hier ihre abstechenden Formen ineinander, um ein üppiges Gebüsch zu bilden, das zur süßesten Schwärmerey einladet.“24
Die „Mischung des Erhabenen und Lieblichen“ erhebt Storch zu dem Charakteristischen der regulären Gartenpartie, die sich unter der Prämisse der Mannigfaltigkeit und der Abwechslung harmonisch in das ästhetische Programm des Landschaftsparks einfügen lässt. Einen wesentlichen Bestandteil der wirkungsästhetischen Integrationsleistung des Autors der Briefe bildet die visuelle Einbindung des formal abgeschlossenen Gartenteils sogar über die Grenzen des Parks hinaus in die umliegende Landschaft, die die Beschreibung des Eigenen Gartens erzählerisch rahmt. Der Textabschnitt wird mit einer Schilderung der „malerischen“ Gegend entlang der Straße eingeleitet, die den Park südlich abgrenzt und „sich zwischen reizenden Gebüschen durchwindet, bald in Vertiefung senkt, und bald über Anhöhen fortgleitet“.25 Den abschließenden Höhepunkt der Passage über den Eigenen Garten bildet ebenfalls eine „mannigfaltige und reizende“ Aussicht, die sich dem Betrachter nun von dem Portikus aus eröffnet: „Man übersieht die Heerstraße, die gegenüberstehende Gitterlaube, den See, die malerischen Umgebungen desselben, und in der Ferne ein freundliches Dorf, das zwischen den Oeffnungen des Waldes durchschimmert.“26
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Ebd., S. 286. Ebd. Ebd., S. 285. Ebd., S. 287. 340
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
4. „Sänger der Gärten“ (Delille) Den Ausblick auf diese Szenerie, nur eben nicht aus der Innenperspektive des Eigenen Gartens, sondern von einem Standort außerhalb des verschlossenen Gartenbezirks, hat der Verfasser der „Briefe“ seinem Leser zu Beginn des zweiten Spazierganges vorgeführt. Genau an dieser Stelle der Gartenbeschreibung hat Storch das einzige explizite Zitat aus einem fremden literarischen Text platziert: „Wir treten jetzt auf die Heerstraße hinaus, um den rechten Flügel des Pallasts ganz zu umgehen. Ihr Blick heftet sich unwillkührlich noch einmal auf die gegenüberliegende Esplanade, auf die vertrauliche Gitterlaube, und auf alle die Gegenstände, die aus dieser Ansicht ein so heiteres Ganze machen. Finden Sie diese Straße nicht äußerst malerisch, mein Freund, wie sie sich zwischen reizenden Gebüschen durchwindet, bald in Vertiefungen senkt, und bald über Anhöhen fortgleitet? Und sind Sie nicht versucht zu glauben, daß es dieser Standpunkt war, auf welchem der Sänger der Gärten folgende Verse niederschrieb, um sie Marien zu überreichen? Lá, d’un chemin public, c’est l’aspect animé. Du plus loin qu’il Te voit, le voyageur charmé S’arrête, admire, et part, emportant Ton image; Le fleuve, le ruisseau, la forêt, le boccage, Les arcs, lointains des ponts, la flêche des clochers Me frappent tour à tour ... Là, les fleurs, l’oranger, les myrtes, les jours verds Jouissent du printemps et trompent les hyvers; D’un portique pompeux leur abri se décore, Et leur parfum trahit la retraite de Flore.“27
Dieses Zitat, das aus „Les Jardins“ von Jacques Delille stammt, verdient eine besondere Aufmerksamkeit. Obwohl das Delille-Fragment sich im Original nicht auf den russischen Landschaftsgarten bezieht, ist es dem Park von Pawlowsk als Textdokument merkwürdig kohärent. Zunächst legitimiert sich seine Einschreibung in den Diskurs über Pawlowsk historisch, insofern das Gartenpoem Delilles in einen gewissen Konnex zu der Entstehung des Parks zu setzen ist. Denn die öffentliche Vorstellung des Gartenpoems „Les Jardins“ im Juni 1782 und die Überreichung eines Widmungsexemplars an Marija Fëdorovna und Pavel Petrovič in Versailles während der großen Europareise der beiden Pawlowsk-Besitzer koinzidiert zeitlich mit den intensiven Ausgestaltungsarbeiten in dem Landschaftspark.28 Neben dieser konkreten gartenhistorischen Kohärenz besteht außerdem eine gartenliterarische Korrespondenz zwischen der Storchschen Beschreibung des Parks von Pawlowsk und dem französischen Gartenpoem über die europäische Landschaftsgarten-
27 Ebd., S. 285. 28 Jaсques Delille, Les Jardins, ou l’art d’embellir les paysages. Paris 1782. 341
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gestaltung, das seinerzeit die innovative Verbindung der Ästhetik der neuen Gartenkunst mit der Poetik der Lehrdichtung für sich beansprucht hat.29 Eine weitere Besonderheit der Einschreibung des Delilleschen Poems in einen, dem Verfasser der „Briefe“ zeitgenössischen Pawlowsk-Diskurs entsteht dadurch, dass die zitierte Passage bezeichnenderweise nicht aus der ersten Fassung des Poems von 1782 stammt, sondern der erweiterten Londoner Ausgabe der „Les Jardins“ von 1801 entnommen worden ist. Gerade diese Ausgabe des Lehrgedichts wird zu einem literarischen Ereignis, das eine noch breitere und nachhaltigere Rezeption des Delilleschen Gartengedichts in Russland zur Folge hat. Diese Fassung des bis dahin im Original verbreiteten Lehrgedichts erfährt innerhalb kurzer Zeit mehrere Übersetzungen ins Russische.30 Indem Storch diesem Delille-Fragment als einzigem Gartenliteraturzitat innerhalb der „Briefe“ eine singuläre Rolle zuweist, rekurriert er auf den zusammenhängenden, aktuell erweiterten Komplex des Delilleschen Textgebäudes und setzt darüber hinaus die Kennerschaft der Transformationen des
29 Viсtor Klemperer, Delilles „Gärten“: Ein Mosaikbild des 18. Jahrhunderts. Berlin 1954 (Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse für Sprachen, Literatur und Kunst; Nr. 2, Jg. 1953); Wolfgang Theile, Imaginatio artis: Poetik des Landschaftsraumes in Jacques Delilles „Gärten“, in: Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 1/2 (1991), S. 157-171. 30 Dem Gartenpoem „Les Jardins“ von Jacques Delille kommt wiederholt die Bedeutung eines wichtigen Referenztextes zu, der biografisch-historisch, intertextuell wie poetologisch für die zu erläuternden Zusammenhänge relevant ist. Die Frage nach der Wechselwirkung zwischen der Gestaltung des Gartens und der Poetik der deskriptiven Poesie wird im Gartendiskurs im Anschluss an die erweiterte und mit einer poetologischen Einleitung versehene Fassung des Gartenpoems Delilles aufgegriffen. Die Problematik zielt dabei vornehmlich auf die aktuellen poetologischen Debatten in Russland und wird in Form der konkurrierenden russischen Übersetzungen von „Les Jardins“ ausgetragen. Den ersten überlieferten, aber nicht veröffentlichten Übersetzungsversuch unternimmt Vasilij Kapnist in den 1790er Jahren (vgl. Brief von Nikolaj L’vov an Vasilij Kapnist vom 28. September 1795, in: L’vov, Izbrannye sočinenija, S. 348-349). Eine Teilübersetzung legt Nikolaj Karamzin im Rahmen der „Briefe eines russischen Reisenden“ vor (vgl. Nikolaj Karamzin, Pis’ma russkogo putešestvennika. Moskva 1797-1801). Schließlich verfassen nacheinander Pëtr Karabanov (um 1801), Aleksandr Palicyn (1803) und Aleksandr Voejkov (1815) drei konkurrierende russische Varianten des französischen Poems und veröffentlichen sie als selbstständige Werke. Vgl. Pëtr M. Karabanov, Poėma Sady, ili Iskusstvo ukrašat’ sel’skie vidy, in: Ders., Stichotvorenija [...]. Sankt-Peterburg 1801 (2. Auflage: 1804, S. 263-307); Aleksandr A. Palicyn, Sady, ili Iskusstvo ukrašat’ sel’skie kartiny. Char’kov 1814; Aleksandr F. Voejkov, Sady, ili Iskusstvo ukrašat’ sel’skie vidy. Sankt-Peterburg 1816. – Zu der literaturhistorischen Verortung der von Aleksandr Voejkov vorgenommenen Übersetzung siehe: Jurij Lotman, „Sady“ Delilja v perevode Voejkova i ich mesto v russkoj literature, in: Ders., Izbrannye stat’i v trech tomach. Bd. 2: Stat’i po istorii russkoj literatury XVIII – pervoj poloviny XIX veka. Tallinn 1992, S. 265-287. 342
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
europäischen Gartendiskurses beim Adressaten seiner Pawlowsk-Beschreibung voraus. Zum einen wird damit indirekt auf die ästhetischen Modifikationen innerhalb des Landschaftsgartens verwiesen, die die letzten beiden Dekaden des 18. Jahrhunderts gezeitigt haben: auf die Debatten um das Pittoreske, um die Problematik der Differenz von Garten und Landschaft, die Autonomie des Gartenkünstlers und Gartenbesuchers, die Ausdifferenzierung der Empfindungspalette, die Neubewertung und tendenzielle Reintegration regelmäßiger Gartenelemente etc. Zum anderen eröffnet sich ein Erinnerungsbezug zu den wesentlichen Veränderungen des gartenliterarischen Werks Delilles, welche seine Dichtung zwischen 1782 und 1802 durchläuft.31 Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang seine programmatischen Überlegungen zu dem Verhältnis der beschreibenden Poesie und der Wirkungsästhetik des Landschaftsgartens, die Delille 1800 in dem Vorwort zu „Hommes de Champs“ entfaltet und ein Jahr später der neuen, erheblich erweiterten Auflage von „Les Jardins“ voranstellt.32 Diese beiden Ebenen der Diskursentwicklung – gartenästhetische und gartenliterarische – lassen sich für Storch problemlos auf die gartengestalterische Entwicklung von Pawlowsk zwischen 1782 und 1802 beziehen. Darüber hinaus deutet der Verfasser der „Briefe“ nicht nur die Historizität des Gartendiskurses an, sondern hebt das Bewusstsein für die Dynamik der gegenwärtigen Entwicklung hervor, indem er die neue Zäsur in der Geschichte des Parks markiert, der, wie bereits gezeigt worden ist, nach 1801 in ein Stadium umfassender gartengestalterischer Neubestimmungen eingetreten ist. Das durch das „Les Jardins“-Zitat nahegelegte Wahrnehmungsangebot, den russischen Park in einem von Delille eröffneten gartenliterarischen Horizont zu lesen, wird freilich in den „Briefen“ von Heinrich Storch aufgegriffen und durch die spezifische Verfeinerung des literarischen Deskriptionsverfahrens weiterentwickelt. Die „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“, mit der nahezu vollständigen Abwesenheit von didaktischen Elementen in der Beschreibung, haben formal gesehen nichts von der deskriptiven Lehrdichtung, sogar in ihrer innovativsten Form. Dennoch vollzieht und forciert Storch eine Bewegung nach, die der Poetisierung der didaktischen Gartenliteratur durch Delille vom literarischen Verfahren her vergleichbar erscheint. Dem Garten-
31 Philippe Auserve (Hg.), „Delille est-ill mort?“ Clermond-Ferrand 1967; Édouard Guitton, Jacques Delille et le poème de la nature en France de 1750 a 1820. Paris 1974 ; Nina A. Žirmunskaja, Žak Delil’ i ego poėma „Sady“, in: Delil’ [Delille], Sady, S. 171-191. 32 Jacques Delille, L’Homme des champs, ou les géorgiques francoises. Basel 1800 ; Ders., Les Jardins, ou l’art d’embellir les paysages. London 1801 . Vgl. dazu ausführlicher meinen Aufsatz: Sad v poėzii i poėzija v sadu: poėma Žaka Delilja „Sady“ i „Pis’ma o sade v Pavlovske” A.K. Štorcha, in: Dmitrieva, Ekaterina/Ėspan’, Mišel’ (Hg.), Iskusstvo versus literatura: Francija – Rossija – Germanija na rubeže XIX-XX vekov. Moskva 2006, S. 70-96. 343
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poem Delilles setzt Storch seine Gartenbriefe als hochgradig literarisierte Gartenbeschreibung gegenüber. Es ist bezeichnend, dass das fiktive Ich der Briefe, d.h. der fiktive Verfasser des literarischen Spazierganges, Delilles Poem nicht in der Hand, noch nicht einmal in der Jackentasche hat, wenn er seinen Adressaten durch die verschlungenen Wege des Parks führt. Die Art, wie Storch das Zitat einführt, scheint eher wie aus der Erinnerung heraufgeholt denn als ein vom gedruckten Text abgelesenes. Fast scheint es, als wolle Storch die textliche Vermitteltheit der Gartenwahrnehmung geradezu löschen.33 Der Zitattext wird von Storch an einer Stelle der Beschreibung platziert, wo das Beschreibungs-Ich sich noch außerhalb des Gartens befindet, von der außerhalb liegenden Heerstraße nämlich den Garten überschaut, bevor er sich anschickt, in den Garten selbst einzutreten. Die Unmittelbarkeit der eigentlichen Gartenwahrnehmung soll durch die Präsenz eines dazwischengeschobenen Textes nicht geschmälert werden. Die Unvermitteltheit des individuellen Erlebens des Gartens hat Vorrang vor seiner wie auch immer gearteten medialen Vermittlung. Diese betonte Unmittelbarkeit und Unvermitteltheit der Gartenwahrnehmung, die in Wirklichkeit aber ein raffiniertes und paradoxes Spiel von Distanzierung und Annäherung, zwischen Imagination und Erlebnis darstellt, erstreckt sich auf den eigenen Beschreibungstext selbst, ja sie macht sogar seine konstitutive Strategie aus. Geht man von der Prämisse der Unmittelbarkeit aus, so scheint der Anblick der Heerstraße und des Marienthaler Seeufers, der die Erinnerung an den „Sänger der Gärten“ und seinen Gartentext hervorruft, der Beginn und der Abschluss des Spaziergangs durch den Eigenen Garten gewesen zu sein. Sieht man denselben Spaziergang im Fokus der Imagination, der Einbildungskraft, die textuell vermittelte Landschaftsbilder mühelos vor Augen zu führen vermag, gerät die Realität des Besuches in einem der Öffentlichkeit versagten Gartenbezirk ins Wanken. Hat sich denn der fiktive Gartenbesucher, seit er die Stelle aus Delille rezitiert hat, überhaupt im wirklichen Raum bewegt? Oder ist der gewährte Einblick in den „eigenen Garten der Kaiserin“, der Spaziergang darin nur imaginär gewesen und aus dem Gedächtnis hervorgerufen, wie der Text des französischen Autors? In der hier evozierten Unsicherheit deutet sich das selbstreflexive Moment der Beschreibung von Pawlowsk an, das den roten Faden des darauffolgenden dritten Briefes über die „malerischen Aussichten“ des „englischen Gartens“ ausmacht.34 Ob der Garten daher in der Imagination des Adressaten lebendig, wirklich wird, hängt in hohem Maße von der produktiven Beschreibungskunst des Absenders35 und der ebenso produktiven Imaginationskraft des Empfän-
33 Im Gegensatz dazu ist die Lektüre des Poemtextes als Relektüre abends nach dem erfolgten Gartenspaziergang ausdrücklich erwünscht und bereits am Ende des ersten Briefes ausgewiesen. (Storch, Briefe [2001] S. 283). 34 Ebd., S. 287-291. 35 Ebd., S. 287, S. 290. 344
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gers ab.36 Auf das reibungslose Zusammenwirken dieser Potenzen setzt das literarische Verfahren Storchs. Jacques Delille sieht das Problem des Wechselverhältnisses zwischen der literarischen Form und der zu beschreibenden Landschaftsgärten in der angemessenen Transformation formalästhetischer Mittel der Lehrdichtung gelöst.37 Die Elemente der „poesie pittoresque“ werden mit dem malerischen Garten in Einklang gebracht; die Gartenbeschreibung hat zum Ziel, eine auf dynamische Wahrnehmung basierende Wirkungsästhetik im Text wiederzugeben. Die darauffolgenden gartenliterarischen Prämissen werden von Storch auf die Briefform übertragen und dort raffiniert, d.h. verfeinert.38 Er entfaltet ein kompliziertes Spiel mit den Kategorien der Imagination und Beschreibung, der Verhüllung und Enthüllung, der Annäherung und Entfernung. Dieses Spiel basiert nicht mehr auf dem Delilleschen Optimismus einer eingelösten Präsenz des Gartens im Text: 36 Ebd., S. 288. 37 Vgl. sein Programm der deskriptiven Poesie: Delille, L’Homme des champs: „Veut-elle dire qu' il ne peut exciter ces secousses fortes et ces impressions profondes réservées à d' autres genres de poësies?“ (S. VI) „C' est là qu' il faut que la justesse des idées, la vivacité du coloris, l' abondance des images, le charme de la variété, l' adresse des contrastes, une harmonie enchanteresse, une élégance soutenue, attachent et réveillent continuellement le lecteur.“ (Ebd., S VII-VIII) „Mais dans les jardins pittoresques et libres, où tous ces objets sont souvent mêlés ensemble, où il a fallu remonter aux causes philosophiques du plaisir qu' excite en nous la vue de la nature embellie et non pas tourmentée par l' art; où il a fallu exclure les alignemens, les distributions symétriques, les beautés compassées; un autre plan étoit nécessaire.“ (Ebd., S. IX). – Früher hat Delille die gleiche Problematik im Vorwort zu seiner Übersetzung von Vergils „Georgik“ wie folgt formuliert: „L'auteur doit songer à la suite naturelle des idées; sans doute; mais un devoir non moins essentiel, c'est l'effet & la variété; il faut qu'il place chaque objet dans son plus beau point de vue, qu'il le fasse ressortir par les oppositions, qu'il contraste les couleurs, qu'il varie les nuances, que le doux succède au fort, le riant au sombre, le pathétique aux descriptions. L'esprit qui veut être amusé ne demande pas qu'on le traîne lentement sur toutes les idées intermédiaires... il veut faire une promenade & non pas une route. Voilà la méthode de Virgile.“ Jacques Delille. Discours préliminaire, in: Les geғorgiques de Virgile. Paris 1780, S. 12. Zit. nach: Jackie Pigeaud, De Rapin à Delille, in: Jackie Pigeaud/Jean-Paul Barbe (Hg.), Histoires de jardins. Lieux et imaginaire. Paris, Nantes 2001, S. 159-180, hier S. 165. 38 Ausführlicher dazu siehe: Anan’eva, Sad v poėzii i poėzija v sadu, S. 70-96, hier S. 85-91. – Delille zitiert im ersten Buch der „Les Jardins“ die von Plinius in Form eines Briefes abgefasste Beschreibung von dessen Landhaus, mit der Absicht, diese als nachahmenswertes Muster der Beschreibungsliteratur in den Kanon der Gartenliteratur zu überführen. Mit Blick auf Storchs Gartenbriefe ist bemerkenswert, dass bereits Plinius aus dem persönlichen und privaten Charakter der Textform des Briefes die Lizenz zur Überschreitung des poetischen Regelkanons ableitet. Genau diesen Aspekt hebt die deutsche Übersetzung der „Gärten“ hervor. Siehe: Delille, Les Jardins [1782], (Kommentar zu S. 11); dt.: Die Gärten. Ein Lehrgedicht in vier Gesängen nach De Lille von C[hrictian] F[riedrich] T[raugott] Voigt. Leipzig 1796, S. 328-341 (Kommentar zu S. 6). 345
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„glücklich, wenn es mir gelingt, in der Schilderung der einzelnen Parthieen wenigstens einen Schatten von Natur zu erreichen.“39 Die Hoffnungen des Verfassers der „Briefe“ lassen sich eher mit dem poetischen Potential des im Text Abwesenden verknüpfen: „Doch, wohin verirrt sich meine Einbildungskraft? Ich vergesse, daß ich Ihrem geistigen Auge male, und daß ich Ihnen folglich die einzelnen Züge hinreichen muß, […]. Auf den Totaleindruck, den diese schöne Aussicht hervorbringt, müssen sie also schon Verzicht thun […]. […] – Jetzt, mein Freund, nehmen Sie Ihre Einbildungskraft zu Hülfe, um diese hier auf einander folgenden Schilderungen in ein Ganzes zu schmelzen, und sich den Eindruck zu versinnlichen, den der Anblick dieses Ganzen in der Natur hervorbringen muß.“40
Diese Inszenierung von Präsenz und Abwesenheit manifestiert sich nicht zuletzt in der Briefform der Gartenbeschreibung. Schon indem Storch den realen Leser auf den fiktiven Adressaten der Briefe verweist, wird dessen Imaginationskraft auf eine gesteigerte Weise gefordert. Denn der reale Leser vollzieht nicht nur den vom fiktiven Adressaten geforderten Imaginationsprozess selbstständig nach, sondern imaginiert nahezu unvermerkt auch die dem Publikum vorenthaltenen Antwortbriefe des Adressaten, vermittelt durch die vom Absender der Briefe, dem Verfasser, eingestreuten fiktiven Rekurse. Mehr noch. Der Leser wird dazu angeleitet, den Adressaten selbst zu imaginieren, der gleichwohl weitgehend im Dunkeln bleibt und nur durch einige vage Andeutungen einzelne, sehr unkonkrete Konturen gewinnt.41 Storch appliziert damit eine Beschreibungsstrategie, die sich im Briefroman bewährt hat.42 Dass es sich dabei sogar um ein sublimiertes literarisches Ver-
39 Storch, Briefe [2001], S. 287. 40 Ebd., S. 287, S. 288. 41 Die appellative Kraft dieses literarischen Mittels hat ihre Auswirkung sogar für die außertextuelle Wirklichkeit gezeigt. Einer von Michail Semevskij in seiner umfassenden Schrift zum hundertjährigen Jubiläum von Pawlowsk referierten Überlieferung zufolge sind die Briefe an Jacques Delille gerichtet, mit dem Ziel, den seinerzeit wohl berühmtesten Gartenpoeten, der damals mit einer Überarbeitung seines Gartenpoems „Les Jardins“ beschäftigt war, zu einer Passage über Pawlowsk zu inspirieren. (Semevskij, Pavlovsk. Očerk istorii i opisanie: 17771877. Sankt-Peterburg 1877). Solche Ansuchen und Aufforderungen sind einer anderen Quelle zufolge in so großer Zahl an Delille herangetragen worden, dass er sich von den Wünschen zahlreicher Gartenbesitzer förmlich überschüttet gefühlt haben muss. In der überarbeiteten Fassung des Gartenpoems erscheint dann auch lediglich eine Strophe über Gärten in Russland, die einen allgemeinen Charakter hat. Delille geht auf keine konkreten russischen Anlagen ein und lässt auch keinerlei Bezug zu der Gartenbeschreibung von Storch erkennen. 42 Anan’eva, Sad v poėzii i poėzija v sadu, hier S. 87-90. – Allgemein zu Briefromanen: Ol’ga O. Roginskaja, Ėpistoljarnyj roman: poėtika žanra i ego transformacija v russkoj literature. (Avtoreferat dissertacii […] kandidata filologičeskich nauk). Moskva 2002. – Zu der Briefpoetik als Problem der Vermittelbarkeit von 346
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fahren handelt, bleibt dem aufmerksamen Leser nicht verborgen. Denn Storch nimmt zugunsten der Auskostung des literarischen Sujets in Kauf, dass eine erzählzeitliche Inkongruenz zwischen dem imaginierten Briefwechsel und den in den Briefen beschriebenen Gartenspaziergängen in einer von einem auf den anderen Tag folgenden Serie auftritt. Storch unterschiebt der kurztaktigen Perspektive der Folge der Gartenspaziergänge von Tag zu Tag einen aus dem Briefroman entlehnten größeren zeitlichen Intervallrhythmus des Briefwechsels und der Postzustellung, - sagen wir,- von mehreren Wochen zu mehreren Wochen unter, wenn man etwa eine Entfernung von Pawlowsk nach einem nichtgenannten Ort in Deutschland unterstellt. Er löst diesen der Fiktion geschuldeten Langzeittakt der Brieffolge im Grunde zugunsten des konkreten Leserhythmus auf, dem ja auch der zeitlich gestreckte Briefroman in der Rezeption des Romanlesers unterliegt. Man könnte von einer Sublimierung oder capricciohaften Ästhetisierung des Beschreibungsrhythmusses sprechen, die sich über den herkömmlichen Regelkanon der Beschreibungsliteratur, zumal der üblichen Gartenbeschreibungsprosa, hinwegsetzt. Durch die kunstvolle, vom Leser kaum bewusst wahrgenommene Überblendung des langfristigen, der Entfernung geschuldeten Briefmodus mit der kurztaktigen, auf Vergegenwärtigung und Nähe abzielenden literarischen Evokation einer Abfolge von Spaziergängen im täglichen Abstand gelingt es Storch, die Perspektive der Beschreibung in einer merkwürdigen, mehr empfundenen denn bewusst wahrgenommenen Grundspannung zu halten. Die Raffinesse Storchs liegt u.a. darin, dass gerade diese Doppelstruktur des Nahen und Fernen in den „Briefen über den Park von Pawlowsk“ gleichzeitig der aus der antiken Mimesistheorie gewonnenen traditionellen Forderung der Glaubwürdigkeit der Darstellung gerecht wird. Anders als der fiktive Adressat, dem eine Reise nach Pawlowsk bevorzustehen scheint, muss sich das reale Lesepublikum meistenteils wohl auf die bloße imaginative Vergegenwärtigung des Parks beschränken. Die Briefform scheint diesem unterstellten Sachverhalt auf angemessene Weise zu entsprechen, der Wahrscheinlichkeitstopos bleibt gewahrt. Gleichzeitig nutzt Storch die in dieser Form bereitgestellte Möglichkeit, eine Individualisierung der Gartenwahrnehmung bis hin zur Inszenierung einer Intimisierung des Gartenerlebnisses zu thematisieren. Deswegen bleibt auch die Verneigung vor Delille das einzige Beispiel von offenen intertextuellen Verweisen in dem Text der „Briefe“. Die Abwesenheit gartenliterarischer Zitate und Hinweise aus dem Kanon der gängigen Gartenliteratur unterstreicht die angestrebte relative Autonomie des Künstler- und Rezipientensubjekts. Storchs Beschreibung entsteht in einem Wissenshorizont, in dem die im Rahmen der Landschaftsgartenästhetik verhandelten Kategorien einen Prozess der kritischen Hinterfragung durchlaufen und nicht mehr unbesehen geltend gemacht werden können. Der Text der „Briefe“ lässt insgesamt einen Grad von Modernität erkennen, der anderen Subjektivität vgl. Karl Heinz Bohrer, Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Subjektivität. Frankfurt am Main 1987. 347
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Gartenbeschreibungen der Zeit eher fremd ist. Storch ist an einem Punkt angelangt, der grenzüberschreitende Neuerungen in der Gartenkunst, jenseits der eigentlichen Landschaftsgartenästhetik als Möglichkeit und als Experiment mitdenkt und zur Autonomisierung der Kunst gegenüber dem Natürlichkeitspostulat beiträgt.
