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German Pages 373 [378] Year 2014
Marco Ladewig
Rom – Die antike Seerepublik Untersuchungen zur Thalassokratie der res publica populi romani von den Anfängen bis zur Begründung des Principat Alte Geschichte Franz Steiner Verlag
Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 48
Marco Ladewig Rom – Die antike Seerepublik
POTSDAMER ALTERTUMSWISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE (PAWB) Herausgegeben von Pedro Barceló (Potsdam), Peter Riemer (Saarbrücken), Jörg Rüpke (Erfurt) und John Scheid (Paris) Band 48
Marco Ladewig
Rom – Die antike Seerepublik Untersuchungen zur Thalassokratie der res publica populi romani von den Anfängen bis zur Begründung des Principat
Franz Steiner Verlag
Umschlagabbildung: Wandbild aus der Nekropole eines Navicularius aus Ostia Vatikanische Bibliothek, Foto des Autors Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10730-3 (Print) ISBN 978-3-515-10731-0 (E-Book)
Meiner Frau Ulrike in Liebe und tiefer Dankbarkeit gewidmet
„So hat uns denn ein Gesetz, ein Mann, ein Jahr nicht nur von diesem Elend und dieser Schande befreit sondern zugleich bewirkt, dass wir endlich einmal wahrhaft als die Macht erscheinen, die zu Wasser und zu Lande über alle Völker und Stämme gebietet.“ _________________________________ Itaque una lex, unus vir, unus annus non modo nos illa miseria ac turpitudine liberavit sed etiam effecit ut aliquando vere videremur omnibus gentibus ac nationibus terra marrique imperare. (Cic. Manil. 56.)
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT .....................................................................................................11 1. EINLEITUNG ............................................................................................13 2. DIE GENESE DER RÖMISCHEN THALASSOKRATIE – EINE ANDERE „LESART“ DER RÖMISCHEN EXPANSION........................23 2.1 Zugänge zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae ...............23 2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum .......................................36 2.2.1 Das westliche Mittelmeer ............................................................37 2.2.2 Das östliche Mittelmeer ...............................................................46 2.3 Die Kontrolle der Inseln des mare internum.........................................66 2.3.1 Die Inseln des westlichen Mittelmeeres ......................................67 2.3.2 Die Inseln des östlichen Mittelmeeres .........................................74 2.4 Alter orbis – Roms Ausgreifen auf den Pontus Euxinus und das mare Oceanum.........................................................................84 3. DAS RÖMISCHE SEEKOMMANDO ......................................................93 3.1 Der Anfang des römischen Seekommandos oder das imperium des Duilius als anachronistisches Konstrukt? .......................................94 3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos..........................100 3.2.1 Das consularische Seekommando..............................................101 3.2.2 Das praetorische Seekommando ................................................118 3.2.3 Das Seekommando der legati ....................................................130 3.2.4 Maritime Kontinuität? – Die Seekommandos der Promagistrate ......................................136 3.2.5 Das Seekommando der duumviri navales..................................150 3.2.6 Das Seekommando der res privata ............................................153 3.3 Kultische, militärische und pekuniäre Handlungsfelder des Seekommandos.............................................................................155 4. DIE MARITIME FACETTE DES RÖMISCHEN BELLUM CIVILE.....165 4.1 Die Anfänge römischer Rivalität auf dem Meer – Das Zeitalter Sullas .............................................................................165 4.2 Mittelmeerumspannende Allianzen – Der Aufstand des Sertorius .....171 4.3 Der Kampf um die maritime Suprematie – Caesar und Pompeius .....176 4.3.1 Fines terrae – Caesars Seekampagnen im Nordatlantik............177
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Inhaltsverzeichnis
4.3.2 Der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius – „Qui mare teneat, eum necesse esse rerum potiri“ ....................187 4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht...................211 4.4.1 Rache an den Mördern des Vaters – Neuauflage der maritimen Strategie Caesars.............................211 4.4.2 Das Erbe der Väter – Aufstieg, Blüte und Fall der maritimen Hegemonie des Sextus Pompeius.......................218 4.4.3 Der Bürgerkrieg zwischen Octavian und Antonius – das thalassische Ende der römischen Republik .........................233 5. TRIUMPHUS NAVALIS – DIE RITUELLE VERHERRLICHUNG MARITIMER SIEGHAFTIGKEIT ..........................................................243 5.1 Caius Duilius – Optimum exemplum...................................................244 5.2 Der Wandel des Seetriumphes in der Zeit der Republik.....................247 5.3 Charakteristika des triumphus navalis ................................................251 5.4 Memoria des Seetriumphes .................................................................262 6. TEMPLA, VILLAE, COLUMNAE ET ROSTRA – STEINERNE MONUMENTE DER RÖMISCHEN THALASSOKRATIE...................267 6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See....................267 6.2 Votum et supplicatio – Vom Tempelbau und Lob maritimer Gottheiten...........................................................................278 6.3 Villa maritima – Römische Wohn- und Lebenswelt an der Küste .....286 6.4 Die Häuser der Toten – Römische Nekropolen als Spiegel maritimer Leistungen ..........................................................................293 7. DER RÖMISCHE ÜBERSEEHANDEL – ZWISCHEN ÖFFENTLICHEM ENGAGEMENT UND PRIVATEM INTERESSE ..299 7.1 Mercatores et negotiatores Italici – Das öffentliche Engagement für den römischen Überseehandel.......................................................301 7.2 „Privata pecunia res publica administrata est“ – Die Beteiligung der publicani am Überseehandel.........................................................309 7.3 Negotium senatoris – Die senatorische Partizipation am Überseehandel...............................................................................314 7.4 Navicularii – Private Reeder und Schiffseigner im Dienste Roms.....325 8. MARE NOSTRUM – DIE THALASSOKRATIE DER RES PUBLICA POPULI ROMANI ...............................................329 QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS ........................................351
VORWORT Die hier vorliegende Monographie ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertationschrift, welche 2010 an der Philsophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommen worden ist. Für die Drucklegung habe ich mich bemüht, die bis Ende 2012 erschienene und für die Studie relevante Literatur zu berücksichtigen. Am Ende eines dreijährigen Schaffensprozesses obliegt mir nun die angenehme Pflicht und Aufgabe den Personen meinen Dank auszusprechen, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Wenn man in der Abfassung einer Promotionsarbeit Parallelen zur Organisation und Durchführung einer antiken Seereise zu erkennen vermag, so kommt meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Pedro Barceló die allegorische Rolle des Initiators zu, der mich auf die Idee zu dieser „Seereise“ brachte und mir stets freundschaftlich mit Rat, Tat und kulinarischer Freuden zur Seite stand. Ob unserer Zusammenarbeit gedenke ich mit Freuden. Ihm sei auf diesem Wege mein tief empfunder Dank ausgeprochen. Darin eingeschlossen sei ebenso Prof. Dr. Dagmar Klose, die mir während der gemeinsamen Arbeit an der Professur für Didaktik der Geschichte an der Universität Potsdam, die zeitliche und geistige Freiheit für die Durchführung der „Seefahrt“ ermöglichte. Sie hielt mir stets den Rücken frei, so dass die universitären Verpflichtungen nie Überhand nahmen. Danken möchte ich ferner Prof. Dr. Christiane Kunst und Prof Dr. Peter Eich, die mich mich mit wertvollen Hinweisen und sinnstiftenden Verbesserungsvorschlägen begleiteten. Durch ihre Hilfe verbesserte ich die „Navigation“ durch die „Untiefen“ der weitreichenden Literatur und das Erforschen einer zielführenden Arbeitsmethodik. Zu großem Dank bin ich ferner Dr. Oliver Linz verpflichtet, der Monate vor mir auf eine ebenso unwegsame Reise mit seiner Dissertation gegangen war. Von seinen Erfahrungen konnte ich lernen, da er mir mit seinen aufmunternden Worten als Freund und Reiseregfährte stets eine bedeutende Hilfe war. Prof. Dr. mult. Manfred Clauss danke ich für das Zweitgutachten meiner Arbeit, die er mit fachlichem Geschick bereitwillig durchführte und somit zum Gelingen des nautischen Unternehmens als Fachmann beitrug. Vor dieser Seereise bedurfte es einer gründlichen Kontrolle und Instandsetzung des „literarischen“ Schiffes und einer detaillierten und beflissentlichen Überwachung der Takelage und der Fracht, um Fehler orthographischer oder grammatikalischer Natur so klein wie möglich zu halten. Sandra Kaden und Alexander Nortrup nahmen sich erbötig dieser Aufgabe an, lasen geduldig das Manuskript Korrektur. Ihnen sei an dieser Stelle mein herzlicher Dank für diese doch mühselige Aufgabe ausgesprochen.
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Vorwort
Ohne Karten ließe sich ein Schiff nur unzureichend durch das Meer navigieren. Für die Erstellung der beigefügten Karten und Abbildungen danke ich Christoph Perner, der mit seinem Gespür für Detailtreue und piktoraler Lesarten diese Arbeit um zahlreiche graphische Besonderheiten bereicherte. Bevor ich diese „Seereise“ überhaupt in Erwägung zog, geschweige denn mit ihrer Vorbereitung begann, war der beschwerliche Weg in den „Hafen“ der Geschichtswissenschaft vonnöten. Diesen hätte ich ohne die rastlose und aufopferungsvolle Unterstützung meiner Eltern nie beschritten. Ihnen gilt aus tiefen Herzen meine Dankbarkeit. Sie ermöglichten mir die Realisierung meines beruflichen Wunsches und ebenso auch die Verwirklichung dieser allegorischen Seefahrt. Die letzten Zeilen des Vorwortes möchte ich nutzen, um abschließend meiner lieben Frau Ulrike zu danken, die mich von allen Menschen am Besten kennt, um meine Stärken und Schwächen weiß, meine stärkste Kritikerin und unermüdlichste Helferin ist. Als meine beste Freundin hat sie mich während jeder Phase dieses „Abenteuers“ bedingungslos unterstützt und begleitet. Als bescheidendes Zeichen meiner tiefempfundenen Dankbarkeit sei ihr diese Arbeit gewidmet. Neujahrstag 2013, Vitte auf Hiddensee.
EINLEITUNG „Rings um das mannigfaltig gegliederte Binnenmeer, das tief einschneidend in die Erdfeste den größten Busen des Ozeans bildet und, bald durch Inseln oder vorspringende Landfesten verengt, bald wieder sich in beträchtliche Breite ausdehnend, die drei Teile der Alten Welt scheidet und verbindet, siedelten in alten Zeiten Völkerstämme sich an, welche, ethnographisch und sprachgeschichtlich betrachtet, verschiedenen Rassen angehörig, historisch ein Ganzes ausmachen. Dies historische Ganze ist es, […] die Kulturgeschichte der Anwohner des Mittelmeeres, […] die Geschichte des Zwillingsvolkes der Hellenen und der Italiker, welche die europäischen Uferlandschaften des Mittelmeeres zu ihrem Erbteil empfingen.“1
Mit diesen pathetischen Worten führt THEODOR MOMMSEN den Leser in seine „Römische Geschichte“ ein und fokussiert gleich zu Beginn dessen Blick auf das Mittelmeer. Die Geschichte der antiken Welt als eine Geschichte von verschiedenen Küstenkulturen zu begreifen und demnach in Rom eine antike Thalassokratie zu erkennen, hat in der Forschung jedoch nur wenig Niederschlag gefunden.2 Statt dessen dominiert das u. a. von CARL SCHMITT in seinem Werk „Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung“ postulierte Bild der Weltgeschichte, der universalis historiae, als „eine Geschichte des Kampfes von Seemächten gegen Landmächte und von Landmächten gegen Seemächte.“3 Für ihn durchzieht der diametrale Gegensatz der beiden Elemente Land und Meer die gesamte Menschheitsgeschichte. In diesem geschichtstheoretischen Denkraster deutet SCHMITT – durchaus in polybianischer Tradition – die Auseinandersetzung Roms mit Karthago als ein epochales Aufeinandertreffen von Land- und Seebeherrschenden Reichen:
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Mommsen, R. G. I, 3. Im deutschsprachigen Raum hat nun Schulz (2005) erstmalig den Versuch unternommen, eine Geschichte der Antike mit dem Blickpunkt auf das Meer zu schreiben, wobei es ihm um das Verständnis des Gesamtphänomens der engen Verbindung des antiken Menschen zum Meer und ihrer Bedeutung für die Entwicklung antiker Gesellschaften geht. Dabei konnte er Entwicklungslinien identifizieren, welche in allen antiken Küstenkulturen zu finden sind, etwa die Bedeutung der antiken Aristokratie für die maritime Entwicklung einer Gesellschaft: „Schließlich bot das Meer dem Adligen oft die einzige Möglichkeit, der Enge der heimatlichen Welt zu entfliehen und unbedrängt von innenpolitischem Hader, adliger Gruppenkontrolle oder staatlichen Institutionen seinen Traum von Freiheit, Ruhm und Ehre zu verwirklichen." Ebenso lesenswert ist Mollat Du Jourdins (1993) Buch über die Geschichte Europas und der Meere, wobei er sich in seinen Ausführungen nicht auf das Mittelmeer beschränkt, sondern die Europa umgebenden Meere mit einbezieht und beim Vergleich der Meere zu interessanten Schlussfolgerungen kommt. Schmitt (1993) 16.
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Einleitung „Rom dagegen, das von Hause aus eine italische Bauernrepublik und eine reine Landmacht war, ist im Kampf mit der See- und Handelsmacht Karthago zu einem Reich emporgewachsen.“4
Dieses eingängige, stereotype Bild ist in der altertumswissenschaftlichen Forschung schon seit dem 18. Jahrhundert, etwa von CHARLES DE MONTESQUIEU5, gezeichnet, und bis heute unzählige Male kopiert worden.6 Nur in sehr wenigen Fällen wurde der Bedeutung des Meeres für die römische Geschichte Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei konstituierte sich bereits für MOMMSEN mit dem ersten römisch-karthagischen Krieg Roms Wandlung von einer Landmacht zur Seemacht, ein Prozess dem er in seiner römischen Geschichte ausschweifend Anerkennung zollt: „Unter solchen Verhältnissen, und wenn man teils den damaligen, verhältnismäßig niedrigen Stand des Schiffbaus, teils die römische Energie wie billig in Anschlag bringt, wird es begreiflich, daß die Römer die Aufgabe, an der Napoleon gescheitert ist, eine Kontinental- in eine Seemacht umzuwandeln, innerhalb eines Jahres lösten und ihre Flotte von hundertzwanzig Segeln in der Tat im Frühjahr 494 (=260 v. Chr., Anm. M. Ladewig) vom Stapel lief.[…] Rom war plötzlich eine Seemacht geworden und hatte das Mittel in der Hand, den Krieg, der endlos sich hinauszuspinnen und dem italischen Handel den Ruin zu drohen schien, energisch zu Ende zu führen.“7
In Anlehnung daran übernahmen im deutschsprachigen Raum zuerst HELMUT BERVE8 in seinem Aufsatz „Rom und das Mittelmeer“, gefolgt von RALF URBAN9 4 5
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Schmitt (1993) 18. Montesquieu hat in seinem 1734 erschienen Werk „Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence“ (Größe und Niedergang Roms) den Römern nautische Kompetenzen abgesprochen. Statt dessen rückten für ihn die Bundesgenossen als die maritimen Akteure in den Vordergrund, so dass er resümierend zur Kriegsstrategie der res publica populi romani meint, ders. (1980) 15: „Wenn irgend eine Nation von Natur aus oder aufgrund ihrer Einrichtungen einen besonderen Vorteil besaß, so machten sie [die Römer, M. L.] davon sogleich Gebrauch. Sie ließen nichts unversucht, um Pferde aus Numidien, Bogenschützen aus Kreta, Schleuderer von den Balearen und Schiffe aus Rhodos zu bekommen.“ Man begibt sich vergebens auf die Suche nach der Bedeutung des Meeres für die römische Geschichte in den Standardwerken. Wenn überhaupt, so wird in den Ausführungen zum ersten römisch–karthagischen Krieg die römische Flotte in den Fokus der Betrachtungen gerückt, um sie in der Behandlung der nachfolgenden Expansionskriege wieder aus den Augen zu verlieren, exemplarisch bei Bengtson (1988) 51–61; Bleicken (1992) 40ff; Bellen (1994) 53ff; Heuss (2001) 67–72; Bringmann (2002) 92–101; Heftner (2005) 122–146. Mommsen Röm. Geschichte I, 518ff. Für Barceló (1996) 45f. wird Rom durch die Eroberung Siziliens, Sardiniens und Korsikas zur führenden Seemacht des westlichen Mittelmeeres. Berve (1944) 103–116. Urbans (1983) 13–22 Analyse ist bis auf wenige Punkte, wie etwa die konzise Beleuchtung der coloniae maritimae für die Absicherung der italischen Küsten, doch stark an der reinen Darstellung der maritimen Operationen Roms orientiert. Die Kämpfe im Osten der Mittelmeerwelt deutet er dabei vornehmlich als Kampf um die Suprematie zu Lande. Dass Rom zu Wasser auf die Unterstützung von Rhodos und Pergamon zurückgreifen konnte, veranlasst Urban dazu, darin ein geringes römisches Interesse am Meer zu erkennen, doch verkennt er hierbei einen wesentlichen Fakt der römischen Thalassokratie: Roms maritime Aktivitäten wurden von Beginn an bis zu einem gewissen Grad von socii navales unterstützt; im übrigen
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und RAIMUND SCHULZ10 den Versuch, den Einfluss des Meeres auf die Entwicklung der Tibermetropole zu hinterfragen; mit unterschiedlichen Ergebnissen: Für Urban ist: „[…] vom militärischen und strategischen Standpunkt aus die Rolle des Meeres in der römischen Geschichte längst nicht von der Bedeutung, die man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt ist. […] Als verbindendes Element kommt das Meer […] aber weniger zum Tragen, als eine an gleicher Stelle denkbare Kontinentalmasse dies bei nicht zu ungünstigen geographischen Gegebenheiten leisten könnte“.11
Dem gegenüber veränderten für SCHULZ die maritimen Siege des ersten römischkarthagischen Krieges die geopolitischen Perspektiven der römischen Außenpolitik: Statt des Landes wurde nun das Meer als ein die Mittelmeerwelt verbindendes Element wahrgenommen, mit dessen Hilfe die römischen Herrschaftsansprüche an neue Küsten getragen werden konnten. „Das Meer wurde so zum Katalysator territorialer Expansion und weiträumiger diplomatischer Initiativen, die – freilich oft in unterschiedlicher Gewichtung – wirtschaftlichen, militärischen und politischen Interessen dienten.“12
Die Auswirkungen der Meereszentrierung der res publica auf die römische Gesellschaft untersuchte BRUNO BLECKMANN. In seiner dezidierten Betrachtung der römischen Nobilität während des ersten römisch-karthagischen Krieges kristalliserte er die Bedeutung des Meeres für die römische Aristokratie überzeugend heraus.13 Nach BLECKMANN verstärkte einerseits erst das Meer bzw. das Kommando über die römische Flotte die inneraristokratische Konkurrenz um die Erringung von virtus und Beute, und andererseits erwirkten die navigatorische Unfähigkeit und extreme Risikobereitschaft einzelner Flottenbefehlshaber das Aufbrechen einer Interessendivergenz zwischen Nobilität und plebs, die sich wiederum auf das maritime Engagement Roms auf See auswirkte. „Die Rivalitäten unter den Aristokraten hatten damit im Ersten Punischen Krieg sowohl die Ausweitung und Intensivierung des Flottenkrieges herbeigeführt, als auch, indem einige am-
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verhält es sich ebenso in der Landkriegführung, wenn Rom innerhalb der italischen Wehrgemeinschaft Rekrutierung durchführte. Schulz (1998) 121–134. Das Verdienst Schulzs ist es – zumindest in Ansätzen – die Wirkung des Meeres auf die römische Führungsschicht herausgestellt zu haben, denn erst die Bedrohung der Seehandelsrouten und Hafenplätze der res publica durch die Seeräuber machten die imperia extraordinaria eines Antonius oder Pompeius notwendig und bedrohten so die auf Homogenität eingeschworene römische Aristokratie, 131: „Nicht das Land, sondern das so schwer zu beherrschende Meer hatte so der Republik Zugeständnisse abgerungen, die an den Grundfesten des aristokratischen Regiments rüttelten. Sie waren jedoch unabdingbar, um die erweiterte mediterrane Landbasis mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln des Seekrieges zu kombinieren.“ Urban (1983) 18. Schulz (1998) 123. Bleckmann (2002) explizit zum römischen Seekrieg 106–224.
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Einleitung bitionierte Volkstribunen die Kriegsmüdigkeit politisch instrumentalisierten, zu dessen Einstellung beigetragen.“14
Nichtsdestotrotz bleiben die Arbeiten BERVES, URBANS und SCHULZS bedingt durch ihren Umfang lediglich an der historischen Oberfläche und können größere Zusammenhänge nur anreißen. BLECKMANNS Untersuchung ist für das Verständnis der Beziehung der römischen nobilis zum Meer äußerst fruchtbar, bleibt jedoch wegen des behandelten Untersuchungszeitraumes ein kleiner, wenn auch essentieller Ausschnitt der Zeit der römischen Republik. Rom als antike Thalassokratie vermag sie – ebenso wie die vorher genannten Arbeiten – nicht zu erfassen. In der angelsächsischen Forschung haben die Untersuchungen zur Geschichte der Seeherrschaft, bedingt durch den eigenen historischen Hintergrund des British Empire, eine lange Tradition. Für die Antike wurde das von ALFRED THAYER MAHAN in seinem 1890 veröffentlichten Werk „The Influence of Sea Power upon History, 1660–1783“ entworfene System von Bedingungen und Grundpfeilern einer frühneuzeitlichen Seemacht übernommen und unreflektiert in die Antike projiziert.15 Zudem meinte man, allein mit der Beschreibung des Seekriegswesens und der Flottenentwicklungen der Darstellung antiker Seeherrschaft genüge getan zu haben.16 Für die Behandlung der römischen Thalassokratie steht hierbei die bis heute in der Forschung wenig beachtete Dissertation von FREDERICK WILLIAM CLARK, „The Influence of Sea-Power on History of the Roman Republic” von 1915 am Anfang, die sich der Untersuchung der Seeoperationen im westlichen und östlichen Mittelmeerraum während der römischen Expansion und der römischen Bürgerkriege zwischen Caesar – Pompeius und Octavian – Antonius widmet. CLARKS Untersuchung geht jedoch über die rein narrative Aufarbeitung der z. T. oberflächlich präsentierten maritimen Ereignisgeschichte nicht hinaus. Tiefer gehende Analysen, etwa der Rückwirkung der Seebeherrschung auf die römische Gesellschaft und Kultur, oder der Versuch einer Systematik der maritimen Hegemonie sucht man vergeblich. Die Arbeiten des Niederländers JOHANNES HENDRIK THIEL17 stechen durch die detaillierte Erarbeitung römischer Flottenstärken in 14 Bleckmann (2002) 203. 15 Mahans (1965) Arbeit hat durchaus ihren Reiz, besonders in seiner Analyse der Bedingungen von Seeherrschaft. Dabei spielt die geographische Beschaffenheit eines Landes als Meeranrainer, wie etwa die Weite der Küste, der Insel-/Halbinsel- oder eher kontinental geprägte Charakter eine essentielle Rolle. 16 Vgl. hier exemplarisch auch die Arbeiten von Bridge (1910) 4–10; Mc Shepard (1925) passim.; Stevens/Westcott (1943) 4–31; Starr (1989) passim hingewiesen. Eine Ausnahme stellt hierbei Rose (1969) 71–150 dar, der bei der Darstellung der Seeoperationen den Fokus auch auf die römische Eroberung der Küsten und größeren Inseln legt. So kommt er beispielsweise zu der Erkenntnis, ders. (1969) 119: „By conquering and destroying Carthage, the Romans were able to enter into the rich heritage of her colonial Empire, which comprised the north coast of Libya, the coastal provinces of Spain, the Balearic Isles, and the scattered Phoenician posts in the Western Mediterranean and Atlantic.“ 17 Thiel (1946) widmet sich streng chronologisch den militärischen Schlachten und Kampagnen auf dem Meer während des zweiten römisch–karthagischen Krieges sowie den Kriegen im
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einzelnen Seegefechten sowie in maritimen Kampagnen von den Anfängen bis zum Ende des dritten römisch-makedonischen Krieges, und durch den ersten Versuch, mentalitätsgeschichtliche Aspekte mit einfließen zu lassen, hervor. Dennoch bleibt THIEL in der von SCHMITT vertretenen Vorstellung verhaftet, dass Rom eine Landmacht sei, schreibt ihnen jegliche nautische Kompetenz ab und erkennt in der Beziehung der Römer zum Meer vorherrschend eine Antipathie bis hin zur Phobie, so dass er ein Bild der Römer als „landlubbers“ entwirft.18 But, though we can understand this measure, it nevertheless is highly characteristic of Roman landlubberism: if circumstances require it, the Romans are ready enough to spare neither trouble nor expense in order to launch very strong naval forces and, if need be, to do so at short notice […] but, as soon as circumstances seem to allow it in any way, they are in a hurry to withdraw from the sea again:”19
In dieser Deutungstradition lässt sich auch die mediterane Universalgeschichte von DAVID ABULAFIA einordnen. In seiner den Zeitraum vom 22. Jahrhundert v. Chr. bis zum Jahr 2010 umfassenden Monographie bleiben seine Ausführungen zur römischen Maritimgeschichte oberflächlich und allein auf der Ereignisgeschichte verhaftet. Mit starker Fokussierung seiner Darstellung auf den ersten römisch-karthagischen Krieg tradiert er das Bild einer im Seekrieg unerfahrenden und das Meer vermeidenden römischen Kultur. Der „Corvus Mythos“ wird unreflektiert übernommen und als Beleg für die Adaption der Landkriegführung auf die maritime Strategie der Römer genutzt. “The Romans still mistrusted the sea, and sought to transform sea battles conducted by ships with rams into ersatz land battles in which the boats provided platforms for men-at-arms.”20
Zu einer gänzlich anderen Einschätzung gelangen PEREGRINE HORDEN und NIPURCHELL in ihrer bahnbrechenden Studie einer umfassenden Mittelmeergeschichte. In Anlehnung an FERNAND BRAUDELS Opus magnus „La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II“ entwickelten beide Autoren für den Zeitraum von 2000 v. Chr. bis zum ausgehenden Mittelalter ein neues Modell einer Kulturgeschichte des Mittelmeeres. Durch die Synergie verschiedener Wissenschaftsdisziplinien identifizierten sie zwei elementare Kräfte „microecologies“ bzw. „microregions“21 und „connectivity“22, welche als verbin-
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Osten mit den hellenistischen Großreichen. Dabei versucht er bei der Darlegung der Seeoperationen eines jeden Jahres, diese systematisch nach der geographischen Lage zu ordnen. Neun Jahre später untersucht er (1954) dann die römischen Seeoperationen von den Anfängen der Republik bis zu den beiden illyrischen Kriegen. Ferner war plante er ein weiteres Buch zur „History of Roman Sea–Power from 167 to 31 B.C.“, das jedoch nicht mehr erschien. Thiel (1946) 1–31. Thiel (1946) 139. Abulafia (2011) 181. Nach Horden/Purcell (2000) 80 entspricht microecology „[…] a locality („a definite place“) with a distinctive identity derived from the set of available productive opportunities and the particular interplay of human respones to them found in a given period. It is not the solid geology or the characteristics of the climatic zone, the relief of the drainage, that of themselves define microecologies. It is rather the interaction of opportunities: for animal husbandry, foraging, hunting, intensive agriculture, forest management, horticulture, fishing, or whatever –
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dende Elemente in der vielgestaltigen Heterongenität der antiken Küstenkulturen wirken. In ihrer Analyse konstruieren sie ein sehr differenziertes Bild der res publica populi romani als antike Thalassokratie: “The single conspicuous example of the pan-Mediterranean empire is that of Rome. From the end of the third century B.C. until the fall of her western empire nearly seven centuries later, Rome dominated the Mediterranean region and gradually extended her power well beyond its boundaries […] Yet not even the celebrated pax Romana could hope to eradicate the immense diversity of provincial loyalties and cultures.”
Trotz der Anerkennung Roms als einzige mittelmeerumspannende Macht der Antike und des Mittelalters vermag die Studie von HORDEN und PURCHELL bedingt durch ihren interdisziplinären Ansatz und den weitgespannten Untersuchungszeitraum nur sehr sporadisch die Facetten der römischen Thalassokratie zu beleuchten. Vielmehr wird Rom immer wieder im Kontext mit dem griechischen Kulturkreis gesetzt. Ebenso erscheint ihr Versuch, maritime Suprematie zu definieren, nebulös: „[…] the history of naval supremacy in the Mediterranean – a complex interaction of fleets, pirates, mercenary captains and privateers – is not a simple matter of political confrontation. Nothing short of control of the integrating medium across whole tracts of the sea is at stake, and the prize in one that transcends local interests. Seen in this light, then, Rome’s success may appear spectacular only in its completeness and duration.”23
Ein Aspekt der antiken Thalassokratie Roms, die Marine, ist Gegenstand zahlreicher Arbeiten, etwa die von HANS D.L. VIERECK24, GABRIEL DE DONATO25 oder das acht Bände umfassende Werk von DOMENICO CARRO26. Sie alle liefern keine
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and, as final but by no means at least ingredient, for engagement in larger networks of redistribution.“ Unter connectivity sublimieren beide Autoren eine Vielzahl von Kommunikationswegen, auditiver, wie visueller Natur. Neben Seerouten werden auch Handeswege als Verbindungswege interpretiert und deren vereinigendes Potential hervorgehoben, vgl. Horden/Purcell (2000) 123–152. Horden/Purcell (2000) 25. Viereck (1996) 13ff vertritt wie Thiel die These, dass die Römer dem Meer eher abgeneigt waren und durch äußere Zwänge zum Seekrieg gedrängt wurden. Ferner hätte man dann versucht mit den Mitteln einer Landmacht auf See erfolgreich zu sein, wobei die Enterbrücken hierfür sehr dienlich waren. De Donato (2003) passim gibt nur einen kurzen Überblick über die römische Expansion auf dem Meer und die Konsolidierung der römischen Thalassokratie in der Kaiserzeit. Dabei lässt er Erkenntnisse der Unterwasserarchäologie einfließen und betont neben dem Seekriegswesen lediglich noch den ökonomischen Aspekt römischer Seeherrschaft. Carro (1993); (1994); (1995); (1996); (1997); (1998); (1999); (2000). Carros Arbeiten bestehen aus einer Aneinanderreihung von Zitaten der antiken Autoren zu den jeweiligen römischen Seeoperationen und Kampagnen, gepaart mit zahlreichen Abbildungen von Mosaiken, Fresken, Wandmalereien, Statuen, Plastiken, Münzen und Karten, die einen nautischen Bezug haben. Die narrative Ebene wird von Carro nicht verlassen, dem Wahrheitsgehalt und der Kontroversität zahlreicher Einzelaspekte keine Aufmerksamkeit geschenkt, so dass diese Arbeit weit hinter den Möglichkeiten bleibt, sich dieses Themas anzunehmen.
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neuen Erkenntnisse sondern bleiben in ihren Darstellungen allein auf antike Nautik und Beschreibungen sowie Analysen von einzelnen Seegefechten reduziert. Die interdisziplinäre Betrachtung von FRAUKE LÄTSCH zur Insularität in der Antike tangiert u. a. die wesentliche Frage nach dem Wesen und den Eigenschaften einer antiken Thalassokratie, doch beschränken sich ihre Ausführungen auch auf die von MAHAN benannten Faktoren.27 Ebenso benennt HOLGER SONNABENDS Definition der antiken Seeherrschaft lediglich die Bedingungen, die erfüllt sein müssen: „Die griechisch-römische Antike hatte in dem Mittelmeer einen natürlichen geographischen Bezugspunkt. […] Unabdingbare Voraussetzungen für eine S.[eeherrschaft, Anm. M. L.] waren, neben einer entsprechenden imperialen Dynamik und wirtschaftlichen Potenz, Kenntnisreichtum im bezug auf die topographischen Verhältnisse, Erfahrungen in der Nautik, die Verfügbarkeit über eine Flotte und, zur Sicherung der S.[eeherrschaft], die Anlage von Stützpunkten im Mittelmeer.“28
Im Wesentlichen ist dieser Aufzählung von Voraussetzungen für eine antike Thalassokratie zuzustimmen, doch lässt sie etwa die Funktion maritimer Bündnispartner vermissen, ohne die keine antike Seemacht auskommen konnte. Ferner wird die Frage nach dem Beziehungsgeflecht zwischen antiker Gesellschaft und Meer nicht gestellt und die Suche nach mentalitätsgeschichtlichen Ausdrucksformen einer antiken Thalassokratie wird nicht unternommen. Hier nun will die vorliegende Arbeit anknüpfen und am Beispiel der römischen Republik versuchen, das Wesen der antiken Thalassokratie in ihren Facetten zu beleuchten, um mit dem noch immer vorherrschenden Zerrbild des Imperium Romanum als Landmacht aufzuräumen. Den Anfang dieser Studie bildet eine Neuakzentuierung der Geschichte der römischen Expansion vom Beginn der Eroberung der italischen Halbinsel bis zur Überführung Ägyptens in den Status einer römischen provinica durch Octavian im Jahr 30 v. Chr. (Kapitel 2). Im Zentrum steht hierbei das Mittelmeer – in den Quellen zumeist als mare internum benannt – und seine Küsten, einschließlich der größten bewohnten Inseln. Wie gezeigt werden wird, orientierte sich der römische Herrschaftsanspruch zunächst ausschließlich auf die Kontrolle der Mittelmeerküsten. Ausgehend von den italischen Küsten der Adria sowie der tyrrhenischen See, wo neben coloniae maritimae auch die süditalischen Städte griechischen Ursprungs als socii navales mit ihren Häfen den Zugang zum Meer und die Sicherung der Gestade vor Angriffen vom Meer aus bewerkstelligten, galt es an den außeritalischen Küsten direkt durch Einrichtung von provinciae oder indirekt mittels socii Kontrolle auszuüben. Die Beherrschung des Hinterlandes war primär 27 Lätsch (2005) 147f. „Neben der Flotte als solcher dienten zweitens feste Stützpunkte in diesem Radius zur Sicherung der Herrschaft. Zum Unterhalt einer Flotte benötigte man drittens in jedem Fall Kapital sowie viertens Menschen als Ruderer und Experten, die die Schiffe bauen und navigieren konnten. Nur wenn dies alles gegeben war, konnte eine namhafte Seeherrschaft entstehen.“ Siehe weiter 148–158, wo sie verschiedene antike Thalassokratien vorstellt und die Folgen für die Inseln beleuchtet. 28 Sonnabend (1999b) 460.
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nicht von Bedeutung, sondern wurde entweder römischen Verbündeten (reges socii et amici) überlassen oder aber es wurde erst später erobert. Die Provinzen des Reiches waren zu Beginn nicht viel mehr als schmale Küstenstreifen, welche an breitester Front nicht mehr als 200 Kilometer maßen. Hinzu kamen einzelne Inseln, die entweder als eigene provincia organisiert, oder aber nahegelegenen provinciae auf dem Festland zugeordnet wurden. Während erst mit der provincia Aegyptus der letzte Küstenstreifen des mare internum in das römische Herrschaftsgebiet integriert wurde, expandierte der imperialistische Anspruch der res publica populi romani bereits seit Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. über die Meerengen bei Gibraltar und am Hellespont in andere, den Römern fremde Gewässer, wie den Atlantik im Westen und das Schwarze Meer im Osten. Eine Geschichte der römischen Flotte zu schreiben erscheint bei der Vielzahl und Detailliertheit der vorgelegten Literatur überflüssig. Doch ist es bisher unterlassen worden, nach der Organisation, Durchführung und den Handlungsfeldern des Flottenkommandos zu fragen – ein Lücke, welche diese Untersuchung zu füllen anstrebt (Kapitel 3). Zu Beginn rekrutierten die Consuln persönlich noch die Flottenmannschaften, beaufsichtigten den Schiffsbau, übten die Ruderer ein, baten um den Beistand der Götter für die erfolgreiche Seeoperation, standen an Deck der Flaggschiffe und kommandierten die Flotte in den Seeschlachten des ersten römisch-karthagischen Krieges sowie in den beiden illyrischen Kriegen. Im Zuge der römischen Expansion erforderten die immer komplexer werdenden Kriegskampagnen eine Partialisierung der Kriegführung, so dass dann auch Promagistrate, Praetoren oder Legaten den Oberbefehl über die Flotte führten. Es ist zudem kein Zufall, dass die im letzten vorchristlichen Jahrhundert notwendig gewordenen außerordentlichen imperia der res publica immer das Kommando über die Flotte beinhalteten; vielmehr ist es Ausdruck des römischen Herrschaftsanspruches zur See. Das Meer war seit den römisch-karthagischen Kriegen als provincia organisiert und wurde als dem Land äquivalentes, beherrschbares Element wahrgenommen. Das Seekommando entfaltete innerhalb der römischen Aristokratie eine eigene Dynamik. Schließlich werden die Folgen dieser Entwicklung für die römische Gesellschaft und im Besonderen für die senatorische Aristokratie aufgezeigt und analysiert. Denn der Umstand, dass wenige Männer der res publica in ihrer Person unbeschränkte Vollmachten zu Wasser wie zu Lande akkumulierten, bedrohte die auf Homogenität eingeschworene römische Aristokratie. Es verwundert daher auch nicht, dass das Meer zum Hauptschlachtfeld der römischen Bürgerkriege avancierte, so dass auch die maritime Facette der römischen Bürgerkriege bei dem Versuch, die res publica populi romani als Thalassokratie zu identifizieren, Beachtung finden muss (Kapitel 4). Als die führenden Männer Roms um ihr persönliches Schicksal und das ihres Staates kämpften, war die res publica bereits die unangefochtene Seemacht auf dem mare internum, alle Konkurrenten – begonnen von Karthago bis hin zu Mithridates VI. – waren ausgeschaltet worden und das Meer zählte zum festen Bestandteil des Imperium Romanum. Der für antike Verhältnisse globale Charakter der Bürgerkriege, mit seinen Schlachten auf südgallischem, iberischem, nordafrikanischem, sizilischem,
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illyrischem, syrischem und kleinasiatischem Boden, liegt in Roms Suprematie zur See begründet, denn nur über das Meer konnten die Heere Caesars, Pompeius’, Octavians, M. Antonius’, Brutus’ und Cassius’ transportiert und sämtliche Küsten der alten Welt mit Krieg und Verwüstung überzogen werden. Hatte man zur Zeit der römischen Expansion noch um die maritime Vorherrschaft der res publica gekämpft, so focht man in den Bürgerkriegen um die individuelle maritime Suprematie einzelner römischer Aristokraten. Die Folge war eine starke Konzentration der Bürgerkriegskämpfe auf das Meer. Riesige Flotten aus hölzernen, kolossartigen Kreuzern, die angeblich bis zu sieben Ruderreihen auf jeder Seite zählten, bekämpften sich etwa bei Brundisium, vor der Küste Illyriens, bei Naulochos, Mylae, vor Massalia oder im Golf von Ambrakia bei Actium. Am Ende dieses Prozesses konstituiert sich der römische Principat in der Person Octavians und die römische Flotte wird als permanentes Machtinstrument der römischen Seeherrschaft installiert, mit zahlreichen quer über das Meer verteilten Flottenbasen. Hauptkritikpunkt an allen bisherigen Versuchen der Erfassung Roms als Seemacht war die beschränkte Sicht auf die Bedingungen einer Thalassokratie und das Fehlen jeglicher mentalitäts- und kulturgeschichtlicher Aspekte.29 Doch Roms Machtanspruch zur See hatte unmittelbare Folgen für seine sakrale, kultische sowie soziale Lebenswelt, die einer eingehenden Betrachtung bedürfen (Kapitel 5 und 6). Der Sieg zur See etwa wurde zeremoniell gewürdigt und verherrlicht, indem man ihm einen eigenen Ritus gab, den triumphus navalis. Der in der Forschung bisher völlig vernachlässigte Seetriumph integrierte maritime Beutestücke, Symbole und Zeichen in das semantische Repertoire der pompa triumphalis und gab ihr eine eigene, unverwechselbare Ausdrucksform. Als dann die Triumphatoren nicht mehr ausschließlich ihre Siege zur See errangen, sondern zugleich auf dem Land erfolgreich waren, verlor der triumphus navalis sein Alleinstellungsmerkmal. Einzelne Elemente des Seetriumphes fanden Einzug in die regulären Triumphe, welche die Sieghaftigkeit der römischen Feldherren nun zu Land und zu Wasser – terra marique – priesen. Je weiter Rom auf dem Meer expandierte und je stärker seine Hegemonie durch die Siege über die maritimen Kontrahenten gefestigt wurde, desto intensiver wandelte sich auch das städtebauliche Gesicht der Tibermetropole. Nautische Beutestücke wurden zu Ehrenmonumenten verarbeitet und sogar an der Rednertribüne angebracht und zeugten im Zentrum des politischen und gesellschaftlichen Lebens Roms, dem Forum, von der victoria und felicitas der res publica und der virtus ihrer Flottenkommandanten auf See. Selbst bis in den privaten Bereich hinein, sei es im Atrium der römischen domus oder an Fresken und Wänden römischer Nekropolen, überall lassen sich Abbildungen von Schiffen, Rammspornen, 29 Zur Mentalitätsgeschichte allgemein vgl. Schulze (1985) 247–270; Selin (1985) 555–58; im Bezug zur Alten Geschichte siehe die Ausführungen von Girardet (1993) 204. Einen ersten Versuch, mentalitätsgeschichtliche Aspekte bei der Betrachtung der Beziehung antiker Kulturen zum Meer mit einfließen zu lassen, hat Schulz (2005) 207–223 bereits gewagt, auch wenn seine Monographie diesbezüglich lediglich große Entwicklungslinien aufzuzeigen vermag.
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Ankern, oder gar ganze nautische Szenerien finden, die von der engen Beziehung der römischen Gesellschaft zum Meer zeugt. Auch die kultische Welt der Römer ist hiervon betroffen. In der Tiberstadt finden wir imposante Tempel und Kultstätten maritimer Gottheiten, für deren Beistand in den Seekampagnen man betete, opferte, sowohl Gelübde ablegte als auch einlöste. Einzelne Römer bzw. römische gentes erwählten persönliche Schutzgottheiten des Meeres und reklamierten deren spirituellen Wirkungskreis für ihre eigenen maritimen Aktivitäten, sei es im politisch-militärischen oder im ökonomischen Bereich. In den eingangs angeführten Definitionsversuchen von Seeherrschaft ist immer auch von einer ökonomischen Komponente die Rede, daher wird auch die Bedeutung des Meeres für die römische Wirtschaft in dieser Arbeit herausgestellt (Kapitel 7). Der Seehandel war ein elementarer Bestandteil der antiken Wirtschaft. Über die Seerouten des Mittelmeeres importierte die prosperierende Tibermetropole neben Getreide aus den Provinzen auch andere Lebensmittel und vor allem Luxusgüter. Im Gegenzug exportierte man in Massen italischen Wein und Öl in die Provinzen, wo sie auf den Märkten feilgeboten wurden. Die Unterwasserarchäologie konnte in den vergangenen 40 Jahren unser Bild von den Handel treibenden Römern um wertvolle Details bereichern und die in den literarischen Quellen zu findenden Aussagen zu den merkantilen Interessen der res publica falsifizieren oder untermauern. Am Ende dieser Arbeit steht der Versuch einer Synthese der hier kurz und in den einzelnen Kapiteln en detail ausgeführten Bedingungen und Ausdrucksformen römischer Seeherrschaft, um abschließend den Versuch einer systematischen Darstellung einschließlich einer Definition der antiken Thalassokratie zu wagen.
2. DIE GENESE DER RÖMISCHEN THALASSOKRATIE – EINE ANDERE „LESART“ DER RÖMISCHEN EXPANSION 2.1 „ZUGÄNGE“ ZUM MEER – SOCII NAVALES UND COLONIAE MARITIMAE Roms geographische Lage vermittelt im Gegensatz zu anderen antiken Seestädten und -mächten wie Karthago, Korinth, Alexandria am Nil, Massalia, Gades, Antiochia oder Syrakus nicht auf den ersten Blick den Eindruck einer auf das Meer ausgerichteten Siedlung. Während alle übrig genannten antiken Metropolen sich durch einen unmittelbaren Zugang zum Meer – wie einen Hafen als integraler Bestandteil der städtischen Topographie – auszeichneten, findet sich in Rom lediglich ein Flusshafen (portus Tiberinus).1 Selbst das seebeherrschende Athen schloss während der Perserkriege durch Themistokles initiiert mittels Befestigungsanlagen den einige Kilometer entfernten Hafen (Piräus) architektonisch an die Stadt an.2 Roms Zugang zum Meer gestaltete sich hingegen deutlich umfassender und blieb in der Antike weitgehend einzigartig. Im Zuge der konzentrischen Ausweitung des römischen Einflusses in das umliegende Gebiet (beginnend in Latium) tangierte man unweigerlich sehr schnell die italischen Küsten, zuerst am tyrrhenischen Meer im Westen und bald darauf auch an der Adria im Osten. Die Kontrolle dieser natürlichen Begrenzung war essentiell, denn so konnte zum einen der Küstenschutz vor Überfällen von seefahrenden Völkern, wie den Phoinikiern, Griechen oder Karthagern und zum anderen der Zugang zum Meer und deren Handelswegen mittels Schiffen und Häfen sichergestellt werden. Diese beiden wesentlichen Funktionen übernahmen die coloniae maritimae und die socii navales. 2. D ie Genese der römischen Thalassokratie
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Der Tiberhafen mit Werftanlagen, horrea und cellae muss sich nach Liv. 3,26,8 in der Nähe des Campus Martius befunden haben. Vermutlich erstreckten sich die Bauten auf beiden Seiten des Flussufers südlich der Tiberinsel. Bereits die antiatischen Schiffe, die 338 v. Chr. nach Rom gebracht wurden, verstaute man in den Schiffshäusern (Liv. 8,14,12). Weitere Hinweise zu Werftanlagen in Rom bei Pol. 36,5,9; Liv. 45,42,12; Plut. Tib. Gracchus 15,3. Zumindest muss es Anlegeplätze für große Kriegsschiffe gegeben haben, oder aber sie sind an Land – vermutlich am Campus Martius – gezogen wurden, Liv. 35,20,12; 42,27,1; 45,35,3; Vell. 2,45,5; Val. Max. 8,15,10; Plut. Cato minor 39,1–2. Zum Portus Tiberinus vgl. Castagnoli (1980) 35–42; Colini (1980) 43–53; Richardson (1992) 320; Coarelli, LTUR III (1996) 339f.; Buzetti, LTUR IV (1999) 155f; Kolb (2002) 209ff. Zur vielschichtigen Deutung von Häfen als Umschlagplätze und Knotenpunkte von Mittelmeerumspannenden Kommunikationsnetzen vgl. Horden/Purcell (2000) 391ff. Zu Athen und dem Piräus Thyk. 1,93,1–8; vgl. ferner Brenne (1999) 287ff.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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Die coloniae maritimae waren römische Bürgerkolonien, welche entweder auf den Ruinen eroberter und zerstörter Siedlungen oder durch Neugründungen entstanden waren.3 Sowohl die Zahl der Siedler von 300 Familien als auch die zugeteilte Agrarfläche von bina iugera (etwa ½ Hektar) pro Siedler waren festgelegt. Der Schlüssel zum Verständnis ihrer primären Aufgaben liegt in der geographischen Konzentration der römischen Bürgerkolonien begründet. Mit der Gründung der ersten colonia maritima, der Seestadt Ostia an der Tibermündung, sicherte sich Rom ab ca. 340 v. Chr. den Zugang zum Meer über die Flusspassage.4 Römische Schiffe gelangten fortan über den Tiber zum tyrrhenischen Meer und Rom selbst blieb durch seine Lage 20 Kilometer flussaufwärts vor Seeangriffen geschützt.5 Ostia eingerechnet, gründete Rom bis zum Jahr 122 v. Chr. 29 coloniae6, von denen lediglich drei – die 183 v. Chr. gegründeten Städte Mutina, Parma und Saturnia – ins Landesinnere nach Etrurien und Norditalien zu verorten sind.7 Die übrigen 26 römischen Siedlungen befanden sich allesamt in unmittelbarer Küstennähe. Von der Mitte des vierten bis zur zweiten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts besiedelten römische Bürger in sechs coloniae maritimae die tyrrhenische Nordwestküste von der Mündung des Tibers bis zur ligurischen Küste (Fregenae, Alesium, Pyrgi, Castrum Novum in Etrurien, Graviscae, Luna), in dreizehn coloniae die tyrrhenische Südwestküste von der 3
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Für Neugründungen steht beispielhaft die Stadt Volturnum, welche ursprünglich als befestigter Platz an der Flussmündung des Volturnus im Jahr 212 v. Chr. diente und deren Besatzung von einem gewissen D. Iunius befehligt worden war (Liv. 25,20,2. 22,5). Erst im Anschluss, 197 v. Chr., beantragte der Volkstribun C. Atinius die Entsendung einer Kolonie nach Volturnum, welche dann 194 v. Chr. entsandt wurde (Liv. 32,29,3; 34,45,1). Croton hingegen ist ein Beispiel für eine colonia maritima, welche auf den architektonischen Grundlagen einer bereits existierenden Seestadt aufbaute. Croton war eine griechische Kolonie und wird wohl auf Geheiß des delphischen Orakels im 8. Jahrhundert v. Chr. gegründet worden sein (Strab. 6,1,12–13; Diod. 8,17,1–2). Nach Strab. 6,1,11 reichte der Einfluss Crotons im Süden bis nach Scylletium und nach Norden bis zum Hyliasfluss (Thuk. 7,35,2). Zur Geschichte Crotons siehe die detaillierten Ausführungen bei Philipp (1922) 2021–2026. Croton wurde dann nach seiner tragischen Rolle im Hannibalkrieg römische colonia (Liv. 34,45,4–5), indem die Bewohner einen Teil ihres Landes an römische Bürger abzutreten hatten. Der quasi mythologische Ursprung, der durch Liv. 1,33,9 überliefert ist, deckt sich nicht mit den archäologischen Funden, wonach die ältesten baulichen Überreste für das Jahr 340 v. Chr. zu veranschlagen sind, vgl. dazu Busse (1999) 126f. Zur Bedeutung Ostias Habermann (1982) 35ff; zu Recht betont Frank (1975) 54 die Funktion Ostias als Absicherung der Tibermündung vor Piraterieeinfällen flussaufwärts. Zur Geographie der italischen Halbinsel vgl. Horden/Purcell (2000) 59–65. Wir haben durch die antiken Autoren keinerlei Kenntnis, dass feindliche Schiffe den Tiber entgegen der Strömung flussaufwärts fuhren, um Rom anzugreifen. Streng genommen zählen zu den hier erwähnten 29 coloniae nur die Seestädte, deren fortwährende Existenz auch noch im Verlauf der Republik nachweisbar ist, davon ausgenommen ist etwa Labici, welche nach Liv. 4,47,6 418 v. Chr. bereits nach Ostia gegründet worden war, wobei Parallelüberlieferungen wie etwa bei Diod. 13,6,8 eine solche colonia nicht erwähnen und Cic. Planc. 23 sie explizit als municipium betitelt. Zum municipium als Ausdrucksform einer teilintegrativen direkten Herrschaft vgl. Hantos (1983) 86–109; ferner Salmon (1970) 48ff; Sherwin-White (1973) 39–58. Dazu Liv. 39,55,7–9; CIL XI 188.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Tibermündung bis zur Südspitze der italischen Halbinsel (Ostia, Antium, Tarracina, Sinuessa, Minturnae, Volturnum, Liternum, Puteoli, Salernum, Buxentum, Tempsa, Scylacium mit Hafen Castra Hannibalis, Croton) und in sieben weiteren coloniae entlang der adriatischen Küste (Sipontum, Castrum Novum in Picenum, Potentia, Aesium, Auximum, Sena Gallica, Pisaurum).8 In Anbetracht der geographischen Verteilung der coloniae maritimae und der starken Konzentration an den Küstenabschnitten zur Tibermündung hin wird offensichtlich, dass mit ihnen in erster Linie die Absicherung der italischen Küsten verfolgt wurde.9 Dieser Ein8
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Bis zum Beginn des ersten römisch-karthagischen Krieges 264 v. Chr. gründete Rom acht coloniae maritimae: Ostia (ca. 340 v. Chr.), Antium (338 v. Chr.), Tarracina (329 v. Chr.), Minturnae (296 v. Chr.), Sinuessa (296 v. Chr.), Castrum Novum in Picenum (283 v. Chr.), Sena Gallica (283 v. Chr.), Castrum Novum in Etrurien (264 v. Chr.); Pol. 2,19,12; 6,2,9; Cic. rep. 2, 18. 33; Planc. 26; Liv. 1,33,9; 7,14,8; 8,21,11; 10,21,7–10; 22,14,3; 27,38,4–5; 36,3,4– 6; per. 11; Dionys. 1,9,2; 3,44,4; Strab. 5,3,6; Plin. n.h. 3,57. 59; Vell. 1,14,4.6; ferner Salmon (1970) 72ff; Frederiksen (1984) 39f.; Mason (1992) 75. Im Verlauf des ersten römisch karthagischen Krieges erweiterte Rom sein Herrschaftsnetz an der Küste Etruriens um zwei coloniae: Alsium (247 v. Chr.) und Fregenae (245 v. Chr.), dazu Liv. 27,38,4–5; 36,3,6; per. 10; Vell. 1,14,8; Salmon (1970) 64, 79; Mason (1992) 75. Ab 194 v. Chr. – also nach dem Ende des zweiten römisch-makedonischen Krieges – sicherte Rom durch neun zusätzliche Koloniegründungen die Küsten Campaniens, Lucaniens, Apuliens, Bruttiums, Picenums und Umbriens: Volturnum (194 v. Chr.), Liternum (194 v. Chr.), Puteoli (194 v. Chr.), Salernum (194 v. Chr.), Buxentum (194 v. Chr.), Sipontum (194 v. Chr.), Tempsa (Temesa) (194 v. Chr.), Croton (194 v. Chr.) und Pyrgi (191 v. Chr.); Liv. 32,29,3–4; 34,45,1–5; 36,3,6; 39,23,3–4; Vell. 1,15,3; Strab. 5,4,4; vgl. Salmon (1970) 97ff; Mason (1992) 75. Die letzten wesentlichen Koloniegründungen vollzogen sich an den Küsten Picenums, Umbriens und Etruriens bis 122 v. Chr.: Potentia (184 v. Chr.), Pisaurum (184 v. Chr.), Graviscae (181 v. Chr.), Luna (Galeria) (177 v. Chr.); Auximum (157 v. Chr.), auch wenn es 12 km landeinwärts lag, und Scylacium (122 v. Chr.), wobei zum benachbarten Hafenort castra Hannibalis nach Liv. 32,7,3 bereits 199/198 v. Chr. 300 Siedler entsandt worden waren; Liv. 39,44,10; 40,29,1; 41,13,5; Vell. 1,15,2–4; ferner Salmon (1970) 104f. Davon gehen auch Clark (1915) 6ff; Starr (1943) 57ff; Salmon (1970) 72; Hantos (1983) 30f.; Urban (1983) 14; Mason (1992) 76; ferner Reddé (1986) 412f. aus. Dem gegenüber Galsterer (1976) 41ff, der die geostrategische Funktion der coloniae maritimae negiert und statt dessen die fortschreitende Romanisierung des Gebietes als ihre Hauptaufgabe zu identifizieren glaubt. Galsterter (1976) 60 versteht die Bewohner der coloniae als „[…] Kader zur Schulung der Vorbevölkerung in der diesen fremden, römisch-latinischen Rechtsordnung“. Zur Untermauerung seiner These führt er an, dass sowohl die Zahl der coloniae als auch die Tatsache, dass viele von ihnen keine Hafenanlagen besäßen, bzw. wichtige Häfen keine coloniae seien, der Funktion des Küstenschutzes zuwider laufe. Galsterer verkennt bei seiner Argumentation das Wesen der antiken Seefahrt völlig: (1) In vielen Fällen dienten etwa Strände als natürliche Häfen auf denen die Holzschiffe lagerten, so dass ein Ausbau eines Hafens mit Molen und Anlegeplätzen bei einigen coloniae unnötig war. (2) Die Zahl der Siedler von 300 Familien wird für Seeangriffe auf italische Küsten völlig ausreichend gewesen sein, da wir nicht von einer übermäßig großen Anzahl gemeinsam operierender Schiffe und zahlreichen Schiffsmannschaften bei seeraubenden Aktivitäten auszugehen brauchen. Vielmehr wird sich die Verteidigung auch auf den Kampf an der Küste also auf das Land beschränkt haben. Vgl. dazu Höckmann (1985) 144ff; Schulz (2000) 426f. Zudem werden Koloniegründungen an der Küste überall dort überflüssig gewesen sein, wo treue Verbündete Roms, die socii navales, die Funktionen des Küstenschutzes übernommen hatten. Anders Abulafia (2011) 176f., der in
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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druck wird durch den ersten römisch-karthagischen Vertrag erhärtet. Dort heißt es: „Die Karthager aber sollen sich keine Übergriffe zuschulden kommen lassen gegen das Volk der Ardeaten, Antiaten, Laurentiner, Kirkaiiten, Tarakiniten, noch sonst gegen irgendeinen von den Latinern, soweit sie (den Römern) untertänig sind. Wenn aber irgendwelche keine Untertanen sind, sollen sie sich von deren Städten fernhalten. Wenn sie aber eine einnehmen, sollen sie diese den Römern unversehrt übergeben. Einen festen Platz sollen sie nicht in Latium bauen.“10
In der von Polybios tradierten vertraglichen Vereinbarung Roms mit der Seemacht Karthago wird nicht nur der römische Herrschaftsanspruch auf die latinischen Küsten einschließlich der dortigen Seestädte, sondern auch die Absicherung der Küste vor feindlichen (hier: karthagischen) Annexionen entweder durch Eroberung oder Neuansiedlung festgeschrieben. Ein genauerer Blick auf die Landkarte zeigt, dass die Mehrzahl der Seestädte zudem an Flussmündungen liegt11, so dass ihnen auch die Kontrolle der maritimen Zufahrtswege ins Landesinnere zugeordnet werden kann.12 Über Verkehrswege auf dem Festland verknüpfte man zudem die einzelnen „Seekolonien“ miteinander und übertrug ihnen so zugleich die Kontrolle von neuralgischen Verkehrsknotenpunkten.13 Die meisten coloniae maritimae waren, wie die archäologischen Überreste etwa von Ostia nahe legen, kleine mit breiten Mauern umschlossene Siedlungen,
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den coloniae maritimae eine Absicherung des Landes nach innen und nicht der Küsten favorisiert. Pol. 3,22,11–13: Καρχηδόνιοι δὲ µὴ ἀδικείτωσαν δῆµον Ἀρδεατῶν, Ἀντιατῶν, Λαρεντίνων, Κιρκαιιτῶν, Ταρρακινιτῶν, µηδ’ ἄλλον µηδένα Λατίνων ὅσοι ἂν ὑπήκοοι, ἐὰν δέ τινες µὴ ὦσιν ὑπήκοοι, τῶν πόλεων ἀπεχέσθωσαν·ἂν δὲ λάβωσι, Ῥωµαίοις ἀποδιδότωσαν ἀκέραιον. φρούριον µὴ ἐνο ικοδοµείτωσαν ἐν τῇ Λατίνῃ. Vgl. ferner Frederiksen (1984) 162. Antium am Fluss Scirocco (Strab. 5,3,5); Tarracina am Fluss Amasenus/Tarracinae flumen (Liv. 24,44,8; Strab. 5,3,6); Minturnae an der Flussmündung des Liris (Plin. n.h. 3,59; Strab. 5,3,6.9–10). Sena Gallica am Sena (Strab. 5,2,10); Liternum am Liternus/Clanis (Liv. 32,29,3; Strab. 5,4,4); Volturnum an Flussmündung Volturnus (Liv. 25,20,2; 32,29,3 Strab. 5,4,4); Sipontum an den Flüssen Candelaro und Cervaro (Cic. leg. agr. 2,27,71; Strab. 6,3,9; Mela 2,66); Potentia am heutigen Potenza (Strab. 5,4,2; Plin. n.h. 3,11; Mela 2,65); Pisaurum an der Mündung des Pisaurus (Plin. n.h. 3,113); Graviscae zwischen den Flüssen Marta und Mignone (Strab. 5,2,8; Plin. n.h. 32,21). Vgl. ferner Horden/Purcell (2000) 186ff. Eine Notiz bei Liv. 24,44,8 weist auf den Schutz der Flusswege durch die coloniae maritimae hin. Demnach soll ein Prodigium bei Tarracina sich ereignet haben, wo angeblich Kriegsschiffe auf dem Fluss gesichtet worden waren. Besondere Bedeutung für diese Aufgabe kam etwa Tarracina, Minturnae oder Sinuessa zu. Die via Appia überquerte in Minturnae den Fluss durch die Pons Tiretius (Cic. Att. 16,14,1) von dort erreichte man in kurzer Zeit Sinuessa und Formiae, die nur wenige Kilometer entfernt waren (Strab. 5,3,6). Ferner kontrollierten Minturnae und Sinuessa den schmalen Pass zwischen dem Mons Massicus und der tyrrhenischen See. Die Kontrolle der wichtigen Lautulae-Passage zwischen der Küste und dem Ausonischem Gebirge fiel in das Aufgabengebiet Tarracinas; dazu Salmon (1970) 77; Frederiksen (1984) 39f., 214ff. Die Wichtigkeit der Landverbindung wird durch die relative Bedeutungslosigkeit Sena Gallicas evident. Diese Seestadt war nicht durch Straßennetze mit anderen Städten verbunden, wodurch sie keinerlei strategische oder wirtschaftliche Bedeutung hatte, dazu Philipp (1923) 1451.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
die mit bewaffneten Garnisonen bemannt wurden.14 Diese Besatzungen zeigten ständige militärische Präsenz, denn es war ihnen untersagt, länger als dreißig Tage von ihrer Siedlung entfernt zu bleiben. Zu ihren Aufgaben zählten die Verteidigung der Siedlungsmauern und die Observation der Küste. Im Kriegsfall dienten die Kolonisten als Seeoffiziere und Ruderer in den republikanischen Flotten. Zu diesem Zweck mussten sie sich während der Rekrutierungen in den Kriegshäfen etwa Brundisiums oder Ostias einfinden.15 Aus der geringen Landzuteilung an die römischen Kolonisten ergaben sich unweigerlich gering zu veranschlagende landwirtschaftliche Erträge, so dass man davon ausgehen kann, dass diese coloniae wohl nicht vordergründig der Kultivierung des eroberten Gebietes dienten. Zur Kompensation des geringen landwirtschaftlichen Ertrages müssen entweder weitere Gebiete außerhalb der eigentlichen colonia zu den Besitzungen der Siedler gezählt haben, oder aber – und dies ist auf Grund der geographischen Lage zu favorisieren – das Meer und mit ihm die private Seefahrt bzw. Piraterie bot die Chance des Versorgungsausgleiches.16 Die Frage, inwieweit die einzelnen coloniae über Schiffskontingente verfügten, muss unbeantwortet bleiben. Wir wissen lediglich von einzelnen Städten wie Ostia oder Puteoli, dass ihre Häfen Schiffen Platz boten und sie als Operationsbasis für römische Interventionen auf dem Meer dienten.17 Roms Eroberung der italischen Halbinsel fußte neben der Kolonisation vor allem auf einem Vertragssystem, welches eroberte Siedlungen in ein Bundesgenossensystem einschloss. Die Art des Vertragsverhältnisses bestimmte die Autonomie der eroberten Gemeinde oder Siedlung. Neben den Siedlungen im Landesinnern wurden auch die Seestädte an den italischen Küsten Teil dieses Bundesgenossensystems und ihre Bewohner zu römischen Verbündeten auf dem Meer, den so genannten socii navales. Rom schloss mit den mächtigsten und einflussreichsten Seestädten Süditaliens, die zum Großteil griechischen Ursprungs waren, einen 14 Die archäologischen Überreste Ostias enthüllen etwa ein auf einer 103x120 m großen Grundfläche und von 1,7 m dicken und bis zu 5,4 m hohen aus Tuffsteinen bestehende Mauer umfassendes Kastell. Vgl. dazu Busse (1999) 126. 15 Die Aufgaben der Kolonisten werden in zwei Notizen des Liv. 27,38,3–5; 36,3,4–6 erwähnt. Vgl. ferner Salmon (1970) 76f; Mason (1992) 78ff. 16 Dazu Salmon (1970) 71ff; Hantos (1983) 30f.; anders Mason (1992) 88–87, der die Bedeutung der coloniae maritimae für die Kultivierung des Landes betont: „An agrarian role for all these colonies was both possible and essential, and there is no need to speculate about external provisioning. Military strategy alone is not an adequate focus through which to interpret the history of Roman colonization.“ Der sozioökonomische Aspekt wird von Pina Polo (2006) 172f. für die späteren Koloniegründungen nach dem zweiten römisch-karthagischen Krieg favorisiert. Dass die Piraterie eine mögliche Alternative bot, ist explizit für Antium belegt. Strab. 5,3,5 berichtet über Beschwerden bezüglich der antiatischen Kaperfahrten. 17 Im Krieg gegen Hannibal diente Ostia mehrfach als Sammelplatz für die Flotte (Liv. 22,11,6– 7. 36,9; 26,19,11). Puteoli wurde im Krieg gegen Hannibal von Quintus Fabius Maximus als Festung ausgebaut, mit einer Besatzung versehen und mit der Observation des Flusses beauftragt (Liv. 24,7,10; 25,20,2–3). Dem Promagistrat C. Claudius Nero diente der Hafen von Puteoli als Sammelplatz für seine Flotte, mit der er 211 v. Chr. nach Spanien übersetzte (Liv. 26,17,2. 19,10).
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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foedus, welches vor allem ein gemeinsames Waffenbündnis zur See beinhaltete.18 Demgemäß mussten Städte wie Neapolis, Tarent, Lokroi, Rhegium oder Velia im Kriegsfall Schiffskontingente und -mannschaften für römische Operationen auf See stellen.19 Bereits für den ersten römisch-karthagischen Krieg berichten die antiken Autoren über römische Flottenverbände, welche durch Kontingente der socii navales aufgestockt worden waren.20 Im zweiten römisch-karthagischen Krieg sicherten Verbände der socii navales unter dem Kommando des D. Quinctius die tyrrhenische Küste vor gegnerischen Angriffen, da bereits mehrere Bundesgenossen Roms zu dem in Italien operierenden Hannibal übergelaufen waren und auch ihre Schiffe in dessen Dienst gestellt hatten.21 Die römischen Seekampagnen, an denen die Kontingente der italischen socii navales teilnahmen, beschränkten sich nicht ausschließlich auf die Verteidigung bzw. Absicherung der italischen Küsten. Auch in den Seeschlachten der Kriege gegen Antiochos III. oder Perseus von Makedonien kämpften Schiffe der verbündeten Seestädte Tarent, Neapolis, Lokroi und Rhegium in der Ägäis.22 In Einzelfällen ist den socii navales der Flottendienst auch erlassen worden. Lokroi beispielsweise wurde vom Bereitstellen seiner Schiffe für die Kriegskam-
18 Der einzig erhaltene Wortlaut eines solchen Vertragstextes findet sich für das foedus Cassianum; Dion. 6,95; Cic. Balb. 53; Liv. 2,33,9; Bengtson (1962) 22ff; Petzold (1972) 386–411; Hantos (1983) 152ff; Forsythe (2005) 186ff. Dahlheim (1965) 107f. fasst das Bündnis mit den socii wie folgt zusammen: „Beherrscht war dieses Verhältnis durch den Gedanken der Wehrgemeinschaft: Neben den römischen Bürgerheeren bildeten die Kontingente dieser socii das militärische Kräftereservoir, das Rom seine auswärtigen Kriege ermöglichen sollte und auch tatsächlich ermöglicht hat. So bestand der entscheidende Inhalt des foedus in der Festsetzung der zu leistenden Militärhilfe, die stets eine unbedingte war und bei einem Defensivkrieg nach Anforderung geleistet werden mußte.“ 19 Das erste literarisch verbriefte foedus eines socius navalis mit Rom ist für die griechische Kolonie Neapolis für das Jahr 326 v. Chr. durch Liv. 8,26,6 belegt. Der genaue Inhalt lässt sich nur fragmentarisch rekonstruieren. Nach Liv. 35,16,3, sind die Lieferungen von Schiffen ein Bestandteil. Weitere Hinweise bei Cic. Balb. 8. 21. 24. 55. Sonst muss von einer weitgehenden Autonomie ausgegangen werden, wie Schmitt (1969) 22 (410) konstatiert. Zum foedus zwischen Tarent und Rom vgl. ferner Schmitt (1969) 128f. (475). Zur Rekrutierung der Schiffsmannschaften aus der Reihe der Bundesgenossen allgemein Liv. 22,11,7. Analog dazu muss das Vorgehen bei der Rekrutierung und Zusammensetzung des Landheeres gesehen werden, wie Jehne (2006) 250–255 es ausführt. Eine derartig rituelle Durchführung des dilectus kann auch für die Seemannschaften angenommen werden, obwohl Nachweise diesbezüglich fehlen. 20 Nach Pol. 1,20,14 waren es 264 v. Chr. ausschließlich Schiffe der griechischen Seestädte Tarent, Lokroi, Velia und Neapolis, auf welchen die römischen Legionen unter Claudius nach Sizilien transportiert worden waren. Gemeint ist hier der Tribun Claudius, der nach Zon. 8,8,6 und Diod. 23,1,2 als Vorhut vom Consul Appius Claudius entsandt worden war. Vgl. dazu die Darlegung der Ereignisse in Kapitel 3.1, S. 101 21 Nach Liv. 26,39,3–5 stellten Velia, Rhegium und Paestum die dringend benötigten Schiffskontingente, da die wenigen von Sizilien detachierten Schiffe nicht ausreichten. 22 Liv. 35,16,3; 36,42,2; 42,48,7.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
pagnen des C. Marcius Figulus 156 v. Chr. in Dalmatien und des Q. Opimius 154 v. Chr. in Iberien gegen die Lusitaner befreit.23 Darüber hinaus dienten die Häfen der socii navales den römischen Flotten als strategische Stützpunkte, wie etwa Rhegium 210 v. Chr. der Flotte des D. Quinctius, als dieser die Getreideversorgung der Truppen per Schiff organisierte, oder Neapolis 191 v. Chr. den Schiffen des C. Livius für dessen Kampagne gegen Antiochos III. und 171 v. Chr. den Kontingenten des C. Lucretius, damit dieser seine Flotte nach Cephallenia versegeln und dort gegen Perseus von Makedonien einsetzen konnte.24 Auch wenn uns ein direkter literarischer Hinweis fehlt, ist davon auszugehen, dass die Freigabe der eigenen Häfen als Lande- und Versorgungsbasen für die römische Flotte und sicher auch deren Versorgung für die Dauer der Stationierung, den socii navales durch den foedus auferlegt war. Mit steigender Zahl bedurften die socii navales als komplexes „Marinereservoir“ einer gezielten Organisation und Koordination, denn nur so konnte man effektiv über die vertraglich zugesicherten Schiffskontingente verschiedenen Typs – ob Kriegsschiff oder Transporter – einschließlich ihrer spezialisierten Besatzungen verfügen und sie für die jeweilige Seekampagne einsetzen. Mit dieser Aufgabe wurden vermutlich die quaestores classici beauftragt, welche neben Ostia noch in weiteren Seestädten stationiert waren.25 Wie essentiell die Seestädte für den römischen Machterhalt in den italischen Gewässern waren, verdeutlicht deren Rolle im zweiten römisch-karthagischen 23 Inwieweit diese Konzession durch Polybios vermittelt worden war, wie er es in seinem Geschichtswerk 12,5,1–2 von sich selbst behauptet, bleibt ungewiss. Nach Pol. 33,7,1–4 fanden Schiffe im Krieg gegen die Lusitaner 154 v. Chr. Verwendung, da die Gesandtschaft aus Rom per Schiff über Massalia zur Seestadt Aigina fuhr. Anders verhält es sich in der Überlieferung zum Krieg in Dalmatien. Die Parallelberichte bei Liv. per. 47; Flor. 2,25; App. Ill. 11 erwähnen keinerlei Einsatz von Schiffen in der Kriegskampagne 156 v. Chr. Es bleibt ungeklärt, inwieweit die Flotte wirklich von strategischer Bedeutung war. Sicher beschränkte sich ihr Einsatz – wenn überhaupt – so doch auf die Versorgung des Heeres. So muss ein letzter Rest von Zweifel an Polybios’ Anmerkung zur Befreiung Lokrois vom Flottendienst für den Krieg in Dalmatien 156 v. Chr. bleiben. 24 Liv. 26,39,2; 36,42,1–2; 42,48,9. 25 Der hauptsächliche Aufgabenbereich eines Quaestors beschränkte sich zu Beginn auf die organisatorische Vorbereitung und Abwicklung von Maßnahmen der Kriegsvorbereitung einschließlich Finanzierung, vgl. Bleicken (1989) 85 f. Zu den quaestores classici Lyd. mag. 1,27; Cic. Mur. 18; Sest. 17. 39; Liv. per. 15; Vell. 2,94,3. Mommsen, StR II, 570ff. zufolge wurden vier neue Quaestorenstellen eingeführt, die so genannten italischen Quaestoren, vgl. ferner Bleicken (1989) 108. Kritische Hinterfragung zu den vier Quaestorenstellen von 267 v. Chr. bei Harris (1976) 93–106, der nur zwei neue Quaestoren statt vier annimmt und keine Verbindung zu den Aufgabengebieten bezüglich der Flotte erkennen will; Streichung der Quaestorenstellen bei Dahlheim (1977) 30–35. Lazenby (1996) 63 negiert mit dem dürftigen und widersinnigen Versuch eines etymologischen Vergleichs der lateinischen Begriffe für Flotte (classis) und Flottenquaestor (quaestores classici) eine Verbindung zwischen den neuen Quaestorenstellen und der römischen Flotte. Thiel (1946) 33f. und Viereck (1996) 169 vermuten, dass die Sitze der Quaestoren in Ostia, Ariminum und Cales lagen. Der vierte Ort ist unbekannt, Mommsen, Staatsrecht II, 570ff vermutet Lilybaeum als vierten Sitz; dazu auch Kunkel / Wittmann (1995) 338 mit Anm. 143, ferner 531.
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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Krieg. Hannibals erklärtes strategisches Ziel war es, nach der Schlacht von Cannae 216 v. Chr. Rom in Italien zu isolieren, indem er die italischen Bundesgenossen zum Abfall bewegte.26 Zwei der wichtigsten socii navales, Tarent und Lokroi, schlossen sich dem karthagischen Invasoren an und versuchten ihre Schiffe in dessen Dienst zu stellen.27 Trotz der Übergabe der Stadt an Hannibal lagen die Schiffe Tarents unbrauchbar vertäut im Hafen, denn die Ausfahrt war durch die römische Besatzung auf der Burg weiterhin unter deren Kontrolle.28 Daher ließ Hannibal die Schiffe von Fuhrwerken aus dem Hafenbecken quer durch die Stadt zur Bucht von Tarent transportieren, um sie dort zu Wasser zu lassen.29 Lokroi hingegen diente den Karthagern als Landungsplatz für Verstärkungen und als Operationsbasis unter dem Kommando Magos.30 Durch den Abfall und die Eroberung weiterer Städte wie Herakleia, Metapont und Thurioi kontrollierte Hannibal bis auf Rhegium zeitweise die gesamte italische Südküste.31 Rom hingegen ahndete die Insubordination der Seeverbündeten mit kompromissloser Härte. Während Tarent geplündert und entvölkert wurde, indem man 30.000 Einwohner in die Sklaverei verkaufte32, erhielt Lokroi 205 v. Chr. nach dessen Eroberung durch Scipio und summarischer Bestrafung der führenden Männer der Stadt eine militärische Besatzung.33 Dennoch war man in Rom tendenziell um eine gute Beziehung zu den süditalischen Seestädten bemüht. Als der Kommandant der militärischen Besatzung Pleminus in Lokroi seine Position missbrauchte, indem er Tempel, Heiligtümer und sogar die Schätze der Proserpina raubte, sowie sich an der Bevölkerung schadlos hielt und willkürlich Hinrichtungen durchführte, wandten sich Abgesandte der Stadt an den römischen Senat und erbaten Unterstützung. In Rom reagierte man umgehend. Die militärische Besatzung wurde aus Lokroi ab-
26 Zur Strategie Hannibals vgl. Erskine (1993) 58, 62; Seibert (1993b) 211ff; Christ (2003a) 95f.; Barceló (2004b) 19ff. 27 Nach Liv. 26,39,6–19 griffen tarentinische Schiffe unter dem Kommando des Demokrates römische Kontingente des Flottenkommandanten Decius Quinctius an, die versucht hatten, die belagerte römische Besatzung in der Burg in Tarent über See zu versorgen, und besiegten diese in einem Seesgefecht. 28 Pol. 8,34,1; Liv. 25,11,10; App. Hann. 33. Seibert (1993b) 276 resümiert daher zutreffend: „Wenn der Karthager die Situation nüchtern betrachtete, konnte er das Unternehmen keineswegs als Gewinn verbuchen. Das Ziel, den Römern eine Stadt mit einem sicheren Seehafen abzunehmen, war nicht erreicht worden.“ Vgl. ferner Seibert (1997) 72f.; Barceló (2004) 165. 29 Pol. 8,34,2–11; Liv. 25,11,11–19. Anders App. Hann. 34, der von dem Durchstoßen des Isthmus berichtet, so dass die Schiffe dann vom Hafen aus das Meer erreichten. Später liefen karthagische Schiffe im Hafen ein, um die Belagerung der Burg voranzutreiben, Pol. 9,9,11; Liv. 26,20,7–11. 30 Liv. 24,23,8–9; 27,28,14; Frontin. 4,7,26. 31 Liv. 25,15,6–17; App. Hann. 35; Frederiksen (1984) 238ff; Seibert (1993b) 290f.; (1997) 72; Christ (2003a) 122. 32 Liv. 27,16,7; Plut. Fabius 22,6; Eutrop. 3,16,2; Oros. 4,18,5. 122 v. Chr. versuchte Caius Gracchus, die Seestadt als colonia martima neu zu besiedeln. Doch die neu gegründete colonia neptunia konnte an die Bedeutung Tarents nicht anknüpfen; Vell. 1,15,4; Strab. 6,3,5; Plin. n.h. 3,99; Busse (1999) 147ff; Barceló (2004) 180. 33 Liv. 29,8,1–5.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
gezogen, Pleminus inhaftiert und der Prozess gemacht.34 Spätestens nach der Krise des römischen Bundesgenossensystems, welche sich in einem fünf Jahre währenden Krieg von 91-87 v. Chr. entlud, gewährte Rom den verbündeten Seestädten das römische Bürgerrecht.35 Auch in späterer Zeit war die res publica auf die strategisch günstig gelegenen Hafenmetropolen angewiesen, wie Velia exemplarisch verdeutlichen soll: Dorthin verschiffte Verres während seiner Statthalterschaft in Sizilien die von ihm geraubten Schätze.36 Von hier aus zog der Caesarmörder Iunius Brutus im Jahr 44 v. Chr. mit wenigen Schiffen nach Griechenland, und die stark mitgenommene Flotte des Octavian hatte 36 v. Chr. vergeblich versucht, im Hafen Schutz vor einem Seeunwetter zu suchen, nachdem sie erfolglos die erste Offensive gegen Sextus Pompeius in Sizilien abgebrochen hatte.37 Ferner band das römische Bundesgenossensystem auch die latinischen Kolonien vertraglich an sich. Diese Siedlungen, welche Rom nach der Auflösung des Latinerbundes in sein Herrschaftssystem in Italien integriert hatte, wurden im Gegensatz zu den coloniae maritimae als autonome Gemeinwesen, mit Eigenständigkeiten etwa im Münzwesen oder der Rechtsprechung angesehen.38 Zu den coloniae latinae gehörten neben den überwiegend im Binnenland lokalisierten Städten auch einige Hafenmetropolen wie Brundisium, Paestum oder Vibo Valentia. Entgegen der Position THEODORA HANTOS’ kann diesen coloniae latinae sehr wohl eine wichtige Rolle in der maritimen Sicherheitspolitik der res publica populi romani zugeordnet werden.39 Die ursprünglich griechische Seestadt Paestum (vormals Poseidonia) an der lucanischen Küste wurde bereits 273 v. Chr. latinische Kolonie und zeichnete sich durch die Bereitstellung von Schiffskontingenten während des zweiten römisch-karthagischen Krieges aus.40 Das 246 v. Chr. ins römische Herrschaftssystem eingegliederte Brundisium an der calabrischen Küste wurde im Verlauf der römischen Ostexpansion zu der maritimen Pforte in die Adria und die Ägäis. Bereits im ersten illyrischen Krieg setzte der Consul Postumius sein Landheer von Brundisium aus mit der Flotte nach Illyrien bei Apollonia über. In den nachfolgenden Kriegen gegen Phillipp V. und Perseus von Makedonien, den seleukidischen König Antiochos III. oder Genthios in Illyrien sammelten sich immer wieder die römischen Legionen bei Brundisium, um dann im Ha34 Liv. 29,8,6–9,11. 16,4–22,10. 35 Neapolis durch L. Iulius Caesar (Cic. fam. 13,30,1); Rhegium: Cic. Verr. 2,4,135; Philipp. 1,7; Velia: Cic. Balb. 55; Val. Max. 1,1,1. 36 Cic. Verr. 2,2,99. 5,44. 37 Vell. 2,79,3; App. b.c. 5,98; Plut. Brutus 37,1. 38 Dazu umfassend Hantos (1983) 122–130; ferner Dahlheim (1965) 104f.; Salmon (1970) 55– 66; Sherwin-White (1973) 96–116. 39 Hantos (1983) 144: „Der potentielle Feind, der Rom das eroberte Gebiet streitig machen konnte, grenzte nicht direkt an das den Römern zu herrschaftlicher Disposition stehende Territorium, sondern befand sich jeneits des Meeres; er mußte zur See abgewehrt werden können. Für den Schutz der Küste jedoch wurden in Italien nicht die latinischen, sondern die römischen Kolonien eingesetzt […].“ Anders Salmon (1970) 74: „The Roman state established a number of Latin colonies on the sea coast, performing essentially the same role as the Citizen colonies, and inevitably doing so more efficiently.“ 40 Liv. 26,39,5.
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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fen auf die Transporter der römischen Flotte verladen zu werden, welche sie zu ihren Operationsgebieten transportierten.41 Zudem sicherte Rom im Verlauf seiner zunehmenden Intervention im hellenistischen Osten über Brundisium die italische Ostküste vor Angriffen und Überfällen ab. Als mit dem Eintritt Makedoniens in den zweiten römisch-karthagischen Krieg die Kriegshandlungen auf die Adria überzugreifen drohten, entsandte der Senat zur Absicherung der italischen Ostküste und Überwachung der makedonischen Aktivitäten im mare Adriaticum den Praetor Marcus Valerius mit einer Flotte und einer Legion nach Brundisium.42 Kaum zwanzig Jahre später wiederholte sich diese Sicherheitsmaßnahme, als der Krieg mit dem seleukidischen Königreich 191 v. Chr. ausgebrochen war. Die Küste zwischen Tarent und Brundisium lag nunmehr in der Obhut von A. Cornelius, der zu diesem Zweck mit einer Besatzung in Brundisium verblieb.43 Darüber hinaus schien die Observation der adriatischen Küste auch zu den Aufgaben der Kolonisten gehört zu haben. Als in den späten 80er Jahren des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts abermals illyrische Seefahrer italische Seestädte brandschatzten, meldeten die Bewohner Brundisiums dieses Vorgehen den Römern, welche daraufhin ab 182 v. Chr. in Illyrien eingriffen.44 Die strategische Bedeutung Brundisiums für die Beherrschung des Mittelmeeres wird in den Bürgerkriegen besonders evident. Kein anderer Hafen der gesamten, mehr als 24.000 Kilometer langen Mittelmeerküste war derart häufig und mit entschiedener Hartnäckigkeit blockiert, belagert, attackiert, verteidigt und befreit worden. Brundisium diente den Bürgerkriegsparteien als Brückenkopf und Einfallstor zugleich und sollte mehr als einmal Schauplatz verzweifelter Seegefechte werden. Halten wir fest: Mit Hilfe des Bundesgenossensystems und der Kolonisation auf der italischen Halbinsel verschaffte sich Rom auch einen direkten Zugang zum Meer. Die Seestädte an den italischen Küsten glichen einem schier unerschöpflichen Reservoir an Kriegsschiffen und Transportern, Ruderern und Schiffsbauern. Ihre teils gut ausgebauten und befestigten Häfen dienten als Operationsbasen und Lagerplätze für die römischen Seekampagnen im mare Tyrrhenum und mare Adriaticum. Die Absicherung der Küstengebiete und der dahinter liegenden stetig wachsenden Landmasse des römischen Herrschaftsbereiches auf der italischen Halbinsel oblag den coloniae maritimae und den stetigen Seepatrouillen der duumviri navales, eine Institution, die es im nachfolgenden Kapitel zum römischen Seekommando noch genauer zu untersuchen gilt. Mit diesen Voraussetzungen wagte sich Rom auf das Meer, um über die Seewege mit ihren Kriegsflotten den römischen Herrschaftsanspruch an neue Küsten und Landstriche zu tragen.
41 Erster illyrischer Krieg: Pol. 2,11,7; zweiter römisch-makedonischer Krieg: Liv. 31,14,1–2; 32,9,6; 34,52,2; dritter römisch-makedonischer Krieg: Liv. 42,18,3. 27,2.4–5.7–8. 31,7. 35,3. 36,8. 49,10; 44,1,1.3. 19,2; römisch-seleukidischer Krieg: Liv. 35,23,5. 24,7; 36,3,13; Krieg gegen Genthios Liv. 40,42,1; 43,9,5. Vgl. Hammond (1968) 2ff. 42 Liv. 23,48,3; 24,10,4. 11,3. 43 Liv. 36,2,7. 44 Liv. 40,18,4.
2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Karte des Imperium Romanum von 264 bis 30 v. Chr.
2.1 „Zugänge“ zum Meer – Socii navales und coloniae maritimae
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
2.2 DIE KONTROLLE DER KÜSTEN DES MARE INTERNUM Die Küsten des mare internum messen eine unglaubliche Länge von 24.000 Kilometern. Sie waren – und sind es trotz der Einwirkung des Menschen bis heute – durch die tektonischen Plattenbewegungen bedingt äußerst mannigfaltig: sowohl schroff, unwirtlich und von weiten, ausladenen Buchten gekennzeichnet wie in der Provinz Cilicia als auch breit und seicht wie etwa im Süden der iberischen Halbinsel buchtenreich und steil wie in Griechenland, von kleinen Inseln umsäumt wie in Dalmatien oder flach und überschwemmungsgefährdet an teils breiten Flussdeltas, wie in der Poebene oder an der Küste des Languedoc.45 Diese Gestade bildeten zur Zeit der Republik das territoriale Kernstück des Imperium Romanum. Von Italien ausgehend befuhren die Kriegsflotten der res publica populi romani entlang der Seerouten das mare internum und legten so den Grundstein des heranwachsenden Imperiums. Die römische Expansion von 241 bis 30 v. Chr. umfasste an den Küstengebieten zuallererst die indirekte Kontrolle – also durch römische Verbündete – und/oder die direkte Kontrolle durch die Provinzialisierung von den Säulen des Herakles im äußersten Westen bis zur kleinasiatischen Küste im Osten, von den nordafrikanischen Stränden im Süden bis hin zu den dalmatinischen Ufern im Norden. Das Hinterland, in vielen Gegenden durch Gebirgsketten rau und nicht leicht zu durchqueren, war primär nicht von Bedeutung und die römische Suprematie verlief zunächst ausschließlich entlang der Küsten bis zu einigen hundert Kilometern landeinwärts. Die Gebiete im Landesinneren beließ man entweder in der Hand von reges socii et amici oder aber bemühte sich erst im späteren Verlauf um deren sukzessive Eroberung. Werfen wir nun einen Blick auf die einzelnen Küstenabschnitte und versuchen wir, an konkreten Beispielen die hier angeführte kurze Skizze römischer
45 Zu der erdgeschichtlichen Entwicklung der heterogenen Mittelmeerküstenwelt vgl. Richter (1983) 3: „Diese Unruhe der Erdkruste hat immer wieder in die Entwicklung der Kulturlandschaft eingegriffen. […] Die Instabilität des Festlandes äußert sich im mediterranen Raum in nachweisbaren Hebungen und Senkungen, und auch das Meer hat durch seine Spiegelschwankungen immer wieder zum Landschaftswandel in geologisch junger Zeit beigetragen. […] Die mediterranen Küsten sind aufgrund der geschilderten tektonischen Verhältnisse vorwiegend Gebirgsküsten. Streichen die Gebirgsketten küstenparallel, wie auf der Apenninen-Halbinsel oder an der Südküste Kleinasiens, so entstehen wenig gegliederte Großbuchtküsten mit schmalen oder ohne Küstenebenen. Die dalmatinische Canale-Küste mit ihren küstenparallelen Inselreihen stellt als abgesenkte und ertrunkene Gebirgsküste eine Abwandlung dieses Küstentyps dar. Wo dagegen Faltengebirge senkrecht ins Meer ausstreichen, wie im Ägäischen Raum, bestehen die Gebirgsküsten, reich gegliedert durch Inseln, vorspringende Halbinseln mit Steilküsten und Buchten, aus denen Flußtätigkeit und Meer Verlandungsebenen schufen. […] Ein weiterer Küstentyp entstand im westlichen Mittelmeergebiet, wo ältere, eingerumpfte Gebirgsblöcke im Hinterland der Küste weite Tafellandschaften in mittlerer Höhe bilden, wie die Meseta der Iberischen Halbinsel. Am wenigsten verbreitet sind schließlich ausgedehnte junge Schwemmlandküsten, teils mit Deltas und Versummpfungszonen, wie wir sie in der Poebene und an der Küste des Languedoc finden.“ Vgl. ferner Horden/Purcell (2000) 9–25.
2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum
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Herrschaft an den Küsten und den Weg zur Beherrschung dieses mare nostrum nachzuvollziehen. 2.2.1 Das westliche Mittelmeer Stellen wir uns vor, wir seien ein antiker Reisender zur Zeit des frühen Principats und wollten eine Seereise von Italien aus unternehmen. Zunächst begeben wir uns zu einer der großen Hafenmetropolen der tyrrhenischen Küste, etwa nach Puteoli oder Ostia. Im Hafenviertel suchen wir das Büro der einheimischen navicularii (Reeder) auf, um uns nach bald auslaufenden Handelsschiffen – der einzigen Reisemöglichkeit, denn Tourismus war dem antiken Menschen völlig unbekannt – zum gewünschten Reiseziel zu erkunden. Haben wir eines ausfindig machen können, entrichten wir beim navicularius unser Fährgeld und betreten mit unserem wenigen Gepäck das Schiff, welches an einem der Anlegeplätze vertäut liegt und von eifrigen Männern mit Amphoren voll Wein und Öl beladen wird. Nachdem wir abgelegt haben, schleppen die lenuncularii mit ihren kleinen Ruderschiffen den riesigen, über 50 Metern langen und mit bis zu 10.000 Amphoren beladenen Holzsegler46, der auf Grund seiner Form von den Römern als corbita (corbis = der Korb) bezeichnet wurde, aus dem Hafen.47 Sobald wir die schützenden Hafenmauern verlassen haben, setzen wir Segel. Der kühle Südwestwind und die spezifischen Meeresströmungen tragen unser Schiff auf dem mare Tuscum zunächst entlang der etrurischen und ligurischen Küste nach Norden, bevor wir uns nach Westen wenden, wo wir bereits nach wenigen Tagen auf die gallische Mittelmeerküste stoßen.48 46 In der Kaiserzeit waren die Betreiber der Schleppschiffe die lenuncularii, vermutlich nicht in einem einheitlichen collegium organisiert, sondern – so für Ostia bezeugt – in fünf verschiedenen Organisationen, ähnlich den Gilden, und gehörten neben anderen Gruppierungen zu den vielfältigen Berufsfeldern der antiken Hafenmetropolen, vgl. Habermann (1982) 53f.; Höckmann (1985) 92, 150 einschl. Abb. 130. Zur Ladekapazität vgl. Köster (1923) 162–166; Höckmann (1985) 67ff, der bis zu 450 Tonnen konstatiert. 47 Zum Aussehen der römischen Transportschiffe vgl. Köster (1923) 156ff; ferner Höckmann (1985) 62–66, der neben den bauchigen corbitae, die meist über keinen eigenen Ruderapparat verfügten, auch noch die sizilische cybaea und den ponto erwähnt, einen keltischen Schiffstyp, der aller Wahrscheinlichkeit nach eher einem Rudersegler als einem reinen Segelschiff glich. Zum Personentransport in der Antike Horden/Purcell (2000) 377ff. 48 Die Rekonstruktion der Seefahrtsrouten ist äußerst komplex und beruht auf drei wesentlichen Säulen: (1) Auf schriftlichen Quellen: Zum einen auf das Preisedikt des Diocletians aus dem Jahr 301 n. Chr. Dort sind einzelne Frachttarife für den Seehandel sowie die Ausgangs- und Zielhäfen der einzelnen Seefahrtsrouten aufgelistet. Ein Verlauf der Seewege lässt sich davon jedoch nicht ablesen. Ferner sind seit ca. dem 6. Jahrhundert v. Chr. περίπλοι (Periploi) und σταδιασµοί (Stadiasmoi) – nautische Hilfsbücher – überliefert, die uns detailreiche Beschreibungen der Küsten verschaffen – für den Verlauf der Seewege entlang der Küsten sehr hilfreich, für den Verlauf der Seerouten auf hoher See jedoch völlig unbrauchbar. (2) Auf archäologischen Quellen: Die Unterwasserarchäologie konnte eine Vielzahl von Schiffwracks, die vermutlich auf den Seerouten gekentert waren, ausfindig machen. Doch auch hier muss man Vorsicht walten lassen. Technisch ist es uns momentan verwehrt die Suche nach Schiff-
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Der römische Einfluss auf diese Küstenlinie stützte sich auf ein Bündnis mit der mächtigsten Seestadt Südgalliens, Massalia (heutiges Marseille). Diese von ionischen Phokaiern als ἐµπόριον (Emporion) gegründete Siedlung beherrschte ihrerseits durch mehr als ein Dutzend Koloniegründungen die gesamte Küste von Baeterrae im Südwesten bis Monoikos im Nordosten. Im Lakydon besaß sie den besten Hafen Südgalliens und eine einsatzfähige Flotte bildete das Rückrat ihrer Seeherrschaft. Als Knotenpunkt des Seehandels im nordwestlichen Mittelmeerraum pflegte Massalia seine Handelswege nicht nur in den griechisch-kleinasiatischen Raum, sondern expandierte mit der Gründung von Hermeroskopeion oder Mainake auch nach Süden auf die iberische Halbinsel.49 Über kurz oder lang berührte sie damit unweigerlich karthagische Interessensphären50, die nach den Gebietsverlusten mit dem Ende des ersten römisch-karthagischen Krieges nun die iberische Halbinsel mit einschloss. Rom, als Konkurrentin Karthagos um die maritime Vorherrschaft im westlichen Mittelmeer, bot sich den Massalioten als Schutzmacht an. Noch vor Ausbruch des zweiten römisch-karthagischen Krieges erwähnt Livius in seinem Geschichtswerk Massalia als socius der Römer.51 Fortan fuhren mas-
wracks, die tiefer als 70 Metern liegen, aufzunehmen. Bedenkt man, dass das Hauptbecken des mare internum eine Tiefe von 3.000 bis 5.000 Metern misst, muss klar sein, dass wir nur einen Bruchteil der insgesamt versunkenen Schiffwracks bisher geborgen haben und diese auch nur einen Teil der Seerouten – vornehmlich entlang der Küsten – nachzeichnen lassen. (3) Auf geophysikalische Kenntnisse des Mittelmeeres: Wie alle Weltmeere wird auch das Mittelmeer von spezifischen Meeresströmungen und Windverhältnissen charakterisiert, welche unter Berücksichtigung antiker Nautik bestimmte Routen wahrscheinlicher erscheinen lassen als andere. So kann es als gesichert gelten, dass etwa die Seewege von Ost nach West entlang der nördlichen Meeresbecken führten, während der Weg von West nach Ost durch die spezifischen Winde und Meeresströmungen viel mehr im südlichen Teil des mare internum zu verorten ist. Vgl. hierzu umfassend die Ausführungen von Richter (1983) 4, 6–12; Urban (1983) 20 mit den aufschlussreichen geophysikalischen Karten des Mittelmeeres; weiter Köster (1923)190ff; Casson (1973) 283ff; Lanitzki (1980) 9–45; Höckmann (1985) 12 Abb. 1, 162f.; Reddé (1986) 386–394; Parker (1992) 1–6; Gelsdorf (1994) 751–766; Meier; Warnecke (1999a) 337f.; (1999c) 443ff; (2002) 95f.; Martin (2003) 923ff. Nach Horden/Purcell (2000) 11, erweckte die Küstenschifffahrt den Eindruck einer rein linearen Route: „The Mediterranean came indeed tob e regarded as like a great river. […] Gulf, river, and sea are imaged as varying rxtensions of the same medium“. Vgl. ferner dazu dies. 137ff. 49 Aristot. frg. 549R.; Liv. 5,34,7; Strab. 4,1,4–9; Mela 2,5,77; Iustin. 43,3,4; Für den Handel sprechen vorallem Inschriften in Athen, Delos, Rhodos, Leukas und Panormos: IG III 2567– 70. XI 687. IG IX 590. XIV 295. XII 444; Rose (1969) 105–109; Keay (1988) 14; Freyberger (1999) 60–74; Rössig (1999) 40; Bechert (1999) 95; Richardson (2004) 17f.; Botermann (2005) 47–53. 68–71. Zur politischen und ölonomischen Rolle des ἐµπόριον vgl. die neueren Ausführungen von Demetriou (2011) 262–272. 50 Nach der Seeschlacht bei Alalia 540 v. Chr. war Karthago zur führenden Seemacht in westlichen Mittelmeer aufgestiegen. Kurz darauf geriet es mit Massalia in kriegerische Auseinandersetzungen, die Massalia siegreich beenden konnte, Thuk. 1,13,6; Paus. 10,8,6; Iustin. 43,5,2. Zum karthagisch-massaliotischem Verhältnis vgl. umfassend Barceló (1988) 97–114; ferner Keay (1988) 14. 51 Liv. 21,20,8. Ein Bündnis bereits während des ersten römisch-karthagischen Krieges anzunehmen, erscheint verfrüht, da in den Quellen keine Hinweise zu massaliotischen Hilfskon-
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saliotische Kontingente unter dem Segel römischer Flotten, beteiligten sich im Krieg gegen Hannibal an Seegefechten im mare Liguricum und mare Ibericum und ihre Handelsplätze wie Emporion oder Rode dienten der römischen Seestrategie als Stützpunkte.52 Rom hatte ein vitales Interesse an dem schmalen Küstenstreifen Südgalliens, welches durch das Bündnis mit Massalia zu ihrem Einflussgebiet zählte, denn nur darüber gelangten die Landheere in die nach 206 v. Chr. neu errichteten Provinzen auf der iberischen Halbinsel. Zur Verbesserung des Transportes ließ Cn. Domitius Ahenobarbus um 122-119 v. Chr. die via Domitia von der Rhône bei Ugernum bis zur Nordgrenze der Provinz Hispania citerior anlegen. Die Hoheit über die südgallische Küste einschließlich ihrer Handelsplätze lag weiter in massaliotischer Hand. Doch unterstützte Rom seinen socius in der Abwehr der periodisch auftretenden Überfälle von ligurischen Stämmen auf Handelsniederlassungen der Massalioten. Denn auch die römische Küstenstraße nach Hispanien geriet in deren Fokus. Insgesamt wehrte Rom in drei groß angelegten Kampagnen sowohl auf dem Meer als auch im gebirgigen Hinterland die an der Grenze des massaliotischen Einflussgebietes siedelnden ligurischen Oxybier, Deciaten, und Salluvier ab, bevor es sich nach erneuten Angriffen nun selbst in Südgallien mit der Gründung des Castells Aquae Sextiae militärisch festsetzte und weiter ins Landesinnere gegen die dort siedelnden Vocontier, Allobroger und Arverner vorstieß.53 Trotz der darauf folgenden Gründung der provincia Gallia nartingenten zu finden sind. Zum foedus ferner Rose (1969) 110; Dahlheim (1977) 51; Gruen (1984) 65f. mit Anm. 61; Vollmer (1990) 131ff; Barcelò (1996) 47ff; Botermann (2005) 84. 52 Massaliotische Schiffe kämpften an der Seite der Römer in der Seeschlacht an der Ebromündung 217 v. Chr. Pol. 3,95,5–9; Liv. 21,26,3–5. Sechs Jahre darauf unterstützen vier massaliotische Triremen Publius Cornelius Scipio in Hispanien und Emporion diente ihm als Operationsbasis, Liv. 26,19,11.13. Weitere Hilfeleistungen im zweiten römisch-karthagischen Krieg, die sich nicht auf den Seekrieg beschränkten bei Pol. 3,41,5–9; Liv. 21,26,3–5; 27,36,1–4; ferner Dahlheim (1977) 82f. einschl. Anm. 32; Bechert (1999) 95. 53 Bereits 189 v. Chr. wurde der Statthalter der provincia Hispania ulterior, L. Baebius, auf dem Weg in seine Provinz von ligurischen Stämmen überfallen (Liv. 37,57,1–2; Oros. 4,20,24). Aemilius Paulus besiegte die Ligurer 181 v. Chr. (Liv. 40,25,1–28,7; Plut. Aemilius Paullus 6). 154 v. Chr. wurden den massaliotischen Pflanzstädten Antipolis und Nikaia von den Oxybiern und Deciaten hart zugesetzt (Pol. 33,4,1–3. 7,1–8,14). 125 v. Chr. erfolgte erneut ein Angriff durch die Salluvier, welche von M. Fulvius Flaccus zurückgeschlagen wurden. 123/122 v. Chr. erfolgte dann eine römische Offensive unter C. Sextus Calvinus, der die im Landesinnern benachbarten Vocontier vertrieb und nördlich von Massalia das Castell Aquae Sextiae gründete (Liv. per. 60. 61; Flor. 3,2,3; Strab. 4,1,5). Cn. Domitius Ahenobarbus führte dann die Offensive gegen die Allobroger und Averner durch, gründete den späteren Sitz des Statthalters Narbo Martius und legte die via Domitia an (Cic. Font. 13.17–18; Sall. Hist. 2,96,4Mc; App. civ. 1,13). Vgl. dazu Wilson (1966) 64ff; König (1970) 12ff, 57–62; Freyberger (1999) 74–97, 100, 110f.; Bechert (1999) 95f.; Botermann (2005) 87–95; Dahlheim (1977) 141 resümiert treffend: „Die Intervention in die gallischen Verhältnisse am Ende der 20er Jahre des 2. Jahrdt., die zur Errichtung der Gallia narbonensis führte, wurde ausgelöst durch Machtverschiebungen in Gallien, die Massalia gefährdeten, das Gleichgewicht der Kräfte in Mittel- und Südgallien zu beseitigen drohten und um die Sicherheit der Landverbindung nach Spanien fürchten ließen. Die ohne genaue Grenzziehung gegen die freien gallischen Stämme geschaffene Provinz gewährleistete denn auch vor allem den Schutz der strategisch wichtigen via Domitia, die Italien mit den spanischen Provinzen verband.“
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bonensis blieb Massalia als eigenständige Lokalmacht in Südgallien bestehen und übernahm u. a. die Fürsorge und Aufsicht der Küstenstraße, wofür sie von C. Sextius Calvinus mit einem breiten Küstenstreifen von der Rhône bis zur Grenze Italiens entlohnt wurde.54 Bis zum Bürgerkrieg blieben die Massalioten treue Bundesgenossen in der Gallia narbonensis und Garant für Roms sichere Passage entlang der Küste zur iberischen Halbinsel.55 Im Hafen von Massalia wird ein Großteil der Öl- und Weinamphoren unseres Handelsschiffes gelöscht, die für die Bevölkerung in der Provinz auf den Märkten angeboten werden. Nach diesem kurzen Aufenthalt führt uns die Reise dank der eigentümlichen Land-Seewindzirkulationen alsbald ins mare Ibericum entlang der Küste der hispanischen Provinzen mit ihren zahlreichen Hafenstädten, wie Emporion, Tarraco, Sagunt, Dianium, Alonae, Carthago Nova, Abdera, Sexi, Malaca, Cateira bis hin zu Gades im äußersten Süden der iberischen Halbinsel. Anders als an der gallischen Küste übte die res publica populi romani seit der ersten Landung römischer Truppen im Jahr 218 v. Chr. zu Beginn des zweiten römisch-karthagischen Krieges eine direkte Kontrolle über diesen breiten Küstenabschnitt aus. Trotz vereinzelter Versuche ins Landesinnere vorzustoßen – etwa in die Baetica – konzentrierten sich die römischen Operationen zu Beginn der Eroberung allein auf die Kontrolle der iberischen Mittelmeerküste.56 Von Emporion aus war der Feldherr L. Cornelius Scipio 218 v. Chr. mit seiner Flotte unterstützt von seinem Bruder P. Cornelius Scipio die Küste entlang gefahren und hatte dabei Hafenplätze überfallen und in vier Jahren die römische Einflusssphäre über den Fluss Iberus (Ebro) bis nach Sagunt auszudehnen vermocht. Dabei fiel etwa das 200 Kilometer südwestlich von Emporion entfernte Tarraco in römische Hand und wurde als Operationsbasis der Scipionenbrüder ausgebaut. Später sollte es sogar zum Amtssitz des Statthalters der provincia Hispania citerior werden. Einen zusätzlichen Stützpunkt an der Küste im Krieg gegen Karthago fanden die Römer im verbündeten Sagunt. Dieser folgten weitere Seestädte, wie Dianium, Alonae, Carthago Nova, Abdera, Sexi, Malaca, Cateira oder Gades, die teils freiwillig zu Rom überliefen, teils durch Unterdrucksetzen oder Eroberung an Rom fielen, und fortan das urbane Rückgrat ihres Herrschaftsgebietes bildeten. Mit der Schlacht bei Ilipa 207 v. Chr. vermochte es der junge P. Cornelius Scipio, die letzten kar54 Strab. 4,1,5. Zur Bedeutung Massalias für die römische Herrschaft in Südgallien, Botermann (2005) 19f.: „Das Gebiet östlich der Rhône wurde der Oberhoheit des römischen Verbündeten Massalia unterstellt, westlich der Rhône war die römische Präsenz stärker ausgeprägt: durch den Bau der via Domitia […] die Anlage der Bürgerkolonie Narbo Martius und die Anwesenheit römischer Heere […].“ Pointierter Rose (1969) 117: „Without Massiliete help Rome would probably never have conquered Spain. Once on that open eastern coast, her troops had the advantage of mobility over the defenders, and could choose their point of attack.“ 55 Zur Rolle Massalias im Bürgerkrieg vgl. Kapitel 4.3.2, S. 189 56 Die Scipionen in Spanien: Pol. 3,49,4. 76. 97,1–99,9; 10,6,2. 7,1. 8,38; Liv. 21,32,3–4. 40,3. 60,1–61,11; 22,22,1–21; 23,26,1–27,8. 48,4–49,14; 24,42,9–11. 49,7–8; 25,32,1–36,16; 26,2,5; Val. Max. 2,7,15; 3,7,1; App. Ib. 14–16; Zon. 8,25; 9,1.3.5; Oros. 4,17,12; ferner Lippold (1963) 187f.; Dahlheim (1977) 77; Bechert (1999) 65; Huß (2004) 214, 223, 230ff, 240f., 249, 255f., 259, 269f.; Bernhardt (1975) 414f.; Keay (1988) 27; Luik (2005) 24–27; Barceló (2007) 68–75.
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thagischen Heeresverbände von der iberischen Halbinsel zu vertreiben57, die seit dem Ende des ersten römisch-karthagischen Krieges den südöstlichen Teil Hispanien als Teil der karthagischen επικράτεια besetzt gehalten hatten.58 Um 200 v. Chr. reichte der römische Einfluss im Norden der iberischen Halbinsel etwa bis Osca und im Süden bis zum Fluss Baetis (heutigen Guadalquivir), wo Scipio die Binnenstädte Castulo und Iliturgi erobert, sowie die römische Siedlung Italica gegründet hatte. Die auf diesem Landstrich spätestens seit 197 v. Chr. errichteten Provinzen Hispania citerior und Hispania ulterior beschränkten sich also zuerst auf die iberische Ostküste von Gades und Cateira im Süden bis Emporion im Norden lediglich ungefähr 200 Kilometer landeinwärts. Die Häfen der Seestädte dienten den römischen Schiffen als Landeplätze und Operationsbasen für die Seekampagnen. In Größenordnungen exportierte man die Bodenschätze und Reichtümer beider Provinzen über die Seewege aus den Häfen, etwa Carthago Novas. Die Reeder und Schiffshäuser der iberischen Seestädte versorgten die römischen Flotten mit neuen Schiffen, Verpflegung, Tagelage oder Baumaterialien. Einige Städte wie Gades wurden durch einen foedus an Rom gebunden und mit ständigen Besatzungen versehen. In andere wie Cateira entsandte man coloniae. Die übrigen wurden im späteren Verlauf zu civitas foederata.59 Die Beteiligung der Seestädte 57 P. Cornelius Scipio in Hispanien: Pol. 10,6,1–17,16. 37,1–40,12; 11,20,1–33,8; Liv. 26,18,1– 20,6. 41,1–51,14; 27,17,1–20,8; 28,1,1–4,4. 12,10–17,12; Val. Max. 3,7,1; 5,1,7; App. Ib. 18–27. 32–38; Cass. Dio frg. 57,39–40; Zon. 9,7–8.10; Oros. 4,18,17; dazu auch Lippold (1963) 184–187; Dahlheim (1977) 77f.; Keay (1988) 27ff; Huß (2004) 271, 275, 277–285, 287; Luik (2005) 27–35; Barceló (2007) 76–88. Zu Malaca, Sexi, Abdera vgl. Tovar (1974) 76–79, 81–84. 58 In der Forschung herrscht immer noch ein heftiger Diskurs über die Reichweite des karthagischen Einflusses, welche durch den so genannten Hasdrubal-Vertrag den Fluss Iber als natürliche Demarkationslinie erhielt. Verschiedene Deutungsweisen des Vertragsinhalts und Identifikationen des Grenzflusses sowie deren Folgen für die römisch-karthagischen Beziehungen lassen sich exemplarisch bei Harris (1979) 200–205; Keay (1988) 25ff; Vollmer (1990) 116– 131; Scardigli (1991) 245–281; Seibert (1993a) 117–151; (1993b) 84–88; Barceló (1996) 53– 57; (2004) 108–115; Hoyos (1998) 153–173; Bringmann (2001b) 369–375; Gerold (2002) 73–91; Christ (2003a) 51–57; Huß (2004) 203–208; Richardson (2004) 18–30; Heftner (2005) 196ff und Zimmermann (2005) 52–58 finden. Zum Ausbruch des 2. römischkarthagischen Krieges ist immer noch die quellenkritische Untersuchung von Schwarte (1983) passim aktuell, die eine selbständige Barkidenherrschaft in Hispanien propagiert. 59 Zu Tarraco: Liv. 21,61,5; Strab. 3,4,20. Zu Sagunt: Liv. 24,42,9–10; CIL II 3827. 3836. (A) Nutzung der iberischen Seestädte als Operationsbasis u. Handelshafen: Cateira (Liv. 28,30,3; vgl. Tovar (1974) 70ff), Carthago Nova (Pol. 11,31,1; Cic. Att. 16,3,2; Liv. 28,17,11; Strab. 3,4,6; Cass. Dio 43,30,1; 45,10,3; Plut. Sertorius 7,2), Dianium (Cic. Verr. 2,1,87. 5,146.154; Strab. 3,4,6.10), Gades (Caes. b.c. 2,18,6. 20,2–3. 21,3; bell. Hisp. 37,2; 39.3; 40,7; 42,1; App. Ib. 59. 65; Cass. Dio 37,53,4; Plut. Sertorius 8,1; vgl. ferner Tovar (1974) 37–48), Tarraco (Liv. 26,17,2; 27,7,1. 17,6.8. 20,3; 28,4,4. 13,4. 16,10.15. 17,11. 19,4. 34,12. 35,12. 42,3–4; 34,16,6.10; 40,39,3). (B) Seestädte als (1) civitas foederata: Malaca (Plin. n.h. 3,7–8), Gades (Liv. 28,37,10; Flor. 1,33,7 Cic. Balb. 8. 15. 19–22. 34. 50–51; Plin. n.h. 5,36) (2) colonia: Cateira (Liv. 43,3,1–4), Tarraco (Plin. n.h. 3,21; Cass. Dio 43,39,5). Blasquez (1978) 56–72 hat die wirtschaftliche Bedeutung der Seestädte in den hispanischen Provinzen zurecht betont, vgl. ferner Keay (1988) 47–71, 95–114. Bernhardt (1975) 418–424 wies überzeugend nach, dass die mit Rom verbündeten Seestädte bis 171 v. Chr. keinen Status einer civitas libe-
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Malaca und Sexi an einem Aufstand der umliegenden Stämme 197 v. Chr. verdeutlicht, wie fragil die römische Vormachtstellung an den iberischen Gestaden zu Beginn der Provinzialisierung war.60 Der Einrichtung der provinciae folgten quälende Jahre der Machtkonsolidierung an der Küste und im Landesinnern, des Abfalls und der Anbindung iberischer Stämme, des Guerillakrieges, der blutigen Eroberung und Niederwerfung von Aufständen, in denen Rom anfangs zaghaft, später umso härter ins Landesinnere vorzudringen wagte. Einheimische Stämme, etwa der Keltiberer und Lusitaner, bremsten die expansionistischen Bestrebungen der Römer aus und ließen die Provinzgrenzen nach Westen nur langsam sich verschieben. In zähen Eroberungskampagnen drangen römische Legionen unter der Führung eines M. Porcius Cato, C. Flaminius, Sempronius Gracchus, Q. Fulvius Nobilior, M. Claudius Marcellus, Decimus Iunius Brutus und einigen mehr immer tiefer in das Binnenland vor. Doch erst Augustus gelang die vollständige Unterwerfung der iberischen Halbinsel, womit er der römischen Eroberung in Hispanien nach beinahe 200 Jahren ein Ende setzte.61 Bei dieser sukzessiven Eroberung Richtung Westen diente die iberische Ostküste stets als Ausgangspunkt. Dorthin verschifften die römischen Flotten die Truppen und deren Versorgungsgüter. Von dort aus marschierten die Heeressäulen nach Westen, nicht selten entlang der Flüsse, landeinwärts. Die Herrschaft über die iberische Ostküste erlaubte Rom die Kontrolle und die Sicherung des westlichen Mittelmeeres einschließlich der Seerouten. Wie essentiell die iberischen Gestade hierfür waren, illustriert der Aufstand des Sertorius 82-72 v. Chr. Während dieser Dekade des Aufruhrs in Hispanien beherrschte Sertorius weite Strecken der iberischen Ostküste, mit Carthago Nova und Dianium als Hauptstützpunkte. Seine aus iberischen, kilikischen und pontischen Kontingenten zusammengesetzte Flotte sicherte durch Patrouillefahrten die Küste vor römischen Landungsversuchen ab und störte massiv die Seehandelsrouten von Iberien nach Italien, was zwischenzeitlich zu einer Krise der Getreideversorgung in Rom führte. Der Nachschub der römischen Heere des Pompeius und Metellus in Hispanien litt unter der Seeblockade des Sertorius und erst die Zerschlagung seiner Vor-
ra besaßen sondern höchstens als amici et socii unter römischer Herrschaft standen. Es ist weit gefehlt, will man die spanischen Provinzen als einen einheitlichen römischen Herrschaftsraum betrachten. So ist Dahlheim (1977) 89f. in seinem Urteil über die hispanischen provinciae zuzustimmen, wenn er meint: „Das von den Statthaltern kontrollierte Gebiet selbst wuchs nie zu einer Einheit zusammen […] Es blieb ein Konglomerat von unverbundenen nebeneinanderbestehenden Teilen: die treu gebliebenen befreundeten oder verbündeten Küstenstädte (etwa Gades und Sagunt), verbündete Stammesfürstentümer und das aus der Rechtsfolge der Eroberung oder Dedition nicht entlassene Untertanengebiet“. Vgl. ferner Wilson (1966) 22–27; Rose (1969) 117f.; Tovar (1974) 11ff. 60 Liv. 33,21,7–8. 61 Die Eroberung der iberischen Halbinsel durch die Römer ist in seinem Verlauf äußerst komplex, so dass ein Verweis auf deren Behandlung in der Sekundärliteratur an dieser Stelle genügen muss. Vgl. daher Dahlheim (1977) 83–110; Keay (1988) 29–42, 44f.; Bechert (1999) 65f.; Brennan (2000) 163–181; Richardson (2004) 62–179 ; Luik (2005) 38–84, 107–111; Barceló (2007) 88–176, 212–226.
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machtstellung an den Küsten spielte den Römern den Sieg über den Insurgenten zu.62 Mittlerweile hat unser Schiff nach einem kurzen Zwischenhalt im Hafen von Carthago Nova die Rückreise nach Italien angetreten. Doch die im Mittelmeer charakteristischen Strömungsverläufe, die ein Reisen nach Osten immer über die südlichen Seerouten entlang der Küsten erforderlich machen, bringen unsere corbita bis nach Gades zur südlichsten Spitze der iberischen Halbinsel. Dann verlassen wir die schützenden Küstenabschnitte und überqueren die ca. 32 Seemeilen breite Meerenge von Gibraltar, die von den antiken Geographen als Säulen des Herakles bezeichnet werden. Das Meerwasser des Atlantiks strömt mit einer Geschwindigkeit von bis zu drei Knoten entlang der Straße von Gibraltar von West nach Ost und die nicht selten plötzlich eintretende Windstille erschwert die Passage zusätzlich.63 Doch haben wir die nordafrikanische Küste erst einmal erreicht, steuert unser Schiff ostwärts, die beständige und kräftige Meeresströmung ausnutzend, entlang der nordafrikanischen Küste, vorbei an den einstigen Siedlungen der Karthager bis wir auf der Höhe von Karthago hart nordostwärts beidrehen, um nach Puteoli zu gelangen. Die längsseits der Fahrt sich erstreckende nordafrikanische Küste war bereits während des ersten römisch-karthagischen Krieges in das Wahrnehmungsfeld der Römer geraten. Es sollte noch mehr als ein Jahrhundert und zweier weiterer Kriege gegen Karthago bedürfen, bis Rom sich zur Provinzialisierung und damit wie schon in Hispanien zur direkten Beherrschung der afrikanischen Mittelmeerküste entschloss. Die Annahme, dass Okkupations- und Eroberungsinteressen zum Zeitpunkt der ersten römischen Invasion bereits eine Rolle gespielt hätten, bleibt anachronistisch. Als die Consuln L. Manlius Vulso und M. Atilius Regulus 256 v. Chr. mit ihren Heeren von Aspis aus an der Küste Nordafrikas landeten, waren andere Beweggründe ausschlaggebend gewesen.64 Bis zum zweiten römischkarthagischen Krieg hatte die gesamte nordafrikanische Küste von Tingis im äußersten Westen an der Meerenge von Gibraltar über Rhusaddir, Siga, Portus Magnus, Cartennae, Saldae, bis zu Sabratha, Leptis Magna und Charax im Osten zum karthagischen Einflussgebiet gezählt.65 Doch Rom duldete keine zweite Seemacht 62 Vgl. hierzu Kapitel 4.2, S.173ff. 63 Richter (1983) 4; Mollat Du Jourdain (1993) 25f.; Warnecke (1999a) 338f. 64 Pol. 1,29,2–7; Zon. 8,12,11–13,1; Liv. per. 17; Flor. 1,18,17–19. Zu den Gründen der Afrikaexpedition erscheint mir Bleckmanns (2002) 163 Interpretation durchaus plausibel: „Nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen mußten nun die Konsuln versuchen, durch weitere herausragende Erfolge in dem ihnen noch verbleibenden Rest des Amtsjahres Bedingungen zu schaffen, die eine glorreiche Beendigung des Krieges erlaubten.“ 65 Zur karthagischen Herrschaft in Nordafrika umfassend Huß (2004) 35–38; auch Warmington (1965) 62–69; Moscati (1992) 15f., 18ff; Ameling (1993) 3, 109ff einschl. Anm. 49. Elligers (1990) 79 Überlegungen zur Gestalt des karthagischen Herrschaftsgebietes unter Berücksichtigung der antiken Seefahrt ist zuzustimmen: „Da der Seeverkehr sich in der frühen Zeit vorwiegend in der Form von Küstenschiffahrt abspielte, versteht es sich von selbst, daß zunächst einmal die Küste Nordafrikas mit entsprechenden Etappenstützpunkten gesichert werden mußte, zumal Klippen, Strömungen und Winde das Seefahren immer wieder zu einem risikoreichen Abenteuer machten. Für den Idealfall waren diese Etappen in Entfernungen von
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neben sich im westlichen Mittelmeer. Hatte man Karthago bereits nach dem ersten römisch-karthagischen Krieg all seiner überseeischen Besitzungen beraubt, so drängte man es jetzt nach der Niederlage im zweiten römisch-karthagischen Krieg auf einen begrenzten Küstenstreifen zurück.66 Die übrigen Küstenabschnitte westlich und östlich davon einschließlich des Hinterlandes wurden einer Konkurrenzmacht Karthagos in Nordafrika zugesprochen, dem numidischen Königreich. Dessen Oberhaupt Massinissa kontrollierte von Roms Gnaden diese Gestade, und es gelang ihm, durch opportunistische Loyalität zu Rom die einst karthagischen Gebiete schrittweise durch Annexion in sein Herrschaftsgebiet zu integrieren, so dass sich sein Reich von Muthul im Westen bis Philainon Bomoi im Osten erstreckte.67 Dienten alle bisherigen Interventionen Roms in Nordafrika der systematischen Einschränkung Karthagos, nahm der Prozess der Provinzialisierung jedoch erst mit der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr. und der Umsiedlung der Überlebenden ins Landesinnere seinen Anfang. Das ehemals karthagische Küstengebiet von Thabraca im Nordwesten bis nach Thenae im Südosten bildete das Kernland der neu eingerichteten provincia Africa. Da die Stadt Karthago dem Erdboden gleichgemacht und verflucht worden war, diente zunächst das benachbarte Utica mit seinem großen Kriegshafen als Sitz des Provinzstatthalters. Sowohl die übrigen Seestädte der neuen Provinz, Hadrumetum und Thapsus, als auch einige andere außerhalb des römischen Hoheitsgebietes (Leptis, Acylla/Acholla, Asala/Usilla und Teudalis) wurden nach ihrer deditio für frei erklärt. 24 Jahre darauf begann durch Caius Gracchus mit der Entsendung von 6.000 Italikern und der Gründung durchschnittlich 80 km anzulegen, denn so viel konnte ein seetüchtiges Schiff damals bewältigen.“ 66 Zum Passus der Friedensbedingungen, welcher die karthagischen Gebiete in Nordafrika betrifft Pol. 15,18,1; Liv. 30,37,2.4; App. Lib. 54; auch Cass. Dio frg. 57,82. Auch wenn die Besitzungen des Vorkriegszustandes bzw. vor der römischen Landung durch Scipio festgeschrieben wurden, so wird doch ausdrücklich auf Massinissas Ansprüche verwiesen und auf die Herausgabe ehemaliger libyischer Besitzungen, dazu Walbank II (1967) 466f., 469f.; Warmington (1963) 233; Walsh (1965) 156; Schmitt (1969) 291–308 (548); Huß (1985) 421 Anm. 151.; umfassend nun Gerold (2002) 179–251. 67 Um das Jahr 200 v. Chr. meldete Massinissa bereits erste Gebietsansprüche unter Berufung des Friedensvertrages von 201 v. Chr. an, die er durch Schiedsspruch Roms auch erhielt (App. Lib. 67). 182 v. Chr. annektierte Massinissa erneut karthagisches Gebiet (Liv. 40,17,1. 34,14; 42,23,2), legitimiert durch den Friedensvertrag 201 v. Chr., der alle ehemals libyschen Gebiete Massinissa zusprach. Das 182 v. Chr. annektierte Gebiet war bereits von Gaia, Massinissas Vater, den Karthagern entrissen worden, somit libysch, doch wurde es nachfolgend von Syphax besetzt und an die Karthager wieder zurückgegeben. Seit 174 v. Chr. ließ Massinissa alle Vorsicht und Legitimation, die ihm der Friedensvertrag von 201 v. Chr. zusicherte, fallen und annektierte über 70 Siedlungen (Liv 42,23,1–10). Es folgten weitere Eroberungen kleinerer Städte und Gebiete der Kleinen Syrte und Emporia (Liv. 34,61,16–62,18; Pol. 31,21,1–8; Cic. Verr. 2,4,46; Val. Max. 1,1, ext.2) und der großen Felder und dem Gebiet der 50 Städte (App. Lib. 68). Vgl. ferner Warmington (1963) 238, 242–248; Walsh (1965) 156– 160; Ritter (1987)59–78; Seibert (1993b) 497f.; Bagnall (1995) 372, 381ff; Bechert (1999) 83f.; Gerold (2002) 252–298; Huß (2004) 306–314. Zur Ausdehnung des karthagischen Gebietes bis zum Ausbruch des 3. römisch-karthagischen Krieges Strab. 17,3,15; Plin. n.h. 23.25; ferner Huß (1985) 435 Anm. 80.
2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum
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der colonia Carthago Iunonia die Kolonisation der Küste, die nachfolgend von Caesar und Augustus durch Veteranenansiedlungen fortgeführt werden sollte.68 Rom war nach der Zerstörung Karthagos an dem Erhalt des Status quo in Afrika gelegen. Daher ließ man dem numidischen Fürsten seine Gebiete vor allem im Landesinnern und begnügte sich mit der neu geschaffenen Provinz. Doch die dynastischen Konvulsionen des numidischen Königshauses nach dem Tod Micipsas zwangen Rom zur Intervention und trieben es in den so genannten iugurthinischen Krieg (111-105 v. Chr.).69 Am Ende dieser für Rom siegreichen Auseinandersetzung stand ein geschwächtes numidisches und ein gestärktes mauretanisches Reich, denn die Unterstützung des mauretanischen Königs Bocchus entlohnte Rom mit dem Zuspruch der westlichen Küstengebiete des numidischen Reiches, während sein Kernland unangetastet unter der Herrschaft des Rom gegenüber loyalen Gauda blieb.70 So trat ein Klientelfürst an die Stelle eines anderen. Die Parteinahme des letzten numidischen Königs Iuba I. für die Pompeianer im römischen Bürgerkrieg beschleunigte den Provinzialisierungsprozess der nordafrikanischen Küste. Nachdem er und die Reste der Anhänger des Pompeius bei Thapsus vernichtend geschlagen worden waren, annektierte Caesar die letzten numidischen Küstengebiete im Westen der provincia Africa bis Philainon Bomoi und schuf daraus die provincia Africa nova. Diese wurde im Osten durch die Provinz Cyrenae begrenzt, schloss sich im Westen an die Provinz Africa (nun Africa vetus) an und erweiterte die römische Hoheit an der afrikanischen Küste bis über Hippo Regius hinaus. Das von Caesar geschaffene Provisorium erhielt seine vorerst endgültige Gestalt durch Augustus, der Africa nova und Africa vetus zu einer Provinz, Africa proconsularis, zusammenschloss und das Gros der Mittelmeerküste des afrikanischen Kontinentes zum römischen Territorium machte.71 68 Cic. leg. agr. 2,51; Verr. 2,2,86; Vell. 2,38,2; App. Lib. 135; Romanelli (1959) 43ff; Teutsch (1962) 3–106; Wilson (1966) 42–54; Shaw (1981) 438ff; Elliger (1990) 126ff. Die Freiheit der Städte wurde durch die lex agraria gewährt, CIL I² 585, Z. 75–79; dazu Dahlheim (1977) 215f. Sie waren nach App. Lib. 94 im dritten römisch-karthagischen Krieg von Karthago abgefallen. 69 Sall. Iug. passim; Cic. de. off. 3,20. 79; Liv. per. 64. 65. 66. 67; Vell. 2,11,1–2. 12,1; Val. Max. 2,7,2; 6,9,6; 8,14,4; 9,1,5; Strab. 17,3,12; Flor. 1,36,4–15; App. Num. 1,1–5,3; Diod. 34,34. 35. 35a. 37–39; Plut. Marius 9,3–10,6; 32,2–3; Sulla 3,1–4; 6,1–2; Eutrop. 4,27,1–4; Oros. 5,15,4–19; ferner Vretska (1959) passim; Ritter (1987) 80–113; Bengtson (1988) 139– 142; Bechert (1999) 84; Heuss (2001) 248ff. 70 Bocchus’ Unterstützung wird von Sall. Iug. 97–113; Liv. per. 66; Flor. 1,36,16; App. Num. 5,1–3; Diod. 34,39; Plut. Marius 10,2–4; Sulla, 3,2–3; Oros. 5,15,17–18 erwähnt. Über den Abschluss eines amicitia-Vertrages zwischen Rom und Bocchus berichtet Plut. Marius 32,2. Über die Vorgehensweise mit den Herrschaftsgebieten Numidiens, explizit Sall. Iug. 111,1; Romanelli (1959) 81ff; Dahlheim (1977) 140: „Der lange Krieg gegen Jugurtha endete nicht mit der territorialen Erweiterung. Denn die Aufteilung des numidischen Reiches unter den Mauretanier Bocchus und den Numider Gauda, die ihre Treue zu Rom ausreichend bewiesen hatten, konnte den afrikanischen Raum westlich der Provinz Afrika so sichern, daß weitere Komplikationen nicht zu befürchten waren.“; vgl. ferner Ritter (1987) 113–118. 71 Zur Parteinahme Iubas siehe Kapitel 4.3 (d). Zu Augustus’ Provinzialmaßnahmen in Afrika ferner Teutsch (1962) 158–233; Rose (1969) 113ff; Dahlheim (1977) 276f.; Shaw (1977) 369–380; ders. (1981) 424–456; Ritter (1987) 134–144; Bechert (1999) 84f.; Huß (2004)
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
2.2.2 Das östliche Mittelmeer Um uns der römischen Eroberung des östlichen Mittelmeeres zu widmen, bleiben wir doch bei der Idee einer antiken Seereise. Allerdings soll unser Ziel nun die reichste und fruchtbarste Provinz des Imperium Romanum sein, Ägypten. Unsere Wahl fällt diesmal auf einen Annonafrachter, ein riesiges ausschließlich für den Transport von Getreide bestimmtes Schiff, mit welchem in großer Zahl die Versorgung der stetig wachsenden Tibermetropole gewährleistet werden konnte.72 Wir beginnen unsere Reise in Puteoli, von wo aus unser Schiff entgegen den Strömungsverhältnissen kreuzt, um zur Meerenge von Messana zwischen Süditalien und Nordsizilien zu gelangen. Schon Homer besang die gefährlichen Strömungen in der ca. 3 Kilometer breiten Meerenge zwischen Scylla und Charybdis, wo die Gewässer des mare Tyrrhenum und des mare Ionicum aufeinander treffen: „Noch kein kühner Pilot, der Skyllas Felsen vorbeifuhr,| Rühmt sich verschont zu sein; sie schwingt in jeglichem Rachen | Einen geraubeten Mann aus dem blaugeschnäbelten Schiffe. | […] Drunter lauert Charybdis, die wasserstrudelnde Göttin. | Dreimal gurgelt sie täglich es aus, und schlurfet es dreimal| Schrecklich hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden nahest! | Selbst Poseidon könnte dich nicht dem Verderben entreißen: | Darum steure du dicht an Skyllas Felsen, und rudre | schnell mit dem Schiffe davon.“73
Nach heutigem Kenntnisstand sind die unterschiedlichen Gezeitenwechsel der ionischen und tyrrhenischen See einschließlich die damit einhergehenden Wasserpegelschwankungen von 20 bis 40 cm (Tidenhub), die zu einer Beschleunigung der Meeresströmungen von bis zu fünf Knoten führen, und die Gegenströmungen an den Ufern, welche die unberechenbaren Wirbelstürme an den Felsen der Scylla auslösen können, für die sprichwörtliche Gefährlichkeit der messinischen Meerenge verantwortlich.74 Nach der erfolgreichen Passage vorbei an den Küsten Siziliens und Süditaliens setzten wir direkten Kurs auf den Hafen von Alexandria und erreichen Ägypten bei gutem Wind nach sieben Tagen.75 Bereits seit dem dritten Jahrhundert v. Chr. hatte Rom Beziehungen zu Ägypten und dem ptolemaischen Herrscherhaus, deren Herrschaftsgebiet einst wie das
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387f. Einen Eindruck von der Siedlungsdichte der afrikanischen Provinzen vermittelt Duncan-Jones (1963) 85–90. Zu den Annonafrachtern und ihrer Bedeutung für die Getreideversorgung vgl. Höckmann (1985) 23f., 74–79; Rickman (1996) 120–134; der nach Berechnungen des Getreidebedarfs Roms von bis zu 1.000 Fahrzeugen für den Transport des Getreides aus den Provinzen nach Rom ausgeht; vgl. ferner Warnecke (1999c) 446. Hom. Od. 12,98–109: τῇ δ᾽ οὔ πώ ποτε ναῦται ἀκήριοι εὐχετόωνται / παρφυγέειν σὺν νηί: φέρει δέ τε κρατὶ ἑκάστῳ / φῶτ᾽ ἐξαρπάξασα νεὸς κυανοπρῴροιο. […] τῷ δ᾽ ὑπὸ δῖα Χάρυβδις ἀναρροιβδεῖ µέλαν ὕδωρ. / τρὶς µὲν γάρ τ᾽ ἀνίησιν ἐπ᾽ ἤµατι, τρὶς δ᾽ ἀναροιβδεῖ / δεινόν: µὴ σύ γε κεῖθι τύχοις, ὅτε ῥοιβδήσειεν: / οὐ γάρ κεν ῥύσαιτό ς᾽ ὑπὲκ κακοῦ οὐδ᾽ ἐνοσίχθων. / ἀλλὰ µάλα Σκύλλης σκοπέλῳ πεπληµένος ὦκα / νῆα παρὲξ ἐλάαν. Vgl. hierzu Wolff (2002) 301– 322. Vgl. Richter (1983) 4; Mollat du Jourdin (1993) 29; Warnecke (1999a) 339; Wolf (2002) 310. Galerius benötigte nach Plin. n.h. 19,3 von Messana nach Alexandria nur sieben Tage, während Balbillus dies sogar in sechs Tagen schaffte. Zur realistischen Einschätzung der Fahrtzeit vgl. Gelsdorf (1994) 754; Meier (1994) 778.
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der Antigoniden und Seleukiden aus der Konkursmasse des riesigen Alexanderreiches heraus geschaffen worden war, gepflegt.76 Zu dieser Zeit zählten die Küste des Nildeltas von Pelusion im Osten bis einschließlich der Kyrenaika im Westen, die Gestade der Levante, des südlichen sowie westlichen Kleinasiens und die des nordöstlichen Ägäisraums, ferner die Inseln der Kykladen, Kypros, Kreta, Knidos, Kos und Samos zum ptolemaischen Herrschafts- und Einflussgebiet, wodurch es zur führenden Seemacht im östlichen Mittelmeer aufgestiegen war.77 Seine Blütezeit im dritten Jahrhundert v. Chr. wurde im Wesentlichen vom Kräfte zehrenden Mächtegleichgewicht zu den beiden anderen großen hellenistischen Reichen der Antigoniden und Seleukiden gesichert.78 Der Tod Ptolemaios IV. Philopator stürzte dann das Ptolemaierreich in seine wohl ärgste Krise und läutete das Ende ihrer Thalassokratie ein. Während man versuchte, die Herrschaft des noch unmündigen Erben Ptolemaios V. Epiphanes im Innern zu konsolidieren, hielten sich Philipp V. und Antiochos III. an den überseeischen Besitzungen in Koile Syria, Kleinasien und den ägäischen Inseln schadlos, wodurch die Balance der drei hellenistischen Großreiche in Schieflage geriet.79 Trotz des Eingreifens Roms blieb ein Wiedererstarken der Ptolemaier bloßes Wunschdenken. Je weiter sich das Reich am Nil durch innenpolitische Krisen und außenpolitische Niederlagen destabilisierte, desto stärker wurde Roms Einfluss darauf. Ausschließlich römisches Eingreifen vermochte das ptolemaische Reich vor dem vorzeitigen Ausscheiden aus der Weltgeschichte zu bewahren, als 168 v. Chr. Antiochos IV. im sechsten syrischen Krieg mit seinen Truppen sogar bis zum 76 Liv. per. 14; App. Sic. 1; Cass. Dio 10,41; Eutrop. 2,15,1; Iustin. 18,2,9; vgl. Dahlheim (1965) 134–138; Heinen (1972) 634ff; Peremans/ Van‘t Dack (1972) 663ff; Gruen (1984) 673ff; Huzar (1988) 346; Vollmer (1990) 24f.; Hölbl (1994) 54; Huß (2001) 294ff. Zur weiteren Entwicklung der römisch-ptolemaischen Beziehungen, die sich in erster Linie auf diplomatischem Felde abspielten vgl. umfassend Heinen (1972) 637–655; Gruen (1984) 678–685. 77 Zu den Besitzungen der Ptolemaier zur Zeit Ptolemaios II. vgl. Hölbl (1994) 34–53; Chaniotis (1996) 31–35; Shipley (2000) 205ff; Huß (2001) 254–304; Errington (2008) 157–161. 78 Dieses Mächtegleichgewicht fußte einerseits vauf dem Versuch Ptolemaios’ II., ein maritimes Erstarken Makedoniens durch ein Bündnis mit Sparta und Athen im Chremonideischen Krieg (267–261 v. Chr.) zu verhindern, und anderseits auf dem beinahe 150 Jahre währenden Dauerkonflikt mit dem Seleukidenreich um die Besitzungen in Syrien. Zum Chremonideischen Krieg Paus. 1,1,1. 7,3; 3,6,4–6; Iustin. 26,2,1–8; vgl. Schmitt (1969) 129–133 (476); Heinen (1972b) 95–213; Green (1990) 146f.; Hölbl (1994) 38–41; Walbank (1998) 276–295; Huß (2001) 271–281; Errington (2008) 87ff. Die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen Ägypten und Makedonien sind gut dargestellt bei Hölbl (1994) 43, 50ff; Huß (2001) 354– 359, 408–419. Die Fülle an Quellen zu den syrischen Kriegen einschl. des syrischen Erbfolgekrieges – der in der Forschung oft unbeachtet bleibt – kann hier nicht angeführt werden, so dass ein Verweis auf die Behandlung in der einschlägigen Literatur genügen muss, vgl. daher Schmitt (1964) 35ff; 112–175, 229–261; Green (1990) 146, 148, 150, 289, 327ff; Hölbl (1994) 34–38, 41ff, 46–50, 111–119, 121–126; Huß (2001) 265–271, 281–287, 338–352, 386–404, 489–492. 79 Sosibos, ein Vertrauter des Herrscherhauses, hatte nach Iustin. 30,2,6 angeblich versucht, den Tod Ptolemaios IV. geheim zuhalten, dazu Schmitt (1964) 199ff; Bengtson (1977b) 425. Zu den verwirrenden Umständen des Thronwechsels nochmals Schmitt (1964) 189–226; Heinen (1972) 642ff; Hölbl (1994) 119ff; Huß (2001).
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Nildelta marschiert war, Alexandria eroberte hatte und die gesamte ägyptische Küste seinem Reich angliedern wollte. Der von Rom oktroyierte Frieden, als „Tag von Eleusis“ tituliert, zwang Antiochos IV. zwar zum Rückzug aus dem ägyptischen Kernland und der Herausgabe der Insel Kypros, doch machte er zugleich das Reich der Ptolemaier faktisch zum Klientelstaat80, der Rom fortan mit seinen Flotten zur See Gefolgschaft leistete.81 Innerdynastische Querelen zersprengten das einst große Ptolemaierreich und die Kyrenaika82, ein fruchtbarer, dicht besiedelter Küstenstreifen, der von Philainon Bomoi im Westen bis Katabathmos Megas im Osten reichte, spaltete sich 162 v. Chr. mit römischer Unterstützung als eigenständiges Reich ab.83 Zwar regierte 80 Zum sechsten syrischen Krieg vgl. Anm. 96. Die Rolle als römischer Klientelstaat wird durch mehrere Ereignisse mehr als deutlich: In die Thronstreitigkeiten, die nach dem Tod Ptolemaios’ VIII. Soters II. folgten, griff Rom in persona Sullas ein, App. civ. 1,102; vgl. Hölbl (1994) 193; Letzner (2000) 304ff; Huß (2001) 669f.; Christ (2003b) 113; Keaveney (2005) 163f. 65 v. Chr. wurde das Ptolemaierreich zum Spielball im innenpolitischen Ränkespiel Caesars und Crassus’, welche die Okkupation Ägyptens verfolgten, Cic. leg. agr. 2,43; Suet. Caes. 11. 13; Plut. Caesar 5,9; Crassus 13,2; Grant (1970) 48; mit älterer Literatur Gesche (1976) 23f.; ferner Geraci (1988) 388; Colombini (1991) 141–149; Will (1992) 31ff; Hölbl (1994) 198; Huß (2001) 680f.; Errington (2008) 303. Im Jahr 59 v. Chr. erreichte Ptolemaios XI. Neos Dionysos durch massive Bestechungen die Anerkennung als ägyptischer Herrscher in Rom, wo er als amicus et socius bestätigt wurde, Cic. Sest. 57; Suet. Caes. 11; Cass. Dio 39,12,1; vgl. Grant (1970) 83; Gesche (1976) 40; Geraci (1988) 388; Colombini (1991) 145f.; Will (1992) 118; Hölbl (1994) 199; Brennan (2000) 414ff; Huß (2001) 683; Canfora (2001). 58 v. Chr. wurde dann Kypros von Rom annektiert. 55 v. Chr. gelang Ptolemaios XI. Neos Dionysos nur mit militärischer Hilfe Roms – durch den Statthalter Gabinius, durch Pompeius initiiert – die Rückkehr auf den ptolemaischen Thron, von dem er 58 v. Chr. geflohnen war. Fortan blieb eine römische Besatzung, die sog. Gabiniani, in Ägypten stationiert und die Finanzgeschäfte gingen in römische Hand – genauer in die Hände des Postumus – über, Cic. Rab. Post. 21–22. 28. 30. 39; Att. 4,10,1; Caes. b.c. 3,4,4. 103,5. 110,2; Val. Max. 4,1,15; Ioseph. ant. Iud. 14,98–99; bell. Iud. 1, 175; Cass. Dio 39,55,2–3. 56,3.5. 58,1; 42,2,4. 5,4; Plut. Antonius 3,4– 9. App. civ. 2,24; vgl. Gelzer (1949) 159; Huzar (1988) 347; Geraci (1988) 388; Hölbl (1994) 201ff; Schulz (1997) 189–193¸Shipley (2000) 212; Huß (2001) 686–697; Canfora (2001) 193; Seager (2002) 111f.; Errington (2008) 303f.; Heinen (2009) 53f. 81 Im ersten mithridatischen Krieg unterstützte Ptolemaios VIII. Soter II. Sullas Flottenquaestor L. Licinius Lucullus, Plut. Lucullus. 2,7–8; ferner Anm. 214 (Kapitel 3); Hölbl (1994) 192; Huß (2001) 668; Errington (2008) 302: „Lucius Licinius Lucullus visited Alexandria […] seeking contributions for his fleet, so that Soter II, willing or not, was bound into the Roman side in the epochal struggle.“ Zu den alexandrinischen Schiffskontingenten vgl. Anm. 100 (Kapitel 4.3.2). 82 Die Bewohner der Kyrenaika unterwarfen sich bereits Alexander dem Großen, als dieser in Ägypten weilte und sich auf dem Weg zur Oase Shiwa befand, Diod. 17,49,2–3; Curt. 4,7,9; vgl. dazu Green (1992) 273f. Nach dem Tod Alexanders kam es zu Aufständen in der Kyrenaika, so dass die Phase der Konsolidierung der ptolemaischen Herrschaft äußerst unruhig verlief und auch ab 322 v. Chr., als der ptolemaische Provinzstatthalter Ophellas die Kyrenaika verwaltete, sich fortsetzte; vgl. dazu Ellis (1994) 44, 68f., 80f.; Hölbl (1994) 15, 19, 43f.; Jones (1998b) 356ff; Bechert (1999) 103; Huß (2001) 98–104, 159, 179. Zur Geographie und Fruchtbarkeit der Kyrenaika vgl. Horden/Purcell (2000) 65–74. 83 Pol. 31,10,1–5.9–10.17–18. 20,1–6; Liv. per. 46; Zon. 9,25; vgl. Bengtson (1977b) 498f.; Bernhardt (1985) 79; Hölbl (1994) 159–165; Jones (1998b) 359f.; Huß (2001) 567–574.
2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum
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mit dem Bruder des ptolemaischen Königs ein Verwandter in der Kyrenaika, doch war die res publica populi romani für den Fall, dass diese Seitenlinie der Ptolemaier kinderlos blieb, schon testamentarisch als Erbe festgelegt. Die römische Erbfolge trat bereits nach nur zwei Generationen mit dem Tod Ptolemaios Apions 96 v. Chr. ein. Doch zögerte man mit der Einrichtung einer provincia in der Kyrenaika. Die Gründe hierfür sind bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen.84 Fest steht, dass Rom die fünf größten Städte Ptolemaїs, Berenike, Arisonё und Apollonia für frei erklärte und die fruchtbaren Gebiete als ager publicus an Privatleute verpachtete.85 Die Entscheidung gegen eine direkte römische Kontrolle ließ die Küste der Kyrenaika zu einem potentiellen Unruheherd an der Ostgrenze der römischen provincia Africa verkommen. Aufstände der dortigen Bevölkerung, Kämpfe rivalisierender politischer Gruppierungen und die massenhafte Ansiedlung von Seeräubern drängten Rom schließlich zur Einrichtung der provincia Cyrenaica im Jahr 74 v. Chr.86 Es sollte jedoch noch beinahe ein halbes Jahrhundert dauern, bis mit der Gründung der provincia Aegyptus neben den provinciae Africa nova und Cyrenaica die gesamte afrikanische Mittelmeerküste unter römischer Suprematie stand. Allein die römischen Bürgerkriege zögerten die Provinzialisierung Ägyptens bis ins Jahr 30 v. Chr. hinaus. Es war der klugen und weitsichtigen „Diplomatie“ Cleopatras VII. zu verdanken, dass die Niloase bis zu diesem Zeitpunkt
84 Überblick bei Harris (1979) 154 f., der nachfolgend die Gefahr des steigenden Machteinflusses des Provinzstatthalters der Kyrenaika bei guten Beziehungen zu den Ptolemaiern als Triebfeder der römischen Senatoren erkennen will. Anders Dahlheim (1977) 147, für den die Notwendigkeit der Provinzialisierung auf Grund fehlender Unruhen und Nachfolgekämpfe entfällt. Allein die Belastungen finanzieller und administrativer Art hätten nach Hölbl (1994) 190; Heuss (2001) 241 Rom davon abgehalten. 85 Cic. leg. agr. 2,51; Sall. Hist. frg. 2,41Mc.; Liv. per. 70; Tac. ann. 14,18,2; Plut. Lucullus 2,4; App. Mithr. 121; vgl. Perl (1970) 319f.; Dahlheim (1977) 210f.; Bengtson (1977b) 499 einschl. Anm. 2, 501; Hölbl (1994) 189f.; Jones (1998a) 56; (1998b) 360; Bechert (1999) 103; Heuss (2001) 123; Huß (2001) 573 mit Anm. 285, 654f. Für Bernhardt (1985) 79f. soll die Bindung der freien Städte an Rom nur sehr gering gewesen sein: „Man darf daher vermuten, daß die Bindung der für frei erklärten Städte an Rom nicht einem juristisch fest umrissenen Status folgte, wie bei den civitates liberae, sondern lediglich auf der vertraglosen Bündnerschaft, der amicitia et societas beruhte. Nichts spricht dafür, daß der Senat die Städte gar zu civitates foederatae erhoben hätte.“ 86 Dazu Perl (1970) 320–342; Dahlheim (1977) 147, 211f.; Bernhardt (1985) 80–85; Laronde (1988) 1007–1012; Schrapel (1996) 17f.; Jones (1998a) 56; (1998b) 360; Bechert (1999) 103; Brennan (2000) 408ff; Huß (2001) 679; zu den Piratenaktivitäten in der Kyrenaika: Flor. 1,41,3; Plut. Lucullus 2,6; ferner Dahlheim (1977) 148 einschl. Anm. 29; Bernhardt (1985) 83; De Souza (1999) 119. Die vermehrte Aktivität von Seeräubern an der Küste der Kyrenaika würde auch erklären, wieso der König der Kyrenaika in der lex provinciis praetoriis neben dem König von Kypros und dem König von Alexandria und Ägypten zur Eindämmung der Piraterie aufgefordert wurde; vgl. delphische Kopie, Block B, Z. 8–14 bei Crawford I (1996) 240.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie „[…] noch einmal eine auch unter weltgeschichtlichem Aspekt bedeutende Rolle gespielt hat.“87
Seien es die Schiffskontingente für Pompeius oder Antonius, der alexandrinische Krieg Caesars 48/47 v. Chr. oder Antonius’ Schenkung des Königreiches Chalkis, Teile der Küste Phoinikiens und Kilikiens an Cleopatra, die Geburt Caesarions oder die Liaison Cleopatras mit Antonius – die Geschichte der römischen Bürgerkriege ist mit den letzten Jahren des niedergehenden ptolemaischen Herrscherhauses aufs Engste verwoben.88 Letztendlich wurde das Schicksal des Ptolemaierreiches jedoch in einer Seeschlacht fernab von Ägypten in der Bucht von Ambrakia an der Küste Illyriens beim Ort Actium entschieden, so dass das Mittelmeer ab 30 v. Chr. nun vollends für die Römer als mare nostrum wie ein gesicherter und ruhiger Hafen war.89 Im Hafen von Alexandria wird in aller Eile das kostbare Getreide verladen und alsbald sticht unser Annonatransporter wieder in See.90 Beim Verlassen des alexandrinischen Hafens erspähen wir vom Schiffsdeck aus die vorgelagerte Insel Pharos, die über einen Damm mit dem Festland verbunden worden war, und wir können unseren Blick kaum von dem 135 Meter hohen Leuchtturm wenden, des87 Bengtson (1977b) 515. 88 Die Schenkungen Antonius’ an Kleopatra müssen aufgrund der divergierenden Hinweise bei Strab. 14,5,3; Joseph. ant. Iud. 15,79. 92. 94; bell. Iud. 1,361. 398; Plut. Antonius 36,3; Cass. Dio 49,32,5 hypothetisch bleiben; dazu Bengtson (1977) 193f.; (1977b) 516; Hölbl (1994) 217f.; Clauss (1995) 59ff; Southern (1998) 128ff; kritisch Huß (2001) 734ff; Schäfer (2006) 151–161; Schuller (2006) 91ff. Erhellende Ansätze und Falsifikation der literarischen Zeugnisse bezüglich der Schenkungen unter Zuhilfenahme epigraphischer Zeugnisse Schrapel (1996) 17–253; Zur Person Caesarions: Lucan 10,75–78; Suet. Caes. 52,1–2; Plut. Caesar 49,10; Antonius 54,6; Cass. Dio 47,31,5; Zon. 10,10; ferner Heinen (1969) 181–203; (1993) 3149–3155; Hölbl (1994) 213; Clauss (1995) 32f.; mit allen epigraphischen Nachweisen Deininger (2000) 221–226 und Huß (2001) 722 Anm. 4; Schäfer (2006) 87–95; Schuller (2006) 131–137. Antonius blieb trotz seiner Liebschaft zu Kleopatra bis 40 v. Chr. Gatte der Fulvia und danach mit Octavians Schwester Octavia verheiratet, von der er sich 32 v. Chr. per Brief scheiden ließ, Liv. per. 132; Plut. Antonius 57,4–5; Cass. Dio 50,3,2. 26,2; Eutrop. 7,6,1; Oros. 6,19,4; ferner Bengtson (1977) 194, 223; Hölbl (1994) 221; Clauss (1995) 80f.; Huß (2001) 743; Schuller (2006) 107f.; Schäfer (2006) 166ff. 89 Mit dem Tag der Einnahme Alexandrias – und nicht mit dem Tod Kleopatras – wurde das Reich der Ptolemaier offiziell annektiert, als Provinz Aegyptus dem Imperium einverleibt und in Ägypten eine neue Zeitrechnung eingeführt. Zur Provinzeinrichtung vgl. Bengtson (1977b) 517 Anm. 3; Geraci (1983) 119f., 158–163; (1988) 398–411; Huzar (1988) 348–382; Bowman/Rathbone (1992) 110–127; Hölbl (1994) 226f.; Heinen (1995) 3160ff; Bechert (1999) 121; Huß (2001) 750 Anm. 147; Schäfer (2006) 249f. 90 Beim Verstauen des Getreides musste besondere Sorgfalt gelten, denn beim Feuchtwerden des Korns drohte es aufzuquellen und durch den aufgebauten Druck die Planken des Annonaschiffes stark zu belasten und unter Umständen sogar zum zerbersten zu bringen. Daneben war feucht gewordenes Getreide ein guter Nährboden für Pilze und andere Mikroorganismen, so dass mitunter die Ware beim Löschen im Zielhafen bereits verdorben und somit wertlos war. Die wenigen Quellen lassen eine genaue Rekonstruktion der Verfrachtung von Getreide in den Lastschiffen nicht zu, doch ist offensichtlich, dass das Getreide nicht zu tief verstaut werden konnte, um es vor Schmutzwasser zu schützen, und von oben musste es vor Spritzwasser bewahrt werden. Vgl. Habermann (1982) 48f.; Rickman (1996) 132ff.
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sen Feuer durch eine ausgeklügelte Konstruktion (vermutlich mit Metallspiegeln) bis 20 Seemeilen aufs Meer hinaus zu erkennen ist und nicht ohne Grund von den antiken Autoren zu den Weltwundern gezählt wird.91 Der durch die vorherrschenden Winde und Meeresströmungen bedingten schnellen Hochseereise nach Ägypten folgt ein langer, beschwerlicher Rückweg nach Italien entlang der Küsten, denn ein Aufkreuzen gegen die beständigen Nordwestwinde ist schwierig und Kräfte zehrend.92 Und so setzen wir mit „halben Wind“ Kurs nach Norden entlang der syrischen Küste, vorbei an den bedeutendsten Hafenstädten Tyros, Sidon, Berytos, Laodikea und Seleukia Pieria, die zum Landesinneren hin mit den Karawanenstraßen nach Osten und Süden verbunden sind, auf denen die exquisiten Produkte des Ostfernhandels, wie Seide aus China, Gewürze aus Indien oder Perlen aus Arabien, ihren Weg zu den Märkten der Mittelmeerwelt finden.93 Diese von Pompeius 64 v. Chr. als provincia Syria in den römischen Herrschaftsraum aufgenommene Küstenlandschaft zwischen Kilikien und dem Taurusgebirge im Nordwesten und Ägypten im Südwesten bildete das Kernland des seleukidischen Reiches.94 Von dort aus war vom seleukidischen König Antiochos III. im äußersten Osten der antiken Mittelmeerwelt innerhalb einer Dekade ein ansehnlicher Eroberungsfeldzug durchgeführt worden. Nicht nur die östlichen Satrapien des einstigen Alexanderreiches verleibte er seinem Hoheitsgebiet ein, auch auf Kleinasien und den Hellespont bis zur Chersones nach Nordwesten erhob er Anspruch, wodurch er unweigerlich römische Interessenssphären und die seiner Verbündeten tangierte.95 Mit der Niederlage Antiochos III. bei Magnesia 91 Zum Leuchtturm von Pharos vgl. Köster (1923) 198ff; Höckmann (1985) 150; Clauss (2003) 18. 92 Vgl. dazu die Ausführungen von Warnecke (2002) 103: „Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die antiken Überseerouten im Mittelmeer nicht zugleich Hin- und Rückwege waren, sondern dass Westfahrten infolge meist hemmender Winde und der Zentralströmung des Meeres auf Routen verliefen, die nördlicher ausgelegt waren als die in Richtung Osten. Die Westfahrten im Mittelmeer dauerten im Durchschnitt dreimal so lange wie die Fahrten nach Osten.“; ferner Richter (1983) 4. 93 Der römische Osthandel verlief im Wesentlichen auf zwei Verkehrsadern: (1) Von den Hafenstädten führten die Straßen zunächst nach Palmyra, der letzten großen Stadt, bevor die Karawanenstraßen nach Süden entlang des Euphrat über die Grenzen des Zweistromlandes hinaus nach Osten führten. (2) Auf dem so genannten Königsweg, der Nord-Südroute, die von Damaskus aus über Gerasa und Petra verlief. Vgl. zum Osthandel Drexhage (1988) 3–60, 87– 125; De Martino (1991) 356ff; Bechert (1999) 112; Sonnabend (1999) 211f.; Morley (2007) 583f.; Sartre (2007) 258–273; ferner Bianchetti (2002) 280–292, welche die Bedeutung dreier Seewege nach Indien für den Fernhandel eingehend beleuchtet: (1) Entlang des Flusslaufes des Indus bis zur Mündung und dann entlang der Küste, (2) die Doppelroute von Syagros nach Sygerus bzw. Patale und (3) von Berenike bzw. Okelis oder Kane bis hin zu Muziris. 94 Dazu Schmitt (1964) 32–37; Bechert (1999) 111. Zu den Unwegsamkeiten der topographischen Definition des syrischen Territoriums vgl. Schrapel (1996) 139–153. 95 So etwa Bleicken (1992) 52: „Die Römer, die sich zu einem Faktor der hellenistischen Politik gemacht hatten, waren gezwungen, ihre Rolle nun auch weiterhin aktiv zu spielen.“ Ähnlich Green (1990) 296, der Roms Verpflichtungen im Osten betont, wenn er zu Antiochos’ Eroberungsplänen bilanziert: „[…] he [Antiochos III., Anm. M. Ladewig] found himself on collision course with Rome.“ Ab 204 v. Chr. operierte Antiochos III. gegen Ägypten und das Reich
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190 v. Chr. im römisch-syrischen Krieg (191-188 v. Chr.) und dem Friedensvertrag von Apameia wurde dem seleukidischen Großmachtstreben ein Ende gesetzt. Auf das Stammland zurückgedrängt, gelang Antiochos IV. im so genannten sechsten syrischen Krieg (170-168 v. Chr.) zwar die Konsolidierung Phoinikes und der Koile Syria, sowie die zeitweise Eroberung weiter Teile Unterägyptens bis Alexandria96, doch blieb dies bloße Episode und änderte nichts an den zunehmenden Auflösungserscheinungen, welche sein Reich im Inneren und von Außen erfassten. Im Süden führte der Aufstand der Makkabäer (168-157 v. Chr.) nachfolgend zum Abfall Iudaeas. Koile Syria wurde Kernland des aufstrebenden Nabatäerreiches. Im Zentrum an der Küste etablierte sich bei Chalkis das Königreich der Ituder Ptolemaier, indem er Koilesyrien und Phoinkie eroberte. Auf den Spuren Alexanders verleibte er Karien, Kilikien, Lykien, Ionien, Teile des hellespontischen Phrygiens, welches unter pergamenischer Herrschaft stand, seinem Reich ein. Selbst die Küstengebiete Thrakiens nannte er ab 194 v. Chr. sein eigen. Zur Eroberungspolitik der Seleukiden und im Besondern Antiochos’ III. vgl. umfassend Schmitt (1964) 85–174, 262–295; ferner Rose (1969) 130f.; Gruen (1986) 612–619; Bengtson (1988) 91f.; Green (1990) 288–296; Bleicken (1992) 52; Hölbl (1994) 112–116, 120–126; Ma (1999) 82–94; Magie I. (2000) 17f.; Shipley (2000) 290f.; Heuss (2001) 107ff; Huß (2001) 386–404, 489–492; Heftner (2005) 332ff; Errigton (2008) 177f., 196, 208ff. Obwohl auf dem Feld der Diplomatie versucht worden war, eine militärische Konfrontation Roms mit Antiochos III. zu verhindern, war der Kern der Auseinandersetzung – die Überlagerung der Interessensphären beider Mächte in der Ägäis – unüberbrückbar. Durch ihre aggressive und wechselvolle Bündnispolitik wirkten die Aitoler als Katalysator auf das militärische Aufeinanderprallen Roms mit Antiochos III., als dieser gegen Ende des Jahres 192 v. Chr. mit seinem Heer am Hellespont übersetzte. Zu den diplomatischen Beziehungen Roms mit Antiochos III. vgl. Bickermann (1932) 47–75; Mehl (1990) 143–155; Ma (1999) 94–102; Errington (2008) 211f., 214–217. In der Interpretation der Kriegsursachen dominiert bis heute Badians Ansatz (1964) 112–139, der das Szenario eines kalten Kriegszustands zwischen Rom und dem Seleukidenreich entwirft. Nach den erfolglosen diplomatischen Verhandlungen und dem immer wieder geschürten Misstrauen, stürzten die kleineren Kräfte – vor allen die Aitoler – die beiden Großmächte in den ungewollten Krieg: „There are few cases in history of two great powers entering upon war with each other so unprepared and so demonstrably against theit own (at least immediate) intentions.“. Ebenso Gruen (1984) 620–636; Heuss (2001) 109; Bringmann (2002) 128f.; Heftner (2005) 336ff; Koehn (2007) 203. Anders Harris (1991) 219–223; Ma (1999) 94–102, Errington (2008) 216f. welche die Unvermeidlichkeit der römisch–seleukidischen Konfrontation herausstellen und die Rolle der Aitoler nicht derart überbewerten. Zur antirömischen Politik der Aitoler in Griechenland bei Liv. 35,12,1–13,1; vgl. ferner Deininger (1971) 58–76 96 Die Quellenlage zum sechsten syrischen Krieg ist spärlich Pol. 27,19,1–3; 28,1,1–9. 12,8–9. 17,1–23,5; 29,23,1–27,13; 30,16,1–2. 27,1–4; Liv. 42,6,6–12. 29,5–7; 44,19,6–20,1. 24,1–6; 13,1–8; Makk. 1,1,16–20; 2,5,1–5.11. 10,12–13; Plin. n.h. 34,24; Diod. 30,2,1. 14,1–18,1; 31,1,1–2,2. 17,1; App. Syr. 66; Iustin. 34,2,7–3,4, Oros. 4,20,36; ferner Heinen (1972) 655– 659; Bengtson (1977b) 488f.; Fischer (1980) 24–27; Gruen (1984) 648–658; Habicht (1989) 343ff; Green (1990) 429–432; Hölbl (1994) 129–134; Huß (2001) 544–561; Mittag (2006) 159–182, 209–214; Errrington (2008) 257ff. Eine römische Gesandtschaft unter Führung des Poppilius Laenas ergriff 168 v. Chr. Partei für die Ptolemaier und zwang Antiochos IV. zur Rückgabe Alexandrias und Nordägyptens und Zyperns, beließ ihm jedoch Koile Syria, Pol. 29,2,1–4. 27; Liv. 44,19,13. 29,1–5; 45,10,1–12,8. 13,1; Cic. Phil. 8,23; Vell. 1,10,1–2; Val. Max. 6,4,3; Iustin. 34,3,1–4; Cass. Dio frg. 68; Gruen (1984) 658ff, 687–694; Mittag (2006) 214–224; Errington (2008) 260.
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räer und im Norden befreite sich Kommagene von der seleukidischen Vorherrschaft. An den Ostgrenzen fielen die Parther und die Nabatäer immer wieder in seleukidisches Territorium ein.97 Das vormals mächtige, den Großteil des einstigen Alexanderreiches umfassende, seleukidische Reich war zum Spielball kleinerer Königreiche geworden und diente schließlich ab 83 v. Chr. dem armenischen König Tigranes II., der große Teile annektiert hatte, als Zugang zum Meer über die Seestädte am Issischen Meerbusen bis hin zur Hafenstadt Ptolemais südlich von Tyros.98 Keine zwei Dekaden maß die armenische Vorherrschaft über Syrien bevor sie durch Cn. Pompeius Magnus ihr Ende fand. Der durch die lex Manilia mit weit reichenden Kompetenzen für den Krieg gegen Mithridates VI. und Tigranes II. ausgestattete Feldherr trat im Frühjahr des Jahres 65 v. Chr. in Verhandlungen mit Tigranes II. und diktierte seine Vorstellungen römischer Hegemonie auf dem asiatischen Kontinent. Mit dem vollständigen Verzicht des armenischen Königs auf Syrien, Phoinikien, Kilikien, Galatien, Kappadokien und Sophene erhielt Pompeius eine riesige Ländermasse, die er nach seinem Gutdünken neu organisierte. Für das einstige seleukidische Reich bedeutete dies offiziell und unwiederbringlich das Ende:99 „Mit der Einrichtung der Provinz Syria zog Pompeius nun den letztlich konsequenten Schlußstrich unter ein seit Jahrzehnten instabiles, sich in endlosen Bruderkriegen selbst zerstörendes System.“100
Zahlreiche Seestädte entlang der Küste, wie Antiocheia, Seleukeia in Pierien, Laodikeia, Tyros, Sidon, Tripolis, Ptolemais, Dora, Ioppe oder Gaza wurden zu civitates liberae erklärt und kleine lokale Fürstentümer als amici et socii bestätigt, wodurch Rom ein hohes Maß an Autonomie in der neu geschaffenen Provinz zuließ.101 Mit der provincia Syria gelang Pompeius die Absicherung des östlichen 97 Die Zerfallsentwicklung des seleukidischen Reiches ist äußerst komplex, so dass der Verweis auf deren Behandlung in der Literatur an dieser Stelle genügen muss; vgl. daher Lindner (1970) 49–57; Negev (1977) 532–541; Bengtson (1977b) 491–496; Fischer (1980) 27–132; Gruen (1984) 663–670; Habicht (1989) 346–373; Green (1990) 512–524; Shipley (2000) 307–312, 320–325; Bringmann (2005) 108f., 126–137; Mittag (2006) 225–281, 296–327; Sartre (2007) 12–26; Errington (2008) 267–277. Ehling (2003) 317–336 lässt neben der rein chronologischen Behandlung der Abfallbewegungen auch systematische Gesichtspunkte in seine Behandlung einfließen; ferner Ehling (2008) 111–249. Besonderes Augenmerk auf die Situation der größeren Städte in Syrien legte Bernhardt (1985) 97–101. 98 Strab. 11,4,15; App. Syr. 48. 69. 70; Mithr. 105; Plut. Pompeius 28,4; Lucullus 14,5; 21,2; Cass. Dio 36,37,6; Iustin. 40,1,3–6; ferner Bernhardt (1985) 101–104; Sartre (2007) 27ff; Ehling (2008) 249–262; Errington (2008) 277f. 99 Für Pompeius hatte das seleukidische Herrscherhaus als bestimmende Macht in Syrien ausgedient, so dass Plut. Pompeius 39,2 meint, dass es „keine rechtmäßigen Könige mehr habe“ (ταύτην µὲν ὡς οὐκ ἔχουσαν γνησίους βασιλεῖς). Zur Einrichtung der Provinz ferner Vell. 2,37,5; App. Syr. 50. 51; Mithr. 106; b.c. 5,10; Iustin. 40,2,5; Bernhardt (1985) 94ff; Sartre (2007) 37ff. 100 Ehling (2008) 271f. 101 Strab. 16,2,8; Ioseph. ant. Iud. 14,74–76; bell. Iud. 1,155–157; Eutrop. 6,14,2; Gelzer (1949) 111; Bernhardt (1971) 146ff; (1985) 104, 159; Dahlheim (1977) 265 mit Anm. 168, 273ff; Green (1990) 658f.; Jones (1998a) 56f.; Brennan (2000) 410ff; Christ (2004) 86; Sartre
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Mittelmeeres vor potentiellen Zugriffsversuchen der armenischen, parthischen, nabatäischen und hasmonäischen Reiche und zugleich deren Abschottung und Begrenzung auf syrisches Hinterland.102 Auf der Höhe der Insel Kypros dreht unser Schiff hart bei mit Kurs nach Westen entlang eines schmalen Küstenstreifens, dessen raue, zerklüftete, teilweise mit Klippen gesäumte Gestalt seit dem Ende der rhodischen und seleukidischen Vormachtstellung in diesen Gewässern und des von Rom oktroyierten Verlustes der rhodischen Einflusssphäre in Karien und Lykien, sowie der Verringerung des seleukidischen Flottenpotentials zur Brutstätte der Piraterie im östlichen Mittelmeer geworden war. Hatten bis ins zweite Jahrhundert v. Chr. hinein vornehmlich seleukidische und rhodische Schiffsverbände die Küste Kilikiens einschließlich ihrer Seerouten abgesichert, so füllten nun Schiffe kilikischer Seeräuber dieses Machtvakuum auf dem Meer aus.103 Die Seestädte Attaleia, Side, Korykos und (2007) 42ff; Ehling (2008) 274ff. Siehe ferner Bernhardts (1985) 160 Einschätzung zum Vorgehen des Pompeius: „Das Prinzip des Pompeius war es, die annektierten Gebiete soweit wie möglich in städtische Territorien aufzuteilen.“ Ptolemaios der ituräische Fürst wurde als Herrscher über Chalkis, der Ebene von Massyas und der angrenzenden Berge und Sampsigeramos als Dynast von Hemesa und Arethusa anerkannt, Cic. Att. 2,16,2; Strab. 16,2,10; Ioseph. ant. Iud. 14,39; bell. Iud. 1,185; Sullivan (1977b) 199–205; Dahlheim (1977) 267f. einschl. Anm. 178; Bechert (1999) 112. Das Königreich der Hasmonäer wurde als autonomes Reich, doch Hyrkanos lediglich als Hohepriester und Herrscher ohne Königstitel anerkannt, zudem Abgaben gefordert und die Seestädte von der hasmonäischen Vorherrschaft befreit und für frei erklärt, Ioseph. ant. Iud. 14,73–74; bell. Iud. 1,153–154; ferner Applebaum (1977) 360f.; Bringmann (2005) 161–167. Ausführlich und mit Berücksichtigung auf den religiösen Aspekt Baltrusch (2002) 125–139. Dahlheim (1977) 266f. sieht die rechtliche Stellung Judaeas als „[…] Form der außerprovinzialen Untertänigkeit […].“ 102 Der maritime Aspekt ist bisher in der Forschung vernachlässigt worden, wobei er bei genauerer Betrachtung der Landkarte geradezu ins Auge sticht. Lediglich die vollständige Eindämmung der Piraterie wird als Möglichkeit in Betracht gezogen, etwa von Bernhardt (1985) 96; Ehling (2008) 272. Statt dessen werden militärische Sicherheitsinteressen gegenüber dem Partherreich oder Ägypten favorisiert, vgl. Überblick bei Ehling (2008) 272f. Die wirtschaftlichen Vorzüge der Provinz finden sich bei Bechert (1999) 112f. Zu den Flottenbasen an der Küste vgl. Reddé (1986) 236ff. 103 Vgl. McDonald (1967) 1–8; Walbank et.al. (1969) 30–39; Dahlheim (1977) 145f.; Urban (1983) 17; Brandt (1992) 85ff; Kallet-Marx (1996) 227f.; Magie I (2000) 280ff; Ehling (2008) 228, Anm. 940. Das seleukidische Engagement in Kilikien wird durch Städte(neu)gründungen deutlich; wie etwa die Gründung von Epiphaneia an der Ostgrenze Kilikiens durch Antiochos IV. noch vor 164 v. Chr. und deren wechselvollen Kämpfen unter Alexander I. (150–145 v. Chr.), der versuchte die Abfallbewegungen der kilikischen Stämme aufzuhalten, dazu Ehling (2008) 119 einschl. Anm. 53, 162f. und Anm. 427. Eine der ersten von Strab. 14,5,2 überlieferten Seeräuber war Diodotus Tryphon. Zu den Anfängen der kilikischen Piraterie De Souza (1999) 98–101; skeptischer Ehling (2008) 168f. Seeräuber und Piraterie soll hier in diesem Zusammenhang nur als terminus technicus für einzelne seefahrende und sich an Überfällen von Seerouten und Handelswegen beteiligende Stämme und Völkerschaften verstanden werden. Daher ist De Souza (1999) 1f. zu zustimmen: „In the GraecoRoman world the use of pirate as a term for undesirable „others“ is the usual way in which piracy is presented to the scholar. The pirates of Classical Antiquity are identified by their victims and their enemies; they do not claim the label of pirate for themselves.“ Demgemäß wird deutlich, dass (1) aus gegnerischer Perspektive auch Rom Piraterie betrieb, wenn es karthagi-
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Phaselis mussten unter dem Druck der Piraten ihre Häfen öffnen und ihnen ihre Schiffshäuser und Kontore überlassen.104 Wohl erst nach dem Ende des ersten mithridatischen Krieges 80/79 v. Chr. begann Rom, Kilikien unter seine Kontrolle zu bringen.105 Von 78 v. Chr. an gelang es P. Servilius Vatia in einer fünf Jahre andauernden Kampagne, einige Seestädte den Seeräubern zu entreißen und das raue Kilikien (Kilikia Tracheia) von Ataleia im Westen bis Seleukeia im Osten zu unterwerfen.106 Dieser mehr als 400 km lange Küstenstreifen diente dann Pompeius als Grundlage zur Neuordnung der Provinz, die er nach Norden und Westen erweiterte. Nachdem er alle Siedlungen der Seeräuber – angeblich sollen es bis zu 120 Stützpunkte gewesen sein – an der Küste und im Hinterland zerstört und ihr Schiffsaufgebot in einer Seeschlacht bei Korakeseion vernichtet hatte, organisierte er die Seestädte zu Stadtstaaten, wo er die entwurzelten und gefangen genommenen Seeräuber ansiedelte und ihnen durch die agros et urbes eine neue Existenzgrundlage schuf.107 Die Seestädte Ki-
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sche, makedonische, illyrische oder seleukidische Seeplätze plünderte. (2) die res publica schon weit vor dem ersten vorchristlichen Jahrhundert in Berührung mit so genannter Piraterie geriet. Schulz (2000) 426–432, meint in der Frühphase der Republik auch Kooperationen zwischen Piraten und Rom ausmachen zu können. Rom war es daher möglich, auf dem Meer aktiv zu sein, ohne den Bau einer eigenen Flotte anstrengen zu müssen. Da Schulz bis zum Bau der römischen Flotte 260 v. Chr. sämtliche nichtrömische maritime Aktivität unter dem Terminus „Piraterie“ subsumiert, wird er m. E. der Natur dieser Seeoperationen nicht gerecht und folgt vielmehr der Darstellung der prorömischen antiken Autoren, welche gegen Rom gerichtete militärische Aktivitäten auf dem Meer als piratisch beschreiben. Im Geschichtswerk des Polybios werden beispielsweise die Überfälle illyrischer Schiffe auf italische Handelsschiffe, die letztlich zum Ausbruch des ersten illyrischen Krieges geführt haben, als Überfälle von Piraten dargestellt. Nicht anders verfahren die antiken Autoren bei der Berichterstattung über die nautischen Aktivitäten der Bewohner Kretas oder Rhodos’. Cic. Verr. 2,4,21; Strab. 14,5,7. Gegen die kilikischen Piraten ging bereits M. Antonius ab 102 v. Chr. vor, doch kann eine Einrichtung der provincia Cilicia für diese Zeit noch nicht als gesichert gelten. Wohl eher müssen wir die aus Knidos und Delphi überlieferte lex provinciis praetoriis erwähnte Schaffung einer έπαρχεία στρατηγική als eine Art Militärbezirk verstehen; Crawford I (1996) 231– 270; Schulz (1998) 127ff; vgl. dazu die unterschiedlichen Deutungsweisen bei SherwinWhite (1976) 5ff; Brandt (1992) 94; Pohl (1993) 216ff; Kallet-Marx (1996) 227–239; De Souza (1999) 108–115; Bechert (1999) 99; Magie I (2000) 283; Brennan (2000) 357ff; überzeugend Ehling (2008) 229. Anders Syme (1979) 120. Wohl eher müssen wir Cn. Cornelius Dolabella als ersten Provinzstatthalter akzeptieren, vgl. Sherwin-White (1976) 10f.; (1984) 152–155; Magie I (2000) 285f.; Brennan (2000) 571f. Er bzw. sein Legat C. Verres plünderten Siedlungen (Aspendos und Perge) entlang der pamphylischen Küste und geriet auch in Auseinandersetzungen auf dem Meer, wie Cic. Verr. 1,53–58 berichtet. Aber De Souza (1999) 124 hat zurecht angemerkt, dass „We have no direct evidence, therefore, that Dolabella’s enemies were pirates“. Cic. Verr. 2,1,21. 4,22; Cic. leg. agr. 2,50; Flor. 1,41,5 ; Strab. 14,5,7; Sall. hist. frg. 1,1,141– 148Mc.; vgl. Syme (1979) 121; Mitford (1980a) 1235f.; Brandt (1992) 95; Kallet-Marx (1996) 293ff; Jones (1998a) 55f.; De Souza (1999) 128–131; Magie I (2000) 287–291. Nach Liv. per. 99; Flor. 1,41,14; Vell. 2,32,4–6; Strab. 8,7,5; Cass. Dio 37,37,5–6; Plut. Pompeius 28,4; App. Mithr. 96 siedelte Pompeius die Seeräuber in Kilikien in Adana, Mallus, Epiphaneia und Soloi, ferner bei Dyme in Griechenland und in Calabrien an; vgl. dazu Gelzer (1949) 83f.; Mitford (1980a) 1237f.; Berhardt (1985) 160; Ziegler (1993) 204–212; Kallet-
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
likiens wurden zum Kernpunkt der römischen Provinz und dienten vor allem der Küstenkontrolle und als sicherer Verbindungsweg von der provincia Asia zur provincia Syria.108 Das Hinterland überließ er den romtreuen Klientelfürsten Kastor Tarkondarios, Ariobarzanes II. Philorhomaios, Antipatros von Derbe, Tarcondimotus und dem Tempelstaat Olba109, während sich an der Ostgrenze die von ihm neu konstituierte provincia Syria anschloss. Auf unserer Fahrt entlang der kleinasiatischen Südküste passieren wir mit unserem Schiff auf der Höhe von Ataleia die Grenze zur provincia Asia, der ursprünglich ersten römischen Provinz auf dem asiatischem Kontinent, dessen Gebiete einst zum pergamenischen Königreich gezählt hatten. Ähnlich wie Massalia im westlichen Mittelmeer übte Pergamon bis zu seinem Ende mit seinen Flotten und Hafenplätzen in der Ägäis die Funktionen eines socius navalis und Stützpfeilers indirekter römischer Kontrolle über die Küste Kleinasien aus. Als der makedonische König Philipp V. und der seleukidische Herrscher Antiochos III. sich die Ländereien der Ptolemaier (Westkleinasien, Thrakien, Koile Syria, Phoinike, Kypros, Kykladen, Kilikien, Lykien) gewaltsam aneigneten und dadurch die fragile Balance zwischen den drei großen Mächten des hellenistischen Ostens nicht mehr zu halten war, drohten die kleineren Mächte des östlichen Mittelmeerraumes, zwischen den „Riesen“ zerdrückt zu werden.110 Berechnendes Marx (1996) 318f., 327; Schrapel (1996) 89; Jones (1998a) 56; De Souza (1999) 170f., 175– 178; Magie I (2000) 298–301; Schulz (2000) 438; Christ (2000) 254; (2004) 64; Seager (2002) 48; Ehling (2008) 266ff; Unter Zuhilfenahme der Numismatik postuliert Dreizehnter (1976) 239 auch die Ansiedlung von Veteranen des Pomepius etwa in Soloi, was Ehlung (2008) 267 zu der Vermutung führt, „[…] ob der römische Feldherr [Pompeius, Anm. M. Ladewig] nicht auch in anderen Städten, d.h. namentlich Mopsuhestia, Mallos, Epiphaneia und Alexandreia kat’Isson verdiente Veteranen ansiedelte. Auf diese Weise konnte er am ehesten Sicherheit und Ordnung in diesen Städten durchsetzen und deren langfristige Loyalität sicherstellen, denn die ehemaligen Seeräuber waren bestimmt keine unbedenkliche Bevölkerung.“ 108 Zur Urbanisierung Kilikiens vgl. die Ausführungen von Hellenkemper (1980) 1264–1273 und Brandt (1992) 100–120. Zur strategischen Bedeutung der Provinz Syme (1979) 122ff; Mitford (1980a) 1238: „It was now the paramount military province of Anatolia an guardian of the great strategic route from Ephesus by way of Iconium and the Cilician Gates to Tarsus and so to Syria.“ vgl. Ferner Schrapel (1996) 90f. 109 Allgemein dazu Dahlheim (1977) 263ff. Zu Tarcondimotus: Cic. fam. 15,1,2; Strab. 14,5,18; Jones (1998a) 56, 71f.; Magie (2000) 377; Ehling (2008) 274f. einschl. Anm. 1372; Tempelstaat Olba: Strab. 14,5,10; Jones (1998a) 70; Magie (2000) 269f.; Antipatros von Derbe: Cic. fam. 13,73,2; Strab. 12,1,4; 14,5,24; dazu Syme (1979) 128ff; Magie (2000) 375; Kastor Tarkondarius: Strab. 14,5,3 (= Saocondarius); vgl. Magie I (2000) 373; II (2000) 1236f. Anm. 40; Ariobazanes I. bzw. sein Nachfolger Ariobazanes Philorhomaios: Cic. fam. 15,2,2. 4,4–5; Att. 5,18,1. 20,2; Strab. 12,1,3–4. 2,12; Val. Max. 5,7 ext. 2; App. Mithr. 105; Iustin. 38,2,8, Sullivan (1980) 1136–1146; Kallet-Marx (1996) 326; Magie I. (2000) 205ff, 374f.; Ehling (2008) 274. 110 Zum Bündnis Pol. 3,2,8; 15,20; 16,1,9. 10,1; Liv. 31,14,5; App. Mac. 4,1; Iustin. 30,2,8; vgl. ferner Schmitt (1964) 226–261; (1969) 288–291 (547); Rose (1969) 126f.; Hölbl (1994) 120; Ma (1999) 74f.; Wiemer (2001) 74–85; Huß (2001) 487f.; Sommer (2006) 46; Eckstein (2008) 128–150; Zweifel an der Echtheit etwa von Magie (1939) 32–44; weitere bei Huß (2001) Anm. 18.
2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum
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Kalkül ließ Pergamon ein Bündnis mit Rom schließen.111 Der Kontrakt zur See verlangte von den Pergamenern nicht nur die maritime Unterstützung in den Kriegen gegen Nabis III. von Sparta, Antiochos III., Philipp V. oder Perseus durch Flottenverbände und Admiräle, sondern auch die Bereitstellung von nautischen Operationsbasen und Anlegeplätzen für die römischen Flotten in ihren Häfen und Landeplätzen entlang der kleinasiatischen Küste sowie der vorgelagerten ostägäischen Inseln wie Aigina oder Andros.112 Ferner übernahm Rom die nach den Kriegen gegen Philipp V. und Antiochos III. abgetretenen Seehäfen und Küstenstädte des seleukidischen und makedonischen Königreiches unter pergamenische Protektion. Die einstigen Herren dieser Gestade waren auf das Hinterland zurückgedrängt worden und auf wenige Häfen und Seestädte beschränkt. Fortan kontrollierte Pergamon als Günstling Roms mit seinen Flotten die Chersones im Norden, den Hellespont und die Westküsten Mysiens, Lydiens und Teile Pisidiens mit ihren Seefestungen Lysimacheia, Ephesos und Telmossos sowie das phrygische Hinterland im Osten.113 Erst mit dem Testament des kinderlos gebliebenen Attalos 111 Nach Koehn (2007) 185 erbaten die Rhodier und Attalos beim Senat nicht etwa militärische „[…] Unterstützung in einer Auseinandersetzung, die sie allein nicht mehr bewältigen konnten, sondern boten im Gegenteil an, den Römern dabei zu helfen, die Bedrohung, die durch die Vereinigung des makedonischen und seleukidischen Reiches vermeintlich entstanden war, abzuwehren.“. Das Hilfegesuch muss als Reaktion auf die missglückten Versuche der vereinten Seemächte Rhodos und Pergamon, bei Chios Philipp V. entgegenzutreten, verstanden werden; Pol. 15,12–24; 16,1–11.15.24; App. Mac. 4,1; Diod. 28,5,1; dazu Gruen (1984) 384; Errington (1986) 178; Hammond (1998) 411–416; Ma (1999) 76–81; Magie I. (2000) 13f.; Shipley (2000) 374f.; Wiemer (2001) 85–106; Bringmann (2002) 122f.; Sommer (2006) 46; Errington (2008) 200; Eckstein (2008) 220, 230, 245, 277. 112 Bereits im ersten römisch-makedonischen Krieg schloss der pergamenische König Attalos I. ein Waffenbündnis mit Rom und stellte Schiffe in den Dienst des P. Sulpicius Galba. Die Insel Aigina diente dort als Operationsbasis (Liv. 27,33,5; 28,5,1–7,10). Pergamenische Hilfe zur See im zweiten römisch-makedonischen Krieg, etwa bei der Eroberung der Insel Andros, der Belagerung von Oroeos auf Euboia oder dem Hafen von Korinth (Liv. 31,45,9–46,16; 32,16,6). Aigina und Andros dienten als Operationsbasis der römisch-pergamenischen Flotte (Liv. 31,28,3. 44,1; 32,16,6). Im Kampf gegen Nabis III. von Sparta unterstütze König Eumenes II. die Römer mit Schiffskontingenten bei der Belagerung von Gyntheion (Liv. 34,26,11. 29,1–30,2). Die Seekampagnen des römisch-seleukidischen Krieges stehen ganz im Zeichen der pergamenischen Waffenhilfe, etwa in der Seeschlacht bei Korykos, bei der Plünderung der Insel Bakchion, dem Übergang des scipionischen Heeres am Hellespont oder der Versorgung des römischen Heere an der Kaikosmündung mit Getreide (Pol. 21,9,13–10,1; Liv. 36,42,6–45,8; 37,19,8. 33,4–5. 37,4–5. 53,9.15.17.24; App. Syr. 26; Iustin. 31,8,5; 38,6,3). Darüber hinaus wirkte Eumenes II. auch als strategischer Berater für die Seekampagnen (Liv. 37,14,4–15,9). Im dritten römisch-makedonischen Krieg unterstützt Eumenes II. Rom erneut zur See (Liv. 44,28,4); dazu Radt (1999) 31ff; Bechert (1999) 89; Magie I (2000) 16; II (2000) 752f. Anm. 45, 757 Anm. 54; Eckstein (2008) 291, 122f., 329. 113 Zu den Besitzungen Pol. 21,24,7. 45,3–6. 48,9–12; 23,1,4. 3,1–3. 8,1; Liv. 31,45,1–7; 37,56,1–4; 38,38,4; Strab. 14,3,4; App. Syr. 44; ferner dazu Baronowski (1991) 452–462; Radt (1999) 34; Bechert (1999) 89; Magie I (2000) 19; II (2000) 757f. Anm. 55; Eckstein (2008) 333, 345; NP Suppl. 3, 125 Karte B.“ Zur Frage, in wieweit die propagierte Freiheit der kleinasiatischen Städte trotz des pergamenischen Machtfaktors umgesetzt werden konnte, s. Dahlheim (1977) 194–204.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
III. fiel das pergamenische Königreich nach kurzem Aufbegehren eines vermeintlich legitimen Thronprätendenten samt aller Besitzungen 129 v. Chr. an Rom, welches daraus die provincia Asia formte.114 Im Norden von Asia zählte die Küste auf der gegenüberliegenden Seite des Hellesponts von Ainos an der thrakischen Mittelmeerküste über die Chalkidike, der thessalischen Mittelmeerküste bis hinab zur Peleponnes zum makedonischen Königreich. Gemeinsam mit den ägäischen Inseln wie Euboia, Thasos Samothrake oder Lemnos bildeten die Küstenmetropolen Korinth, Chalkis, Abdera, Poteideia, Acanthos sowie Demetrias die Kernpunkte der makedonischen Thalassokratie. Durch das Waffenbündnis des makedonischen Königs Philipp V. mit dem karthagischen Feldherrn Hannibal geriet Rom bereits im zweiten römischkarthagischen Krieg unweigerlich in Konfrontation mit Makedonien.115 Doch vermochte eine Allianz mit den makedonischen Kontrahenten in Griechenland eine Ausweitung und Festsetzung des Krieges auf die Ägäis fürs erste zu verhindern.116 Eine tatsächliche Entscheidung wurde jedoch nicht getroffen. Vielmehr schwelte weiterhin der unüberbückbare Dissens zwischen römischen und makedonischen Interessenssphären in der Ägäis117, der sich 200 v. Chr. Bahn brach. Bis dahin konnte Philipp V. auf Kosten des ptolemaischen Reiches, Pergamon und Rhodos seinen maritimen Machtbereich vom Hellespont über die kleinasiatische
114 Zum Testament Liv. per. 58. 59; Strab. 13,4,2; Vell. 2,4,1; Flor. 1,35,1–3; App. Mithr. 62; b.c. 5,4; Eutrop. 4,8; Plut. Tib. Gracchus 14,1; Iustin. 36,4,5; vgl. Dahlheim (1977) 207ff; Magie I (2000) 31ff; Radt (1999) 39: „Dennoch war es eine politisch kluge Entscheidung, sein Reich den Römern zu überlassen, wohl die klügste, die er im Interesse und der Wohlfahrt seiner Untertanen treffen konnte. Die bestehenden Machverhältnisse wurden damit anerkannt[…].“ Zur rechtlichen Stellung der pergamenischen Städte vgl. Bernhardt (1985) 285– 294. Zu ihrer thalassischen Funktion im Principat vgl. Reddé (1986) 234ff. 115 Zum Bündnis zwischen Philipp V. und Hannibal, vgl. Chroust (1954) 60–107; Rose (1969) 124f.; Vollmer (1990) 145; Seibert (1993a) 271f.; (1993b) 240–246; Bagnall (1995) 301; Mantel (1995) 175–186; Christ (2003a) 101–106; Barceló (2004) 158–161; Huß (2004) 242ff; Heftner (2005) 250ff; Zimmermann (2005) 69ff.; Eckstein (2008) 83f. 116 Gemeint ist die römische Allianz mit dem aitolischen Bund, Liv. 25,23,9; 26,24,1–15; Iustin. 29,4,5; Schmitt (1969) 258–266, (536); Rose (1969) 125f.; Vollmer (1990) 146; Heftner (2005) 276, 278. 117 Nach Errington (2008) 182 hätte ein Zusammenstoß römischer und makedonischer Interessen schon nach Ende des zweiten illyrischen Krieges zustande kommen können. Über die Beweggründe Roms, in den Krieg gegen Philipp V. von Makedonien zu ziehen, herrscht Unklarheit in der Wissenschaft. Vgl. den Forschungsüberblick bei Bleicken (1992) 152ff; Warrior (1996) 13–22. Heuss (2001) 103 deutet Roms Entschluss als den Versuch „[…] die Verfestigung der noch im Fluß befindlichen östlichen Entwicklung [gemeint ist ein makedonischseleukidisches Bündnis, Anm. M. Ladewig] nicht erst abzuwarten, sondern zu intervenieren, solange es mit geringem Kraftaufwand möglich war und man auf die Hilfe der freien Griechenstädte rechnen durfte.“ Ebenso Harris (1979) 212–218; Bengtson (1988) 85f. Anders Heftner (2005) 317, der ein Pflichtgefühl der Römer gegenüber Attalos von Pergamon konstatiert, ebenso Magie I. (2000) 15. Errington (1986) 182f. deutet Roms Kriegsentschluss als verspätete Bestrafung Makedoniens für den gemeinsamen Waffengang mit Hannibal im zweiten römisch-karthagischen Krieg, ebenso Bringmann (2002) 123. Bellen (1995) 68 räumt ein Hilfegesuch Ägyptens ein. Ähnlich Warrior (1996) 45 einschl. Anm. 10, 79.
2.2 Die Kontrolle der Küsten des mare internum
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Küste bis Karien und zu einzelnen Inseln wie Paros oder Samos ausbauen.118 Mit dem Sieg bei Kynoskephalai 197 v. Chr. im zweiten römisch-makedonischen Krieg (200-197 v. Chr.) war Rom an einer Begrenzung makedonischer Aktivitäten auf dem Meer gelegen. Durch den Verlust aller überseeischen Besitzungen in Kleinasien, der thrakischen Küstengebiete östlich des Nestos, der Räumung der griechischen Seefestungen Demetrias, Korinth und Chalkis, der Aufgabe der ägäischen Inseln und des Verbots des Holzschlagens für den Bau von Kriegsschiffen brach das maritime Rückgrat des makedonischen Königreiches.119 Auf das einstige Kernland mit seinen wenigen Hafenstädten zurückgedrängt und auf wenige Schiffskontingente reduziert, war Makedonien zur Bündnistreue zu Rom verpflichtet.120 Bis auf die Hafenstädte Thessalonike sowie Kassandreia und Torone auf der Chalkidike war es vom Meer isoliert und ohne eine ausreichend große Flotte ein erneutes Erstarken in der Ägäis nur schwer realisierbar.121 Doch Roms nachgiebiger Umgang mit dem nunmehr treuen Vasallen Makedonien ermöglichte es Philipp V. nicht nur seine Staatskassen zu revitalisieren, sondern auch im Schatten des römisch-seleukidischen Krieges (191-188 v. Chr.) den makedonischen Machtanspruch in Thessalien und Thrakien auszubauen.122 Um sich weitere 118 Nach Pol. 15,21,1–24,6; 16,2,5.10,1–11,6. 24,1.9; 18,2,3–4. 3,11. 4,5. 44,4. 54,7; Liv. 31,15,8. 16,3–18,9. 31,4; 33,18,1–2. 19,10; Diod. 28,1; App. Mac. 4 zählten Paros, Lysimacheia, Madytos, Eleious, Alopekennesos, Kallipolis, Sestos, Abydos, Perinthos, Kalchedon, Kios, Thasos, Samos, Myos und einige Siedlungen an der karischen Küste zu seinen Eroberungen. Dazu auch Errington (1986) 178ff; (2008) 194; Green (1990) 306; Eckstein (2008) 150–168. 119 Zu den Friedensbedingungen Pol. 18,44,1–7; Liv. 33,30,1–11; App. Mac. 9,3; dazu Dahlheim (1977) 112f.; Gruen (1984) 620; Errington (1986) 183f.; Hammond (1998) 443ff; Bechert (1999) 74; Eckstein (2008) 288. 120 Philipp V. zeichnete sich im Krieg gegen Antiochos III. als loyaler Verbündeter aus. Er hatte nicht nur Truppen für die Intervention gegen Nabis III. von Sparta zur Verfügung gestellt und das Vorrücken der Aitoler und der Truppen Antiochos III. verlangsamt, sondern eskortierte und versorgte auch das Heer Scipios bei dessen Marsch zum Hellespont, vgl. Walbank (1940) 198–211; Rose (1969) 129; Gruen (1984) 84f., 239, 400f.; Errington (1986) 184f.; Hammond (1998) 448–452; Heftner (2005) 365. Nach Errington (2008) 218 versorgte Philipp V. auf eigene Initiative das römische Heer, ohne zuvor eine Order erhalten zu haben. 121 Zu Thessalonike, Kassandreia und Torone als Flottenbasis bzw. Seestadt der Makedonen in den makedonischen Kriegen berichtet Liv. 28,8,14; 31,45,14–15; 33,19,5; 40,4,9–10. 24,3. 56,8; 44,6,2. 10,1–2.5–7.11–12,7. 23,9. 28,15. 32,6–7. 35,8. Die Tatsache, dass die Städte sowohl im zweiten als auch dritten römisch-makedonischen Krieg zu Makedonien gehörten, lässt den Schluss zu, dass sie nach Ende des zweiten römisch-karthagischen Krieges nicht von Makedonien abgetreten werden mussten. Zumal literarische Hinweise einer diesbezüglichen Neuangliederung an das Königreich durch Perseus bzw. Philipp V. fehlen. Inwieweit Pydna als Flottenbasis diente, bleibt unklar. Die antiken Quellen erschöpfen sich in der Darstellung der Schlacht bei Pydna. Weitere Details bezüglich ihres strategischen Nutzens fehlen daher. 122 Wie etwa die Freigabe des Königssohns Demetrios aus der Geiselhaft oder der Erlass der ausstehenden Kriegsschulden verdeutlicht, Pol. 21,3,1–4: „Um dieselbe Zeit verhandelte der Senat mit Gesandten Philipps. […] Auf den Vortrag der Gesandten hin ließ der Senat sofort Philipps Sohn Demetrios frei, der sich als Geisel in Rom befand, und versprach außerdem einen Nachlaß der Tribute, da er in dieser Situation die Treue gehalten habe.“ (Ὅτι κατὰ τοὺς αὐτοὺς καιροὺς ἡ σύγκλητος ἐχρηµάτισε τοῖς παρὰ Φιλίππου πρεσβευταῖς·[…] ὧν διακούσασα
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Zugänge zum Meer zu verschaffen, besetzte er die Seefestungen Demetrias in Thessalien sowie Ainos und Maroneia an der thrakischen Küste.123 Als Philipp V. im Sommer 179 v. Chr. starb und sein Sohn Perseus den Thron bestieg124, setzte dieser die Politik seines Vaters durch eine von politischen Maßnahmen und Friedensappellen gestützte philhellenische Propaganda fort.125 Er knüpfte seine diplomatischen Netze über Griechenland hinaus mit dem Herrscherhaus der Seleukiden, indem er Laodike, die Tochter des Seleukos, heiratete und seine Schwester mit Prusias II. von Bithynien vermählte.126 Als der pergamenische König und amicus Roms Eumenes II. dann im Jahr 172 v. Chr. vor den römischen Senat trat und in seiner von Anschuldigungen und Vorwürfen gegen den makedonischen König gespickten Rede eine militärische Intervention gegen Perseus forderte, war ein erneuter Krieg gegen Makedonien unabwendbar.127 Am Ende dieses dritten
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τὸν µὲν υἱὸν ∆ηµήτριον ἀπέλυσε τῆς ὁµηρείας παραχρῆµα·ὁµοίως δὲ καὶ τῶν φόρων ἐπηγγείλατο παραλύσειν, διαφυλάξαντος αὐτοῦ τὴν πίστιν ἐν τοῖς ἐνεστῶσι καιροῖς.) Pol. 22,6,7. 13,5.9; Liv. 36,33,1.7. 34,9; 39,23,12–13. 28,12; Plut. Flaminius 15,4. Zudem brachte Philipp V. 183 v. Chr. thrakische Volksstämme im Tal des Hebros unter seine Herrschaft und schloss durch Eheschließungen diplomatische Bande mit den führenden Adelsclans der thrakischen Odryser. Vgl. Walbank (1940) 204f., 218f., 223f., 237, 242–250; Gruen (1984) 399–402; Errington (1986) 185–189; (2008) 241f.; Hammond (1998) 459–487; Shipley (2000) 378. Liv. 40,54,1–57,1.58,8; Zon. 9,22,1; Diod. 29,30. Zu den innenpolitischen Konvulsionen am makedonischen Hofe zwischen den beiden Söhnen Philipps V., Perseus und Demetrios, und der Rolle Roms vgl. Liv. 39,53,1–11. 40,5,1–16,3.20,3–21,11.23,1–24,8; Pol. 23,3,9.7.10,12– 14,11; Pfeilschifter (2005) 354–364; Errington (1986) 189f.; (2008) 243 stellt treffend fest, dass die Ermordung Demetrios’ „[…] gave Perseus a bad reputation at Rome, when his father unexpectedly died 179 and Perseus entered the succession“. Hammond (1998) 490 zweifelt zurecht an der Ermordung und belegt überzeugend das von negativen Topoi geprägte Bild des Perseus in den antiken Quellen. Liv. 42,5,1; Pol. 25,3; App. Mac. 11,1. Ferner Deininger (1971) 148f. Anm. 14–17, 153f., Gruen (1984) 403–406; Errington (1986) 191; (2008) 243f.; Hammond (1998) 491–495; Heuss (2001) 115f. Anders Giovanni (1969) 853–856, der die diplomatischen Erfolge Perseus’ und deren Folgen bezweifelt. Liv. 42,12,3; Pol. 25,4,8–10; App. Mac. 11,2. Die Heirat zwischen Apama und Prusias II. von Bithynia wird wohl auch die Entscheidung Eumenes’ II., erneut in Rom vorstellig zu werden und auf Krieg zu drängen, verstärkt haben. Magie I. (2000) 23; Errington (2008) 244 weisen auf die Feindschaft zwischen Eumenes II. und Prusias II. hin. Die Rede ist überliefert durch Liv. 42,11,1–41,1; App. Mac. 11,1–3. Vgl. die quellenkritische Analyse bei Wiemer (2001) 197–206. Zur Bewertung des pergamenischen Gesuchs etwa Greens’ (1990) 427 Plädoyer für die gelungene Überzeugungsarbeit Eumenes’ II., anders Giovanni (1969) 858f., der Eumenes’ II. Einfluss auf den römischen Kriegsentschluss gegen Perseus überzeugend anzweifelt. Ebenso Gruen (1984) 409f. und Errington (1986) 192: „Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß diejenigen Senatoren, die sich auf dem Balkan auskannten, Eumenes voll glaubten, daß der Senat eine wirkliche Furcht vor Makedonien entwickelte.“ Vielmehr macht Errington (1986) 193 den innenpolitischen Druck, den Consuln alljährlich provinciae zuzuteilen, verantwortlich für die römische Kriegsentscheidung. Nach Mastrocinque (1975/76) gab Eumenes II. der Senatsgruppierung, die schon länger auf den Krieg drängte, durch sein Auftreten genügend Zündstoff, um die Entscheidung zum Krieg nun zu erzwingen, ebenso Hammond (1998) 498. Deutlich zurückhaltender Harris (1979) 229: „The speech probably brought war nearer, but more by demonstrating the grievances
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römisch-makedonischen Krieges (171-168 v. Chr.) stand nicht nur die Vernichtung der makedonischen Seeherrschaft, sondern auch die Auflösung der makedonischen Monarchie sowie die Zerstückelung des Reiches in vier Territorien, mit Thessalonike, Pella, Amphipolis und Herakleia Lyncestis als Verwaltungssitze.128 Nie mehr sollte von einem makedonischen Thron aus ein Schiff gegen Rom und seine Verbündeten in der Ägäis geführt werden. Nachdem 150 v. Chr. ein vermeintlicher Angehöriger der Antigonidendynastie einen Aufstand anzettelte, machte Rom „kurzen Prozess“. Nach dem Sieg über Andriskos 146 v. Chr. richtete Q. Caecilius Metellus die provincia Macedonia ein, und wies dieser neuen römischen Provinz Teile Illyriens, bis zum mare Adriaticum, einschließlich Epirus im Süden, zu. Diese Küstengebiete entlang der Adria waren die ersten überseeischen Operationsgebiete römischer Flotten und Heere im östlichen Mittelmeer. Seit der Gründungen der latinischen und maritimen Kolonien an der italischen Ostküste (Sena Gallica, Castrum Novum, Brundisium und Ariminum) zählte das mare Adriaticum zur römischen Interessenssphäre. Als dann wiederholt illyrische Schiffe der Fürstin Teuta italische Kaufleute auf den Seehandelsrouten der Adria überfielen, entschied sich Rom zur militärischen Intervention.129 Mit dem Friedensschluss im Jahr 228 v. Chr. zwang man Teuta zur Aufgabe ihrer Besitzungen an der Westküste, zur Verringerung ihres Flottenpotentials, zur Einschränkung des Seeverkehrs – ihre Schiffe durften nicht über Lissos hinaus die Adria befahren – und zum Rückzug ins Landesinnere. Zudem wurde Demetrios von Pharos als Klientelfürst eingesetzt, dem nach Teutas Tod wohl die Herrschaft des illyrischen Binnenlandes oblag.130 Rom selbst erhob keinerlei Herrschaftsansprüche auf das Küstenthat could be exploited than by sounding an alarm.“ und Errington (2008): „[…] it is not surprising that he had some success, the consuls appointed for 172 immediately making their wish known to be allotted Macedonia as field of operations (provincia).“ Weitere Literatur bei Wiemer (2001) 197 Anm. 264. 128 Pol. 30,15,1; Cic. Mur. 31; Cato 4,21; Pis. 61; fin. 5,70; off. 2,76; Liv. 45,17,1–4. 18,1–8. 22,3. 26,13–15. 29,1–14. 32,1–4. 34,1–6; 43,10; Plut. Aemilius Paullus 28,3; 29,1–30,1; Diod. 31,8,3–12; Strab. 7,7,3; Plin. n.h. 4,39; 33,56; Iustin. 33,2,7. Vgl. ferner Dahlheim (1977) 117–121; Gruen (1984) 423–431; Green (1990) 430; Hammond (1998) 559–569; Bechert (1999) 74; Heftner (2005) 379ff; Errington (2008) 249f. Erringtons (1986) 194 Resümee ist umfassend in seiner Wertung und verdient, hier zitiert zu werden: „Die Demontage des makedonischen Staates […] war fundamentaler Art. Nicht nur wurden das Königtum abgeschafft und enorme Reichtümer als Beute mit dem König und allen Funktionären nach Italien verschleppt; auch die staatliche Struktur des Landes, jenes Gebilde eines vereinigten makedonischen Staates, das wohl die größte Leistung Philipps II. war, wurde völlig zerschlagen. An die Stelle des einheitlichen Staates traten nicht weniger als vier Republiken, denen es untersagt war, untereinander staatliche oder soziale Kontake jeglicher Art zu haben. […] Es durften weder Gold noch Silber aus den Bergwerken geholt noch Schiffsbauholz geschlagen und exportiert werden;“. Zu den immensen Kosten des dritten römisch-makedonischen Krieges vgl. Müller (2009) 439–467. 129 Vgl. Anm. 25 und 26 (Kapitel 7.1) 130 Nach App. Ill. 7 bestimmte der Friedensschluss zwischen Rom und Teuta auch, dass Pinnes, ein unmündiger Sohn des Argon, des Gatten der Teuta, die Herrschaft übernehmen sollte und bei Einhaltung des Friedens als amicus der Römer gelten sollte. Nach Cass. Dio frg. 49,7; frg.
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gebiet, wie der Abzug der Truppen im Jahr darauf verdeutlicht. Sicher überwogen die Kosten einer erneuten provincia-Einrichtung – immerhin wäre mit einer illyrischen Provinz innerhalb von etwas mehr als einer Dekade zu den bereits bestehenden zwei Sicilia und Sardinia et Corsica im westlichen Mittelmeer noch eine dritte hinzugekommen, die geographisch auch noch weit von den anderen entfernt gelegen hätte – nicht den Nutzen. Statt dessen pflegte man zu den wichtigsten Küstenstädten Apollonia, Lissos und Epidamnos ein amicitia-Verhältnis, und beließ es dadurch mit einer indirekten Kontrolle der illyrischen Gestade, um so die Adria abzusichern.131 Ein erneutes militärisches Eingreifen Roms in der Adria wurde dann 220 v. Chr. notwendig. Nachdem Demetrios von Pharos als legitimer Nachfolger der Fürstin Teuta die Friedensvereinbarungen von 228 v. Chr. gebrochen, mit seinen Kriegsschiffen über Lissos nach Süden hinaus gefahren, die Kykladeninseln verwüstet, die mit Rom verbündeten Küstenstädte Apollonia und Epidamnos überfallen und Dimale und Pharos besetzt hatte, musste Rom auf diese eklatante Gefährdung seiner maritimen Interessenssphäre im mare Adriaticum reagieren.132 Nach der Niederschlagung des Demetrios, der sich an den makedonischen Königshof Philipps V. flüchtete, gliederten sich die Seestädte der illyrischen Adriaküste zunehmend in das römische Bündnissystem ein. Nicht nur, dass die Häfen Apollonias und Epidamnos’ alsbald den römischen Flotten als Stützpunkte ihrer Seekam53 übernahm Demetrios von Pharos die Vormundschaft über Pinnes, was ihn faktisch zum Herrscher Illyriens von Roms Gnaden machte. Vgl. dazu auch Petzold (1971) 206f.; Vollmer (1990) 54: „Auch wenn dieser Pinnes bei Polybios nicht erwähnt wird müssen wir seine Existenz annehmen, da Cassius Dio ihn erwähnt und kein Grund vorliegt, Pinnes für eine Erfindung eines Annalisten zu halten;“. Zur Herrschaft des Demetrios vgl. Hammond (1968) 7; Vollmer (1990) 70f.; Eckstein (2008) 58ff. Neben Demetrios erwähnen die Quellen auch noch einen zweiten illyrischen Fürsten, den Labeatenherrscher Skerdilaidas, dessen Herrschaftsbereich sich nach der Niederschlagung Teutas durch die Römer über die südillyrischen Stämme erstreckte, dazu umfassend Vollmer (1990) 45ff. 131 Pol. 2,11,5–6.10. 12,2–3; App. Ill. 7; Cass. Dio frg. 49,7; Zon. 8,19; vgl. Thiel (1954) 346; Lippold (1963) 255; Hammond (1968) 7ff; Petzold (1971) 210; Dahlheim (1977) 53ff; Gruen (1984) 367f., 438; Vollmer (1990) 54f.; Shipley (2000) 371f.; Heuss (2001) 73f.; Bringmann (2002) 104; Heftner (2005) 186f. Vollmer (1990) 59–62 hat zu Recht auf die rechtlichen Verhältnisse der Seestädte und Stämme an der illyrischen Adriaküste hingewiesen, die in der Forschung äußerst umstritten diskutiert werden, exemplarisch Walser (1954) 314ff; Petzold (1971) 208f.; neuere Erörterungen bei Eckstein (2008) 42–58. Vollmers Versuch überzeugt, unter Zuhilfenahme des Modells von Hantos (1983) passim, eine nichtintegrative indirekte Herrschaft Roms an der illyrischen Adriaküste für die 20er Jahre des dritten Jahrhunderts vor Chr. zu postulieren. 132 Mit der Heirat der Mutter des Pinna, Triteuta, übernahm Demetrios auch die mit Rom geschlossene Friedensvereinbarung, Cass. Dio frg. 53; Zon. 8,20,11; Iustin. 29,2,1.; Petzold (1971) 211ff; Eckstein (2008) 58; Vollmer (1990) 73f.: „Nur durch die Übernahme der Vormundschaft für Teutas Rechtsnachfolger Pinnes kann man auch für Demetrios eine Verbindlichkeit des Vertrages konstruieren.“ Zum Vertragsbruch Pol. 3,16,3–4. 18,1–2; nach Vollmer (1990) 74 habe Demetrios als Präventivmaßnahme auch Epidamnos und Apollonia besetzt, um den Römern mögliche Landungsgebiete vorzuenthalten und die bevorstehende römische Offensive zu schwächen. Überfälle dieser Seestädte nimmt Eckstein (2008) 71 an.
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pagnen und als Zielhäfen für den Transport ihrer in Griechenland operierenden Landheere dienten, sondern vereinzelt verstärkten auch Schiffe der Epidamner und Apolloniaten die römischen Flotten. Illyrien entwickelte sich im Zuge der römischen Ostexpansion zum heiß umkämpften Brückenkopf für die Kriegskampagnen in Makedonien, Griechenland und darüber hinaus. Über das Hinterland herrschte der Labeatenherrscher Skerdilaidas, der nach dem Bruch des Waffenbündnisses mit Philipp V. von Makedonien nun seine Treue zu Rom unter Beweis stellte und als Puffer zwischen dem makedonischen Kernland und dem römischen Interessensgebiet an der illyrischen Küste fungierte.133 Erst durch die Einrichtung der provincia Macedonia 148 v. Chr. geriet Illyrien in das römische Provinzialsystem und somit vollends unter direkte Kontrolle der res publica populi romani. Durch die bald darauf gebaute via Egnatia, welche Apollonia und Epidamnos in Illyrien mit Pella und Thessalonike in Makedonien verband, standen mit einem Schlag die Küstenstreifen der Adria, des Golfes von Therme, der Halbinsel Chalkidike bis zum Nestos unter römischer Kontrolle.134 Nachdem wir die gut 800 km lange Reise entlang der kleinasiatischen Südküste nur mit „halben Wind“ hinter uns gebracht haben, nehmen wir nun an Rhodos vorbei die Fahrt nach Kreta auf. Während der Überfahrt lassen wir die nördli133 Apollonia: Pol. 7,9,13; Liv. 24,40,7; 26,25,2; 28,8,9; 29,12,5; 33,3,10; 42,18,3; 44,30,10; 45,43,10; von Epidamnos bzw. Dyrrachium wie es später heißt: Liv. 29,12,3; 42,48,8; 44,30,10; Strab. 6,3,8; 7,5,8; Plin. n.h. 3,101; 4,36. 42. 46; 6,217; 14,30; 19,144; 32,18. Petzold (1971) 214f. weist zu Recht daraufhin, dass die Hilfeleistungen von Apollonia und Epidamnos nicht vertraglich geregelt waren, sondern auf freiwilligen Leistungen beruhten. Vollmers (1990) 64 Analyse der weitergehenden Entwicklung ist richtig, wenn er meint: „Die 228 attestierte rechtliche Souveränität des Ostadriagebietes ging jedoch in der Folgezeit durch die Verwicklungen der Römer in Griechenland und weiteren Gebieten im Osten allmählich verloren. Denn es mußte als Durchmarschgebiet herhalten; später konnten die Römer auch aus diesem Gebiet mit Truppen- und Schiffsstellungen rechnen. […] Man kann von einer schleichenden Übernahme der Herrschaft durch die Römer sprechen, die jedoch zunächst nicht beabsichtigt gewesen war […].“ Ebenso treffend auch Dahlheim (1977) 204f.: „Die illyrischen Städte, 228 noch als amici ohne jede andere Verpflichtung, als der der wohlwollenden Neutralität aus der römischen dicio entlassen, wurden im Augenblick der beginnenden militärischen Aktivität Roms im Osten wichtige Flottenbasen und unentbehrliche Stützpunkte des römischen Nachschubs, so daß die praktische Verwirklichung ihrer Beziehungen zu Rom sie jetzt de facto zu abhängigen Bundesgenossen werden ließ.“ Vgl. auch Eckstein (2008) 74f., der das Potential Illyriens als Brückenkopf für Roms Intervention im hellenistischen Osten richtig erkennt. Zur Absicherung pflegte Rom ferner gute Beziehungen zum Labeatenherrscher Skerdilaidas und Pleuratos, der Rom im Krieg gegen Philipp V. u. a. zur See unterstützte, Pol. 5,108–109; 18,47,12; Liv. 26,24,9; 33,34,11. Vgl. ferner Wilson (1966) 68–75; Hammond (1968) 15–21; Petzold (1971) 217; Vollmer (1971) 148; Eckstein (2008) 71ff, 80ff: „[…] the consequence was that in 219, as in 228, a large zone of independent highland communities remained between the region controlled by Macedon and the area of Roman influence on the coast.“ 134 Pol. 36,10,2–7. 17,13–15; Cic. prov. 2,4; Pis. 17,40; Liv. per. 48. 49. 50; Strab. 7,7,4; Diod. 31,40a; 32,15,1–7; Zon. 9,28,2–8; vgl. Morgan (1969) 423–433; Dahlheim (1977) 122f.; Papazoglou (1979) 302–308; Gruen (1984) 430–436; Errington (1986) 194f.; Reddé (1986) 223ff; Bengtson (1988) 112f.; Green (1990) 447f.; Kallet-Marx (1996) 11–41, 347ff; Bechert (1999) 75; Heftner (2005) 415ff.
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che Ägäis an Steuerbord vorüberziehen und gewinnen dadurch, dass wir nicht den Bogen nach Norden entlang der kleinasiatischen, makedonischen und griechischen Küste nehmen, kostbare Zeit, um das Getreide aus Ägypten zügig nach Rom zu transportieren. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer der kretischen Hafenstädte, wo Proviant und Frischwasser aufgenommen werden, segelt der Annonafrachter weiter entlang der südlichen Küste der Peloponnes.135 Diese Gestade einschließlich der griechischen Halbinsel gerieten noch im selben Jahr der Einrichtung der provincia Macedonia unter direkte römische Kontrolle, nachdem man die Aufstandsbewegung des achaischen Bundes brutal niedergeschlagen hatte.136 Bereits nach dem Ende des zweiten römischmakedonischen Krieges waren alle griechischen πολεις für frei erklärt worden.137 Doch diese von Rom diktierte Freiheit besaß ihre Grenzen. In wichtigen Seestädten wie etwa Korinth, Demetrias oder Chalkis blieben vorerst römische Besatzungen zurück138, und etwaige maritime Herrschaftsanspruche autonomer πολεις duldete Rom nicht, sondern schlug sie mit aller Härte nieder, wie der Krieg gegen Nabis III. von Sparta demonstriert.139 Als sich die Machtverhältnisse zwischen 135 Das für die See unerlässliche Trinkwasser wurde zumeist in dafür angelegten Teichen oder Tankstationen im Hafen gelagert, um dann bei Bedarf schnell auf die Schiffe gebracht werden zu können. Diese römische Neuerung in der Hafenarchitektur ist archäologisch heute noch beispielsweise für Sarepta, Pseira, Mochlos und Cosa nachweisbar, vgl. dazu Höckmann (1985) 150. 136 Die Einrichtung der Provinz Achaia erfolgte erst durch die Neuordnung der Provinzen durch Augustus. Über die rechtliche Stellung des eroberten Teils von Griechenland zwischen 146 und 27 v. Chr. gehen die Meinungen in der Forschung auseinander. Für Bernhardt (1977) 62– 77 stellt sich Griechenland bzw. der nach dem achaischen Krieg eroberte Teil – ebenso wie für den Großteil der altertumswissenschaftlichen Forschung etwa Deininger (1971) 238f.; Bengtson (1973) 115; Bechert (1999) 78; – als eine Art „Anhängsel“ der provincia Macedonia dar, d.h. der Statthalter Makedoniens war auch für die Steuereintreibung etc. in Griechenland zuständig. Gegen diese Position argumentierten Schwertfeger (1974) 19–26, 64–76; Dahlheim (1977) 129–135; Gruen (1984) 523–527, die die Stellung der griechischen πολεις mit der der vier makedonischen Republiken nach 168 v. Chr. gleichsetzten. Vgl. dazu auch Kallet-Marx (1995) 42–56; Strauch (1996) 15–29. Vgl. ferner Quass (1984) 199–215, der die auf amicitia und hospitium begründeten Beziehungen der einheimischen Honoratioren zur römischen Führungsschicht an Beispielen herausstellt und als Moment der Beherrschung Griechenlands deutet. 137 Pol. 18,45,7–46,15; Liv. 33,31,7–33,8; Plut. Flaminius 10,1–6; vgl. dazu Deininger (1971) 63f.;Gruen (1984) 143–153; Green (1990) 414f.; Walsh (1996) 354–360; Heftner (2005) 329–332; Pfeilschifter (2005) 278–302. 138 Liv. 33,31,10–11; 34,50,8–9; Plut. Flaminius 10,1. Im Krieg gegen Antiochos III. diente etwa Chalkis und Demetrias dann als Operationsbasis, Liv. 35,34,4–5. 46,1–5110. Vgl. Pfeilschifter (2005) 198–203. 139 Nabis III. hatte mit der Eroberung lakonischer Küstenstädte wie Gytheion begonnen (Liv. 35,13,1–3. 25,2) Pfeilschifter (2005) 222ff. Sparta war schon einmal in kriegerische Auseinandersetzungen mit Rom geraten. Denn Flamininius’ Proklamation der Freiheit aller πολεις Griechenlands bei den Isthmischen Spielen stand im Widerspruch zur spartanischen Vormachtstellung über Argos, vgl. Harris (1979) 218f.; Chrimes (1999) 28f.; Shipley (2000) 147f.; Bringmann (2002) 127; Baltrusch (2003) 113f. Anders Welwei (2004) 339ff, der Nabis’ III. wechselhafte Bündnispolitik als Grund für den Krieg mit Rom sieht, oder Errington
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den κοινα (koina) in Griechenland der 60er und 50er Jahre des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts zu Gunsten des achaischen Bundes änderten und dies die griechische Staatenwelt in den Krieg zu stürzen drohte, griff Rom in die bestehenden Verhältnisse ein. Es beschnitt die Territorialansprüche der Achaier massiv, welche neben Orochomenos, Argos und Herakleia am Oita auch Korinth als strategisch wichtigste Seestadt an der Meerenge zwischen Peloponnes und griechischer Halbinsel aus dem Bund entlassen sollte. Als auf die römischen Forderungen nicht eingegangen wurde, reagiert Rom sofort. Nachdem die Aufständischen niedergeschlagen worden waren, griff der römische Consul L. Mummius die größten Seestädte des achaischen Bundes an und vernichtete sie. Das Gebiet des zerstörten Korinths wurde zum Teil ager publicus und in späterer Zeit Ort römischer Neugründungen. Die πολεις an der peloponnesischen Südküste löste man aus dem achaischen Bund und konstituierte sie in dem geschaffenen lakonischen κοινον als civitas libera neu.140 Die im Krieg neutral gebliebenen κοινα Griechenlands blieben bestehen und sie „[…] wurden als amici oder foederati populi Romani bestätigt.“141
Dadurch war es Rom möglich, über den akarnanischen Bund indirekt die ionische Küste von Actium im Norden über die vorgelagerte Insel Leukas bis zu Oiniadai im Süden und über den aitolischen Bund die Küste der griechischen Halbinsel am (2008) 212, der den aitolischen Bund als Kriegstreiber identifiziert. Differenzierter Pfeilschifter (2005): „So folgten die Alliierten Flaminius in einem Feldzug, der als Kampf für die Freiheit firmierte, in Wirklichkeit aber ein hegemonialer Ordnungskrieg war – eine Ordnung, in der auch die Verbündeten eingepaßt werden sollten.“. Flaminius eroberte die lakonischen Seestädte, welche daraufhin zum achaischen Bund zählten. Nabis III. wurde der Kontakt zu kretischen Piraten, die für ihn in der Ägäis operiert hatten, untersagt, ebenso musste er alle Kriegsschiffe bis auf zwei ausliefern und keine festen Plätze auf Kreta oder an der Küste unterhalten, Liv. 34,35,5.9.11; vgl. ferner Chaniotis (1996) 41ff; (2004) 78f. 140 Pol. 39,8,6; Cic. Att. 13,4,1. 5,1. 30,2. 32,3. 33,3; Verr. 2,1,55. 4,4; off. 2,76; Liv. per. 52; Strab. 8,6,23; Vell. 1,12,1.5. 13,1; 2,128,2; Val. Max. 7,5,4; Plin. n.h. 34,6.12; 35,151; Flor. 1,32,4–7; Paus. 5,10,5; 7,15,1. 16,1–10; Zon. 9,31; Iustin. 34,2,1–6; Oros. 4,23,1; 5,3,1.5. Deren Ursachen sind nicht leicht nachvollziehbar und in der Forschung verschiedenartig gedeutet worden. Nach Harris (1979) 240–244 wollte Rom durch die Forderung des Gebietsverzichtes eine Neuordnung Griechenlands herbeiführen; nach Bernhardt (1985) 16–28 habe man auf die systematische Verkleinerung des κοινον hingearbeitet. Für Gruen (1984) 523 ist allein die verletzte dignitas Schuld und Kallet-Marx (1995) 93 will darin eine Durchsetzung des römischen imperium sehen. Verlauf und Folgen für Griechenland sind gut untersucht von Deininger (1971) 220–241; Schwertfeger (1974) 3–18, 27–63; Dahlheim (1977) 124–130; Gruen (1984) 520ff; Green (1990) 449–452; Strauch (1996) 29–39; Errington (2008) 250– 253. Zum lakonischen Bund IG V1,1146; Martin (1975) 437–479, 480–488. Die römische Einflussnahme durch italisch stämmige Siedler ist von Wilson (1966) 94–99, 146–151 bearbeitet. 141 Dahlheim (1977) 123f. mit Anm. 143.; Kallet-Marx (1995) 76–84. Liv. 35,27,11 erwähnt den akarnanischen Bund als socius Roms. In Liv. 38,11,2–9 und Pol. 21,32,1–15 wird ein Bündnis zwischen Rom und dem aitolischen Bund erwähnt. Nach Hammond (1998) 604f. pflegte Rom mit dem aitolischen und akarnanischen Bund bereits seit 189 bzw. 196 v. Chr. foedusBeziehungen, vgl. dazu ferner Gruen (1984) 23–33, 439, 511f. Zu den geographischen Grenzen der griechischen κοινα vgl. Beck (1997) 31f., 43ff.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Golf von Patrai zu kontrollieren. Trotz dieses Vorgehens war Roms Position in Griechenland alles andere als gefestigt. Als der pontische König Mithridates VI. ab 89 v. Chr. über die Propontis hinaus zu operieren begann und mit Rom in kriegerische Auseinandersetzungen geriet, liefen die griechischen Seestädte Athen, Chalkis, Eretria, Hestiaia, Karystos und die des lakonischen Bundes zu ihm über und stellten ihre Häfen für seine Flotte zur Verfügung.142 Diesem letzten Aufbegehren griechischer Autonomie folgte bald darauf die Einrichtung der Provinz Achaia durch Augustus 27 v. Chr., wodurch die Beherrschung der Küsten nun unter römischer Hoheit stand.143 Die nach Nordwesten fließende Küstenströmung begünstigt unsere Fahrt bis zum Kap bei Methone, dem südwestlichsten Punkt der Peloponnes, wo wir erst bis zur Insel Zakynthos oder Kephallenia gelangen müssen, bevor wir ein letztes Mal Segel für die Fahrt quer über das Meer mit Kurs auf Sizilien setzen. Mit „halbem Wind“ reisen wir voll beladen über das mare Ionicum, an Sizilien vorbei, schließlich entlang der italischen Südwestküste den heimatlichen Häfen entgegen, wo unsere Seereise von beinahe 30 Tagen und 2580 Seemeilen schließlich endet.144 2.3 DIE KONTROLLE DER INSELN DES MARE INTERNUM „Hinzu kommt ein Gewirr von Inseln verschiedenster Größen, Geschenke an das Meer oder dessen Beute in der Folge von Beben, vulkanischen Ergüssen und manchmal von Uferverschlammung. Im westlichen Mittelmeer treten Inseln noch vereinzelt auf (die Balearen, Korsika, Sardinien, Sizilien); im östlichen Teil dagegen, vor der Adriaküste und im Ägäischen Meer, sind sie kaum noch zu zählen. Die gegenseitige Durchdringung von Land und Meer scheint also im Westen geordneter und rationaler, im Osten phantasievoller.“145
Mit diesen klaren Worten beschreibt MOLLET DU JOURDAIN die Inseln des mare internum und zeigt zugleich die Besonderheit des Mittelmeeres auf: Die unglaubliche Fülle der Inseln – ihre Zahl geht in die Tausende – zieht unweigerlich die 142 Der pontische Flottenbefehlshaber Archelaos gebot im Krieg über die gesamte Insel Euboia und Athen und erreichte sogar den Anschluss weiterer Städte Thessaliens, Plut. Sulla 11. Während nach App. Mithr. 29 Sparta mit dem lakonischen Bund bereitwillig übertrat, musste er nach dem Bericht Memnons 22 FGrH 351ff durch Waffengewalt dazu gezwungen werden. Dazu Deininger (1971) 248–258; Bernhard (1985) 39–55. 143 Zur Einrichtung der Provinz Achaia unter Augustus und deren Folgen vgl. Bengtson (1960) 512f.; Bernhard (1985) 16–27; Reddé (1986) 227ff; Strauch (1996) 77–124. 144 Über die Seerouten des ionischen Meeres herrschen verschiedene Auffassungen in der Forschung. Streitpunkt bildet hierbei das in der Seereise des Paullus aus der Apostelgeschichte erwähnte Melte (Apg. 28,11f.). Während Casson (1973) 297f. darin Malta zu lesen meint und daher davon ausgeht, dass bei der Rückfahrt von Kreta nach Sizilien die Seeroute quer über das Meer verlief, wobei Malta als Zwischenstation diente, meinte Gelsdorf (1994) 756 eher eine der ionischen Inseln damit zu identifizieren. Nach Warnecke (1999b) 374ff wäre eine solche von Casson konstruierte Strecke für antike Seefahrer auch nicht zu navigieren gewesen. Zur Berechnung der Reisedauer und Wegstrecke vgl. Casson (1973) 283ff. 145 Mollet du Jordain (1993) 27f.
2.3 Die Kontrolle der Inseln des mare internum
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Frage nach ihrer Funktion innerhalb des Systems einer antiken Thalassokratie nach sich. Es ist evident, dass eine direkte und indirekte Kontrolle über die Küsten des Mittelmeeres allein nur bedingt eine maritime Vorherrschaft über das mare internum sichert. Zumindest die größeren, bewohnten Inseln müssen in das System einer antiken Seeherrschaft eingebunden werden. Die Gründe hierfür liegen nicht ausschließlich in deren Vielzahl begründet. Vielmehr werden die Inseln für die antike Seefahrt in mehrfacher Hinsicht eine wesentliche Rolle gespielt haben, sei es als Navigationshilfe, Zwischenstation entlang der Seerouten oder als Lebensraum zahlreicher seefahrender Völker.146 Die Kontrolle der Inseln trug in der Geschichte des Altertums zahlreiche Blüten. Athen etwa kontrollierte sie durch einen Seebund, der ihre Hegemonie über die Inseln der Ägäis vertraglich regelte. Karthago sicherte die Inseln des westlichen Mittelmeeres durch die Gründung von Siedlungen und die Annexion bestehender Städte in ihre επικράτεια. Die hellenistischen Großreiche der Antigoniden, Seleukiden und Ptolemaier wiederum geboten mittels Okkupation und militärischer Besatzungen über die Inseln der Ägäis.147 Wie sich Roms Weg zur Hegemonie über die Inseln des Mittelmeeres in diese Vielzahl von Möglichkeiten einordnen lässt, soll nachfolgend untersucht werden. 2.3.1 Die Inseln des westlichen Mittelmeeres Im westlichen Mittelmeer gerieten zuerst die pontischen Inseln, jenes nach Süden gebogene buchtenreiche Felseiland welches laut Livius „[…] in Sichtweite vor ihrer
146 (1) Ohne Kompass oder Sextant bedurfte es anderer Orientierungshilfen. Daher werden markante topographische Details der Inseln – neben denen der Küsten – immer in Sichtweite den Seefahrern bei der Navigation hilfreich gewesen sein. (2) Die antike Seefahrt bediente sich neben der Muskelkraft in erster Linie der Strömungen und Winde. Sie bestimmten den Verlauf und die Richtung der Seerouten. Die Inseln bildeten in diesem verzweigten Netz der Seewege Schlüsselpositionen und Zwischenstationen. Da man des Nachts nicht auf hoher See ankerte sondern stattdessen immer wieder einen Hafen bzw. einen geschützten Landeplatz vor der Küste anzulaufen hatte, mussten sich in bestimmten Abständen, die während einer Tagesreise bei günstigen Winden zu schaffen waren, ausreichend Anlaufpunkte entlang der Seerouten befinden. (3) Schließlich bildeten die Inseln den Lebensraum für eine Vielzahl von Stämmen und Völkern, die sich ausschließlich der Seefahrt widmeten. Unweigerlich werden sie einen Machtfaktor auf dem Meer gebildet haben. Zudem war der Seeraub eine systemimmanente und zudem erträgliche Komponente der Seefahrt, die jedoch sehr schnell zum Störfaktor arrivierte, wenn man sich als maritime Hegemonialmacht ihrer Reglementierung nicht annahm. Vgl. die Ausführungen und Berechnungen bei Morrison et al. (1990) 111–123; Lätsch (2005) 35–74, 158–164. 147 Eine Ausführung en detail zu den verschiedenen Einbindungen der Inseln des Mittelmeeres in die jeweilige antike Seeherrschaft ist nicht notwendig, vielmehr sei hier auf deren Behandlung in der Forschung verwiesen: etwa Bagnall (1976) 38–79, 80–88, 103ff, 117–123,136– 156, 168f.; Buraselis (1982) passim.; Hans (1983) passim; Grieser-Schmitz (1999) 13–64; Huß (2004) 28–32, 54–98; Schulz (2005) 91–101, 144ff; Lätsch (2005) 147–158.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie 148
, in den römischen Bannkreis. Diese von volskischen Stämmen bewohnte Inselgruppe war von den Römern während des zweiten Samnitenkrieges um 313 v. Chr. erobert und kolonisiert worden. Ihre unmittelbare Lage vor dem Kap bei Circeii lässt den Schluss zu, dass Pontiae in erster Linie der Absicherung der Seewege entlang der Küste nach Campanien gedient hatte. Etwa zeitgleich zur Entsendung der Kolonisten auf die unwirtlichen Inseln wurde auf Betreiben des Censors Appius Claudius mit dem Bau der nach ihm benannten via Appia begonnen. Bedingt durch ihre geographische Lage flankierten die pontischen Inseln diese Hauptverkehrsader Roms nach Süditalien und sicherlich wird die Absicherung der Straße von der Meeresseite her bei dem Entschluss zur Gründung von Pontiae eine wesentliche Rolle gespielt haben.149 Ca. 250 Kilometer westlich von den pontischen Inseln entfernt erstrecken sich die beiden Inseln Sardinien und Korsika. Noch weit vor ihrer Provinzialisierung hatte Rom versucht, seinen Machtbereich dorthin auszuweiten, wodurch es unweigerlich mit Karthago in Kontakt kam.150 Doch erst im Verlauf des ersten römisch-karthagischen Krieges waren die Bemühungen Roms von Erfolg gekrönt. Während der Kampagne des Consuls L. Cornelius Scipio im Jahr 259 v. Chr. landeten römische Schiffe an der korsischen Küste, wo seine Truppen die Stadt Aleria eroberten, bevor sie nach Sardinien übersetzten. Dort gelangte Scipio zwar bis zur karthagischen Hafenstadt Olbia, doch die Eroberung weiter Teile der Insel erreichte erst sein Nachfolger Sulpicius Paterculus, der dafür sogar einen Triumph Küste lag“
148 Liv. 9,28,7: […] in conspectu litoris sui. Zur Lage äußert sich detailliert Strab. 5,3,6; ferner Forsythe (2005) 303. 149 Diod. 19,101,3. Den Sicherheitsaspekt, der die Gründung Pontiaes erklären würde, betont auch Salmon (1970) 59: „[…] respectively at the offshore island of Pontiae, to guarantee communication with Campania by sea in the event of the Samnites severing the land routes, as well as to defend the coast of Latium against sea-borne attacks,“. Zur via Appia Liv. 9,29,5–6; Diod. 20,36,2. 150 Lediglich aus der Feder des Diod. 15,27,4 wissen wir von der Entsendung einer römischen colonia nach Sardinien. Nach Pol. 3,22,4–23,5 verzichtete Rom auf etwaige Besitzansprüche in Sardinien und Korsika. Hält man Diodors Bericht für historisch, so wirft die Kombination beider Belegstellen Fragen bezüglich der Datierung des ersten römisch-karthagischen Vertrages auf. Sollte der Vertrag bereits seit dem Ende des 6. Jhdt. v. Chr. bestanden haben, wäre die Entsendung der colonia ein Vertragsbruch von Seiten der Römer. Oder aber macht der Abschluss eines Vertrages, der die karthagischen Interessensgebiete auf Sardinien und Korsika zu wahren sucht, nur dann Sinn, wenn diese bereits durch die Römer bedroht zu sein scheinen, etwa durch eine colonia. Zur Datierung vgl. Ogilvie (1983) 86–89; Barceló (1988) 86f.; Meloni (1988) 451f.; Scardigli (1991) 24–33; Huß (2004) 47–53; Zimmermann (2005) 5f. Anders Alföldi (1977) 310–313; Bringmann (2001) 116ff. die sowohl 508/507 v. Chr. als auch 470 v. Chr. verwerfen und das Jahr 348/347 v. Chr. annehmen. Sicher ist, dass seit 480 v. Chr. Sardinien Karthago als Nachschubbasis diente, Diod. 11,20,4; Iustin. 19,1,3–7. Zur Bedeutung Sardiniens für Karthago Barceló (1988) 161–165; Ameling (1993) 258f. Korsika hingegen wird in vorrömischer Zeit Teil des etruskischen Herrschaftsgebietes gewesen sein, wie die Gründung der Stadt Nikaea beweist, Diod. 5,13,3–4. Ob nachfolgend die Karthager auf Korsika wohl das Machtvakuum ausgefüllt haben, wie Huß (2004) 32 meint, wird von Heuss (1970) 21; Bleckmann (2002) 148 Anm. 3 unter Verweis auf Serv. Aen. 4,628 zu Recht bezweifelt.
2.3 Die Kontrolle der Inseln des mare internum
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de Poeneis et Sardeis erhielt.151 Nach dem Krieg okkupierte der Consul Tiberius Sempronius Gracchus 238/237 v. Chr. die gesamte Insel Sardinien und zwang Karthago zum Verzicht auf alle Besitzungen auf der Insel. Die einstige Seemacht des westlichen Mittelmeeres beugte sich den römischen Forderungen, hatte doch der Krieg gegen die Söldner vor den Toren der Stadt die gesamte karthagische Aufmerksamkeit und militärische Stärke gefordert. Im gleichen Atemzug besetzten die Römer auch noch Korsika, deren Wälder die kostbarsten Rohstoffdepots des westlichen Mittelmeeres für den Schiffsbau darstellten.152 Beide Inseln wurden ab 227 v. Chr. zur provincia Sardinia et Corsica zusammengefasst.153 Die Konsolidierung der römischen Vorherrschaft auf den Inseln war seit der Annexion 238/237 v. Chr. bis zur Provinzialisierung von blutigen Kämpfen mit einheimischen Stämmen gekennzeichnet. Auch mit der Einrichtung der provincia rissen die Aufstände nicht ab und forderten bis ins erste Jahrhundert v. Chr. immer wieder militärisches Engagement der res publica.154 Diese teils unsichere römische 151 Zon. 8,11,7. 12,4–6; Flor. 1,18,16; CIL I² 9; InscrIt. 13, 1, p. 548, Degrassi; anders Liv. per. 17; Val. Max. 5,1,2; Oros. 4,7,11, die große Erfolge des Scipionen auf Sardinien verzeichnen; vgl. Leuze (1910) 406–444; Thiel (1954) 193–198; Warmington (1965) 186; Bagnall (1995) 86–89; Lazenby (1996) 73ff; Huß (2004) 165f. Skeptisch dazu Bleckmann (2002) 148f.: „Mit einem Teil der recht umfangreichen Literatur zu den Unternehmungen des L. Cornelius Scipio ist davon auszugehen, daß solche Ausführungen über angebliche Erfolge des Scipionen in Sardinien als späte Erfindungen gelten müssen. Teilweise liegen Konfusionen mit dem Feldzug des Sulpicius Paterculus im Folgejahr vor, teilweise hat Wunschdenken die Erfolge für den Sproß der großen Familie vergrößert.“ 152 Gerold (2002) 57, 70ff. Nach Theophr. h. plant. 5,8,2 hatte Rom bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. den Versuch unternommen, sich des Schiffbauholzes Korsikas zu bedienen. Den Holzreichtum der Insel rühmt Plin. n.h. 16,197. Die Bedeutng Korsikas für den römischen Holzbedarf hat Meiggs (1980) 188ff herausgearbeitet. 153 Pol. 1,88,8–12; Liv. per. 20; 21,1,5; 23,24,4; Vell. 2,38,2; vgl. Warmington (1965) 199–204; Schmitt (1969) 185–189 (497); Dahlheim (1977) 46ff; Harris (1979) 136; Meloni (1988) 454f.; Schwarte (1993) 107–146; Seibert (1993a) 95–107; (1993b) 11–24; Bagnall (1995) 143–159; Hoyos (1997) 132–143; Brennan (2000) 89–95; Christ (2003a) 40ff; Huß (2004) 181–193; Barceló (2004) 67; Zimmermann (2005) 38ff. Die stregische Bedeutung hebt Abulafia (2011) 183f.: […] which would garantee control of Tyrrhenian waters; it was not the island they craved, but ist coastline with secure harbours free from pirates ans Punic warships, from which their fleet could be supplied.“ 154 In den Jahren von 236–100 v. Chr. finden sich mehrfach Hinweise auf Insurrektionen einheimischer Stämme auf Sardinien und Korsika, die von römischen Magistraten bekämpft wurden: (1) Corsica: 236 v. Chr. der Consul C. Licinius Varus (Liv. per. 20; Zon. 8,18). 231 v. Chr. C. Papirius Maso (Zon. 8,18; Fest. 131; Val. Max. 3,6,5; InscrIt. 13, 1, p. 549, Degrassi); 181 v. Chr. M. Pinarius (Liv. 40.18,3. 19,6. 34.12–13); 174 v. Chr. M. Atilius (Liv. 41,21,1– 2); 173 v. Chr. C. Cicereius (Liv. 42,1,3. 7,1–2. 21,6–7; Val. Max. 3,5,1; 4,5,3; fasti triumph P. 556, Degrassi); 163 v. Chr. M. Iuventius Thalna (Val. Max. 9,12,3; Plin. n.h. 7,182). (2) Sardinia: 235 v. Chr. T. Manlius Torquatus (Liv. 23,34,15; per. 20; Vell. 2,38,2; Eutrop. 3,3; Oros. 4,12,2; InscrIt. 13, 1, p. 549, Degrassi). 234 v. Chr. Sp. Carvilius Maximus (Zon. 8,18; InscrIt. 13, 1, p. 549, Degrassi) 233 v. Chr. M. Pomponius Matho (Zon. 8,18; InscrIt. 13, 1, p. 549, Degrassi); 232 v. Chr. M. Aemilius Lepidus und M. Publicius Malleolus (Zon. 8,18); 231 v. Chr. M. Pomponius Matho (Zon. 8,18; Fest. 131; Val. Max. 3,6,5); 225 v. Chr. C. Atilius Regulus (Pol. 2,23,6. 27,1; Zon. 8,20); 177/76 v. Chr. Ti. Sempronius Gracchus (Pol. 25,4,1; Liv. 41,8,3–5. 9,1.8. 12,5–6. 15,6. 17,1–4. 28,9; Flor. 1,22,35; InscrIt. 13, 1,p. 555,
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Vorherrschaft machte sich Hannibal im zweiten römisch-karthagischen Krieg zu nutze.155 Die relative Befriedung Korsikas setzte mit der Entsendung zweier coloniae durch Marius und Sulla ein, so dass in der Kaiserzeit die Insel feste Anlaufstation der classis praetoria Misenensis wurde. Auf Sardinien wiederum hören wir noch bis in die Kaiserzeit hinein von Aufständen und Revolten der nie unterworfenen Bewohner im Inselinnern.156 Weiter westlich, ca. 400 Kilometer entfernt, erstreckt sich die Inselkette der Balearen. Die von iberischen Stämmen bewohnten Inseln waren im Verlauf des 7. Jahrhundert v. Chr. durch phoinikische Händler kolonisiert worden und gehörten wohl frühestens ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. zur karthagischen επικράτεια.157 206 v. Chr. diente die größte der Inseln dem karthagischen Feldherrn Mago als Operationsbasis, von wo aus er mit seiner Flotte im darauf folgenden Frühjahr nach Genua versegelte, um Hannibal den dringend benötigten Nachschub in Italien zukommen zu lassen.158 Das römische Interesse an den Balearen erwachte
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Degrassi); 126–122 v. Chr. L. Aurelius Orestes (Liv. per. 60; Plut. Caius Gracchus 1,4; 2,1–3; InscrIt. 13, 1, p. 560, Degrassi); 115–111 v. Chr. M. Caecilius Metellus (Vell. 2,8,2; Eutrop. 4,25,1; InscrIt. 13, 1, p. 561, Degrassi); 104 v. Chr. T. Albucius (Cic. prov. 15; Div. in Caec. 63; Pis. 92; Scaur. 40; off. 2,50; Tusc. 5,108); vgl. dazu Meloni (1988) 454–459. Vgl. dazu Brennan (2000) 136f., 146–150, 476f. Einige Stämme der Sarden unter der Führung Hampsicoras hatten sich Hannibal angeschlossen. Nachdem der Praetor Q. Mucius Scaevola zwischenzeitlich die militärischen Aufgaben in seiner Provinz nicht wahrnehmen konnte, führte der Promagistrat T. Manlius Torquatus die römischen Truppen gegen die Sarden, Liv. 23,34,10–17. 40,1–41,7; Eutrop. 3,12,4. 13,2; Zon. 9,4; vgl. dazu auch Seibert (1993a) 269f.; (1993b) 247f.; Bagnall (1995) 250, 273f.; Brennan (2000) 142ff; Christ (2003a) 101, 113, Huß (2004) 247f., Barceló (2004) 162f. Marius gründete die colonia Mariana an der Mündung des Tuola und Sulla entsandte eine colonia nach Aleria, Plin. n.h. 3,80; Senec. Cons. ad. Helv. 7,9; Mela 2,19. Zur Basis der misenischen Flotte vgl. den Hinweis zur Decumius Pacarius Revolte im Jahr 69 n. Chr. durch Tac. hist. 2,16,1–3; ferner dazu Meloni (1988) 481ff; Viereck (1996) 253. Zu den freien Stämmen Sardiniens geben Diod. 5,15,3; Strab. 5,2,7; Tac. ann. 2,85,3–4 Auskunft. Zur Situation beider Inseln in der Kaiserzeit vgl. Reddé (1986) 205–211; Meloni (1988) 466–472; Bechert (1999) 62. Die Karthager hatten in ihren Söldnerheeren seit 410 v. Chr. immer wieder balearische Schleuderer, vgl. Seibert (1993b.) 77 Anm. 19; Barceló (1988) 128ff; Huß (2004) 73, 127f., 181, 211, 221. Nichtsdestotrotz hat Barceló (1988) 5–25 überzeugend nachgewiesen, dass man nicht von einer karthagischen Präsenz bereits im 7. Jhdt. v. Chr. auszugehen hat. Daher ist Barceló, 18 zuzustimmen wenn er im Vergleich zur den Besitzungen in der Großen Syrte, auf Sardinien oder Sizilien treffend konstatiert: „Demgegenüber paßt eine rund 150 Jahre früher datierbare karthagische Expansion in so entfernte, verhältnismäßig abgelegene Gebiete wie die Balearen – und hier insbesondere Ebusus – schlecht zur damaligen politischen und ökonomischen Gesamtlage. […] Ja, man kann vielleicht noch einen Schritt weiter gehen und fragen, ob es denn überhaupt realistisch und historisch sei, von Karthago schon in der Mitte des VII. Jh. einen derartigen politischen Weitblick anzunehmen, wie er sich in der Anlage der Kolonie auf Ebusus manifestieren würde.“ Ferner Ameling (1993) 254f. Nach Liv. 28,36,1–37,9 hatte Mago mit der Flotte die iberische Halbinsel verlassen und Ebusus angesteuert, nachdem er vergeblich versucht hatte, Carthago Nova zurück zu erobern. Von Ebusus aus versegelte er zur größten Inseln der Balearen, wo er auf Widerstand stieß und diesen niederschlug. Er entsandte 2.000 dort ausgehobene Krieger nach Karthago und legte dann das Castell Mago an, bevor er im Frühjahr darauf nach Italien versegelte. Vgl. dazu die
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erst, nachdem ihre Seerouten entlang der iberischen Westküste vermehrt von balearischen Seefahrern angegriffen worden waren. Q. Caecilius Metellus wurde mit der Kriegführung gegen die auf den Inseln lebenden Stämme beauftragt, die er in einer zwei Jahre währenden Offensive niederschlug.159 Zur Befriedung der Inseln gründete er die Seestädte Palma und Polentia und siedelte 4.000 in Iberien ansässige Italiker dort an.160 Während die Baleares insulae im Sertoriuskrieg und den römischen Bürgerkriegen immer wieder als Zwischenstationen für die römischen Flotten dienten, wurden sie bei der Neuordnung der Provinzen durch Augustus der provincia Hispania Tarraconensis zugeordnet.161 Die Insel Sizilien war durch ihre spezifische geographische Lage zwischen der Südspitze der italischen Halbinsel und der nordafrikanischen Küste sehr bald zum Streitgegenstand zwischen der etablierten Seemacht des westlichen Mittelmeeres, Karthago, und des aufstrebenden maritimen Hegemons Rom geworden. Zwar hatte man die karthagische Interessenssphäre auf der Insel mehrfach vertraglich geregelt, doch führte das Hilfegesuch einer kleinen Gemeinde an der Nordspitze der Insel bei der Meerenge von Messana zum Ausbruch des Konfliktes um die Vorherrschaft über Sizilien.162 Durch die Niederlage der karthagischen Flotte in der letzten Seeschlacht des ersten römisch-karthagischen Krieges bei den Aegatischen Inseln 242 v. Chr. sollte sich die politische Landkarte der Insel für immer verändern. An die Stelle der karthagischen επικράτεια trat nun die Etablierung der
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Ausführungen bei Rose (1969) 119; Seibert (1993b) 406–409, 418; Bagnall (1995) 343; Huß (2004) 287ff; Barceló (2004) 194f. Zum römischen Interesse an den Balearen und zur Kampagne des Metellus vgl. die Ausführungen im Kapitel 3.2.4, S. 145. Ob es sich bei den Siedlungen um coloniae handelt, wie sie bei Mela 2,20 erwähnt sind, muss fraglich bleiben. Denn Plin. n.h. 3,76 zählt sie zu den municipia civium Romanorum; ferner Strab. 3,5,1; vgl.dazu Wilson (1966) 22ff. Plin. n.h. 3,18. Zur Bedeutung der Balearen für die römische Suprematie im westlichen Mittelmeer vgl. Barceló (2007) 171: „Con el control de las Baleares, la ruta marítima que enlazaba la costa tirrena con el Levante ibérico obtendrá un nuevo eslabón. Dada la tensa situación reinante por estasfechas en la Galia Narbonense, el sistema de comunicación entre Italia e Hispania quedará de este modo adicionalmente asegurado.“ Sowohl im ersten als auch im zweiten römisch-karthagischen Vertrag wird das Vorrecht Karthagos auf Sizilien festgeschrieben, Pol. 3,22,10. 23,5. 24,12.14–15. Zum Kriegsausbruch herrscht bis heute eine rege Diskussion in der Forschung vor, angefangen bei der Kriegsschuldfrage bis hin zu Datierungsproblemen, vgl. dazu exemplarisch Lippold (1963) 112ff; Warmington (1965) 177–181; Schmitt (1969) 135ff (478); Hoffmann (1969) 153–180 Heuß (1970) 8–42; Welwei (1978) 573–587; Harris (1979) 182–190; Hoyos (1997) 28–81; Bleckmann (2002) 57–63; Huß (2004) 154–158; Zimmermann (2005) 18–29. Zu den römischen Kriegszielen vgl. Bleckmann (2002) 100–106, welcher die Eroberung Siziliens schon von Beginn des Krieges an als Hauptziel der Römer deutet, anders Heuss (1970) 48, der von begrenzten Kriegszielen ausgeht. Zur karthagischen επικράτεια auf Sizilien vgl. umfassend Hans (1983) 119–149; ferner Warmington (1965) 26, 29f., 43f., 49f., 87–136; Finley (1979) 45f., 77ff, 95–100; 108–112, 117–121, 132–136; Freeman (1985) 80–88, 146–162, 173–185, 198–202; Barceló (1988) 95, 147, 152–161; Elliger (1990) 102–105; Ameling (1993) 111f.; Bagnall (1995) 55ff; Serrati (2000a) 11–14; Huß (2004) 29f., 54–96, 105–113, 122–142, Dreher (2008) 19, 48f., 51–54; archäologische Aspekte bei Holloway (2000) 155f.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
römischen Vorherrschaft in der Gestalt der provinicia Sicilia. Zudem mussten alle karthagischen Besitzungen auf den benachbarten Aegatischen und Liparischen Inseln geräumt werden.163 Roms erste Provinz umfasste jedoch nicht das gesamte Sizilien. Im Südosten der Insel beließ man mit Mega Hyblaia, Heloros, Neaiton, Leontinoi, Akrai, Syrakusai, den Getreidefeldern um Herbessos, Morgantina und Kasmenai sowie dem Gebiet der Seefestung Tauromenion, den Tyrannen von Syrakus, Hieron II., als souveräne Lokalmacht. Fortan unterstützte dieser – der im ersten römisch-karthagischen Krieg die Allianz mit Karthago gelöst und 263/262 v. Chr. mit Rom einen Separatfrieden geschlossen hatte – uneingeschränkt die res publica populi romani in den Kriegen gegen die Ligurer, Kelten und in beiden illyrischen Kriegen. Als sich um die Seestadt Sagunt an der iberischen Ostküste 218 v. Chr. der zweite Krieg zwischen Rom und Karthago entzündete, hielt Hieron II. die Bündnistreue bis zu seinem Tod 215 v. Chr.164 Wie stark die Loyalität Syrakus’ zu Rom an die Person Hierons II. geknüpft war, zeigen die nachfolgenden Umsturzversuche, die nicht nur die Auslöschung seiner Familie, sondern auch den Vertragsbruch mit Rom nach sich zogen.165 Rom erachtete Syrakus als zu bedeutend für die Beherrschung der Insel, als dass die Koalition mit Karthago 163 Die Räumung Siziliens durch die Karthager war bereits seit dem ersten Entwurf des Catulus Vertragsgegenstand, doch wurden die Aegatischen und Liparischen Inseln erst nach der Ablehnung im Senat und der Entsendung der decemviri mit aufgenommen, Pol. 1,62,8–9; 3,27,2–6; vgl. Warmington (1965) 196; Schmitt (1969) 173–181 (493); Dahlheim (1977) 19– 28; Brennan (1985) 304f.; Bagnall (1995) 128f.; Lazenby (1996) 158; Hoyos (1998) 188ff, 130f.; Serrati (2000b) 119–122; Brennan (2000) 89ff; Gerold (2002) 39ff; Huß (2004) 179f.; Zimmermann (2005) 33–38; Heftner (2005) 166. Bleckmann (2002) 218–224 hat überzeugend inneraristokratische Rivalitäten als Verursacher der ersten Friedensablehnung herausgearbeitet. Zu Beginn hatte man lediglich einen Quaestor mit der Verwaltung der neuen provincia beauftragt. Die Entsendung eines Statthalters im Range eines Praetors vollzog sich dann ab 227 v. Chr.; dazu Dahlheim (1977) 30, 44–53; Bleicken (1989) 84f.; Bagnall (1995) 129; Brennan (2000) 91–95. 164 Der Separatfrieden zwang Hieron II. nach Pol. 1,16,9; Diod. 23,4,1; Zon. 8,9,11 zum Verzicht auf die von Rom annektierten Gebiete, Freilassung der Gefangenen und der Zahlung von 1.000 Talenten Kriegsentschädigung; vgl. Schmitt (1969) 137–140 (479); ferner Warmington (1965) 182; Brennan (1985) 293f.; Bagnall (1995) 75; Lazenby (1996) 53f.; Hoyos (1997) 105–108; Huß (2004) 160f.; Zimmermann (2005) 26. Eckstein (1980) 184–192 nimmt an, dass die Hilfsleistungen Hierons II. nicht en detail Teil des Vertrages mit Rom waren; Bleckmann (2002) 92f. ergänzt in seinen Ausführungen die Eile des Friedensschlusses mit Hieron II. als Hinweis auf die Absicht der Consuln M. Valerius und M. Otacilius schnell, weitere Erfolge im Westteil der Inseln zu erringen. Zu Hierons II. Rolle als römischer Verbündeter vgl. Berve (1959) 34–41; Finley (1979) 149f.; Harris (1979) 187; Eckstein (1980) 192–203; Brennan (1985) 307ff; Bagnall (1995) 78ff, 153f.; Erdkamp (1995) 172; Serrati (2000b) 116ff; Huß (2004) 222f., 240; Lehmler (2005) 53–59. 165 Hieron II. hatte testamentarisch seinen Enkel Hieronymos als Nachfolger festgelegt. Da dieser unmündig war, ließ er mehrere Romtreue als dessen Vormunde bestimmen. Doch innenpolitische Unruhen erwirkten die Absetzung und Ermordung Hieronymos’ und dessen gesamter Familie, vgl. Berve (1959) 86–93; Warmington (1965) 219f.; Schmitt (1969) 251f. (529); Finley (1979) 151ff; Brennan (1985) 310–317; Seibert (1993b) 248ff, 262ff; Bagnall (1995) 250, 274; Christ (2003a) 106–109; Huß (2004) 249f., 253ff; Barceló (2004) 161; Zimmermann (2005) 72, 130.
2.3 Die Kontrolle der Inseln des mare internum
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hätte geduldet werden können. Mit der Berufung des Consuls A. Claudius Marcellus als Feldherr auf Sizilien war das Schicksal Syrakus’ besiegelt. Von 213 v. Chr. an kämpfte er gegen die karthagischen Söldnerheere auf Sizilien und belagerte drei Jahre lang die Stadt, bis sie den Römern 211 v. Chr. in die Hände fiel. Nachdem die römischen Soldaten die Stadt geplündert hatten, bildete sie fortan den Hauptsitz des sizilischen Statthalters.166 Aus der Feder des Cicero sind wir sehr gut über die rechtliche Stellung und Organisation der sizilischen Städte und Gemeinden informiert. In seinen Prozessreden gegen den Statthalter C. Verres führte Cicero die verschiedenen Kategorien von Städten und Gemeinden Siziliens näher aus. Die Städte Centuripae, Halaesa, Segesta, Panormus und Halikyae genossen als civitates liberae atque immunes das Höchstmaß an Souveränität. Sie waren frei von Abgaben und verfügten über eine selbständige Verwaltung. Daneben zählten Messana, Tauromenium und Netum als civitates foederatae zu den Städten, die im Innern ebenso autonom, jedoch durch einen foedus an Rom gebunden und dadurch zur Heeresfolge verpflichtet waren. Weitere 34 Gemeinden, zu denen u. a. Catina zählte, mussten als civitates decumanae Abgaben entrichten. Die übrigen ca. 26 Städte, unter denen Lilybaeum, Syrakus, Depranum, Mylae, Hadranum, oder Camarina besonders hervorstachen, zählten als civitates censoriae zum ager publicus, deren Gebiete nur gegen einen Bodenzins von der ansässigen Bevölkerung bewirtschaftet werden konnten.167 Die provincia Sicilia war nicht nur als Kornkammer für das Imperium Romanum unverzichtbar geworden, auch mit den wichtigsten Instrumentarien einer Seemacht, den Schiffen inklusive ihrer Mannschaften sowie den Häfen, „versorgten“ die sikeliotischen Seestädte die res publica. Bereits Hieron II. hatte seine Schiffe in römischen Dienst gestellt. Aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. berichtet
166 Belagerung und Eroberung von Syrakus, Pol. 8,3,1–7,12. 37,1–13; Diod. 26,18,1. 20,1–2; Liv. 24,32,1–35,10; 25,23,1–31,11; Vell. 2,38,2; Flor. 1,22,33–34; Val. Max. 5,1,4; 8,7 ext. 7; Plin. n.h. 7,125; Plut. Marcellus 14,1–19,6; Zon. 9,4; Oros. 4,17,1; vgl. dazu Warmington (1965) 220; Brennan (1985) 318ff, 322–337; (2000) 137ff; Seibert (1993a) 286–291; (1993b) 278–283, 296–299, 314–318; Bagnall (1995) 274–285; Christ (2003a) 109–113 einschl. Karte der Belagerung von Syrakus; Huß (2004) 257f., 264–266; Barceló (2004) 166–169; Zimmermann (2005) 130f. Finley (1979) 152 pointiert die strategische Bedeutung Syrakus wie folgt: „Es stand mehr auf dem Spiel als Syrakus. Der gesamte Krieg ging jetzt um Sizilien und jeder wußte das. Wäre es Syrakus und den Karthagern gelungen, die Römer zu vertreiben, dann hätte man Hannibal mit Verstärkungen und Nachschub versehen können, Philipp V. von Makedonien hätte sich vielleicht zu einer echten Mitwirkung entschlossen, und Rom wäre die Niederlage sicher gewesen.“ Zur Rolle Syrakus’ in Hannibals Strategie Hoffmann (1961) 489–493; Hoyos (1998) 266f. Nach Cic. Verr. 2,4,118. 5,30 diente der Palast Hierons II. auf Ortygia den Statthaltern als Wohnstätte, vgl. Lehmler (2005) 120f. 167 Cic. Verr. 2,3,6.13–19. 5,51.133. Vgl. zur römischen Herrschaft auf Sizilien ferner Calderone (1964/65) 63–98; Heuss (1970) 78–85; Dahlheim (1977) 35–39, 59–73; Finley (1979) 157– 174; Brennan (1985) 336–341; Wilson (1966) 55–64; (1988) 93; Schulz (1997) 215ff, 222– 231; Hoyos (1998) 122f.; Serrati (2000b) 122–130; Dreher (2008) 97f.
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Cicero von nicht weniger als zwölf Städten, welche die römischen Statthalter mit Schiffskontingenten in der Bekämpfung der Seeräuberplage unterstützten.168 Mit der Eroberung Siziliens erhielt Rom einerseits einen Brückenkopf nach Nordafrika, der die Isolation Karthagos dort ermöglichte und den zügigen Transport von Truppen und Gütern in die ab 146 v. Chr. neu eingerichtete provincia Africa sicherstellte. Andererseits verschaffte die Herrschaft über dieses Eiland zwischen Süditalien und Nordafrika Rom ein strategisches „Instrument“ zur Absicherung des westlichen Mittelmeerbeckens. Durch die Flotte im Hafen von Messana im Norden der Insel konnte die Durchfahrt der lediglich drei Kilometer breiten Meerenge zwischen Sizilien und Italien kontrolliert und gegebenenfalls sogar blockiert werden.169 Die Seerouten entlang der nordafrikanischen Küste ließen sich zwar von Lilybaeum, der südlichsten Hafenstadt Siziliens, nicht blockieren, doch würde es Schiffen aus dem Osten des mare internum schwer fallen, unbemerkt ins westliche Mittelmeer zu versegeln, zumal man hier entgegen der Windund Strömungsverhältnisse kreuzen müsste und nur langsam voran käme. Das westliche Mittelmeer, dessen Seerouten durch die Kontrolle der Balearen, Sardinien und Korsika fest in römischer Hand lagen, und dessen Küsten bis auf einen kleinen Abschnitt in Nordwestafrika zum römischen Territorium zählten, war somit nach der Vernichtung Karthagos Bestandteil des römischen Herrschaftsgebietes und insofern schon ein „kleines“ mare nostrum. 2.3.2 Die Inseln des östlichen Mittelmeeres Die der adriatischen Küste Illyriens vorgelagerten Inseln Pharos, Issa und Korkyra gerieten während der beiden illyrischen Kriege von 229/228 und 220/219 v. Chr. in den Fokus der res publica populi romani und spielten in deren maritimer Suprematie über die Adria verschiedenste Rollen. Während Pharos erst nach Aus-
168 Nach Cic. Verr. 2,5,49–50. 76. 83–84. 90. 133; hatten u.a. Centuripa, Segesta, Messana, Tyndaris, Herbit, Heraklea, Apollonia, Haluntium, je ein Schiff zur Bekämpfung der Seeräuberplage zu stellen; vgl. dazu auch Yoshimura (1992) 337; Schulz (1997) 250ff, 270–275; De Souza (1999) 153f.; Seratti (2000b) 131f. Hieron II. unterstützte die Römer mit Schiffen, Soldaten, Geld und Versorgungsgütern, ferner diente der Hafen von Syrakus als Operationsbasis Pol. 1,18,11; 3,75,7; Diod. 23,9,5, 24,1,4; Liv. 21,49,1–2.6. 50,7–51,1; 22,37,1–9; 23,2,5; Plut. Marcellus 8,6; Zon. 8,10. 14,7. 17,4. 26. Nach Liv. 44,20,6 hatten einige Städte Mannschaften für die römische Flotte zu stellen, etwa im Krieg gegen Perseus 169 v. Chr. 169 In den Bürgerkriegen wird die Absperrung der Meerenge von Messana ein wiederkehrendes strategisches Moment sein. Caesar etwa hatte 49 v. Chr. Scribonius Curio beauftragt, die Meerenge zu observieren, damit keine Schiffe des Pompeius von Dyrrachium aus ins westliche Mittelmeer versegeln (s. Kapitel 4.3.2, S. 201). Die maritime Hegemonie des Sextus Pompeius im mare Tyrrhenum und seine Blockade der Meerenge zwang Octavian 42 v. Chr. Sizilien nach Süden hin zu umfahren, um von Rhegium nach Brundisium zu gelangen, da er dort der belagerten Flotte zu Hilfe kommen musste (Vgl. hierzu Kapitel 4.4.2, S. 221). Vgl. dazu auch die Einschätzung von Reddé (1986) 212f.
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bruch des zweiten illyrischen Krieges unter römischen Schutz gestellt wurde170, war die 20 km westlich davon gelegene kleinere Insel Issa durch ein amicitiaVerhältnis bereits vor Ausbruch des ersten illyrischen Krieges eng mit Rom verbunden.171 In den Kriegen gegen Philipp V. und Perseus von Makedonien unterstützten die Bewohner Issas die römische Flotte mit ihren Schiffskontingenten, so dass sie nach dem Sturz des illyrischen Fürsten Genthios 167 v. Chr. dafür mit Steuerfreiheit entlohnt wurden.172 Ebenso unterstützte Korkyra, welches seit den Tagen des ersten illyrischen Krieges zu den amici der Römer zählte173, die Tiberstadt während der Seekriege im östlichen Mittelmeer, indem ihre drei Kriegshäfen – von denen einer mit der besonderen Vorrichtung einer zu Wasser gelassenen Eisenkette geschlossen werden konnte – den römischen Flotten hervorragende Operationsbasen und den Seerouten von Brundisium in die Ägäis unerlässliche Zwischenstationen boten.174 170 Pharos’ rechtliche Stellung ist nur schwer zu rekonstruieren. Im von Pol. 7,9,13 überlieferten Vertrag zwischen Hannibal und Philipp V. wird Rom als κύρος (=Herr: Übersetzung Drexler) über Pharos gemeinsam mit Apollonia, Epidamnos und Korkyra erwähnt. Schmitt (1969) 249 spricht wohl richtig vom römischen „Protektorat“, wogegen Vollmers (1990) 62 Plädoyer für eine „nichtintegrierte indirekte Herrschaft“ Roms über Pharos für die Zeit nach dem ersten illyrischen Krieg anzunehmen ist, nach dem zweiten illyrischen Krieg, als die gleichnamige Stadt auf der Insel Pharos von Rom belagert und nach Pol. 3,19,12; App. Ill. 8,24 größtenteils zerstört worden war, jedoch nicht. Unabhängig von der rechtlichen Stellung können wir Pharos durch den Hinweis bei Pol. 7,9,13 als römische Interessens- und Einflusssphäre identifizieren. Die Stadt wird nach ihrer Erstürmung durch die Römer vermutlich weiterhin bewohnt gewesen sein, wie Münzfunde aus der Zeit danach bestätigen, Vollmer (1990) 76 Anm. 25. Ferner wissen wir, dass Pharos nicht zu den Gemeinden zählte, die nach dem Sturz des Genthios 167 v. Chr. mit libertas und immunitas beschenkt wurde, da sie bei der Aufzählung des Liv. 45,26,12–13 fehlt. 171 Der Zeitpunkt der Dedition Issas ist durch die diskrepante Darstellung in den Quellen nicht ohne weiteres festzustellen. Während Pol. 2,11,5–12. 12,2 Issa zusammen mit anderen während des Krieges Dezidierten wie Apollonia, Epidamnos oder Korkyra erwähnt, gibt Zon. 8,19,3 die deditio vor Kriegsausbruch an; ebenso Cass. Dio frg. 49,1. 2–6. Vgl. dazu ausführlich Vollmer (1990) 56ff, der überzeugend die deditio Issas vor Kriegsausbruch nachweisen und andere Datierungsversuche durch schlüssige Beweisführung entkräften konnte. Zurückhaltender in seinen Ausführungen Gruen (1984) 17, 56. 172 Liv. 31,21,27; 37,16,8; 42,48,8; 43,9,5; 45,26,12–13. Trotzdessen vernachlässigte Rom bei der Verteilung der maritimen Kriegsbeute des Genthios die Insel Issa. Während andere Seestädte einige Lemben des Genthios erhielten, ging Issa, nach Liv. 45,43,10, leer aus. 173 Korkyra war einst dem Pyrrhos durch die Heirat mit der Tochter des syrakusischen Tyrannen Agathokles als „Mitgift“ versprochen worden, Diod. 21, frg. 6B; Plut. Pyrrhus 9,1; Iustin. 25,4,8; Vollmer (1990) 31f. Die deditio Korkyras gegenüber Rom erfolgte nach dem Seitenwechsel Demetrios’ von Pharos im Verlauf des ersten illyrischen Krieges, Pol. 2,11,5–6; nach App. Ill. 8 schenkten die Römer Korkyra dann die Freiheit; vgl. Gruen (1984) 55f. einschl. Anm. 10; Vollmer (1990) 53. 174 Korkyra diente den römischen Flotten als Operationsbasis im ersten römisch-makedonischen Krieg, Liv. 31,18,9. 22,5. 44,1. 47,2; 32,6,1.4. 9,6–8. 14,7. 23,13. 39,4; 33,17,2; 36,42,3; 42,37,1. Vgl. Hammond (1998) 406, 420, 424, 426. Die Bedeutung Korkyras für die römischen Seerouten umschreibt Liv. 36,7,18. Ein Legat des Cato fuhr nach Liv. 36,21,4–5 mit einem Schiff von Korinth über Patrai nach Korkyra und von dort nach Italien. 169 v. Chr. beispielsweise nutzte der Flottenpraetor C. Marcius Figulus nach Liv. 44,1,3–4 Korkyra als
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Südöstlich von Korkyra im mare Ionicum erstreckt sich ein Inselband entlang der akarnanischen und peloponnesischen Westküste mit Leukas im Norden, Kephallenia sowie Ithake im Zentrum und Zakynthos im Süden. Diese Inselkette sicherte durch ihre geographische Lage die Zufahrt zum Golf von Patrai ab, der entlang der peloponnesischen Nord- und der griechischen Südküste bis zum Isthmus von Korinth reichte. Im Gegensatz zum längeren Seeweg über die Umsegelung der Peloponnes ermöglichte die Passage dieser Route einen zügigeren Verkehr von der Adria in die Ägäis. Dessen war sich bereits Philipp V. bewusst, als er ab 218 v. Chr. versuchte, mit der Eroberung Kephallenias, Zakynthos’ und Leukas’ seine außerägäischen Besitzungen im mare Ionicum zu erweitern.175 Ebenso war sich auch Rom dieser Tatsache bewusst, so dass die ionischen Inseln in den wechselvollen Kampfhandlungen mit Makedonien und seinen Verbündeten schrittweise an Rom fielen, und fortan der römischen Seestrategie als Operationsbasen dienten.176 Unter den zahlreichen Inseln des östlichen Mittelmeeres spielten Rhodos, Kreta und Kypros eine herausragende Rolle für die maritime Hegemonie Roms im östlichen Mittelmeer. Zwischenstation auf seinem Weg von Brundisium nach Korinth. Zur Topographie der Kriegshäfen auf Korkyra vgl. Bürchner (1922) 1410f. 175 Die nördlichste dieser Inseln, Leukas, zählte zu den Besitzungen des akarnanischen Bundes, der als Verbündeter Makedoniens in Griechenland auch in offene Auseinandersetzungen mit Rom geraten war. Bereits 218 v. Chr. brach der akarnanische Bund im aitolischen Territorium ein und geriet seit 211 v. Chr. als Rom mit den Aitolern ein Bündnis geschlossen hatte, in offene Feindschaft (Pol. 5,5,2. 6,1–2. 13,1; 9,40,4–6; 16,32,3; Liv. 26,25,9–17). Während des Krieges verloren sie u. a. die bedeutende Seefestung Oinaidai (Pol. 9,39,2; Liv. 26,24,15. 25,10; Iustin. 29,4,7). Leukas spielte im Bündnis zwischen Philipp V. und Hannibal noch eine Nebenrolle. Dorthin hatte sich 207 v. Chr. die karthagische Flotte gerettet, nachdem sie vergeblich versucht hatte, die schwer mit Beute beladene römische Flotte bei ihrer Rückfahrt von Nordafrika zu überfallen, Liv. 28,4,5–7; Thiel (1946) 134f.; Seibert (1993b) 398f.; Freitag (1994) 224. Kephallenia wurde von Philipp V. 218 v. Chr. das erste Mal angegriffen und besetzt, Pol. 5,3,3. 5,1. 109,1–6. Nach Pol. 5,102,10 hatte Philipp V. 217 v. Chr. die Insel erobert. Sie ist ihm jedoch von M. Valerius Laevinus entrissen worden, der sie den Aitolern übergab. Von diesen eroberte Philipp V. sie 207 v. Chr. erneut, Liv. 26,24,15; 36,31,11; Seibert (1993b) 323f., 396ff; Freitag (1994) 225f. 176 Der akarnanische Bund hatte seine Treue zu Makedonien teuer bezahlen müssen. Leukas wurde 167 v. Chr. aus dem κοινον ausgelöst und für frei erklärt, Liv. 45,31,12. Kephallenia und Itake – wobei letztere in der historischen Bedeutung der zu behandelnden Epoche zu vernachlässigen ist – war auf Roms Betreiben hin aus dem Frieden, den es mit dem aitolischen Bund geschlossen hatte, explizit ausgeschlossen worden, Pol. 21,32,13; Liv. 38,9,10. 11,7. Dadurch war es ihnen möglich, ab 189 v. Chr. eine Eroberungskampagne gegen die Insel durchzuführen, die mit der Zerstörung Sames beendet war, Pol. 21,32b; Liv. 38,28,5–29,11; Zon. 9,21. Im Anschluss wird Kephallenia, in deren Seestadt Same eine römische Besatzung stationiert wurde – wie Liv. 38,30,1 erwähnt – den Flotten der res pulica populi romani als Zwischenstation und Operationsbasis gedient haben, wie Liv. 42,37,3–4. 48,6–10. 56,1 bezeugt. Zakynthos fiel nach wechselvollen Besitzansprüchen und einem Eroberungsversuch im Jahr 211 v. Chr. durch M. Valerius Laevinus an Rom und deren Gemeinden wurden zu civitates liberae erklärt, Liv. 26,24,15; 36,31,11–32,9. 34,1; Plin. n.h. 4,54. Vgl. dazu auch Freitag (1994) 225f.
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Rhodos war das „Massalia“ unter den Inseln der Ägäis für die römische Vorherrschaft zur See. Seit den Tagen des zweiten römisch-makedonischen Krieges war Rhodos neben Pergamon der Stützpfeiler römischer Seestrategie im östlichen Mittelmeer.177 Das Bündnis Philipps V. mit Antiochos III. und die kretischen Überfälle hatten die Rhodier in römische Arme getrieben.178 Fortan verging kein Jahr einer Seekriegskampagne der res publica populi romani in der Ägäis, in der nicht rhodische Schiffe unter römischer Flagge und Befehl operierten.179 Das Waffenbündnis mit Rom wurde zum Katalysator für die Entfaltung des rhodischen Einflusses in der Ägäis. Neben den Seestädten und Gebieten in Karien und Lykien bis zum Maiandros zählte der νησιωτῶν κοινόν (Nesiotenbund) zum Kernstück ihres
177 Nach Pol. 30,5,6 bestand bereit im 4. Jahrhundert v. Chr. ein Bündnis zwischen Rom und Rhodos. Während Liv. 45,25,9 nur unbestimmt die Zeitdauer angibt, verweist er in 26,24,4 auf das erste transmarine Bündnis mit den Aitolern aus dem Jahr 211 v. Chr. Während Schmitt (1957) 49; Dahlheim (1965) 134 die Historizität des römisch-rhodischen Bündnisses nicht anzweifeln, merkt Bleicken (1959) 440f. doch überzeugend Zweifel an; weitere Übersicht der Streitfrage bei Walbank III (1979) 423–426. Vollmer (1990) 22 einschl. Anm. 16 hat unter dem Verweis einer in den 70er Jahren des 20. Jhdts. im Hafen von Rhodos gefundenen Inschrift, „[…] die der Herausgeber Kontorini auf die letzten Jahrzehnte des 3. Jh. v. Chr. datiert, in der sich Rhodos mit den römischen Verhältnissen gut vertraut zeigt.“, für römischrhodische Kontakte unbestimmter Art vor dem Bündnis gegen Philipp V. plädiert. 178 Zu den Umständen des ersten kretischen Krieges finden sich verschiedene Hinweise in den Quellen Diod. 27,3,1; 28,1,1 berichtet vom Überfall kretischer Seefahrer auf Kauffahrer. Pol. 13,4,1–8. 5,1–4 identifiziert Philipp V. als Kriegstreiber der Kreter gegen Rhodos. Nach Polyan. 5,17,2 war der Tarentiner Herakleides Brandstifter des Feuers, welches dreizehn rhodische Schiffshäuser verbrannte. Anders als Schmitt (1957) 58 oder Berthold (1984) 108–111 weist Wiemer (2000) 64–69 überzeugend nach, dass die antiken Autoren sich auf rhodische Quellen beziehen und daher ein prorhodisches Bild der Ereignisse zeichnen. „Befreit man Polybios’ Bericht von anachronistischen Interpretationen, so bleiben die folgenden Fakten übrig: Herakleides kam nach Rhodos und stellte sich als Opfer monarchischer Willkür dar; er legte Briefe vor, die bestätigten, was jedermann wußte, daß Philipp, der „Schirmherr“ (prostates) des kretischen κοινον war, es im „Kretischen Krieg“der Rhodier mit „den Kretern“ hielt, ohne sich jedoch an der Kriegführung zu beteiligen. Im Kriegshafen von Rhodos brach ein Feuer aus, und Herakleides verließ die Insel wieder. Alles weitere ist nachträgliche Deutung im Lichte der Ereignisse der Jahre 201–197.“ Vgl. ferner Wiemer (2002) 143–205. Zur Rolle Kretas vgl. Chaniotis (1996) 38ff. 179 (1) Im zweiten römisch-makedonischen Krieg: 199 v. Chr.: drei rhodische Vierruderer in der Flotte des C. Claudius bei Chalkis und 20 rhodische Schiffe in der römischen Flotte nach Eroberung Andros’ (Liv. 31,22,8. 23,9. 46,6. 47,1). 198 v. Chr.: bei der Einnahme Eretrias und Karystos 20 bedeckte rhodische Schiffe (Liv. 32,16,6). (2) Im Krieg gegen Nabis von Sparta 195 v. Chr. unterstützten die Rhodier die Flotte des L. Quinctius mit 18 Schiffen (Liv. 34,26,11. 29,4. 30,7. 40,7). (3) Im römisch-syrischen Krieg: 191 v. Chr. Rhodische Schiffe verstärken die römische Flotte nach der Schlacht bei Korykos, die Anzahl der Schiffe schwankt in den Quellen zwischen 25 (Liv. 36,45,5) und 27 (App. Syr. 22). 190 v. Chr.: Rhodische Flotte von 36 Schiffen in Seeschlacht bei Samos fast völlig zerstört. Danach entsendet Rhodos unter dem Praefectus Eudamos erneut zweimal zehn Schiffe zur römischen Flotte. Beteiligung der Rhodier in Seeschlacht bei Side und bei Myonnesos, Liv. 37,9,5. 12,7. 9. 22,2–24,13. 28,6–30,10; vgl. dazu Gruen (1984) 39–42, 535f., 545ff; Wiemer (2000) 111– 128; (2002) 219–250.
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Herrschaftsbereiches.180 Mit der rhodischen Hegemonie über den Nesiotenbund, in dem sich die zahlreichen Kykladeninseln der südlichen Ägäis zwischen dem griechischen Festland im Westen und Kreta im Osten organisiert hatten, besaß Rom wiederum ein verlässliches Instrument zur Kontrolle der Ägäis; schließlich waren die Kykladen wesentliche Zwischenstationen, woran die Seerouten von Kleinasien und Kreta nach Griechenland entlangführten. Aus römischer Sicht war ein Erstarken Rhodos’ nur so lange wünschenswert, wie es als verlässlicher Bündnisparter zur Verfügung stand und beherrschbar blieb, denn die römische Vorstellung von maritimer Vorherrschaft kannte weder einen gleichberechtigten Partner noch akzeptierte es einen solchen. Die Annäherung Rhodos’ an Makedonien, welche in den Hochzeitsfeierlichkeiten Perseus’ mit der seleukidischen Prinzessin Laodike am Deutlichsten zum Ausdruck kam – rhodische Schiffe hatten dem Brautschiff Geleit gegeben – ließ in Rom Argwohn gegenüber dem amicus aufkommen und kühlte die Beziehungen zur Insel deutlich ab. Im Gegenzug bedachten die hellenisitischen Herrscher Perseus von Makedonien und Seleukos IV. von Syrien die Rhodier mit großen Mengen Schiffsbauholz aus den heimischen Wäldern. 181 Als dann die Lykier gegen Repressalien ihres Hegemons Rhodos aufbegehrten und deshalb im römischen Senat vorstellig wurden, intervenierte die Metropole am Tiber zum ersten Mal zu Ungunsten ihres Verbündeten zur See.182 Die Zurückhaltung der Rhodier im dritten römisch-makedonischen Krieg schließlich ließ letzte rhodische Fürsprecher in Rom verstummen, so dass nach dem Sieg über Perseus bei Pydna 169 v. Chr. kurzzeitig sogar ein Kriegsentschluss gegen
180 Pol. 21,24,7–8; Liv. 33,30,2. 3,10; 37,55,5; vgl. Baronowski (1991) 452–462; Wiemer (2000) 128–149; (2002) 251–288. Zum Nesiotenbund zählten die Inseln Ios, Keos, Kynthos, Siphonos, Syros und Tenos, die sogar eine rhodische Besatzung hatte und beliebter Ausgangspunkt rhodischer Seekampagnen war. Während für die Inseln Kimolos, Mykonos, Seriphos, Sikinos jegliche Hinweise fehlen, haben wir für Paros, Naxos, Amorgos und Melos zwar Hinweise auf Beziehungen zu Rhodos, ob dies jedoch auch eine Mitgliedschaft im Nesiotenbund beinhaltete, bleibt unklar; vgl. ferner Gruen (1984) 535; Ètienne (1990) 112–117; Reger (1994) 46–69; Huß (2001) 434ff; Lätsch (2005) 183f. 181 Pol. 25,4,8–10. Die propagandistische Wirkung dieser Hochzeitsfeierlichkeiten darf nicht als zu gering angesehen werden. Denn Makedonien, welches seit dem Friedensschluss mit Rom das Schlagen von Holz für den Schiffsbau untersagt worden war, setzt nun alles daran, freundschaftliche Beziehungen zu einem der stärkste maritimen Mächte in der Ägäis aufzunehmen. Ähnlich Ager (1991) 36. Anders Errington (1986) 192 der die Beteiligung Rhodos’ lediglich als Aushilfsdienst deutet, ähnlich Gruen (1984): 94:„[…] evidently it was an informal cordiality, embracing cooperation but not military aid.“ Vgl. ferner Wiemer (2002) 291f. 182 Gesandte der Xanthier erreichten den römischen Senat und wurden mit der Darstellung der rhodischen Vorherrschaft in Lykien vorstellig, wie Pol. 25,4,1–10 berichtet. Nachfolgend wurde eine römische Gesandtschaft nach Rhodos verschifft, welche nach Pol. 25,5,1–5 das rhodische Verhalten in Lykien in die Schranken zu weisen gedachte, ferner Liv. 41,6,8–12; App. Mithr. 62. Zum rhodisch-lykischen Konflikt und Roms Intervention Schmitt (1957) 134–140; Berthold (1984) 174–180; Zimmermann (1993) 110–130; Bresson (1999) 98–131; Behrwald (2000) 89–105; Wiemer (2000) 151–158; (2002) 293f.; Kolb (2002) 208; Heftner (2005) 371f.; Errington (2008) 233f.
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Rhodos zum Gegenstand von Senatsdebatten wurde.183 Für die Rhodier bedeutete dies das Ende ihrer maritimen Hegemonie im Schatten Roms. Karien und Lykien wurde ihnen genommen, die Städte dort von Rom für frei erklärt. Dem rhodischen Protektorat über die Kykladen setzte man ein Ende. Die Erhebung Delos’ zum Freihandelshafen wurde zum Fanal für die rhodische Wirtschaft, denn die Hafenzölle, eine der verlässlichsten Einnahmequellen, fielen ins Bodenlose – von einer Million auf 15.000 Drachmen. Ein foedus mit Rom verpflichtete Rhodos jedoch weiterhin zur Bündnistreue. Die Insel versank in historischer Bedeutungslosigkeit und war von der Position eines Akteurs ägäischer Seepolitik zum Schiffsreservoir der res publica populi romani und zum Reiseziel römischer Aristokraten degradiert.184 Im Schatten des rhodischen Niedergangs füllte das ca. 150 Kilometer südwestlich gelegene Kreta das entstandene Machtvakuum aus. Die Bewohner der 183 Während der römischen Kriegsvorbereitungen gegen Perseus führten innenpolitische Spannungen auf Rhodos zwischen pro-römischen und pro-makedonischen Gruppierungen etwa zur Verzögerung der Schiffslieferungen, die vom römischen Flottenbefehlshaber abgelehnt wurden und dann nicht mehr für Rom im Krieg in Erscheinung traten, Pol. 27,7,1–16; Liv. 42,56,6–7; vgl. Thiel (1946) 402–406; Eckstein (1988) 429–434; Ager (1991) 30ff. Dass Polybios sich hierbei auf explizit rhodische Quellen bezog, weist Wiemer (2000) 164ff überzeugend nach. Ferner pflegte Rhodos während des dritten römisch-makedonischen Krieges fortwährend diplomatische Beziehungen zu Perseus, so war eine makedonische Gesandtschaft 172/171 v. Chr. auf Rhodos, um über eine rhodische Neutralität im Krieg und 171/170 v. Chr., um über die Auslieferung von Kriegsgefangenen zu verhandeln, Pol. 27,4,1–8. 14,1–2; Liv. 42,46,1–6; vgl. ferner Wiemer (2000) 163f., 166f. Schließlich wurden rhodische Vermittlungsversuche zwischen Perseus und Rom arg fehlgedeutet, Pol. 28,17,1–15; 29,10,1–7; Liv. 45,10,4–15; Wiemer (2002) 168–178. Über die hitzige Senatsdebatte 168 v. Chr., in deren Verlauf der Praetor M. Iuventius Thalna den Antrag einbringt, Krieg gegen Rhodos zu führen und der ältere Cato dies durch eine pro-rhodische Rede zu verhindern weiß, berichten Pol. 30,4,1–5,8; Liv. 40,20,4–25,3; Gruen (1984) 569ff; Wiemer (2000) 175–180. Rhodos’ diplomatische Funktion in der Ägäis im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr. hat Ager (1991) 12–29 überzeugend herausgestellt. Demnach waren die Vermittlungsversuche im dritten römisch-makedonischen Krieg nur die konsequente Fortsetzung rhodischer Politik im östlichen Mittelmeer. 184 Zu den Kontributionen Rhodos’, Pol. 30,5,11–15; 31,1–20; Liv. 45,25,11–13; Strab. 14,2,3; vgl. Schmitt (1957) 150–172; Bengtson (1977b) 490; Berthold (1984) 191–212; Gruen (1984) 311f.; 571f.; Green (1990) 431; Wiemer (2000) 185–188; Shipley (2000) 382; Kolb (2002) 208. Heftner (2005) 384f. geht bei der Bewertung des foedus von der falschen Annahme aus, dass das vorherige Bündnis zwischen Rom und Rhodos eines zwischen gleichberechtigten Partnern gewesen sei. Rhodos lieferte etwa im dritten römisch-karthagischen Krieg (App. Lib. 112), im ersten mithridatischen Krieg (Plut. Lucullus 3,3) im dritten mithridatischen Krieg (Memnon 34 FGrH 3B, 362) und im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius (Cic. de inv. 1,68; Caes. civ. 3,5,3. 106,1; bell. Alex. 11,1–3; 13,5; 15,1–5; 25,3; App. civ. 2,83) Schiffe. Q. Metellus Numidicus wählt Rhodos für sein freiwilliges Exil aus, Liv. per. 69; Plut. Marius 29,8. Sowohl Cicero als auch Caesar besuchten Rhodos zu Studienzwecken, Cic. ad Brut. 1. 316; Suet. Caes. 4,1–2; Plut. Cicero 4,5; 36,7; vgl. Wilson (1966) 162f.; Grant (1970) 28; Gelzer (1983) 25f.; Fuhrmann (1997) 55; Canfora (2001) 23; Meier (2004) 140; Stroh (2008) 22f. Zur Rolle Rhodos’ in der Ägäis nach Einrichtung Delos’ zum Freihafen vgl. Ager (1991) 38ff; zur wirtschaftlichen Situation De Martino (1991) 232f.; Rhodos’ Rolle im System der römischen Thalassokratie in der Zeit des Principat Reddé (1986) 231ff.
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Insel hatten sich in hellenistischer Zeit als Söldner zur See verdient gemacht und ihre Schiffe und Soldaten den verschiedensten hellenistischen Mächten, wie dem makedonischen, seleukidischen und ptolemaischen Reich, Pergamon oder Nabis III. von Sparta zur Verfügung gestellt. Selbst im Auftrag der Tiberstadt fochten die kretischen Söldner in der Ägäis.185 Viele Inseln der Kykladen hatten nach dem Ende der rhodischen Hegemonie über ihren Bund unter den zunehmenden Überfällen auch kretischer Piraterie zu leiden, so dass sie die Verbindung zu kretischen Gemeinden durch Bündnisschlüsse und somit den Schutz vor weiteren Überfällen suchten.186 Kreta war so „[…] zum Brennpunkt vielfältiger Interessen“187 avanciert. Die innerkretischen Spannungen und Konflikte zwischen den einzelnen Gemeinden ermöglichten es Rom bereits seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert, einen gewissen Einfluss auf Kreta auszuüben, doch beschränkte sich dieser lediglich auf die Funktion des Schiedsrichters bei Grenzstreitigkeiten.188 Gegen die kretischen Seeaktivitäten, die wohl eher mit dem Begriff des Seeraubes bezeichnet werden dürfen, ging die res publica populi romani nicht vor. Warum auch, schließlich benötigte die prosperierende Tibermetropole Sklaven, eine essentielle und lukrative Handelsware antiker Piraterie.189 Doch diese opportune Vorgehensweise stieß im letzten vorchristlichen Jahrhundert an ihre Grenzen, als einerseits kretische Söldner dem letzten großen Kontrahenten Roms im östlichen Mittelmeer, Mithridates VI., ihre Dienste anboten und andererseits über die Ägäis hin185 Kretische Söldner und Schiffe im Dienst (1) Makedoniens: Liv. 31,35,1; 33,14,4; vgl. Kreuter (1992) 47–64; (1995) 140; Hammond (1998) 416, 515, 521ff, 533, 542; (2) der Seleukiden: Liv. 37,40,8; vgl. 114, 162, 164f. Kreuter (1995) 141; Huß (2001) 398; 436–443, 578ff; (3) der Ptolemaier: vgl. Kreuter (1992) 17–46; Huß (2001) 360ff; 392f., 397, (4) Nabis III.: von Sparta, Liv. 33,3,10; 34,35,9–11; 35,29,1–3. 30,1–3; vgl. Kreuter (1995) 140; und (5) Pergamon: Kreuter (1992) 91–116; (6) Rom: Liv. 33,3,10; 37,39,10; Kreuter (1995) 141; Hammond (1998) 431, 436f. 186 Bezeugt sind Verträge bzw. Erneuerungen von Verträgen zwischen kretischen Städten und Anaphe (IG XII 3, 254), Andros (IG XII 5, 723), Melos (IC II 23,2), Paros (IC II 1,2), Tenos (IG XII 5, 867. 868A. 868B). Dass die Kykladen von Kretern im zweiten kretischen Krieg angegriffen wurden, berichtet Diod. 31,43,1–45,1, dazu Schmitt (1957) 145–151. Zudem bezeugen die Inschriftenfunde auf Naxos (IG XII 5, 36), Syros (IG XII 5, 653), Thera (IG XII 3 328) Amorgos (IG XII 7, 386. 387) oder Karthaia (IG XII 5, 1061) von Piratenüberfällen. 187 Kreuter (1992) 128. 188 184 v. Chr. Vermittlungsversuch zwischen den Städten Gortyn und Knosos, Pol. 22,15,1–6; dazu Bernhardt (1985) 88; Kreuter (1995) 136; Chaniotis (1996) 281–285; 174 v. Chr. gelang es einer römischen Gesandtschaft einen sechsmonatigen Waffenstillstand zwischen sich bekriegenden Städten zu vermitteln, Liv. 41,25,2–7; vgl. Bernhardt (1985) 88; Kreuter (1995) 136; 140 v. Chr. zwischen Hierapytna und Itanos, vgl. Chaniotis (1996) 307–310; 112–110 v. Chr. zwischen Lato und Olus, vgl. Kreuter (1995) 137f.; Chaniotis (1996) 318–332. Für Kreuter (1992) 126 ist dies jedoch noch kein Beweis für einen Verlust kretischer Autonomie, denn schließlich „[…] hatten sich die Kreter selber an die Römer gewandt oder an eine andere Macht, welche die Aufgabe an die Römer weitergeleitet hatte.“. 189 Der steigende Bedarf an Sklaven in Rom und deren Deckung durch die Piraterie wurde in den antiken Quellen von Strab. 14,5,2 erörtert und ist in der Forschung gut von Dahlheim (1977) 146; Brockmeyer (1987) 164ff; Pohl (1993) 33–36; De Souza (1999) 60–65; Christ (2000) 83–88; Schuhmacher (2001) 36–43 herausgestellt worden.
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aus die Seerouten und Häfen des westlichen Mittelmeeres zum Ziel der ausgeuferten Piraterie wurden.190 74/73 v. Chr. begann die römische Okkupation Kretas mit der Entsendung M. Antonius’, der das kretische κοινόν zur Beendigung der Seeüberfälle bewegen konnte. Doch die Bedingungen dieses Diktatfriedens hätten der Insel den Lebensnerv genommen: Auslieferung aller Schiffe und ihres siegreichen Seestrategen Lasthenes.191 Statt sich diesem Ultimatum zu beugen, versuchte ein Großteil der kretischen Städte in einem letzten Akt des Widerstandes ihre maritime Vormachtstellung zu behaupten, doch zerbrach dieser Widerstand an der römischen Übermacht und dem brutalen Vorgehen des Consuls Q. Caecilius Metellus.192 Mit der Einrichtung der provincia Creta befriedete Rom nicht nur eine bedeutende Keimzelle der Piraterie, sondern erhielt auch die verbesserte Kontrolle über die Seehandelsrouten, die von Ägypten und Syrien notwendigerweise über Kreta als Zwischenstation führten. Mit der Provinzneuordnung durch Augustus wird Creta mit der ca. 300 km entfernten Cyrenaica zu einer provincia zusammengefasst, wobei der Statthalter in dem strategisch günstigeren Gortyn auf der Insel residiert.193 190 Die Piraterie hatte solche Ausmaße angenommen, dass zunehmend römische Seestädte auf Sizilien und in Unteritalien Opfer von Angriffen wurden, vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel 3.2.4, S. 146ff; ferner Urban (1983) 17; Kreuter (1995) 148f.; Chaniotis (2004) 100f. Zu kretischen Söldnern und Schiffen im Dienst Mithridates’ VI., Flor. 1,42,1; Memnon 23 FGrH. 3B, 353; App. Sic. 6,1; vgl. Kreuter (1995) 148f.; De Souza (1999) 145f.; Chaniotis (2004) 100. 191 Zur Kampagne des M. Antonius vgl. Anm. 243–245 (Kapitel 3.2.4). Zu den Friedensbedingungen: Diod. 40,1,1.3; Flor. 1,42,3; App. Sic. 6. Demnach mussten sie zusätzlich 300 Geiseln stellen und 4.000 Talente Silber zahlen; vgl. ferner Bernhardt (1985) 89f.; Kreuter (1995) 149; Schrapel (1996) 59; Chaniotis (2004) 101. 192 Seit 69 v. Chr. hatte Metellus mit seinen Legionen auf Kreta operiert und fünf der bedeutendsten Städte – Kydonia, Knossos, Lyktos, Lappa und Eleutherna – erobert und zerstört. Sein grausames Vorgehen ist mehrfach bezeugt s. Plut. Pompeius 29,2–3; Cass. Dio 36,18,1– 19,3, so dass Gesandte der Kreter sich mit ihrer deditio an Pompeius wandten, um dort mildere Umstände zu erhoffen, App. Sic. 6,1. 193 Cass. Dio 53,12,4; Perl (1970) 342–349; Bernhardt (1985) 93; Schrapel (1996) 60f.; Bechert (1999) 103f. Die sehr späte Provinzialiserung Kretas hat in der Forschung zu verschiedenen Erklärungsansätzen geführt. Für Kreuter (1995) 150 liegt die späte Eroberung durch Rom – aus kretischer Perspektive – in den Streitigkeiten zwischen den einzelnen Gemeinden der Insel begründet: „Der mangelnde Konsens der kretischen Gemeinden, die sich vermutlich auf ihre jeweiligen Verpflichtungen beriefen, ließ die römische Kritik ins Leere laufen. Gut 100 Jahre später, als die Kreter geschlossener agierten, wurde die Insel Kreta dagegen in ihrer Gesamtheit für die Unterstützung von Roms Feinden und für die Raubzüge ihrer Piraten bestraft.“ Bei Bernhardt (1985) 86ff, zeigt sich, – aus römischer Perspektive – dass allein die Sicht auf die Beherrschung des Landes nicht genügt, er meint: „[…] aus römischer Sicht hatte Kreta eine Randlage, und zur Aufrechterhaltung der römischen Suprematie bzw. direkten Herschaft über Griechenland und Kleinasien war die Beherrschung der Insel nicht erforderlich.“ Bernhardt verkennt m. E. nach die Bedeutung Kretas für die Seerouten zwischen Kleinasien und Griechenland, die sehrwohl im Interessensbereich Roms lagen. Solange Kretas Ambitionen der römischen Seeherrschaft nicht zuwider liefen, war eine Unterwerfung der Insel unnötig, wie das Beispiel Rhodos überaus deutlich zeigt. Anders Chaniotis (2004) 102 die konzis resümiert: „Kreta war jetzt eine Insel im Zentrum des befriedeten östlichen Mittelmee-
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Kypros als drittgrößte Insel des Mittelmeeres zählte vor der römischen Annexion fast zweieinhalb Jahrhunderte lang zum Kernstück ptolemaischer Besitzungen in der Ägäis.194 Durch seine geringe Entfernung zum kilikischen (ca. 70 km) und zum syrischen (ca. 100 km) Festland war sie mit ihren charakteristischen Küstenlinien ein zentraler Anlaufpunkt antiker Seerouten. In der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. hatten Streitigkeiten innerhalb des ptolemaischen Herrscherhauses zu einer Separation Kypros’ geführt195, welches fortan als eigenständiges Königreich unter ptolemaischer Ägide bis ins erste Jahrhundert v. Chr. hinein bestehen blieb.196 58 v. Chr. wurde dann völlig überraschend und außenpolitisch völlig unprovoziert, unter dem Druck des Volkstribunen P. Clodius res, im römischen Herrschaftssystem und dementsprechend in den wirtschaftlichen Netzwerken des Imperium Romanum völlig integriert.“ 194 Kypros war zur Zeit Alexanders des Großen in mehrere Stadtkönigtümer aufgeteilt; vgl. dazu Jones (1998b) 365–369. In den Diadochenkriegen hatte Ptolemaios I. bereits Bündnisse mit einigen zyprischen Königen, u.a. Nikokreon von Salamis, gepflegt und im dritten Diadochenkrieg die Insel erstmals annektieren können (Diod. 19,57,4. 59,1. 62,3–7). Nikokreon wurde zum στρατηγός über die Insel (Diod. 19,79,5), später dann Ptolemaios’ Bruder Menelaos als Stratege und König von Salamis. Später dann verlor er die Insel für zwölf Jahre an Antigonos (Diod. 20,46,5–53,1; Plut. Demetrios 15,1–16,4) bevor er sie 295/294 v. Chr. erneut erobern und seine Herrschaft darauf sichern konnte (Pol. 5,34,6; Plut. Demetrios 35,5; Paus. 1,6,8), vgl. Bevan (1968); 23–27, 32f., 37; Bagnall (1976) 38–79; Hölbl (1994) 18–22, 24f.; Ellis (1994) 33f., 43, 48, 58, 68, 80f.; Jones (1998b) 369f., 372f.; Huß (2001) 112f., 145–148, 150– 154, 159f., 170f., 182ff, 202, 204f., 212, 303. 195 Ptolemaios VII. Euergetes II. wollte neben der Kyrenaika auch Kypros zu seinem Herrschaftsbereich zählen und wandte sich diesbezüglich an Rom. Daher entsandte der Senat T. Manlius Torquatus und Cn. Cornelius Merula nach Ägypten, um Kypros an Ptolemaios VII. zu verteilen, Pol. 31,10,4–10. Ptolemaios VI. gelang es jedoch, dies zu vereiteln (Pol. 31,17,1–19,4). Diese diplomatische Schlappe beantwortete Rom mit der Aufkündigung sämtlicher Beziehungen zu Ptolemaios VI. (Pol. 31,20,3; Diod. 31,23,1). Derart gestärkt versuchte Ptolemaios VII. erneut Kypros für sich zu behaupten, diesmal militärisch aber ebenso erfolglos (Pol. 39,7,6; Diod. 31,33,1). Unterstützt wurde er von einer römischen Gesandtschaft, die immerhin mit fünf Penteren anreiste (Pol. 33,11,6). Darin – wie Huß (2001) 574 Anm. 289 – „[…] eine quasimilitärische Ausrüstung!“ zu sehen, erscheint übertrieben. Dennoch sind fünf Kriegsschiffe in Penterengröße beachtlich für eine Gesandtschaft. Das römische Engagement für Ptolemaios VII. wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass beim Gelingen der kyprischen Okkupation Ptolemaios VII. die Insel wie die Kyrenaika auch testamentarisch an Rom gefallen wären, zum Testament vgl. Bengtson (1977b) 499 Anm. 2; Hölbl (1994) 163f.; Huß (2001) 573 mit Anm. 285. Schließlich soll Ptolemaios X. Alexandros I. per Testament Ägypten mit Kypros an Rom vermacht haben, wie Cic. leg. agr. 1,1; 2,41–42 andeutet, vgl. dazu Badian (1967) 178–192; Harris (1979) 155ff; Sherwin-White (1984) 264; Bernhardt (1985) 106; Bechert (1999) 119 die das Testament für historisch halten, kritisch Huß (2001) 660, der dessen Existenz überzeugend bezweifelt. 196 Es sind Ptolemaios X. Alexander I. (113–107 v. Chr.), Ptolemaios IX. Soter II. (107–88 v. Chr.) und Ptolemaios „König von Zypern“ (80–58 v. Chr.) als eigenständige kyprische Könige belegt, wobei in der Zeit von 88–80 v. Chr. Ptolemaios IX. Soter II. aus Kypros nach Alexandria auf den ägyptischen Thron zurückgekehrt war und Kypros kurzzeitig wieder zu Ägypten gehörte; vgl. zu den einzelnen Herrschern auf Kypros Bevan (1968) 327ff, 334, 344f.; Hölbl (1994) 184, 187, 190, 195; Jones (1998b) 370f.; Bechert (1999) 119; Huß (2001) 635ff, 647ff, 651, 658f., 668f., 674.