5. Das „genialische Architekturstück“ Auch wenn der reale Leser über den vermutlichen Adressaten wenig erfährt, ist die Erwartung einer ambitionierten ästhetischen Haltung des fiktiven Empfängers der Briefe evident. Sie betrifft auch die Einbeziehung des Kunstprinzips Capriccio in seiner Umsetzung im Raum des Landschaftsgartens in Pawlowsk. „Hier, auf dem äußersten Standpunkte, wo der gelüftete Wald unsern Blicken abermals eine weite Ansicht öffnet, breitet sich ein großes, der Natur überlassenes, aber von dieser freygebigen Mutter mit mannigfaltigen Reizen ausgestattetes Thal aus, das eben deshalb vorzugsweise das schöne (Russisch: Krasnaja Dolina) genannt wird. Ein kleines, auf einem der entferntern Hügel befindliches Dorf und die Kornfelder die dasselbe umgeben, machen den einzigen absichtlosen Schmuck dieses Thals aus, und dieser Schmuck ist der Feldblume zu vergleichen, die das Landmädchen an festlichen Tagen in ihr ungepudertes Haar steckt. Hier, wo alles Natur und Einfalt athmet, hat sich der Dämon Capriccio, dessen Sprünge Sie kennen, einen Tempel erbaut, von welchem ich Ihnen heute nichts sagen werde, um Ihre Neugier nicht vergeblich auf die Folter zu spannen.“43
Genau das Gegenteil hat Heinrich Storch im Sinn, als er die viel versprechende Eigenart des Gartenpavillons im Schönen Tal andeutet und damit das vierte Kapitel seiner „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ effektvoll abschließt. Erst in dem darauf folgenden Brief führt er seinem Leser den Tempel des Dämon Capriccio vor Augen, in dem er den Spaziergang in den entlegenen Teil des Gartens wieder aufnimmt. Freie Verbindungen von Ideen, spielerische Verknüpfungen von Motiven und Bildern, die ausschließlich dem Zufall, dem Unsinn oder der Sprunghaftigkeit zu entstammen scheinen, – das sind die Schlüsselmomente, die die Formen eines Capriccio auszeichnen. Zu den Merkmalen des Capriccio zählen weiterhin eine raffinierte bis launische Vermischung der verschiedensten Ebenen der Realität, ihrer zeitlichen wie räumlichen Dispositionen, und nicht zuletzt die Verschränkung eines zielgerichteten Kunstprojekts mit einem autonomen Phantasieprodukt.44 Das Capriccio als ein Kunstprinzip beinhaltet Streben nach Erneuerung, Zerstörung der Norm, Verkehrung des Gewohn43 Storch, Briefe [1804], S. 80-81. 44 Vgl. Ausstellungskatalog „Das Capriccio als Kunstprinzip“ (1996); Mai/Rees, Kunstform Capriccio: Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne; Kanz, Die Kunst des Capriccio. Kreativer Eigensinn in Renaissance und Barock. 348
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ten und Vermischung heterogener Elemente. Die Orte des Capriccio, an denen es existiert und sich entfaltet, bleiben daher nicht zufällig Grenzgebiete und Randphänomene der Künste. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch zieht diese „Randständigkeit“ des Capriccio neue Aufmerksamkeit an und macht es zum „Medium einer Freiheit“, deren „unaufhaltsamer Aufstieg ins Zentrum moderner Kunst […] gleichsam vorprogrammiert [ist]“.45 Auf diesen ästhetischen und literarischen Diskussionszusammenhang des 18. Jahrhunderts rekurriert der Verfasser der „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“, indem er das Capriccio in Gestalt eines Dämons stilisiert. Bekanntlich wird es bei Christoph Martin Wieland als ein „Geist Capriccio“ und bei Johann Jakob Bodmer als ein „Berggeist“, einem Satyr ähnlich, personifiziert.46 In dieser Gestalt tritt das Capriccio als Begleiter und Helfer des Dichters auf: „Ich saß an einem murmelnden Bache auf einem glatten Steine, und rief die Muse an die den Aesopus seine Fabeln gelehrt hat. Indem kam mit seltsamen Bokssprüngen eine Gestalt wie eines Faunus aus dem nahen Walde hervor; er kam gerade auf mich zu, und sagte: Die Muse hört dich nicht ... Ich will statt ihrer dir bey deiner Geburt helfen. Ich bin von dem Gefolge der Musen, und diene den Poeten und Mahlern nicht selten bey ihrer Arbeit; sie nennen mich Capriccio.“47
Das Capriccio, das in Arkadien auftaucht, wird so zu der „zehnten Muse“, übernimmt die Aufgaben der dort abwesenden Begleiterinnen der schöpferischen Prozesse und bringt damit „den bedeutsamen epochalen Wandel von der hohen zur niederen Muse“ zum Ausdruck.48 Auch in der Gartenbeschreibung von Pawlowsk geht die Vorstellung von dem „Dämon Capriccio, dessen Sprünge Sie kennen“ auf die volksethymologische Wortbedeutung des Begriffs – capricens – zurück. Sie lässt außerdem einen andersgerichteten, dennoch gleich ziegenbockartigen Sprung in die Individualitätsdebatte der Genieperiode nachzeichnen, deren unfreiwilliger Namensgeber Friedrich Maximilian Klinger zu den Schriftstellerkollegen Heinrich Storchs am Hofe der Sommerresidenz in Pawlowsk zählt. Storchs absichtsvolle Verwendung des Begriffes Capriccio als Dämon ruft die Assoziationen zu spontanen Eingebungen des Augenblicks, des überraschenden Einfalls und schließlich der unkontrollierbaren Genialität hervor. Literaturhistorisch stellt sie sich in den Kontext der von der Sturm-und-Drang-Bewegung forcierten poetologischen
45 Günter Oesterle, Das Capriccio in der Literatur, in: Das Capriccio als Kunstprinzip, S. 187-191, hier S. 187. 46 Ebd. 47 Johann Jakob Bodmer, Lessingische unäsopische Fabeln: Enthaltend die sinnreichen Einfälle und weisen Sprüche der Thiere. Zürich 1760. Zit. n.: Lucrezia Hartmann, „Capriccio“. Bild und Begriff. Zürich 1973, S. 47-48. 48 Oesterle, Das Capriccio in der Literatur, S. 187. 349
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Konzeption der autonomen Ästhetik.49 Sie wird dem Phänomen des Capriccio insofern gerecht, als sich die dem Sujet eigentümliche Sprunghaftigkeit auch auf die Begriffs- und Formgeschichte des Capriccio anwenden lässt, was seinen schwer fassbaren, sich ständig wandelnden und tendenziell unabgeschlossenen Charakter anbetrifft. Festzuhalten bleibt, dass im Verlauf des 18. Jahrhunderts das Capriccio als Kunstprinzip einen Weg von der Peripherie der Kunstlehre ins Zentrum der ästhetischen Debatte zurücklegt und einen Ausdruck in allen Bereichen der Kunst findet. Gerade der dem Capriccio eignende Geist des Widerspruchs und der Innovation übt die Anziehungskraft im Vorfeld der Moderne aus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als in Pawlowsk der Pavillon im Schönen Tal gebaut und die Beschreibung der Parkanlage verfasst wird, sind sowohl der Architekt als auch der Schriftsteller in der Lage, auf eine breit ausdifferenzierte Tradition des Capriccio zurückzublicken, die einen spielerischen und individualisierten Umgang mit der Vielfalt an Formen und Strategien der Künste erlaubt. Die ästhetischen Vorstellungen von Capriccio sind zwischen solchen extremen Positionen angesiedelt, wie einerseits einer heiteren, geradezu frivolen Launenhaftigkeit, die dem Lebensgefühl des Rokoko verpflichtet ist,50 und andererseits den horriden und subversiven Traumbildern. Diese thematisieren die dunkle Kehrseite einer aufgeklärt rationalistischen Denkweise, verleugnen ihre Wurzeln in der von Edmund Burke anschaulich gemachten Kategorie des Erhabenen nicht und kommen in der Druckgrafik Giovanni Battista Piranesis und Francisco de Goyas besonders akzentuiert zur Geltung. Innerhalb der Theorie der nicht mehr schönen Künste zur Zeit des Übergangs vom 18. zum 19. Jahrhundert nimmt das Capriccio seinen festen Platz neben der Groteske, der Karikatur und der Arabeske ein.51 Das Capriccio mischt sich sogar in die Triade der ästhetischen Kategorien des Erhabenen, des Schönen und des Malerischen. Überschreitung der Grenzen des Gewöhnlichen, Verabschiedung des Regulären, Privilegierung der neuen Un-Ordnung, die sich dem individuellen Charakter und der Launen nicht nur des Künstlers und seines Auftraggebers, sondern auch des zu gestaltenden Materials verpflichten, – diese charakteristischen Eigenschaften des Capriccios begleiten in einem nicht geringen Maße die Entwicklung des Landschaftsgartens. Der Paradigmenwechsel, der die 49 Vgl. Eberhard Ortland, Art. Genie, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 2, S. 661708. Bezeichnenderweise kommt auch in dieser Darstellung ein Rekurs auf das Capriccio nicht vor. 50 Diese Art von Capriccio äußert sich in den Darstellungen des galanten Festes, vor allem in der Malerei von Jean-Baptist Pater, Nicolas Lancret, Jean-Honoré Fragonard und Antoine Watteau. Typisch sind in diesem Zusammenhang die Motive der Supraporten in Zarskoe Selo und Ekateringof, die in den 1750 Jahren entstanden sind. (Vgl. das Kapitel „Ästhetische Strategien im Umgang mit polyvalentem Gartenraum“ in Teil III). 51 Günter Oesterle, Skizze einer ästhetischen Theorie des Capriccio: Laune – Sprung – Einfall, in: Mai/Rees, Kunstform Capriccio, S. 179-188 und Oesterle, Art. Arabeske, in: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 1, S. 272-286. 350
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
Verbreitung der neuen Ästhetik des sogenannten englischen Gartens in Auseinandersetzung mit dem bislang vorherrschenden regulären Gartenstil französischer Provenienz kennzeichnet, beruht auf der Prämisse der Zerstörung der regelhaften Formgebung und der tektonischen Ordnung. Der Landschaftsgarten deklariert als sein Grundprinzip die Irregularität und Formfreiheit. Trotz der offensichtlichen Nähe der Produktionsprinzipien und darüber hinaus der herausragenden Fähigkeit der räumlichen Umsetzung des Capriccio im Garten zählt die Gartengestaltung kaum zum Untersuchungshorizont der bisherigen Capriccioforschung.52 Die Ursachen dafür, dass auch die Gartenforschung den verwandten Disziplinen hinterherhinkt, sind struktureller Art und werden hier nicht weiter erläutert. Hingewiesen sei aber auf die Tatsache, dass im Zuge der „Gartenrevolution“ (Hirschfeld) dem Capriccio eine übermächtige, geradezu normative Konkurrenz in der Kategorie des Pittoresken erwuchs, die zum Ende des 18. Jahrhunderts hin immer stärker in das Zentrum der Gartenästhetik rückte. Darin ist wohl die Ursache dafür zu sehen, dass sogar in dem Themenbereich der Ruine im Landschaftsgarten das Augenmerk der Forschung nicht den capricciohaften, sondern den malerischen Aspekten des Phänomens gilt.53 Eine systematische Aufarbeitung des Capriccio im Raum des Landschaftsgartens lag und liegt daher nicht im unmittelbaren Interesse des Gartendiskurses. Die Gartencapriccios werden, wenn überhaupt, nur am Rande und im Zusammenhang mit anders gewichteten ästhetischen Kategorien behandelt. So werden beispielsweise die Große und die Kleine Caprice im Landschaftspark von Zarskoe Selo in Verbindung
52 Auf dieses Desiderat wies bereits eine Rezensentin der Ausstellung „Das Capriccio als Kunstprinzip“ hin: Brigitte Wormbs, Capriccio oder nach den Regeln der Kunst, in: Die Gartenkunst 2 (1997), S. V-VIII. Eine Ausnahme stellt die Monografie über den Pavillon des Luxemburger Parks in Wien dar: Annedore Brock, Das Haus der Laune im Laxenburger Park bei Wien. Frankfurt am Main 1996. – Ein Defizit der aktuellen Diskussion, die sich auf Druckgrafik, Malerei und Architektur konzentriert, besteht darin, dass weder die Theorie noch die Praxis der Gartengestaltung eine systematische Berücksichtigung findet. Die seltenen gemeinsamen Erwähnungen des Capriccio und des Gartens beschränken sich auf ikonografische Parallelen zwischen der Vedutenmalerei mit bevorzugten Motiven der Grand Tour und deren Realisierung als Architekturcapriccio in den Staffagen des Landschaftsparks. (Vgl. hier Schilderung des Wörlitzer Gartens im Sinne eines „Mega-Capriccio“: Werner Hofmann, „Glühend Eis“ und „schwarzer Schnee“ – Anmerkungen zur „gesetzlosen Willkür des jetzigen Zeitalters“ (Jean Paul), in: Mai/Rees, Kunstform Capriccio, S. 155-178, insbesondere zu Wörlitz: S. 169-171). Als das wohl berühmteste Beispiel der plastischen Umsetzung einer Architekturphantasie gilt die Brücke, die auf einen Entwurf von Andrea Palladio zurückgeht und mehrmals als Staffage eines Landschaftsgartens im 18. Jahrhundert realisiert worden ist. (Siehe das Kapitel „Zarskoe Selo wird Landschaftsgarten“ in Teil III der vorliegenden Arbeit.) 53 Vgl. die Monografien: Hartmann, Die Ruine im Landschaftsgarten; Zimmermann, Künstliche Ruinen; Sigmund, Die romantische Ruine im Landschaftsgarten. 351
Russisch Grün
gebracht mit der Ästhetik des Exotischen oder das so genannte Dörfle in Hohenheim unter dem Vorzeichen des Topos der verkehrten Welt gehandelt.54 Für die Umsetzung von mannigfaltigen räumlichen wie zeitlichen Phantasie-Entwürfen bietet der Raum des Landschaftsgartens herausragende und beinahe einmalige Bedingungen. Im Arsenal der Gartenkunst befinden sich probate Techniken zur Gestaltung von Ideallandschaften und Phantasiearchitekturen, die auf die spezifische Kombinatorik der imaginären Elemente und räumlichen Gegebenheiten nach dem Capriccioprinzip zurückgreifen. In der Theorie des Landschaftsgartens wird die Prämisse einer individualisierten Produktionsästhetik mehrfach formuliert: zu Beginn in dem Genius-lociGedanken durch Alexander Pope eingeführt,55 später in der Charakterlehre von Thomas Whately ausdifferenziert56 und schließlich durch Christian Cay Lorenz Hirschfeld in Hinblick auf die Wünsche des Besitzers formuliert: „Alle diese verschiedenen Temperamente und Neigungen befriedigt die Natur, selbst durch die verschiedenen Charaktere der Gegenden. Und wir können unsern Geschmack auf eine eben so mannigfaltige und noch reichre Art in Gärten unterhalten, als in den verschiedenen Gattungen der Malerey und der Poesie. Daher hat jeder Anleger selbst von der Natur das Recht, in der Wahrung des besonderen Charakters seines Gartens dem Triebe seines individuellen Geschmacks zu folgen.“57
Die spezifische Situation der Gartenstaffagen, ob mit Reminiszenzen idealer, allgemein gültiger oder auch kurioser, individueller Motive, zielt auf die Möglichkeit eines räumlichen Erlebnisses. Am Ende des 18. Jahrhunderts stellt die vielseitige Wirkungsästhetik des Landschaftsgartens dem Gartenbesucher ausdifferenzierte Techniken der Wahrnehmung der „unwirklichen Wirklichkeit“ des Gartens bereit. Neben einer rationalen Lektüre des Gartenraumes, die die umfassende Kenntnis kultureller Texte voraussetzt, geht es vor allem, dem Prinzip der Mannigfaltigkeit, der Abwechslung und Stimulierung der Einbildungskraft folgend, um das Potential vielschichtiger Assoziationen, die das Gartenerlebnis prägen. Dem Umstand, dass die Wahrnehmung des intellektuellen und emotionalen Programms des Landschaftsgartens zudem die individuelle Phantasie nicht nur des Besitzers und seines Gartenkünstlers, sondern auch des Gartenbesuchers integriert, trägt der Autor der „Briefe über den Garten von Pawlowsk“ Rechnung. 54 Siehe: Klostermann/Oesterle/Tausch, Vom sentimentalen zum sentimentalischen Dörfle, S. 129-158. 55 Alexander Pope, Epistle to Richard Boyle, Earl of Burlington (1731), S. 590. 56 Thomas Whately, Observations on Modern Gardening. London 1770. 57 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, Bd. 4, S. 38. – In diesem Sinne äußert sich laut de Ligne auch Katharina II. über die Gartengestaltung von Zarskoe Selo: „Czarskozelo, wo sich, wie die Kaiserin sich ausdrückte, ihre Capricien befinden, bietet von allen Seiten anmuthige Gemälde dar. Die sogenannten Capricien bestehen in optischen und Wasser-Spielen, die gut angebracht und mannigfaltig sind.“ De Ligne, Der Garten zu Beloeil [1799], 2. Theil, S. 23. (De Ligne, Coup d’œil sur Belœil, S. 25). 352
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
„Bis hierher, mein Freund, sind wir dem rechten Ufer der Slawjänka gefolgt. Ich werde Sie jetzt auf die andere Seite des Flusses führen, wo die Naturscenen, die der Garten Ihnen darbietet, nicht minder anziehend sind. Gleich hinter der Brücke, die aus der neuen Sylvia auf diese Seite führt, erhebt sich auf einer Anhöhe die das schöne Thal beherrscht, das genialische Architekturstück, dessen ich am Schlusse meines letzten Briefes erwähnte. Denken Sie Sich ein viereckiges Gebäude, das einen einzigen Saal einschließt, und auf jeder Seite durch eine Glasthüre und einen darüber angebrachten Fensterbogen erleuchtet wird; dieses Gebäude auf einer Seite mit einem leichten schönen Peristyl in antikem Geschmack versehen, auf den übrigen aber mit unförmlichen, ohne Wahl und Ordnung hingestellten Säulenrümpfen umgeben, die ein Schirmdach tragen, das um das ganze Gebäude herumläuft – und Sie werden ungefähr einen Begriff von dieser Ausgeburt einer muthwilligen Künstlerlaune haben.“58
Das Projekt des Pavillons im Schönen Tal des Landschaftsparks in Pawlowsk entsteht 1800 in der Werkstatt des Architekten Charles Cameron, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit knapp zwanzig Jahren am russischen Hof tätig ist. Ein Jahr später beginnt Carlo Visconti die Bauarbeiten, die von dem Architekten Pavel Danilovič Schröter durchgeführt werden.59 (Abb. 47) „Das architektonische Quodlibet […] wird der Pavillon Elisabeth genannt, um das Andenken an die angenehme Ueberraschung zu erhalten, die der erste Anblick desselben bey der liebenswürdigen Gemahlin unsers Kaisers bewirkte.“60
Der Elisabeth-Pavillon lässt zwei unterschiedlich großen Baueinheiten erkennen: ein größeres Saalgebäude und eine kleinere, aber massive Steinarkade, die untereinander durch ein System außen verlaufender Treppengänge verbunden sind. Das Dach des Saalgebäudes dient als Belvedere. Dorthin gelangt man über eine leichte Holztreppe, die von der mit Stroh überdachten Plattform der Steinarkade ganz nach oben führt. „Die Aussicht von der Höhe dieses Gebäudes ist vortrefflich. Sie haben das schöne Thal vor Sich, mit waldigen Anhöhen umgeben; Wiesen, mit Baumgruppen besetzt, wechseln mit wogenden Kornfeldern ab; kunstlos hingezeichnete Fahrwege sind von regelmäßigen Alleen durchschnitten; ein kleines Dorf belebt die Scene. Der Fluß der unter Ihren Füßen fortschleicht, empfängt zu Ihrer Linken das schäumende Wasser eines Bachs, der kurz vor seiner Ergießung eine natürlich schöne Kaskade bildet. Der ganze Hügel um den Pavillon ist mit Blumen so zu sagen besät, die ihre Wohlgerüche empor senden, um keinen Sinn unbefriedigt zu lassen.“61
58 59 60 61
Storch, Briefe [1803], S. 82-83. Zur Baugeschichte siehe: Krašeninnikov, Pavlovsk, S. 250. Storch, Briefe [1803], S. 87-88 Ebd., S. 88-89. 353
Russisch Grün
Abb. 47. Aleksandr Burgeev (1745- ?): Blick auf den Elisabeth-Pavillon im Park von Pawlowsk, 1803, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x58 cm. (Blatt aus dem „Atlas des Schlosses Pawlowsk samt Gärten [..] des Jahres 1803 entsprechend“). GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-1044/63..