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Pulcher der jüngere Cato als Quaestor mit einem praetorischen imperium beauftragt, die Inseln dem römischen Reich einzuverleiben. Die Annexion Kypros’ glich zu keiner Zeit dem Ergebnis maritimer Sicherheits- oder Hegemonialpolitik, sondern viel eher war sie Ausdruck innerrömischer Ränkespiele. Denn mit der Entsendung Catos nach Kypros: „[…] verschwand der Mann für eine längere Zeit von der politischen Bühne in Rom, der die Seele des Widerstandes gegen Caesar gewesen war. Die Form seiner außerordentlichen Bestallung durch ein Plebiszit nahm ihm zudem künftig die Möglichkeit, gegen die Übertragung außerordentlicher Imperien wie bisher agitatorisch vorzugehen“.197
Dieser von WERNER DAHLHEIM treffend erörterte Eindruck wird durch das fehlende Engagement der res publica bei der Organisation römischer Vorherrschaft auf Kypros verstärkt. Statt der Einrichtung einer provincia gliederte man die Insel mit Paphos, Amathous, Lapethos und Salamis in vier Verwaltungsbezirke und ordnete sie der nur 100 Kilometer entfernten provincia Cilicia zu.198 Der Fall Kypros’ verdeutlicht, inwieweit das Mittelmeer im letzten vorchristlichen Jahrhundert bereits zum Austragungsort für die aristokratischen Machtspielchen der ausgehenden römischen Republik geworden war. In den Bürgerkriegen schließlich erreichte Cleopatra VII. durch ihre Beziehung erst zu Caesar, dann zu Antonius, dass Kypros noch einmal ptolemaische Vorherrschaft zu spüren bekam, bevor es schließlich durch Augustus 27 v. Chr. als eigenständige provincia Cypros – wie Creta, Sicilia, Sardinia et Corsica vor ihr – ins mare nostrum des Imperium Romanum eingegliedert wurde.199 197 Dahlheim (1977) 163, dazu Cass. Dio 38,50,5; Plut. Cato minor 34,2–4; Cic. dom. 22, der von einem Brief Caesars berichtet, in dem er Clodius zur Kaltstellung Catos beglückwünscht. Zur Rolle des Clodius bei der imperium-Vergabe an Cato vgl. Benner (1987) 53, 62, 64, 125f. Zur lex Clodia Cic. dom. 52–53. 65; Sest. 57. 59–63; Liv. per. 104; Vell. 2,45,4–5; Plut. Cato minor 34,4–7; Cass. Dio 38,30,5. Kongruent mit Dahlheim, Stein-Hölkeskamp (2000) 300; Nippel (2000) 285, der zudem die finanzielle Absicherung der Getreideversorgung mit Hilfe des kyprischen Reichtums annimmt, ebenso Bevan (1968) 353; anders Magie I (2000) 384, die strategische Gesichtspunkte für die Annektion Kypros’ anführt und dies mit Kilikien und Syrien als Komplettierung römischer Herrschaft im östlichen Teil des Mittelmeeres ansieht. Schäfer (2006) 23f. gibt zudem vermeintliche Hilfsleistungen Kypros’ an die Piraten als Argument des Clodius an. Weitere Erklärungsansätze bei Bernhardt (1985) 106ff. 198 Badian (1965) 110–121; Bengtson (1977b) 510; Mitford (1980) 1290ff; Bernhardt (1985) 108; Schrapel (1996) 105f.; Jones (1998b) 371; Bechert (1999) 119. Zu den innenpolitischen Folgen für das ptolemaische Herrscherhaus, welche nach Cass. Dio 39,12,2 vom Volk zum Bruch mit Rom gedrängt wurden, vgl. Hölbl (1994) 200; Huß (2001) 685ff; Schäfer (2006) 24f. 199 Caesar hatte Ptolemaios XIV. und Arisone als Könige von Kypros eingesetzt, wie Cass. Dio 42,35,5–6 berichtet. Auch wenn Schäfer (2006) 61 Recht behält, wenn er meint: „De facto blieb jedoch die Übertragung der Insel zunächst ohne direkte Auswirkungen, da Arsinoë bald schon ins Lager des Achillas floh und der spätere Ptolemaios XIV. in Caesars Umgebung blieb.“, zählte Kypros zum ptolemaischen Besitz, wie neuere Inschriftenfunde aus Salamis beweisen, dazu Schäfer (2006) 307, Anm. 7. Daran wird Antonius nichts geändert haben, wie seine Proklamation beweist, Plut. Antonius 54,6; Cass. Dio 49,41,2. Vgl. Bevan (1968) 366, 374; Bengtson (1977) 193, 218; Mitford (1980) 1292–1297; Hölbl (1994) 210, 212, 216; Clauss (1995) 44, 60; Schrapel (1996) 105–138; Jones (1998b) 371, 373f.; Bechert (1999)
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2.4 ALTER ORBIS – ROMS AUSGREIFEN AUF DEN PONTUS EUXINUS UND DAS MARE OCEANUM Im Zuge der römischen Eroberung des mare internum stießen römische Schiffe, Heere und provinciae unweigerlich bis zum Atlantik im Westen und in das Schwarze Meer im Osten vor. Auch wenn diese Meere erst in der Kaiserzeit vollends in den Fokus römischer Machtinteressen gerieten, waren doch schon in republikanischer Zeit die Grundlagen für die römische Suprematie über den Atlantik und das Schwarze Meer gelegt worden. Daher lohnt es sich, diese ersten Vorstöße einer genaueren Analyse zu unterziehen, denn eine römische Thalassokratie allein für das mare internum zu konstatieren, würde dem Ausmaß dieser maritimen Hegemonie nicht gerecht werden. Das mare Oceanum200 wird seit der Einbindung Gades’ als amicus et socius in den römischen Herrschaftsraum auf der iberischen Halbinsel zur römischen Interessenssphäre gezählt haben. Bis dato waren es vornehmlich phoinikische und karthagische Schiffe gewesen, welche die Säulen des Herakles passiert und darüber hinaus den Atlantik befahren haben. Neben den Entdeckungsfahrten wird der lukrative Zinnhandel das karthagische Engagement jenseits der Meerenge von Gibraltar angefacht und später auch römisches Interesse geweckt haben.201 Römische Unternehmungen bezüglich des Atlantik nahmen vermutlich erst mit P. Cornelius Scipio Aemilianus um 150 v. Chr. ihren Anfang. Während seines Aufenthaltes in Hispanien ließ Scipio bei den Kaufleuten Corbilos, Narbis und Massalias bezüglich der Seerouten zu den britannischen Inseln Informationen einholen. Doch blieb es bei der Informationsbeschaffung, eine Expeditionsfahrt führte er nicht durch.202 Das Befahren des Atlantiks versuchte wenige Jahre später D. 119; Huß (2001) 714; Schuller (2006) 65f., 82, 92, 105, 152; Heinen (2009) 84f. einschl. Anm. 279, 124. In einigen Punkten anders Bicknall (1977) 325–242, hier besonders 330–334; zurückhaltener Schäfer (2006) 154f. 200 Für den Atlantik besaßen die Römer verschiedenste Bezeichnungen. Oceanus bzw. mare Oceanum waren wohl am Geläufigsten, so zu finden bei Cic. Manil. 12; nat. deor. 3,24; rep. 2,20. 21; Caes. Gall. 4,10; Sall. Iug. 17; Varro de r.r. 1,2,4; Horat. Carm. 4,14,47; Liv. 23,5,11; Vell. 1,2,4; 2,106,3; Mela 3,1; Plin. n.h. 2,244; 4,107; Tac. Germ. 1,1; Flor. 1,22,38. 33,12; 2,10,2. 13,75–76. Doch auch Atlanticum mare (Cic. rep. 6,20. 21; Mela 1,21; Plin. n.h. 2,205; 3,5. 74; 4,114; 6,175. 200. 212) oder Oceanus Atlanticus (Mela 1,15. 25; Lucan 5,598; Plin.n.h. 3,3) waren gängige Bezeichnungen. Für die römische Wahrnehmung des Atlantik steht repräsentativ: Cic. ad. Q. fr. 3,3,1: „Mich beunruhigt schon das Meer dort und das Land“ (me autem iam et mare istuc et terra sollicitat). Ferner äußert Cicero seine Angst bei der detailgetreuen Schilderung der Ereignisse durch seinen Bruder, der Caesar während dessen gallischer Statthalterschaft und der Britannienexpeditionen begleitete. 201 Exemplarisch Warmington (1963) 72–81; Huß (1985) 83ff. 202 Pol. 34,10,6–7; Strab. 4,2,1. Wohlweißlich ließ Scipio später von Polybios eine Expeditionsfahrt entlang der afrikanischen Küste vornehmen, ob sie jedoch über die Säulen des Herakles hinaus führte, ist aus Pol. 34,15,7; Plin. n.h. 5,9 nicht ersichtlich, wird von Schulz (2005) 183 jedoch als Atlantikexpedition gedeutet. Andere Fragmente des Polybios bei Plin. n.h. 4,119 (= Detailinformationen zur der Küste Gades’ vorgelagerten Insel); 5,40 (= Längenangabe der afrikanischen Küste von der Meerenge Gibraltars bis Karthago) 6,206 (= Entfernungsangaben mit der Meerenge bei Gibraltar als Fixpunkt) entkräften Schulz’ Behauptung und bestätigen
2.4 Alter orbis – Roms Ausgreifen auf den Pontus Euxinus und das mare Oceanum
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Iunius Brutus.203 Er war während seiner Offensivkampagne von 138-136 v. Chr. gegen die Lusitaner und Callaici in den äußersten Westen und Nordwesten der iberischen Halbinsel vorgedrungen. Derart entfernt vom römisch kontrollierten Territorium wurde er von einer Versorgungsflotte begleitet, welche durch die Meerenge von Gibraltar entlang der iberischen Atlantikküste versegelt war, um den Nachschub für das Landheer von den Mündungen ausgehend auf den Flüssen Durius (heutiger Duero) und Tagus (heutiger Tajo) ins Landesinnere zu gewährleisten. Als Operationsbasis für seine Flotte diente ihm das an der Atlantikküste gelegene Olissipo (heutiges Lissabon), welches er zu diesem Zweck von seinen Truppen befestigen ließ.204 Als victor Oceani205 kehrte Brutus schließlich nach Rom zurück, wo er für seine militärischen Leistungen mit einem Triumph gewürdigt wurde.206 Ihm folgte auf dem Atlantik 81/80 v. Chr. Sertorius nach, als er die Säulen des Herakles hinter sich ließ und Kontakt zu den am Baetisdelta siedelnden Seefahrern aufnahm. Von deren nautischen und geographischen Kenntnissen profitierend begab er sich mit seiner Flotte auf die Suche nach den Inseln der Seeligen, die entweder als die Kanarischen Inseln oder aber als Madeira und Porto Santo identifiziert werden können. Doch die drohende Meuterei seiner Mitkombattanten zwang Sertorius zum Abbruch der Fahrt.207
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den Verdacht, dass Polybios bei seiner Fahrt zwar die Meerenge von Gibraltar erreichte, diese jedoch nicht passierte, geschweige denn den Atlantik befuhr. Einer solchen Tat hätte er sicherlich auch einige Zeilen in seinem Geschichtswerk gewidmet. Es muss spekulativ bleiben, ob nicht bereits der Praetor des Jahres 153 v. Chr. L. Mummius im Kampf gegen die Lusitaner die Meerenge von Gibraltar passierte und wenigstens für eine kurze Strecke den Atlantik befuhr, als er sein Heer nach Hispanien verschiffte. Wir wissen von Diod. 31,42,1, dass er in der Nähe des Feindes mit seinen Truppen an Land ging und dort von ihnen angegriffen wurde. Konstatiert man das Landungsgebiet mit dem Siedlungsgebiet der Lusitaner, so hätte L. Mummius über die Säulen des Herakles hinaus segeln müssen. Aus dem Bericht des App. Ib. 56 geht nicht hervor, dass Mummius eine Flotte zur Verfügung hatte; vgl. ferner Arce (1978) 93; Luik (2005) 49; Barceló (2007) 126ff. Zur Kampagne des Brutus in Hispanien Liv. per. 55. 56; Flor. 1,33,12; Strab. 3,3,1; Vell. 2,5,1; App. Ib. 71–72; Oros. 5,5,12; vgl. auch Arce (1978) 97f.; Brennan (2000) 179f.; Luik (2005) 71f.; Zu Olissipo vgl. Tovar (1976) 266ff. Zur Bewertung der Brutus-Kampagne vgl. Barceló (2007) 152: „De esta manera, la correría de Bruto traspasa los límites peninsulares y se inserta en un contexto ideológico global, como fue, por ejemplo, el cruce del Éufrates por las legions de Lucio Licinio Lúculo, o como sera más tarde el traspaso del Rin por las legions de César, o la travesía del Canal de la Mancha.“ Flor. 1,33,12: „Sieger über den Atlantik“. InscrIt 13, 1, p. 558, Degrassi; Eutrop. 4,19; Ovid. Fast. 6,461–462; Strab. 3,3,8; Vell. 2,5,1; Plin. n.h. 36,26. Plut. Sertorius 8,1–9,2. Durch Plut. Sertorius 13,4–6 können wir Sertorius’ Einflusssphäre während seines Aufstandes auf der iberischen Halbinsel bis zum heutigen Kap São Vicente an der Südwestspitze Portugals konstatieren, da die dort lebenden Bewohner Laccobrigas ihn unterstützten und nun auf dessen Hilfe bei der Belagerung durch Metellus hofften; vgl. dazu Tovar (1976) 208 , 257f. der das bei Plut. 13,4 genannte Λαγγοβρίτας richtig mit Laccobriga und nicht mit dem weiter nördlich gelegenen Langobriga identifiziert. Zur Identifikation der „Inseln der Seeligen“ vgl. Fischer (1910) 42f.; Schulten (1928) 630f.
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Ferner lässt sich die vom antiken Geographen Strabon tradierte Fahrt eines Publius Crassus entlang der iberischen Atlantikküste in diese Zeit datieren, der zur Erschließung des Zinnhandels die Inseln, auf denen das begehrte Edelmetall abgebaut wurde, aufsuchte.208 Doch blieben all diese Unternehmungen hinter denen eines Mannes zurück, der maßgeblich die römische Welt nach Westen hin erweiterte: C. Iulius Caesar. Aufbauend auf seinen Beziehungen, die er bereits während seiner Quaestur in Hispania ulterior zu den dortigen Honoratioren geknüpft hatte209, befuhr er mit iberischen Schiffen den Atlantik bis Brigantium, an der Nordwestspitze der iberischen Küste, und setzte sogar mit seinem Heer bei einer der Küste vorgelagerten Insel über. Später, während seiner gallischen Statthalterschaft unterwarf Caesar nicht nur die an der gallischen Atlantikküste siedelnden Stämme der Veneter, Uneller Osismer, Coriosoliten, Sesuvier, Aulerker und Redonen, sondern setzte von dort auch zweimal nach Britannien über.210 Doch trotz des Ausgreifens auf Britannien blieben längerfristige Okkupationsmaßnahmen aus und die große Insel sowie der Atlantik sollten in den Bürgerkriegen der Vergessenheit anheim fallen. Dieser alter orbis wird erst zu Zeiten von Caesars Erben erneut in den Fokus römischer Herrschaftsinteressen geraten und zu ihrem militärischen Betätigungsfeld werden. Ca. 2800-3000 Kilometer in direkter Luftlinie von den Säulen des Herakles entfernt ist das mare internum durch eine zweite Meerenge am Hellespont über die Propontis (Marmarameer) und dem Bosporus mit einem weiteren Binnenmeer verbunden, dem Pontus Euxinus (Schwarzes Meer). Anders als die Straße von Gibraltar gleichen der Hellespont und der Bosporus wahrlich einem Nadelöhr. Bei der Einfahrt von der Ägäis aus noch stolze vier Kilomter breit misst der 70 km lange Hellespont an seiner engsten Stelle lediglich 1800 m, der Bosporus bei seiner Länge von 32 km sogar nur 550 m. Zudem begünstigen die Meeresströmungen lediglich die Fahrt in eine Richtung, von Ost nach West. Die Propontis als Verbindungsmeer zwischen den beiden Durchfahrten, die Europa von Asien trennen, ist für die Seefahrt ein ungemütliches Gewässer; die zahlreichen Wracks auf dem Meeresboden vermitteln einen Eindruck von dessen Gefährlichkeit. 211 Die Küsten des Pontus Euxinus zählte zu den Herrschaftsgebieten verschiedenster Mächte, des bosporanischen Reiches auf der Krim im Norden, der freien griechischen Städte und thrakischen Stämme entlang der Westküste, sowie der pontischen und bithynischen Königreiche im Osten und Süden. Von all diesen bildete Bithynien, welches sich vom Bosporos im Westen bis zum Grenzfluss Hypios im Osten erstreckte, die „Pforte“ maritimer Herrschaftsansprüche der res 208 Strab. 3,5,11. Es bleibt letztlich unklar, ob der von Strabo erwähnte Crassus, der spanische Statthalter von 96–93 v. Ch – wie Brouhton II (1952) 10 annimmt – oder aber dessen Enkel war, der unter Caesar als Legat diente, dazu Anm. Kapitel Caesars Atlantikexpedition. Vgl. ferner zur Problematik der Identifikation der Person des Crassus Ward (1977) 74 Anm. 14. 209 Vgl. Anm.63 (Kapitel 4.3.1) 210 Vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel 4.3.1, S. 227ff. 211 Dazu Miltner (1935) 1–15; Richter (1983) 4; Mollet du Jourdain (1993) 32–36; Warnecke (1999a) 339; Rubel (2009) 336–345.
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publica populi romani. Bis in das erste vorchristliche Jahrhundert hinein hatten die bithynischen Könige versucht, trotz zunehmender römischer Präsenz auf dem asiatischen Kontinent, ihre Autonomie zu wahren – hier sei exemplarisch an die Gewährung „politischen“ Asyls für den Romgegner Hannibal durch Prusias I. erinnert.212 Doch mit der Expansion des benachbarten Reiches Pontos und der kriegerischen Konfrontation mit Rom war die Gefahr groß, zwischen die Fronten zu geraten und im Machtspiel um die Vorherrschaft über Asien und das Schwarze Meer als Kriegsbeute zu enden. Daher nimmt es auch nicht Wunder, dass der bithynische König Nikomedes IV. dem letzten pergamenischen Herrscher Attalos III. folgend per Testament sein Reich an Rom vermachte.213 Mit seinem Tod 74 v. Chr. trat Rom sein zweites „Erbe“ auf dem asiatischen Kontinent an und sollte einen direkten Zugang zum Pontus Euxinus erhalten. Zugleich brach sich mit der römischen Erbfolge der anhaltende Konflikt mit Mithridates VI. erneut Bahn. Dessen Reich Pontos hatte unter seinem Vorgänger Mithridates IV. zu den römischen Bundesgenossen des Ostens gezählt – Pontos hatte Rom im dritten Krieg gegen Karthago sogar mit Schiffskontingenten unterstützt – und verlief vom Westen an Bithynien angrenzend entlang der Schwarzmeerküste bis Trapezus im Osten.214 Doch seit dem Regierungsantritt Mithridates’ VI. hatte sich die politische Landkarte des Schwarzmeerraumes drastisch verändert, nicht zuletzt wegen der jahrelangen politischen und dynastischen Unruhen in 212 Strab. 12,4,3; Nep. Hann. 10,1–2; Iustin. 32,4,2–6; vgl. ferner Sherwin-White (1984) 44; Seibert (1993b) 524–529; Christ (2003) 150; Marek (2003) 30–36; Barceló (2004) 242ff. Die Gewährung des Asyls muss als Antwort auf Roms Parteinahme für Pergamon bei den Grenzstreitigkeiten zwischen Bithynien und Pergamon verstanden werden. Vor dem Krieg mit Antiochos III. hatte Rom nach Pol. 21,11,3–13; Liv. 37,25,8–14; App. Syr. 23 Prusias I. die Integrität seiner Gebietsansprüche bestätigt, um ihn nicht an den Seleukiden als Kriegsbündner zu verlieren. In der Senatskommission von 188 v. Chr. sollten jedoch die von Prusias besetzten Gebiete der Phrygia Epiktetos an Eumenes II. von Pergamon fallen, Pol. 21,40,10; Liv. 38,39,14–17; vgl. Habicht (1956) 90–110; Sherwin-White (1984) 44f. Später intervenierte Rom zu Gunsten Pergamons erneut, so bei Pol. 3,5,3; Liv. 39,46,9. 56,7; Diod. 31,35,1, App. Mithr. 3; vgl. Harris (1980) 862f.; Sherwin-White (1984) 45f. Zum bithynischen Reich siehe ferner Harris (1980) 858–862, 866ff; Bechert (1999) 107. 213 Liv. per. 93; App. Mithr. 71; vgl. Reinach (1975) 313ff, 317; Glew (1981) 109–130; SherwinWhite (1984) 159ff; Bengtson (1988) 168; Kallet-Marx (1995) 299; Christ (2000) 242; umfassend Magie I (2000) 302–320. Dem Testament ist ein Okkupationsversuch Mithridates VI. von 91 v. Chr. vorausgegangen, der nach dem Tod Nikomedes II. versucht hatte, gegen den legitimen Nachfolger Nikomedes III. dessen Stiefbruder Sokrates als Nikomedes IV. als pontischen Klientelkönig auf den bithynischen Thron zu installieren. Doch erreichte eine römische Gesandtschaft unter der Führung von M. Aquillius die Abdankung Sokrates bzw. Nikomedes IV. und die Inthronisation Nikomedes III., Liv. per. 74; App. Mithr. 10. 11. 13. 57; Memnon 22 FGrH 3B, 351f.; Iustin. 38,3,4. 5,8; vgl. Harris (1980) 864f. Wie weit Bithynien schon zum Spielball im Kampf zwischen Rom und Pontos geworden war, verdeutlicht das Bündnis zwischen Sertorius und Mithridates VI. sehr eindrücklich. Als Gegenleistung für die maritime Unerstützung hatte Sertorius dem pontischen König die Annektion Bithyniens u. anderer Gebiete auf asiatischem Boden versprochen. 214 CIL I² 73q = VI 30922a; App. Mithr. 10. 30. 38; vgl. Sherwin-White (1984) 42f. einschl. Anm. 90.
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Kleinasien, welche er sich für seine Expansionspolitik gegen Kappadokien, Galatien und Paphlagonien zu Nutze gemacht hatte.215 Alsbald konnte er die Krim und Tamanhalbinsel, die gesamte westliche Schwarzmeerküste, Kleinarmenien sowie die Kolchis zu seinem Einflussgebiet zählen, so dass eine pontische Thalassokratie über das Schwarze Meer Gestalt anzunehmen drohte. Zudem bestärkte er durch eine gezielte Propaganda antirömische Ressentiments in der Provinz Asia und in Griechenland.216 Die Konfrontation mit Rom war die logische Konsequenz. Im Jahr 88 v. Chr. passierte eine riesige pontische Armada unter dem Kommando des Archelaos den Bosporos, fiel in die Ägäis ein, wo sie die Kykladen, das von Athen abgefallene Delos, und die einstige Seemacht Rhodos attackierte und den athenischen Kriegshafen Piräus besetzte.217 Roms maritime Vormachtstellung im östlichen Mittelmeer war vom pontischen König herausgefordert worden. Insgesamt benötigte L. Cornelius Sulla im ersten mithridatischen Krieg drei Jahre, bis er mit der Flotte seines Proquaestors L. Licinius Lucullus die pontische Invasion im östlichen Mittelmeer zurück zu drängen vermochte. Nachdem er Mithridates’ VI. Truppen bei Chaironeia und Orchomenos 86 v. Chr. vernichtend geschlagen hatte, zwang er ihn in Kleinasien bei Dardanos zum Friedensschluss.218 Doch eine Lösung des Konfliktes war damit nicht erreicht, wie die kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 83/82 v. Chr. zeigen.219 Der Tod 215 Zu den Eroberungen Mithridates’ VI. und der wechselhaften Bündnispolitik vgl. Reinach (1975) 48–126; Sherwin-White (1984) 94ff, 102–131; Bengtson (1988) 150–155; KalletMarx (1995) 250–260; Strobel (1996) 170–182; Letzner (2000) 96–100, 149–152; Magie (2000) 195–216; Christ (2000) 193–199; (2003) 83; Keaveney (2005) 30f.; Heftner (2006) 161–164. 216 Vgl. die Analyse Deiningers (1971) 248–258 zur athenischen Opposition gegen Rom. Ferner Christ (2000) 199ff; Letzner (2000) 152f.; Magie (2000) 216; Heftner (2007) 164; Niebergall (2011) 1–20. 217 App. Mithr. 22; Plut. Sulla 11,1–3; Flor. 1,40,8. Vgl. Ferner Clark (1915) 70f.; Deininger (1971) 255f.; Reinach (1975) 133–144; Sherwin-White (1984) 135ff; Bengtson (1988) 155; Christ (2000) 202f.; Letzner (2000) 154f.; Magie (2000) 218ff; Heftner (2006) 166. 218 Liv. per. 83; App. Mithr. 56–58; Plut. Sulla 24,1–6; vgl. Sherwin-White (1984) 143f.; Letzner (2000) 207f.; Magie (2000) 228ff; Keaveney (2005) 88f. 219 Die Vereinbahrungen zwischen Sulla und Mithridates VI. ignorierend fiel Murena als Statthalter der provincia Asia in Kappadokien ein und griff die Stadt Komana an. Cic. Mur. 11; App. Mithr. 64; vgl. Christ (2000) 242. Weitere Eroberungen bei Bubon, Balbura und Oinoanda belegt durch Strabo 13,4,17 vgl. Sherwin White (1984) 149f., 152; Kallet-Marx (1995) 262f.; Magie I (2000) 241–245. Letzner (2000) 209f. begründet Sullas Entscheidung mit dessen Misstrauen. Angeblich habe er Murena vertraut und ihm daher die Belange in Asia übertragen. Wenig später überquerte Murena mehrfach den Fluss Halys, brandschatzte das umliegende Land und zwang Mithridates VI. am Ufer des Flusses zur Schlacht, dazu App. Mithr. 65–66; ferner Cic. Mur. 32; vgl. Reinach (1975) 297ff; Sherwin-White (1984) 150f. Für diese Überfälle auf pontisches Gebiet müssen ihm mehrere Schiffe zur Verfügung gestanden haben, denn aus einer Notiz bei Cic. Verr. 2,1,89 gehr hervor, dass Murena – vom Senat ermächtigt – das mit Rom verbündete Milet aufforderte, die Finanzierung für den Bau einer Flottille von zehn Schiffen zu übernehmen. Diese könnte Murena dann für die Überfahrten am Halys genutzt haben. Zudem berichtet App. Mithr. 93 von kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Murena und den dort ansässigen Seeräubern, vgl. dazu Kallet-Marx (1995) 274f.; De Souza (1999) 121f.; Magie (2000) 240f. Ob es dabei zum maritimen Schlagabtausch gekom-
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Nikomedes’ III. nun entzündete den schwelenden Konflikt zwischen Rom und Mithridates VI. erneut, denn seinem Königreich Bithynien kam eine Schlüsselposition zu: Wer Bithynien kontrollierte, kontrollierte auch die Propontis und damit die Seehandelsrouten vom Schwarzen Meer in die Ägäis. Zudem würde der „neue Herr“ Bithyniens mit den Hafenstädten Herakleia Pontike und Tios an der bithynischen Küste über einen sicheren Zugang zum Pontus Euxinus verfügen. Während Rom 75/74 v. Chr. Vorbereitungen traf, das Königreich Bithynien als neue provincia der res publica zu organisieren, schickte sich Mithridates VI. an, mit seinen Truppen von der Flotte begleitet entlang der Küste in die Propontis sowie Bithynien einzufallen und einen aus römischer Sicht illegitimen Erben Nikomedes’ III. als pontischen Klientelkönig zu inthronisieren.220 In den folgenden Kriegsjahren gelang Mithridates VI. mit der Besetzung Lampsakos am Hellespont zwar für kurze Zeit die Kontrolle der Propontis, doch zwang ihn die verlustreiche Belagerung von Kyzikos und die Gefangennahme seines Flottenkommandanten Aristonikos zum strategischen Rückzug vom Bosporos und zur schrittweisen Aufgabe sämtlicher Seebasen entlang der bithynischen und pontischen Küste.221 Als schließlich Pompeius Magnus die römische Kriegführung übernahm, war der Pontus Euxinus bereits nicht mehr in der Hand des Mithridates VI. Eine römische Blockadeflotte unter dem Befehl des Legaten Servilius kontrollierte sämtliche Seewege des Schwarzen Meeres und isolierte so den auf die Krim nach Tauros geflüchteten Mithridates VI.222 Mit dem Friedensschluss von 63 v. Chr. fiel neben dem ehemaligen Königreich Bithynien auch der Westteil des pontischen Reiches an Rom, welche von Pompeius zur provincia Bithynia et Pontos zusammengefasst wurden. Die übrig gebliebene „Konkursmasse“ des pontischen Reiches verteilte Pompeius unter den römischen Klientelkönigen, die im Krieg gegen Mithridates VI. Rom die Waffentreue gehalten hatten. In Anlehnung an die pontische Herrschaftsstruktur organisierte Pompeius das Gebiet von Trapezus im Osten bis zum Bosporos im Westen in mehrere so genannte Politien.223
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men ist, bleibt unklar. Sicher ist jedoch, dass Murena gezielt die Konfrontation mit Mithridates VI. suchte und die Notwendigkeit einer maritimen Waffe zur erfolgreichen Realisierung erkannte und seine Ressourcen dahingehend einsetzte. Zumal wenn man sich vergegenwärtigt, dass Mithridates VI. zu diesem Zeitpunkt maritime Rüstungen gegen die Bewohner des Bosporus betrieb, wie App. Mithr. 64 berichtet. Nach Letzner (2000) 301 habe Sulla Murena zum militärischen Vorgehen gegen Mithridates VI. ermutigt. Der römische Senat hatte den Statthalter der Provinz Asia M. Iuncus mit den Vorbereitungen der provincia-Einrichtung betraut, Vell. 2,42,3; Suet. Iul. 4; Plut. Caesar 2,3–4; Gell. 5,13,6, vgl. ferner Dahlheim (1977) 140f.; Magie I (2000) 250; II (2000) 1126 Anm. 44. Indes betraute der Senat beide Consuln des Jahres 74 v. Chr. mit der Kriegführung gegen Mithridates VI., vgl. dazu die Ausführungen im Kapitel 3.2.1. Zum Vorgehen Mithridates VI., Memnon 27, FGrH 3B 355; vgl. Reinach (1975) 314–318; Bengtson (1975) 270. Zu den Details der Seekriegführung vgl. die Ausführungen im Kapitel 3.2.1, S. 117f. Zur Rolle der Seestädte vgl. Bernhardt (1984) 64–70 Vgl. dazu Kapitel 3.2.3, S. 134. Die Zentren dieser höchstwahrscheinlich elf Politien bildeten nach Strab. 12,3,1.6.10– 11.14.16–17.30–31.37–38.40; App. Mithr. 115, Herakleia Pontike, Amastris, Sinope, Amisos, Amaseia sowie die von Pompeius gegründeten Städte Neapolis, Pompeiopolis, Magnopolis,
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2. Die Genese der römischen Thalassokratie
Während die östliche Schwarzmeerküste durch die provincia Bithynia et Pontos von Kalchedon bis Amisos unter römischer Kontrolle stand, war der römische Einfluss an der Westküste seit ca. 71 v. Chr. allein auf Bündnisse mit den dortigen Seestädten Apollonia, Mesembria, Odessos, Dionysopolis, Bizone, Kallatis, Parthenopolis, Tomis, Istros, Tyras und Olbia begrenzt. Diese Städte griechischen Ursprungs hatten seit dem vierten Jahrhundert v. Chr. durchgehend ihre Unabhängigkeit gegenüber fremden Herrschaftsansprüchen, etwa der Diadochen, des keltischen Königreiches Tyle oder thrakischer und getischer Stämme, behaupten müssen, zumeist erfolgreich.224 Doch gerade gegen die kriegerischen Stämme des Hinterlandes bedurfte es eines starken Schutzherrn – eine Position, welche das pontische Königreich nach dem Ende seleukidischer Schutzherrschaft bereitwillig einnahm. In den mithridatischen Kriegen blieben die Seestädte mit dem pontischen König verbündet und dienten der Flotte und dem Heer als Stützpunkte.225 Diese pontische Machtbasis an der westlichen Schwarzmeerküste wurde wegen der Nähe zur römischen provincia Macedonia zum Sicherheitsrisiko, wie der Einfall thrakischer Stämme unter pontischer Führung 88 v. Chr. verdeutlicht.226 Zudem war für Rom das Schreckgespenst einer pontischen Thalassokratie über den Pontus Euxinus mit der Schutzherrschaft über die griechischen Seestädte der Westküste nur allzu gegenwärtig. Daher entschloss man sich im Verlauf des dritten mithridatischen Krieges, gegen die griechischen Seestädte offensiv vorzugehen. Der Statthalter Makedoniens, M. Terentius Varro Lucullus, zog 72 v. Chr., nachdem er das thrakische Hinterland befriedet hatte, mit seinen Truppen gegen Apollonia, Mesembria, Odessos, Dionysopolis, Kallatis, Tomi und Istros und zwang sie zur Kapitulation. Doch entgegen ihrer Vorgehensweise an der östlichen Schwarzmeerküste gliederten die Römer die Städte nicht etwa in eine römische provincia ein, sondern schlossen lediglich foedera ab.227 Im Norden und Osten
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Diospolis und Zela. Zur Ordnung der Provinz durch Pompeius vgl. aus der Fülle der Literatur Gelzer (1949) 106f.; Wellesley (1953) 293–318; Marshall (1968) 103–109; Dahlheim (1977) 159, 280; Harris (1980) 869f.; Olshausen (1980) 905–908; Sherwin-White (1984) 226–234; Kallet-Marx (1995) 328–331; Jones (1998b) 154–163; Bechert (1999) 108; Seager (2002) 58; Marek (2003) 36–41;Christ (2004) 79–82. Vgl. Danov (1979) 42–60; Bernhardt (1985) 72f. Einzelne Seestädte wie Mesembria knüpften nach Pol. 25,2,12 bereits unter Pharnakes I. von Pontos Beziehungen zum pontischen Königreich; vgl. dazu Danov (1979) 96f.; Bernhardt (1985) 73. Ferner bezeugt dies auch eine aus Odessos stammende Inschrift, dazu Danov (1937) 56–59. Für das Jahr 72 / 71 v. Chr. ist eine pontische Besatzung in Apollonia inschriftlich belegt, dazu Danov (1979) 110 einschl. Anm. 325; Bernhardt (1985) 74. Zum seleukidischen Engagement vgl. Danov (1979) 79–84. Nach App. Mithr. 13. 15. 69 hatte Mithridates VI. in Thrakien Söldner und Bundesgenossen rekrutieren können. 88 v. Chr. dann fiel nach App. Mithr. 35; Memnon 22 FrgH 3B, 352; Plut. Sulla 11,4 das pontische Heer unter der Führung des Ariarathes von Thrakien in Makedonien ein und kämpfte gegen das römische Aufgebot unter Sentius Saturninus und Braetius Sura, vgl. dazu Danov (1979) 112; Kallet-Marx (1995) 40, 269f., 273. Liv. per. 97; Eutrop. 6,7,1. 9,1.10; Flor. 1,39,6; App. Ill. 30; Plut. Caesar 4,1; Oros. 6,3,4; Ammian. 27,4,11; vgl. Danov (1979) 115f.; Bernhardt (1985) 75. Ein solches foedus ist epigraphisch für Kallatis belegt, vgl. Danov (1979) 110f. Anm. 326. Dies lässt Bernhardt (1985) 75 vermuten, dass dies auch für alle übrigen Städte gegolten habe. Die Bindung der
2.4 Alter orbis – Roms Ausgreifen auf den Pontus Euxinus und das mare Oceanum
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des Pontus Euxinus beließ Rom mit dem bosporanischen Königreich, dem armenischen Reich und dem Galaterfürsten Deiotaros weite Küstenabschnitte in den Händen seiner Klientelstaaten. Mit der provincia Bithynia et Pontos war der erste Schritt auf dem Weg zur Eroberung des Pontus Euxinus bereits getan. Doch erst in der Kaiserzeit wird die römische Kontrolle der Schwarzmeerküsten durch die Einrichtung der provinciae Thracia, Moesia inferior und Cappadocia fortgesetzt werden. Die Gesamtküste wird jedoch zu keiner Zeit vollends unter römischer Herrschaft stehen, so dass dieses Meer ebenso wie der Atlantik von den Römern niemals als mare nostrum angesehen werden konnte.228
griechischen Städte an Rom muss als locker charakterisiert werden, wie die Abfallbewegungen einzelner Städte unter dem Proconsul C. Antonius Hybrida exemplifizieren, dazu Cass. Dio 38,10,2–3; ferner Danov (1979) 116f.; Papazoglou (1979) 319. Aufgrund des geringen römischen Engagements gerieten die Städte zwischenzeitlich unter die Vorherrschaft des Getenfürsten Burebista, so dass die Städte erst unter Augustus wieder unter römischer Kontrolle standen, vgl. dazu Danov (1979) 117–127. Bernhardt (1985) 77 bezweifelt, dass den Städten nochmals foedera gewährt wurden. 228 Reddé (1986) 253–269, 441ff. Zur Geographie der Provinz Marek (2003) 8ff.
3. DAS RÖMISCHE SEEKOMMANDO „Enque eodem mac[istratud bene│r] em navebos marid consol primos c[eset copiasque│c] lasesque navales primos ornavet pa[ravetque│[…] vique nave[is cepe]t cum socieis septer[esmom I, quin-│queresm] osque triresmosque naveis X[XX, merset XIII.│Aur]om captom praeda numei (tria milia septingentei),│[arcen]tom captom praeda numei (centum milia) [---│omne] captom aes (inter undetricies et tricies quater centena m.)│Triump]oque navaled praedad poplom [donavet]│“1
Derart erläutert die Inschrift der Columna rostrata den Aufgabenbereich, die Siege und Ehrungen des Consuls Caius Duilius, als er 260 v. Chr. das Kommando zur See durch den Senat erhalten hatte.2 Auf wenigen Zeilen scheint sich hier in Gänze eine Kurzcharakteristik des römischen Seekommandos zu finden: Per Senatsbeschluss wird einem obersten römischen Magistrat das Kommando über die Flotte und zugleich die Organisation des Baus bzw. der Instandhaltung, Ausrüstung und Bemannung der Schiffe übertragen. Sein imperium wird auf die Flotte einschließlich der Besatzungen erweitert und das Meer dadurch zu seiner provincia – sprich seinem Aufgabenbereich – erhoben. Bei erfolgreichem Ausgang der maritimen Operationen, die Seeschlachten und Beutezüge beinhalten konnten, lockte am Ende die Chance auf die höchste Ehrung römischer Feldherrn, den Triumph. Entspricht diese kurze Skizze wirklich der historischen Realität und sind deren Aussagen zutreffend für das Wesen des römischen Seekommandos? Ist sie nicht vielmehr ein chronologisches Schlaglicht und die Ballung von Kompetenzen, militärischen Siegen und Ehrungen allein der spezifischen Situation im Jahr 260 v. Chr. geschuldet, als Rom den offenen Seekrieg gegen Karthago nicht länger scheute? Wer befehligte, wann und mit welchen Kompetenzen, wie lange dieses wirkungsmächtige Instrumentarium einer antiken Thalassokratie? Welche Folgen brachte das Meer als Betätigungsfeld römischer Feldherren mit sich? Im Hinblick auf die Beantwortung dieser Fragen werfen wir zu Beginn einen Blick auf die Ursprünge maritimer Aktivitäten der res publica populi romani, bevor wir uns den verschiedenen Organisationsformen des römischen Seekommandos zuwenden und am Ende die Beschreibung der Handlungsfelder eines römischen Flottenkommandanten versuchen.
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Inscr.It. 13, 3, Nr. 69, Z. 5–17. Das Kommando zur See erhielt Duilius gleich von Beginn an, wie Bleckmann (2002) 113– 116, 129–131 unter Bezugnahme aller antiken Autoren und der Duilius Inschrift auf der columna rostrata überzeugend nachwies; anders Thiel (1954) 178; Warmington (1963) 185; Bagnall (1995) 84; Heftner (2002) 123; De Donato (2003) 9; Huß (2004) 163 oder Zimmermann (2005) 104, die der Tradition des Polybios (1,21,4. 22,1) folgen und dem zweiten Consul, Scipio Asina, das Seekommando zusprechen.
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3. Das römische Seekommando
3.1 DER ANFANG DES RÖMISCHEN SEEKOMMANDOS ODER DAS IMPERIUM DES DUILIUS ALS ANACHRONISTISCHES KONSTRUKT? 3.1DERANFGSÖCHIMKO Glaubt man den antiken Autoren – allen voran Polybios – so vollzog sich 260 v. Chr. eine epochale Wende in der Geschichte der römischen Republik. Denn erstmals in jenem Jahr habe sich Rom, welches bis dato in seinen Expansionsbestrebungen lediglich auf die Landnahme beschränkt gewesen sei, zum Seekrieg und zum Bau einer Kriegsflotte entschlossen.3 In polybianischer Tradition sprechen zahlreiche Autoren der aufstrebenden Tibermetropole bis 260 v. Chr. jedwede Form maritimer Ambition ab und bezeichnen sie in überspitzer Form als „maritime Nobodies“4 oder „landrubbers“5. Wie bereits weiter oben ausgeführt, zeichnet die römische Expansion in Italien jedoch ein anderes Bild. Die res publica populi romani orientierte sich schon sehr früh am Meer und war daher auch weit vor dem Jahr 260 v. Chr. auf See aktiv. Ein erstes Indiz hierfür liefern uns die römisch-karthagischen Verträge, welche von Polybios überliefert und von der Wissenschaft als glaubwürdig befunden wurden.6 In den Abkommen zwischen der Tiberstadt und Karthago ist dabei ausführlich von römischer Seefahrt und deren geographischer Einschränkung die Rede. Im ersten römisch-karthagischen Vertrag aus dem Jahr 508/507 v. Chr. beispielsweise heißt es: „Mit Schiffen sollen die Römer und deren Bundesgenossen nicht jenseits des Schönen Vorgebirges fahren, außer wenn sie durch Sturm oder Feinde dazu gezwungen werden.[…] Die aber des Handels wegen kommen, sollen kein Geschäft ohne Beisein eines Herolds oder Schreibers abschließen.[…] Wenn ein Römer nach Sizilien kommt, soweit es unter der Hoheit der Karthager steht, sollen die Römer in allem Gleichberechtigung genießen.“7
Aus dem Wortlaut des Vertragstextes wird ersichtlich, dass die beherrschende Seemacht des westlichen Mittelmeeres – Karthago – mit Rom eine Vereinbarung schloss, welche die maritimen Interessenssphären beider Städte wahren wollte. Vermutlich hatten sich die Einflussgebiete Roms und Karthagos auf dem Meer überschnitten und dies hatte zu Unstimmigkeiten geführt. Um eine Konfrontation zu vermeiden, wurden die gegenseitigen Interessensgebiete abgesteckt und gesichert. Es ist wohl offensichtlich, dass die Notwendigkeit eines solchen Vertrages ganz einfach nicht bestünde, würde Rom nicht schon zu diesem Zeitpunkt in der 3
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Pol. 1, 20. Die Forschung folgte Polybios unreflektiert, exemplarisch Thiel (1954) 72; Heuß (1970) 41 Anm. 59; Urban (1983) 14f.; Starr (1989) 55; Scullard (1989) 548; Bagnall (1995) 82f.; Lazenby (1996) 54; Heftner (2002) 122f.; Huß (2004) 163. Elliger (1990) 111. Thiel (1946) 70, 138f., 145, 149, 157, 164ff Wie etwa Mantel (1991) 23 festhält. Ähnlich Ameling (1993) 130; Aigner-Foresti (2003)147f. Für Huß (2004) 47f. steht die Historizität nicht einmal zur Debatte. Pol. 3,22,5.8.10: µὴπλεῖν [ µακραῖς ναυσί] Ῥωµαίους µηδὲ τοὺς Ῥωµαίων συµµάχους ἐπέκεινα τοῦ Καλοῦ ἀκρωτηρίου, ἐὰν µὴ ὑπὸ χειµῶνος ἢ πολεµίων ἀναγκασθῶσιν·[…] τοῖς δὲ κατ’ ἐµπορίαν παραγινοµένοις µηδὲν ἔστω τέλος πλὴν ἐπὶ κήρυκι ἢγραµµατεῖ […] ἐὰν Ῥωµαίων τις εἰς Σικελίαν παρα γίνηται, ἧς Καρχηδόνιοι ἐπάρχουσιν, ἴσα ἔστω τὰ Ῥωµαίων πάντα.
3.1 Der Anfang des römischen Seekommandos
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Seefahrt aktiv gewesen sein. Auch die Tatsache, dass daneben explizit auch die Bundesgenossen erwähnt werden, macht deutlich, dass nicht nur die Schiffskontingente der socii navales bereits in römischen Diensten die Meere befuhren; auch Rom muss Schiffe unterhalten haben, welche mit karthagischen Seestädten oder Seefahrern in Kontakt getreten waren.8 Fernerhin wird in dem Abkommen zwischen zwei Seefahrtsarten unterschieden. Während dem Seehandel keine geographische Limitation gesetzt wird, sondern lediglich bei Abschluss von Handelsbeziehungen das Beisein eines karthagischen Herolds oder Schreibers gefordert ist, wird der kriegerischen Seefahrt – zu der zu dieser Zeit vor allem die Piraterie zählte – die geographische Grenze des „Schönen Gebirges“ (Kap Farina) gesetzt.9 Da der Kontrakt in die Frühphase der römischen Republik zu datieren ist, kann bei den vertraglich angedeuteten Kaper- und Handelsfahrten nicht von staatlich organisierter Schifffahrt ausgegangen werden, sondern es handelte sich durchweg um private Unternehmungen einzelner mächtiger Adelsclans zu deren persönlichem Vorteil.10 Insbesondere die Piraterie, welche nicht nur die florierenden Seehandelsrouten gefährdete, sondern durch welche Seestädte, Umschlagplätze und Handelshäfen immer wieder Opfer von Überfällen wurden, stellte ein höchst lästiges Problem für Seehandel treibende Mächte wie etwa Karthago oder Massalia dar und bedurfte der Kontrolle. Der zweite römisch-karthagische Vertrag, der wohl 8
Anders Thiel (1954) 33–47; Heuß (1970) 53 Anm. 76, die für die Seeoperationen vor 260 v. Chr. ausschließlich Schiffskontingente der socii navales konstatieren. Für Abulafia (2011) 174f. kam römisch konstatierte Seefahrt zu dieser Zeit nur durch Handelsschiffe in Frage. 9 Pol. 3,23,2 konkretisiert diesen Sachverhalt in seiner nachfolgenden Interpretation des Vertragstextes, wenn er schreibt: „Über dieses Vorgebirge hinaus nach Süden wollen die Karthager ein für allemal nicht, dass die Römer mit Kriegsschiffen fahren, wie mir scheint, weil sie nicht wünschen, daß sie die Gegend der Byssatis und der kleinen Syrte kennenlernen, die sie Emporia, Handelsplätze, nennen, wegen der Güte des Landes.“ (οὗ καθάπαξ ἐπέκεινα πλεῖν ὡς πρὸς µεσηµβρίαν οὐκ οἴονται δεῖν οἱ Καρχηδόνιοι τοὺς Ῥωµαίους µακραῖς ναυσὶ διὰ τὸ µὴ βούλεσθαι γινώσκειν αὐτούς, ὡς ἐµοὶ δοκεῖ, µήτε τοὺς κατὰ τὴν Βυσσάτιν µήτε τοὺς κατὰ τὴν µικρὰν Σύρτιν τόπους, ἃ δὴ καλοῦσιν Ἐµπόρια, διὰ τὴν ἀρετὴν τῆς χώρας). Vgl. dazu Bringmann (2002) 39f.: „Es liegt auf der Hand, daß derartige Vereinbarungen nur zwischen Partnern möglich waren, die Zugang zum Meer hatten. […] Abgesehen von den Bestimmungen zum Schutz der Händler in fremdem Land ist es das Hauptanliegen des Vertrages, die Interessen der vertragsschließenden Parteien zu wahren, die sich aus der Existenz der von beiden Seiten betriebenen Piraterie ergaben. Karthago ging es darum, den Kaperern aus Rom und aus den Seestädten des römischen Untertanengebietes die karthagischen Gewässer südlich von Kap Farina zu verschließen.“ Vgl. Timpe (1990) 381; Scardigli (1991) 57–63, 65–76; Ameling (1993) 142–147; Bringmann (2001) 111ff; (2002) 38–42; Huß (2004) 47–53; Zimmermann (2005) 6–9. Die Folgen des Vertrages für Karthago etwa für Interessensgebiete in Hispanien bei Barceló (1988) 87–96 oder für die karthagische Piraterie bei Ameling (1993) 130–134. 10 Bringmann (2002) 18: „Nicht nur in Rom, sondern auch im weiteren Umkreis der italischen Halbinsel spielte unter den Bedingungen vor- und frühstaatlicher Verhältnisse der Privatkrieg adliger Gefolgschaften eine Schlüsselrolle im Prozeß der Akkumulierung beweglicher Güter, der Entstehung des Handels und vor allem bei den Versuchen gewaltsamer Landnahme. Von einem staatlichen Kriegsmonopol konnte noch gar keine Rede sein, […]. Im sechsten und fünften Jahrhundert war der Privatkrieg keinesfalls auf das Meer und die Küstenregionen beschränkt.“ Vgl. Timpe (1990) 371–387; ferner Scardigli (1991) 63f.
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3. Das römische Seekommando
aus dem Jahr 348 v. Chr. stammt11, präzisiert die geographischen Grenzen der römischen Seefahrt für Nordafrika und fügt Küstengebiete auf der iberischen Halbinsel dem Embargo hinzu.12 In die gleiche Zeit fällt ein Hinweis aus dem Geschichtswerk des Livius. Nachdem der Consul C. Maenius 338 v. Chr. erfolgreich am Fluss Astura das Truppenaufgebot der alliierten latinischen Städte Aricia, Lanuvium und Velitrae mit der Seestadt Antium niedergeschlagen hatte – wobei letzte Zweifel an der Beteiligung von Schiffen nicht ausgeräumt werden können13 –, wurden die erbeuteten Schiffe der Antiaten teils verbrannt, teils nach Rom in die Schiffshäuser gebracht.14 Die Tiberstadt muss also schon zu diesem Zeitpunkt Anlagen für die Unterbringung großer Holzschiffe unterhalten haben.15 Wenige Jahre darauf installierte Rom mit den duumviri navales ein Amt in seinen Verwaltungsapparat, welches das Kommando über zwei Flottillen zu je 10 Schiffen bedeutete, und mit dessen Hilfe die Küstenstriche römischer Interessensgebiete vor Piraterie und Überfällen gesichert werden sollten.16 Doch neben dem defensiven Einsatz kam den beiden Flottillen auch eine offensive Rolle zu, beispielsweise 311 v. Chr., während des zweiten Samnitenkrieges, als der duumvir P. Cornelius mit seinen Schiffen in unmittelbarer Nähe von Pompeji landete, um im Landesinnern, im Gebiet um Nuceria, Plünderungszüge durchzuführen.17 Ebenso nutzte Rom die 11 Unter Bezugnahme der Angaben zum Vertrag bei Liv. 7,27,2 und Diod. 16,69,1. Vgl. Zimmermann (2005) 10. Anders Bringmann (2001) 116ff, der den von Livius und Diodor erwähnten Vertrag als ersten römisch-karthagischen Vertrag identifiziert. 12 Pol. 3,24,4–5: „Die Römer sollen jenseits des Schönen Gebirges und von Mastia Tarseїos weder Kaperei oder Handel treiben noch eine Stadt gründen.“ (τοῦ Καλοῦ ἀκρωτηρίου, Μαστίας Ταρσηίου, µὴ λῄζεσθαι ἐπέκεινα Ῥωµαίους µηδ᾽ ἐµπορεύεσθαι µηδὲ πόλιν κτίζειν). Während der römischen Piraterie weiterhin die gleichen Schranken gesetzt wurden, konzentrierte Karthago den Handel mit Rom zunehmend auf die Mutterstadt und Sizilien untersagte ihn für weitere Kolonien außerhalb Nordafrikas. Vgl. dazu Timpe (1990) 381f.; Scardigli (1991) 89–116; Bringmann (2002) 40ff; Huß (2004) 99–105; Zimmermann (2005) 10ff. Zu den Auswirkungen des Vertrages für Karthago vgl. Barceló (1988) 133–143. 13 Anders als Liv. 8,13,5 spielt Flor. 1,5,10 sehr wohl auf ein Seegefecht an. Anders Alföldi (1977) 309. Zum Fluss Astura vgl. die Ausführungen von Strab. 5,3,6; Plin. n.h. 3,57; Fest. 418–419; Serv. Ad. Aen. 7,801. 14 Liv. 8,14,12. Außerdem führte man die Rammsporne der erbeuteten antiatischen Schiffe als maritime spolia nach Rom und brachte sie an der Rednertribüne an, Plin. n.h. 34,20; Flor. 1,5,10. 15 Gerade im Winter lagerten die Holzrümpfe im Trockenen, um sie vor dem schädlichen Einfluss des Salzwassers zu schützen, vgl. Höckmann (1985) 153ff. Dass die Schiffe der Antiaten nachfolgend nicht in Gebrauch gewesen sein sollen, erscheint sehr unwahrscheinlich. 16 Liv. 9,30,4; per. 12; vgl. Starr (1943) 57f.; Forsythe (2005) 303, 339; Abulafia (2011) 175f. Thiel (1954) 32 geht davon aus, dass sich die Flottillen nicht aus Schiffen der socii navales zusammensetzten. Zu den duumviri navales vgl. die Ausführungen im Kapitel 3.2.5, S. 150 17 Nach dem erfolgreichen Beutezug wurden die Seemänner bei der Rückkehr zu ihren Schiffen jedoch von den Bewohnern überrascht und angegriffen. Nur ein Teil der Schiffsbesatzungen konnte fliehen, Liv. 9,38,3; Diod. 19,65,7. Thiel (1954) 10 bewertet die militärische Aktion als Fehlschlag, da sie nicht zur Unterwerfung von Nuceria führte, sondern dies erst zwei Jahre später durch ein römisches Landheer geschah, wie Liv. 9,41,3 berichtet. Thiel entwirft durch seine anachronistische Bewertung ein verzerrtes Bild der Seeoperation des duumvir Corneli-
3.1 Der Anfang des römischen Seekommandos
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Flottillen bei der Ausführung seiner Schutzherrschaft über die Seestädte Thuri, Locroi und Rhegium, als diese von den süditalischen Stämmen der Lucani und Bruttii angegriffen wurden: Zusätzlich zum Landheer entsandte der Consul C. Fabricius Luscinus einen duumvir mit Flotte18, der entlang der tyrrhenischen Küste über das Promunturium Lacinion (Capo Colonne) hinaus in den tarentinischen Golf segelte und dadurch den mit Tarent geschlossenen Vertrag von 301 v. Chr. verletzte.19 Tarent antwortete umgehend auf den Vertragsbruch der Römer mit einem Angriff, bei dem ein Teil der Flottille zerstört wurde. Der maritime Zwischenfall im tarentinischen Golf weitete sich zu einem Jahre andauernden Konflikt aus, der den Molosserkönig Pyrrhos auf den Plan rief.20 Für die Kriegführung gegen Pyrrhos sah Rom sich zu einem neuerlichen Vertragsschluss mit Karthago gezwungen, der karthagische Hilfeleistungen zur See festschrieb. 21
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us. Bei Livius findet sich kein Hinweis auf die Order des Senats für Cornelius, Nuceria zu erobern. Es ist falsch, davon auszugehen, dass Rom schon im Jahr 310 v. Chr. die Eroberung Nucerias vorsah. Demnach wird 310 v. Chr. lediglich die Plünderung im Zentrum des Interesses gestanden haben (wie Livius berichtet). Zu den Samnitenkriegen Liv. 9, 35,1–37,10; vgl. zudem Salmon (1970) 57–62; Frederiksen (1984) 207–216; Bengtson (1988) 42f.; Bleicken (1992) 33f.; Heuss (2001) 48f.; Bringmann (2002) 43ff; Heftner (2005) 19f. C. Fabricius Luscinus war mit dem Kampf gegen die süditalischen Stämme beauftragt worden und erhielt für seine Verdienste den Triumph, Dion. Hal. 19,13,2. 16,6; Liv. per. 12; Val. Max. 1,8,6; Plin. n.h. 9,118; 34,32; Strab. 6,1,13; App. Samn. 7; Amm. Marc. 24,4,24; vgl. Frederiksen (1984) 222f. Ein direkter Befehl oder die Order des Consuls ist literarisch nicht verbrieft. Wohl aber wird Fabricius um die Notwendigkeit von Schiffen bei der Entsetzung einer Stadt, die mit ihrem Hafen Zugang zum Meer besitzt, gewusst haben. Immerhin hatte Rom nach Liv. 8,22,5– 23,13; 25,5–26; Dion. Hal. 15,5 diese Erfahrungen bei der Belagerung Paleopolis (Neapolis) schmerzlich machen müssen. Um wie viel schwieriger gestaltet sich die Sprengung eines Belagerungsringes. Daher ist von einem autonomen Handeln des duumvir nicht auszugehen. Die Identität des duumvir ist nicht vollends zu klären. Während App. Samn. 7,1 von einem Cornelius spricht, erwähnen Cass. Dio frg. 39,4 und Zon. 8,2 einen gewissen L. Valerius; ferner dazu Liv. per. 12; Oros. 4,1,1. Zum Vertrag zwischen Rom und Tarent, der ein Einfahren in den tarentinischen Golf für römische Schiffe verbot, Liv. per. 12; App. Samn. 7; vgl. Hoffmann (1936) 11–24; Schmitt (1969) 60f. (444). App. Samn. 7,1–2; Cass. Dio fr. 39,5; Zon. 8,2,2; Oros. 4,1,1. Die prorömische Sicht spricht die Tiberstadt frei von Schuld und beschuldigt Tarent der Aggression, etwa Bengtson (1988) 46; Bleicken (1992) 36f.; Heftner (2005) 24. Anders Heuß (2001) 53; Bringmann (2002) 87. Zu den Pyrrhoskriegen vgl. deren Behandlung in den Quellen bei Plut. Pyrrhus 13,2–25,5; Iustin. 17,2,11–15; 18,1,1–11; 23,3,1; 25,3,1–5; Dion. Hal. 19,8–20,12; Cass. Dio frg. 33; 39– 42; Zon. 8,2–6; ferner bei Bengtson (1988) 46–50; Scardigli (1991) 169; Heuss (2001) 53–56; Bringmann (2002) 87–92; Hof (2002) 20–67; Heftner (2005) 26–42. Pol. 3,25,4–5:„Welche von beiden immer der Hilfe bedürfen, so sollen die Karthager die Schiffe stellen sowohl zum Transport wie zum Angriff, den Sold dagegen soll jeder von beiden Teilen für seine Leute selbst übernehmen. Die Karthager sollen den Römern nötigenfalls auch zur See Beistand leisten. Die Schiffsbemannung aber soll niemand zwingen, wider ihren Willen an Land zu gehen.“ (ὁπότεροι δ’ ἂν χρείαν ἔχωσι τῆς βοηθείας, τὰ πλοῖα παρεχέτωσαν Καρχηδόνιοι καὶ εἰς τὴν ὁδὸν καὶ εἰς τὴν ἄφοδον, τὰ δὲ ὀψώνια τοῖς αὑτῶν ἑκάτεροι. Καρχηδόνιοι δὲ καὶ κατὰ θάλατταν Ῥωµαίοις βοηθείτωσαν, ἂν χρεία ᾖ. τὰ δὲ πληρώµατα µηδεὶς ἀναγκαζέτω ἐκβαίνειν ἀκουσίως). Dieser Kooperationsvertrag zwischen Rom und Karthago schreibt zwar die maritimen Hilfsdienste Karthagos für Rom fest, kann jedoch nicht als
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3. Das römische Seekommando
Schließlich entkräftet eine von der altertumswissenschaftlichen Forschung in diesem Zusammenhang stark vernachlässigte Notiz aus dem Geschichtswerk des Piso, die von Plinius tradiert wurde, das polybianische Konstrukt des ersten Flottenbaus im Jahr 260 v. Chr. Dort heißt es, dass bereits für den Krieg gegen Hieron II. von Syrakus innerhalb von 45 Tagen 220 Kriegsschiffe vom Stapel liefen.22 Da man jedoch 263 v. Chr. Frieden mit dem syrakusischen Tyrannen geschlossen hatte, muss die von Piso erwähnte Flottenrüstung Roms deutlich vor 263 v. Chr. datiert werden.23 Das würde bedeuten, dass die res publica populi romani zum Zeitpunkt des von Polybios erwähnten Flottenbaus im Jahr 261/260 v. Chr. bereits über eine einsatzfähige Kriegsflotte von mindestens 220 Einheiten verfügte, die wohl aufgrund der geringen Bauzeit aus kleineren Schiffen (vermutlich Triremen Beweis herangeführt werden, dass Rom auf dem Meer nicht aktiv war. Bei genauer Analyse des Vertragspassus wird deutlich, dass lediglich festgeschrieben wurde, dass Karthago beim Angriff auf Rom zu Wasser Hilfe zu leisten habe und wenn es selbst angegriffen würde, für sich selbst auf See kämpfe und von Rom keine maritime Unterstützung zu erwarten habe. Ein Indiz für eine mögliche Beteiligung römischer Schiffe und Besatzungen an den maritimen Operationen liefert der Zusatz, dass der Sold der Truppen – wobei keine Unterscheidung zwischen Land- und Seeoffizieren vorgenommen wurde – von jeder Vertragspartei selbst zu entrichten sei. Zur Deutung des Vertrages etwa Hof (2002) 33–48, die deutlich macht, dass jede Vertragspartei separat Krieg gegen Pyrrhos führt und die Kooperation nur im äußersten Notfall annimmt. Entschärfter Zimmermann (2005) 15–18, der den Verzicht auf Separatfrieden hervorhebt; ferner Hoyos (1984) 403–437; Scardigli (1991) 170–192. Dass es Kooperationen zwischen Rom und Karthago gab, die eine Übernahme der maritimen Aufgaben auf Seiten Karthagos festlegten, sieht Schulz (2000) 427f. schon für den zweiten römisch-karthagischen Vertrag. 22 Plin. n.h. 16,192.: „L. Piso schreibt gar, dass wider den König Hiero eine Flotte von 220 Schiffen in 45 Tagen gezimmert sei“ (contra vero Hieronem regem CCXX naves efferctas diebus XLV tradit L. Piso). Negation der Korrektheit des Piso-Traktats bei Reuss (1909) 415. Nach Molthagen (1975) 89–127 hatten sich die römischen Interventionen auf Sizilien zunächst nur gegen Hieron II. von Syrakus gerichtet. Erst ab 262 v. Chr. löst Karthago den syrakusischen Tyrannen als römischen Kriegsgegner ab. Dagegen argumentiert Welwei (1978) 573–587. 23 Hof (2002) 91–109 datiert den Zeitpunkt der römischen Intervention auf Sizilien bereits in das Jahr 268 v. Chr. Dabei geht sie von der korrekten Datierung der Schlacht am Longanos gegen Hieron II. und den Mamertinern für das Jahr 269 v. Chr. aus. Als Folge schickten die Mamertiner eine Gesandtschaft mit einem Hilfegesuch nach Rom. Rom wiederum entsandte – nach Hof – 268 v. Chr. den Consul A. Claudius Russus nach Sizilien, um die Mamertiner von der Vorherrschaft Hierons II. zu befreien. Hof interpretiert die missverständlichen Angaben bei Pol. 1,11,3–9 zu der Militärkampagne des Consul A. Claudius Caudex im Jahr 264 v. Chr. als zwei zeitlich deutlich getrennte Übergänge (1. Mal: 268 v. Chr./ 2. Mal: 264 v. Chr.) zweier römischer Consuln nach Sizilien. Anders Warmington (1963) 180; Heuß (1970) 45; Bagnall (1995) 69–72; Bleckmann (2002) 78–84; Huß (2004) 155–158; Heftner (2005) 111– 115. Nach Zimmermann (2005) 20f. wurde das Hilfegesuch der Mamertiner 269 v. Chr., welches die Unterstützung gegen Hieron II. von Syrakus beinhaltete, nur an Karthago gesandt. Dem Inhalt des zweiten Hilfegesuchs im Jahr 264 v. Chr. nach suchten die Mamertiner nun Hilfe gegen die karthagische Besatzung in Messana, die dort seit 269 v. Chr. herrschte. Zu den karthagisch-mamertinischen Beziehungen vgl. Hans (1983) 99–102. Zu der Forschungskontroverse bezüglich der Datierungsversuche vgl. Hampl (1972) 413–427; Hans (1983) 91 Anm. 181; Hoyos (1998) 32–46; Hof (2002) 120–125.
3.1 Der Anfang des römischen Seekommandos
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oder Liburnae) bestand.24 Dies führt unweigerlich zu der Frage, welche Art von Schiffen schließlich von Duilius 261/260 v. Chr. in den Werften Roms unter Hochdruck gefertigt wurden. In der Synthese beider Quellenaussagen (Polybios und Piso) lässt sich folgendes Szenario entwerfen: Das Bauprogramm des Duilius 261/260 v. Chr. wird neben der Reparatur und Ausbesserung der bereits bestehenden Schiffskontingente von 220 Einheiten die Konstruktion der in der Folge kriegsentscheidenden Penteren und einiger zusätzlicher Trieren beinhaltet haben.25 Bis dahin hatte die für den Krieg gegen Hieron II. erbaute Flotte den amtierenden Consuln von 264-261 v. Chr. wahrscheinlich ausschließlich für den Transport ihrer Truppen von Italien nach Sizilien gedient.26 24 De Donato (2003) 4ff. 25 Die genauere Analyse der Satzkonstruktion bei Pol. 1,20,9: „Da sie nämlich sahen, dass sich der Krieg in die Länge zog, gingen sie daran – es war das erstemal –, Schiffe zu bauen, hundert Fünfruderer und zwanzig Dreiruderer.“ (θεωροῦντες δὲ τὸν πόλεµον αὑτοῖς τριβὴν λαµβάνοντα, τότε πρῶτον ἐπεβάλοντο ναυπηγεῖσθαι σκάφη, πεντηρικὰ µὲν ἑκατόν, εἴκοσι δὲ τριήρεις) lässt durchaus den Schluss zu, dass Polybios’ Erwähnung des Erstbaus sich nicht auf die Flotte als Ganzes sondern vielmehr auf den Bau der Penteren bezieht. Dies wird von der Aussage gestützt, dass im italischen Raum – der weitestgehend zum Einflussgebiet Roms zählte – solche Schiffe bisher nicht in Gebrauch waren. Der Nichtgebrauch anderer Schiffstypen, wie etwa Trieren oder Liburnen, findet sich in den Quellen nicht. Demnach läge es im Interesse des Polybios, den Bau Penteren für das Jahr 261/ 260 v. Chr. besonders hervorzuheben, da diese Schiffe nicht nur von imposanter Größe sondern zudem aus rückschauender Perspektive kriegsentscheidend waren; vgl. Walbank I (1957) 74. Für diese These spricht auch die von Plin. n.h. 16,192 angegebene Bauzeit im Jahr 260 v. Chr. von 60 Tagen, wenn man zudem bedenkt, dass im Vergleich dazu Polybios für den Bau von 220 Penteren im Jahr 254 v. Chr. 3 Monate – also das 5 fache an Zeit veranschlagt und zugleich aber seine Bewunderung für diese extrem kurze Bauzeit betont. Trotz einkalkulierter Über- oder Untertreibungen, welche nunmal Zahlenangaben in antiken Quellen anhaftet, bleibt die scharfe Diskrepanz beider Bauzeiten bestehen. 26 Für das Jahr 264 v. Chr. behauptete Pol. 1,20,13–14 zwar, dass die Römer beim ersten Übersetzen ihrer Truppen nach Messana überhaupt keine Schiffe besessen sondern auf die Kontingente der socii navales zurückgegriffen hätten. Mag diese Einschätzung korrekt sein, so ist nach dem Zeitpunkt dieses ersten Transportes nach Sizilien zu fragen. In der communis opinio der Forschung, die sich allein auf Polybios’ Bericht stützt, erfolgte das erste Übersetzen durch den Consul Appius Claudius. Doch unter Bezugnahme von Zon. 8,8,6; Diod. 23,1,2 wird deutlich, dass Appius Claudius keinesfalls der Kommandant der ersten Landungstruppen auf Sizilien war. Stattdessen war eine Vorausabteilung unter dem Kommando des Tribunen Claudius auf Befehl des Appius Claudius nach Sizilien übergesetzt. Aufgrund der Namensähnlichkeit beider Befehlshaber und des fehlenden Berichts der Detachierung der Vorhut müssen wir eine Konfusion zwischen dem Stoßtrupp des Claudius und den militärischen Aktionen des Consul Claudius im Geschichtswerk des Polybios annehmen. Demnach lässt sich der Transport des Tribunen Claudius mittels der Kontingente der socii navales konstatieren, während der Consul Appius Claudius ungeachtet eines Scheiterns dieser ersten Offensive den Übergang des consularischen Heeres mit Hilfe der römischen Kontingente, deren Bau durch Plinius bezeugt ist, realisieren konnte. Zu den Konfusionen der beiden Kommandos bei Polybios, Bleckmann (2002) 78f. Anm. 1; Hof (2002) 96–99. Vgl. ferner nochmals Hof (2002) 125ff, welche die Konvulsionen um C. Claudius und Appius Claudius mit einem Alternativvorschlag löst. Demnach reklamiert sie die militärischen Handlungen des C. Claudius für Appius Claudius Russus, Consul von 268 v. Chr. Ihrem Chronologievorschlag nach intervenier-
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3. Das römische Seekommando
Dennoch findet sich auch noch in neueren Arbeiten das von Polybios entworfene und von der altertumswissenschaftlichen Forschung übernommene Bild einer Jungfernfahrt der römischen Marine als ein Siegeszug gegen die das westliche Mittelmeer beherrschende Thalassokratie Karthagos im fulminanten Seesieg bei Mylae. Diese Darstellung wird verstärkt durch die Überfrachtung dieses maritimen Erfolges in der kollektiven memoria der Römer: An der Ehrensäule des Duilius, der columna rostrata, prangten die Schiffsschnäbel der besiegten karthagischen Schiffe, die Triumphalfasten rühmen Duilius in der scheinbar endlosen Aufzählung römischer Triumphatoren als ersten Seetriumphator und sein Konterfei in der Halle der summi viri bezeugt seinen Einsatz für die erfolgreiche Expansion der aufstrebenden Macht Rom. Der Flottenbau stellt nicht das eigentliche Novum dar, sondern die Tatsache, dass mit Duilius ein Consul, der höchste römische Magistrat der res publica populi romani, mit dem Bau, der Ausrüstung, Bemannung, Instandsetzung und dem Oberbefehl über eine Flotte beauftragt, dass diese consularische Flotte statt des Truppentransportes für den offenen Kampf auf See eingesetzt, dass die maritime Sieghaftigkeit durch den triumphus navalis honoriert und schließlich dass das Meer zur consularischen provincia bestimmt worden war.27 Durch die Überfrachtung dieser einen Person, dieses einen Jahres, dieses einen Seesieges werden die maritimen Handlungen Roms vor 260 v. Chr. zunehmend unscharf für den Betrachter und verblassen. Doch die hier angeführten Hinweise korrigieren das polybianische Bild um wesentliche Facetten und die Anfänge des römischen Seekommandos, welches eng mit den Anfängen der römischen Flotte verknüpft ist, lassen sich weit vor das Jahr 260 v. Chr. datieren. 3.2 ARTIKULATIONSFORMEN DES RÖMISCHEN SEEKOMMANDOS Durch den ersten römisch-karthagischen Krieg gewann die Flotte als Kriegswaffe eine entscheidende Bedeutung. Daraus erwuchs die Notwendigkeit, das Meer als Bestandteil der consularischen provincia zu erfassen und das Kommando über die Seestreitkräfte Roms zu organisieren. Ein systematischer Diskurs des Seekommandos in der Zeitspanne zwischen dem ersten römisch-karthagischen Krieg und der Schlacht von Actium mag einen Einblick in die Komplexität, Vielgestaltigkeit und Dynamik der Organisation dieses Machtinstrumentariums liefern. 3. 2 ARTIKULATION SFO RMEN DES RÖMI SCHEN SEEKO MMANDO S
ten die Römer schon 268 v. Chr. auf Sizilien und unterhielten ab da bis 264 v. Chr. bereits eine Besatzung in Messana. 27 Ebenso ist für Östenberg (2003) Duilius nicht „[…] the first to celebrate a triumph after a victory at sea, his procession was also first in a row that are specifically labelled triumphi navales in the Fasti triumphales and other sources.“ Frederiksen (1984) 226 betont, dass der Flottenbau von 260 v. Chr. ohne die Unterstützung der socii navales durchgeführt worden war.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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3.2.1 Das consularische Seekommando Das consularische Seekommando findet seinen Anfang in den Auseinandersetzungen Roms mit Karthago, die sich im ersten römisch-karthagischen Krieg (264241 v. Chr.) entluden. Das Meer als potentieller Austragungsort militärischer Auseinandersetzungen rückte bis zum Jahr 260 v. Chr. nicht in den Fokus der römischen Strategie. Denn schließlich war man zu dieser Zeit mit dem Kampf um die Vorherrschaft auf der Insel Sizilien beschäftigt. Dabei bestimmten die Belagerungen von Städten wie Messana und Agrigent oder der Abfall einzelner, der karthagischen επικράτεια angehörenden sizilischen πολεις wie Segesta, Halikyai, Ilaros, Tyrittos oder Askelos den Handlungsrahmen der Consuln der Jahre 264 bis 261 v. Chr. Diese Kämpfe boten sowohl die Chance, einer anstehenden römischen Machtkonsolidierung den Weg zu ebnen, als auch durch Plünderung der Städte Beute zu machen. Daher hatte man zu Beginn des ersten römisch-karthagischen Krieges Schiffe in erster Linie genutzt, um die Landstreitkräfte, wie Infanterie und Kavallerie in außeritalisches Kampfgebiet zu eskortieren.28 Der Consul A. Claudius Caudex etwa nutzte 264 v. Chr. Schiffe ausschließlich dazu, sein ZweiLegionen-Heer von Rhegium aus zur Nordspitze Siziliens zu verschiffen.29 In den drei darauf folgenden Kriegsjahren intensivierte Rom seine Bemühungen auf Sizilien und es wurden jeweils zwei consularische Heere auf die Insel detachiert.30 Da immer beiden Consuln – 263 v. Chr. M. Valerius Messala und M. Otacilius, 262 v. Chr. L. Postumius Megellus und Q. Mamilius Vitulus, 261 v. Chr. L. Valerius und T. Otacilius – der Befehl über je zwei Legionen erteilt wurde, operierten sie teils unabhängig voneinander und teils in Kooperation, aber immer ausschließlich zu Lande.31 28 Von einer Versorgung der Heere über den Schiffsweg ist nicht auszugehen, da immer wieder von Versorgungsschwierigkeiten die Rede ist, Pol. 1,17,2; 18,8–10; Diod. 23,9,1; vgl. Roth (1999) 158. Ferner soll der Friedensvertrag mit Hieron II. von Syrakus Versorgungsleistungen seinerseits für das römische Heer mit eingeschlossen haben. Da die Versorgung der Legionen durch Hieron II. und dem Anlegen von Versorgungsdepots wie bei Herbessos als gesichert galt, werden m. E. die Kosten, die Versorgung durch Schiffe zu gewährleisten in Anbetracht der karthagischen Dominanz auf See zu groß gewesen sein. 29 Da die Meerenge von Messana von den Karthagern blockiert worden war, versuchte Claudius den Übergang des Nachts. Zum Kommando des A. Claudius Caudex siehe Bagnall (1995) 69–74; Lazenby (1996) 48–51; Hoyos (1998) 82–104; Bleckmann (2002) 78–84; Huß (2004) 158ff; Heftner (2005) 114–117. Zu einer anderen Einschätzung seiner Leistungen kommt Warmington (1963) 181f., der die errungenen Siege für Manius Valerius beansprucht. Hof (2002) 96–109 ordnet einige militärische Leistungen dem Consul des Jahres 268 v. Chr. A. Claudius Russus zu, um ihre These von der ersten römischen Intervention auf Sizilien für das Jahr 268 v. Chr. zu stützen. 30 Zwar spricht Pol. 1,17,1 von einer Halbierung der Truppen für das Jahr 262 v. Chr., anders Zon. 8,10,1. Von vier Legionen gehen auch aus Warmington (1963) 182; Bleckmann (2002) 96f.; Huß (2004) 162; Heftner (2005) 119; unschlüssig Heuss (1970) 47f. Zwei Legionen nimmt Lazenby (1996) 54f. an. 31 Für das Kriegsjahr 263 v. Chr. berichtet Zon. 8,9,16 von getrennten militärischen Operationen der beiden Consuln Valerius und Otacilius, während Pol. 1,16,1–4 von gemeinsamen Aktionen ausgeht, vgl. Bleckmann (2002) 87ff, der die Nuancierung von Zonaras unterstreicht und
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Im Jahr 260 v. Chr. änderte sich jedoch die Strategie Roms. Die Ursachen hierfür sind noch immer Streitpunkt fachwissenschaftlicher Diskussionen. Der Großteil der Forschung folgt der polybianischen Tradition und markiert hier einen Wendepunkt in der römischen Kriegführung als Antwort auf die erfolgreichen Angriffe karthagischer Schiffe auf italische Küstenstädte.32 In der stereotypen Konstruktion des Aufeinandertreffens von Land- und Seemacht stellt Polybios die aussichtsreichen Operationen Roms auf Sizilien den Erfolgen Karthagos zur See gegenüber.33 Dagegen liefert Zonaras ein differenzierteres Bild der römischen Entscheidung zur Seekriegführung. Weniger die karthagischen Angriffe auf italisches Gebiet als vielmehr die erneuten römischen Verluste auf Sizilien infolge der winterbedingten Kriegspausen veranlassten Rom zu einer Akzentverschiebung in seiner Kriegführung.34 In der Synthese beider Berichte lässt sich folgendes Szenario konstatieren: Auf Grund der Erfahrungen der Kriegsjahre 263, 262, 261 v. Chr. war deutlich geworden, dass sowohl eine dauerhafte römische Machtkonsolidierung und Vertreibung der karthagischen Präsenz auf Sizilien als auch eine Beendigung karthagischer Übergriffe auf italische Küstengebiete nur durch die Beherrschung des mare Tyrrhenum möglich werden konnte. Engpässe bei der Versorgung des Landheeres würden umgangen und kombinierte Land-Seeoperationen bei der Eroberung der Küstenstädte einen wesentlich größeren Erfolg versprechen. Folglich
deren Glaubwürdigkeit durch ein Naevius Fragment und dem Befund der Triumphalfasten, nach welchen nur ein Consul triumphierte, stützt. Anders Hof (2002) 113–116, welche den Triumph des Valerius Messala nicht anerkennt und ihn statt dessen A. Claudius Caudex zuschreibt. Lazenby (1996) 52f.; Hoyos (1998) 104–115; Huß (2004) 160f. gehen nach Zonaras von getrennten Operationsphasen aus, anders Bagnall (1995) 74f.; Heftner (2005) 117f. Für das Jahr 262 v. Chr. ergibt sich aus der Aufgabe, die Belagerung Agrigents, gezwungenermaßen eine Zusammenarbeit beider Consuln, wie auch Warmington (1963) 182f.; Bagnall (1995) 76–80; Lazenby (1996) 55–60; Bleckmann (2002) 96–100; Huß (2004) 161f.; Heftner (2005) 119f. rekonstruieren. Trotz der dürftigen Quellenlage zum Kriegsjahr 261 v. Chr., vgl. etwa Pol. 1,20,6–7; Zon 8,10,6 sind auf Grund des geplanten Zieles, die Karthager von Sizilien zu vertreiben, getrennte militärische Operationen der beiden Consuln wahrscheinlich, vgl. Bleckmann (2002) 106. 32 Pol. 1,20,7. Als ausschließliche Ursache für den Flottenbau nimmt dies Warmington (1963) 183 an: „[…] daß der Beschluß, eine [Flotte: Anm. M. Ladewig] zu bauen, weit mehr als Polybios zugeben möchte, ein Ergebnis der demütigenden Überfälle auf Italien war. Als eine Flotte zu entstehen begann, hörten diese Überfälle auf.“ 33 Pol. 1,20,5–6: „Da aber die Karthager unbestritten das Meer beherrschten, blieb für die Römer die Kriegsentscheidung in der Schwebe. In der Folgezeit, als sie Agrigent schon innehatten, schlossen sich den Römern zwar viele Städte des Binnenlandes an, weil sie sich vor ihren Landstreitkräften ängstigten, dagegen fielen aber noch mehr Küstenstädte ab, weil sie vor der Flotte der Karthager Furcht hatten.“ (τῆς δὲ θαλάττης ἀκονιτὶ τῶν Καρχηδονίων ἐπικρατούντων ἐζυγοστατεῖτ᾽ αὐτοῖς ὁ πόλεµος: ἐν γὰρ τοῖς ἑξῆς χρόνοις, κατεχόντων αὐτῶν ἤδη τὸν Ἀκράγαντα, πολλαὶ µὲν πόλεις προσετίθεντο τῶν µεσογαίων τοῖς Ῥωµαίοις, ἀγωνιῶσαι τὰς πεζικὰς δυνάµεις, ἔτι δὲ πλείους ἀφίσταντο τῶν παραθαλαττίων, καταπεπληγµέναι τὸν τῶν Καρχηδονίων στόλον). In diesem Sinne Thiel (1954) 169f.; Bagnall (1995) 80ff; Huß (2004) 163; Heftner (2005) 120f.; Zimmermann (2005) 103. 34 Zon. 8,10 berichtet von römischen Verlusten direkt nach dem Abzug der Consuln von 261 v. Chr., ferner Diod. 23,9,4. Hierzu Bleckmann (2002) 106–109.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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entschloss sich Rom zur Erweiterung seiner Flotte auf eine bis dato nicht erreichte Größe. Das Kommando eines Machtinstrumentes solchen Ausmaßes verlangte eine durchdachte Organisation. In der Tradition der herkömmlichen provinciaVerteilung der Consuln orientierte man sich auch hier an der Geographie, nur dass den Bezugsrahmen zum einen die See und zum anderen das Land darstellten.35 Per Losentscheid beauftragte man also einen Consul mit dem Oberbefehl über die Landtruppen, während dem anderen Consul das Kommando über die Seestreitkräfte anvertraut wurde. Dementsprechend führte etwa L. Cornelius Scipio 259 v. Chr. die Flotte an und konnte karthagische Besitzungen auf Korsika und Sardinien überfallen, während sein Amtskollege Aquillius Florus mit der Rückeroberung einzelner sizilischer Städte beschäftigt war, die in der Winterpause von den Karthagern eingenommen worden waren.36 In Analogie dazu operierten auch die Consuln von 258 v. Chr., Atilius Calatinus und Sulpicius Paterculus, getrennt voneinander auf See und zu Lande.37 Im Ausnahmefall konnten in den ersten Jahren des Seekrieges einem Consul auch beide imperia, zu Land und zu Wasser, zukommen. 260 v. Chr. fiel der Oberbefehl über die Landtruppen an den Consul zur See, Caius Duilius, nachdem sein Amtskollege Cornelius Scipio Asina in karthagische Kriegsgefangenschaft geraten war. Nachdem zuerst der Praetor urbanus das Kommando über die Legionen auf Sizilien übernommen hatte, wurde er alsbald von C. Duilius abgelöst, der mit dem Heer Scipio Asinas schließlich die πόλις Segesta entsetzte. Auch wenn umständehalber C. Duilius letztlich beide Kommandos innehatte, war ursprünglich eine Trennung der provinciae auch in dieser Amtsperiode angedacht gewesen.38 Diese strikte Separation von Land- und See-imperium konnte sich jedoch nur wenige Jahre behaupten. Die auf Homogenität eingeschworene und angewiesene Nobilität bedurfte der Chancengleichheit bei der Erringung von Beute, virtus und dignitas durch den abgesteckten Handlungsrahmen der provincia. Solange die provinciae beider Consuln das gleiche Aufgabenfeld umfassten, lag es am militä35 Zur geographischen Komponente des imperium vgl. Beck (2011) 91ff. 36 Zu den militärischen Aktionen der beiden Consuln Pol. 1,24,1–7; Flor. 1,18,16; Zon. 8,11; Val. Max. 5,1,2; Oros. 4,7,11; CIL I2 9. Vgl. dazu Thiel (1954) 192–196; Warmington (1963) 185f.; Bengtson (1988) 55; Bagnall (1995) 87f.; Lazenby (1996) 73ff; Bleckmann (2002) 147ff; Huß (2004) 164f.; Heftner (2005) 126. 37 Während Pol. 1,24,1–2 von einem gemeinsamen Landkommando beider Consuln ausgeht, erwähnt Zon. 8,12 die Trennung beider Kommandobereiche. Atilius kommandierte die Landtruppen, Sulpicius Paterculus die Flotte. Die Aussage des Zonaras wird durch die Triumphalfasten gestützt, die zwei unterschiedliche Triumphe für beide Consuln verzeichnen, vgl. Fast triumph. p. 548 Degrassi. Bleckmann (2002) 155 nimmt an, dass auch Atilius ein Flottenkontingent unterstellt worden war. Anders Thiel (1954) 196ff; Bagnall (1995) 88; Lazenby (1996) 75ff; Huß (2004) 165f.; Heftner (2005) 126f. 38 Zur Rekonstruktion der Ereignisse vgl. umfassend Bleckmann (2002) 113–116, der gegen die traditionelle, durch Pol. 1,21,4 tradierte Überlieferung argumentiert, die von Thiel (1954) 178; Bagnall (1995) 84; Lazenby (1996) 66f.; Huß (2004) 163; Heftner (2005) 123; Zimmermann (2005) 104 vertreten wird. Warmington (1963) 185 unternimmt keine Unterscheidung zwischen Land- und Seekommando.
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rischen Geschick eines jeden, das Ausmaß seiner Beute und virtus selbst zu bestimmen. Doch bereits während der Samnitenkriege war es wiederholt zu Konflikten im Bezug auf die Vergabe der provinciae gekommen. Durch Livius sind drei Situationen bekannt, die auf Zwistigkeiten in der Definition der verschiedenen Zuständigkeitsbereiche hindeuten.39 Mögen dies auch Einzelfälle gewesen sein, durch die Einrichtung der Flotte war die Chancengleichheit der Consuln in ihren provinciae nun endgültig passé und Auseinandersetzungen programmiert. Denn dieses neue Machtinstrument entpuppte sich im doppelten Sinne als schnelles Vehikel: Zum einen war es nun binnen kürzester Zeit möglich, Truppen zum Einsatzgebiet zu transportieren und die Versorgung zu gewährleisten. Zugleich konnten die Schiffe für weitreichende Beutezüge an Handelsplätzen und Umschlagstätten in Küstennähe genutzt werden – und die römischen Consuln machten davon exzessiven Gebrauch! Zum anderen war die Maxime auspicio suo maximas res geri durch die römische Kriegsflotte für einen jeden Consul in greifbare Nähe gerückt. Statt langwieriger Belagerungen und Entsetzungen konnte man nun mit den Geschwadern innerhalb des eigenen imperium seine virtus und dignitas während einer Amtsperiode mehren, um diese in weiteres politisches Kapital umzusetzen. Ab 257 v. Chr. etablierte sich zum ersten Mal die Verteilung des Flottenkommandos auf beide Consuln.40 Diese Entscheidung erwies sich für die Kriegführung Roms als strategischer Glücksgriff, denn dadurch war es möglich, die Ressourcen zweier provinciae zur See zu bündeln. So nimmt es auch nicht Wunder, dass beispielsweise die Flotte 256 v. Chr. an Zahl und Stärke die Geschwader der Vorjahre bei Weitem übertraf.41 Durch Summation der Kräfte gelang es etwa den beiden Consuln M. Atilius Regulus und L. Manlius Vulso Longus mit ihren Schiffskontingenten 256 v. Chr. den Sieg bei Panormos davonzutragen und zum 39 Nach Liv. 10,18,7–19,13 warf der Consul Appius Claudius seinem Amtskollegen Volumnius Flamma vor, dass er in seiner provincia interveniert hätte. Bei Liv. 10,24,3–17 findet sich eine Auseinandersetzung zwischen Q. Fabius und P. Decius. Dabei forderte Fabius das mit Aussicht auf mehr Beute verbundene Kommando in Etrurien mit dem Verweis auf seine bisherigen Leistungen in diesem Gebiet und wollte dem Losentscheid so vorweggreifen. In Liv. 10,37,6–12 wird von dem Proconsul Postumius berichtet, der sich nicht an die provinciaVergabe des Senats hält, wodurch ihm der Triumph nicht zuerkannt wird. Daraufhin triumphiert Postumius gegen den Willen des Senats. 40 Auch wenn Pol. 1,25,1–4 den Erfolg der römischen Seeoperationen bei Tyndaris 257 v. Chr. allein für den Consul C. Atilius Regulus propagiert, verweist die Paralleltradition des Zon 8,12,7 deutlich auf die Beteiligung beider Consuln am Erfolg zur See. Die Vergabe des triumphus navalis an Atilius Regulus ist kein Argument, um die Aussage des Polybios zu bevorzugen. Am Tag der Schlacht bei Tyndaris besaß vermutlich nur Regulus die auspicia, wodurch er das Recht auf den Seetriumph erworben hat, vgl. hierzu Kapitel 5.3., S. 254. Zum Jahr 257 v. Chr. mit unterschiedlichen Angaben zu den Seekommandos vgl. ferner Thiel (1954) 202ff; Warmington (1963) 186; Bagnall (1995) 89f.; Lazenby (1996) 77ff; Bleckmann (2002) 157f.; Huß (2004) 166f.; Heftner (2005) 128f. 41 Sicherlich ist die von Pol. 1,25,7 angegebene Zahl von 330 Schiffen stark übertrieben. Dennoch wird die Flotte beider Consuln größer gewesen sein, als die des Duilius von 260 v. Chr. Zu der Flottengröße vgl. Thiel (1954) 210; Bleckmann (2002) 160 Anm. 5.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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ersten Mal seit Kriegsbeginn mit einem Invasionsheer auf nordafrikanischem Terrain zu landen. Auch wenn die nachfolgende Operation in Nordafrika scheiterte, die Erfolge der Flotte zur See – etwa die erfolgreiche Landung am Kap Bon oder der Sieg in der Seeschlacht bei Eknomos – sind nicht von der Hand zu weisen.42 Auf Grund der nautischen Fortschritte des Jahres 256 v. Chr. wurde, solange Rom offiziell an der Weiterführung eines Seekrieges interessiert war43, die Vergabe des Seekommandos an beide Consuln zur gängigen und erfolgreichen Praxis, so dass fortan römische Schiffe die sizilischen Gewässer dominierten.44 Diese militärischen Erfolge der Doppelvergabe des Seekommandos standen in scharfem Kontrast zu den inneraristokratischen Folgen. Denn die Konkurrenz innerhalb der aristokratischen Führungsschicht Roms um die Erringung von virtus, dignitas und Beute brach sich durch das Seekommando nun auf dem Meer Bahn, mit teils katastrophalen Folgen. Nun galt es um jeden Preis, auf See erfolgreich zu sein. Bereits 257 v. Chr. – als zum ersten Mal beide Consuln über eine 42 Pol. 1, 25,8–33; Zon. 8,12,8–13,8; Thiel (1954) 212–230; Warmington (1963) 186–189; Elliger (1990) 111f.; Bagnall (1995) 91–102; Lazenby (1996) 81–96; Bleckmann (2002) 159– 168; Huß (2004) 167–170; Heftner (2005) 129–139; Zimmermann (2005) 107–110. 43 Vgl. Anm. 46 (Kapitel 3.2.1). 44 255 v. Chr. gelang es den Consuln S. Fulvius Paetinus und M. Aemilius Paullus die Insel Kossyra, die von den Karthagern als Stützpunkt genutzt wurden war, zu erobern (Pol. 1,36,5– 37,6; Zon 8,14,2f.; zu Kossyra: Strab. 17,3,16). Die communis opinio der Forschung interpretiert durch die knappe Darlegung bei Polybios die Aktionen von 255 v. Chr. nur als Nachspiel der Regulus-Expedition vgl. Thiel (1954) 230ff; Warmington (1963) 190; Elliger (1990) 112; Bagnall (1995) 103f.; Lazenby (1996) 106–110; Huß (2004) 169f.; Heftner (2005) 139f.; Zimmermann (2005) 110f. Anders Bleckmann (2002) 169ff. der unter Verweis auf die Größe der Flotte die Beutezüge auf Kossyra, Sizilien und der nordafrikanischen Küste besonders betont und festhält: „Die Katastrophe hinderte die Konsuln nicht daran, nach ihrer Rückkehr wegen der Aktionen in Kossyra und wegen der Seeschlacht beim Kap Hermaion zu triumphieren.“ Ihre Amtsnachfolger Atilius Calatinus und Cn. Cornelius Asina vermochten es im Jahr darauf mit einem großen und gut ausgerüsteten Geschwader die πόλις Kephaloidion einzunehmen und die karthagischen Flottenstützpunkte Lilybaeum und Panormos zu belagern (Pol. 1,38,5–10; Zon. 8,14,2–4). Während Bleckmann (2002) 172–175 von ambitionierten Plänen der beiden Consuln ausgeht, die sogar eine Landung in Nordafrika beinhaltet hätten, deuten Thiel (1954) 241–247; Warmington (1963) 190; Lazenby (1996) 114f.; Heftner (2005) 141f. die Kriegsoperationen als Strategiewechsel. Die Katastrophe des Regulus habe Afrika als unerreichbares Kriegsziel entlarvt; vielmehr sei nun der Kampf gegen karthagische Besitzungen auf Sizilien oberstes Kriegsziel. Dieser vermeintliche Strategiewechsel lässt die unter immensen Anstrengungen erbrachte Flottenrüstung irrational erscheinen, da die Größe der Flotte nicht dem Aufgabenhorizont entspricht. Anders Bagnall (1995) 105f.; Huß (2004) 170f.; Zimmermann (2005) 111, welche die Leistungen der Consuln dokumentieren, einen Strategiewechsel jedoch nicht hineindeuten. 253 v. Chr. setzten C. Sempronius Blaesus und Cn. Servilius Caepio die Bemühungen ihrer Vorgänger auf Sizilien fort und führten sogar weitreichende Plünderungszüge entlang der nordafrikanischen Küste durch (Pol. 1,39,2–6; Zon. 8,14,6). Bei Diod. 23,19 und Oros. 4,9,10 wird die Kampagne der Consuln C. Sempronius Blaesus und Cn. Servilius Caepio im Vergleich mit der des Regulus gesetzt. Vgl. ferner Thiel (1954) 247–252; Warmington (1963) 190f.; Bagnall (1995) 106ff; Lazenby (1996) 116f.; Bleckmann (2002) 175f.; Huß (2004) 171f.; Heftner (2005) 143f.; Zimmermann (2005) 111.
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3. Das römische Seekommando
Flotte geboten – versuchte sich Atilius Regulus von seinem Amtskollegen Cornelius Blasio und ihrem gemeinsamen Sieg beim Seegefecht in der Nähe von Tyndaris abzuheben, indem er im Anschluss daran eigenmächtig Malta attackierte und die Siedlungen der Insel plünderte.45 In den Jahren darauf wurden die Seeunternehmungen der Consuln riskanter, so dass Verluste an Schiffen und Besatzungen alsbald Überhand nahmen und Rom aufgrund des öffentlichen Drucks insgesamt zweimal – 252 und 247 v. Chr. – vom Seekrieg Abstand nahm und ihn zeitweise per Gesetz verbot.46 Die auf dem Meer ausgefochtenen Rivalitäten übertrugen sich auf den politischen Alltag in Rom und bestimmten maßgeblich die Ämtervergabe. Als etwa für das Jahr 242 v. Chr. beide Consuln Q. Lutatius Catulus und A. Postumius Albinus mit der Seekriegführung beauftragt wurden, gelang es Catulus, Einfluss auf die provincia-Verteilung zu nehmen. Da Postumius zu den Mitgliedern im Kollegium der flamen Martialis zählte, war es ihm sakralrechtlich nicht erlaubt, außerhalb Italiens Krieg zu führen. Catulus konnte aufgrund seiner guten Beziehungen zum pontifex maximus L. Metellus die religiöse Beschränkung seines Amtskollegen bequem durchsetzen.47 Die ungewöhnliche Vorgehensweise des Catulus unter Aufwendung seiner Clientelbeziehungen zum pontifex maximus diente in erster Linie der Monopolisierung des Seekommandos in seiner Person.48 Dadurch erhoffte er sich eine Bündelung der gesamten Flotte und Ressourcen unter seinem imperium, um allein den kriegsentscheidenden Schlag gegen Karthago führen zu können. Doch der Senat beließ diese Machtzentrierung bei Catulus nicht, sondern stellte ihm den Praetor Valerius Falto als zweiten Flottenkommandanten zur Seite.
45 Oros. 4,8,5; vgl. dazu Bleckmann (2002) 158: „Eine besondere Rolle scheint dabei die Prestigekonkurrenz der beiden Konsuln gespielt zu haben, da trotz anfänglich gemeinsamer Flottenaktionen deren Wege sich bald trennten und Atilius in seinen Operationen bis Malta ausgriff.“ 46 Rom setzte die Seekriegführung zweimal aus: Das erste Mal 252 v. Chr., nachdem im Jahr zuvor die römische Flotte durch ein Seeunglück beinahe völlig vernichtet worden war. Und ein weiteres Mal 247 v. Chr. nach einer erneuten Seekatastrophe. Zu den Umständen der Seekriegspausen vgl. Bleckmann (2002) 177–201. 47 Liv. per. 19; Liv. 37,51,1–2; Val. Max. 1,1,2; Tac. ann. 3,71. Die Tatsache, dass sich Postumius trotz seiner religiösen Beschränkung überhaupt für das Amt des Consul zur Wahl stellte, könnte ein Indiz für die Ungebräuchlichkeit und Unbekanntheit des sakralen Verbotes sein. Cic. Phil. 11,18 berichtet von einem ähnlichen Vorfall für das Jahr 131 v. Chr. als L. Crassus Mucianus und Valerius Flaccus Consuln waren. 48 Anders Thiel (1954) 82: „Postumius may have been quite unfit for a military command […] the senate may have been afraid that in the decisive naval battle which was to be expected there might be disastrous disagreement on tactical points between colleagues of the same rank.“ Heftner (2005) 163f.: „Vermutlich waren Albinus’ diesbezügliche Fähigkeiten nicht über jeden Zweifel erhaben, dazu mag noch die Überlegung gekommen sein, daß die Entsendung eines Prätors an der Seite eines mit höherrangiger Befehlsgewalt ausgestatteten Konsul die Einheitlichkeit des Oberbefehls sicherstellte, während zwei Konsuln als Träger gleichrangiger Imperien sich gegenseitig blockieren können.“ Thiels und Heftners Begründungen sind m. E. unzureichend, da der taktische und militärische Oberbefehl durch die Auspizienvergabe auch zwischen zwei Militärs des gleichen Ranges geklärt wäre.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Eine andere Umgehung der durch die res publica festgelegten Amtsbereiche verdeutlicht das Jahr 249 v. Chr., als Rom sich nach langer Zeit wieder für eine Trennung des consularischen Land- und Seekommandos entschied, da die Situation bei Lilybaeum auf Sizilien so verfahren war, dass man man mit einer geteilten Kriegführung (Land und Wasser) eine Entscheidung herbei zu führen hoffte.49 Der Consul Claudius Pulcher, der mit dem Oberbefehl über das Heer beauftragt worden war, opponierte gegen seine ihm zugeteilte provincia. Während sein Amtskollege die Flotte über die Südküste Siziliens nach Lilybaeum führen sollte, war es Claudius’ Aufgabe, die römischen Truppen bei Lilybaeum zu verstärken.50 Dies scheint er auch begonnen zu haben, entschloss sich dann aber eigenmächtig zum Bau einer Flotte, um selbst in den prestigeträchtigen Seekrieg einzusteigen, statt die eigenen Ressourcen in den wenig aussichtsreichen Belagerungskrieg, den schon beide Consuln vor ihm nicht beenden konnten, zu investieren.51 Mit diesen teils nach karthagischem Vorbild gebauten Schiffen erlitt Claudius auf Grund mangelnder nautischer Kenntnisse bei der karthagischen Flottenbasis Drepanum
49 C. Atilius Regulus und L. Manilus Vulso hatten vergeblich versucht Lilybaeum einzunehmen und mussten sich nach einer karthagischen Verstärkung auf eine langwierige Belagerung einstellen. Dies überreizte ihre Ressourcen, wodurch es zu Versorgungsschwierigkeiten und Krankheiten im Heerlager kam. Als sie dann den Belagerungsring während der Winterpause mit einem reduzierten Heer aufrechtzuerhalten versuchten, versetzten sie das Heer in eine bedrohliche Situation, während karthagische Schiffe die italische Küste plünderten, vgl. Pol. 1,41,2–48,11; Zon. 8,15,12–13; Oros. 4,10,2. Bleckmann (2002) 185 hält fest: „Bilanzierend läßt sich für die Kampagne der Konsuln von 250 festhalten, daß sich trotz großer Rüstungsanstrengungen die Maximalziele (Erstürmung von Lilybaeum und Fahrt nach Afrika) nicht hatten realisieren lassen, sondern daß mit der vor Lilybaeum festgefahrenen Situation die römische Sache einen bedrohlichen Rückschlag erlitten hatte.“ Ähnlich Warmington (1963) 191; Bagnall (1995) 109–113; Lazenby (1996) 123f.; Huß (2004) 174f.; Heftner (2005) 147ff. 50 Dass Claudius zu Beginn das Kommando zu Lande innehatte, wird aus Pol. 1,49,3–4 ersichtlich, wo der Marsch seiner Truppen von der Nordküste Siziliens aus nach Lilybaeum beschrieben wird. Ebenso auch Bleckmann (2002) 186. Anders etwa Elliger (1990) 112; Heftner (2005) 150, welche von Beginn an das Seekommando auch an Claudius verteilt sahen. Lazenby (1996) 131f. begründet die Vergabe des Seekommandos an Claudius durch die Beorderung der 10.000 Seeoffiziere nach Sizilien. Bei Warmington (1963) 192; Bagnall (1995) 113 und Huß (2004) 175 ist eine strikte Unterscheidung zwischen Land- und Seekommando für 249 v. Chr. nicht erkennbar. Zum Seekommando des Iunius Pullus, Zon. 8,15,13; Thiel (1954) 283–287; Warmington (1963) 193f.; Bagnall (1995) 118ff; Viereck (1996) 178f.; Lazenby (1996) 137–141; Bleckmann (2002) 190; Huß (2004) 175f.; Heftner (2005) 154f. Anders Pol. 1,52,5–6 der Iunius Pullus in das Folgejahr datiert. Roth (1999) 158f. deutet Pullus’ Aufgabenbereich lediglich als Versorgungsarbeit für das römische Belagerungsheer bei Lilybaeum. 51 Zon. 8,15,13; Diod. 24,1,5. Die Tatsache, dass Claudius seine eigentliche Aufgabe, die Belagerung Lilybaeums zu Gunsten des Seekrieges vernachlässigte, vertreten Bleckmann (2002) 187: „Offenkundig konnte die Aufgabe, die dem P. Claudius mit seinem Kommando über das Landheer zugewiesen war, diesen nicht befriedigen.“; Huß (2004) 175; Heftner (2005) 150. Anders Warmington (1963) 192; Bagnall (1995) 113f., welche die Belagerung Lilybaeums zu Gunsten des Seeangriffs auf Drepanum nicht weiter annehmen.
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3. Das römische Seekommando
eine vernichtende Niederlage.52 Wenig später ergab sich für Claudius erneut die Chance, das Seekommando zu erhalten. Denn nachdem sein Amtskollege Iunius Pullus die gesamte römische Flotte durch einen Seesturm bei Camarina verloren hatte, war das Seekommando vakant geworden.53 Doch nach den Seekatastrophen bei Drepanum und Camarina forderte der Senat die Übertragung der Kriegführung an einen Dictator.54 Die Kooptation des Dictators übernahm Claudius und er berief einen römischen Adligen aus den Reihen seiner eigenen Clientel, wodurch er indirekt auf die taktischen Beschlüsse und Entscheidungen des Dicators Einfluss zu nehmen und sich so das Seekommando zu sichern gedachte.55 Sein Versuch scheiterte an der breiten senatorischen Opposition und endete mit dem kurz nach der Ernennung erwirkten Rücktritt seines Kandidaten Claudius Glica.56 Die durch das Seekommando ausgelösten inneraristokratischen Konvulsionen wurden im Nachhinein von den militärischen Erfolgen, die in dem Seesieg bei den Aegatischen Inseln über die karthagische Flotte 242 v. Chr. gipfelten, überlagert und durch die insgesamt sieben gewährten und zelebrierten triumphi navales im dem kollektiven Gedächtnis der Römer verzerrt. Daher verwundert es kaum, dass die res publica populi romani in den bald darauf folgenden illyrischen Kriegen (229/228 und 219 v. Chr.) an dem bewährten Modell des consularischen Seekommandos festhielt. Die militärischen Voraussetzungen ihrer Gegner führten Rom die Notwenigkeit einer Kombination von Land- und Seekriegführung vor Augen, denn nur so könnte es gelingen, der nicht unwesentlichen maritimen Präsenz der illyrischen Herrscherin Teuta etwas entgegenzusetzen und den entscheidenden Schlag zu Lande herbeizuführen. Dementsprechend beauftragte man den Consul des Jahres 229 v. Chr., Cn. Fulvius Centumalus mit dem Seekommando, während sein Kollege A. Postumius das Landheer kommandierte. Im Verlauf des Jahres operierten beide Consuln durch Land- und Seekämpfe erfolgreich auf illyrischem Territorium. Die Insel Korkyra wurde durch die römische Flotte besetzt, Seestädte wie Apollonia, Issa oder Epidamnos (das spätere Dyrrachium) als Flottenstützpunkte genutzt. Nachdem auch im Landesinnern Erfolge zu verzeichnen waren, drang die illyrische Fürstin Teuta zu Beginn des Folgejahres auf Frieden.57 Durch diese 52 Pol. 1,50,3–52,3. Mit rigoroser Schuldzuweisung auf Claudius’ nautischer Inkompetenz Thiel (1954) 275: „This was a bad tactical blunder, which resulted directly from Pulcher’s character and contributed decisively to the Roman defeat.“ Vgl. weiterhin 276–283; ebenso Viereck (1996) 177f. Deutlich zurückhaltender in ihren Wertungen sind Warmington (1963) 192f.; Bagnall (1995) 114ff; Lazenby (1996) 132–136; Huß (2004) 175; Heftner (2005) 151–154. Zu den innenpolitischen Folgen und religiösen Konvulsionen vgl. Heuss (1970) 45; Lazenby (1996) 136f.; Bleckmann (2002) 192–201; Heftner (2005) 156ff. 53 Pol. 1,55,2–10. 54 Nach Bleckmann (2002) 190 erzwang eine gegenüber den Consul Claudius eingenommene Adelsfraktion den Entschluss, durch Dictatorernennung die Kriegführung den amtierenden Consuln zu entreißen. 55 Liv. per. 19; Zon. 8,15,14. 56 Liv. per. 19; Inscr.It. 13,1, 43. 57 Pol. 2,11–12; Liv. per. 20; Flor 1,21,4; Zon. 8,19; Cass. Dio frg. 49; App. Ill. 7; Eutrop. 3,4; Oros. 4,13,2. Vgl. Hammond (1968) 6; Bengtson (1988) 63f., betont, dass Rom nur in einem
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neusten maritimen Erfolge bestärkt, entsandte der Senat 219 v. Chr. wiederholt zwei Consuln mit getrennten provinciae nach Illyrien, nachdem der von Rom eingesetzte Demetrios die Friedensvereinbarungen von 228 v. Chr. gebrochen hatte. Während der Consul L. Aemilius Paullus das Heer über die Landseite gegen die Inselfestung des Demetrios führte, versuchte sein Amtskollege M. Livius Salinator mit der Flotte die illyrischen Schiffe im Hafen festzusetzen. Durch diese Kombination von Land- und Seeoperation verlor Demetrios die Insel Pharos und floh an den makedonischen Hof zu Philipp V.58 Nicht nur die provinciae-Verteilung während der illyrischen Kriege ließ Erinnerungen an die ersten Seekriegsjahre im ersten römisch-karthagischen Krieg aufkommen, auch die Gewährung des triumphus navalis für Cn. Fulvius Centumalus durch den Senat verstärkte den Vergleich mit dem ersten Seetriumphator C. Duilius und war zugleich Ausdruck für Roms erwachtes Selbstbewusstsein zur See. Den Zuschauern dieser pompa triumphalis wurde die Kontinuität der wachsenden, maritimen Hegemonie ihrer res publica deutlich vor Augen geführt. Zugleich boten die Kampagnen in illyrischem Gebiet den Consuln der Jahre 229 v. Chr. und 219 v. Chr. die Chance, sowohl zu Lande als auch zu Wasser erfolgreich zu agieren. Allein der Kooperation beider Kriegsinstrumentarien, Heer und Flotte, war es zu verdanken, dass sich innerhalb je eines Jahres der Erfolg der römischen Intervention jenseits der Adria einstellte.59 Unter den maritimen Erfolgseindrücken der illyrischen Kriege und der Furcht vor einem Aufbegehren Karthagos gegen dessen unfreiwillig eingebüßte Seehoheit im westlichen Mittelmeer entschied sich Rom nach Hannibals Angriff auf das verbündete Sagunt im darauffolgenden zweiten römisch-karthagischen Krieg (218-201 v. Chr.) für eine universelle Bekämpfung des Feindes auf See und Land. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass ein Consul, Tiberius Sempronius Longus, den Oberbefehl über die Flotte von 160 Schiffen führte, während das überschaubaren kleinen Teil des illyrischen Reiches operierte und dennoch einen großen Erfolg erringen konnte. 58 Zur Rolle Demetrios’ vgl. Coppala (1993) 53–100. Die Darstellung der Kommandoverteilung der beiden Consuln ist widersprüchlich in den Quellen. Bei Pol. 3,16,7. 18,3–19,13 findet sich allein L. Aemilius Paullus, der die militärische Kampagne gegen Demetrios führt, während sein Amtskollege Livius Salinator unerwähnt bleibt, vgl. auch Broughton I (1951) 236. Zon. 8,20 und Cass. Dio frg. 53 liefern ein differenzierteres Bild, in welchem immer beide Consuln aktiv gegen Demetrios tätig waren. Nach Zon 8,20 muss es während der „amphibischen“ Belagerung der Inselfestung auf Pharos zu einer Aufgabenteilung gekommen sein. Auf Grund des Hinweises bei App. Ill. 25 über den Ruhm des Aemilius Paullus, den er bei Pharos errungen hatte, ist anzunehmen, dass er die Landstreitkräfte kommandierte. Schon Münzer (1926) 892f. nahm eine Verteilung von Land- und Seekommando auf beide Consuln an. Kein Versuch einer genauen Differenzierung der consularischen Kommandos bei Thiel (1954) 356; Hammond (1968) 11; Bengtson (1988) 66; Viereck (1996) 182; Shipley (2000) 372; Bringmann (2002) 104; Heftner (2005) 187. 59 Dass die prorogatio des L. Postumius lediglich dazu diente, die gewonnenen Besitzungen in Illyrien (Treueverhältnisse zu einheimischen Stämmen) über die Winterpause abzusichern, belegt Pol. 2,12,2. Weitere militärische Operationen des Postumius für das Jahr 228 v. Chr. sind daher auch nicht nachweisbar.
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3. Das römische Seekommando
imperium des zweiten Consuls, P. Cornelius Scipio, die Landtruppen umfasste.60 Rom wollte seine durch den ersten Krieg mit Karthago erlangte Vormachtstellung zur See für sich nutzen, um schnell und effektiv gegen den Feind vorzugehen. Doch die rasche und unerwartete Offensive des karthagischen Oberbefehlshabers Hannibal offenbarte die Fehlerhaftigkeit der strategischen Planungen Roms. Nachdem Cornelius Scipio mit seinem Heer das karthagische Aufgebot beim Übergang der Rhône nicht aufzuhalten vermocht hatte, marschierte er eilends zurück zur Poebene, um sich dort erneut dem Feind in den Weg zu stellen. Sempronius Longus musste seine Truppen ebenfalls in dieses Gebiet versegeln, um eine karthagische Invasion in italisches Gebiet zu verhindern. Das Kommando über die Seestreitkräfte übertrug er seinem Legaten Sextus Pomponius mit dem Auftrag, die italische Küste vor karthagischen Übergriffen zu schützen.61 Hannibals Invasion und partielle Besetzung der italischen Halbinsel während der kommenden Kriegsjahre definierten den Handlungsrahmen der consularischen provinciae für die Landoperationen und reduzierten das Seekommando zum „Dienstleister“. Bis zum Ende der Kriegshandlungen führte kein Consul den Oberbefehl über die Seestreitkräfte62, bis auf eine einzige Ausnahme: Im zweiten 60 Zur provincia-Verteilung Pol. 3,40,2. 41,2–8; 5,1,4; Liv. 21,17,1. 5. 49,3–51,7; App. Ib. 14; Eutrop. 3,8; Zon. 8,23; ferner Nep. Hann. 4. Vgl. Seibert (1993b) 91; Bagnall (1995) 198f.; Christ (2003a) 57f., 60ff.; Barceló (2004) 124; Huß (2004) 214, 218. Anders Viereck (1996) 242, der die Schiffe, welche Scipio zum Transport seiner Truppen zur Verfügung gestellt bekam, als Begründung für die Vergabe des Seekommandos auch an Scipio heranzieht. Thiel (1946) 38–44 mit kritischer Analyse der von Sempronius geführten Seeschlacht bei Lilybaeum. Für Zimmermann (2005) 117 scheint nicht die Offensive Hannibals für Rom überraschend zu sein, vielmehr ist es die Schnelligkeit, mit der der karthagische Feldheer vorging. Nach Heftner (2005) 205 war die Strategie Roms allein auf Offensive ausgelegt. Diese Deutungsweise ist m. E. zu einfach und bedient monokausale Erklärungswünsche. 61 Diese Entscheidung muss als Reaktion auf karthagische Übergriffe auf italische Küstengebiete bei Vibo verstanden werden, wie schon Thiel (1946) 44 andeutet. Zur strategischen Umorientierung und Kriegsverlauf 218 v. Chr. Pol. 3,49,1–4. 54,1. 61,7–12. 68,13–74,11. 79,11; Liv. 21,32,1–5. 39,3–47,3. 48,7–8. 51,5–7. 52,1–57,14; Zon. 8,23–24; App. Hann. 7; Val. Max. 5,4,2; Eutrop. 3,9 Frontin. 2,5,23; Flor. 1,22,12; Oros. 4,14,6–7; Sil. It. 4,51–52. 56– 703. Ferner Warmington (1963) 211f.; Seibert (1993) 103–106; 113–131; Bagnall (1995) 206–221; Christ (2003a) 71–75; Barceló (2004) 125–132; Huß (2004) 219–222; Zimmermann (2005) 118–120; Heftner (2005) 208–213. 62 In den Quellen finden sich Hinweise, die ein consularisches Kommando zur See für 211 v. Chr. und 210 v. Chr. andeuten, jedoch einer genauen Prüfung nicht standhalten: Nach Liv. 26,22,1 löst der Consul P. Sulpicius Galba Maximus den Flottenkommandanten und Propraetor Valerius Laevinus in Griechenland ab und übernimmt das Kommando zur See, wenn er schreibt: „Sulpicius erhielt Makedonien und wurde so zum Nachfolger des Laevinus“ (Sulpicio Macedonia evenit isque Laevino sucessit.). Die verkürzte Darstellung bei Livius unterschlägt den Zeitpunkt der Ablösung. Da der Propraetor Laevinus jedoch noch bis zu seinem Amtsantritt als Consul am 15. März 210 v. Chr. mit der Flotte in der Ägäis operierte (Liv. 26,26,1–4), kann Sulpicius Galba das Seekommando erst nach Amtsantritt des Laevinus zum Consul übernommen haben. Somit besaß Sulpicius Galba als Promagistrat das Seekommando in der Ägäis. Für das Jahr 210 v. Chr. berichtet Liv. 26,29,1: „Als die Senatsbeschlüsse gefaßt waren, losten die Konsuln um ihre Amtsbereiche. Marcellus fielen Sizilien und die Flotte, Laevinus Italien und der Krieg gegen Hannibal zu.“ (His senatus consultis perfectis sortiti
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Kriegsjahr 217 v. Chr. versegelte der Consul Cn. Servilius Geminus mit seiner Flotte marodierend auf dem tyrrhenischen Meer, obwohl ihm und seinem Amtskollegen Caius Flaminius zu Beginn des Jahres die Führung des Landkrieges gegen den in die Po-Ebene eingefallenen Hannibal übertragen worden war. Wie ist dies zu erklären? Nachdem die Consuln die um Ariminum und Arretium stationierten Verbände übernommen hatten, erlitten sie beim Zusammentreffen mit dem Heer Hannibals am Trasimenischen See eine vollständige Niederlage. In dieser Notstandssituation wurde der Dictator Quintus Fabius Maximus eingesetzt, der als Oberkommandant der Truppen Rom vom Alpdruck der karthagischen Präsenz in Italien erlösen sollte.63 Die Kompetenzen und Befugnisse eines Dictators unterlagen nach altem Recht lediglich einer zeitlichen Limitation von sechs Monaten. Eine Beschränkung seiner Berechtigungen durch einen anderen Magistrat existierte nicht. Im Gegenteil, die Consuln, Praetoren, Aedilen und Quaestoren hatten sich seinem imperium unterzuordnen.64 Dieser Umstand sorgte dafür, dass der überlebende Consul der Schlacht am Trasimenischen See, Cn. Servilius Geminus, in der verbliebenen Zeit seines Consulats ein anderes militärisches Betätigungsfeld suchte. Da die neu auszuhebenden Soldaten und die Reste der consularischen Legionen dem Dictator unterstellt waren, blieb für Servilius Geminus noch das Kommando über die Flotte.65 Zugleich bot sie ihm einen Ausgleich für die durch die Niederlage am Trasimenischen See verpasste Chance zur Erringung von digniprovincias consules. Sicilia et classis Marcello, Italia cum bello adversus Hannibalem Laevino evenit). Livus’ Aufzählung für die provincia des Marcellus – die er kurze Zeit nach der Verlosung nach Liv.26,26,5–11 gegen die provincia seines Amtskollegen Laevinus eintauschte (vgl. ferner dazu Val. Max. 4,1,7; Plut. Marcellus 23; Zon. 9,6; Cass. Dio frg. 57,51; Cic. Verr. 2,4,151) – unterschlägt die Tatsache, dass die Flotte von Sizilien dem praefectus classis M. Valerius Messala unterstand. Dieser wiederum nahm Befehle des amtierenden Consul entgegen. Die Kampagne 210 v. Chr. auf Sizilien beweist schließlich, dass der Consul Laevinus das Landheer kommandierte (vgl. Liv. 26,40,1–18) während der Praefectus classis Messala auf consularischem Befehl die Küstengebiete Nordafrikas plünderte (vgl. Liv. 27,5,1. 8–15). Ferner lässt sich ein Flottenkontingent von 100 Schiffen bei Sizilien ausmachen, welches unter Marcellus 214 v. Chr. bei der Belagerung von Syrakus operierte. Diese Schiffe standen wohl unter dem Befehl des Praetors T. Otacilius Crassus, wie auch Seibert (1993a) 295 annimmt. Nur für dieses Kriegsjahr sind zwei Praetoren für Sizilien zugeteilt worden, Otacilius, der ausschließlich die Flotte auf Sizilien kommandierte, und P. Cornelius Lentulus, welcher Sizilien als provincia erhalten hatte, vgl. Broughton I (1951) 259. 63 Pol. 3,87,1–88,7; Liv. 22,8–9. 10,10. 31,8–11; 23,30,13; Zon. 8,25; Cass. Dio frg. 57,8; App. Hann. 11; Plut. Fabius 4–5; Sil It. 6,611f. Vgl. ferner die Einschätzungen des Jahres 217 v. Chr. und Fabius’ Ernennung zum Dictator bei Warmington (1963) 212f.; Lippold (1963) 150–160; Develin (1985) 154f.; Seibert (1993a) 220ff; (1993b) 152–163; Bagnall (1995) 223–229; Christ (2003a) 77–83; Barceló (2004) 132–137; Huß (2004) 224ff; Beck (2005) 266, 283–287; Heftner (2005) 213–216; Zimmermann (2005) 120f. 64 Diese Regelung sieht Bleicken (1989) 90f. als eine Neuerung. Nach altem Brauch scheinen die Magistrate früher bei der Ernennung eines Dictators allesamt zurückgetreten zu sein. Vgl. ferner Develin (1985) 32ff, 40f.; Kunkel / Wittmann (1995) 665–694; Lintott (1999) 109– 113; Brennan (2000) 38–49. 65 Pol. 3,88,8. 96,8–14; Liv. 22,11,2–12,1. 25,5. 31,1–3; Zon. 8,26; App. Hann. 12.; Seibert (1993b) 164. Anders Thiel (1946) 52, der die Vergabe des Seekomandos an Cn. Servilius durch den Dictator Fabius Maximus annimmt.
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tas und virtus. Schon ein bis zwei Feldherrngenerationen vor ihm hatten das Machtinstrument Flotte dafür instrumentalisiert. Gleiches konnte auch ihm gelingen. Dass schließlich noch karthagische Flottillen römische Versorgungskonvois, die auf dem Weg nach Spanien waren, angriffen, war die erwünschte Legitimation für Servilius. Er rüstete Schiffe und Besatzungen in Ostia aus und erhielt die Order, die italische Küste vor karthagischen Überfällen zu schützen. Dies hinderte Servilius jedoch nicht daran, mit seinen 120 Schiffen in alter Manier groß angelegte Beutezüge in Sardinien, Korsika, Kossyra, Menix und entlang der nordafrikanischen Küste zu unternehmen. In den Quellen finden sich Hinweise für die Schärfe und Verbissenheit, mit der Servilius diese Raubzüge abwickelte. Kein Risiko schien ihm zu groß, um seinen Profit in Form von Geld oder Geiseln zu erlangen. Sein „Intermezzo“ als römischer Flottenkommandant wurde durch das nahende Ende der Dictatur des Fabius Maximus abgebrochen, als er zur Übernahme des Landheeres nach Italien zurückkehren musste.66 Erst im Jahr des Friedensschlusses 201 v. Chr. kommandierte erneut ein Consul ein Schiffskontingent. Doch die Umstände, die zu dieser provincia-Vergabe führten, lassen Zweifel an dem taktischen Nutzen aufkommen. Faktisch waren seit der Schlacht bei Zama 202 v. Chr. alle kriegerischen Haupthandlungen abgeschlossen.67 Der Senat hatte das Proconsulat des Siegers von Zama, P. Cornelius Scipio, ein weiteres Mal verlängert. Darüber hinaus übertrugen sie ihm die Kompetenzen, die Friedensverhandlungen mit Karthago zu führen68 – sehr zum Leidwesen der amtierenden Consuln. Als die provinciae für 201 v. Chr. unter den Consuln P. Aelius Paetus und Cn. Cornelius Lentulus ausgelost worden waren, übernahm ersterer zwei Legionen, um gegen den Stamm der Bojer in Gallien vorzugehen, während letzterer das Kommando über die Flotte erhielt.69 Lentulus sollte zur Absicherung Scipios nach Sizilien übersetzen, um beim erneuten Bruch des Waffenstillstands durch die Karthager mit der Flotte schnell eingreifen zu können. Für Lentulus muss das Seekommando einem Affront gleichgekommen sein; lediglich als schnelle Eingreiftruppe dem Promagistrat Scipio zur Seite zu stehen, trübte die Aussicht auf Erringung von virtus und nicht zuletzt Beute während seines imperium. Eingedenk dessen mobilisierte Lentulus seine politischen Ressourcen, um die Entscheidung über die Kompetenzzuweisung an Scipio zu seinen Gunsten zu ändern. Doch sowohl der Senat als auch die Volksversammlung bestätigten 66 Liv. 21,31,1–8. Ferner 22,32,1; Pol. 3,96,14; Zon 8,26; Cass. Dio frg. 57,21; App. Hann. 16. 67 Pol. 15,5,1–19,9; Liv. 30,29,1–38,4; Flor. 1,22,58–61; Zon. 9,14; Cass. Dio frg. 57,82; App. Lib. 39–56; Oros. 4,19,1–4; Eutrop. 3,22–23. Zur Datierung der Schlacht bei Zama und den anschließenden Friedensverhandlungen vgl. Seibert (1993a) 316f. Dass es in Karthago und Nordafrika Kräfte gegeben hat, die eine erneute Auseinandersetzung mit Rom forderten und die Friedensbestimmungen ablehnten, betonen Warmington (1963) 233; Seibert (1993b) 474; Bagnall (1995) 372f.; Christ (2003a) 135f.; Barceló (2004) 208f.; Zimmermann (2005) 140. Verhaltener in ihrer Beurteilung dieser Opposition gegen die Friedensbedingungen etwa Huß (2004) 302f.; Heftner (2005) 310. 68 Pol. 15,18–19; Liv. 30,41,1. 43,10–13. 44,12–45,2; Zon. 9,14; Cass. Dio frg. 57,83–86; App. Lib. 65; Val. Max. 2,7,12. 69 Liv. 30,40,7–16; 31,2,5–11; Cass. Dio frg. 59; App. Lib. 56. 62.
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Scipios Autorität und wiesen Lentulus in die ihm von seiner provincia auferlegten Schranken.70 Anders als für seinen Amtskollegen des Jahres 217 v. Chr., Cn. Servilius Geminus, stellten Plünderungszüge an den Küsten Nordafrikas oder Sardiniens keine Alternative dar, da noch während seines Consulats die Friedensbestimmungen zwischen Rom und Karthago ratifiziert wurden und auch mögliche Betätigungsfelder im hellenistischen Osten lagen außerhalb seiner provincia.71 Mit den zeitweilig existenzbedrohenden Zuständen des zweiten römischkarthagischen Krieges erfuhr das Primat des consularischen Seekommandos seine wohl gravierendste Einschränkung. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in den Jahren 218-202 v. Chr. hatten weite Teile der Mittelmeerwelt erfasst und erforderten den Kampf auf verschiedenen Schlachtfeldern zugleich. Dieser komplexen Aufgabe waren die jährlich gewählten Consuln nicht gewachsen, so dass eine Partialisierung der römischen Kriegführung notwendig wurde. Der Oberbefehl über die Flotte war von dieser Entwicklung in großem Maße betroffen. Statt der Consuln kommandierten im Verlauf des Krieges zunehmend Praetoren, Promagistrate, legati oder Praefecten die römischen Flottenverbände. Einen deutlichen Eindruck dieser Neuakzentuierung vermittelt das Jahr 204 v. Chr., als man in Rom den Entschluss gefasst hatte, ein Invasionsheer unter dem Kommando des Scipionen P. Cornelius von Brundisium aus nach Nordafrika zu verschiffen.72 Kein nautisches Missgeschick und kein Blockadeversuch durch karthagische Schiffe durfte dieses Unterfangen gefährden. Daher wurden sämtliche maritimen Kräfte der res publica für diese Aufgabe gebündelt und Legaten,
70 Liv. 30,43,1–4. Vgl. auch die Interpretation der Ereignisse bei Bagnall (1995) 373f.: „Lentulus stellte sogleich seinen pathologischen Ergeiz unter Beweis: Er bestand darauf, daß man ihm unbedingt Afrika als Amtsbereich unterstellte. Er erhoffte sich wohl, falls es noch zu Kampfhandlungen kam, selber als Bezwinger Karthagos in die Geschichte einzugehen.“ Ähnlich Thiel (1946) 181; Develin (1985) 237f.; Beck (2005) 352f. Huß’ (2004) 304 oberflächliche Darstellung der Ereignisse von 201 v. Chr. deutet Cn. Lentulus Versuch, Scipios Kompetenzen zu beschneiden, als Veto gegen die Friedensbedingungen. Huß verkennt das machtpolitische Prestige eines Friedensvertrages für einen römischen Magistrat. Ähnlich Seibert (1993b) 476ff, der sich in seinen Ausführungen auf die einzelnen Argumente der verschiedenen Adelsgruppierungen konzentriert, ohne deren machtpolitischen Beweggründe zu erkennen. Dabei hat Bleckmann (2002) 218–224 am Beispiel des Lutatius Catulus und des Friedensschlusses von 241 v. Chr. zwischen Rom und Karthago überzeugend herausgearbeitet, wie hoch das politische Prestige eines errungenen Sieges in zertifizierter Form eines Friedensvertrages für einen römischen nobilis war. 71 Hierfür war bereits der Promagistrat M. Valerius Laevinus bestimmt worden, wie Liv. 31,3,2–3 berichtet. Vgl. ferner Thiel (1946) 212. 72 Zur Invasionsoffensive in Nordafrika und dem innenpolitischen Präludium in Rom vgl. Seibert (1993b) 413ff; 424ff; 429–433; Bagnall (1995) 339–347; Christ (2003a) 129ff; Huß (2004) 292ff; Beck (2005) 345–349; Heftner (2005) 295f., 299–302; Zimmermann (2005) 137f. Barceló (2004) 197f. will in Scipios Kampagne eine direkte Analogie zu Hannibals Invasion in Norditalien sehen. Die maritimen Operationen während der Großoffensive bei Thiel (1946) 154–162.
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Promagistrate und Praetoren kommandierten unter dem Oberbefehl des Scipio das riesige römische Flottenaufgebot.73 Dass ein Consul für das Jahr, in dem er die politische und militärische Führung der res publica populi romani innehatte, das Seekommando ausübte, offenbarte sich als obsolete, den sich durch die Expansion verändernden Bedürfnissen inadäquat angepasste Praxis. Nur in zwei Fällen erlebte das consularische Seekommando eine nennenswerte74 zeitlich determinierte Renaissance – zu Beginn des dritten römisch-karthagischen Krieges (149-146 v. Chr.) und im dritten mithridatischen Krieg (74-63 v. Chr.). Die Ursache für die consularische Seekriegführung im letzten Krieg gegen Karthago liegt in der mit dem Kriegsausbruch in Rom entflammten Hysterie und der durch Cato instrumentalisierten traumatischen Angst der Römer vor der einstigen Großmacht Karthago, welche durch ihren Strategen Hannibal Krieg und Verwüstung nach Italien gebracht hatte. In der Forschung lassen sich unterschiedlichste Erklärungsversuche für den römischen Kriegsentschluss gegen Karthago finden. Doch die von Cato in den Senat getragene Darstellung von einer Bedrohung durch Karthago wird kaum als ursächlich angesehen75, obwohl die Archäo73 Der Praetor von Sizilien, M. Pomponius Matho, erhielt den Befehl, mit seiner ihm unterstellten Flotte das Heer Scipios nach Afrika überzusetzen (Liv. 29,24,8–9. 25,6. 26,7), während die fähigsten Flottenbefehlshaber der vergangenen Kriegsjahre wie der ehemalige Legat Scipios und Praefectus classis, C. Laelius (Liv. 29,25,5–13. 33,9), oder der Legat L. Cornelius Scipio (Liv. 29,7,2. 25,10; 38,58,8.) Flottenabschnitte kommandierten, welche die Kontingente des Matho flankieren sollten. Dem Promagistrat Cn. Octavius fiel mit seinem Kommando über die Flotte die Versorgung des scipionischen Heeres in Nordafrika zu (Liv. 29,13,5. 36,1– 3). Das Gelingen der Expedition des Scipio hing auch von der Sicherstellung der Heeresversorgung ab. Im Folgejahr sicherten daher erneut die Praetoren von Sardinien und Sizilien, P. Cornelius Lentulus Caudinus (Liv. 30,24,5) und P. Villius Tappulus (Liv. 30,2,2–3), den Nachschub für die römischen Truppen und in Zusammenarbeit mit dem Propraetor M. Pomponius Matho die Gewässer der nordafrikanischen Küste und Siziliens (Liv. 30,2,1–3. 27,9). 74 Ferner ist überliefert, dass der Consul von 123. v. Chr., Q. Caecilius Metellus Baliaricus, mit einer Flotte gegen die auf den Balearen siedelnden Gymnesier vorging. Doch ist dieses Ereignis singulär und vielmehr der Störung des Seehandels geschuldet, als dass es einer wirklichen Renaissance des consularischen Seekommandos entsprach, siehe S. 145f. 75 Heuss (2001) 121 schrieb in seiner Römischen Geschichte resignierend: „Trotz angestrengter Bemühungen der modernen Wissenschaft ist es bis heute noch nicht gelungen, in überzeugender Weise für das römische Vorgehen gegen Karthago „rationale Motive“ ausfindig zu machen.“ Warmington (1963) 245ff meint die Ursache für den Krieg im Mangel an einer klaren politischen Linie der römischen Aristokraten gefunden zu haben. Demnach sei Rom mit der multiethnischen Zusammensetzung seiner annektierten Gebiete und der draus resultierenden Konvulsionen nicht fertig geworden. Smith (1979) 238 hält fest, dass die Aussicht für römische nobilis lukrativer war, anstatt gegen spanische Bergstämme oder in Dalmatien Krieg zu führen, die Befehlsgewalt im Kampf gegen den einst mächtigen Gegner Karthago innezuhaben. Bengtson (1988) 115ff unterstellt den Römern eine strategische Sicherheitspolitik, die mittels eines Präventivkrieges die Probleme mit Karthago lösen wollte; ähnlich Elliger (1990) 123; Zimmermann (2005) 99: „Je rücksichtsloser man gegen Karthago durchgriff, desto eher durfte man hoffen, dass andere Gemeinwesen künftig gar nicht erst an Emanzipation zu denken wagten.“ Bagnall (1995) 384f. konstatiert die merkantile und wirtschaftliche Prosperität Karthagos als direkte Konkurrenz zum römischen Handel, woraus der Krieggrund er-
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logie einen differenzierten Einblick in die karthagische Situation vor Ausbruch des Krieges ermöglicht: Die Ausgrabungen englischer Archäologen in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben zu Tage gefördert, dass der karthagische Kriegshafen, der mit seinen zahlreichen Schiffshäusern bis zu 220 Kriegsschiffen Platz bot, im frühen zweiten vorchristlichen Jahrhunderts erbaut wurde76, also einige Jahre nach dem Ende des zweiten römisch-karthagischen Krieges. Diese Datierung deckt sich mit den Einblicken in die innenpolitische Entwicklung Karthagos zu dieser Zeit, denn durch die Reformkonzepte des Suffeten Hannibal gesundeten die karthagischen Finanzen überaus rasch, so dass man den Römern bereits die Abgeltung der gesamten Kriegskontributionen in einer einmaligen Zahlung angeboten hatte.77 Nachdem Rom dies jedoch ablehnte, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Karthager dieses Geld u. a. für den Bau des riesigen Kriegshafens nutzten. Neben den archäologischen Funden lassen sich auch in den antiken Quellen Indizien für ein erneutes Aufleben der maritimen Interessen Karthagos finden: In den periochae seines 47. und 48. Buches berichtet Livius, dass römische Gesandtschaften, die zur Schlichtung von Auseinandersetzungen zwischen dem numidischen Clientelfürsten Massinissa und Karthago nach Nordafrika gereist waren, in Karthago mehrfach auf große Mengen an Schiffsbaumaterialien stießen.78 Sowohl der neu errichtete Kriegshafen als auch die aufgefundenen Schiffsbaumaterialien deuten auf ein geplantes Wiederaufleben karthagischer Machtansprüche auf dem Meer hin. Auch wenn Karthago zu diesem Zeitpunkt keine ernstzunehmende Bedrohung darstellte, beobachtete man in Rom diese Entwicklung mit äußerster Skepsis. Es bedurfte daher nur eines guten Rhetorikers, um die karthagischen Entwicklungen in Rom gekonnt in Szene zu setzen und die „punische Gefahr“ heraufzubeschwören. Die res publica populi romani war nicht gewillt, ihre maritime Suprematie zu gefährden. Akzeptiert man diese Hinweise auf eine prosperierende Entwicklung in Karthago, so werden auch die großen Rüstungsanstrengungen in Rom, gerade in Bezug auf die römische Flotte, verständlich.79 Analog zu den strategischen Entscheidungen während des ersten rö-
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wuchs. Die Schwierigkeit der bisher aufgeführten Erklärungsansätze liegt in der schweren Belegbarkeit durch antike Quellen. Eine starke Orientierung an den antiken Autoren lässt unweigerlich die Idee einer kollektiven römischen Angst ins Zentrum der Erklärung rücken. Die These, dass die kollektive römische Angst vor dem einstigen Gegner Karthago die entscheidende Triebfeder für den Kriegsentschluss darstellte, derer sich Cato bediente, wird vertreten von; Huß (2004) 315f, Kritik daran bei Welwei (1989) 314–320; Elliger (1990) 122; Zimmermann (2005) 97f. Hurst (1979) 19–49; Rakob (1992) 62f. Zur Gesundung des karthagischen „Staatshaushaltes“ und der Rolle Hannibals vgl. Seibert (1993b) 500ff; Bagnall (1995) 378ff; Christ (2003a) 141f. Den Zusammenhang von finanzieller Verbesserung Karthagos und Bau des Kriegshafens findet sich bei Barceló (2004) 218– 221. Liv. per. 47. 48. Ebenso Rakob (1992) 63: „Die stereotype Formel des Älteren Cato, daß Karthago zerstört werden müsse, Carthaginem esse delendam, erscheint nach den neuen Grabungen nicht mehr als Ausdruck blinden, verstockten Hasses gegenüber der scheinbar endgültig besiegten Rivalenstadt, sondern erfährt so – wenigstens in römischer Sicht – ihre Rechtfertigung.“. Zu die-
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misch-karthagischen Krieges und zu Beginn des zweiten römisch-karthagischen Krieges beauftragte der Senat auch dieses Mal einen amtierenden Consul, L. Marcius Censorinus, mit dem Seekommando. Die Befehlsgewalt über das riesige Flottenaufgebot von über 150 Kriegsschiffen überstieg die Kompetenzen eines legatus bei Weitem.80 Man wähnte wohl die Sieghaftigkeit allein in der gemeinsamen Kriegführung beider amtierender Consuln. Im Frühjahr 149 v. Chr. fuhr der Consul Marcius Censorinus von Italien aus mit der Kriegsflotte über Sizilien nach Nordafrika, wo er bei Utica landete und die Landtruppen unter dem Befehl seines Amtskollegen M. Manilius absetzte.81 Kurz darauf brach Censorinus mit seiner Flotte vom Hafen Uticas auf, um Karthago von der Seeseite her zu blockieren, während Manilius den Isthmus – der die Landzunge, auf der Karthago erbaut worden war, mit dem Festland verband – zu besetzen suchte.82 Die Karthager opferten zur Verteidigung mehrere Schiffe, die sie mit leicht entflammbarem Material beluden, entzündeten und gegen die römische Seeblockade richteten. Durch die Trägheit der römischen Schiffe gelang es Censorinus nicht, rechtzeitig auf die Attacke zu reagieren und er verlor beinahe seine gesamte Flotte in den Flammen der karthagischen Feuerschiffe.83 Mit den verbliebenen Kontingenten reiste er nach Italien ab, versuchte jedoch das Ausbleiben maritimer Erfolge durch Plünderungszüge entlang der nordafrikanischen Küste zu kompensieren.84 Durch die Opferung der karthagischen Schiffe als Brandwaffe, stand eine Konfrontation mit Karthago auf See nun nicht mehr zu befürchten. Daher verzichtete der Senat für die nachfolgenden Kriegsjahre darauf, das Seekommando als provincia für die Consuln zu bestimmen. Stattdessen wurde die Befehlsgewalt wieder in die Hände der legati gelegt und den Consuln strategisch drängendere Aufgaben zugewiesen.85
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sem Entschluss ist auch schon Clark (1915) 68 gekommen, ohne Kenntnis der Ausgrabungsergebnisse: „We have seen repeatedly that it was Rome’s policy not to allow any conquered nation to retain a fleet, and it was the violation of this important condition that had now most weight with the senate.“ Heftner (2005) 408f. sieht lediglich die wirtschaftliche Blüte der Stadt und konstatiert daraus eine zukünftige militärische Renaissance, die von den Römern befürchtet wurde. Schiffszahl bei App. Lib. 75. App. Lib. 78. In Utica muss Censorius mit der Flotte gelagert haben, da er zusammen mit seinem Amtskollegen die karthagischen Gesandten, die erneut die Bedingungen des römischen Ultimatums zu erfüllen versuchten, empfing und römischer Wortführer nach App. Lib. 80–89 war; vgl. ferner Eutrop. 4,10,1–2. App. Lib. 97; Oros. 4,22,4–8; Flor. 1.31,10–11. App. Lib. 99. Nach Zon. 9,26 blieben die Versuche Censorius’ erfolglos. 148 v. Chr. kommandierte L. Hostilius Mancinus die Flotte unter dem imperium des Consuls L. Calpurnius Piso Caesonius. App. Lib. 110 nennt ihn lediglich als Flottenkommandanten, während Liv. per. 51 ihn als Legaten betitelt. Vgl. ferner Zon. 9,29; Plin. n.h. 35,23. 147 v. Chr. unter dem imperium P. Cornelius Scipio Africanus Aemilianus übernahm ein Serranus das Kommando über die Flotte, App. Lib. 114. Da der neue Flottenkommandant Serranus zum Zeitpunkt des Einschlusses der römischen Truppen unter dem Kommando des Mancinus durch die Karthager noch nicht aus Italien eingetroffen war, versegelte Scipio Africanuns Aemilianuns selbst die Flotte zu deren Evakuierung.
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In analoger Weise muss auch der Entschluss Roms verstanden werden, zu Beginn des dritten mithridatischen Krieges erneut einen Consul mit dem Oberbefehl über die Flotte zu betrauen. Mit Mithridates’ VI. Einmarsch in Bithynien 74 v. Chr. war der römische Machtanspruch im Osten der antiken Mittelmeerwelt und über den Pontus Euxinus herausgefordert worden und bedurfte nun einer effektiven und Erfolg versprechenden Intervention. Schon einmal hatte der pontische König mit einer Armada die Dardanellen passiert, war in die Ägäis eingefallen und hatte dort die römische Herrschaft bedroht. Mit der Annexion Bithyniens war Mithridates VI. im Besitz der Propontis und ein erneutes Ausgreifen auf die Ägäis nur eine Frage der Zeit. Daher wurden die Consuln von 74 v. Chr. mit der gemeinsamen Kriegführung beauftragt, wobei man M. Aurelius Cotta das Kommando über die Seestreitkräfte anvertraute, während L. Licinius Lucullus das Landheer anwies.86 Dringlichste Aufgabe Aurelius Cottas war es, die Propontis und Bithynien gegen pontische Übergriffe zu sichern.87 Doch sowohl an Land als auch auf See gelang es Mithridates VI., dem römischen Flottenkommandanten Niederlage um Niederlage an der bithynischen Küste beizubringen, so dass er nach der verlorenen Schlacht und dem Verlust von über 60 Schiffen in Chalkedon Zuflucht suchte und auf Entsetzung durch seinen Amtskollegen L. Licinius Lucullus hoffte.88 Dessen militärischen Operationen war hingegen Erfolg beschieden, als er zum einen Cotta bei Chalkedon zu Hilfe kam, und zum anderen das an der propontischen Ostküste entlang marschierende königliche Heer bei Kyzikus in die Flucht schlug. Denn Mithridates VI. hatte damit begonnen, die an der Südküste der Propontis gelegene Seestadt Kyzikus von Land- und Seeseite her zu belagern, da sie mit ihrer strategisch günstigen Lage und dem ausgebauten Doppelhafen eine gute Ausgangsbasis für maritime Operationen bot. Lucullus nun setzte vorhandene Lastkähne ein, um Teile seiner Truppen in die belagerte Stadt zu schleusen und 86 Hierin ist m. E. eine bewusste Anlehnung an die erfolgreiche Kriegführung in den Kriegen gegen Karthago oder die illyrischen Fürsten zu sehen. Sherwin-White (1984) 163 bemerkt treffend: „The despatch of both consuls to the east is remarkable: neither Philip nor Perseus nor Antiochus had rated the despatch of both consuls against them.“ Nach Plut. Lucullus 6,1– 3 sicherte sich Lucullus den Oberbefehl über die Truppen im Kampf gegen Mithridates VI. durch eine Intrige. Denn die Statthalterschaft Kilikiens und damit auch die Kriegführung gegen Mithridates waren nach dem Tod des Proconsuls L. Octavius’ vakant geworden. Jedoch weder bei Cic. Mur. 33 und bei Sall. Hist. 2,82Mc. – unseren, den Ereignissen zeitlich am Nächsten zu datierenden Quellen – noch bei App. Mithr. 72 finden sich Hinweise auf eine derartige Intrige. Vielmehr wird Lucullus die Kriegführung auf Grund seiner Erfahrungen aus dem ersten mithridatischen Krieg erhalten haben, als er im Amt eines Quaestors unter L. Cornelius Sulla gedient hatte, ebenso Christ (2004) 66f. Plutarchs Darstellung der PraeciaCethegus-Affäre verdient daher äußerste Skepsis. So etwa bei Magie I (2000) 294. Anders Reinach (1975) 316; Sherwin.White (1984) 163. 87 Plut. Lucullus 6,5. 88 Cic. Mur. 33; Sall. Hist. 3,12–13Mc; 4,67Mc.; Liv. per. 93; Plut. Lucullus 5,1; 6,5; 8,1–3; App. Mithr. 71; Eutrop. 6,6,2; Oros. 6,2,13; Auct. Vir. Ill. 74,4; vgl. Clark (1915) 76; Reinach (1975) 317–321; Magie I (2000) 324f. Nach Sherwin-White (1984) 169 muss Cotta die Schiffe von römischen Verbündeten in der Ägäis erhalten haben, da die übrigen römischen Schiffe für Antonius im Kampf gegen Sertorius bestimmt waren.
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mit verstärktem Truppenkontingent den Belagerungsring zu sprengen. Das Gros des pontischen Heeres floh nach missglückter Belagerung in die Hafenstadt Lampsakos, wo sie von römischen Truppen eingeschlossen wurden. Mithridates VI. unternahm daraufhin von der Seeseite her einen Evakuierungsversuch und ließ seine Flotte den Zugang zur Propontis abriegeln, während er selbst nach Nikomedia abzog.89 Die so geglückte Rettung der eingeschlossenen Soldaten des Mithridates VI. und der Verlust der römischen Schiffskontingente bei Chalkedon führten Lucullus die maritime Überlegenheit des pontischen Königs vor Augen. Um jedoch erfolgreich gegen den Gegner vorgehen zu können, war die Verfügbarkeit eigener Schiffe unerlässlich. Daher rüstete Lucullus eine eigene Flottille aus, mit der er sein Heer am Hellespont übersetzen und die vor Samothrake patrouillierenden pontischen Schiffe unter dem Befehl des Isiodoros, welche zur Absicherung der Einfahrt in die Propontis abkommandiert waren, attackieren konnte. Nach deren Vernichtung vermochte Lucullus die in der Ägäis operierende königliche Flotte bei Lemnos durch einen kombinierten Angriff von Land- und Seeseite her vernichtend zu schlagen, während seine legati umliegende Küstenstädte besetzten.90 Zwar operierten er und sein Amtskollege noch weitere Jahre gegen Mithridates VI., doch kein Consul der res publica populi romani sollte je wieder den Oberbefehl über eine Flotte zu seinen Aufgabenbereichen zählen können. 3.2.2 Das praetorische Seekommando Die „Geburtsstunde“ des praetorischen Seekommandos koinzidiert mit den Auseinandersetzungen der rivalisierenden Consuln von 242 v. Chr. um die Befehlsgewalt über die römische Flotte. Wie bereits oben ausgeführt, hatte Q. Lutatius Catulus erfolgreich versucht, unter Bezugnahme auf die Einschränkungen von dessen sakraler Position als flamen Martialis, welche die Kriegführung außerhalb Italiens verbot, seinem Amtskollegen A. Postumius Albinus das Seekommando zu entziehen. Durch die Disqualifikation Albinus’ erhoffte sich Catulus eine Zentrierung maritimer Macht auf seine eigene Person durch die alleinige Befehlsgewalt über die Flotte. Diese Akkumulation nautischer Ressourcen und Kompetenzen suchten einige Kräfte im Senat zu verhindern. Daher stellte man Catulus einen anderen Vertreter der römischen Magistratur und Inhaber eines imperium als zweiten Flottenkommandanten zur Seite, den Praetor Quintus Valerius Falto.91 89 Cic. Manil. 20; Mur. 33; Sall. Hist. 3,8–25. 28–29Mc; Liv. per. 94–95; Strab. 12,8,11; App. Mithr. 72–76; Plut. Lucullus 8,1–11,6; Eutrop. 6,6,3; Oros. 6,2,13–19. vgl. Reinach (1975) 321–329; Sherwin-White (1984) 164–169; Bengtson (1988) 168f.; De Souza (1999) 125; Magie (2000) 325–330. 90 Zur Seekampagne des Lucullus Cic. Manil. 21; App. Mithr. 77; Plut. Lucullus 12,1–5; Eutrop. 6,6,2; Oros. 6,2,21–23, vgl. Clark (1915) 76f.; Reinach (1975) 329f.; Magie I (2000) 330f. 91 Die von Mommsen St. R. II³ 196, Anm. 2 angeführte These, dass diese spezifische Situation zur Installation des zweiten Praetors innerhalb der römischen Magistratur führte, wird von Brennan (2000) 85–89, angezweifelt, ferner Bergk (2011) 71ff.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Während der Seeschlacht bei den Aegatischen Inseln 241 v. Chr. übernahm Falto wegen Erkrankung des Catulus das Seekommando und trug somit zum letzten großen Sieg der römischen Flotte im ersten römisch-karthagischen Krieg bei.92 Diese Leistung honorierte der Senat – trotz des Protestes von Seiten Catulus’ – mit einem triumphus navalis für Falto.93 Die Öffnung maritimer Handlungsfelder für die praetorische Magistratur setzte sich jedoch erst im Verlauf des zweiten römisch-karthagischen Krieges vollends durch, als einerseits die militärischen Kräfte der Consuln durch Hannibal an Land gebunden waren und zugleich sporadisch auftretende Attacken karthagischer Schiffe an italischen Gestaden eine mobile Schutzflottille für die Küstenstreifen mit römischen Besitzungen notwendig machten. Anderseits zwang der Kriegseintritt Philipps V. von Makedonien Rom zu einer Ausweitung seiner nautischen Präsenz, um dadurch die im ersten römisch-karthagischen Krieg erworbene Vormachtstellung im westlichen Mittelmeer aufrechtzuerhalten. Die von den Küsten Italiens und den Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika ausgehende Absicherung des Meeres fiel daher in das Aufgabengebiet der Praetoren.94 In der Definition der einzelnen maritimen imperia der zunächst vier Praetoren und ihrer geographischen Grenzen orientierte sich der Senat an bereits bestehenden Regeln der Jurisdiktion, Verwaltung und Organisation.95 Demgemäß kommandierte der Praetor urbanus, der ursprünglich für die Rechtsprechung innerhalb der Stadtmauern Roms verantwortlich war, ein Schiffskontingent, mit dem er die italische Westküste von der Tibermündung bis zur Südspitze Italiens vor feindlichen Überfällen schützen sollte.96 Der Praetor peregrinus, dem von alters her die 92 Er hatte sich beim Sturmangriff auf Drepanum am Schenkel verletzt, Val. Max. 2,8,2; Zon. 8,17; Eutrop. 2,27,1; Oros. 4,10,5. Zur Schlacht bei den Aegatischen Inseln vgl. Thiel (1954) 306–310; Warmington (1963) 195; Bagnall (1995) 126; Viereck (1996) 180; Lazenby (1996) 155–159; Huß (2004) 178; Heftner (2005) 164f. 93 Zon. 8, 17; Val. Max. 2,8,2; Inscr.It. 13, 1, p. 549 Degrassi; Brennan (2000) 83ff. 94 Die Übertragung des Seekommandos auf einen Praetor ist allein für das Jahr 217 v. Chr. bezeugt und den besonderen Umständen geschuldet. Wie bereits oben ausgeführt, nutzte der Consul Cn. Servilius Geminus das Seekommando zur Erringung von virtus und Beute, nachdem er in der Schlacht am Trasimenischen See versagt und anschließend sein Heer dem Dictator Quintus Fabius Maximus zu unterstellen hatte. Nach dem Ablauf der Dictatur wurde Servilius Geminus nach Rom zurückbeordert. Zu diesem Zeitpunkt muss er sich mit der Flotte in den sizilischen Gewässern befunden haben. Daher übertrug er bei seiner Abreise nach Rom das Kommando über die Flotte an den auf Sizilien stationierten Praetor T. Otacilius Crassus. 95 Zu den Aufgabenbereichen der Praetoren vgl. Meyer (1961) 74f., 86, 138, 162f.; den konzisen Überblick bei Bleicken (1993) 83ff; Develin (1985) 20f.; 98ff; Lintott (1999) 107ff. Die Veränderung in den Aufgabenbereichen der Praetoren im Jahr 215 v. Chr. vgl. Seibert (1993b) 227 Anm. 13. 96 Nach Liv. 23,32,18 kommandierte der Praetor urbanus Q. Fulvius Flaccus ein Schiffskontingent von 25 Schiffen. Die geographische Reichweite der Befugnisse des Fulvius sind bei Livius nur sehr vage beschrieben: „Die gleiche Anzahl Schiffe wurde dem Stadtprätor Quintus Fulvius zugewiesen, damit er die Küste unterhalb Roms sichere“ (Par navium numerus Q. Fulvio praetori urbano decretus ad suburbana litora tutanda.). Da jedoch auch ein Flottenkontingent unter dem Befehl des Otacilius in den Gewässern um Sizilien operierte (Liv.
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Rechtspflege zwischen Fremden (peregrini) und römischen Bürgern zukam, erhielt den Oberbefehl für eine Flottille zum Schutz der adriatischen Küste Italiens zwischen Brundisium und Tarent.97 Die Praetoren in Sizilien98 sowie Sardinien99 23,32,20. 21,1), erscheint mir die südliche Grenze bei Tempsa plausibel. Thiel (1946) 66f. Anm. 97 vermutet eine Begrenzung des Zuständigkeitsbereiches des Praetor urbanus nur bis Cumae. Durch Liv. 27,22,12 ist erst wieder für 208 v. Chr. ein Seekommando zum Schutz der italischen Südwestküste durch einen Praetor urbanus, P. Licinius Varus, erwähnt. Hannibals kontinuierliche Präsenz auf der italischen Halbinsel wird auch die Kräfte der Stadtpraetoren gebunden haben, so dass sie nicht selbst das Kommando über die Flottillen übernehmen konnten. Diese Aufgabe erhielten dann Legaten oder Promagistrate. Zum Praetor urbanus vgl. die allgemeinen Ausführungen von Kunkel / Wittmann (1995) 296, einschl. Anm. 5; Brennan (2000) 98–102. 97 Nach Liv. 23,32,16, beauftragte der Senat im Jahr 215 v. Chr. den Praetor pereginus, M. Valerius Laevinus, zum Schutz der tyrrhenischen Gewässer einschließlich der italischen Ostküste. Seine Erfolge, wie die Gefangennahme von Gesandten Phillips V., die per Schiff auf dem Weg zu Hannibal waren (vgl. Pol. 8,1,6–7; Liv. 23,38,10. 48,3; Flor.1,23,1. 6; Eutrop. 3,12,4; Iustin. 29,4,4; Zon. 9,4; Huß (2004) 244), begünstigten seine Position und ermöglichten es ihm, vier weitere Jahre im tyrrhenischen Meer bis zur Ägäis zu operieren. Der Küstenschutz hatte in dieser Zeit nur noch sekundäre Relevanz, denn die ganze Aufmerksamkeit des Laevinus richtete sich gen Osten und die Fremdenpraetoren dieser Jahre waren durch Hannibals Präsenz in Italien gebunden. Zum Praetor peregrinus vgl. Kunkel/Wittmann (1995) 296f. 98 Schon im ersten Kriegsjahr beauftragte der Senat den Praetor M. Aemilius Lepidus mit dem Schutz der sizilischen Küste. Hierfür bemannte Lepidus nicht nur Schiffe, die in den umliegenden Gewässern patrouillierten, sondern auch befestigte Verteidigungsposten an breiten Küstenabschnitten. Der Erfolg stellte sich alsbald ein, als karthagische Schiffe auf hoher See vor der Küste Lilybaeums angegriffen und gekapert wurden; vgl. Liv. 21,49,8–50,6; Thiel (1946) 44ff; Seibert (1993a) 216; (1993b) 121f.; Huß (2004) 222. Für 214 v. Chr. wurden laut Liv. 24,10,5. 11,5–9. 12,7 durch den Senat sogar zwei Praetoren, P. Cornelius Lentulus und T. Otacilius Crassus, nach Sizilien entsandt, wobei in Anlehnung an die consularischen provincia-Verteilungen einem das Kommando über die Landtruppen, dem anderen der Befehl über die dort stationierte Flotte übertragen wurde. Diese Verteilung jedoch blieb ein singuläres Ereignis und ist wohl den innenpolitischen Umständen des Vorjahres geschuldet. Denn Otacilius hatte sich als Promagistrat für das Consulat im Jahr 214 v. Chr. erfolglos beworben und wurde infolgedessen erneut zum Praetor gewählt. Nach Liv. 24,7,11–9,3 wurde seine Bewerbung durch Quintus Fabius Maximus vereitelt, der in einer Rede die Unerfahrenheit des Otacilius im Landkrieg gegen den gefürchteten Hannibal betonte. Kurz darauf ließ er die Wahlen wiederholen. Mag die angeblich tradierte Rede des Fabius bei Livius auch literarischer Fiktion entsprechen, liefert sie doch einen Einblick in die Realität römischer Politik in den Krisenjahren nach der Schlacht von Cannae. Heftner (2005) 247f. schildert die innenpolitische Situation und die Rolle des Fabius Maximus derart: „In den drei Jahren nach Cannae war er der unbestrittene Lenker der römischen Kriegführung und Innenpolitik zugleich. Sein Einfluss prägte die Beschlüsse des Senats, seine Intervention entschied drei Jahre hintereinander die Konsulwahlen, vor allem aber bestimmte er durch sein strategisches Konzept die Aktionen aller römischen Feldherrn auf dem italischen Kriegsschauplatz.“ Ähnlich auch Develin (1985) 159ff; Barceló (2004) 162f. Beck (2005) 297 deutet die Ereignisse gegen die stereotype Interpretation von Fraktionskämpfen zwischen Fabiern und Aemiliern als Handstreich. Anders etwa Scullard (1973) 59. 99 Weniger erfolgreich zur See waren die Praetoren auf Sardinien. T. Manilus Torquatus – dem das imperium über Sardinien zufiel, da der gewählte Praetor des Jahres 215 v. Chr., Q. Mucius Scaevola, erkrankt war und er faktisch dieses Amt in Vertretung ausübte und daher in die-
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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erhielten neben ihren Landtruppen ebenfalls Flottenverbände, mit denen sie sowohl die Küsten und umliegenden Gewässer bewachen, als auch Übergriffe auf karthagische Seestädte und Schiffe durchführen konnten. Durch die Flottillen der Praetoren zeigte die res publica in allen umliegenden Meeren, dem mare Tyrrhenum, mare Adriaticum und mare Libycum, Präsenz und vermochte während des zweiten römisch-karthagischen Krieges den Status ihrer Suprematie zur See im westlichen Mittelmeer zu sichern. Zugleich etablierte sich die an geographischen Punkten orientierte Aufteilung der einzelnen maritimen Aufgabengebiete als gängiges Prinzip. Nach den positiven Erfahrungen mit den taktischen Entscheidungen während des zweiten römisch-karthagischen Krieges verfuhr Rom ebenso in seiner Seestrategie während der letzten Auseinandersetzungen mit dem seleukidischen (191-188 v. Chr.) und makedonischen (171-168 v. Chr.) Königreich. Für den Bau, die Ausrüstung und Bemannung der Flotte verantwortete der Senat in beiden Kriegen ausschließlich die Praetoren gemäß ihren geographisch festgelegten Handlungsrahmen. Demnach oblagen dem Praetor urbanus und Praetor peregrinus die Aufsicht über den Bau und die Ausrüstung der in Italien stationierten Schiffskontingente sowie die Rekrutierung der Offiziere innerhalb der italischen Bundesgenossen.100 Zusätzliche Schiffskontingente wurden von den Praetoren aus den Provinzen etwa Siziliens oder Hispania citeriors equipiert und in die italischen Häfen
ser Sachlage als Exempel für die Praetoren Sardiniens herangezogen werden kann – gelang es 215 v. Chr. noch ausschließlich zu Lande, die Festsetzung eines karthagischen Invasionsaufgebotes bei Carales zu stoppen; vgl. Liv. 23,40,1–12; Thiel (1946) 69f.; Seibert (1993b) 247f.; Bagnall (1995) 273f.; Christ (2003a) 113; Barceló (2004) 162; Huß (2004) 248. Doch sein Amtskollege des Jahres 210 v. Chr., P. Manlius Vulso, konnte die Plünderung und Verwüstung der sardinischen Küste bei den Städten Olbia und Carales durch den karthagischen Flottenbefehlshaber Hamilkar nicht verhindern. Den Grund dafür liefert Liv. 27,6,13–14. Demnach versuchte Manlius Vulso mit Hilfe des Heeres Hamilkar zu stoppen, doch die Trägheit des Landheeres konnte gegen die Schnelligkeit der karthagischen Schiffe nicht bestehen. Seibert (1993a) 269 wies überzeugend darauf hin, dass entgegen der communis opinio der Forschung wie etwa bei Huß (2004) 272 in diesem Jahr statt zwei doch nur eine römische Legion auf Sardinien stationiert war. Vgl. ferner Thiel (1946) 114f.; Seibert (1993b) 337 Anm. 61; Huß (2004) 274. Erst fünf Jahre später gelang es dem Praetor Cn. Octavius, einen Sieg zu verbuchen, als er sich karthagischer Transporter, die angeblich Versorgungsgüter für das Heer Hannibals in Süditalien oder aber Kriegsgeiseln verschifften, bemächtigte (Liv. 28,46,14; App. Hann. 54). Vgl. Thiel (1946) 151. Seibert (1993b) 421 mit Anm. 46; Barceló (2004) 194; Huß (2004) 290f. unterschlagen in ihren Darstellungen, dass die Flotte der Karthager auf See in einen Kampf mit den Römern geraten war und unterlag. Stattdessen wird der Eindruck erweckt, die Karthager seien vom Kurs abgekommen und wären bei Sardinien gestrandet. 100 192 v. Chr. wurden der Praetor urbanus M. Fulvius Centumalus und der Praetor peregrinus L. Scibonus Libo mit der Überwachung des Flottenneubaus und deren Bemannung beauftragt (Liv. 35,21,1. 23,6. 24,8). Der Praetor urbanus C. Licinius Crassus erhielt den Befehl eine Flotte von 50 Quinqueremen auszurüsten und zu bemannen während der Praetor peregrinus Cn. Sicinius Seeoffiziere aus den Seestädten der römischen Bundesgenossen rekrutierte (Liv. 42,27,1–3).
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3. Das römische Seekommando
oder als Nachschublieferungen in den Osten transportiert.101 Das Oberkommando über die Seestreitkräfte wurde in der Regel ausschließlich einem Praetor übertragen. Die erfolgreiche Kriegführung zur See, fernab von den heimischen Häfen und Gewässern, hing von zwei essentiellen Faktoren ab: (1) Dem Aufbau und Gebrauch nautischer Allianzen und (2) einer engen Kooperation mit den consularischen Landheeren. Namentlich sind durch die antiken Autoren im Krieg gegen Antiochos III. vor allem die rhodischen Flottenkommandanten Pausistratos102, Eudamos103, Epicrates104, Pamphilidas105 und der pergamenische König Eumenes II.106 überliefert. Die Kompetenzen der verbündeten Seekommandanten umfassten sowohl eigenmächtige Flottenexpeditionen107 als auch die Navigation von Flottenabschnitten unter dem römischen Oberbefehl des amtierenden Praetors.108 Daneben dienten die Verbündeten als nautische Berater in den ihnen bekannten Gewässern109, und waren mitverantwortlich für die Sicherung der Ägäis unter römischer Aufsicht.110 101 Nach Liv. 35,20,12–13 hatte der Praetor von Hispania citerior M. Baebius Tamphilus 192 v. Chr. bereits im Dienst stehende Schiffe auf Tauglichkeit zu prüfen und gegebenenfalls instandzusetzen. Wenig später detachierte Rom unter seinem Kommando Truppen und Schiffe nach Griechenland (Liv. 35,23,5.24,7). 171 v. Chr. rüstete der Praetor Siziliens C. Memmius zur Komplettierung der erforderlichen Schiffszahl die verbliebenen Kreuzer von seiner Flotte aus und verschiffte sie zum Sammelpunkt nach Brundisium (Liv. 42,27,1–3). 102 Liv.36,45,5–6; 37,9,5. 10,2–11,11. 12,8–9. Vgl. ferner Wiemer (2001) 112–116. 103 Liv. 37,12,9. 15,5. 22,3–5. 23,8–9. 24,4.6–9. 26,12. 28,10. 29,6.9. 104 Liv. 37,13,11. 15,6; vgl. Wiemer (2001) 116 Anm. 72. 105 Liv. 37,22,3.5. 23,8. 24,8–9. 25,3. 106 Zur Rolle des Eumenes II. vgl. Radt (1999) 33–37; Shipley (2000) 315f. 107 Bei der von Liv. 37,23,6–24,13 überlieferten Seeschlacht von Side gegen die seleukidsche Armada unter dem Befehl des Exilkarthagers Hannibal hatte der Rhodier Eudamos das Oberkommando inne, während Pamphilidas das Zentrum der Flotte befehligte, vgl. Thiel (1946) 338–344; Wiemer (2001) 119–122. Hannibals Rolle in der Kriegsstrategie Antiochos III. heben hervor Seibert (1993a) 407–411; (1993b) 515–521; Christ (2003a) 148f.; Barceló (2004) 237ff. Als Pergamon belagert wurde, entsetzte Eumenes II. nach Liv. 37,18,8–9 seine Stadt mit der Flotte; vgl. Thiel (1946) 335. 108 So etwa bei der Seeschlacht von Myonnesos als Eudamos nach Liv. 37,29,9 mit seinem Flottenkontingent eine entscheidende Offensive erreichte oder als er am Hellespont die Überfahrt des consularischen Heeres nach Kleinasien mit realisierte (Liv. 37,26,12). Dazu Thiel (1946) 352f.; Wiemer (2001) 125–128. 109 Als Berater taucht bei Liv. 37,28,10 zum einen Eudamos auf, der dem römischen Praetor bei der Belagerung Teos Informationen zu den Seeverhältnissen des Hafens von Teos zukommen ließ, vgl. Thiel (1946) 352. Des Weiteren berichtet Liv. 37,15,1–9 ausführlich von einem von Aemilius Regillus einberufenen Kriegsrat, an dem neben seinem Amtsvorgänger C. Livius auch König Eumenes II. sowie die beiden Rhodier Eudamos und Epicrates teilnahmen. Wiemer (2001) 117 sieht in dem ausgetragenen Disput eine Divergenz in den Interessen der Verbündeten: „Während die römischen Oberkommandierenden und Eumenes den Seekrieg in der Ägäis führen wollen, liegen die strategischen Prioritäten der Rhodier an der Südküste Kleinasiens, in Karien, vor allem aber in Lykien.“ 110 Epicrates war nach Liv. 37,13,11–12 abkommandiert um die Küste Kephallanias vor spartanischen Übergriffen zu schützen, vgl. Thiel (1946) 326f.; Wiemer (2001) 116. Durch Liv. 37,25,2–3 ist überliefert, dass Pamphilidas zum Küstenschutz nach Patara beordert wurde, nachdem Antiochos III. von Sardes aufgebrochen worden war.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Auch zu Beginn des dritten römisch-makedonischen Krieges wird der Praetor Cn. Sicinius noch mit verbündeten Schiffskontingenten bei der Besetzung der in der Nähe von Nymphaion liegenden Seestädte der Illyrer und Dassareten kooperiert haben.111 Sein Nachfolger C. Lucretius Gallus richtete sein Augenmerk jedoch fort vom Meer auf das Gebiet Boiotiens, da Perseus seit Anfang des Jahres auf dem Meer nicht aktiv geworden war, und entließ die verbündeten Seestreitkräfte Karthagos, Rhodos’ Samos’ Chalkedons und Herakleias.112 Trotz der weitestgehenden Autonomie der praetorischen Seekommandos finden sich häufig kooperative Operationen mit den Landheeren der Consuln, die oft genug auf nautische Unterstützung angewiesen waren. So sicherte im Frühjahr 190 v. Chr. beispielsweise der Praetor C. Livius Salinator durch die Blockade Abydos’ und die Besetzung Sestos’ das umliegende Gebiet am Hellespont für das wenig später eintreffende consularische Heer unter dem Kommando des Consul L. Cornelius Scipio.113 Als im Herbst des selben Jahres die Truppen Scipios dann über den Landweg bis zum Hellespont marschierten, bedurfte es wiederum der Unterstützung des neuen Flottenkommandanten L. Aemilius Regillus und einer Flottille von 23 Schiffen, um die Überfahrt am Hellespont realisieren zu können.114 Im Krieg gegen Perseus von Makedonien eskortierte C. Marcius Figulus 169 v. Chr. mit seiner Flotte nicht nur das consularische Heer von Brundisium über Korkyra und Actium nach Ambracia115, sondern nahm auch an den Kriegsratsversammlungen des amtierenden Consul Q. Marcius Philippus teil, um über eine gemeinsame Strategie zu befinden. Demnach sollte die Flotte das Heer an der Küste flankieren und die feindlichen Seeplätze angreifen.116 Dadurch war es Marcius Figulus möglich, bei der Belagerung Herakleions die Seeseite zu blockieren, während das Landheer den Belagerungsring bis zur Küste abschloss.117 In gleicher Weise versuchte man die Seefestung Demetrias zu nehmen, musste dann jedoch 111 Liv. 42,18,2–3. 36,8–9; Hammond (1998) 509. 112 Liv. 42,56,6–7. Auch Thiel (1946) 389 geht von einem Ausbleiben makedonischer Seeoperationen bis zur Ankunft Lucretius Gallus’ aus. Bengtson (1988) 104 deutet den Landgang des Praetors fälschlicherweise als römische Überlegenheit auf See. 113 Liv. 37,9,5–11. Thiel (1946) 317f. wertet C. Livius’ Aktionen am Hellespont als grobes Fehlverhalten: „So he [C. Livius, Anm. M. Ladewig] now started on a quite useless campaign of conquest on the shores of the Hellespont, seven months before the Roman army would reach it by land, while in the meantime 20 precious Rhodian ships, which erelong would be bitterly needed, got lost to the Roman navy and were added by Polyxenidas to the Syrian fleet.“ Thiel verkennt in seiner Deutung C. Livius’ Beweggründe völlig. Die Flotte diente auch der Realisierung von Beutezügen. Dieses Ziel wird er mit seinen Aktionen am Hellespont verfolgt haben; dass er dadurch auch Vorbereitungen für den späteren Übergang traf, war günstig, jedoch nicht entscheidend. Denn schließlich bedurfte es der Schiffe für die Überfahrt, d. h. C. Livius bzw. sein Nachfolger hätte spätestens dann Schiffskontingente dafür abstellen müssen. 114 Aemilius Regillus entsendete die Flottille unter dem Befehl des Legaten L. Aemilius Scaurus, Liv. 37,31,6–7. Vgl. zum Übergang am Hellespont ferner Heftner (2005) 342f. 115 Liv. 44,1,3–4; vgl. Thiel (1946) 395. 116 Liv. 44,2,1–3. 117 Blockade Herakleions und die Rolle der Flotte bei Liv. 44,8,8–9,9; vgl. Thiel (1946) 397f.
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3. Das römische Seekommando
aufgrund des hereinbrechenden Winters und der Entsetzung durch den makedonischen Heerführer Euphranor das Unternehmen abbrechen.118 Ein Jahr darauf zeichnete sich der neue Flottenbefehlshaber Cn. Octavius in gleicher Weise durch Kooperation mit den an Land operierenden Heereskörpern aus, als er gemeinsam mit dem Consul und dessen Legionen von Italien aus nach Makedonien segelte119, um dort entlang der Küste Thessalonikes zu marodieren, u. a. die Stadt Meliboia zu erobern120 und ein strategisch entscheidendes Täuschungsmanöver durchzuführen121, so dass der Consul Aemilius Paullus Perseus bei Pydna mit seinem Heer vernichtend schlagen konnte.122 Octavius gelang es, den fliehenden makedonischen König mit seiner Flotte zu verfolgen und bei Samothrake festzusetzen.123 Als im selben Jahr der Konflikt zwischen Rom und dem illyrischen Fürsten Genthios ausbrach124, operierten wiederum die Praetoren die Schiffskontingente und konnten die Schiffsaufgebote der Illyrer bei Dyrrhachion und Apollonia besiegen sowie die Festung Scroda, in die sich Genthios zurückgezogen hatte, belagern und erobern.125 Neben der Kooperation mit den consularischen Landheeren operierten die Praetoren jedoch auch unabhängig von den Consuln auf dem Meer – mit unterschiedlichen Erfolgen: Marcius Figulus etwa führte teils erfolgreiche, teils missglückte Überfälle entlang der Küste Thessalonikes bei Aineia, Antigoneia, Pallene, Kassandreia und Torone durch.126 171 v. Chr. nutzte der Praetor C. Lucretius 118 Nach Liv. 44,12,8 schien der Plan, Demetrias anzugreifen, von Marcius Figulus gefasst worden zu sein. Für den Angriff auf Demetrias versuchte nach Liv. 44,13,1–6 das consularische Heer zuvor die strategisch günstig gelegene Stadt Meliboia zu besetzen, welche jedoch von Euphranor entsetzt wurde, dazu Thiel (1946) 398f. 119 Liv. 44,22,16. 120 Eroberung und Plünderung Meliboia, Liv. 45,46,3. 121 Nach Liv. 44,35,13–15 sollte Octavius mit seiner Flotte vor Herakleion ankern, um den makedonischen Spähern zu suggerieren, auf die Unterstützungstruppen des P. Scipio Nasica und Q. Fabius Maximus zu warten, um dann die Küste Zentralmakedoniens zu plündern. Tatsächlich aber nahmen die Einheiten des Scipio Nascia und Fabius Maximus bei der Flotte Proviant auf, um dann über die Passhöhe des Olympos ins Zentrum Makedoniens einzufallen, Liv. 44,35,16–24; Plut. Aemilius Paullus 15,1–17,1. Zon. 9,23 ergänzt den Bericht des Livius um die begleitende Fahrt der römischen Flotte entlang in Richtung Pydna. Vgl. Thiel (1946) 408ff; Hammond (1998) 539–547; Heftner (2005) 376f. 122 Zur Schlacht von Pydna: Liv. 44,36–42; Zon. 9,23,4–7; Plut. Aemilius Paullus 17,2–22,7; vgl. ferner Bengtson (1988) 105; Hammond (1998) 547–557 einschließlich Abb. 18 u. 19; Heftner (2005) 377. 123 Liv. 45,5–6; Vell. 1,9,5; Plut. Aemilius Paullus 26,1–5; Iustin. 33,2–5; Zon 9,23. Vgl. Thiel (1946) 410; Errington (1986) 194; Bengtson (1988) 105; Hammond (1998) 558; Heftner (2005) 378. 124 Perseus hatte schon seit Längerem diplomatischen Kontakt zu Genthios und forderte diesen immer wieder zum Kriegsbeitritt auf, Pol. 29,3,1–4,7; Liv. 44,23,1–10.27,8–12; App. Mac. 18,1; vgl. Cabanes (1988) 311–318, 321ff. Wenig später trat Genthios dann offen in den Krieg gegen Rom ein und hatte nach Liv. 44,30,7–8 damit begonnen, römische Bundesgenossen in Illyrien anzugreifen. 125 Liv. 44,.30–32,5; 45,3,1–2; Diod. 31,8,10; Flor. 1,29,1–2; Zon. 9,24; Plut. Aemilius Paullus 13,2; App. Ill. 9; Eutrop. 4,6. Vgl. Thiel (1946) 407; Hammond (1998) 537ff. 126 Liv. 44,10,5–12,8.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Gallus die Autonomie seines imperium, verweigerte eine Kooperation mit den Landtruppen des Consuls und wandte sich stattdessen allein gegen die mit Perseus verbündete Stadt Haliartos, die zuvor von dem Legaten P. Cornelius Lentulus und romfreundlichen Boiotern angegriffen worden war.127 Ebenso betätigte sich sein Amtsnachfolger L. Hortensius vollständig autonom und ohne jegliche Kooperationsbereitschaft an der Plünderungskampagne entlang der makedonischen Meeresküste.128 Eine gezielte zu Lande und Wasser geführte Strategie wurde nicht verfolgt, so dass die militärischen Operationen weit hinter den strategischen Möglichkeiten zurückblieben. Die verspäteten Erfolge der Jahre 169/168 v. Chr. sollten offenbaren, dass durch eine gezielte Kooperation zwischen römischer Flotte auf dem Meer und Legionen an Land effektiv gegen den Gegner vorgegangen werden konnte.129 Als ein Merkmal des praetorischen Seekommandos während dieser Kriege etablierte sich in Analogie zu dem consularischen Seekommando während des ersten römisch-karthagischen Krieges die Annuität, d. h. die zeitliche Begrenzung des maritimen Oberbefehls auf ein Jahr.130 Dies wiederum bedeutete einen enormen Erwartungsdruck für die Praetoren, die versucht waren, innerhalb einer Amtsperiode ausreichend Beute und Siege davon zu tragen, um virtus zu erlangen. Im ersten Kriegsjahr kommandierte der Praetor C. Livius Salinator die römischen Flottenverbände. Schon während seiner Überfahrt von Italien nach Griechenland versäumte Livius Salinator es nicht, die Inseln Same und Zakynthos zu plündern, bevor er den Piräus anfuhr, um die dort stationierten Schiffe in seine Flotte zu integrieren.131 Beim Zusammentreffen zwischen dem Kap Argennum und dem Kap Korykos besiegte er die syrische Flotte unter dem Kommando des Exilrhodiers Polyxenidas, vermochte es, deren restliche Verbände bis Ephesos zu verfolgen und bis zum Wintereinbruch zu blockieren, wodurch die Ägäis für den Rest des Jahres als befriedet galt.132 Anschließend marodierte er gemeinsam mit dem pergamenischen König Eumenes II. im Gebiet um Thyateira, so dass der antike Autor Livius resümiert: „Die ausgeschickt wurden, schafften innerhalb weniger Tage eine ungeheure Beute weg.“133 Im Frühjahr 190 v. Chr. plünderte er die an127 Liv. 42,56,1–5. 128 Liv. 43,7,10; Thiel (1946) 392f. 129 So auch Thiel (1946) 395: „This co-operation between army and navy was put into practice in a very deficient way, but the plan in itself meant already an enormous improvement in comparison with the haphazard warfare of the preceding years.“ Anders Bengtson (1988) 105: „Erst nachdem der Consul Q. Marcius Philippus im Jahre 169 den Oberbefehl gegen Perseus übernommen hatte, kam ein frischer Wind in die römische Kriegsführung.“, der den Zusammenhang der Erfolge von 169 v. Chr. mit der Kooperation zwischen Landheer und Marine verkennt. 130 Ähnlich Thiel (1946) 278: „[…] the standing commands of the second Punic war […] were not established again in the Syrian war; not one of the consuls or praetors saw his command prolonged.“ 131 Liv. 36,42,5; Thiel (1946) 295. 132 Liv. 36,43,11–45,8; App. Syr. 20. 22; Iustin. 31,6,7–8; vgl. Thiel (1946) 303–310. 133 Liv. 37,8,7: Missi ingentem praedam intra paucos dies averterunt. In pro-römischer Manier beschuldigt Livius einige Sätze zuvor Eumenes II. der Urheberschaft des Beutezuges. Angeb-
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grenzende Gegend des abtrünnigen Phokaias134 und versuchte auf Samos ebenso Beute zu machen. Da die Ablösung durch seinen Nachfolger L. Aemilius Regillus kurz bevorstand, wichen Zurückhaltung und Vorsicht bei Livius Salinator dem Übereifer und der Unvorsicht: „Als sie von dort zu dem nächstgelegenen Platz auf dem Territorium von Samos übersetzen wollten, warteten sie nicht den Aufgang der Sonne ab, damit die Steuerleute danach die Beschaffenheit des Wetters feststellen konnten, sondern setzten sich der Ungewissheit des Wetters aus. Mitten auf der Fahrt schlug der Nordostwind in Nordwind um, und bei dem hohen Seegang wurden sie hin- und hergeworfen.“135
Während der Übergabe des Seekommandos an den amtierenden Praetor Aemilius Regillus erstritt sich Livius Salinator ein Kontingent von sieben Schiffen, um an der Küste Lykiens, vor allem bei Patara, Seeplätze Antiochos’ III. entweder zum Abfall zu bewegen oder zu plündern. Als sein Amtsnachfolger einwilligte, setzte Livius Salinator seinen Plan in die Tat um und befuhr die lykische Küste bevor er nach Rom zurückkehrte.136 Der Praetor Lucius Aemilius Regillus versuchte, an die Erfolge seines Vorgängers anzuknüpfen, indem er die Beutezüge entlang der kleinasiatischen Küste fortführte.137 Wenig später wandte er sich erst gegen die Insel Teos, deren Bewohner angeblich das Heer Antiochos’ III. mit Proviant und
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lich sei sie allein seine Idee gewesen und Livius habe sich zur Unterstüzung drängen lassen. Es ist sehr unglaubwürdig, dass sich ein römischer Truppenkommandeur zum Beutemachen überreden lassen musste. Liv. 37,12,5–6. Liv. 37,12,11–12: Inde cum in proxima Samiae vellent traicere, non expectato solis ortu, ex quo statum caeli notare gubernatores possent, in certam tempestatem ‹se com› miserunt. Medio in cursu, aquilone in septentrinonem verso, exasperato fluctibus mari iactari coeperunt. Solche Berichte haben in der Forschung zu der irrigen Annahme geführt, dass die antike Seefahrt die Nachtfahrt, den so genannten Nachtsprung, nicht kannte. Doch hat Warnecke (2002) 98f. zurecht herausgestellt, „[…] dass die antiken Seefahrer die nächtliche Dunkelheit nicht scheuten, zumal es sich bei Nacht auf offener See exakter navigieren lässt als am Tage, weil im Mittelmeerraum der sommerliche Schönwetterdunst die Fernsicht trübt, während der gestirnte Nachthimmel meist unbewölkt und klar ist.“ Vielmehr die Trübheit des Wetters in den Morgenstunden hat zu der Beinahekatastrophe des Livius geführt. Liv. 37,14,4–15,9 bleibt recht ungenau bei seinen Ausführungen zu Livius’ Verhalten beim Kriegsrat. Der genaue Wortlaut des Streites kann zwar nicht als gesichert gelten, wohl aber die Tatsache, dass es Unstimmigkeiten bezüglich der weiteren Strategie gegeben hat. Die letzten Seeoperationen C. Livius’ entlang der lykischen Küste finden sich bei Liv. 37,16,1– 13, der auch die Grausamkeit der Unternehmung vermerkt; ferner App. Syr. 23–25. Nach Wiemer (2001) 117f. vertrat C. Livius mit seinem Unternehmen allein die Interessen Rhodos’ in Lykien: „[…] nur acht Schiffe […] werden unter dem Kommando des Livius Salinator nach Rhodos entsandt, um das weitere Vorgehen mit den Rhodiern abzustimmen.“ Wiemer verschleiert die Tatsache, dass C. Livius selbst diesen Vorschlag mit unterstützt haben muss, nachdem sein Vorschlag, den Hafen von Ephesos zu belagern, abgelehnt worden war, um so doch noch eine gewichtige Rolle in der Seekampagne von 199 v. Chr. zu spielen. In der von Wiemer selbst angeführten Stelle bei Liv. 37,16,2 betont Livius, dass C. Livius die Rhodier von seinem Plan in Kenntnis setzen soll: „Er hatte Befehl, zunächst Rhodos anzulaufen und alle seine Pläne mit ihnen abzusprechen.“ (Rhodum prius iussus adire et omnia cum iis communicare consilia). Liv. 37,17,1–10; vgl. Thiel (1946) 333f.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Wein versorgt hatten138, um dann die syrische Armada unter dem Kommando Polyxenidas’ beim Kap Myonnesos vernichtend zu schlagen. Dieser Sieg und das am Hellespont übersetzende Landheer zwangen Antiochos III. zur Aufgabe seiner Stützpunkte bei Lysimacheia und Abydos.139 Zugleich schloss Aemilius Regillus damit die Kriegshandlungen gegen Antiochos III. zur See ab. Die Seekampagne seines Nachfolgers Quintus Fabius Labeo wird weithin als bloßer Epilog des antiochischen Seekrieges betrachtet. Denn die Niederlage des seleukidischen Königs war bereits auf dem Schlachtfeld von Magnesia besiegelt worden140, als Fabius Labeo noch mit seinem Schiffskontingent Operationen in den Gewässern um Kreta und die trakische Küste durchführte. Angetrieben durch die Erfolge und Ehrungen seiner Vorgänger wollte er das ihm zugefallene Kommando nutzen, um sich zu bereichern und daraus politisches Kapital zu schlagen. Daher vertrieb er die seleukidischen Besatzungen bei Maroneia und Aionos141 und befreite römische und italische Kriegsgeiseln aus kretischer Gefangenschaft. Vermutlich waren sie durch Überfälle kretischer Piraten, die oft im Dienst hellenistischer Großmächte standen, während des syrischen Krieges auf italischen Schiffen gefangen genommen worden.142 Anscheinend ist es Fabius Labeo gelungen, seine Kampagne gegen die kretischen Piraten unter das Banner des Kampfes gegen Antiochos III. zu stellen, denn der Senat in Rom bewilligte seinen Antrag auf die Ehrung durch einen Seetriumph ex Asia de rege Antiocho. Der Erwartungsdruck, innerhalb nur eines Jahres ausreichend Siege und Beute zu erlangen, um die dadurch erworbene virtus in politisches Kapital umzumünzen und möglicherweise die Wahl zum Consul zu sichern, führte zu extremen Verfehlungen der Seekommandanten: Der Praetor Lucretius Gallus etwa verweigerte nicht nur die Kooperation mit den Landtruppen des Consuls, sondern griff in deren Aufgabenbereich ostentativ ein. Er entsandte seinen Bruder Marcus nach Haliartos, um die dort durchgeführte Belagerung des consularischen Legaten P. Cornelius Lentulus zum Abbruch zu bringen und wenig später die Fortsetzung der Blockade persönlich, d. h. unter dem eigenem imperium, mit den Seeoffizieren fortzuführen.143 Nach der erfolgreichen Eroberung der Stadt ließ L. Gallus die Einwohner in die Sklaverei verkaufen, um daraus Profit zu schlagen. Die Stadt wurde geplündert und vollständig zerstört. Im Anschluss zog er nach Thisbe, welches sich kampflos ergab. Die Anhänger romfeindlicher Gruppierungen endeten als Ware auf den Sklavenmärkten, und sämtliche Unfreie der Stadt wurden der römischen Kriegsbeute zugerechnet.144 Über die weiteren Aktivitäten Gallus’ sind wir nur indirekt durch die Anklagepunkte des Chalkidiers Mikythion unterrichtet. Demnach muss der Praetor die Tempel und Kultplätze freier und mit Rom ver138 139 140 141
Liv. 37,27,9–28,3; vgl. Thiel (1946) 351. Liv. 37,28,4–30,10. App. Syr. 26–27; vgl. Thiel (1946) 352–360; Gruen (1984) 638. Liv. 37,37,1–45,3; App. Syr. 30–36; siehe dazu Bengtson (1988) 94f.; Heftner (2005) 343f. Liv. 37,60,7. Thiel (1946) 366. Später wurden diese Orte an Pergamon als Entlohung vergeben vgl. Dmitriev (2010) 106–114. 142 Liv. 37,60,1–6. Zur Herkunft der italischen und römischen Geiseln vgl. Thiel (1946) 364f. 143 Liv. 42,56,1–5. 144 Liv. 42,63,3–12.; vgl. dazu ferner Thiel (1946) 390; Deininger (1971) 164–167.
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bündeter Städte und πολεις in Chalkis geplündert, sich an ihren Vorräten bedient und freie Bürger in die Sklaverei verkauft haben.145 Die übermäßige Inanspruchnahme römischer Verbündeter riss mit der Übergabe des Seekommandos an den Praetor des Jahres 170 v. Chr., L. Hortensius, nicht ab. Ebenso wie sein Vorgänger belastete er freie Städte in Chalkis mit der Versorgung und Unterbringung seiner Seemannschaften und konzentrierte sich ausschließlich auf den Landkrieg.146 Nachdem er erfolglos die Städte Emathia, Amphipolis, Maroneia und Aionos angegriffen hatte147, wandte er sich gegen Abdera, welches er noch vor Ablauf des gestellten Ultimatums erstürmte, plünderte und die Bevölkerung in die Sklaverei verkaufte.148 Zwar sind Plünderungen und Raubzüge fester Bestandteil antiker Kriegführung, doch die gewalttätigen Übergriffe auch auf römische Verbündete oder freie Städte stellen eine Ausnahme dar. Derlei „Überschreitungen“ in der Befehlsausübung römischer Kommandanten hatte es auch zuvor gegeben, aber wie lassen sie sich in dieser Situation erklären? Neben dem enormen Erwartungsdruck, der auf den Praetoren lastete, tat auch die Tatsache ein Übriges, dass Perseus die Konfrontation zur See gescheut hatte. Daher bemühten sich die Flottenbefehlshaber auch um eine Beteilugung im Landkrieg, mit fatalen Folgen. Denn die kontinentale Kriegführung der res publica war durch die consularischen Heere gesichert. Weitere Operationen an Land durch die Praetoren erschienen geradezu überflüssig. Mag die Eroberung Haliartos’ noch zweckdienlich gewesen sein, die Plünderung der Tempelanlagen mit Rom verbündeter oder neutraler πολεις und Metropolen füllten zwar die Taschen der Seekommandanten, erfüllten jedoch keinen strategischen Zweck zur Bekämpfung des makedonischen Königs. Zudem war dem Praetor Lucretius Gallus nur wenig Zeit für seine Seekampagne geblieben, denn im Gegensatz zu seinen Vorgängern hatte sich seine Abreise mit der Flotte von Neapel nach Griechenland in die Mitte des Jahres 171 v. Chr. (Juni) verschoben.149 145 Die Anklagepunkte sind bei Liv. 43,7,10–11 aufgeführt. 146 Die Parallelität der Handlungen von Lucretius und Hortensius überliefert Liv. 43,7,8, Details dann bei Liv. 43,7,11. 147 Liv. 43,7,10; Thiel (1946) 392f. 148 Liv. 43,4,8–13; Thiel (1946) 393. 149 Liv. 42,35,3 spricht fälschlicherweise von einer Vorverlegung: „Damit die Beamten zeitiger in ihre Provinzen abreisen konnten, fand das Latinerfest am 1. Juni statt.“ (Quo maturibus in provincias magistratus proficiscerentur, Latinae kalendis Iuniis fuere;), da in der Regel das Fest im März April oder Mai, später sogar im Januar stattfand, vgl. Liv. 41,16,1 (5. Mai); 44,19,4 (12. April); 44,22,16 (31. März); Cic. Q. fr. 2,4,2 (März); fam. 8,6,3 (Beginn des Jahres); Suet. Caes. 79 (Januar); Cass. Dio 44,4,3 (Januar). Der Grund dafür waren die spät angesetzten Feriae Latinae durch die amtierenden Consuln P. Licinius Crassus und C. Cassius Longinus. Dass die Consuln das Datum des Latinerfestes zu Beginn ihres Amtsantritts festlegen, belegt Liv. 41,16,1; 45,3,2; Cic. fam. 8,9,3. Zum Latinerfest allg. vgl. Scullard (1985) 174–179. Da alle amtierenden Beamten der res publica an dem Latinerfest auf dem Albanerberg teilnehmen mussten (bezüglich der Teilnahme der amtierenden Beamten vgl. Dionys. 8,87,6; Liv. 25,12,1; 44,21,3.22,16), war es den amtierenden Magistraten erst erlaubt, nach Abschluss der Feierlichkeiten in ihre provinciae abzureisen, vgl. dazu Liv. 21,63,5; 22,1,6;
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Diese Verletzung der Verhaltenscodices der imperium-Träger veranlasste die senatorische Oberschicht, auf das Fehlverhalten der Praetoren zu reagieren: Während man Hortensius lediglich zur sofortigen Beseitigung der Folgen seiner Handlungen gegen die mit Rom verbündeten Städte aufforderte150, wurde der Praetor Lucretius Gallus durch die Volkstribunen vor Gericht gestellt und zu einer Geldbuße in Höhe von einer Million As verurteilt.151 Das praetorische Seekommando hatte sich anfangs noch als zweckmäßige Alternative zur Organisation der maritimen Kampagnen Roms erwiesen und solange die Praetoren zur See mit den Consuln an Land kooperierten, wie das im zweiten römisch-karthagischen Krieg exzellent umgesetzt worden war, auch bewährt. Als sich dann im dritten römisch-makedonischen Krieg die Kämpfe auf das Land konzentrierten, war das Meer für die Erlangung von militärischem Ruhm und Kriegsbeute unattraktiv, so dass die Praetoren die Flotte für Raubzüge gegen neutrale Städte entlang der Küsten missbrauchten. Die einst zwischen Consuln ausgetragene inneraristokratische Konkurrenz um die Anerkennung maritimer Leistungen wird nun in der römischen Magistratur eine Ebene tiefer ausgetragen. Dadurch, dass das Seekommando auf die Praetoren übertragen worden war, die ebenso wie die Consuln berechtigt waren, ein imperium zu führen, und die jüngeren maritimen Einsätze in deutlicher Mehrzahl unabhängig von den Anordnungen der amtierenden Consuln erfolgt waren, forderten nun auch die Praetoren die Anerkennung ihrer Leistungen in Form des triumphus navalis. Während die Consuln die Seesiege ihrer Legaten, beispielsweise zur Zeit des zweiten makedonischen Krieges, komplett für sich verbuchen konnten, legten die Praetoren Wert darauf, die eigenen Erfolge im Krieg gegen Antiochos III. und Perseus von Makedonien zu ihrem persönlichen Vorteil einzusetzen, um politi23,12,1–2; 44,19,4. 22,16. Cass. Dio 46,33,4 berichtet von den Vorwürfen, welche den Consuln Hirtius und Pansa gemacht wurden, als sie noch vor Beginn des Latinerfestes in ihre provinciae abgereist waren. C. Lucretius Gallus wird demnach um die Iden des Monats Juni in Griechenland angekommen sein. Da das Latinerfest am 1. Juni stattfand und in der Regel mehrere Tage andauerte, wie aus Cass. Dio 53,33,3; Suet. Claud. 4; Tac. ann. 4,36 hervorgeht, dazu eine Tagesreise nach Neapel berücksichtigt werden muss und wir davon ausgehen, dass Mannschaften und Flotte dort bereits warteten, dauerte die Überfahrt bis Cephallenia nach Liv. 42,48,9–10 lediglich fünf Tage. Dies ließ Thiel (1946) 388 Anm. 730 annehmen, „[…] that Lucretius did not hug the coast but crossed the open sea from Rhegium to Cephallenia.“ Auf Grund seiner überzeugenden Berechnungen wird Thiel mit seiner Vermutung den historischen Kern getroffen haben, dennoch bleibt er für Gallus’ Verhalten der fehlerhaften Interpretation, die Römer seien ein seemeidendes Volk treu: „C. Lucretius did not shrink from such a daring enterprise, proves – let us give the devil his due – that he was no coward, but one of those foolhardy Roman landlubbers who where not afraid of te sea, because they didn’t know its dangers.“ Um so wenig Zeit wie möglich mit der Rekrutierung der bundesgenössischen Schiffe zu verlieren, traf Lucretius Gallus, wie Liv. 42,48,6–9 berichtet, sämtliche Vorkehrungen und ließ seinen Bruder M. Lucretius mit einem Schiff früher versegeln, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. 150 Liv. 43,8,7. Hortensius hatte zum Zeitpunkt der Anklage durch die Bewohner Chaliks noch sein Kommando inne, so dass es bei der Aufforderung zur Beendigung der Aktivitäten blieb. 151 Die Anklage führten nach Liv. 43,8,1–3 die Volkstribunen M. Iuventius Talna und Cn. Aufidius. Das Urteil ist bei Liv. 43,8,9–10 zu finden.
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3. Das römische Seekommando
sches Kapital zu gewinnen. Die rituelle Manifestation dieser „Transaktion“ wird sichtbar durch die Zuweisung des triumphus navalis. Zunächst hatten hauptsächlich die Consuln der illyrischen Kriege diese besondere Form der pompa triumphalis zelebriert. In der Folge betraten nun aber ausschließlich Praetoren – im Krieg gegen Karthago Manlius Vulso, im Krieg gegen Antiochos III. L. Aemilius Regillus sowie Q. Fabius Labeo und im Krieg gegen Perseus Cn. Octavius – als siegreiche Flottenbefehlshaber durch die porta triumphalis auf der Triumphquadriga die Tiberstadt. Diese besondere Ehrung von deren nautischen Leistungen evozierte jedoch auch negative Resonanz.152 3.2.3 Das Seekommando der legati Durch die chaotisch wirkenden Zustände des Jahres 218 v. Chr., als Hannibal völlig unerwartet mit seinem Heer die Rhône überschritt, seinen Marsch durch Gallien fortsetzte und eine Invasion Italiens drohte, eröffnete sich den legati, als Stellvertretern der Imperiumsträger, die Möglichkeit, auf dem Meer aktiv zu werden. Der Legat Sextus Pomponius übernahm 218 v. Chr. das vakante Kommando über die consularische Flotte, nachdem der amtierende Consul Tiberius Sempronius seine für den Angriff auf Nordafrika bestimmten Legionen eiligst mit der Flotte an die Trebia in Norditalien verschifft hatte, um sich dort als Feldherr der herannahenden karthagischen Heeressäule in den Weg zu stellen.153 Diese als Provisorium gedachte Zwischenlösung der Übertragung des Seekommandos an Legaten etablierte sich jedoch erst im zweiten römisch-makedonischen Krieg (200-197 v. Chr.) zur gängigen Strategie, als Rom dem Hilfegesuch der Rhodier und des Attalos von Pergamon nachkam, um den expansionistischen Bestrebungen Philipps V. von Makedonien Einhalt zu gebieten. Fortan blieben die legati feste Instanzen in der Organisation des maritimen Machtinstrumentes bis hinein in die Zeit der römischen Bürgerkriege. In zahlreichen Fällen delegierten amtierende Consuln, Praetoren oder Promagistrate die verschiedenen Teilaufgaben, die für die Flotte vorgesehen waren, an ihre legati.154 Die daraus resultierenden nautischen Handlungsfelder lassen sich in
152 Die bei Liv. 38,47,5–6 offen zu Tage tretende Skepsis bezüglich der Berechtigung Labeos für den triumphus navalis findet seinen Niederschlag auch bei neueren Publikationen, etwa bei Thiel (1946) 346, der die Triumphgewährung Labeos durch den Senat mit guten Clientelbeziehungen erklärt: „[…] and at any rat Labeo’s triumph remains one of the most rediculous or disgusting events in Roman history: even Regillus’ triumph was quite deserved in comparison with this one! The man must have had powerful relations.“ 153 Liv. 21,51,6. 154 Dies deckt sich mit Schleußners (1978) 204 Analyse zu den Handlungsspielräumen der legati: „Die einem Imperiumsträger beigegebenen Legaten sind nicht allein dessen Berater sondern darüber hinaus auf den verschiedensten Gebieten aktiv und verantwortlich tätig gewesen: im Heerwesen – als Stellvertreter des Feldherrn wie auch des Quästors als Mittelkommandeure oder Legionskommandanten […].“ Vgl. ferner Kunkel / Wittmann (1995) 284ff.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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verschiedene Kategorien, wie (1) Versorgung des Heeres, (2) bedingtes und (3) unbedingtes Seekommando sowie (4) defensive Sicherheitspolitik einteilen. (1) Heeresversorgung Neben der defensiven Sicherheitsstrategie realisierten die legati im Kriegsfall auch die Versorgung der römischen Truppen. Als beispielsweise das Heer des Lucullus 70 v. Chr. die Seestadt Sinope belagerte und die Versorgungswege über Land durch die Truppen des Mithridates VI. gefährdet waren, verschiffte der Legat Censorinus die Getreidelieferung des römischen Alliierten Machares von der Krim über das Schwarze Meer nach Sinope.155 Abgesehen davon „versorgten“ die legati die römische Flotte auch mit der „Ressource“ Mensch. Denn die Rekrutierung der Ruderer für die Kriegsschiffe fiel ebenso in ihr Aufgabengebiet, wie uns Cicero in seiner Verteidigungsrede für L. Valerius Flaccus berichtet.156 (2) Bedingtes Seekommando In einigen Fällen operierten die legati mit der Flotte in geringer Distanz zu ihren Oberbefehlshabern, so dass es denen möglich war, auf die taktischen Entscheidungen der legati schnell und effektiv einzuwirken und den strategischen Gesamtablauf einer militärischen Operation, wie etwa die Belagerung einer Seestadt, zu bestimmen. Dieses bedingte, d. h. mit Einschränkungen in den Handlungskompetenzen versehene Seekommando der legati findet sich in den Kriegen gegen Karthago, Mithridates VI. oder die Seeräuber als die Belagerung, Aushungerung der Bevölkerung und Einnahme von strategisch günstig gelegenen Küstenstädten die Präsenz einer Flotte erforderte. Mit dem Kommando über die Schiffe wurden dann die legati betraut – wie etwa C. Laelius 206 v. Chr. bei der Eroberung der südiberischen Stadt Gades durch Scipio157, L. Hostilius Mancinus 148 v. Chr. im dritten römisch-karthagischen Krieg bei der Belagerung der nordafrikanischen Städte Apsis und Hippagreta158, oder C. Valerius Triarius 72 v. Chr. bei der Belagerung der pontischen Stadt Herakleia159 – während die Belagerungstruppen an Land unter dem Kommando der Imperiumsträger standen. (3) Unbedingtes Seekommando Vereinzelt bereits während des zweiten römisch-karthagischen Krieges, aber noch gezielter im Verlauf des zweiten römisch-makedonischen Krieges operierten die legati erstmals in von den Oberbefehlshabern geographisch weit entfernten Gebie-
155 Memnon 37 FGrH 3B, 364f. 156 Cic. Flacc. 30. Ob er diese Schiffe auch kommandierte, bleibt unklar. Wahrscheinlicher ist, dass er für Verwaltungsaufgaben in Achaia, Böotien und Thessalien eingesetzt wurde, wie Cic. Flacc. 63 andeutet. 157 Liv. 28,23,8. 30,3–31,2. 158 App. Lib. 110; ferner Zon. 9,29; Plin. n.h. 35,23. 159 Memnon 34 FGrH 3B, 361f. C. Valerius Triarius besiegte dabei u. a. die verbliebenen herakleischen Schiffe, welche einen Ausbruchsversuch gewagt hatten.
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3. Das römische Seekommando
ten.160 Eine Einflussnahme auf die taktischen Entscheidungen der legati durch den Oberkommandierenden war dann durch die größere geographische Distanz nur noch bedingt möglich und nur in der Koordination langfristig angelegter Strategien praktikabel. Bei eigens geführten Belagerungen von Seestädten oder in Gefechten auf dem Meer agierte der Legat fortan eigenmächtig, solange es der allgemein vereinbarten Strategie nicht zuwiderlief. Demnach ergab sich allein durch die geographische Ferne zum Oberbefehlshaber ein weitreichender und eigenverantwortlicher Handlungsspielraum der legati, welcher sich unter dem Konstrukt des unbedingten Seekommandos subsumieren lässt. Die legati avancierten zu Stellvertretern der imperium-Träger auf See und operierten an ihrer Statt auf dem Meer.161 Im ersten Kriegsjahr gegen Philipp V. 200 v. Chr. befehligte der Consul Sulpicius Galba die Landstreitkräfte bei Apollonia, um von da aus im Frühjahr des Folgejahres ins makedonische Hinterland zu marschieren, während der Legat C. Claudius Centho die römische Flotte nach Athen versegelte, um so auf schnellstem Weg dem Hilfegesuch der Athener nachzukommen, denn die Küstenabschnitte Attikas waren Opfer marodierender Schiffsverbände der mit Makedonien verbündeten Inselstadt Chalkis geworden. Centho sicherte nicht nur erfolgreich die Gewässer Attikas, sondern schaltete auch den Unruheherd Chalkis durch eine schnell durchgeführte Eroberung aus.162 Sein Kollege, der Legat L. Apustius Fullo, führte im Frühjahr 199 v. Chr. unter dem imperium Galbas die vereinten Seestreitkräfte Roms, Pergamons und Rhodos’ erfolgreich gegen makedonische Seeplätze und Häfen auf der Insel Euboia und besetzte die Seestadt Akanthos auf der Halbinsel Chalkidike, bevor er von seinem Nachfolger C. Livius abgelöst wurde.163 In gleicher Weise verfuhr der Consul des Jahres 199 v. Chr., als er mit seinen Truppen gegen das Heer Philipps V. am Heropsgebirge zog, während sich die Flotte vor der Insel Same befand.164 Am Vorabend der pontischen Invasion in die Ägäis zu Beginn des ersten mithridatischen 160 Hier sei an das Jahr 218 v. Chr. erinnert, als sich P. Cornelius Scipio Hannibal in Norditalien in den Weg stellte und sein Bruder Cn. Cornelius Scipio den Befehl über die Flotte und einen Teil des Heeres in Iberien übernommen hatte, Pol. 3,49,4. 76; Liv. 21,32,3–4. 40,3. 60–61; Zon. 8,25. App. Ib. 14 bezeichnet Cnaeus als Legaten. Vgl. Broughton I (1951) 241 Anm. 11. Hier operiert Cn. Cornelius in Iberien als Vertreter des imperium-Trägers P. Cornelius. 161 Vgl. dazu Schleußner (1978) 102: „Diese ‹legati› nun begegnen als Leiter besonderer militärischer Operationen bzw. als Kommandanten einzelner Truppenteile unterschiedlicher Stärke und Art, in einigen Fällen auch als Stellvertreter des Imperiumsträgers.“ 162 Zu den maritimen Operationen Liv. 31,22,4–23,11; Zon. 9,15; App. Mac. 4; Thiel (1946) 223–232; Warrior (1996) 82f., 97–100; Hammond (1998) 420f.; Shipley (2000) 150; Heftner (2005) 321. Galbas Kampagne, Liv. 31,22,4; App. Mac. 4; Zon. 9,15, Cass. Dio. frg. 58; Hammond (1998) 422ff; Heftner (2005) 321f.; Errington (2008) 204. 163 Liv. 31,44,1. 45,1–47,3; Zon. 9,15; App. Mac. 4; Thiel (1946) 232–239; Warrior (1996) 83f., 87f. 164 Zur Kampagne des Consuls P. Villius Tappulus Liv. 32,6,1–8; Hammond (1998) 424. Über die maritimen Operationen des Legaten C. Livius sind wir nicht unterrichtet. Wir wissen lediglich, dass er die römische Flotte bei der Insel Same befehligte. Liv. 32,16,4 erwähnt dessen Seekommando im Zusammenhang mit der Ablösung durch den neuen Legaten des Jahres 198 v. Chr., L. Quintus Flaminius.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Krieges diente der Legat Q. Bruttius Sura unter dem Promagistrat und Statthalter Makedoniens, C. Sentius. Während dieser gegen thrakische Stämme vorging165, befehligte Bruttius Sura ein Flottenkontingent in der Ägäis, wo er die Seestadt Skiathos eroberte, welche vermutlich von Mithtridates VI. als Stapelplatz genutzt worden war. Wenig später versegelte er seine Truppen nach Chaironeia, um sich der pontischen Streitmacht unter den Oberbefehlshabern Archelaos und Arostion entgegenzustellen. Nach verlustreichen Kämpfen zog sich Bruttius Sura erst bis zum Piräus zurück, nur um auch dort sehr bald wieder der pontischen Übermacht zu weichen. Kurz nach dem Eintreffen L. Cornelius Sullas, der das Kriegskommado gegen Mithridates VI. übernommen hatte, wurde Bruttius Sura nach Macedonia zurückgesandt.166 Der Proconsul Q. Caecilius Metellus hatte im Frühjahr 67 v. Chr. seinen Legaten Bassus mit dem Seekommando beauftragt, da er selbst das Landheer gegen Siedlungen kretischer Piraten zu führen gedachte, um dadurch die Insel Kreta noch vor Pompeius’ Eintreffen vollständig zu unterwerfen. Dadurch befehligte L. Bassus im Kampf gegen die kretischen Seeräuber anstelle des Proconsuls die römischen Seestreitkräfte in den Gewässern um Kreta, als kretische Verbände bei Kydonia, bei dem Versuch, Hierapytna zu besetzen, auf römische Schiffe stießen und diese besiegten.167 Manchmal jedoch waren die maritimen Unternehmungen derart umfassend, dass das Gros der Flotte in verschiedene unabhängig voneinander operierende Verbände geteilt werden musste. Licinius Lucullus beispielsweise übertrug im Krieg gegen Mithridates VI. seinen legati Barba und C. Valerius Triarius jeweils die Befehlsgewalt über ein Schiffskontingent, während er selbst auch einen Teil der Flotte bei Lemnos kommandierte. Dadurch war es Barba möglich, Nikaia und Prusias am Berg zu erobern, während C. Valerius Triarius die von pontischen Truppen besetzte Stadt Apameia angriff und die pontische Flotte bei Tenedos vernichtend schlug.168 In den darauffolgenden Jahren finden sich Hinweise, dass Valerius Triarius vom Schwarzen Meer über die Propontis bis weit in die Ägäis hinein militärisch auf See tätig war, also weitab von seinen Oberbefehlshabern Lucullus und Cotta. Er nahm u. a. die Kapitulation der pontischen Seestädte Herakleia, Tieium und Amastris entgegen169, und versuchte sich in der Ägäis als Kämpfer gegen die Piraterie, jedoch mit mäßigem Erfolg. Nachdem die Insel Delos erneut Opfer von Piratenüberfällen geworden war, schickte sich Triarius an, die Befestigungsanlagen des einstigen Aufbewahrungsortes der athenischen
165 Die Thraker wurden von Mithridates VI. gegen Makedonien und Griechenland entsandt, Cic. Verr. 2,3,217; Liv. per. 74. 76; Cass. Dio 30–35; Oros. 5,18,30. 166 App. Mithr. 29; Plut. Sull. 11,4. Die Zurücksendung Suras durch Sulla macht deutlich, dass Sulla als Oberbefehlshaber im Krieg gegen Mithridates VI. das alleinige imperium besaß und keinerlei Unterstützung eines anderen Promagistraten in Form seines legatus einschließlich Flottille benötigte. Sulla vollzieht hier eine strikte Trennung der provincia des C. Sentius von seiner eigenen provincia. 167 Cass. Dio 36,19,1. 168 App. Mithr. 77; Memnon 28,5–29,9. 33 FGrH 3B, 357f., 361. 169 Memnon 34,6–35,9 FGrH 3B, 362–364.
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3. Das römische Seekommando
Staatskasse zu erneuern.170 Im Verlauf des Jahres 68 v. Chr. endet das Seekommando des Legaten Triarius, als er mit einem Heer nach Cabira entsandt wurde, um dem von Mithridates VI. belagerten M. Fabius Hadrianus zu Hilfe zu eilen.171 Die weitgehende Autonomie des unbedingten Seekommandos konnte aber auch dazu führen, dass die legati ihre Kompetenzen für ihre eigenen Zwecke missbrauchten: C. Verres hatte als Legat des Statthalters der provincia Cilicia, Cn. Cornelius Dolabella, die ihm unterstellten Schiffe genutzt, um entlang der pamphylischen Küste die Städte Aspendos und Perge zu überfallen und zu plündern.172 (4) Defensive Sicherheitspolitik Ein breites Spektrum von defensiver Sicherheitspolitik auf dem Meer wurde durch die legati realisiert. Mit der gesamten oder einem Teil der Flotte war es ihre Aufgabe, ganze Küstenabschnitte oder am Meer gelegene Städte sowie Teile des Heeres vor feindlichen Übergriffen zu schützen. Im zweiten römisch-karthagischen Krieg etwa flankierte der Legat L. Cornelius Scipio Asiaticus mit seinem Geschwader das Invasionsheer des Scipio, welches im Sommer 204 v. Chr. in Nordafrika landen sollte.173 Laetorius erhielt 205 v. Chr. vom Proconsul P. Sempronius Tuditanus den Befehl, mit einem Kontingent von 25 Schiffen die Küste Aitoliens zu bewachen, da Übergriffe makedonischer Flottillen befürchtet wurden.174 Der Legat Hirrus blieb 102 v. Chr. mit einem Teil der Flotte bei Athen stationiert, um den Piräus zu schützen, während sein Praetor M. Antonius die Offensive gegen die kretischen Piraten fortführte.175 Auch die Blockade von strategisch wichtigen Meerengen oblag oftmals dem Zuständigkeitsbereich der legati. Am Vorabend des ersten mithridatischen Krieges (88 v. Chr.) patrouillierten die römischen Schiffsverbände des Minucius Rufus und C. Popillius bei Byzanz, um die pontische Flotte an der Passage des Bosporos zu hindern. Nachdem jedoch die Promagistrate C. Cassius und Q. Oppius durch die Landstreitkräfte Mithridates’ VI. in Kleinasien geschlagen worden waren, brachen die legati den Blockadeversuch ab und die Flotte des pontischen Königs lief in die Propontis ein.176 Den Versuch, die Meerenge am Marmara Meer auf dem Seeweg abzuriegeln, wiederholte der Legat Voconius 73 v. Chr., als Mithridates VI. nach der verlorenen Belagerung der Stadt Kyzikos mit Hilfe seiner verbliebenen Schiffe zu fliehen versuchte.177 Pompeius Magnus weitete die Blockadestrategie 65 v. Chr. mit Hilfe des Legaten Servilius auf den gesamten Pontus Euxinus aus, als er Mithridates VI. bis zum bosporanischen Reich zurückgedrängt hatte
170 171 172 173 174 175 176 177
Phlegon Trall 12, FGrH 3,1163f. Cic. Manil 25; App. Mithr. 88.89.112; Cass. Dio 36,10.12–13; Plut. Lucullus 35,1–2. Cic. Verr. 2,1,41–102. Liv. 29,25,10. Liv.29,12,5. CIL 12,2,2662=ILLRP 1,342. App. Mithr. 17. 19. 20. 24; ferner Liv. per. 77. 78. Plut. Lucullus 13,1–2.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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und dort festzusetzen gedachte.178 Fortan kontrollierte Servilius sämtliche Seewege zur Krim und war dazu ermächtigt, fremde (Handels-) Schiffe abzufangen und deren Besitzer zu töten.179 Name der legati
Ti. Claudius Nero Manlius Torquatus
Operationsgebiete
Patrouille entlang der hispanischen Küste bis zu den Säulen des Herakles Patrouille entlang der hispanischen Küste und in den Gewässern der Balearen
M. Pomponius
Patrouille entlang der ligurischen und gallischen Küste
Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus
Patrouille entlang der nordafrikanischen Küste von Libyen im Westen bis Ägypten im Osten180 Patrouille in den Gewässern um Sardinien, Korsika und dem ligurischen Golf
P. Atilius L. Gellius Poplicola
Schutz der italischen Küste und des mare Tuscum
Gn. Cornelius Lentulus Clodianus*
Schutz der italischen Küste (vermutlich bis zur Adria)181
A. Plotius Varus
Schutz Siziliens
M. Terrentius Varro L. Cornelius Sienna* L. Lollius* M. Pupius Piso Frugi* Q. Caecilius Metellus Nepos
Patrouille in der Ägäis und dem Ionischen Meer bis Akarnanien182 Schutz der Küstengebiete der Peloponnes, Attikas, Euboias, Thessaliens und Makedoniens Schutz aller Inseln der Ägäis, und der Küste am Hellespont183 Schutz Bithyniens, Thrakiens, der Propontis und der Mündung des Pontus Euxinus184 Patrouille in den Gewässern Lykiens, Pamphyliens, Kypros’ und Phoinikiens
Tabelle 1: Übersicht über die legati, die unter Pompeius während seines imperium extraordinarium zur Sicherung des Mittelmeeres dienten.
178 179 180 181 182
Cass. Dio 37,3,2–3; Plut. Pompeius 34,5. Plut. Pompeius 39,1. Vgl. ferner SIG³ 750. Groebe (1910) 385, 388f. Wager Hinweis bei Plin. n.h. 3,101; Nach Plin. n.h. 7,115; 16,7 zeichnete Pompeius ihn später für seine Leistungen mit der corona rostrata aus. 183 Nach Flor. 1,41,10 operierten in diesem Gebiet die Söhne des Pompeius. 184 Nach Flor. 1,41,10 operierte in diesem Gebiet Porcius Cato und vermutlich auch ein gewisser Caepio.
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3. Das römische Seekommando
Die umfassendste Maßnahme zur Sicherung der römischen Suprematie zur See stellt das imperium extraordinarium des Pompeius Magnus dar, welches ihm durch die lex Gabinia übertragen worden war. Das gesamte Mittelmeer, einschließlich der angrenzenden Küsten bis 75 km landeinwärts, teilte Pompeius in dreizehn verschiedene Sektoren ein. Jedem seiner Legaten übertrug er die Kontrolle und Absicherung eines dieser Operationsgebiete einschließlich der Befehlsgewalt über Schiffe und Heer. Durch die Ausführungen Appians und den Parallelbericht des Florus lassen sich verschiedenste geographische Aufgabengebiete der legati von West nach Ost rekonstruieren (vgl. Tabelle 1).185 Die antike Mittelmeerwelt kannte bis zu diesem Zeitpunkt keine an Ressourcen derart umfassende und organisatorisch so weit reichende Strategie zur absoluten Kontrolle des Meeres. Erst nach der Beendigung der Bürgerkriege wird der erste Princeps der römischen Geschichte diese Methode für die stehenden Flotten des Imperium Romanum zur Sicherung der Meere erneut anwenden.186 Fassen wir zusammen: Durch die Delegation des Seekommandos an die legati wurde die geographische Beschränkung des Kriegseinsatzes der römischen Consuln, Praetoren oder Promagistrate aufgehoben und der Bindung an ein Element – Land oder Wasser – endgültig ein Ende gesetzt. Dadurch, dass die legati unter dem imperium und den auspicia etwa der Consuln oder der Praetoren auf See operierten, konnten sie ihre maritimen Erfolge nicht für sich selbst verbuchen, sondern übertrugen diese ausschließlich auf ihren Oberbefehlshaber. Dieser wiederum vermochte es dadurch, seine virtus gleichzeitig auf dem Land und auf dem Meer zu erringen und zu mehren. Eine Konkurrenzsituation um die Inanspruchnahme der nautischen Siege war so umgangen worden. Vielleicht liegt hierin auch der Erfolg des Seekommandos der legati begründet, denn schließich befehligten sie bis zum Ende der Republik immer wieder die römischen Flottenverbände. 3.2.4 Maritime Kontinuität? – Die Seekommandos der Promagistrate Die Bedrohung, die von Hannibal und seinem Heer, welches seit 218 v. Chr. auf der italischen Halbinsel operierte, ausging, ließ die Regeln der res publica unbrauchbar erscheinen. Die Grundprinzipien der römischen Magistraturen wie Annuität, Interzession und Iteration wichen Notstandsverordnungen und Dictatoren. Das Seekommando war ebenfalls von dieser Entwicklung betroffen: Die prorogatio, d. h. die Verlängerung der Amtsgewalt eines römischen Magistrates – worun185 App. Mithr. 93 und Flor. 1,41,9–10. Mit * gekennzeichnete legati sind nur durch Appian erwähnt. Daneben haben wir durch Plut. Pompeius 29,2–5 und Cass. Dio 26,18,1–19,2 Kenntnis von dem Legaten L. Octavius, der für Friedensverhandlungen nach Kreta entsandt wurde. Vgl. dazu Groebe (1910) 378–389. 186 Vgl. dazu exemplarisch die Ausführungen bei Starr (1943) 61–70; Reddé (1986) 309–319 einschl. der Karten 23–25.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
137
ter bei Consuln und Praetoren auch das imperium zu subsumieren ist – über das gewählte Jahr hinaus, wurde zu einem bestimmenden Faktor des Seekommandos.187 Für die Seekriegführung im zweiten römisch-karthagischen Krieg lassen sich vier römische Politiker und Militärs identifizieren, welche durch andauernde Verlängerungen ihrer imperia die Kontinuität und Richtung der römischen Seestrategie über längere Zeit hinweg dominierten.188 Von 217 v. Chr. an kommandierte der Praetor T. Otacilius Crassus sieben Jahre lang eine Flottille in den sizilischen Gewässern. Im ersten Jahr war der Befehl über die Flotte an ihn gefallen, nachdem der Consul des Jahres, Cn. Servilius Geminus, zur Übernahme der Legionen vom Dictator Fabius Maximus zurückbeordert worden war. Mit Unterstützung des ihm unterstellten Legaten, P. Cincius, war es Otacilius’ Aufgabe, die Flotte nach Rom zu versegeln.189 Bezüglich weiterer maritimer Operationen des Praetors im Jahr 217 v. Chr. schweigen die Quellen. Wenn auch die Obliegenheiten des Otacilius zuerst recht wenig Ruhm und Ehre erwarten lassen, vermochte er doch im Verlauf der Jahre nicht zu verachtende Erfolge auf See zu verzeichnen: Neben der Sicherung der sizilischen Küste190 führte er bereits ab 216 v. Chr. sechs Jahre lang mit Hilfe der Flotte ausgiebige Raubzüge an der nordafrikanischen Küste durch. Dabei fielen ihm u. a. karthagische Schiffe und einzelne nordafrikanische Seestädte wie Utica zum Opfer.191 Ähnlich erfolgreich führte der Praetor Cn. Octavius seine Seekampagnen in den Jahren von 205 v. Chr. bis 201 v. Chr. durch. Doch im Gegensatz zu Otacilius beschränkte sich Octavius’ Einfluss durch seine prorogationes imperii nicht auf eine einzelne provincia, sondern er operierte sowohl auf Sardinien als auch auf 187 Dazu allgemein Develin (1985) 37ff; Bleicken (1989) 76–81, 116ff; Kunkel / Wittmann (1995) 15–21. 188 Streng genommen zählt bereits Q. Lutatius Catulus zum ersten Seekommandanten, dessen Amtsgewalt von 242 v. Chr. um ein weiteres Jahr verlängert worden war. Doch diese Verlängerung war vielmehr den Friedensverhandlungen mit Karthago geschuldet, als weniger der Fortführung einer einheitlichen maritimen Strategie, vgl. dazu Bleckmann (2002) 218–224. Daher kann er an dieser Stelle nicht herangezogen werden. 189 Liv. 22,31,6. 190 Liv. 22,56,6–8. 191 Über die genauen Kriegshandlungen des Otacilius in den Jahren von 217 v. Chr. bis 211 v. Chr. berichten die antiken Quellen nur sehr wenig. Liv. 23,41,8–9; 25,31,12–15 schreibt explizit von Überfällen auf karthagisches Festland durch Otacilius für die Jahre 215 v. Chr. und 211 v. Chr. Der verkürzte Bericht bei Liv. 22,37,13 für 216 v. Chr. deutet auch auf Plünderungszüge im Jahr 216 v. Chr. hin: „Die Flotte von etwa 50 Schiffen, die unter dem Propraetor Titus Otacilius in Sizilien stand, verstärkte man mit 25 Fünfruderern. Man gestattete ihm, nach Afrika überzusetzen, wenn es seiner Meinung nach zum Nutzen des Staates geschehe.“ (Quinqueremes ad quinquaginta navium classem, quae cum T. Otacilio porpraetore in Silicia erat, quinque et viginti additae, permissumque est, ut, si republica censeret esse, in Africam traiceret). Für die Jahre 214 v. Chr., 213 v. Chr. und 212 v. Chr. beschränken sich Livius’ Ausführungen (24,10,5. 11,5–9. 12,7. 44,4; 25,3,6) ausschließlich auf die Nennung von Otacilius’ Kommando über die Flotte ohne auf dessen genauen Inhalte einzugehen. Durch die Fülle an Informationen zu den einzelnen Kriegsjahren und der starken Konzentration der Kriegsereignisse auf den Landkrieg und deren Berichterstattung durch die antiken Autoren, lässt sich dennoch eine Kontinuität in den Kriegshandlungen des Otacilius annehmen.
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3. Das römische Seekommando
Sizilien. Zu Beginn war ihm per Losentscheid Sardinia zugefallen, wo er eine Flottille kommandierte, u. a. einen karthagischen Versorgungskonvoi kaperte und die sardische Küste vor Überfällen sicherte.192 Da Octavius 204 v. Chr. mit Hilfe seiner Schiffe sogar den dringend benötigten Nachschub für die römischen Truppen, die unter Scipio in Nordafrika gelandet waren, gesichert hatte193, wurde ihm 202 v. Chr. der Befehl über die Flotte bei Sizilien anvertraut, welcher die Hauptversorgung des scipionischen Heeres oblag.194 Aufgrund seiner dortigen Verdienste setzte sich Scipio Africanus wiederum für eine weitere Verlängerung des Seekommandos für Octavius bis ins Jahr 201 v. Chr. ein.195 Auch im östlichen Mittelmeer prägten Kommandoverlängerungen nach dem Vorbild des Otacilius die römische Seestrategie. P. Sulpicius Galba hatte als Proconsul im Jahr 210 v. Chr. den Propraetor M. Valerius Laevinus abgelöst und den Befehl über die Seestreitkräfte in der Ägäis übernommen.196 Fünf Jahre bestimmte Galba die maritimen Kampagnen der res publica im hellenistischen Osten. Dabei festigte er ein militärisches Bündnis zwischen Rom, dem κοινον der Aitoler und König Attalos I. von Pergamon, um mit Hilfe einer gemeinsamen Flotte gegen Philipp V. von Makedonien vorzugehen. Gemeinsam operierte Sulpicius Galba erfolgreich auf den Inseln Lemnos, Peparethus, Euboea, Locris und den Seestädten Ellis und Aegina.197 Nachfolgend wird diese Strategie der Verpflichtung von
192. Nach Liv. 28,46,14; App. Hann. 54 enterte Octavius 205 v. Chr. die karthagischen Transporter. Die Aufgabe des Küstenschutzes Sardiniens wird durch Liv. 29,13,5; 30,2,4 explizit für die Jahre 204 v. Chr. 203 v. Chr. erwähnt. 193 Liv. 29,36,1–3; Thiel (1946) 155f. 194 Liv. 30,27,9. 41,6–7; ferner 30,2,3–4; Thiel (1946) 176. 195 Liv. 30,41,6–8. 44,13; 31,3,2–3. Neben seiner nautischen Leistungen, hatte Octavius Scipio auch während der Schlacht bei Zama an Land gedient, vgl. Liv. 30,36,3–6. App. Lib. 41. 44 verwechselt Otacilius’ Position mit der des Laelius bei Zama. 196 Liv. 26,22,1. 26,4. Diese halfen dann bei der Belagerung und Einnahme von Oinadai, vgl. Freitag (1994) 225. 197 Zu den maritimen Kampagnen Sulpicius Galbas in der Ägäis für das Jahr 210 v. Chr., Liv. 26,28,9; 27,10,12; ferner Pol. 8,1,6; 9,42; 11,5,8; 22,8,9. Seibert (1993b) 339 verweist zurecht Galbas Ambitionen auf materiellen Gewinn und bewertet die Eroberung Aeginas als „leichte“ Beute. Ähnlich Thiel (1946) 115f. Für 209 v. Chr., Pol. 10,41,1; Liv. 27,30,1–31,11; ferner 32,22,10; Zon. 9,9; Paus. 7,17,5; Thiel (1946) 122–125. Seibert (1993b) 359 bilanziert für das Kriegsjahr „[…] keine wesentliche Veränderung in der Gesamtsituation […] Verluste und Gewinne glichen sich aus.“ Für 208 v. Chr., Pol. 10,41–42; ferner 11,5,8; Liv. 28,5–8; Cass. Dio frg. 57,57–58; Zon. 9,10; App. Mac. 3; Iustin. 29,4; Thiel (1946) 118ff. Dass die Unternehmungen dieses Jahres immer das Ziel von Plünderungszügen waren, betont Seibert (1993b) 374f. Nach Liv. 29,12,1–2 werden in den Jahren 207 v. Chr. und 206 v. Chr. die militärischen Aufgaben von Sulpicius Galba vernachlässigt, so dass er 205 v. Chr. von P. Sempronius Tuditanus abgelöst wird, der mit Philipp V. den Frieden von Phoenice aushandelte, wie Liv. 29,12,2–16; Zon. 9,11; ferner App. Mac. 3 berichten. Vermutlich operierte Sulpicius Galba in den Jahren 207/206 v. Chr. entlang der illyrischen Küste, wie Thiel (1946) 135– 139. einschl. Anm. 357 und Viereck (1996) 187 vermuten. Seibert (1993b) 396ff; 410f. beschränkt sich in seinen Ausführungen auf Galbas Beteiligungen bei der aitolischen Bundesversammlung 206 v. Chr. und der Vereitlung des Friedensbemühungen durch König Ptolemaios 207 v. Chr.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
139
verbündeten Seemächten zur Kooperation bei maritimen Unternehmungen als Vorlage für Roms weitere Interventionen in der hellenistischen Welt dienen. Die geographische Bindung der prorogationes imperii war jedoch keinesfalls so immanent wie die bisher angeführten Beispiele vermuten lassen. M. Valerius Laevinus beispielsweise kommandierte zwar neun Jahre lang ununterbrochen Flottenverbände, dies aber sowohl in der Adria und der Ägäis, als auch in den Gewässern Siziliens und Nordafrikas. Seine Karriere als Seekommandant begann mit dem Schutz der italischen Ostküste. Als Praetor peregrinus im Jahr 215 v. Chr. stellte der Senat ihm eine Flottille zur Verfügung, mit deren Hilfe er entlang der Küste patrouillieren und im Falle einer makedonischen Offensive nach Griechenland übersetzen sollte.198 Im Jahr darauf landete er als Propraetor mit seiner Flotte an der epeirotischen Westküste und besetzte die Seestädte Orikos und Apollonia, die zuvor von Philipp V. von Makedonien erobert worden waren.199 Zwei weitere Jahre lang sollte Laevinus eine Flotte und eine Legion unter seinem Kommando in Griechenland befehligen und Bündnisverhandlungen mit den Aitolern anstreben, sowie einige Erfolge gegen Philipp V. verzeichnen200, bevor er sich im Jahr 210 v. Chr. zur Consulatswahl stellte und gewann.201 Fortan operierte 198 Liv. 23,38,10–11. 48,3; Pol. 8,1,6; Flor. 1,23,1; Zon. 9,4; Iustin. 29,4,4; Eutrop. 3,12,4. 199 Liv. 24,40,2–17; Zon. 9,4. 200 Für 213 v. Chr. berichtet Liv. 24,44,5 lediglich von der Verlängerung von Laevinus’ imperium ohne auf dessen Kampagne in Griechenland einzugehen. Zu den Kampagnen des Laevinus in Griechenland, Liv. 26,24,1–16. 26,1–4; Pol. 5,105,8; 8,1,6. 201 Nach Liv. 26,29,1 erhielt M. Valerius Laevinus per Los erst das Kommando über Landtruppen in Italien gegen Hannibal, tauschte dann aber mit seinem Amtskollegen M. Claudius Marcellus und erhielt so den Oberbefehl über Heer und Seestreitkräfte auf Sizilien, zu den Umständen Liv.26,26,5–11. 27,16; 28,3. 29–32; 38,43,9; Val. Max. 4,1,7; Plut. Marcellus 23; Cass. Dio frg. 57,51; Zon. 9,6; ferner Cic. Verr. 2,4,151. Den Quellen nach reagierten beide Consuln auf die Empörung einiger Bewohner Siziliens, die Sikuler, da sie erneute Repressalien des Bezwingers von Syrakus fürchteten. Dieser Erklärungsversuch des Livius, der in der Forschung – exemplarisch Seibert (1993b) 326 Anm.5; Bagnall (1995) 321f.; Heftner (2005) 277; 456 Anm. 2 – akzeptiert wird, ist in seinem Wahrheitsgehalt m. E. fragwürdig. Mag ein derartiges Gesuch historisch sein, die Reaktion des Senats und der Consuln ist es mit Gewissheit nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass Rom seine seit Jahrhunderten eingehaltenen Formen und Regeln der politischen Organisation – worunter auch die provincia-Vergabe per Losentscheid zählt – kaum vom Willen und Wunsch einer unterjochten Bevölkerungsgruppe abhängig machte. Vielmehr erleben wir hier, wie beide Consuln mit der Wahl ihrer provincia unzufrieden scheinen. Marcellus, der über mehrere Jahre auf Sizilien aktiv war, Syrakus belagerte und schließlich einnahm, wird sich durch das Consulat nun eine größere Aufgabe erwünscht haben. Nach seinen Erfolgen auf Sizilien war der nächste logische Schritt, seine virtus und auctoritas zu mehren, indem er sich dem größten Feind Roms stellte, Hannibal. Und Laevinus, der seit mehreren Jahren das Flottenkommando in der Ägais innehatte und sein nautisches Können mehrfach unter Beweis stellen konnte, hatte sich mit dem Consulat vermutlich das Kommando über die Land- und Seestreitkräfte bei Sizilien erhofft. Dies allein scheint einer logischen Folge seiner jahrelangen Bemühungen im hellenistischen Osten entsprochen zu haben. Zudem übertrafen die Ressourcen der consularischen provincia die eines Praetors bei Weitem. So konnte Laevinus mittels Legaten und Praefekten operieren während er selbst sich dem Landheer zuwandte. Daher werden beide Consuln übereingekommen sein, ihre provinciae zu tauschen. Da durch die Quellen zur selben Zeit das Gesuch der Sikuler und deren An-
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3. Das römische Seekommando
Laevinus mit den Befugnissen eines Consuls und später eines Proconsuls unter Berücksichtigung seines eigenen Profits bis zum Jahr 207 v. Chr. mit Landtruppen und Flotte in den sizilischen Gewässern. Dabei gelang es ihm, Getreidelieferungen und Küstenabschnitte zu sichern, karthagische Schiffsverbände aufzureiben und Beutezüge an der nordafrikanischen Küste, u. a. bei Utica und Clupea, durchzuführen.202 Kein anderer römischer Befehlshaber im zweiten römischkarthagischen Krieg operierte zur See derart opportun und konsequent wie Laevinus. Durch die prorogationes imperii dominierten lediglich eine Handvoll erfahrener Militärs die römischen Seekriegskampagnen von 217 v. Chr. an bis zum Jahr 201 v. Chr. Wäre Rom an der Fortführung seiner Seestrategie des ersten römischkarthagischen Krieges interessiert gewesen, und hätte der Senat daher die Kommandoverlängerung nicht akzeptiert, hätte dies statt nur vier Magistraten über zwei Dutzend Befehlshaber in der Seekriegführung bedeutet. Ob diese Vielzahl an Kommandanten eine Seestrategie von Kontinuität und Stabilität hätte erreichen können, darf ernsthaft bezweifelt werden.203 Vielmehr können wir davon ausgehen, dass der Erwartungsdruck auf die jeweiligen Flottenkommandanten, innerhalb von nur wenigen Monaten genügend militärische Erfolge und Beute zu machen, wieder zu ähnlichen Verfehlungen und übereilten Entscheidungen geführt hätte, wie wir sie bereits im praetorischen Seekommandos während der Kriege gegen Makedonien und Syrien sowie im consularischen Seekommando während des ersten römisch-karthagischen Krieges erlebt haben. Die Seekriegführung im zweiten römisch-makedonischen Krieg exemplifiziert aufs Deutlichste die strategische Notwendigkeit eines prorogierten Seekommandos. In den ersten beiden Kriegsjahren erschöpften sich die Seekampagnen der legati als Flottenbefehlshaber in partiellen Eroberungen und Besetzungen von Küstenstädten, wie Chalkis oder Akanthos. Doch mit dem Beginn des Herbstes ließen die häufiger auftretenden Stürme die unruhige See unpassierbar werden und setzten den Seeoperationen bereits nach wenigen Monaten notgedrungen ein klage überliefert ist, wurde ein Zusammenhang konstruiert, um eine Erklärung für den Tausch zu liefern. 202 Liv. 27,8,13–19. 22,9. 29,7–8; 28,4,5–7. 10,16; Cic. Verr. 2,3,125. 203 Die prognostizierte Zahl ergibt sich aus einem Gedankenexperiment: Addieren wir die Jahre, in welchen die vier Flottenbefehlshaber Otacilius (fünf Jahre), Sulpicius Galba (fünf Jahre), Octavius (vier Jahre) oder Laevinus (acht Jahre) das Seekommando als Promagistrat inne hatten und vergeben theoretisch für diese Jahre das Seekommando an reguläre Magistrate. Dazu fielen vereinzelt auch noch anderen Promagistraten Seekommandos zu, jedoch nur für ein Jahr, etwa dem Proconsul P. Sempronius Tuditanus im Jahr 205 v. Chr. (Liv. 29,12,2; Zon. 9,11) oder aber 217 v. Chr. der Promagistrat Cn. Cornelius Scipio, der Hasdrubals Übergang am Ebro verhinderte, ein karthagisches Aufgebot von mehreren dutzend Schiffen an der Flussmündung besiegte und im Anschluss die spanische Westküste von Tarraco bis hin zur karthagischen Siedlung Qart-Hadašt (Carthago Nova) verwüstete (Liv. 22,19,1–20,12; Frontin. 4,7,9). Aus einer Notiz bei Liv. 23,21,1. 4 wird deutlich, dass auch der Propraetor auf Sardinien, A. Cornelius Mammula, ein Schiffskontingent kommandierte, da er 216 v. Chr. vom Senat finanzielle Unterstützung für die Bezahlung der Seeoffiziere erbat. Vgl. ferner Val. Max. 7,6,1.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Ende. Im Frühjahr erfolgte dann die Ablösung durch die Nachfolger. Dieser Ablauf des jährlichen Wechsels, welcher sehr stark an die Seekommandos des ersten römisch-karthagischen Krieges erinnerte, änderte sich jedoch 198 v. Chr. mit dem Consulat des Titus Quinctius Flamininus. Nachdem er unerwartet zügig die politische Karriereleiter emporgestiegen war und den Amtsbereich Griechenland für sich erlost hatte, erwirkte er im Senat die Vergabe der Befehlsgewalt über die Flotte an seinen Bruder Lucius.204 Zudem übertrug der Senat Lucius ein imperium, welches laut Livius neben der See auch die Küstengebiete umfasste.205 Dadurch waren seine Befugnisse rechtlich gesehen deutlich hochwertiger als die eines Legaten, zugleich ordnete sich sein imperium dem des Consuls unter.206 Ferner verlängerte der Senat Lucius’ Oberbefehl über die Seestreitkräfte für die Dauer der gesamten Promagistratur seines Bruders. Dadurch war es den beiden Brüdern möglich, von 198 v. Chr. an bis 194 v. Chr. die römische Politik in Griechenland auf dem Land und auf dem Meer längerfristig zu vertreten und zu diktieren. So beschnitten sie nicht nur die Einflussgebiete Philipps V. auf den Inseln Euboia und Leukas, drängten ihn bei Kenchreai am saronischen Golf zurück und
204 Liv. 32,8,4. Zur politischen Karriere des Titus Quinctius Flamininus vgl. die neueren Untersuchungen von Pfeilschifter (2005) 33–67 und Beck (2005) 370–379. Da der Senat L. Quinctius Flamininus das Kommando über die Seestreitkräfte übertrug, liegt der Verdacht nahe, dass sich Titus Quinctius Flamininus als sein Bruder im Senat für seine Ernennung als Flottenbefehlshaber eingesetzt hat. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Pfeilschifter (2005) 93:„[…] zudem war ihm auf seine Bitte hin sein Bruder Lucius als Flottenbefehlshaber zu Seite gestellt worden.“ Schon zuvor hatten die Quinctius-Brüder politisch zusammen gewirkt und dadurch an Popularität gewonnen, wie Beck (2005) 377 festhält. 205 Liv. 32,16,2: „L. Quinctius, der Bruder des Consuls, der vom Senat die Leitung der Flotte und das Kommando über die Meeresküste erhalten hatte“ (L. Quinctius frater consulis, cui classis cura maritimaeque orae imperium mandatum ab senatu erat). 206 Zur Unterordnung des praetorischen imperium unter dem consularischen imperium vgl. Anm. 69 (Kapitel 5.3). Die rechtliche Position des Lucius Quinctius ist in der Forschung äußerst umstritten. Da Liv. 33,17,2.15 L. Quinctius als Legaten bezeichnet und ihm zugleich an anderer Stelle (33,16,2) ein imperium, durch den Senat verliehen, zuspricht. Thiel (1946) 217f. konstruiert aus diesen widersprüchlichen Angaben das Seekommando des Lucius als legatus pro praetore, ebenso für Laevinus von 201 v. Chr. oder des Apustius 199 v. Chr., um dadurch eine Kontinuität im Seekommando zu kreieren. Mag der Versuch einer Synthese aller Quellenfunde durch Thiel beim Kommando des Lucius noch gelingen, bei Laevinus und Apustius ist er durch die Quellen und deren nachlässige Kombination unhaltbar. Nach Schleußner (1978) 198 „ […] erlangt ein legatus das Kommando pro praetore nur dann, wenn sein Vorgesetzter Imperiumsträger nicht in seinem Amtsgebiet weilt oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, selbst das Kommando zu führen.“ Nichts dergleichen trifft auf Quinctius zu. Zudem erhielt L. Quinctius das imperium zur See vom Senat, wodurch er nicht in der Stellung eines Legaten das Kommando über die Flotte ausübte. Da Lucius im Jahr zuvor das Amt des Praetor urbanus bekleidete (Liv. 31,49,12), spricht dies für seine Prorogation des praetorischen imperium, vgl. dazu Broughton I (1951) 332 Anm. 6; Schleußner (1978) 112 Anm. 42; Brennan (2000) 208ff. Dennoch hält Schleußner (1978) 114 Anm. 51 fest, dass es seit dem zweiten römisch-karthagischen Krieg durchaus Legaten gab, die mehrere Jahre in Folge ihre Stellung innehatten.
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zwangen ihn nach der verlustreichen Schlacht bei Kynoskephalai zum Frieden207, sondern gingen auch mit Flotte und Heer gegen Nabis III. von Sparta vor, um seine Kooperation mit kretischen Piraten und seine Hegemonie über die Stadt Argos zu beenden.208 Im ersten mithridatischen Krieg verdankte Lucius Cornelius Sulla seinem Quaestor L. Licinius Lucullus, dessen Amtsgewalt um insgesamt zwei Jahre verlängert worden war, den Sieg über den pontischen König. Als Sulla, der bereits während seiner Statthalterschaft in Cilicia in Kontakt zu Mithridates VI. getreten war209, im Jahr 87 v. Chr. mit seinem Fünf-Legionen-Heer in unmittelbarer Nähe des Piräus landete, verfügte er über keinerlei oder zu wenige Kriegsschiffe210, die er in der nachfolgenden, kräftezehrenden Belagerung des athenischen Hafens dringend benötigt hätte.211 Das Fehlen einer Flotte zwang die römischen Legionen 87 v. Chr. zu einem langwierigen Belagerungskampf, da der pontische Flottenbe-
207 Zu den maritimen Siegen Roms Liv. 32,16–17.19–23.39–40; 33,16–17; Thiel (1946) 239– 249; Heftner (2005) 324. Allgemein zu Flamininus’ Kampagne in Griechenland vgl. Errington (1986) 183f. (2008) 206f.; Green (1990) 310f.; Hammond (1998) 432–447; Shipley (2000) 375f.; Pfeilschifter (2005) 93–111; Heftner (2005) 326f. 208 Liv. 34.22–41; Zon. 9,18; Plut. Flaminius 13,1–3; Iustin. 31,3,1; Eutrop. 4,2; Oros. 4,20,2; Auct. Vir. Ill. 51; die maritimen Operationen überliefert bei Liv. 34,26,11. 29–30. 40,7; Zon. 9,18; vgl. ferner Thiel (1946) 251ff. 209 Liv. per. 70; Vell. 2,24,3; App. Mithr. 57; Plut. Sulla 5,5–10; Auct. Vir. Ill. 75,4; vgl. zu Sullas Kappadokien-Feldzug und den Verhandlungen mit Mithridates Kallet-Marx (1995) 247–250, 355–360; Letzner (2000) 100–104; Magie (2000) 206f.; Christ (2000) 196; (2003)73f.; Keaveney (2005) 31–35; Heftner (2006) 162. Forschungsüberblick bei Hatscher (2001) 208–223. 210 App. Mithr. 30. 33 erwähnt nicht nur mehrfach, dass Sulla keine Schiffe zur Verfügung standen, sondern erweckt in seiner Berichterstattung der Reise des Quaestors Lucullus nach Ägypten zur Rekrutierung der ägyptischen Flotte für den Seekrieg gegen Mithridates den Eindruck, dass der Quaestor inkognito als Reisender bis nach Ägypten vorgedrungen sei, App. Mithr. 33: „Obschon das Meer von Feinden beherrscht wurde, kannte Lucullus kein Zögern; er bestieg einen Schnellsegler, tauschte, um nicht entdeckt zu werden, Schiff um Schiff und gelangte so nach Alexandria.“ (ὁ µὲν δὴ πολεµίας οὔσης τῆς θαλάσσης, οὐδὲν ἐνδοιάσας, ἐς κελήτιον ἐνέβη, καὶ ναῦν ἐκ νεώς, ἵνα λάθοι, διαµείβων ἐπ᾽ Ἀλεξανδρείας ἐφέρετο.) Fernerhin berichtet App. Mithr. 33 von der Unmöglichkeit der Rhodier Schiffskontingente zu Sulla zur Unterstützung zu entsenden. In der Parallelüberlieferung des Plutarch (Lucullus 2,3) findet sich jedoch der Hinweis, dass Sullas Quaestor Lucullus mit mindestens sechs Schiffen (drei griechischen und drei rhodischen) von Piräus aus seine Reise nach Alexandria begann. Dies lässt m. E. den Schluss zu, dass Sulla zwar über einige Schiffe – auch über rhodische – verfügte, diese jedoch weder für die Belagerung des Piräus noch für einen strategisch erfolgreichen Seekrieg genügten. Daher entsandte er Lucullus mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu den römischen Verbündeten zur Rekrutierung einer schlagkräftigen Flotte. Die offensichtlichen Widersprüche in den beiden Berichten des Appian und Plutarch werden von Clark (1915) 71 widerspruchslos akzeptiert. Ebenso De Souza (1999) 118. 211 Zur Belagerung Athens und des Piräus und der anschließenden Schlachten bei Chaironeia und Orchomenos, Liv. per. 81–82; Vell. 2,23,3–5; Flor. 1,40,10–11; App. Mithr. 34–51; Plut. Sulla 13,1–21,4; Eutrop. 5,6; Oros. 6,2,4–7; Auct. Vir. Ill. 75,7; vgl. ferner Reinach (1975) 159– 183; Deininger (1971) 259ff; Sherwin-White (1984) 137–140; Letzner (2000) 173–204; Christ (2003b) 85–89; Keaveney (2005) 70–84; Heftner (2006) 166–172.
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fehlshaber Archelaos von der Meeresseite her ständig Nachschub erhielt.212 Bald wurde offensichtlich, dass nur eine Flotte die pontische Übermacht in der Ägäis zu brechen vermochte. Daher beauftragte Sulla zur Winterpause hin seinen Quaestor L. Licinius Lucullus mit der Rekrutierung einer Flotte aus verbündeten ägyptischen und rhodischen Schiffen und entsandte ihn nach Ägypten.213 Erst im Jahr 85 v. Chr. sollte diese Flotte Sulla zur Verfügung stehen. Denn noch gegen Ende des Jahres 87 v. Chr. und im Verlauf des folgenden reiste Lucullus mit den Befugnissen eines Promagistraten ausgestattet über Kreta, wo er sich der Unterstützung der dort ansässigen Piraten versicherte, nach Alexandria. Während der Überfahrt wurde er jedoch von Seeräubern überfallen, wobei er den Großteil seiner Schiffe im Kampf verlor. Mit ägyptischer Verstärkung segelte Lucullus nach kurzem Aufenthalt in Alexandria entlang der phoinikischen und pamphylischen Küste über Kypros, wo er überwinterte, nach Rhodos. Während dieser Zeit verstärkte er beständig seine Flotte durch Schiffskontingente römischer Verbündeter, um dann im Frühjahr 85 v. Chr. gegen Seestädte, die im Bund mit Mithridates VI. standen, vorzugehen. Er überfiel u. a. Chios und Kolophon und schlug die pontische Armada unter dem Kommando Neoptolemos bei Tenedos und an der Küste Troas’, bevor er Sullas Heer am Hellespont übersetzte.214 Dadurch war es den römischen Legionen möglich, dem fliehenden Mithridates VI. bis Tanados zu folgen, wo er endgültig Frieden schloss. Im dritten mithridatischen Krieg schuf die Prorogation des Seekommandos die Grundlage für die maritimen Erfolge des Proconsuls Lucullus in den Jahren 73 und 72 v. Chr., so dass diese Mithridates VI. zum Rückzug entlang der Schwarzmeerküste zwangen, wo er durch einen Sturm zahlreiche Schiffe seiner verbliebenen Flotte verlor.215 Während sein Kollege, der Proconsul M. Aurelius Cotta, sich Überfällen entlang der pontischen Schwarzmeerküste widmete und die Belagerung der wichtigen Hafenstadt Herakleia Pontike begann216, verfolgte Lucullus den flüchtenden Mithridates VI. landeinwärts durch Bithynien und die Ebenen von Olgassys.217 Während dieser Eroberungskampagne durch pontisches Gebiet
212 App. Mithr. 32 berichtet von der Verstärkung für Archelaos unter dem Kommando des Dromichaites; vgl. Magie I (2000) 220; Keaveney (2005) 70. 213 Cic. Acad. 2,11. 61; Plut. Lucullus. 2,2–3; App. Mithr. 33. 214 Zur Seekampagne des Lucullus, Plut. Lucullus 3,3–4,1; App. Mithr. 52. 56; Oros. 6,2,10; vgl. Reinach (1975) 193f.; Sherwin-White (1984) 141; Keaveney (1992) 19–28; De Souza (1999) 118–121; Letzner (2000) 204; Magie I (2000) 226f. Durch die lange Abwesenheit Lucullus’ machte sich Sulla nach App. Mithr. 51 selbst daran eine Flotte auszurüsten, nachdem er nach der Schlacht bei Chaironeia ins Winterlager in Thessalien zurückgekehrt war, vgl. Keaveney (2005) 84. 215 App. Mithr. 78; Liv. per. 95; Oros. 6,2,24; Reinach (1975) 330f.; Magie I (2000) 331. 216 Memnon 29 FGrH 3B, 358f. Die Belagerung zog sich für zwei weitere Jahre hin, vgl. Memnon 32–34 FGrH 3B, 360ff; Reinach (1975) 346ff; Sherwin-White (1984) 250f.; Magie I (2000) 333, 340f. 217 Plut. Lucullus 18–19; App. Mithr. 78–83; Memnon 30–31, FGrH 3B 359f.; Magie I (2000) 333–340.
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griff Lucullus etwa bei der Eroberung der Hafenstadt Sinope auf die Unterstützung der ihm unterstellten Schiffe zurück.218 Kurz darauf, im Frühjahr 66 v. Chr., übernahm Pompeius Magnus den Oberbefehl im Krieg gegen Mithridates VI.219 Mittels eines proconsularischen imperium war es Pompeius möglich, eine gezielte Offensive gegen das pontische Großreich durchzuführen. Zu Beginn seiner Offensive stationierte er die Flotte zwischen Phoinikien und dem Bosporus220 und nutzte sie schließlich zur Isolation Mithridates’ VI. in der Kolchis am Kaukasus sowie später auf der Krim. Denn dahin hatte es ihn verschlagen, nachdem er von den römischen Truppen in der Nähe der späteren Stadt Nikopolis vernichtend geschlagen worden war.221 Pompeius nun wollte mit Hilfe der Flotte die Mobilität des Königs durch eine breit angelegte Seeblockade auf dem Schwarzen Meer einschränken.222 Zur Untätigkeit auf dem Meer verdammt, versuchte Mithridates VI. durch Nachrüstungen im Landkrieg nochmals den militärischen Schlag gegen Rom, doch der durch die breite Bevölkerung gestützte Usurpationsversuch seines Sohnes trieb den letzten großen Herausforderer der res publica populi romani auf See zum Selbstmord.223 Mit dem Aufblühen der Piraterie im letzten Jahrhundert der römischen Republik, welche zunehmend die vitalen Interessen Roms gefährdete und eine Inter218 Dass es bei der Eroberung dieser Stadt auch zu Seegefechten kam ist einer Notiz bei App. Mithr. 83 zu entnehmen: „Sinope indes leistete ihm [Lucullus, Anm. M. Ladewig] auch weiterhin heftigen Widerstand, wobei die Einwohner keine schlechten Seegefechte lieferten.“ (Σινώπη δ᾽ ἀντεῖχεν ἔτι καρτερῶς, καὶ διεναυµάχησεν οὐ κακῶς.) Ebenso Memnon 37,3 FGrH 3B, 364. Vgl. ferner dazu Strab. 12,3,11; Plut. Lucullus 23,2–7; Reinach (1975) 352f.; Sherwin-White (1984) 173, 251; De Souza (1999) 125f.; Magie (2000) 341. Ab diesem Zeitpunkt jedoch bis zur Übernahme der Kriegführung durch Pompeius, finden sich in den Quellen keine Hinweise auf weitere maritime Aktivitäten des Lucullus gegen Mithridates VI. Zur weiteren Kriegführung Lucullus’ und den Umständen seiner Ablösung Cic. Manil 22–24; Sall. Hist. 4,58–80Mc; Liv. per. 98; Plut. Lucullus 24,1–35,6; App. Mithr. 84–90; Cass. Dio 36,1– 8. 14–17; Memnon 38 FGrH 3B, 365f.; Oros. 6,3,6–7; Eutrop. 6,9,1–3; vgl. ferner Reinach (1975) 355–375; Sherwin-White (1984) 173–187; Kallet-Marx (1995) 312–315; Magie I (2000) 342–350; Christ (2004) 67f. 219 Zu den Umständen Gelzer (1949) 87ff; Reinach (1975) 379f.; Sherwin-White (1984) 189f.; Kallet-Marx (1995) 320–323; Christ (2000) 254f.; (2004) 68ff; Seager (2002) 49–52; Girardet (2007) 28–34. 220 Plut. Pompeius 32,1; Gelzer (1949) 89. 221 Strab. 12,3,28; Plut. Pompeius 32,7–9; Cass. Dio 36,47,1–50,3; Reinach (1975) 381–386; Kallet-Marx (1995) 323; Magie I (2000) 354f.; Seager (2002) 55; Christ (2004) 71f. Sherwin White (1984) 192f. und Bengtson (1988) 173 deuten in diesen Sieg bereits die Kriegsentscheidung zu Roms Gunsten. 222 Die Blockade übertrug Pompeius an den Praefekten Servilius, dazu Cass. Dio 37,3,2–3; Plut. Pompeius 34,5. Die Blockade betraf nach Plut. Pompeius 39,1 auch Handelsschiffe, deren Besitzer die Todesstrafe drohte, falls sie den Seeweg zur Krim suchten. Vgl. Christ (2004) 76, der diese Blockade als einzige maritime Operation des Pompeius, bzw. seines Legaten annimmt; ebenso Gelzer (1949) 89f.; Sherwin-White (1984) 199; Magie I (2000) 358; ungenauer in seinen Aussagen zur Blockade Seager (2002) 57. 223 Plut. Pompeius 41; App. Mithr. 108–111; Gelzer (1949) 95f.; Reinach (1975) 395–409; Sherwin-White (1984) 203–206; Bengtson (1988) 175; Kallet-Marx (1995) 325; Magie I (2000) 363f.; Christ (2004) 89f.
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vention der res publica erforderte, wurden die verlängerten Seekommandos zu einem konstitutiven Pfeiler in der Bekämpfung dieser Gefahr für die römische Thalassokratie und erfuhren zugleich ihre umfassendste Wandlung. Denn die Siedlungen der verschiedenen seeraubenden Stämme waren über die gesamte Mittelmeerwelt, von den Balearen bis Kreta, von der Küste Dalmatiens bis zu den Gestaden Kilikiens und der Kyrenaika, verstreut.224 Der jährliche Wechsel des maritimen Oberkommandos lief einer erfolgreichen Strategie zur Bekämpfung der Piraterie zuwider. Bereits im Jahr 123 v. Chr. wurde der Consul Q. Caecilius Metellus mit dem Seekommando beauftragt, um gegen die auf den Balearischen Inseln lebenden Gymnesier vorzugehen.225 Sie hatten vermehrt Seehandelsrouten gefährdet, indem sie die Schiffe zu entern suchten.226 Caecilius Metellus ließ in Vorbereitung auf die gymnesischen Schleuderattacken Felle über die Schiffsdecks spannen, so dass die Wurfgeschosse abgefangen wurden.227 Nachdem der Angriff der balearischen Piraten erfolglos blieb, flohen diese in ihrer Heimatstädte. Metellus verfolgte die Angreifer, landete mit seinem Heer an der balearischen Küste und verwüstete die gymnesischen Siedlungen.228 Vermutlich zogen sich die Kriegshandlungen bis in das darauffolgende Jahr hin. Denn erst 121 v. Chr. feierte Q. Caecilius Metellus in Rom einen Triumph de Baliaribus und beendete die seeräuberischen Aktivitäten im westlichen Mittelmeer.229 Ab dem Jahr 102 v. Chr. finden sich in den antiken Quellen erneut Hinweise auf römische Flottenunternehmungen gegen Piraten. Marcus Antonius, der zu dem Zeitpunkt vermutlich als Praetor mit weit reichenden, wahrscheinlich proconsularischen Kompetenzen ausgestattet war230, kommandierte mehrere Schiffe in der Ägäis und ging gegen in Kilikien ansässige Seefahrer vor, welche in diesen Gewässern operierten.231 Es ist nicht ersichtlich, ob M. Antonius ausschließlich mit der Bekämpfung der kilikischen Seeräuber beauftragt worden war. Wahrscheinlicher ist, dass er Asia als provinica erlost hatte und das „Piratenproblem“
224 Vgl. Anm. 103 (Kapitel 2.2.2) 225 Liv. per. 60; Vgl. ferner Morgan (1969) 217–231; De Souza (1999) 92–96. 226 Die besondere Geschicklichkeit der Gymnesier beim Schleudern betont Strab. 3,5,1. Flor. 1,43,2–3 erwähnt zudem den Schiffsbau und die Schifffahrt der Gymnesier. Archäologische Funde und Schiffswracks beweisen zudem Seehandelsrouten, die zwischen Rom und der südfranzösischen Küste verliefen, vgl. Company (1971) 87–90; Almagro / Vilar (1973) 323–326; Roldán (1978) 103; Parker (1992) 548–555. 227 Strab. 3,5,1. 228 Oros. 5,13,1. 229 Cic. Fin. 5,82; Val. Max. 7,1,1; Plin. n.h. 7,142; Auct. Vir. Ill. 61,6; Roldán (1978) 103f. 230 Liv. per. 68 bezeichnet Antonius als Praetor. Zwei Inschriften in Korinth (ILLRP 1,342) und Rhodos (IGRRP 4,1116) kennzeichnen ihn jedoch als Proconsul. Vgl. Christ (2000) 163; (2004) 57. De Souza (1999) 104 datiert die Praetur ins Jahr 103 v. Chr. und nimmt an, dass Antonius erst nach dem Ende seiner Praetur in die Provinz abreist. 231 Zur kilikischen Piraterie vor der Kampagne des M. Antonius vgl. Maróti (1962) 24–42; De Souza (1999) 97–101.
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einen zusätzlichen Anreiz bot, in diesem Gebiet aktiv zu werden.232 Im Gegensatz zur spärlichen Quellenlage zur maritimen Kampagne des Q. Caecilius Metellus sind uns beim Seekommando des M. Antonius mehrere Legaten und ein Quaestor, die ihn begleitet haben, bekannt.233 Nachdem Antonius Italien verlassen hatte, steuerte er zunächst Korinth an. Um Zeit zu sparen, ließ er die Schiffe über den Isthmus von Korinth transportieren, anschließend reiste er weiter nach Side. Einen Teil der Flotte ließ er unter dem Kommando seines Legaten Hirrus in Athen zurück.234 Von Side aus wird Antonius Angriffe gegen kilikische Siedlungen durchgeführt haben235, bevor er im Jahr 100 v. Chr. nach Rom zurückkehrte, um dort seinen Triumph zu feiern.236 Drei Jahre später schmückte Antonius die rostra auf dem Forum mit seinen aus dem Kampf gegen die kilikischen Piraten errungenen spolia, um an seine maritimen Siege zu erinnern.237 Der Triumph des Antonius und dessen memoria durch die Errichtung der spolia konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Seeräuber weiterhin einen wesentlichen Störfaktor in der Ägäis darstellten, wie die Hilfeleistungen der kilikischen238 und kretischen239 Piraten für Mithridates VI. beweisen. Ab 78 v. Chr. ging der Proconsul P. Servilius Vatia in der Ägäis insgesamt fünf Jahre240 gegen Siedlungen und Verstecke der kilikischen Piraten vor. Von der Küste ausgehend operierte er bis ins Hinterland Lykiens, Kilikiens und Pamphyliens, unterwarf die Isaurer, zerstörte dabei Festungen auf dem Olympos, besetzte strategisch günstige Städte wie Phaselis – die sich fest in kilikischer Hand befand241 –
232 Ebenso Sherwin-White (1976) 5; (1984) 97ff; De Souza (1999) 103f.: „He may have been assigned the province of Asia, rather than Cilicia, although it is evident that he did campaign in Cilicia. […] This campaign was clearly aimed at reducing the menace of certain local fiefdoms, […] in a region which was designated „Cilicia“. That is not to say that the problem of piracy was not a reason for the assignment of Marcus Antonius’ province. […] His objective was to mount an attack on some communities in „Cilicia“, with a combined naval and land operation, demonstrating the willingness of Rome to carry out decisive action in the region, and obtaining sufficient military credit to further his career back in Rome.“ 233 Der Quaestor war C. Norbanus, welchen M. Antonius später vor Gericht verteidigt, Cic. de. orat. 2,197–202, vgl. ferner Appian b.c. 1,91. Weiterhin wissen wir durch Cic. leg, 3,36 vom Praefect M. Gratidius und von einem Praefect Quintus Calpurnius (IG XII,5,841), sowie vom Legaten Hirrus (CIL 12,2,2662). 234 ILLRP 1,342; Cic. de. orat. 1,82. Antonius’ Name war aus der Inschrift getilgt worden, vermutlich im Zusammenhang mit der damnatio memoriae seines Nachfahren und Triumvirn M. Antonius, vgl. Taylor / West (1928) 9–22. 235 Ein Indiz auf militärische Aktivität liefert Cic. Brut. 168; leg. 3,36 der von der Tötung seines Verwandten M. Gratidius in Kilikien berichtet, welcher als Praefect unter M. Antonius diente. 236 Den Triumph erwähnt explizit Plut. Pompeius 24. Anders De Souza (1999) 109f., der die Kampagne ausschließlich für das Jahr 102 v. Chr. annimmt. 237 Cic. de. orat. 3,10. In diesem Jahr war Antonius auch Censor gewesen. 238 Im erheblichen Umfang unterstützten Piraten König Mithridates VI. im Krieg gegen Rom, vgl. Maróti (1970) 479–493; Pohl (1993) 140–146; De Souza (1999) 125–128. 239 App. Sic. 6; Flor. 1,42,1. 240 Cic. Verr. 2,3,211. 241 Cic. Verr. 2,4,21.
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Aperai, Korykos, Attaleia, Oroanda und nahm zahlreiche Piraten gefangen.242 Im Jahr seiner Rückkehr übertrug der Senat das Seekommando auf den amtierenden Praetor M. Antonius. Anfänglich mit Absicherung der Seehandelsrouten im westlichen Mittelmeer beauftragt, wandte sich Antonius mit besonderen Befugnissen ausgestattet243 und durch acht legati unterstützt244 gegen die kretischen Piraten in der Ägäis. Während der Auseinandersetzungen mit der kretischen Flotte unter der Führung des Flottenbefehlshabers Lasthenes bedurfte Antonius der Hilfe byzantinischer Verbündeter, welche einige Schiffe zur Unterstützung entsandten.245 Da durch den bald darauf folgenden Tod Antonius’ das Seekommando vakant wurde, beauftragte der Senat einen der Consuln von 69 v. Chr. mit dem Oberbefehl über die römische Flotte. Nachdem der Consul Q. Hortensius Hortalus das Seekommando ausgeschlagen hatte, übernahm sein Amtskollege Q. Caecilius Metellus den Oberbefehl über die römischen Seestreitkräfte im Kampf gegen die Kreter.246 Begleitet von mehreren legati verschiffte der Consul Flotte und Truppen noch im selben Jahr in die Ägäis.247 In einer drei Jahre währenden Offensive kämpften römische See- und Landstreitkräfte gegen die bis zu 24.000 kretischen Söldner, die sich unter den lokalen Führern Panares und Lasthenes vereint hatten.248 Nachdem Metellus die kretischen Städte Cnossus, Lyctus, Cydonia und Eleutherna 242 Zur Kampagne Servilius’ Cic. Verr. 2,1,56; leg. agr. 1,5: 2,50; Liv. per. 90. 93; Flor. 1,41,4– 5; Strab. 14,5,7; Vell. 2,39,2; Oros. 5,23,21–22; vgl. De Souza (1999) 128–131; Christ (2000) 240f.; (2004) 57. Die Seeoperationen betont Cic. Manil. 68. Zur Gefangennahme der Piraten und deren wahrscheinliche Mitführung beim Triumph Cic. Verr. 2,5,66. 79. Die Erfolge Servilius’ gegen die Piraten werden von App. Mithr. 93 angezweifelt. 243 Das imperium des M. Antonius beschreibt Cic. Verr. 2,2,3.8; 3,91 als infinitum, vgl. ferner Lact. Inst. Div. 1,11,32. Girardet (2007) 23 Anm. 73 verweist darauf, dass der bei Cicero gebrauchte Begriff des imperium infinitum kein verfassungsrechtlicher terminus technicus der res publica sei. Vell. 2,31,3–4 vergleicht die Kompetenzen des Antonius mit denen, die Pompeius durch die lex Gabinia zugesprochen wurden. Demnach war es Antonius erlaubt, in mehr als einer Provinz und von der Küste 75 Kilometer landeinwärts zu operieren. Vgl. ferner Maróti (1971) 259–272; Bengtson (1977) 14f.; Dahlheim (1977) 148f.; Schulz (2000) 427; Christ (2000) 241; (2004) 57f. 244 Durch Sall. Hist. 3,5Mc. 6Mc sind die beiden Legaten Manius und Mamercus überliefert. Zudem liefert eine Inschrift (SIG³ 748) aus dem Hafen von Gytheion den Beweis, dass Q. Ancharius, P. Autronius, Paetus Fulvius, C. Gallius, L. Marcilius und ein C. Iulius als legati den Praetor Antonius begleiteten. Die Identifikation des C. Iulius als C. Iulius Caesar kann als sicher gelten, vgl. Brougthon II (1952) 115f. Anm. 6. De Souza (1999) 147 Anm. 215 hält es für möglich, „that he [Caesar, Anm. M. Ladewig] was included as an „expert“ [für Piraten, Anm. M. Ladewig] to advise Antonius“. 245 Tac. ann. 12,62. Anders De Souza (1999) 105, der die Hilfskontingente der Byzantiner für den Praetor M. Antonius von 102 v. Chr. annimmt. 246 Cic. Verr. 2,2,76; Cass. Dio 36,1a[Xiph.]; App. Sic. 6; vgl.; Girardet (2007) 23. 247 Als legati sind uns durch Cic. Flacc. 100; Planc. 27; Cass. Dio 36,19,1 C. Licinius Sacerdos, L. Valerius Flaccus und L. Bassus bekannt. 248 Ein Indiz für die Seekämpfe liefert Cic. Flacc. 30. Demnach sandte der Legat Flaccus ein Gesuch an den Senat, Ruderer für die Flotte des Metellus nach Kreta zu entsenden. Daraufhin bewilligte der Senat eine Geldsumme von 4.300.000 Sesterzen für die Ausrüstung der Flotte mit Ruderern. Vell. 2,34,1 berichtet von den kretischen Anführern und der kretischen Truppenstärke.
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belagert und erstürmt hatte, überließ er die eroberten Gebiete der Verwaltung seines Legaten L. Valerius Flaccus249, und das Kommando der Flotte dem Legaten L. Bassus.250 Die Erfolge des Metellus fanden ihr jähes Ende im Jahr 67 v. Chr., als die größte maritime Offensive der res publica durch den Gesetzesantrag des Volkstribunen Aulus Gabinius ihren Anfang nahm.251 Die lex Gabinia brachte das umfangreichste Seekommando in der Geschichte der römischen Republik zu Wege, welches alle bisherigen prorogierten Seekommandos in den Schatten stellte. Demnach sollte ein Proconsul das gesamte Mittelmeer, von den Säulen des Herakles im äußersten Westen bis zum Schwarzen Meer im Osten einschließlich aller Inseln und angrenzenden Küstengebiete bis 400 Stadien (ca. 75 km) landeinwärts als provincia erhalten. Zudem schloss dieses auf drei Jahre festgelegte proconsularische imperium den Oberbefehl über 200 Schiffe und 15 legati sowie die Truppenrekrutierung nach eigenem Ermessen ein. Eine Summe von 36 Millionen Denare sowie die Möglichkeit des unbeschränkten Kredits bei der römischen Staatskasse und den Provinzen sollten dazu bewilligt werden.252 Nachdem das Gesetz trotz Widerstand zur Abstimmung gebracht und mit großer Mehrheit angenommen worden war, bestimmte der populus den Mann zum Oberbefehlshaber, auf den das Gesetz „zugeschnitten“ war, Cn. Pompeius 249 Zu den Eroberungen Liv. per. 98; 99; Flor. 1,42,4; Plut. Pompeius 29,1–2; vgl. Kreuter (1995) 149. Val. Max. 7,6, ext.1 berichtet von den grausamen Zuständen der Belagerten. Auf Grund des Frischwassermangels waren sie gezwungen den eigenen Urin zu trinken. Von der Verwaltungsaufgabe des Flaccus berichtet Cic. Flacc. 63. Vgl. ferner Bernhardt (1985) 91f.; De Souza (1999) 157–161; Christ (2000) 251; (2004) 58; Schulz (2000) 436; (2005) 179. 250 Nach Cass. Dio 36,19,1 kämpfte Bassus zur See gegen kretische Verbände des Kommandanten Aristion und unterlag. 251 Durch das weitreichende imperium des Pompeius zählte auch die provincia des Metellus zu dessen Operationsgebiet. Nach der Darstellung des Vell. 2,31,2 war Pompeius rechtlich allen Promagistraten in ihren provinciae geichgestellt. Tac. ann 15,25 erwähnt eine Erhöhung des regulären imperium (maius). Dennoch setzte sich Pompeius über das imperium des Metellus hinweg, als er Friedensgesandte der Kreter empfing und über ihre Kapitulation verhandelte. Im Anschluss entsandte er den legatus Octavius nach Kreta, um Metellus von der Friedensvereinbarung zu unterrichten. Dieser jedoch – auf die Gleichwertgkeit seines imperium stützend – setzte die Kampfhandlungen fort und widersetzte sich der Verfügung des Pompeius. Nach weiteren Disputen gestand der Senat Metellus zwar den Triumph ex Creta insula zu und er trug fortan den Beinamen Creticus, die führenden Kreter Lasthenes und Panares führte jedoch Pompeius in seiner pompa triumphalis dem römischen Volk vor, vgl. dazu Cic. Manil. 35. 46; Sall. Cat. 30,4; Liv. per. 99; Vell. 2,34,2; Flor. 1,42,5; App. Sic. 6,6; Plut. Pompeius 29,5; Cass. Dio 36,17a. 18,1–19,2; Oros. 6,4,2; Eutrop. 6,11,1; ferner Last (1947) 166ff; Gelzer (1949) 85f.; Jameson (1970) 549; Bernhardt (1985) 92f.; Kreuter (1995) 149; De Souza (1999) 170f.; Seager (2002) 46; Girardet (2007) 23–27; Koehn (2010) 303–314.. Zur Begrifflichkeit des imperium maius vgl. im Besondern Bleicken (1993) 121: „Die Inhaber von übergreifenden militärischen Kommandos erscheinen zwar gegenüber den Prokonsuln, mit denen sie konkurrierten, tatsächlich als die ihnen überlegene Gewalt, aber eine auch formale Überordnung der außerordentlichen Gewalt über die Prokonsuln ist lediglich im Vorfeld der Entscheidungen diskutiert, […] niemals tatsächlich verwirklicht worden.“ 252 Zu den Bestimmungen der lex Gabinia Plut. Pompeius 25; Cass. Dio 36,23,4.34,3.37,1; App. Mithr. 94; Vell. 2,31,2. Vgl. ferner Groebe (1910) 374ff; Gelzer (1949) 77; Seager (2002) 44; Christ (2004) 59f.; Girardet (2007) 24f.
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Magnus.253 Kurze Zeit später wurde das imperium des Pompeius auf den Oberbefehl über 500 Schiffe und 24 legati erweitert und auf die Kommandatur über 5.000 Kavalleristen und 100.000 Infanteristen festgesetzt.254 Wieso entschied sich die res publica populi romani gegen die breite senatorische Opposition und trotz des prorogierten imperium des Proconsuls Q. Caecilius Metellus zur Bekämpfung der kretischen Piraten für ein derart umfassendes Seekommando zum Kampf gegen die Piraterie? Die Angriffe auf die Seehandelsrouten und Hafenstädte der Ägäis durch Seeräuber stellten kein Novum dar. Immerhin hatte Rom seit dem Beginn des ersten vorchristlichen Jahrhunderts teils intensive Eindämmungsversuche unternommen, wie die Kommandos des P. Servilius, der beiden Antoninen oder des Q. Caecilius Metellus beweisen. Doch seit Mitte der 60er Jahre des ersten Jahrhunderts v. Chr. rückte die italische Halbinsel immer stärker in den Fokus der Piraterie. In zunehmendem Maße marodierten im Verband operierende Schiffe von Seeräubern entlang der campanischen und etrurischen Küste, fielen bis ins Landesinnere ein und griffen italische Seestädte und Häfen wie Ostia, Misenum, Brundisium oder Caita an.255 Im Hafen von Syrakus gingen mehrfach Piratenschiffe für Plünderungszüge vor Anker.256 Römische Aristokraten wurden Opfer von Geiselnahmen, wie die Entführungen von Caius Iulius Caesar257, der Tochter des Antonius oder der beiden Praetoren Sextilius und Bellinus illustrieren.258 Der deutlichste Ausdruck des Angriffs auf die römische Suprematie zur See stellten aber wohl die brennenden römischen Schiffe im Hafen Ostias dar.259 Für die stadtrömische Bevölkerung müssen durch die Summe dieser Ereignisse Reminiszenzen an die Bedrohung durch Karthago im vierten und dritten vorchristlichen Jahrhundert wachgerufen worden sein, als die res publica ihren Herrschaftsanspruch zur See erstritten hatte und verteidigen musste. Seit dieser Zeit galten Angriffe zur See auf italische Hafenstädte und Küstenregionen als absolute Ausnahme. Stattdessen hatte man das Augenmerk auf den helle253 Cass. Dio 36,23,5; Plut. Pompeius 25,1–7. 254 Zu den Erweiterungen des imperium Liv. per. 99; Plut. Pompeius 26,1–2; anders App. Mithr. 94, wonach es 270 Schiffe und 4.000 Kavalleristen waren. Vgl. Groebe (1910) 377f.; Loader (1940) 134–136; Gelzer (1949) 79; Seager (2002) 45f.; Christ (2004) 60. Kromayer (1897) 429f., bezweifelt den tatsächlichen Gebrauch von 500 Schiffen, Seinen Berechnungen nach besaß Rom 67 v. Chr. 270 Schiffe. Ein Bau von 230 Schiffen vom Zeitpunkt der imperiumErweiterung durch Pompeius und der Abfahrt der Flotte hält Kromayer für unwahrscheinlich. Die Opposition gegen die lex im Senat betont Plut. Pompeius 25,3; Cass. Dio 36,24,1–35,4; Vgl. ferner Gelzer (1949) 77ff; Seager (2002) 44f.; Christ (2004) 61f. 255 Cic. Manil. 33; App. Mithr. 92; Cass. Dio 36,22,1–5; Flor. 1,41,6; allgemeiner Vell. 2,31,2. 256 Während der Statthalterschaft des C. Verres griffen Piraten die sizilische Küste an. In seiner Anklageschrift verweist Cic. Verr. 2,5,42–138 u. a. auf die Kooperation zwischen Verres und den Piraten, welche Bestechungen und Saboutage der Küstenschutzpatroullie mit einchließt. Vgl. ferner dazu De Souza (1999) 154–157. Durch Oros. 6,3,5 und Liv. per. 98 ist von der Propraetur des L. Caecilius Metellus auf Sizilien überliefert, als dieser durch den Sieg bei Land- und Seekämpfen die Insel vor piratischen Übergriffen schützte. 257 Suet. Iul. 4,1; Val. Max. 6,9,15; Vell. 2,41,3. 42,2–3.; Plut. Caesar 1,4–2,1. 258 Cic. Manil. 32; Plut. Pompeius 24,6; App. Mithr. 93. 259 Cic. Manil. 33; Cass. Dio 36,22,2
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3. Das römische Seekommando
nistischen Osten gerichtet. Nun jedoch wurde – aus der Perspektive der städtischen Bevölkerung – die römische Hoheit zur See erneut zur Disposition gestellt. Dieses Wissen vorausgesetzt, wird verständlich, weshalb die Übertragung dieses besonderen Seekommandos auf Pompeius durch die Volksversammlung und gegen die Opposition im Senat erreicht werden konnte. Pompeius begann sehr zügig mit den Vorbereitungen für seine Seekampagne. Während er den legati die dezentrale Absicherung des gesamten Mittelmeeres zusprach260, ging Pompeius selbst mit seiner Flotte offensiv gegen die Seeräuber vor. Zu Beginn sicherte er mittels Operationen in Sizilien, Sardininen, Korsika und Nordafrika die Getreideversorgung der Tiberstadt. Nachdem er Rom vom Alpdruck der Piraterie befreit hatte, wandte sich Pompeius gegen die Siedlungen und Hafenplätze der Seeräuber in Kilikien, wie Kragos und Antikragos. In der Seeschlacht bei Korakesion zerstörte er den Großteil der vereinten kilikischen Schiffe und beendete durch eine Umsiedlungspolitik fürs Erste jede weitere maritime Aktivität der Piraten.261 3.2.5 Das Seekommando der duumviri navales Nach den beiden großen Kriegen gegen Philipp V. von Makedonien und Antiochos III. im hellenistischen Osten, musste Rom seine Aufmerksamkeit erneut gen Westen richten: Sowohl die Machtkonsolidierung auf der iberischen Halbinsel als auch die Festigung der Herrschaft in Norditalien waren dringende Angelegenheiten. Die Kampagnen der 80er und 70er Jahre des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts in Norditalien konzentrierten sich sehr stark auf die Landkriegführung.262 Dass Rom dennoch die Sicherung des westlichen Mittelmeeres weiterhin erwog und organisierte, verdeutlicht den sich über die Jahrzehnte entwickelten Anspruch der res publica populi romani auf maritime Suprematie. Bei der Sicherung der italischen Küstenabschnitte finden wir das bewährte Kollegium der duumviri navales, welches 311 v. Chr. auf Antrag des Volkstribunen M. Decius installiert worden war. Vermutlich operierte diese „Marinebehörde“ von 311 v. Chr. an dauerhaft für den Schutz der italischen Küsten.263 Da die antiken Autoren in ihren 260 App. Mithr. 93 und Flor. 1,41,9–10. 261 Zur Seekampagne des Pompeius vgl. Cic. Manil. 34–35; Liv. per. 99; Flor. 1,41,12–15; Strab. 8,7,5; 11,1,6; 14,3,3. 5,2.8; Plin. n.h. 7,93. 98; Vell. 2,32,4–5; Cass. Dio 36,37,3–6; App. Mithr. 95–96; Plut. Pompeius 26,2–28,2; Oros. 6,4,1; Eutrop. 6,12,1. Vgl. Gelzer (1949) 80– 84; De Souza (1999) 167–172; Christ (2000) 253f.; (2004) 62–65; Seager (2002) 45–49; Schulz (2000) 437f.; (2005) 180f. 262 Zu den Kriegen gegen die Ligurer und Histrier vgl. Toynbee II (1965) 273–281; Harris (1979) 225ff; Forabaschi (1992) 53–62; Heftner (2005) 352ff; Pina Polo (2006) 185–192. 263 Mit Ausnahme des Jahres 215 v. Chr. als diese Aufgabe an den Praetor pergrinus und Praetor urbanus fiel, siehe oben. Aufgrund der besonderen Umstände wird der Senat den Küstenschutz auf die Praetoren übertragen haben, da die duumviri navales mit ihren geringen Schiffskapazitäten und den geringeren Kompetenzen für die Bewältigung der Aufgaben nicht geeignet waren.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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Werken den nautischen Kampagnen der Consuln und Praetoren während der Kriege gegen Karthago, Makedonien oder das Seleukidenreich ihre Hauptaufmerksamkeit widmen, verblassen die eher unbedeutenden Unternehmungen für die Küstensicherungen durch die duumviri navales. Dennoch lassen sich einige Hinweise zu den Seekommandos dieser „Marinebehörde“ in Livius’ Darstellung der Jahre zwischen dem Krieg gegen Antiochos III. und dem dritten römischmakedonischen Krieg finden. Auf der Basis dieser Indizien können drei Eigenschaften dieser besonderen Form des Seekommandos zum Schutz der Küsten attestiert werden. (1) Die geographische Definition der Operationsgebiete der duumviri navales folgt einem festgelegten Muster: In Analogie zu den provinciae der Magistrate werden auch die Handlungsräume der duumviri navales geographisch festgelegt. Zudem werden ihnen je zwei Flottillen mit zehn Schiffen inklusive Besatzung zur Verfügung gestellt. Im Operationsgebiet der duumviri wird ein Ort – zumeist eine Landzunge oder ein Kap – als Ausgangspunkt festgelegt. Von diesem Fixpunkt aus operiert ein Flottenbefehlshaber in westlicher Richtung entlang der Küste, während sein Kollege mit seinem Schiffskontingent die Küste in östlicher Richtung patrouilliert. 181 v. Chr. beispielsweise wurde das Kap Minerva für die duumviri C. Matienus und C. Lucretius Gallus als Ausgangsbasis erkoren. Rom befand sich während dieser Zeit im Krieg gegen die im äußersten Nordwesten der italischen Halbinsel ansässigen ligurischen Stämme. Daher sicherte C. Matienus die italische Küste vom Kap Minerva beginnend bis zu den Gestaden Massalias, während sein Kollege vom Kap Minerva aus in östlicher Richtung bis Barium entlang der Küste wachen sollte.264 Dieser gewählte Fixpunkt war jedoch keinesfalls statisch, sondern orientierte sich immer am jeweiligen Bedarf, wie die Küstenschutzkampagne des Jahres 178 v. Chr. beweist: In diesem Jahr hatte Rom die Auseinandersetzung mit den Bewohnern Histriens begonnen, und eine Intervention illyrischer Seeräuber stand zusätzlich zu befürchten. Daher setzte man für den Küstenschutz nun Ancona als Ausgangspunkt an. Von dort aus befand sich die nach Südosten laufende Küste bis Tarent unter dem Protektorat von L. Cornelius Dolabella, und den Küstenabschnitt nordwestlich bis Aquileia sicherte der duumvir C. Furius ab.265 Darüber hinaus zählte auch der Schutz des adriatischen Meeres zu ihren Aufgaben. Rom wollte demnach seine Seehoheit in der Adria in erster Linie durch die duumviri als gesichert wissen – ein deutlicher Ausdruck dafür, wie weit die römische Hegemonie im westlichen Mittelmeer gefestigt war, wenn für die Verteidigung der Interessen Roms im mare Adriaticum eine Flottille von 20 Schiffen genügte.
264 Liv. 40,18,7–8. 265 Liv. 41,1,3.
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3. Das römische Seekommando
(2) Neben dem Küstenschutz übernehmen die duumviri navales auch Hilfsdienste für die Landheere: Dass die Kompetenzen der duumviri navales nicht ausschließlich auf den Küstenschutz begrenzt blieben, ist seit Einrichtung dieser Institution konstitutiv. Bereits 310 v. Chr. hatte der duumvir P. Cornelius das Seekommando genutzt, um in der Gegend um Pompeji ausgedehnte Plünderungen durchzuführen.266 181 v. Chr. unterstützte C. Matienus das unweit von Genua agierende Heer unter dem Kommando des Proconsuls L. Aemilius Paullus267, indem er 32 Piratenschiffe, die zur Unterstützung ligurischer Ingauner angeheuert worden waren, besiegte.268 Als Rom 178 v. Chr. in Histrien intervenierte und das consularische Heer unter A. Manlius Vulso am Timavus-See stationiert worden war269, sicherte C. Furius die Versorgung des Heeres über den Seeweg. Dazu waren ihm mehrere Transportschiffe zur Verfügung gestellt worden.270 (3) Die Ämtervergabe der duumviri navales liegt im Kompetenzbereich der amtierenden Consuln: Wie einer Bemerkung bei Livius zu entnehmen ist, wurden die duumviri navales nicht durch Wahl der Comitien bestimmt, sondern durch die amtierenden Consuln kooptiert: „Die Consuln erhielten den Auftrag, dafür zwei Flottenbefehlshaber einzusetzen.“271 Daneben schien es ihnen jedoch selbst überlassen, über den Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Marinedienst zu entscheiden. Im Jahr 178 v. Chr. beispielsweise bedachte der pontifex maximus C. Servilius Geminus den duumvir L. Cornelius Dolabella mit dem kultischen Amt des rex sacrorum. Für die erfolgreiche Kooptation jedoch musste Dolabella das Amt des duumvir navalis ablegen. Nachdem sich Dolabella weigerte, strengte der pontifex maximus ein Strafverfahren gegen ihn an. In letzter Instanz entschied die Volksversammlung über die Rechtmäßigkeit einer Bestrafung Dolabellas. Seine Entscheidung, das Amt des duumvir navalis weiter auszuführen, blieb unangetastet.272 Im Resümee wird deutlich, dass die Kompetenzen der duumviri navales deutlich begrenzt waren. Mit lediglich 20 Schiffen unter ihrem Kommando waren groß angelegte Seekampagnen nicht realisierbar. Stattdessen spezialisierte man sich auf 266 Liv. 9,38,2–3. 267 Liv. 40,25,2–10. 27,1–28,9; Plut. Aemilius Paullus 6,2–3; Frontin. 3,17,2. Für den entscheidenden Sieg gegen die Ingauner feierte Aemilius Paullus einen Triumph, vgl. Liv. 40,34,7–8; Vell. 1,9,3; Auct. Vir. Ill. 56,1. 268 Liv. 40,28,7. Damit erfüllte er seinen Befehl, der uns durch Liv. 40,26,8 überliefert ist: „[…] und Matienus, dessen Operationsgebiet am Gallischen Meerbusen war, erhielt den Befehl, mit seiner Flotte so bald wie möglich an die ligurische Küste zu fahren, um zu versuchen, ob er L. Aemilius und seinem Heer irgendwie von Nutzen sein könne.“ ([…] Matienoque, cuius ad Gallicum sinum provincia erat, imperatum est, ut classem primo quoque tempore duceret in Ligurum oram, si quo usui esse L. Aemilio atque exercitui eius posset). 269 Liv. 41,1,1–2. 270 Dies geht aus einer Notiz bei Liv. 41,1,4 hervor. 271 Liv. 40,18,7: Duumviros in eam rem consules creare iussi. 272 Liv. 40,42,8–10.
3.2 Artikulationsformen des römischen Seekommandos
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die Versorgung und Unterstützung des Heeres und die Absicherung der Küsten. Gerade beim Küstenschutz wird die bloße Präsenz eines römischen Schiffskontingentes als Patrouille bereits den Ausschlag gegeben haben, um Übergriffe einzelner Freibeuter auf römische Küstenstädte und Handelsplätze abzuwehren – zumindest bis zum ersten Jahrhundert v. Chr. Einer breit angelegten Invasion an den italischen Gestaden hätte diese Schutzinstitution nämlich nichts entgegen zu setzen gehabt. Doch am Abend des dritten römisch-makedonischen Krieges war ein solches römisches „Horrorszenario“ fern jeglicher Realität, denn die römische Suprematie zur See war längst behauptet und im Begriff, sich endgültig zu manifestieren. 3.2.6 Das Seekommando der res privata Bisher widmete sich die Untersuchung ausschließlich dem Seekommando der res publica populi romani, also der „öffentlichen“ oder auch neuzeitlich formuliert staatlichen Koordination und Organisation der römischen Seemacht. Daneben brach sich das Seekommando auch im Bereich des nicht Öffentlichen – der res privata – Bahn, als etwa Rom während des ersten römisch-karthagischen Krieges aufgrund der häufigen Seeunglücke und des innenpolitischen Drucks den Flottenkrieg 247 v. Chr. erneut einstellte.273 Auf Initiative einzelner römischer nobiles wurde mit den verbliebenen römischen Schiffen ein privater Kaperkrieg initiiert. Der antike Autor Zonaras präzisiert die rechtlichen Parameter der privaten Piraterie folgendermaßen: „Im Folgejahr hielten sich die Römer staatlicherseits vom Seekrieg fern […] privat aber fügten einige, die Schiffe gefordert hatten, unter der Bedingung, daß sie jene zurückgaben, die Beute aber sich aneignen durften, dem Feind Schaden zu.“274
Demnach konnten Privatpersonen die Schiffe der römischen Kriegsflotte für private Kaperfahrten nutzen, mussten jedoch für die Ausstattung und Bemannung der Schiffe selbst aufkommen. Nach erfolgter Kaper-Kampagne waren die Schiffe der res publica wieder zurückzugeben, der Profit durch die Überfälle und Plünderungen konnte dem Privatbesitz zugeführt werden. Die auf private Initiative gestützte Form der Kriegführung war bestimmend für die Frühphase der römischen 273 Zon. 8,16,3: „Im folgenden Jahr (also nach dem Consulat des A. Cotta und des P. Servilius, Anm. M. Ladewig) ließen die Römer, was den Staat betraf, vom Seekrieg ab, wegen der Unglücksfälle und wegen der Aufwendungen.“ Ähnlich Pol. 1,59,1, der die Seekriegspause im Zusammenhang mit der Schlacht bei den Aegatischen Inseln rückblickend erwähnt: „Obwohl die Römer schon fast fünf Jahre lang den Kampf zur See gänzlich aufgegeben hatten“ (καίπερ ἔτη σχεδὸν ἤδη πέντε τῶν κατὰ θάλατταν πραγµάτων ὁλοσχερῶς ἀφεστηκότες). Wegen des kausalen Zusammenhangs zwischen Seeunglück der Consuln Claudius Pulcher und Iunius Pullus, datiert Pol. 1,55,2 das Seeunglück des Iunius Pullus fälschlicherweise in das Jahr 248 v. Chr. 274 Zon. 8,16,3: Τᾡ δ’ἑξῆς ἔτελ τοῦ θαλαττίου πολέµου δηµοσία µὲν οἱ ‘Ρωµαῖοι απέχοντο διὰ τὰς ἀτυχίας και διὰ τὰ ἀναλώµατα, ἰδία δέ τινες νῇας ἀιτήσαντες, ὥστ’ ἐκείνας µὲν ἀποκαταστῆσαι.
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3. Das römische Seekommando
Geschichte, trat aber im Laufe des vierten vorchristlichen Jahrhunderts gegenüber dem staatlich organisierten und durchgeführten Krieg zurück. Die Kosten einer durch Eigeninitiative rekrutierten Kampfgruppe waren weit höher als der zu erwartende Ertrag einer solchen Kampagne und der qualitative Standard des römischen Heeres konnte mit einer privaten Eingreiftruppe nicht erreicht werden. Daher verließen sich die führenden nobiles auf die von der res publica zur Verfügung gestellten Ressourcen zur Kriegführung und die damit einhergehende Chance auf Reichtum, Beute und die Erringung von virtus. Dies traf im Wesentlichen auch für den Seekrieg zu. 247 v. Chr. änderten sich jedoch die Rahmenbedingungen. Per Gesetz war die staatliche Nutzung der Flotte für den Krieg auf dem Meer untersagt und das nautische Machtinstrumentarium weitestgehend unbeschadet in den Schiffshäusern Roms gelagert worden. Diese Konstellation bewirkte ein Machtvakuum zur See, welches von römischen Privatmännern erfolgreich ausgenutzt wurde. Zonaras weiß von geglückten Überfällen römischer Privatleute bei der Hafenstadt Hippo und dem Kampf gegen karthagische Flottillen bei Panormos zu berichten.275 Die Ergebnisse der privaten Kaperfahrten blieben nicht ohne Nachwirkungen, wie BLECKMANN treffend bilanziert: „Die Erfolge im Kaperkrieg der 40er Jahre ließen den Flottenkrieg wieder als realistische Option erscheinen und die großen Verluste des Jahres 249 in Vergessenheit geraten.“276
Gemeint ist hiermit unmissverständlicherweise die erneute Flottenrüstung der Römer für das Jahr 242 v. Chr., diesmal jedoch durch private Investoren subventioniert.277 Diese besondere Facette des römischen Seekommandos verdeutlicht, in welchem Ausmaß die Bedeutung der Beherrschung des Meeres bereits in die Lebenswelt der Römer vorgedrungen war. Der Machtanspruch Roms auf das Meer wurde nicht nur von Trägern des Staates sondern auch von Privatinitiativen gestützt.
275 Zon. 8,16,4. 276 Bleckmann (2002) 211, unter Verweis auf Zon. 8,16,8. 277 Pol. 1,59,6. Daneben führt Bleckmann (2002) 213 auch an, dass das überaus effiziente nautische Können der Flottenmannschaften von 242 v. Chr. ein Ergebnis der Routine während der privaten Kaperfahrten in den 40er Jahren ist. Denn Rom hatte im Zuge des privaten Charakters der Flottenrüstung von 242 v. Chr. auf diese Besatzungen der Privatmänner zurückgreifen müssen. Bei Bagnall (1995) 125; Huß (2004) 178; Heftner (2005) 162 herrscht immer noch die von Polybios tradierte Version vor, Rom war aufgrund der desolaten finanziellen Lage auf Privatfinanzierung der Flotte angewiesen. Kritischer diesbezüglich äußert sich Warmington (1963) 195. Überzeugend auch Bleckmann (2002) 212, der als Grund für die private Geldanleihe das Verbot der staatlichen Seekriegsbeteiligung von 247 v. Chr. anführt. Darüber hinaus lässt sich m. E. hier eine Kontinuität zu den Vorjahren feststellen. Im Wesentlichen setzte sich der private Charakter, den der Seekrieg in den 40er Jahren bereits angenommen hatte, nun konsequent fort, nur dass sich die Beteiligung fortan auf die Finanzierung beschränkte.
3.3 Kultische, militärische und pekuniäre Handlungsfelder des Seekommandos
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3.3 KULTISCHE, MILITÄRISCHE UND PEKUNIÄRE HANDLUNGSFELDER DES SEEKOMMANDOS In der eingangs zitierten Inschrift der columna rostrata, die zu Ehren des Consuls und ersten Seetriumphators Caius Duilius auf dem Forum errichtet wurde, werden die Taten des ersten consularischen Seekommandanten umfassend gewürdigt. Darunter finden sich auch Hinweise auf die verschiedenen Aufgabenfelder eines Oberbefehlshabers zur See, die im Nachfolgenden einer tiefergehenden Betrachtung bedürfen. Eine wesentliche Pflicht, die mit der Übernahme des Seekommandos einherging und die in der Inschrift erwähnt wird, war die Ausrüstung der Flotte und Rekrutierung der Mannschaft sowie deren Finanzierung. Als Rom seine ersten Seekampagnen in den Kriegen gegen Karthago und die illyrischen Fürsten Teuta und Demetrios organisierte, betraute der Senat die amtierenden Consuln mit dem Bau, der Instandhaltung oder Erneuerung sowie der Ausrüstung der römischen Flotte.278 So staffierte beispielsweise der Consul des Jahres 260 v. Chr., Caius Duilius, im fünften Kriegsjahr gegen Karthago über 200 Schiffe aus und war hierbei für die Beschaffung des Baumaterials sowie der Bootzimmermänner und weiterer Fachleute zuständig. Darüber hinaus ließ er hölzerne Schiffssimulatoren errichten, in welchen die neu rekrutierten Ruderer (Rojer) Synchronität und Choreographie einübten. Nach den „Trockenübungen“ an Land versuchte man sich auf dem Meer in Küstennähe, bevor die Flotte gegen die Karthager in See stach.279 Als im Verlauf des zweiten römisch-karthagischen Krieges das Seekommando auch für andere Ämter der res publica zugänglich wurde, übernahmen diese auch die Ausrüstungsfunktion der römischen Flotte. So erleben wir die Praetoren auch als Koordinatoren des Flottenbaus und der Ausrüstung der Kriegsschiffe, jedoch waren sie in der Rekrutierung der Flottenmannschaften an die geographischen Grenzen ihrers Amtes gebunden. Demnach hob der Praetor urbanus, dessen Amtsbereich ursprünglich die Stadt Rom umfasste, die Ruderer der römischen Flotte aus den Reihen der römischen Bürger, während der Praetor peregrinus die 3. 3 Kultische, militärische und pe kun iäre Handlungsfelder des See kommandos
278 In den Schilderungen des Polybios lassen sich nur in seltenen Fällen explizit bestimmte Personen mit dem Flottenbau in Verbindung bringen. Größtenteils konstruiert Polybios die Handlungen und Entscheidungen der Consuln als kollektives Agieren der Römer, so etwa für das Flottenbauprogramm im Jahr 256 v. Chr.: auch während der Rüstungen von 256 v. Chr., Pol. 1,26,4: „Die Römer stellten ihre Rüstungen auf beide Ziele ab, sowohl auf den Kampf zur See wie auf die Landung in Libyen.“ (οἱ µὲν οὖν Ῥωµαῖοι πρὸς ἀµφότερα τὴν παρασκευὴν ἁρµόζουσαν ἐποιοῦντο πρός τε τὴν κατὰ θάλατταν χρείαν καὶ πρὸς τὴν ἀπόβασιν τὴν εἰς τὴν πολεµίαν.) Durch die Parallelüberlieferung bei Zon. 8,12 wird jedoch die Identifikation mit den amtierenden Consuln möglich. Ebenso in Pol. 1,36,9–10 als die Rüstungen des Jahres 255 v. Chr. geschildert werden. 279 Die Darstellung der Rüstungen und „Trockenübungen“ bei Pol. 1,21,1–3 lässt eine direkte Bezeichnung des Verantwortlichen Vermissen, durch die nachfolgende Schilderung jedoch, wird deutlich, dass der Consul diese beaufsichtigt hatte, vgl. dazu Bleckmann (2002) 114 Anm. 5.
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benötigten Flottenmannschaften innerhalb der Bevölkerung der römischen socii rekrutierte.280 Neben den Praetoren ermächtigten die Consuln auch ihre Quaestoren mit der Organisation und Ausstattung einer Flotte. L. Cornelius Sulla, der 87 v. Chr. im Krieg gegen Mithridates VI. von Pontos mit seinen Legionen vergeblich versucht hatte, eine aussichtslose Belagerung des Piräus durchzuführen, beauftragte zum Jahresende seinen Quaestor L. Licinius Lucullus mit der Rüstung einer Flotte aus verbündeten Kontingenten. Denn zu diesem Zeitpunkt verfügte der pontische Gegner über die Seehoheit in der Ägäis und versorgte seine Heere ungestört über das Meer, während Sulla nur sehr wenige Schiffe zur Verfügung standen. In einem zwei Jahre währenden „Rüstungsmarathon“ vermochte es der Quaestor Lucullus, über Kreta nach Alexandrien zu reisen, und eine ansehnliche Flotte aus Schiffskontingenten römischer Verbündeter, wie Rhodos und einigen kleinasiatischen Städten zusammen zu stellen.281 Selbst die duumviri navales, deren Kompetenzbereiche gegenüber denen der Magistrate deutlich eingeschränkt waren, erhielten von den jeweils amtierenden Consuln die Befugnis, freie Bürger als Ruderer für den Kriegsdienst zu rekrutieren.282 Wenn das Seekommando nicht verlängert wurde, die maritimen Operationen sich jedoch über einige Jahre erstreckten, übernahmen in der Regel die nachfolgenden Flottenbefehlshaber die Schiffe und deren Besatzungen von ihren Amtsvorgängern, so dass ein Neubau der Flotte nicht nötig war und daher auch durch die Quellen nicht belegt ist. Stattdessen verstaute man die Flotte über die Wintermonate in den Schiffshäusern der Tiberstadt und anderer italischer Häfen, um die Holzrümpfe trocken zu lagern. Doch hinsichtlich der starken Beanspruchung des Holzes durch das aggressive Salzwasser, des Verziehens der Planken durch die Trocknungsphase und der mangelnden Versiegelung der Schiffskörper – denn diese hätten die Wendigkeit und Schnelligkeit der Schiffe beeinträchtigt – war die Organisation der Instandsetzung und Reparatur der Schiffe zu Beginn einer jeden Saison unerlässlich und daher auch Aufgabe der Inhaber des Seekommandos.283 Bisweilen jedoch verlor die res publica durch eine Seeschlacht oder ein Unwetter Teile ihrer Flotte. In diesen Fällen oblag es den nachfolgenden Inhabern des See280 So etwa die Praetoren Cn. Sicinius (P. peregrinus) und C. Licinius Crassus (P. urbanus) am Vorabend des dritten römisch-makedonischen Krieges, vgl. dazu die Ausführungen bei Liv. 42,27,3 oder 191 v. Chr. M. Iunius Brutus, der sowohl die Fremden- als auch die Stadtpraetur innehatte, Liv. 36,2,15. Zur Aufgabe des Flottenbaus für das Kollegium der Praetoren am Bsp. der Praetoren L. Scibonius Libo (P. peregrinus) und M. Fulvius Centumalus (P. urbanus) ist durch Liv. 35,21,1. 23,6. 24,8 überliefert. 281 Zur Seekampagne des Lucullus, Plut. Lucullus. 3,3–4,1; App. Mithr. 52. 56; Oros. 6,2,10; vgl. Reinach (1975) 193f.; Sherwin-White (1984) 141; De Souza (1999) 118–121; Letzner (2000) 204; Magie I (2000) 226f. 282 Liv. 40,18,7. 283 Höckmann (1985) 103, 147. Vgl. etwa die Schilderung bei Liv. 36,2,15: „Die alten Schiffe, die auf den Schiffsliegeplätzen lagen, sollte der Prätor M. Iunnius ausbessern und ausrüsten, und er sollte für diese Flotte Freigelassene als Seesoldaten ausheben.“ (Veteres naves, quae in navalibus erant, ut reficeret et armaret, M. Iunio praetori negotium datum est, et in eam classem socios navales libertinos legeret).
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kommandos, die Flotte aufzurüsten bzw. auf die nötige Schlachtstärke hin zu ergänzen. Nachdem beispielsweise im Jahr 255 v. Chr. die Consuln Ser. Fulvius Paetinus Nobilior und M. Aemilius Paullus den Großteil ihrer Flotte bei einem Seesturm in der Nähe von Camarina verloren hatten, waren ihre Amtsnachfolger C. Atilius Caiatinus und Cn. Cornelius Scipio Asina gezwungen, erneut eine Flotte von 220 Schiffen zu bauen und auszurüsten.284 Daneben konnte auch eine Aufstockung der Schiffskontingente notwendig werden, insbesondere wenn die strategischen Entscheidungen der Kriegsführer des Vorjahres eine Verschlechterung der römischen Situation bewirkt hatten, wie etwa 250 v. Chr. Während der Kriegskampagne dieses Jahres hatten die Consuln C. Atilius Regulus und L. Manlius Vulso durch eine Serie von Misserfolgen die strategisch wichtige Hafenstadt Lilybaeum an der Südspitze Siziliens nicht erobern können und waren stattdessen in Versorgungsschwierigkeiten geraten. Als Antwort darauf erfolgte eine taktische Reduktion der Truppenanzahl, wodurch die Karthager die Oberhand in Sizilien gewannen, fortan das römische Restheer belagerten und mit einer Flotte entlang der süditalischen Küste marodierten.285 In dieser bedrohlichen Situation wurde der Consul des Folgejahres und Oberbefehlshaber zur See, Iunius Pullus, mit dem Bau und der Ausrüstung zusätzlicher Schiffe beauftragt, um einerseits die Offensive auf Sizilien von See her zu unterstützen und anderseits weitere karthagische Übergriffe auf italisches Küstengebiet zu unterbinden.286 Maritime Aufrüstungsbemühungen der res publica konnten aber auch die Antwort auf Drohgebärden des Feindes zur See sein, wie etwa im Krieg gegen den seleukidischen Herrscher Antiochos III. Als die Auseinandersetzungen ins zweite Jahr gingen, wurden dem Senat Informationen über die maritime Aufrüstung des Antiochos III. zugespielt. Aus Furcht vor einer seleukidischen Übermacht zur See entschied der Senat über eine Aufstockung römischer Schiffskontingente und beauftragte den Praetor L. Aurunculeius mit der Realisierung.287 Das Ausmaß der maritimen Rüstungsbemühungen richtete sich auch nach den zur Verfügung stehenden Ressourcen, wie Livius in seinen Ausführungen zu den Kriegsvorbereitungen im Jahr 218 v. Chr. festhält: „Nach Beschluss wurden ihnen sechs Legionen für dieses Jahr bewilligt; an Bundesgenossen so viel, wie sie selbst für nötig hielten, und eine Flotte so groß, wie sie ausrichten konnten.“288 284 Pol. 1,38,5 erwähnt dabei explizit die beiden Consuln als Bauherrn und Ausrüster der Flotte: „Nachdem diese, was kaum zu glauben ist, in einer Zeit von drei Monaten fertiggestellt waren, rüsteten die neuerwählten Konsuln A. Atilius und Cn. Cornelius sogleich die Flotte aus und gingen in See.“ (τούτων δὲ τὴν συντέλειαν ἐν τριµήνῳ λαβόντων, ὅπερ οὐδὲπιστεῦσαι ῥᾴδιον, εὐθέως οἱ κατασταθέντες ἄρχοντες Αὖλος Ἀτίλιος καὶ Γνάιος Κορνήλιος καταρτίσαντες τὸν στόλον ἀνήχθησαν,). 285 Zon. 8,15.12–13. Deutlich zurückhaltender in seinen Schilderungen Pol. 1,49,1, der sich lediglich auf die römischen Verluste bezieht. 286 Zon. 8,15,13. 287 Liv. 37,4,5. 288 Liv. 21,17,2: Sex in eum annum decretae legiones et socium, quantum ipsis videretur, et classis, quanta parari posset.
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Triumphierte ein Seekommandant, so bestand die Möglichkeit der Entlohnung der Offiziere durch die gewonnene Kriegsbeute. Vermutlich erfolgte die Vergabe dieser Donative im Zuge des Triumphes. Pompeius Magnus etwa bezahlte während seines Triumphes 61 v. Chr. über die Seeräuber, Mithridates VI. und Tigranes II. aus der Beute seiner über sechs Jahre andauernden Kriegskampagne 100.000.000 Sesterze an jeden seiner legati, die ihm durch die lex Gabinia zur Absicherung des Meeres zugeteilt worden waren.289 Der Seetriumphator von 167 v. Chr., Cn. Octavius, bedachte seine Seeoffiziere mit ihrem Anteil an der Beute, indem er in Analogie zu den Donativen der Landstreitkräfte die Zuwendungen gemäß dem militärischen Rang staffelte:290 Die einfachen Matrosen erhielten je 75 Denare, Steuermänner 150 Denare und Kapitäne 225 Denare.291 In der Regel beglich das Staatsaufkommen der res publica die pekuniäre Versorgung der Flotte und deren Besatzung. In einigen Fällen übernahmen jedoch Privatinvestoren die Finanzierung des maritimen Machtinstrumentes, indem sie für die Bezahlung der Seeoffiziere aufkamen. Erstmals geschah dies 242 v. Chr., als Rom sich nach fünfjähriger Abstinenz erneut für den Seekrieg und damit für die Rüstung einer Flotte entschieden hatte: „Reserven standen nämlich in der Staatskasse nicht mehr zur Verfügung; nur durch die Großzügigkeit und den Edelmut der ersten Männer des Staates wurde Geld für die Verwirklichung aufgebracht. Gemäß ihren persönlichen Vermögensverhältnissen verpflichteten sie sich allein, zu zweit oder zu dritt, eine ausgerüstete Pentere zu stellen“292
Diese private Subvention des Seekrieges auf freiwilliger Basis muss als Investition in den Ausbau der römischen Seehoheit verstanden werden. Der Erfolg der res publica auf dem Meer bedeutete für die Geldgeber die Sicherstellung ihres Vermögens, denn man gewährte ihnen die Rückzahlung ihrer Einlagen bei erfolgreicher Seekampagne. Im krassen Gegensatz dazu stand der Senatsbeschluss unter den Consuln Q. Fabius Maximus und M. Claudius Marcellus im Jahr 214 v. Chr: Da die Entlohnung der Seeoffiziere durch staatliche Gelder nicht möglich war, verpflichtete der Senat die Bürger Roms zur Finanzierung. Dabei berief man sich
289 Plin. n.h. 37,16 geht darauf indirekt ein, wenn er meint, dass die Legaten das Geld erhielten, welche die Meeresküste verteidigt haben. Vermutlich schließt dies auch den Legaten Servilius mit ein, der im Krieg gegen Mithridates VI. das Schwarze Meer abriegelte. 290 Vgl. etwa die Ausführungen des Liv. 37,59,6 zum Triumph des Scipio über Antiochos III.: „Jedem Soldaten wurden 25 Denare gegeben, der doppelte Betrag jedem Centurio, der dreifache jedem Ritter. Sowohl der Kriegssold als auch die Getreideration wurden nach dem Triumph doppelt gegeben;“ (Militibus quini viceni denarii dati, duplex, centurioni, triplex equiti. Et stipendium militare et frumentum duplex post triumphum datum). 291 Liv. 45,42,2–3. 292 Pol. 1,59,6–7: χορηγία µὲν γὰρ οὐχ ὑπῆρχε πρὸς τὴν πρόθεσιν ἐν τοῖς κοινοῖς, οὐ µὴν ἀλλὰ διὰ τὴν τῶν προεστώτων ἀνδρῶν εἰς τὰ κοινὰ φιλοτιµίαν καὶ γενναιότητα προσευρέθη πρὸς τὴν συντέλειαν. κατὰ γὰρ τὰς τῶν βίων εὐκαιρίας καθ᾽ ἕνα καὶ δύο καὶ τρεῖς ὑφίσταντο παρέξειν πεντήρη κατηρτισµένην, ἐφ᾽ ᾧ τὴν δαπάνην κοµιοῦνται, κατὰ λόγον τῶν πραγµάτων προχωρησάντων. Mit deutlicher Kritik an Polybios’ Darstellung der angeblichen finanziellen Misere der res publica vgl. Bleckmann (2002) 212f.