Der Pavillon im Schönen Tal unterscheidet sich von der verbreiteten Art capricciohafter Bauten in Landschaftsgärten. Anders als gotische Türme und chinesische Teehäuschen entzieht sich der Elisabeth-Pavillon einer eindeutigen typologischen Zuweisung. Zwar scheint jeder einzelne der drei unterschiedlich gestalteten Portiken die Erinnerung an eine jeweils andere erkennbare Stilrichtung zu wecken, aber das Bauwerk als Ganzes bezieht seine Wirkung von dem initiierten Spiel mit heterogenen Formen, Räumen und Stilen. Wie relativ die visuelle Wahrnehmung in seinem Fall funktioniert, zeigen die verwischten Grenzen zwischen der äußeren und der inneren Architektur. Wie ausgefallen dabei die Anforderungen an den Horizont der visuellen Erfahrungen des Gartenbesuchers sein können, wird am Beispiel der Deckenmalerei im Innenraum des Saalgebäudes deutlich: „Ein rundes Deckenstück, welches eine in der Wölbung angebrachte Oeffnung mit einem darüber hängenden Baumwipfel vorstellt, scheint mißraten zu seyn, ist aber von dem Maler in die Wirkung berechnet, die es in dem Spiegel macht, der sich in einem der Fensterbogen befindet.“62
62 Die Deckengestaltung ist nach einem Entwurf von Pietro di Gottardo Gonzaga von Vasilij Lapšin und Semen Fedorov ausgeführt worden. Ebd., S. 85. 354
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
Einerseits simuliert das trompe-d’œil von Pietro Gonzaga einen Ausbruch aus dem Innenraum in die Natur, hinaus zu der winkenden Baumspitze, andererseits wird diese Illusion erst dann vollkommen, wenn man sich einem Gegenstand des Interieurs buchstäblich zuwendet. Beide Werke, der Elisabeth-Pavillion und Storchs „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“, entstehen zu einem Zeitpunkt, als die Prinzipien des Landschaftsgartens unter dem Signum einer verschönernden Nachahmung der Natur bereits flächendeckende Allgemeingültigkeit erlangt haben. Die Gartenrevolution gilt also als weitgehend abgeschlossen. Zur selben Zeit werden aber auch die problematischen Seiten des Bestrebens der Landschaftsästhetik erkannt, die sich aus der Umsetzung der Prinzipien der Mannigfaltigkeit und des Malerischen ergeben und in dem ständigen Wechsel der Staffagen und Szenerien während des Gartenspaziergangs zum Ausdruck kommen. Die damit erzeugten sinnlichen Eindrücke machen den Landschaftsgarten zu einem Experimentierfeld komplexer wahrnehmungsästhetischer Abläufe. Die ästhetische Dimension der Rauminszenierung und die implizierte Wirkung auf die Einbildungskraft machen die Raumerfassung des Landschaftsgartens zu einem individuellen Erlebnis. Die durch Erinnerung und Imagination verstärkte Subjektivität des Gartenerlebnisses bedeutet jedoch den Verlust jeglicher Kontrolle seitens des Gartenkünstlers oder gar des Gartenstifters über die Bedeutungsproduktion und die Lesbarkeit innerhalb des Gartenraums. Damit erweist sich nicht nur der Ort bzw. der zulässige Spielraum von Einbildungskraft und Phantasie erneut als prekär, sondern überhaupt eine adäquate Wiedergabe der subjektiven Erlebnisse in einem pittoresken Garten als unmöglich. Der Elisabeth-Pavillon im Schönen Tal von Pawlowsk charakterisiert den Zeitpunkt, als sich die ästhetische Reflexion dem Capriccio mit einer neuen, durch die Gartenkunst geschärfte Aufmerksamkeit zuwendet, und sein Potential für die Inauguration einer differenzierten Vorstellung von Subjektivität erkennt. Dies kommt im Text der „Briefe über den Garten zu Pawlowsk“ insofern zum Ausdruck, als der Autor die kapriziöse Architektur des Elisabeth-Pavillons nicht ausschließlich als einen Fall der Künstlerlaune thematisiert. Hier geht es viel mehr um ein in Konkurrenz zum Nachahmungsprinzip der Gartenraumgestaltung realisiertes Capriccio. Sowohl Gartenbesucher als auch Leser der Gartenbeschreibung können auf die überraschenden, individuellen und capricciohaften Strategien der Wahrnehmung zurückgreifen. In den „Briefen“ setzt Storch ein besonderes, den Rezeptionsvorgängen zugewandtes Verständnis von Capriccio um, dass tendenziell sogar eine capriccioeigene Wahrnehmungstechnik der Kunstgegenstände erlaubt, die formal kein Capricco darstellen. Das Spektrum der als problematisch erkannten Möglichkeiten eines individuellen Erlebnisses im Gartenraum wird nun dadurch erweitert, dass auch das Capriccio in das ästhetische Arsenal des Landschaftsgartens eingeholt wird. Der Pavillon im Schönen Tal – ein kapriziöses Produkt der Phantasie, das seine plastische und damit reale Form im Gartenraum bekommen hat –
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demonstriert die vielfachen zeitlichen Richtungen einer auf Subjektivität gerichteten Wahrnehmung im Gartenraum: als eine spielerische Kombination der architektonischen Fragmente zeigt er in die Vergangenheit, er verortet sich in der Gegenwart durch die räumliche Präsenz und reicht zugleich in die Zukunft als ein potenzielles Ergebnis der Einbildungskraft des Besuchers. Zu dem Tempel des Dämons Capriccio erhoben, ist der Pavillon im Schönen Tal nun imstande eine andere, subjektive Realität zu kreieren. Die auf dem Capriccioprinzip basierende Rezeption dieses einen Gartenpavillons bereitet den Weg für eine sich ständig wandelnde Lesart der gesamten Parklandschaft von Pawlowsk. Eine Einladung für die sofortige Anwendung des capricciohaften Blicks bietet das Belvedere des Pavillons an. Ein ganz neues, durch das Capriccio verwandeltes Erlebnis verspricht aber insbesondere der Spaziergang von der äußersten Grenze des Gartens, des traditionellen Ortes eines Gartencapriccio, auf dem Rückweg von dem ElisabethPavillon durch das Schöne Tal das Slawjanka-Flüsschen entlang zu werden. Diese, von Storch topografisch wie poetologisch angedeutete Wegeführung, tritt 1815 sein späterer Nachfolger auf dem Posten des Vorlesers in Pawlowsk, die herausragende Figur der russischen Romantik Vasilij Žukovskij (17831852)63 an. 63 Vasilij Andeevič Žukovskij ist 1783 als außerehelicher Sohn des Landgutsbesitzers Afanasij Ivanovič Bunin (gest. 1791) und seiner türkischen Nebenfrau Salcha (Elizaveta Dement’evna, gest. 1811) geboren. Von Andrej Grigor’evič Žukovskij, einem Freund der Familie adoptiert, wächst er auf dem Landgut Bunins Mischenskoe und in Tula auf. In Tula nimmt er als Jugendlicher an dem Leben des literarischen Salons im Hause Juškiny teil, in welcher Zeit die Entstehung seiner ersten literarischen Versuche (publiziert in der Zeitschrift „Muza“ 1796) anzusiedeln ist. Zwischen 1797-1800 ist Žukovskij Schüler in Universitetskij Blagorodnyj Pansion in Moskau, wo er in dem literarischen Salon von Ivan P. Turgenev verkehrt, dessen Söhne Nikolaj und Aleksandr Kommilitonen Žukovskijs in der Privatschule sind. Nach dem Schulabschluss tritt er in den Dienst der Moskovskaja soljanaja kontora ein und wird Mitglied des literarischen Kreises „Družeskoe literaturnoe obščestvo“ (Michail und Andrej Kajsarov, Andrej und Aleksandr Turgenev, Aleksandr Voejkov, Semen Rodzjanka, Aleksej Merzljakov, Aleksandr Ofrosimov). 1802 zieht er sich auf das Landgut Mischenskoe zurück, wo er bis 1815 (abwechselnd mit dem Landgut Muratovo von seiner Halbschwester E.A. Protasova und dem Landgut Černi von A.A. Pleščeev) wohnt und sich seinen literarischen Tätigkeiten widmet. In dieser Zeit baut er einen intensiven Kontakt zu Nikolaj Karamzin auf. Es folgen die beiden bedeutenden Veröffentlichung: „Sel’skoe kladbišče“ (1802) und „Pes’n barda“ (1806). In den Jahren 1808-1810 hat Žukovskij die Herausgeberschaft der Zeitschrift „Verstnik Evropy“ inne. 1812-1813 nimmt er an dem Krieg gegen Napoleon teil und zieht mit der Veröffentlichung des Gedichts „Pevec v stane russkich voinov“ (1812) die Aufmerksamkeit der Zarenmutter Marija Fëdorovna auf sich. Im Frühjahr 1815 zieht Žukovskij zunächst nach Derpt und von dort aus nach St. Petersburg um, wo er im September 1815 in Pavlovsk eine Anstellung bei Marija Fëdorovna als Vorleser erlangt. Bis 1840 bleibt er in verschiedenen Funktionen am Hof in St. Petersburg in Dienst, bis er 1841 die 356
Briefe über den Garten zu Pawlowsk
Tochter des Malers Gerhard von Reutern (1785-1858) Elisabeth (1822-1856) heiratet und sich in Deutschland niederlässt. Žukovskij stirbt 1852 in BadenBaden und wird in St. Petersburg begraben. Seine Frau siedelt nach seinem Tod mit beiden Kindern nach Moskau über. Vgl. B. Glinskij, Art. V.A. Žukovskij, in: Russkij biografičeskij slovar’, Bd. 7 [„Žabokritskij – Zjalovskij“], S. 60-117. – Die erste Werkausgabe von Žukovskij ist in zwei Bänden 1816 in St. Petersburg erschienen; die neueste, auf zwanzig Bände angelegte Gesamtwerkausgabe ist 1998 begonnen worden und noch nicht abgeschlossen. Vgl. Vasilij A. Žukovskij, Polnoe sobranie sočinenij i pisem. 20 Bde. Moskva 1998-2004 (erschienen: Bd. 114). – Grundlegend zu Žukovskij: Aleksandr N. Veselovskij, V. A. Žukovskij: poėzija čuvst i „serdečnogo voobraženija“. Peterburg 1918. Einen Überblick über die aktuelle Forschung bietet die Monografie: Il’ja Vinickij, Dom Tolkovatelja. Poėtičeskaja semantika i istoričeskoe voobraženie V.A. Žukovskogo. Moskva 2006 (Bibliografie: S. 296-313). 357
3.
3. Inneres Sehen und unmögliches Beschreiben: Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
Während Heinrich Storch den Prozess des Durchschreitens des Gartens auf die im Sujet der Gartenbeschreibung höchstmögliche Form der literarischen Umsetzung gehoben hat und damit an die äußerste Grenze des in dieser Textform Möglichen vorgedrungen ist, wird er gute zehn Jahre später von Vasilij Žukovskij gartenliterarisch „überboten“, der sich nun gleichsam als der ungenannte Freund und Adressat von Storchs „Briefen“ zu Wort meldet und eine eigene Poetisierung des Parks vorlegt.1 Um die Geschichte des Parks von Pawlowsk hat sich Žukovskij mehrfach – als Maler und als Dichter – verdient gemacht. Unter seiner Hand entsteht eine achtzehnteilige Ansichten-Serie des Landschaftsparks.2 Eine erste Auswahl daraus ist 1824 in Aquatinta von August Philipp Clara gestochen worden.3 Später durch weitere Motivvorlagen vermehrt und von I. Seleznev litho1 2
3
Vasilij Žukovskij, Slavjanka. Elegija, in: Stichotvorenija Vasilija Žukovskogo. Sankt-Peterburg 1816, Bd. 2, S. 3-18. Ein Verzeichnis der bildkünstlerischen Arbeiten findet sich in: Art. V.A. Žukovskij, in: Rovinskij, Podrobnyj slovar’ russkich graverov XVI-XIX vv. (darin: Nr. 30-47 Ansichten von Pawlowsk, Nr. 48-56 Ansichten von Zarskoe Selo und Peterhof, Nr. 57-62 Ansichten von Gattschina). Šest’ vidov Pavlovska, srisovannych s natury V[asiliem] Ž[ukovskim], okončennych i vygravironannych Klaroju v Derpte. Sankt-Peterburg 1824 (Zugleich als französische Ausgabe unter dem Titel „Six vues de Pawlovsk“). Die sechs Ansichten entsprechen Nr. 30-35 Werkverzeichnis Žukovskijs und Nr. 10-15 im Werkverzeichnis Claras in: Rovinskij, Podrobnyj slovar’ russkich graverov. – Nachdem Clara die von ihm gestochene Ansichten-Serie veröffentlicht hat, wird der in Berlin geborene Maler, Zeichner und Grafiker von Dorpat, wo er Philosophie und Kupferstecherkunst studiert hat, nach St. Petersburg berufen (vgl. Lexikon baltischer Künstler, S. 47). Von Clara selbst stammt eine AnsichtenSerie des Landgutes Mischenskoe bei Tula, dem Geburtsort Žukovskijs, vgl. Alexandra Müller, Das Leben deutscher Künstler in Russland im 18. und 19. Jahrhundert, in: Schriften des Komitees der Bundesrepublik Deutschland zur Förderung der Slawischen Studien. Gießen 1979, S. 87-194 (Beiträge zu den europäischen Bezügen der Kunst in Russland; 1). 359
Russisch Grün
grafiert, haben die Bilder Žukovskijs als Illustrationen des berühmten „Wegweisers durch den Park und die Stadt Pawlowsk“ aus dem Jahr 1843 einen hohen Bekannheitsgrad erreicht.4 Neben diesen breitenwirksamen Darstellungen des Gartens verfasst Žukovskij in den Jahren 1815 bis 1824 eine Reihe lyrischer Texte, die thematisch in unmittelbarem Bezug zu dem Landschaftspark und dem Leben seiner Besitzer und Gäste stehen.5 Poetologisch markiert die Gesamtheit der Pawlowsk-Gedichte einen neuen Abschnitt in seinem lyrischen Werk. Aus der Sicht der etablierten Literaturgeschichtsschreibung wird aber gerade dieser Zeitabschnitt des literarischen Schaffens Žukovskijs mit der Grundhaltung des Unverständnisses konfrontiert, das sowohl in den Freundes- als auch Kritikerkreisen gegenüber einem Autor ausgesprochen wird, der bis dahin als der innovativste unter den zeitgenössischen Dichtern gefeiert worden ist.6
1. Elegischer Modus als gartenliterarischer Grenzgang Die poetologische Wandlung, die Žukovskij in dieser Pawlowsk-Zeit vollzieht, zeichnet sich durch eine konsequente Hinwendung zu dem „Innenleben“ eines poetischen Textes aus und hat eine grenzenlos anmutende Vervielfachung der textimmanenten Welten zur Folge.7 Den Anfang der Pawlowskschen Lyrik Žukovskijs, mit ihrer paradoxen Poetik von Verschließen und Vervielfachen, von Verbergen und Zeigen, markiert das Gedicht Namens „Slavjanka. Eine Elegie“, in dem das Flüsschen, das den Landschaftspark Pawlowsk durchzieht, zum Bezugspunkt der lyrischen Betrachtung wird.8 Die Hinwendung zum Fluss und die damit verbundene Ausblendung 4
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Platon A. Storch, Putevoditel’ po parku i gorodu Pavlovsku, s 12 vidami, risovannymi s natury V.A. Žukovskim i planom. Sankt-Peterburg 1843. Deutsche Ausgabe: Ders., Wegweiser durch den Garten und die Stadt Pawlowsk. St. Petersburg 1844. Žukovskij, Polnoe sobranie sočinenj. Bd. 2: Stichotvorenija 1815-1852 godov. Moskva 2000, S. 123-188. Zu der literaturhistorischen Einordnung der Pawlowsk-Dichtung siehe Natal’ja Ž. Vëtševa, Pavlovskie stichotvorenija. Kommentarij, in: Ebd., S. 530-533. Siehe dazu: Veselovskij, Poėzija čuvst i „serdečnogo voobraženija“, S. 301f.; Vinickij, Dom Tolkovatelja, S. 29-30; Andrej Zorin, Poslanie „Imperatoru Aleksandru“ V.A. Žukovskogo i ideologia Svjaščennogo sojuza, in: Novoe literaturnoe obozrenie 32 (1998), S. 112-132, hier S.127f. Vinickij, Dom Tolkovatelja, S. 30: „эта стройная «поэтическая система» оказывается как бы спроецированной «внутрь» отдельного текста, обретающего таким образом необычайную для русской поэзии того времени смысловую интенсивность, перспективу и цельность.“ Žukovskij, Slavjanka. Elegija, in: Ders., Polnoe sobranie sočinenj. Bd. 2: Stichotvorenija 1815-1852 godov. Moskva 2000, S. 20-25 (Kommentar: S. 439-440). – Im Gegensatz zu einer etwas einseitigen, sich im Anschluss an Vissarion Belinskij etablierten Deutung dieses Gedichts unter dem Aspekt des Naturschönen 360
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
der Schlossanlage aus dem lyrischen Betrachterstandpunkt oder als Ausgangs- und Zielpunkt des Rundgangs macht den entscheidenden poetischen Gestus dieser Gartenliterarisierung aus. Schon Storch hat in seinen „Briefen über den Garten zu Pawlowsk“ das Slawjanka-Tal als die Parkpartie beschrieben, die er bei seinen Spaziergängen am häufigsten durchquert oder die aus der Distanz den Blick des Spaziergängers auf sich zieht. In dem 36 vierzeilige Strophen umfassenden Reimgedicht,9 entfaltet Žukovskij eine eigene Sicht des Landschaftsgartens, wobei er sich alle die subjektiven Freiheiten zu nehmen scheint, die Storch seinem anonymen Briefpartner an mehreren Stellen seiner Beschreibung anempfohlen hat. Dass dies formalästhetisch nicht mehr in der traditionellen Form der Gartenbeschreibung möglich ist, steht für Žukovskij außer Frage. Für die Poetisierung des Slawjanka-Tals im Park von Pawlowsk greift Žukovskij auf die lyrische Form der Elegie zurück, treibt diese nun aber ihrerseits wiederum an ihre Grenzen, indem er sie romantisch transzendiert.10 Die Wiedergabe des „Localen“ des Gartens, die den eigentlichen Anlass der Gartenliteratur und zugleich ihr Kernproblem darstellt (man denke an die bereits angeführte Argumentation Grohmanns), nimmt bei Žukovskij die der romantischen Poesie (Vissarion G. Belinskij, Polnoe sobranie sočinenij. Moskva 1955, Bd. 7, S. 215, S. 219) ist die neuere Forschung zu einem komplexeren Interpretationszusammenhang des Textes übergegangen. Eine programmatische, breit angelegte Berücksichtigung diverser alltagshistorischer, biografischer, religiöser usw. Zusammenhänge bei den Aussagen über die Lyrik dieser Schaffensperiode geht auf die o.g. Monografie von Vinickij „Dom Tolkovatelja“ von 2006 zurück (darin zu Pawlowsk: S. 50-59, S. 141-162). Den Versuch einer Integration in den spezifischen Gartendiskurs über Pawlowsk habe ich 2001 vorgenommen (Ananieva, Erinnerung und Imagination, S. 264-278). Eine konsequente topografisch-poetologische Rekonstruktion und eine Kontextualisierung in die Kulturpraktik und die Poetologie des Spazierganges ist das Thema der Untersuchung von Savickij (Stanislav Savickij, Povtorenie progulki: „Slavjanka“ V.A. Žukovskogo v kontekste literatury o parkach, in: „Vek nynešnij i vek minuvšij”: Kul’turnaja refleksija prošedšej epochi. 2 Bde. Tartu 2007, Bd. 1, S. 49-68 (Studia Russica Helsingensia et Tartuensia; 10). 9 Kreuzreimende Alexandriner (sechshebige Iamben, Zäsur nach der sechsten Silbe, vierte Zeile verkürzt, Reimschema: AbAb). 10 Damit stellt er einen gewissen inneren Zusammenhang zu den „Briefen“ seines literarischen Vorläufers her, denn in demselben Jahr, in dem Storch seine Parkbeschreibung verfasst hat, ist gleichzeitig Žukovskij derjenige gewesen, der mit seiner berühmten lyrischen Interpretation von Thomas Grays epochemachender „Elegy Written in a Country-Churchyard“ (1751) nicht nur die Diskussion über die elegische Form in der russischen Lyrik anstößt, sondern damit gleichzeitig eine entscheidende Zäsur in der russischen Romantik setzt. Vasilij Žukovskij, Sel’skoe kladbišče, in: Vestnik Evropy 24 (1802). Zu dem Vergleich der drei existierenden Fassungen der Übersetzung (1801, 1802, 1839) siehe: Vladimir N. Toporov, K istokam russkoj poėzii, in: Russian literature 10/3 (1981), S. 242-282. – Zu Gray vgl. Edgar Mertner, Thomas Gray und die Gattung der Elegie, in: Poetica 2 (1968), S. 326-347. 361