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auf die Vermögensschätzung der römischen Bürgerschaft durch die Censoren L. Aemilius Papus und C. Flaminius und legte folgenden Finanzierungsplan fest: Geschätztes Vermögen von 50.000 As – 100.000 As des Vaters
Finanzierung für Sold eines Seesoldaten für sechs Monate
von 100.000 As – 300.000 As
Jahressold für drei Seesoldaten
von 300.000 As – 1.000.000 As
Jahressold für fünf Seesoldaten
von Über 1.000.000 As
Jahressold für sieben Seesoldaten
von Senatoren
Jahressold für acht Seesoldaten
Tabelle 2: Übersicht des Senatus consultum von 214 v. Chr., welches die Finanzierung der römischen Flotte durch die Bürger festschrieb.
Zusätzlich zum Sold mussten die römischen Bürger noch für die Ausrüstung, die Bewaffnung und den Proviant der Seeoffiziere aufkommen.293 Vier Jahre darauf erlebte dieser Finanzierungsplan eine Renaissance durch die amtierenden Consuln M. Claudius Marcellus und M. Valerius Laevinus294, denn Letzterem war Sizilien und damit die dort stationierte Flotte als provincia zugefallen. Laevinus hatte sich bereits Jahre zuvor durch sein erfolgreiches Engagement als Flottenbefehlshaber in Griechenland ausgezeichnet. Nun, mit den Befugnissen eines Consuls ausgestattet, schienen die Möglichkeiten zum erfolgreichen Seekrieg aussichtsreicher. Einziger Hinderungsgrund stellten die leeren Staatskassen dar. Die römische Bürgerschaft jedoch reagierte mit Opposition auf die geplante Zwangsanleihe295, so dass Laevinus letztlich die Senatorenschaft zur Finanzierung der Ruderer für die Flotte verpflichtete, indem er Besitzgrenzen für Gold, Silber und Kupfer gemäß den Familienverhältnissen der Senatoren festlegte und den Überschuss als Anleihe abführen ließ.296 Der pekuniären Facette stand eine weitere Möglichkeit der Flottenausrüstung gegenüber: Die Leihgabe von Schiffen. Diese Form bot Rom die Chance, innerhalb kürzester Zeit eine Flotte aufzustellen, ohne die Zeit und das Geld für Materialbeschaffung, -transport und Schiffsbau aufwenden zu müssen. Als 215 v. Chr. die Scipionenbrüder in Hispanien neben Proviant, Kleidung und Sold auch dringend benötigte Schiffe einschließlich Ausrüstung von Rom erbaten, erklärten sich einige römische Privatleute bereit, ihre sich im Privatbesitz befindlichen Schiffe für die Versorgung des Heeres und die Kriegsoperationen gegen Karthago zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Leihgabe ging die Verpflichtung der res publica einher, für entstehenden Schaden durch Feindeinwirkung oder Unwetter zu haften.297 Ähnlich verfuhr man 149 v. Chr. zu Beginn des dritten Krieges gegen Karthago, als Rom erneut zum Seekrieg rüstete. Der mit dem Oberbefehl über die 293 294 295 296
Liv. 24,11,7–9. Liv. 26,35,1–3. Liv. 26,35,4–10. Liv. 26,36,5–12. Im Anschluss daran beteiligte sich auch die römische Bürgerschaft an der Finanzierung der römischen Flotte. 297 Liv. 23,49,1–2; vgl. die Ausführungen im Kapitel 7.2, S. 311.
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3. Das römische Seekommando
Flotte betraute Consul L. Marcus Censorinus ließ die römischen Schiffskontingente durch private Handelsschiffe aufstocken.298 Inwieweit diese Leihgabe auf freiwilliger Basis beruhte, entzieht sich in diesem Fall unserer Kenntnis. Wohl aber ist bekannt, dass Rom auch Transportschiffe von Verbündeten für den Kriegsdienst beschlagnahmen konnte. Der Senat ermächtigte 204 v. Chr. Publius Cornelius Scipio, alle Transportschiffe, die sich in den Küstenstätten Italiens befanden, für die geplante Großoffensive in Nordafrika zu verwenden. Während der Vorbereitungen zur Invasion des karthagischen Mutterlandes ließ Scipio sämtliche Frachter im großen Hafen von Lilybaeum auf Sizilien einlaufen, um von dort die weitere Kampagne planen zu können.299 Das Seekommando beinhaltet aber auch eine religiöse Komponente. Wie jeder Inhaber des imperium erhielt auch der Oberbefehlshaber zur See das Privileg und die Pflicht der auspicia.300 Der Anfang einer Seekampagne, welcher mit der Abfahrt der Flotte begann, stellte den Beginn einer Kriegshandlung dar, so dass er auch von rituellen Handlungen begleitet wurde.301 Scipio Africanus opferte auf dem Schiff vor seiner Abfahrt der Invasionsflotte von Sizilien 204 v. Chr. den Göttern ein Tier, indem er nach der Entnahme der Eingeweide, diese ins Meer warf, mit der Bitte: „Götter und Göttinnen, die ihr Meere und Länder bewohnt, euch rufe ich an und bitte darum, was unter meinem Oberbefehl geschehen ist, geschieht und künftig geschehen wird, das möge gut ausgehen für mich, für das Volk und die Plebs vom Rom, für unsere Bundesgenossen und die Latiner, für die, die auf des römischen Volkes und die auf meiner Seite stehen, meinem Befehl und den durch mich eingeholten göttlichen Weisungen zu Lande und auf dem Meer und auf den Flüssen folgen; unterstützt dies alles wohl, fördert es mit glücklichem Fortgang. Laßt sie heil und unversehrt nach dem Sieg über die Feinde als Sieger, mit gewonnenen Rüstungen geschmückt, mit Beute beladen im Triumph mit mir nach Hause zurückkehren. Verschafft uns die Möglichkeit, uns an unseren Gegnern und Feinden zu rächen; und gebt mir und dem römischen Volk die Gelegenheit, das, was das Volk von Karthago gegen unsere Bürgerschaft zu tun beabsichtigt hat, als Strafe an der Bürgerschaft der Karthager zu vollziehen.“302
298 App. Lib. 75. 299 Liv. 29,24,9. 300 Rüpke (1990) 44 konstatiert völlig treffend in seiner Monographie zur religiösen Konstruktion des Krieges in Rom: „Da jeder größere Akt die Auspikation erforderlich macht, müssen auf staatlicher Ebene auch die leitenden Beamten, das heißt die Imperiumsinhaber, in das Auspikationssystem eingegliedert sein; nur diejenigen, die das (politische) Recht zur Durchführung gesamtstaatlicher Maßnahmen haben, haben auch das Recht (und die Pflicht), die göttliche Zustimmung für ebendiese Maßnahmen einzuholen.“ 301 Diese Evidenz wird bei App. Lib. 75 deutlich, wenn er die auspicia der beiden Consuln Marcus Manilius und L. Marcius Censorinus erwähnt, wobei einem das Kommando zur See, dem anderen der Oberbefehl über die Landstreitkräfte für den Krieg gegen Karthago 149 v. Chr. übertragen worden war. 302 Liv. 29,27,1–4.: ‘diui diuaeque’ inquit ‘qui maria terrasque colitis, uos precor quaesoque uti quae in meo imperio gesta sunt geruntur postque gerentur, ea mihi populo plebique Romanae sociis nominique Latino qui populi Romani quique meam sectam imperium auspiciumque terra mari amnibusque sequuntur bene uerruncent, eaque uos omnia bene iuuetis, bonis auctibus auxitis; saluos incolumesque uictis perduellibus uictores spoliis decoratos praeda
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Gleichberechtigt neben den Göttern des Landes wurden also die Götter des Wassers um Beistand und Hilfe angerufen, um sich ihrer Hilfe sowie Unterstützung zu versichern und die Flotte samt Mannschaft zu entsühnen.303 Als L. Aemilius Regillus 190 v. Chr. als Praetor den Oberbefehl über die in Griechenland stationierte Flotte von seinem Vorgänger C. Livius übernahm, brachte er den Göttern die Opfer dar.304 Ob er dabei im Besonderen Gottheiten bedachte, deren Wirkungsraum die See umfasste, ist aus der Notiz bei Livius nicht ersichtlich, aber durchaus denkbar. Sein Vorgänger im Amt, C. Livius, entsühnte mit den Opfern nicht nur die römischen Schiffe einschließlich der Mannschaften, sondern vollzog den rituellen Akt erst, nachdem auch die Kontingente der socii navales in der Operationsbasis angelangt waren.305 Wir wissen von Sextus Pompeius, dass dieser zu Beginn seiner Seekampagnen vornehmlich dem Meeresgott Neptun „seine Aufwartung machte“.306 Ferner versicherte sich der Seekommandant kurz vor Beginn einer Seeschlacht des göttlichen Schutzes durch eine Opfergabe: Octavian opferte am Morgen der Seeschlacht bei Actium, als seine schweren Kreuzer die Flotte des Antonius und der Cleopatra in der Bucht festgesetzt hatten, dem Neptun die Galle eines Stieres.307 Die Bedeutsamkeit der rituellen Handlungen des Seekommandanten wird evident, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Verhältnis des antiken Menschen zum Meer durch eine ambivalente Natur geprägt war: Die Seefahrt stand für die Chance auf Reichtum, Beute und nicht zuletzt Ansehen, virtus und auctoritas. Doch die Risiken, welche mit ihr einhergingen, waren nicht unwesentlich. Die oft plötzlich hereinbrechenden Unwetter mit ihren heftigen Stürmen, die unpassierbaren Strömungen des Mittelmeeres und die sich durch Ebbe und Flut ständig wandelnden Untiefen belasteten jedes Unternehmen zur See mit einer hohen Hypothek an Gefahren. Umso wichtiger war es, sich des Schutzes der Götter zu versichern, und umso fataler war es, wenn man gegen deren vermeintlichen Willen handelte, wie die Schicksale der Consuln L. Iunius Pullus und P. Claudius Pulcher „beweisen“. P. Claudius Pulcher befehligte 249 v. Chr., nachdem er eigenmächtig Flottenrüstungen auf Sizilien betrieben hatte, ein größeres Schiffskontingent und
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onustos triumphantesque mecum domos reduces sistatis; inimicorum hostiumque ulciscendorum copiam faxitis; quaeque populus Carthaginiensis in ciuitatem nostram facere molitus est, ea ut mihi populoque Romano in ciuitatem Carthaginiensium exempla edendi facultatem detis.’’ Wachsmuth (1967) 113–133 konnte verschiedene Typen von Opfern für Seereisen identifizieren. Neben den unblutigen Opfern, zu denen οἰνόσπονδα (Weinspenden), Rauchopfer und νηφάλια (bspw. Wasser, Brot, Milch, Honig, Blumen, Artefakte) zählten, dominierten vor allem die blutigen Opfer, bei denen „[…] die Opfersubstanz entsprechend den jeweiligen Gottheiten [wechselt], wobei die Farbe der Opfertiere von Bedeutung war“. Aus dem Hinweis „ […] brachte, wie es Brauch ist, ordnungsgemäß das Opfer dar und berief den Kriegsrat ein.“ (et sacrificio, ut adsolet, rte facto Aemilius consilium advocavit.) bei Liv. 37,14,4, wird die rituelle Verankerung dieser Opfergabe bei Übernahme der Befehlsgewalt über die Flotte deutlich. Liv. 36,41,3. Aur. Vict. vir. ill. 84,2; App. b. c. 5,100. Plin. n.h. 11,195; vgl. Ferner zum Stieropfer Wachsmuth (1967) 123f. einschl. Anm. 198.
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lieferte den Karthagern bei Drepanum eine Seeschlacht. Vor Beginn der Kampfhandlungen hielt er die auspicia ab, um sich des Wohlwollens der Götter zu versichern. Als die Vogelschau jedoch nicht den gewünschten Erfolg versprach, ließ er die heiligen Hühner über Bord werfen und gab trotz allem den Befehl zum Angriff. In der nachfolgenden Schlacht verloren die Römer den Großteil ihrer Flotte aufgrund des taktischen Fehlverhaltens ihres Oberbefehlshabers. Dieser positionierte nicht nur zu Beginn der Offensive fatalerweise das Flaggschiff in letzter Reihe, so dass die Kommunikation zwischen Oberbefehlshaber und Flotte erschwert war, sondern formierte seine Flotte in einfacher Dwarslinie entlang der Küste, während die Karthager von See her sich den römischen Kontingenten entgegen stellten. In dieser strategisch ungünstigen Position unterlagen die römischen Schiffe den Karthagern und entkamen mit ca. zwei Dutzend Schiffen nach Lilybaeum.308 Dessen ungeachtet werden die taktischen Fehlentscheidungen des Claudius als Ursache für die Niederlage bei Drepanum in den antiken Quellen zum sakralen Fehlverhalten des Befehlshabers vor Beginn der Schlacht umgedeutet.309 Durch die Missachtung der auspicia und die schändliche Tötung der heiligen Tiere widersprach Claudius den rituellen Verhaltenscodices der Imperiumsträger und „besiegelte“ aus römischer Sicht dadurch schon vor Beginn der Schlacht sein Schicksal und das der römischen Flotte.310 In gleicher Weise urteilen die antiken Autoren über das Seekommando des Consuln L. Iunius Pullus. Seine Aufgabe war es 249 v. Chr., ein neues Flottenkontingent nach Lilybaeum zu versegeln. Als er in Sichtweite karthagischer Kriegsschiffe geriet, floh er zur Küste, um eine Konfrontation zur See zu vermeiden. Die Steilküste, an der Iunius Pullus ankerte, erwies sich jedoch als gefährlicher Ort, da bei dem wenig später einbrechenden Seesturm keine Möglichkeit bestand, die Flotte in einen Hafen oder notdürftig an Land in Sicherheit zu bringen. Statt dessen zerschellten die Holzrümpfe an den Klippen und Iunius Pullus verlor seine gesamte Flotte.311 Aus der Unmöglichkeit heraus, eine Erklärung für den plötzlich aufgekommenen Seesturm liefern zu können, bedienen sich die antiken Autoren des sakralen Fehlverhaltens von Iunius Pullus als Rechtfertigung,
308 Pol. 1,49–51; Liv. per. 19; Diod. 24,1,5; Oros. 4,10,3; Zon. 8,15. Vgl. die taktische Analyse bei Viereck (1996) 177f., ferner Bleckmann (2002) 186ff. 309 Cic. de nat. deo. 2,7; Div. 1,29; 2,20. 71; Liv. 22,42,9–10; Suet. Tib. 2,2; Val. Max. 1,4,3. Flor. 1,28,29 interpretiert die Niederlage bei Drepanum sogar als Niederlage der Römer gegenüber den Göttern, da sie gegen ihren Willen handelten 310 Einige Jahre darauf kam es zum Prozess gegen Claudius, wobei der Religionsfrevel bei der Anklage eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Nach Bleckmann (2002) 197 war der ursprüngliche Anklagegrund die Niederlage bei Drepana. Die nachfolgende Verurteilung mit einer Geldstrafe in Höhe des Wertes der verlorenen Schiffe (Schol. Bob. P. 90 Stangl) unterstützt diesen Deutungsansatz. Nach Hölkeskamp (1990) 437–448 muss der Prozess als Disziplinierungsmaßnahme des Claudius verstanden werden, da dieser bei der Triumphernennung eigenmächtig gehandelt hatte. Für ihn ist der Auspizienzwischenfall lediglich ein formaler Anklagegrund. 311 Pol. 1,53,8–54,8; Zon. 8,15; Diod. 24,1,7–9; vgl. Uggeri (1968) 120–131. Zum Gefahrenpotential des Ankerns an der Küste vgl. die Ausführungen von Warnecke (2002) 97.
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denn angeblich habe er gegen die auspicia gehandelt.312 Vermutlich hatte Pullus bei der Sichtung der Karthager die Auspikation durchgeführt und sich trotz der göttlichen Befürwortung der Seeschlacht dagegen entschieden, und statt dessen Kurs Richtung Küste setzten lassen. Die Auspizienfrevel dieser Consuln verdeutlichen die Bedeutsamkeit der rituellen Handlungskompetenzen des römischen Seekommandos. Zuletzt sei noch auf das Aussehen und die Kleidung des römischen Oberbefehlshabers zur See hingewiesen. Als Träger des imperium gehörte es zu seinen Privilegien, den Kriegsmantel zu tragen.313 Aus einer Notiz bei Appian ist ersichtlich, dass dieser Mantel purpurfarben war, wodurch er identisch mit dem des Feldherrn an Land zu sein scheint. Vermutlich hatte man vom rein Äußerlichen her keine Unterscheidung zwischen dem Oberkommandierenden zur See und am Land vorgenommen. Erst Sextus Pompeius legte als Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte seines Vaters im Kampf gegen Octavian den roten Feldherrnmantel ab und kleidete sich statt dessen mit einem blau gefärbten Kriegsmantel.314
RIC² 58/C. Ein As um 37 bis 41 n. Chr. im Auftrag des Princeps Caligula geprägt. Der Avers zeigt den Kopf des Agrippa mit der corona rostrata. Mit der Umschrift M•AGRIPPA•L•F•COS•III.
In sehr wenigen Fällen schmückte das Haupt des Flottenbefehlshabers ein Ehrenkranz, die corona classica bzw. rostrata.315 Der mit Miniaturrammspornen verzierte Goldkranz wurde für besondere Tapferkeit im Seekrieg nur zweimal in der Zeit der Republik verliehen. Zum Einen erhielt M. Terentius Varro, der als Legat im Seekrieg gegen die Piraten ein Schiffskontingent in der Ägäis und dem Ionischen Meer kommandierte316, diese besondere Auszeichnung von Pompeius Magnus.317 In den Bürgerkriegskämpfen zur See errang zum Anderen M. Agrippa die 312 Cic. de nat. deo. 2,7; Div. 1,29; 2,71; Val. Max. 1,4,4. 313 Liv. 42,27,8: Der Praetor Cn. Sicinus, dem der Oberbefehl über ein Schiffskontingent zur Absicherung des Landungsgebietes in Griechenland für das consularische Heer übertragen wurde (vgl. Liv. 42,18,2–3; 44,22,5–6), trug den Kriegsmantel als er Rom in Richtung Brundisium, wo die Flotte stationiert war, verließ. Zum Feldherrnmantel allg. Sauer (1983) 281f. 314 App. b.c. 5,100. 315 In den Quellen finden sich verschiedene Bezeichnungen corona classica (Vell. Pat. 2,81,3), corona rostrata (Plin. n.h. 16,7; Verg. Aen. 8,684) oder corona navalis (Gell. 5,6,8; Fest ep. p. 163). 316 App. Mithr. 93; Flor. 1,41,9–10. 317 Plin. n.h. 7,115; 16,7.
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3. Das römische Seekommando
Seesiege bei Mylae und Naulochos über Sextus Pompeius, wodurch ihm die corona classica von Octavian verliehen wurde. In der Kaiserzeit wird dieser Ehrenschmuck zum Sinnbild für die auf See vollbrachten Leistungen. Kaiser Claudius etwa ließ zur Erinnerung an seinen Britannienfeldzug die corona classica über der Tür seines Palastes anbringen.318
318 Suet. Claud. 17.
4. DIE MARITIME FACETTE DES RÖMISCHEN BELLUM CIVILE „Beurteilungen und Darstellungen der späten Republik gehen in ihren Perspektiven und Wertungen weit auseinander.“1
So beurteilt KARL CHRIST die breite Forschungslandschaft zu den politischen, sozialen, militärischen und ökonomischen Entwicklungen der res publica populi romani im letzten vorchristlichen Jahrhundert. Die zahlreichen Analysen und Ausführungen der modernen Historiker versuchen Ursachen und Erklärungen zu liefern für die krisenhafte Entfaltung der römischen Republik, in welcher der Versuch, mit Institutionen einer kleinen, städtischen Gemeinde ein wachsendes Mittelmeer-umspannendes Imperium zu regieren und zu verwalten, an unüberwindliche Grenzen stößt, in welcher Einzelpersönlichkeiten entgegen der gesellschaftlichen Maxime aristokratischer Homogenität, mit außerordentlichen Kompetenzen ausgestattet, versuchen, den übermächtigen Aufgaben gewachsen zu sein und gleichsam ihre persönlichen Interessen durchzusetzen, in welcher sich letztendlich aber die aristokratische Konkurrenz auf den Schlachtfeldern der Bürgerkriege gegenübersteht.2 Das Ziel der folgenden Ausführungen ist es, die bisher sehr wenig beachtete maritime Perspektive dieser Krisenzeit eingehend zu betrachten und zu analysieren, denn die Großen, Einzelnen der späten römischen Republik versuchten, ihre eigene Macht auf dem Meer auszubauen und zu behaupten. Das Meer avanciert zum Austragungsort der Bürgerkriegskämpfe und die maritime Vorherrschaft wird zum Schlüsselziel der einzelnen Kriegsparteien erhoben. Das Schicksal der res publica populi romani entscheidet sich auf dem Meer. 4. 1 Die Anfänge römischer Rivalität auf dem Meer – Das Zeitalter Sullas
4.1 DIE ANFÄNGE RÖMISCHER RIVALITÄT AUF DEM MEER – DAS ZEITALTER SULLAS Als der ehrgeizige Volkstribun P. Sulpicius Rufus 88 v. Chr., gestützt durch zahlreiche Verbündete, sein politisches Programm zur Abstimmung bringen wollte, welches u. a. die Rückberufung einiger seit dem Bundesgenossenkrieg Verbannter, die Festlegung der senatorischen Verschuldungsgrenze bei 2.000 Denare und die Verteilung der Neubürger und Freigelassenen auf sämtliche Tribus beinhalte-
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Christ (2000) 8. Hier sei an die richtungweisenden Analysen von Meier (1997), Christ (2000), Syme (2006) und die neueren Untersuchungen von Linke (2005), Dreyer (2006) und Heftner (2006) verwiesen.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
te, überreizte er die spannungsgeladene innenpolitische Situation der res publica.3 Denn sein letzter Antrag, der an politischer Sprengkraft seinen Vorgängern in nichts nachstand, sah vor, das Oberkommando im Krieg gegen Mithridates VI. dem amtierenden Consul L. Cornelius Sulla zu entziehen und an dessen politischen und persönlichen Konkurrenten C. Marius zu übertragen.4 Trotz einiger Zwischenfälle kam es zur Abstimmung über alle Gesetzesinitiativen in Sullas Abwesenheit, der zu diesem Zeitpunkt in Nola seinen Abzug nach Osten vorbereitete.5 Diesen Angriff auf sein consularisches imperium ahndete Sulla umgehend: Erstmals in der Geschichte führte ein Feldherr der res publica die eigenen Truppen gegen die Heimatstadt, zur Sicherung seiner persönlichen Interessen und zum Schutz gegen politische Agitationen.6 C. Marius, eine der Personen, die Sulpicius Rufus seine Unterstützung zugesagt hatten, floh nach kleineren Kämpfen am Esquilinischen Tor aus der Stadt zu seinem Landsitz nach Solonium7 und wurde 3
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Bereits kurz zuvor hatte Rom zum einen durch die Gesetzesinitiativen des Consul L. Iulius Caesar (lex Iulia de civitate sociis danda) und der Volkstribunen M. Plautius Silvanus und C. Papirius Carbo (lex Plautia Papiria) eine größere Abfallbewegung römischer Bundesgenossen zu verhindern versucht, siehe hierzu Cic. Balb. 21; Arch. 7; Vell. 2,16,4. 17,1; App. b.c. 1,49; vgl. Brunt (1988) 107f.; Dahlheim (1993) 105–108; Christ (2000) 182ff; Heftner (2006) 133f., 136. Zum anderen hatte die res publica gewalttätige Proteste gegenüber den deflationären Bestrebungen zur Gesundung der erschöpften Staatskasse zugelassen. Denn die Versuche, die Schuldenlast zahlreicher römischer Bürger durch Herabsetzung der Schulden und Reduktion des Metallwertes des Asses zu erreichen, erzeugte, wie Liv. per. 74; Val. Max. 9,7,4; App.b.c. 1.54 berichten, zu gewalttätigen Protest bei Kreditgebern und führte zur Ermordung des Praetor urbanus, L. Sempronius Asellio, weil er diese Bestimmungen für Rechtens erklärt hatte. Vgl. dazu Badian (1969) 476–481; Barlow (1980) 204–208, 213f; Brunt (1988) 157f.; Christ (2000) 185f.; (2003) 79; Heftner (2006) 135. Zu den Gesetzesanträgen des P. Sulpicius Rufus Liv. per. 77; Vell. 2,18,5–6; Val. Max. 9,7, ext.1; Diod. 37,29,2; Plut. Sulla 8,2; Marius 34–35; App. b.c. 1,55–56. Vgl. dazu die Analyse Christs (2000) 186: „Sulpicius’ Programm war deshalb auch auf den ersten Blick wenig homogen, und es wird nur dann verständlich, wenn man bedenkt, daß er von vornherein sehr verschiedenartige Interessengruppen miteinander verbinden sollte.“; ferner ders. (2003) 78f.; Spann (1987) 26f.; Powell (1990) 451–458; Dahlheim (1993) 105, 109f; Meier (1997) 216– 221; Lewis (1998) 195–199; Letzner (2000) 132ff; Lovano (2002) 19ff; Keaveney (2005) 46ff; Heftner (2006) 138ff. Zu den Ereignissen App. b.c. 1,56; Plut. Sulla 8,5–7. 10,2–3; Marius 35,2–3; ferner Cic. Phil. 8,2,7; Vell. 2,19,1; vgl. Dahlheim (1993) 99; Meier (1997) 222; Letzner (2000) 132ff; Christ (2000) 187f.; Keaveney (2005) 49f.; Heftner (2006) 140f. App. b.c. 1,57–58; Plut. Sulla 9,2–10; Marius 35,4. Zu den Gründen Meier (1997) 222f., der nicht nur das persönliche Motiv für den Marsch gegen Rom hervorhebt. Anders Keaveney (2005) 51 oder Syme (2006) 53, der die Verteidigung der eigenen dignitas gegen persönliche Feinde als aristokratische Notwendigkeit sieht. Ähnlich Dahlheim (1993) 97. Heftner (2006) 142f. thematisiert das Prodigium als auslösendes Moment, welches den zaudernden Sulla zum Marsch bewegt. Historische Einschätzung exemplarisch bei Letzner (2000) 135, Heuss (2001), 173; Christ (2003b) 80; anders Meier (1997) 224, der Sullas Marsch nicht als Beginn des Bürgerkrieges deutet, sondern als „[…] eine Polizeiaktion gegen den seditiosus tribunus und dessen factio und bewirkte mit seiner Armee und ohne Senatsbeschluß, was früher auf Grund des senatus consultum ultimum auf nicht weniger gewaltsame und viel blutigere Weise ins Werk gesetzt worden war.“ App. b.c. 1,58; Plut. Sulla 9,13–14; Marius 35,5.
4.1 Die Anfänge römischer Rivalität auf dem Meer – Das Zeitalter Sullas
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später mit einigen anderen Führern durch die Proscriptionen zu hostes publici erklärt.8 Als Staatsfeind denunziert, glaubte der Antipode Sullas, keine ausreichende Sicherheit in Solonium gefunden zu haben und reaktivierte seine Clientelbeziehung zu einem gewissen Numerius, der über einige (Handels-)Schiffe bei Ostia verfügte.9 Mit dessen Hilfe versegelte Marius entlang der Südküste Italiens, vermutlich in Richtung Nordafrika.10 Bei der Insel Aenaria stießen die Schiffskontingente der Proscribierten Granius, Albinovanus und Laetorius zu ihm, und gemeinsam versuchten sie, an der sizilischen und nordafrikanischen Küste dringend benötigte Versorgungsgüter zu beschaffen.11 Sulla indes blieb in Rom keine Zeit für eine tief greifende innere Reform und so beließ er es bei provisorischen Maßnahmen zur Stabilisierung seiner Machtposition und band die neu gewählten Consuln durch Schwur an seine Bestimmungen, bevor er mit seinem Heer nach Griechenland übersetzte.12 Kaum dass Sulla 8
Zu den Proscriptionen Liv. per. 77; Vell. 2,19,1; App. b.c. 1,60, die durchaus auch auf Opposition stießen, wie Val. Max. 3,8,5 berichtet, vgl. dazu Bauman (1973) 270–285; Christ (2003b) 81; Heftner (2006) 144; differenzierter Meier (1997) 225, der von einer breiteren Opposition ausgeht. 9 Plut. Marius 35,6 bezeichnet Numerius ausdrücklich als Freund. Weitere Informationen über Numerius fehlen uns. Es könnte durchaus möglich sein, dass er der Vater des Q. Numerius Rufus ist, der ca. um 60 v. Chr. Quaestor in Africa war (CIL 1²,2,2513 = ILS 9482) und 57 v. Chr. als Volkstribun gegen die u. a. von Pompeius Magnus initiierte Rückberufung Ciceros aus dem Exil stimmte (Cic. Mil. 39; Pis. 35; Sest. 72. 82. 94) und vermutlich unter Caesar als Legat im dalmatinischen Lissos diente (CIL 1²,2,759). Diese politische Orientierung würde für dessen Sohnschaft sprechen und dadurch die Annahme einer Clientelbindung des Numerius von Ostia an Marius rechtfertigen. 10 Die Rekonstruktion der Überfahrt nach Nordafrika unterliegt der Schwierigkeit aus den anekdotengespickten Schilderungen bei Vell. 2,19,2–4; Plut. Marius 36,1–40,1; App. b.c. 1,61–62 und Oros. 5,19,7–8 wesentliche Informationen zu extrahieren, vgl. Carney (1961) 98–121. Demnach führte Marius’ Weg entlang der Küste zwischen den Seestädten Circeii und Minturnae, wobei er selbst den Landweg bevorzugte – vermutlich um durch Plünderung die Schiffe samt Mannschaft versorgen zu können – während die Frachter in Sichtweite blieben. Durch Ausnutzen seiner Beziehungen vermochte er es, einer Verhaftung zu entgehen und Proviant von Minturnae zu laden um den Seeweg nach Afrika einzuschlagen. 11 Das Zusammentreffen bei der Insel Aenaria bezeugt Plut. Marius 40,1–2. Jedoch benennt er nur Granius mit Namen und verweist durch die Bezeichnung φίλους auf die übrigen, welche bei App. b.c. 1,62 Erwähnung finden. Der Besitz von Schiffen ist durch Plut. Marius 35,6 für Granius belegt. Dass Marius gezwungen war, an der sizilischen Küste bei Eryx zu ankern, um Frischwasservorräte aufzufüllen, wie Plut. Marius 40,2 berichtet, kann als Hinweis gedeutet werden, dass er nach dem Zusammentreffen bei Aenaria über ein größeres Schiffskontingent verfügte, als bei seiner Abfahrt von Minturnae. Das mögliche Ziel könnte Nordafrika gewesen sein (Liv. per. 79), wo ein Teil der Veteranen des Marius’ aus dem Krieg gegen Iugurtha aufgrund des Ackergesetz des Volkstribun L Appuleius Saturninus angesiedelt worden waren, vgl. Plut. Marius 14,12–14; 29,1–3; Christ (2000) 160; Letzner (2000) 143, Anm. 158; Heftner (2006) 109. Mit Einschränkung Meier (1997) 139: „Saturninus’ Gesetze von 100 wurden nicht ausgeführt. Die Veteranen gingen, soweit sie nicht schon vorher versorgt worden waren, leer aus“. 12 App. b.c. 59; Plut. Sulla 10,6–7; Cass. Dio frg. 102,1; ferner Dahlheim (1993) 110f.; Meier (1997) 225f. einschl. Anm. 122; Letzner (2000) 144–147; Christ (2000) 189; Lovano (2002) 27–31; Keaveney (2005) 56–62; Heftner (2006) 144–148.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
Italien den Rücken gekehrt hatte, erlebten die Gesetzesinitiativen des inzwischen getöteten Sulpicius Rufus eine Neuauflage. Der amtierende Consul L. Cornelius Cinna brach seinen Eid gegenüber Sulla und brachte zusätzlich einen Gesetzesvorschlag für die Rehabilitation der von Sulla Proscribierten vor die Volksversammlung. Die Reaktion des Sulla gegenüber loyalen Consuls Cn. Octavius führte zu erneuten tumultartigen Auseinandersetzungen in der comitia und auf den Straßen Roms. Mit der Flucht Cinnas nach Nola zu den dort stationierten Truppen bahnte sich eine Wiederholung der Ereignisse des Vorjahres an. Octavius entband seinen Amtskollegen von allen Regierungsgeschäften und erklärte ihn zum Staatsfeind.13 Unterdessen war Marius mit kurzfristig rekrutierten Freiwilligen und einigen mauretanischen Reitern auf mehreren Schiffen zur alten etruskischen Hafenstadt Telamon gesegelt und hob unter den dort ansässigen Bauern, Hirten und Sklaven – denen er bei Verpflichtung zum Militärdienst die Freiheit anbot – Truppen aus. Insgesamt vermochte er es, 40 Schiffe zu bemannen und eine Legion unter Waffen zu stellen.14 In Anbetracht dieser Truppenstärke bot er Cinna seine Unterstützung an, und bestätigte ihn als Consul. Dieser wiederum übertrug Marius proconsularische Befugnisse und besiegelte dadurch ihre Koalition. Kurz darauf überfiel der Exilant aus Nordafrika mit seiner Flotte die italischen Küstenstädte und eroberte die an der Tibermündung gelegene Hafenstadt Ostia. Im Anschluss begann Marius mit der Seeblockade Roms. Alle Getreideschiffe, die Kurs auf die Tibermündung nahmen, wurden abgefangen und geplündert.15 Die Trennung der Stadt von der maritimen Lebensader zeigte bald Wirkung, als auch vom Binnenland her die Truppen Cinnas näher rückten, so dass ein kräftezehrender Stellungskrieg einsetzte. Durch Hunger und Seuche demoralisiert, fiel Rom nach anfänglichen Kämpfen nahe dem Albaner Berg in Cinnas und Marius’ Hände.16 Für die Eroberung Roms hatte sich die Flotte des Marius als taktisch entscheidende Waffe erwiesen, um einerseits die Isolation der belagerten Tibermetropole schnell realisieren und anderseits die Versorgung der Truppen durch die gekaperten Getreideschiffe sichern zu können. Nach dem Einmarsch Cinnas in Rom erfolgten wiederum politische Proscriptionen, jedoch diesmal gegen Sulla und seine Verbündeten selbst.17 Ferner erhob 13 Cic. Phil. 8,7; Vell. 2,20,2–3; App. b.c. 1,64–65; Flor. 2,9,9–10. Dazu Bauman (1973) 285– 288; Meier (1997) 228; Letzner (2000) 148f.; Christ (2000) 190; Lovano (2002) 32–36; Keaveney (2005) 62f.; Heftner (2006) 148f. 14 Plut. Marius 41,2; ferner Meier (1997) 238; Letzner (2000) 169f.; Christ (2000) 150; Lovano (2002) 39, Anm. 50; Heftner (2006) 150. 15 Liv. per. 79. 80; App. b.c. 1,67.69; Plut. Marius 42,1; Sertorius 5,1–4; Flor. 2,9,12; Oros. 5,19,17.19; Lovano (2002) 40, Anm. 51. 16 Liv. per. 80; Diod. 38,2–3;Vell. 2,20,4. 21,6; Val. Max. 4,7,5; Flor. 2,9,13; Cass. Dio frg. 102,8; App. b.c. 1,68–71; Plut. Marius 42,2–43,6; Oros. 5,19,9–13.18; Letzner (2000) 170; Lovano (2002) 40–45; Keaveney (2005) 70f.; Heftner (2006) 150ff. 17 Cic. Phil. 1,34; 11,1; 14,23; Div. 1,4; Att. 7,7,7; Sall. Hist. 1,77,7Mc; Diod. 38,4; Vell. 2,22,1–4; Val. Max. 2,8,7; 4,3,14; 5,3,3. 6,4; Plin. n.h. 2,92; Flor. 2,9,13–17; Tac. Hist. 3,83; Plut. Marius 43–45; Sert. 5,1–5; App. b.c. 1,71–74; Cass. Dio frg. 102,8–12; Eutrop. 5,7,3; Oros. 5,19,19.23.24; vgl. dazu Letzner (2000) 170f.; Christ (2000) 190f.; Heftner (2006)
4.1 Die Anfänge römischer Rivalität auf dem Meer – Das Zeitalter Sullas
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Cinna die Sicherung seiner eigenen Position zur dringlichsten Aufgabe. Diese Maxime bestimmte auch sein offensives Interesse an einer Partizipation am Krieg gegen Mithridates VI., da die Rückkehr eines siegreichen Sulla aus dem Krieg im Osten seine eigene Machtstellung aufs Gefährlichste bedrohen würde.18 Der Flottenpolitik kam in diesem Machtpoker eine besondere Bedeutung bei: Sulla benötigte dringend maritime Unterstützung während der Belagerung des Piräus und Athens, denn die pontischen Verbände unter dem Kommando des Archelaos erhielten fortwährend neuen Nachschub über den Seeweg.19 Cinna wiederum enthielt seinem Kontrahenten in Griechenland die römischen Schiffskontingente vor, da er sie selbst für die anstehende Kampagne gegen Mithridates VI. benötigte und ihm eine strategische Schwächung Sullas entgegen kam. Daher sah sich der Oberbefehlshaber im Krieg gegen das pontische Königreich gezwungen, auf eigene Initiative hin eine Flotte auszurüsten, womit er seinen Quaestor L. Licinius Lucullus beauftragte.20 Indes versegelte im Frühjahr 86 v. Chr. auf Befehl Cinnas der amtierende Consul L. Valerius Flaccus mit der Flotte und einem Zwei-Legionen-Heer nach Asia.21 Während der Überfahrt attackierten pontische Seeverbände die römische Vorhut mit Feuergeschossen, während die nachfolgenden Schiffskontingente in einen Seesturm gerieten, der sie größtenteils zerstörte.22 Dieser Verlust sollte sich für Cinna und seine Gewährsmänner als fatal herausstellen und Sulla den endgültigen Sieg über Mithridates VI. in die Hände spielen. Denn nachdem der Cinnaanhänger Fimbria den Oberbefehl über die Truppen des Consuls Flaccus übernommen, Mithridates VI. bis Pitane verfolgt und in die Enge getrieben hatte, war er für die Gefangennahme des pontischen Königs auf die Flotte angewiesen, da Mithridates VI. über das Meer zu entfliehen drohte.23 In dieser prekären Lage sandte Fimbria ein Hilfegesuch an den Proquaestor Sullas, L. Licinius Lucullus,
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152ff; differenzierte Betrachtung der Herrschaft Cinnas und Befreiung vom Stigma der Gewaltherrschaft bei Meier (1997) 229ff; Lovano (2002) 45–56. Letzner (2000) 171f.; Lovano (2002) 97f.; Heftner (2006) 157. Anders Meier (1997) 233f., der stützend auf das Fragment bei Memnon 24, FGrH 3B, 353f. in der Entsendung Sullas eine Aussöhnungsgeste erkennen will. Diese jedoch schließt eine Anerkennung des Senats – unter der Führung Cinnas – durch Sulla mit ein. App. Mithr. 32 berichtet von der Verstärkung für Archelaos unter dem Kommando des Dromichaites. Vgl. Magie I (2000) 220. Cic. Acad. 2,11. 61; Plut. Lucullus 2,2–3; App. Mithr. 33. Nach App. b.c. 1,75 war ursprünglich Marius für das Kommando gegen Mithridates VI vorgesehen. Nach seinem plötzlichen Tod (Liv. per. 80; Vell. 2,23,1; Flor. 2,9,17; Plut. Marius 45,2–64,5; Oros. 5,19,23) übernahm L. Valerius Flaccus als Consul Suffectus den Oberbefehl, Liv. per. 82; Strab. 13,1,27; App. b.c. 1,75; Mithr. 51; Plut. Sulla 20,1. App. Mithr. 51. Auf die Flotte geht indirekt auch Plut. Sulla 20,1 ein; siehe Letzner (2000) 192; Keaveney (2005) 77. Fimbria hatte, wie Liv. per. 82; Strab. 13,1,27; Vell. 2,24,1; App. Mithr. 52; Plut. Lucullus 7,2; Sulla 23,6; Cass. Dio frg. 104,2–5; Oros. 6,2,9 berichten, durch Ermordung des Flaccus den Oberbefehl übernehmen können. Zur Kriegskampagne des Fimbria, Liv. per. 83; Strab. 13,1,27; Diod. 38,8,2–4; Vell. 2,24,1; App. Mithr. 53; Plut. Sulla 23,6; Oros. 6,2,10. Dazu Letzner (2000) 193, 202–207; Christ (2000) 206f.; (2003) 90; Lovano (2002) 99f.; Heftner (2006) 173f.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
der zu diesem Zeitpunkt über ein größeres Flottenaufgebot verbündeter Schiffe in der Ägäis verfügte. Da der sullanische Flottenbefehlshaber seine Hilfe jedoch verweigerte24, floh Mithridates VI. vor den Augen Fimbrias nach Tanados, wo er wenig später von Sulla selbst gefangen genommen und zum Friedensschluss gezwungen werden konnte.25 Nach den hastig beendeten Kriegshandlungen traf Sulla als siegreicher Feldherr sämtliche Vorbereitungen für seine Rückkehr nach Rom, denn er wollte der fortschreitenden Konsolidierung der Herrschaft Cinnas ein Ende setzen. Dieser rüstete derweil im großen Stil für die unvermeidliche Konfrontation und wollte die Entscheidung außerhalb Italiens suchen. Während dieses militärischen Präludiums bemaßen beide Kontrahenten der Flotte eine wesentliche Funktion bei: Während Cinna einen Großteil der Schiffe benötigte, um sein Heer auf die Balkanhalbinsel überzusetzen, gedachte Sulla mit den ausgelieferten pontischen Schiffen und der Flottille des Lucullus sein Heer nach Italien zu versegeln.26 Da Cinna im Frühjahr 84 v. Chr. bereits die Nachricht von Sullas maritimer Präsenz an der Südküste Illyriens erreichte, ließ er einige Schiffe zur Absicherung der italischen Küste abkommandieren und begann die Verschiffung seiner Truppen vom weiter nördlich gelegenen Ancona nach Liburnia. Bei der Überfahrt verunglückte ein Teil der Truppentransporter auf See, woraufhin die in Ancona verbliebenen Soldaten meuterten und Cinna kurzerhand töteten.27 Sulla stützte sich während des fast zwei Jahre andauernden Bürgerkrieges, in dessen Verlauf er zum faktischen Alleinherrscher der res publica avancierte, auch auf das maritime Machtinstrument. Er ernannte Cn. Cornelius Dolabella zum Flottenbefehlshaber28 und versah Pompeius mit einem ausreichenden Schiffskontingent, damit dieser in der Lage war, letzte versprengte „Cinnaner“ zu verfolgen und zu vernichten. Nachdem der junge Pompeius erst auf Sizilien den Statthalter M. Perpena und den Consul Papirius Carbo, der laut Plutarch noch über einige Schiffe verfügt haben soll29, besiegt hatte30, setzte er mit einer Flotte von angeb24 Plut. Lucullus 3,4–8; Oros. 6,2,10; App. Mithr. 52. Zu den Motiven vgl. Reinach (1975) 195; Sherwin-White (1984) 141f.; Meier (1997) 235; Magie I (2000) 228; Christ (2003b) 90; Heftner (2006) 174. 25 Liv. per. 83; App. Mithr. 56-58; Plut. Sull. 24,1-6; vgl. Sherwin-White (1984) 143f.; Letzner (2000) 207f.; Magie I (2000) 228ff. 26 Zu den Kriegsvorbereitungen: Liv. per. 83;Vell. 2,24,3–4; Plut. Sulla 26,1–27,8; Strab. 10,1,9; zu den maritimen Rüstungen App. b.c. 1,76. 27 Liv. per. 83; Vell. 2,24,5; App. b.c. 1,76–78; Plut. Pompeius 5,1–2; Oros. 5,19,24. dazu auch Letzner (2000) 220f.; Christ (2000) 210; Lovano (2002) 108ff; Keaveney (2005) 102f.; Heftner (2006) 187. 28 Bis auf eine Notiz bei Plut. Sulla 40, aus der hervorgeht, dass sich zwischen Dolabella und Sulla ein Vorfall ereignet haben muss, der Sulla dazu bewegte, seinem Flottenbefehlshaber das Kommando wieder abzuerkennen, haben wir keine Kenntnis von Dolabellas Aufgaben. 29 Plut. Pompeius 10,1; Christ (2000) 223. 30 Plut. Pompeius 10,1–11,1; App. b.c. 1,96; des Weiteren Cic. Manil.30.61; Diod. 38,20; Plin. n.h. 7,96; Val. Max. 6,2,8; 9,13,2. Der Hinweis auf Pompeius’ maritime Macht bei Val. Max. 5,3,5; vgl. Gelzer (1949) 40f.; Seager (2002) 22; Christ (2003b) 111f. Letzner (2000) 261 und Christ (2004) 32 weisen auf die strategische Bedeutung Siziliens hin: Denn als wichtigster
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4.2 Mittelmeerumspannende Allianzen – Der Aufstand des Sertorius
lich 920 Schiffen bei Utica und Karthago über, um dort Cn. Domitius Ahenobarbus zu stellen. In einer ca. 40 Tage währenden Offensive vermochte es Pompeius, die letzten Überreste des Widerstandes in Nordafrika auszuschalten.31 4.2 Mittelmeerumspannende Allianzen – Der Aufstand des Sertoriu s
4.2 MITTELMEERUMSPANNENDE ALLIANZEN – DER AUFSTAND DES SERTORIUS Während die Situation in Nordafrika durch die Intervention des Pompeius geklärt schien, entwickelte sich die iberische Halbinsel zum neuen Unruheherd. Denn im Verlauf der krisenhaften Monate nach Sullas Rückkehr aus Griechenland floh ein Anhänger des Cinna, Q. Sertorius, nach Hispania citerior, wo er versuchte durch Steuer- und Abgabenentlastungen, sowie umfangreiche Konzessionen die dort ansässige Bevölkerung und einzelne lokale Größen für sich einzunehmen.32 Mit Hilfe der Keltiberer und Lusitaner rüstete er sein Heer mit Waffen aus und begann im Hafen von Carthago Nova mit dem Bau einer Kriegsflotte, da die Entfernung von der spanischen Küste die Gefahr einer von See geführten römischen Invasion wahrscheinlicher erscheinen ließ als der Einfall über den Landweg.33 Sertorius standen jedoch nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung, so dass vornehmlich Schnellsegler und Triremen das Gros seiner Schiffskontingente bildeten.34 Während dieser Zeit muss er auch in Kontakt zu kilikischen Seeräubern getreten sein, die im westlichen Mittelmeer aktiv geworden waren. Mit ihnen vereinbarte er eine Kooperation auf maritimer Ebene – die Geburtsstunde eines Mittelmeerumspannenden Netzwerkes gegen die res publica.35 Später sollte Mithridates VI.
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Getreidelieferant musste die Insel sehr schnell wieder unter die eigene Kontrolle gebracht werden, um Versorgungsengpässe für Rom und die daraus erwachsende Gefahr von Unruhen zu vermeiden. Cic. Manil. 30–31; Liv. per 89; Val. Max. 6,2,8; Plut. Pompeius 11,1–13,5; App. b.c. 1,80; Eutrop 5,9,1; Oros. 5,21,13–14; vgl. Gelzer (1949) 41f.; Letzner (2000) 260ff; Christ (2000) 223f. ; (2003) 112f.; Seager (2002) 22f.; Christ (2004) 33f. Zu Sertorius’ Rolle während Cinnas Herrschaft und des Bürgerkrieges, Plut. Sertorius 4,4– 6,2; App. b.c. 1,86; Spann (1987) 27–39; Rijkhoek (1992) 125–178; Christ (2000) 234; König (2000) 446ff; Keaveney (2005) 113; Luik (2005) 84; Meister (2007) 212f. Zu den Umständen seiner eiligen Abreise nach Hispanien vgl. Spann (1987) 165f.; Rijkhoek (1992) 178–187; Meister (2007) 213–217. Seine milde Politik gegenüber den Stämmen Hispaniens erwähnt Plut. Sertorius 6,2–4; dazu Spann (1987) 41–44; Koch (1993) 16; Christ (2000) 234; Luik (2005) 84f.; Meister (2007) 217f. Plut. Sertorius 6,5. Dass die Flotte in Karthago Nova gebaut wurde, legt der Hinweis bei Plut. Sertorius 7,2 nahe: „Sertorius, der ihm nicht gewachsen war, entfloh mit dreitausend Mann nach Karthago Nova, bestieg dort die Schiffe, fuhr über das offene Meer nach Afrika“ (Σερτώριος δ’ οὐκ ὢν ἀξιόµαχος, µετὰ τρισχιλίων εἰς Καρχηδόνα τὴν νέαν καταφυγών, κἀκεῖθεν ἐπιβὰς τῶν νεῶν καὶ διαπεράσας τὸ πέλαγος, Λιβύῃ). Zu den Flottenrüstungen auch Luik (2005) 85; Meister (2007) 219. Spann (1987) 47 geht bereits zu diesem Zeitpunkt schon von Patrouillenfahrten der Flotte entlang der iberischen Ostküste aus. Plut. Sertorius 7,3. Über die Umstände der Kontaktaufnahme herrscht Unklarheit. Plut. Sertorius 7,3 berichtet lediglich davon, wie die kilikischen Seeräuber auf See vor der Küste Ibizas scheinbar zufällig
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von Pontos einer Allianz mit Sertorius beitreten und durch Schiffskontingente den Aufrührer unterstützen. Doch zu Beginn schien das Glück auf Seiten Sullas, als er C. Annius Luscus mit Heer und Flotte nach Hispanien entsandte, um dem Aufbegehren der letzten Anhänger Cinnas ein Ende zu setzen. Sertorius’ 6.000 Mann starke Verteidigungslinie auf den Gebirgspässen der Pyrenäen konnte den Gegner nicht aufhalten, und so war der hostis publicus gezwungen, sich mit Hilfe der Flotte des Zugriffs Annius’ zu erwehren.36 Verstärkt durch kilikische Verbände holte Sertorius schnell zum Gegenschlag aus und überfiel die römischen Besatzungen auf der Insel Pityussa (Ibiza und Formentera). Als er sich jedoch dem herannahenden Annius entgegenzustellen gedachte, machte ein aufkommender Seesturm eine Einscheidungsschlacht zur See unmöglich.37 Stattdessen versegelte Sertorius zur Südspitze der iberischen Halbinsel, passierte die Meerenge von Gibraltar, knüpfte Kontakte zu Bewohnern des Baetisdeltas, deren Schiffe den Atlantik befuhren und landete schließlich an der Küste Nordafrikas, wo er bei Auseinandersetzungen um die Herrschaftsansprüche lokaler Stammesfürsten intervenierte.38 Nachdem sich sein Einfluss in Nordafrika gefestigt hatte, wandten sich Gesandte lusitanischer Stämme an Sertorius und baten ihn um militärische Unterstützung bei ihrem Bemühen, sich gegen die römische Vorherrschaft auf der iberischen Halbinsel aufzulehnen. So kehrte der Feind der res publica 80 v. Chr. mit libyscher Unterstützung nach Hispanien zurück und begann, die verschiedenen Stämme unter sich zu vereinen, um sie für den Krieg gegen Rom zu Land und zu Wasser vorzubereiten.39
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zu Sertorius gestoßen sind. Dieser „Zufall“ ist mehr literarische Fiktion als historische Realität, wird aber von der Forschung akzeptiert, wie etwa von Spann (1987) 48; Meister (2007) 222. M. E. ist es wahrscheinlicher, dass Sertorius bereits vor dem Zusammentreffen vor der Küste Ibizas mit den Kilikiern in Kontakt kam und eine Verbindung mit ihnen einging. Während dieses Zusammentreffens vereinbarte man auch eine gemeinsame Kriegführung in Nordafrika, um den Lokalfürsten Askalis einzusetzen. Dies würde erklären, warum Sertorius nach seiner Flucht vor Annius aus Hispanien das Stammesgebiet des Askalis (nach Plut. 7,2; 9,1–2) an der maurusischen Küste ansteuerte. Dort wurde er von ansässigen Bewohnern (Maurusiern) angegriffen. Daraufhin stach Sertorius erneut in See und traf dann auf die kilikischen Verbände. Dass Sertorius nachfolgend die Gegner des Askalis unterstützte, kann als Antwort auf den Bruch der Vereinbarung durch die Kilikier und deren Insubordination, auf die Plut. Sertorius 9,1 anspielt, gedeutet werden. Andere Erklärungsversuche etwa bei Meister (2007) 223 oder Scardigli (1971) 247 und Spann (1987) 50, die eine drohende Befehlsverweigerung der sertorischen Truppen annehmen – die im Übrigen nicht belegt ist – und so Sertorius’ Entschluss zur Kriegführung in Nordafrika zu erklären versuchen. Für König (2000) 448 hatte das Bündnis zwischen Sertorius und den Piraten bis zur Allianz mit Mithridates VI. Bestand. Plut. Sertorius 7,1–2; Spann (1987) 47f.; Meister (2007) 219f. Zur rechtlichen Stellung des Sertorius und seines Aufstandes vgl. die Ausführungen von König (2000) 450ff, 456f. Plut. Sertorius 7,3–4; Sall. Hist. 1,87–88Mc; Spann (1987) 48f.; Meister (2007) 222. Plut. Sertorius 8,1–9,3; Sall. Hist. 1,89–90Mc; Spann (1987) 49–52; Meister (2007) 222–226, einschl. Abb. 5–2. Zur politischen Situation in Nordafrika vgl. Scardigli (1971) 244–251. Plut. Sertorius 10,1; 11,1; Sall. Hist. 1,93Mc; ferner Spann (1987) 53ff; Meister (2007) 226– 233. Sertorius hatte u. a. 700 Libyer in sein Heer aufgenommen, wie Plut. Sertorius 12,2 berichtet. Darüber hinaus band Sertorius die hispanische Führungsschicht an sich, indem er die
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Noch im selben Jahr vernichtete Sertorius das römische Flottenaufgebot unter dem Befehl des Promagistraten Aurelius Cotta bei der Meerenge von Menaria (bei Mallorca) und besiegte die römischen Truppen am Baetisdelta an der Südspitze Hispaniens, welche von einem gewissen Fufidius kommandiert wurde.40 Trotz der verstärkten Konzentration der kriegerischen Auseinandersetzungen zu Lande blieb das Meer fortwährend im Fokus von Sertorius’ strategischen Entscheidungen.41 Er ließ die am Kap Nap gelegene Seestadt Dianium (heutiges Denia) als Basis seiner Seekriegsoperationen mit Kriegshafen und Magazinplätzen ausbauen und eine Flotte zur Sicherung der hispanischen Ostküste in den balearischen Gewässern patrouillieren.42 Zur Festigung der Seehoheit trugen pontische Kriegsschiffe bei, welche Sertorius einschließlich der Zahlung von 3.000 Talenten von Mithridates VI. erhalten hatte, nachdem er diplomatischen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte.43 Dieses aus Allianzen geschaffene Machtinstrumentarium ermöglichte es Sertorius einerseits, die Detachierung von Nachschub für die in Hispanien kämpfenden feindlichen Legionen zu unterbinden, indem er die Transportschiffe abfing44,
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Kinder lokaler Fürsten als Geiseln nahm, und ihnen in Osca Bildung zukommen ließ (Plut. Sertorius 14,2–3). Fernerhin generierte Sertorius eine Kopie der res publica populi romani in Spanien, indem er die Ämter und Institutionen schuf, Wahlen abhielt und Senatssitzungen einberief. Dazu der ausführliche Bericht bei Plut. Sertorius 22,3–4. Zum Einfluss des Sertorius auf Hispanien vgl. Spann (1987) 58–64, 79ff, 86–89, 167–174; Koch (1993) 17; Christ (2000) 236; Meister (2007) 328–349. Plut. Sertorius 12,3. Sall. Hist.1,94–95Mc.; ferner App. Ib. 101; Spann (1987) 56ff; Luik (2005) 85; Meister (2007) 233–239. Zu den Kriegsoperationen der Jahre 80 v. Chr.–75 v. Chr. an Land vgl. Spann (1987) 64–79, 82–86, 89–99; Keay (1988) 42f.; Luik (2005) 85–95 einschl. Abb. 108 u. 109; Meister (2007) 238–291. Die Beherrschung der östlichen Küstengebiete Hispaniens stellte für Pompeius und Metellus ein wichtiges Kriegsziel dar, wie Meister (2007) 291 herausstellt. Zur strategischen Bedeutung dieses Landstriches auch für nachfolgende Konflikte siehe Nünnerich-Asmus (1993) 126f. Zu Dianium als Operationsbasis des Sertorius, Strab. 3,4,6.10; ferner auch Cic. Verr. 2,1,87. 5,146.154; vgl. dazu Meister (2007) 264 einschl. Anm. 1340. Nach Plut. Sertorius 23,1–2 erhielt Mithridates VI. über Seehändler Informationen von Sertorius und dessen Aufstandsversuchen. Zum Bündnis zwischen Mithridates und Sertorius vgl. Cic. Manil. 9. 46; Mur. 32; Sall. Hist. 2,90–91Mc.; Liv. per. 93; App. Mithr. 68. 70. 112; Plut. Sertorius 24,2–3; weiterhin Spann (1987) 99–104; Magie I (2000) 322f.; König (2000) 454f.; Meister (2007) 287ff und 456f. Plut. Sertorius 21,5; dazu Spann (1987) 116f.; Luik (2005) 95. Dieser Versorgungsengpass zwang 75 v. Chr. die Feldherrn Pompeius und Metellus dazu, ihre Operationen abzubrechen und vorzeitig in die Winterlager zurückzukehren (Plut. Pompeius 19,6). Während sich Metellus nach Gallien zurückzog, überwinterte Pompeius im westlichen Altkastilien. In dem von Sall. Hist. 2,82Mc tradierten Brief des Pompeius an den Senat, in welchem er um Versorgungsgüter für sein Heer bittet, findet sich ein Hinweis, dass sich die Meeresküste vollends in der Hand des Sertorius befand und nicht von Pompeius erobert werden konnte: „Das diesseitige Spanien, soweit es nicht vom Feind besetzt ist, haben wir oder Sertorius vollständig verwüstet – außer den Stadtgebieten am Meer: sie bringen uns zusätzlich Kosten und Bürde.“ (Hispaniam citeriorem, quae non ab hostibus tenetur, nos aut Sertorius ad internecionem vastavimus praeter maritumas civitates, ultro nobis sumptui onerique;). Dass die Truppenverstärkungen für Pompeius von Metellus begleitet von Gallien aus über die keltiberischen
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und andererseits die Getreideversorgung aus den iberischen Provinzen für die stadtrömische Bevölkerung zu stoppen.45 Die Beendigung der sertorischen Suprematie zur See wurde zur dringlichsten Aufgabe für das Jahr 74 v. Chr. Nachdem Pompeius im Jahr zuvor versucht hatte, die Küstengebiete des hispanischen Ostens zu erobern, gingen er und Metellus nun daran, durch Überfälle und Belagerung von Siedlungen und Städten im Hinterland die Verbündeten des Sertorius zum Abfall zu bewegen, während die Zerschlagung der gegnerischen Seestreitkräfte der römischen Flotte zukam.46 Dazu beauftragte der Senat den amtierenden Praetor M. Antonius. Mit besonderen Befugnissen ausgestattet – die es bis zu diesem Zeitpunkt in der Seekriegführung der res publica populi romani noch nicht gegeben hatte – befehligte Antonius mit der Hilfe von acht legati eine ansehnliche Flotte.47 Aus der fragmentarischen ÜberlieHochebenen marschiert sind, wie App. b.c. 1,111 berichtet, deutet auf die bestehende Seehoheit des Sertorius hin. Nach Meister (2007) 289 verdankte Sertorius seine Seehoheit den verbündeten kilikischen Seeräubern. 45 Dass es in dieser Zeit zu Engpässen in der Getreideversorgung für die Stadt Rom gekommen ist, belegen zeitnahe Autoren wie Sallust oder Cicero. Nach Sall. Hist. 2,42Mc kam es in Rom zu Unruhen in der städtischen Bevölkerung und Übergriffen auf die amtierenden Consuln aufgrund von Engpässen in der Getreideversorgung. Kurz darauf prangert der amtierende Consul von 75 v. Chr., C. Aurelius Cotta in einer Rede an den Senat (Sall. Hist. 2,44,6–7Mc) die desolate Versorgungslage und die stark vernachlässigte maritime Sicherheitspolitik mittels der Flotte an. Cicero versuchte während seiner Quaestur in Lilybaeum auf Sizilien durch zusätzliche Getreidelieferungen der misslichen Lage entgegenzuwirken (Cic. Planc. 64). Nach Cic. Verr. 2,3,214 veranschlagte der Statthalter Siziliens, C. Licinius Sacerdos, im Jahr darauf einen geringeren Schätzpreis für das sizilische Getreide, um eine Erhöhung der Lieferungen zu ermöglichen. Der Senat beorderte den Nachfolger Sacerdos’, Verres, damit zusätzliche Getreideeinkäufe in Sizilien durchzuführen, um die Versorgung der Römer abzusichern (Cic. Verr. 2,3,163–164). Bekanntermaßen kam Verres dieser Forderung nicht nach, sondern bereicherte sich an diesen Geldern (Cic. Verr. 2,3,165–187). Zur Bedeutung Hispaniens für die Getreideversorgung wertet Rickman (1996) 108: „It seems that Spain was […] a subsidiary source of good quality supplies in the west for the Roman market.“ 46 Zur Strategie des Pompeius und Metellus vgl. Spann (1987) 124ff; Keay (1988) 43f.; Luik (2005) 96–102; Meister (2007) 291–303. 47 Das imperium des Antonius ist m. E. nach nicht – wie die communis opinio der Forschung meint – für die Bekämpfung der kilikischen Seeräuber geschaffen worden, sondern in erster Linie zur Bekriegung der sertorischen Seehoheit und der damit verbundenen Schwierigkeiten in der Versorgung des Heeres und der Stadt Rom über den Seeweg. Dies wird ersichtlich durch Sall. Hist. 3,7Mc, denn Sallust weist auf die Bedeutung einer Seestadt für die römischen Seewege hin, welche von Antonius belagert und erobert worden war. Erst durch die Prorogation seines imperium eröffnete sich für Antonius die Möglichkeit, gegen die Piraten im Osten vorgehen zu können. Antonius’ Seekampagne im westlichen Mittelmeer und die eigentliche Ursache seines imperium werden überschattet zum einen davon, dass kaum ein Jahrzehnt später Pompeius sein außerordentliches Kommando zur Bekämpfung der Seeräuber übertragen bekommen hatte, welches in den Quellen als „Neuauflage“ des antoninischen imperium von 74 v. Chr. gewertet wird (Vell. 2,31,3–4), und zum anderen entsteht durch die Parallelität beider imperia und deren gemeinsames Aufgabenfeld – Bekämpfung der Seeräuber – der Eindruck einer Stringenz in der römischen Strategie gegen die Piraten. Die Aktivitäten des Antonius im serorischen Krieg werden fernerhin gern übersehen, so etwa auch von Spann in seiner überarbeiteten! Monographie zu Sertorius.
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ferung des Sallust und einigen Hinweisen Ciceros lässt sich folgender Ablauf der Seekampagne des römischen Flottenbefehlshabers im westlichen Mittelmeer rekonstruieren: Von Sizilien beginnend, wo er Rekrutierungen durchgeführt und Geldeinnahmen gefordert hatte48, setzte Antonius zur iberischen Küste über, an der er zunächst einen festen Hafenplatz der Ligurer angriff, während sein Legat Mamercus die Verfolgung ligurischer Schiffe auf offener See aufnahm. Erst der Rückzug der Ligurer in das Gebiet der Terentuni eröffnete Antonius neue Möglichkeiten, und so versegelte er entlang der iberischen Ostküste bis in das Stammesgebiet der Aresinarii, wo er in einen Seesturm geraten sein muss.49 Noch im selben Jahr setzte er schließlich am Fluss Dilunus, dessen Lage bis heute nicht geklärt ist, sein Heer mit Hilfe der Flotte über, indem er die Schiffe als schwimmende Brücke verwendete, und entsandte seinen Legaten Manius zur Belagerung und Eroberung einer strategisch evidenten Hafenstadt für die Seehandelsrouten von Italien nach Hispanien.50 Sertorius indes vermochte es nicht, sich sowohl der Kriegführung an der Küste als auch der im Binnenland zugleich zu widmen; er kehrte dem Meer sprichwörtlich den Rücken zu. Anstatt Pompeius oder Metellus in einer offenen Feldschlacht gegenüberzutreten, griff er auf die bewährte Methode des Guerillakrieges zurück.51 Doch die taktischen Voraussetzungen waren für eine derartige Strategie nicht mehr gegeben. Der zunehmende Verlust an Rückhalt bei den einheimischen Stämmen und in seinem Heer mündete in einer Verschwörung, welcher Sertorius wohl noch 73 v. Chr. zum Opfer fiel.52 Kurze Zeit nach seiner Ermordung fiel der Widerstand auf der iberischen Halbinsel in sich zusammen. 48 Zu den Geldeinnahmen Cic. Verr. 2,2,8. 3,213–215. Die Rekrutierung bestand nach Cic. Div. in Caec. 55 aus der Inbesitznahme einiger Musiksklaven, die vermutlich für die Ruderer der Flotte als Taktgeber fungieren sollten. Nach Foucart (1906) 570–575 dauerten diese Vorbereitungen bis Ende des Jahres 74 v. Chr. und die Operationen an der hispanischen Küste nahmen den Großteil des Jahres 73 v. Chr. ein. 49 Sall. Hist. 3,6Mc. Der Hinweis auf einen Seesturm findet sich am Ende des Fragmentes: „[…] nach vier Tagen erreichten sie das Gebiet der Aresinarii mit ihrem gesamten Aufgebot an Kriegsschiffen, diese, welche repariert worden und jene welche vom Storm unversehrt geblieben waren.“ (post qua[driduom] in Aresinarios uẹ[nere om]ni copia nauium l[onga]rum quas reparat[as ha]bebant quaeque no). 50 Sall. Hist. 3,7Mc. Während DeSouza (1999) 145 die Unbestimmbarkeit des Ortes betont, meint Schulten (1926) 128 Emporion darin wiederzuerkennen, anders Miltner (1952) 2085, der Dianium identifiziert. Wenn die besagte Stadt Dianium war, waren Antonius’ Versuche, sie zu erobern, bis Ende 73 v. Chr. vergebens, denn nach Scardigli (1971) 252–257 leisteten die Seeräuber einschließlich des mithridatischen Flottenkontingentes heftigen Widerstand, ungenauer Spann (1987) 129. Foucart (1906) 571 lokalisiert den Ort und den Fluss auf den Balearen. Nach App. b.c. 1,111 und Plut. Pompeius 20,1 vermochte es Rom Pompeius den benötigten Nachschub zukommen zu lassen. Ob dies über den Seeweg geschah, wäre denkbar, da Antonius den Einfluss des Sertorius entlang der iberischen Ostküste weitgehend gebrochen hatte. 51 Zum Wesen der lusitanischen Guerilla vgl. Meister (2007) 107–111, 392–412. 52 Sall. Hist. 3,80–83Mc; Liv. per. 96; Vell. 2,30,1; Diod. 37,22a; Flor. 2,10,8–9; Plut. Sertorius 25,28; Pompeius 20,2; App. b.c. 1,113–114; Ib. 101; Oros. 5,23,13. Zu den Umständen der
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Trotz der fragmentarischen Überlieferungen zum Seekommando des Antonius lässt sich konstatieren, dass Rom erst durch den Entschluss zur kombinierten Kriegführung an Land und auf dem Meer die Chance erhielt, den Aufstand des Sertorius niederzuschlagen. Die Einnahme der größeren Hafenstädte und festen Seeplätze entlang der iberischen Ostküste sicherte zum einen die Versorgung der römischen Legionen über das Meer und nahm zum anderen den Aufständischen die Möglichkeit des offenen Seekrieges. Zugleich vermochte Rom sich vom Alpdruck der verringerten Getreideversorgung für die städtische Bevölkerung zu lösen, als die Seerouten zwischen Italien und Hispanien von der Bedrohung durch die sertorianisch-kilikisch-pontischen Allianz zur See befreit waren. Doch die Nahrungsversorgung des caput mundi des Imperium Romanum über das Meer sollte sich in den nachfolgenden Jahrzehnten der Bürgerkriege als strategisches Schlüsselmoment zur Durchsetzung der eigenen Interessen römischer Aristokraten erweisen. 4.3 DE R KAMP F UM DIE MARITIME SUPRE MATIE – CAESA R UND POMPEIUS
4.3 DER KAMPF UM DIE MARITIME SUPREMATIE – CAESAR UND POMPEIUS In seiner Darstellung des Vorabends der Entscheidungsschlacht von Pharsalos lässt Cassius Dio die maritimen Leistungen der beiden Kontrahenten Pompeius und Caesar Revue passieren:53 Die Zerschlagung der Seeräuber, die Bekämpfung des Sertorius in Hispanien und die Seekampagnen in der Pontis gegen Mithridates VI. stehen den Operationen an den Atlantikküsten Iberiens und Galliens sowie dem Rheinübergang und der Britannienexpedition gegenüber. Während der eine – wie er selbst behauptete – […] die Grenzen des Reiches bis an die Enden der Welt ausdehnte;“54 vermochte es der andere, „ […] die römische Herrschaft über die Grenzen 55 des bekannten Erdkreises hinaus [zu schieben; Ergänzung M. Ladewig.]“. Zwei bedeutende Aristokraten der römischen Führungselite suchten auf dem Meer die Möglichkeit zur Erlangung von virtus und dignitas, überschritten die natürlichen Grenzen der bekannten Welt und investierten ihre gesamten Ressourcen zur Erringung ihrer ehrgeizigen Ziele. So trugen sie ihre, auch von persönlichen MotiMeuterei und den verschiedenen Datierungsvorschlägen seines Todes siehe Spann (1987) 128–133; Meister (2007) 304–312. 53 Cass. Dio 41,56,2–3: „Indem sie nun dies bedachten und sich außerdem an ihre früheren Taten erinnerten – Pompeius an Afrika, Sertorius, Mithridates, Tigranes und den Seeräuberkrieg, Caesar hingegen an Gallien, Spanien, den Rhein und Britannien – , da glaubten sie auch jene Eroberungen gefährdet, ja beide wollten des anderen Ruhm sich zu eigen machen und gerieten darüber in leidenschaftliche Erregung.“ (οῦτό τε οὖν ἐκλογιζόµενοι, καὶ προσέτι καὶ τῶν προτέρων ἔργων, Ποµπήιος µὲν τῆς τε Ἀφρικῆς καὶ τοῦ Σερτωρίου τοῦ τε Μιθριδάτου καὶ τοῦ Τιγράνου καὶ τῆς θαλάσσης, Καῖσαρ δὲ τῆς τε Γαλατίας καὶ τῆς Ἰβηρίας τοῦ τε Ῥήνου καὶ τῆς Βρεττανίας, ἀναµιµνησκόµενοι, καὶ κινδυνεύειν τε καὶ περὶ ἐκείνοις ἡγούµενοι καὶ προσκτήσασθαι τὴν ἀλλήλων δόξαν σπουδὴν ποιούµενοι, ὤργων). 54 Diod. 40,4. Diodor zitiert in seinem Werk die von Pompeius in Auftrag gegebene Inschrift am Tempel der Venus Victrix, welche seine gesamten Taten festhalten sollte. 55 Plut. Caesar 23,2: προήγαγεν ἔξω τῆς οἰκουµένης τὴν Ῥωµαίων ἡγεµονίαν.
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ven geprägte Feindseligkeit auf dem Meer aus und stürzten die res publica populi romani in einen Jahre währenden Bürgerkrieg. 4.3.1 Fines terrae – Caesars Seekampagnen im Nordatlantik Bevor wir uns der genaueren Analyse der Seekriegführung während des Bürgerkrieges von 49-44 v. Chr. widmen, soll zunächst ein Einblick in die von der Forschung zumeist vernachlässigten maritimen Expansionsbestrebungen Caesars gegeben werden.56 Der Atlantik wird für Caesar einerseits zum Übungsfeld für die Ausbildung seiner nautischen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie die seiner getreuen Flottenkommandanten, welche ihm in der späteren Auseinandersetzung mit Pompeius unschätzbare Dienste erweisen werden, und zugleich verschaffen ihm die unbekannten Gewässer jenseits der Säulen des Herakles die Chance, aus dem Schatten des Pompeius, des Beherrschers der Meere, herauszutreten.57 Nachdem er im Jahr 62 v. Chr. das Amt des Praetors innehatte, fiel Caesar für das darauffolgende Jahr per Los die provincia Hispania ulterior zu, welche er trotz des Widerstandes einiger Gläubiger erreichte.58 Kurz nach seiner Ankunft begann er parallel zur Aufstockung seiner Landstreitkräfte mit der Rüstung einer Provinzialflotte, wobei er eng mit den spanischen Honoratioren kooperierte, auf deren Finanzierung er angewiesen war.59 Dies gestaltete sich jedoch zu Beginn recht schwierig, da seit dem Sertorius-Krieg eine Sondersteuer die iberischen 56 Erschreckenderweise finden die maritimen Operationen in Hispanien in den modernen Darstellungen keinerlei Erwähnung, etwa bei Meyer (1922) 56f.; Oppermann (1963) 41; Gesche (1976) 39f.; Dahlheim (1987) 49; Will (1992) 44ff; Meier (2004) 231f. Canfora (2001) passim lässt eine Behandlung der spanischen Statthalterschaft gänzlich vermissen. Anders dagegen die Einzeluntersuchung zur hispanischen Statthalterschaft Caesars bei Schulz (2002) 269–272. 57 Schulz (2000) 282–287 attestiert bereits Caesars Aktivitäten im Osten (ab 80 v. Chr.) als contubernalis des Praetors C. Claudius Nero, die Legatendienste unter P. Servilius Isauricus und M. Antonius als Bewährungsprobe für sein maritimes Können: „Caesar suchte und nutzte von Beginn an jede Gelegenheit zur militärischen Bewährung auf dem Meer, gegen die Seeräuber oder bei der Organisation bundesgenössischer Flottillen in einem Ausmaß, das überraschen muß.“ 58 Angeblich hatte sich Caesar nach Plut. Caesar 11,1 mit 25 Millionen Denaren (zur Geldsumme vgl. auch App. b.c. 2,26) verschuldet. Die Gläubiger hatten versucht Caesars Abreise nach Hispania ulterior zu verhindern und nur dank der finanziellen Hilfe des Crassus war Caesar diese schließlich gelungen, vgl. Suet. 18,2; Plut. Crassus 7,6; Meyer (1922) 56; Oppermann (1963) 32; Grant (1970) 67; Gesche (1976) 39; Will (1992) 44; Canfora (2001) 39f.; Meier (2004) 231; Baltrusch (2004) 48f.; Luik (2005)104. Einen neueren und zugleich überzeugenden Erklärungsansatz für die verworrene Situation zu Caesars Abreise und die gewichtige Rolle des Crassus liefert Schulz (2002) 265–269. 59 Die Aufstockung von den vorhandenen 20 auf 30 Kohorten findet sich bei Plut. Caesar 12,1. Zur Finanzierung der Flotte durch Geldspenden, Sondersteuern und Leiturgien der Honoratioren vgl. Schulz (1999) Anm. 24, 250ff; Luik (2005) 104. Zudem war Gades als civitas foederata vertraglich dazu verpflichtet, den Statthaltern bei Bedarf Schiffe zur Verfügung zu stellen, wie Cic. Balb. 39 ; Caes. civ. 2,18; 21,4 betonen; vgl. Horn (1930) 43.
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Bundesgenossen zu hohen Tributzahlungen zwang, die zu enormen Verschuldungen und zum erneuten Aufblühen seeräuberischer Aktivitäten entlang der iberischen Küste geführt hatten. Caesar begegnete diesem Problem mit dem Versprechen, sich nach seiner Rückkehr nach Rom für die Abschaffung dieser Sondersteuer einzusetzen, und legte ferner eine Neuregelung der Schuldentilgung fest.60 Dieses „Programm“ der finanziellen Entlastung stärkte Caesars Rückhalt in der Provinz und mobilisierte die maritime Schlagfähigkeit der Seestädte (etwa Gades), welche bis dahin der Piraterie nachgegangen waren, für seine eigenen strategischen Pläne. Weiterhin band er einflussreiche Personen der Honoratioren, wie etwa den in Gades lebenden L. Cornelius Balbus, persönlich an sich. Dieser hatte sich durch seinen Marinedienst unter Q. Metellus, C. Memmius und Pompeius Magnus während der Niederschlagung des Sertoriusaufstandes um das römische Bürgerrecht verdient gemacht. Sein umfangreiches Vermögen sowie seine Leistungen als Reeder ließen ihn zu einem der einflussreichsten Männer Gades’ – besonders innerhalb der Honoratiorenschicht – aufsteigen.61 Für den Aufbau und die Finanzierung einer Flotte mit Hilfe der Provinzialen war diese Person unerlässlich. Bereits während seiner Quaestur in Hispania ulterior hatte Caesar gastfreundschaftliche Beziehungen zu Balbus gepflegt, auf die er jetzt zurückgriff.62 Er ernannte den Gaditaner zum praefectus fabrum, womit er ihm wesentliche Aufgaben der Rüstung zukommen ließ. In der Forschung erhärtet sich zudem der Verdacht, dass Balbus selbst einen nicht unwesentlichen Anteil zur Finanzierung der Flotte beisteuerte.63 Wohl im April oder Mai begann Caesar mit der Offensive gegen die in den Gebieten des Herminiusgebirges siedelnden Stämme der Lusitaner. Während er selbst den Oberbefehl über die Landstreitkräfte führte und das Gros der Lusitaner im Landesinneren unterwarf, versegelte die Flotte von Gades ausgehend unter dem Kommando des D. Iunius Brutus Albinus entlang der Küste. Als einige der lusitanischen Stämme vor den herannahenden römischen Truppen zur atlantischen Küste flohen und mit Schiffen zu einer nahe gelegenen Insel übersetzten, griff 60 Auf das Aufblühen der hispanischen Piraterie spielen Suet. Iul. 18,1; Cass. Dio 37,52,1 an; ferner dazu Schulz (2000) 289. Auf Caesars Leistungen für die spanischen Bundesgenossen verweist der unbekannte Autor des Bell. Hisp. 42,2. Der Vorschlag, welcher die Schuldentilgung neu regelte, sah vor, dass der Schuldner nur noch 1/3 seiner jährlichen Einkünfte an den Gläubiger bis zur Tilgung seiner Schuld zu zahlen hatte (Plut. Caesar 12,4). Vgl. dazu Grant (1970) 68; Blazquez (1978) 83; Will (1992) 46; Schulz (2002) 273; Meier (2004) 231f. 61 Zu Balbus’ Marinedienst unter Pompeius äußert sich Cic. Balb 5. Balbus’ Taten für die Seestreitkräfte Gades’ betont Strab. 3,5,3. Gerade die Bautätigkeit für den Hafen und die Schiffshäuser und Lageplätze werden ihm einen hohen Stellenwert innerhalb der seefahrenden Bevölkerung Gades’ eingebracht haben. 62 Zu Caesars Quaestur, Bell. Hisp. 42,1; Vell. 2,43,4; Suet. Caes. 7,1–2; Plut. Caesar 5,1–3; Cass. Dio 37,52,2; 41,24,2; ferner Grant (1970) 34f.; Gesche (1976) 22; Will (1992) 22; Meier (2004) 181f. Nach Canfora (2001) 30f.; Schulz (2002) 268 nutzte Caesar seine Befugnisse als Rechtsprecher zum Aufbau von Clientelbeziehungen. 63 So etwa bei Hübner (1910) 456; Keay (1988) 225, Anm. 3; Schulz (2000) 289f.; Luik (2005) 104; Barceló (2007) 197. Zu Balbus’ Ernennung zum praefectus fabrum Cic. Balb. 63–64. Zu Balbus’ Rolle in Caesars Gefolgschaft siehe Dahlheim (1987) 151f.
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Caesar auf die Hilfe der Flotte zurück. Anfänglich hatte er versucht, seine Kohorten mit Flößen zu verschiffen, doch war er auf die gefährliche Strömung, welche die Gezeiten mit sich brachten, unzureichend vorbereitet und musste erhebliche Rückschläge und Verluste hinnehmen. Erst die stabileren Schiffe und Transporter aus Gades vermochten genügend Sicherheit für die Überfahrt zu geben. Nach der Unterwerfung der Geflohenen setzte er die Eroberungs- und Plünderungsfahrt mit der Flotte entlang der Atlantikküste bis nach Brigantium – die äußerste Nordspitze der iberischen Halbinsel – fort.64 Der Atlantik geriet erneut in den Fokus von Caesars strategischen Überlegungen, als dieser nach seinem Consulat im Jahr 59 v. Chr. die Statthalterschaft in Gallia cisalpina und Illyricum übernahm. Er begann 57 v. Chr. eine Großoffensive gegen die im Nordwesten der Normandie und Bretagne lebenden Veneter, Uneller Osismer, Coriosoliten, Sesuvier, Aulerker und Redonen. Mit der Unterwerfung dieser seefahrenden Stämme beauftragte er seinen Legaten M. Licinius Crassus, der mit einer Legion zur Atlantikküste vorstieß.65 Als es im Jahr darauf zu Abfallbewegungen der Veneter kam, begann Caesar mit einer groß angelegten maritimen Offensive. Als Vorlage dienten ihm seine taktischen Erwägungen zur Kombination aus Landtruppen und Flotte aus der Kampagne in Hispania ulterior. Von einem strategisch günstigen Standpunkt ausgehend – die Wahl fiel auf die Mündung des Liger (Loire) – rüstete er eine Kriegsflotte mit Hilfe Verbündeter aus Aquitanien und dem heutigen Poitou. Er selbst marschierte mit den Landstreitkräften vom Landesinnern zur Küste, während die Flotte unter dem Oberbefehl des D. Iunius Brutus Albinus von der Mündung des Liger aus zur Küste des Gegners in See stach.66 Da die befestigten Siedlungen der Veneter auf vorgelagerten Landzungen errichtet waren, deren Verbindungen zum Festland bei Flut überschwemmt wurden, gestaltete sich deren Belagerung durch die Landstreitkräfte als äußerst schwierig. So brachte die von Brutus Albinus befehligte Flotte in der Seeschlacht beim heutigen Kap Saint-Gildas die Entscheidung und vernichtete das maritime Aufgebot der Veneter vollständig.67 Nachdem die gallische Atlantikküste als befriedet galt und von vereinzelten germanischen Stämmen ausgelöste Unruhen an der Nordgrenze Galliens durch
64 Plut. Caesar 12,1; Cass. Dio 37,53,1–4; Schulz (2000) 290; (2002) 270; Luik (2005) 104f.; Barceló (2007) 196f. 65 Caes. Gall. 2,34. Während dieser offensiven Kampagne des Crassus kann er auch die von Strab. 3,5,11 überlieferte Seefahrt zu den an der Küste vorgelagerten Zinninseln unternommen haben, denn bereits im darauf folgenden Jahr wird er von Caesar nach Aquitanien abkommandiert während dieser persönlich gegen die Veneter zur See operiert (Caes. Gall. 3,11,3. 20,–4). Leider ist auch nicht rekonstruierbar, ob Crassus aus persönlichen Motiven, wie etwa der Bereicherung am lukrativen Zinnhandel, oder auf Befehl Caesars die Zinninseln erforschte. Zur Rolle des Zinnhandels für die Familie der Crassi Schulz (2002) 267. 66 Zum Flottenbau und den Hilfsflottillen der Verbündeten Caes. Gall. 3,9,1. 11,5. 67 Caes. Gall. 3,12,1–16,4; Liv. per. 104; Flor. 1,45,5–6; Oros. 6,8,6–22. Abweichend von Caesars Darstellung in seinen commentarii Cass. Dio 39,40,1–43,5; ferner Grant (1970) 112; Todd (1999) 5f.; Canfora (2001) 113f.
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eine Strafexpedition in germanisches Territorium geahndet wurden68, traf Caesar noch im Spätsommer/Herbst des Jahres 55 v. Chr. Vorbereitungen zur Überfahrt nach Britannien. Nachdem er sein Heer und die Flotte beim Küstenort Itium im Gebiet der Moliner, dessen Westküste Britannien am Nächsten lag, zusammengezogen und C. Volusenus zur Erkundung des Landungsgebietes mit einem Kriegsschiff nach Britannien detachiert hatte, ließ Caesar bei der Abfahrt der Invasionsflotte einen Teil des Heeres zur Sicherung der Küste und des Umlandes zurück.69 Die Landung an einem flachen Strandabschnitt der Ostküste Britanniens gestaltete sich für die Truppentransporter mit ihrem größeren Tiefgang überaus schwierig, so dass die Kohorten eine längere Strecke zu Fuß durch das flachere Wasser mit seinen teils heftigen Strömungen zurücklegen mussten. Zudem griffen feindliche Schleuderer die Landungstrupps von der Küste aus an. Erst als Caesar einige Schiffe als Schilde gegen die Wurfgeschosse einsetzte, vermochten es die Soldaten an Land zu gelangen. Hatte die Kampagne in Britannien bereits unheilvoll begonnen, so stand auch deren gesamter weiterer Verlauf unter keinem guten Stern. Nicht nur wurden die an Land gezogenen Schiffe von einer Springflut größtenteils beschädigt, sondern es zehrten auch immer wiederkehrende Angriffe von kleineren Überfallkommandos einheimischer Stämme an der Kampfkraft der römischen Truppen, so dass Caesar ohne größeren Erfolg vor Beginn des Wintereinbruchs nach Gallien zurückkehrte.70 Im Jahr darauf setzte er erneut nach Britannien über, diesmal jedoch mit einer deutlich größeren Flotte, die er mit Schiffskontingenten von privaten Kaufleuten und Baumaterialien aus Hispania ulterior (vermutlich Gades) verstärkt hatte.71 68 Caes. Gall. 4,1,1–19,4; Liv. per. 105; Flor. 1,45,14–15; Suet. Caes. 25,2; Plut. Caesar 22,1– 23,1; Cato Minor 51,1–4; App. Kelt. 18,1–4; Cass. Dio 39,47,1–48,5; Oros. 6,8,23–9,1; Grant (1970) 114f.; Canfora (2001) 114ff; Meier (2004) 338ff; Baltrusch (2004) 67; Riemer (2006) 34ff; Schneider (2008) 31f. 69 Zu den Vorbereitungen Caes. Gall. 4,20,4–22,6; Strab. 4,5,2; Flor. 1,45,16.; Cass. Dio 39,50,2; ferner Grant (1970) 117f.; Salway (1991) 26f.; Todd (1999) 7. Da Caesars und Strabos Beschreibungen der Topographie des Gebietes der Moriner sehr gering ausfallen und archäologische Befunde fehlen, ist eine eindeutige Identifizierung des Sammelplatzes, von wo aus die Invasion ihren Anfang nahm, nicht möglich, dazu Brodersen (1998) 9f. der u. a. Boulogne-sur-Mer, Sangatte, Wissant und Ambleteuse als mögliche Orte nennt. 70 Schilderungen der ersten Britannienexpedition bei Caes. Gall. 4,23,1–36,4; Strab. 4,5,3; Suet. Caes. 25,2; Flor. 1,45,17; Cass. Dio 39,51,1–53,1; App. Kelt. 1,13; Oros. 6,9,2–5; ferner Grant (1970) 118; Salway (1991) 27–31; Todd (1999) 7ff; Canfora (2001) 116f.; Meier (2004) 341f.; Baltrusch (2004) 68. Auch bei der Lokalisation des Landungsortes an der britannischen Ostküste gehen die Meinungen in der Forschung auseinander, exemplarisch etwa Brodersen (1998) 10, der die landläufige Identifikation des ersten Sammelpunktes der Flotte bei Dover bezweifelt und das Landungsgebiet an der flachen Küste am ehesten mit dem Strand von Deal in der Nähe von Walmer Castle in der Grafschaft Kent gleichsetzt; Überblick zur älteren Forschung diesbezüglich Gesche (1976) 100f. 71 Caes. Gall. 5,1,1–4. 2,2–3. 5,1–3. 8,1–2; Cass. Dio 40,1,1–3; Grant (1970) 125; Todd (1999) 9; Meier (2004) 356f. Auch wenn die Zahlenangaben Caesars mit Vorsicht zu betrachten sind, ist Schulzs (2000) 293 Hinweis doch bemerkenswert: „[…] so war es doch eine der größten Flotten, die die Welt bis dahin erlebt hatte (bis 1944 hat der Kanal keine größere gesehen)“.
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Zudem verschiffte er in den angeblich 600 Transportern auch eine Heeresabteilung von 2.000 Reitern, die in der Eroberungs- und Plünderungskampagne bis zur Themse ihr Schlacht entscheidendes Potential immer wieder unter Beweis zu stellen vermochte. Doch zuerst musste an die sichere Rückfahrt gedacht werden. Daher ließ Caesar die Schiffe an Land ziehen und durch ein befestigtes Lager absichern, nachdem ein heftiger Seesturm die vor Anker liegende Flotte wiederum stark beschädigt hatte. Nachdem Caesar bis zur Themse vorgedrungen war und einige Stämme unterwerfen konnte, kehrte er im Herbst mit geringer Beute und einigen Geiseln nach Gallien zurück.72 Bei der Darstellung der maritimen Operationen Caesars im Atlantik drängt sich unweigerlich die Frage nach seiner Motivation auf, deren Beantwortung bereits durch die antiken Autoren versucht und von modernen Historikern fortgesetzt worden ist.73 Jedoch gehen die Erklärungsansätze häufig allein auf wirtschaftliche oder militärische Einzelaspekte ein, ohne den innenpolitischen und inneraristokratischen Fokus zu berücksichtigen. Denn das verbindende Element
72 Caes. Gall. 5,8,3–23,6; Liv. per. 105; Strab. 4,5,3; Flor. 1,45,18–19; Cass. Dio 40,2,1–4,1; Oros. 6,9,6–9; Grant (1970) 126f.; Salway (1991) 31–38; Todd (1999) 9–14; Canfora (2001) 117f.; Meier (2004) 357f.; Baltrusch (2004) 69. 73 In der Forschung – etwa bei Meyer (1922) 56f.; Oppermann (1963) 32, 41; Gesche (1976) 39; Blazquez (1978) 28, Dahlheim (1987; 49; Will (1992) 44ff; Meier (2004) 232 Baltrusch (2004) 49 – wird als Hauptbeweggrund für Caesars Statthalterschaft in Spanien das Erringen von Beute angeführt mit Bezug auf Suet. Caes. 54,1, um seine Schulden zu begleichen und als reicher Mann nach Rom zurückzukehren, wie etwa Plut. Caesar 12,4 resümiert. Blazquez (1967) 276 etwa geht davon aus, dass Caesars Feldzug dazu diente, die reichen Goldvorkommen etwa Galiciens zu erschließen. Dies deckt sich mit einer bisher wenig berücksichtigten Stelle bei Catull 29,18–20, der von Mamurra, einem Mitglied aus dem Freundeskreis Caesars sagt: „Zuerst hat er sein väterliches Gut vertan/Und dann aus Pontus seine Beute, schließlich noch/ Die aus Iberien von des Tagus goldnem Strom,/Und jetzt sind Gallien und Britannien in Gefahr.“ (secunda praeda Pontica, inde tertia/ Hibera, quam scit amnis aurifer Tagus;/Nunc Galliae timetur et Britanniae.). Der Fluss Tagus ist zwar südlich Galiciens lokalisiert, bestätigt aber die reichen Edelmetallvorkommen, die Caesar vorfand. Schulz (2002) 271f.; Barceló (2007) 197 wiesen zudem überzeugend nach, dass Caesar an der Erschließung der Zinnhandelsroute gelegen war – ein erster Erklärungsversuch der den Bau der Flotte in Gades mit einschließt. Strab. 4,4,1 erklärt die Vernichtung der Veneter als eine Reaktion auf ihr Gefahrenpotential für Caesars Britannienexpedition, da sie selbst auf die Absicherung ihres Seehandels mit britannischen Stämmen aus waren. Caesar begründet in seinen commentarii (Gall. 4,20,1) den Britannienübergang mit defensivstrategischen Argumenten, da er einen Waffengang der britannischen Stämme in Koalition mit gallischen Stämmen befürchtete; daran anlehnend Dahlheim (1987) 62; Todd (1999) 5. Nach Suet. Caes. 47 begab sich Caesar wegen seiner Suche nach Perlen zur britannischen Insel. Auf den Eroberungs– und Unterwerfungscharakter der Britannienexpedition gehen Will (1992) 87f.; Meier (2004) 356 ein. Brodersen (1998) 11f. rekonstruierte, dass die Römer Britannien als Teil Galliens wahrnahmen, daher gehörte dessen Befriedung bzw. Eroberung zu Caesars Aufgaben. Salway (1991) 25 meint dahingehend ein Hinauszögern der Rückberufung Caesars zu erkennen, mit welcher der Verlust seiner Immunität gegen Anklagen von Seiten der römischen Aristokraten wegen Überschreitung der Amtsbefugnisse einherging. Dies deckt sich mit einer Drohung des Lucius Domitius, welche von Suet. Caes. 24,1 tradiert wurde.
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zwischen den Seekampagnen Caesars in Hispanien und Gallien bzw. Britannien stellt Pompeius dar: Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass im selben Jahr, in welchem Caesar als Propraetor nach Hispania ulterior aufbrach, Pompeius nach seiner fünf Jahre währenden Kampagne im Osten des römischen Reiches nach Rom zurückkehrte und einen dreifachen Triumph feierte. In dieser Aufsehen erregenden zweitägigen pompa triumphalis vergegenwärtigte Pompeius seine Leistungen für die res publica populi romani.74 Durch die lex Gabinia war er zum unumschränkten Hegemon über das Mittelmeer avanciert und bewies sein nautisches und strategisches Geschick in der zügigen Bekämpfung der Seeräuber. Darüber hinaus hatte er durch die lex Manilia im Krieg gegen Mithridates VI. über den Hellespont hinaus die Propontis befahren, sie dem römischen Herrschaftsbereich einverleibt und war bis zum Pontus Euxinus vorgestoßen. All dies setzte Pompeius propagandistisch in Szene und rief jedem einzelnen Zuschauer seine bedeutende Rolle innerhalb der res publica ins Gedächtnis. Cicero rühmt Pompeius’ Taten in seiner Rede de provinciis consularibus folgendermaßen: „Schon seit langem sehen wir, daß sich das unendliche Meer, […] dank der Tüchtigkeit des Cn. Pompeius vom Ozean bis in die äußersten Winkel des Pontus so fest in der Gewalt des römischen Volkes befindet,“75
Roms endgültig etablierte und behauptete Suprematie zur See manifestierte sich in der Person des Pompeius Magnus. Auch dadurch war an ihn eine Überdehnung jeglicher Parameter römischer Wahrnehmung von virtus, potestas und dignitas geknüpft.76 Caesar nun, der als Propraetor kurz vor dem Höhepunkt des cursus honorum stand, war unmittelbarer Zeuge dieses kometenhaften Aufstieges, hatte er sich doch selbst für die lex Gabinia und lex Manilia im Senat stark gemacht.77 Sicher ist ihm die Absicht Pompeius’, einen Triumph zu beantragen, bekannt gewesen, absehbar war sie allemal. Nun musste Caesar sich in diesen von Pompeius gesprengten Rahmen militärischer Tüchtigkeit und Erringung von virtus beweisen. Er wusste um die Wirkung militärischer Leistungen – vor allem auf unbekanntem Terrain – und der Erschließung neuer Gebiete. Da Pompeius jedoch 74 Liv. per. 103; Diod. 40,4; Vell. 2,40,2–4; Plin. n.h. 7,93–98; 37,11–18. 41; Plut. Pompeius 45,1–5; App. Mithr. 116–117; Cass. Dio 37,21,2–3; dazu Gelzer (1949) 130–136; Seager (2002) 79f.; Christ (2004) 101ff; relativierender Künzl (1988) 110. 75 Cic. prov. 31: Iam diu mare videmus illud immensum, […] virtute Cn. Pompei sic a populo Romano ab Oceano usque ad ultimum Pontum […] teneri. 76 Dass Ausnahmen seine Biographie bestimmten, zeigte schon das Jahr 79 v. Chr. als er einen Triumph pro praetore für seine Siege in Afrika zelebrierte, Inscr.It. 13,1 p. 564: [Cn. Pompeius Cn. f. Sex. n. Magnus pro praetore ex Africa III id. Mart.]; Cic. Manil. 61; Liv. per. 89; Vell. 2,40,4. 53,3; Val. Max. 8,15,8; Lucan. 6,817; 7,685; 8,24; Plin. n.h. 7,95; 84; 37,13; Plut. Pompeius 14,3–6; App. b.c. 1,80. Zu der Außergewöhnlichkeit dieses Triumphes Gelzer (1949) 52ff; Seager (2002) 28f.; Christ (2004) 35ff. 77 Plut. Pompeius 25,4. Später engagierte sich Caesar (Cass. Dio 36,43,2–4) auch für die lex Manilia, welche Pompeius das Oberkommando im Krieg gegen Mithridates VI. zusprechen sollte, Meyer (1922) 38; Oppermann (1963) 30f.; Gesche (1976) 23; Dahlheim (1987) 42; Meier (2004) 182f.
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schon im Krieg gegen Sertorius in weiten Teilen Hispaniens operiert hatte78, stellte die iberische Halbinsel kein sehr attraktives Betätigungsfeld dar. Der Atlantik hingegen bot für all dies eine ideale Plattform. Denn spätestens seit der Zerstörung Karthagos waren diese unbekannten Gewässer in den Fokus der römischen Welt geraten.79 Aus diesem Grund hatte Caesar sofort nach seiner Ankunft mit der Ausrüstung einer Flotte für die Fahrt römischer Soldaten auf dem Atlantik begonnen.80 Die Erfolge in Hispanien, zu Lande wie zu Wasser, gaben Caesar Recht. Seine Soldaten akklamierten ihn zum imperator und auch er beantragte nun beim römischen Senat die Gewährung eines Triumphes.81 Von einer Konkurrenz zwischen Pompeius und Caesar um die Erlangung von virtus und dignitas bereits zu diesem Zeitpunkt sprechen zu wollen erscheint verfrüht, ja sogar anachronistisch. Caesars militärische Aktivitäten in Hispanien verstehen sich vielmehr als Reaktion auf den erweiterten Aktionsradius, den Pompeius durch seine Leistungen im Osten vorgegeben hat. BARCELÓ resümiert treffend: „Si Pompeyo unos años antes, siguiendo la ruta de Alejandro Magno en Oriente, había alcanzado el Cáucaso, César, en la medida de sus menores posiblidades, non quería quedarse a la zaga. Al penetrar hasta el extremo occidental del mundo mediterráneo, franqueaba un límite cerca del borde de la tierra; Fines terrae.”82
Der Konkurrenzgedanke tritt dann während der gallischen Statthalterschaft in den Vordergrund und bestimmte maßgeblich Caesars Handeln. Es ist kein Zufall, dass Caesar im selben Jahr seine Ambitionen in Richtung gallische Atlantikküste und darüber hinaus richtete83, in welchem Pompeius für fünf Jahre ein imperium für die Sicherstellung der städtischen Getreideversorgung übertragen wurde. Dieses 78 Zu Pompeius Operationen auf der iberischen Halbinsel vgl. Anm. 41 und Anm. 46 (Kapitel 4.2). 79 Vermutlich mit der Kampagne des P. Cornelius Scipio Aemilianus, vgl. Kapitel 2.4, S. 84. 80 Caesar muss also schon zu diesem Zeitpunkt Pläne für eine solche Erkundungsfahrt geschmiedet haben, da er wohl kaum die Notwendigkeit der Flotte zur Niederringung der im Herminiusgebirges lebenden lusitanischen Stämme vorhersehen konnte. Schließlich griff er auch erst im zweiten Anlauf auf die Flotte des Brutus zurück. Hatte er doch zuerst versucht mit Flößen auf die Insel überzusetzen. 81 Plut. Caesar 12,4–13,3; App. b.c. 2,8; Cass. Dio 37,54,1–2. Bekanntermaßen setzte sich Cato für die Ablehnung des Triumphgesuches Caesars ein. Denn Caesar wollte für das Consulat 59 v. Chr. amtieren und musste sich zur Wahlaufstellung in Rom einfinden. Als designierter triumphator jedoch war es ihm untersagt vor Abhalten der pompa triumphalis die Stadt zu betreten. Daher sandte er ein Gesuch an den Senat, ob er sich in Abwesenheit um das Consulat bewerben könne, vgl. Oppermann (1963) 41; Grant (1970) 70; Dahlheim (1987) 49f.; Will (1992) 49; Meier (2004) 232ff. 82 Barceló (2007) 198. Ähnlich Schulz (2000) 291f.; (2002) 272; Luik (2005) 106. Schneider (2008) 27 nimmt die Bedeutung militärischer Siege für Caesars virtus und dignitas zwar wahr, verliert die Wichtigkeit maritimer Siege jedoch aus den Augen: „Anders als Pompeius hatte Caesar bis zu seinem Proconsulat keine größeren Kriege erfolgreich geführt und beendet. […] In dieser Situation musste es Caesar darauf ankommen, durch bedeutende militärische Erfolge ein politisches Prestige zu erlangen, das dem des Pompeius zumindest gleichkam.“ 83 Indem er – wie er selbst in Gall. 2,34 bezeugt – Crassus mit der Unterwerfung der dort siedelnden gallischen Stämme beauftragte.
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imperium verschaffte Pompeius nicht nur die Befehlsgewalt über 15 legati und die freie Verfügung über 40 Millionen Sesterzen, sondern auch die Kontrolle über das gesamte Mittelmeer. Der antike Biograph Plutarch deutet die Sonderbefugnisse des Pompeius als: „[…] Herrschaft über alle Länder und Meere, die den Römern gehörten. Denn nun unterstanden Pompeius alle Häfen, Marktplätze und Verkaufsstellen für Getreide, mit einem Worte, Schiffahrt und Landbau.“84
Die Vermutung liegt nahe, dass Caesar wohl schon zu diesem Zeitpunkt Pläne für die Überfahrt nach Britannien schmiedete, denn durch das imperium des Pompeius, welches das gesamte Mittelmeer einschließlich seiner angrenzenden Provinzen mit einschloss, blieb Caesar nur ein alter orbis, eine andere Welt, für sein eigenes imperium. In diesem Zusammenhang muss wohl auch der Rheinübergang des Jahres 55 v. Chr. gesehen werden. Der Fluss galt als natürliche Grenze der bekannten, zivilisierten Welt.85 Wie einst Alexander der Große die Donau überschritten hatte, um eine Strafexpedition gegen die Thraker durchzuführen, so setzte nun Caesar mit seinen Soldaten am Rhein über, um die Sugambrer und Ubier zu verfolgen, ihre Siedlungen zu plündern und ihre Anbaugebiete zu brandschatzen. Schließlich, noch im selben Jahr, übertraf er den Makedonenkönig und dessen römisches Abbild in Person des Pompeius86, indem er eine weitere Grenze der bekannten Welt, den Okeanos, überschritt und als erster Römer die Ufer außerhalb des europäischen Festlandes betrat: Britannien. Da die gewünschten Erfolge jedoch ausblieben, betrieb er mit extremem Ehrgeiz die zweite Überfahrt im Frühjahr 54 v. Chr. und drang schließlich bis zur Themse vor. In historischer Retrospektive maßen schon die antiken Autoren trotz des Ausbleibens größerer expansionspolitischer Ziele der Britannienexpedition eine maßgebliche Bedeutung bei.87 Die propagandistische Ausschmückung der Beherrschung der Meere und der bekannten Welt nahm mit dem ersten Britannienübergang Caesars seinen Anfang und sollte zum zentralen Bildthema der kommenden Jahrzehnte arrivieren. Faustus Sulla, der Schwiegersohn des Pompeius, hatte 56 v. Chr. Münzen geprägt, auf deren Revers eine Bildkomposition die Leistungen seines Schwiegervaters würdigte: Ein Globus im Zentrum als Sinnbild der bekannten Welt war um84 Plut. Pompeius 49,4; ebenso Cic. Att. 4,1,6–7; Dom. 14–19.25.30–31; Q. F. 2,6,1; Cass. Dio 39,9,3. Nach App. b.c. 2,18 unterstanden Pompeius 20 legati. Vgl. ferner Meyer (1922) 115– 119; Gelzer (1949) 156ff; Rickman (1996) 55–58; Seager (2002) 107ff; Christ (2004) 117ff. 85 Exemplarisch für die Wahrnehmung des Rheins durch die Römer Cic. Pis. 81: „[…] brauche ich den furchtbaren Germanenstämmen nicht den Graben des gewaltig einherströmenden Rheines entgegenzustellen.“ ([…] non Rheni fossam gurgitibus illis redundantem Germanorum immanissimis gentibus obicio et oppono;); ferner Caes. Gall. 1,33,3–4; 2,4,2. 86 Zur Alexander-Imitatio des Pompeius vgl. Weippert (1972) 56–104. Alexander der Große hatte sich zwar zum Ziel gesetzt, den Oceanos zu erreichen, doch eine Überfahrt wäre undenkbar gewesen, vgl. Högemann (1985) 61–72. 87 Verhalten bewertet Tac. Agr. 13,1 Caesars Leistung. Die Entdeckung eines alter orbis betonen Vell. 2,46,1; Flor. 1,45,16; indirekt Cass. Dio 39,53,2. Plut. Caesar 23,3 deutet Caesars Britannienkampagne als Versuch, die Herrschaft des römischen Imperiums über die Grenzen der oikumene hinaus zu erweitern.
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rahmt von drei kleineren und einem großen Kranz, die auf die Triumphe des Pompeius hindeuteten. Die Kornähre und der Schiffsschnabel an den Seiten memorierten die außerordentlichen imperia des „Magnus“ zur Bekämpfung der Seeräuber und zur Sicherung der Getreideversorgung. Im Jahr darauf gerieten Denare in Umlauf, deren Rückseiten ein Seetropaion und einen gefesselten Gefangenen zeigten, eine Anspielung auf Pompeius’ Krieg gegen die Seeräuber.88
RRC 426/4a. Faustus Sulla ließ 56 v. Chr. Denare prägen. Auf dem Revers ist im Zentrum ein Globus dargestellt, der von vier Ehrenkränzen umringt ist. Kornähre und rostrum symbolisieren die außerordentlichen imperii des Pompeius.
Caesar wiederum ließ Rom durch eine beständige Korrespondenz unmittelbar an seinen militärischen Leistungen zu Lande und zu Wasser teilhaben. Persönlich stand er im ständigen Briefkontakt etwa mit Cicero. Neben dem Bruder des berühmten Redners begleiteten den Iulier auch junge Adlige aus den vornehmen Häusern der Bruti oder Crassi nach Germanien und Britannien und berichteten wiederum ihren Familien von den Kriegskampagnen ihres Feldherrn.89 Dadurch blieb Caesar trotz seiner Abwesenheit Stadtgespräch. Mit der Veröffentlichung seiner commentarii, wohl noch im Jahr 52 v. Chr., setzte sich Caesar selbst ein literarisches und historiographisches Denkmal, auch seines maritimen Könnens.90 88 Kraft (1968) 7ff; Hollstein (1993) 273ff; 370ff. 89 Die supplicatio, die Caesar nach der Unterwerfung fast aller Stämme der Belger vom Senat zuerkannt bekommen hatte, wurde ihm auf Grund seines Berichtes der Ereignisse gewährt, Caes. Gall. 2,35,4. Caesar stand etwa während der Britannienexpeditionen in reger Korrespondenz zu Cicero, welches dieser in verschiedenen Briefen andeutet, etwa ad. Q. f. 2,11,4–5. 14,1. 16,5; 3,1,8.17.18.25. 5,3. 6,3 (Dez. 55 v. Chr. – Okt. 54 v. Chr.). In diesen Briefen berichtet Caesar auch von strategischen Plänen, errungener Beute und verwirklichten Zielen. Daher wusste Cicero um die magere Beute aus der Britannienexpedition, wie er in Att. 4,20,5 preisgibt. Zu Ciceros Beziehung zu Caesar im Jahr 54 v. Chr. Cic. ad. Q. f. 2,16,1 Dass Caesar zu mehreren Personen brieflichen Kontakt pflegte, bezeugt Cic. Ad Q. f. 2,13,3; 3,1,20. Unter den legati Caesars sticht Quintus, der Bruder des Cicero, als reger Berichterstatter per Brief heraus, siehe Cic. ad. Q. f. 3,1,13; Att. 4,18,10. 20,5. Vermutlich verlief Caesars und Quintus’ Briefkontakt zu Cicero in hoher Frequenz, denn Cicero drückt in ad. Q. f. 3,3,1 seine Sorge darüber aus, dass er seit mehr als sieben Wochen keine Nachricht von seinem Bruder oder Caesar erhalten habe. Vgl. Meier (2004) 355: „Die Römer verfolgten es gespannt; zahlreiche junge Adlige fuhren zu Caesar, um als Offiziere an der Invasion teilzunehmen.“ 90 Zur Absicht der commentarii etwa Knoche (1951) 143f.: „Es will nicht eine historische Monographie sein im Sinne der üblichen rhetorischen Geschichtsschreibung, sondern die literarische Gestaltung des authentischen Aktenmaterials aus der Privatkanzlei des römischen Pro-
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So schreibt er en detail über die Konstruktionen der venetischen Schiffe, ihre taktischen Stärken und Schwächen während des Seekampfes, sowie die strategische Lösung zur siegreichen Bekämpfung der feindlichen Großsegler in der Seeschlacht beim heutigen Kap Saint-Gildas.91 Sein nautischer Sachverstand wird bei der Beschreibung der Flottenrüstung für die zweite Britannienexpedition deutlich, wenn er äußerst präzise die Abweichungen im Schiffsbau darlegt, welche für eine Anpassung an die Bedingungen der atlantischen See notwendig waren.92 Schließlich stilisiert er sich als Bezwinger der Meere, wenn er es vermag, trotz der auftretenden Verluste durch Seestürme die Flotte wieder instandzusetzen und sein Heer zweimal sicher nach Britannien überzusetzen.93 Obwohl die Schilderungen in seinen commentarii fraglos überhöhte Stilisierungen seines nautischen Könnens sind, kommen ihm die Erfahrungen aus den Atlantikexpeditionen während des Bürgerkrieges tatsächlich praktisch zugute. Als er beispielsweise während seines Spanienfeldzuges 49 v. Chr. unweit von Ildera sein Lager zwischen zwei Flüssen postierte, die nach einem Unwetter durch plötzlich aufkommendes Schmelzwasser unpassierbar wurden, ließ er zum Übersetzen der Truppen Schiffe nach dem Modell der Transporter erbauen, welche seine Truppen bei der zweiten Britannienexpedition verschifft hatten. Dadurch war es ihm möglich, der prekären Versorgungslage, in welche seine Legionen geraten waren, zu entkommen und wenig später seine Gegner zur Kapitulation zu zwingen.94 Schließlich soll noch auf einen letzten Aspekt der Atlantikoperationen Caesars verwiesen werden, der für die Seekriegführung im Bürgerkrieg von Bedeutung ist. Denn nicht nur Caesar zehrte von diesen seinen Erfahrungen, sondern auch die Seekommandanten, welche im Kampf um die dignitas Caesars auf den Meeren die Flotten kommandierten, „verdienten sich ihre Sporen“ während der Seekampagnen im Atlantik. Unter ihnen sticht D. Iunius Brutus Albinus besonders her-
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consuls während seiner Amtszeit in Gallien, und zwar für die breite Öffentlichkeit. […] Durch diese beiden Worte [res gestae, Anm. M. Ladewig] wird also bereits in der Überschrift gesagt, daß Caesar durchaus keine Gesamtdarstellung der Vorgänge in Gallien geben wollte; sein Thema ist vielmehr ein ganz spezielles: es behandelt die militärischen Maßnahmen und Ereignisse.“ Ebenso Botermann (2002) 284f., welche die propagandistische Wirkung des Werkes als nicht zu gering einschätzt. Anders Rüpke (1990) 121, der die commentarii als Rechtfertigung für das Ausbleiben eines bellum iustum deutet. Bei der Frage der Veröffentlichung der commentarii werden die Jahre 52 oder 51 v. Chr. favorisiert, etwa bei Knoche (1951) 144; Grant (1970) 152; kontrovers dazu Barwick (1955) 51–72, der sich für eine sukzessive Veröffentlichung Jahr für Jahr einsetzt; vgl. den älteren Forschungsstand bei Gesche (1976) 78–83; ferner die Ausführungen von Meier (2004) 309–321. Caes. Gall. 3,13,1–15,5. Caes. Gall. 5,1,1–5. Insgesamt wird seine Flotte zweimal Opfer eines plötzlichen Seesturmes und nur Caesars Geschick war es zu verdanken, dass die Schiffe repariert und einsatzfähig gemacht werden konnten, Gall. 4,29,1–4.31–2–3; 5,10,2–11,5. Caes. civ. 1,48,1–54,5; Grant (1970) 170f.; Meier (2004) 459.
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aus.95 Er hatte die gaditanischen Schiffe während Caesars Statthalterschaft in Hispania ulterior befehligt und das Landheer zur Insel übergesetzt, auf welcher sich die lusitanischen Flüchtlinge versteckt hielten. Im Kampf gegen die Veneter 56 v. Chr. hatte er sein nautisches Können bewiesen, indem er sich gegen die gebräuchliche Rammtaktik entschied, da sich ein Durchstoßen der mächtigen Holzrümpfe der venetischen Schiffe als äußerst schwierig erwiesen hätte. Zudem waren die Ruderschiffe der Römer den gegnerischen Großseglern weit unterlegen. Die Situation richtig einschätzend ließ Brutus Albinus statt dessen an langen Holzlanzen Sicheln anbringen, mit welchen die Segeltaue der Veneter beim Kreuzen durchtrennt und die Schiffe ihrer Geschwindigkeit beraubt werden konnten. Erst danach war es den römischen Truppen an Bord möglich, die gegnerischen Schiffe zu entern. Obgleich Caesar auf eine genaue Identifikation der Flottenbefehlshaber in seinen commentarii zur Britannienexpedition verzichtet, liegt die Vermutung nahe, dass Brutus auch hier derjenige war, der die Flotte kommandierte. Die Erfahrungen aus den Seeoperationen in den atlantischen Gewässern prädestinierten Brutus für das Flottenkommando im Bürgerkrieg. Daher wird er es sein, der für Caesar die Seesiege bei Massilia und Taurois gegen die Schiffe der Massalioten und die Anhänger des Pompeius erringen wird. 4.3.2 Der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius – Qui mare teneat, eum necesse esse rerum potiri „Sein [Pompeius’, Anm. M. Ladewig] ganzer Plan ist der des Themistocles. Er meint, wer das Meer beherrscht, der werde unbedingt den Krieg gewinnen. Darum hat er sich nie darauf versteift, Spanien um seiner selbst willen zu halten; seine Hauptsorge ist immer gewesen, sich eine Seemacht zu schaffen. Wenn es soweit ist, wird er also mit einer gewaltigen Flotte auslaufen und nach Italien kommen;“96
Diese Einschätzung der Strategie des Pompeius aus der Feder Ciceros verdeutlicht einen wesentlichen Aspekt der römischen Bürgerkriege, der bisher in der For-
95 Daneben findet sich noch C. Volusenus, der mit einem Kriegsschiff 55 v. Chr. voraus gesandt wurde, um nach geeigneten Landungsplätzen an der britannischen Ostküste Ausschau zu halten (Caes. Gall.4,21,2). Er selbst vermied eine Landung am britannischen Strand. Statt dessen kehrte er nach fünf Tagen zurück, um Caesar Bericht zu erstatten (Caes. Gall. 4,21,9). Höchst wahrscheinlich wählte Caesar den von Volusenus ermittelten Landeplatz (Caes. Gall. 4,23,5). 96 Cic. Att. 10,9,4: cuius omne consilium Themistocleum est; existimat enim, qui mare teneat, eum necesse esse rerum potiri. Itaque numquam id egit, ut Hispaniae per se tenerentur, navalis aparatus ei semper antiquissima cura fuit. Navigabit igitur, cum erit tempus, maximis classibus et ad Italiam accedet. Es erscheint mir wichtig darauf hinzuweisen, dass diese taktischen Erwägungen allein aus dem Geiste und der Feder Ciceros stammen. Inwieweit er wirklich über die Pläne Pompeius’ Kenntnis hatten, bleibt spekulativ. Wir wissen, dass Cicero erst im Sommer 49 v. Chr. von Formiae aus per Schiff zu Pompeius aufbrach (Cic. fam. 14,8), also mindestens zwei Monate nachdem er den oben zitierten Brief an Atticus geschrieben hatte. Zu Ciceros Anteilnahme an der Kriegsstrategie des Pompeius vgl. Heller (2006) 61–89.
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schung nicht ausreichend Beachtung fand: die Bedeutung des Meeres.97 Dabei wird etwa durch Cicero die Beherrschung der See als wesentlicher Machtfaktor wahrgenommen und zugleich wird ihr kriegsentscheidende Relevanz zugeordnet. Daher versteht sich der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius auch als Kampf um die maritime Suprematie. Daraus wiederum lässt sich eine starke Konzentration kriegerischer Auseinandersetzungen auf dem Meer konstatieren. Bereits zum Auftakt des Krieges machte sich Pompeius das Meer zunutze. Denn nachdem Caesar mit drei Legionen in Norditalien eingefallen war und innerhalb von zwei Monaten zahlreiche Städte entlang der italischen Ostküste, wie Ariminum, Pisaurum, Fanum, Ancona, Arretium, Iguvium, Auximum, Firmum Picenum, Ascolum, Sulmo, Arpi und Corfinium besetzte oder zum Überlaufen bewegen konnte98, blieb Pompeius nur die Flucht aus Italien. Gemeinsam mit zahlreichen Senatoren und den amtierenden Consuln floh Pompeius über die Adria nach Dyrrachium an der illyrischen Küste, das nun als Ausgangsbasis für die Koordination des Krieges gegen Caesar dienen sollte.99 Auf beiden Seiten begann man recht zügig mit der maritimen Aufrüstung. Pompeius nutzte seine weitreichenden Clientelbeziehungen und ließ aus den östlichen Provinzen zahlreiche Schiffe bei Dyrrachium zusammen ziehen, teils auch neue erbauen. Ferner operierten kleinere Verbände loyaler Statthalter im westlichen Mittelmeer. In Anlehnung an seine Erfahrungen aus dem Krieg gegen die Seeräuber entschied Pompeius sich für die Aufgliederung der gesamten Flottenstärke auf 97 Die antiken Autoren hingegen haben der maritimen Dimension dieser Kriege eine zur Landkriegführung gleichrangige Bedeutung beigemessen. Cicero schreibt bereits im Februar 49 v. Chr. an seinen Freund Atticus (8,11,2) zur Strategie des Pompeius: „ […] von Anfang an hat er nur den einen Gedanken gehabt, die ganze Welt und alle Meere in Bewegung zu setzen,“ (sed hoc a primo cogitavit, omnes terras, omnia maria movere). Kurz darauf – nach der Abfahrt der Consuln und Senatoren nach Corfinium – wird Cicero konkreter in seiner Prognose der kommenden Auseinandersetzung, Att. 9,1,3: „Also gut! Gehen wir, bekriegen wir Italien zu Wasser und zu Lande, um uns als gute Staatsbürger zu erweisen,“ (Cedamus igitur et, ut boni cives simus, bellum Italiae terra marique inferamus). Als einer der wenigen in der Forschung verweist Pocock (1959) 68–81 auf die Bedeutung der Flotte für den Bürgerkrieg. Demnach ist für ihn die maritime Übermacht Pompeius’ der Grund dafür, dass dieser Italien räumen ließ, um eine totale Blockade Caesars in Italien mit Hilfe der Flotte zu realisieren, ähnlich Gelzer (1949) 225. 98 Die Ursachen und Umstände, die zum Ausbruch des Bürgerkrieges geführt haben, sollen hier nicht erneut diskutiert werden. Vielmehr wird auf einschlägige Untersuchungen verwiesen, etwa bei Meyer (1922) 259–291; Gelzer (1949) 193–212; Oppermann (1963) 70–74; Grant (1970) 153–163; Dahlheim (1987) 86–102; Will (1992) 136–141; Christ (2000) 351–355; (2004) 134–141; Canfora (2001) 134–150; Meier (2004) 402–437; Baltrusch (2004) 90–93, 398f. 99 Zu den ersten Kriegshandlungen von dem Überschreiten des Rubicon bis zur Flucht der Caesar-Gegner nach Dyrrachium Caes. civ. 1,8,1–25,2; Cic. Att. 7,11,1–9,1,4; Liv. per. 109; Suet. Caes. 32–34,2; Vell. 2,49,1–50,2; Flor. 2,13,18–19; Plut. Caesar 32,1–35,2; Pompeius 60,1–62,2; Cato minor 52,1–3; App. b.c. 2,34–39; Cass. Dio 41,4,1–12,1; Oros. 6,15,1–4; vgl. Clark (1915) 79; Meyer (1922) 293–307; Oppermann (1963) 74f.; Gelzer (1949) 212– 223; Grant (1970) 163–166; Dahlheim (1987) 74–79; Will (1992) 153ff; Christ (2000) 357ff; (2004) 143–149; Canfora (2001) 170–176; Seager (2002) 152–161; Meier (2004) 441–453.
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mehrere Geschwader mit eigenen Kommandanten unter dem gemeinsamen Oberbefehl eines Admirals.100 Demgegenüber verzichtete Caesar auf einen zentralen Ausgangspunkt für seine maritimen Operationen, sondern ließ überall dort kleinere Geschwader erbauen, wo deren Nutzen von strategischer Bedeutung war. Verstärkt wurden seine Kontingente durch gaditanische und hispalische Schiffe während der Kriegskampagne in Hispanien im Sommer 49 v. Chr.101 (1) Seeoperationen im mare Liguricum und mare Ibericum Nachdem die italische Halbinsel vorerst in seiner Hand war und Caesar seine Kriegskasse durch die staatlichen Geldreserven des Saturntempels aufgefüllt hatte, begab er sich auf dem Landweg über Südgallien nach Hispanien, um die dortigen Provinzen unter seine Kontrolle zu bringen. Massalia, die zu dieser Zeit politisch wie wirtschaftlich bedeutendste Seestadt Südgalliens, war noch vor seiner Ankunft auf die Seite des Pompeius und des Senats übergetreten und verweigerte
100 Cic. Att. 9,10,2 berichtet bereits im März 49 v. Chr. von Gerüchten, die besagen, „das gesamte Schiffsaufgebot von Alexandria, Colchis, Tyrus, Rhodus, Chius, Byzanz, Lesbus, Smyrna, Milet und Cos wird bereitgestellt,“ (omnis haec classis Alexandria, Colchis, Tyro, Sidone, Arado, Cypro, Pamphylia, Lycia, Rhodo, Chio, Byzantio, Lesbo, Zmyrna, Mileto, Coo […] comparatur). Diese Nachricht deckt sich mit Caesars Bericht (civ. 3,3,1) über die Rüstung des Pompeius. Nach Plut. Pompeius 62,2 aktivierte Pompeius seine Clientelbeziehungen für die Flottenrüstung sehr früh, denn er beauftragte seinen Sohn Gnaeus und seinen Schwiegervater Scipio noch vor der Abfahrt nach Dyrachium im Frühjahr 49 v. Chr. mit der Flottenrüstung in Syrien (vgl. dazu auch Caes. Civ. 3,32,2). Durch Caes. civ. 3,35,1 sind uns die Flottenkommandanten sowie der strategische Oberbefehlshaber überliefert: „Das ägyptische Geschwader befehligte der Sohn des Pompeius, das asiatische Decimus Laelius und Gaius Triarius, das syrische Gaius Cassius, das rhodische Gaius Marcellus und Gaius Coponius, das liburnische und achaische Scribonius Libo und Marcus Octavius. Die gesamte Flotte indessen kommandierte als Admiral Marcus Bibulus; er vereinigte den ganzen Oberbefehl in seiner Hand.“ (praeerat Aegyptiis navibus Pompeius filius, Asiaticis D. Laelius et C. Triarius, Syriacis C. Cassius, Rhodiis C. Marcellus cum C. Coponio, Liburnicae atque Achaicae classi Scribonius Libo et M. Octavius. Toti tamen officio maritimo M. Bibulus praepositus cuncta administrabat; ad hunc summa imperii respiciebat.) Zum Flottenaufgebot und -rüstung des Pompeius vgl. Kromayer (1897) 432–438; Gelzer (1949) 230; Seager (2002) 164; Christ (2004) 153; speziell zur ägyptischen Flotte Heinen (2009) 56ff. 101 Unter Verweis auf Caes. civ. 1,30,1–2 gesteht die communis opinio der Forschung Caesar für die Zeit des Kriegsbeginns keinerlei Flottenmacht zu, vgl. etwa Kromayer (1897) 438; Gelzer (1949) 228; Dahlheim (1987) 79; Will (1992) 156; Christ (2000) 359; (2004) 150; Seager (2002) 161, 163; Meier (2004) 453. Cic. Att. 9,14,4 hingegen attestiert Caesar zu diesem Zeitpunkt sehr wohl eine maritime Streitmacht. Es erhärtet sich vielmehr der Verdacht, dass eine Verfolgung der Gegner gar nicht in Caesars Interesse lag und er das angebliche Fehlen einer Flotte zum Transport als Grund für den Abbruch der Verfolgung in seinen commentarii des Bürgerkrieges vorschob. Denn bereits vor seiner Abreise aus Rom Anfang April 49 v. Chr. wies er den Bau zweier Flotten an und unterstellte sie dem Kommando von Q. Hortensius und P. Cornelius Dolabella (App. b.c. 2,41). Wenn ihm an einer Verfolgung des Pompeius gelegen gewesen wäre, hätte er spätestens nach Fertigstellung dieser Flotten nach Illyrien übersetzen können. Zu Caesars Flottenrüstung Kromayer (1897) 438.
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ihm jegliche Kooperation.102 Zur Unterstützung des Widerstandes gegen Caesar traf kurz darauf auch der für 49 v. Chr. gewählte Proconsul der provincia Gallia ulterior, L. Domitius Ahenobarbus, mit einem Schiffskontingent im Hafen von Massalia ein und koordinierte die gemeinsamen Seestreitkräfte.103 Daraufhin ließ Caesar innerhalb eines Monats ein Geschwader von zwölf Kriegsschiffen bei Arelate (Arles) an der Rhône erbauen und unter den Oberbefehl des Decimus Brutus Albinus stellen. Diesem fiel nach Caesars Abreise in die hispanischen Provinzen die Aufgabe zu, Massalia von der Seeseite her zu blockieren, während die drei Legionen unter dem Legaten Caius Trebonius die Belagerung der Stadt von der Landseite aus begannen.104 Nach mehr als einem Monat der Belagerung versuchten die Massalioten eine Sprengung der Seeblockade mit Hilfe einer Flottille unter dem Kommando des Ahenobarbus. Der Versuch scheiterte kläglich, als die zahlenmäßig überlegenen massaliotischen Schiffe der kühnen Entertaktik der caesarischen Flotte in der Seeschlacht vor der gallischen Südostküste nichts entgegenzusetzen hatten.105 Spätestens zu diesem Zeitpunkt intervenierten Pompeius und der Senat. Sie detachierten L. Nasidius mit einem Flottenkontingent von Dyrrachium aus über die Meerenge bei Messana zur Entsetzung Massalias. Durch einen Schnellsegler von der Ankunft der Verstärkung informiert, rüsteten die Massalioten erneut ihre Schiffe aus und trafen sich mit dem Geschwader des Nasidius, der einige Kilometer von der belagerten Stadt entfernt an der Küste Stellung bezogen hatte.106 In zwei Flanken griffen die verbündeten Schiffe Brutus Albinus an, der mit seiner Flottille die herannahenden massaliotischen Schiffe bis zur Küste von Taurois verfolgte und bezwang. Nasidius floh mit seinem Geschwader nach 102 Zur Bedeutung Massalias vgl. Freyberger (1999) 88–97. Caes. civ. 1,34,3–4 berichtet von Gesandten aus Massalia, die zu Pompeius noch vor dessen Weggang aus Rom, die Bündnistreue schworen und nicht zu Caesar, vgl. auch Vell. 2,50,3; Gelzer (1949) 228; Canfora (2001) 180f.; Meier (2004) 458. 103 Caes. civ. 1,36,1–3. 56,1–3; Suet. Nero 2,3; vgl. zudem Will (1992) 158; Meier (2004) 458. Domitius, der als Caesars Nachfolger in Gallien die Statthalterschaft übernehmen sollte (Caes. civ. 1,6,4; Cic. fam. 16,14,3; Suet. Caes. 34,1; App. b.c. 2,32. 38. 82) muss sich nach seiner Freilassung bei Corfinium durch Caesar (Caes. civ. 1,23,1–5) zu seinem Landsitz bei Cosa begeben haben. Cicero spekuliert in seinen Briefen an Atticus aus dem Monat März 49 v. Chr. (8,14,3. 15,1; 9,1,1. 4,1) über den Aufenthaltsort Domitius und weiß erst wenig später (Att. 9,6,2. 10,3), dass er in Cosa ist und sich für die Abreise bereithält. Caes. civ. 1,34,2–3 berichtet von Domitius’ Versuchen, in der Umgebung um Cosa Schiffe von Privatleuten zusammenzutreiben und mit Sklaven und Personen aus seinem Patronatsverhältnis auszurüsten. 104 Caes. civ. 1,36,4–5; Lucan. 3,509–515. 105 Caes. civ. 1,57,2–58,5; Liv. per. 110; Lucan. 3,521–762; Cass. Dio 41,21,3; Flor. 2,13,25; Clark (1915) 80; Viereck (1996) 206. 106 Caes. civ. 2,3,1–4,5; ferner Cass. Dio 41,25,1. Aus den Quellen ist nicht ersichtlich, ob Pompeius und der Senat Nasidius erst nach der ersten Seeniederlage des Domitius und der Massalioten entsandt haben oder ob dieser bereits nach Beginn der Seeblockade im Mai 49 v. Chr. zur Hilfe detachiert wurde. Einer Notiz bei Caes. civ. 2,3,1–3 ist zu entnehmen, dass Nasidius die Meerenge bei Messana passierte, als Sizilien bereits vollständig unter Curios Kontrolle stand. Dies war frühestens ab dem 23. April der Fall, vgl. Cic. Att. 10,18,3. Ein m. E. nach deutlich zu früh datierter Versuch von Gelzer (1949) 228, der die Ankunft in Dyrrachium als Zeitpunkt der Entsendung festlegt.
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Nordostspanien und überließ die Massalioten ihrem Schicksal.107 Die Bedeutung dieses Seesieges wird in der Beurteilung durch Caesar evident: „Als die Niederlage bekannt wurde, ergriff alle eine so tiefe Trauer, daß es den Anschein erweckte, als ob im gleichen Augenblick auch die Stadt vom Feinde eingenommen sei.“108
Tatsächlich leisteten die Massalioten den caesarischen Truppen noch drei weitere Monate Widerstand, bevor sie Ende Oktober 49 v. Chr. kapitulierten. Weitere Zwischenfälle zur See indes blieben aus.109 Für Caesar erwuchs aus der Eroberung Massalias die Festigung seiner Seehoheit im westlichen Mittelmeer, denn er konnte durch die ausgelieferten Schiffe seine Flottenmacht stärken und dadurch einem erneuten Bündnis der Massalioten mit Pompeius zuvorkommen.110 In den iberischen Gewässern konnte ein Seekrieg im Jahr 49 v. Chr. von den Feinden Caesars nicht realisiert werden, obwohl Vorbereitungen dafür getroffen worden waren.111 Von Italien aus hatte der Legat Pompeius’, Marcus Terentius Varro, in den südhispanischen Seestädten Gades und Hispalis den Bau von Kriegsschiffen veranlasst, die er bei seiner Ankunft in Hispania ulterior übernehmen wollte. Während die Legaten Marcus Petreius und Lucius Afranius sich Caesars Legionen in Hispania citerior bei Ildera entgegenstellten, organisierte Varro die Versorgung der verbündeten Truppen, wobei die ausgehobene Flotte sicherlich Verwendung finden sollte.112 Doch Caesars rasches Vorankommen und die damit einhergehende Reaktivierung seiner engen Clientelbeziehungen zu den Honoratioren der südhispanischen Städte ließen alle strategischen Pläne unnütz werden. Als Varro mit seinen Legionen nach Gades marschierte, um die dort stationierte Flotte sowie die Versorgungsgüter für das Heer zu übernehmen, erhielt er Nachricht vom Überlaufen der Gaditaner zu Caesar. Dieser hatte es nicht versäumt, sich bei seiner Ankunft in Hispania ulterior durch eine Versammlung in Corduba und die Entsendung von Herolden der Treue und Verbundenheit der südiberischen Städte und Gemeinden zu versichern. Varro kapitulierte kurz darauf,
107 Caes. civ. 2,5,1–7,3; Flor. 2,13,25; Cass. Dio 41,25,1; vgl. Clark (1915) 80; Viereck (1996) 206f. 108 Caes. civ. 2,7,3: et re cognita tantus luctus excepit, ut urbs ab hostibus capta eodem vestigio videretur. 109 Zur Belagerung und Eroberung der Stadt: Caes. civ. 2,1,1–2,6 8,1–16,3. 22,1–6; vage in seinen Ausführungen Cic. Att. 10,11,4. 14,3; Liv. per. 110; Suet. Caes. 34,2; Cass. Dio 41,25,2– 3; Oros. 6,15,6–7; Dahlheim (1987) 114. 110 Caes. civ. 2,22,5; Cass. Dio 41,25,3. 111 Dennoch erscheint es mir erwähnenswert, dass Schiffe während der kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Caesar und den Legaten M. Petreius und L. Afranius in Hispania citerior Verwendung fanden. Etwa als Caesar bei Ildera durch ein Unwetter in Not geraten war. Kurz darauf fassten M. Petreius und L. Afranius den Plan ihr Heer bei Otogesa am Ebro überzusetzen, doch hatten sie keine Kenntnis einer Fuhrt. Daher zogen sie aus der Umgebung Schiffe (vermutlich Handelsschiffe) heran und konstruierten mit ihnen eine Schiffsbrücke, auf der sie übersetzten (Caes. civ. 1,61,3–5). 112 Zu den Kriegsvorbereitungen Varros Caes. civ. 2,17,1–18,6; ferner Oros. 6,15,7.
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ohne in eine Schlacht verwickelt worden zu sein.113 Caesar übernahm bei seiner Ankunft in Gades die von Varro in Auftrag gegebenen Schiffe, versegelte mit ihnen im September 49 v. Chr. nach Tarraco (Tarragona) und gliederte sie in seine Flotte ein.114 Drei Jahre darauf wurde das mare Ibericum erneut Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Inzwischen war Pompeius bei Pharsalos besiegt und in Ägypten ermordet worden und die Reste der Caesargegner von Dyrrachium nach Nordafrika geflüchtet. Von dort aus stach Pompeius’ Sohn gleichen Namens mit einer Flottille in Richtung der Balearen in See, nachdem er vergeblich versucht hatte, Gebiete in Mauretanien zu besetzen. Bis auf Ebusus nahm er alle Inseln ohne größere Anstrengungen in Besitz und setzte schließlich zur iberischen Ostküste über. Dort war es unter den caesarischen Legionen zu Ausschreitungen gekommen; für die Gegner Caesars die Chance, erneut in Hispanien Fuß zu fassen. Cn. Pompeius eroberte mehrere Städte, bevor er die Belagerung von Carthago Nova, welches sich widersetzt hatte, von Land und Seeseite her in Angriff nahm. Dort fanden sich wenig später auch sein Bruder Sextus Pompeius sowie P. Attius Varus und T. Labinus mit einer zusätzlichen Flotte zur Unterstützung ein.115 Caesar, der sich nach Abschluss seines Afrikafeldzuges auf Sardinien befand, entsandte den Legaten Didius mit einer Flotte nach Hispanien, um gegen die Schiffe der Pompeiussöhne vorzugehen, während er selbst nach Rom versegelte.116 Bei der Meerenge von Gibraltar griff Didius unter dem Befehl des Attius Varus die pompeianische Flotte an und vernichtete sie bis auf wenige Einheiten. Der kärgliche Rest flüchtete in den Hafen Cateiras, dessen Einfahrt von Didius mit Schiffen blockiert wurde, um weitere Manöver zu verhindern. Daraufhin versegelte er von Cateira aus entlang der iberischen Südspitze nach Gades.117 Noch im November 46 v. Chr. brach Caesar aus Rom in die spanischen Provinzen auf, um gegen die Pompeiusbrüder vorzugehen. Deren Heeresaufgebot konnte er im darauf folgenden Jahr bei Munda vernichten.118 Cn. Pompeius flüchtete zu den verbliebenen Resten seiner Flotte nach Cateira. Da ein Teil der Bewohner Cateiras Pompeius auszuliefern gedachte, war jedoch Eile geboten. Mit 20 Kriegsschiffen brach er überstürzt auf und segelte entlang der iberischen Ostküste. Indessen war Didius mit seiner Flotte von Gades aus in See gestochen, um die 113 Zur Kriegskampagne in Hispania citerior und den Vorgängen in Hispania ulterior Caes. civ. 1,37,1–55,2. 59,1–87,5; 2,18,7–21,3; Cic. Att. 10,10,1; fam. 9,11,1; 16,14,4; Liv. per. 110; Strab. 3,4,10; Vell. 2,50,4; Lucan. 4,1–401; Flor. 2,13,26–29; Frontin. 1,8,9; 2,1,11; App. b.c. 2,42–43; Cass. Dio 41,20,1–24,2; Oros. 6,15,6; Meier (2004) 461; Barceló (2007) 202ff. 114 Caes. civ. 2,21,4–5; Cass. Dio 41,24,3. 115 Cic. Att. 12,2,1; Bell. Afr. 23,1–3; Bell. Hisp. 1,1; Vell. 2,55,2; App. b.c. 2,87; Plut. Caesar 56,1; Cato minor 59,5–6; Cass. Dio; 42,56,4; 43,29,1–30,4; Flor. 2,12,74; vgl. Clark (1915) 94; Schor (1978) 23f.; Lowe (2002) 65f.; Meier (2004) 508; Barceló (2007) 206. 116 Cass. Dio 43,14,2. 117 Cass. Dio 43,31,3; Flor. 2,12,75–76; Kromayer (1897) 443f.; Will (1992) 177; Viereck (1996) 214. Dass Didius in Gades verblieb, wird aus einer Notiz im Bell. Hisp. 37,2 deutlich. 118 Bell. Hisp. 2,1–31,10; Liv. per. 115; Vell. 2,55,3; Plin. n.h. 36,134; Flor. 2,13,78–79; Plut. Caesar 56,2–6; Cass. Dio 43,35,4–38,4; Oros. 6,16,6–8; Grant (1970) 232f.; Will (1992) 178; Canfora (2001) 242f.; Lowe (2002) 66.
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Verfolgung des zur See Flüchtigen aufzunehmen. Da Pompeius aufgrund von Wassermangel zur Landung gezwungen war, holte Didius ihn ein und vernichtete seine Kontingente schließlich vollständig.119 Kurz darauf wurde Pompeius von Caesennius Lento bei Lauro getötet.120 Sextus Pompeius hingegen floh vor Caesars Ankunft in Corduba aus der Stadt in die provincia Hispania citerior zu den dort siedelnden Lacetani, die im Clientelverhältnis zu seiner Familie standen.121 Von dort aus sammelte er einige Schiffe und fähige Männer um sich und begann, an der iberischen Ostküste zu marodieren. Die Plünderungszüge nahmen ein solches Ausmaß an, dass Caesar sich gezwungen sah, darauf zu reagieren.122 Doch erst sein Adoptivsohn Octavian sollte über Sextus Pompeius siegen und so wurde der Kampf um die maritime Suprematie im westlichen Mittelmeer der nächsten Generation überantwortet. (2) Seeoperationen im mare Adriaticum und mare Ionicum: Da das adriatische Meer die beiden Bürgerkriegsparteien geographisch voneinander trennte, wurde es Schauplatz intensiver Auseinandersetzungen. Zum einen galt es, den Gegner an der Entfaltung der Kampfkraft seiner Flotte zu hindern, zum anderen versuchte man ihn an der Etablierung eines Brückenkopfes über die Adria zu hindern. Aus diesem Grund entschied sich der Kampf um die Seehoheit in der Adria im Bürgerkrieg zum großen Teil an den Landungsplätzen Italiens und Illyriens, wobei ein strategisches Ziel immer die taktische Blockade des Gegners auf dem Meer darstellte. Caesars maritime Operationen in der Adria 49 v. Chr. zielten sowohl auf die Absicherung der italischen Ostküste, als auch auf die Etablierung eines Brückenkopfes auf dem illyrischen Festland ab. Als erstes sicherte er Brundisium, den wichtigsten italischen Flottenstützpunkt in der Adria. Dorthin hatte sich Pompeius mit seinen Truppen verschanzt und den Exodus der flüchtigen Senatoren und 30 Kohorten beaufsichtigt. Zu diesem Zeitpunkt war nicht ersichtlich, ob Pompeius Brundisium als Brückenkopf für zukünftige militärische Offensiven in Apulien zu halten gedachte oder aber auf die Rückkehr der Transportschiffe aus Dyrrachium wartete. Daher zog Caesar Anfang März 49 v. Chr. mit seinen Legionen zur Seestadt, begann sie zu belagern und mit Hilfe von Booten und dem Errichten von Dämmen die Hafeneinfahrt zu blockieren. Pompeius leistete heftigen Widerstand, bis die Flotte aus Dyrrachium vor der Hafeneinfahrt gesichtet wurde. Dann durchbrach er die Blockade und entkam über das Meer. Caesar besetzte daraufhin Brundisium sowie weitere Seestädte Apuliens – etwa Tarentum und Sipontum – mit je einem Truppenkontingent und ließ aus der Umgebung Schiffe zu deren 119 Bell. Hisp. 32,6–8; Strab. 3,2,2; Viereck (1996) 214. Danach setzte Didius die Flotte für Ausbesserungsarbeiten an Land und wurde von Lusitanern, die auf Seiten des Pompeius gekämpft hatten, angegriffen. Dabei wurden die Schiffe zerstört (Bell. Hisp. 40,1–7). 120 Bell. Hisp. 38,1–39,3; Flor. 2,13,86; Cass. Dio 43,40,2; Oros. 6,19,6; vgl. ferner Liv. per. 115; Strab. 3,2,2; Vell. 2,55,4; Plut. Caesar 56,6; App. b.c. 2,105; Oros. 6,16,8. 121 Cic. Att. 12,40; Bell. Hisp. 32,4–5; Liv. per. 115; Flor. 2,13,87; Plut. Caesar 56,6; Cass. Dio 43,39,1. 45,10,1–2; Oros. 6,16,9; Schor (1978) 25ff; Lowe (2002) 66f. 122 S. dazu Anm. 228 (Kapitel 4.4.2).
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Schutz nach Brundisium heranschaffen.123 Nach Absicherung der Südküste gab er noch vor seinem Aufbruch in die spanischen Provinzen den Befehl, eine Flotte von 40 Kriegsschiffen vom Stapel laufen zu lassen und unter dem Kommando von P. Cornelius Dolabella zur Patrouille vor der norditalischen Ostküste in die Adria zu versegeln.124 Dort unterstützte sie auch den von C. Antonius begonnen Ausbau des Brückenkopfes auf illyrischem Terrain. Dieser war mit seinem Heer auf der dem Festland vorgelagerten Insel Curcita gelandet, als er von einem feindlichen Geschwader des Pompeius unter dem Befehl von Marcus Octavius und Lucius Scribonius Libo angegriffen und eingeschlossen wurde. Dolabella steuerte die caesarische Flotte zur Unterstützung gegen die pompeianischen Schiffe an, wurde jedoch vollständig vernichtet. Die auf Curcita schutzlos ausgelieferten Truppen des C. Antonius begannen übereilt, mit Flößen von der Insel zum Festland überzusetzen und wurden abgefangen. Auch die eilends aus dem tyrrhenischen Meer zur Hilfe entsandte caesarische Flotte unter dem Kommando des Q. Hortensius konnte gegen M. Octavius und Scribonius Libo nichts ausrichten. C. Antonius kapitulierte und lief mit seinen Truppen zu Pompeius über.125 Caesars Versuche, an den Gestaden Illyriens Fuß zu fassen, waren gescheitert und seine pressant erbauten Flotten zur Sicherung der italischen Gewässer vernichtet oder in Feindeshand. Doch der durch unkonventionelle Entscheidungen in seiner militärischen Strategie immer wieder von Erfolg verwöhnte Caesar konterte sofort. Er nutzte seine wenigen maritimen Ressourcen und setzte entgegen der gängigen Praxis der antiken Seefahrt während der Wintermonate des Jahres 48 v. Chr. einen Teil seiner Streitmacht von Brundisium aus mit zwölf Kriegsschiffen nach Palaeste über, während die übrigen Verbände mit der nächsten Fahrt nachrücken sollten.126 Dadurch gelang es ihm, den engen gegnerischen Verteidigungsgürtel in der Adria auszuschalten. 123 Caes. civ. 1,25,2–30,1; Cic. Att. 9,3,2. 4,2. 5,2. 6,3. 12,3. 14,5. 15A,1. 16,1.3. 17,1. 18; Frontin. 1,5,5; Flor. 2,13,20. Plut. Pompeius 62,3–4; App. b.c. 2,40; Cass. Dio 41,12,2–3 erwähnen die Blockade des Hafens nicht. Cic. Att. 9,14,2 zweifelt an der Blockade des Hafens mit Hilfe von Booten. Die Besatzung verweilte noch bis nach der Schlacht von Pharsalos in Brundisium vgl. Cic. Att. 11,7,2. Entgegen den Quellen ist es nach Clark (1915) 79 offensichtlich gewesen, dass Pompeius in Brundisium lediglich auf die Rückkehr der Flotte wartete, um dann mit ihnen Italien zu verlassen. 124 App. b.c. 2,41–42; Oppermann (1963) 77. 125 Caes. civ. 3,10,5. 67,5; Lucan. 4,402–581; Flor. 2,13,31–33; App. b.c. 2,41. 47. 49; Cass. Dio 41,40,1–2; 42,11,1; Oros. 6,15,8; Clark (1915) 81; Gelzer (1949) 230f.; Oppermann (1963) 80; Dahlheim (1987) 114; Will (1992) 160; Viereck (1996) 207f.; Southern (1998) 36; Christ (2000) 361f.; (2004) 152. 126 Caes. civ. 3,6,1–3. 8,1–2; Vell. 2,51,2; Lucan. 5,406–460; Flor. 2,13,36; Cass. Dio 41,44,1–3; Plut. Caesar 37,3–4; Pompeius 65,2; App. b.c. 2,52–54; Gelzer (1949) 232; Grant (1970) 177; Viereck (1996) 208; Christ (2000) 363; (2004) 157. Dass die Seefahrt während der Wintermonate ruhte, bezeugt beispielsweise Cic. ad. Q. fr. 2,5,5. Zur Winterschifffahrt Gelsdorf (1994) 752, anders Warnecke (2002) 103, der das mare clausum – nach Veg. Mil. 4,39 – als Fiktion abtut. Doch vermag Warneckes Argumentation nicht recht überzeugen. Er wies unzweifelhaft nach, dass in den antiken Quellen mehrfach von Winterschifffahrt die Rede sei (vgl. Warnecke (2002) Anm. 64), wobei u. a. auch Caesar als Beleg anführt, doch misst er den immer wieder in den Quellen anklingenden Vermerk, des erhöhten Risikos und der Un-
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Pompeius’ Strategie war von Beginn an auf die Absicherung der illyrischen und dalmatinischen Westküste ausgerichtet. Wie bereits oben ausgeführt, zog er alle verfügbaren Seestreitkräfte aus den östlichen Provinzen zusammen und gliederte sie in mehrere Verbände, die er über die gesamte illyrische Westküste verteilte, „um Caesar die Überfahrt über das Meer unmöglich zu machen.“127 An strategisch wichtigen Häfen wie Oricum128, Lissus129, Dyrrachium130 oder Corcyra131 postierte er einzelne Flottillen und ließ sie von dort ausgehend operieren.132 Im Norden etwa hatten die verbündeten liburnischen und achaischen Schiffe der legati M. Octavius und Scribonius Libo eine Landung und Festsetzung caesarischer Truppen 49 v. Chr. erfolgreich vereiteln können und besetzten anschließend entlang der illyrischen Westküste die Insel Issa, sowie Seestädte und Landungsplätze; bei Widerstand wurde beantwortet mit Belagerung, wie etwa bei Salonae.133 Doch auch die durchdachteste Strategie erweist sich als ineffizient, wenn deren Konstanten – wie etwa das übliche winterbedingte Aussetzen der Seefahrt – verändert werden. Pompeius besaß gar nicht die Möglichkeit, seine geballte Flottenmacht auszureizen, um Caesar an der Landung in Palaeste zu hindern. Denn seine Schiffe waren unterbesetzt oder in den Häfen und Schiffshäusern untergebracht, um sie wie jedes Jahr für die anstehende Seefahrtssaison auszubessern, als Caesar im Winter 48 v. Chr. mit seiner Flotte Brundisium verließ.134 Doch nachdem Caesar nun einmal in Illyrien gelandet war, bestand dann wenigstens die Möglichkeit, ihn von sämtlichen Nachschubwegen über die Adria abzuschneiden und ihn zu isolieren. Das auf Korkyra stationierte pompeianische Geschwader unter dem Kommando von Marcus Calpurnius Bibulus nahm bei der Rückkehr der caesarischen Transportflotte von Palaeste nach Brundisium die Verfolgung auf und zerstörte dreißig der vierzig Kriegsschiffe durch Brandangriffe. Im Anschluss wurden sämtliche Häfen und Landungsplätze der illyrischen Küste
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gewöhnlichkeit der Winterseefahrt zu wenig Bedeutung bei. Stattdessen nimmt er die Seefahrt während der Wintermonate als gegeben und nicht ungewöhnlich an. Doch hierbei irrt er m. E. Die Winterseefahrt wird die Ausnahme gewesen sein, sonst hätte sie sich anders in den Quellen niedergeschlagen, vgl. etwa Liv. 31,47,1; Plin. n.h. 2,22. Caes. civ. 3,5,2: […] ut mare transire Caesarem prohiberet; auch Vell. 2,51,1; ferner Clark (1915) 81. In Oricum befehligten nach Caes. civ. 3,7,1 Lucretius Vespillo und Minucius Rufus auf Anordnung des Flottenkommandanten Decimus Laelius 18 Schiffe aus der provincia Asia. Unweit von Lissus war der legatus Otacilius Crassus mit einem Schiffskontingent abkommandiert, wie Caes. civ. 3,28,1–2 berichtet. In Dyrrachium lag der Promagistrat C. Coponius mit dem rhodischen Geschwader, Caes. civ. 3,26,2 vor Anker. Da ihn Caesar (civ. 3,5,3) zusammen mit C. Claudius Marcellus als Flottenbefehlshaber der rhodischen Schiffe erwähnt, wird dieser vermutlich auch in Dyrrachium stationiert gewesen sein, auch wenn dies nicht explizit in den Quellen zu finden ist. Auf Korkyra war der Flottenadmiral M. Calpurnius Bibulus, nach Caes. civ. 3,7,1–2, mit 110 Schiffen stationiert. Caes. civ. 3,16,4; Lucan. 5,44–47; ferner Vell. 2,49,2; Cass. Dio 41,43,1–2.5. Caes. civ. 3,9,1–8; Cass. Dio 42,11,1–4; Oros. 6,15,9; Gelzer (1949) 231. Caes. civ. 3,7,1–2.