Russisch Grün
Form eines ausführlichen Prosakommentars zum Gedicht an. Darin skizziert er die realräumliche Topografie des elegischen Spazierganges, zählt die Gartenbezirke in der Abfolge ihres Erscheinens im Gedicht auf und benennt dabei ihre architektonischen, plastischen und landschaftlichen Merkmale. Diese topografisch orientierte Beschreibung des Spazierganges beginnt auf der westlichen Uferseite der Slawjanka und führt zu einem Pavillon in der Neuen Sylvia, einem Tempel, der dem „wohltätigen Ehegatten“ geweiht ist.11 Aus diesem Gartenbezirk verläuft der Weg in das Schöne Tal, wo sich ein Ausblick auf die umliegende ländlich anmutende Landschaft eröffnet. Hier findet visuell die Anbindung an die Gartenpartie mit der Ferma und an das Glazovo statt, dem Projekt eines russischen Musterdorfes, an dem zu dieser Zeit noch intensiv gearbeitet wird.12 Der Rückweg führt ebenfalls an dem SlawjankaFluss entlang, vorbei an dem Freundschaftstempel, hin zu dem schlossnahen See. Von dem nächsten Ruhepunkt eröffnet sich der Blick auf das Schloss und sein Wasserspiegelbild in der Abendsonne, bevor es schließlich zu dem Familienhain weitergeht. Nach dieser, der Apotheose der familiären Erinnerungsstiftung gewidmeten Gartenpartie endet der Spaziergang mit der Betrachtung des Denkmals für die Großfürstin Aleksandra Pavlovna (1783-1801)13 in dem Gartenbezirk Alte Sylvia. Der poetische Spaziergang bedient sich der Form eines elegischen Alexandriners und stellt die real existierende Landschaft des Parks unter die Prämisse einer sehnsüchtigen Vergegenwärtigung der zurückliegenden Zeiten, der gefühlvollen Erinnerung an einen früheren Glückszustand. Die Textur des Gedichts entfaltet sich mit der imaginierten Bewegung im Garten. Die in seinen Raum gesetzten appellativen Erinnerungszeichen des Gewesenen dienen ihrerseits als Knoten der textuellen Elegiedynamik. Ganz im Sinne einer Topografie der Intimität geht hier die intendierte Gedächtnisstiftung der Gartenbesitzer mit einer subjektiven, verinnerlichten Wahrnehmung des lyrischen Betrachters einher. Der betont persönliche Erlebnisgehalt der Gartenlandschaft macht die Schilderungen der Szenerien und ihrer wechselnden 11 Es handelt sich dabei um ein Mausoleum mit Mauerwerk aus gelbem Kalkstein, das in Form eines antiken Prostylos-Tempels mit vier Granitsäulen am Eingang gebaut ist. An der Front des Portikus befindet sich eine russische Inschrift „Suprugu blagodetelju“, der weinende Masken beigesellt sind. Architekt des Pavillons ist Thomas de Thomon (1759-1813), 1806-1810; die Skulpturengruppe im Innenraum stammt von Ivan Martos, 1807 (Abbgebildet in: Krieg und Frieden, S. 90). 12 Carlo Rossi, Fasad derevni Glazovo (1815 ?), GMZ Pavlovsk Inv. Nr. Č-168; General’noj Plan deviati krestjanskim dvoram s raspoloženijami (1815), GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-171. – Vgl. Anisimova, K istorii sozdanija derevni Glazovo [1997], S. 14: „Деревня Глазово, посторойки которой хорошо просматривались с верхней площадки Елизаветинского павильона, к этому времени [nach 1812] в результате расширения границ парка вплотную примкнула к нему.“ 13 Rundtempel aus Holz von Carlo Rossi, 1815; Skulpturengruppe aus Marmor von Ivan Martos, 1803-1811. (Abb. in Krieg und Frieden, S. 263). 362
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
Stimmungen aus. Der in dem Titel inaugurierte elegische Modus wird von der Bewegung der Slawjanka, des imaginären Spaziergängers und der unaufhörlichen Erinnerungsarbeit getragen. Mit der Überführung der Gartenbeschreibung in den elegischen Modus einer Bewegung durch den Gartenraum greift Žukovskij auf eine gattungsspezifische Maxime Johann Gottfried Herders (1744-1803) zurück, mit dem er sich verschiedentlich befasst hatte.14 Infolgedessen erscheint dieser Text Žukovskijs über Pawlowsk „als die sinnlich vollkommene Beschreibung unserer vermischten Empfindungen.“15 Das Gedicht zeigt deutlich, wie Žukovskij bestrebt ist, aus der Herderschen Auffassung der Elegie und aus Storchs gartenliterarisch geöffneten Perspektiven eine eigene lyrische Form der adäquaten Gartenbeschreibung zu entwickeln. In Storchs „Briefen“ entäußert sich die Korrespondenz zwischen der darzustellenden Gartenlandschaft und der inneren Welt des imaginierten Gartenbesuchers im Gestus des Zeigens. Der Verfasser der Gartenbeschreibung hat eine individualisierte und kommunizierbare Vermittlung des vertexteten Gartenerlebnisses zum Ziel. Die Mitteilung desselben kleidet sich bei Žukovskij in eine scheinbar paradoxe Geste des Verbergens: Die äußere Welt des Gartens fungiert als Impuls für ein inneres Sehen; infolgedessen findet die Umkehrung in die Innenwelt mit der Konsequenz einer buchstäblichen Verinnerlichung des Gartens statt. Diese lyrische Mitteilung, die sich zugleich im Zeichen einer hermetischen Schließung vollzieht, deutet auf die Grenzen sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten und macht zugleich die Gartenbeschreibung zu einer Chiffre, einem Rätsel mit mehrschichtigen Lösungsoptionen.16 14 Zu der Beschäftigung Žukovskijs mit Herder siehe: Nina B. Remorova, Žukovskij i nemeckie prosvetiteli. Tomsk 1989, S. 125-234 (Siehe dort Nachweise der Lektüre der „Fragmente“ zur Deutschen Literatur anhand des Handexemplars aus der Bibliothek Žukovskijs: S. 145). 15 Johann Gottfried Herder, Nachahmung der Lateinischen Elegien, in: Ders., Sämtliche Werke: Über die neuere Deutsche Literatur. Fragmente. Dritte Sammlung (1767), hg. v. Bernhard Suphan. Berlin 1877, Bd. 1, S. 478 [Reprint: Hildesheim 1967]. – Vgl. zu den gattungspoetischen Definitionsversuchen der Elegie: inhaltsbezogen bei Friedrich Beissner, Geschichte der deutschen Elegie. Grundriss der germanistischen Philologie. Bd. XIV. Berlin 1941, S. 15f. und als formale Betrachtung bei Klaus Weissenberger, Formen der Elegie von Goethe bis Celan. Bern, München 1969, S. 12f. Siehe außerdem: Russkaja ėlegija XVIIInačala XIX veka, hg. v. L.G. Frizman. Leningrad 1991; Daniel Frey, Bissige Tränen. Eine Untersuchung über Elegie und Epigramm seit den Anfängen bis Bertold Brecht und Peter Huchel. Würzburg 1995; Michail Gasparov, Tri tipa russkoj romantičeskoj elegii. Individual’nyj stil’ v žanrovom stile, in: Ders., Izbrannye trudy. Moskva 1997, Bd. 2, S. 362-382. 16 Insofern gebührt „Slavjanka“ eine Schlüsselrolle für die Entwicklung einer neuen Poetik bei Žukovskij, an der er im Verlauf der darauffolgenden Jahre arbeitet, indem er seine lyrischen Texte spielerisch leicht erscheinen lässt, aber sie textimmanent als vielschichtige Rätsel gestaltet, die sich abhängig von dem Adressatenkreis sehr unterschiedlich deuten lassen. (Vgl. Vinickij, Dom Tolkovatelja, S. 143). – In diesem Wechselspiel zwischen Zeigen und Verbergen, das ein für die 363
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Die zu erwartende antithetische Spannung einer typischen elegischen Sprechhaltung tritt bei Žukovskij verdeckt auf. Diese ist zwar durch die erinnerungskulturell untermauerte Opposition zwischen Vergangenheit und Gegenwart der Parkanlage offensichtlich. Sie erwächst aber vorrangig aus dem Wechsel zwischen heiteren und melancholischen Szenerien einer beschriebenen Parklandschaft, aus dem im Text angedeuteten Wechselspiel zwischen den potenziellen Wahrnehmungen der Besitzer und eines Gartenbesuchers, die einerseits im Zeichen des Eigenen, der Nähe zu der Objektwelt des Parks zu stehen scheinen, andererseits als Fremdes eine distanzierte Haltung vermuten lassen. Die zentrale Antithese der Elegie entsteht aber durch den Kontrast zwischen dem Bild einer konkreten, ruhenden Parklandschaft um Slawjanka, das in der ersten Strophe vermittelt wird,17 und dem dynamischen Übergang in die überrealen Bereiche der letzten Verse der Gartenbeschreibung.18
literarische Kommunikation produzierter Text entfaltet, lässt sich das Prinzip des Quodlibets erkennen, das sich äußerlich appellativ gibt und dabei einfache Lektüre verweigert. 17 Žukovskij, Slavjanka [2000], S. 20: „Славянка тихая, сколь ток приятен твой, Когда, в осенний день, в твои глядятся воды Холмы, одетые последнею красой Полуотцветшия природы.“ 18 Ebd. S. 25: „Одна лишь смутная мечта в душе моей: Как будто мир земной в ничто преобратился; Как будто та страна знакомей стала ей, Куда сей чистый ангел скрылся.“ 364
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
Abb. 48. Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (geb. 1790): Vorota v park/ La pforte du Jardin [Gartentor], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/1.
2. Drei Stimmungsbilder auf dem Spaziergang entlang der Slawjanka Žukovskijs Durchschreiten des Parks weitet sich in ein poetisches Transzendieren der mit den Augen des romantischen Landschaftsmalers gesehenen Parklandschaft. Dabei führt er in einem kunstvollen Wechselspiel eine Palette von neuen Wahrnehmungsformen und Schreibweisen vor. Die Elegie entfaltet sich aus der physischen Bewegung des Parkbesuchers heraus, der den Garten als Ort romantischer Transzendenz und Inspiration mit Hilfe innerer Intuition in sich aufnimmt. Drei Ausschnitte aus dem Gedicht, von denen jeder eine unterschiedliche Stimmung aufweist, seien im Folgenden noch kurz vorgestellt.19 Dabei geht es um die Slawjanka-Landschaft in der Umgebung des Freundschaftstempels, die Aussichten des Schönen Tals und schließlich die Szenerie des Erinnerungshaines auf dem Rückweg des elegischen Spazierganges. „Ich steige in das Tal zu dem Fluss hinunter: das Ufer über mir ist dunkel/ auf das Wasser hat sich der Schatten gekräuselter Bäume gelegt;/ das Ufer gegenüber brennt im Abendrot;/ die Umrisse der Gegenstände am Ufer glänzen in den Wellen des 19 Zu der gartentheoretisch verankerten, wirkungsästhetischen Leistung der Stimmungsräume siehe das Kapitel „Ort der privaten Erinnerung als Topografie der Intimität“ in Teil V der vorliegenden Arbeit. 365
Russisch Grün
Wassers;// mal leuchtet in ihnen ein widergespiegeltes Mausoleum,/ mal ein grüner Hügel, gekrönt von Bäumen,/ mal badet eine alte Trauerweide, ihre biegsamen Äste hinuntergebogen/ zu ihren verflochtenen Wurzeln,// ihren schattigen Kopf in der Strömung;/ hier ist ein Tempel zwischen den Birken und dem Gebüsch zu sehen,/ dort glänzt der Schwan, versteckt am Ufer im Gebüsch,/ ohne Bewegung in der Dämmerung.“20
Voraussetzung für ein solches inneres Sehen ist das Verschwimmen der Konturen der wahrgenommenen Gegenstände bei gleichzeitiger Auflösung jeglicher Blickrahmung. Am Beispiel der Trauerweide führt Žukovskij vor, dass nicht mehr sentimentalische Melancholiestimmung der trauernden Memoria von der Trauerweide evoziert wird, sondern die optisch bizarre Erscheinungsform eines Prinzips der Verflochtenheit der Pflanze mit sich selbst und ihrer unmittelbaren Lebenssphäre, ihre Existenz zwischen Luft, Erde und Wasser. Die herabhängenden Zweige signalisieren für den Betrachter nicht mehr eine eindeutige und vom Gartenarchitekten beabsichtigte Gemütsstimmung, sondern verweisen auf sich selbst, gerade so als betrachteten oder betasteten sie verwundert die seltsame Verzweigtheit ihrer eigenen Wurzeln. Žukovskijs Trauerweide bedeutet nicht mehr, sie weist auf sich selbst zurück und kümmert sich im Grunde nicht mehr um den Parkbesucher, sie schaut an sich selbst hinunter und stellt nur noch den eigentümlichen Charakter ihrer seltsamen Verschlungenheit aus. Entsprechend gleitet der Blick des intendierten Betrachters an den Umrissen des Baumes ab und verliert sich in seinem bizarren Wurzelgeflecht. Eine solche Löschung und Umdeutung des überkommenen Konnotationsmusters wird im vorliegenden Fall durch die gewissermaßen pointilistische Wahrnehmung der Gartenlandschaft mittels ihrer glitzernden Widerspiegelung auf der bewegten Wasseroberfläche der Slawjanka möglich. Schillernde Reflexivität wird dabei vom Betrachter als fein angedeuteter Abglanz, als ferner Widerschein eines die Natur durchwaltenden unsichtbaren höheren Glanzes aufgefasst, der eher Auslöser für eine stille Freude denn für 20 Žukovskij, Slavjanka [2000], S. 22-23: „Спускаюсь в дол к реке: брег темен надо мной, И на воды легли дерев кудрявых тени; Противный брег горит, осыпанный зарей; В волнах блестят прибрежны сени; То отраженный в них сияет мавзолей; То холм муравчатый, увенчанный древами; То ива дряхлая, до свившихся корней Склонившись гибкими ветвями, Сенистую главу купает в их струях; Здесь храм между берез и яворов мелькает; Там лебедь, притаясь у берега в кустах, Недвижим в сумраке сияет.“ 366
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
eine melancholische Trauer ist, wie sie vom Gartenkünstler für diesen Ort eigentlich vorgesehen ist. Die Bewegung zur Auflösung des Gegenständlichen, dargestellt im schimmernden Glitzern des bewegten Wasserspiegels, kontrastiert mit dem Ausschnitt, der der zitierten Stelle unmittelbar vorangeht. Die hier beschriebene ländliche Idylle bewegt sich noch im Bereich des präzise Geschauten und objektiv Wahrnehmbaren. Der Dichter entwirft damit eine die Augen noch nicht anspannende Szene, in der der Grundton des Heiteren vorherrscht. „Plötzlich liegt eine offene Ebene vor mir;/ dort eine Halbinsel unter dem Hain, hell beleuchtet durch den Glanz des Tages;/ ein ruhiges Dorf über dem klaren Fluss,/ Tenne und Feld liegen nackt.// Alles hier ist belebt: grauer Rauch ballt sich aus den Trockenhäusern für die Garben,/ legt sich in die Furche und verschwindet,/ der Acker unter seinem Schleier/ verfärbt sich mal dunkel, mal hell.// Dort hört man auf der Tenne das harmonische Schlagen der Dreschflegel;/ dort ein Schäferlied und den Lärm der laufenden Herde;/ dort langsam und kreischend schleppt sich eine Wagenreihe/ unter der schweren Last der Garben.“21
Die Passage kann als Reflex auf die Dörflekultur bzw. deren Überführung in die Dorfkultur im Landschaftspark von Pawlowsk gelesen werden. (Abb. 49) Unwillkürlich fühlt sich der Leser an ein Erntebild erinnert, das einem Jahreszeiten- oder Tageszeitenzyklus entnommen zu sein scheint.22 Die heitere Belebtheit, die diese spätsommerliche Abendszene charakterisiert, findet Eingang in die ihr im Grunde ungemäße lyrische Form der Elegie, deren Kontur von Žukovskij verwischt und transgrediert wird. Der Dichter bewegt sich am äußersten Grenzbereich der zugrunde gelegten Form und reflektiert auf diese Weise den Umstand, dass das ländliche Dorfleben an der Peripherie des Parks von Pawlowsk ebenfalls die Transgression der Parklandschaft in den landwirtschaftlich genutzten ländlichen Lebensraum nachvollzieht. 21 Ebd., S. 22: „И вдруг открытая равнина предо мной; Там мыза, блеском дня под рощей озаренна; Спокойное село над ясною рекой, Гумно и нива обнаженна. Все здесь оживлено: с овинов дым седой, Клубяся, по браздам ложится и редеет, И нива под его прозрачной пеленой То померкает, то светлеет. Там слышен на току согласный стук цепов; Там песня пастуха и шум от стад бегущих; Там медленно, скрипя, тащится ряд возов, Тяжелый груз снопов везущих.“ 22 Vgl. die bukolisch akzentuierte Interpretation der Pawlowsk-Gedichte bei Vinickij, Dom Tolkovatelja, S. 50-59. 367
Russisch Grün
Abb. 49. Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (geb. 1790): Ferma La Ferme [Bauernhof], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/3.
Die Idee der englischen Landschaftsparkdesigner, dass die Grenzen des Parks für den Spaziergänger nicht wahrnehmbar sein sollen, wird hier konsequent zu Ende gedacht; die Ent-Grenzung des Parks ist hier ebenso real und ungekünstelt wie die Überschreitung der gattungspoetischen Form durch Žukovskij. Diese Transgressionen bedürfen keiner hochreflexiven, komplizierten Kunstkonstruktion, sondern können in der fast schon naiven Heiterkeit einer einfachen, menschlich belebten Dorfidylle gewissermaßen spielerisch leicht vonstatten gehen. Die Unterbrechung der im Parkinneren vorherrschenden Stille durch die Geräuschkulisse der ihrem Feierabend zustrebenden Landarbeiter und Bauern, die unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit die Ernte des Tages einfahren, unterstreicht diese Bewegung. Die für die traditionelle Parkbeschreibung typische Dominanz des Visuellen wird in der von Žukovskij angestrebten Romantisierung der Parkwahrnehmung erweitert und durch die Aufwertung des Auditiven Elements ergänzt. Im dritten hier vorzustellenden Abschnitt wird die Grundstimmung der Heiterkeit durch ein naturreligiöses Erlebnismoment erweitert. Mit dem Hereinbrechen der Dunkelheit vollzieht sich abermals ein rascher Wechsel des Erscheinungsbildes der Landschaft und der Gefühlslage des Betrachters, gekennzeichnet durch eine abrupte Zurückgeworfenheit auf sich selbst, die wie das Eintauchen in eine neue Farbe erfahren wird. Das Kristallblau der Wasserflache, das einen auf einem See liegenden Kahn als in die Farbe förmlich eingeschmolzen erscheinen lässt, präludiert das Eintauchen der gesamten Landschaft in die sich herniedersenkende Nacht.
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Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
„Plötzlich erscheint der Fluss wie ein glatter See;/ wie bezaubernd ist hier das Bild seiner Ufer,/ als ein blaues Kristall, das einen Kahn umschließt,/ erscheint die Fläche seines Wassers.// Der Tag erlischt ... im Schatten neigt sich der Wald zum Wasser;/ Bäume sind gehüllt in die Abenddämmerung;/ nur über ihren stillen Spitzen liegt/ ein roter Streifen des Abendrots.“23
Der Gestus des flüchtigen Skizzierens eines vor der Landschaft zeichnenden oder aquarellierenden Malers wird sprachlich aufgegriffen und mit der zunehmenden Undifferenzierbarkeit der Wahrnehmung kombiniert, - abgerissene, sich selbst wechselseitig in Frage stellende Sprachfetzen, die in rascher Folge sich fortlaufend revidierende flüchtige Eindrücke reflektieren, machen die Unausweichlichkeit deutlich, mit der die Sinne als Wahrnehmungsorgane ihre Zuständigkeit verlieren. Das nächtliche Mysterium, in das sich die Natur nun zurückzieht, ist nicht mehr mit den Werkzeugen der äußeren Sinneswahrnehmung begreifbar und kann allenfalls noch innerlich gefühlt oder intuitiv erahnt werden. Das kaum vernehmbare Geräusch eines „schlafenden Blattes“, als geheimnisvolles Zeichen für das Mysterium der nächtlichen Inspiration der Natur ist nur durch eine unschlüssige, konjunktivische Metapher auf den menschlichen Schlaf als Inspirationsquelle benennbar. Dem Dichter, dem allein eine ferne Ahnung dieses hochpoetischen Augenblicks sich vermittelt, bleibt nur die Möglichkeit, die Natur dem nächtlichen Nebel zu überlassen, hinter dem sich wie unter einer schützenden Decke das Geheimnis ihrer unberührten Belebung vollzieht. Einen kurzen Moment des Verweilens gibt es aber noch für den Parkbesucher, denn mit einem Besuch im geheiligten Bezirk der Memoria darf er seinen Aufenthalt in der ihre intime Integrität einfordernden Landschaft noch hinauszögern, obgleich gespenstische Schatten ihm bereits bedeuten, dass die Geduld der Natur nicht über Gebühr strapaziert werden darf. Es ist die Gruppe der jungen Birken, der Erinnerungshain, unter dessen Dach der Besucher noch einmal eintritt. (Abb. 50) Diese künstliche Naturanlage mit der in ihr eingewobenen menschlichen Erinnerung erscheint als der dem Menschen gemäßeste Teil der Landschaft, der auf der höchsten Vertraulichkeitsstufe mit dem Menschen steht. Dieser in die Erinnerungskultur Pawlowsks eingelassene Bereich des Landschaftsparks bietet eine letzte Zuflucht,
23 Žukovskij, Slavjanka [2000], S. 23: „Вдруг гладким озером является река; Сколь здесь ее брегов пленительна картина; В лазоревый кристалл слиясь вкруг челнока, Яснеет вод ее равнина. Но гаснет день... в тени склонился лес к водам; Древа облечены вечерней темнотою; Лишь простирается по тихим их верхам Заря багряной полосою;“ 369
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bevor die Nacht als der inspirierende Schlaf der Natur sich herabsenkt und alles einhüllt. „Nun herrscht überall Stille: /alles schläft ... nur fliegt zuweilen in dem weiten Dunkel/ eine unklare Stimme vorüber ... oder schwingt sich die Welle.../ oder ist ein schlafendes Blatt in Bewegung geraten.// Ich bin allein am Ufer ... die Umgebung schweigt .../ wie ein Gespenst steht im Nebel vor mir/ still eine Familie junger Birken/ über dem eingeschläferten Wasser.// Ich trete erregt unter das heilige Blätterdach;/ in dieser Stille erreicht mein Gehör eine freundliche Stimme/ als wehe zwischen den Blättern etwas Ätherisches// als atme etwas Unsichtbares;// als erhebe die unter der Rinde junger Bäume versteckte und/ mit der bezaubernden Stille vermischte/ unsichtbare Seele ihre Stimme/ und spreche mit meiner Seele.“24
Die Gartenpartie eröffnet innerhalb der ihre Unberührtheit beanspruchenden umgebenden nächtlichen Natur noch einmal einen Ort, an dem der Parkbesucher den Glücksmoment der Vermischung der Seele mit der beseelten Natur auskosten und das wehende Atmen der in einem unsichtbaren Ätherischen aufgehenden Landschaft spüren kann.
24 Ebd., S. 23-24: „И воцарилася повсюду тишина; Все спит... лишь изредка в далекой тьме промчится Невнятный глас... или колыхнется волна... Иль сонный лист зашевелится. Я на брегу один... окрестность вся молчит... Как привидение, в тумане предо мною Семья младых берез недвижимо стоит Над усыпленною водою. Вхожу с волнением под их священный кров; Мой слух в сей тишине приветный голос слышит; Как бы эфирное там веет меж листов, Как бы невидимое дышит; Как бы сокрытая под юных древ корой, С сей очарованной мешаясь тишиною, Душа незримая подъемлет голос свой С моей беседовать душою.“ 370
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
Abb. 50. Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (geb. 1790): Semejnaja rošča/ Le bois de famille [Familienhain], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 9,7x7,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/2.
Um Erinnerung im engeren Sinne geht es an diesem Ort nicht mehr, sie ist bei Žukovskij längst abgelöst durch ein naturreligiöses Erlebnis und die poetische Imagination eines Naturmysteriums.25 25 Der Besuch in dem Familienhain geht in eine Vision über, die sich als eine traumhafte Betrachtung des Denkmals für Alexandra Pavlovna erweist. Zum Schluss dieser Betrachtung hebt der Text der Elegie, wie bereits erwähnt, dem Genius der Skulpturengruppe folgend, in den Bereich des Überrealen ab. Stanislav Savickij hat bei seiner Interpretation der Elegie „Slavjanka“, in der er den poetisch-realen Charakter des Gartenspazierganges betont hat, auf diesen, aus seiner Sicht überraschenden Schluss des Textes von Žukovskij hingewiesen. Die Seelen-Genius-Thematik mit ihrem mystischen Hintergrund hat er in Verbindung mit der Gedankenfigur der „schönen Seele“ und, davon abgeleitet, die Rolle des Dichters als eines Mediums zwischen zwei Welten hervorgehoben. (Savickij, Povrorenie progulki, S. 64-68). Die Differenz seiner Interpretation zu dem hier vorgestellten Modell einer poetischen Transgredierung der prosaischen Gartenbeschreibung des Vorgängers beruht auf dem Übergangscharakter der Elegie an der Schwelle zu einer modernen Poetik. Der Rückgriff auf das „schöne-Seele“-Konzept verweist eher auf einen religiös-philosophisch pietistischen 371
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In dieser Passage des Gedichts erscheint die Familie der jungen Birken noch einmal als ein fernes Zitat der Parkbeschreibung Storchs, allerdings nur noch als unterliegende Palimpsestschicht der Elegie. Žukovskij überträgt lediglich ein Versatzstück einer für die neue Naturerfahrung im Grunde untauglich gewordenen Literaturform in ein anderes Medium, sublimiert es in die Elegie, die sich ihrerseits als eine Poesieform darstellt, die ihrer eigenen Unzulänglichkeit als Beschreibungsmedium bewusst ist. Im Juni 1819 fasst Žukovskij diesen Gedanken in einem programmatischen Gedicht unter dem Titel „Nichtdarstellbares. Ein Fragment“ zusammen:26 „Was ist unsere irdische Sprache angesichts der wundervollen Natur?/ Mit welcher lässigen und leichtfüßigen Freiheit/ hat sie überall die Schönheit verstreut/ und das Mannigfaltige mit dem Einheitlichen in Einklang gebracht!/ Aber wo, welche Pinsel hat sie darstellen können?/ Kaum einen ihrer Gesichtszüge/ gelingt es der Inspiration mit Mühe zu erfassen…/ Aber kann man denn Lebendiges in etwas Totes übertragen?/ Wer konnte jemals die Schöpfung mit den Worten wiedererschaffen?/ Ist denn Nichtdarstellbares einem Ausdruck unterworfen?...“27
3. Aufgegebene Grenze als poetogene Denkfigur Bezeichnenderweise ist der Text des „Nichtdarstellbaren“ ursprünglich als eine abschließende Passage innerhalb einer weiteren Parkbeschreibung von Pawlowsk entstanden, die Žukovskijs im Jahr 1819 verfasst hat.28 An der Stelund literaturhistorisch klassizistischen Kontext; beide Zusammenhänge würden dem in der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten Modernisierungsimpuls der Poetik Žukovskijs entgegen wirken. 26 Žukovskij, Nevyrazimoe (Otryvok), in: Ders., Polnoe sobranie, Bd. 2, S. 129-130. Das Gedicht wird zu den „Manifesten der russischen Romantik“ gerechnet, so der Kommentar von Ė. Žiljakova, und findet eine poetologische Fortsetzung bei Fëdor I. Tjutčev (Ebd., S. 536-538). 27 Žukovskij, Nevyrazimoe, S. 129: „Что наш язык земной пред дивною природой? С какой небрежною и легкою свободой Она рассыпала повсюду красоту И разновидное с единством согласила! Но где, какая кисть ее изобразила? Едва-едва одну ее черту С усилием поймать удасться вдохновенью... Но льзя ли в мертвое живое передать? Кто мог создание в словах пересказать? Невыразимое подвластно ль выраженью?..“ 28 Es handelt sich dabei um den sogenannten ersten Bericht über den Mond, in dem die eigentliche Parkbeschreibung die Zeilen 60 bis 172 umfasst. Im Anschluss daran ist das „Fragment“ geschrieben worden und hätte die PawlowskBeschreibung abgerundet, wenn nicht während der Arbeit am „Mondbericht“ die Entscheidung gefallen wäre, dem Text den Status eines selbstständigen Ge372
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
le dieses noch vor dem Abschluss der Arbeit an dem „Sendschreiben für die Imperatorin Marija Fëdorovna“ ausgekoppelten „Fragments“ fügte Žukovskij in der endgültigen Fassung dieser neuen poetischen Topografie des Parks eine Beschreibung des Elisabeth-Pavillons im Schönen Tal ein. In dieser neuen Passage des „Sendschreibens“ wechselt der Verfasser das Versmaß, bricht infolgedessen mit der Form einer lyrischen Epistel, die er in den ersten 130 Zeilen angelegt hat, ab und führt das Gedicht in einer Aneinanderreihung mehrerer äußerlich heterogen wirkender Textelemente zu Ende. Die insgesamt 634 Zeilen lange letzte Fassung erhält damit die artifizielle Form eines gereimten lyrischen Capriccio, das formal seinen Ursprung in der Beschreibung des Schönen Tals hat. Die Lektüre dieses merkwürdigen Textgefüges verleitet Wilhelm Küchelbecker einige Jahre nach der Veröffentlichung des Gedichts zu dem Urteil, dass es sich dabei um eine „mosaikähnliche Arbeit“ handelt.29 „[A]ber in diesem Mosaik steckt auch das reine Gold,“ fügt Küchelbecker hinzu.30 Dem elegischen Spaziergang der „Slavjanka“, der die gattungspoetischen, topografischen und aisthetischen Grenzen kunstvoll verwischt, folgen in den Texten der wenige Jahre später entstandenen Pawlowskschen Gedichte, zu denen auch das erste „Sendschreiben“ zählt, weitere Verwandlungen und Wechselspiele. Sie bestimmen nicht nur die literarischen Gartenlandschaften von Pawlowsk, die Žukovskij wiederholt in lyrischen Formen aufruft, sondern machen eine ständige potenzielle Verwandlungsfähigeit zu dem grundlegenden Element der Poetik des neuen Arbeitsabschnitts Žukovskijs, dessen Texte von nun an den „Metamorphosen des Toten und des Lebendigen, des Materiellen und des Idealen, der Wörter und der Dinge, des Hohen und des Niederen“31 gewidmet sind. Hinsichtlich der gartenliterarischen Problematik dichts zu geben. Vgl. Žukovskij, Gosudaryne Imperatrice Marii Fëdorovne („Ot vašego veličestva davno…“), in: Ders., Polnoe sobranie, Bd. 2, S. 156-173 (Kommentar S. 564-568). – Der erste „Mondbericht“ ist zwischen dem 6. Juni und dem 13. September 1819 geschrieben und überarbeitet worden, der zweite „Mondbericht“ ist mit d. 10. Juni 1820 datiert. Er enthält ebenfalls eine ausführliche Gartenbeschreibung und ist der bekanntere von beiden Pawlowsk-Texten. Siehe: Ders., Podrobnyj otčet o lune. Poslanie k Gosudaryne Imperatrice Marii Fëdorovne, in: Ebd., S. 194-203 (S. 582-583). – Zu der Stellung der beiden „Mondberichte“ in der Poetik des Autors siehe: Michail Stroganov, „Luna vo vkuse Žukovskogo“, ili poetičeslij tekst kak metatekst, in: Novoe literaturnoe obozrenie 32 (1998), S. 133-146. 29 Kjuchel’beker, Putešestvie. Dnevniki. Stat’i, S. 275. 30 „но в этой мозаике есть и чистое золото.“ Ebd. 31 Vëtševa, Pavlovskie stichotvorenija, S. 533: „Павловские стихотворения как единство представляют собой опыт создания романтической мифологии, основанной на взаимообратимости, метаморфозах живого и мертвого, материального и идеального, слова и вещи, высокого и низкого. Тем самым Жуковский, отказываясь от жесткого представления о двоемирии, переходит к онтологическому и художественному видению единства мира, его полноты, к осмыслению тайн творческого процесса.“ 373
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bedeutet das, dass die literarische Wiedergabe des Gartens an sich zu einem Grenzgang wird. Der poetisierte Garten entzieht sich zunehmend der diskursiven Programmatik der Gartenliteratur und lässt seine Verortung, ob im Textkorpus der fiktionalen Literatur oder des spezialisierten Gartenthemas, nicht mehr eindeutig erkennen. Ein Indiz für den literaturhistorisch motivierten Bedarf der Eindeutigkeit stellt die nachträgliche Durchsetzung eines der beiden Interpretationsangebote dar: die bereits erwähnte traditionelle, im engeren Sinne literarische Lesart der Gartentexte Žukovskijs im Zusammenhang mit den Motiven der romantischen Naturlyrik.32 Berücksichtigt man jedoch die Verzahnung der Pawlowsk-Gedichte mit der spezifischen literarischen Erinnerungskultur der Parkanlage, wird die Bedeutung des Gartendiskurses für die neue Poetik der ständigen Verwandlung, die Žukovskij in dieser Zeit entwirft, evident. Auf der Folie der europäischen Gartenliteratur allgemein und des Spezialfalls der Pawlowsk-Literatur wird nicht nur die Zuwendung zur Gartenthematik verständlich, sondern bekommen auch sein Bestreben nach formästhetischer Innovation und die zugrunde liegende selbstreflexive Haltung in diesem Zusammenhang klare Konturen und deutliche Herkunft.33
32 Vgl. die Kritik an dieser Traditionslinie im Fall der Elegie „Slavjanka“ bei Savickij, Povtorenie progulki, S. 49-50. 33 Nimmt man die Verzahnung von Žukovskijs Lyrik mit dem Gartendiskurs ernst, bekommt das gartenästhetische Vorwissen auch aus epochenhistorischer Hinsicht eine Schlüsselrolle, insofern hier eine Kontinuität zu dem empfindsamen Garten festzuhalten ist. Aus seiner Poetik und Ästhetik stammen sowohl die produktions- als auch rezeptionsästhetischen Maximen des Landschaftsgartens als auch die zentrale Frage der medialen Wiedergabe der äußeren Welt und der inneren Empfindungen, an denen sich die Gartenliteratur um 1800 abgearbeitet hat. In diesem Licht müssen die poetologischen Beziehungen zwischen der empfindsamen und romantischen Literatur neu hinterfragt werden. Infolgedessen bedarf auch eine stilistische Einordnung von Pawlowsk unter die „Gärten der Romantik“ einer Korrektur, insofern diese zum Klischee gewordene Festlegung mit Bezugnahme auf poetische Gartentexte Žukovskijs legitimiert worden ist. Bekannterweise geht diese Klischeebildung auf das einschlägige Buch von Dmitrij S. Lichačëv zurück, der der Empfindsamkeit keine ausreichende literaturhistorische Selbstständigkeit zugemessen hat (Lichačëv, Poėzija sadov, S. 198-320). Eine andere Sicht, in literaturhistorischer Auseinandersetzung mit Lichačëv, ist in den Arbeiten von Natal’ja D. Kočetkova vertreten (vgl. Kočetkova, Literatura russkogo sentimentalizma, S. 3-23). 374
Spaziergänge durch Pawlowsk mit Vasilij Žukovskij
Abb. 51. Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (geb. 1790): Ruine des Apollo-Tempels, 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-286/6.
Projiziert man die aufgegebene philosophisch-ästhetische Dichotomie von zwei Welten (russ. dvoemirie), die zum neuen Merkmal der Dichtung Žukovskijs der Pawlowsk-Zeit wird, auf seine literaturhistorisch verankerte Stellung, so erscheint seine Rolle als „Übersetzer“ und „Vermittler“ zwischen zwei Welten in einem anderen Licht.34 Denn die Konsequenz der neuen Poetologie besteht in dem Aufrechterhalten eines Zustandes des oszillierend Heterogenen, der eine deutliche Unterscheidung zwischen den kulturellen Mar-
34 Die Vermittlerfunktion Žukovskijs bezieht sich traditionell zum einen auf seine poetischen Aneignungen der russischen Folklore, der Integration des „Volkstümlichen“ in die „schöne“ Literatur. Zum anderen sind es seine Interpretationen der fremdsprachigen neueren Literatur, vor allem die Übersetzungen aus den Werken deutscher Autoren. Vgl. Hildegard Eichstädt, Žukovskij als Übersetzer. Drei Studien zu Übersetzungen V. A. Žukovskijs aus dem Deutschen und Französischen. München 1970 (Forum Slavicum; 29); Ulrike Kahlenborn, Goethes Lyrik in russischer Übersetzung: V. A. Žukovskij und F. I. Tjutčev als bedeutendste Goethe-Übersetzer der russischen Romantik. München 1985 (Slavistische Beiträge; 185); Annette Pein, Schiller and Zhukovsky: aesthetic theory in poetic translation. Mainz 1991 (Deutsch-russische Literaturbeziehungen; 2); Ljudmila Samanskaja, Žukovskij i Šiller: poėtičeskij perevod v kontekste russkoj literatury. Moskva 2000. – Diese Rolle findet sich, wenn auch leicht abgewandelt als „Deuter“ (russ.: tolkovatel’) in dem Titel der bereits zitierten neueren Monografie über Žukovskij wieder, siehe: Vinickij, Dom Tolkovatelja, S. 9-10. 375
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kierungen des Fremden und des Eigenen genau so wenig zulassen kann wie eine klare Trennung zwischen den Bereichen Kultur und Natur.35 In dem Spezialfall der verschönerten Natur des Gartens und der poetischen Gartenbeschreibungen von Pawlowsk zeigt sich sehr schnell, dass das literarische Wirken Žukovskijs in einer eindimensionalen Kategorie der wie auch immer gearteten Übersetzung (Natur – Literatur, Garten – Gedicht, deutscher Text – russischer Text) nicht angemessen erfasst werden kann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Aleksandr Veselovskij die poetologische Eigenart Žukovskijs auf die Formel der „Offenbarung einer vertrauten, eigenen Landschaft in einer fremden“ zurückgeführt und als (selbst etwas enigmatisch) die „charakteristische Halluzination der Einbildungskraft des Herzens“ bezeichnet.36 Ganz im Sinne einer heterotopen Beschaffenheit des Gartens gleicht die Poetik von Žukovskijs Gartentexten einer Zwischenwelt, einer nie endenden Palimpsestarbeit, sie entfaltet sich in dem Verhältnis der Ambivalenz zwischen Aneignung und Transformation, bedient sich der Geste der Vermittlung und kleidet sich dabei in eine beinahe hermetische Sprache.
35 Diese Poetologie, die in dem ständigen Überschreiten der kulturellen und sprachlichen Grenzen besteht, wird sogar buchstäblich in dem Almanach „Für Wenige/ Для немногих“ fassbar. Das zweisprachige Taschenbuch konzipiert und ediert Žukovskij für die Großfürstin Aleksandra Fëdorovna (geb. Prinzessin Charlotte von Preußen). Die Texte aus der deutschen Literatur in russischsprachigen Adaptionen Žukovskijs bieten ein Beispiel eines komplexen Transformationsvorganges zwischen der Erkennung des Vertrauten, Eigenen, der Aneignung des Neuen, Fremden und der Wiedererkennung des Eigenen in dem sprachlich Fremden, die Žukovskij u.a. zum Zwecke des Spracherwerbs seiner großherzoglichen Schülerin verwendet. Vgl. den Hinweis bei Vinickij, Dom Tolkovatelja. S. 144-147. 36 Veselovskij, Poėzija čuvst i „serdečnogo voobraženija“, S. 291: „Откровение в чужом ландшафте родного – одна из характерных для сознания поэта галлюцинаций сердечного воображения.“ 376
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Abb. 1.