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von Sason bis Oricum mit Besatzungen und kleineren Flottillen verstärkt.135 Der nautische „Schutzschild“ zeigte Wirkung: Als wenig später der Flottenkommandant Caesars, Q. Fufius Calenus, mit Verstärkungstruppen von Brundisium aus überzusetzen gedachte, erreichte ihn von Caesar die Eilbotschaft, dass es entlang der illyrischen Küste derzeit keinen geeigneten Landeplatz gebe, da diese sich allesamt in Feindeshand befänden. Calenus kehrte mit der Flotte, zur Untätigkeit verdammt, nach Brundisium zurück, wo sie wenig später blockiert werden sollte.136 Denn ein pompeianisches Kontingent von 50 Kriegsschiffen unter dem Kommando von L. Scribonius Libo setzte von Oricum nach Brundisium über und bezog bei der Insel Barra, die sich vor der Hafeneinfahrt erstreckte, Stellung. Von dort aus begann er die Seeblockade, überfiel immer wieder Frachtschiffe, steckte diese in Brand, kaperte Getreideschiffe und fiel mit nächtlichen Überfallkommandos in die Hafenstadt ein. Erst der Ausbruchs- und Angriffsversuch M. Antonius’ auf mehrere Kriegsschiffe an der Hafeneinfahrt zwang Libo zur Aufgabe der Blockade und zum Rückzug.137 Galt der Hafen Brundisiums nun für Caesars Legionen als gesichert, die Überfahrt über die Adria, geschweige denn die Landung in Illyrien war es mitnichten. Dennoch wagte Antonius vier Monate nach Caesars Ankunft in Illyrien mit dem dringend benötigten Nachschub an Truppen die Überfahrt, nachdem dieser zwischenzeitlich die Hafenstädte Apollonia und Oricum annektieren konnte. Von dort setzte er Antonius schriftlich über potentielle Landungsplätze entlang der Küste in Kenntnis, woraufhin dieser mit seiner Flotte von Dyrrachium über Apollonia bis nach Nymphaeum, einem Hafen ca. drei Meilen nordwestlich von Lissus gelegen, versegelte. Die Fahrt der caesarischen Flotte entlang der illyrischen Küste blieb nicht unentdeckt. Von Dyrrachium aus nahm C. Coponius mit einem rhodischen Geschwader die Verfolgung auf, geriet jedoch nach Antonius’ Ankunft in Nymphaeum in einen plötzlich aufgekommenen Seesturm und wurde vollständig zerstört. Zwei andere Schiffe des Antonius, die unweit von Lissus wegen des Unwetters vor Anker gegangen waren, wurden von Otacilius Crassus mit kleineren Fahrzeugen gekapert.138 Kurz nach der Landung fiel Antonius die von Truppen 135 Caes. civ. 3,8,1–4; Cass. Dio 41,44,4; anders Plut. Pompeius 65,4, der Pompeius die Absicherung der Häfen und der Küste zuschreibt. Zum Schutz der Küste wurden aufgrund ihrer Schnelligkeit Reiterabteilungen eingesetzt, wie aus Caes. civ. 3,28,6 hervorgeht. Vgl. zu den Ereignissen auch Clark (1915) 81; Gelzer (1949) 233; Oppermann (1963) 83; Dahlheim (1987) 115; Viereck (1996) 208; Christ (2000) 364; (2004) 157. 136 Caes. civ. 3,14,1–3; ferner App. b.c. 2,56. 137 Caes. civ. 3,23,1–24,4; Cass. Dio 41,46; Gelzer (1949) 236f.; Bengtson (1977) 56; Viereck (1996) 208f.; Southern (1998) 36f.; Christ (2004) 157f. Clark (1915) 81f. deutet den Blockadeversuch Libos als Wende in der Seestrategie der Gegner Caesars: „Coming to the conclusion that it was easier to watch Brundisium than the long lines of Grecian coast;“. Canfora (2001) 184 macht fälschlicherweise Bibulus für die Blockade Brundisiums verantwortlich. Dieser jedoch war nach Caes. civ. 3,18,1–2 noch vor Beginn der Blockade verstorben und der Oberbefehl dadurch vakant geworden. 138 Caes. civ. 3,25,1–28,6; Lucan. 5,476–497. 704–721; Cass. Dio 41,48,1–4; Plut. Caesar 39,1; App. b.c. 2,58–59; Gelzer (1949) 237; Bengtson (1977) 57; Will (1992) 161f. Nach Lucan. 4,498–702; Flor. 2,13,37; Cass. Dio 41,46,1–4; Plut. Caesar 38,1–6; App. b.c. 2,56–57 habe
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des Pompeius besetzte Seestadt Lissus kampflos in die Hände139, wodurch Caesar neben Apollonia und Oricum nun eine dritte Seestadt an der illyrischen Küste unter Kontrolle hatte. Während in den Häfen von Lissus und Oricum Caesars Schiffskontingente als Garantie für dessen sichere Rückkehr nach Italien stationiert und die jeweiligen Hafeneinfahrten zum Schutz vor feindlichen Angriffen mit Lastschiffen verbarrikadiert worden waren, beließ er den legatus Manlius Acilius Caninus mit drei Kohorten zum Schutz dieses neuen Brückenkopfes in Oricum und marschierte mit seinem verstärkten Heer nach Dyrrachium.140 Denn vermochte er auch nicht von See her etwas gegen die zentrale Operationsbasis seiner Gegner auszurichten, so konnte er doch die Störung der Versorgungswege zu Lande anstrengen.141 Pompeius’ Strategie der Isolation Caesars in Illyrien erforderte nun ein rasches Handeln gegen die in Oricum und Lissus stationierten Flottillen. Er detachierte das ägyptische Geschwader unter dem Befehl seines Sohnes, Cnaeus Pompeius, mit Kurs nach Oricum. Dort angelangt vernichtete dieser die Barrikaden an der Hafeneinfahrt, zerstörte durch Feuerangriffe das Gros der vor Anker liegenden Kriegsschiffe und führte vier weitere als Beute aus dem Hafen heraus. Im Anschluss setzte er seine Flotte gegen die von Antonius im Hafen von Lissus vertäuten Transportschiffe ein und verbrannte sie allesamt.142 Wenn auch die anschließende Belagerung von Lissus scheiterte, so war doch Caesars Flotte in der Adria erneut vom Gegner aufgerieben worden und er, spätestens seit der erneuten Blockade Brundisiums durch die kleinasiatische Flotte des D. Laelius, auf See machtlos.143 Die maritime Suprematie in der Adria lag im Sommer 48 v. Chr. allein in Pompeius’ Hand. Sein Gegner hatte erfolglos versucht, seine Operationsbasis Dyrrachium von Land her zu belagern. Mit Hilfe der Flotte gelang Pompeius die Sprengung des Belagerungsringes, indem er mit Schiffen Leichtbewaffnete und Bogenschützen hinter die feindlichen Linien hatte transportieren lassen.144
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Caesar diese Nachricht selbst überbringen wollen und beabsichtigt, inkognito per Schiff nach Italien zu reisen. Caesars Eroberung von Oricum und Apollonia findet sich bei Caes. civ. 3,11,2–12,4; Flor. 2,13,37; Cass. Dio 41,45,1; Plut. Caesar 37,4; Pompeius 65,3; App. b.c. 2,54; Gelzer (1949) 233; Christ (2004) 156. Die Bevölkerung war zu Caesar übergelaufen und öffnete Antonius und seinem Heer die Stadttore, woraufhin die pompeianische Besatzung unter Otacilius Crassus flüchtete, Caes. civ. 3,29,1–2; Southern (1998) 37. Caes. civ. 3,39,1–2; Viereck (1996) 209. Vgl. die Einschätzung bei Christ (2004) 156: „So gelang Caesar […] die Errichtung eine starken Brückenkopfes: […] Das Gelingen dieses so risikoreichen Einsatzes ist kaum zu überschätzen. Es spiegelte sich in der nun ausbrechenden Krise bei den Truppen des Pompeius wider.“ Caes. civ. 41,3–5.; App. b.c. 2,55. Caes. civ. 40,1–5; Cass. Dio 42,12,1–3; App. b.c. 2,56; Clark (1915) 89; Gelzer (1949) 238f.; Viereck (1996) 209. Nach Caes. civ. 100,1–3 blieb diese bis zu Pompeius’ Niederlage bei Pharsalos bestehen. Nach Cass. Dio 42,12,3 hatte auch der Sohn des Pompeius, Cnaeus, einen Angriff auf Brundisium versucht, war jedoch gescheitert. Caes. civ. 3,42,1–54,2. 56,1–2. 58,1–73,2; Liv. per. 111; Vell. 2,51,2–3; Suet. Caes. 35,1. 68,3; Lucan. 6,1–313; Flor. 2,13,39–43; Cass. Dio 41,49,1–51,1; Plut. Caesar 39,1–11; Pom-
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Umso mehr verwundert es, dass er sich persönlich von seinem maritimen Machtinstrumentarium entfernte und Caesar ins Landesinnere nach Thessalien folgte. Hier, in den weiten Ebenen bei Pharsalos, vermochte ihm seine Flotte keinerlei strategische Vorteile zu liefern, stattdessen stand er plötzlich einem einsatzbereiten Landheer gegenüber, welchem er wenig später im Kampf unterlag.145 Mit der Niederlage bei Pharsalos fällt zugleich Pompeius’ maritime Vorherrschaft, und es wirkt geradezu grotesk, dass der Römer, der einst durch die lex Gabinia das bis dato größte maritime Aufgebot der res publica populi romani unter seinem Befehl kommandierte, der innerhalb eines Jahres im Krieg gegen Caesar aus den Ostprovinzen des Reiches eine riesige Flotte von ca. 300 Schiffen zusammenzog, nun mit einem kleinen Segler von Amphipolis, Mytilene, Attalia, Syedra und Paphos nach Pelusium flüchten musste, wo er direkt bei seiner Ankunft ermordet wurde.146 peius 66,1–2; App. b.c. 2,60–64; Oros. 6,15,18–21; Gelzer (1949) 239–247; Oppermann (1963) 83f.; Grant (1970) 179f.; Gesche (1976) 131; Dahlheim (1987) 116f.; Will (1992) 162f.; Southern (1998) 38f.; Christ (2000) 365; (2004) 158ff; Canfora (2001) 184f.; Seager (2002) 165f.; Meier (2004) 468–473; Baltrusch (2004) 104. 145 Caes. civ. 80,1–99,5; Liv. per. 111; Vell. 52,1–6; Suet. Caes. 35,1; Lucan. 6,314–7,631; Frontin. 2,3,22; Flor. 2,13,45–50; Cass. Dio 41,52,1–62,6; Plut. Caesar 42,1–45,8; Pompeius 69,1–72,4; App. b.c. 2,64–82; Oros. 6,15,22–27; Gelzer (1949) 251ff; Oppermann (1963) 85f.; Grant (1970) 181f.; Dahlheim (1987) 118; Will (1992) 163ff; Southern (1998) 39; Christ (2000) 366; (2004) 161f.; Canfora (2001) 185ff; Seager (2002) 167; Meier (2004) 474f.; Baltrusch (2004) 105. 146 Caes. civ. 3,96,4. 102,2–104,3; Cic. Att. 11,7,3; Liv. per. 112; Vell. 53,1–4; Lucan. 8,1–822; Flor. 2,13,51–52; Cass. Dio 42,2,1–5,7; Plut. Caesar 45,9; Pompeius 73,1–80,4; App. b.c. 83– 86; Oros. 6,15,27–28; Gelzer (1949) 256–259; Grant (1970) 185–188; Dahlheim (1987) 119; Seager (2002) 167f.; Christ (2004) 162–165; Schäfer (2006) 48–52. Anders Baltrusch (2004) 105, der nach Pharsalos immer noch von einer intakten Flotte spricht. Ähnlicher Eindruck wird von Meier (2004) 476 erweckt. In der Beurteilung Appians habe Pompeius einen strategischen Fehler begangen, sich vom Meer und damit von seiner entscheidenden Waffe, der Flotte, getrennt zu haben, App. b.c. 2,71: „Diese Fahrzeuge beteiligten sich indessen nicht an der Schlacht – es tat dies auch nicht die übrige Flotte –, sie blieben vielmehr untätig bei Kerkyra liegen. Pompeius scheint mir darin höchst unklug gehandelt zu haben, daß er einerseits seiner Flotte, durch deren große Überlegenheit er allenthalben den Feinden Zufuhr lebenswichtiger Güter hätte abschneiden können, keine entsprechende Bedeutung beimaß und anderseits eine Landschlacht mit Männern wagte, die sich auf ihre vielen Strapazen etwas zugute taten und gleich wilden Tieren nach Kampf verlangten.“ (ἀλλ᾽ αἵδε µὲν οὐ συνεµάχησαν: οὐδὲ γὰρ τὸ ἄλλο ναυτικόν, ἀλλ᾽ ἐπὶ ἀργίας ἐν Κερκύρᾳ κατέµενε. καὶ δοκεῖ Ποµπήιος τόδε µάλιστα ἀφρόνως ἐργάσασθαι, τῶν µὲν νεῶν καταφρονήσας, αἷς δὴ πολὺ προύχων ἐδύνατο πανταχοῦ τὴν ἐπακτὸν ἀγορὰν τοὺς πολεµίους ἀφαιρεῖσθαι, ἐν δὲ ἀγῶνι πεζῷ συνενεχθεὶς ἀνδράσιν ἐκ πόνου πολλοῦ µεγαλαύχοις τε καὶ θηριώδεσιν ἐς µάχας γενοµένοις). Ebenso urteilt Plut. Pompeius 76,2–3: „Wirklich hat Pompeius keinen größeren Fehler begangen und Caesar keinen klügeren Schachzug getan, als daß er die Entscheidungsschlacht so weit von der maritimen Machtbasis des Gegners abzog.“ (οὐδὲν γὰρ ἁµάρτηµα Ποµπηΐου µεῖζον οὐδὲ δεινότερον στρατήγηµα Καίσαρος ἢ τὸ τὴν µάχην οὕτω µακρὰν ἀποσπάσασθαι τῆς ναυτικῆς βοηθείας.) Ciceros Urteil stellt wohl das Verheerendste dar, Cic. fam. 7,3,2: „Seitdem [nach dem Entschluss, mit seinem Heer nach Thessalien zu ziehen, Anm. M. Ladewig] war der große Mann kein Feldherr mehr.“ (ex eo tempore vir ille summus nullus imperator fuit.). Auch in der Forschung finden sich derlei Einschätzungen wieder, etwa bei Clark (1915) 90ff; älterer
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Im Anschluss an Pharsalos zerbrach Pompeius’ geballte Flottenmacht in fünf getrennt voneinander operierende Teile. Die rhodischen und ägyptischen Geschwader kehrten in ihre Heimathäfen zurück.147 Ein Schiffskontingent unter L. Cassius versuchte im Herbst 48 v. Chr. Caesar am Überschreiten des Hellesponts zu hindern, lief jedoch in Anbetracht der Aussichtslosigkeit dieses Versuches schließlich über.148 M. Octavius besetzte mit seiner Flotte die Insel Issa und marodierte entlang der illyrischen Westküste. Seestädte und Häfen, die im Bündnis mit Caesar standen oder von seinen Soldaten besetzt worden waren, wurden angegriffen, geplündert und belagert. Zwar gelang es dem Quaestor Q. Cornificius, der von Caesar bereits im Sommer 48 v. Chr. mit zwei Legionen zur Absicherung Illyriens entsandt worden war, mit einer kleinen Flottille während eines Seegefechtes einiger Schiffe des Octavius habhaft zu werden, doch aufhalten und besiegen konnte er den Flottenkommandanten des Pompeius’ nicht.149 Daher forderte er dringend benötigte maritime Verstärkung aus Italien an. Der legatus in Brundisium, P. Vatinius, der die zweite Blockade des Hafens durch die pompeianische Flotte des D. Laelius im Sommer 48 v. Chr. erfolgreich bekämpft hatte, rüstete im Winter 48/47 v. Chr. aus Mangel an Kriegsschiffen seine Schnellsegler mit Rammspornen aus und versegelte mit seiner Flotte wohl im Frühjahr 47 v. Chr. nach Illyrien. Dort bemächtigte er sich einiger Seestädte und zwang Octavius zur Aufgabe der Belagerung von Epidauros. Dieser formierte seine Flotte bei der Insel Tauris erneut und liefere Vatinius eine Seeschlacht. Trotz der fragileren Rümpfe der Schnellsegler, die bei einem Rammangriff irreparabel beschädigt worden wären, entschied die caesarische Flottille den Kampf für sich. Während Octavius nach Nordafrika flüchtete, erbeutete Vatinius die im Hafen von Tauris verbliebenen Kriegsschiffe und besetzte wenig später die Insel Issa.150 Der dritte und zugleich größte Flottenabschnitt von Pompeius’ Verbündeten flüchtete noch im Jahr 48 v Chr. unter der Führung Marcus Portius Catos von Dyrrachium nach Corcyra und formierte sich dann in Afrika neu151, wodurch sich die Bürgerkriegskämpfe auf See auf das mare Libycum ausweiteten.
(3) Seeoperationen im mare Tyrrhenum und mare Libycum: Dem thyrrhenischen und dem libyschen Meer wurden im Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar Schlüsselpositionen beigemessen, denn über deren Seewege
147 148 149 150 151
Forschungsüberblick bei Gesche (1976) 131. Nach Gelzer (1949) 259 stand Pompeius unter dem Einfluss anderer und wurde zum Marsch nach Thessalien gezwungen. Verständnislosigkeit für die strategische Entscheidung Pompeius’ bei Schäfer (2006) 46f. Caes. civ. 3,111,3; Cass. Dio 42,12,4. Anders Baltrusch (2004) 105. Suet. Caes. 63; Cass. Dio 42,6,2. App. b.c. 2,88. 111 verwechselt L. Cassius mit C. Cassius Longinus, dem pompeianischen Flottenbefehlshaber im mare Tyrrhenum. Bell. Alex. 42,2–3. Cornificius hatte mit Hilfe der Bewohner der römischen Kolonie Iader ein kleineres Schiffskontingent zusammenziehen können. Bell. Alex. 43,4–47,5; Cass. Dio 42,11,4–5; Kromayer (1897) 435f.; Viereck (1996) 212f. S. Anm. 167 (Kapitel 4.3.2)
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erreichte man drei der wichtigsten Getreideprovinzen des Imperium Romanum: Sardinien, Sizilien und Nordafrika. 152 Schon Cicero prognostizierte in einem Brief an seinen Freund Atticus vom März 49 v. Chr.: „Denn unser Gnaeus ist eigentümlich erpicht darauf, es der Gewaltherrschaft Sullas gleichzutun. […] Es besteht die Absicht, zunächst die Hauptstadt und Italien auszuhungern, sodann die Felder zu verwüsten, zu sengen und zu brennen.“153
Sowohl die Besetzung der Provinzen als auch die Kontrolle der Seerouten für die Annona-Frachter Roms waren evidente Ziele beider Bürgerkriegsparteien und bestimmten deren strategische Handlungen auf dem Meer. Da Caesar ein Abschneiden der Getreidezufuhr nach Rom durch Pompeius befürchtete, ließ er bei seiner Abreise nach Iberien im Frühjahr 49 v. Chr. eine Flotte von 70 Kriegsschiffen bauen und unter dem Befehl des Flottenkommandanten Q. Hortensius in das tyrrhenische Meer verlegen.154 Ferner entsandte er den Legaten Q. Valerius Orca mit einer Legion nach Sardinien und beauftragte C. Scribonius Curio mit der Eroberung und Absicherung Siziliens und Nordafrikas. Noch bevor Valerius Orca mit Schiffen nach Sardinien übersetzen konnte, floh der senatstreue Statthalter der provincia Sardinia et Corsica, Marcus Aurelius Cotta, nach Aufständen in der Stadt Caralis in die provincia Africa. Valerius Orca besetzte Sardinien und verblieb dort mit seinen Truppen wohl bis 45 v. Chr.155 Auf Sizilien betrieb der Statthalter und schärfste Caesargegner M. Porcius Cato gerade die Instandsetzung alter und den Bau neuer Kriegsschiffe, sowie Rekrutierungen aus den Reihen der römischen Bürger, als Scribonius Curio mit drei Legionen die Meerenge bei Messana durchfuhr und an der sizilischen Küste landete. Vom Eintreffen des Gegners in Kenntnis gesetzt, gab Cato die Provinz kampflos
152 Lucan. 3,65–70 beschreibt die Wichtigkeit der Provinzen für die Getreideversorgung Roms wie folgt: „Die beiden Inseln sind durch ihre Getreidefelder berühmt; kein fremdes Land hat Italien und die Speicher Roms früher und reichlicher mit seinem Ertrag gefüllt als sie. An Fruchtbarkeit kann Libyen diese Gebiete kaum übertreffen, selbst wenn das Ausbleiben der Südwinde, die vom Nordwind in die heiße Zone getriebenen Wolken und reichliche Regengüsse eine gute Ernte bringen.“ (Utraque frugiferis est insula nobilis arvis; Nec prius Hesperiam longinquis messibus ullae Nec Romana magis conplerunt horrea terrae. Ubere vix glaebae superat, cessantibus Ausris Cum medium nubes Borea cogente sub axem Effusis magnum Libye tulit imbribus annum.). 153 Cic. Att. 9,8,3–4: mirandum enim in modum Cn. Noster Sullani regni similitudinem concupivit […] primum consilium est suffocare urbem et Italiam fame, deinde agros vastare, urere. Dieser Einschätzung folgt auch die Forschung, etwa Clark (1915) 80: „The Pompeians were in possession of Africa, Sardinia and Sicily, the great granaries of Italy; they had control of the sea and were in an excellent position to make good their boast of reducing Rome by starvation.“ 154 App. b.c. 2,41–42; Oppermann (1963) 77. Nach Cic. Att. 10,16,5. 17,1 befand sich Hortensius wohl noch im Mai 49 v. Chr. bei ihm in Cumae. 155 Caes. civ. 1,30,2–3. 31,1; Cic. Att. 10,16,3; fam. 13,4. 5; Lucan. 3,64; Cass. Dio 41,18,1; App. b.c. 2,40; Oros. 6,15,7; Viereck (1996) 207.
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auf, floh per Schiff nach Corcyra und von dort aus zu Pompeius nach Dyrrachium.156 Nach Absicherung Siziliens traf Curio Vorbereitungen zum Übersetzen seines Heeres nach Nordafrika und ließ zu diesem Zweck die von Cato erbauten Kriegsschiffe vermutlich bei Lilybaeum im Süden Siziliens sammeln. Dies würde erklären, warum er von der Passage der pompeianischen Flotte unter L. Nasidius – er war von Pompeius zur Entsetzung des verbündeten Massalias ins mare Liguricum detachiert worden – bei der Meerenge von Messana an der Nordküste Siziliens keinerlei oder zu spät Kenntnis erhielt. Nasidius hatte mit seinem Geschwader im Hafen Messanas Halt gemacht und eines der dort vertäuten Kriegsschiffe gekapert. Curio gelang es weder, den Hafen zu verteidigen noch die Verfolgung aufzunehmen, weshalb Caesar später in seinen Aufzeichnungen lakonisch vermutet: „Er [L. Nasidius, Anm. M. Ladewig] durchfuhr die Meerenge Siziliens da Curio unachtsam war und nichts merkte“.157
Im August 49 v. Chr. versegelte Curio dann sein Heer mit Transportern in Begleitung von zwölf Kriegsschiffen nach Anquillaria in Nordafrika. Die provincia Africa war von Pompeius’ Anhänger P. Attius Varus okkupiert worden, der mit dem Lokalfürsten Iuba eine Allianz geschlossen hatte.158 Zum Schutz der nordafrikanischen Küste ließ er im von Anquillaria 22 Meilen entfernten Hafen Clupeas eine Flottille von zehn Kriegsschiffen unter dem Kommando des Lucius Caesar stationieren. Während Curio das Ausladen seiner Truppen an der Küste überwachte, detachierte er die Kriegsschiffe vom Quaestor Marcius Rufus gegen die gegnerische Schutzflottille bei Clupea. Der Stärke der anlandenden gegnerischen Flotte nicht gewachsen, floh L. Caesar mit seiner Flotte in den sichereren Hafen Hadrumetums und gab den gesamten Küstenabschnitt von Clupea bis Utica preis.159 Curio nutzte die Gunst der Stunde: Während er mit seinem Heer nach Castra Cornelia marschierte und dort sein Heereslager aufschlug, entsandte er die Kriegsflotte unter M. Rufus nach Utica. Die dort im Hafen vertäuten zweihundert voll 156 Caes. civ.1,30,2. 4–5; 31,1; Cic. Att. 10,13,2. 18,3; Lucan. 3,59; Plut. Pompeius 61,1; Cato minor 53,2–3; App. b.c. 2,40; Cass. Dio 41,18,1. 41,1. 157 Caes. civ. 2,3,1: missus freto Siciliae imprudente atque inopinante Curione pervehitur. Für den Aufenthalt in Lilybaeum spricht auch der Hinweis bei Lucan. 4,583, der besagt, Curio sei von Lilybaeum aus nach Nordafrika übergesetzt. Eine andere mögliche Erklärung für Nasidius’ unbehelligte Passage der Meerenge bei Messana liefert eine Notiz Ciceros (Att. 10,5,9) über ein Gespräch, welches er mit Scribonius Curio vor dessen Abfahrt nach Sizilien geführt hatte. Darin äußert Curio seine Befürchtung vor der Flotte des Pompeius und seinen Plan, bei deren Ankunft in sizilischen Gewässern, die Flucht zu ergreifen. Demnach scheute er bewusst die Konfrontation zur See mit dem Geschwader des Nasidius und setzte stattdessen alle Bemühungen in die Vorbereitungen der Überfahrt nach Nordafrika. 158 Caes. civ. 1,31,1–3; Lucan. 4,666–693; App. b.c. 2,44; vgl. Ritter (1987) 128–133. Ursprünglich war L. Aelius Tubero als Statthalter Nordafrikas vorgesehen gewesen. Attius Varus jedoch übernahm die Provinz nach der Niederlage bei Auximum selbstständig und verweigerte Tubero die Einreise (Cic. Lig. 21–29). 159 Caes. civ. 2,23,1–5. 32,12; Lucan. 4,581–585; Cass. Dio 41,41,2; App. b.c. 2,44; Viereck (1996) 207.
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beladenen Frachter wurden erbeutet und deren Ladung ins Heerlager nach Castra Cornelia verschifft und gelöscht.160 Nach diesem Erfolg zur See versuchte Curio nun zu Lande die Entscheidung zu erzwingen und Africa zu erobern. Er stellte sich nach der begonnenen Belagerung Uticas den Truppen Attius Varus’ und Iubas in einer Schlacht am Fluss Bagradas entgegen, in der er schließlich jedoch unterlag.161 Nach Bekanntwerden der Niederlage im Heerlager Curios floh das Gros der Flotte unter dem Befehl eines Schiffskommandanten namens Flamma. Die verbliebenen Schiffe des M. Rufus versuchten, die Überlebenden der Landschlacht, die zur Küste geflüchtet waren, aufzunehmen. Da ihre Ladekapazität jedoch für die Masse der Flüchtigen nicht genügte, kam es zu tumultartigen Versuchen der Soldaten, die Schiffe zu erreichen, woraufhin einige untergingen. Die Übrigen setzten die Segel, fuhren zurück nach Sizilien und überließen die am Strand Zurückgebliebenen ihrem Schicksal.162 Caesars maritime Kriegsbilanz im tyrrhenischen und libyschen Meer war zum Ende des ersten Bürgerkriegsjahres ernüchternd. Immerhin zwei der drei Getreideprovinzen konnte er als gesichert betrachten, die Invasion Nordafrikas war indessen kläglich gescheitert und einige Transporter bei der Flucht zerstört. Zudem war die 70 Einheiten starke Kriegsflotte unter Q. Hortensius, die zur Absicherung der italischen Küste und des tyrrhenischen Meeres erbaut worden war, nach ihrer Abkommandierung in die Adria von dem pompeianischen Geschwader bei der Insel Curcita vernichtet worden.163 Da Caesar für seine Kriegsoffensive in Illyrien das Gros seiner Flotte benötigte, stand das Jahr 48 v. Chr. ganz im Zeichen der Konsolidierung seines maritimen Machtstatus’ im tyrrhenischen Meer. In Messana auf Sizilien stationierte er daher ein Flottenkontingent von 35 Schiffen unter dem Befehl des Legaten M. Pomponius und in Vibo verblieb der Praetor P. Sulpicius Rufus mit einem Geschwader zur Sicherung der italischen Südküste und Sardiniens.164 Während in der zweiten Jahreshälfte vor der Hafeneinfahrt Brundisiums erneut pompeianische Schiffe auftauchten und versuchten, den Hafen zu blockieren, griff der pompeianische Flottenkommandant C. Cassius Longinus mit seiner aus syrischen, kilikischen und phoinikischen Schiffen zusammengesetzten Flottille vor Sizilien den Hafen von Messana an. Da Pomponius es versäumt hatte, mit Patrouilleschiffen den Hafen zu sichern, wurde er vom plötzlichen Angriff auf seine Flotte völlig überrascht. Cassius Longinus steuerte mit Brennmaterial beladene Frachtschiffe gegen die im Hafen ankernde gegnerische Flotte und setzte sie in Brand. Sein anschließender Versuch, in Messana zu landen und die Stadt mit seinen Truppen zu besetzen, konnte jedoch verhindert werden. Daraufhin steuerte er die süditalische Küste bei Vibo an. Fünf Schiffe der dort vertäuten caesarischen Flotte wurden ebenso Opfer 160 Caes. civ. 2,24,1. 25,6–7. 32,12; Lucan. 585–590. 161 Caes. civ. 2,39,1. 42,5; Liv. per. 110; Frontin. 2,5,40; Lucan. 694–799; Flor. 2,13,34; Cass. Dio 41,41,4– 42,5; App. b.c. 2,45; vgl. Oppermann (1963) 80. 162 Caes. civ. 2,43,1–44,1; Cass. Dio 41,42,5–6; App. b.c. 2,46. 163 Oros. 6,15,8. 164 Caes. civ. 3,101,1; App. b.c. 2,54.
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eines durch Frachter herbeigeführten Brandangriffes. Indes konnte Sulpicius Rufus die übrigen Schiffe bemannen und gegen Cassius Longinus aufstellen. In einem Seegefecht bezwang er die pompeianische Flotte und schlug ihren Befehlshaber in die Flucht.165 Das von caesarischen Schiffen völlig unbeachtete mare Libycum wurde für die Anhänger des Pompeius nach der vernichtenden Niederlage ihrer Allianz bei Pharsalos noch im selben Jahr zum Fluchtweg. Von der Insel Korkyra aus flohen sie unter der Führung Catos und Q. Caecilius Metellus Pius Scipio Nasicas mit der verbliebenen Flotte von angeblich 300 Trieren nach Nordafrika, wo sie ihre Kräfte neu formierten.166 Bereits im darauffolgenden Jahr, als Caesars Aufmerksamkeit sich auf Alexandrien konzentrierte, operierte ein Kontingent der pompeianischen Flotte unter dem Befehl des L. Nasidius im tyrrhenischen Meer. Neben der nordafrikanischen Küste diente ihm u. a. die Hafenstadt Sulcis auf Sardinien als Operationsbasis, von wo aus er Seestädte angriff, die Kontore und Lager der Häfen plünderte und einzelne Schiffe okkupierte.167 Die Absicherung der nordafrikanischen Küste und des mare Libycum übernahm Cato, dem zu diesem Zweck die gesamte Flotte unterstellt und Utica mit ihrem großen Hafen als Operationsbasis zugedacht wurde. Indes kommandierte Scipio Nasica als imperator die Landstreitkräfte und behielt hier den Oberbefehl.168 Nachdem Caesar aus dem Osten zurückgekehrt war, suchte er die Entscheidung über die maritime Suprematie in den Gewässern zwischen Italien und Nordafrika. Wie schon zur Offensive in Illyrien im Jahr 48 v. Chr. wählte er auch 46 v. Chr. die Wintermonate als Zeitpunkt des Operationsbeginns. Bereits zur Wintersonnenwende 47 v. Chr. setzte er mit einer Legion und 600 Reitern vom Rhegion nach Messana auf Sizilien über, marschierte nach Lilybaeum, um dort das Eintreffen der Kriegsschiffe, Frachter und der übrigen Truppen abzuwarten und mit der Flotte nach Nordafrika zu versegeln.169 Auf Grund der winterbedingten Seestürme wagte Caesar die Überfahrt nur mit einem Zwischenhalt auf der zwischen Sizilien 165 Caes. civ. 3,101,2–7; Frontin. 4,7,14; Cass. Dio 42,13,1; Viereck (1996) 209f. 166 Liv. per. 112; Lucan. 9,15–371; Flor. 2,13,64; Cass. Dio 42,13,2–4; Plut. Cato minor 56,1–4; App. b.c. 2,87; vgl. Clark (1915) 93; Meyer (1922) 317; Gelzer (1949) 255f.; Viereck (1996) 210; Stein-Hölkeskamp (2000) 304; Christ (2000) 366. 167 Bell. Afr. 64,2. 98,2; Cic. Att. 11,19,3; Cass. Dio 52,56,3. Trotz dieser Überfälle von einer Seehoheit der Caesargegner zu sprechen, wie Baltrusch (2004) 117, ist weit übertrieben. 168 Cass. Dio 42,57,4; Plut. Cato minor 58,5; App. b.c. 2,95 verweisen am Deutlichsten auf die maritime Befehlsgewalt Catos hin, anders Bell. Afr. 1,4 der die Flotte als Teil der Gesamtstreitmacht Scipios nennt. Bell. Afr. 22,1; Liv. 113 nennen Cato lediglich Befehlshaber in Utica. Zu den Kommandos ferner Bell. Afr. 4,4; Vell. 2,54,3; Plut. Cato minor 57,1–3; App. b.c. 2,87; Stein-Hölkeskamp (2000) 305; kritische Einschätzung bei Dahlheim (1987) 134: „Keiner der dort das Kommando führenden Männer verstand etwas von einem großen Krieg und seiner Planung, die das Meer in die strategischen Berechnungen miteinbezog und auf den Angriff setzte, wenn der Gegner seine Kräfte anderswo band.“ 169 Bell. Afr. 1,1–5; Plut. Caesar 52,1–2; App. b.c. 95; Grant (1970) 211f.; Viereck (1996) 213; Christ (2000) 375f.; Canfora (2001) 233. Da Caesar bei seiner ersten Landung in Nordafrika soviele Soldaten wie möglich zu verschiffen gedachte, verzichtete er auf den Transport von Marschgepäck und Tross, Bell. Afr. 47,3.
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und Nordafrika gelegenen Insel Aponiana. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme versprengte die unruhige See das Aufgebot bei der Weiterfahrt nach Nordafrika, so dass einige Flottenabschnitte vom Kurs abkamen, und der Gefahr des Feindangriffes ausgesetzt wurden.170 Caesar indes suchte mit seinem Schiffskontingent nach einem geeigneten Landeplatz, den er als Brückenkopf für die nachrückenden Truppen auszubauen gedachte.171 Nachdem er das von Gegnern besetzte Hadrumetum mit seinem Hafen als potentielle Ausgangsbasis seiner Operationen verworfen hatte, landete er weiter östlich an der Küste der Seestadt Ruspina, bezog dort Stellung und versah sein Lager mit Befestigungs- und Verteidigungsanlagen. Nahe gelegene Seestädte wie Leptis und Acylla liefen zu ihm über und wurden von ihm besetzt.172 Dadurch war es Caesar möglich, einen Küstenabschnitt Nordafrikas abzusichern, um sowohl den versprengten Kontingenten von der ersten Überfahrt sowie der Nachschubflotte von Sizilien einen sicheren Landeplatz zu liefern, als auch eine Ausgangsbasis für die Entfaltung seiner Flottenmacht im libyschen Meer zu besitzen.173 Mit der Verschiffung der übrigen vier Legionen von Lilybaeum nach Nordafrika betraute er den Statthalter Siziliens, Alienus, und den Flottenkommandanten Rabirius Postumus.174 Den Praetor C. Salustius Crispius wies Caesar an, mit ei170 So wurden die Schiffsmannschaften Opfer von Reiterangriffen, als sie zum Auffüllen der Frischwasserreserven an Land gegangen waren (Bell. Afr. 7,5). Ferner wurden die Schiffskontingente von Brandangriffen dezimiert (Afr. 21,3). Der Befehlshaber der bei Thapsus stationierten pompeianischen Flotte, C. Vergilius, hatte zudem versucht, einen Teil der versprengten Flotte anzugreifen (Afr. 28,1–2). 171 Da Caesar keine Kenntnis von der strategischen Absicherung der nordafrikanischen Küste durch Cato besaß, hatte er auf eine vorherige Festlegung eines Landeplatzes für seine Flotte verzichtet, um einer Seeschlacht von Beginn an aus dem Weg zu gehen (Bell. Afr. 3,4–5). Im Nachfolgenden setzte er jedoch mit Hilfe eines Spähschiffes Alienus auf Sizilien von dem gewählten Landeplatz in Kenntnis (Bell. Afr. 26,3) und verließ mit seinen Truppen die Küste bis zur Ankunft der versprengten Flottenabschnittes nicht (Bell. Afr. 7,4). Diese taktische Entscheidung wird in der Forschung oft missverständlich gedeutet, etwa durch Will (1992) 173: „Vor allem die Finanzfrage zwang Caesar, schnelle Kriege zu führen. Der Angriff auf Afrika wurde so eilig in Szene gesetzt, daß bei der Abfahrt von Sizilien die Schiffskommandanten keine Ordres über den Landeplatz an der Küste bekommen hatten. Der Feldherr verließ sich auch in diesem Fall auf Glück und Intuition.“, oder Meier (2004) 500f.; „Ein verwegenes, leichtfertiges, verlustreiches Unternehmen, wider alle Regeln, die Caesar selbst sonst streng befolgte, Mit dem Mut der Verzweiflung, aus Verachtung der Gegner oder in blindem Vertrauen auf das Glück: fast wie wenn er es hätte herausfordern wollen.“ 172 Bell. Afr. 3,1–7,3. 9,1–10,1. 20,1. 26,6. 33,1–5; ferner Cass. Dio 43,4,1–2. Die Besatzungstruppen Acyllas unterstanden dem Kommando des C. Messius, der die Stadt erfolgreich bei der Belagerung durch Considius verteidigte (Bell. Afr. 43).; vgl. Grant (1970) 212; Christ (2000) 377; Canfora (2001) 234. 173 Tatsächlich gelang es einigen Kriegsschiffen und Frachtern seiner ersten Invasionsflotte im nach einigen Irrwegen in die Häfen von Leptis (Bell. Afr. 7,3) und Ruspina (Bell. Afr. 11,1) einzulaufen. 174 Bell. Afr. 2,3. 8,1. 31,1–10; Cass. Dio 43,4,3. 6,2–3. Da Caesar den Nachschub dringend benötigte, forderte er den Transport des Nachschubs trotz schlechten Wetters (Bell. Afr. 26,3). Insgesamt verschifft Alienus die vier Legionen mit Hilfe von zwei Fahrten nach Ruspina (Bell. Afr. Afr. 34,4–5. 37,1. 53).
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nem Schiffskontingent die von Pompeianern gehaltene Insel Kerkina zu besetzen, die dort stationierten voll beladenen Getreidefrachter zu erbeuten und für die Versorgung des Heeres nach Ruspina zu eskortieren.175 Zur Sicherung der umliegenden Küste und der Seeroute nach Lilybaeum sowie zur Überwachung von Feindesbewegungen ließ Caesar kurz nach seiner Landung ein Geschwader von zehn Kriegsschiffen entlang der Küste patrouillieren, während wenig später weitere 27 Kriegsschiffe unter dem Kommando von L. Cispius zur Seefestung Thapsus und 13 Kriegsschiffe durch Q. Aquila nach Hadrumetum versegelten. Den Rest der Flotte postierte er im Hafen von Leptis.176 Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen gelang es einzelnen pompeianischen Geschwadern, wie dem des C. Vergilius bei Thapsus oder des M. Octavius und P. Attius Varus bei der Insel Aegimurus, gegen Caesar erfolgreich zur See vorzugehen.177 Varus griff sogar die bei Leptis stationierte caesarische Flotte an. Er erbeutete zwei Kriegsschiffe und setzte die an der Küste ankernden Transporter in Brand. Caesar wandte sich daraufhin von seiner Festung Ruspina sofort nach Leptis, bemannte die im Hafen vertäuten, noch intakten Kriegsschiffe und verfolgte den nach Hadrumetum flüchtenden Varus. Da sich dieser jedoch zum Schutz in den Hafen der Seestadt zurückgezogen hatte und Caesar einen Angriff auf Hadrumetum wegen des Mangels an Schiffen und der daraus resultierenden Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens scheute, setzte er lediglich die außerhalb des Hafens ankernden Frachtschiffe in Brand und zog sich nach Leptis zurück.178 Um die Erfahrungen der Seekampagnen in der Adria der Jahre 49/48 v. Chr. bereichert, entschloss sich Caesar zur Blockade der beiden gegnerischen Kriegs175 Bell. Afr. 8,3. Als der Praetor C. Sallustius Crispus nach Kerkina gelangte, floh der dort stationierte senatstreue Quaestor C. Decimus. Die Bewohner nahmen Crispus auf und lieferten die Getreideflotte an ihn aus. Diese entsendete er dann zu Caesar nach Ruspina (Afr. 34,1–3). 176 Bell. Afr. 8,2. 21,4. 46,4. 53. 62,2.4. Während Crispius Thapsus auch erreichte, gelangte Aquila aufgrund eines Sturmes nicht nach Hadrumetum, sondern musste in einer Bucht zwischen Leptis und seinem Bestimmungsort Schutz suchen (Bell. Afr. 62,3). Dies würde auch erklären, warum es kurz darauf Attius Varus gelang, seine Flotte von Utica nach Hadrumetum zu verlagern, um von dort widerstandslos Caesars Flotte bei Leptis zu attackieren, vgl. Anm. 179 (Kapitel 4.3.2). 177 Zwei Schiffe der zweiten caesarischen Nachschubflotte aus Lilybaeum wurden von C. Vergilius’ Schiffen, dem Geschwader des M. Octavius und P. Attius Varus gekapert (Bell. Afr. 44,1–2). Vermutlich hat sich auf dem von Octavius und Varus gekaperten Schiff auch der Quaestor Granius Petro befunden. Grund für diese Annahme ist die Parallelität zwischen Plut. Caesar 16,8–9 und Bell. Afr. 45,1–46,4. In Plutarchs Notiz wird von der Kaperung eines Schiffes durch Scipio und der Gefangennahme des Quastors G. Petro berichtet. Ferner wird tradiert, dass Scipio Nasica in Anlehnung an die clementia caesaris G. Petro verschonen wollte. Nachdem Petro ihm entgegenwarf, dass nur Caesars Soldaten es gewohnt seien, Milde walten zu lassen, tötete er sich selbst. Der unbekannte Autor des de bello Africo erwähnt in Zuge der Festnahme der caesarischen Schiffsmannschaft durch Octavius und Varus und deren Auslieferung an Scipio Nasica eine ähnliche Episode, jedoch benennt er als Wortführer den namentlich nicht überlieferten Centurio der XIII. Legion. Auf Grund der Parallelität beider Quellen lässt sich der im Bellum Africanum genannte Centurio als Quaestor aus Plutarchs Schilderung identifizieren. 178 Bell. Afr. 62,1.5–63,5; Clark (1915) 94; Viereck (1996) 213f.
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häfen Hadrumetum und Thapsus, denn er wusste, dass nur ein effektiver Einschluss der feindlichen Flotte in den Stützpunkten ihm die Kontrolle zur See garantierte. Daher verteilte er seine übrigen Kontingente in Leptis auf die Geschwader des L. Cispius und Q. Aquila und beauftragte sie, mit der Seeblockade Hadrumetums und Thapsus’ zu beginnen.179 Er selbst zog mit seinem Heeresaufgebot die Küste entlang und griff Hadrumetum und Thapsus von der Landseite her an.180 Als das Heer Scipio Nasicas und Iubas Caesar in der Ebene vor Thapsus zur Schlacht drängte, verhalf ihm die Flotte zu einem Zangenangriff, mit dem er die gegnerischen Truppen zerrieb.181 Während Caesar daraufhin Hadrumetum eroberte, blieb Cato im Hafen Uticas lediglich die Organisation der Flucht seiner Anhänger.182 So entflohen der bei Thapsus geschlagene Scipio Nasica sowie L. Manlius Torquatus, Plaetorius Rustianus und Damasippus mit einigen Schiffen nach Hispanien zu den Söhnen des Pompeius. Doch bei Hippo Regius wurden sie von einem caesarischen Geschwader des Flottenkommandanten P. Sittius angegriffen und vernichtet, womit das letzte Seegefecht des Bürgerkrieges im mare Libycum ein für Caesar erfolgreiches Ende fand.183 (4) Exkurs: Seeoperationen in den ägyptischen Gewässern: Caesars Aufenthalt in Alexandrien und seine Involvierung in die dynastischen Streitigkeiten der letzten Vertreter des ptolemaischen Herrscherhauses, den Epigonen Alexanders des Großen, band seine gesamte Aufmerksamkeit an Ägypten und konzentrierte zugleich auch seine Flottenmacht in diesem Bereich des Mittelmeeres.184 Als die ägyptischen Truppen unter der Führung ihres Oberkommandierenden Achillas in Alexandria einfielen, kam es zu Straßenschlachten, welche die gesamte Stadt ins Chaos zu stürzen drohten und sich u. a. im Hafenviertel konzentrierten. Denn dort lag nicht nur ein Geschwader von 22 Deckschiffen – deren Aufga179 Bell. Afr. 67,1. 180 Bell. Afr. 68,1–78,9; Cass. Dio 43,4,5–6. 181 Bell. Afr. 79,1–86,3; Liv. per. 114; Suet. Caes. 35,2; Flor. 2,13,66–67; Plut. Caesar 53,1–6; App. b.c. 97; Cass. Dio 43,7,1–9,2; Oros. 6,16,3; vgl. Grant (1970) 213ff; Will (1992) 174; Christ (2000) 377; Meier (2004) 503f. Bei Thapsus erstreckt sich entlang eines zur See nahe gelegenen Salzsees ein schmaler Küstenstreifen, auf dem Scipio Nasica mit seinem Heer Stellung bezogen hatte. Caesar ließ einige Schiffe, welche die Seeblockade bei Thapsus aufrechterhielten, abkommandieren und ein Truppenkontingent in den Rücken Scipios transportieren (Bell. Afr. 80,5). 182 Bell. Afr. 89,1–3. 93,3; Plut. Cato minor 65,1–5; App. b.c. 2,98; Cass. Dio 43,10,1; Stein– Hölkeskamp (2000) 305; Christ (2000) 378; Meier (2004) 505f. 183 Bell. Afr. 96,1–2; Cic. Att. 13,29,4; fam. 9,18,2; Brut. 265–266; Liv. per 114; Flor 2,13,68; App. b.c. 2,97. 100; Cass. Dio 43,9,5; Oros. 6,16,4–5. 184 Zur politischen Situation in Ägypten kurz vor und während Caesars Ankunft und seine ersten Interventionsversuche vgl. Grant (1970) 188–196; Brambach (1991) 72f., 80f., 83f.; Will (1992) 166f.; Hölbl (1994) 203–210; Clauss (1995) 22–29; (2003) 111ff; Huß (2001) 705– 715; Christ (2000) 369; Meier (2004) 483–489; Schäfer (2006) 19–46, 54–63; Schuller (2006) 57–66; Heinen (2009) 26–53, 72–96.
4.3 Der Kampf um die maritime Suprematie – Caesar und Pompeius
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be war es gewesen, die Küste abzusichern – vor Anker, sondern auch die Kriegsflotte der Ptolemaier, welche Pompeius im Kampf gegen Caesar unterstützt hatte und nach der Schlacht bei Pharsalos aus dem Waffenbund mit den Caesargegnern entlassen worden war. Wohl wissend um das Gefahrenpotential dieser maritimen Waffe für seine Seehoheit ließ Caesar alle gegnerischen Schiffe im Hafen in Brand setzen, wobei das Feuer sogar die Bootshäuser ergriff und sich angeblich bis zur Bibliothek von Alexandria ausweitete.185 Anschließend besetzte er mit seinem rhodischen Geschwader von zehn Schiffen und seinen Truppen den östlichen Teil der Insel Pharos und begann mit dem Bau von Schanz- und Verteidigungsanlagen. Die Insel war dem Hafen Alexandrias vorgelagert und durch einen schmalen Wall mit dem Festland verbunden. Östlich dieses Dammes erstreckte sich der Haupt-, westlich davon der Eunostoshafen. Pharos war Caesars Pforte zum Meer, somit Anlaufpunkt für den dringend erwarteten Nachschub zur See und galt als Rückversicherung seiner gesamten Kriegskampagne.186 Indes konzentrierte sich der mit dem Oberbefehl über die ägyptischen Seeund Landstreitkräfte betraute Ganymedes ganz auf die Flotte. Mit einem vornehmlich aus syrischen und kilikischen Schiffen und Flottenmannschaften zusammengesetzten Geschwader griff er unweit der Küstengegend bei Chersonesos die caesarischen Kontingente an. Diese hatten von Pharos aus Kurs nach Nordosten gesetzt, um den Nachschubkonvoi, welcher von Calvinus aus Kleinasien zur Verstärkung über das Meer entsandt worden war und wegen anhaltender ungünstiger Winde nicht bis zum Haupthafen hatte versegeln können, sicher zum Stützpunkt zu geleiten. Die ägyptischen Schiffe kreuzten den Kurs der caesarischen Flotte, um ihr den Weg nach Alexandria abzuschneiden, doch vermochten sie es nicht, die erfahrenen rhodischen Seeleute aufzuhalten. Mit dem Verlust einiger
185 Caes. civ. 3,111,1–6; anders Bell. Alex. 12,3, wo die zerstörten Schiffe auf 110 beziffert werden; ferner Flor. 2,13,59; Plut. Caesar 49,6; Cass. Dio 42,38,2; Oros. 6,15,31; ferner Brambach (1991) 84ff; Hölbl (1994) 210; Clauss (1995) 29f.; Viereck (1996) 210; Heuß (2001) 714f.; Meier (2004) 489; Schuller (2006) 66; Schäfer (2006) 64ff; Heinen (2009) 96. Zum Bibliotheksbrand Cass. Dio 42,38,2; Oros. 6,15,32; Will (1992) 167; Huß (2001) 715 Anm. 105; Schuller (2006) 66; kontrovers dazu Clauss (2003) 98: „Die große Bibliothek […] ist allerdings nicht bei einem Brand verlorengegangen, den Caesar entfachte, um die Flotte der Ägypter zu zerstören. […] Der Verlust der Riesensammlung von einer halben Million Bücher hat eine weniger dramatische Erklärung: Durch Vernachlässigung und sukzessive Zerstörungen ist sie immer wieder dezimiert worden und hat vor allem durch die Angriffe von außen – durch die Eroberer Alexandrias von Zenobia über Diokletian bis zu den Arabern im Jahre 641 – gelitten.“; ebenso Grant (1970) 199; Schäfer (2006) 66–69. 186 Caes. civ. 3,106,1. 112,1–8. Wenig später trafen dort auch Schiffe aus Lykien, Asia und Pontos ein, Bell. Alex. 1,1. 13,5. Als Caesar aufgrund der sabotierten Wasserversorgungswege gezwungen war, Frischwasser für das Heer zu organisieren, griff er auf seine Flotte zurück. Sie versegelte für den Frischwassertransport nach der Schilderung im Bell. Alex. 8,2 entlang der libyschen Küste bis zum befestigten Grenzort Paraetonium, etwa 250 Kilometer westlich von Alexandrien gelegen, oder bis zur Nordostküste Ägyptens. Zum Hafen Alexandrias vgl. die Ausführungen bei Clauss (2003) 78–85.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
Schiffe zog sich Ganymedes zurück und ließ Caesar in den Großen Hafen einfahren.187 Da er um die maritime Stärke seines Gegners wusste, betrieb Ganymedes daraufhin den Ausbau eines großen Schiffsverbandes. Dazu ließ er sowohl alte Schiffe wieder ausbessern und neue erbauen, als auch Zollschiffe vom Nil abkommandieren und für den Seekrieg umrüsten. Innerhalb von wenigen Tagen wurden 22 Quadriremen (Vierruderer), fünf Quinqueremen (Fünfruderer) sowie mehrere kleinere Schiffe zu Wasser gelassen und Caesars Flotte im Eunostoshafen entgegengestellt. Die räumliche Enge des Hafenbeckens und die wenigen Fahrrinnen definierten die Parameter dieses ungewöhnlichen Seegefechtes. Caesar war nicht in der Lage, seine gesamte Flotte in Dwarslinie zu postieren, sondern musste die Schiffe in Kiellinie durch die Fahrrinnen manövrieren, um in Angriffsnähe zu den ägyptischen Schiffen zu gelangen. Im Enterkampf bezwangen die römischen Truppen einen Teil des ägyptischen Aufgebotes, doch verlagerte sich der Kampf daraufhin auf die Eroberung und Besetzung der gesamten Insel Pharos einschließlich des Verbindungswalls zum Festland. In der entscheidenden Schlacht bei der Festung Heptastadion, welche den Zugang zum Damm kontrollierte, erlitt Caesar eine strategische Niederlage.188 Vom Land abgeschnitten drohte ihm nun noch die Blockade von See her, als die ägyptische Flotte von Alexandria bis nach Kanabos zur Mündung des westlichen Nilarmes fuhr, um weitere Versorgungskonvois Caesars am Erreichen ihres Zielortes zu hindern und sich nordöstlich der Flotte Mithridates’ von Pergamon in den Weg zu stellen. Daraufhin übertrug Caesar Tiberius Nero, dem Vater des später regierenden Princeps Tiberius, den Befehl über die Flotte und detachierte ihn zur Absicherung des Nachschubgeschwaders nach Kanabos. Dort besiegte die caesarische Armada die ägyptischen Schiffe und beendete damit zugleich die Seegefechte des alexandrinischen Krieges.189
187 Bell. Alex. 9,3–11,6; anders Cass. Dio 42,38,3–4 der Achillas noch den Oberbefehl während der ersten Seeschlacht zuordnet; Brambach (1991) 88; Viereck (1996) 210; Schäfer (2006) 72. In Caes. civ. 3,110,3 berichtet Caesar von kilikischen und syrischen Seeräubern in der ptolemaischen Flotte des Achillas. Diese wird Ganymedes nach der Befehlsübernahme mit kommandiert haben. Viereck (1996) 210; Heinen (2009) 102 haben zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Großteil der ägyptischen Flotte noch sicher im Eunostos-Hafen gelegen haben könnte und dadurch vom römischen Brandangriff im großen Hafen völlig unversehrt blieb. Demnach hätte Ganymedes diese Schiffe für den Angriff auf Caesars Flottille nutzen können. Zu den Umständen des Kommandowechsels äußert sich Cass. Dio 42,40,1, der u. a. den Disput über den Einsatz der Flotte erwähnt, vgl. ferner Hölbl (1994) 210f.; Huß (2001) 717; Schäfer (2006) 71; Schuller (2006) 66; Heinen (2009) 97–106. Vom stürmischen, seefahrtsuntauglichem Wetter wird bereits in Bell. Alex. 3,4 berichtet. 188 Bell. Alex. 12,2–21,5; Cass. Dio 42,40,2–5; Oros. 6,15,33; Brambach (1991) 88f.; Hölbl (1994) 211; Viereck (1996) 211; Huß (2001) 717; Meier (2004) 489; Schäfer (2006) 72ff. 189 Bell. Alex. 25,1–6; Cass. Dio 42,40,6. 41,1–3; Viereck (1996) 212; Schäfer (2006) 78; Heinen (2009) 111f. Caesar nutzte im Anschluss seine Flotte lediglich noch zum Transport seiner Truppen zum Sammelpunkt mit dem Verstärkungsheer Mithridates’ von Pergamon, welches von Nordosten in Ägypten einmarschierte, Bell. Alex. 28,1–2; Cass. Dio 42,41,1–3; 42,43,2– 3; vgl. Schäfer (2006) 78f.; Heinen (2009) 113f.
4.3 Der Kampf um die maritime Suprematie – Caesar und Pompeius
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Fassen wir zusammen: Pompeius Magnus hatte von Beginn des Bürgerkrieges an seine maritime Kriegsstrategie an für antike Verhältnisse „globalen“ Maßstäben orientiert, ein Flottenaufgebot mit Hilfe seines weit gespannten Clientelnetzwerkes in den östlichen Provinzen zusammengestellt und in mehrere autonome Geschwader durchstrukturiert, was Reminiszenzen an sein imperium extraordinarium gegen die Seeräuber wachrief und rein numerisch die Anzahl der Kriegsschiffe seines Gegners mehrfach übertraf. Er gebot mit Hilfe seines Flottenadmirals M. Calpurnius Bibulus zu Beginn des Jahres 48 v. Chr. über einen beinahe über die gesamte illyrische Küste sich erstreckenden, maritimen Verteidigungs- und Blockadeschild, beherrschte uneingeschränkt das mare Adriaticum et Ionicum und setzte erfolgreich Überfälle im tyrrhenischen Meer durch. Caesars Flottenstärke war demgegenüber geradezu marginal und wurde im Jahr 49 v. Chr. fast vollständig vernichtet bei dem Versuch, auf illyrischem Boden Fuß zu fassen. In Anbetracht dieser nautischen Voraussetzungen beider Bürgerkriegsparteien erscheint es geradezu unglaublich, dass Caesar der Sieg zur See über Pompeius und dessen Anhänger gelingen konnte.190 Zum einen unterschied sich die Art und Weise des Flotteneinsatzes beider Heerführer deutlich voneinander, wie bereits eingangs herausgestellt wurde: Während Pompeius Dyrrachium als Ausgangsbasis erkoren und seine gesamte Flotte zuerst von dort aus in Bewegung gesetzt hatte, ließ Caesar dezentral überall dort Schiffe bauen oder einsetzen, wo er sie gerade benötigte, etwa bei Massalia in Südgallien, auf Sizilien, zur Absicherung der italischen Küsten in Brundisium, als Patrouille in der Adria und dem tyrrhenischen Meer. Zum anderen war Caesar während des gesamten Bürgerkrieges faktisch Oberbefehlshaber über Truppen und Flotte. Zwar delegierte er das Kommando über einzelne Flottillen an seine legati, doch die Entscheidungen über die maritime Gesamtstrategie fällte allein er. Auftretendes Fehlverhalten seiner Admiräle ahndete er umgehend und mit entschiedener Härte. Als es beispielsweise zwei pompeianischen Geschwadern gelang, im Frühjahr 46 v. Chr. zwei Schiffe der Transportflotte Caesars auf der Seeroute von Lilybaeum nach Ruspina zu kapern, wurden die Befehlshaber und Besatzungen der bei Thapsus stationierten caesarischen Flotte, welche die Absicherung des Seeweges von Sizilien nach Nordafrika zu verantworten hatten, von ihrem Oberkommandierenden entlassen.191 Ähnlich verfuhr Caesar mit dem Schiffskommandanten C. Avienus, der entgegen der Order sein Schiff im Hafen von Lilybaeum nicht mit dringend benötigten Soldaten, sondern mit Teilen des eigenen Trosses beladen hatte.192 Derart unumschränkt gestalteten sich Pompeius’ Kompetenzen in der Kriegführung nicht.193 Vielmehr kooperierte er mit den amtierenden Consuln von 49 v. Chr., wie ein von ihm verfasster 190 191 192 193
Vgl. etwa Clark (1915) 82f. Bell. Afr. 44,1–2. 46,4. Bell. Afr. 54,1–4. Caes. civ. 3,16,4; Lucan. 5,44–47; Vell. 2,49,2; Cass. Dio 41,43,1–2. Vgl. die überzeugende Darlegung bei Heller (2006) 255ff, der nach kritischer Auswertung der Quellen, insbesondere Vellius Paterculus (ebd. 135f.), zu dem Schluss gekommen ist, dass es einen allgemeinen Oberbefehl des Pompeius über die verbündeten Truppen nicht gegeben hat.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
Brief vom Februar 49 v. Chr. nahe legt194, und ließ u. a. seinen Sohn die Rekrutierungen und Rüstungen in den östlichen Provinzen durchführen. Eine einheitliche, auf ein Ziel gerichtete Kriegführung auf See fehlte für das erste Kriegsjahr ganz. Daher konnte eine systematische Entfaltung der maritimen Übermacht auch keine Anwendung finden. Stattdessen versuchte sich jeder loyale Statthalter, wie etwa Cato auf Sizilien, Domitius Ahenobarbus in Gallia narbonensis bei Massalia, Varro in Hispania ulterior oder Attius Varus in Africa, auf See gegen Caesar zu behaupten; jeder für sich letztlich erfolglos.195 Lediglich die Entsendung des kleinen Geschwaders unter dem Kommando des Praefecten L. Nasidius kann dem Befehl Pompeius’ zugeschrieben werden.196 Ab 48 v. Chr. befehligte der nautisch wenig versierte Calpurnius Bibulus die in Geschwader aufgegliederte pompeianische Flotte und nach dessen baldigem Tod, wohl im März/April desselben Jahres, blieb unverständlicherweise diese strategisch wichtige Position bis zum Kriegsende unbesetzt.197 Pompeius’ Einfluss auf das maritime Machtinstrument war äußerst gering, zumal spätestens seit der Belagerung Dyrrachiums zunehmend Kritik und Proteste an seinen taktischen Entscheidungen unter seinen Verbündeten laut wurden.198 Lediglich über das asiatische Kontingent seines Sohnes Cnaeus konnte er tatsächlich verfügen. Das vakante Oberkommando über die Flotte wurde zum Katalysator für den durch die Niederlage bei Pharsalos ausgelösten Zerfall der mühsam aufgebauten pompeianischen Flottenmacht. Verbündete Kontingente aus Rhodos und Ägypten lösten ihren Waffenbund auf und steuerten die heimatlichen Häfen an. Andere Geschwader zerstreuten sich unter der Führung einzelner Kommandanten wie M. Octavius, Cato, L. Cassius oder C. Cassius Longinus über das gesamte Mittelmeer, von der Ägäis über die Adria bis hin zu den Gewässern Nordafrikas. Die fehlende Gesamtkoordination von Pompeius’ maritimen Streitkräften im ersten Kriegsjahr ließ die allseits gefürchtete Isolation Roms von den Getreide194 Cic. Att. 8,12D,1–4. 195 Das Argument, Pompeius habe im Jahr 49 v. Chr. gar nicht zur See kämpfen können, da er das ganze Jahr mit der maritimen Rüstung verwendete, ist unhaltbar, denn bereits im Sommer 49 v. Chr. operieren M. Octavius und L. Scribonius Libo mit der verbündeten Flotte in der Adria (Flor. 2,13,31; Cass. Dio 41,40,1; Oros. 6,15,8–9) und L. Nasidius im mare Liguricum (Caes. civ. 2,3–4). 196 Anders Viereck (1996) 206; Canfora (2001) 180; Christ (2004) 151, welche Domitius’ Unterstützung bei Massalia als Detachierung auf Befehl des Pompeius deuten, obwohl die Aussage bei Caes. civ. 1,34,2–3 dies nicht bezeugt: „Ebenso befinde sich Domitius mit sieben Schnellseglern, die er in Igilium und im Gebiet von Cosa aus dem Besitz von Privatleuten zusammengebracht und mit eigenen Sklaven, Freigelassenen und Pächtern bemannt hatte, auf dem Wege nach Massilia, um sich dieser Stadt zu bemächtigen;“ (profectum item Domitium ad occupandam Massiliam navibus actuariis VII, quas Igilii et in Cosano a privatis coactas servis libertis colonis suis compleverat;). 197 Caes. civ. 3,18,1–2. Cass. Dio 41,48,1 hingegen berichtet von der Übernahme des Oberbefehls über die Flotte durch L. Scribonius Libo. In diesem Fall ist der Darstellung Caesars Cassius Dios vorzuziehen, da die Übergabe eines derartig weitreichenden Kommandos einschließlich imperium wohl die Kompetenzen eines legatus überschritten hätte. 198 Vgl. Meyer (1922) 309–313; Seager (2002) 164f.; Christ (2004) 154f.
4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht
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provinzen durch die Blockade der Seewege als reines Schreckgespinst erscheinen. In den antiken Quellen ist für die Jahre von 49 bis 44 v. Chr. zu keinem Zeitpunkt ein Überfall auf römische Getreidefrachter oder ein aufkommender Versorgungsengpass der Stadt Rom verzeichnet.199 Erst der Sohn des Pompeius, Sextus Pompeius, wird den vermeintlichen Plan seines Vaters in die Tat umsetzen und wie einst Caius Marius Rom von seinem Lebensnerv, den Seehandelsrouten, trennen. 4.4 TERRA MARIQUE – AUGUSTUS’ „MARITIMER“ WEG ZUR MACHT „Kriege zu Wasser und zu Lande, gegen innere und äußere Feinde, habe ich auf dem ganzen Erdkreis oft geführt […] Schiffe habe ich sechshundert gekapert, nicht gerechnet diejenigen, die etwa kleiner als Dreiruderer waren.“200 4.4 TERRA MA RIQUE – AUGU STUS’ „MA RITIME R“ WEG ZUR MACHT
Mit diesen wenigen Worten resümiert Augustus, der erste Princeps der römischen Kaiserzeit, „seine“ maritimen Leistungen, die ihn im Laufe von vierzehn Bürgerkriegsjahren von 44-31 v. Chr. zum unumschränkten Herrscher über die Meere der antiken Welt, vom Atlantik über das Mittelmeer bis hin zum Schwarzen Meer, avancieren ließen. Bei der genauen Analyse der maritimen Auseinandersetzungen Octavians mit Cassius und Brutus, den Mördern seines Adoptivvaters, Sextus Pompeius, dem Erben des Pompeius Magnus, und Marcus Antonius, Caesars engstem Vertrauten, werden zwei Punkte evident: (1) Aufgrund des für antike Verhältnisse „globalen“ Radius der Bürgerkriegskämpfe arriviert die Hegemonie zur See zum zentralen strategischen Ziel aller Beteiligten, und die Gefechte konzentrieren sich auf das Meer. (2) Die in seinen res gestae erwähnten Leistungen zur See stellen vielmehr ein Konglomerat maritimer Einzelerfolge seiner Flottenkommandanten – unter denen Marcus Agrippa als der Erfolgreichste hervortritt – dar und verschleiern seine eigenen taktischen „Fehltritte“ und Niederlagen auf dem Meer. Octavians Aufstieg zum unumschränkten Herrscher des römischen Imperiums wäre ohne die Erringung und Festigung seiner maritimen Suprematie undenkbar gewesen. 4.4.1 Rache an den Mördern des Vaters – Neuauflage der maritimen Strategie Caesars „Die meinen Vater ermordet haben, trieb ich in Verbannung, und rächte durch gesetzmäßigen Richtspruch ihre Untat. Und als sie darauf Krieg gegen den Staat begannen, besiegte ich sie zweifach in offener Feldschlacht“.201
199 Vgl. auch Clark (1915) 85f., der zu einer ähnlichen Einschätzung kommt. 200 Res gestae 3: [B]ella terra et mari c[ivilia ex]ternaque toto in orbe terrarum s[aepe gessi] victorque omnibus v[eniam petentib]us civibus peperci.[…] Naves cepi sescen[tas praeter] | eas, si quae minore[s quam trir]emes fuerunt.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
Im Jahr 43 v. Chr. erreichte der mit zwanzig Jahren zum Consul gewählte Octavian durch ein von seinem Onkel Q. Pedius eingebrachtes Gesetz sowie die darauf folgenden proscriptiones die legitime Verurteilung der Mörder seines Adoptivvaters zu hostes.202 Kurz darauf formierte sich unter dem Banner der in seinem Tatenbericht eingangs zitierten Rache an den Caesarmördern um ihn die politische und militärische Macht der Triumviri Rei Publicae Constituendae. Dieses von der Forschung als „Triumvirat“ betitelte Bündnis der drei Männer Octavian, M. Antonius und M. Aemilius Lepidus erwuchs aus den innenpolitischen und inneraristokratischen Wirren, welche nach der Ermordung Caesars an den „Iden des März“ 44 v. Chr. Rom ins Chaos gestürzt hatten. Wechselnde Allianzen, erteilte und revidierte Amnestien, Aufhebung und Neuvergabe erloster provinciae bis hin zur Neuauflage der seit Sulla gefürchteten proscriptiones bestimmten den politischen Alltag der res publica populi romani in den Jahren 44/43 v. Chr.203 Der „Kern“ der Verschwörung gegen den Dictator auf Lebenszeit, C. Cassius Longinus und M. Iunius Brutus, war nach dem Attentat noch im Verlauf des Jahres 44 v. Chr. mit Schiffen von Velia aus in die provinciae Macedonia und Asia geflohen.204 Dort eingetroffen galt es, ihre Position militärisch vor allem auf dem Meer abzusichern und die ungewisse Entwicklung in Rom abzuwarten. Brutus hob in Makedonien und Griechenland neue Truppen aus, berief Veteranen sowie Überlebende von Pharsalos aus dem Heer des Pompeius ein und nahm Überläufer, wie die Truppen des Statthalters Q. Hortensius bei sich auf. Ein römisches Schiffskontingent des Flottenkommandanten Apuleius von der provincia Asia mit Kurs auf Italien fing er mit seinem Geschwader ab und gliederte es in 201 Res gestae 2: Qui parentem meum trucidaverunt, eos in exilium expuli iudiciis legitimis ultus eorum facinus, et postea bellum inferentis rei publicae vici bis acie. 202 Liv. per. 120; Vell. 2,69,5; Suet. Nero 3,1; Galba 3,2; App. b.c. 3,95; 4,27; Cass. Dio 46,48,1–3; 47,22,4; Bengtson (1977) 126f.; Southern (1998) 67; Bleicken (1999) 133, 142– 151; Kienast (1999) 36; Syme (2003) 194; Bringmann (2007) 60–65. 203 Zur detaillierten Schilderung der Ereignisse siehe exemplarisch Bengtson (1977) 75–118; Southern (1998) 51–74; Bleicken (1999) 49–130; Kienast (1999) 10–41; Christ (2000) 424– 437; Syme (2003) 101–208; Bringmann (2007) 25–59. 204 Brutus und Cassius hatten Rom bereits Mitte April 44 v. Chr. verlassen und sich nachfolgend in Latium und Campanien aufgehalten, Att. 14,10,1; 15,4,2; App. b.c. 3,2; Cass. Dio 47,20,3. Da es ihnen in ihrer Eigenschaft als Praetoren untersagt war, Rom zu verlassen und um den Eindruck der Flucht zu zerstreuen, übertrug der Senat beiden den Auftrag, in Syrien und Sizilien Getreide aufzukaufen, Cic. Att. 15,12,1. 14,1–2. 15,1; App. b.c. 3,6. Zu diesem Zweck zogen sie aus den Häfen Italiens mehrere Schiffe zusammen, wie durch Cic. Att. 16,3,4. 5,6; Phil. 10,8 belegt ist. Zwischenzeitlich muss sich Brutus nach Cic. Att. 16,5,6 auf der kleinen Insel Nesis unweit der italischen Ostküste befunden haben. Mit den Schiffen versegelte Brutus von Velia aus nach Athen, Cassius folgte ihm kurz darauf, Cic. Phil. 10,8; 11,27–28; Brut. 12,4; 16,5; Vell. 2,62,3; Plut. Brutus 23,1–6; Cass. Dio 47,20,3–21,2. Anders Plut. Brutus 28,7, demnach besaßen Brutus und Cassius bei ihrer Abfahrt aus Italien keinerlei Schiffe. Plutarchs Vermerk ist mehr einem stilistischen Mittel als der Wahrheit geschuldet, denn in seiner Schilderung des militärischen Zustandes zu Beginn der Flucht aus Italien und zu Beginn der Kriegskampagne des Jahre 42 v. Chr. soll die Fülle und den Umfang der von Brutus und Cassius durchgeführten Rüstungen verdeutlichen. Vgl. ferner Kromayer (1897) 439f.; Bengtson (1977) 89f., 92f.; Bleicken (1999) 81–87; Syme (2003) 178ff.
4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht
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seine Seestreitkräfte, die er aus Italien mitgeführt hatte, ein. Von Boiotien aus setzte er dann mit seiner Flotte Kurs auf Demetrias, um sich der von Caesar für seinen geplanten Partherfeldzug angelegten Kriegsvorräte zu bemächtigen, die im Begriff waren von Antonius nach Italien transportiert zu werden. Von dort marschierte Brutus nach Illyrien, um die Seefestungen Dyrrachium und Apollonia zu besetzen und, wie einst Pompeius, die Küste abzusichern.205 Denn Antonius’ Bruder, Caius Antonius, hatte bereits sein Heer über die Adria übergesetzt, um seinerseits den Brückenkopf in Illyrien zu halten und um der unrechtmäßigen Inbesitznahme der provincia Macedonia durch Brutus ein Ende zu setzen.206 Die Besatzung des illyrischen Statthalters P. Vatinius in Dyrrachium desertierte beim Herannahen von Brutus’ Truppen und händigte die Seestadt kampflos aus. Von dort aus wandte sich Brutus erfolgreich gegen Apollonia und den dort lagernden C. Antonius, der sich wenig später bei Buthroton der Truppenübermacht ergab.207 In der Zwischenzeit hatte C. Cassius Longinus bei seiner Ankunft in Asia finanzielle wie militärische Unterstützung durch den amtierenden Statthalter L. Trebonius erhalten und nach seinem erfolgreichen Überfall auf Syrien über eine riesige Streitmacht, die teils freiwillig, teils zwangsweise zu ihm übergetreten war, geboten.208 Während er selbst das riesige Landheer befehligte, beauftragte er den loyalen Proconsul der provincia Syria, L. Staius Murcus, mit dem Oberkom205 Cic. Phil. 11,27; Plut. Brutus 24,2–25,2; App. b.c. 3,63; 4,75; Cass. Dio 47,21,3–5; vgl. Ortmann (1988) 187ff; Brambach (1991) 175; Bleicken (1999) 108. 206 Caius’ Bruder Marcus Antonius hatte in einer Sitzung des Senates am 22. November 44 v. Chr. die Neuvergabe der Provinzen gefordert und durchgesetzt bekommen, so dass Caius Macedonia zufiel, wohin er alsbald abzog (Cic. Phil. 3,26. 38; 7,3. 16; 10,9; Plut. Brutus 25,2; Cass. Dio 47,21,4–5). Noch im Dezember desselben Jahres – M. Antonius hatte Rom in Richtung Norden verlassen – beschloss der Senat auf Bestreben Ciceros eine Aufhebung dieser Provinzvergabe an C. Antonius (Cic. Brut. 4,3–4; Phil. 3,37–39; 5,3; 7,3; 10,10; 11,28; Cass. Dio 46,29,4). 207 Cic. Phil. 10,10–13; 11,26; 13,30; Plut. Brutus 25,2; 26,3–8; App. b.c. 3,79; 4,75; Cass. Dio. 47,21,7; Ortmann (1988) 189ff; Brambach (1991) 175; Southern (1998)74f. Die Erfolge Brutus’ in Makedonien und Illyrien führten zum Umschwung in Rom, so dass die Kräfte gegen M. Antonius im Senat Brutus ein proconsularisches imperium über Griechenland, Illyrien und Makedonien übertrugen, ihm Q. Hortensius als Statthalter Makedoniens unterstellt und später in ein imperium maius für den gesamten Osten ausgeweitet wurde, Cic. Phil. 10,25–26; 13,30; Brut. 2,3,4. 4,2; Vell. 2,62,2; Plut. Brutus 27; App. b.c. 3,63–63. 79; 4,48; Cass. Dio 46,40,3; 47,22; ferner Kromayer (1897) 440; Ortmann (1988) 352ff. 208 Zu Asia: Cic. fam. 12,14,6; Cass. Dio 47,26,1–2. Zu Syria: Während die Promagistrate L. Staius Murcus und Q. Crispus freiwillig überliefen, musste Caecilius Bassus bei Apamea gedrängt werden, ebenso wie A. Allienus bei Judaea, der mit seinem in Ägypten stationierten Heer nach Syrien zur Unterstützung des Cornelius Dolabella marschiert war, Cic. fam. 12,11,1–2. 12,1–4; Brut. 18,3; Phil. 11,27–28. 32; Vell. 2,62,2. 69,2; Joseph. ant. Iud. 14,271–272; bell. Iud. 1,219; App. b.c. 3,78; 4,59; Cass. Dio 47,21,2. 26,1–2. 28,1–5; Kromayer (1897) 439f.; Clark (1915) 95; Clauss (1995) 46; Bleicken (1999) 108f.; Schäfer (2006) 116f. Bringmann (2007) 52. Ebenso wie Brutus sollte auch Cassius durch Cicero unterstützt ein imperium maius erhalten, wodurch sein Vorgehen Legalität erlangte, Cic. fam. 12,6,1; Phil. 11,30–31; 13,30.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
mando über die dort zusammengezogene Flotte.209 Zur gleichen Zeit fiel Publius Cornelius Dolabella – ein Parteigänger des ermordeten Caesar – in Kilikien ein, um von dort aus Cassius die provincia Syria zu entreißen. Zwar gelang ihm die Eroberung Antiochias nicht, doch konnte er stattdessen die Seestadt Laodicea als Stützpunkt einnehmen, welche auf einer Halbinsel lag und sich daher ideal als Ausgangspunkt für seine Operationen anbot.210 Denn Dolabella hatte es zuvor nicht versäumt, seine maritime Macht in der Ägäis und dem Ionischen Meer auszubauen. Mit Hilfe von verbündeten Seestädten Kilikiens, Lykiens und Pamphyliens sowie der einstigen Seemacht Rhodos verfügte er über eine ansehnliche Seestreitmacht, die er seinem Flottenkommandanten Lucius Marcius Figulus unterstellte und im Hafen der Insel Korykos stationierte. Auch das ptolemaische Herrscherhaus beabsichtigte, mit der Entsendung der ägyptischen Kriegsflotte nautische Unterstützung zu gewähren, doch verhinderten ungünstige Witterungsbedingungen die Abreise aus dem Hafen Alexandrias. Stattdessen wurde eine Transportflotte von 100 Lastschiffen unter dem Befehl der legati Sextus Marius und Caius Titius vor der Küste Lykiens dazu abgestellt, im Falle eines Scheiterns seiner syrischen Okkupationskampagne Dolabellas sichere Rückfahrt nach Italien zu M. Antonius zu sichern.211
209 Das größte Schiffskontingent befehligte der Flottenkommandant Sextilius Rufus. Dazu operierten drei weitere Geschwader für Cassius gegen Dolabella: eines unter dem Befehl des Quaestors C. Cassius Parmensis, ein zweites Geschwader unter dem Befehl von Patiscus, welches er wenig später an den Promagistrat P. Cornelius Lentulus Spinther abtrat und ein drittes, welches der Statthalter Bithyniens und Pontos’, L. Tillius Cimber, entsandte, wurde vom Promagistrat D. Turullius kommandiert, Cic. fam. 12,13,3–4. 15,2; Cass. Dio 47,31,1. 210 Cic. fam. 12,12,5. 13,4. 14,4. 15,7; Cass. Dio 47,30,1–2; die Beschreibung der Stadt Laodikea bei Strab. 16,2,9; vgl. ferner Ortmann (1988) 361f.; Brambach (1991) 175; Schäfer (2006) 115f. Dolabella war ursprünglich Consul Suffectus für 44 v. Chr. sollte Caesar als Consul ersetzten, wenn dieser Rom für den Partherkrieg verlassen hätte (Cic. Phil. 2,79–80; Vell. 2,58,3; Plut. Antonius 11,2; App. b.c. 2,122; Cass. Dio 43,51,8). Nach den Iden des März ging er zur Gruppe der Caesarmörder über, um bald jedoch erneut die Seiten zu wechseln, nicht jedoch ohne für sich selbst einen Vorteil dabei herausschlagen zu können, nämlich die Provinz Syria (Cic. Att. 14,9,3. 14,4; Phil. 1,30; 2,107; Vell. 2,58,3; App. b.c. 2,119. 122; 3,7–8. 12. 24. 27; 4,57; Cass. Dio 44,22,1; 45,15,2; 47,29,1). Noch im Amt des Consuls verließ Dolabella Italien und erreicht Asia wohl Ende des Jahres 44 v. Chr. (Cic. Att. 16,15,1; Phil. 11,4. 26. 27; App. b.c. 3,24–26. 57). In Asia einfallend erstürmte Dolabella Smyrna und tötete den Statthalter Trebonius, wofür er durch den römischen Senat zum hostis verurteilt wurde (Cic. fam. 12,12,1. 14,5. 15,1.4; Brut. 18,1.5; Phil. 11,5–9. 15–16. 29; 13,22–23. 36– 39; 14,8; Liv. per. 119; Vell. 2,69,1; Strab. 14,1,37; App. b.c. 3,26. 61. 64; 4,58; Cass. Dio 47,28,5. 29,1–4. 30,6; Oros. 6,18,6). Mit dieser Verurteilung konnten Cassius’ kriegerische Handlungen gegen Dolabella legitimiert werden, ohne das Stigma des Bürgerkrieges zu tragen. Es ist bezeichnend, dass Octavian mit der rechtmäßigen Verurteilung der lex Pedia interfectoribus Caesaris auch die gesetzliche Rehabilitation Dolabellas durchsetzte (App. b.c. 3,95). 211 Cic. fam. 12,13,3. 14,1. 15,3.5; App. b.c. 4,60–61; 5,8; Cass. Dio 47,30,2.4; Clark (1915) 95f.; Bengtson (1977) 162; Clauss (1995) 46; Southern (1998) 75f.; Schäfer (2006) 118; Schuller (2006) 81. Nach Cic. fam. 12,15,2 unterstützten die Rhodier Dolabella und versagten dem Promagistrat P. Cornelius Lentulus Spinther die Landung auf der Insel.
4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht
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Als er Nachricht von Dolabellas Einfall in Kilikien erhielt, mobilisierte Cassius sein Heer und belagerte Laodicea. Entlang der zwei Stadien breiten Landzunge, welche die Seestadt mit dem Festland verband, ließ er einen Belagerungswall aufschütten und durch Truppen absichern. Da Dolabella jedoch durch den großen Hafen noch freien Zugang zum Meer besaß und seine Schiffe ungehindert zur See operierten, begann das Gros von Cassius’ Flotte unter dem Befehl von Staius Murcus zusätzlich mit einer Seeblockade Laodiceas. Im letzten von zwei Seegefechten vor der Küste unterlag die Flotte Dolabellas und Staius Murcus gelangte mit seinen Schiffen in den Hafen der Stadt, wodurch er den Feind nun endgültig vom Meer abschnitt. Inzwischen war dem Proquaestor der Provinz Asia, Publius Cornelius Lentulus Spinther, die Kaperung der 100 Lastschiffe vor der Küste Lykiens gelungen, so dass Dolabella, nun vollends seiner maritimen Macht beraubt, sich selbst tötete und Laodicea und somit ganz Syrien Cassius preisgab.212 Sowohl in Illyrien als auch in Syria vermochten es die Mörder Caesars, jeder für sich durch ihre Siege über C. Antonius und Cornelius Dolabella ihre Position zu behaupten. Doch mit der Bekanntgabe ihrer Verurteilung zu hostes durch die lex Pedia interfectoribus Caesaris und der Nachricht über die Formierung der Triumviri rei publicae constituendae im November 43 v. Chr., suchte Brutus nun den Schulterschluss zu Cassius. Man traf sich in Smyrna zur Koordination der gemeinsamen Streitkräfte für die kommenden Auseinandersetzungen.213 Während in den Häfen Bithyniens und Kyzikos’ Schiffe für den Seekrieg auf Stapel gelegt wurden214, sicherte Cassius mit seiner Flotte die gesamte Ägäis durch eine Strafexpedition gegen Rhodos wegen ihrer Parteinahme für Dolabella215, und Brutus versuchte die lykischen Seestädte zur Unterstützung und Entsendung ihrer Schiffe zu bewegen.216 Anschließend kamen die beiden Heerführer Mitte des Jahres 42 v. 212 Cic. fam. 12,14,2. 15,5; Liv. per 121; Vell. 2,69,2; Joseph. ant. Iud. 14,289; bell. Iud. 1,231; App. b.c. 6,60–62; Cass. Dio 47,30,3–5; Oros. 6,18,13; Clark (1915) 96; Ortmann (1988) 362; Southern (1998) 76f.; Schäfer (2006) 117f. 213 Liv. per. 122; Plut. Brutus 28,3–7; App. b.c. 63. 65; Cass. Dio 47,32,1–2. 214 Brut ep. 61. Ein Freund des Brutus, Aquila, war beauftragt worden, 200 Kriegsschiffe und 50 Transporter in Bithynien zusammenzuziehen. Die Provinz Bithynien hatte zudem Schiffe Seeleute, Holz und Verpflegung für vier Monate zu stellen. vgl. ferner dazu Brut. ep. 59. 63. 65. 67. Nach Plut. Brutus 30,1 hat Brutus zu diesem Zweck seine gesamten Geldmittel verbraucht. 215 Dazu Ortmann (1988) 521; Bleicken (1999) 157. 216 Cassius Longinus detachierte das Flottengeschwader des Staius Murcus zur Insel Myndos, unweit von Rhodos. Dorthin versegelten die rhodischen Schiffe unter dem Kommando ihres Admirals Mnaseas und unterlagen in der Seeschlacht aufgrund ihrer geringen Anzahl, da sie der Einkreisungstaktik der Römer mit ihren leichteren Schiffen nichts entgegenzusetzen hatten. Im Anschluss ließ Cassius Longinus sein Heer bei Loryma, eine Befestigung der Rhodier auf dem Festland, welches der Insel gegenüber lag, sammeln und durch die Transportflotte unter dem Kommando des Fannius und Cornelius Lentulus nach Rhodos versegeln. Mit Hilfe der Flotte gelang es Cassius Longinus, die Insel vollständig zu blockieren und vom Meer abzuschneiden. Kurz darauf fiel Rhodos durch Verrat und Cassius gelang die Landung und anschließende Plünderung der Insel (App. b.c. 4,65–74; Val. Max. 1,5,8; Plut. Brutus 30,3; 32,4; Cass. Dio 47,33,3–4; Oros. 6,18,13). Nach seiner Abfahrt beließ er L. Qunctilius Varus mit einer Garnison zur Absicherung auf Rhodos zurück, kurz darauf erhielt dieser Unterstüt-
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Chr. in Sardes zusammen, um dann bei Abydos den Hellespont zu überschreiten und in die provincia Macedonia zurück zu kehren. Eile war geboten, denn in Illyrien war bereits ein Voraustrupp von M. Antonius und Octavian im Umfang von acht Legionen eingefallen, um die Scharte des C. Antonius im Vorjahr wieder wett zu machen und die hostes publici zu richten.217 Brutus und Cassius spielten ihre Hoheit zur See voll aus und verteilten die gesamten Seestreitkräfte über drei Operationsgebiete: (1) In der Ägäis (auf Rhodos) und an der kleinasiatischen Küste verblieben Brutus’ Praefect Clodius mit 13 Einheiten sowie C. Cassius Parmensis mit einer Legion und 30 Schiffen. Ihnen kam der Schutz der provincia Syria und die Überwachung der rhodischen Aktivitäten zur See zu.218 (2) Ein weiteres Geschwader eskortierte die Heeressäule von Brutus und Cassius, welche ihren Marsch entlang der Küste von Sestos über Lysimachia, Kardia und Doriskos nach Philippi fortsetzte. Bei der Insel Thasos – welche dem Heer als Umschlagplatz diente – bezog sie Stellung, gewährleistete einerseits die Versorgung der Truppen über den Seeweg und flankierte anderseits die Truppen an der Küste.219 zung vom Praefecten Clodius, den Brutus mit dreizehn Schiffen zur Insel detachiert hatte (App. b.c. 4,74; 5,2). Brutus zog im Frühjahr 42 v. Chr. entlang der lykischen Küste nach Süden und schlug ein Heeresaufgebot der Lykier, welches sich ihm in die Weg gestellt hatte. Einige Lykier, u. a. Oinoander gingen ohne Schwertstreich zu ihm über, andere Städte, wie Xanthos, Patara oder Myra leisteten teilweise heftigen Widerstand. Während Brutus Xanthos’ belagerte, entsandte er einen Teil der Flotte unter dem Befehl des Lentulus gegen die Hafenstadt Myra. Dort vermochte es P. Cornelius Lentulus Spinther – der Proquaestor der provincia Asia, welcher bereits das Heer Cassius’ nach Rhodos übergesetzt hatte – die Absperrung der Hafeneinfahrt zu durchbrechen und die Stadt von der See her zu erobern. Als Xanthos fiel, gingen auch die übrigen Städte, wie etwa Patara zu Brutus über. Neben der Zahlung von Geldern verpflichtete Brutus die lykischen Städte zur Entsendung all ihrer Kriegsschiffe, die sich im Hafen von Abydos einzufinden und dort der übrigen Flotte anzuschließen hatten (Brut. ep. 27; App. b.c. 4,76–82; Plut. Brutus 30,4–32,4; Cass. Dio 47,34,1–6). Dazu Kromayer (1897) 440f.; Clark (1915) 97; Ortmann (1988) 521; Viereck (1996) 215; Bleicken (1999) 157f. Bengtson (1977) 136 verkennt die strategische Bedeutung der lykischen und rhodischen Offensive für den Ausbau der Flottemacht des Brutus und Cassius: „Sie versäumten es, sich rechtzeitig mit entsprechender Heeresmacht nach Makedonien zu begeben, und von dort aus wäre es ihnen nicht schwer gefallen, die von Italien übersetzenden Heere der Triumvirn abzufangen und sie vielleicht sogar wieder ins Meer zu werfen.“ Mit welcher Flotte Cassius und Brutus dies jedoch erreichen sollten, verrät Bengtson nicht. Die Übergriffe auf Rhodos und Lykien waren nötig, um überhaupt über eine derart einsatzkräftige Flottenmacht gebieten zu können. 217 Der Voraustrupp wurde von den legati L. Decidius Saxa und C. Norbanus Flaccus kommandiert, App. b.c. 4,87; Cass. Dio 47,35,2. 218 App. b.c. 5,2. 219 Dieses Flottenkontingent unter dem Befehl des Tillius Cimber, verhalf dem Heer Brutus’ und Cassius’ bei der Passage des Korpilenpasses. Diese Küstenstraße war durch einen Voraustrupp des Antonius unter dem Befehl des Decidius Saxa gesperrt worden. Doch mit Hilfe der Flotte konnte eine Legion einschließlich Bogenschützen in den Rücken Saxas transportiert werden, so dass dieser gezwungen war, seine Position aufzugeben und Brutus und Cassius den Pass kampflos nehmen und den Marsch fortsetzen konnten, App. b.c. 4,102; Bengtson
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(3) Schließlich operierte ein drittes Geschwader von 60 Einheiten unter dem Befehl des Staius Murcus in der Adria. Er war noch während Brutus’ und Cassius’ Operationen in Lykien und auf Rhodos nach Tainaron, dem südlichsten Punkt der Peloponnes versegelt, um die zur Unterstützung M. Antonius’ und Octavians nach Italien entsandte ägyptische Flotte abzufangen. Auf seiner Fahrt dorthin ließ er es an Plünderungen von Handelsplätzen und Städten entlang der Küste nicht mangeln. Da jedoch ein Seesturm vor der Küste Afrikas den alexandrinischen Schiffen schwer zusetzte, kehrten diese unverrichteter Dinge zurück in den heimischen Hafen220, so dass Staius Murcus Kurs auf das mare Adriaticum nehmen und die Versorgung des gegnerischen Heeres durch die Blockade Brundisiums empfindlich stören konnte. Sich am Beispiel der pompeianischen Flottenbefehlshaber orientierend besetzte er die Insel Barra und riegelte mit seinen Schiffen die Hafeneinfahrt ab. Derart blockiert gelang es M. Antonius nicht, mit seinen wenigen Kriegsschiffen und den auf Flößen errichteten Wehrtürmen das Hauptheer zu dem bereits detachierten Voraustrupp von acht Legionen nach Illyrien überzusetzen, so dass er Octavian, der mit seiner Flotte bei Rhegion vor Anker lag, um Hilfe ersuchte. Als Octavian vor der Küste Brundisiums erschien, brach Staius Murcus ob der Übermacht seine Belagerung ab und zog sich auf offenes Meer zurück, so dass die beiden Triumviri ihre verbliebenen Truppen ungehindert nach Illyrien übersetzen konnten.221 Inzwischen war ein weiteres Geschwader unter dem Befehl von Cn. Domitius Ahenobarbus in der Adria erschienen, welches von Cassius zur Unterstützung entsandt worden war, und das dazu verhalf, das Kräftegleichgewicht in der Adria wiederum zu Gunsten der Caesarmörder zu verschieben. Durch Überfälle und Kaperungen der Versorgungsschiffe brach die Logistik der Truppen Octavians und Antonius’ zeitweilig zusammen. Während die triumviri zu Lande in den Ebenen von Philippi die Heere des Brutus und Cassius in zwei Schlachten schlugen und beide Heerführer ihr Leben ließen222, erlitten sie in der Adria eine totale Niederlage. Das 130 Einheiten umfassende Geschwader von Staius Murcus und Domitius Ahenobarbus rieb ihre Flotte unter dem Kommando von Cn. Domitius Calvinus durch Ramm- und Brandangriffe völlig auf und vernichtete die dringend benötigten zwei Legionen (1977) 138; Bleicken (1999) 161. Zur Versorgung des Heeres über die See und der Insel Thasos App. b.c. 106–107. 109; Cass. Dio 47,36,1. 38,3. 220 App. b.c. 4,74. 82; 5,8; Bengtson (1977) 137; Brambach (1991) 177; Clauss (1995) 47; Viereck (1996) 215; Southern (1998) 77; Schäfer (2006) 119; Schuller (2006) 82. 221 Liv. per. 123; App. b.c. 4,82. 86; Plut. Antonius 22,1; Cass. Dio 47,36,4–37,1; 48,18,5; Clark (1915) 97; Bengtson (1977) 137; Viereck (1996) 215f.; Southern (1998) 78; Bleicken (1999) 159f.; Syme (2006) 210; Bringmann (2007) 66. 222 Liv. per. 124; Vell. 2,70,1–72,2; Val. Max. 1,7,1; 5,1,11; 6,4,5. 8,4; 9,9,2; Suet. Aug. 13,1–2; Plin. n.h. 7,148; Flor. 2,17,10–15; Plut. Antonius 22,2–4; Brutus 38,3–53,4; App. b.c. 4,107– 132; Cass. Dio 47,37,2–49,4; Oros. 6,18,14–16; Bengtson (1977) 139–149; Southern (1998) 78ff; Bleicken (1999) 161–169; Syme (2006) 212f.; Bringmann (2007) 67–70.
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samt Reiterkohorten und Bogenschützenabteilung.223 Mochten Octavian und Antonius auch zu Lande über ihre Feinde gesiegt haben, so verloren sie das Mittelmeer nun ganz an ihre Gegner, deren Kräfte sich um Sextus Pompeius in Sizilien neu formierten, während Domitius Ahenobarbus autonom in der Adria operierte, sogar Brundisium angriff und die dort vertäuten Schiffe Octavians durch Brandangriffe völlig zerstörte.224 4.4.2 Das Erbe der Väter – Aufstieg, Blüte und Fall der maritimen Hegemonie des Sextus Pompeius Lakonisch resümiert Augustus in seinen res gestae den Kampf um die maritime Suprematie zwischen ihm und dem jüngeren Sohn des Cn. Pompeius Magnus, Sextus Pompeius, als Kampf gegen Seeräuber, wenn er verlauten lässt: „Das Meer 225 Dabei bewusst die nautischen Kompetenzen habe ich von Seeräubern befreit.“ seiner Admiräle, Q. Salvidienus Rufus, L. Cornificius oder M. Vipsanius Agrippa, verhehlend, diffamiert er seinen Gegner als einen die Meere beraubenden Nichtrömer, um sich so vom Makel des Bürgerkrieges, der offen zwischen ihm und Sextus Pompeius ausgefochten wurde, zu befreien. Etwas lässt sich jedoch aus der oben zitierten Aussage des Augustus extrahieren: Noch direkt nachdem Caesar 45 v. Chr. seinen hispanischen Feldzug beendet und der iberischen Halbinsel den Rücken gekehrt hatte, sammelten sich um den ins Siedlungsgebiet der Lacetani geflüchteten Sextus Pompeius zahlreiche Anhänger von dessen Vater. Unter ihnen befanden sich auch mehrere kleinasiatische Seeräuber, gegen die einst Pompeius Magnus während seines ihm durch die lex Gabinia übertragenen imperium extraordinarium gekämpft, im Zuge der Befriedung des Meeres gefangen genommen, in Pompeiopolis, Mallos, Epiphaneia, Adana, Dyme und Tarent neu angesiedelt und in seine Clientel aufgenommen hatte. Die fähigsten kilikischen Seefahrer Menodoros und Menekrates übernahmen in der nach der Ermordung Caesars stetig anwachsenden Flotte des Sextus Pompeius wichtige Funktionen und wurden u. a. mit dem Kommando über einzelne Geschwader betraut.226 Von der iberischen Ostküste bei Tarraco ausgehend, weitete Sextus Pompeius seinen Aktionsradius auf dem Meer stetig aus, indem er ab 44 v. Chr. sowohl zahlreiche Schiffe zusammenzog und neue erbauen ließ, als auch zunächst Richtung Süden, entlang der iberischen Ostküste, wichtige Seestädte wie Carthago Nova, Baria und Carteia besetzte. Im Anschluss daran brachte er die gesamte Mit223 App. b.c. 4,115–116; Plut. Brutus 47,2–3; Cass. Dio 47,47,4; Clark (1915) 98f.; Viereck (1996) 216; Bringmann (2007) 69. 224 App. b.c. 5,26; Cass. Dio 48,7,6; Kromayer (1897) 445; Clark (1915) 100. 225 Res gestae: Mare pacavi a praedonibus. 226 Vgl. Anm. 107 (Kapitel 2.2.2). Zu Pompeius’ Strategie im Umgang mit den kilikischen Piraten. Zu Menekrates und Menodoros, der zumeist in der Kurzform Menas in den Quellen zu finden ist, Plin. n.h. 35,200; Vell. 2,73,3; Flor. 2,18,2; Plut. Antonius 32,1; vgl. dazu Schor (1978) 129–134.
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telmeerküste der provincia Gallia narbonensis bis Massalia unter seine Kontrolle. Ferner sicherte er das Hinterland, die provincia Hispania ulterior, mit seinen dort stationierten sechs Legionen ab und schlug den noch von Caesar zu Beginn des Jahres 44 v. Chr. entsandten Asinius Pollio und dessen Truppenaufgebot.227 In den Wirren, die in Rom auf die Ermordung Caesars folgten, bemühte sich Sextus Pompeius um Fürsprecher im Senat. Mit M. Aemilius Lepidus, dem Proconsul der provinciae Hispania citerior und Gallia narbonensis, schloss er eine Übereinkunft, welche ihm das konfiszierte Vermögen seiner Familie durch Ausgleichzahlungen aus den Staatsfinanzen zusprach. Daraufhin stellte er im Jahr darauf seine zu beachtlicher Größe angewachsene Flotte in den Dienst der res publica populi romani, als der Senat ihm auf Bestreben Ciceros ein imperium proconsulare übertrug, welches ihn als Praefectus classis et orae maritimae zum unumschränkten Herrn zur See werden ließ. Allein die Kombination seines Gentilnamens mit dem Machtinstrument Flotte rief Reminiszenzen an die Seeräuberkriege seines Vaters wach und umgab ihn mit einer Aura allumfassender nautischer Autorität.228 Blieb Sextus Pompeius zu Beginn des Jahres 43 v. Chr. noch passiv und bezog lediglich Stellung im Hafen von Massalia, so zwangen ihn seine Verurteilung durch die lex Pedia und seine Ächtung durch die proscriptiones der triumviri rei publicae constituendae consulari potestate dann doch zum Handeln.229 Mit seiner Flotte lichtete er bei Massalia die Anker und versegelte über das mare Liguricum durch das mare Tyrrhenum nach Sizilien, welches ihm als Ausgangspunkt für seine zukünftigen Operationen dienen sollte.230 Nach der erfolgreichen Eroberung 227 Cic. Att. 14,5,1; 15,21,3; 16,4,2; Phil. 13,13; Vell. 2,73,1–2; Strab. 3,2,2. 4,10; App. b.c. 4,83–84; 5,143; Cass. Dio 45,10.3–6; 48,17,1; Oros. 6,16,9; vgl. Schor (1978) 28ff; Lowe (2002) 67ff, 72–86; Powell (2002) 106; Christ (2004) 220. 228 Sextus Pompeius wandte sich persönlich durch Briefe an den Senat, in welchen er u. a. die Entlassung aller Legionen und die Rückgabe des familiären Besitzes forderte, wie Cic. Att. 16,4,2; Phil. 2,75 uns wissen lässt. Ferner zur Übereinkunft mit M. Aemilius Lepidus, welche M. Antonius im Senat durchsetzte, Cic. Att. 15,29,1; fam. 11,1,4; Phil. 3,23; 13,12; App. b.c. 3,4. 57; 4,94; Cass. Dio 45,9,4. 10,6; ferner Vell. 2,73,2. Vermutlich strebte Lepidus die Vereinbahrung mit Sextus Pompeius an, um so den Überfällen in seinen Provinzen Einhalt gebieten und mögliche Okkupationsversuche von Seiten des Pompeius abwehren zu können. Ciceros Parteinahme für Sextus Pompeius wird am deutlichsten bei seiner Befürwortung der Kooptation des Pompeius’ Sohnes in das Kollegium der Auguren und der Rückerstattung des väterlichen Vermögens (Cic. Phil. 13,12. 50), sowie dem von ihm eingebrachten Antrag zur Ehrung des Lepidus mit einer vergoldeten Reiterstatue für seine Verdienste bei dem Zustandekommen der Übereinkunft mit Sextus Pompeius (Cic. Phil. 5,41; 13,9; Brut. 16,9). Zum proconsularischen Seekommando des Sextus Pompeius Vell. 2,73,1–2; App. b.c. 4,84–85; Cass. Dio 46,40,3; 47,12,2; 48,17,1; kritisch dazu Miltner (1952) 2218f.: „ […] doch haben wir nicht den geringsten Beweis dafür, daß es sich tatsächlich um die gleichen außerordentlichen Vollmachten gehandelt hätte; vielmehr wird es sich eher um das einfache Oberkommando über die Seestreitkräfte gehandelt haben.“; ferner Schor (1978) 32f.; Lowe (2002) 71f.; Welch (2002a) 6ff; (2002b) 37ff; Powell (2002) 106ff; Christ (2004) 220. Zum Praefectenamt vgl. Reddé (1986) 417–423. 229 App. b.c. 4,96; Cass. Dio 46,48,4; 47,12,2; 48,17,2–3; Oros. 6,18,19. 230 Nach Liv. per. 123 verfügte Sextus Pompeius bis zur Eroberung Siziliens über keinen festen Stützpunkt seiner Operationen. Gleich zu Beginn seiner Kampagne auf Sizilien besetzte er
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der Insel begann er seine geballte Macht zur See für das Erreichen seiner Ziele auszuspielen und setzte den von Cicero als „themistokleisch“ bezeichneten Plan seines Vaters – den dieser nie zu verwirklichen wusste – in die Tat um: Indem er Rom von den Seehandelsrouten und der wichtigsten Getreideprovinz Sizilien abschnitt und zeitgleich Überfälle entlang der italischen Küste durchführte231, versuchte er den Druck auf die triumviri und insbesondere Octavian zu erhöhen, um möglicherweise so die Aufhebung seiner Verurteilung zu erreichen.232 Als daraufhin in Rom eine Hungersnot ausbrach, reagierte Octavian umgehend, indem er den Flottenbefehlshaber Q. Salvidienus Rufus Salvius nach Rhegium entsandte. Von dort aus vermochte dieser Sextus Pompeius von Angriffen auf italische Küstenstädte abzubringen und nach Sizilien zu verfolgen. Nach seinem missglückten Versuch, das Heer bei der Meerenge von Messana auf Flößen überzusetzen, geriet Salvidienus Rufus mit der Flotte in eine Seeschlacht nahe dem Vorgebirge Skyllaion, die Sextus Pompeius für sich entschied und dadurch erfolgreich seine Seehoheit im tyrrhenischen Meer behaupten konnte.233
kampflos Mylae und Tyndaris, doch gelang ihm die Okkupation der gesamten Insel erst, nachdem er zu einer Übereinkunft mit dem dort amtierenden Statthalter, Pompeius Bithynicus, gekommen war, der ihm zuvor die Eroberung Messanas erfolgreich versagt hatte, und nun ein gemeinsames, gleichberechtigtes Kommando beider forderte. Ferner fanden sich die Proscribierten Hirtius und C. Fannius mit Truppen vornehmlich bestehend aus Sklaven bei Sextus auf Sizilien ein, ebenso unterstützte ihn der Statthalter Africas, Q. Cornificius, App. b.c. 4,43. 84; Cass. Dio 48,17,4–6; Bengtson (1977) 127f.; Schor (1978) 34–37, 117f., 109f. 231 Die Kombination der maritimen Offensive des Sextus Pompeius und einer in Rom ausbrechenden Hungersnot findet sich bei Cass. Dio 48,18,1; vgl. Powell (2002) 109f.: „His strategy of using Greek sea-captains to cut Rome’s corn supply in the western seas was part-imitation, part-inversion of his father’s earlier role in the mater of grain-supply and piracy.“ 232 Über die Motive lässt sich zu diesem Zeitpunkt bedauerlicherweise nur mutmaßen. Doch erscheint es mir durchaus plausibel, schon hier die von Sextus im Vertrag von Misenum (Vgl. Anm. 237 (Kapitel 4.4.2)) angeführten Beschlüsse als Beweggründe für sein offensives Handeln zur See anzuerkennen. 233 Liv. per 123; App. b.c. 4,85; Cass. Dio 47,36,4. 38,1; 48,18,1–4; Schor (1978) 37f.; Syme (2006) 210; Bringmann (2007) 66. Bleicken (1999) 159 vermittelt in seiner Einschätzung der Seeoperation des Rufus den Eindruck, dass Sextus Pompeius über keinerlei Seehoheit verfügte: „Sie mußten versuchen […] vor dem Abzug in den Osten Sextus Pompeius zumindest soweit zu schwächen, daß er weder die Versorgung Roms und Italiens mit sizilischem Getreide behinderte noch das Übersetzen nach Griechenland störte. […] Obwohl er [Rufus, Anm. M. Ladewig] sich in einer Seeschlacht dann zwar nicht behauptete, konnte er sich unter Wahrung des Gesichts und ohne nennenswerte Verluste aus ihr zurückziehen.“ Dass C. Octavius jedoch gezwungen war, Sizilien zu umfahren, da die Meerenge von Messena von Sextus kontrolliert wurde, verschweigt Bleicken. Ebenso die Tatsache, dass die Angriffe auf die italische Küste nicht ausblieben. Demnach Rufus’ Kampagne als Erfolg darzustellen, erscheint mir überzogen und ist den Quellen nicht zu entnehmen. Ähnlicher Ansicht ist Kromayer (1897) 444f.; Bengtson (1977) 128: „Dieser Situation gegenüber waren die Triumvirn zunächst machtlos, ihnen fehlte es an einer Flotte, die dem Sextus Pompeius mit Aussicht auf Erfolg die Stirn bieten konnte. Ihre Schiffe brauchten die Triumvirn als Transportmittel für den Feldzug gegen die Caesarmörder, Kriegsschiffe gegen Pompeius zu bauen, hatten sie weder Zeit noch Geld.“
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Dieser Seesieg erwies sich in mehrfacher Hinsicht als Fanal: Zum Einen hatte Octavian nun seine erste Niederlage zur See erlitten und es war ihm nicht gelungen, die nautische Hegemonie im mare Tyrrhenum von Sextus Pompeius abzufordern. Und als ihn nun der Hilferuf von Antonius aus dem belagerten Brundisium erreichte, war Octavian gezwungen, von seinem Flottenstützpunkt bei Rhegium aus die langwierigere und Kräfte zehrendere Seeroute nach Süden zu nehmen, um Sizilien zu umschiffen, da die Meerenge von Messana fest in der Hand des Sextus lag.234 Zum Anderen erhielt Sextus Pompeius nach dem Seesieg erheblichen Zulauf großer Bevölkerungsteile Süditaliens. Seine Flottenmacht wuchs durch die Geschwader des Staius Murcus, Clodius und Cassius Parmensis, welche sich nach Philippi wohl noch Ende 42 v. Chr. bei ihm auf Sizilien einfanden.235 Durch die fortdauernde Seeblockade, die damit einhergehenden Plünderungszüge entlang der italischen Küste, Belagerungen der Seestädte Cosentia und Thurri und die Eroberung einer weiteren Getreideprovinz (Sardinia et Corsica) wuchsen nicht nur die Versorgungsprobleme Roms und Italiens in bedrohlichem Maße, sondern auch Sextus Pompeius’ Einfluss, so dass er mit seiner Flotte zu einem evidenten Machtfaktor im westlichen Mittelmeer arrivierte, welchen die triumviri nicht weiter zu ignorieren vermochten und fortan als Ass in ihrem Machtpoker handelten.236 Im bald darauf geschlossenen Vertrag von Misenum installierte sich Sextus 234 App. b.c. 4,86. 235 Vell. 2,72,4; App. b.c. 5,2. 25; Cass. Dio 48,19,3–4; zu den Anhängern des Pompeius siehe die umfassende prosopographische Auflistung bei Schor (1978) 71–174; vgl. ferner Kromayer (1897) 448f.; Viereck (1996) 216f.; Bleicken (1999) 179; Welch (2002b) 42–53; Syme (2006) 214. Ein weiterer Beweis für Sextus Pompeius’ Machtzuwachs findet sich in der von den triumviri versicherten Schutzes der beiden Seestädte Vibo und Rhegium. Diese waren zusammen mit 16 weiteren Städten einschließlich ihrer umliegenden Gebiete für die Landverteilung an die Veteranen aus den eigenen Legionen bestimmt worden. Damit sollte, wie Bringmann (2007) 71 richtig konstatiert, „ […] verhindert werden […], dass diese sich aus Verzweiflung an Sextus Pompeius anschlössen, der von Sizilien aus das Meer beherrschte.“ Das Letzte, was Octavian gebrauchen konnte, war ein Brückenkopf seines Gegners auf italischem Boden. 236 App. b.c. 5,18–19. 25. 56. 58. 63. 66–67; Cass. Dio 48,16,2. 20,2. 30,4–31,1.; Schor (1978) 39ff; Powell (2002) 113: „Hunger, produced by Sextus’ naval blockade of Rome, was to be one of his most effective instruments of persuasion.“ M. Antonius hatte es im Jahr 40 v. Chr. nicht versäumt ein Bündnis mit Sextus Pompeius abzuschließen, welches einerseits den gemeinsamen Waffengang gegen Octavian beinhaltete, falls das Bündnis der triumviri ihre Gültigkeit verlöre und anderseits die Gewähr, dass M. Antonius sich für eine Aussöhnung zwischen Octavian und Sextus Pompeius stark machen und diese protegieren würde, im Falle eines fortdauernden Friedens zwischen den triumviri, App. b.c. 5,52. 62; Cass. Dio 48,15,2. 20,1. 27,4. 30,4; vgl. Bengtson (1977) 172; Southern (1998) 97f.; Bleicken (1999) 197; Kienast (1999) 46; Syme (2006) 224; Bringmann (2007) 78. Octavian seinerseits suchte noch vor der Eroberung Korsikas und Sardiniens durch Sextus Pompeius und der Bekanntgabe seines Bündnisses mit M. Antonius, diplomatischen Kontakt zum Pompeiuserben durch die Heirat mit dessen Anverwandten Scribonia – die Schwester von Sextus Pompeius’ Schwiegervater L. Scribonius Libo, App. b.c. 5,53; Cass. Dio 48,16,3; Bengtson (1977) 176f.; Kienast (1999) 47; Syme (2006) 221; anders Bleicken (1999) 196f., der diese Verbindung unverständlicher Weise vor Antonius’ Pakt mit Sextus Pompeius und der Eroberung Sardiniens und Korsikas durch Menodoros datiert. Dabei wird in den Quellen deutlich, dass Octavian auf Druck der
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Pompeius als ein den triumviri gleichberechtigter Part im machtpolitischen Ränkespiel, ohne jedoch, wie Appian beteuert, Lepidus’ Platz innerhalb des Dreibundes zu fordern. Neben der Rückgabe des väterlichen Vermögens in Höhe von 17,5 Mio. Drachmen erkannte man für fünf Jahre Sicilia, Sardinia et Corsica und zudem Griechenland als Sextus’ Herrschaftsbereich an, sicherte ihm das Consulat zu, verpflichtete ihn im Gegenzug aber dazu, die in Italien besetzten Seestädte zu räumen, maritime Rüstungen zu untersagen, für die Getreideversorgung Roms und Italiens, sowie den ungestörten Seeverkehr Sorge zu tragen. Ferner verschaffte Sextus Pompeius den Proscribierten eine sichere Heimkehr sowie Rückgabe von ¼ ihres Vermögens und die Freilassung der zu ihm übergelaufenen Sklaven, die fortan das Rückgrat seiner Flottenmannschaften bildeten.237 Zum äußeren Zeichen der geschlossenen concordia richteten alle Vertragsparteien nacheinander überschwängliche Bankette aus und die familiären Bande zwischen Sextus Pompeius und Octavian wurden durch die Heirat seiner Tochter Pompeia mit dessen Neffen M. Claudius Marcellus geknüpft.238 Der Frieden war kurz, glich einer Atempause in den Kämpfen des Bürgerkrieges und wurde einige Monate später durch den Bruch des Vertrages jäh beendet. Die Urheberschaft des Vertragsbruchs und der damit einhergehenden Neuauflage des Seekrieges um die thassalische Suprematie im westlichen Mittelmeer lässt sich auf Grundlage der wenigen Quellen nicht eindeutig feststellen. Als gesirömischen Öffentlichkeit, die durch die erstarkte maritime Position Sextus Pompeius’ unter Versorgungsnöten litt, sich zu dieser Verbindung durchringt. Hier sei noch ein interessanter Punkt am Rande vermerkt. Es sind die Frauen der im Bürgerkrieg beteiligten Familien, die in diesen Vermittlungsversuchen von zentraler Bedeutung sind, denn nur durch Scribonia konnte die eheliche Bande zwischen Octavian und Sextus Pompeius geknüpft, durch die Mutter des M. Antonius, Iulia, der Kontakt zwischen ihrem Sohn und Sextus Pompeius aufgebaut und dank Murcia, der Mutter des Sextus Pompeius, ihr Sohn zu Verhandlungen mit den triumviri, die im Vertrag von Misenum mündeten (Vgl. Anm. 237 (Kapitel 4.4.2)), bewogen werden (App. b.c. 5,52. 69; Cass. Dio 48,16,3). Völlig zutreffend bilanziert Miltner (1952) 2227f. bei der Analyse von Sextus Pompeius’ Machtstellung: „[…] so war er tatsächlich und offiziell in den Kreis der Machthaber eingetreten […]. Und dieses immerhin beachtliche Ergebnis hatte der etwa Siebenundzwanzigjährige durch im wesentlichen defensive Ausnützung der seestrategischen Lage erreicht und durch die Größe und Schlagkraft seiner Flotte; diese stellte somit eine an sich ausschlaggebende und von den anderen anzuerkennende Macht dar.“ 237 App. b.c. 5,72; Cass. Dio 48,36,3–37,1; Clark (1915) 100f.; Bengtson (1977) 177f.; Schor (1978) 41ff; Brambach (1991) 211; Southern (1998) 101f.; Bleicken (1999) 204f.; Kienast (1999) 49f.; Christ (2000) 445f.; Welch (2992b) 53f.; Syme (2006) 229f.; Bringmann (2007) 80. Bleicken (1999) 205f. hat Sextus’ Pompeius Machtstellung zutreffend beschrieben: „Als selbständiger Befehlshaber mit festem Zuständigkeitsbereich hat er damals gewiß irgendeine Titulatur geführt, allerdings wohl nicht die eines Prokonsuls […]. Er wird den Titel ››Kommandeur der Flotte und der Meeresküste‹‹ (praefectus classis et orae maritimae) […] weiterhin als die formale Bezeichnung seiner Gewalt angesehen haben. Sie stand außerhalb der römischen Amtstitel, enthielt aber das, was Pompeius tatsächlich darstellte, und enthüllt in ihrer exzeptionellen Begrifflichkeit einmal mehr die in diesen Jahren geringe Bedeutung des öffentlichen Rechts, das von den rein faktischen Machtverhältnissen und von den persönlichen Abmachungen der Potentaten überlagert wurde.“ 238 App. b.c. 5,73; Cass. Dio 48,38,1–3; Brambach (1991) 212.
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chert gilt, dass Sextus Pompeius’ Flottenbefehlshaber und Verweser Sardiniens und Korsikas, Menodoros, mit seiner Flotte von sechzig Schiffen und einem Landheer von drei Legionen zu Octavian überlief und ihm Sardinien sowie Korsika übergab.239 Für Sextus Pompeius wog der Verlust der Schiffe weniger schwer als der seines kapablen Flottenbefehlshabers Menodoros, denn dessen nautische Fähigkeiten im Dienste Octavians und der verloren gegangene Einfluss auf die beiden Inseln im mare Tuscum führten zu einer empfindlichen Störung seiner maritimen Übermacht und zwangen ihn zum Handeln. Zwar gelang ihm die erfolgreiche Neuauflage des Kaperkrieges, welcher wiederholt Versorgungsschwierigkeiten für Rom und Plünderungszüge bis nach Volturnus und zur Tibermündung mit sich brachte240, doch war Octavian nun zum ernst zu nehmenden Kontrahenten zur See aufgestiegen. Seine in zwei Kontingente gegliederte Flotte bezog im Frühjahr 38 v. Chr. sowohl bei Tarent als auch an der etrurischen Küste Stellung, um durch eine Zangenbewegung nach Süden hin die im tyrrhenischen Meer konzentrierten Schiffe des Sextus Pompeius anzugreifen, während sein Heer bei Rhegium lagerte.241 Der Plan, die geballte Flottenmacht des Feindes durch die Eröffnung einer zweiten Kampflinie zu zerstreuen, zeigte Wirkung: Sextus Pompeius, der gezwungen war, die See sowohl östlich als auch westlich der Meerenge Messanas abzusichern, entsandte ein Geschwader unter dem Befehl des Menekrates gegen die am etrurischen Ufer gesammelten octavianischen Verbände von Menodoros und Calvisius Sabinus, während er selbst mit einem Teil der Flotte bei Messana 239 Suet. Aug. 74; App. b.c. 5,78. 80; Cass. Dio 48,45,6; Oros. 6,18,21; Syme (2006) 236f. Die Sachlage zum Vertragsbruch ist nicht eindeutig. Nach App. 5,78 und Cass. Dio 48,45,5–6 war Menodoros in – durch den Freigelassenen Philadelphos und Mikylion vermittelte – Verhandlungen mit Octavian getreten und Diffamierungen durch Vertraute des Sextus Pompeius ausgesetzt. Dieser argwöhnte und beorderte ihn zur Klärung nach Sizilien, doch wurden die von ihm nach Sardinien zum Geleit Entsandten von Menodoros getötet. Nach App. b.c. 5,77 waren diesem Loyalitätsbruch heimliche Plünderungszüge von Schiffen des Sextus Pompeius vorausgegangen, welche Octavian durch Folter der festgenommenen Seeleute des Pompeius in Erfahrung gebracht haben soll. Ferner beschuldigte nach Cass. Dio 48,45,7 Octavian Sextus Pompeius, die besetzten Seeplätze an der italischen Küste nicht geräumt zu haben, obwohl die Parallelüberlieferung bei App. b.c. 5,80 von Küstenbefestigungen Octavians berichtet ohne auf die Ausschaltung dieser von Pompeius besetzten Seestädte einzugehen. Diese Unstimmigkeiten münden bei den Niederschriften jüngerer antiker Autoren in die Schuldhaftigkeit des Sextus Pompeius, so bei Oros. 6,18,20; übernommen dann etwa von Viereck (1996) 217. Einige Autoren messen dem zwischen Antonius und Sextus Pompeius entfachten Streit um die provincia Achaia den Grund für den Vertragsbruch zu. Bleicken (1999) 210 sieht Sextus Pompeius als „passiven“ Part in der Situation des Vertragsbruchs an. Bringmann (2007) 82 scheint Octavian die Schuldhaftigkeit angedeihen zu lassen. 240 App. b.c. 5,77; Flor. 2,18,2; Cass. Dio 48,46,1.4; Schor (1978) 43. 241 Das bei Tarent stationierte Geschwader stand unter dem Befehl von L. Cornificius, der die Schiffe zuvor bei Ravenna zusammengezogen und dann über Brundisium nach Tarent versegelt hatte. Das an der etrurischen Küste befindliche Geschwader unter dem Kommando von C. Calvisius Sabinus wurde durch die bei Korsika und Sardinien vertäuten Schiffe des Menodoros ergänzt und diesem als Flottenbefehlshaber unterstellt, App. b.c. 5,80; Clark (1915) 101; Schor (1978) 44; Viereck (1996) 217.
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zurückblieb, um einen möglichen Angriff der bei Tarent stationierten Kontingente parieren zu können.242 Vor der Küste Cumaes traf Menekrates auf die in Halbmondformation mit dem Heck zur Küste in Position gebrachten Verbände Menodoros’ und Calvisius Sabinus’ und verlor trotz anfänglicher Erfolge die Seeschlacht. Nachdem Menekrates im Verlauf des erbitterten Enterkampfes starb, brach Demonchares – er hatte darauf das Kommando über die verbliebenen pompeianischen Schiffe übernommen – den Angriff ab, zog sich nach Sizilien zurück und gab das gesamte mare Tyrrhenum bis zum Kap des Scyllaeum-Gebirges preis.243 In sizilischen Gewässern formierte Sextus Pompeius daraufhin seine Seestreitkräfte neu und besetzte die seit Menodoros’ Desertion und Menekrates’ Tod vakant gewordenen Kommandostellen mit Demonchares und Apollophanes neu.244 Indes war die Flotte unter Octavian und L. Cornificius von Tarent aus bis nach Rhegium vorgedrungen und versucht, die Meerenge von Messana zu durchbrechen, um sich beim Scyllaeum-Gebirge mit den bald aus Norden eintreffenden Einheiten des Menodoros und Calvisius Sabinus zu vereinigen. Geschlossen sollte dann der Angriff auf Sizilien durchgeführt werden. Für Sextus Pompeius galt es, Sizilien als Kernstück seiner Seemacht unbedingt zu verteidigen. Daher musste er die Vereinigung beider Geschwader Octavians zu verhindern suchen. Also setzte die Flottille unter Apollophanes Segel, um die Schiffe des in Seenot geratenen Calvisius Sabinus abzufangen, während Demonchares die bei der Meerenge von Messana durchgebrochenen Einheiten des Octavian verfolgte und großenteils aufrieb. Erst das Herannahen des Menodoros veranlasste die pompeianischen Schiffe zum Rückzug. Ein kurze Zeit später einsetzender, heftiger Seesturm vernichtete jedoch den Großteil der octavianischen Flotte, so dass trotz allem ein Angriff oder gar eine Eroberung Siziliens vorerst unmöglich wurde.245 Die uneingeschränkte Seehoheit über das mare Tyrrhenum hatte Sextus Pompeius zwar eingebüßt, wie der Verlust der Insel Lipara und die Vernichtung der von Apollophanes nach Nordafrika versegelten Schiffe durch Menodoros verdeutlichen.246 Doch vereinzelt gelang es ihm noch, kleinere, umliegende Inseln wie Hiera oder Kossyra zu
242 App.b.c. 5,81. 243 App.b.c. 5,81–83; Cass. Dio 48,46,5–47,2; Clark (1915) 101; Viereck (1996) 217; Bleicken (1999) 211. 244 App. b.c. 5,84. 245 App. b.c. 5,85–92; Cass. Dio 48,47,3–48,5; Oros. 6,18,22; Schor (1978) 44f.; Viereck (1996) 218; Bleicken (1999) 211. Trotz dieser Verluste erlitt Octavian nicht wie Syme (2006) 238 oder Bringmann (2007) 82 überzogen behaupten „ […] eine demütigende Niederlage“. Diese Übertreibung dient m. E. lediglich dazu, die psychologische Begründung bei Octavian für die groß angelegten Flottenrüstungen, die im Jahr darauf folgten, liefern zu können, zur Flottenstärke vgl. Kromayer (1897) 449f. 246 Cass. Dio 48,48,6. Ob Apollophanes nach Nordafrika entsandt worden war, um mit Lepidus Verhandlungen bezüglich eines gemeinsamen Waffenbundes gegen Octavain und M. Antonius zu führen, wie Miltner (1952) 2232 annimmt, lässt sich aus den Quellen nicht erschließen. Möglich wäre das Bestreben Sextus’ ein solches Bündnis abzuschließen, zumal dies als Antwort auf die zwischen Octavian und Antonius in Tarent getroffene Vereinbarung begreiflich wäre.
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besetzen und so dem Feind die Möglichkeit eines strategischen Brückenkopfes vor der Küste Siziliens zu nehmen.247 Mit dem zwischen den triumviri im Frühjahr 37 v. Chr. in Tarent geschlossenen Vertrag und der Rückkehr M. Vipsanius Agrippas aus Gallien im Spätherbst 38 v. Chr. wurde die Wende im Seekrieg eingeleitet. Denn durch die Erneuerung des Bündnisses mit Antonius auf weitere fünf Jahre erhielt Octavian im Gegenzug für 20.000 italische Legionäre eine Flotte von 130 Einheiten, wodurch er seine Seestreitkräfte deutlich verstärken konnte.248 Mit Vipsanius Agrippa betrat ein nautischer Könner die maritime Bühne des Bürgerkrieges, der an navaler Finesse und strategischen Kenntnissen Sextus Pompeius ebenbürtig war. Mit mustergültiger Akribie betrieb Agrippa eine maritime Rüstung, welcher die Ausbildung der aus den Reihen aller römischen Bürgerschichten und aus 20.000 Freigelassenen zusammen gestellten Rekruten zu spezialisierten Schiffsmannschaften überwachte und zur Perfektion trieb. Auf dem Lucrinersee und vor der Küste Baiaes ließ er monatelang die Ruder- und Kampfeinheiten der Flotte exerzieren und verschiedenste Manöver des Angriffs und der Verteidigung, auch bei widrigen Witterungsbedingungen, trainieren. Innerhalb von zwei Jahren gelang es Agrippa, zahlreiche neue Schiffe auf Stapel zu legen und zudem sein ehrgeiziges Projekt – den Bau eines imposanten Kriegshafens (portus Iulius) bei Baiae – zu verwirklichen. Zu diesem Zweck wurden die wenige hundert Meter voneinander entfernten Averner- und Lucrinerseen mittels Kanalbauten miteinander verbunden, und durch die Errichtung von Werften sowie Anlegeplätzen zu befestigten Hafenbecken ausgebaut. Während der größere Lucrinersee südöstlich durch Fahrrinnen die Einfahrt zum Golf von Puteoli sicherte, erschloss ein durch Felsgestein nach Westen verlaufender, unterirdischer Kanal vom kleineren Avernersee aus den Zugang zum tyrrhenischen Meer bei Cumae. Diese Meisterleistung der Ingenieurskunst eröffnete den strategischen Einsatz der Kriegsflotte sowohl im mare Tyrrhenum als auch im mare Ionicum ohne die Notwendigkeit einer Umsegelung des Kap Misenum.249 Doch Agrippas Aufgabengebiete blieben auf die Rüstung allein nicht beschränkt.Weiterhin wurde ihm durch Octavian das seit der erneuten Desertion des Menodoros im Sommer 37 v. Chr. vakant gewordene Flottenkommando übertragen, wodurch nun auch die gesamte Seekriegführung gegen Sextus Pompeius in sein Ressort fiel.250
247 Dies gelang ihm auch erst, als Octavian bzw. Agrippa vollauf mit der Rüstung der Flotte beschäftigt war, also im Verlauf des Jahres 37 v. Chr., App. b.c. 5,97. 106; Schor (1978) 46. 248 App. b.c. 5,94–95; Plut. Antonius 35,1–5; Cass. Dio 48,54,4–6; vgl. Bengtson (1977) 182f.; Bleicken (1999) 219f.; Kienast (1999) 53; Christ (2000) 447f.; Schäfer (2006) 147ff; Bringmann (2007) 83. 249 Verg. georg. 2,161–164; Liv. per. 128; Strab. 4,5,6; Vell. 2,79,2–3; Plin. n.h. 36,125; Suet. Aug. 16,1; Flor. 2,18,6; App. b.c. 5,106. 118; Cass. Dio 48,49,1–51,5; vgl. ferner Paget (1968) 162ff; Bleicken (1999) 213f. einschl. Abb. 250 App. b.c. 5,400; Oros. 6,18,25.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
Im Sommer 36 v. Chr. begann nach anfänglicher Verzögerung durch einen Seesturm251 die Großoffensive gegen Sizilien. Nun sah sich Sextus Pompeius an drei Fronten von seinen Gegnern attackiert: Im Süden griff der triumvir Lepidus mit seiner Flotte von Nordafrika ausgehend den Flottenstützpunkt Lilybaeum an und belagerte, trotz der Versuche einiger pompeianischer Schiffe seine Nachschubwege zu stören, erfolgreich die dort stationierte Besatzung unter Plenius Rufus. Während Octavian mit dem von Antonius zur Verfügung gestellten Geschwader Tauromenion zu erobern suchte, gelang es Agrippa, vom italischen Flottenstützpunkt Hipponium aus die kleinen Inseln Strongyle, Lipara und Hiera vor der Küste Siziliens zu besetzen und die Flotte Sextus Pompeius’ beim sizilischen Mylae in eine Seeschlacht hinein zu ziehen, die er auf Grund besonderer Schiffsbewaffnung, wie dem Korax und den erhöhten Gefechtstürmen, für sich entschied.252 Im Anschluss fuhr er zur sizilischen Nordwestküste, bemächtigte sich einiger Siedlungen und begann die Seefestung Tyndaris zu belagern und baute sie nach erfolgter Eroberung zum ersten befestigten Brückenkopf auf Sizilien aus.253 In der Zwischenzeit war Octavians Ansinnen, mit Flotte und Heer an der Nordostküste Siziliens, bei Tauromenion, zu landen, auf Widerstand gestoßen. Die Bewohner verweigerten die Übergabe ihrer Stadt, weshalb er sich gezwungen sah, seine Truppen unter der Führung von L. Cornificius etwas weiter südlich bei Naxos, an der Flussmündung des Onobalas, anzulanden. Seine Flotte indes ankerte schutzlos vor der Küste und wurde Opfer der überfallartigen Attacke durch Sextus Pompeius selbst. Dieser hatte nach der verlorenen Schlacht bei Mylae Kenntnis von Octavians Invasion erhalten und über Messana Kurs auf Tauromenion genommen. Während zu Lande seine Reiterei und Legionen den gegnerischen Truppen zusetzten, gelang seinen Schiffen die Vernichtung der feindlichen Einheiten und die Abtrennung der Verbindung des auf Sizilien gelandeten Voraustrupps vom restlichen Heer in Italien.254 Doch anstatt nun mit Hilfe der Flotte 251 T. Statilius Taurus war von Tarent aus gegen Sizilien in See gestochen und kehrte nach dem Seesturm kampflos in den Hafen Tarents zurück und verblieb dort bis nach der Seeschlacht von Mylae. Aemilius Lepidus verlor während des Seesturms einen Großteil seiner Frachter, konnte seine Belagerung Lilybaeums jedoch fortsetzen. Das Geschwader des Octavian und Agrippa ankerte beim Portus Iulius und versegelte von dort mit Kurs auf Sizilien. Nach dem Seesturm zogen sie sich in die Bucht Velias zurück, wo sie unzureichenden Schutz fanden, da Menodoros den ankernden und auszubessernden Schiffen bis zu seinem erneuten Übergang zu Octavian schwer zusetzte, App. b.c. 5,97–102; Cass. Dio 49,1,1.3–5; Oros. 6,18,25; vgl. Kromayer (1897) 454f.; Schor (1978) 47; Viereck (1996) 219; Bleicken (1999) 221f.; Bringmann (2007) 83. 252 Liv. per. 129; Vell. 2,79,4; Suet. Aug. 16,1; App. b.c. 5,103–108; Cass. Dio 49,1,6–4,4. 8,2; Oros. 6,18,26; vgl. Kromayer (1897) 451f., 456f.; Clark (1915) 102; Schor (1978) 47f.; Viereck (1996) 219f.; Bleicken (1999) 223; Kienast (1999) 54; Bringmann (2007) 83. 253 Vell. 2,79,4; App. b.c. 5,109. 116; Cass. Dio 49,7,4; Viereck (1996) 220; Bleicken (1999) 223. 254 Suet. Aug. 16,3; App. b.c. 5,109–111; Cass. Dio 49,5,1–4; Kromayer (1897) 452f.: „Denn da sich durch genaue Prüfung von Appian aus einer Quelle ersten Ranges geflossenem Bericht erweisen läßt, daß die Flotten des Pompeius und des Octavian sich schon am Nachmittage des Tages nach der Schlacht von Mylae südlich von Tauromenium gegenüber gestanden haben,
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die Überfahrt der drei octavianischen Legionen von Rhegium über Lipara zu stören, wandte er sich wie einst sein Vater vor der Entscheidungsschlacht bei Pharsalos 48 v. Chr. von seinem Machtinstrument Flotte ab und konzentrierte sich auf die Verfolgung der Truppen des L. Cornificius, die von Tauromenion aus zu Agrippa ins Landesinnere marschierten.255 Durch diese strategische Fehlentscheidung verlor Sextus Pompeius bis auf den schmalen Küstenstreifen zwischen Mylae und Messana kurzerhand die Vorherrschaft über weite Teile Siziliens. Denn seine Truppen bei Lilybaeum wurden weiterhin von Lepidus belagert, und sowohl L. Cornificius als auch die übrigen in Italien stationierten Legionen Octavians erreichten von Lipara versegelnd das von Agrippa gesicherte Tyndaris, das ihnen fortan als Operationsbasis diente.256 Um seine schwache Position zu Land wissend, setzte Sextus Pompeius nun doch wieder auf das Machtinstrument, welches ihn im Verlauf von zwölf Jahren zwischenzeitlich zum unumschränkten Herrscher des westlichen Mittelmeeres gemacht hatte. In einer für die antike Marinegeschichte wohl einmaligen Situation bot Sextus Pompeius seinem Kontrahenten eine Seeschlacht an, die durch Stellvertreter zu führen sei und duellhaften Charakter trug. Der antike Historiker Appian beschreibt die Bedingungen dieser arrangierten Zusammenkunft folgendermaßen: „Beide Parteien vereinbarten einen bestimmten Tag und an diesem machten sich auf beiden Seiten jeweils dreihundert Schiffe bereit, ausgerüstet mit verschiedenartigen Geschossen, mit Türmen und allen nur erdenklichen Maschinen.“257
In der im August 36 v. Chr. geführten Seeschlacht vor der Küste Naulochos’ unterlag die Flotte des Sextus Pompeius den von Agrippa geführten Einheiten, wodurch die Seehoheit des Pompeiuserben endgültig zerschlagen wurde und Octavian zum unumschränkten Hegemon über das westliche Mittelmeer aufstieg.258 Sextus Pompeius floh mit siebzehn Schiffen marodierend von Messana in den Osten, über Korkyra und Kephallenia nach Mytilene auf der Insel Lesbos. Zur dortigen Bevölkerung pflegte seine Familie Clientelbeziehungen, welche ihm
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so kann das Geschwader des Pompeius bei Tauromenium nicht dasselbe sein, wie die bei Mylae mit einem Verluste von vollen 30 Kriegsschiffen geschlagene, arg mitgenommene und bis zum Abend des Schlachttages zersprengt gebliebene Flotte.“ ferner Clark (1915) 102; Schor (1978) 48ff; Viereck (1996) 220; Bleicken (1999) 223f. Vell. 2,79,4; App. b.c. 5,103. 112–114; Cass. Dio 49,6,1–7,3; Schor (1978) 50; Viereck (1996) 220. Völlig zutreffend die Einschätzung Bleickens (1999) 224: „Bei diesen Kämpfen legte Sextus Pompeius eine bisweilen kaum nachvollziehbare Zurückhaltung an den Tag. […] Nach der Schlacht von Mylae und der Einnahme von Tyndaris wurde er noch vorsichtiger und unsicherer.“ Auch wenn er die m.E. nach unsinnige Verfolgung des Cornificius als richtig, jedoch lediglich als zu lasch ansieht. App. b.c. 5,116. App. b.c. 5,118: καὶ ὡρίζετο αὐτοῖς ἡµέρα, ἐς ἣν τριακόσιαι νῆες ἑκατέρων ἰδίᾳ παρεσκευάζοντο, βέλη τε παντοῖα φέρουσαι καὶ πύργους καὶ µηχανάς, ὅσας ἐπενόουν. Liv. per. 129; Vell. 2,79,5; Suet. Aug. 16,1; Flor. 2,18,7; App. b.c. 5,121; Cass. Dio 49,8,5– 10,4; Oros. 6,18,29; Schor (1978) 52f.; Viereck (1996) 220f.; Bleicken (1999) 225–228; Kienast (1999) 54f.; Bringmann (2007) 83.
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beim erneuten Erstarken seiner Position hilfreich waren. Durch einen zwischen Octavian und Lepidus ausgebrochenen Konflikt, Antonius’ Misserfolge im parthischen Feldzug und den Zulauf von Getreuen aus Sizilien und übriger Anhänger gestärkt, traf er Vorbereitungen für den Ausbau seiner Stellung im Osten der Mittelmeerwelt.259 Er knüpfte Verbindungen zu Thrakien, Pontos sowie Armenia, um sich auf diese Weise Zugang zu den Häfen und Lagerplätzen der Schwarzmeerküste zu verschaffen und sie für den Aufbau und die Ausrüstung einer Flotte zu nutzen. Der aus dem parthischen Feldzug nach Alexandria zurückgekehrte Antonius betrachtete den wachsenden Machtfaktor mitten in seinem Herrschaftsbereich mit Argwohn, auch als jener versuchte, ihn durch Gesandte mit dem Angebot einer Allianz milde zu stimmen. Daher detachierte er M. Titius samt Flotte und Heer aus Syria zur Überwachung von Sextus Pompeius’ Aktivitäten. Dieser war unterdessen bereits mit seinen Truppen in Kleinasien gelandet und richtete seine Bemühungen auf die Eroberung des Hellespont. Dazu bemächtigte er sich der Stadt Lampsakos und versuchte von dort, durch die Eroberung der Seefestung Kyzikos zu Lande und zu Wasser seinen Einfluss auf die Propontis auszubauen. Nach dem Scheitern dieser Belagerung nahm er die weiter im Landesinneren Bithyniens gelegenen Städte Nikaia und Nikomedia ein. Während Sextus Pompeius so seine Position an der Propontis zu Land absicherte, ließ er das Meer jedoch außer Acht, so dass es Antonius’ Flotte gelingen konnte, die Meerenge des Hellespont zu passieren. Dessen Truppen befuhren also die Propontis und landeten auf der Insel Prokonnesos, welche ihnen als Stützpunkt dienen sollte. Dieser geballten maritimen Übermacht konnte Sextus Pompeius nichts entgegensetzen und scheute auch den Versuch. Stattdessen wandte er sich von dem Element, welches er lange Zeit mit Bravour zu beherrschen gewusst hatte, ab. Dem unwiderruflichen Ende seiner maritimen Aktivitäten setzte er mit dem Verbrennen seiner Schiffe das wohl deutlichste Zeichen. Auf der Flucht ins Landesinnere Bithyniens verlor er durch seine Verfolger, C. Furnius, M. Titius und Amyntas schließlich sein Leben.260 Der Kampf um die maritime Suprematie zwischen Octavian und Sextus Pompeius entschied sich schließlich auf dem Meer, doch war er keinesfalls auf dieses Element beschränkt geblieben, sondern übertrug sich ebenso auf die kultischen und sozialen Lebensbereiche Roms. Der Krieg beider Kontrahenten wurde vor259 Flor. 2,18,9; App. b.c. 5,121–122. 127. 133; Cass. Dio 49,17,1–6; Bengtson (1977) 210; Schor (1978) 55–58, 175–179; Schäfer (2006) 173. Anders Bleicken (1999) 232, der eine m.E. nach unhaltbare Planlosigkeit in Sextus Pompeius’ Vorgehen im Osten zu erkennen glaubt: „Auf seiner Fahrt in den Osten zeigt er sich unstet und ziellos wie eh und je, zeitweise vor Kraft und Plänen überschäumend, dann wieder alles verwerfend, heute als Feldherr mit großen Zielen, morgen als verzagter Bittstellter.“ Betrachtet man jedoch Sextus’ Vorgehensweise aus maritimer Sicht, so muss man ihm sehr wohl einen dezidierten Wiederaufbau seiner maritimen Präsenz zugestehen. Denn seine Bemühungen konzentrieren sich auf den geographischen Raum der Propontis und dahingehend knüpft er zuerst diplomatische Kontakte und marschiert dann mit seinen Truppen in diese Küstenregion. 260 Liv. per. 131; Strab. 3,2,2; Vell. 2,79,5–6; App. b.c. 5,133–145; Cass. Dio 49,18,1–6; Oros. 6,19,2; Bengtson (1977) 210–213; Schor (1978) 59–63, 180–185; Schäfer (2006) 173ff.
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nehmlich mit riesigen Flotten geschlagen, doch auch andere Waffen, die der antiken Propaganda, leisteten ihren Anteil bezüglich der Auseinandersetzungen beider Kontrahenten. Es hatten sich zwei Männer in der jeweiligen Stilisierung und Ausschmückung der eigenen Person als Beherrscher der Meere an den Vorlagen ihrer Väter, Pompeius Magnus und Iulius Caesar, zu orientieren und gegenseitig zu übertreffen gesucht. Der Beginn der Propagandaschlacht wurde durch die Parteinahme Ciceros für Sextus Pompeius eingeläutet. Der beredte elder statesman sprach sich für eine besondere Ehrung des jungen Mannes aus, nachdem dieser zugesichert hatte, der res publica seine Flotte zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte auch der Mann geehrt werden, der es vermocht hatte, Sextus Pompeius zum Bündnis mit Rom und zur Unterlassung kriegerischer Handlungen zu bewegen – M. Aemilius Lepidus. Als sichtbares Zeichen gedachte man ihm für diese Tat ein vergoldetes Reiterstandbild neben der rostra auf dem Forum zu errichten und einen Triumph in Abwesenheit zu verleihen.261 Der als Gegner Caesars in der Schlacht bei Munda sowie als Hasardeur und Freibeuter in den iberischen Gewässern verbrämte Sextus Pompeius kehrte nun rehabilitiert als Praefectus classis et Orae Maritimae in die res publica populi romani zurück. Allein der Name Pompeius, der durch die Leistungen seines Vaters zur See – etwa während der schwierigen Versorgungslage Roms in den späten 50er Jahren v. Chr. oder während der Kriege gegen die Seeräuber und Mithridates VI. – mit uneingeschränkter nautischer Kompetenz und Qualifikation in Verbindung stand, gab Sextus ein Prestigekapital an die Hand, das ihn in Verbindung mit seinem Oberkommando über die Flotte als nautischen Grandseigneur erscheinen ließ. Dieses Bild verstärkte er im Folgenden noch auf drei Ebenen: Im Militärischen durch seine bis zur Schlacht bei Mylae 36 v. Chr. anhaltenden Seesiege über Salvidienus Rufus (42 v. Chr.), M. Lurius (40 v. Chr.)262, Calvisius Sabinus (38 v. Chr.), L. Cornificius (38 v. Chr.), Statilius Taurus (36 v. Chr.) und Octavian (38 und 36 v. Chr.) selbst. In der allgemeinen Warnehmung hervorgehoben wurde diese Sieghaftigkeit durch die propagandistische Inszenierung des Verlaufs einer siegreichen Seeschlacht vor den Augen der octavianischen Truppen. Wie bei einer Naumachia ließ Sextus Pompeius vor der Küste von Octavians Flottenstützpunkt Rhegion die kurz zuvor verlorene Seeschlacht nachstellen, indem ein Teil seiner Flotte die gegnerischen Schiffe des Salvidienus Rufus und deren verzweifelten Versuch auf Sizilien zu landen, imitierte.263 Die Verhöhnung des Gegners zur See diente Agrippa 36 v. Chr. nach der gewonnen Seeschlacht bei Mylae für seine provokante Flottenparade als Inspiration.264 Auf politischer Ebene stilisierte sich Sextus Pompeius zum Beherrscher der See, indem er bei der Zusammenkunft mit Antonius und Octavian in Misenum 39 v. Chr. demonstrativ mit seinen prunkvollsten Schiffen – darunter befand sich 261 Cic. Phil. 5,41; 13,7– 9. 50; Cass. Dio 46,29,6. Zur Ehrung Lepidus’ Sehlmeyer (1999) 247ff. 262 Dieser hatte Sardinia verwaltet und nach Menodoros’ Eroberung die Insel verlassen müssen, App. b.c. 5,56; Cass. Dio 48,30,6–7. 263 Cass. Dio 48,19,1. 264 App. b.c. 5,116; Cass. Dio 49,8,5.
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auch eine Hexere, ein riesiges Kriegsschiff mit jeweils sechs Ruderreihen an Steuer- und Backbord – anreiste. Während die beiden triumviri ihn vom Strand aus empfingen, trat Sextus ihnen vom Meer aus entgegen, indem er an eigens dazu errichteten Landungsbrücken anlegte und darüber an Land ging.265 Der Bereich des Kultischen bedeutete für Sextus Pompeius die wohl ergiebigste Plattform zur Selbstdarstellung. Dem Meeresgott Neptun bzw. Poseidon machte er seine Aufwartung, wählte ihn als persönliche Schutzgottheit aus und erhob sich selbst zu dessen Sohn. Fortan stand die Gottheit, die über das Meer gebot, im Zentrum aller von ihm vollzogenen Riten und Opfer, etwa vor Schlachten, um sich der Gunst zu versichern, oder im Anschluss an den erfolgreichen Ausgang einer Seeoperation, um seine Dankbarkeit zu bezeugen. Seine selbst erwählte Gottessohnschaft zu Neptun umgab ihn und seine Handlungen mit der Aura des Göttlichen und muss als Antwort auf die familiäre Beziehung seines Kontrahenten Octavian zum divinisierten Caesar verstanden werden.266 Eine Vorlage für diese Neptunfiliation findet sich sowohl im hellenistischen Osten, wo bereits Demetrios Poliorketes wegen seiner Seesiege von Duris von Samos `Sohn des Poseidon´ genannt wurde und den Gott Poseidon auf Münzen prägen ließ267, als auch in Rom selbst, wo P. Plautius Hypsaeus, aedilis curulis des Jahres 58 v. Chr., Neptun auf Münzen prägen ließ und die Abstammung seiner Familie von Neptun behauptete.268 Zudem forcierte Sextus Pompeius sich um ihn rankende Gerüchte und Mythen, die seine besondere Beziehung zu den Göttern unterstrichen. So weiß noch gut ein Jahrhundert später der ältere Plinius in seiner um 77 n. Chr. vollendeten naturalis historia zu berichten, dass die Götter durch den von Sextus Pompeius getöteten Flottenkommandanten Gabienus von ihrer Parteinahme für ihn kundtaten: „[…] der Kopf hing noch kaum mit dem Rumpf zusammen, und so lag er einen ganzen Tag an der Küste. Gegen Abend bat er in Gegenwart einer zusammengelaufenen Menge mit Seufzen und Flehen, Pompeius möge zu ihm kommen oder einen seiner Vertrauten senden; denn er sei aus der Unterwelt zurückgesandt und habe etwas mitzuteilen, Pompeius schickte mehrere seiner Freunde, denen Gabienus erklärte, den Göttern der Unterwelt gefiele die pflichtgetreue Parteinahme des Pompeius, seine Wünsche würden daher in Erfüllung gehen; ihm sei befohlen, dies zu verkünden, und zum Beweis der Wahrheit werde er sogleich nach erledigtem Auftrag seinen Geist aufgeben, was auch wirklich geschah.“269
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App. b.c. 5,71; Cass. Dio 48,36,2. Cass. Dio 48,48,5. 19,2; Hor. Epod. 9,7. Newell (1927) 87ff, Taf. 7, 9.11ff. Vgl. Hyg. fab. 257. Plin. n.h. 7,178–179: […] iacuit in litore toto die. Deinde, cum advesperavisset, gemitu precibusque congregate multitudine petiit, uti Pompeius ad se venire taut aliquem ex arcanis mitteret; se enim ab inferis remissum habere quae nuntiaret. Misit plures Pompeis ex amicis, quibus Gabienus dixit inferis dis placere Pompei causas et partes pias, proinde eventum futurum quem optaret; hoc se nuntiare iussum, argumentum fore veritatis, quod peractis mandates protinus exspiraturus esset. Idque ita evenit.
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Jeden Seesturm, alle plötzlich aufkommenden Winde, die seinen Feinden schadeten, deutete Sextus als Intervention der Götter zu seinem Vorteil. Durch die Reklamation des göttlichen Willens für seine Operationen und des Segens für die erbrachten Leistungen vollendete sich seine Legitimation als Herrscher der Meere. Nach außen trug er dieses Selbstverständnis offen zur Schau. Ostentativ legte er den für Feldherren typischen purpurfarbenen Mantel ab und kleidete sich fortan mit einem speziellen meeresblauen Umhang.270 Auch durch Münzen unterstrich Sextus seine besondere Beziehung zu den Göttern, insbesondere zu seinem „neuen“ Vater Neptun, indem sein loyaler Offizier, Q. Nasidius, der zugleich Sohn eines Flottenkommandanten von Pompeius Magnus war, Denare in Umlauf brachte, welche auf dem Avers Sextus Pompeius mit den Gesichtszügen Neptuns, umkränzt von einem Delphin, Dreizack sowie der Legende NEPTVNI zeigen, während auf dem Revers ein Schiff dargestellt ist.271
RCC 483/2. Ein Denarius aus dem Jahr 44 oder 43 v. Chr. Der Avers zeigt das Portrait des Cn. Pompeius Magnus flankiert von einem Dreizack und des Namens NEPTVNI. An unteren Rand ist ein Delphin dargestellt. Auf dem Revers ist ein Segelschiff dargestellt, über das ein Stern erstrahlt. Die Umschrift trägt den Namen des Auftraggebers Q•NASIDIVS.
Die Erfolge dieser Propaganda wurden bei den ludei publicei evident: In althergebrachter Manier präsentierte man während der großen Spiele im Circus den Zug der Götter des Pantheons. Schon C. Iulius Caesar hatte im Jahr 45 v. Chr. den Versuch unternommen, eine Elfenbeinstatue, die sein Abbild darstellte, mitführen zu lassen272, worauf die Bevölkerung ablehnend reagiert hatte.273 Daher beobachtete Octavian die mehr als überschwänglichen Beifallbekundungen der Zuschauer 270 App. b.c. 5,100. 271 RRC 483. Vgl. Auch Welch (2002a) 19: „The inscription in the genitive can be read so signify „son of Neptune“, that is, Sextus himself.“ Zu weiteren Münzemissionen, die neben Neptun auch noch maritime τρόπαια mit Scylla im Zentrum zeigen (RRC 511/4a–d) und von der Legende PRAF[ECTUS] ORAE MARI[TIMAE] ET CLAS[SIS] S.C. umkränzt sind, vgl. Powell (2002) 121–127. 272 Cass. Dio 43,45,2. 273 Cic. Att. 13,44,1.