Aleksandr Puškin (1799-1837): Lyzeum in Zarskoe Selo, Tintezeichnung in einem Brief an Natalja Gončarova vom 20. Juni 1830 (Auschnitt). (Aus: Puškin, Polnoe sobranie sočinenij v 17 tomach. Bd. 18 (Suppliment): Risunki. Moskva 1996, S. 291). .........................................................................43 Abb. 2. Robert Bach (1859-1933): Denkmal „Aleksandru Sergeeviču Puškinu“ [„An Aleksandr Sergeevič Puškin“] in Zarskoe Selo (1900). Fotografie aus den 1960er Jahren von M.A. Veličko. (Aus: Anatolij Petrov, Puškin: Dvorcy i parki. Leningrad 1969, Abb. 89). ......................................................47 Abb. 3. Gedenkstein mit der Widmung „Genio loci“ in Puschkin bei St. Petersburg, 1999 (Foto: Anna Ananieva, 2000)..............................................63 Abb. 4. Ismajlowo, Plan-Zeichnung des zarischen Hofes mit der Darstellung des Schlosses […], des Apothekengartens und des Baumgartens, vor 1673, (Autor unbekannt), Papier, Tusche, Aquarell, 80x55 cm. Moskau, RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, č. 2, Nr. 3. (Aus: Tri veka russkoj usad‘by. Al’bom-katalog. Moskva 2004, S. 36, Abb. 10, Kat. Nr. 9)..........................105 Abb. 5. Titelblatt „Vertograd mnogocvetnyj“ von Simeon Polockij. Links: Moskau, GIM, Sinod. sobr. 288, l. 1. (Aus: Polockij, Izbrannye sočinenija, S. 8). Rechts: St. Petersburg, BAN, ro, Petrovskoe sobr. A 54, l. 1. (Aus: Istoričeskij očerk i obzor fondov rukopisnogo otdela biblioteki akademii nauk, Bd. 1: XVIII vek, S. 51).....................................................................................109 Abb. 6. Plan des botanischen Gartens in Ismajlowo (Aptekarskij sad), Zeichnung, vor 1673. Moskau, RGADA, f. 27 (Prikaz tajnych del), d. 484, č. 2. (Aus: Sof’ja N. Palentreer, Sady 17 veka v Izmajlove, in: Soobšenija instituta istorii iskusstv AN SSSR, Arhitektura 7 (1956), S. 80-103, S. 91, Abb. 9). ......111 Abb. 7-8. Adrian Schoonebeck nach Zeichnung von Nicolaas Bidloo: Golovinskaja usad’ba pod Moskvoj [Golovins Landgut bei Moskau], 1705, Kupferstich (2 Druckplatten), 69,5 х 77,5 cm. (Aus: Valerij S. Turčin (Hg.), „… v okrestnostjach Moskvy“. Iz istorii russkoj usadebnoj kul’tury 17 - 19 vekov. Moskva 1979, Abb. 12). .......................................................................... 117, 119 Abb. 9. Nicolaas Bidloo, Mijn thuijn van de Jauze te zien in ’t Perspectiv [Mein Garten von der Jausa aus gesehen], Sepiazeichnung, 43x54 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-4). (Aus: David Willemse (Hg.), The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, Director of The First Hospital in Russia. Voorburg 1975, o.P. [Blatt 5]). ..........................................................123 Abb. 10. Nicolaas Bidloo, Gezigt van des Rieviers zijde met het Hospitaal dass naast Gelegen & de Zlabode & Le Forts huijs int verschiet [Ansicht meines Gartens und des angrenzenden Hospitals (A), mit dem Ausblick auf das Schloss Franz Leforts (B) und auf die Siedlung Nemeckaja sloboda (C)], 421
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Abb. 11.
Abb. 12.
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Abb. 16.
Abb. 17.
Abb. 18.
Abb. 19.
Abb. 20.
Sepiazeichnung, 29,5x53 cm, Ausschnitt. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-5). (Aus: Willemse, The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, o.P. [Blatt 6]). ....................................................................................................125 Nicolaas Bidloo, Gezigt van ’t hujs naar d’Eerepoort staande tegens des Hospitaals Thuijn [Ansicht des Hauses in die Richtung des Triumphbogens gegenüber dem Garten des Hospitals], Sepiazeichnung, 27x42,5 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-8). (Aus: Willemse, The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, o.P. [Blatt 9]). .. ..................127 Nicolaas Bidloo, Gezigt van het Thuijn hujs aan de Jauze met zijn voorpleijn [Ansicht des Gartenhauses an der Jausa], Sepiazeichnung, 27x42,5 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-11). (Aus: Willemse, The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, o.P. [Blatt 12]). ..........131 Nicolaas Bidloo, Gezigt van ’t huijs en de bloemparken daar voor gelegen uijt de Thuij naar ’t huijs te zien [Ansicht des Hauses mit dem davor gelegenen Blumenparterre], Sepiazeichnung, 27x43 cm. (Leiden, Universitätsbibliothek, BPL 2727-7). (Aus: Willemse, The Unknown Drawings of Nicholas Bidloo, o.P. [Blatt 8]). ......................................................................131 Aleksej F. Zubov (1682-1751): Letnej Dvorec [Sommerschloss], Kupferstich, 1716-1717. (Aus: Tat’jana B. Dubjago, Letnij sad. Moskva 1951, S. 11). ......................................................................................................................137 Gartenanlage Golovins Garten/ Anengof um 1742. Plan-Schema nach den Vorlagen aus dem 18. Jahrhundert, ca. 1960. (Aus: Olga S. Evangulova, Dvorcovo-parkovye ansambli Moskvy. Moskva 1969, S. 49). ....................152 Ivan Sokolov: „Ceremonija šestvija Eja Imperatorskoga Veličestva v Moskvy“ [Zeremonieller Einzug Ihrer Kaiserlichen Hoheit in Moskau], 1744, Kupferstich, (Auschnitt). GNIMA, R III-6999. Blatt № 5 aus: Obstojatel’noe opisanie toržestvennych porjadkov […]. Sankt-Peterburg 1744. (Aus: Valerij S. Turčin (Hg.), „… v okrestnostjach Moskvy“. Iz istorii russkoj usadebnoj kul’tury 17 - 19 vekov. Moskva 1979, Abb. 19)............154 Abriß des Feuerwerckes und der Illumination welche nach der den 25ten April 1742 glücklich vollbrachten hohen Salbung und Krönung Ihro Majestät Elisabeth Petrowna Selbstherrscherin aller Reussen in Moscau angezündet worden, 1742, Kupferstich. Faltblatt aus: [Jacob von Stählin], Izobraženie i iz’’jasnenie fejėrverka i illuminacii [...]./ Abriß und Erklährung der Feuerwercks- u. Illuminations-Vorstellung [...]. Sankt Petersburg [1742]. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek (Sammlung von Gelegenheitsschriften für die Zarin Anna), Signatur Div.G.fol. 304 (Digitalisat des Mikrofilms: Anna Ananieva)...............................................155 Grigorij S. Musikijskij (1660/1671-1739): Porträt von Ekaterina Alekseevna mit der Schloss- und Gartenanlage Ekateringof im Hintergrund, 1724, Email-Miniatur nach einem Porträt von Jean-Marc Nattier (1717) und einer Ekateringof-Ansicht von Aleksej F. Zubov (1716), 6,5x8,8 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. ERR-3825. (Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by Vladimir Terebenin, Leonard Kheifets, Yuri Molodkovets).. .........................................................161 Schlossanlage mit dem Unteren Garten in Zarskoe Selo (Ausschnitt), Ende 1750er Jahre. Warschau, Biblioteka Narodowa. (Aus: Anatolij Petrov, Puškin. Dvorcy i Parki. Leningrad 1969, S. 9). .............................................163 Francesco Bartolomeo Rastrelli (1700-1771): Katal’naja Gora in Zarskoe Selo, Aufriss, 1749/50(?), Zeichnung. Warschau, Biblioteka Narodowa, 422
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Abb. 23.
Abb. 24.
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Abb. 31.
Abb. 32.
WAF. 89, Rys. 5313. (Aus: Cornelia Skodock, Barock in Russland: Zum Œuvre des Hofarchitekten Francesco Bartolomeo Rastrelli. Wiesbaden 2006, Abb. 20, S. 190).......................................................................................163 Petr Radionov: Kopie des Projekts des Neuen bzw. Oberen Gartens in Zarskoe Selo, um 1740-50, RGIAL. (Aus: Petrov, Puškin. Dvorcy i parki, S. 90). ......................................................................................................................165 Plan von Zarskoe Selo: Der Alte und der Neue Garten mit der Menagerie, 1744-1762. RGVIA, f. VUA, Nr. 22779. (Aus: Tat’jana B. Dubjago, Russkie reguljarnye sady i parki. Leningrad 1963, S. 222.)........................................168 Friedrich Hartmann Barisien (1724-1796): Ansicht des Neuen Gartens bei dem Schloss in Zarskoe Selo [vom Parnass-Berg aus betrachtet], 17601761, Leinen, Öl. GMZ Carskoe Selo, ED-190-X. (Foto: Valerij Bugaev, GMZ Carskoe Selo, 2007)................................................................................169 Friedrich Hartmann Barisien (1724-1796): Ansicht des Alten Gartens in Zarskoe Selo, 1760-1761, Leinen, Öl. GMZ Carskoe Selo, ED-191-X. (Foto: Valerij Bugaev, GMZ Carskoe Selo, 2007). ...................................................175 Semën Ščedrin (1745-1804): Insel im Großen Teich im Park von Zarskoe Selo, 1777, Tusche, Gouache, Lack auf Papier, 53,8х65,3 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. ERR-6423. (Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by Vladimir Terebenin, Leonard Kheifets, Yuri Molodkovets). ..........................................................................191 Semën Ščedrin (1745-1804): Ansicht des Großen Teiches im Park von Zarskoe Selo, 1777, Tusche, Gouache, Lack, 57,7х75,2 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. ERR-6424. (Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by Vladimir Terebenin, Leonard Kheifets, Yuri Molodkovets). ..........................................................................................193 Ivan Bel’skij (?): Ruine und Triumphtor (Orlovskie vorota) in Zarskoe Selo, 1788, Öl auf Leinwand, 69x117 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Russkij Muzej, Inv. Nr. Ž-3148. (Aus: Gosudarstvennyj Russkij Muzej. Živopis’ XVIII-XX veka. Katalog. Bd. 1: XVIII vek. Sankt-Peterburg 1998, Nr. 65, S. 58). .....................................................................................................199 Semën Ščedrin (1745-1804): Landschaft in Zarskoe Selo, nach 1776, Tusche, Gouache, 58х72,5 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Muzej Ėrmitaž, Inv. Nr. ERR-6428. (Photograph © The State Hermitage Museum. Photo by Vladimir Terebenin, Leonard Kheifets, Yuri Molodkovets)......209 Titelblatt der Zeitschrift „Spaziergänge, eine moralische Wochenschrift für das deutsche Publikum in St. Petersburg“, 1772, (Ausschnitt). Göttingen, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Signatur MC DD ZA 152 (Digitalisat des Mikrofiche: Anna Ananieva)........................................219 Vladimir Borovikovskij (1757-1825): Katharina II. auf dem Spaziergang in Zarskoe Selo, Öl auf Leinwand. Links: 1794, 94,5x66 cm. Moskau, Tret’jakovskaja Galereja, Inv. Nr. 5840. Rechts: um 1810, 99x68 cm. St. Petersburg, Gosudarstvennyj Russkij Muzej.................................................227 Semën Ščedrin (1745-1804): Zarskoe Selo (Ansicht der Tschesme-Säule), ca. 1790, Öl auf Leinwand, 91x126 cm. Moskau, Tret’jakovskaja Galereja. .............................................................................................................................228 Nikolaj L’vov (1753-1803): Alexandrowa Datscha bei Pawlowsk, Entwurfzeichnung. BAN, fond byvšego Alupkinskogo dvorca, SO Nr. 3/arch. čert. 433. (Aus: Marija V. Budylina/Ol’ga I. Brajсeva/Anna M. Charlamova, Architektor N.A. L’vov. Moskva 1961, S. 18). .......................237 423
Russisch Grün
Abb. 33. Antoine Trouvain (1656-1708): „La Reine de Prusse“ (Darstellung von Sophie Charlotte als französisches Modeporträt), nach 1701, Kupferstich, 36,3x24,1 cm. SPSG, Plankammer, Kunstblattsammlung 218. (Aus: Sophie Charlotte und ihr Schloss. Ein Musenhof des Barock in BrandenburgPreussen. Ausst.-Kat. Schloss Charlottenburg. München 2000, Kat. II, 32, S. 245).................................................................................................................247 Abb. 34. Ansicht des Hauses und der Grotte in dem Garten Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Aleksandr Pavlovič, (Autor unbekannt), 17931794, Feder, Tusche, Aquarell, ca. 30x40 cm. Aus: Stepan Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad […] Aleksandra Pavloviča. St. Petersburg 1793, o.S. St. Petersburg, RNB, Signatur 330a/67 (Foto: Anna Ananieva, 2004)...................................................................................................................261 Abb. 35. Ansicht des Tempels, der Felica gewidmet ist und wo die Rose ohne Dornen wächst, in dem Garten Seiner Kaiserlichen Hoheit des Großfürsten Alexander Pavlovič, (Autor unbekannt), 1793-1794, Feder, Tusche, Aquarell, ca. 30x40 cm. Aus: Stepan Džunkovskij, Aleksandrova, uveselitel’nyj sad […] Aleksandra Pavloviča. St. Petersburg 1793, o.S. St. Petersburg, RNB, Signatur 330a/67 (Foto: Anna Ananieva, 2004)............263 Abb. 36. Gavriil S. Sergeev (1765/66-1816): Ansicht des Slawjanka-Tals in Pawlowsk mit dem Blick auf den Tempel der Freundschaft, 1799, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x56,6 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-1043/3. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk. Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München. Hamburg 2001, S. 211, Kat. Nr. 143).............279 Abb. 37. Apollo-Kolonnade in Pavlovsk, 1790er Jahre, Gobelin der SanktPetersburger Gobelinmanufaktur, 139x150 cm, 9-10 Kettfäden pro cm, Gewebt, Wolle, Seide. GMZ Pavlovsk, Inv.- Nr. CCh-4843-II. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Kat. Nr. 145, S. 215). ....................................................................................................................281 Abb. 38. Semën Ščedrin (1745-1804): Aussicht in Pawlowsk mit Schloss, der Zentauren-Brücke, der Apollo-Kolonnade und der Kaskade, 1801, Öl auf Leinwand, 106x136 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. CCh-1837-III (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Kat. Nr. 135, S. 195). ....................................................................................................................283 Abb. 39. Henri Francois Gabriel Viollier (1750-1829): Altes Chalet, 1789, Zeichnung für die Knopfserie zu Pawlowsk, Papier, Tusche, Feder, Durchmesser 2,9 cm. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Abb. 4, S. 412). ..................................................................286 Abb. 40. Abraham Luis Rodolphe Ducros (1748-1810): Großfürst Paul und Großfürstin Marija Fëdorovna in Tivoli, 1782, Öl auf Leinwand, 99x137 cm. GMZ Pavlovsk Inv. Nr. CCh-3762-III. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Kat. Nr. 69, S. 99)..............................294 Abb. 41. Gavriil S. Sergeev (1765/66-1816): Blick auf den Marienthaler Teich, 1799, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x56,6. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č1043/3. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Kat. Nr. 139, S. 203)..........................................................................................301 Abb. 42. Carlo Rossi (1775-1849): „Bauern Hof in Rußland“ (rechts unten: „Rossy architécte“), 1815 (?), Tusche, aquarelliert, 97,5x64,1 cm. SMBPK Kupfersichkabinett, Berlin, Mappe Top Russland ZM. (Aus: Königliche Visionen. Potsdam: Eine Stadt in der Mitte Europas. Ausst-Kat. Potsdam-
424
Abbildungsverzeichnis
Abb. 43.
Abb. 44.
Abb. 45.
Abb. 46.
Abb. 47.
Abb. 48.
Abb. 49.
Abb. 50.
Abb. 51.
Museum. Potsdam 2003, Kat. Nr. 5.4.11 [dort datiert auf „um 1820“], S. 253). ....................................................................................................................308 Henri Francois Gabriel Viollier (1750-1829): Schicksalsurne im Familienhain, 1789, Zeichnung für die Knopfserie zu Pawlowsk, Papier, Tusche, Feder, Durchmesser 2,9 cm. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Abb. 4, S. 412)..... .........................................................311 Denkmal für die Großfürstin Aleksandra Pavlovna (1783-1801), (Autor unbekannt), 1820er Jahre, Pinsel, Aquarell, Gouache, 36x27 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-25. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloß Pawlowsk, Kat. Nr. 167a, S. 263) .......................................................315 Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (1790- ?): Rozovyj pavil’on/Le pavillon des roses [Pavillon der Rosen], 1824. Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-286/5 (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawowsk, Kat. Nr. 176, S. 276).................................................................................................................324 Allee im Eigenen Gärtchen in Pawlowsk, ca. 1820, (Autor unbekannt), Aquarell. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk. (Aus: Dimitri Shvidkovsky, The Empress & the Architect. British Architecture and Gardens at the Court of Catherine the Great, New Haven, London 1996, S. 159, Abb. 184)...........339 Aleksandr Burgeev (1745- ?): Blick auf den Elisabeth-Pavillon im Park von Pawlowsk, 1803, Feder, Pinsel, Tusche, Aquarell, 42,4x58 cm. (Blatt aus dem „Atlas des Schlosses Pawlowsk samt Gärten [..] des Jahres 1803 entsprechend“. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. Č-1044/63). (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk, Kat. Nr. 151, S. 221)................354 Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (1790- ?): Vorota v park/La pforte du Jardin [Gartentor], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/1. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk, Kat. Nr. 163, S. 247). ....................................................................................................................365 Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (1790 - ?): Ferma/ La Ferme [Bauernhof], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/3. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk, Kat. Nr. 160, S. 241)................368 Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (1790- ?): Semejnaja rošča/ Le bois de famille [Familienhain], 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 9,7x7,7 cm. St. Petersburg, GMZ Pavlovsk, Inv.-Nr. R-286/2. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk, Kat. Nr. 167, S. 261)..................................................................................................371 Vasilij A. Žukovskij (1783-1852)/August Philipp Clara (1790- ?): Ruine des Apollo-Tempels, 1824, Aquatinta, Aquarell, Gouache, 7,7x9,7 cm. GMZ Pavlovsk, Inv. Nr. R-286/6. (Aus: Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin im Schloss Pawlowsk, Kat. Nr. 148, S. 219)...................................................375
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Orts- und Personenregister
Orts- und Personenregister Die kursiv markierten Seitenzahlen beziehen sich auf Erwähnungen von Autorinnen und Autoren der Forschungsliteratur innerhalb des Anmerkungsapparats. Annnengof Siehe Golovins Garten Anton Ulrich von BraunschweigWolfenbüttel (1714-1776) 146 Apel, Friedmar 14, 54, 243 Arkhanguelski, Alexandre 60, 75 Arnautova, Julija E. 74 Aronova, Alla A. 117 Artem’eva, T. V. 174 Assmann, Aleida 44, 69, 74, 79, 80, 86, 87, 90 Assmann, Jan 45, 69, 74, 79, 80, 81, 86, 87, 88, 89 Athen 40 Attiret, Jean Denis (1702-1768) 283 Aurova, Nadežda N. 55 Auserve, Philippe 343 Averin, Boris V. 74
A Addison, Joseph (1672-1719) 12, 28, 129, 231 Adelung, Friedrich von (1768-1843) 67, 97, 98, 284, 323 Ahrbeck-Wothge, Rosemarie 250 Albrecht, Corinna 14, 23, 88, 188 Aleksandr Pavlovič Kaiser von Russland (1777-1825, seit 1801 Alexander I.) 20, 40, 233, 234, 242, 243, 254, 255, 264, 267, 302 Aleksandra Pavlovna, Erzherzogin von Österreich (1783-1801) 313, 315, 330, 362 Aleksandrova Dača Siehe Alexandrowa Datscha Aleksej Michajlovič Zar von Russland (Romanov, 1629-1676) 32, 99, 101, 113, 115, 143, 146, 172 Aleksej Petrovič, Großfürst (1690-1718) 145 Alexander I. Siehe Aleksandr Pavlovič Alexandrowa Datscha (Aleksandrova Dača), St. Petersburg 33, 177, 231, 233, 234, 236, 248, 249, 253, 255, 256, 263, 265, 266, 267, 293 Anciferov, Nikolaj 62 Anderson, Benedict 69 Anisimova, Ekaterina 307, 362 Anna Ivanovna (Ioannovna) Kaiserin von Russland (1693-1740) 119, 145, 148, 151, 153 Anna Leopoldovna (geb. Elisabeth Christiane von MecklenburgSchwerin, 1718-1746) 146 Anna Petrovna Herzogin von HolsteinGottorp (geb. Romanova, 1708-1728) 146 Annenskij, Innokentij F. (1855-1909) 50, 51, 52, 53, 54, 57, 58, 62, 70
B Babel, Rainer 288 Bach, Carl Philipp Emanuel (1714-1788) 150 Bach, Robert (1859-1933) 47, 48 Bachtin, Michail M. (1895-1975) 23, 77, 78 Bacmeister, Hartwig Ludwig Christian (1730-1806) 33, 240, 241, 249 Bacon, Sir Francis (1561-1626) 128, 129 Baehr, Stephen Lessing 10, 171 Bakunin, Aleksandr M. (1768-1854) 35 Baridon, Michel 9 Barisien (Bariz’en), Friedrich Hartmann (1724 -1796) 166, 169, 175 Basedow, Johann Bernhard (1724-1790) 250, 251, 252 Batorevič, Natalija I. 158, 187 Bay, Hansjörg 67, 68 Baženov, Vasilij Ivanovič (1738-1799) 186, 187 Bechtoldt, Frank-Andreas 148 Beck, Thomas E. 11, 93
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Russisch Grün Busch, Johann (um 1725-1795) 18, 32, 192, 193, 194, 195, 196, 206, 207, 264, 278 Busch, Joseph (1760-?) 206, 207 Bushkovitch, Paul 97 Buttlar, Adrian von 13, 14, 25, 53, 111, 171, 174, 176, 189, 215, 220, 226, 272, 279, 280, 282, 284, 309 Butzer, Günter 10, 45, 57, 59
Becker, Wilhelm Gottlieb (1753-1813) 202, 207, 285, 379 Beise, Arnd 59 Beissner, Friedrich 363 Belavskaja, K.P. 294 Belger, Herold 71 Belinskij, Vissarion Grigor’evič (18111848) 166, 360, 361 Bendix, Reinhard 68, 91 Berger, Joachim 276, 316 Bergholz, Friedrich Wilhelm von (gest. 1765) 119 Bergmann, Ernst 226 Berns, Jörg Jochen 144, 182, 288 Bespjatych, Jurij N. 135, 384, 391 Bezborodko, Aleksandr Andreevič (17461799) 235, 236, 293, 306 Bidloo, Nicolaas (1673/74-1735) 31, 99, 117, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 148 Bil’basov, Vasilij A. (Bilbassoff, Basil von) 176, 251 Binder, Beate 61 Blumenberg, Hans 110 Bodmer, Johann Jakob (1698-1783) 349 Boetticher, Manfred von 146, 147 Bogdanov, Andrej I. (1692-1766) 140 Böger, Ines 246 Bohrer, Karl Heinz 347 Boldevitz, Insel Rügen 295 Bolotov, Andrej Timofeevič (1738-1833) 49, 50, 194, 217, 224, 249, 306 Bonaparte, Napoléon (1769-1821) 20 Borisova, Elena A. 187, 233 Borovikovskij, Vladimir Lukič (17571825) 225, 227 Bortnjanskij, Dmitrij Stepanovič (17511825) 293 Boym, Svetlana 75 Brajсeva, Ol’ga I. 234, 235 Brenna, Vincenzo (1745-1820) 299, 300, 301, 304, 305 Brock, Annedore 351 Brown, Lancelot Capability (1716-1783) 12, 184, 192 Bruin (Bruyn), Cornelis De (1652-1727) 118 Buccaro, Alfredo 196 Budylina, Marija V. 234, 235 Bühren (Biron), Peter von (1690-1772) 145 Burgeev, Aleksandr (1745- ?) 354 Burke, Peter 23, 82, 350
C Cameron, Charles (1736/1745-1812) 189, 206, 235, 278, 279, 280, 284, 296, 299, 301, 304, 353 Caricyno Siehe Zarizyno Carl Eugen Herzog von Württemberg (1728-1793) 189, 195, 275, 284 Caroline Henriette Christiane Landgräfin von Hessen-Darmstadt (geb. Pfalzgräfin zu Zweibrücken, 17211774) 195 Carskoe Selo Siehe Zarskoe Selo Castell, Robert (gest. 1729) 61 Caylus, Anne Claude Philippe de Thubières Comte de (1672-1765) 198, 203 Čevakinskij, Savva Ivanovič (1713 - nach 1770) 162, 164, 186 Chačaturov, Sergej 187 Chambers, William (1723-1796) 184, 185, 283 Chantilly, Département Oise 288, 289, 290, 300, 314 Charlamova, Anna M. 234, 235 Charlotte Christine Sophie von Braunschweig-Wolfenbüttel (16941715) 145 Charlottenburg (Lietzenburg), Berlin 246, 247, 276 Chiswick, London 12, 147, 183 Chruščov, Ivan P. 176 Cicero, Marcus Tullius 11 Čistovič, Jakov 120 Civ’jan, Tat’jana V. 18, 130 Čiževskij, Dmitrij 110 Clara, August Philipp (1790-nach 1845) 324, 359, 365, 368, 371, 375 Clifford, Derek 9, 24 Cloase, Thomas 192 Collmer, Peter 68 Conan, Michel 9 Condé, Louis Joseph de Bourbon prince de (1736-1818) 289, 314
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Orts- und Personenregister Cooper, Anthony Ashley 3rd earl of Shaftesbury (1671-1713) 12 Cradock, Joseph (1742-1826) 253 Cross, Antony G. 142, 184, 185, 192, 255, 256
245, 251, 253, 255, 256, 262, 266, 275, 278, 280, 296, 297, 324, 352 Ekaterina Ivanovna (1691-1733, seit 1716 von Mecklenburg-Schwerin) 145 Ekaterina Pavlovna von HolsteinOldenburg, von Württemberg (17881818) 330 Ekateringof Siehe Katharinenhof Elena Pavlovna Herzogin von Mecklenburg-Schwerin (1784-1803) 330 Elizaveta Petrovna Kaiserin von Russland (1709-1762, seit 1741 Elisabeth I.) 32, 146, 147, 151, 152, 153, 156, 157, 161, 162, 166, 167, 172, 181 Ëlkina, A.S. 273 Ely, Christopher 14 Engelhardt (Engel’gard), Georg Reinhold Gustav (1775-1862) 42, 70 Erëmin, Igor’ P. 104, 108, 143 Erll, Astrid 43, 44, 79, 80, 81, 85, 86, 89, 90 Espagne, Michel 22, 73, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 91, 92 Étupes, Montbéliard 34, 276, 277, 283, 285, 288, 311, 314, 316 Evangulova, Olga S. 120, 121, 149, 153, 154, 162
D D’Alembert, Jean-Baptiste le Rond (17171783) 293 Damm, Siegrid 325, 326 Daškova, Ekaterina Romanovna (geb. Voroncova, 1743-1810) 184 Delille, Jacques (1738-1813) 18, 34, 65, 291, 327, 341, 342, 343, 344, 345, 346, 347 Deržavin, Gavriil R. (1743/45-1816) 48, 52, 53, 54, 205, 226, 227, 234, 236, 245, 255 Diderot, Denis (1713-1784) 176, 293 Dmitriev, Viktor 255, 293 Dmitrieva, Ekaterina E. 22, 55, 75, 132, 215, 235 Dongowsky, Christina 13, 58 Dostoevskij, Fëdor M. (1821-1881) 53, 316 Drude, Gerhard 195 Du Halde, Jean Baptiste (1674-1743) 283 Dubjago, Tat’jana B. 17, 99, 100, 101, 114, 121, 133, 134, 149, 158, 159, 160, 162, 164, 165, 166, 187 Ducamp, Emmanuel 275 Ducros, Abraham Louis Rodolphe (17481810) 294, 295 Dumschat, Sabine 120 Dürbeck, Gabriele 170, 217 Džunkovskij, Stepan S. (1763-1839) 33, 236, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 262, 264, 265, 267, 293
F Faizova, Irina V. 148 Favorita, Wien 144 Fëdorov-Davydov, Aleksej A. 136 Fel’ten, Jurij Siehe Veldten Fénelon, François de Salignac de La Mothe (1651-1715) 245, 246, 247, 248, 266 Floryan, Margrethe 18 Foght (Focht), Johann Caspar (geb. 1690) 160, 161 Folena, Gianfranco 300 Förster, Johann Christian (um 16601747) 157, 158, 160, 172 Förster, Nicolai 136 Foucault, Michel (1926-1984) 10, 11, 27, 28, 112, 321 Fouquet, Nicolas (1615-1680) 12, 122 Francke, August Hermann (1663-1727) 250 François , Etienne 60 Franz, Eckhard G. 147 Franz, Norbert 66 Franzen, Brigitte 12 Frey, Daniel 363
E Ehlich, Konrad 87 Ehrenmalm, Lars Johan (1688-1774) 134 Eichstädt, Hildegard 375 Ekaterina Alekseevna Kaiserin von Russland (geb. Martha Skavronskaja, verh. Kruse, seit 1725 Katharina I., 1684-1727) 145, 157, 158, 159, 161 Ekaterina Alekseevna Kaiserin von Russland (geb. Sophie Friederike Auguste von Anhalt-Zerbst, seit 1762 Katharina II, 1729-1796) 32, 33, 67, 146, 147, 148, 150, 157, 176, 177, 183, 185, 194, 195, 196, 198, 202, 204, 216, 217, 225, 227, 231, 233, 234, 239, 242,
429
Russisch Grün Friederike Sophie Dorothée, Herzogin von Württemberg (1736-1798) 314 Friedrich II. König von Preußen (Friedrich der Große, 1712-1786) 246, 275, 276 Friedrich Wilhelm von Kurland (16921711) 145 Froesch, Anette 184, 272 Frühe, Ursula 10 Fuchs, Thomas 116
Gorochov, Vladislav A. 13, 17, 99, 100, 101, 110, 233, 300 Gothein, Marie Luise 9 Gottsched, Johann Christoph (1700-1766) 150, 170, 171 Goya y Lucientes, Francisco (1746/561828) 201, 350 Grabar’, Igor’ Ė. 164 Grabes, Herbert 90 Grasshoff, Annelies 335 Grasshoff, Helmut 240 Grathoff, Dirk 56 Gray, Thomas (1716-1771) 218, 361 Grimm, Friedrich Melchior Freiherr von (1723–1807) 176 Grimm, German G. 236, 303 Grjaznova, Natalja 233 Grohmann, Johann Christian August (1769/1770 - 1847) 332 Gröning, Gert 25 Grot, Jakov K. 42, 176, 205, 226, 255 Groys, Boris 79 Guitton, Édouard 343 Günter, Manuela 59 Gurenok, Marta K. 103 Guzanov, Aleksej 272, 287
G Gabovič, Michail 75 Gaimer, Peter 204 Gamper, Michael 13, 15, 16, 27, 60, 168, 173, 217, 220, 224, 226, 262, 265, 266, 311, 314, 321, 326, 327, 331, 332, 333 Garber, Klaus 130, 285 Gasparov, Michail L. 74, 363 Gaßner, Hubertus 273 Gattschina (Gatčina), St. Petersburg 289, 302, 314, 359 Geier, Wolfgang 97 Gérard, Nicolas 164 Gerasimov, I.V. 68 Gerhard, Johann Conrad (Ivan Gerard, 1720-1808) 200 Gerndt, Siegmar 16 Geßner, Salomon (1730-1788) 282, 291 Gestwa, Klaus 183 Giesen, Bernhard 68, 91 Ginzburg, Carlo 84 Girardin, René-Louis de (1735-1808) 327 Glebov, S.V. 68 Glinka, Fëdor N. (1786-1880) 310, 333 Glumov, Aleksandr N. 235 Goethe, Johann Wolfgang von (17491832) 295, 317, 363, 375 Golovin, Fëdor A. (1650-1706) 31, 99, 113, 117, 119, 148, 149 Golovins Garten (Golovinskij sad, Annengof), Moskau 31, 101, 118, 119, 120, 122, 144, 148, 149, 151, 153, 162, 271 Golovinskij sad Siehe Golovins Garten Gombrich, Ernst H. 84 Gonzaga, Pietro di Gottardo (1751-1831) 193, 299, 302, 303, 304, 305, 306, 354, 355 Gorbatenko, Sergej B. 140 Gorbatov, Inna 176 Gordeev, Fëdor Gordeevič (1744-1810) 280 Görling, Reinhold 23, 28, 30, 76
H Haaser, Rolf 13, 58 Habermann, Sylivia 246 Habiger, Mechthild 246 Hackert, Jakob Philipp (1737-1807) 225, 295 Hagley, Worcestershire 189 Hahn, Susanne 251 Hajós, Géza 14 Halbwachs, Maurice (1877-1945) 44, 75, 85, 89 Hall, Stuart 91 Hamann, Christof 23 Hampton Court 192 Hardmeier, Christof 87 Hardt, Michael 23 Harer, Klaus 150 Hartknoch, Johann Friedrich 240, 330 Hartmann, Günter 53 Hartmann, Lucrezia 349 Haverkamp, Anselm 23, 74, 93 Hayden, Peter 18, 90, 272 Hecker, Anja 307 Heier, Edmund 293 Held, Jutta 116, 285 Helm, Jürgen 250 Hennebo, Dieter 14
430
Orts- und Personenregister Herder, Johann Gottfried (1744-1803) 363 Herrmann, Dagmar 146, 167 Herrmann, Hans Peter 67, 170 Herzog, Günter 14 Heyne, Christian Gottlob (1729-1812) 33, 241, 242, 249 Hildemeier, Manfred 68 Hirsch, Erhard 184, 250, 317 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz (17421792) 9, 15, 49, 50, 56, 141, 150, 186, 208, 224, 249, 258, 262, 264, 265, 266, 271, 276, 284, 291, 296, 312, 321, 332, 351, 352 Hobsbawm, Eric 25, 69, 79 Hoffmann, Alfred 14 Hofmann, Werner 351 Hofmeister, Johann Lorenz 251 Hohenheim, Stuttgart 189, 195, 271, 284, 288, 290, 352 Holm, Christiane 195, 317 Hölscher, Tonio 45, 80 Hooghe, Romeyn de (1645-1708) 117 Horatius Flaccus, Quintus (65 v. Chr.-8 v. Chr.) 53, 54, 61, 174 Hunt, John Dixon 11, 12, 13, 16, 26, 49, 174, 207
K Kahlenborn, Ulrike 375 Kalesse, Andreas 307 Kambartel, Walter 118 Kammerer-Grothaus, Helke 246 Kanz, Roland 49, 201, 348 Kaplunovskij, A.P. 68 Kapnist, Vasilij Vasil’evič (1757-1824) 342 Kapp, Volker 247 Karabanov, Pëtr Matveevič (1764-1829) 342 Karamzin, Nikolaj M. (1766-1826) 48, 323, 342, 356 Karl Friedrich Herzog von HolsteinGottorp (1700-1739) 147 Karl Leopold von Mecklenburg-Schwerin (1679-1747) 145 Karpeev, Engel’ P. 166 Katharina I. Siehe Ekaterina Alekseevna Katharina II. Siehe Ekaterina Alekseevna Katharinenhof (Ekateringof), St. Petersburg 31, 137, 158, 159, 161, 186, 187, 201 Každan, Tat’jana P. 186 Keck, Rudolf W. 250 Kehn, Wolfgang 14, 15, 16, 186, 217, 321 Keller, Mechthild 21, 171, 195 Kemper, Dirk 56 Kent, William (1685-1748) 12, 184, 306 Kew Gardens, London 306 Kirstin, Dickhaut 79 Kivelson, Valerie 103 Kjučarianc, Džul’etta 163, 196, 202, 206 Klemperer, Viсtor 342 Klinger, Friedrich Maximilian (17521831) 34, 291, 292, 303, 323, 330, 349 Klostermann, Ute 13, 53, 58, 198, 284, 285, 291, 352 Knabe, Georgij 218 Knapas, Rainer 293 Kobeko, Dmitrij 280 Köbner, Thomas 54 Kočetkova, Natal’ja D. 252, 330, 374 Koch, Kristine 66 Koch, Manfred 54 Kocka, Jürgen 19 Köhler, Marcus 18, 192, 194, 195, 196, 207, 244 Kokorinov, Aleksandr F. (1726-1772) 186 Kolomenskoe, Moskau 100, 101, 102, 115 Kondakov, Michail (gest. 1760) 165, 186 König, Gudrun M. 221, 306
I Il’in, Trifon (gest. 1781) 192 Ismajlowo (Izmajlovo), Moskau 30, 31, 99, 101, 102, 103, 104, 105, 110, 111, 112, 113, 115, 118, 133, 136 Ivan Alekseevič Zar von Russland (16661696) 145, 146 Ivan Antonovič Kaiser von Russland (1740-1764) 146, 147, 151 Ivanov, P.K. 176 Ivanova, Natal'ja 66, 191 Iversen, Julius 210 Izmajlovo Siehe Ismajlowo
J Jacob, Joachim 10 Januš, Boris 234, 275 Jöchner, Cornelia 144, 288 Jong, Erik de 14, 122, 125, 129 Joseph I. deutscher Kaiser (1678-1711) 144 Joseph II. Kaiser, Erzherzog von Österreich (1741-1790) 280, 325 Juranek, Christian 250 Jusupov, Nikolaj Borisovič (1750-1831) 300
431
Russisch Grün Leopold Friedrich Franz Fürst von Anhalt-Dessau (1740-1817) 147, 148, 184, 250 Leopold I. deutscher Kaiser (1640-1705) 144 Lepenies, Wolf 93 Letnij sad Siehe Sommergarten Leuschner, Ulrike 195 Levšin, Vasilij Alekseevič (1746-1826) 333 Lezay-Marnésia, Claude-François-Adrien de (1735-1810) 327 Lichačëv, Dmitrij S. (1906-1999) 17, 62, 100, 173, 324, 374 Lietzenburg Siehe Charlottenburg Ligne, Charles-Joseph de (1735-1814) 141, 202, 203, 205, 207, 208, 284, 285, 352 Lipp, Wilfried 14, 49, 50 Lisovskij, Vladimir 303 Lobsien, Eckard 14 Locke, John (1632-1704) 12, 28, 61 Lomonosov, Michail V. (1711-1765) 32, 48, 53, 54, 150, 166, 167, 168, 170, 171, 172, 173, 174, 181, 182, 211, 212, 213, 215, 216, 218, 254 Lotarëva, Dar’ja D. 55 Lotman, Jurij M. (1922-1993) 18, 29, 41, 65, 73, 74 , 75, 76, 77, 78, 79, 81, 88, 342 Loudon, John Claudius (1783-1843) 254, 293 Ludwig XIV. (Louis XIV, le Grand, 16381715) 12, 245 Luise Henriette Wilhelmine Fürstin von Anhalt-Dessau (geb. von Brandenburg-Schwedt, 1750-1811) 147, 184, 272 Luisium, Dessau 148, 184, 272, 399, 412 Lukomskij, Georgij K. (1884-1952) 55, 278 Luks, Leonid 25 Lur’e, Feliks M. 55 Lüsebrink, Hans-Jürgen 82 Luserke-Jaqui, Mathias 195