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für die Göttergestalt des Neptun in Pompeius’ Zug äußerst skeptisch und interpretierte diese als Parteinahme der Massen für Sextus Pompeius. Die Statue dieser Meeresgottheit war zur versteinerten Personifikation seines Gegners geworden. Kurzerhand ließ Octavian das Kultbild des Neptun aus dem Götterzug entfernen274, ohne jedoch mit der Entrüstung der plebs gerechnet zu haben.275 Die römische Öffentlichkeit ergriff mehrfach durch tumultartige Sympathiebekundungen Partei für Sextus Pompeius276. Das mag in Anbetracht der Tatsache, dass er durch seine Übergriffe auf italische Küsten und Seehandelsrouten der eigentliche Verursacher der immer wiederkehrenden Versorgungsprobleme der Stadt war, verwundern, ist vielleicht aber Ausdruck seines gut konstruierten öffentlichen Bildes. Octavian will ein passendes Äquivalent nicht so recht gelingen. Das mag insbesondere an mangelnden nautischen Fähigkeiten und Fertigkeiten seinerseits liegen. Er war sogar einmal gezwungen (38 v. Chr.), durch Herolde verlautbaren zu lassen, dass er ein Seegefecht gegen Pompeius, bei dem sein Schiff zerstört worden war, unbeschadet überlebt hatte, da seine Truppen schon gemutmaßt hatten, ihr Befehlshaber sei darin umgekommen.277 Dennoch versuchte auch er den Beistand Neptuns für sich zu akquirieren, um ebenfalls in vito Neptuno278 siegen zu können. Fortan opferte auch Octavian für Neptun, wie beispielsweise beim Aufbruch von Dikaiarcheia279, und alsbald prophezeite ihm ein Prodigium an der Küste seinen Sieg über Sextus Pompeius. Plinius der Ältere berichtet hierüber: „Als während des sizilischen Krieges Augustus am Ufer entlang spazierenging, sprang ein Fisch aus dem Meere heraus zu seinen Füßen; aufgrund dieser Tatsache erklärten die Wahrsager daß, während sich Sextus Pompeius damals Neptun als Vater zulegte – so groß war sein Ruhm zur See –, diejenigen zu den Füßen des Kaisers liegen würden, die zu jener Zeit die Herrschaft über die Meere behaupten.”280 Erst nach Sextus Pompeius’ Tod vermag Octavian sich als Herr über alle Meere zu inszenieren und die Gottheit der See für sich in Anspruch zu nehmen.281 274 275 276 277 278 279 280
Suet. Aug. 16,2. Cass. Dio 48,31,4–6; App. b.c. 5,67; vgl. Dazu auch Powell (2002) 116ff. App. b.c. 5, 99. 112. App. b.c. 5,87. Suet. Aug. 16,2. App. b.c. 5,98. Plin. n.h. 9,55: Siculo bello ambulante in litore Augusto piscis e mari ad pedes eius exsilivit; quo argumento vates respondere Neptunum patrem adoptante tum sibi Sexto Pompeio – tanta erat navalis rei gloria – sub pedibus Caesaris futurosqui maria tempore illa tenerent. 281 Nach Actium bedachte Octavian neben Apollo auch Neptun mit Dankbarkeit und weihte ihm Rammsporne (Suet. Aug. 18,2). Sein Geburtstag wurde zugleich zum Stiftungstag von drei Tempeln, wobei eine dieser Kultstätten Neptun zugedacht war (CIL I2 p.215). In den nachfolgenden Jahren wandelte sich die Bedeutung Neptuns als Octavians/Augustus’ Schutzgottheit. In der göttlichen Figur des Aion tritt dies wohl am Deutlichsten zutage. Aion stellte ursprünglich die Personifikation der ewigen Zeit dar – Eurip. Heraklid. 900 bezeichnet ihn als Sohn des Chronos – bevor er sich im hellenistischen Osten zum Konglomerat verschiedener Götter veränderte, und neben Helios auch Poseidon in sich vereinte. Demnach umfasste der Wirkungskreis Aions sowohl das Land, als auch die Luft und das Meer, nach Strothmann
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4.4.3 Der Bürgerkrieg zwischen Octavian und Antonius – Das thalassische Ende der römischen Republik Die propagandistische Diskreditierung von Augustus’ Bürgerkriegsgegnern in seinen res gestae, welche zunächst Brutus und Cassius als heuchlerische Vätermörder bezeichnet und dann auch Sextus Pompeius mit dem Begriff „Seeräuber“ tituliert, gipfelt schließlich in der Verbrämung des Antonius als „äußerer Feind“, den er zu Lande und Wasser besiegte. Schon seit der Ermordung Caesars schwelten zwischen diesen beiden Männern persönliche Differenzen, die zwar unter dem Deckmantel des so genannten zweiten Triumvirats zeitweise verschleiert, aber nie wirklich beseitigt werden konnten, so dass bis 32 v. Chr. immer wieder an einigen neuralgischen Punkten Auseinandersetzungen stattfanden. Interessanterweise ist der Auslöser für diese Auflösungserscheinungen der triumviri rei publicae constituendae immer die Flotte und die Frage der individuellen Vorherrschaft zur See gewesen. Sextus Pompeius kommt in diesem „Ränkespiel“ eine Schlüsselrolle zu, die ihn zeitweise zu einem evidenten Machtfaktor werden ließ. Daher ist es für das Verständnis der Rivalität zwischen Octavian und Antonius, welche in der Seeschlacht bei Actium ihren finalen Höhepunkt fand, unerlässlich, diese Zwistigkeiten aus „maritimer“ Perspektive und unter seestrategischen Gesichtspunkten zu analysieren. Bereits im Herbst 44 v. Chr. versuchte Antonius, Sextus Pompeius inklusive seiner erheblich angewachsenen Flotte an sich zu binden, indem er seinen Einfluss als Consul nutzte, um ihm die Stellung des praefectus classis et orae maritimae, sowie die Rückgabe des väterlichen Vermögens zu verschaffen.282 Diese Verbindung wurde im Jahr 40 v. Chr. durch ein vorerst geheimes Waffenbündnis intensiviert, welches Antonius die Unterstützung der pompeianischen Flotte zusicherte, falls die Entente der triumviri ihre Gültigkeit verlöre und ein Krieg gegen Octavi-
(2000) 235, „[…] ein Bild, das sich ohne Zögern auf die Stellung des Princeps übertragen läßt“. Folglich lassen sich propagandistische Rückgriffe Augustus’ auf einen Aion-Vergleich für den hellenistischen Osten ausmachen, wodurch das propagierte goldene saeculum einen göttlichen Träger erhielt. Vgl. dazu Strothmann (2000) 232–246. Der Meeresgott trat in seiner Bedeutung als Schutzgottheit nun deutlich zurück und büßte seine einst exponierte Stellung zur Zeit der großen Seeschlachten ein. An seiner statt umgab nun der göttliche Segen des Apollo den Princeps. Die verminderte Bedeutung Neptuns für Augustus – bzw. die Wahrnehmung dieser Verringerung im hellenistischen Osten – wird durch ein Ereignis sehr anschaulich. Im Zuge der vielfältigen Bautätigkeit in Athen, die u. a. der Etablierung des Kaiserkultes gedient hatten, wurde für die Errichtung des Arestempels auf der Agora Teile eines Poseidontempels verwendet, dessen archäologische Überreste bis heute erhalten sind. Dazu McAllister (1959) 1–64; Strothmann (2000) 261–364. 282 App. b.c. 3,4; Cass. Dio 45,10,6. Die Verbindung zwischen Sextus Pompeius und M. Antonius wurde durch M. Aemilius Lepidus ermöglicht, der seinerseits, wie oben beschrieben, die Übereinkunft mit Sextus Pompeius getroffen hatte und zudem in engem, sogar freundschaftlichen Verhältnis zu Antonius stand. Denn dieser hatte ihm nach Caesars Tod die vakant gewordene Position des pontifex maximus verschafft und zudem über ihrer beider Kinder familiäre Bande geknüpft (Liv. per. 117; Vell. 2,63,1; App. b.c. 2,132; Cass. Dio 44,53,6–7).
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an unvermeidbar würde.283 Noch im selben Jahr kam es zur Bewährungsprobe dieses geheimen Abkommens. Octavian hatte einen Aufstand der antoninischen Veteranen im italischen Perusia blutig niedergeschlagen284, was Antonius dazu veranlasste, mit 200 Schiffen an der italischen Adriaküste zu landen und Brundisium zu belagern. Sextus Pompeius übermittelte er die Order, unverzüglich mit der Invasion und Eroberung Sardiniens und Korsikas zu beginnen. Dass zudem Domitius Ahenobarbus, der Caesarmörder und einstige Flottenkommandant des Brutus und Cassius, sich mit seinen Schiffen dem Antonius in der Adria angeschlossen hatte, verkomplizierte die Lage zusehens und bedrohte die fragil gewordene Verbindung der triumviri zusätzlich.285 Es erscheint nahezu unwirklich, dass sich Antonius und Octavian trotz dieses auf dem Meer offen ausgetragenen Konfliktes und der eklatanten Beschneidung des octavianischen Seeanspruchs doch noch zu einer Erneuerung ihrer Verbindung durchringen konnten. Doch eine Lösung des Konfliktes mit kriegerischen Mitteln war von beiden Seiten zu diesem Zeitpunkt nicht realisierbar, denn weder hatte Octavian die benötigten maritimen Ressourcen für einen Erfolg versprechenden Seekrieg gegen Sextus Pompeius, noch konnte es sich Antonius leisten, den Krieg gegen die Parther an der Ostgrenze seines Herrschaftsbereiches hinauszuschieben. Bei dieser als Vertrag von Brundisium bezeichneten Übereinkunft der beiden triumviri erwirkte Antonius auch die Verpflichtung Octavians zur Aussöhnung mit Sextus Pompeius, die kurz darauf in Misenum besiegelt wurde.286 Auch wenn im Anschluss daran die Beziehungen zwischen Antonius und Sextus Pompeius auf Grund von Streitigkeiten um Griechenland abkühlten287, blieb 283 Vgl. die Ausführungen dazu in Anm. 236 (Kapitel 4.4.2). Brambach (1991) 209f. unterschlägt diese Verbindung zwischen Sextus Pompeius und Antonius. Als Folge deutet er die von Sextus geführten Angriffe auf Sardinien, Korsika und der italischen Küste fälschlicherweise als Antwort auf den Vertrag von Brundisium, mit der Begründung: „Er mußte nun befürchten, daß seine Macht durch die vereinten Kräfte der beiden Triumvirn gebrochen wurde.“ 284 Liv. per 125–126; Vell. 2,74,2–3; Suet. Aug. 14–15; App. b.c. 5,13–49. 61; Plut. Antonius 30,1; Cass. Dio 48,6,1–15,2; Oros. 6,18,17–18; ferner Bengtson (1977) 167–170; Brambach (1991) 200ff; Southern (1998) 95f.; Bleicken (1999) 178–194; Kienast (1999) 44ff; Christ (2000) 441ff; Schäfer (2006) 137ff; Syme (2006) 215–220; Bringmann (2007) 72–77. 285 Vell. 2,76,2; Suet. Nero 3,1; Tac ann. 4,44; App. b.c. 5,55–62. 67; Plut. Antonius 30,2; Cass. Dio 48,27,5–28,2. 30,4.7. 31,1; Kromayer (1897) 447; Bengtson (1977) 172f.; Bleicken (1999) 1999; Schäfer (2006) 140; Syme (2006) 220, 224; Bringmann (2007) 78: „Das Bündnis mit Domitius Ahenobarbus […] verschaffte Antonius die Seeherrschaft in der Adria und damit einen sicheren Übergang nach Italien.“ 286 App. b.c. 5,65; Cass. Dio 48,28,4. Zum Vertrag von Brundisium vgl. Bengtson (1977) 174f.; Brambach (1991) 204; Southern (1998) 98ff; Bleicken (1999) 199f.; Kienast (1999) 47ff; Christ (2000) 443; Schäfer (2006) 140f.; Syme (2006) 225–228; Bringmann (2007) 79. Zu Antonius’ Partherfeldzug vgl. Bengtson (1977) 184–205; Brambach (1991) 242–251; Clauss (1995) 58–61; Southern (1998) 117–124; Bleicken (1999) 246–249; Christ (2000) 448–451; Schäfer (2006) 162–165. 287 Im Kern des Dissenses ging es um die Zuständigkeit bezüglich der in der Provinz noch zu tilgenden Schuldforderungen. Während Antonius diese Aufgabe allein bei Sextus Pompeius sah und daher die Übergabe der provincia Achaia aus seinem seit dem Abschluss des so ge-
4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht
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jener für ihn ein mächtiges Instrument, um Octavians maritime Ambitionen im westlichen Mittelmeer zu binden und die Gefahr von dessen wachsendem Machtpotential Einhalt zu gebieten. Geflissentlich unterließ es Antonius auch, nach dem Bruch des Vertrages von Misenum an Octavian die dringend benötigten Schiffskontingente zu detachieren, die dieser für den bevorstehenden Seekrieg gegen Sextus Pompeius angefordert hatte, sondern begnügte sich damit, ihn schriftlich zur Friedenswahrung zu mahnen.288 Dadurch war Octavian gezwungen, aus eigener Kraft den Seekrieg gegen Sextus Pompeius zu führen. Das Jahr 38 v. Chr. schien Antonius die Richtigkeit seiner Entscheidung zu bestätigen, denn Octavians Erfolge zur See waren marginal, vielmehr zerstörte sogar noch ein Seesturm einen Großteil seiner Flotte. Doch die Rückkehr Agrippas aus Gallien und seine Berufung zum Anführer über die geplante Flottenrüstung führten die Wende im octavianisch-antoninischen Machtpoker herbei. In den Häfen und Bootshäusern Italiens wurden unter Hochdruck zahlreiche Schiffe auf Stapel gelegt und in Größenordnungen Flottenmannschaften rekrutiert und ausgebildet, so dass Octavian bald eine riesige nautische Streitmacht sein Eigen nennen konnte. Indessen benötigte Antonius dringend Legionen für seinen Partherfeldzug und gedachte diese in Italien zu rekrutieren, wie es ihm der Vertrag von Brundisium zusicherte. Doch ohne Octavians Zustimmung war dies schier nicht möglich. Daher kehrte er mit einer ansehnlichen Flotte 37 v. Chr. nach Italien zurück und offerierte seinem Vertragspartner die Übergabe von Schiffen für dessen Seekrieg. Im Gegenzug forderte er die Überlassung von Landtruppen für seinen Partherfeldzug. Doch Octavian ging vorerst nicht auf diesen Vorschlag ein. Im Gegenteil, in Brundisium verweigerten seine Truppen der antoninischen Flotte die Landung, so dass diese nach Tarent versegelte und Gesandtschaften vergeblich versuchten, Kontakt aufzunehmen. Die Flotte als Trumpfkarte im Machtspiel zwischen den beiden triumviri war von Antonius überreizt worden und somit nutzlos. Stattdes-
nannten zweiten Triumvirats ihm unterstellten Herrschaftsbereich bis zur Tilgung der Schulden verzögerte, meinte Sextus Pompeius durch den Vertrag von Misenum Achaia samt der ausstehenden Schuldforderungen erhalten zu haben und daher sei er nicht dazu verpflichtet, diese zu tilgen, App. b.c. 5,77; Cass. Dio 48,46,1. Brambach (1991) 223 mutmaßt hinter der Weigerung Antonius’ auf Herausgabe der provincia Achaia eine Kooperation mit Octavian, um Sextus Pompeius zum Vertragsbruch von Misenum zu bewegen. In völliger Verkennung der politischen Situation begründet Brambach seine Mutmaßung damit, dass Octavian mit dem Vertragsbruch „[…] da sich die Ehe mit Scribonia, der Verwandten von Pompeius, politisch nicht auszahlte, einen Vorwand [hatte], seiner Frau den Scheidebrief zu schicken.“ Überzeugende Deutung der Gründe für den Ehebruch mit Scribonia bei Bleicken (1999) 207ff; Bringmann (2007) 80f. 288 Da Antonius selbst die Zusicherungen des so genannten zweiten Triumvirats für seinen im Osten zu führenden Krieg als Rückversicherung benötigte, signalisierte er Bündnistreue zu Octavian und versegelte mit seiner Flotte nach Brundisium, ohne ihn über den voraussichtlichen Zeitpunkt seiner Ankunft zu informieren. Da Octavian sich jedoch bei Antonius’ Eintreffen nicht in Brundisium befand, zog jener unter dem fadenscheinigen Vorwand böser Vorzeichen unverrichteter Dinge in den Osten wieder ab (App. b.c. 5,79; Cass. Dio 48,46,2– 4).
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sen sah er sich nach Octavians Sieg bei Naulochos nun Sextus Pompeius, seiner eigenen Waffe gegen den jungen Caesar, gegenüber.289 Erst einige Zeit später trafen die beiden triumviri eine erneute Übereinkunft, welche jedem die benötigten Kontingente zusicherte: Octavian eine Verstärkung von 130 Schiffen und Antonius 20.000 Soldaten. 290 Nachdem Sextus Pompeius als maritimer Machtfaktor durch die Seeschlachten bei Mylae und Naulochos ausgeschaltet war, hinderte Lepidus’ Versuch, Sizilien zu okkupieren, Octavian an der Etablierung seines uneingeschränkten Herrschaftsanspruchs über das westliche Mittelmeer. Zeitweise war sogar seine Flotte in ärgster Gefahr, weshalb sie schutzsuchend die sizilische Küste verließ und auf hoher See Stellung bezog.291 Erst nachdem Lepidus’ Truppen desertierten und dieser gezwungen wurde, seine Kompetenzen und Befugnisse als triumvir rei publicae constituendae ganz und gar nieder zu legen292, gebot Octavian uneingeschränkt über die Gewässer des westlichen Mittelmeeres.293 Als Ausdruck seines neuen Machtanspruches enthielt er Antonius die durch den Vertrag von Tarent vereinbarten Truppen vor und gab ihm indes 70 noch intakte Schiffe seines geliehenen, einst 130 Einheiten starken Flottenverbandes zurück. Diese Provokation kühlte die Beziehung der beiden Männer wiederum erheblich ab und trug somit zum offenen Bruch 32 v. Chr. bei.294 Während die maritime Auseinandersetzung zwischen Octavian und Antonius bis auf die Belagerung Brundisiums im Jahr 37 v. Chr. nie wirklich offen, sondern lediglich durch den von Sextus Pompeius geführten Stellvertreterkrieg ausgetragen worden war, brach sich der Konflikt mit der Diskreditierung Antonius’ als willfähriger Lakai der ptolemaischen Pharaonin und der Kriegserklärung Roms an Cleopatra bzw. Ägypten vollends Bahn. Für die römische Öffentlichkeit, und noch mehr für die Nachwelt, verschleierte Octavian dadurch den Bürgerkriegscharakter, der seinem Kampf mit Antonius anhaftete, zumal zahlreiche Senatoren, 289 Der nach Osten geflohene Sextus Pompeius hielt nun Antonius in Schach und raubte ihm wertvolle Zeit, die er für seinen Partherfeldzug dringend benötigte. Kienast (1999) 59 bringt es prägnant auf den Punkt: „Die Situation hatte sich also plötzlich verkehrt: Der Mann, der so lange Oktavian in Schach gehalten hatte, band nun die Truppen des Antonius. Dieser verlor dadurch ein kostbares Jahr.“ Ebenso Schäfer (2006) 175. 290 App. b.c. 5,93–95; Plut. Antonius 35,1–5; Cass. Dio 48,54,1–6; vgl. Southern (1998) 110f. 291 Nach App. b.c. 5,123 bestand für Octavians Flotte die Gefahr des Brandangriffes durch Lepidus. 292 Liv. per. 129; Vell. 2,80,1–4; Tac. ann. 1,2. 10; Suet. Aug. 16,4; App. b.c. 5,122–126; Plut. Antonius 55,1–2; Cass. Dio 49,11,2–4. 12,4; 50,1,3. 20,3; Oros. 6,18,30–32; Bleicken (1999) 228ff; Syme (2006) 240; Bringmann (2007) 84. 293 Von 35–33 v. Chr. führte Octavian mehrere Feldzüge in Illyrien, doch war der Einsatz der Flotte hierfür nicht notwendig. Zu den illyrischen Feldzügen vgl. Bleicken (1999) 250–255; Christ (2000) 453f.; Syme (2006) 247f.; Bringmann (2007) 8ff. Hierbei wird er, wie Schäfer (2006) 225 konstatiert, auch Schiffe übernommen haben, die ihm bzw. Agrippa bei Actium als Schlacht entscheidende Waffe gedient haben. Kontrovers dazu Kromayer (1897) 460 Anm. 197, der die Liburnen als Beute aus der Flotte des Sextus Pompeius vermutet. 294 App. b.c. 5,139, anders Cass. Dio 49,14,6. Zudem Brambach (1991) 254; Clauss (1995) 62; Bleicken (1999) 262; Kienast (1999) 59.
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sowie die amtierenden Consuln des Jahres 32 v. Chr., aus Rom zu Antonius geflohen waren.295 Noch im selben Jahr konzentrierte Octavian seine Streitmacht um Tarent und Brundisium und ließ in den Häfen der Städte seine Flotte vor Anker gehen, damit sie im Frühjahr das Heer über die Adria übersetzen konnte. Entgegen seiner in der Sizilienoffensive des Jahres 36 v. Chr. verfolgten und siegreichen Strategie beließ Agrippa die riesigen, zugleich aber trägen Schlachtschiffe in den Kriegshäfen und betrieb derweil den Bau kleinerer und damit schnellerer, wendigerer Schiffe. Vermutlich war eine Konzentration der Seeoffensive auf die zerklüftete Küste Illyriens und der Peloponnes mit ihren zahlreichen Buchten vorherzusehen, sowie der taktische Nutzen der großen Kreuzer auf diesem engen Raum äußerst begrenzt. Außerdem ermöglichten ihm die kleineren Schiffe eine größere Geschwindigkeit und dadurch stärkere Beweglichkeit, um auf sich schnell ändernde taktische Gegebenheiten adäquat reagieren zu können. Antonius hingegen setzte auf Größe sowie Masse und hatte sein aus Achtund Zehnruderern bestehendes Geschwader bei Ephesos zusammen gezogen, um von dort aus nach Griechenland überzusetzen. Von Methone im Südosten der Peloponnes bis nördlich zu den Inseln Leukas und Korkyra in der Zentraladria verteilte er wie einst Pompeius Magnus im Jahr 48 v. Chr. seine gesamten Streitkräfte zu Lande und zu Wasser. Das Gros seiner Flotte überwinterte in der geschützten Bucht Ambrakias, während ihm und Cleopatra Patrai im Norden der Peloponnes, am gleichnamigen Golf gelegen, als Hauptquartier diente.296
295 Zu den propagandistischen Umständen des Kriegsausbruches und die erwirkte Kriegserklärung: Hor. Od. 1,37,6; ep. 9,11; Ovid. Met. 15,827; Prop. 3,11,31; Flor. 2,21,2; Plut. Antonius 60,1; Cass. Dio 50,4,3–6,1. 21,1. 24,3. 25,1. 26,3; ferner Bengtson (1977) 220–226; Brambach (1991) 276–280, 284–288; Clauss (1995) 37ff, 75ff, 83; Bleicken (1999) 262, 266ff; Kienast (1999) 66ff; Christ (2000) 457f.; Schäfer (2006) 188–214; Schuller (2006) 109f. Syme (2006) 286f.; Bringmann (2007) 92ff, 97. Bleicken (1999) 266 resümiert frappant: „Niemals zuvor waren die Römer in diesem Ausmaß einer von der Regierungszentrale gelenkten Propaganda ausgesetzt gewesen, niemals zuvor war offiziell so rücksichtslos verleumdet und verunglimpft worden.“ Durch die Flucht der amtierenden Consuln und Senatoren (Suet. Aug. 17,2; Plut. Antonius 56,2; Cass. Dio 50,2,5–7) war es M. Antonius sogar möglich, einen Gegensenat einzuberufen, Cass. Dio 50,3,2; dazu Bengtson (1977) 223f.; Brambach (1991) 280f.; Clauss (1995) 78; Bleicken (1999) 271f.; Syme (2006) 288; Bringmann (2007) 96. 296 Strab. 8,4,3; Vell. 2,84,1–2; Flor. 2,51,5; Plut. Antonius 56,1; 60,2; 61,1–2; 62,2; Cass. Dio 50,9,3. 11,3. 12,1–2. 13,5; Oros. 6,19,6–7; Kromayer (1897) 459; Bengtson (1977) 231f.; Clauss (1995) 79–82; Southern (1998) 132–137; Bleicken (1999) 276f.; Kienast (1999) 70; Schuller (2006) 106f.; Schäfer (2006) 215–218. Nach Schäfer (2006) 215 dienten diese Vorbereitungen wohl nicht der Eroberung Italiens, vielmehr sollte die Entscheidung in Griechenland gesucht werden, nicht zuletzt hinsichtlich geostrategischer Argumente, wie er treffend analysiert: „[…] galt es trotz seiner gewaltigen Flotte die immer länger werdenden Versorgungswege zu bedenken, denn Getreide für die Truppen musste bis aus Ägypten herangeführt werden. […] je länger Antonius’ Nachschubwege wurden, desto anfälliger waren sie für feindliche Attacken.“ Ähnlich Brambach (1991) 292; Bleicken (1999) 277; Syme (2006) 304; Bringmann (2007) 99. Anders Bengtson (1977) 226f.; Viereck (1996) 221; Clauss (1995) 85: „Antonius hatte diese gewaltigen Truppenmassen zusammengeführt, um einen Angriff auf Italien durchzuführen.“
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Octavians und Agrippas maritime Strategie beinhaltete nicht einfach nur das Übersetzen des Heeres nach Illyrien und die Bekämpfung der vor der Küste stationierten feindlichen Flotte. Vielmehr zogen sie die vollständige Isolation des Gegners auf der griechischen Halbinsel in Betracht und die Blockade von sämtlichen Zufahrtswegen über das Meer. Dadurch geriet neben dem mare Adriaticum und Ionicum auch die Ägäis in den Fokus ihrer taktischen Überlegungen. Im Frühjahr 31 v. Chr. versegelte Agrippa mit seinem Geschwader zum südlichsten Punkt der von Antonius besetzten Küste und eroberte die Seefestung Methone auf der Peloponnes. Dadurch waren die Seewege für den aus Ägypten kommenden Nachschub empfindlich gestört und der erste Schritt zur Destabilisierung des Gegners getan.297 Im Anschluss daran wandte sich Agrippa, entlang der Westküste Griechenlands segelnd, gegen Korkyra. Durch die Einnahme der Insel flankierte er die eigene Transportflotte, welche von Brundisium aus Kurs auf die illyrische Küste genommen hatte, um das Heer bei Toryne abzusetzen. Von dort marschierte Octavian mit seinen Truppen zum nördlichen Ende der Bucht Ambarkias.298 Da Antonius vorsorglich die Mündung des Golfs, welche mit der Breite von ca. 700 Meter einem Nadelöhr glich, durch in geringem Abstand zueinander ankernde Schiffe sowie an den Küsten errichtete Wehrtürme abgesichert hatte, gelangte Octavian nicht in die geschützte Bucht. Dadurch war er gezwungen, seine Schiffe weiter nördlich in der kleinen Bucht von Gomaros zu verankern. Da diese jedoch nur unzureichend Schutz vor den Frühjahrsstürmen bot, unternahm er auch den Versuch, Trieren über Land von der Adria in den Golf Ambrakias zu befördern, wobei ihm statt Baumstümpfen in Öl getränkte Tierschläuche als Untergrund für den Transport gedient haben sollen. Doch mit dieser mühsamen Methode ließ sich keine ganze Flotte befördern, weshalb er den Versuch alsbald abbrach. Stattdessen bezog er auf der Anhöhe Mikhalitzi, wo er später Nikopolis gründen würde, sein Lager und flankierte es an drei Seiten mit Verteidigungswällen, während er sich den Zugang zum mare Adriaticum offen hielt. In gleicher Weise verfuhren seine Gegner weiter südlich bei der Errichtung ihres Feldlagers, nachdem sie mit ihrem Landheer aus Patrai angerückt waren. 297 Vell. 2,84,2; Strab. 8,4,3; Cass. Dio 50,11,3; 6,19,6; Oros. 6,19,6. Zur Strategie Agrippas vgl. Schäfer (2006) 218: „Seine Leistungen muss man vor allem im klaren Blick für die neuralgischen Punkte der gegnerischen Verbindungswege sehen sowie in der Entschlossenheit, diese Punkte mit schnellen und konzentrierten Schlägen weitgehend auszuschalten.“ Zur strategischen Bedeutung Methones für die Kriegführung Agrippas und Octavians gibt es kontroverse Auffassungen. Nach Fitzler/Seek (1918) 327 galt dieser Angriff der Ablenkung für die anschließend weiter nördlich durchgeführte Landung der octavianischen Truppen, anders Hanslik (1961) 1243 der die von mir favorisierte und auf Oros. 6,19,6 gestützte Deutung vertritt, damit den ägyptischen Nachschub empfindlich stören zu können, ebenso Bengtson (1977) 232f.; Brambach (1991) 296; Viereck (1996) 222; Southern (1998) 139; Bleicken (1999) 278; Syme (2006) 305; Schäfer (2006) 219: „Jetzt saß Agrippa Antonius wie ein Stachel im Fleisch, von Methone aus konnte er die Schifffahrtsrouten nach Norden beobachten, über die der Nachschub für einen Großteil der Flotte und des Landheeres transportiert wurde. […] Mit diesen Aktionen im Rücken der Hauptstreitmacht traf er Antonius’ Achillesferse.“ 298 Cass. Dio 50,11,3–12,3; Oros. 6,19,6–7; Bengtson (1977) 233; Brambach (1991) 296f.; Clauss (1995) 86; Southern (1998) 138; Schäfer (2006) 219.
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Derart geschützt spielten Antonius und Cleopatra auf Zeit, während Octavian, durch die unsichere Position seiner Flotte bedrängt, mehrfach die Schlacht zu Land und Meer suchte.299 Indes gelang es Agrippa, mit seiner Flotte die der Bucht von Ambrakia vorgelagerte Insel Leukas zu erobern und sich der dort vertäuten gegnerischen Schiffe zu bemächtigen. Sofort verlagerte man die octavianischen Seestreitkräfte dorthin um, denn der Hafen auf Leukas gewährleistete größere Sicherheit als die Bucht von Gomaros, und die feindlichen Versorgungswege zur See konnten von dort aus kontrolliert werden. Wieder einmal hatte sich Agrippa als der „richtige Mann“ für den Oberbefehl über die Flotte erwiesen und sein nautischer Sachverstand hatte die zum Vabanquespiel ausgeartete Strategie des Octavian vor größerem Schaden bewahrt. Mit der sich anschließenden Vernichtung der bei Patrai stationierten gegnerischen Schiffe unter Befehl von Q. Nasidius und der Einnahme Korinths schnitt Agrippa Antonius und Cleopatra vollends von der Peloponnes ab, so dass ihnen lediglich die schwer zu realisierende Möglichkeit der Truppenversorgung über die Gebirgspässe im Landesinnern blieb.300 Als Folge der kollabierenden Logistik und der im Heerlager ausgebrochenen Krankheiten kam es zu Desertionen und gewalttätigen Übergriffen unter den Legionen des Antonius. Misstrauen machte sich beim Heerführer breit, so dass des Verrats Verdächtigte kurzerhand exekutiert wurden.301 In Anbetracht der Aussichtslosigkeit ihrer Situation blieb Antonius und Cleopatra nur eine Alternative: mit Hilfe der Flotte einen Ausbruch aus der Bucht Ambrakias und die Flucht nach Alexandrien zu wagen. Nachdem ein erster Ausbruchsversuch unter der Leitung des Flottenkommandanten C. Sosius durch das plötzliche Eintreffen Agrippas misslang302, unternahmen sie mit veränderter Strategie einen zweiten Anlauf: Während Antonius mit dem Gros von 170 Schiffen den Hauptangriff gegen die feindlichen Schiffe zu führen gedachte, verblieb Cleopatra mit einem 60 Einheiten starken Geschwader, das u. a. auch die Kriegskasse transportierte, als Nachhut in der Bucht, um im richtigen Moment den Durchbruch durch die gegnerischen Barrikaden zu wagen und anschließend Kurs auf Alexandrien zu setzen. Aus Mangel
299 Plut. Antonius 63,1–2; Cass. Dio 50,12,4–13,4; Bengtson (1977) 234ff; Clauss (1995) 88; Schäfer (2006) 220f. 300 Vell. 2,84,2; Flor. 2,21,4; Cass. Dio 50,13,5; Clauss (1995) 88f.; Viereck (1996) 222f.; Southern (1998) 140; Bleicken (1999) 279; Schäfer (2006) 221f.; anders Bengtson (1977) 237, der eine Nachhaltigkeit der Erfolge Agrippas bezweifelt: „Eher wird man annehmen müssen, daß es sich bei dem Vorstoß der Flotte Agrippas um einen typischen Raid gehandelt hat, seine Schiffe werden sich bald zurückgezogen haben, so daß die Transporte des Antonius wieder den Korinthischen Golf passieren konnten.“ 301 Plut. Antonius 63,2–3; Cass. Dio 50,13,6–8. 14,4; Bengtson (1977) 237f.; Brambach (1991) 299; Clauss (1995) 89ff; Southern (1998) 140; Bleicken (1999) 280f.; Syme (2006) 306; Schäfer (2006) 222f. 302 Vell. 2,84,2; Cass. Dio 50,14,1–3; Clauss (1995) 89; Viereck (1996) 223; Bleicken (1999) 281.
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4. Die maritime Facette des römischen bellum civile
an Ruderern ließ man die unbesetzten Schiffe in der Bucht verbrennen, um dem Feind die Chance auf Beute zu nehmen.303 Am Morgen der Schlacht formierten sich die Seestreitkräfte Antonius’ und Cleopatras, wobei die Hauptmacht in Dwarslinie dem Kontrahenten gegenüberlag. Doch Agrippa und Octavian vermieden es vorerst, die feindlichen Schiffe anzugreifen. So blieben beide Flotten bis zum Mittag in ihren jeweiligen Positionen, ohne dass es zu irgendeiner Kampfhandlung kam. In dieser Zerreißprobe preschte dann ein Flottenführer des Antonius am linken Flügel vor und zwang somit den Rest des Verbandes, ihm zu folgen. Die Flotte Octavians täuschte den Rückzug vor, um die gegnerischen Schiffe aus der engen Bucht aufs offene Meer zu treiben, wo sich die eigene numerische Übermacht vollends entfalten konnte. Die daraufhin eröffnete Seeschlacht verlief für Antonius und Cleopatra günstig. Während die trägen Kolosse der Acht- und Zehnruderer durch die Breite der Schlachtordnung auseinandergerissen und von den kleineren Schiffen Octavians und Agrippas angegriffen wurden, gelang es der Nachhut Cleopatras, mit ihrer Flotte durch die entstandene Lücke zu brechen und zu entfliehen. Antonius folgte ihr kurz darauf mit wenigen Schiffen. Die vor der Bucht verbliebenen gegnerischen Schiffe zerstörte Agrippa vollständig durch Brandangriffe.304 Ex post factum wurde die Seeschlacht bei Actium als Endsieg Octavians über seinen Widersacher Antonius gedeutet, da es im Anschluss auf dem Meer zu keiner weiteren Auseinandersetzung und zu Lande lediglich zu kleineren Scharmützeln beider Kontrahenten kam. Indes waren die Schiffe des Antonius sogar zu Octavian übergelaufen, als dieser nach seiner Verfolgung des Gegners in den Hafen Alexandrias einfuhr.305 Diese Deutung von Actium forcierte Octavian in den nachfolgenden Jahren ostentativ und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wie seine res gestae verdeutlichen: Sowohl antike Autoren als auch weite Kreise der althistorischen Forschung sind ihm dahingehend gefolgt.306 Doch wenn die An303 Plut. Antonius 63,5; 64,1–65,1; Cass. Dio 50,15,1.23,1; Kromayer (1897) 465; Bengtson (1977) 239; Clauss (1995) 93; Bleicken (1999) 282. Brambach (1991) 301 verkennt die strategische Bedeutung der Zerstörung unbemannter Schiffe völlig und spricht deren Qualität als nutzbare Kriegsbeute ab. 304 Vell. 2,85,2–5; Flor. 2,21,5–9; Plut. Antonius 65,1–68,3; Cass. Dio 50,23,2. 31,1–35,6; Oros. 6,19,8–12; vgl. ferner Bengtson (1977) 240–245; Brambach (1991) 302–307; Clauss (1995) 95ff; Viereck (1996) 223ff; Bleicken (1999) 282–286; Schäfer (2006) 226–229. 305 Liv. per. 133; Vell. 2,87,1; Strab. 17,1,10; Suet. Aug. 17,3; 71,1; Plut. Antonius 74,3–76,2; Cass. Dio 51,10,1–4; Oros. 6,19,16; vgl. Bengtson (1977) 246–250; Brambach (1991) 317– 322; Clauss (1995) 98ff; Bleicken (1999) 289f.; Kienast (1999) 71; Schäfer (2006) 230–240. 306 Liv. per. 132; 133; Vell. 2,86,2; Verg. Aen. 8,671–715; Oros. 6,19,10.12; Auch wenn die These von Antonius’ Durchbruchsversuch der Seeblockade in weiten Teilen der Forschung Anhänger gefunden hat, beispielhaft bei Clauss (1995) 92f.; Kienast (1999) 71; Christ (2000) 460; Schäfer (2006) 224 wird die konsequente Deutung der Actium-Schlacht als Sieg des Antonius nicht vollzogen. Am deutlichsten bei Bengtson (1977) 245, der mutmaßt: „Wer da glaubt, Antonius habe nichts als nur den Durchbruch durch die Flotte des Gegners erreichen wollen, der täuscht sich.“ In wenigen Fällen wird Actium sogar immer noch als Angriffsschlacht gedeutet bzw. Cleopatras Ausbruchsversuch als überstürzte Reaktion, etwa bei Clark
4.4 Terra marique – Augustus’ „maritimer“ Weg zur Macht
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nahme korrekt ist, das Seegefecht bei Actium habe Antonius und Cleopatra von Beginn an nur dazu gedient, einen Ausweg aus der desolaten Situation der Seeblockade in der Bucht von Ambrakia zu ermöglichen, müssen die dort geführten Seegefechte trotz der hohen Verluste als Erfolg von Antonius und Cleopatra verstanden werden. Nichtsdestotrotz hatte Octavian durch das nautische Genie seines Flottenbefehlshabers die unumschränkte maritime Herrschaft über das Mittelmeer erlangt. Der Friede zur See wurde durch Agrippas ausnahmslose Loyalität zu Octavian eingeleitet und durch sein Engagement für den Aufbau einer allseits bereiten Marine etabliert. Die stehende Flotte der römischen Kaiserzeit, in Haupt- und Provinzialgeschwader gegliedert und in festen Flottenbasen wie Misenum, Ravenna, Alexandria, Portus Itius (Boulogne) oder Vetera Castra stationiert, bildete einen der zentralen Pfeiler des Imperium Romanum und wurde zum Garant langanhaltender Stabilität und Sicherheit.307
(1915) 102f.; Viereck (1996) 223, der den Vorstoß des Sosius noch als Ausbruchsversuch und dessen Misslingen als Begründung für die angebliche Entscheidung des Antonius zur Seeschlacht; ferner Schuller (2006) 114f.; Bringmann (2007) 100. Wenige Ausnahmen dagegen decken sich mit der Interpretation des Autors, etwa Bleicken (1999) 281 der brillant analysiert: „Der Durchbruch in der Schlacht war also das taktische, die freie Fahrt ins offene Meer das strategische Ziel der Schlacht.“ 307 Zur Organisation der stehenden Flotten im Principat durch Augustus vgl. Starr (1960) 30ff; 209ff; Kienast (1966) 29ff; (1999) 326ff; Reddé (1986) 472–502; Saddington (1988) 299ff; Viereck (1996) 252–258.
5. TRIUMPHUS NAVALIS – DIE RITUELLE VERHERRLICHUNG MARITIMER SIEGHAFTIGKEIT Durch die zunehmenden militärischen Interventionen auf dem Meer, die Etablierung maritimer Kommandos, die Siege zur See und den zunehmenden Bau von Kriegsschiffen erweiterte sich der „Kosmos“, in welchem das römische Heer agieren und ein römischer Feldherr triumphieren konnte. Das Meer verlor immer stärker seine Bedeutung als bloßer Transportweg für Truppen oder Handelswaren. Stattdessen rückte die See als Bühne für das Erlangen von virtus und für den Gewinn von Kriegsbeute in den Fokus der römischen nobilis. Diese Entwicklung berührte auch die sakral-rituelle Wirklichkeit der res publica populi romani. Welche Ausmaße dies annahm, soll uns die genaue Betrachtung des rituellen Aktes der pompa triumphalis exemplarisch verdeutlichen.1 Denn spätestens seit 260 v. Chr. – also mit dem ersten römisch-karthagischen Krieg – etablierte sich der Seetriumph als eine besondere Form der Ehrung eines Seesieges in der Lebenswirklichkeit der Römer. In seiner Monographie zum römischen Triumph sieht ERNST KÜNZL dentriumphus navalis als „[…] eine Spielart des regulären Triumphes“2 an, der sich u. a. durch die Art des Sieges, für den er verliehen wurde, vom regulären Triumph unterscheide. Desweiteren setzt er ihn, ebenso wie die gesamte übrige Forschung, mit der ovatio und dem triumphus in monte Albano gleich.3 In mehrfacher Weise 1 2 3
Zum Triumph als Ritual mit spezifischen Merkmalen und Funktionen vgl. Östenberg (2003) 6–13; Itgenhorst (2005) 189–218. Künzl (1988) 101. Künzl (1988) 101; vgl. ferner Ehlers (1939) 496f.; Beard (2009) 63. Versnel (1970) 165f. behandelt den Seetriumph überhaupt nicht und benennt lediglich drei Triumpharten: regulärer Triumph, ovatio und Trimphus in monte Albano. Östenberg (2003) 47 erklärt die Parallelität von triumphus navalis und triumphus in monte Albano allein durch die Tatsache, dass beide Triumpharten durch ihr erstes Auftreten in den fasti besonders gekennzeichnet sind. Diese Hierarchisierung zwischen regulärem Triumph und dem triumphs navalis fußt auf einer Fehldeutung des Jahres 167 v. Chr., wo Aemilius Paullus seinen spektakulären, dreitägigen Triumph über Perseus von Makedonien zelebrierte, während der andere Feldherr, Cn. Octavius, nach Liv. 45,42,2–3 ohne Beute und Gefangene einen Seetriumph abhielt. Vgl. Östenberg (2003) 48: „The decline of the triumphus navalis is also manifested in the last one recorded, held by Cn. Octavius in 167 B.C. Celebrating the defeat of Perseus, Octavius’ navalis was a simple pendant to the glorious manifestation of Aemilius Paullus.“ Östenberg verkennt, dass der Triumph als Bühne für virtus und auctoritas eine eigene Dynamik innerhalb der römischen Aristokratie entfalten konnte. Es galt, dieses Prestige in politisches Kapital umzumünzen. Jeder wollte die eigenen Taten als besondere Leistungen herausstellen. Um sich von Aemilius Paullus abzusetzen, blieb Octavius nur die Chance, einen anderen Triumph als den regulären zu wählen, um so im Gedächtnis der stadtrömischen Bevölkerung zu bleiben. Da er über das Kommando der Flotte innerhalb seiner provincia verfügt hatte, war der triumphus navalis nahe liegend; dazu vgl. Richardson (1975) 56. Allein dadurch eine Geringschätzung
244
5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
ist diese Wertung des triumphus navalis problematisch. Sowohl die ovatio als eine Form des Triumphersatzes4, als auch der triumphus in monte Albano5 stellen abgeschwächte Ehrungen siegreicher Feldherren dar. Sie stehen an Bedeutung und Rang dem regulären Triumph deutlich nach.6 Für den Seetriumph lässt sich eine derartige Abstufung nicht bilanzieren. Um die Bedeutung des triumphus navalis besser verstehen zu können, müssen zu Beginn die Umstände seiner Entstehung beleuchtet werden, bevor das Wesen dieser Triumphform geklärt werden kann. 5.1 CAIUS DUILIUS – OPTIMUM EXEMPLUM Die fasti triumphalis verzeichnen in ihren chronologischen Aufzählungen sämtlicher republikanischer Triumphe, ovationes oder triumphi in monte Albano bis zum Jahr 19 v. Chr. den ersten Seetriumph für das Jahr 260 v. Chr. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Rom im fünften Kriegsjahr mit der dominierenden Seemacht des westlichen Mittelmeeres, Karthago. Die Auseinandersetzung Syrakus’ mit Messana und das Hilfegesuch der Marmertiner katapultierten Rom in eine erbitterte Auseinandersetzung um die maritime Vormachtstellung im mare Tyrrhenum und mare Libycum. Bis zum Jahr 260 v. Chr. reihte sich für die Tiberstadt trotz vereinzelter Erfolge – wie der Befreiung Messanas7, dem Abfall der mit Karthago verbündeten Städte Segesta und Halikyai8 und der Eroberung Agrigents9 – Niederlage an Niederlage, Misserfolg an Misserfolg, wie die vergebliche Belagerung Syrakus’10, die Angriffe auf italische Küstenstädte durch karthagische Schiffe11, oder die Gefährdung der Truppen durch Versorgungsschwierigkeiten des Seetriumphes ableiten zu wollen, ist weder schlüssig noch wahrscheinlich. Zum Seetriumph vgl. Ladewig (2008) 171–192. 4 Plin. n.h. 15,19 benennt die ovatio sogar als minor triumphus. Bei der ovatio ging der Feldherr zu Fuß durch Rom, ohne Begleitung des Heeres und statt der Triumphposaunen begleiteten ihn Flötenspieler, vgl. die Darstellung exemplarisch bei Plut. Marcellus 22,2–3; zur ovatio vgl. Rhode (1942) 1890–1903; Versnel (1970) 166ff; Richardson (1975) 54ff; Künzl (1988) 100f.; Rüpke (1990) 227f.; Auliard (2001) 64–69; Itgenhorst (2005) 17ff, 176, 178; Beard (2009) 62f., 290f. 5 Vgl. Laqueur (1909) 235; Versnel (1970) 165f., 192f., 281f.; Künzl (1988) 99f.; Brennan (1996) 315–337; Itgenhorst (2005) 217; Beard (2009) 62f., 290f. 6 Deutlich wird die Abstufung in der Bedeutung zwischen Triumph und ovatio bzw. triumphus in monte Albano bei Plut. Marcellus 22,1–2. In Crassus 11,7–8 spitzt er die geringere Bedeutung der ovatio noch weiter zu, wenn er die ovatio des Crassus de serveis von 71 v. Chr. mit dem Triumph des Pompeius über Sertorius und Spanien vergleicht. 7 Pol. 1,12,3. 15,4 berichtet davon, dass sich die Karthager in andere Städte Siziliens geflüchtet hätten, während Zon. 8,9,6–8 behauptet, die Karthager hätten sich auf einer Halbinsel vor Messana verschanzt. 8 Pol. 1,16,3; Diod. 23,5. 9 Agrigent wurde von Rom sieben Monate lang belagert, Pol. 1,18,6; Diod. 23,9,1. 10 Pol. 1,12,4; Zon. 8,9. 11 Noch vor der Belagerung Agrigents sandten die Karthager eine Flottille nach Sardinien, um von dort aus die italische Küste anzugreifen (Zon. 8,10). Ferner gelang es dem Befehlshaber
5.1 Caius Duilius – Optimum exemplum
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beweisen.12 Die kurzsichtigen, von der Hoffnung auf virtus und Gewinn motivierten Entscheidungen der Consuln13, gepaart mit dem Zwang, die Insel im Winter wieder verlassen und die Kriegspause im heimatlichen Rhegium verbringen zu müssen, brachten keine Ergebnisse, sondern verlängerten den Kampf Jahr um Jahr.14 Aus dem Offensivkrieg, der die Rückdrängung der Karthager15 und die Plünderung und Eroberung Siziliens16 zum Ziel hatte, erwuchs ein kräftezehrender Stellungskrieg um die Schlüsselfestung Agrigent.17 Die Gefangennahme des Consuls Cn. Cornelius Scipio Asina18, der mit einem Flottenkontingent bis zur Insel Lipara vorausgefahren war, drohte die kompletten Kriegsoperationen des Jahres zu gefährden, ja vielleicht sogar den Ausgang des Krieges zu Roms Ungunsten zu entscheiden. Denn zur selben Zeit verwüstete der karthagische Feldherr Hannibal die italische Küste und die Gegend um Mylae, während sich der zweite karthagische Befehlshaber Hamilkar mit den Landstreitkräften gegen die römischen Truppen bei Segesta wandte.19 In dieser Situation bot der zweite Consul von 260 v. Chr., C. Duilius Hannibal mit der verbliebenen Flotte20 eine Seeschlacht. Nach den Darstellungen der anti-
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Hamilkar, nach Abzug der römischen Truppen 261/260 v. Chr. nicht nur die italischen Küsten zu verwüsten, sondern auch sizilische Städte für sich zu gewinnen, Zon. 8, 10. Etwa bei der Belagerung Syrakus’ 264 v. Chr. Während Zon. 8,9 bereits auf Gesundheitsprobleme innerhalb der Armee und Versorgungsschwierigkeiten des Heeres bei seiner Darstellung der Belagerung hinweist, bestätigt Pol. 1,16,7 diese Tatsache erst in einem Rückblick auf das Kriegsjahr 260 v. Chr. Ferner begründet er in 1,17,2 die Reduktion der Heeresstärke im Jahr 262 v. Chr. mit den Versorgungsschwierigkeiten, die im Jahr zuvor bei den Operationen desVier-Legionen-Heeres der Consuln M. Valerius und M. Otacilius aufgetreten waren. Ebenso desolat soll die Versorgung der römischen Truppe bei der Belagerung von Agrigent gewesen sein, dazu Zon. 8,10; vgl. ferner Roth (1999) 158. Vgl. Bleckmann (2002) 95. Jedes Jahr kehrte das römische Heer nach Rhegium zurück, Zon. 8,9 (264 v. Chr.); 8,10 (263, 261 v. Chr.); außer 262 v. Chr., dort überwinterte es in Messana (Zon. 8,10). Pol. 1,20,1–2. Bleckmann (2002) 111: „Vielmehr dürfte die keineswegs überdimensionierte Insel Sizilien von Anfang an in ihrer Gesamtheit Objekt römischer Expansionsbestrebungen gewesen sein, wie allein die Tatsache zeigt, daß die Konsuln von 263 Deditionen von Städten im äußersten Westen der Insel annahmen. Eine Herrschaft über Gesamtsizilien […] kann nicht ganz außerhalb des römischen Horizontes gelegen haben.“ Zu den Kriegszielen Roms vgl. Bleckmann (2002) 103ff. Bezüglich der Verteilung der provinciae von Duilius und Scipio Asina widersprechen sich die Quellen. Nach Pol. 1,21–23 fiel Scipio Asina das Seekommando durch Los zu. Durch seine Gefangennahme sah sich Duilius gezwungen, seine Operation auf Sizilien abzubrechen und mit dem Rest der Flotte zur Unterstützung zu eilen. Zon. 8,10 hingegen spricht Duilius das Seekommando von Beginn an zu. Letztere Version wird gestützt von der Inschrift auf der columna rostrata (Inscr.It. 13, 3, Nr. 69), einer Ehrensäule, die Duilius nach seinem Sieg bei Mylae erhalten hatte; dort ist zu lesen, Z. 5f.: BENE R] EM NAVEBOS MARID CONSOL PRIMOS C [ESET]. Ferner wird hier darauf verwiesen, dass Duilius der Erste war, der eine Flotte bauen und ausrüsten ließ, Z. 6f.: COPIASQUE C]LASESQUE NAVALES PRIMOS ORNAVET PA[RAVETQUE]. Zur Historizität der Inschrift vgl. Bleckmann (2002) 116–125. Pol. 1,23. 24,1–2; Zon. 8,11. Asina war mit einem Kontingent von 17 Schiffen vorausgefahren, Pol. 1,21,4–8.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
ken Autoren war die Kräfteverteilung zur See weitgehend ausgeglichen.21 Doch durch die Kombination von Ramm- und Entertaktik konnte die römische Flotte schließlich über die karthagischen Schiffe siegen. Anschließend entsetzte Duilius Segesta, woraufhin Hamilkar mit seinen Truppen den Rückzug antrat.22 Die Katastrophe einer römischen Niederlage auf Sizilien konnte abgewendet werden. Fünf Jahre lang dominierten Stellungskämpfe, kräfteraubende Belagerungen einzelner Städte und πολεις sowie das ständige Ausheben immer neuer Legionen die römische Politik. Der zehrende Krieg gegen die Karthager wurde immer unpopulärer und die Zweifel an der Sieghaftigkeit römischer Feldherren nahmen zu. Denn seit drei Jahren23 hatte Rom keinerlei Verherrlichung des (andauernden) Krieges und der Überlegenheit der Tiberstadt durch eine pompa triumphalis aufzuweisen. Der festlich rituelle Akt der Heimkehr des Heeres und seines Feldherrn, der Opferung und Ehrerbietung vor dem höchsten Gott Iuppiter Capitolinus und die prunkvolle Zurschaustellung militärischer Kraft, Siegeszeichen und Beutestücke, gepaart mit einem rauschenden Fest für die plebs durch den Triumph, hatte gänzlich gefehlt.24 Nun jedoch konnte Rom einen deutlichen Sieg verzeichnen, mit einem geschlagenen und flüchtenden Feind sowie imposanter Kriegsbeute.25 Die Chance bot sich, durch den Triumph die vorangegangen Kriegsjahre und deren Komplikationen unter den Purpurmantel des Triumphators zu kehren und die Weiterführung eines unliebsamen Krieges wieder beliebt zu machen.26 Die Notwendigkeit eines Triumphes für die Wahrung der öffentlichen Ordnung der res publica war 260 v. Chr. geradezu erdrückend, denn der „[…] Triumph choreographierte lauter semantische Bezüge auf die Anstrengung der Gemeinschaft, die Sieghaftigkeit des Feldherrn, die Opferbereitschaft der Truppen, den Fortbestand und das Gedeihen der römischen Ordnung.“27
Auf geradezu genial improvisatorische Weise gewährte der Senat für den Sieg zur See erstmalig einen Triumph und besetzte ihn zugleich mit einer rein maritimen 21 22 23 24
Cass. Dio 11,43,16. Zur Schlacht von Mylae vgl. Thiel (1954) 184ff. Inscr.It. 13, 3,69, Z. 1–5. Zuletzt triumphierte M. Valerius Messala, vgl. Molthagen (1979) 53–72. Lucullus beispielsweise beköstigte ganz Rom im Anschluss an seinen Triumph ex Asia im Jahr 63 v. Chr. (Plut. Lucullus 37,1–4). Einen Eindruck von der Größe eines solchen Festes vermittelt Plut. Caesar 55,1–4, wenn er berichtet, dass Caesar direkt im Anschluss an seinen Triumph über Africa 20.000 Triclinen aufstellen ließ, um dort ausgewählte Bürger zu beköstigen. Zur Bedeutung des Triumphes für die römische Bevölkerung vgl. Künzl (1987) 83f; Rüpke (1990), 224; Kissel (2004) 154f.; Itgenhorst (2005) 211f.; Beard (2009) 257–263. 25 Zur Beute zählte neben dutzenden Trieren, auch die Heptere des karthagischen Flottenkommandanten Hannibal, Zon. 8,11; Eutrop. 2,20; Oros. 4,7,10. Die Duilius-Inschrift verzeichnet zur Beute, Inscr.It. 13, 3, Nr. 69, Z. 11f.: VIQUE NAVE[IS CEPE]T CUM SOCIEIS SEPTER [ESMOM I; QUIN/QUERESM]OSQUE TRIRESMOSQUE NAVEIS X[XX; MERSET XIII]. 26 Ähnliches Potential sieht auch Itgenhorst (2005) 212, 215 im Triumphzug. Ferner Flaig (2004) 36: „Die pompa triumphalis bezog sich auf einen rezenten Krieg, welcher die politische Gemeinschaft aktuell außenpolitisch tangierte“. 27 Flaig (2004) 40.
5.2 Der Wandel des Seetriumphes in der Zeit der Republik
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Konnotation durch das Beiwort navalis bzw. maritimus. Und so feierte Caius Duilius 260 v. Chr. den ersten triumphus navalis in der römischen Geschichte.28 5.2 DER WANDEL DES SEETRIUMPHES IN DER ZEIT DER REPUBLIK Die fasti triumphalis verzeichnen einschließlich des ersten Seetriumphes von 260 v. Chr. insgesamt elf triumphi navales. Keine allzu beachtliche Zahl wenn man bedenkt, dass über 150 reguläre Triumphe, ovationes und triumphi in monte Albano in den fasti triumphalis aufgelistet sind.29 Wie lässt sich in Anbetracht des großen römischen Engagements auf See diese geringe Anzahl erklären? Es ist zunächst einmal auffällig, dass die Mehrzahl der Seetriumphe im Verlauf des ersten römisch-karthagischen Krieges verliehen worden sind. Insgesamt triumphierten sieben römische Flottenbefehlshaber zwischen 260 v. Chr. und 242 v. Chr. Namentlich sind uns durch die Triumphalfasten C. Duilius (260 v. Chr.)30, C. Atilius Regulus (257 v. Chr.)31, L. Manlius Vulso Longus (256 v. Chr.)32, Ser. Fulvius Paetinus Nobilior33 und M., Aemilius Paullus (254 v. Chr.)34, sowie C. Lutatius Catulus35 und Q. Valerius Falto (241 v. Chr.)36 bekannt. Für die starke Konzentration der Seetriumphe in dieser Zeit wird die Wirkung des DuiliusTriumphes auf die römische Öffentlichkeit und insbesondere die aristokratische Führungsschicht, die als Kriegsführer fungierte, entscheidend gewesen sein. BLECKMANN hat diese Effektuierung zutreffend formuliert: „Der von Duilius mit großen Eklat errungene und in Rom intensiv gefeierte Seesieg vom Jahr 260 stellte den Konsuln der folgenden Jahre das Ziel vor Augen, das es zu erreichen und
28 Die Tatsache, dass Duilius der erste Seetriumphator war, belegen Liv. per. 17; Plin. n.h. 34,20; Tac. ann. 2,49; Flor. 1,18,10. Die Inschrift der columna rostrata (InscrIt. 13, 3, Nr. 69) der Ehrensäule für Duilius verweist ebenso auf die Novität des Seetriumphes wie das erhaltene Elogium auf dem Augustusforum, welches man in die Halle der summi viri verortet, Inscr.It.13,3, Nr. 13: [--]NAVIS·OC[--]|[--C]EPIT·PRI[M]VS·D[E·POENEIS·N]AVAL [EM] 29 Zu den einzelnen Triumphen siehe die chronologische Übersicht bei Itgenhorst (2005) 266271. 30 Inscr.It. 13, 1 p. 548, Degrassi: C. Duilius M. f. M. n. co(n)s(ul) primus navalem de Sicul(eis) et classe Poenica egit k. interkal. an. CDXCIII. 31 Inscr.It. 13, 1 p. 548, Degrassi: C. Atilius M. f. M. n. Regulus co(n)s(ul) de Poeneis navalem egit VIII [---] an. [CDXVI]. 32 Inscr.It. 13, 1 p. 549, Degrassi: L. Manlius A. f. P. n. Vulso Long(us) co(n)s(ul) de Poeneis navalem egit VIII[---] an. [CDXCVII]. 33 Inscr.It. 13, 1 p. 549, Degrassi: Ser. Fulvius M. f. M. n. Paetinus Nobilior pro co(n)s(ule) de Cossurensibus et Poeneis navalem egit XIII k. Febr. a. CDX[CIX]. 34 Inscr.It. 13, 1 p. 549, Degrassi: M. Aimilius M. f. L. n. Paullus pro co(n)s(ule) de Cossurensibus et Poeneis navalem egit XII k. Febr. an. CDXCIX. 35 Inscr.It. 13, 1 p. 549, Degrassi: C. Lutatius C. f. C. n. Catulus pro co(n)s(ule) de Poeneis ex Sicilia navele(m) egit IIII nonas Octobr. a. DXII. 36 Inscr.It. 13, 1 p. 549, Degrassi: Q. Valerius Q. f. P. n. Falto pro pr(aetore) ex Sicilia navalem egit prid. non. Oct. a. DXII.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit übertreffen galt. Immer neue Zonen des westlichen Mittelmeeres (Sizilien, Sardinien, Malta) wurden das Ziel römischer Operationen.“37
Ein jeder Consul wollte Duilius nacheifern, mit einer beachtlichen Flotte unter dem eigenen Kommando erfolgreich zur See operieren, schnell und effektiv Beute machen, virtus erlangen und schließlich auch einen Seetriumph zelebrieren. Duilius hatte allen vor Augen geführt, wie man innerhalb kürzester Zeit der Maxime auspicio suo maximas res geri gerecht werden konnte. Daraus entfaltete sich eine Dynamik, die nicht selten zu riskanten Manövern und übereilten Entscheidungen führte, welche nicht nur das Leben der Schiffsbesatzungen riskierten, sondern auch die Flotte leichtsinnig aufs Spiel setzten. Bei erfolgreicher Seekampagne lockte jedoch der triumphus navalis, so dass der Senat bis 242 v. Chr. sechs weitere Triumphe zur See verlieh. Zudem führte die erfolgreiche Kriegskampagne des Duilius unweigerlich zu einer starken Konzentration der Kriegsführung auf das Meer.38 In den Jahren nach dem Ende des ersten römisch-karthagischen Krieges werden den römischen Flottenkommandanten nur noch vereinzelt triumphi navales zuerkannt: 228 v. Chr. im ersten illyrischen Krieg39, 18940 sowie 188 v. Chr.41 im Krieg gegen Antiochos III. und 168 v. Chr.42 im dritten römisch-makedonischen Krieg. Dieser Umstand war einerseits durch die Entwicklung bedingt, die das römische Seekommando in dieser Zeit genommen hatte. Es konnte bereits gezeigt werden, dass sich mit dem zweiten römisch-karthagischen Krieg die Verantwortung für das maritime Machtinstrument auf verschiedene Kommandoträger partialisierte, von Praetoren über Promagistrate bis hin zu Legaten und duumviri navales, die nicht allesamt über ein imperium verfügten und demnach gar nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Triumphes erfüllten. Andererseits war es für die imperium-Träger in ihren Kriegskampagnen in östlichen Mittelmeer schwierig, die Erfolge der nautischen Alliierten für sich selbst zu reklamieren, denn immerhin waren es vornehmlich rhodische und pergamenische Schiffe, Besatzungen und Befehlshaber, welche für Rom zur See kämpften und Siege davontrugen. Schließlich lässt sich beobachten, dass im Zuge der immer weiter ausgreifenden Machtansprüche Roms sowohl im westlichen als auch im östlichen Mittelmeer, im Atlantik und dem Schwarzen Meer, der Kampf zu Wasser neben den 37 Bleckmann (2002) 236f. 38 Dies deckt sich mit Richardsons (1975) 50f. treffender Feststellung, dass „they show a remarkable consistency in attributing triumphs only to men who were holding, or had just held, the highest magistracies in the state.“ 39 Inscr.It. 13, 1 p. 549f., Degrassi: Cn. Fulvius Cn. f. Cn. n. Centumalus pro co(n)s(ule) ex Illurieis naval(em) egit X. k. Quint. a. DXXV. 40 Inscr.It. 13, 1 p. 553, Degrassi: [L. Aimilius M.f. – n. Regillus pro] praet(ore) ex Asia de [reg (e) Antiocho naval(em)] egit k. Febr. [an. DLXIV]. 41 Inscr.It. 13, 1 p. 554, Degrassi: [Q.] Fabius Q. f. Q. n. Labe[o pr(aetor) ex] Asia de rege Antioch[o navalem egit n]on. Febr. [an. DLXV]. 42 Inscr.It. 13, 1 p. 556, Degrassi: [Cn. Oc]tavius Cn. f. Cn. n. pro pr(aetore) [ex] Macedon(ia) et rege Perse naval(em) egit k. Dec. an. DXXCV[I].
5.2 Der Wandel des Seetriumphes in der Zeit der Republik
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Landoperationen ein immanenter Bestandteil der römischen Kriegführung wurde. Doch die Ausschließlichkeit, die dem Seesieg 260 v. Chr. bei Mylae anhaftete und die intensive Seekriegführung während des ersten römisch-karthagischen Krieges waren nachfolgend nur noch sehr wenigen Seeoperationen und von Rom geführten Kriegen zu eigen. Es kam zu einer Akzentverschiebung römischer Sieghaftigkeit auf dem Meer. Die maritimen Siege standen nicht etwa in einem überproportionalen Verhältnis zu den Siegen, die an Land davon getragen wurden. Vielmehr nahmen die Erfolge auf dem Meer eine gleichberechtigte Position ein, ordneten sich nicht selten den militärischen Leistungen des Feldherrn zu Lande unter. Folglich wurden errungene Seesiege etwa der legati in den Kanon der Sieghaftigkeit des imperium-Trägers mit aufgenommen und erhöhten somit seine erworbene virtus. Agrippa ist hierfür ein vortreffliches Beispiel: Statt seine Seesiege bei Mylae, Naulochos oder Actium für sich selbst zu nutzen, trat er sie allesamt an Augustus ab.43 Später wurde er dann lediglich mit der corona rostrata, einer mit Miniaturrammspornen versehenen Krone44, und einer meeresblauen Flagge ausgezeichnet.45 Dies ist kein Einzelfall. In seinem vierfachen Triumph ex Gallia, ex Aegypto, ex Ponto und ex Africa de rege Iuba 46 v. Chr. präsentierte sich Caesar als Bezwinger der Meere und Flüsse, obwohl nachweislich andere Heerführer seine Flotten etwa im Atlantik kommandierten.46 Oft genug verbuchten Consuln die Siege ihrer Flottenkommandanten für sich und präsentierten ihre auf dem Meer
43 Zur Persönlichkeit Agrippas vgl. Bleicken (2000) 627ff.; Eck (2000) 352-364. Für Girardet (1993) 216 erscheinen Agrippas „gewiss in Absprache mit Oktavian/Augustus erfolgten Triumphverzichte, die traditionalistischen, in die Zeit des Pompeius zurückgreifenden Demonstrationen gleichkommen, […] als ein Teil einer langfristigen Strategie, die Monopolisierung der militärischen Kommandogewalt sowie die Entscheidung über den Triumph und damit auch über Sozialprestige sowie politischen Rang innerhalb der römischen Adelsgesellschaft in der Hand eines Einzigen vorzubereiten bzw. zu begleiten. Die senatorische Führungsschicht sollte durch exempla, die sich am älteren mos maiorum orientierten, für diese Lösung gewonnen, mögliche Opposition im Keime erstickt werden. Es war deshalb ein geradezu genialer Schachzug, den die Mentalität prägenden, sozusagen traditionellen Traditionalismus der Führungsschicht als einer Gruppe von potentiellen und tatsächlichen Rivalen der Macht durch Einsatz des Mittels eben dieser Tradition, nämlich durch Anknüpfen an den älteren mos maiorum, herrschaftspolitisch zur Sicherung der Macht des Oktavian/Augustus auszunutzen.“ Nach Beard (2009) 288, 300f. war Agrippas Triumphverzicht „[…] a marker of historical change“. 44 Augustus ließ später eine Statue Agrippas mit der corona rostrata auf der rostra anbringen. Zu den Ehrungen Agrippas vgl. Zanker (1987) 218f. 45 Cass. Dio 51,21,3: „Agrippa aber verlieh er abgesehen von sonstigen Auszeichnungen wegen seines Seesieges eine dunkelblaue Flagge.“ (καὶ τόν τε Ἀγρίππαν ἄλλοις τέ τισι καὶ σηµείῳ κυανοειδεῖ ναυκρατητικῷ προσεπεσέµνυνε). 46 Brutus Albinus ist einer der herausragenden Flottenbefehlshaber im Offiziersstab Caesars und hatte sich seit dem Ausgreifen Caesars auf den Atlantik als Flottenkommandant verdient gemacht, vgl. hierzu Kapitel 4.3.1, S. 179. Zum Triumph Caesars Bell. Hisp. 1,1; Liv. per. 115; Suet. Caes. 37,1; App. b.c. 2,101; Plut. Caesar 55,2; Cass. Dio 43,19,1–22,4; InscrIt. 13, 1, p. 566f., Degrassi; vgl. Grant (1970) 217f.; Dahlheim (1987) 157ff; Meier (2004) 522ff.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
gewonnene Beute im Triumph.47 Gegen diese Vorgehensweise opponierten jedoch einige Offiziere, wie der Praetor Valerius Falto 242 v. Chr. Statt dem Sieg zur See eine eigene Bühne zur Präsentation zu geben, wird er in der Zeit nach dem ersten römisch-karthagischen Krieg zum Statisten oder Nebendarsteller der Inszenierung regulärer Triumphe.48 Elemente des triumphus navalis finden Einzug in den Kanon der pompa triumphalis, zum Beispiel als Bestandteil der reichen Beute, wie das Flaggschiff des König Perseus, welches L. Aemilius Paullus 167 v. Chr. siegreich nach Rom führte, oder die Rammsporne, die Scipio Africanus auf fercula türmte.49 In den Reihen der Kriegsgefangenen führten diese Triumphatoren auch feindliche Schiffsmannschaften mit ihren Kapitänen vor und ließen sie hinrichten.50 Neben anderen Göttern wurden auch die des Meeres zunehmend um Hilfe und Beistand gebeten und als Dank im Zuge des Triumphes mit Ehrungen bedacht. Lucius Cornelius Scipio beispielsweise weihte den Gottheiten der bedrohlichen Seestürme, den Tempestates, einen Tempel, da seine Schiffe einen Seesturm vor der Küste Korsikas überstanden hatten.51 Den Laren des Meeres (Laribus permarinis) wurde von L. Aemilius Regillus während seines Triumphes über König Antiochos III. ein Tempel gelobt, da sie seiner Flotte in den Seekämpfen beigestanden hatten.52 Cn. Domitius Ahenobarbus, der 42 v. Chr. die caesarianische Armada bei Brundisium besiegt hatte53, machte es sich nachfolgend zur Aufgabe, den Neptuntempel zu erneuern. Beide Elemente – Land und Meer – erfuhren durch die Sieghaftigkeit der Feldherren und ihre umfassenden imperia eine Verbindung, die als „terra marique“ zur festen Maxime herrschaftlicher Definition wurden. Augustus selbst wies in seinem Tatenbericht immer wieder auf die enge Verbindung von Land und Meer hin, so dass eine scharfe Trennung beider Elemente als Wirkungsraum römischer Feldherren vermutlich gar nicht mehr wahrgenommen wurde.54
47 Hier sei exemplarisch an Pompeius’ Triumph über die Seeräuber, Mithridates VI. und Tigranes II. erinnert, Inscr.It. 13,1 p. 566, Degrassi: [Cn. Pompeius Cn. f. Sex. n. Magnus III,] pro co(n)s(ule), [ex Asia, Ponto, Armenia, Paphla]gonia, Cappadocia, [Cilicia, Syria, Scytheis, Iudaeis, Alb]ania, pirateis [per biduum III, pridie k. O]cto. a. DCXCII. 48 Östenberg (2003) 48f. erkennt darin gar einen Zerfall des Seetriumphes, wobei die Argumentation nicht überzeugt. 49 Als Scipio den L. Aurelius Cotta de repetundis öffentlich anklagte, wurde dieser freigesprochen, da man nicht hören wollte, wie Scipio seine Triumphe, die erbeuteten spolia und Schiffsschnäbel aufzählte, während er das Haupt eines römischen Bürgers forderte, Val. Max. 8,1,1,10–11. Demnach hatte Scipio Schiffsschnäbel während seines Triumphes präsentiert. 50 Beispielsweise Pompeius in seinem Triumph ex Asia. 51 Ovid. fast. 6,193–194. 52 Macrob.1,10,109. 53 App. b.c. 5,26. 54 Vgl. dazu auch Östenberg (2003) 49ff.
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
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5.3 CHARAKTERISTIKA DES TRIUMPHUS NAVALIS55 Ein von See zurückgekehrter siegreicher Feldherr wie Duilius wird auf dem Marsfeld die Verhandlungen über die Triumphverleihung mit dem Senat geführt haben56, um so das Überschreiten der heiligen Stadtgrenze (pomerium) und den damit einhergehenden Verlust seines imperium und des sakralen Rechts der auspicia zu verhindern.57 Denn diese waren zentrale Voraussetzungen für einen Triumphanwärter. Über die genauen Kriterien, die es zu erfüllen galt, um eines Seetriumphes würdig zu sein, sind wir nicht unterrichtet. Doch wenn der erste gewährte triumphus navalis von 260 v. Chr. als Präzedenzfall für spätere Triumphanträge gelten sollte58, so lassen sich hernach folgende drei Kennzeichen postulieren, die sich zugleich deutlich von den Bedingungen für einen regulären Triumph unterschieden59: (1) Der Feldherr muss mit der Flotte auf See siegreich gewesen sein: Unter dem Begriff der Sieghaftigkeit zur See subsumiert sich neben dem erfolgreichen Ausgang einer Seeschlacht, wie 260 v. Chr. bei Mylae oder 241 v. Chr. bei den Aegatischen Inseln, auch das Plündern, Rauben und Besetzen von Seestädten, Handelsplätzen und Hafenanlagen. So gewährte man dem Consul Cn. Fulvius Centumalus 228 v. Chr. einen Seetriumph für seine erfolgreichen Operationen auf Korkyra und dem adriatischen Meer. Er hatte zahlreiche Schiffe der illyrischen Fürstin Teuta abgefangen und die geladenen Güter geraubt.60 Die bei55 Wie im Kapitel 5.2 deutlich wurde, hat es die Aufnahme maritimer Komponenten auch im regulären Triumph gegeben. Da die Quellenlage zum Seetriumph äußerst spärlich ist, beziehe ich mich bei meinen Ausführungen zur Charakteristik auch auf die maritimen Facetten der regulären Triumphe, um sie bei der Charakterisierung des Seetriumphes heranzuziehen. 56 Während dieser Verhandlungen wurde die Faktenbasis des Triumphbegehrens geprüft, vgl. Cic. ad. Q. fr. 3,2,2. Das Treffen zwischen Vertretern des Senats und des Triumphanwärters fand im Tempel des Apollo Medicus oder im Tempel der Bellona statt, vgl. Richardson (1975) 59; Künzl (1988) 32; Beard (2009) 52–56, 199ff; anders v. Hesberg (2005) 95, der das Treffen der Senatoren in den Marstempel verortet. 57 Vgl. Laqueur (1909) 225; Künzl (1987) 30f.; Rüpke (1990) 226; Kissel (2004) 142f. 58 Zur Rolle der Präzedenzfälle bei Triumphgewährungen vgl. Itgenhorst (2005) 178: „Außerdem spielten Präzedenzfälle bei der Definition und Anmahnung der korrekten Aufgabenerfüllung eine Rolle, die im Rahmen der Triumphdebatten zuweilen thematisiert wurden.“ Durch Livius sind uns insgesamt zwölf solcher Triumphdebatten überliefert, vgl. hierzu Auliard (2001) 84ff; Itgenhorst (2005) 159–176; ferner Beard (2009) 206–214. 59 Neben der Voraussetzung, den Sieg in einem gerechten Krieg errungen zu haben, waren angeblich die Tötung von 5.000 Feinden nötig, um einen Triumph bewilligt zu bekommen, vgl. Val. Max. 2,8,1; Künzl (1987) 30; Auliard (2001) 88f.; Kissel (2004) 141. Anders Itgenhorst (2005) 180f., 183ff; Beard (2009) 209f., die überzeugend nachwiesen, dass eine solche Mindestzahl getöteter Feinde nicht als gängige Praxis Einzug gehalten haben konnte. Die von Valerius Maximus postulierte Bedingung nehmen Lippold (1963) 312f.; Künzl (1987) 102 zum Anlass eine ähnliche Mindestzahl getöteter Gegner bzw. zerstörter Schiffe für die Bewilligung eines Seetriumphes anzunehmen. Eine Behauptung, die nicht nur unzutreffend, sondern auch ohne jegliche Quellenbasis ist. 60 Cass. Dio 12,49,6; Zon. 8,19.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
den Consuln von 255 v. Chr., Fulvius Paetinus und Aemilius Paullus, überfielen mit den ihnen unterstellten Flottillen Kossyra, wofür sie je einen Seetriumph abhalten durften.61 Doch nicht immer waren es materielle Schätze, die zur Beute zählten. Auch die Gefangennahme gegnerischer Truppen und feindlicher Bevölkerung62 oder die Befreiung italischer und römischer Bürger durch die Flotte konnten mit Seetriumphen entlohnt werden. Cn. Octavius vermochte es 168 v. Chr., den flüchtenden makedonischen König Perseus auf der Insel Samothrake gefangen zu nehmen, weshalb ihm ein Jahr später ein Seetriumph zugestanden wurde.63 Nach der römischen Intervention in Nordafrika 256 v. Chr. kehrte der römische Consul Manilus Vulso mit seiner Flotte und 20.000 Sklaven nach Rom zurück und erhielt dafür vom Senat die Triumphehrung.64 Der Praetor Quintus Fabius Labeo hatte während seines Beutezuges auf der Insel Kreta 4.000 römische und italische versklavte Kriegsgefangene befreit, wodurch ihm 188 v. Chr. ein Seetriumph gewährt wurde.65 Ebenso erfolgreich befreiten die Consuln des Jahres 255 v. Chr., M. Aemilius Paullus und Serv. Fulvius Paetinus, römische Soldaten aus der drohenden kar-
61 Diese Beute muss entsprechend umfangreich gewesen sein, dass sie den zuvor erlittenen Verlust vom Großteil der Flotte durch einen Sturm deutlich in den Schatten zu stellen vermochte und einen triumphus navalis rechtfertigte. 62 Dazu Beseler (1909) 352 mit Anm. 1; Rüpke (1990) 210f. 63 Liv. 45,5,1–6,10, ferner Vell.1,9,4; Plut. Aemilius Paullus. 26,1,6; Zon. 9,23; Iustin. 33,2,5. Anders Thiel (1946) 384, der die Festnahme Perseus durch Cn. Octavius folgendermaßen wertet: „Octavius owes his naval triumph exclusively to the fact that he had taken King Perseus prisoner at Samothrace, a rather conspicuous, but wholly unimportant achievement that did not require any admiral’s qualities!“. Anders als von Thiel angenommen ist m. E. die Tatsache, dass die Festnahme Perseus mit der römischen Flotte – also dem maritimen Machtinstrument – erreicht werden konnte, völlig ausreichend, um dies mit einem Seetriumph zu belohnen. 64 Pol. 1,29,7. 65 Liv. 37,60,5–6. Nach seiner Rückkehr verweigerten Volktribune Labeos Seetriumph mit der Begründung, er habe den Feind nicht einmal zu Gesicht bekommen (Liv. 38,47,5). Denn zum Zeitpunkt der Befehlsübernahme über die Flotte durch Labeo war der Krieg gegen Antiochos III. durch den Sieg bei Magnesia schon entschieden worden. Nach Livius entschied lediglich die Tatsache, dass Labeo 4.000 italische und römische Kriegsgefangene befreite, über die Gewährung des Triumphes für Labeo. Dennoch verweisen die Triumphalfasten ex Asia de rege Antiocho und nicht ex creta wie Thiel (1946), 363f. Anm. 650 richtig festhält. Für ihn ist lediglich die Zerstörung der syrischen Flotte durch Labeo der Grund für die Triumphgewährung und der Umstand, dass: „This man must have had powerful relations“. Thiel verkennt m. E. nach die Bedeutung der Kriegsgefangenen auf Kreta. Es kann als gesichert gelten, dass die italischen und römischen Gefangenen Beute kretischer Piraten waren. Zu Operationen kretischer Piraten im Auftrag hellenistischer Großmächte vgl. Chaniotis (2004) 93f. Die Befreiung der Gefangenen auf Kreta durch Labeo hatte den Sieg über Antiochos III. nur noch vervollkommnen können. Da dies mit Hilfe der römischen Flotte geschah, war der triumphus navalis eine geeignete Form der Ehrung. Die Argumentation der Volkstribunen, Labeo habe den Feind nicht einmal zu Gesicht bekommen, verliert dadurch an Aussagekraft und der Triumph kann gewährt werden. Ähnlich Kreuter (1995) 142f., welche in Labeos Aktion auf Kreta die Befreiung von Kriegsgefangenen annimmt.
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
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thagischen Kriegsgefangenschaft, nachdem sich diese nach der verlorenen Schlacht in Nordafrika bis nach Apsis durchgeschlagen hatten.66 (2) Der Feldherr muss am Tag der Schlacht das imperium über die Flotte und die Auspizien inne gehabt haben67: Der Oberbefehl über die Seestreitkräfte war eine immanente Voraussetzung bei Seetriumphanträgen und ebenso Hauptaspekt zahlreicher Auseinandersetzungen konkurrierender Magistrate. Q. Lutatius Catulus, der Consul des Jahres 242 v. Chr., hatte versucht, den Seesieg bei den Aegatischen Inseln allein für sich zu verbuchen, obwohl an dem Tag der Schlacht nicht er68, sondern der Praetor und zweite Flottenkommandant Valerius Falto die Schiffe siegreich gegen die karthagische Armada geführt hatte. Catulus torpedierte unter Verweis seines imperium maius den Triumphantrag Faltos im Senat69, um den Sieg bei den Aegatischen Inseln für sich selbst zu akquirieren und somit seinen eigenen triumphus navalis legitimieren zu können; jedoch erfolglos. Stattdessen gestand der Senat wie schon zuvor einmal im Jahr 255 v. Chr.70 beiden Feldherren den Seetriumph zu.71 66 Pol. 1,36,10–12; vgl. Thiel (1954) 230; Huß (2004) 235f. Zon. 8,14,3 ergänzt den Bericht des Polybios durch das Detail, dass die in Afrika verbliebenen Truppenreste der Flotte des Paetinus und Paullus bei der Seeschlacht am Kap Hermaion zu Hilfe kamen, also nicht auf ihre Rettung warteten. Diese aus römischer Sicht (Liv. 30,45,5; 38,55,2) ruhmreiche Tat wird wohl Paullus’ und Paetinus’ Verlust von 3/4 der Kriegsbeute durch einen Seesturm ausgeglichen haben, so dass ihnen dennoch ein Seetriumph zugesprochen wurde. 67 Cic. Att. 4,18,4; Liv. 28,38,4; 31,20,3; Val. Max. 2,8,5; Plut. Pompeius 14,1–6; zur Bedingung auspicium et imperium für Triumphanwärter vgl. Beseler (1909) 354ff; Auliard (2001) 112–116; Beard (2009) 202ff, 297ff. Während Mommsen Staatsrecht I³ 126ff das imperium (maius) als oberste Bedingung zu identifizieren glaubte, sieht Laqueur (1909) 219f. das auspicium als ursprüngliche Voraussetzung des Triumphes; das imperium wurde demnach erst später als Voraussetzung hinzugenommen, wodurch für ihn der Triumph in erster Linie ein sakraler Akt ist. Kritischer Diskussion beider Theorien und Versuch einer Synthese bei Versnel (1970) 172–195, 313–319. Vgl. ferner Last (1947) 157ff; Kunkel/Wittmann (1995) 22–37; Brennan (2000) 12–20. Nach Liv. 28,9,10; 31,48,6; 34,10,5; Vell. 2,115,3; Val. Max. 4,1,9 waren siegreiche Feldherrn in fremden auspicia und provinciae, und nach Liv. 28,38,4; 32,7,4; Cass. Dio frg. 57,56B streng genommen auch Promagistrate vom Triumph ausgeschlossen; vgl. dazu auch Auliard (2001) 118ff. Zur facettenreichen Beleuchtung des imperium in republikanischer Zeit vgl. die neuere Arbeit von Beck (2011) 77–96. 68 Er hatte sich beim Sturmangriff auf Drepana am Schenkel verletzt und war am Tag der Schlacht körperlich nicht in der Verfassung, den Oberbefehl in einer Seeschlacht auszuführen Val. Max. 2,8,2; Zon. 8,17; Eutrop. 2,27,1; Oros. 4,10,5. 69 Hierzu verwies Catulus auf sein höheres imperium als Consul im Vergleich zu dem des Valto als ein Praetor. Während der sponsio bestimmte man als Schlichter Atilius Caiatinus, der sein Urteil zugunsten des Catulus fällte, dazu Val. Max. 2,8,2; Richardson (1975) 51f. Mit kritischer Sichtweise bezüglich der Praxis der Hierachie der imperii Bergk (2011) 72f. 70 In diesem Jahr triumphierten M. Aemilius Paullus und Serv. Fulvius Paetinus aufgrund ihrer Leistungen zur See, vgl. Anm. 34 und 35 (Kapitel 5.2). Da sich die Operationen über mehrere Wochen erstreckten, folglich die auspicia der Consuln immer wieder wechselte, hatten beide Anspruch auf einen triumphus navalis. Zum Erlischen der auspicia bei der Kooperation zweier Consuln siehe Laqueur (1909) 221f. 71 Falto durfte seinen Seetriumph abhalten, Zon. 8, 17; vgl. Anm. 37 (Kapitel 5.2).
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
Die Konkurrenz um die Anerkennung der Beteiligung am Seesieg konnte auch umgangen werden, wie beispielsweise 256 v. Chr. Nach den nautischen Operationen, der Landung römischer Truppen in Nordafrika und dem Beginn der wetterbedingten Kriegspause wurde durch Los entschieden, dass das Kommando des Consuls M. Atilius Regulus über den Winter hinaus bis ins folgende Jahr verlängert werden sollte, um die römische Stellung in Nordafrika zu sichern, während der zweite Consul Manilus Vulso die Beute und einen Teil des Heeres zurück nach Rom zu bringen hatte.72 Dadurch war es allein Vulso, der die maritimen Erfolge bei Ecnomos73 und an der nordafrikanischen Küste74 für sich verbuchen und dadurch einen Seetriumph abhalten konnte.75 Bei anderen Seeoperationen wiederum gestaltete sich die Faktenlage recht einfach, wie bei den Consuln von 257 v. Chr., C. Atilius Regulus und Cornelius Blasio. Zwar besaßen beide die Befehlsgewalt über die Schiffskontingente76, doch durfte nur Atilius Regulus einen Triumph feiern77, da er vermutlich am Tage der Schlacht die Auspizien innegehabt hatte.78 Derlei Streitigkeiten, wie sie für 242 v. Chr. belegt sind, konnten umgangen werden, wenn eine deutliche Trennung von Land- und Seekommando vorlag. In diesem Fall konnte der Seekommandant ohne weiteres für sich allein den Seesieg beanspruchen und einen triumphus navalis einfordern, wie Caius Duilius 260 v. Chr. und Cn. Fulvius Centumalus 229 v. Chr.79 Trotz dieses oft zähen Ringens um die Vergabe des Seetriumphes finden wir auch die Situation vor, in der zwei Flottenbefehlshabern das Recht zu triumphieren vergeben wurde, wie beispielsweise im neunten Jahr des ersten römisch-karthagischen Krieges.80 (3) Als Beweis für den Sieg müssen erbeutete feindliche Schiffe oder Schiffswaffen, wie Rammsporne oder Beutestücke mitgeführt werden: Ein wesentlicher Beweis für die Schlachtschilderungen der Flottenbefehlshaber, auf deren Basis die Senatoren über die Gewährung eines Triumphes entschieden, waren die tatsächlich nach Hause gebrachten feindlichen Schiffe bzw. Schiffsteile. Der Consul Cn. Fulvius Centumalus vermochte es im Krieg gegen Teuta, über 20 illyrische Lemben zu kapern und einschließlich des Beuteguts als Siegestrophäen
72 Pol. 1,29,8; Zon. 8,13,1, vgl. ferner Bleckmann (2002) 163ff. 73 Ausführliche Schlachtdarstellung bei Pol. 1,26–28. Anders Zon. 8,12,8–9, der die Bedeutung der Seeschlacht kaum würdigt, vgl. ferner Bleckmann (2002) 160ff; Huß (2004) 167f. 74 Nach einem erfolglosen Einkreisungsmanöver der Karthager vermochten es die Römer, Apsis als Brückenkopf für Plünderungszüge des karthagischen Küstenlandes zu nutzen, Pol. 1,29,2– 7; Zon. 8,12,11. 75 Vgl. Anm. 33 (Kapitel 5.2). 76 Zon. 8,12,7. 77 Vgl. Anm. 32 (Kapitel 5.2). 78 Durch diese Annahme würde sich die Aussage von Zon. 8,12,7 über die Seekommandos beider Consuln mit dem Bericht des Pol. 1,25,1–4 über die alleinige Leistung Regulus’ bei Tyndaris verbinden lassen, vgl. ferner Bleckmann (2002) 158, der die durch Oros. 4,8,5 überlieferten Plünderungszüge des Regulus als Hauptgrund für die Triumphvergabe annimmt. 79 Pol. 2,11,1–12,1; Zon. 8,19; Eutrop. 3,4; Flor. 1,21,4. 80 Vgl. Anm. 70 (Kapitel 5.2).
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
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nach Rom zu verschiffen.81 Nach den Seeschlachten von Mylae, Hermaion oder Naulochos hatte man die Rammsporne der erbeuteten gegnerischen Schiffe als spolia an Siegessäulen angebracht. Sie waren also zuvor von den gegnerischen Schiffen demontiert und verschifft worden. Durch den Abbau der Rammsporne feindlicher Schiffe wird somit eine Entwaffnung des Kontrahenten zur See choreographiert, wodurch die rostra der Bedeutung nach spolia darstellten.82 Daneben wurden sogar ganze Schiffe als Siegesbeute nach Rom verfrachtet.83 Die Beweiskraft derartiger τρόπαια wird evident, wenn wir uns zwei Situationen vergegenwärtigen, in der solche Beweismittel fehlten: Als die Consuln Fulvius Paetinus und Aemilius Paullus 255 v. Chr. nach ihren Seeoperationen am Kap Hermion und bei Kossyra nach Rom zurückkehrten84, war über die Hälfte der Flotte durch einen Sturm zerstört und somit der Großteil der Kriegsbeute vernichtet worden.85 Die Verhandlungen zu den Triumphgewährungen der beiden Consuln zogen sich über Monate in die Länge, da sich die Beweisführung über ihre erbrachten nautischen Leistungen durch das Fehlen der Beute sehr schwierig gestaltete. Lediglich die heimgeführten Soldaten aus der Kriegskampagne des Vorjahres konnten als Beweis ihrer Sieghaftigkeit zur See herangezogen werden. Erst im Frühjahr 253 v. Chr. feierten beide ihre Seetriumphe. Cn. Octavius, der als Praetor über den Makedonenkönig Perseus zur See triumphierte, konnte lediglich den Umstand, den König mit Hilfe der Flotte gefangen gesetzt zu haben, in die Waagschale legen, um so einen Seetriumph bewilligt zu bekommen. Kriegsgefangene oder Kriegsbeute hatte er nicht vorzuweisen.86
81 Pol. 2,11,14–15.17. 82 Spolia stellen in der Schlacht gewonnene Beute an Waffen (arma et spolia) dar, vgl. Bell. Hisp. 24; ferner die Ausführungen im Kapitel 6.1, S. 268ff. 83 Obwohl uns ein direkter literarischer Hinweis zum Duilius–Triumph fehlt, wissen wir aus Pol. 1,23,8; Eutrop. 2,20; Zon. 8,11; Oros. 4,7,10, dass Duilius zahlreiche karthagische Schiffe kaperte, worunter sich auch das Flaggschiff des Admirals Hannibal befunden hatte. Östenberg (2003) 46 geht davon aus, dass einige dieser Schiffe im Triumph des Duilius mitgeführt wurden: „A royal vessel, indeed the flagship of Hannibal, was an extraordinary trophy and would have made a spectacular sigth in the parade.“ 84 Auf der Grundlage von Pol. 1,37,4, der den Seesturm, welcher die Flotte beinahe vernichtete, in den Juli datiert, wies Morgan (1977) 100 dies für das Jahr 255 v. Chr. nach. Aus Zon. 8,14,3 geht hervor, dass die Consuln direkt im Anschluss an die Seekatastrophe bei Kamarina nach Rom zurückkehrten, also noch im Jahr 255 v. Chr. Anders Thiel (1954), 240f. der behauptet, Fulvius Paetinus und Aemilius Paullus wären als Proconsuln bis 254 v. Chr. auf Sizilien geblieben. Dies würde die Präsenz von vier Consuln auf Sizilien im Jahr 254 v. Chr. bedeuten. 85 Pol. 1,27,4–5; Diod. 23,18,1; Liv. per. 18; Zon. 8,14; Eutrop. 2,22; Oros. 4,9,5–8; Thiel (1954) 236ff. 86 Liv. 45,42,2; ferner 44,17,10. Die Ursache für das Fehlen der Beute war der Triumphzug des Aemilius Paullus, da dort bereits die gesamte Beute des Feldzuges präsentiert worden war, vgl. ferner Plin. n.h. 34,12; Vell. 1,9,5; mit falscher Angabe der Reihenfolge Diod. 31,8,10.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit „Sie sollen, wenn sie es für recht hielten, wegen der guten und erfolgreichen Wahrnehmung der Staatsinteressen anordnen, dass den unsterblichen Göttern Ehre erwiesen und für ihn [den siegreichen Feldherrn, Anm. M. Ladewig] ein Triumph beschlossen wird.“87
Mit dieser Losung erbat der Triumphanwärter vor der Gruppe der Senatoren die besondere und zugleich höchste Ehrung eines Feldherrn der res publica.88 Idealerweise entschied nach Überprüfung der dargelegten Fakten der Senat im Einklang mit dem Volk (consensu patrum plebisque)89 über den Antrag des Feldherrn. Im Falle einer Ablehnung der Bitte um einen Triumph blieb dem Heerführer die Möglichkeit, außerhalb Roms auf dem Albanerberg auf gänzlich eigene Kosten einen Ersatztriumph (triumphus in monte Albano) zu zelebrieren. Bewilligte der Senat einen Triumphantrag, so begannen alsbald die Vorbereitungen für den groß angelegten Umzug durch die Stadt, der seinen Anfang am Morgen des Triumphtages auf dem campus Martius nahm, wo sich alle Zugteilnehmer versammelten. Nachdem der Feldherr das paludamentum (Feldherrnmantel) gegen die toga picta (Triumphtoga) getauscht hatte, sein Gesicht zinnoberrot gefärbt und sein Haupt mit einem grünen Lorbeerkranz bedeckt worden war, bestieg er den currus triumphalis (Triumphwagen).90 Vom campus Martius aus begann der Triumphzug seinen Weg durch die porta triumphalis91, wodurch der Siegeszug das pomerium überschritt. Innerhalb der geheiligten Stadtgrenze Roms überquerte man als erstes das forum holitorium und das forum boarium, bevor der circus maximus betreten wurde. Anschließend umkreiste der Prozessionszug den Palatinhügel und durchquerte das Forum Romanum auf seinem Weg hin zum Capitolshügel, um dort einerseits die Kriegsgefangenen zur Exekution in den Carcer
87 Liv. 39,4,2: […] petit a patribus, ut, aequum censerent, ob rem publicam bene ac feliciter gestam et diis immortalibus honorem haberi iuberent et sibi triumphum decernerent. Auch wenn diese Formel der literarischen Konstruktion des Livius entspricht, so wird der Wortlaut eines jeden Triumphanwärters so ähnlich doch gelautet haben. Der sakrale Bezug der pompa triumphalis zu den Göttern wird durch das Anführen der Götterehrung unterstrichen. 88 Liv. 30,15,12; vgl. ferner Künzl (1987) 7; Flaig (2004) 32; Kissel (2004) 140; Itgenhorst (2005) 59, 195f. 89 Pol. 6,15,8; Liv. 3,63,9.11; 4,20,1; 6,42,8; 7,17,9; Dion. Hal. Ant. 11,50,1; Zon. 8,21,4. 90 Zum Aussehen des Triumphators Liv. 10,7,10; Plin. n.h. 33,111. 112; Serv. Ecl. 10,27; Lippold (1963) 322f.; Künzl (1988) 83–88; Rüpke (1990) 232; Kissel (2004) 142.; Beard (2009) 14, 48, 81–89, 93f., 225–230. Deubner (1934) 316ff deutet die Tracht des Triumphators und Iuppiters als Nachahmung der Kleider etruskischer Könige, überzeugend widerlegt durch Wallisch (1954/55) 255f.; vgl. ferner zur Frage ob der Triumphator Gott oder rex darstellte Versnel (1970) 56–93; 226–231. 91 Zur Quellenlage bezüglich der porta triumphalis und der Problematik ihrer Lokalisation vgl. Makin (1921) 28ff; Versnel (1970) 132–163; Künzl (1988) 37–44; Rüpke (1990) 228f. mit Anm. 86; Coarelli (1997) 207–217; 81, 96–100. Die Durchschreitung der porta triumphalis wird in der Wissenschaft sowohl als eine rituelle Reinigung von den Gräueln des Krieges, etwa von Bonfante Warren (1970) 52–57; Kissel (2004)143, als auch als Akt des Eintritt des Heeres aus dem Militärischen hinein ins Private, in die Sphäre domi, gesehen, vgl. Versnel (1970) 388ff; Rüpke (1991) 30–41; Itgenhorst (2005) 210.
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
257
zu geleiten und anderseits, um am Tempel des Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus die abschließenden Opferhandlungen durchzuführen.92 Die Zusammensetzung des Triumphzuges folgte einer strengen, immer gleich bleibenden Choreographie.93 Das Zentrum bildete der Triumphator, der auf dem currus triumphalis durch Rom geführt wurde, mit einem Staatssklaven an seiner Seite, der die corona triumphalis – einen schweren aus Eichenblättern und Edelsteinen gestalteten Goldkranz – über dessen Kopf hielt und ihm beständig die Worte respice post te, hominem te esse memento zusprach.94 Ihm voran schritten die lictores mit ihren fasces (Rutenbündel), die Magistrate Roms95 und die Träger riesiger fercula (Festwagen bzw. Tragegestelle), die zur Beutepräsentation dienten. Daneben trugen sie auch bildliche Darstellungen von Schlachtszenen oder Konterfeie eroberter Städte und Gegenden. Bildunterschriften gaben dem staunenden Betrachter nähere Informationen zu den dargestellten Szenen.96 Dem Triumphator nachfolgend marschierten die beteiligten Soldaten, ebenfalls mit Lorbeer geschmückt.97 Diese Choreographie, welche sich aus der Synthese der Quellenbelege zum römischen Triumph gewinnen lässt, wird auch für die pompa eines Seetriumphes gegolten haben. Doch fanden hier besonders die Attribute, Symbole und Elemente des Seewesens Einzug in den semantischen Kanon der pompa triumphalis. Der Triumphwagen beispielsweise erhielt schmückende maritime Ornamente, wie ein Marmorrelief aus dem Conservatorenpalast in Rom beweist: Abgebildet ist der Kaiser Marc Aurel (161-180 n. Chr.) auf dem currus triumphalis stehend während seines Triumphzuges über die Markomannen, Quaden und Jazygen. Neben Iuno und Minerva findet sich am Wagen auch ein Relief des Neptun.98 Die Vielzahl verschiedener Wagendarstellungen lässt den Schluss zu, dass es dem Triumphator freistand „[…] individuelle Änderungen am Dekor und an der Form des Triumphwagens vorzunehmen.“99 Pompeius’ Versuch, mit einer von Elefan92 Zur Rekonstruktion des Triumphweges siehe Makin (1921) 25–36; Künzl (1988) 15 Abb. 2, 18f. Abb. 5, 33 Abb. 15; Kissel (2004) 142f.; Beard (2009) 81, 92–105; Östernberg (2010) 303–320. Die Stationen des Triumphweges sind durch Cic. Verr. 2,5,77: Liv. 39,5,17; 45,39,14; Horat. Carm. 4,2,35; Propert. 2,1,34; 3,4,22; Suet. Caes. 37,2; Ovid. Pont. 2,1,42; Plut. Lucullus 37,2; Aemilius Paulus 32,2–3; Cass. Dio 43,21,1; 44,49,3; Zon. 7,21,11 belegt. 93 Flaig (2004) 34–38 untersucht die einzelnen Elemente der pompa triumphalis in Hinsicht auf ihre syntagmatische Bedeutung und setzt sie in direkter Verbindung zu anderen pompae der res publica, wie die pompa funebris und pompa circensis. Zur Beziehung der drei pompae auch Versnel (1970) 94–132. 94 Ter. Apol. 33,4; Plin. n.h. 28,39; ferner Künzl (1988) 87f.; Kissel (2004) 151. 95 Künzl (1988) 88 mit Bezug auf den Becher von Boscoreale Abb. 51a und b. 96 Liv. 5,30,2; 26,21,7; 37,59,3; Plin n.h. 35,27. 93; Künzl (1988) 74–79; Rüpke (1990) 229; Kissel (2004) 148f. Beard (2009) 147–151, 175ff. 97 Beispielhaft die Schilderung bei Joseph. bell. Iud. 7,4; Plut. Aemilius Paullus 34,5–8. Künzl (1988) 81 beschränkt die Anwesenheit der Soldaten lediglich auf eine reduzierte Zahl einiger Abordnungen der gesamten im Krieg eingesetzten Armee. Vgl. auch Auliard (2001) 142–146. 98 Alföldi (1999) 94 Abb. 114. 99 Künzl (1988) 93. Dass den Wagen verschiedenste Bildelemente schmückten, bezeugt App. Lib. 66.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
ten gezogenen Quadriga in Rom einzumarschieren oder Caesars Antrag, den Triumphwagen von Schimmeln ziehen zu lassen, sind imposante Beispiele aus der Zeit der Republik.100 Demnach wird, vom Triumphator beauftragt, der currus triumphalis während eines Seetriumphes mit besonderen nautischen Attributen und Symbolen geschmückt worden sein. Gerade durch den Umstand, dass die Triumphe als Moment aristokratischer Konkurrenz um Ansehen, virtus und dignitas galten, wird die Notwendigkeit solcher Akzentuierungen einzelner Triumphelemente evident, schließlich galt es, sich von der breiten Masse abzuheben.101 Die Beutestücke waren wohl das eindrücklichste und zugleich auffälligste Kennzeichen des triumphus navalis. Zum einen präsentierten die fercula die „Hauptwaffe“ der gegnerischen Kriegsschiffe, die abmontierten Rammsporne102, die später zu beeindruckenden τρόπαια verarbeitet wurden. Zum anderen wurden der begeisterten Menschenmenge aber auch komplette Schiffe präsentiert, wie dies Lucullus 63 v. Chr. für seinen Triumph ex Asia veranlasste.103 Auch wenn die Triumphatoren in den meisten Fällen wohl auf das Mitführen ganzer Schiffe während der pompa verzichteten, präsentierten sie diese doch im Zuge ihrer Heimkehr nach Rom. Aemilius Paullus brachte nach dem Sieg über Perseus das Flaggschiff des makedonischen Königs, einen Sechzehnruderer, nach Rom und fuhr damit den Tiber hinauf.104 Pompeius ließ in Vorbereitung seines Triumphzuges ex Asia hunderte von Schiffen in den römischen Hafen schleppen.105
100 Plin. n.h. 8,4; Plut. Pompeius 14,4; Cass. Dio 43,14,3; vgl. ferner Künzl (1988) 104; Beard (2009) 17, 90, 99, 234ff. 101 Von der reichen Verzierung des Triumphwagens berichtet Plut. Aemilius Paullus 34,6. Ein weiteres Beispiel hierfür ist Pompeius’ Triumph ex Asia, als er den Feldherrnmantel Alexanders des Großen trug, App. Mithr. 117. 102 App. Mithr. 117. Nach Propert. 2,1,31–34 präsentierte Octavian in seinem Triumph ex Actio Rammsporne der Seeschlacht am Golf von Ambrakia. Für Ostenberg (2003) 53 war die Kombination von Rammspornen und kompletten Schiffen im Triumphzug üblich, da „Parading beaks from a large number of ships together with an announcement of the total number of vessels captured was certainly much more effective“. 103 Plut. Lucullus 37,3:„120 große Schiffe mit Rammspornen aus Bronze wurden vorbeigezogen,“ (µακραὶ δὲ χαλκέµβολοι νῆες ἑκατὸν καὶ δέκα ἅµα παρεκοµίσθησαν). 104 Pol. 36,5,9; Liv. 45,35,3; Plut. Aemilius Paullus 30; vgl. Thiel (1946) 411. Mit unterschiedlichen Altersangaben zum Schiff siehe Höckmann (1985) 110; Viereck (1996) 198. Zur Beute in Paullus’ Triumph s. ferner Müller (2009) 444–448. Daneben wissen wir durch die Triumphschilderung des Joseph. bell. Iud. 7,5, dass auch Titus und Vespasian Schiffe in ihrem Triumph mitführten. Östenberg (2003) 51f. hat zu Recht auf die Schwierigkeiten der Schiffspräsentation in der pompa hingewiesen. Zum einen konstatiert sie, dass die Schiffe auf Rollen bzw. Baumstumpfen durch die Stadt gezogen worden seien, wie ein Wandgemälde aus Ostia dies für eine Prozession für den Meeresgott Neptun illustriert. Zum anderen gebe es Hinweise in den literarischen Quellen, dass die Schiffe sich durch die Straßen Roms bewegten, so als trieben sie aus eigener Kraft vorwärts; gesetzte Segel sollen dabei auch Verwendung gefunden haben. 105 App. Mithr. 116.
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
259
Im Zusammenhang mit der Beute bot man dem Zuschauer auch die Besatzungen und Seekommandanten feindlicher Flotten dar.106 Szenen von Seeschlachten, Belagerungen von Hafenstädten und die Küstengebiete, Flüsse und Meere unbekannter Länder wurden dem Publikum durch Triumphbilder und Statuen in ihrer Farbenpracht beinahe lebendig vor Augen geführt.107 Caesar präsentierte in seinem Triumph 46 v. Chr. die personifizierten in Ketten gelegten Meere Oceanos und Pontus Euxinus, sowie die Flussgötter des Rheins, Nils und der Rhône als vergoldete Statuen.108 Tafeln mit schier unendlichen Listen eroberter Gebiete, Ländereien, versklavter Einwohner und geraubter Waffen verzeichneten daneben auch den Gewinn von Rammspornen oder ganzen Schiffen, wie uns Appian bei seiner Schilderung von Pompeius’ Triumph wissen lässt: „Im Zug mitgetragen wurde folgende Inschrift auf einer Tafel: ‚Eroberte Schiffe mit bronzenem Rammsporn: 800.“109
Die Frage, ob die Flottenmannschaften bei einem Seetriumph wie Legionen während eines regulären Triumphes dem currus triumphalis folgend mitmarschiert sind, kann nicht eindeutig geklärt werden. Doch einige Indizien deuten darauf hin: 106 App. Mithr. 116: „viele Kriegsgefangene und Seeräuber, keiner von ihnen jedoch in Fesseln, sondern alle in Landestracht.“ (καὶ πλῆθος αἰχµαλώτων τε καὶ λῃστῶν, οὐδένα δεδεµένον ἀλλ᾽ ἐς τὰ πάτρια ἐσταλµένους.) Plut. Pompeius 45,4: „Als Gefangene wurden neben den Piratenkapitänen mitgeführt.“ (αἰχµάλωτοι δ᾽ ἐποµπεύθησαν, ἄνευ τῶν ἀρχιπειρατῶν). Ferner Val. Max. 8,15,8; Plin. n.h. 7,26. 98. Daneben führte nach Cic. Verr. 2,5,26. 66–67 auch P. Servilius Vatia Isauricus Piraten in seinem Triumphzug mit. Vgl. ferner dazu Östenberg (2003) 147ff. 107 Nach App. Lib. 66; Mithr. 117; b.c. 2,101 bezogen sich die Darstellungen auf den Bildnissen auf spezifische Kriegsereignisse, so dass bei einem triumphus navalis von Seeschlachten und Eroberungen von Seestädten ausgegangen werden kann; vgl. dazu Östenberg (2003) 245– 261. Eroberte Meere, Seen oder Flüsse sind ein gängiges Motiv bei Triumphzügen gewesen, Propert. 2,1,31–34; Plin. n.h. 5,36; Tac. ann. 2,41,2; Ovid. ars. 1,220–224; trist. 4,2,42 3,4,107–108; Zon. 7,21; vgl. Östenberg (2003) 230–244. Der kleine Fries des Titusbogens zeigt die Flussgottheit Iordan auf einem ferculum, siehe Alföldi (1999) 91 Abb. 11. Bei einem Relief aus Cherchel in Algerien sind fercula-Träger dargestellt, die das Modell der milvischen Brücke mit Schiff, Wagen und Zugtieren tragen. Trotz der ungenauen historischen Darstellung – denn das Relief spielt auf Constantins Sieg an der milvischen Brücke an und Constantin hatte keinen regulären Triumph gefeiert – kann das Relief als Indiz für fercula dienen. Denn es scheint nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, dass Szenen einer Schlacht mit Schiffen auf fercula dargestellt wurden, vgl. hierzu Künzl (1988) 78. Auch wenn der Entstehungszeitraum der beiden hier aufgeführten archäologischen Beispiele nicht dem Untersuchungszeitraum entspricht, dienen sie dennoch als Indiz dafür, dass republikanische Triumphalveduten als Vorlagen gedient haben können und diese nicht Neuschöpfungen der kaiserzeitlichen Epoche waren. 108 Flor. 2,13,88–89; Lucan 3,76–78; vgl. Östenberg (2003) 231. 109 App. Mithr. 117. παρεφέρετο δὲ καὶ πίναξ ἐγγεγραµµένων τῶνδε: ‘νῆες ἑάλωσαν χαλκέµβολοι ὀκτακόσιαι. Siehe ferner Plut. Pompeius 45,1–2: „Inschriftentafeln wurden vorausgetragen mit den Namen der Länder und Völker, über die er [Pompeius, Anm. M. Ladewig] triumphierte, und das waren: […] und schließlich alle Piraten, die er auf See und an Land niedergekämpft hatte.“ (γράµµασι δὲ προηγουµένοις ἐδηλοῦτο τὰ γένη καθ᾽ ὧν ἐθριάµβευεν. […]τὸ πειρατικὸν ἅπαν ἐν γῇ καὶ θαλάσσῃ καταπεπολεµηµένον).
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
Zonaras berichtet in seinen Erläuterungen zum Triumph, dass die dem currus triumphalis folgenden Soldaten Kränze trugen, die je nach Art ihres Beitrages durch bestimmte Symbole individuell gekennzeichnet waren. Erklomm ein Soldat etwa während der Belagerung einer feindlichen Stadt erfolgreich eine Mauer, so schmückte dessen Kranz die Abbildung einer Mauer. Gehörte der Offizier der Kavallerie an und hatte mit seinem Kontingent zum Sieg im Feld beigetragen, zierte eine Reiterfigur seinen Kranz. Zonaras führt in seiner Aufzählung weiterhin Kränze mit Schiffsminiaturen an, die für Soldaten gedacht waren, die sich während einer Seeschlacht besonders verdient gemacht hatten.110 Diese Embleme stellten demnach wichtige Informationen für die Zuschauer dar und identifizierten die Leistungen der mitgeführten Soldaten. Zonaras’ Aufzählung impliziert, dass Seeoffiziere – also Ruderer und Navigatoren – oder zumindest in Seegefechten verdiente Soldaten während eines Triumphes mitmarschieren durften. Desweiteren bedachte der siegreiche Feldherr seine Legionen im Zuge der pompa triumphalis mit einem Donativ, das er von der Kriegsbeute bezahlte.111 Dies wird auch für den Seetriumph gegolten haben, denn wir haben durch Livius Kenntnis vom Seetriumphator Cn. Octavius, der während seiner pompa triumphalis die Flottenmannschaften mit einem Geldgeschenk bedachte.112 Einen weiteren Hinweis auf die Beteiligung der Soldaten am Triumph liefert Cassius Dio, der berichtet, dass vor Beginn seines Triumphes ex Actio Octavian neben den Ehren für seine Generäle in besonderem Maße Agrippa für dessen Taten bei Actium mit einer blauen Flagge ausgezeichnet habe.113 Sicherlich wird Agrippa als Flottenkommandant dann auch an der pompa Octavians teilgenommen haben. Bedenkt man zudem, dass die mitgeführten Soldaten als Zeugen der Siegesbeschreibungen des Feldherrn und damit als Garanten der Rechtmäßigkeit seines Triumphes galten114, wird die Anwesenheit der Seeoffiziere während eines triumphus navalis evident. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der römische Triumph mit seinen kulturellen Handlungen an die Gottheit Iuppiter Optimus Maxi110 Zon. 7,21. Zur Bekränzung äußert sich auch App. Lib. 66. 111 Die Beute wurde in vier Teile aufgeteilt: Ein Teil für die Götter als Weihung, der zweite für das aerarium, ein weiterer Teil für den Feldherrn persönlich und ein letzter für das Heer, wobei die Anteile der einzelnen Zuwendungen im Ermessen des Triumphators lagen, vgl. Shatzman (1972) 177–205. Dass die Beute ausschließlich für die Opfer an Iuppiter gedacht war, nimmt Beseler (1909) 353 an. 112 Liv. 45,42,3. Zum Zeitpunkt der Bezahlung, Liv. 37,59,6: „Sowohl der Kriegssold als auch die Getreideration wurden nach dem Triumph doppelt gegeben“ (Et stipendium militare et frumentum duplex post triumphum datum;). Vgl. Künzl (1988) 83; Flaig (2004) 39; Itgenhorst (2005) 155ff; Beard (2009) 17f., 242ff. 113 Cass. Dio 51,21,2–3; vgl. Beard (2009)244, 246f. 114 Itgenhorst (2005) 203: „Sie [die Soldaten, Anm. M. Ladewig] waren direkte Augenzeugen der Verdienste im Feld gewesen, und als solche hatten sie eine zentrale Funktion: Sie konnten nach der Rückkehr in Rom die Verdienste des Feldherrn durch ihre Zeugenschaft bestätigen […] Im Triumphzug traten die Soldaten also auf und bezeugten allein durch ihre Anwesenheit die Wahrhaftigkeit der behaupteten Verdienste.“ Die Folgen des Fehlens der Soldaten hat Flaig (2004) 37 herausgearbeitet. Vgl. ferner Beard (2009) 49f., 82, 244ff.
5.3 Charakteristika des triumphus navalis
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mus Capitolinus gebunden war115: Die Insignien und Attribute des Triumphators verwandelten ihn in eine quasi vermenschlichte Version des Iuppiter.116 Das Triumphornat wurde im Tempel des Iuppiter aufbewahrt und zugleich diente diese Kultstätte als Ziel der Triumphprozession, wo die abschließenden Opferhandlungen und das Einlösen der vota (Gelübde) vollzogen wurden. Der Schutz der Götter war immanent für das Gelingen einer militärischen Operation.117 Daher bat man im Vorfeld um deren Beistand. Anders als bei einem Bittopfer, wird die Opfergabe beim votum „[…] für den Fall der Erfüllung der Bitte in Aussicht gestellt“.118 Die Wahl der Schutzgottheit orientierte sich sehr wohl an den persönlichen Vorlieben des Feldherrn, wie Apollo bei Octavian, Iuppiter bei Scipio Africanus oder Dionysos und Herakles bei Marcus Antonius.119 Zudem erwählte man die Gottheiten, deren Wirkungsraum mit dem Handlungsraum innerhalb der eigenen provincia kongruierte.120 Der Triumph lässt demnach einen sakralen Spielraum zu, in welchem neben Iuppiter auch andere Gottheiten, die sich eines besonderen Schutzes für den siegreichen Feldherrn verdient gemacht hatten, eine bestimmte kultische Ehrung erfahren. Man weihte diesen göttlichen Wesen Tempel, ließ heruntergekommene Kultanlagen wieder instandsetzen, heiligte ihnen Beutestücke, versah Münzen mit ihrem Konterfei und bat im Gegenzug um ihren göttlichen Schutz. Im triumphus navalis wurden insbesondere thalassische Gottheiten, wie die Tempestates, die
115 Lippold (1963) 320f.; Künzl (1988) 94–96. 116 Ob der Triumphator den Gott Iuppiter tatsächlich spielte, so wie es Laqueur (1909) annimmt, bezweifelt schon Beseler (1909) 361. Statt einer Imitatio sieht Wallisch (1954/1955) 254 den Gott Iuppiter im römischen Triumph in der Person und im siegreichen Handeln des Triumphators manifestiert, ebd., 257: „Im Triumphator tritt Iuppiter als historischer Lenker des Staates aller Welt vor Augen; nicht seine Taten an sich, sondern die durch seine Hand nur verwirklichten Fakta Iuppiters werden gefeiert.“ Ferner identifiziert er Elemente und Ursprünge im Kult des Dionysos; ebenso Durante (1951) 138ff; dazu vgl. ferner Versnel (1970) 16–38. Bonfante Warren (1970) 57–64; Versnel (1970) 56–93 betonen die Doppelbedeutung des Triumphators von Gott und König und spielen damit auf die etruskischen Ursprünge des Triumphes an. Vgl. ferner Weinstock (1971) 64–79. 117 Cic. Manil. 47. Ferner Itgenhorst (2005) 69f. 118 Rüpke (1990) 131. 119 Über Octavians expressive Ehrung für Apollo Actiacus berichtet Cass. Dio 51,1,2–3. Neben einem alle vier Jahre abzuhaltenden Fest mit Wettkämpfen und riesigen Gelagen für die plebs ließ Octavian auch mehrere Tempel errichten, gründete am Ort seines Heerlagers die Stadt Nikopolis und ließ ganze Schiffe als Siegesmonumente für Apollo verarbeiten. Vgl. hierzu ferner Hölscher (1985) 88ff; Zanker (1987) 73ff; Kienast (1992) 242; Bringmann/Schäfer (2002) 182ff; Zur Instrumentalisierung des Göttersegens bei Scipio Africanus vgl. Barceló (2004) 174ff. Zu den Schutzgottheiten Dionysos und Herakles bei Marcus Antonius vgl. Mannsperger (1973) 381–404; Huttner (1995) 103–112. 120 Rüpke (1990) 132: „Neben den Standartvoten an die wichtigsten Staatsgötter können besondere Voten an einzelne Götter treten, zu denen derjenige, der das Gelübde ablegt, eine besondere Beziehung hat oder die mit dem bevorstehenden kriegerischen Unternehmen besondern verbunden sind.“
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
Lares permarines oder Iuturna bedacht.121 Trotzdem blieb der sakrale Bezug der pompa triumphalis zum höchsten Staatsgott der Römer unangetastet. Der Bau von Kulträumen für Meeresgottheiten und die Errichtung von maritimen Siegeszeichen veränderte auch das Stadtbild Roms, welches nun mehr und mehr die Zeichen trug, die unverhohlen auf die immer stärker werdende Seemacht hinwiesen. Eine genauere Betrachtung des architektonischen Wandels Roms obliegt dem nachfolgenden Kapitel. 5.4 MEMORIA DES SEETRIUMPHES Trotz der Relativierung des Seetriumphes und der Integration der Seesiege in die allgemeine Sieghaftigkeit der römischen Feldherrn zu Lande und zu Wasser dienten dennoch verschieden Medien dazu, an die Seetriumphe von einst zu erinnern. Am eindrücklichsten ermöglichten dies Siegesmonumente. Für maritime Erfolge etablierte sich die columna rostrata als Siegesmemorial. Insgesamt wissen wir von vier columnae, die sich direkt auf Seesiege bzw. Seetriumphe zurückführen lassen.122: Der Aufbau folgte stets ein- und demselben Muster: An einer Säule, die zumeist aus Stein gefertigt war, wurden die Rammsporne der erbeuteten Schiffe angebracht. Eine Inschrift zeugte von den Taten des Seekommandanten und den Umständen seines Sieges. Anders als bei der columna Maenia, die dem Consul Caius Maenius für seinen Sieg über die Seestadt Antium errichtet worden war, ermöglichten die columnae rostratae durch die explizierte Präsentation der spolia navalis eine schnelle und eindeutige Identifikation der Natur des Sieges, ohne dass die Inschriften einer genaueren Betrachtung bedurften. Schon von weitem waren diese eigenwilligen Siegesmonumente zu erkennen. Zudem bewirkten ihre jeweiligen Aufstellungsorte – auf dem Forum in der Nähe der Rostra, auf dem Capitol und vor der Basilica Iulia – dass sie ständig im Alltagsleben der stadtrömischen Bevölkerung präsent waren und dadurch immerfort an ihre Stifter gemahnten.123 Außerdem erinnerten aber auch noch die nachfolgenden Generationen der einstigen Triumphatoren durch Münzprägungen an die auf See errungene virtus der Ahnen, indem sie Schiffselemente als Bildmotive wählten und durch Um-
121 Zum Akt der votum-Einlösung während des Triumphes und der damit verbundenen supplicatio vgl. umfassend Beseler (1909) 352–361; Laqueur (1909) 223ff, 231f. Künzl (1987) 7 sieht die Verbindung zwischen Triumphritual und Iuppiter als unzertrennlich an: „Als juristischer und religiöser Akt war der Triumph an die Stadt Rom und an ihren höchsten Gott, Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus, gebunden. Das christliche Rom der Spätantike beendete folglich auch die Triumphzeremonie“. Anders Rüpke (1990) 131f.; Alföldi (1999) 90; Itgenhorst (2005) 90f., 212f., welche das Einlösen der Gelübde auch für andere Gottheiten annehmen. 122 (1) Caius Duilius für den Sieg bei Mylae 260 v. Chr. (2) Marcus Aemilius Paullus, dem Seetriumphator von 253 v. Chr. (3) Octavian im Zuge seiner ovatio 36 v. Chr. für den Sieg über Sex. Pompeius. 4) für Octavians Sieg bei Actium. 123 Vgl. hierzu Kapitel 6.1, S. 268ff.
5.4 Memoria des Seetriumphes
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schriften auf einstige Seesiege hinwiesen.124 Dies geschah nicht ganz uneigennützig, denn dadurch konnten sie Reminiszenzen zum nautischen Können ihrer Ahnen aufleben lassen und solches zugleich für sich selbst beanspruchen. Um 109/108 v. Chr. gerieten Denare in Umlauf, die auf dem Avers den Kopf der Roma und auf dem Revers ein Schiff mit der Umschrift Q·LVTATI darstellten. Das Motiv ist von einem Eichenkranz umgeben, der Rand ist gepunktet. Als Prägeherr wird Q. Lutatius Cero, ein Nachfahre des Seetriumphators C. Lutatius Catulus von 241 v. Chr. angenommen.125 Der Enkel des Quintus Fabius Labeo, des Flottenkommandanten und Triumphators von 188 v. Chr., prägte im Jahr 124 v. Chr. Denare, auf deren Avers der behelmte Kopf der Roma dargestellt war, Die Umschrift LABEO verweist auf den Ahnen. Das Revers zeigt Iuppiter auf einer Quadriga, mit der rechten Hand Blitze schleudernd und mit der linken Hand das Zepter und die Zügel haltend. Unter den Pferden verbirgt sich ein nach rechts gewandter Schiffsbug.126 Im Jahr 128 v. Chr. brachte L. Caecilius Metellus Diadematus oder L. Caecilius Metellus Delmaticus, Nachfahren des Triumphators von 250 v. Chr. und Siegers von Panormos, L. Caecilius Metellus127, u. a. Semise in Umlauf, die auf dem Avers den bekränzten Kopf des Saturn und auf dem Revers einen nach rechts gerichteten Schiffsbug und darüber einen Elefantenkopf als Zeichen trugen.128
124 Zur Darstellung triumphaler Siegesmonumente auf Münzen vgl. Itgenhorst (2005) 137–142. 125 RRC Nr. 305/1. Der Kopf auf der Vorderseite ist verschiedentlich auch als Mars gedeutet worden; BMCRR II, 297 mit Anm. 4. 126 RRC Nr. 273/1. Eine andere Prägung dieser Serie zeigt auf dem Avers den Kopf des Hercules, auf de. Revers einen Schiffsbug (Quadrans, RRC Nr. 273/2). 127 Für 250 v. Chr. schien eine Offensive geplant zu sein, da der Senat den Bau weiterer Schiffe und die Überfahrt nach Afrika als provincia für Metellus festlegte, vgl. Pol. 1,42,2; Zon. 8,15,8. Ferner versuchte Metellus mit seinem Kollegen Lilybaeum zu belagern, jedoch ohne großen Erfolg, Oros. 4,10,2; ferner Pol. 1,41–48; Zon. 8,15. Bleckmann (2002) 185 resümiert über das Kriegsjahr 250 v. Chr.: „Bilanzierend läßt sich für die Kampagne der Konsuln von 250 feststellen, daß sich trotz großer Rüstungsanstrengungen die Maximalziele (Erstürmung Lilybaeums und Fahrt nach Afrika) nicht hatten realisieren lassen, sondern daß mit der vor Lilybaeum festgefahrenen Situation die römische Sache einen bedrohlichen Rückschlag erlitten hatte.“ 128 RRC Nr. 262/2. Die Darstellung des Elefantenkopfes etablierte sich als familientypisches Symbol der Metelli, vgl. RRC Nr. 269,1; 459,1. Grund für diese besondere Wahl des „Wappentieres“ waren die im Triumph des L. Caecilius Metellus 250 v. Chr. mitgeführten Elefanten, die im kollektiven Gedächtnis der Römer gegenwärtig bleiben sollten, vgl. Liv. per. 19; Dion. Hal. Ant. Rom. 2,66,4; Sen. de brev. vitae 13,8; Plin. n.h. 8,16; vgl. Itgenhorst (2005) 133ff. Analog zu der Darstellung der Elefanten wählte die Familie der Manlii Torquati die monetales, den Halsschmuck der Gallier, als „Familienwappen“ aus, vgl. Itgenhorst (2005) 207f. mit Anm. 59.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
RRC305/1. Ein Denar aus dem Jahr 109 bzw. 108 v. Chr. Auf dem Avers ist die behelmte Roma mit der Umschrift ROMA und CERCO dargestellt. Auf dem Revers ist ein Kriegsschiff umringt vom Namen Q•LVATI und Getreideranken abgebildet.
RRC 273/1. Ein Denar aus dem Jahr 124 v. Chr. Der Avers zeigt die behelmte Roma mit der Umschrift ROMA und LABEO. Der Revers zeigt Jupiter auf einer Quadriga, ein Zepter in der Hand haltend. Unterhalb der Quadriga ist ein rostrum abgebildet, mit der Umschrift Q•FABI.
RRC 261/2. Ein Semis aus dem Jahr 128 v. Chr. Der Avers wird vom Kopf des Saturn geschmückt, der Revers zeigt einen Schiffsbug mit der Umschrift CN•DOM und ROMA.
5.4 Memoria des Seetriumphes
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Mit Augustus vollzog sich eine groß angelegte, expressive memoria des ersten Seetriumphes in der römischen Geschichte. Dies erfolgte zum einen durch die Restauration der Duilius Monumente129 und zum anderen durch die Errichtung einer Statue des Duilius in der Halle der summi viri.130 Das Elogium der DuiliusStatue betitelt den Triumphator von 260 v. Chr. zum einen als ersten Seetriumphator und erinnert zu anderen auch an seine besonderen Ehrungen, wie die columna rostrata, wodurch eine Verknüpfung des Siegesmonuments mit der Duilius Statue in der Halle der summi viri und den Triumphalfasten einhergeht.131 Das Aussehen der Duilius-Figur ist durch die antiken Autoren nicht direkt belegt. Vermutlich wird er, wie die anderen „großen Männer“ im Triumphalgewand stehend dargestellt worden sein.132 Desgleichen knüpfte Augustus mit seinen eigenen Erfolgen zur See an den Sieg von Mylae 260 v. Chr. an. Dies geschah offensichtlich, indem seine columna rostrata direkt neben der des Duilius bei der rostra errichtet wurde133, und subtil, indem er die Rammsporne zum zentralen Bildtypus nahezu all seiner Darstellungen erhob. Daneben finden sich Illustrationen von Triton, Nymphen, Delphinen, Capricornen, Seecentauren an Tempeln, Fresken, Stirnziegeln, auf Münzen, Cameen, Ringsteinen, Glaspasten, ja sogar Gräbern.134 Diese komplexe Bildsprache gab Augustus die Möglichkeit, offen an seine Siege zur See zu erinnern, analog 129 Zur Wahrung und Restaurierung großer Monumente der wichtigen Personen der römischen Republik verzeichnet Suet. Aug. 31,5: „Gleich nach den unsterblichen Göttern bezeugte er den Grabmälern der Feldherren seine Ehrerbietung, die das Reich des römischen Volkes aus kleinsten Anfängen zum größten gemacht hatten. Deshalb setzte er die Gebäude eines jeden wieder instand, wobei die Inschriften erhalten blieben.“ (Proximum a dis immortalibus honorem memoriae ducum praestitit, qui imperium p. R. ex minimo maximum reddidissent. Itaque et opera cuiusque manentibus titulis restituit.) Da Augustus besonderen Wert auf die Pflege der Duilius-Monumente legte, bezieht sich die Aussage Suetons sicher auch auf die columna rostrata. 130 Die Bezeichnung „summi viri“ ist belegt bei H.A., Sev. Alex. 28,6. Bildliche und modellhafte Rekonstruktion der Halle bei Zanker (1987) 214, Abb. 164 und 216 Abb. 166; vgl. Sehlmeyer (1999) 262–270; Itgenhorst (2004) 452–457. Die Bedeutung der Halle hat Itgenhorst (2005) 11 angemessen formuliert: „Neben den Helden mythischer Zeit, wie Aeneas oder Romulus, konnte er [der Besucher des Augustusforums, Anm. M. Ladewig] nun die großen Feldherren der Republik selbst gleichsam von Angesicht zu Angesicht betrachten: Diese Männer waren es, die die einst kleine Siedlung am Tiberufer zur größten Macht des Mittelmeerraums geführt hatten. […] bei den unter den Standbildern angebrachten Tituli fanden sich alle großen Namen der Republik. […] Die Elogien unter den Tituli riefen dem Betrachter eben diese Verdienste in Erinnerung, die die großen Männer in ihrem Leben im Namen der res publica libera und für sie vollbracht hatten.“ Zanker (1987) 215 hält treffend fest, dass es mit den errichteten Bildprogrammen auf dem Augustusforum, mit der Halle der summi viri und den Triumphalfasten zu einer didaktischen Reduktion der römischen Geschichte kam. Der Fokus lag ausschließlich auf der Expansion des Imperiums: „Durch die Verkürzung auf die besonderen persönlichen Leistungen der einzelnen Eroberer ergab sich der Eindruck schicksalhafter Fügung zwangsläufig.“ 131 Inscr.It. 13, 3, Nr. 13: 132 Itgenhorst (2005) 11. 133 Zanker (1987) 50. 134 Zur Vielfalt der Bilder vgl. Zanker (1987) 88ff, 102f., 131f.
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5. Triumphus navalis – Die rituelle Verherrlichung maritimer Sieghaftigkeit
dazu seine Gegner, Antonius oder Sextus Pompeius, zu anonymisieren. Dadurch vermochte er es, den negativen Beigeschmack von Bürgerkriegsschlachten, der seinen Siegen anhaftete, zu neutralisieren. Dies wird wohl auch der Grund gewesen sein, weshalb der Sieg bei Actium – obwohl dieser mit allen Elementen eines Seetriumphes angereichert worden war135 – nicht ausschließlich als triumphus navalis zelebriert wurde. Ein triumphus navalis tituliert neben dem Beiwort navalem immer auch den Gegner.136 Octavian jedoch wollte eine Erinnerung an seine Bürgerkriegsfeinde auf jeden Fall vermeiden. Am deutlichsten tritt diese damnatio memoriae des Feindes in den res gestae zu Tage, wo er den „Kampf gegen Seeräuber“ als Chiffre für den Krieg gegen Sextus Pompeius nutzt. Die Ehrung seines Flottenbefehlshabers M. Agrippa mit der corona rostrata unterstützt diese augusteische Umdeutung. Denn genau die gleiche Ehrung erhielt nur eine Generation zuvor M. Terentius Varro137, ein Legat des Pompeius für seine Verdienste im Seeräuberkrieg von 67 v. Chr. In Analogie dazu anonymisiert der künftige Alleinherrscher des Imperium Romanum auch seine Gegner Antonius und Cleopatra durch die Betitelung des Triumphes ex Actio und lässt kein Indiz in den steinernen Triumphalfasten stehen, das namentlich an sie oder ihre Legionen erinnern. Zugleich bedeckt dieser Mantel der Namenlosigkeit auch die durch den Bürgerkrieg entstandene Kluft innerhalb der römischen Bürgerschaft. Jegliche Reminiszenz der Proscriptionslisten musste vermieden werden. Das neue, augusteische Zeitalter wäscht sich rein vom Blut des Feindes aus den eigenen Reihen. Stattdessen manifestierte sich im kollektiven römischen Gedächtnis Augustus als Vollender der res publica populi romani, indem er sich unmittelbar in die Tradition des mythischen Stadtgründers Romulus mit seinem Dreifachtriumph stellt und zu Vergleichen mit herausragenden Persönlichkeiten eines Aemilius Paullus, Scipio Africanus oder Caius Duilius anhält.138 135 Hier sei an die Errichtung von columnae rostratae, das Mitführen von Agrippa als Flottenkommandant beim Triumphzug und das Prägen von Münzen mit nautischen Symbolen im Zuge des Triumphes erinnert. Ein Aureus, der zur so genannten Triumphalprägung zählt, zeigt auf dem Avers ein Brustbild einer bekleideten Diana, die nach rechts blickt. Auf dem Revers sieht man einen viersäuligen Tempel in dem ein τρόπαιον auf einem Schiffsbug mit rostrum steht, siehe Hofter (1988) Nr. 324. Ob die Münze auf den Seesieg über Sex. Pompeius bei Naulochos im Jahr 36 v. Chr. anspielt, wie Trillmich (1988) 507f. annimmt, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Prägung auf Actium bezieht, da sie direkt im Triumphjahr geprägt wurde. 136 Siehe hierzu die Anm. 31–36 (Kapitel 5.2). 137 Plin. n.h. 7,115; 16,7. Girardet (1993) 208ff konnte eine Art Traditionalismus als Grundprinzip augusteischer Politik und Propaganda ausmachen, wobei er darunter „nicht eine vergangenheitsselige Rückwärtsgewandtheit, keine Nostalgiewelle mit jener sterilen Sehnsucht nach der angeblich immer so guten alten Zeit, sondern den lebenswichtigen – für die römische Welt in diese Jahren überlebenswichtigen – Versuch, nach zwei Jahrzehnte dauerndem Bürgerkrieg […] mit den schrecklichen immateriellen und materiellen Folgen, wieder Stabilität und Orientierung zu gewinnen“ versteht. 138 Ähnlich Itgenhorst (2005) 219: „Octavian konnte hier einerseits Kontinuität mit der republikanischen Tradition demonstrieren; andererseits knüpfte er implizit an die Epoche des mythischen Stadtgründers an.“ Vgl. ferner dies. (2004) 443; Girardet (1993) 212ff.
6. TEMPLA, VILLAE, COLUMNAE ET ROSTRA – STEINERNE MONUMENTE DER RÖMISCHEN THALASSOKRATIE Roms erwachter Herrschaftsanspruch auf See manifestierte sich auch im Stadtbild der expandierenden Tibermetropole. Denn sieggekrönte Seeschlachten, triumphi navales und Ehrungen der römischen Flottenbefehlshaber brachten maritime Beutestücke mit sich, welche nun an den öffentlichen Orten der Stadt ausgestellt, die Sieghaftigkeit der res publica populi romani verkünden sollte. Zudem öffnete sich die private Lebens- und Wohnwelt der Römer für die thalassokratische Repräsentationskunst, welche etwa in der villa maritima eine ostentative Ausdrucksform fand. Die Grabbauten gemahnten über den Tod hinaus an die thalassischen Erfolge der Flottenkommandanten und dienten zugleich den Nachkommen als Prestige. 6.1 SPOLIA NAVALES – BEWEISE FÜR DIE SIEGHAFTIGKEIT ZUR SEE Die Hauptwaffe antiker Kriegsschiffe stellte der so genannte Rammsporn dar, der wegen seiner Form auch als Schiffsschnabel bezeichnet wurde.1 Zumeist bestand diese nautische Waffe aus einer bronzenen Ummantelung des Holzes, um es über eine längere Zeit vor Verwitterung durch Salzwasser zu schützen. Wie ein Originalfund vor der Küste Athlits in Israel sehr anschaulich verdeutlicht, maßen diese Rammwaffen bis zu 2 m in der Länge und hatten ein Gewicht von 600 kg.2 Bei einer Maximalgeschwindigkeit von 9,5 Knoten, die eine antike Trireme mit geübten Rojern erreichen konnte3, erzeugt solch ein bronzener Koloss zusätzlich zum Trägheitsmoment des Schiffes ausreichend Stoßkraft, um den Rumpf eines Holzschiffes zu durchbohren und es dadurch zum Kentern zu bringen. Die Angriffsfläche des Sporns war zumeist nicht einfach spitz und die Oberfläche glatt, sondern in drei gleichgroße Meißel gegliedert. Dadurch verteilte sich die Stoßkraft auf 1 2 3
Zum Rammsporn als Kriegswaffe exemplarisch Höckmann (1985) 7, 34f., 40, 43f., 46, 48, 96, Viereck (1996) 120. Höckmann (1985) 109 mit Abb. 84; Casson (1991) 135f.; Östenberg (2003) 53f. Die Geschwindigkeitsangabe ergibt sich aus den Experimenten mit der 1987 rekonstruierten Trireme „Olympias“. Unter Berücksichtigung möglicher Störfaktoren, der Wasserkraft am Ruderblatt, dem Rhythmusfaktor der Ruderer und dem hydrostatischen Widerstand des Schiffes erreichten die Probefahrten 1987 eine Geschwindigkeit von sieben Knoten. Nach diesen ersten Versuchen wurden mögliche Verbesserungen evident: (a) eine bessere Einübung der Ruderer, (b) die Auswahl von kleineren, kräftigeren Ruderern, (c) leichtere Riemen, (d) die Ausweitung der Ruderschlaufen für einen besseren Ruderschlag, (e) Erhöhung des Tiefganges, (f) Verbesserung der Steuerruder. Durch diese Verbesserung konstatierte man eine erreichbare Geschwindigkeit von neuneinhalb Knoten. Vgl hierzu ausführlich die Darlegung bei Morrison (1990) 307–327.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
sehr kleine Flächen, was wiederum die Krafteinwirkung beim Zusammenprall erhöhte. Auf Grund des enormen Gewichtes stützten sich die Schnäbel auf den Bug des Schiffes oder waren mit besonderen Haltevorrichtungen vom Kiel ausgehend befestigt. Die Regeln des Kampfes und des Sieges waren zu Lande die gleichen wie auf dem Meer. Denn dem Sieger fielen nach Beendigung der Schlacht die Soldaten, Waffen und Feldzeichen des Feindes zu. Die Waffennahme hatte eine besondere rituelle Bedeutung bei den Römern: Der mythologische Stadtgründer Romulus hatte einst die Waffen seines Feindes im Zweikampf gewonnen und als Beute dem Gott Iuppiter Feretrius als spolia opima auf dem Capitol geweiht.4 Das Einsammeln der spolia bedeutete also eine Entwaffnung des Gegners auf dem Feld. Unter genau dieser Deutung muss auch das Abmontieren der Rammsporne an gegnerischen Schiffen verstanden werden.5 Die rostra waren spolia des Meeres6, zählten zur Beute und konnten dadurch den Göttern geweiht, als Element von Siegesmonumenten genutzt oder als Motiv auf Münzen gewählt werden. Das früheste Ereignis in der römischen Geschichte, bei dem Rammsporne als spolia den Weg in die Tiberstadt fanden und als Siegesmonumente „verbaut“ wurden, lässt sich in das Jahr 338 v. Chr. datieren. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rom eine erbitterte Auseinandersetzung mit den letzten noch freien latinischen Städten Aricia, Lanuvium, Velitrae und der volskischen Seestadt Antium durch eine Schlacht am Fluss Astura, an der vielleicht auch Kriegsschiffe beteiligt waren, für sich entscheiden können.7 Die Rammsporne der erbeuteten antiatischen Schiffe ließ der Consul Caius Maenius nach Rom schaffen und an der Rednertribüne auf dem Forum anbringen.8 Über die Motive der Ortswahl lässt sich nur mutmaßen. Dabei verdient die Frage, warum Maenius die Schiffsschnäbel nicht an der Säule (columna Maenia) anbringen ließ, die ihm – vermutlich durch Beschluss des Senats – zwischen Forum Romanum und Comitium errichtet worden war, Beachtung.9 6.1 SPOLIA NAVALES – BEWEI SE FÜR DIE SIEGHAFTIGKEIT ZUR SEE
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Liv. 1,10,4–7; Plut. Romulus 16,5–7; Serv. Aen., 6,859. Vgl. Rüpke (1990) 217ff. Dass das Abbrechen der Rammsporne und die Nutzung für Weihgeschenke keine Erfindung der Römer ist, beweist Herodot 3,59, der berichtet, dass die Aigineten nach dem Sieg über samische Schiffe, die Schnäbel abmontierten und der Athene weihten. Vgl. dazu auch Beard (2009) 177f., für die mit den spolia auch einen Transfer von Macht einhergeht. Als diese bezeichneten sie u. a. Cic. Phil. 2,68; Val. Max. 2,7,15. Bericht über die Operationen der Consuln bei Liv. 7,13,1–7. Liv. 8,14,12; Plin. n.h. 34,20. Laut Flor. 1,5,10 handelte es sich um die Rammsporne von sechs Schiffen: Kolb (2002) 146f. vermutet zugleich durch die Anbringung der Schiffsschnäbel an der rostra eine Niveauerhöhung der gesamten Rednertribüne. In diesem Zuge soll es auch zu baulichen Umgestaltungen des Comitiums nach griechischen Typus gekommen sein. Vgl. LTUR IV (1999) 212ff; Sehlmeyer (1999) 53–57; Östenberg (2003) 45; König (2009) 54. Möglicherweises trug sie sein eigenes Standbild. Falls die Säule während Maenius’ Censur im Jahr 318 v. Chr. errichtet worden war, so steht sie im Zusammenhang zu dessen übrigen Baumaßnahmen, vgl. Plin. n.h. 34,20. Plin. n.h. 7,212 lokalisiert sie auf dem westlichen Forum, in der Nähe zum Carcer, vgl. Richardson (1992) 94f.; LTUR I (1993) 301f.
6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See
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Nun, zum einen haben wir keine Kenntnis darüber, inwieweit es Maenius überhaupt möglich war, das Siegeszeichen, welches ihm durch den Senat und das Volk von Rom zugesprochen worden war, eigenhändig zu verändern. Selbst wenn ihm dieses Recht zustand, war die Rednertribüne des Forums nicht ein deutlich geeigneterer Ort für die maritimen spolia? Denn hier, an diesem Ort, schlug der politische und alltägliche Puls der Tibermetropole.10 Das politische Leben eines römischen Adligen beginnt hier, wenn er mit vierzehn Jahren die toga praetexta mit der toga virilis tauscht11, dadurch zum Erwachsenen wird und seine erste Tätigkeit, zum Beispiel als Aspirant eines Politikers, aufnimmt. Politische Debatten, flammende Reden, Gerichtsverhandlungen, Gesetzesverkündungen werden auf dem Forum und auf der Rostra publikumswirksam inszeniert. Und schließlich endet das Leben eines jeden römischen Aristokraten an diesem Ort, wenn der große Leichenzug, die pompa funebris, vom Haus des Verstorbenen ausgehend, seinen Prozessionsweg auf dem Forum vor der Rostra vollendet, wo in Gegenwart der Altvorderen (imagines) die trauernden Angehörigen in einer Leichenrede die Taten und Tugenden ihres Verblichenen loben und ihm die letzte Ehre erweisen.12 Während all dieser Momente wird durch die ständige Präsentation der Siegeszeichen von Antium an die einst gewonnene Seeschlacht und an ihren Sieger Caius Maenius erinnert. Kaum ein anderes Siegesmonument vermag derartig die memoria ihres Günstlings lebendig zu halten. Die Richtigkeit von Maenius’ Entscheidung wird evident, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die columna Maenia in späterer Zeit zweckentfremdet wurde13 und angeblich 184 v. Chr. dem Bau der neuen Basilica Porcia weichen musste.14 Lediglich das Recht für seine Nachfahren, von dem einstigen Standort der Siegessäule aus Festlichkeiten auf dem Forum beobachten zu dürfen, erinnerte noch an Maenius’ Monument.15 Dass die Rostra das wohl eindrücklichste architektonische Medium zur memoria eigener Leistungen darstellte, machten sich spätere Feldherrn wie Duilius,
10 Zur Bedeutung der Rostra als Zentrum des politischen Lebens vgl. Kissel (2004) 93–98; König (2009) 54. 11 Rawson (2005) 142ff. 12 Pol. 6,53,1–54,3. Dazu Flaig (1995) 115–148; (2002) 49–68; Kissel (2004) 157–190; Flower (2006) 321–337. Im Principat steigert sich die Bedeutung der Rostra für die pompa funebris durch die Apotheose des Kaisers und der Verbrennung seines Leichnams, so etwa bei Augustus (Cass. Dio 56,34,1–42,4; Suet. Aug. 100), Pertinax (Cass. Dio 75,4,1–5,5) oder Septimus Severus (Herod. 4,2), vgl. dazu Zanker (2004) passim. 13 Nach Schol. Cic. Bob. Sest. 18 wurde die Säule zum Anbringen von Schuldscheinen verwendet. In Verkennung der Funktion einer Ehrensäule nimmt Sehlmeyer (1999) 55 an, Maenius habe die Säule für einen derart praktischen Zweck errichtet und negiert die Möglichkeit, dass der Senat die Säule für Maenius aufstellen ließ, wie u. a. Kolb (2002) 146f. annimmt. M. E. nach verliert die columna Maenia durch die quasi neutrale Darstellung zunehmend ihre Bedeutung und lässt eine Identifikation der Ehrung nur noch bedingt zu. So werden ihr daher bald andere Funktionen zugeordnet. 14 Liv. 39,44,7. 15 Cic. div. in Caec. 50; Plin. n.h. 7,212.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Sulla, Pompeius oder Caesar zunutze16, indem sie ihre Siegeszeichen und Statuen in unmittelbarer Nähe dazu aufstellen ließen, um in gleichem Maße ständig präsent im Alltagsleben der Römer zu sein. Der architektonische Raum, den die Rostra einnahm, wurde zum beliebten und stark genutzten Ort zur Aufstellung von Siegesmonumenten. Augustus vollführte die extremste Reklamation der symbolhaften dignitas und auctoritas der Rostra, als er den Umbau des Forums beschloss.17 In Anlehnung an den Sieg über Antium ließ er in einer „MaeniusImitatio“ gegenüber der alten Rostra und vor dem Tempel für seinen divinisierten Adoptivvater C. Iulius Caesar eine neue Rostra errichten, an welcher die Rammsporne der erbeuteten Schiffe seines Bürgerkriegsgegners Marcus Antonius angebracht wurden.18 Dadurch war es ihm möglich, fortwährend an seinen Sieg zur See und die Beherrschung des mare nostrum zu erinnern, und zugleich den „Bruderkampf“ durch die Gleichsetzung mit einem Sieg über eine latinische Seestadt zu bagatellisieren. Der negative Beigeschmack des Bürgerkrieges dünnte sich mehr und mehr aus. Noch heute lassen sich die Haltevorrichtungen an den Überresten der kaiserzeitlichen Rostra erkennen.
Die Überreste der rostra (Rednertribüne) unmittelbar neben dem Triumphbogen des Septimus Severus im Nordwesten des Forum Romanum. Die gerade, dem Forum zugewandte Seite der rostra war aus Tuffquadern gefertigt. Die darin noch heute erkennbaren Löcher dienten der Verankerung der Rammsporne (lat. rostrum).
16 App. b.c. 1,97, Cass. Dio 43,49,1–2 (für Sulla); Cass. Dio. a.a.O.; Plut. Caesar 57,6, Vell. 2,61,3 (für Pompeius), App. b.c. 2,106, Cass. Dio 44,4,4–5 (zwei Statuen für Caesar);vgl. ferner Sehlmeyer (1999) 204–238. 17 Zum umfassenden Bauprogramm Augustus’ auf dem Forum vgl. Zanker (1972) passim.; ders. (1987) 85ff; Kolb (2002) 350–358; Kissel (2004) 322–337; Schollmeyer (2008) 101–117. 18 Zanker (1987) 86; LTUR IV (1999) 214ff; Kolb (2002) 353f.
6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See
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78 Jahre nach dem Anbringen der Rammsporne an der Rostra durch Maenius erhielt Rom eine neue architektonische Sensation in den Triumphalbauten. Caius Duilius zu Ehren, dem Sieger über die karthagische Armada bei Mylae und ersten Seetriumphator Roms, errichtete man eine Säule, an deren corpus die Rammsporne der erbeuteten karthagischen Schiffe angebracht wurden.19 Die an der Basis eingelassene Inschrift20 bezeugte die Taten des Feldherrn im Jahr 260 v. Chr. und an der Spitze schloss ein Standbild des Triumphators das Ensemble ab.21 Die Rekonstruktion dieser fast neun Meter hohen Säule findet sich heute im Museo della Cività Romana in Rom.22 Duilius’ Säule war die Weiterentwicklung der Siegesmonumente von Antium, denn columna und Schiffsschnäbel kombinierte man zu einem τρόπαιον. Während die Säule lediglich die Ehrung signalisierte, identifizierten die Rammsporne die Natur des Sieges und der Ehrung. Analog dazu muss die columna Minucia gesehen werden, die nicht nur die Statue des Geehrten zeigte, sondern auch durch die Kornähren in der Hand der Statue auf dessen Verdienste als Praefectus annonae während der Hungersnot 314 v. Chr. in Rom hindeutete.23 Durch diese Attribute – Kornähre oder rostrum – war die Art der Ehrung genauer definiert und für den Beobachter eindeutig erkennbar. Die columna rostrata wurde zur Stein gewordenen Personifikation des Triumphators Duilius. Zugleich avancierte sie durch die exponierte Präsentation der Rammsporne zum Sinnbild für Roms ersten großen Sieg zur See und den beginnenden Machtausbau der Tiberstadt auf dem Meer. Die columna Duilia blieb nicht die einzige Siegessäule, welche von Schiffsschnäbeln geschmückt war, sondern etablierte sich als Prototyp der steinernen Glorifizierung errungener Seesiege. Marcus Aemilius Paullus hatte zusammen mit seinem Mitconsul Ser. Fulvius Paetinus die in Nordafrika verbliebenen Truppen des Feldherrn und Amtsvorgängers C. Atilius Regulus24 vor drohender karthagischer Kriegsgefangenschaft gerettet, ein karthagisches Aufgebot bei Kap Hermaion geschlagen und Beutezüge auf Kossyra durchgeführt, wofür ihm und Paetinus je ein Seetriumph gewährt wurde.25 Daneben bewilligte der Senat auch die Errichtung einer columna rostrata für Aemilius Paullus, die auf dem Capitol aufgestellt 19 Diese columna rostrata stellt, so Künzl (1988) 101: „[…] ein frühes Beispiel in der Reihe der prominenten Siegessäulen [dar] neben den Ehrenbögen das hervorstechendste Triumphalelement in der großen römischen Kunst.“ Vgl. ferner Richardson (1992) 97; LTUR I (1993) 309; Sehlmeyer (1999) 117ff; Kolb (2002) 173; Östenberg (2003) 45f.; König (2009) 55 einschl. Abb. 50. 20 Inscr.It. 13, 3, Nr. 69. Zur Historizität der Inschrift vgl. Bleckmann (2002) 116–125. 21 Die Statue ist durch die antiken Autoren nicht belegt, wohl aber in einem Elogium des Augustusforums erwähnt, InscrIt. 13, 3, Nr. 13: [CVM·TIBICI]NE·E[T·F]VNALI·REDIRET [·ET·S]TATVA·C[V]M | [COLVMNA]’ PR[OPE·A]REAM·VVLC [ANI·P]OS[I]T[A]. 22 Künzl (1988) 103 Abb. 64. 23 Liv. 4,13,7. 16,3; Dion. Hal. ant. 12,1,5.6.11; Zon. 7,20; Plin. n.h. 18,15; 34,12. Die Darstellung der Säule findet sich auf Münzemissionen der Familie. Auf der ionischen Säule steht eine Statue eines Ahnen des Rufus und hält Kornähren in der Hand, vgl. Richardson (1992) 96; LTUR I (1993) 305ff; Kolb (2002) 185, 238. 24 Vgl. hierzu Beck (2005) 229–239. 25 Vgl. Anm. 33 u. 34 (Kapitel 5.2).
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
wurde.26 Ebenso wie Duilius’ Säule verzierten auch hier erbeutete Schiffsschnäbel der Karthager den corpus. Ob sie ebenfalls eine Statue des Triumphators trug, ist unklar. Auf Grund der expliziten Erwähnung von Serv. Fulvius Paetinus bei Livius geht BLECKMANN27 davon aus, dass es auch für ihn eine columna rostrata gegeben haben könnte; archäologische oder literarische Hinweise fehlen jedoch bis jetzt. Für eine Zeitspanne von 218 Jahren finden sich nach unserem heutigen Kenntnisstand keine weiteren Triumphsäulen, die erbeutete spolia navalia tragen, obwohl eine Abnahme der Zahl von Triumphalbauten und Ehrenmonumenten nicht zu beobachten ist.28 Dieser Befund deckt sich mit der äußerst sporadischen Präsenz von Seetriumphen in den Triumphalfasten.29 Beides spricht dafür, dass der Sieg zur See nicht mehr einer herausragenden Würdigung bedurfte; vielmehr war der Erfolg auf dem Meer schon zum festen Bestandteil der allgemeinen virtus und Sieghaftigkeit des Feldherrn geworden. Folglich präsentierten die Triumphalmonumente allgemeine Symbole der victoria, virtus oder aber den Triumphator selbst. Erst in den Wirren des Bürgerkrieges halten auch columnae rostratae wieder Einzug in Rom. So wurde Octavian in Verbindung mit seiner ovatio 36 v. Chr. für den Sieg über Sextus Pompeius eine Ehrensäule mit Schiffsschnäbeln errichtet.30 In direkter Anlehnung an den Sieg von Mylae 260 v. Chr. und den ersten Seetriumphator erhielt die Säule des Octavian ihren Platz an der Rostra in direkter Nähe zur columna Duilia. Wenige Jahre später, nach dem Sieg bei Actium über Antonius und Cleopatra, ließ der Princeps vier weitere bronzene Pilaster mit Rammspornen vor der Basilica Iulia auf dem Forum aufstellen.31 Diese vier Säulen von Actium waren zugleich eine Weiterentwicklung aller vorherigen columnae. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Siegessäulen aus Stein gearbeitet und die Schiffsschnäbel wurden durch Haltevorrichtungen an deren corpus angebracht. Octavian ließ jedoch aus der Vielzahl der bei Actium erbeuteten rostra diese vier Säulen fertigen, indem er die bronzenen Rammwaffen einschmelzen ließ.32 Dadurch wur26 Liv. 42,20,1 erwähnt die Säule erst im Zusammenhang mit verschiedenen Prodigien und berichtet davon, dass ein Blitz in die Säule eingeschlagen sei. Es ist unklar, ob die Säule auf Paullus’ Verlangen hin aufgestellt worden war oder auf Beschluss des Senates/Volkes. Die Tatsache, dass seinem Amtskollegen, der den gleichen Triumph wie Paullus feierte, keine solche Säule angefertigt wurde, könnte daraufhin deuten, dass Paullus auf eigenes Bestreben hin die columna errichten ließ, vgl. Richardson (1992) 96; Sehlmeyer (1999) 119f. 27 Bleckmann (2002) 171 Anm. 4. 28 Vgl. hierzu Künzl (1988) 46–58; Hölkeskamp (2004) 153–156. Hierunter ist auch die deutliche Zunahme von Ehrenstatuen zu verstehen, Sehlmeyer (1999) 142–177. 29 Vgl. hierzu Ausführungen im Kapitel 5.2, S. 247ff. 30 App. b.c. 5,130. Eine Münzprägung aus dem Jahr 31 v. Chr. zeigt ein Abbild dieser Säule, vgl. Hölscher (1985) 84; Zanker (1987) 50 mit Abb. 32; Richardson (1992) 96; LTUR I (1993) 308; Sehlmeyer (1999) 255–260. 31 Verg. georg. 3,28–29; Richardson (1992) 97; LTUR I (1993) 308. 32 Zanker (1987) 86f. mit Abb. 61; ferner Hölscher (1985) 84. Die Idee des Waffeneinschmelzens und der Formung eines Siegesmonumentes war nicht neu. Der Triumphator Sp. Carvilius ließ die Rüstungen der besiegten Samniten einschmelzen und daraus ein Iuppiter-Bild und
6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See
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de dieses Monument im doppelten Sinn zum Symbol für den Seesieg bei Actium. Denn nun pries neben den angebrachten spolia auch das Material der Säule die victoria navalis ihres Stifters. Das Stadtbild der Tibermetropole veränderte sich zusehends durch ihren ersten Kaiser, da wie TONIO HÖLSCHER beschreibt „Rom […] damals überschwemmt worden sein [muss] von Denkmälern, die mit Teilen eroberter Schiffe oder deren Nachbildungen auf den Sieg über Antonius hinwiesen.“33,
so dass man PAUL ZANKER in seiner Feststellung bejahen kann, „Das Forum bekam durch diese von und für Oktavian errichteten Denkmäler ein neues Gesicht. Wohin man auch schaute, überall wurde an den Sieger erinnert.“34
RIC I² 271. Ein Denar aus den Jahren 29-27 v. Chr. Der Avers zeigt den Lorbeerumkränzten Portraitkopf Octavians. Auf der Rückseite ist die columna rostrata dargestellt umringt von Octavians Titel IMP CAESAR.