Konstantin Pavlovič Großfürst (17791831) 33, 239, 241, 242, 243, 255, 261, 293 Kopelew, Lew 21, 145, 171 Korolëva, Nina V. 64 Koschorke, Albrecht 14, 88, 171, 188 Koval’, Ljudmila V. 282 Kovrigina, Vera A. 113, 114, 120, 122, 125 Krašeninnikov, Arkadij F. 279, 280, 281, 353 Krünitz, Johann Georg (1728-1796) 185 Küchelbecker, Karl (1748-1809) 66, 254, 296 Küchelbecker, Wilhelm (Vil’gelm Karlovič Kjuchel’beker, 1797-1846) 64, 65, 373 Kučumov, Anatolij M. 273, 275 Kulešov, Vasilij 64 Kupcova, Olga N. 55, 132, 215 Kurbatov, Vladimir J. 9, 17, 282 Kurz, Gerhard 171, 172, 292 Kuvakin, Ivan (geb. 1751) 206 Kvasov, Andrej Vasil’evič (gest. nach 1774) 153, 162
L L’vov, Nikolaj A. (1753-1803) 33, 234, 235, 237, 250, 293, 306, 342 La Harpe, Frédéric César de (1754–1838) 264 La Harpe, Jean François (1739–1803) 291 Lablaude, Pierre-André 277 Lachmann, Renate 53, 54, 64, 69, 74, 79, 106 Lafermière, Franz Hermann (1737-1796) 292, 293 Langenohl, Andreas 69, 74, 75 Lapteva, Tat’jana A. 101 Latapie, François-de-Paule (1739-1823) 185 Lauterbach, Iris 14, 283, 289 Lavater, Johann Kaspar (1741-1801) 291 Le Blond, Jean Baptiste Alexandre (16791719) 24, 139, 158, 164 Le Nôtre, André (1613-1700) 12, 200, 306 Lebedev, Dmitrij M. 136 Lefort, Franz (1656-1699) 114, 116, 125 Lehmann-Carli, Gabriela 176 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646-1716) 246 Lenz, Christian David (1720-1798) 325 Lenz, Jakob Michael Reinhold (17511792) 34, 250, 280, 325, 326, 327
M Machaev, Michail I. (1718-1770) 162 Machern, Leipzig 331 Mai, Ekkehard 16, 69, 120, 121, 173, 174, 189, 190, 191, 201, 204, 296, 297, 348, 350, 351 Majunke, Cornelia 61 Makogonenko, G.P. 173 Malinovskij, Vasilij F. (1765-1814) 142
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Orts- und Personenregister Maria Pavlovna Großherzogin von Sachsen-Weimar (1786-1859) 316, 330 Marija Fëdorovna Kaiserin von Russland (geb. Sophia Dorothea Auguste Luise von Württemberg-Montbéliard, 17591828) 33, 34, 177, 195, 207, 233, 236, 239, 244, 253, 254, 259, 271, 272, 275, 276, 278, 284, 287, 291, 294, 297, 306, 309, 311, 313, 314, 324, 325, 330, 334, 338, 341, 356, 373 Marija Il’inična Zarin von Russland (geb. Miloslavskaja, 1625-1669) 146 Marivaux, Pierre Carlet de Chamblain de (1688-1763) 246 Martini, Wolfram 284 Martos, Ivan Petrovič (1754-1835) 48, 362 Mason, George (1735-1806) 185 Massie, Suzanne 275, 305 Masson, Charles François Philibert (17621807) 254, 255 Matthes, Eckhard 135, 136 Matveev, Artemon S. (1625-1682) 120, 138 Matveev, Ivan 134 Medvedkova, Olga 139 Menšikov, Aleksandr D. (1673-1729) 116, 145, 202 Merck, Johann Heinrich (1741-1791) 195 Merten, Kai 67, 68 Merten, Klaus 276 Mertner, Edgar 361 Meyer, Rudolf 114, 143, 317 Meyerberg, Augustin Meyer von (16291676) 114, 115 Michailovskij, I.B. 235 Michel, Paul 168 Middell, Matthias 82, 84, 85, 91, 92 Mikešin, M.I. 174 Miltenov, Petrana 196 Milton, John (1608-1674) 128 Mineeva, Klavdija 187 Mischenskoe, Tula 356, 359 Modrow, Bernd 147 Mogil’ner, M.B. 68 Monrepos, Vyborg 292, 293 Montferrand, August (1786-1858) 187 Moritz, Annette 71 Morozov, Aleksandr 166 Mosser, Monique 240 Müller, Alexandra 359 Müller, Winfried 63, 64 Müller-Wille, Staffan 110, 112
Münnich (Minich), Burkhard Christoph von (1683-1767) 145, 164 Muraro, Maria Teresa 300 Murašov, Jurij 166 Musikijskij, Grigorij S. (1660/1671-1739) 161
N Nartov, Andrej Konstantinovič (16931756) 163 Naryškin, Ivan K. (1658-1682) 113 Naščokina, Marija V. 35 Natal’ja Alekseevna Großfürstin (geb. Wilhelmine von Hessen-Darmstadt, 1755-1776) 195, 213 Natal’ja Kirillovna Zarin von Russland (geb. Naryškina, 1651-1694) 146 Nattier, Jean-Marc 161 Neelov, Il’ja Vasil’evič (1745-1793) 190, 206 Neelov, Pëtr Vasil’evič (1749-1848) 192, 206 Neelov, Vasilij (1722-1782) 188, 189, 190, 191, 192, 196, 199, 200, 204, 206, 207 Negri, Antonio 23 Nesin, Vadim 233, 275 Neuber, Wolfgang 182 Newman, Johnson 185 Nicolai, Christoph Friedrich (1733-1811) 241, 291, 292, 332 Nicolay, Ludwig Heinrich (1737-1820) 34, 284, 291, 292, 293, 296 Niedermeier, Michael 250, 251 Nikitina, Alla B. 236 Nikulina, Natalija I. 235 Nima-Rolf, Magdalena 251 Nivat, Georges 60, 75 Nora, Pierre 60, 75 Nünning, Ansgar 23, 44, 79, 82, 90 Nünning, Vera 23, 44, 82 Nys, Philippe 240
O O’Sullivan, Donald 25 Odoevskij, Vladimir F. (1804-1869) 65 Oesterle, Günter 13, 27, 28, 44, 53, 58, 60, 62, 171, 198, 251, 262, 284, 285, 288, 291, 309, 349, 350, 352 Oesterle, Ingrid 56 Oexle, Otto Gerhard 74 Oranienbaum, St. Petersburg 31, 137, 141, 159, 163, 202, 203, 204, 206 Orlov, Aleksej Grigor'evič (1737-1807) 225, 226
433
Russisch Grün Orlov, Fëdor Grigor'evič (1741-1796) 197 Ortland, Eberhard 26, 61, 350 Ostermann, Heinrich Johann Friedrich (1687-1747) 145
121, 122, 125, 134, 137, 140, 141, 144, 145, 146, 147, 148, 152, 157, 158, 172, 246, 262 Petrov, Anatolij N. 159, 160, 161, 162, 164, 165, 166, 174, 188, 189, 190, 192, 195, 196, 197, 206, 207 Petrova, Evgenija N. 196, 197, 206 Pfaueninsel, Potsdam 164 Pfeiff, Ruprecht 245 Pfeiffer, Gerhard 246 Piatti, Barbara 316 Picart (Pickaerdt), Pieter (1668/69-1732) 117, 137 Pigeaud, Jackie 345 Pil’nikov, Grigorij (1755-1818) 279 Pindaros (518 v. Chr. - nach 445 v. Chr.) 213, 214, 217, 218 Piper, Jan 26, 61 Piranesi, Giovanni Battista (1720-1778) 189, 300, 350 Planert, Ute 67 Platner, Ernst (1744-1818) 226 Pod’’japol’skij, Sergej 100 Pogosjan, Elena A. 18, 151, 156, 167, 171, 172, 182, 211, 213, 216 Pope, Alexander (1688-1744) 26, 36, 61, 183, 352 Popovka, Char’kov 327 Posner, Roland 77 Posselt, Moritz C. 114 Potëmkin-Tavričeskij, Grigorij Aleksandrovič (1736/39-1791) 280 Preobraschenskoe (Preobraženskoe), Moskau 101, 102, 143 Preobraženskoe Siehe Preobraschenskoe Prior-Park, Bath 189 Protas’eva, Tat’jana P. 106 Pubinštejn, A.M. 48 Pumpjanskij, Lev V. 218 Puščin, Ivan I. (1798–1859) 40 Puškin, Aleksandr Sergeevič (1799-1837) 20, 39, 40, 41, 42, 43, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 57, 59, 62, 65, 69, 70, 225, 227 Puttkamer, Joachim von 316
P Palentreer, Sof’ja N. 99, 103, 112 Palicyn, Aleksandr A. (um 1750-1816) 65, 327, 342 Palladio, Andrea (1508-1580) 189, 208, 278, 300, 351, 382 Pallas, Peter Simon (1741-1811) 167, 196, 306 Panin, Nikita Ivanovič (1718-1783) 280 Pannini, Giovanni Paolo (1698-1768) 189 Paravicini, Werner 288 Paul I. Siehe Pavel Petrovič Pavel Petrovič Kaiser von Russland (1754-1801, seit 1796 Paul I.) 33, 177, 195, 207, 213, 233, 239, 253, 275, 276, 277, 280, 287, 292, 293, 294, 297, 302, 313, 323, 325, 326, 341 Pavlovsk Siehe Pawlowsk Pawlowsk (Pavlovsk), St. Petersburg 33, 34, 60, 66, 141, 177, 189, 193, 206, 207, 220, 233, 234, 235, 236, 253, 254, 263, 271, 272, 273, 275, 276, 277, 278, 279, 282, 283, 284, 285, 286, 288, 291, 293, 294, 295, 296, 297, 299, 300, 301, 302, 305, 306, 307, 309, 310, 311, 313, 314, 315, 316, 322, 323, 324, 325, 326, 328, 329, 330, 331, 333, 334, 335, 336, 338, 341, 342, 343, 344, 346, 347, 348, 349, 350, 353, 355, 356, 359, 360, 361, 363, 367, 372, 373, 374, 375, 376 Pein, Annette 375 Peresinotti, Antonio (1708-1778) 201, 202 Perry, John (1670-1732) 98, 99, 140, 141 Peskov, Aleksej M. 41, 78 Peter I. Siehe Petr Alekseevič Peter II. Alekseevič Kaiser von Russland (1715-1730) 145 Peter III. Fëdorovič Kaiser von Russland, Herzog von Holstein-Gottorp (17281762) 146, 147, 150 Petergof Siehe Peterhof Peterhof (Petergof), St. Petersburg 24, 30, 31, 122, 136, 140, 141, 159, 194, 213, 325, 359 Pethes, Nicolas 28, 50, 250 Petit Trianon, Versailles 277, 291 Petr Alekseevič Kaiser von Russland (1672-1725) 20, 107, 116, 119, 120,
R Radionov, Petr 165 Radiščev, Aleksandr Nikolaevič (17491802) 252 Rahn, Thomas 144, 288 Rak, Vadim D. 64 Rapp, Gottlob Heinrich von (1761-1832) 284, 290, 291
434
Orts- und Personenregister Rastrelli, Carlo Bartolomeo (1675-1744) 148 Rastrelli, Francesco Bartolomeo (17001771) 148, 149, 151, 153, 162, 163 Rees, Joachim 189, 198, 201, 204, 228, 266, 288, 348, 350, 351 Reinalter, Helmut 335 Rejtblat, Abram I. 40 Remorova, Nina B. 363 Renard, Louis 287 Rentrup, Konrad 336 Repina, Lorina P. 74 Repton, Humphrey (1752-1818) 12 Reutenfels, Jacob 101, 102, 104, 110 Reutern, Gerhard von (1785-1858) 357 Rheinsberg, Berlin-Brandenburg 276 Riedel, Wolfgang 217, 221 Rieger, Max 291 Rieger, Stefan 23 Rinaldi, Antonio (1709-1794) 163, 196, 197, 202, 204, 207, 223 Ritter, Joachim 14 Robinson, Michail A. 104 Roche, Denis 294 Roosen (Rozen), Jan (gest. 1726) 160, 161 Rossbach, Nikola 195 Rossi, Carlo (Charles, Karl Ivanovič, 1775-1849) 285, 306, 307, 308, 362 Rostovcev, Aleksej (1670er-1730er) 137 Rousseau, Jean Jacques (1712-1778) 176, 188, 314, 316 Rovinskij, Dmitrij A. 117, 152, 156, 166, 359 Rudenskaja, Svetlana D. 40, 41, 59 Rüffer, Michael 147 Rumjancev, Pëtr Alexandrovič (17251796) 196, 221, 225 Ruoff, Eeva 293 Rüsen, Jörn 79, 90
Ščedrin, Semën Fedorovič (1745-1804) 191, 193, 207, 209, 228, 283 Schade, Hans 101 Schahadat, Schamma 23 Scharf, Claus 67, 251, 253 Scheidegger, Gabriele 29, 97 Scheiding, Oliver 79 Schenk, Frithjof Benjamin 69, 74 , 75 Schierle, Ingrid 67, 147, 151 Schiller, Friedrich (1759-1805) 221, 284, 291, 375 Schings, Hans-Jürgen 217 Schmale, Wolfgang 87 Schmauks, Dagmar 77 Schmidt, Christoph 29, 64, 69 Schmidt, Siegfried J. 86 Schneider, Helmut J. 14 Schneider, Ulrich 317 Schneider, Uwe 25 Schnoor, Johann Karl 185, 220 Schönle, Andreas 18, 75, 183, 203 Schoonebeck, Adrian (1661-1705) 117, 118, 119 Schreck, Rudolf 213 Schröder (Šreder), Konrad (1733-1757) 165 Schröter, Pavel Danilovič 304, 353 Schübler, Walter 195 Schulze, Hagen 60 Schulze, Sabine 16 Schumann, Jochen 335 Ščukin, Vasilij 36, 55 Seidlitz, Carl (Zejdlic) 323 Semenov, A.M. 68 Semënova, Galina V. 234, 307 Semenova, Lidija 66 Semevskij, Michail I. 233, 254, 275, 277, 285, 296, 346 Sergeev, Gavriil S. (1765/66-1816) 279, 301 Shaftesbury Siehe Cooper Sichert, Margit 90 Sieber, Cornelia 23 Siebers, Winfried 288 Siegmund, Andrea 53 Sil’vestr Medvedev (geb. Simeon, 16411691) 106 Simeon Polockij (1629-1680) 20, 30, 99, 104, 106, 107, 108, 109, 110, 112, 138 Sinn, Ulrich 40 Sitnikov, Ivan (1755-1781) 197 Skodock, Cornelia 149 Skorobogatov, Andrej V. 287 Smagina, Galina 66
S Saari mojs Siehe Zarskoe Selo Saltykov, Nikolaj Ivanovič (1736-1816) 113, 233, 267 Samanskaja, Ljudmila 375 Samborskij, Andrej A. (1732-1815) 142, 192, 254, 255, 292, 293, 294 Sanspareil, Bayreuth 246, 260, 261 Sanssouci, Potsdam 276 Šapir, Maksin I. 167, 172 Sautkina, Galina 233, 275 Savickij, Stanislav 361, 371, 374 Sazonova, Lidija I. 104, 106, 110, 113
435
Russisch Grün Šuvalov, Ivan Ivanovič (1727-1797) 174, 176, 184, 186 Švidkovskij, Dmitrij O. 184, 206, 233, 278, 293 Syrkina, Flora 193, 300, 302, 303, 305, 306 Syzmczyk-Eggert, Elisabeth 284
Smirnov, Igor’ P. 42, 74 Smoljan, Ol’ga 292 Smuda, Manfred 14 Snegirëv, Ivan M. 99, 101 Sofija Alekseevna Carevna (1657-1704) 106 Sokolov, Boris M. 53, 154, 184, 185, 234, 250, 307, 327, 333 Solov’eva, Tat’jana B. 101 Sommer, Roy 81 Sommergarten (Letnij sad), St. Petersburg 31, 99, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139, 160 Sophie Charlotte Königin von Preußen (1668-1705) 246, 247 South Lodge, Endfield 189 Šramm, K. 74 Stadničuk, Nina 275 Stählin Siehe Stählin-Storcksburg Stählin-Storcksburg, Jakob von (Jakov Jakovlevič Štelin, 1709-1785) 139, 150, 151, 154, 157, 158, 166, 172, 208, 271, 273 Stanevič, Evstafij I. (1775-1835) 65, 327 Steele, Sir Richard (1672-1729) 139 Stennik, Jurij 176 Stolberg, Friedrich Leopold (1750-1819) 292 Stollberg, Eva-Maria 68 Storch, Heinrich Friedrich von (Andrej Karlovič) (1766 - 1835) 34, 66, 67, 70, 141, 275, 293, 307, 310, 313, 314, 322, 323, 328, 329, 330, 331, 333, 334, 335, 336, 337, 338, 339, 340, 341, 342, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 353, 355, 356, 359, 361 Storch, Platon Andreevič (1809-1864) 275, 360 Stowe, Buckinghamshire 12, 147, 184, 189, 265 Strauß, Johann Baptist Jr. (1825-1899) 315 Strelna (Strel'na), St. Petersburg 141 Stroganov, Michail 235, 236, 373 Struys, Jan Janszoon (gest. 1694) 98 Suchodol’skij, Boris 201, 202 Sulzer, Johann Georg (1720-1779) 194, 217, 332 Sumarokov, Aleksandr P. (1718-1777) 173, 174, 194 Šumigorskij, Evgenij S. 272 Suslebina, Elena 66 Šuvalov, Andrej Petrovič (1744-1789) 291
T Tabarasi, Ana-Stanca 15 Taleporovskij, Vladimir N. (1884-1958) 235, 272, 273, 275, 277, 280 Tanner, Bernhard Leopold František 98, 114, 115 Tatarinov, Andrej 233, 235 Tausch, Harald 11, 13, 16, 27, 28, 50, 53, 171, 198, 200, 251, 262, 284, 285, 291, 309, 352 Theile, Wolfgang 342 Thiergen, Peter 67 Thomon, Thomas de (1759-1813) 362 Thum, Bernd 60 Tichonov, Jurij A. 103, 114 Tilgner, Hilmar 288 Tivoli, Rom 294, 295, 303 Tommek, Heribert 325 Toporov, Vladimir N. 361 Trediakovskij, Vasilij K. (1703-1768) 245, 252 Tretjakov, Nikolaj S. 273 Trezzini, Domenico Andrea (1670-1734) 139, 158 Tripton, Susan 245 Trotha, Hans von 260, 266 Tscherenzy (Čerency), Twer 235 Tumanova, Natal’ja 206 Twickenham, London 183 Tynjanov, Jurij (1894-1943) 64
U Uffelman, Dirk 74 Ugo, Sofia-Moretti 300 Uspenskij, Aleksandr I. 254, 285, 296 Uspenskij, Boris A. 29, 78 Utkin, Nikolaj I. (1780-1863) 225
V Vallin de Lamothe (Vallen de Lamot), Jean Baptiste Michel (1729-1800) 186 Vasil’ev, Boris 189, 190, 191, 206 Vasil’eva, Albina 275 Vaux-le-Vicomte 12, 122, 200 Veldten (Fel’ten), Georg Friedrich (17301802) 197, 199
436
Orts- und Personenregister Veltheim, Friedrich August von 194 Vergilius Maro, Publius (70 v. Chr.-17 v. Chr.) 31, 61, 130, 132, 174 Vergunov, Arkadij P. 13, 17, 99, 100, 101, 110, 233, 300 Versailles, Paris 12, 34, 139, 277, 288, 305, 341 Veselova, Aleksandra Ju. 17, 35, 55, 185, 194, 217, 236, 253, 333 Veselovskij, Aleksandr Nikolaevič (18381906) 357, 360, 376 Vëtševa, Natal’ja Ž. 360, 373 Vietta, Silvio 56 Villamov, Grigorij Ivanovič (Gregor Willamow, 1773-1842) 323, 324 Vinickij, Il’ja 334, 335, 357, 360, 361, 363, 367, 375, 376 Viollier, Henri Francois Gabriel (17501829) 286, 294, 311 Visconti, Carlo Domenico (Viskonti, David Ivanovič, 1772/74-1838/52) 353 Višnevskija, Inna 101 Vitjazeva, Vera A. 287, 296 Voejkov, Aleksandr Fedorovič (17781839) 65, 342, 356 Vogl, Joseph 93 Voigt, Christian Friedrich Traugott (1770-1814) 345 Volodichin, Dmitrij M. 101 Voltaire, François Marie Arouet de (16941778) 176, 194, 204 Voroncov, Michail Illarionovič (17141767) 174 Voronichin, Andrej N. (1759/60-1814) 285, 303, 304 Voss, Johann Heinrich (1751-1826) 292
Whately, Thomas (gest. 1772) 185, 283, 352 Wiebenson, Dora 14 Wierlacher, Alois 23 Wilhelmine von Beyreuth (geb. Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen, 1709-1758) 246 Willamov, Johann Gottlieb (1736-1777) 32, 53, 183, 210, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 323 Willamowius, Karl 213 Willemse, David 122, 132 Williamson, Tom 183 Wilton-House, Weltshire 189 Wimmer, Clemens A. 18, 195 Winkler, Martina 97 Winter, Eduard 167 Wittig, Michel 276 Wolcke, Christian Heinrich (1741-1825) 251, 252 Wolff, Larry 79 Wolschke-Bulmahn, Joachim 49 Wörlitz, Anhalt-Dessau 147, 148, 184, 202, 272, 316, 337, 351 Wormbs, Brigitte 351 Wortman, Richard S. 144, 152, 154, 245, 264 Wrigley, Richard 288 Wunderlich, Heike 14
Y Yates, Frances A. 182 Young, Edward (1683-1765) 255
Z Zabelin, Ivan E. 99, 101, 138 Zani, Ercole (1634-1684) 98, 114 Zareckij, A. R. 78 Zarizyno (Caricyno), Moskau 186, 187 Zarskoe Selo (Carskoe Selo), St. Petersburg 31, 32, 36, 39, 40, 42, 43, 44, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 57, 59, 60, 62, 63, 101, 144, 156, 157, 159, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169, 171, 172, 175, 176, 182, 183, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 195, 196, 197, 199, 200, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 239, 244, 254, 265, 271, 276, 278, 293, 296, 329, 338, 350, 351, 352, 359
W Wailly, Charles de (1729-1798) 186 Warburg, Aby (1866-1929) 84, 85 Warnke, Martin 84, 183 Weber, Friedrich Christian 97, 134, 135, 136 Weigel, Sigrid 28, 29 Weinberg, Manfred 23 Weis, Thomas 148 Weissenberger, Klaus 363 Wellmann, Angelika 221 Wenderholm, Iris 246, 247, 248 Wendland, Folkwart 196 Werner, Michael 22, 73, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 91, 92 Wettengl, Kurt 16
437
Russisch Grün Zeiher, Johann Ernst (1720-1784) 185, 391 Zelenova, Anna I. 273, 275 Zemcov, Michail G. (1684-1743) 138, 153, 161, 162 Zick, Gisela 275 Zimmermann, Bénédicte 82 Zimmermann, Johann Georg (1754-1829) 252, 253 Zimmermann, Reinhard 53
Žirmunskaja, N.A. 18, 343 Živov, Viktor: 29 Zorin, Andrej 243, 360 Zubov, Aleksej 136, 137, 159, 161 Žukovskij, Vasilij Andreevič (1783-1852) 34, 236, 237, 322, 323, 324, 330, 334, 356, 357, 359, 360, 361, 363, 364, 365, 366, 367, 368, 369, 371, 372, 373, 374, 375, 376 Zykova, E.P. 35
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Histoire Claudia Dittmar Feindliches Fernsehen Das DDR-Fernsehen und seine Strategien im Umgang mit dem westdeutschen Fernsehen Juli 2010, ca. 394 Seiten, kart., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1434-3
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Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hg.) Lexikon der »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 (2., unveränderte Auflage 2009) 2007, 398 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-773-8
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Petra Hoffmann Weibliche Arbeitswelten in der Wissenschaft Frauen an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1890-1945 Juli 2010, ca. 442 Seiten, kart., ca. 39,80 €, ISBN 978-3-8376-1306-3
David Kuchenbuch Geordnete Gemeinschaft Architekten als Sozialingenieure – Deutschland und Schweden im 20. Jahrhundert Juli 2010, ca. 410 Seiten, kart., ca. 37,80 €, ISBN 978-3-8376-1426-8
Rheinische Archivberatung – Fortbildungszentrum Brauweiler Landschaftsverband Rheinland (Hg.) Eine Gesellschaft von Migranten Kleinräumige Wanderung und Integration von Textilarbeitern im belgisch-niederländischdeutschen Grenzraum zu Beginn des 19. Jahrhunderts 2008, 200 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 21,80 €, ISBN 978-3-8376-1059-8
Timo Luks Der Betrieb als Ort der Moderne Zur Geschichte von Industriearbeit, Ordnungsdenken und Social Engineering im 20. Jahrhundert September 2010, ca. 334 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1428-2
Stefanie Michels Schwarze deutsche Kolonialsoldaten Mehrdeutige Repräsentationsräume und früher Kosmopolitismus in Afrika 2009, 266 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1054-3
Nina Möllers Kreolische Identität Eine amerikanische ›Rassengeschichte‹ zwischen Schwarz und Weiß. Die Free People of Color in New Orleans 2008, 378 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1036-9
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