Die Idee, erbeutete Kriegswaffen an Säulen auszustellen, fand in der Geschichte begeisterte Nachahmer: Am 2. September 1873, dem Jahrestag der Schlacht von Sedan, enthüllten die Architekten August Schlüter, Friedrich Drake und Heinrich Strack auf dem Königsplatz in der Nähe des Brandenburger Tores in Berlin die Siegessäule. Sie trug neben dem Standbild der Siegesgöttin Victoria35 auch vergoldete Kanonenrohre, die in den drei so genannten Reichseinigungskriegen (1864 Deutsch-Dänischer Krieg, 1866 Deutsch-Österreichischer Krieg; 1870/71 Deutsch-Französischer Krieg) erbeutet worden waren. 1938 platzierte man im Zuge von Umbauten die Siegessäule an ihrem heutigen Standort, dem Großen Stern.36 Es finden sich aber auch neuzeitliche Repliken, antiker columnae rostratae. Das napoleonische Rom des frühen 19. Jahrhunderts erlebt eine Renaissance anti-
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sein eigenes fertigen, vgl. Plin. n.h 34,43; Liv. 10,46,13–15; Sehlmeyer (1999) 113–116; Hölkeskamp (2004) 152f. Hölscher (1985) 84. Zanker (1987) 87. Bloch (1979) 414. V. Simon (1979) 207f.
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ker Monumente, darunter auch die der columnae rostratae. Zwei dieser „Relikte“ lassen sich auf der Piazza del Popolo finden, wo sie die Fontana di Dea Roma flankieren.37 Napoleon ließ sie dort von seinem Architekten Giuseppe Valadier zusammen mit weiteren neo-klassischen Bauten errichten. Der Schweizer Historiker REINHARDT resümiert über das neue Erscheinungsbild der Piazza del Popolo: „Der Neuankömmling soll hier in ein regelrechtes Taufbad altrömischer Größe getaucht und mit Ehrfurcht für die Vergangenheit imprägniert werden.“ 38
Eine der zwei um die zweite Dekade des 19. Jahrhunderts von Giuseppe Valadier gestal-teten columnae rostratae stellt eine architektonische Reminescenz der cloumna duilia dar. Sie flankiert einen großen Brunnen auf der Ostseite der Piazza del Poppolo, der im Norden Roms zwischen Tiber und dem Hügel Pincio liegt.
Die Säule als Exportstück maritimer Triumphalkunst fand ihren Weg auch ins zaristische Russland. In Sankt Petersburg beispielsweise ließ Katharina die Große nach der Seeschlacht bei Tschesme 1769, welche Russland den Weg zur freien Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer ebnete, eine Säule mit Schiffsschnäbeln in der Nähe des Schlosses zu Zarskoje Selo errichten.39 37 Der Maler Samuel Palmer fing in seinem Gemälde 1838 die beiden Säulen mit Rammspornen auf der Piazza del Popolo ein, vgl. Reinhardt (1999) 249 mit Abb. 38 Reinhardt (1999) 251. Zur Antikerezeption im napoleonischen Italien siehe Lill (1980) 88ff; zum historischen Kontext Reinhardt (2003) 185–191. 39 Vgl. v. Bechtolsheim (1984) 157f. Zur Bedeutung der Antike in der Architektur Sankt Petersburgs unter Katharina der Großen siehe Donnert (2002) 76ff.
6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See
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Wohin man auch schaut, die Seemächte der frühen Neuzeit orientierten sich am Beispiel Roms, um Ideen und Motive zu finden, die eigene Thalassokratie wirksam und ausdrucksstark zu propagieren – ein wohl deutlicher Beweis dafür, dass das antike Rom nicht nur als Landmacht wahrgenommen und verstanden worden ist. Säulen blieben jedoch nicht das einzige Medium für das Aufstellen der spolia navalia. Auch Heiligtümer von Schutzgottheiten bedachte man mit der maritimen Form von Beutewaffen. Octavian ließ nach dem Sieg über Antonius und Cleopatra für Apollo und Neptun Kultstätten errichten, an denen Rammsporne als Weihgeschenke angebracht wurden.40 Weitere Tempel, wie der seines Adoptivvaters Caesar, wurden mit Beutestücken aus dem Seesieg bei Actium ausgestattet. Der neu errichtete Saturntempel trug am Giebel die Figuren von Muschelblasenden Tritonen41, die an ihren Beistand bei Octavians Seegefechten erinnerten. Einen Eindruck von der Bildgewaltigkeit der neuen Baupolitik des Princeps und der Dominanz maritimer Elemente vermittelt ein erhaltenes Fragment eines Frieses aus dem Palazzo di Conservatori, das aus frühaugusteischer Zeit stammt. Neben der Darstellung des Vorderteils eines Kriegsschiffes mit militärischen Aufbauten finden sich eine scheinbar ungeordnete Ansammlung verschiedener Schiffsteile, wie Rammsporne, Steuerruder, Schiffsbug/-heck in Kombination mit Insignien unterschiedlicher römischer Kulte, wie lituus, apex und simpuvium. An welchem Gebäude das mehrere Meter lange Fries angebracht war, ist unbekannt, wobei die Anbringung an einen Tempel durch die Darstellung der Priesterinsignien m. E. zu favorisieren ist. Der Fundort des Frieses lässt lediglich die sichere Verortung des Gebäudes in der Nähe des Circus Flaminius zu.42 Der First der zehn Tage nach seinem Dreifachtriumph 29 v. Chr. von Octavian eingeweihten Curia Iulia trug ein Relief, in dessen Zentrum Victoria auf einem Globus dargestellt war, die von zwei Figuren mit Ankern und Rudern flankiert wurde, wodurch unweigerlich auf Actium angespielt wurde.43 Octavian monopolisierte mit seinen Siegen bei Actium und Naulochos die Verwendung maritimer spolia an öffentlichen Bauten und verwendete sie als Kennzeichen seiner virtus und auctoritas. Neben der Sakralarchitektur bildeten auch Theater einen Mittelpunkt des römischen Lebens. Als erster nutzte Pompeius Magnus diesen Ort als Medium zur Verherrlichung seiner nautischen Sieghaftigkeit. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Theater in Rom nur temporäre Bauten gewesen, zumeist aus Holz gefertigt, die nach dem Ende der Spiele und Vorführungen wieder abgerissen wurden. Pompeius ließ während seines zweiten Consulats nun das erste römische theatrum 40 Suet. Aug. 18,2: „[…] schmückte es mit Beutestücken aus der Seeschlacht und weihte es Neptun und Mars.“ (locum castrorum quibus fuerat usus exornatum navalibus spoliis Neptuno et Marti consecravit). Die Nutzung der rostra als schmückende Elemente an öffentlichen Bauten ist durch Sil. Pun. 14,649 auch für Syrakus belegt. 41 Macrob. Sat. 1,8,4; vgl. Hölscher (1985) 88. 42 Hölscher (1985) 84–87; (1988) 364–369, Kat. 200, Abb. 166a–p. 43 Hölscher (1985) 84.
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aus Stein bauen, wobei ihm nach Plutarch das Theater von Mytilene auf Lesbos als Vorbild gedient habe.44 Dieser riesige Bau, der angeblich 40.000 Zuschauern Platz bot, verfügte neben Kultstätten für Honos, Virtus, Felicitas und Valetudo auch über eine curia. Zur Verzierung dieses Prachtbaues ließ Pompeius alle von ihm eroberten Völker durch aufgestellte Statuen darstellen, zahlreiche Bildhauer und Maler fertigten Gemälde an, die neben seiner Alexander-Imitatio auch an sein maritimes Engagement während seiner umfangreichen imperia gegen die Seeräuber und Mithridates VI. gemahnten. Ferner schmückten Beutestücke die Kapitelle des Säulenganges, wobei sicher auch spolia navales mit Verwendung gefunden haben werden.45 Neben dem öffentlichen wurde auch der private Raum der Römer von nautischen spolia „okkupiert“.46 Das markanteste Beispiel stellt die domus rostrata des Pompeius Magnus dar. Als er mittels seines umfassenden Seeimperiums zur Bekämpfung der Seeräuber zum Herrn über das mare internum avancierte, eine bis dahin nie da gewesene Befugnis über Land und Meer besaß und die vermeintliche Gefahr der kilikischen Seeräuber beseitigte, stellte er im Vestibulum seiner Stadtvilla die Rammsporne der erbeuteten Piratenschiffe aus.47 Wo andere Vertreter der römischen Aristokratie die imagines ihrer Ahnen präsentierten, um dauerhaft an deren virtus und auctoritas zu erinnern48, bot Pompeius die Symbole und Beweise seiner eigenen virtus und dignitas, die er allein durch seine Taten für sich verbuchen konnte, den Gästen und Besuchern seines Hauses dar. Da das Vestibulum 44 Plut. Pompeius 42,3. 45 Zum Pompeius-Theater vgl. die Ausführungen von Gelzer (1949) 171ff; Frézouls (1982) 353–369; LTUR V (1999) 35–38; Kolb (2002) 256–260; Seager (2002) Christ (2004) 124f.; König (2009) 109ff. Über die Details der Ausschmückung des Theaters wissen wir nur sehr wenig; alle relevanten Informationen finden sich bei Cic. off. 2,60; Vell. 2,48,2; Plin. n.h. 35,59. 114. 126. 132; 36,41; Vitr. 5,9,1; Cass. Dio 39,38,1–7; 44,16,2. Doch der von mir apostrophierte nautische Bezug bei der Ausschmückung wird von Plin. n.h. 7,34 gestützt, der von einem Gemälde des Pausias berichtet, das detailreich die Opferung eines Stieres thematisiert. Das Stieropfer war eine gängige Opfergabe für die maritime Gottheit Neptun, zumeist vor dem Auslaufen auf See oder im Anschluss an die Heimkehr von einer Seefahrt, vgl. hier die Ausführungen im Kapitel 3.3, 160ff. Durch die Darstellung des Tieropfers, die ein römischer Flottenkommandant durchzuführen pflegte, erinnert Pompeius an seine Rolle als römischer Flottenbefehlshaber im Krieg gegen die Seeräuber. 46 Dass spolia in den Häusern von Triumphatoren angebracht wurden, bezeugt Liv. 10,7,9; 38,43,10–11. Diese durften nicht abgenommen werden, auch wenn das Haus den Besitzer wechselte, Plin. n.h. 35,7. Über die Art und Weise der Anbringung der spolia im Haus vgl. Drerup (1957) 27f., der auch auf die Präsenz tönender spolia-Repliken hinweist. 47 Cic. Phil. 2,68 erwähnt die Schiffsschnäbel explizit als Charakteristikum der domus des Pompeius; vgl. Wiseman (1987) 396ff; Häuber (1994) 913 Anm. 48; Kolb (2002) 282; Beard (2009) 29f. ferner dazu der Fund eines bronzenen Schiffsschnabels aus Pompeji Spinazzola (1953) 346 Abb. 390, der eine Vorstellung von derartigem Hausschmuck sehr anschaulich vermittelt. 48 Zur Bedeutung der domus als Ort der Repräsentation und Selbstdarstellung Kolb (2002) 275– 282; v. Hesberg (2005b) 22–45; Kunst (2006) 69–77, 82f., 131ff; Stein-Hölkeskamp (2006) 300–320; zur Rolle des Atrium Flaig (2004) 49f. Die politischen und sozialen Funktionen der domus hat Rilinger (1997) 79–89 gut herausgearbeitet.
6.1 Spolia navales – Beweise für die Sieghaftigkeit zur See
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den öffentlichen Raum der römischen domus darstellte – also jedem römischen Bürger frei zugänglich war, egal ob er ein geladener Gast oder anonymer Besucher des Hauses war – blieb der Wirkungskreis nicht sehr stark eingeschränkt. Ein jeder konnte sich beim Betreten seines Hauses von dem nautischen Können und der seebeherrschenden Macht des Pompeius überzeugen. Während des Übergangs von der späten Republik zum frühen Principat öffnete sich der private Raum für die öffentliche Propaganda. Während zuvor öffentliche Bauten ausschließlich für die Darstellung politischer und militärischer Themen Verwendung fanden, tangiert unter Augustus zum ersten Mal die Propaganda der virtus und auctoritas einzelner großer Persönlichkeiten auch den privaten Bereich der Römer. Beispielsweise produzierten Ziegeleien Stirnziegel en masse, die auf die Seesiege Octavians während der Bürgerkriege anspielten. Die zur Verzierung an der Traufseite eines Dachstuhls angebrachten Ziegel wurden zumeist aus Terracotta gefertigt und bildeten ein Schiffstropaion, auch in Kombination mit der Siegesgöttin Victoria oder der Magna Mater, ab, welches von Delphinen flankiert wurde.49 Durch den Kauf solcher Stirnziegel und das Anbringen an Dächern erhielten Privatleute die Möglichkeit, ihre Loyalität zum neuen Herrscher Roms zu verdeutlichen. Unter ähnlicher Prämisse muss auch die Massenproduktion von Wandreliefs gestanden haben, so z.B. ein Fragment, welches sich heute im Museo Nazionale Romano in Rom befindet. Es stammt ursprünglich aus einem vornehmen Privathaus auf dem Quirinal und ist aus griechischem Marmor gefertigt. Das erhaltene Fragment zeigt die Siegesgöttin, welche die Heckzier eines Schiffes (aplustre) in der linken Hand hält, während sie mit der rechten Hand ein aus gegnerischem Schild und Rüstung geformtes τρόπαιον mit einer Binde schmückt.50 Schiffselement und τρόπαιον werden durch den Sieg in persona der Victoria miteinander verbunden – sinnbildlich kommt dies durch die Berührung beider Siegeselemente durch Victoria zum Ausdruck – und deuten dadurch auf einen Seesieg hin. Auf subtiler Ebene wird durch die Illustration charakteristischer Waffen und Schilde des Ostens am τρόπαιον auf den Gegner angespielt. Diese Darstellung kongruiert mit der augusteischen Propaganda, welche den Sieg bei Actium über Antonius und Cleopatra als Kampf Roms gegen den barbarischen Osten dokumentiert. Stirnziegel und Relief verdeutlichen, dass die maritime Sieghaftigkeit des Princeps Einzug in die individuelle Baukunst der Römer hielt.
49 Vgl. Hölscher (1985) 84ff; (1988) 369, Kat. 201 (Schiffstropaion); 207 (mit Victoria), 211 (mit Magna Mater). 50 Hölscher (1988) 370, Kat. 202.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
6.2 VOTUM ET SUPPLICATIO – VOM TEMPELBAU UND LOB MARITMER GOTTHEITEN Dem Betrachter der antiken Topographie Roms sticht unvermeidlich die starke Konzentration sakraler Bauten ins Auge. Tempel und Kultstätten verschiedenster Gottheiten dominierten das Stadtbild der Tibersiedlung.51 6.2 VOTUM ET SUPPLICATIO – VOM T EMPELBAU UND LOB MARIT MER GOT THEITEN
„Rom besaß folglich schon in der Zeit vor Augustus unter den Städten des Mittelmeerraumes die meisten Tempel. Keine der Metropolen im Osten – weder Alexandria noch Antiochia oder Pergamon – konnte in dieser Hinsicht mithalten.“52
In diesem reichhaltigen Pantheon römischer Kulte und deren Austragungsstätten nahmen die maritimen Götter keine geringe Stellung ein. Im Folgenden soll der Fokus der Untersuchungen auf die Tempelbauten dieser Götter in Rom gelenkt werden, wobei sowohl der Kontext ihres Entstehens als auch das Wesen ihres Kultes betrachtet werden. Dadurch mag der Versuch gelingen, die architektonischen Spuren der eingangs postulierten Seerepublik Rom zu finden, zu lesen und zu verstehen. Es ist auffällig, dass der Weg, auf dem der Festzug der pompa triumphalis durch Rom zog, entlang der via Sacra an zahlreichen Tempelbauten vorbei führte. Dies liegt u. a. in der engen Verknüpfung von Tempelweihe und römischem Triumph begründet.53 Es waren in erster Linie Triumphatoren, welche im Zuge ihrer Triumphe Tempelweihungen vollzogen, den Bau mit ihrer Kriegsbeute finanzierten und ihn auch durch τρόπαια oder Triumphalgemälde ausschmückten.54 In den Inschriften verewigten sie sich mit Namen und verbanden sich selbst auf diese Weise mit dem geweihten Tempel. Die memoria ihrer Siege und Triumphe wurde durch jede weitere pompa triumphalis erneuert, da ihre Bauten die Kulisse des Prozessionszuges darstellten. In seiner Monographie zu den Tempelbauten zur Zeit der mittleren Republik hat ADAM ZIOLKOWSKI zusammengetragen, dass zwischen den Jahren 292 und 219 v. Chr. etwa 40 Tempelweihungen auf vota von Generälen und imperiumTrägern zurückgehen.55 Eine immense Anzahl, wenn man im Vergleich dazu die zwei Bauvorhaben durch Aedilen und drei durch Priesterkollegien sieht.56 Darüber hinaus tragen die Tempelweihungen vornehmlich privaten Charakter, was besonders durch die freie Wahl der Gottheit offensichtlich wird. Oft entschied die 51 In seinen res gestae 20 betont Augustus, dass er allein bis zum Jahr 28 v. Chr. 82 Heiligtümer restaurieren ließ. Mit den Neubauten durch Augustus postuliert v. Hesberg (2005a) 79 über 100 Tempelbauten für das Rom der frühen Principatszeit. 52 V. Hesberg (2005a) 79. 53 Vgl. etwa Rüpke (1990) 234, der die Potenz der Tempelgründungen und Bauten zur Perpetuierung des republikanischen Triumphes herausstellt. 54 Sehlmeyer (1999) 134f.; v. Hesberg (2005a) 79; Schollmeyer (2008) 68. 55 Ziolkowski (1992) 244f. 56 Nach Tac. ann. 2,49,1 hatten die beiden Aedilen des Jahres 240 v. Chr.; L. und M. Publicus; der sabinischen Gottheit Flora in der Nähe zum Circus Maximus einen Tempel errichtet, vgl. dazu Ziolkowski (1992) 31–34; Schollmeyer (2008) 89. Zu den Tempeln, die von Priesterkollegien errichtet wurden auch Ziolkowski (1992) 261.
6.2 Votum et supplicatio – Vom Tempelbau und Lob maritmer Gottheiten
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Wahl einer Schutzgottheit, das votum, welches einem Gott vor der Schlacht oder dem Feldzug gegeben wurde oder der Ritus der evocatio – d. h. die Bitte an die Götter des Gegners, den Boden und die Tempel ihrer alten Stätte zu verlassen und nach Rom überzusiedeln, wodurch der Feldherr die göttliche Macht und den Segen für die res publica okkupieren wollte – über die Tempelweihung.57 Die erste Tempelgründung, die in direkter Verbindung zu einem maritimen Ereignis steht, ist der Bau des Ianus-Tempels durch Caius Duilius. Ianus, der durch die Darstellung der Doppelköpfigkeit für Anfang und Ende stand und mit dem Beginn und dem Ende des Jahres assoziiert wurde58, war durchaus auch mit thalassischen Konnotationen besetzt. Einer Sage nach soll der Gott als Herrscher über Latium Münzen geprägt haben, auf denen sowohl ein doppelter Kopf als auch ein Schiffsbug zu sehen waren.59
RRC 340/4. Ein As aus dem Jahr 74 v. Chr. mit dem Kopf des Janus auf dem Avers. Der Revers zeigt ein Schiffsbug mit der Überschrift L•PISO.
Einige behaupteten, er spiele damit auf das Ereignis seiner Ankunft an den irdischen Gestaden per Schiff an, andere wollten darin die Erinnerung an die Ankunft seines Freundes Saturn mit einem Schiff sehen.60 Als Ehefrau wurde ihm die Nymphe Iuturna, die Göttin des Quells, dem Ursprung allen Wassers zur Seite gestellt. Ianus’ „Bedeutung […] als eines Gottes und Schützers des Eingangs kommt sinnfällig darin zum Ausdruck, daß ihm alle Türen und Eingänge heilig sind.“61
57 Allgemein dazu v. Hesberg (2005a) 98f.; Schollmeyer (2008) 65ff. Zum vornehmlich privaten Charakter der Tempelweihungen vgl. Ziolkowski (1992) 250ff; zum Ritus der evocatio, Macrob. Sat. 3,9,7–8; Wissowa (1907) 1152f. 58 Zur Gestalt des Ianus, Simon (1990) 88–93 mit Abb. 113, 114, 115 und 116. 59 Ovid fast. 1,229–230. Calpurnius Piso Frugi, Praetor des Jahres 74, ließ derartige Münzen prägen, auf deren Avers der Doppelkopf des Ianus und auf dem Revers ein Schiffsbug dargestellt war, vgl. RRC Nr. 340/4. 60 Ovid. fast. 1,233–241; Verg. Aen. 8,355–358. Die weitreichenden Bezüge von Meer bzw. Wasser zu Ianus haben Otto (1905) 1183 u. Lippold (1963) 329f. herausgestellt. 61 Otto (1905) 1181.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Diesem göttlichen Wesen zu Ehren errichtete Duilius auf dem forum holitorium nahe dem portus Tiberinus – der sinnbildlichen Pforte des Landes zum Meer – einen Tempel.62 In unmittelbarer Nähe befanden sich die Schiffsdocks und Anlegeplätze der römischen Kriegsschiffe63 und der Tempel des Hafengottes Portunus.64 Durch diesen klug gewählten Ort verknüpfte Duilius den spirituellen Wirkungsraum der Gottheit Ianus mit dem Tiberhafen Roms, übertrug das Sakrale und den göttlichen Segen auf diesen „Eingang“ und die dort liegende Flotte. Der Schutz der Götter war nun durch diesen Tempel für Ianus für das Machtinstrument Flotte akquiriert worden. Sein Segen sollte alle Schiffe begleiten. Zudem konnten die Besatzungen jedes Schiffes, welches von dort an- oder ablegte, den Tempel erblicken und durch dessen Weihinschrift immer an seinen Stifter, den Sieger von Mylae und ersten Seetriumphator erinnert werden. Durch dieses Bauwerk verewigte Duilius seine Verbindung mit dem maritimen Machtinstrument Roms und wurde zugleich zum Symbol dafür. Ein Jahr nach dem Erfolg des Duilius wurde der Consul Lucius Cornelius Scipio mit dem Flottenkommando beauftragt, was ihm die Möglichkeit bot, weit reichende Plünderungszüge auf der Insel Korsika durchzuführen. Nachdem er das korsische Aleria mit Leichtigkeit überfallen hatte, wandte er sich gegen Sardinien, vermochte es jedoch nicht, sich der karthagischen Flotte bei Olbia zu stellen und kehrte so gegen Ende seines imperium nach Rom zurück.65 Während dieser Operationen muss die Flotte des Scipio in einen verheerenden Seesturm geraten sein, welchen sie größtenteils unbeschadet überstand.66 Da der Verlust der Flotte und der Kriegsbeute einen enormen Prestigeverlust mit sich gebracht und zudem die Kriegsoperationen des Folgejahres beeinflusst hätte, lobte Scipio aus Dankbarkeit dafür, den Sturm relativ unbeschadet überstanden zu haben, im Zusammenhang
62 Nach Tac. ann. 2,49,1: Iano templum, quod apud forum Holitorium. Anders Serv. Aen. 7,607: iuxta theatrum Marcelli, oder Fest. 358: extra portam Carmentalem. Tacitus’ Lokalisation ist durch die Erwähnung der Restauration des Ianus-Tempels des Duilius durch Augustus und Tiberius zu favorisieren, vgl. Richardson (1992) 206f.; Ziolkowski (1992) 61f.; LTUR III (1996) 90f.; Schollmeyer (2008) 87f. Zudem erscheint mir die Wahl des forum Holitorium plausibel, da dieser in der Nähe des Tiberhafens lag. Folglich gelang es Duilius dadurch, die Verbindung zwischen sich und dem Ort, wo die römische Flotte lag – also dem Machtinstrument mit welchem er seinen berühmten Seesieg errang –, zu verstärken. Ähnlich Lippold (1963) 330, der mit der Tempelstiftung auch eines aes grave Serie, die Ianus und eine Prora zeigt, verbindet: „Damals war man vermutlich bemüht, auch beim Volk ein lebhaftes Interesse für den Kampf zur See zu erwecken.“ 63 Liv. 40,51,6; Kolb (2002) 153f., 180f.; Schollmeyer (2008) 88. 64 Zu Portunus Cic. nat. deor. 2,66; Ovid. Fast. 6,546–547; Varr. l.l. 6,19; vgl. Lippold (1963) 329, Anm. 135. Zum Tempel des Portunus vgl. Richardson (1992) 320; Adams (1994); LTUR IV (1999) 153–156; Kolb (2002) 153f.; Schollmeyer (2008) 95ff einschl. Abb. 84 und 85; König (2009) 120f. Ob die Tempel des Portunus und des Ianus zusammen die Porta navalis bildeten, wie Beck (2005) 227 annimmt, bleibt fraglich. 65 Pol. 1,24,4–7; Zon. 8,11. Anders Oros. 4,7,11, der Scipio einen Sieg über den karthagischen Feldherrn Hanno andichtet. Zu Scipios Operationen während des Jahres 259 v. Chr. vgl. Thiel (1954) 193ff; Bleckmann (2002) 147–150. 66 Ovid. fast. 6,193.
6.2 Votum et supplicatio – Vom Tempelbau und Lob maritmer Gottheiten
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mit seinem Triumph de Poenis et Sardin(ia) Corsica im darauffolgenden Jahr 258 v. Chr. den Tempestates einen Tempel.67 Wie jede Küstenkultur zeichnete sich auch die römische durch ihr ambivalentes Verhältnis zur See aus. Neben der romantisch verklärten Wahrnehmung des Meeres als einem Ort der Ruhe, Erholsamkeit und als Symbol für schier unendliche Weite und göttliche Schönheit barg die See selbstverständlich viele Gefahren und Unsicherheiten.68 Die Wahrscheinlichkeit, in ein Seeunwetter zu geraten oder auf Grund unbekannter Strömungen Schiffbruch zu erleiden, war sehr hoch, die nautischen Mittel und Kenntnisse darüber, derlei Gefahren vorzubeugen, hingegen begrenzt. Tacitus’ Beschreibung des Atlantiks ist sinnbildlich für die römische Wahrnehmung des Meeres: Wer würde ferner, ganz abgesehen von der Gefahr, die das schauderhafte, unbekannte Meer bietet, Kleinasien oder Afrika oder Italien verlassen?69
Um die Bedrohung durch solche Gefahren zu verringern, wandte man sich eben an die Götter. Die Tempestates, als Gottheiten der bedrohlichen Seestürme, umgab solch ein Kult. Man opferte ihnen neben anderen Göttern wie Neptun oder Fluctus vor der Abfahrt und nach der geglückten Heimkehr zur See ein Lamm, um sich ihres Wohlwollens und Schutzes sicher zu sein bzw. sich dafür zu bedanken.70 Trotz der Konzentration dieses Kultes auf die Küstengegenden Italiens, ist auch im Landesinnern bei Aesernia und Lanuvium die Verehrung der Tempestates durch Inschriften bezeugt.71 Der Tempel der Tempestates in Rom wurde nach Scipios Lob an der Porta Capena errichtet, in unmittelbarer Nähe zu den Scipionengräbern, so dass die Verbindung zwischen Tempel und Stifter architektonisch sichtbar blieb. Verstärkt wurde dieser optische Eindruck durch das Elogium auf einem Sarkophag der Scipionennekropole, welches neben dem cursus des Scipio auch auf das Tempellob hinweist. Dadurch verewigte sich Scipio als Gönner und Günstling der Tempestates und sicherte sich und seiner gens ihr Wohlwollen über seinen Tod hinaus.72
67 Dies geht u. a. aus der Inschrift des Scipionengrabes hervor, CIL I2 9, Z. 7: HEC CEPIT CORSICA ALERIAQUE VRBE │DEDET TEMEPSTATIBUS AIDE MERETO. Vgl. Lippold (1963) 331f. 68 Vgl. Wachsmuth (1967) 201–276; Schulz (2005) 196–199, 216–221 hat die Wahrnehmung des Meeres mit all seinen positiven Konnotationen überzeugend in den griechischen und lateinischen literarischen Quellen nachgewiesen. 69 Tac. Germ. 2,1: quis porro, praeter periculum horridi et ignoti maris, Asia aut Africa aut Italia relicta. Vgl. ferner Schulz (2005) 207–210 mit Belegen aus literarischen Quellen; zur Gefahr für Seereisende vgl. Casson (1994) 149f., 157, 161f.; Giebel (1999) 153–157. 70 Verg. Aen. 5,772; Horat. epod. 10,23–24 neben anderen Mächten wie Neptunus (Plaut. Stich. 403) oder Fluctus (Cic. nat. deor. 3,20,51) weitere Quellenbelege: App. b. c. 5,98; Liv. 29,27,2. 71 CIL X 4846 (für Aesernia): TEMPESTATI | SACR[UM]; CIL XIV 2093 (für Lanuvium): TEMPESTATIBU[S] | M[ARCUS] LABERIUS C[AI] F[ILIUS] | DAT. 72 Richardson (1992) 379; Ziolkowski (1992) 162ff; LTUR V (1999) 26f.; Kolb (2002) 181; Schollmeyer (2008) 88.
282
6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Die Lares permarinis (Laren des Meeres) stellen einen weiteren Götterkult dar, der dem Schutz der Seefahrer gedient haben sollte. Der Praetor L. Aemilius Paullus lobte einen Tempel für diese Sonderform des Larenkultes73 während seines Seetriumphes über Antiochos III. im Jahr 190 v. Chr.74 Er hatte in einer Seeschlacht erfolgreich 42 Schiffe der seleukidischen Flotte besiegt. Elf Jahre nach seinem Triumph vollendete der mit ihm verwandte Censor Marcus Aemilius Paullus den Bau des Tempels auf dem Marsfeld75, dessen Inschrift durch Livius überliefert ist.76 Der Tempel der Lares permarinis glich einem Siegesmonument für den Seetriumphator L. Aemilius Paullus. Die Inschrift über dem Eingang informierte den Betrachter detailliert über Sieg und Ruhm des Stifters und verdeutlichte seine virtus auf See durch die Erwähnung der Anzahl der besiegten Schiffe. Jedes Mal, wenn die Bevölkerung Roms in ihren jeweiligen Comitien zur Wahl der römischen Magistrate auf das Marsfeld schritt, erblickten sie den Tempel der Meereslaren und wurden durch die Weihschrift an Paullus und dessen Taten erinnert.77 In unmittelbarer Nachbarschaft dazu wurde der mythologischen Gattin des eingangs erwähnten Ianus, Iuturna, von Q. Lutatius Catulus, dem Sieger bei den Aegatischen Inseln im Jahr 242 v. Chr. und Seetriumphator, ein Tempel auf dem Campus Martius, vermutlich in der Nähe der Aqua Virgo, errichtet.78
73 Boehm (1924) 821: „Die Spezialisierung des L.-Begriffes geschieht in den meisten Fällen durch die Bindung an bestimmte Örtlichkeiten[…] Durch diese Lokalisierung auf Herd, Dach, Feld, Wege, vor allem Kreuzwege, und Meere kennzeichnet sich die Verschiedenheit des L. vom Genius, der an die Person gebunden ist.“ Ähnlich Simon (1990) 119–125. 74 Macrob. Sat. 1,10,10. 75 Liv. 40,52,4; Richardson (1992) 223; LTUR III (1996) 174f. Richardson (1992) 67 zählt zwischen den römischen-karthagischen Kriegen und Actium neben dem Tempel der Laren 14 weitere Tempel auf dem Campus Martius. 76 Liv. 40,52,5–7: „Lucius Aemilius, Sohn des Marcus Aemilius, der zum Kampf auszog, um einen großen Krieg zu beenden, Könige zu unterwerfen und den Frieden zu erreichen [Verderbnis] unter seinen Auspicien, seinem Imperium, seinem Glück und seiner Führung wurde zwischen Ephesos, Samos und Chios, im Angesicht des Königs Antiochos mitsamt seinem Heer, seiner Reiterei und seinen Elefanten, die bisher unbesiegte Flotte des Königs Antiochos aufgerieben und in die Flucht geschlagen. Dort wurden an jenem Tag 42 Kriegsschiffe mit ihrer Besatzung aufgebracht. Nach dieser Schlacht hat König Antiochos [Verderbnis] Aus diesem Grund weihte er den Tempel den Meeres-Laren.“ (duello magno dirimendo, regibus subigendis, patrandae paci ad pugnam exeunti L. Aemilio M. Aemilii filio [Verderbnis] auspicio imperio felicitate ductuque eius inter Ephesum Samum Chiumque, inspectante eopse Antiocho exercitu omni, equitatu elephantisque, classis regis Antiochi antehac invicta fusa contusa fugataque est, ibique eo die naves longae cum omnibus sociis captae quadraginta duae. ea pugna pugnata rex Antiochus regnumque [Verderbnis] eius rei ergo aedem Laribus permarinis vovit). 77 Zur Bedeutung des Campus Martius während der Wahlen vgl. Liv. 1,44,1–2; Dion. Hal. 4,22,1–2. 78 Zum Kommando des Q. Lutatius Catulus vgl. Bleckmann (2002) 214–218. Zum Tempel der Iuturna vgl. Lippold (1963) 334f.; Ziolkowski (1992) 94ff; Richardson (1992) 228; LUTR III (1996) 162f.; Kolb (2002) 179f.; Schollmeyer (2008) 89.
6.2 Votum et supplicatio – Vom Tempelbau und Lob maritmer Gottheiten
283
Catulus war dieser Göttin gleich mehrfach zu Dank verpflichtet: Denn zum einen zeichnete sich Iuturna durch ihre Macht über das Wasser aus, eine Eigenschaft, die im alljährlichen Fest der Iuturnalia am 11. Januar vor allem von den Arbeitern, die im Besonderen auf das Medium Wasser angewiesen waren, gefeiert wurde.79 Zum anderen sagte man ihr nach, dass sie besondere Heilkräfte besäße.80 Beide Attribute nutzten Catulus, da er als Flottenbefehlshaber einerseits dieser Göttin, welcher die Macht zur Beherrschung des Wassers zugedacht war, die Aufwartung machen musste, um sich ihrer Gunst und Protektion zu versichern, andererseits hatte er sich kurz vor der Seeschlacht eine Verletzung zugezogen81, die ihn in seinen Handlungen als Kommandant beeinträchtigte. Eine schnelle und erfolgreiche Genesung war notwendig und mit Hilfe der Götter für durchaus möglich gehalten. Durch das Fest der Iuturnalia blieb Catulus im kollektiven Gedächtnis der Römer präsent, da er seine eigenen Leistungen zur See mit der Göttin dieses Festes verknüpfte und dem Kult eine Stätte zur Ausübung erbaute. Zuletzt soll die Aufmerksamkeit auf Neptun gewendet werden, der eine bevorzugte Behandlung und Verehrung gleich durch mehrere Günstlinge genoss. Dem Gott des Meeres, der Flüsse und Seen opferte man an den Neptunalia, dem 23. Juli82, ebenso wie Apollo oder Mars einen Stier.83 Zudem ist das Stieropfer auch in Vorbereitung auf Seereisen überliefert. Scipio der Ältere etwa warf vor der Abfahrt mit seiner Flotte einen Stier direkt ins Meer84, ebenso Octavian als er mit seinem Schiff aus Dikaiarcheia aufbrach.85 Von Sextus Pompeius wissen wir, dass er dem Neptun neben einem Stier auch ein Pferd spendete.86 Schließlich versicherte man sich auch noch kurz vor einer Seeschlacht der Gunstbezeugung des Meeresgottes, wie etwa Octavian kurz vor der Schlacht bei Actium.87 Schon beim Tempel für die Lares permarinis wurde deutlich, wie sich eine gens ganz dem Bau einer Kultstätte verschreiben konnte. War es zu Lebzeiten des Stifters nicht mehr zum Bau gekommen, so widmeten sich dessen Verwandte oder Nachkommen umso eifriger der Realisierung des Vorhabens. Beim Tempel für Neptun erleben wir, dass auch die Instandhaltung und Erneuerung der Kultanlage in den Händen einer Familie bleiben konnte, in diesem Fall in denen der Ahenobarbi. Die Existenz eines Neptun-Altars belegt Livius bereits für 206 v. Chr. im Zusammenhang mit der Erwähnung eines Prodigiums.88 Im Jahr 115 v. Chr. restau79 80 81 82 83 84 85 86
Ovid. fast. 1,463; Serv. Aen. 12,139. Varro l.l. 5,71. Val. Max. 2,8,2; Zon. 8,17; Eutrop. 2,27,1; Oros. 4,10,5. Varro l.l. 6,19. Macrob. Sat. 3,10,4; Serv. Aen. 3,118. App. Lib. 13; Liv. 29,27,5; Sil. 17,50. App. b.c. 5,98. Aur. Vict. vir. ill. 84,2; App. b.c. 5,100; vgl. dazu Wachsmuth (1967) 126f. einschl. Anm. 207. 87 Plin. n.h. 11,195. 88 Liv. 28,11,4. Anders Cass. Dio 17 frg. 57,60, der einen kompletten Tempel erwähnt; vgl. Schollmeyer (2008) 92.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
rierte ein Censor aus der Familie der Ahenobarbi, Cn. Domitius, jenen Tempel und schmückte ihn auch mit Bildern aus.89 Vielleicht gehörten dazu auch die beiden Friese, die zum einen eine Volkszählung in Rom darstellen und zum anderen das mythische Szenario der Hochzeit Neptuns mit Amphitrite. In Gegenwart von Nereiden und muschelblasenden Tritonen sind Neptun und seine Gemahlin auf einem Wagen sitzend dargestellt.90 Außerdem haben wir noch Kenntnis von Statuen im Neptunheiligtum. Plinius überliefert die Beschreibung der Statuengruppe, die vom Künstler Skopas gefertigt wurde und Neptun neben Thetis und Achilles in der Gegenwart von Seewesen darstellt.91 Ein gleichnamiger Nachfahre des Cn. Domitius und Flottenadmiral der Republik nahm sich des Tempels an und erneuerte ihn, nachdem er 42 v. Chr. bei Brundisium über die caesarische Armada unter dem Kommando von Cn. Domitius Calvinus gesiegt hatte.92 LAWRENCE RICHARDSON vermutet, dass durch ihn auch die Statuengruppe des Skopas ihren Weg in den Neptun-Tempel fand. Angeblich habe Domitius diese aus dem hellenistischen Osten mitgebracht, als er Statthalter in Bithynien gewesen war.93 Eine Münze des Flottenkommandanten aus dieser Zeit zeigt auf dem Revers ein Abbild des Tempels und verweist mit der Umschrift NEPT•CN•DOMITIVS•L•F•IMP entweder auf sich selbst oder aber auf den Stifter der Kultstätte und somit auf einen Vorfahren.94 Das Neptunheiligtum ist unweigerlich mit der Familie der Ahenobarbi verknüpft. Nicht nur, dass mehrere Generationen sich der Erneuerung und Ausschmückung der Kultstätte verschrieben hatten, auch Münzemissionen verbreiteten die Verbindung der Familie zu Neptun propagandistisch, indem sie das Abbild der Gottheit auf Münzen prägen ließen und durch die Umschrift den eigenen Namen erwähnten. Kostbare Skulpturen, vermutlich Beutestücke aus Feldzügen, schmückten zudem den Innenraum des Tempels und bezeugten die Großzügigkeit der Familie.95 Wenige Jahre später wählte auch der Flottenkommandant Octavians, Marcus Agrippa, Neptun als seine Schutzgottheit aus. Im Anschluss an seine Erfolge bot sich so ein propagandistisches Medium, wodurch er an seine Siege zur See – Mylae, Naulochos, Actium – erinnern konnte, ohne die virtus und auctoritas Octavians zu tangieren. Neptun wurde zur Chiffre für Agrippa und dessen Leistungen auf See, wie seine Bauvorhaben zeigen. Neben dem systematischen Ausbau des Wasserversorgungsnetzes Roms und der Errichtung des Pantheons oder der Fertigstellung der Saepta Iulia widmete Agrippa auch dem Meeresgott Neptun ein Gebäude.96
89 90 91 92 93 94 95 96
Plin. n.h. 36,26. Budde (1973) 802ff; Ramage (1999) 66f. Abb. 2.23, 2.24. Plin. n.h. 36,23. App. b.c. 5,26. Richardson (1992) 267; ebenso auch Schollmeyer (2008) 92. RRC 527, Nr. 519. Zur Rolle von Kunst als Beute von Feldherrn vgl. Künzl (1988) 109ff. Zu den Bauten Agrippas vgl. Zanker (1987) 144–148; v. Hesberg (1988) 103–106; Kolb (2002) 346–350.
6.2 Votum et supplicatio – Vom Tempelbau und Lob maritmer Gottheiten
285
Die Natur dieses Baus ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Während der kaiserzeitliche Annalist Cassius Dio von einem Tempel zu berichten weiß, benennt der Zeitzeuge Horaz den Bau als Porticus Agrippae.97 Das ab der Zeit Hadrians als Basilica Neptuni98 bezeichnete Gebäude wurde am Geburtstag des Augustus im Jahr 25 v. Chr. geweiht und beherbergte im Innern eine riesige Kultstatue des Neptun.99 Eine Vorstellung vom Aussehen dieses Götterbildnisses vermittelt ein Münzbild aus der Zeit des Princeps Tiberius oder Claudius, welches zum Gedenken an Agrippa in Umlauf gebracht wurde. Auf dem Revers ist ein auf den Dreizack gestützter Neptun dargestellt, der auf der rechten Hand einen Delphin und einen Mantel über die Arme geschlungen trägt.100
RCC 519/1. Ein Aureus, um 41 v. Chr. Auf dem Avers das Portrait eines Mannes, umkränzt von der Inschrift AHENOBAR. Vermutlich ist das Bildnis des Cn. Domitius Ahenobarbus dargestellt. Auf dem Revers ein Tempel mit vier Säulen mit der Umschrift NEPT CN•DOMITIVUS•L•F• IMP.
Daneben errichtete Agrippa auch eine Säulenhalle, den Porticus Argonautarum, die anscheinend als Bestandteil der Basilica Neptuni geplant war und ein Wandgemälde trug, welches die mythische Geschichte der Argonauten erzählte.101 Während des großen Brandes in Rom zur Zeit des Kaisers Titus, wurde die Basilica Neptuni Opfer der Flammen.102 Der ebenfalls in Mitleidenschaft gezogene Porticus scheint jedoch wieder aufgebaut worden zu sein und etablierte sich fortan als Ort geschäftigen Treibens, wenn Händler und Kaufleute ihre luxuriösen Güter in dieser schützenden Halle feilboten.103
97 98 99 100 101 102 103
Horat. epist. 1,6,26. Vgl. ferner Richardson (1992) 54; LTUR I (1993) 182f. H.A. Hadr. 19,10. Cass. Dio 53,27,1. Kent et.al. (1973) Nr. 173 Taf. 45. Richardson (1992) 312; LTUR IV (1999) 118f. Cass. Dio 66,24,2. Mart. 2,14,16; 3,20,11; 11,1,12.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
RIC² 58/C. Ein As um 37 bis 41 n. Chr. Auf dem Revers ist Neptun stehend dargestellt mit Dreizack in der linken und Delphin der rechten Hand.
Agrippas Leistungen zur See erhielten durch Neptun ein geeignetes Medium der Präsentation. Die Basilica Neptuni und der Porticus Argonautarum manifestierten Agrippas Verbindung zum Meeresgott über seinen Tod hinaus, wofür die Gedenkmünzen aus der Zeit des Tiberius oder Claudius ein augenfälliges Indiz sind. Die Affinität zu Neptun wirkte auch auf Agrippas Kinder nach, so dass sich sein Sohn Agrippa Postumus selbst als Neptun bezeichnete.104 6.3 VILLA MARITIMA – RÖ MISCHE WOHN- UND LEBEN SWELT AN D ER KÜ STE
6.3 VILLA MARITIMA – RÖMISCHE WOHN- UND LEBENSWELT AN DER KÜSTE Landbesitz und Ackerbau zählten zu den Grundfesten römischer Tradition und waren zugleich identitätsstiftend für die aristokratische Führungsschicht. Jeder vornehmer Römer, der etwas auf sich hielt und die mos maiorum zu pflegen gedachte, erwarb außerhalb der römischen Stadtmauern, etwa in Campanien oder Etrurien, ländlichen Besitz – fundus oder praedium genannt – den er durch Sklaven bewirtschaften ließ. Das architektonische Zentrum dieses praedium bildete die villa, die sich aus mehreren Gebäudekomplexen verschiedenster Nutzungsmöglichkeit zusammensetzte: Neben dem eigentlichen Wohntrakt für den Gutsherrn zählten auch Wirtschaftsräume wie Öl- und Gärkammern, Tennen, Weinund Ölkeltern, ferner Lagerstätten wie Scheunen und Ställe für Groß- und Kleinvieh, schließlich auch Unterkünfte für die Sklaven zu der villa, die in der modernen Forschung mit dem terminus technicus „villa rustica“ bezeichnet wird.105 Ab dem zweiten Jahrhundert v. Chr. lässt sich jedoch eine Neuakzentuierung der villa beobachten: Je weiter das Meer ein Teil des Herrschaftsbereiches der res publica populi romani wurde, desto stärker begannen wohlhabende Römer damit, die Küsten als potentiellen Lebensraum wahrzunehmen, indem sie Landstriche an 104 Cass. Dio 55,32,1. 105 Zum Idealtypus der villa rustica Cato agr. 3,1–4,1; 12,1–14,5; 18,1–19,2; 91,1; 129,1; Varro rust. 1,11,1–13,7; Vitr. 6,6,1; Colum. 1,4,1–6,24; Plin. n.h. 18,26–33. 301–303; vgl. Shatzman (1975) 24ff; Mielsch (1987) 9–36; Fellmeth (1999) 200–205; Lafon (2001) 47–52; Höcker (2002) 212–215; Marazano (2007) 82–101.
6.3 Villa maritima – römische Wohn- und Lebenswelt an der Küste
287
den italischen Gestaden vornehmlich in Latium und Campanien erwarben und dort Landsitze erbauten.106 Aufgrund der Hinwendung zum Meer nannte man diese Landsitze villae maritimae. Mit der Ausschaltung der Piraterie als größtes Sicherheitsrisiko an den Küsten ging ein regelrechter Bauboom einher und innerhalb einiger Generationen wurden die Küsten Süditaliens zu einer dicht besiedelten Villenlandschaft107, die Plinius der Jüngere eindrücklich beschreibt: „Die Küste schmücken in sehr gefälligem Wechsel bald zusammenhängende, bald einzeln stehende Landhäuser, die wie viele Städte aussehen, mag man sich auf dem Meer oder auf dem Strand aufhalten.“108
JOHN D’ARMS gelang es, in seiner Monographie zu der Villenlandschaft in der Bucht von Neapel in republikanischer Zeit aus der Synthese der literarischen Quellen, über vierzig Eigentümer von sogenannten villae maritimae ausfindig zu machen.109 Die archäologischen Funde fallen dahingehend deutlich nüchterner aus. Die von ANNALISA MARAZANO kürzlich vorgelegte detaillierte und umfangreiche Auflistung aller archäologischen Villenfunde in Latium, Umbrien und der 106 Die erste literarisch belegte villa in unmittelbarer Meeresnähe ist durch Liv. 38,52,1; Sen. ep. 86,4; Val. Max. 2,10,2 für P. Cornelius Scipio Africanus bei Liternum zu Beginn des zweiten Jahrhunderts v. Chr. belegt. In dieselbe Zeit fällt eine Notiz des Liv. 40,51,2 über M. Aemilius Lepidus, der in Tarracina den Hafen durch Molen ausbauen ließ, da er in unmittelbarer Nähe kurz zuvor praedium erworben hatte. L. Aemilius Paullus, der Triumphator über den makedonischen König Perseus, hatte nach Plut. Aemilius Paullus 39,1 bis kurz vor seinem Tod eine längere Zeit auf Landgütern an der Küste bei Velia verbracht. Über den Besitzer dieser Länderei schweigen die Quellen, doch berichten sowohl Plut. 39,5 als auch Pol. 31,28,2 von dem geringen Vermögen des Paullus als dieser starb. Es liegt so die Vermutung nahe, dass er größere Geldsummen nach seinem Triumph ausgegeben hatte, vielleicht für ein Fleckchen Land an der Küste Velias. Der Sohn des Paullus, P. Cornelius Scipio Aemilianus Aricanus Numantinus war Consul im Jahr 147 v. Chr. und hatte laut Macr. Sat. 3,164 ein Haus ad Lavernium, das dank eines Hinweises bei Cic. Att. 7,8,4 in der Nähe von Formiae verortet werden kann. Zudem haben wir Kenntnis davon, dass C. Laelius mehrere Immobilien an der Küste besaß, Cic. rep. 1,18; de or. 2,22. Schließlich wird noch Cornelia, die Mutter der beiden Gracchen, als Besitzerin einer villa maritima in Misenum erwähnt, Plut. Caius Gracchus 19,1–2; Tiberius Gracchus 8,4–5; 17,4; 20,3–4 ferner Val. Max. 4,4,1. Zu den frühen römischen villae vgl. die Ausführungen von D’Arms (1970) 15–22; Frederiksen (1984) 321f.; Lafon (2001) 43ff. Dem gegenüber Drerup (1990) 129 der die villae maritimae erst für die augusteische Zeit annimmt. Die geographische Ausweitung der villa maritima hat Lafon (2001) 65–126 en detail herausgearbeitet. 107 Hier sei etwa an die Entführung der Tochter des Marcus Antonius Creticus aus der villa der Familie in Misenum durch Piraten erinnert, Cic. Manil 33; Plut. Pompeius 24,6. Zuzustimmen ist Marzano (2007) 24: „Considering that scholars generally admit a correlation between the widespread proliferation of maritime villas and the disappearance (or at least the considerable reduction) of the threat represented by piracy, one could postulate that the image of a coastline dotted with villas cam to evoke the idea of security, of safety on the water, and, ultimately, of the control imposed by the Romans state upon land and sea.“ Zur Deutung der villa maritima als Symbol für die Befriedung des Meeres vgl. auch Horden/Purcell (2000) 125f. 108 Plin. epist. 2,17,27: Litus ornant varietate gratissima nunc continua, nuc intermissa tecta villarum, quae praestant multarum urbium faciem, sive mari sive ipso litore utare. 109 D’Arms (1970) 171–201; vgl. ferner die Angaben bei Shatzman (1975) 29–37 einschl. der Tabellen auf S. 31.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Toscana lässt lediglich bei fünfzehn Überresten den Schluss zu, dass diese in der Zeit der Republik an den Küsten erbaut und unterhalten wurden. Der Großteil ist jüngeren Datums oder lässt sich aufgrund der geringen fragmentarischen Reste nicht mit Sicherheit datieren.110 Mit der verstärkten Konzentration des Villenbaus an Küstenstrichen ging ein Funktionswandel der römischen villa einher und an die Stelle der Agrar- trat nun vornehmlich die Repräsentationsfunktion. Die Wohnbereiche der Landsitze wurden auf Kosten der Wirtschafts- und Lagerräume spatiöser, umfangreicher und in ihrer Ausstattung luxuriöser. Waren sie anfänglich noch an den steilen Ufern terrassenförmig von der See entfernt angeordnet, so verringerte sich die Distanz der villa zum Meer zusehends. Die Wohngebäude wurden direkt am seichten Strand errichtet, in einigen Fällen reichten sie sogar ins Meer hinein. Kleine Anlegeplätze, die zumeist von Molen gesichert waren und so den Zugang zur villa von der Seeseite her ermöglichten111, zählten ebenso zum typischen Erscheinungsbild der Seevillen wie die piscinae, künstlich angelegte Teiche die der Süß-, Brack- oder Salzfischzucht dienten. Dazu ließen die Villenbesitzer entweder über kleinere Aquaeducte Frischwasser in die Bassins leiten oder man nutze das Meerwasser, indem die piscinae direkt im Meer an flacheren Strandabschnitten erbaut wurden.112 Die Fischzucht entfaltete innerhalb der römischen Aristokratie eine eigene Dynamik und entwickelte sich bei einigen Vertretern zur Manie, so dass Cicero anklagend meinte, dass die vornehmen nobilis sich mehr darum sorgten, wenn ihre geliebten Fische nicht mehr aus ihrer Hand fraßen, als um das Wohl der res publica.113 Lucullus beispielsweise wurde spöttisch als Xerxes togatus betitelt, 110 In der Auflistung der 384 Villenfunde in Latium, 50 in der Toscana und der 28 in Umbrien aus der Zeit vom zweiten/ersten vorchristlichen bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. wurden unmittelbar – also bis ca. einen Kilometer von der See entfernt – an der Küste sechs in der Toscana (T29, T30, T31, T32, T33, T34), sieben in Astura (Latium) (L 17, L18, L20, L22, L23, L24, L25), dreizehn auf dem Ager Laurentinus (Latium) (L 58, L59, L62, L63, L64, L65, L66, L67, L68, L69, L70, L71, L72), fünf bei Circeii (Latium) (L80, L82, L85, L86, L87), zwölf bei Centumcellae (Latium) (L91, L92, L93, L94, L95, L177, L178, L179, L180, L182, L183, L184) und fünf bei Alsium (Latium) (L121, L122, L123, L139, L153) geborgen. Zudem zählten auch die vorgelagerten Inseln als Horte der villa maritima dazu, es konnten sieben auf der pontischen Inselkette (L163, L164, L165, L166, L167, L168, L169) und acht (T7, T15, T16, T17, T19, T20, T21, T36), auf den Inseln vor der toscanischen Küste identifiziert werden – also insgesamt ca. 13,6% der auszumachenden Villenfunde sind in Küstennähe zu verorten. Von diesen lassen sich lediglich fünfzehn in das erste Jahrhundert v. Chr. und somit auch in die spätrepublikanische Zeit datieren. Vgl. fener dazu den Katalog von Lafon (2001) 331– 473. 111 Marazano (2007) 41f. 112 Nach Plin. n.h. 9,170 war der Praetor des Jahres 100 v. Chr. der erste, der piscinae für Salzfische erbauen ließ. Siehe ferner die Hinweise bei Varro rust. 3,3,2.5 17,4.9; vgl. dazu Higginbotham (1997) 15–22, 39f.; Marazano (2007) 38–41. Zur Fischdiversität im Mittelmeer vgl. Horden/Purcell (2000) 190–197. 113 Cic. Att. 1,18,6. 19,6. 20,3; 2,1,7. Macrob. Sat. 3,15,6 identifizierte die von Cicero unbestimmt genannten principes nobilis als Lucullus, Philippus und Hortensius. Vgl. dazu auch Jaczynowska (1962) 492ff; Lafon (2001) 196f.
6.3 Villa maritima – römische Wohn- und Lebenswelt an der Küste
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weil er mehr Zeit und Geld in den Bau seines Fischteiches investierte – zu diesem Zweck ließ er unterirdisch einen Tunnel durch Felsgestein treiben – als in die Ausgestaltung seiner villa.114 Die in der Nähe von Antium entdeckten Überreste einer villa maritima (Torre Astura) vermitteln einen Eindruck von der imposanten Größe solcher piscinae. Während die villa mit ihren 6.000 m² selbst auf einer kleinen Landzunge direkt am Wasser erbaut worden war, umschlossen die Mauern der piscina eine Fläche von 15.000 m².115 Bei solcher Größe wird deutlich, dass die Fischzucht bald weit mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung war und die fantastisch anmutenden Zahlenvorgaben von 2.000 – 6.000 Muränen, die Caesar von C. Hirrius zwecks Ausrichtung eines Festbankettes erhalten hatte116, müssen als realistisch erachtet werden. So kommt JOHN D’ARMS zu dem Schluss: „Around these Campanian ponds, the fish, and their famous owners there grew up host of anecdotes ranging from the merely improbable to the patently absurd. The fish were pets, were decorated with jewels, had famous names; men wept when they died.”117
Keine andere maritime oder terrestrische Tierart erfreute sich bei den Römern solch großer Beliebtheit in der Domestikation, wie die Süß-, Brack und Salzwasserfische. Bei der Analyse der archäologischen Überreste wird offenbar, dass sich die Villen in ihrer Gesamtarchitektur zum Meer hin orientierten; die Sichtachsen der Wohnkomplexe waren zur See ausgerichtet, so dass man von den verschiedensten Räumen aus das Meer erblicken konnte. In einigen Fällen waren die villae maritimae mit ihren großzügigen Räumlichkeiten sogar zur See hin geöffnet, so dass das Meer als integraler Bestandteil der Wohn- und Lebenswelt wahrgenommen wurde. Plinius gibt uns in einem seiner Briefe eine detaillierte Beschreibung solch einer villa maritima, die hier in Auszügen wiedergegeben werden soll: „Das Landhaus ist für seine Zwecke geräumig, der Unterhalt nicht kostspielig. In seinem vordersten Teil befindet sich ein schlichtes, aber doch gemütliches Atrium; dann kommt […] ein recht schönes Speisezimmer, das bis ans Ufer vorspringt und, wenn einmal das Meer vom Südwestwind aufgewühlt ist, von den bereits gebrochenen Wellen leicht bespült wird. Auf allen Seiten hat es Flügeltüren oder Fenster die nicht kleiner sind als dies Flügeltüren, und gewährt so von den Seiten und von vorne gleichsam einen Ausblick auf drei Meere; […] Im anderen Flügel befindet sich ein sehr geschmackvolles Schlafzimmer, dann ein großes Wohnbzw. kleines Speisezimmer, das im hellen Glanz der Sonne und des Meeres erstrahlt. […] Dann folgt das geräumige und weite Zimmer für das Kaltwasserbad, an dessen gegenüberliegenden Wänden zwei Bassins gleichsam im Bogen hervorspringend, groß genug, wenn man an das ganz nahegelegene Meer denkt. […] damit ist ein herrliches Warmwasserbecken verbunden, aus dem man beim Schwimmen aufs Meer blickt. […] Am oberen Ende der Terrasse und sodann der Wandelhalle und des Gartens befindet sich ein Gartenhaus, mein Lieblings-
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Plin. n.h. 9,170; Vell. 2,33,4. Vgl. Mastura (2007) 283, Torre Astura (L24). Varro rust. 3,17,3; Plin. n.h. 9,171. D’Arms (1970) 51.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente aufenthalt […] zu den Füßen hat man das Meer, im Rücken die Landhäuser, vor sich die Wälder: so viele Landansichten trennt und vereinigt es durch ebenso viele Fenster.“118
In Plinius’ Schilderung wird immer wieder die enge Verbindung zwischen Architektur und Natur deutlich. Ostentativ wird mit den Blickachsen, Lichtverhältnissen und Geräuschkulissen der unmittelbaren Umgebung gearbeitet. Als Badegast in der villa des Plinius etwa wird durch den Panoramablick vom caldarium auf die See hinaus die Illusion erzeugt, man bade tatsächlich im Meer. Das große triclinium ragt sogar vom Strand aus ins Meer hinein und durch die großen Fenster lässt sich von drei Seiten der Blick auf das Wasser erhaschen, so dass unweigerlich der Eindruck erweckt wird, man befinde sich direkt auf See. Die Geräusche der anbrandenden Wellen werden ihr Übriges dazu beigetragen haben. Zudem tauchten die Reflexionen des Sonnenlichtes die zur Küste gewandten Zimmer in ein warmes, helles Licht. Der Blick auf das Meer war mehr als nur eine Modeerscheinung, vielmehr war es zum architektonischen Muss der villa arriviert; und dafür nahm man einiges in Kauf. Ciceros Freund M. Marius etwa ließ eine Mauer seiner villa in Pompeji sogar einreißen und durch ein Panoramafenster ersetzen, welches ihm fortan die ungetrübte Sicht auf die Küste und das Meer ermöglichte.119 Zusätzlich konnten Wandmalereien an den Innenwänden der villa das an den Außenseiten aufgenommene Konzept der integrierten Natur fortsetzen, so dass man sich vollends der Täuschung hingeben konnte, mitten in der Natur zu leben. Dabei wurden die durch Fenster und Türen umrahmten Panoramaansichten als Vorlage für die Wandbilder übernommen und individuell gestaltet.120 Von der Domestikation der Meerestiere über die Einfriedung des Meeres durch die piscinae und die Terrassierung der Küsten durch die Villenkomplexe bis hin zur Aufnahme des Meeres in die Architektur der villa schufen sich die Römer an den Gestaden Süditaliens einen locus amoenus. Aus römischer Sicht wurde die wilde Natur und bei der Küstenvilla speziell das Meer dank der römischen Kultur zivilisiert und so zum Teil ihrer Lebenswelt. Einen Aspekt dieser römischen Küstenkultur machte das otium aus, zu dessen architektonischem Zentrum die villa maritima geworden war. Als gut situierter Römer nutzte man die Strandvilla in den wenigen freien Tagen des Jahres, wenn 118 Plin. epist. 2,17,3–21: Villa usibus capax, non sumptuosa tutela. Cuius in prima parte atrium frugi, nec tamen sordidum; deinde […] mox triclinium satis pulchrum, quod in litus excurrit ac si quando Africo mare impulsum est, fractis iam et novissimis fluctibus leviter alluitur. Undique valvas aut fenestras non minores valvis habet atque ita a lateribus a fronte quasi tria maria prospectat; […] Ex alio latere cubiculum est politissimum; deinde vel cubiculum grande vel modica cenatio, quae plurimo sole, plurimo mari lucet; […] Inde balinei cella frigidaria spatiosa et effusa, cuius in contrariis parietibus duo baptisteria velut eiecta sinuantur, abunde capacia si mare in proximo cogites. […] cohaeret calida piscina mirifica, ex qua natantes mare aspiciunt, […] In capite xysti, deinceps cryptoporticus horti, diaeta est amores mei, […]a pedibus mare, a tergo villae, a capite silvae: tot facies locorum totidem fenestris et distinguit et miscet. 119 Cic. fam. 7,1,1. 120 Höcker (2002) 215f.
6.3 Villa maritima – römische Wohn- und Lebenswelt an der Küste
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etwa im Frühling durch das senatus discessus das politische Leben in Rom ruhte121, um dem Trubel, der Hektik und nicht zuletzt der Enge sowie dem Schmutz der Tibermetropole zu entfliehen. Das Verlangen nach einer Immobilie an der Küste war nicht allein auf die aristokratische Führungsschicht beschränkt. Auch Angehörige der equites oder sogar liberti zählten zu den Eigentümern von Villen in Küstennähe und Nachbarn der römischen nobilis122, denn allein das Vermögen entschied über den Besitz einer villa maritima und der Preis war mitunter sehr hoch. Cornelia, die Tochter Sullas etwa, erwarb die villa des Marius für 300.000 Sesterzen und verkaufte sie später an L. Lucullus mit 10 Mio. Sesterzen für das über 33fache.123 Nichtsdestotrotz versuchte sich die römische Nobilität an den beliebten Küstenabschnitten ein kleines Refugium zu bewahren. Die Küstenvillen bei Cumae etwa waren lange Zeit ausschließlich der Nobilität vorbehalten. Dort wollte man sich von den homines novi oder den equites abgrenzen und unter sich bleiben. Doch in der Spätphase der römischen Republik erwarben diese in zunehmendem Maße auch villae maritimae. Cicero ist hierfür ein vortreffliches Beispiel. Nachdem er sich eine villa maritima bei Cumae gekauft hatte, meinte er, dadurch auch seine dignitas erhöht zu haben, denn schließlich war er nun nicht nur in publica sondern auch in privata endlich in den Bannkreis der römischen Nobilität vorgedrungen.124 In der idyllischen Gegenwart des Meeres galt es nun, Ruhe und Erholung zu finden, sich ganz musischen Betätigungen hinzugeben und ungetrübt die Weite und Genügsamkeit der ruhigen See zu genießen.125 Cicero etwa schwelgt über die Vorteile seiner villa: „Schwerlich, schwerlich kann etwas angenehmer sein als dieses Landgut, dieses Ufer, die Aussicht auf das Meer, und alles andere.“126
Sulla beispielsweise verbrachte, nachdem er alle seine politischen Ämter als dictator niedergelegt hatte, den Lebensabend auf seinem Landsitz an der campanischen Küste.127 Es ist sehr wahrscheinlich, dass er sich dort der Abfassung seiner 121 Cic. fam. 3,9,2; Att. 12,40,3; vgl. ferner D’Arms (1970) 58, der den Aufenthalt der Stadtrömer in ihren Villen auch für den Hochsommer und Herbst nachweisen konnte. 122 Cic. leg 3,13,30 berichtet von einem Freigelassenen und einem equites als Nachbarn des L. Lucullus in Tusculum. 123 Plut. Marius 34,2. Marazano (2007) 77 ist uneingeschränkt zuzustimmen, dass der niedrige Kaufpreis vermutlich durch die Proskription ihres Vaters zu erklären ist. Ferner Marazano (2007) 75–81 zu den Geldgeschäften, die mit den profitablen Immobilien an der Küste gemacht wurden. 124 Cic. Att. 1,13. 125 Cic. off. 3,2; de. or. 2,22; Hor. Serm. 2,1,71–74; Vgl. dazu D’Arms (1970) 25–28. 126 Cic. Att. 12.9: cetera noli putare amabiliora fieri posse villa, litore, prospectu maris, tumulis his rebus omnibus. 127 Es kann durch die literarischen Belege nicht eindeutig geklärt werden, wo sich Sullas Landsitz an der Küste Campaniens befunden hatte. Nach App. b.c. 1,104 habe es sich in der Nähe Cumaes befunden und Cic. Att. 4,10,1 berichtet von der Bibliothek des Faustus, die er dort bei Cumae bewundert hatte. Faustus Cornelius Sulla war der Sohn des Dictators Sulla. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er die villa seines Vaters geerbt hat. Denn durch Plut. Sulla 26,1
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
22 Bücher umfassenden Memoiren widmete, die sein Freigelassener Cornelius Epicadus für ihn beendete.128 Zudem haben wir durch Plutarch Kenntnis davon, dass sich Sulla mit den Schauspielern Sorex und Metrobius sowie dem Komödianten Rosicus umgab.129 Seine villa maritima ermöglichte hierfür sicherlich das passende Ambiente. Der Bezwinger Hannibals, P. Cornelius Scipio Africanus, nutzte seine villa maritima als Rückzugsort vor der politisch brisanten Situation in Rom, denn kurz zuvor war gegen ihn ein Verfahren wegen Bestechung eingeleitet worden.130 L. Aemilius Paullus hatte ebenso wie Cn. Cornelius Scipio Hispallis aus Krankheitsgründen die Landsitze in Küstennähe aufgesucht, da er sich hiervon Ruhe, Entspannung und vermutlich auch Genesung erhoffte.131 Die Abgeschiedenheit und der Müßiggang, welche das Verweilen in der villa maritima ermöglichte, wirkten sich positiv auf die musische Schaffenskraft ihrer Besitzer aus. Cicero beispielsweise verfasste seine Werke De Re Publica oder De officiis in den villae bei Cumae und Puteoli.132 Zahlreiche griechische Gelehrte verkehrten als Gastfreunde römischer nobilis in deren Küstenvillen, wie der Peripatetiker Staseas bei seinem Patron M. Pupius Piso Frugi in Neapolis133, oder der alexandrinische Gelehrte Dio, der einige Zeit bei Paetus in Neapolis als Gast lebte. In einigen Fällen ließen sich auch griechische Gelehrte an der italischen Mittelmeerküste nieder, wie etwa der Epikureer M. Pompilius Andronicus, der sich als Lehrer Caesars verdingte und später eine villa in Cumae erwarb, wo er seine Werke verfasste.134 Es ist daher kein Zufall, dass Cicero seine fiktionalen philosophischen Streitgespräche in De Finibus und De Fato in der literarischen Kulisse seiner Küstenvillen Puteolis oder Cumae spielen lässt135, denn „[…] their Campanian setting has a better claim to authenticity, since the Bay of Naples was a flourishing intellectual center in Cicero’s day“.136
128 129 130 131 132 133 134 135 136
wissen wir, dass Sulla bei seiner Rückkehr aus dem Osten eine Bibliothek aus Athen mitgeführt hatte. Mit Sicherheit ist dies genau die Bibliothek, die Cicero dann im Jahr 55 v. Chr. bewunderte und von der er Atticus per Brief berichtete. Dem gegenüber stehen die Aussagen von Plutarch, Valerius Maximus und dem Autor der De viris illustribus, die den Landsitz bei Puteoli wahrscheinlich machen. Nach Val Max. 9,3,8 war ein Disput zwischen Sulla und Granius, einem Politiker Puteolis die Ursache für Sullas Tod. Plut. Sulla 37,3 ergänzt diesen Fakt durch ein Detail: Seinen Ausführungen nach ließ er Granius in seine villa bestellen, um die Meinungsverschiedenheit mit ihm zu klären. Lediglich Auct. Vir. Ill. 75,12 erwähnt explizit den Landsitz bei Puteoli. Vgl. dazu umfassend D’Arms (1970) 42ff; ferner Letzner (2000) 315f.; Christ (2003b) 135f.; Keaveney (2005) 168f. Suet. Gramm. 12; ferner Letzner (2000) 2f., 315f.; Christ (2003b) 135f. Plut. Sulla 36,1; vgl. ferner Letzner (2000) 315; Christ (2003b) 135f.; Keaveney (2005) 8f.; ferner D’Arms (1970) 45, der ihren Aufenthalt auf Sullas Landsitz annimmt. Liv. 38,52,1–8. Liv. 41,16,3–4; Plut. Aemilius Paullus 39,1. Cic. ad. Q. f. 2,12,1; Att. 15,13a,6. Cic Fin. 5,8. 75. Suet. Gramm. 8. Cic. Fin. 1,14; De Fato 2. D’Arms (1970) 64.
6.4 Die Häuser der Toten – Römische Nekropolen als Spiegel maritimer Leistungen
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Doch das Leben in den villae maritimae darf nicht ausschließlich als Zeit der Einsamkeit und individuellen Isolation missgedeutet werden. Die Villenbesitzer unterhielten oft sehr rege Kontakte zu bedeutenden Männern der nahen Hafenmetropolen und partizipierten nicht selten an deren weit verzweigten Handels- und Geldgeschäften.137 Ferner pflegte man in dieser kontemplativen Atmosphäre seine sozialen Netzwerke, indem man seine amici, clientes oder patroni zu sich bestellte oder sie im Gegenzug aufsuchte. Cicero lud beispielsweise Pompeius, Brutus, Caesar oder Curio zu sich ein und war selbst gern gesehener Gast des Varro.138 So wurden die Küstenstreifen bei Cumae, Neapolis oder Baiae – um nochmals mit Ciceros Worten zu sprechen139 – zur pusilla roma, zum Rom im Kleinen. An den beschaulichen Buchten der italischen Südküste war ein römischer Mikrokosmos entstanden mit sozialem Beziehungsgefüge, Alltagsriten bis hin zum „Standesdünkel“, wie es im caput mundi des Imperium Romanum expressiv gelebt wurde. Spätestens mit der Etablierung der villa maritima als beliebtes Wohnobjekt war die römische Kultur am Meer angelangt und hatte es wie alle übrigen Mittelmeeranrainer als immanenten Bestandteil in sich aufgenommen. 6. 4 DIE HÄUSE R DE R TOTEN – RÖMI SCH E NEKROPOLEN ALS SPIEGEL MA RITIME R LEISTUNGE N
6.4 DIE HÄUSER DER TOTEN – RÖMISCHE NEKROPOLEN ALS SPIEGEL MARITIMER LEISTUNGEN „Das wichtigste Argument aber ist, dass die Natur selbst über die Unsterblichkeit der Seelen stillschweigend entscheidet, insofern alles sich darüber Sorgen machen – und zwar die größten –, was nach dem Tode sein wird. Was geben die Zeugung von Kindern, die Ausbreitung des Namens die Adoptionen von Söhnen, die sorgfältige Abfassung von Testamenten, die Grabbauten und -schriften anderes zu erkennen, als dass wir auch an die Zukunft denken?“ 140
Wie die Aussage Ciceros anschaulich verdeutlicht, war die Endlichkeit der eigenen irdischen Existenz den Römern durchaus bewusst. Umso mehr suchte man nach Möglichkeiten, die memoria an die eigene Person aufrecht zu erhalten. Neben dem Bemühen um Nachkommen und Erben spielte auch die Planung und Gestaltung der eigenen Grabanlage eine wesentliche Rolle. Nicht selten waren größere Nekropolen im Besitz einer gens und wurden als Familiengrab genutzt. Das Familiengrab der Scipionen in der Nähe der Porta Capena ist das wohl berühmteste und zugleich imposanteste Beispiel aus der Zeit der 137 Die engen Kontakte zu den negotiatores der Küstenstädte hat D’Arms (1984) 78–90 überzeugend herausgearbeitet. Diese Partizipation war eine Säule, auf der neben dem Verdienst mit der Fischzucht und der Spekulation mit den Küstenimmobilien die ökonomische Facette der villae maritimae beruhte; vgl. dazu auch Marzano (2007) 63–75. 138 Cic. Att. Cic. Att. 10,7,3;. 12,36,2; fam. 9,5,3; 16,10,2. 139 Cic. Att. 5,2,2. 140 Cic. Tusc. 1,31: Maximum vero argumentum est naturam ipsam de immortalitate animorum tacitam iudicare, quod omnibus curae sunt, es maxumae quidem, quae post mortem futura sint. […] quid procreatio liberorum, quid propagatio nominis, quid adoptationes filiorum, quid testamentorum diligentia, quid ipsa sepulcrorum monumenta elogia significant nisi nos futura etiam cogitare?
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Republik.141 Daneben kannte der römische Totenkult auch die Bestattung in Einzelgräbern. Nach dem Tod seiner geliebten Tochter Tullia 45 v. Chr. investierte Cicero Zeit, Mühe und erhebliche Geldsummen, um ihr eine geeignete Nekropole zu errichten. Dabei spielte er mit dem Gedanken, Gärten am Tiberufer oder ein Stück Land in Meeresnähe aufzukaufen, damit der tempelähnliche Bau für Tullia für jeden zu sehen und zu bestaunen war.142 Während sich im vierten und dritten vorchristlichen Jahrhundert die römischen Nekropolen zumeist durch einfache Erdgräber oder unterirdische Kammern ohne größere überirdische Monumente auszeichneten, wandelte sich ihr Erscheinungsbild ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. drastisch.143 Die wirtschaftliche Prosperität, die mit dem Ende des zweiten römisch-karthagischen Krieges einherging und der explosionsartige Ausbau des Überseehandels, sowie der zunehmende Import hellenistischer Kunst aus Kriegsbeuten und Plünderungszügen, tangierten auch die Gestaltungsvielfalt römischer Grabbauten. Die Formfülle kannte keine Grenzen, von Pyramiden und Steinkegeln, über Tumuli, Türme, Häuser, Hypogäen oder mehrstöckige Aediculabauten, Altäre und Tempel war alles vertreten.144 Insbesondere bot solch ein Grabmal auch eine Plattform zur Dokumentation des Lebens des Verstorbenen. Inschriften auf Gräbern von römischen Magistraten kündeten von ihren politischen Ämtern, militärischen Leistungen oder Bauinitiativen. Dazu konnten Bildnisse und Statuen der Toten im Grabmal aufgestellt werden und Reliefs erzählten plastisch Alltagsszenen aus dem Leben der Verstorbenen. Insignien verschiedener politischer und sakraler Ämter oder militärischer Ränge schmückten die Außenfassaden der Monumente.145 Die Nekropole wurde zum Spiegel des vergangenen Lebens und zur steinernen memoria. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit römische Grabbauten einen Einblick in die Tätigkeitsfelder römischer Bürger liefern, die am Seewesen der res publica beteiligt waren. Welche in Stein gehauenen Indizien liefern die Nekropolen, um die Gesellschaft der römischen Republik als eine Küstenkultur zu identifizieren? Angesichts des teils dürftigen Materials für den Untersuchungszeitraum muss der Suchradius der einzubeziehenden Funde die Grenzen der Tiberstadt verlassen und bis zu den für Roms Seefahrt essentiellen Städten Ostia, Brundisium und Neapel erweitert werden. Zu Beginn soll die Aufmerksamkeit auf die Inschriften gelenkt werden, die direkt oder indirekt auf maritime Leistungen ihres Stifters verweisen. Als das östliche Mittelmeer zunehmend in römisches Interesse gelangte, gewann Brundisium als westliche Hafenstadt Roms an Bedeutung. Aus diesem Ort lässt sich vom ers141 Richardson (1992) 359f.; v. Hesberg (1992) 76f.; LTUR IV (1999) 281–285; Kolb (2002), 173, 181; Beck (2005) 329–334; Kolb/Fugmann (2008) 44–47; König (2009) 133f. 142 Cic. Att. 12,18,1–2. 19,1; 13,29,2–3. 143 Zu den frühen Grabformen vgl. v. Hesberg (1992) 19–22. 144 Zur Formenvielfalt römischer Grabbauten vgl. v. Hesberg (1992) 55–201; Kolb/Fugmann (2008) 16–23. 145 Vgl. hierzu v. Hesberg (1992) 202–229. Beispielhaft sei auf das Grab des Serv. Sulpicius Galba verwiesen, dessen Seiten Fresken zierten, auf denen fasces abgebildet waren, vgl. Richardson (1992) 356; LTUR IV (1999) 299.
6.4 Die Häuser der Toten – Römische Nekropolen als Spiegel maritimer Leistungen
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ten Jahrhundert v. Chr. folgende Inschrift eines Kaufmanns datieren, der durch den Seehandel zu Ansehen und Reichtum gekommen sein muss: „Oft habe ich das große Meer auf Segelbeflügelten Schiffen befahren; wie viele Länder habe ich heimgesucht, doch dies ist das Endziel, wie es die Parzen bei der Geburt mir haben besungen. Hier wurde ich ledig all meiner Plagen und Mühen, hier brauche ich mich nicht zu sorgen um den Stand der Sterne, um Wolken und raue See, noch muss ich befürchten, dass die Ausgaben überschreiten die Einnahmen. Gütiges Geschick, hochheilige Gottheit, Dank sei Dir: dreimal hast Du mich aufgerichtet, als ich daniederlag, weil mein Glück mich im Stich ließ. Würdig bist Du, gepriesen zu werden von jedwedem Sterblichen.146
Die Inschrift auf dem Grabmonument beschreibt auf eindrückliche Weise das Leben eines risikofreudigen Kaufmannes, der sich nun des ewigen Friedens rühmen kann, ohne die Mühen, Plagen und Gefahren des kaufmännischen Alltags. Zugleich dankt er aber auch den Göttern, vielleicht den Tempestates oder den Lares permarines, für den Schutz, welchen sie ihm auf seinen Seereisen angedeihen ließen. Er thematisiert zusätzlich mehrere Unglücke, die ihn – in dichterischer Ausdrucksweise – zum „darniederliegen“ zwangen. Vermutlich ist hier der Verlust von Gütern durch ein Seeunglück gemeint. Zuletzt plädiert der Verstorbene für die Lobpreisung dieser Götter, die ihm während seines Lebens beistanden. Wir erhalten an dieser Stelle einen ersten Eindruck von der Lebenswirklichkeit eines Mitgliedes der Seehandel betreibenden Bevölkerungsschicht, vermutlich der publicani oder der mercatores et negotiatores. Sie waren neben den nobilis, die Personen, welche den Überseehandel Roms maßgeblich bestritten. Auf der Grabinschrift hinterlässt der Verstorbene einen Einblick in seine Biographie und verweist zudem auf seine Leistungen als Händler. Neben Händlern finden auch andere Berufszweige, die an der römischen Seefahrt beteiligt waren, mit Grabinschriften ihren Niederschlag. Exemplarisch sei hier auf eine Inschrift verwiesen, die in der Nähe von Neapel entdeckt wurde. Darin steht: „Quintus Caelius, der Sohn des noch lebenden Spurius, von Beruf Schiffsarchitekt, und seine Gattin Camidia Aphrodisia, Freigelassene des Marcus, [haben sich das Grabmal] zu Lebzeiten [gesetzt]. Fremder, bleib stehen und lies es, wenn es nicht lästig ist, genau! Sei nicht ärgerlich! Ich rate dir, Punsch zu trinken, denn man muß sterben. Lebe wohl!“147
146 CIL IX 60: SI NON MOLESTUM EST HOSPES ET LEGE | NAVIBUS VELIVOLIS MAGNUM MARE SAEPE CUCURRI | ACCESSI TERRAS CONPLURES TERMINUS HIC[C] EST | QUEM MIHI NASCENTI QUONDAM PARCAE CECINERE HIC MEAS DEPOSUI | CURAS OMNESQUE LABORES | SIDERA NON TIMEP HIC NEC NIMBOS NEC MARE SAEVOM | NEC METUO SUMPTUS NI QUAESTUM VINCERE POSSIT | ALMA FIDES TIBI AGO GRATES SANCTISSUMA DIVA | FORTUN INFRACTA TER ME FESSUM RECREASTI | TU DINGA ES QUAM MORTALES OPTENT SIBI CUNCTI | HOSPES VIVE VALE IN SUMPTUM SUPERET TIBI SEMPER | QUA NON SPREVISTI HUNC LAPIDEM DIGNUMQ[UE] DICASTI. 147 CIL X 5371: VIVIT│Q(UINTUS) CAELIUS SP(URI) F(ILIUS) VIVI│ARCHITECTUS NAVALIS│ VIVIT│UXOR CAMIDIA M(ARCI) L(IBERTA)│APRHODISIA. (sic)│HOSPES RESISTE ET NISI M-│OLESTUST PERLEGE. NOLI│STOMACARE. SUADEO│CALDUM BIBAS MORIV-│N[D]UST. VALE. Vgl. Donderer (1996) 201f.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
Die von MICHAEL DONDERER in die späte Republik/frühe Kaiserzeit datierte Inschrift verweist auf den Beruf des Verstorbenen, der als Schiffsarchitekt tätig war. Er wird also am Bau und der Konstruktion der Schiffe, welche in den römischen Bürgerkriegen gekämpft haben, beteiligt gewesen sein. Zumindest war es Quintus Caelius wichtig, auf seine Tätigkeit als Schiffszimmermann hinzuweisen. In der direkten Gegenüberstellung der beiden Inschriften wird die Bandbreite der Grabtituli deutlich. Von der prosaischen Bezeichnung des Berufszweiges bis zur poetischen Ausmalung der zu Lebzeiten ausgeübten Tätigkeit findet alles seine Verewigung gemeißelt in Stein. Neben den Inschriften sind die Grabreliefs und -monumente die wohl imposantesten Formen zur memoria navaler Verdienste. Im bis zur frühen Kaiserzeit wichtigsten Hafen Roms, in Ostia, findet sich außerhalb der Porta Marina eine der bedeutenderen Nekropolen der Hafenstadt. Lediglich der untere Teil des Grabes lässt sich sicher rekonstruieren, doch dieser allein ist bereits aufschlussreich und lässt erahnen, mit welcher Bildgewalt die Ruhestätten hochrangiger Seeoffiziere ausgestattet waren. Die Ecken des Monumentes begrenzten korinthische Kapitelle, die Seiten schmückte ein Fries mit Darstellungen von Opfertieren, Soldaten und Schlachtschiffen. Ein rundplastisches Schiffselement in Form einer Prora rundet das gesamte Ensemble ab.148 Die Inschrift verweist auf den Toten, L. Gellius Poplicola. Bereits dessen Vater konnte sich aussichtsreich auf See behaupten, während er als Legat des Pompeius die Seeräuber im Tyrrhenischen Meer bekämpfte.149 Ähnlich erfolgreich operierte Gellius Poplicola an der Seite Octavians bei Actium, als er das Schiffskontingent des rechten Flügels der Barrikadeflotte kommandierte.150 Das Grab des Poplicola entstand um 20 v. Chr., lag in unmittelbarer Nähe zum Ufer und war dadurch schon vom Meer aus sichtbar. So war es den Besatzungen der Schiffe, die von Ostia den Tiber hinauf nach Rom fuhren, möglich, einen Blick auf die letzte Ruhestätte Poplicolas zu werfen und an seine Leistungen als Befehlshaber der siegreichen Flotte gegen Marcus Antonius erinnert zu werden. Die Namensgleichheit mit dem Vater in Kombination mit Schiffsillustrationen auf dem Grabmal weckte dann sicher die Retrospektive an seine nautischen Leistungen, auch während der großen Seeräuberplage, so dass die maritime virtus der Familie überaus präsent blieb. Ein weiteres Grabmonument, welches durch bildliche Attribute auf maritime auctoritas und virtus hinweist, ist in Form eines sella curulis gearbeitet. Diese Marmorimitation des Amtsstuhls eines römischen Magistrates umfasst 0,84 m in der Breite und 0,63 m in der Höhe und wurde in der Nähe Roms entdeckt. Die Sitzfläche wird von Löwentatzen und τρόπαιον tragenden nackten Genien gestützt. Die Frontseite des Sitzes ist von einem Fries geschmückt, welches ver148 Squarciapino (1958) 171ff Abb. 70–75, 191ff Taf. 30f.; Boschung (1987) 124. 149 App: Mithr. 95; Flor. 1,41,9. Da L. Gellius durch das erweiterte imperium des Pompeius sein Kommando vom 67 v. Chr. bis 65 v. Chr. behielt, trug er nach Cic. p. red. ad Quir.17 auch zur Entlarvung Catilinas bei, als er diesbezügliche Umtriebe innerhalb seiner Flotte aufdeckte. 150 Vell. 2,85,2; Plut. Antonius 65,1; Laspe (2007) 515.
6.4 Die Häuser der Toten – Römische Nekropolen als Spiegel maritimer Leistungen
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schiedene Szenen aus dem Leben des Grabmalbesitzers erzählt. Die Datierung von THOMAS SCHÄFER in die Zeit der späten römischen Republik erscheint plausibel und die Zuordnung der Nekropole zu dem zweifachen Consul von 53 und 40 v. Chr., Cn. Domitius Calvinus, ist schlüssig.151 Dieser hatte während seines Proconsulats u. a. in Spanien erfolgreich gegen die Cerretaner und weitere Pyrenäenstämme in der Nähe der Stadt Osca gekämpft.152 Der Fries thematisiert im Zentrum eine Unterwerfungsszene mit einer knienden Person und einem siegreichen Feldherrn, der von der Göttin Roma und einem Genius umringt ist. SCHÄFER deutet den Centaur als Hinweis der geographischen Astrologie auf Hispania oder Celtica, und die auf der linken Friesseite dargestellte Stadt als Osca.153 Auf der linken Seite ist eine liegende, bärtige Götterfigur dargestellt, die er als Ebro identifiziert. M. E. lässt sich der Fries eher als Aneinanderreihung verschiedener Episoden aus dem Leben des Verstorbenen lesen, als die Abbildung eines konkreten Ereignisses. Während im Zentrum durchaus die Niederschlagung hispanischer Stämme durch Calvinus thematisiert wird, kann die Darstellung der Stadt auf der linken Friesseite auch auf die Verfolgung und Festnahme des geschlagenen Königs Pharnakes in der Stadt Sinope hindeuten. Calvinus hatte ihn nach seinem Versuch, Kappadokien und Kleinarmenien zu besetzen, bei Nikopolis gestellt, und nach seiner Flucht bis Sinope verfolgt, wo er schließlich seine Auslieferung erwirkte.154 Die rechts dargestellte Götterfigur entspricht demnach nicht etwa dem Ebro, sondern Neptun. Wir haben vielfache Darstellungen Neptuns, die ihn wie einen Flussgott liegend präsentieren. Hier sei beispielsweise auf eine Münze aus neronischer Zeit verwiesen, die neben dem neu ausgebauten Hafen Ostia auf dem Revers auch einen liegenden Neptun darstellt.155 Durch dieses Bildnis des Meeresgottes bemüht sich Calvinus, sich als Günstling des Neptun auszuweisen. Denn er war der einzige Überlebende einer Seekatastrophe. Als Calvinus 42 v. Chr. damit beauftragt worden war, dem in Griechenland operierenden Octavian mit Truppenkontingenten auszuhelfen, wurde seine Flottille von der Armada der Caesargegner Cn. Domitius Ahenobarbus und L. Statius Murcus angegriffen und vernichtet. Fünf Tage danach kehrte Calvinus als einziger Überlebender nach Brundisium zurück.156 So reiht sich die Seeoperation des Calvinus in die weiteren Taten seiner politischen Amtszeiten und militärischen Kommandos ein und bezeugt die Gesamtheit seiner virtus, die sowohl auf dem Land als auch dem Meer wirkte. Als M. Licinius Crassus das Grabmal für seine Frau Caecilia Metella erbauen ließ, – die wohl beeindruckendste und noch heute für uns sichtbare römische Nekropole entlang der via Appia – versäumte er es nicht, mittels des u. a. mit Ankern verzierten Reliefs an die maritimen Leistungen seiner Familie zu erinnern: Angefangen bei seinem Bruder L. Licinius Crassus, der es während Caesars Statthalter151 152 153 154 155 156
Schäfer (1988) 434f. Vell. 2,78,3; Cass. Dio 48,2,1–3. Schäfer (1988) 435 mit Kat. 232. App. Mithr. 120. Kent et. al. (1973) Nr. 193, Taf. 50. App. b.c. 4,115–116; Plut. Brutus 47,1; Cass. Dio 47,47,3.
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6. Templa, villae, columnae et rostra – Steinerne Monumente
schaft in Gallien vermochte, als dessen Legat die an der Atlantikküste siedelnden Stämme der Veneter, Uneller Osismer, Coriosoliten, Sesuvier, Aulerker und Redonen zu unterwerfen und damit strategisch wichtige Vorleistungen für die Atlantikoperation Caesars zu sichern157, über einen Vorfahren Crassus, der nach der Darstellung Strabos zu den Zinninseln (Kassiteriden) gereist war und dadurch sogar über die Säulen des Herakles hinaus die Meere befuhr158, bis hin zum Familienzweig seiner Gattin Caecilia Metella, deren Vater, Q. Caecilius Metellicus, sich bei der Eroberung und Unterwerfung der Insel Kreta verdient gemacht hatte und seither den Beinamen Creticus führte.159 Ähnlich den Metelli gemahnten auch andere gentes an die nautischen Leistungen ihrer Vorfahren. Ihre maritimen Dienste für die res publica populi romani wurden immer wieder memoriert und dadurch zu einem Teil des römischen kulturellen Gedächtnisses.
157 Caes. Gall. 2,34. Zum Grabmal der Caecilia Metella vgl. Zanker (1987) 26f.; v. Hesberg (1992) 97; Kolb (2002) 273f.; Kolb/Fugmann (2008) 51ff. 158 Strab. 3,5,11. In der Forschung ist die Zuordnung des bei Strabo erwähnten Crassus nicht eindeutig. Demnach ordnen einige Autoren, wie Broughton II (1952) 10; Blazquez (1978) 26; Todd (1999) 2, die Reise zu den Kassiteriden auch dem von 96–93 v. Chr. amtierenden Statthalter in Hispania Ulterior, P. Licinius Crassus, zu. 159 Vgl. hierzu die Ausführungen im Kapitel 3.2.4, S. 147ff.
7. DER RÖMISCHE ÜBERSEEHANDEL – ZWISCHEN ÖFFENTLICHEM ENGAGEMENT UND PRIVATEM INTERESSE „Der Begriff der Seeherrschaft […] beinhaltete vor allem die Verfügung über eine Flotte, die sowohl für den Erwerb und die Sicherung eines großangelegten Handels als auch für die Eroberung und politische Kontrolle über die Seeverbindungen geeignet war.“1
MICHEL MOLLAT DU JOURDINs Sentenz über die ökonomische Natur einer Thalassokratie trifft im Wesentlichen den Kern der römischen Seeherrschaft. In der Forschung oszilliert der römische Handel in seiner Wertung zwischen zwei Extremen: Entweder ist er die Condicio sine qua non jeglicher politischen und militärischen Entscheidungen, so dass die militärischen Auseinandersetzungen der res publica populi romani als Handelskriege aufgefasst werden, oder aber seine Bedeutung wird zugunsten der Agrarwirtschaft geschmälert und man folgt der Darstellung von Varro, Cato oder Columella, die einen römischen Stereotyp des an die Scholle gebundenen Staatsdieners entwerfen.2 Allein, die spärliche Quellenlage lässt eine Präferenz eines der beiden Extreme kaum zu, so dass vielmehr von einer engen Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessenssphären ausgegangen werden muss; das eine ohne das andere liefert nur ein ungenügendes 1 2
Mollat Du Jourdin (1993) 49f. Exemplarisch Finley (1993) 185: „[…] es bestand keine Konkurrenz zwischen Römern und Nicht-Römern um Märkte. Daher gab es auch keine Handelskriege oder durch Handelsinteressen ausgelöste Kriege in der römischen Geschichte […]. In unseren Geschichtsbüchern natürlich gibt es sie: […] Bei genauerer Betrachtung jedoch wird klar, daß diese Historiker sich durch das Beispiel englisch-holländischer Kriege haben verführen lassen;“ und ebd. 246: „[…] ich stelle nicht in Abrede, daß der Handel durch Krieg und Herrschaft begünstigt worden sein mag. Das war indes weitgehend nur eine unbeabsichtigte Nebenwirkung, die als Motivation für Krieg und Eroberung nicht wesentlich war, und mit Sicherheit kann man in den Überlegungen derjenigen, die die politischen Entscheidungen trafen, keine Handelsinteressen ausmachen.“ Anders Rostovtzeff (1960) 76, der die Konfrontation Roms mit Karthago allein auf wirtschaftlicher Ebene betrachtet: „the real enemies of Carthage were the large landowners in Italy, who viewed with great displeasure the export of vine and oil from Africa to the West. These men wished to restrict the production of Africa to corn, for which there was an increasing demand in Italy, and also to add to their own acres by robbing the Carthaginian landowners of their estates. It was just this class of wealthy landowners who then directed the policy of Rome.“ Ebenso auch Rose (1969) 100–103, der den Überseehandel als Motor der römischen Expansion wertet. Zu der unterschiedlichen Gewichtung der antiken Wirtschaft vgl. die weitergehenden Ausführungen von Harris (1979) 54–58; Badian (1980) 34–49; Carandini (1980b) 11–19; Schleich (1983) 65–82; Rostovtzeff I (1985) 9–33; Pekáry (1994) 177–187; Temin (2001) 169ff. Zu den Agrarschriftstellern siehe Fellmeth (2008) 110– 119. Für einen Paradigmenwechsel im Verständnis der antiken Wirtschaft plädieren Horden/Purcell (2000) 176–182. Nach ihrer Analyse führt die hohe Konnektivität vieler kleiner Mikroregionen am Mittelmeer dazu, dass kleine ökologische Ereignisse in einer Mikroregion große Auswirkungen auf das gesamte Netzwerk der antiken Wirtschaft haben können.
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7. Der römische Überseehandel
Bild des Ganzen.3 Innerhalb der römischen Wirtschaft erfüllte der Überseehandel eine essentielle Rolle, denn einerseits zeichneten sich die Seewege im Vergleich zu den Landwegen trotz der relativ großen Gefahren durch geringere Kosten und kürzere Transportzeiten aus4, und andererseits deckte allein die Agrarfläche der italischen Halbinsel weder den Getreidebedarf der Tibermetropole, noch konnten andere Waren wie bestimmte Luxusgüter, Metalle oder Sklaven in ausreichender Menge „produziert“ werden, so dass man auf den Import aus den Provinzen und anderen Gegenden der Mittelmeerwelt angewiesen war. Überschüssige Waren wie Öl oder Wein bot man hingegen auf außeritalischen Märkten feil.5 Für den römischen Überseehandel zur Zeit der Republik sind vier Gesellschaftsgruppen von elementarer Bedeutung: die Senatoren, die publicani, die negotiatores sowie mercatores Italici (italische Kaufleute) und die navicularii (Reeder). Ihre jeweiligen Handlungsfelder innerhalb der römischen Wirtschaft gilt es zu beleuchten, um durch diese ökonomische Facette das Bild der römischen Thalassokratie zu komplettieren.6
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Vgl. hierzu auch Schulz (2005) 174: „Es geht dabei nie um die Frage des Entweder-oder, also um die Alternative wirtschaftliches oder politisches Interesse, sondern um ein Sowohl-alsauch. Politisches und militärisches Kalkül vermischte sich mit finanziellen und kaufmännischen Interessen.“ Angaben über den Preis einer Fracht für den Landweg sind aus der Zeit der Republik allein durch Cat. Agr. 22,3 für eine Ölpresse (trapetum) belegt. Das Gerät hatte in der Herstellung 400 Sesterzen gekostet und sein Transport mittels Ochsenwagen über Land von Suessa dauerte sechs Tage und hätte 172 Sesterzen verschlungen, von Pompeji aus sogar 280 Sesterzen. Geht man davon aus, dass die Presse nach Venafrum gebracht werden sollte, wo Catos Landgut lag, so lässt sich ungefähr pro Kilometer ein Sesterz als Weggeld errechnen. Aus der Kaiserzeit lässt sich aus dem Preisedikt Diocletians schließen, dass der Transport von Getreide über das gesamte Mittelmeer von Ost nach West den gleichen Preis hatte wie der Transport zu Lande auf einer Strecke von lediglich 120 Kilometern. Einen Eindruck von der Spannweite der nautischen Frachtkosten vermitteln epigraphische Zeugnisse aus Delos (IG XI (Inscr. Deli) 203B, Z. 12–13). Demnach kostete der Transport von Marmor pro Kubikfuß (ca. 83 kg) auf einer Entfernung von ca. zwanzig Seemeilen zwischen elf und fünfzehn Obolen. Zur Kostenintensität des Landweges im Vergleich zum Seeweg vgl. umfassend die Ausführungen von Montford (1999) 87–100, mit dessen Simulationsmodell auf Grundlage des Amphorenfundes im Mittelmeer sich die Transportkosten von jedem Punkt des Mittelmeeres aus rekonstruieren lassen. Ferner Yeo (1946) 221–244; Frank (1975) 201; Pekáry (1976) 81f.; Habermann (1982) 50f.; Urban (1983) 18; De Martino (1991) 149f.; Kloft (1992) 177f.; Finley (1993) 148ff.; Rickman (1996) 14–20, 120–134; Sonnabend (1999a) 210; Horden/Purcell (2000) 126ff, 146–152; Temin (2001) 179f.; Morel (2007) 499, 509; Harris (2007) 535. Die Jahresmenge Getreide, die allein von Sizilien nach Rom transportiert wurde, betrug nach Cic. Verr. 2,3,163 im Jahr 70 v. Chr. 6,8 Mio. modii, wobei ein modius umgerechnet 6,5–7 kg wog, vgl. Rickman (1996) 104ff. Nach Pekáry (1976) kamen jährlich 70 Mio. modii Getreide aus Africa, Sicilia und Ägypten nach Rom. Zum Getreidebedarf und anderer Güter der Stadt vgl. Heichelheim (1956) 410–415; Ward-Perkins (1980) 325ff; Tchernia (1986) 21–27, 58ff; De Martino (1991) 148–151; Mattingly (1996) 239; Monfort (1999) 96–99; Kloft (2006) 22–28; Harris (2007) 530ff. Die Bedeutung des Seehandels für die römische Wirtschaft darf keinesfalls als unbedeutend gewertet werden, denn der Seeweg war bei dem Transport der Waren aus den Provinzen und darüber hinaus bis auf wenige Ausnahmen, vor allem beim Fernhandel mit dem Osten und
7.1 Der Seehandel der mercatores et negotiatores Italici
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7.1 DER SEEHANDEL DER MERCATORES ET NEGOTIATORES ITALICI – DAS ÖFFENTLICHE ENGAGEMENT FÜR DEN ÜBERSEEHANDEL A7L.CI1DERSHNMTOG Bereits mit den Gründungen der coloniae maritimae und der Übernahme der latinischen Kolonien entlang der italischen West- und Ostküste hatte die selbst weit von den Seerouten entfernte Tibermetropole erste Anknüpfungspunkte zu den Handelsrouten der Adria und des westlichen Mittelmeeres geschaffen.7 Mit der Integration der griechischen Pflanzstädte Süditaliens, wie die ionischen ἀποικίαι Velia, Rhegium, Dikaiarcheia (Puteoli) und Lokroi, das dorische Croton, oder das dorische und achaiische Poseidonia, in das römische Bundesgenossensystem gelangte Rom auch an deren weit gespannte Handelsnetze zu ihren Mutterstädten bis weit in die griechische Mittelmeerwelt hinein.8 Nachfolgend waren es die mercatores und negotiatores dieser Städte9, die Clientelverhältnisse zu römischen nobi-
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Norden, ohne Alternative, sodass man ohne Übertreibung die Seerouten als die Lebensadern der Tibermetropole bezeichnen kann. Vgl. hierzu Schuster (2005) 179ff. De Martino (1991) 26: „Wenngleich Rom keine für den Seehandel günstige Lage besaß – bei aller Schwierigkeit, die die Schiffahrt mit Kähnen damals hatte, um gegen die Strömung des Tibers flußaufwärts zu fahren –, sicherte es sich gleichwohl die Herrschaft über den Ort, an dem die etruskischen Straßen, die die Häfen von Caere und Tarquinia mit den latinischen Städten oder weiter südlich gelegenen Gebieten verbanden, vorbeiliefen, und es war in der Lage, am Warenhandel zur See teilzunehmen.“ Ferner auch ebd. 48; Frank (1975) 54f. hat zu Recht betont, dass bei der Gründung Ostias wohl andere Interessen als kommerzielle eine Rolle gespielt haben: „The area is exceedingly small, […] it contained no store rooms so far as is apparent, and apparently it had no docks. Furthermore there is no evidence of any increase in the town till the Gracchan day. It would be daring to conclude from these walls that the Romans were engaged in seaborne trade.“ Zu den griechischen ἀποικίαι und εµπορια in Süditalien, sowie ihre Rolle im griechischen Überseehandel vgl. Wilson (1966) 86–93; Boardman (1981) 191–247; Frederiksen (1984) 325f., 328ff; Graham (1982a) 94–103, 109–113; (1982b) 181–185; Hornblower (2004) 39, 54ff; Schulz (2005) 42ff. Die lateinischen Begriffe für Händler und Kaufleute, mercatores bzw. negotiatores, finden in der Forschung verschiedenerlei Deutung. Während Habermann (1982) 50, Schleich (1983) 88f. den Kleinhändler vornehmlich als mercator, den Großhändler hingegen als negotiator identifizieren, verwendet Schuster (2005) 196 Anm. 114 beide Begriffe zur Bezeichnung des Großhändlers, nur mit dem Unterschied, dass mercator in republikanischer Zeit und negotiator in augustaeischer Zeit die übliche Bezeichnung gewesen sei, dagegen Kneißl (1983) 76– 87. D’Arms (1981) 24f. macht den Unterschied dahingehend, dass „[…] mercatura and its cognates are never associated with the men of comparable or superior standing“. Aber die Handelsgeschäfte im Ausmaß eines mercator „[…] could certainly be a part of the activities of a negotiator“. Demnach herrscht die Meinung vor, dass die Differenzierung zwischen mercator und negotiator neben der Vielfalt der Handelsinteressen, auch auf dem Ausmaß und dem Umfang der Handelsunternehmen und schließlich auch der sozialen Stellung des Kaufmannes in seiner jeweiligen Heimat fußt. Überzeugend konnte Kneißl (1983) 73ff nachweisen, dass der negotiator in republikanischer Zeit vornehmlich an Bank- und Darlehensgeschäften tätig war und seine daraus erzielten Gewinne in den Warenhandel investierte. Mercator hingegen meint in erster Linie Händler oder Kaufmann, der sich aktiv am Warenhandel im großen Stil beteiligte, wodurch er sich deutlich vom caupo unterschied. Ebenso Nicolet I (1974) 358–362; ferner Wilson (1966) 4ff.
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7. Der römische Überseehandel
lis, wie den Papiria, Fabii, Decii oder Atilii, eingingen10, und den römischen Überseehandel maßgeblich bestimmten und realisierten.11 In den Provinzen schlossen sich die italischen negotiatores entweder in conventus zumeist auch mit den collegia nautarum der Schiffseigner (navicularii) und den publicani oder in collegia zusammen. Diese privaten Körperschaften versuchten die gemeinsamen Belange des Handels in den Provinzen zu regeln und zu organisieren, sowie engen Kontakt zur römischen Administration zu pflegen.12 In seiner Rede über den Oberbefehl des Pompeius lässt uns Cicero einen Blick auf das öffentliche Engagement Roms für den Überseehandel werfen: „Unsere Vorfahren nahmen oft einen Krieg auf sich, wenn unseren Kaufleuten und Reedern einiges Unrecht zustieß.“13
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Frederiksen (1984) 231f., 305ff; Schulz (2005) 154. Zur Ausweitung der Clientelverhältnisse vgl. Bleicken (1989) 27–37; ferner Patterson (2006) 140–153, der die Möglichkeiten der Beziehungen lokaler Größen der italischen Halbinsel zur römischen Aristokratie ausgelotet hat. Vgl. Donati (1965) 3–8; Kloft (1992) 160. Wir besitzen einige wenige Hinweise von italischen bzw. römischen Händlern im hellenistischen Osten während des dritten vorchristlichen Jahrhunderts: (1) In einer aitolischen Proxenieliste aus dem Jahr 263 v. Chr. (IG IX I², 17 Z. 51) findet sich ein Händler italischen Ursprungs mit Namen Volceius oder Ulcius. (2) Eine Ehreninschrift aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. in Lindos (Insc. Lind 92 verzeichnet wohl einen Ölhändler namens L. Mr. Fol[ius]. (3) Plut. Aratos 12 berichtet, dass der achaische Politiker Aratos 252 v. Chr. auf seiner Flucht nach Ägypten ein römisches Schiff verwendete. Vermutlich nutzte er ein Handelsschiff eines italischen mercator, der Kenntnis von den Seerouten des östlichen Mittelmeeres hatte und sich auf dem Weg nach Ägypten befand. Zur Nationalität der negotiatores im hellenistischen Osten herrschte lang Zeit Hatzfelds (1919) These vor, dass es allein Italiker gewesen seien, so etwa bei Finley (1984) 182 einschl. Anm. 11. Doch konnte Wilson (1966) 105–111, 152–155 nachweisen, dass ein hoher Prozentsatz der durch Inschriften belegten Namen römischen Ursprungs ist. Zur Zusammensetzung eines solchen conventus Cic. Font. 12; Verr. 2,2,6.17.34; ungenau Caes. civ. 2,36,1. Für die provincia Africa ist uns durch Plut. Cator minor 59,2–3; 61,1 ein „Rat der Dreihundert“ in Utica als Gremium der negotiatores und navicularii überliefert. Nach Sall. bell. Iug. 47,1–2 existierte ein solcher auch in Vaga. Die enge Verbindung zu den römischen Statthaltern wird aus Cic. Verr. 2,2,48; Plut. Cato minor 59,2 deutlich. Für den hellenistischen Osten sind solche conventus für die Zeit der Republik nicht belegt, doch zeugen Inschriften etwa auf Delos von einer anderen Vereinigung italischer negotiatores in so genannten kultischen collegia. Demnach einte die Fürsorge für Götter wie Mercur, Apollo oder Neptun die negotiatores unter der Führung eines oder mehrerer magistri CIL III 7218. 7217. 7212. 7235; Bull. hell. I 87. IV 190. VIII 146. XI 268.186.145.184.175. Nach der Verleihung des Bürgerrechtes wurde aus den Italici qui negotiantur (CIL III 531. III Suppl. 7265) nun cives Romani qui negotiantur (ILLRP 343. 408. 433). Dazu De Martino (1991) 157: „Die collegia sind von den eigentlichen conventus getrennt zu sehen, die eine mehr öffentliche Funktion hatten, da bei bestimmten Prozessen die Richter aus ihren Mitgliedern ausgewählt werden mußten.“ Vgl. ferner Kornemann (1900a) 397f.; Wilson (1966) 13–18; Frank (1975) 276f.; De Salvo (1992) 58f.; Kunkel/Wittmann (1995) 366ff; Schulz (1997) 132ff. Cic. Manil. 11: Maiores nostri saepe pro mercatoribus aut naviculariis nostris iniuriosius tractatis bella gesserunt; dazu Gabba (1980) 94, 98f. eine stereotype Antwort ob mercantile Beweggründe bei Kriegsentschlüssen maßgeblich waren liefert Abulafia (2011) 179f.
7.1 Der Seehandel der mercatores et negotiatores Italici
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Welcher Wahrheitsgehalt lässt sich nun aus Ciceros Aussage extrahieren? Können einige Kriegsentschlüsse der Römer als Reaktion auf die Gefährdung römischer Handelsinteressen identifiziert werden? Oder aber muss die Behauptung des opportunistischen Redners lediglich als rhetorisches Mittel verstanden werden, um so die Übertragung des Oberbefehls im Krieg gegen Mithridates VI. auf Pompeius effektvoll erreichen zu können? Zur Beantwortung dieser Fragen ist es unerlässlich, den Blick für Entscheidungen und Beschlüsse der res publica zu schärfen, die in ihrer Motivation bzw. ihrer Konsequenz den römischen Seehandel positiv beeinflussten. Dabei eröffnet sich vor allem ein methodisches Problem: Mit Sicherheit ließen sich für jeden Krieg und jede vertragliche Vereinbarung Roms einer oder mehrere ökonomische Gründe finden. Doch speisen sich solche Erklärungsmodelle zumeist aus dem Wissen um den weiteren Verlauf der Ereignisse. Um nur ein Beispiel zu nennen: Es ist absolut unstrittig, dass Sizilien für die römische Wirtschaft und gerade für die Getreideversorgung von essentieller Bedeutung war. Doch dies als Grund für den römischen Entschluss im Jahr 264 v. Chr. zu deuten, das Hilfegesuch der Mamertiner anzunehmen und mit Karthago einen Jahre währenden und kräftezehrenden Krieg vom Zaun zu brechen, bleibt anachronistisch und wird der historischen Realität nicht gerecht. Daher muss sich die Suche nach ökonomischen Beweggründen der res publica populi romani auf direkte Hinweise der antiken Autoren beschränken.14 Es werden nachfolgend drei Arten von Beschlüssen genauer analysiert: (1) Verträge zwischen Rom und anderen Mittelmeerstaaten, (2) Beschlüsse wirtschaftlicher Natur und (3) Kriegsentschlüsse. (1) Verträge zwischen Rom und anderen Mittelmeerstaaten: Bereits die römisch-karthagischen Verträge enthalten Passus, welche den römischen bzw. italischen Seehandel im westlichen Mittelmeer betreffen: „Die aber, die des Handels wegen kommen, sollen kein Geschäft abschließen dürfen, es sei denn im Beisein eines Herolds oder eines Schreibers. Was aber in deren Gegenwart verkauft wird, dafür soll die Schuld dem Verkäufer vom Staat verbürgt sein, bei allem was entweder in Libyen oder auf Sardinien verkauft wird. Wenn ein Römer nach Sizilien kommt, soweit es unter der Hoheit der Karthager steht, sollen die Römer in allem Gleichberechtigung erfahren.“15
Der Vereinbarung nach war italischen und römischen Kaufleuten prinzipiell der Handel mit Städten und Gemeinden der karthagischen επικράτεια genehmigt wor14
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Zum gleichen Schluss kommt auch Harris (1979) 56: „The reason for this must be stated, since roman historians sometimes assume that economic motives should only be diagnosed if they’re visible on the surface of the historical record.“ Anders Badian (1980) 20: „Die ganze Fabel von ökonomischen Motiven in Roms Außenpolitik zu dieser Zeit ist ein Phantasiegebilde des modernen Anachronismus, der seinerseits – wie so viele moderne Fabeln über die antike Welt – auf einen antiken Anachronismus zurückgeht.“ Pol. 3,22,8–11: τοῖς δὲ κατ᾽ ἐµπορίαν παραγινοµένοις µηδὲν ἔστω τέλος πλὴν ἐπὶ κήρυκι ἢ γραµµατεῖ. ὅσα δ᾽ ἂν τούτων παρόντων πραθῇ, δηµοσίᾳ πίστει ὀφειλέσθω τῷ ἀποδοµένῳ, ὅσα ἂν ἢ ἐν Λιβύῃ ἢ ἐν Σαρδόνι πραθῇ. ἐὰν Ῥωµαίων τις εἰς Σικελίαν παρα γίνηται, ἧς Καρχηδόνιοι ἐπάρχουσιν, ἴσα ἔστω τὰ Ῥωµαίων πάντα.
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7. Der römische Überseehandel
den, wobei für Sardinien und Nordafrika die staatliche Kontrolle des Warenaustausches durch die Präsenz eines Schreibers oder Herolds und die staatliche Bürgschaft auf die Handelsware für notwendig erachtet wurden. Einige Zeit später präzisierte man die Genehmigung für römische Handelsaktivitäten erneut: Im zweiten römisch-karthagischen Vertrag wurde der Handel auf Karthago und den karthagischen Teil Siziliens begrenzt. Sowohl Nordafrika als auch Sardinien stellten fortan Handelsverbotszonen dar.16 Leider sind wir über die Anlässe und Ursprünge des Zustandekommens dieser Verträge nicht unterrichtet.17 Daher kann allein der Vertragstext Auskunft über mögliche Gründe geben. Demnach wäre folgendes Szenario denkbar: Je nachdem welcher Datierung des ersten Vertrages man den Vorzug gibt, hatten sich frühestens im sechsten oder spätestens im vierten Jahrhundert v. Chr. durch die rege Seefahrt auf dem mare Tyrrhenum und mare Libycum die Handelssphären italischer Kaufleute mit denen der führenden See- und Handelsmacht Karthago überschnitten. Dies hatte zu Spannungen zwischen beiden Mittelmeeranrainern geführt, so dass man versucht war, durch einen Vertrag die gegenseitigen Handelsinteressen abzustecken und zu wahren. Die begrenzenden Klauseln des zweiten Vertrages deuten zudem auf prosperierende Handelsbeziehungen römischer und italischer Kaufleute hin, die zunehmend Städte der karthagischen επικράτεια mit einschlossen. Der drohenden merkantilen Konkurrenz entgegenwirkend setzte Karthago dem römischen Seehandel mit dem Verbot des Warentausches für Sardinien und Nordafrika strenge Grenzen. FRANCESCO DE MARTINO hat in seiner Wirtschaftsgeschichte des Alten Rom völlig treffend festgestellt, „daß das Hauptinteresse Roms seiner eigenen Stellung in Latium galt, während es im See18 handel die deutliche karthagische Vorherrschaft anerkannte“ ,
doch allein die Tatsache, dass Karthago nicht etwa seine Waffen sprechen ließ, sondern an einer vertraglichen Regelung mit Rom interessiert war, bezeugt die nicht mindere Stellung der aufblühenden Tiberstadt im Seehandelsverkehr des westlichen Mittelmeeres.
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Der genaue Wortlaut nach Pol. 3,24,4–5.11–13: „Die Römer sollen jenseits des Schönen Vorgebirges und von Mastia Tarseios weder Kaperei noch Handel treiben noch eine Stadt gründen.[…] In Sardinien und Libyen soll kein Römer Handel treiben oder eine Stadt gründen (noch landen), […]. In Sizilien, soweit es karthagisches Hoheitsgebiet ist, und in Karthago soll er alles tun und verkaufen dürfen, was auch einem karthagischen Bürger gestattet ist.“ (τοῦ Καλοῦ ἀκρωτηρίου, Μαστίας Ταρσηίου, µὴ λῄζεσθαι ἐπέκεινα Ῥωµαίους µηδ᾽ ἐµπορεύεσθαι µηδὲ πόλιν κτίζειν […] ἐν Σαρδόνι καὶ Λιβύῃ µηδεὶς Ῥωµαίων µήτ᾽ ἐµπορευέσθω µήτε πόλιν κτιζέτω, […] ἐν Σικελίᾳ ἧς Καρχηδόνιοι ἐπάρχουσι καὶ ἐν Καρχηδόνι πάντα καὶ ποιείτω καὶ πωλείτω ὅσα καὶ τῷ πολίτῃ ἔξεστιν). Vgl. dazu etwa Schulz (2005) 151f., der den Getreideimport von Sizilien und Kampanien als Hauptgrund für die rege Schifffahrt annimmt und diesen als Ursache für das Zustandekommen des Vertrages identifiziert. Ähnlich Rickman (1996) 32. Von römisch-phoinikischen Kontakten geht auch Morel (2007) 496 aus und belegt diese mit Hinweisen, dass phoinikische Händler Zugang zum forum Boarium hatten, dazu ferner Linke (1995) 117. De Martino (1991) 32. Vgl. auch Frank (1975) 34–37; Cornell (1995) 388.
7.1 Der Seehandel der mercatores et negotiatores Italici
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Einen weiteren Beleg für die „diplomatische“ Methode der Römer zur Absicherung des Seehandels liefert uns ihre Übereinkunft mit Karthago während des so genannten libyschen Krieges. Kaum dass Karthago mit Rom 241 v. Chr. Frieden geschlossen und seine überseeischen Besitzungen auf Sizilien aufgegeben hatte, sahen sie sich einer rebellierenden Soldateska gegenüber, die nach Kriegsende nun ihre Entlohnung forderte. Doch aufgrund der leeren Staatskassen konnten sie nicht bezahlt werden. Während Karthago in Nordafrika um seine Existenz kämpfte, nutzten italische negotiatores die Gunst der Stunde und trieben Handel mit den Söldnerheeren, vermutlich vor allem mit Getreide. Eine karthagische Flotte konnte jedoch die Handelsschiffe abfangen und deren Besatzungen gefangennehmen. Daraufhin trat der römische Senat in Verhandlungen mit Karthago und erreichte die Freilassung der Kaufleute. Im Austausch dazu bewilligten sie die Entlassung karthagischer Gefangener aus dem ersten römisch-karthagischen Krieg. Ferner bestätigten sie die Freiheit des Handels mit Karthago, verboten jedoch den Warenaustausch mit den Aufständischen und entzogen diesem jeglichen staatlichen Schutz.19 (2) Beschlüsse wirtschaftlicher Natur: Eine lukrative Möglichkeit den Seehandel zu fördern, lag in der Verringerung bzw. Aufhebung der Hafenzölle (portoria). In jedem Hafen des Mittelmeeres waren Gebühren zu entrichten, sobald ein Schiff anlegte, um seine Waren zu löschen oder welche aufzunehmen. Die Zölle waren eine profitable Einnahmequelle der Hafenstädte. Ihre Höhe richtete sich zumeist nach dem Wert der Ware und konnte von Umschlagplatz zu Umschlagplatz variieren.20 In der illyrischen Hafenstadt Ambrakia erreichte 187 v. Chr. ein senatus consultum die Aufhebung des Hafenzolls für alle römischen und italischen negotiatores.21 Im hellenistischen Osten hatte Rom mit der Erklärung Delos’ zum Freihafen
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Pol. 1,83,5–10; Liv. 21,41,6; Eutrop. 2,27,4; Zon. 8,17; anders App. Ib. 4; Lib. 5, der die Hilfsleistungen der Händler an die Söldner verschweigt, stattdessen die Gefangennahme als karthagische Überfälle wegen Versorgungsknappheit deutet und die Herausgabe Sardiniens als Schadensersatz dafür angibt. Vgl. dazu auch Heichelheim (1956) 405; Warmington (1963) 203; Harris (1979) 65; Bagnall (1995) 154; Palmer (1997) 26 einschl. Anm. 65. Rink (1986) 24 äußert die Vermutung, dass die Kaufleute entweder im Auftrag Roms oder aber mit dessen Billigung gehandelt hätten, um dadurch Karthagos Lage zu destabilisieren. Es ist unklar, ob mit dem von Pol. 30,31,12 verwendeten Wort ἐλλιµενίου, bei seiner Schilderung des Einnahmenrückgangs der Insel Rhodos auch Hafenzölle, sprich die Bezollung der Ware, oder aber eine allgemeine Hafengebühr gemeint ist, wie Boerner (1905) 2437 annimmt. Vgl. ferner Schwahn (1934) 243, 295, der Hafengebühren für Athen, Kreta, Makedonien, Delos, Rhodos, Alexandreia, Pelusion und Pantikapaion belegt. Nach De Laet (1975) 67 waren die Hafenzölle unterschiedlich in ihrer Höhe, anders Vittinghoff (1954) 380; Frank (1975) 69. Hafenzölle für andere Seestädte des Mittelmeeres sind durch Xen. Hell. 5,2,16; Ps.-Aristot. oec. 2,2; Demosth. or. 34,7; Strab. 9,3,4 belegt. Zudem hatte es einen Durchfuhrzoll am Bosporos gegeben, der 1/10 des Warenwertes maß Xen. hell. 1,1,22; Pol. 4,38,3–13. 43,1–10; vgl. dazu auch Schwahn (1934) 255ff, 301f. Liv. 38,44,4. Die Freiheit von Zöllen betrafen Romani ac socii nominis Latini; vgl. Frank (1975) 202; De Laet (1975) 91; Gabba (1980) 93f.; Jones (1998a) 118f.; anders Badian
306
7. Der römische Überseehandel
das wirtschaftliche Gefüge nach dem dritten römisch-makedonischen Krieg maßgeblich verändert.22 Die dadurch forcierte Bündelung des östlichen Mittelmeerhandels an einen zentralen Ort machte Delos nicht nur zu der merkantilen Drehscheibe der Ägäis, sondern zog nun auch in Massen negotiatores aus den Städten Süditaliens, wie Neapolis, Velia, Cumae, Tarentum, Canusium, Lanuvium, Fregellae, Ancona oder Locroi, auf die Insel.23 In Ausnahmefällen wurden in Rom auch Beschlüsse gefasst, die absichtlich der Förderung des Seehandels der italischen negotiatores zuwider liefen, etwa als Maßnahme der Bestrafung. Das senatus consultum von 210 v. Chr. beschloss die Zwangsumsiedelung der Bewohner Capuas und des ager Campanus, da sie im zweiten römisch-karthagischen Krieg zu Hannibal übergelaufen waren. Die Einheimischen wurden im Landesinnern nördlich des Tibers in den latinischen Kolonien Sutrium und Nepet, im Gebiet zwischen Rom und dem Fluss Liris und nördlich des Flusses Volturnus neu angesiedelt. Bei der Auswahl der neuen Güter von bis zu 50 iugera Größe pro Siedler achtete man streng darauf, dass sie sich weder am Tiber noch in der Nähe der Küste befanden (15 Meilen vom Meer entfernt), so dass die neuen Besitzer gänzlich vom Seehandel ausgeschlossen wurden. Der Küstenstreifen des ager Campanus wurde den neu gegründeten coloniae maritimae Volturnum und Liternum zugerechnet.24
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(1997) 236f., der dem Wortlaut bei Livius skeptisch gegenübersteht und die Zollfreiheit nicht auf Handelsgüter, sondern auf persönliches Eigentum von Römern und Italikern bezieht. Vgl. De Laet (1975) 92f. Wirtschaftliche Einschätzung Delos’ bei Badian (1982) 89: „Andererseits erleben Handel und Finanzgeschäfte durch Römer sowie durch Italiker unter offiziellem Schutz in Provinzen und „freien“ Territorien, besonders im Osten, eine Blüte […]. Im Freihafen von Delos, wo die Italiker einen Höhepunkt an Macht und wirtschaftlichen Erfolg für sich erreichten, steht mit ihnen lange Zeit die syrische Kolonie fast gleich.“ Ähnlich auch Frank (1975) 202, 274f.; De Martino (1991) 232f. Umfassend Wilson (1966) 99–121, 142f.; Frank (1975) 275ff; Harris (1979) 94. Im Jahr 91 v. Chr. erwirkte der Senat durch die lex Antonia, neben zahlreichen anderen Verordnungen auch, dass im phrygischen Termessos die Zölle zu Lande und zu Wasser für eine bestimmte römische Händlerschicht nicht mehr erhoben werden sollten. Inwieweit Termessos es möglich war, Hafenzölle zu erheben, da es doch selbst fern der Küste lag, ist fraglich. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine gängige Formulierung für Vergünstigungsbestimmungen, die einfach übernommen wurde, oder aber kleinere Umschlagplätze an der Küste zählten zum Einflussbereich Termessos’. Interessanterweise beließ man nicht allen Römern einschließlich seiner Bundesgenossen die Zölle sondern ausschließlich den publicani. CIL I²,2,589; Pol. 21,35,1–4; Liv. 38,15,4–6; App. Mithr. 75. Vgl. ferner De Laet (1975) 95f.; Jones (1998a) 119, Anm. 44; Brunt (1999) 170, Anm. 90; Magie II (2000) 1176f. Badian (1997) 197 Anm. 70 deutet die lex Antonia de Termessibus jedoch nicht als Hinweis auf Handelsaktivitäten der publicani. Vielmehr bezieht er dies auf die notwendigen Transporte, die eine Handelsgesellschaft für die Durchführung des Pachteinzuges benötigte. Die Hauptquelle des Senatsbeschlusses speist sich aus Liv. 26,34,7–10, ferner 26,16,5–13. 33,1–14. Andere Hinweise bei Pol. 7,1,2; Cic. leg. agr. 1,19; 2,88; App. Hann. 43; Zon. 9,6 beziehen sich zwar auf das Schicksal Capuas, die Zwangsumsiedlung findet jedoch keine oder nur indirekt Erwähnung. Im Jahr 205 v. Chr. wurde nach Liv. 28,46,6 dann der Praetor urbanus Servilius Caepio damit beauftragt, die Zwangsdeportation der Campaner zu kontrollieren. Anscheinend waren nicht alle dem senatus consultum gefolgt, so dass eine staatliche
7.1 Der Seehandel der mercatores et negotiatores Italici
307
(3) Kriegsentschlüsse. Je weiter die italische Halbinsel sowie die Inseln und Küsten des Mittelmeeres unter römische Kontrolle gebracht wurden, desto stärker begannen die mercatores Italici ihre Handelsnetze auszubauen, so dass sich Rom alsbald auf breiter Front mit der militärischen Absicherung des Überseehandels konfrontiert sah. An vier konkreten Beispielen soll die Tragweite dieses von Cicero eingangs deklarierten Schutzes verdeutlicht werden: Bereits der Ausbruch des ersten illyrischen Krieges 229 v. Chr. lässt sich direkt auf die Verletzung römischer bzw. italischer Handelsinteressen zurückführen. In den 30er Jahren des dritten Jahrhunderts v. Chr. war die illyrische Piraterie zu beachtlichem Ausmaß angewachsen und dominierte maßgeblich den Seeverkehr des mare Adriaticum. Unweigerlich wurden auch die Handelsschiffe italischer mercatores Opfer illyrischer Übergriffe.25 Diese Störungen des Seehandelsverkehrs müssen in derartiger Häufung aufgetreten sein, dass zunehmend auch vitale Interessen einzelner nobilis bzw. ihrer Clienten davon betroffen waren. Daher sah sich Rom 230 v. Chr. veranlasst, gegen die illyrischen Piraten vorzugehen. Die antiken Autoren berichten zudem vom Mord an einer römischen Gesandtschaft als dem eigentlichen casus belli. Mag dieser Zwischenfall auch historisch sein und die Gemüter in Rom erregt haben, so wird die endgültige Beseitigung des illyrischen Störfaktors doch eher der Hauptbeweggrund für den Kriegsausbruch gewesen sein.26 Bei der Konsolidierung der römischen Vorherrschaft in der Po-Ebene wenige Jahre darauf begnügte sich Rom nicht mit der Niederschlagung der gallischen Invasoren bei Telamon und der Offensive der Boier und Insubrer, sondern unter-
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Kontrolle notwendig wurde. Vgl. hierzu die Ausführungen von Frederiksen (1984) 244–250, 264–275; Urso (1995) 161–176; Pina Polo (2006) 178–182. Nach Pol. 2,8,1–2 wurden italische Kaufleute Opfer illyrischer Übergriffe, vgl. dazu Hammond (1968) 4f.; Marasco (1987) 76–81. Walser (1954) 310f. wertet die illyrische Piraterie als so gering, dass diese eine römische Intervention nicht gerechtfertigt hätte. „Es ist schwer zu glauben, daß der Senat seine höchsten Mitglieder nur zur Untersuchung von Piratenschäden aussandte. Eine Senatskommission von solchem Gewichte muß eine wichtigere diplomatische Mission gehabt haben, die aber aus dem Bericht des Polybios nicht hervorgeht.“ Zum Gesandtenmord Pol. 2,8,2–13; App. Ill. 7, Cass. Dio frg. 49,1–4; Oros. 4,13,2; vgl. Vollmer (1990) 51f. Doch nicht nur italische Kaufleute, sondern auch Städte und πολεις, mit denen Rom u. a. Handelsbeziehungen pflegte, wurden von illyrischen Piraten überfallen, wie Pol. 2,4,7–2,6,8. 8,1–2; App. Ill. 7 berichten, vgl. dazu Rose (1969) 122f.; Cabanes (1988) 265–268; ferner Marasco (1987) 90–94; Schulz (2005) 169. Thiel (1954) 345 deutet das späte Eingreifen des Senats gegen die illyrischen Piraten fälschlicherweise als Antwort auf drohende öffentliche Opposition der plebs: „Thirdly […] the fact that Illyrian piracy had become more and more outrageous for the very reason that it had gone unpunished, was beginning to stir Roman public opinion, so that, if the Roman protest against these activities met with an insolent answer, the senate could reasonably expect that this would prove sufficient to convince the peasants that Rome’s prestige was at stake and that a punitive expedition against the offenders was imperative.“ Es geht hier m. E. vielmehr um die gefährdeten Interessen des römischen Seehandels, an dem auch und vor allem römische Senatoren maßgeblich partizipiert haben. Daher wird besonders ihnen daran gelegen gewesen sein, das Piratenproblem zu lösen, ebenso Frank (1975) 74.
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7. Der römische Überseehandel
nahm auch 221 v. Chr. einen Vorstoß weiter nordwestlich, bis nach Istrien, in eine Landschaft am nördlichen Rand der Adria. Die Strafexpedition folgte nicht so sehr einer durchdachten Strategie zur Befriedung des gesamten Voralpenraumes, vielmehr lassen sich merkantile Beweggründe hierfür finden. Denn die dort siedelnden Stämme hatten italische Getreideschiffe überfallen, dadurch die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sich als Unsicherheitsfaktor für die Handelsrouten entlang der Adriaküste erwiesen, den es auszuschalten galt.27 Seit der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr. und der Einrichtung der provincia Africa hatten sich auch italischstämmige Händler in Nordafrika und auf dem Territorium des numidischen Königreiches angesiedelt, was zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Region geführt hatte.28 Als es jedoch ab 118 v. Chr. durch den Tod des numidischen Herrschers Micipisa zu Thronstreitigkeiten kam, destabilisierte sich die politische Lage in Nordafrika zusehends. Zwar versuchte Rom durch die Entsendung einer Zehnmännerkommission und den Versuch der Gebietsteilung die unüberbrückbaren Differenzen zwischen den beiden Thronprätendenten Iugurtha und Adherbal abzubauen, doch antwortete Iugurtha auf den römischen Vermittlungsversuch mit der Invasion in das Adherbal zugesprochene Land. In dieser Situation ergriffen die Italici Partei und verschanzten sich mit Adherbal in der Stadt Cirta. Iugurtha ließ die Stadt längere Zeit belagern und bei der Eroberung alle Einwohner der Stadt, einschließlich der italischen Händler ermorden.29 Die Ermordung römischer Citoyen in Cirta stellte zugleich einen Angriff auf den römischen Seehandel dar, denn gelang es Rom nicht, seinen mercatores in den Provinzen ein gewisses Maß an Sicherheit zu garantieren, blieben die römischen Handelsnetze auf dem Mittelmeer nur schwer aufrechtzuerhalten. Daher verlangte Iugurthas Attacke auf Cirta eine militärische Intervention in Nordafrika. Unter ähnlichen Zugzwang war die res publica populi romani 88 v. Chr. geraten, als Mithridates VI. in die Ägäis einfiel und in Asia sowie auf Delos tausende Italiker ermorden ließ.30 Über die Motive des pontischen Königs ist in der For27
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Liv. per. 20; Eutrop. 3,7,1; Zon. 8,20; Oros. 4,13,16. Dell (1970) 35f. meint, dass diese Schiffe die gefährliche Überfahrt etwa bei Otranto fürchteten und daher die längere Route entlang der dalmatinischen Küste wählten. Kritisch dazu Vollmer (1990) 73, Anm. 2: „Auch ist zu fragen, ob die so gewaltige Verlängerung der Reiseroute in einem vernünftigen Bezug zu dem Risiko des Sturmes steht.“ Vgl. ferner Bandelli (1981) 3–18. Zur Rolle des Demetrios von Pharos als potentieller Drahtzieher der Überfälle vgl. die Diskussion bei Dell (1970) 32– 38; Eckstein (2008) 67ff. Sall. bell. Iug. 16,1; vgl. Christ (2000) 153: „[…] vor allem im Ostteil des Königreiches nahm das Land einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung.“ Ferner Rink (1986) 19f.; Lintott (1994) 28; Morel (2007) 503. Die bei Sall. bell. Iug. 21,2 erwähnten multitudo togatorum, welche in Cirta Adherbal Hilfe leisteten, können als italische Kaufleute identifiziert werden, da sie im weiteren Verlauf der Schilderung in bell. Iug. 26,1–3 von Sallust als Italici und negotiatores benannt werden. Zur Ermordung der italischen Kaufleute vgl. ferner Badian (1980) 47; Rink (1986) 21; Bengtson (1988) 155f.; Lintott (1994) 29. App. Mithr. 22–23. Die Angaben über die Anzahl der Opfer schwanken in den Quellen. Während Plut. Sulla 24,7 von 150.000 Opfern zu berichten weiß, beziffern Val. Max. 9,1,3 und Memnon FGrHist F 22,9, 434 die Ermordeten auf 80.000. Vgl. ferner Strobel (1996) 188; Magie I (2000) 217f.; Christ (2000) 202; Letzner (2000) 153f.; Sommer (2006) 48f.
7.2 Privata pecunia res publica administrata est
309
schung mehrfach gemutmaßt worden, und insbesondere ökonomische Beweggründe fanden Befürworter wie aber auch Gegner.31 Fest steht, dass dieses Blutbad an römischen Bürgern – denn seit der lex Plautia Papiria war das römische Bürgerrecht auf alle Bewohner der italischen Halbinsel ausgeweitet worden – erneut Roms militärisches Engagement forderte.32 Die hier angeführten Beispiele verdeutlichen, welchen Einfluss der expandierende Überseehandel der mercatores und negotiatores Italici mit all seinen Facetten für die res publica populi romani hatte. BERNHARD RINK hat dies konzis formuliert und verdient an dieser Stelle zitiert zu werden: „An Gut und Leben römischer Bürger oder Untertanen darf kein „Ausländer“ rühren, dem muß notwendigerweise die Kriegserklärung Roms folgen, wenn er nicht gänzlich sein Gesicht und seine politische auctoritas verlieren will. Diese aber ist ein unsichtbarer, jedoch nicht zu unterschätzender Schutz für die römischen Kaufleute in der Fremde, der durch die militärische Demonstration und Strafaktion […] unterstrichen wird.“ 33
7.2 PRIVATA PECUNIA RES PUBLICA ADMINISTRATA EST34 – DIE BETEILIGUNG DER PUBLICANI AM SEEHANDEL 7.2VPRIATECUNSBLDM Die publicani zählten zur römischen Gesellschaftsschicht der ordo equester und lassen sich am Besten mit den neuzeitlichen Begriffen „Unternehmer“, „Finanziers“ oder „Geschäftsleute“ charakterisieren.35 In Rom wurden alle öffentlichen Einkünfte aus Verpachtungen und Versteigerungen staatlichen Besitzes (ager 31
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Exemplarisch Rink (1986) 22: „Und Mithradates tat den unwiderruflichen Schritt, indem er den Befehl zum Massaker gab, wobei er einerseits den beträchtlichen Reichtum der italischen Kaufleute im Auge hatte, der zur Hälfte ihm zufallen sollte“. Reinach (1975) 123: „Über alle Städte Asiens zerstreut gab es demnach ein ganzes Heer von Spionen, Verrätern und Verschwörern im Dienste des Feindes; schon regte sich ihre Thätigkeit an einzelnen Stellen, indem sie offene Empörung anzettelten oder geheime Ränke schmiedeten. […] aber ebenso wenig ließ sich ihre Ausweisung bewerkstelligen; auch eine Überwachung erschien undurchführbar.“ Bengtson (1975) 261: „Ganz unzweifelhaft ist der Blutbefehl von Ephesos zunächst als ein politischer Akt zu betrachten. Mit Furcht und Terror wollte Mithradates alle noch Schwankenden auf seine Seite bringen, und dies ist ihm auch in weitestem Umfang gelungen.“ Wilson (1966) 121–126. Die wirtschaftliche Folge für die provincia Asia wird von Badian (1980) 96 konzis erörtert. Rink (1986) 21. Liv. 23,49,3. Diese Beschreibung ist unter Verweis auf Bleickens (1995) 87 zutreffende Analyse historischer Terminologie zulässig, denn „Historische Begriffe werden gemeinhin durch moderne begriffliche Definitionen verständlich gemacht, weil sie – wenn genau definiert und den historischen Phänomen richtig zugeordnet – geeignet sind, die Distanz zu der historisch bedingten, aus dem reinen Wortzusammenhang der Quellen nicht (mehr) unmittelbar erkennbaren ursprünglichen Sinnhaftigkeit aufzuheben. Ein alternativer Zugang, der allein aus dem Vorkommen eines historischen Begriffsfeldes eine Annäherung versucht, wird demgegenüber meist deswegen als weniger erfolgversprechend angesehen, weil er durch die Verhaftung des Begrifflichen im Historischen die zeitliche Distanz nicht in gleicher Weise überbrücken zu können scheint. Wie eine abstrakte Begrifflichkeit.“
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7. Der römische Überseehandel
publicus, z.B. Minen, Bergwerke, Wege, Brücken, Aquaedukte, Cloaken, Bäder etc.), staatlicher Einkünfte (portoria, vectigal, tributi) und Dienstleistungen, sowie Lieferungen an den Staat (allgemein opera publica) als publica und diejenigen, die sich daran aktiv beteiligten als publicani bezeichnet. Mit dem Reglement senatorischer Beteiligung am römischen Handel durch die lex Claudia de nave senatorum füllten die publicani die entstandenen Lücken innerhalb der römischen Wirtschaft aus und entwickelten diese im Verlauf der Zeit zu einer ihrer Domänen.36 Nur in sehr wenigen Fällen begegnen uns einzeln handelnde publicani. Das Ausmaß und der Umfang ihrer wirtschaftlichen Unternehmungen machte es notwendig, dass sie sich in societates publicanorum zusammenschlossen – die erste societas ist literarisch bereits für 215 v. Chr. belegt.37 Denn obwohl die Gewinne keinen staatlichen Reglementierungen unterlagen, haftete der publicanus dafür auch ganz allein für die Risiken seines Unternehmens. Dazu musste er bei der Pachtung von staatlichen Einnahmequellen nicht nur eine Pauschalsumme, sondern auch einen Vorschuss an das aerarium entrichten. Diese Kosten, Risiken und natürlich bei Gelingen auch die Gewinne ließen sich besser auf viele Schultern verteilen, so dass sich mehrere publicani zu socii einer Unternehmung zusammen schlossen. Da der Schlüssel zur lukrativen Handlungsfähigkeit einer solchen societas das vorhandene Kapital war, boten die publicani auch Anteilscheine (patres) ihrer Handelsvereinigung feil, so dass sich zahlreiche Bürger mit ihren kleinen Einlagen als adfines oder participes an den großen Geschäften beteiligen konnten. An der Spitze einer societas publicanorum stand ein manceps, der als Interessenvertreter die Gebote bei der Versteigerung etwa der Staatspachten abgab, Bürgschaften entrichtete und bei Erhalt der Pacht für die societas in seinem Namen die Vereinbarung abschloss. Die Administration des Rechnungswesens einer societas übernahmen die jährlich wechselnden magistri, bzw. in den Handelsvereinigungen der Provinzen die pro magistri. Sie führten die Rechnungsbücher und vermutlich riefen sie auch die gegebenenfalls notwendigen Versammlungen der socii ein. Es ist evident, dass eine Vereinigung mehrerer Finanziers solchen Ausmaßes einen beachtlichen Stab an Mitarbeitern (familia publicanorum) führte, die sich zumeist aus Einheimischen, Freigelassenen und/oder Sklaven zusammensetzte.38
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Baltrusch (1989) 36: „Die lex Claudia […] begünstigte gleichzeitig das Aufkommen eines neuen, in die wirtschaftliche Lücke stoßenden Standes“. Vgl. ferner zu den publicani bzw. dem ordo equester die Untersuchungen von Bleicken (1995) passim.; Linke (1995) 117ff; Stemmler (1997) passim.; Brunt (1999) 144–193; Fowler (2007) 29–45. 37 Vgl. Anm. 43 (Kapitel 7.2). 38 Die societas publicanorum (Cic. fam. 13,9,2; dom. 74) wird von Cic. Sest. 14. 32 auch als societas vestigalium oder nur societas (Cic. Vatin. 8; dom. 142; Planc. 32; Verr. 2,2,182.186) genannt. Zu patres: Cic. Rab. Post. 4; Vatin. 29; Val. Max. 6,9,7; adfines: Cic. Manil. 6; Liv. 43,16,1. Zu manceps: Pol. 6,17,4; Fest. 151. Zu magistri: Cic. Verr. 2,2,173.176.182; Planc. 32; fam. 13,9,2. Zu pro magistri: Cic. Verr. 2,2,169; Att. 11,11,1; fam. 13,65,1. Zur familia publicanorum: Cic. Verr. 2,2,188; prov. 5,10; Dig. 39,4,12,2; CIL I 2193. 2215. Vgl. zu den societas publicanorum die Ausführungen von Wilson (1966) 157f.; Ürödi (1968) 1203–1208; Nicolet I (1974) 330–336; Cimma (1981) 64–99; De Martino (1991) 159f.; Bleicken (1995)
7.2 Privata pecunia res publica administrata est
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Die Partizipation der publicani am römischen Seehandel ist äußerst mannigfaltig und nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Ein wesentlicher Anteil besteht in der Pacht staatlichen Besitzes und öffentlicher Einnahmen und reichte von der Fischerei im Lacus Lucrinus oder anderen Seen und Flüssen39 bis hin zur Erhebung der staatlichen portoria (Hafenzölle) für Waren und Gebühren in den Häfen Italiens und der Provinzen.40 Ähnlich einer Auktion wurden von den Censoren – in einigen Fällen auch von Consuln oder Praetoren – diese Einnahmequellen durch sub hasta (Submission) auf dem Forum Romanum an den Höchstbietenden für die Dauer eines lustrum (5 Jahre) verpachtet und in legis censoriae (Pachtverträgen) schriftlich festgehalten, die von den Censoren in tabulae censoriae archiviert wurden.41 Die Einnahmen durch Hafenzölle müssen äußert lukrativ gewesen sein, denn wir wissen aus dem Prozess gegen den sizilischen Statthalter C. Verres, dass allein für Syrakus ein Hafenzoll von fünf Prozent des Warenwertes auf alle umgeschlagenen Produkte wie Gold, Silber, Elfenbein, kostbaren Hausrat, Möbelstücke, Stoffe, Getreide usw. erhoben, und beispielsweise innerhalb weniger Monate 60.000 Sesterzen an Zollabgaben entrichtet worden waren.42 Neben der fiskalischen Facette treten die publicani auch innerhalb der opera publica als Organisatoren der Heeresversorgung auf dem Meer in Aktion. Während des Hannibalkrieges war die res publica populi romani zwischenzeitlich in derartige Finanznot geraten, dass sie sich 215 v. Chr. außerstande sah, die eigenen
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16f., 24f.; Badian (1997) 85–106; Brunt (1999) 164f.; Malmendier (2002) 65–90, 223–271; Harris (2007) 519f.; 537; Frier/Kehoe (2007) 127f.; Fowler (2007) 34f. Pol. 6,17,2; Cic. leg agr. 2,36; Fest. 121; Dig. 43,14,1,7; Malmendier (2002) 35. Die Besteuerung des Fischfanges ist schon für Athen und Byzanz bekannt, vgl. Schwahn (1934) 242f. Die in den Hafenstädten und wichtigen Knotenpunkten des Seehandels als portoria bezeichneten Zölle können als Hafenzölle verstanden werden, dazu Vittinghoff (1954) 377: „Es ist selbstverständlich, das solche Wachen [für Zölle, Anm. M. Ladewig] an den Stellen angelegt wurden, die den stärksten Warenverkehr hatten […] für den Seehandel in den wichtigsten Hafenstädten, für den Flußhandel an den Mündungen“. Genaue Informationen zu römischen Hafenzöllen in republikanischer Zeit sind uns literarisch nur für die Hafenstädte Siziliens bekannt. Nach Cic. Verr. 2,2,158. 3,192 gab es in Syrakus, Agrirgentum, Lilybaeum, Panormus, Thermae, Himera, Halaesa, Catina und Messana Hafenzölle. Liv. 32,7,3 berichtet zudem von einem portorium für Puteoli. Aus Cic. prov. 5; Sest. 94 geht hervor, dass in Dyrrachium portoria erhoben wurden, ebenso für Aquileia (Cic. Front. 2), gleiches kann auch für Ephesos angenommen werden, da Cicero in seinen Briefen aus der Provinz Cilicia Att. 5,13,1; fam. 5,20,9 von der Gegenwart der publicani und der decumani – eine besondere Berufsabteilung innerhalb der societates publicanorum – in Ephesos berichtet. In vielen Fällen wurden die gesamten portoria einer Provinz zusammengefasst und als Ganzes erhoben, so dass eine Identifikation von Hafenzöllen äußerst schwierig ist, vgl. dazu Vittinghoff (1954) 384ff; De Laet (1975) 55ff, 65–88; Frank (1975) 255f.; Cimma (1981) 33ff; Frederiksen (1984) 272f.; Badian (1997) 21; Malmendier (2002) 41, 43–49; Rubel (2009) 345–350. Cic. leg. agr. 3,7; Pol. 6,13,1–4; Liv. 39,44,2–9; 41,27,5–13; vgl. Ürögdi (1968) 1187; Vittinghoff (1954) 389f.; Frank (1975) 151; Kunkel/Wittmann (1995) 422f.; Badian (1997) 88ff; detailliert Malmendier (2002) 91–222. Nach der Darlegung Cic. Verr. 2,2,171.176.182.185 hatte Verres zahlreiche Waren und vor allem Luxusgüter im Wert von 1,2 Mio. Sesterzen aus dem Hafen von Syrakus verschiffen lassen, ohne den fälligen Zoll von 60.000 Sesterzen, also umgerechnet 5% des Warenwertes, an die Pachtgesellschaft zu zahlen; De Laet (1975) 69f.; auch Nicolet II (1974) 825f.
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7. Der römische Überseehandel
Truppen in Hispanien mit Proviant und Ausrüstung zu versorgen. Man suchte nach privaten Unternehmern, die bereit waren, mit ihren eigenen Schiffen, Besatzungen und Personal die Heeresversorgung über die Seewege zu gewährleisten. Schließlich gelang es dem Praetor Q. Fulvius Flaccus, die Aufgabe des Truppennachschubes an insgesamt drei societates publicanorum zu günstigen Konditionen zu verpachten. Diese beinhalteten: (1) Befreiung der neunzehn beteiligten publicani vom Kriegsdienst, (2) Übernahme der Kosten durch Zahlung aus dem aerarium bei Kriegsende und (3) staatliche Versicherung bei Schädigung und Verlust der Ware und der Transportschiffe.43 BADIAN hat überzeugend die Festlegung der Pachtdauer in Kriegszeiten auf ein Jahr konstatiert, „[…] da die Anzahl der Legionen und Armeen von einem Jahr auf das nächste nicht leicht vorhersehbar war.“44
Das Bemerkenswerte an dieser Überschneidung von militärischen und wirtschaftlichen Handlungsfeldern ist die Tatsache, dass der Staat entgegen der üblichen Praxis bei der Verpachtung das volle Risiko für den nicht ungefährlichen Güterverkehr auf den Seewegen trug. Sicher wird die krisenhafte Situation des Jahres 215 v. Chr. – die katastrophale Niederlage von Cannae war nicht ganz ein Jahr her, Hannibal stand mit seinen Truppen im Süden der italischen Halbinsel und warb Schritt für Schritt römische Bundesgenossen ab – ihren Teil dazu beigetragen haben. Auch wenn uns Livius glauben machen will, dass „[…] Gesinnung und Vaterlandsliebe, die damals alle Stände gleichermaßen zu durchziehen schienen“45 der Grund für das Engagement der publicani war, zählten doch wohl vor allem pekuniäre Beweggründe. Das pathetische Bild des Livius vom patriotischen publicanus erhält einen erheblichen Dämpfer durch die zwei Jahre später aufgedeckten Betrugsmachenschaften zweier publicani. M. Postumius Pyrgensis und Titus Pomponius Veientanus, beides einflussreiche Unternehmer aus Etrurien – Postumius war mit dem Volkstribunen von 212 v. Chr., C. Servilius Casca, verwandt und Pomponius war ein erfolgreicher fectus socium, der im Hannibalkrieg sogar ein Heer aus Freiwilligen in Süditalien aufzustellen vermochte –, hatten vorgegeben, sich der Versorgung der Legionen angenommen zu haben. Doch statt intakter Handelsschiffe hatten sie seeuntüchtige Frachter genutzt und anstelle von Heeresgütern waren die Schiffe mit wertlosen Waren beladen worden. Nachdem Postumius und Pomponius ihre Schiffe dann auf See zum Kentern gebracht hatten, forderten sie unter Per43 Liv. 23,48,4–49,4; 34,6,13; vgl. auch Frank (1975) 84f.; Cimma (1981) 6ff, 49f.; Erdkamp (1995) 169; Malmendier (2002) 59; Bringmann (2003) 319. Einen Eindruck von dem Umfang solcher Dienstleistungen liefert Liv. 44,16,4. Nach Schätzungen von Badian (1997) 16–19 beliefen sich die Kosten allein für die Kleidung der beiden Legionen in Hispanien auf 800.000 Denare. Ob es zu Zinszahlungen von Staatsseite her gekommen war, wissen wir nicht, Badian (1997) 10 hält sie für wahrscheinlich: „[…] vor allem weil keinerlei Sicherheiten geboten wurden und die Kaufleute es sich bei den hohen Zinsen die in der Antike im allgemeinen und in Krisenzeiten insbesondere üblich waren, wohl kaum leisten konnten jahrelang ohne jegliche Bezahlung auszukommen.“ 44 Badian (1997) 19; ähnlich Malmendier (2002) 32. 45 Liv. 23,49,3: Ii mores eaque caritas patriae per omnes ordines velut tenore uno pertinebat.
7.2 Privata pecunia res publica administrata est
313
lusion höheren Wertverlustes die vollen Garantieleistungen für die Heeresversorgung aus der Staatskasse ein. Als die Täuschung aufflog, erstattete der Praetor M. Aemilius Lepidus vor dem Senat Anzeige. Nachdem sich auch in der comitia der Unmut der plebs über die Betrügereien Ausdruck verliehen hatte und die Volksversammlung von mehreren publicani sogar gesprengt worden war, reagierte der Senat und leitete die strafrechtliche Verfolgung beider Männer durch die Volkstribunen Lucius und Spurius Carvilius ein. Die beiden publicani und die Beteiligten des Aufruhrs in der Volksversammlung wurden in die Verbannung geschickt und ihr Vermögen konfisziert.46 Trotz dieses Vorfalls wird es jedoch auch weiterhin solcherlei Staatsaufträge gegeben haben.47 Das Geld der publicani, welches durch die Staatspachten erwirtschaftet wurde, blieb nicht etwa ungenutzt. Vielmehr finden wir Hinweise, dass es direkt der Finanzierung des privaten Seehandels diente.48 Rabirius Postumus, der wohl einflussreichste und größte Geldgeber der ausgehenden römischen Republik, unterhielt eine eigene Flotte, mit der er als Verweser der Finanzgeschäfte am ptolemaischen Hof Waren aus Alexandria nach Puteoli transportieren ließ, wo sie auf den italischen Märkten verkauft wurden. Zudem bezeugen Amphorenreste von Sizilien, aus Italien und Deutschland, die seinen Namen tragen, die Komplexität von Rabirius’ Handelsverkehr. 49 Durch Ciceros Verrinen haben wir Kenntnis davon, dass die manceps der societates publicanorum in der provincia Sicilia für die Verfrachtung des Getreides von der Insel nach Rom verantwortlich waren. Dafür müssen sie entweder selbst Schiffe besessen oder aber eine vertragliche Vereinba-
46 Die ganze Episode ist von Liv. 25,3,8–5,1 überliefert. Nach Liv. 25,1,5 war T. Pomponius in Kriegsgefangenschaft geraten, so dass allein M. Postumius angeklagt werden konnte. Zu einer gemäßigten historischen Bewertung mahnt Badian (1997) 14: „Der Aufruhr und der Betrug stellten eindeutig einen Vorfall von relativ geringer Bedeutung dar, den mit normalen Verfahren zu bewältigen Senat und Volk von Rom sich durchaus in der Lage zeigten. Es ist allein die spätere Wiedergabe, die das beunruhigende Bild von der privaten Macht und Verantwortungslosigkeit eines Standes sowie von staatlichem Wankelmut entstehen ließ.“ Es gibt keinerlei Hinweise, dass Postumus und Pomponius zu den ersten neunzehn publicani zählten, zumal zwischen der ersten Verpachtung und dem Aufdecken des Betruges zwei Jahre vergangen waren. Vgl. auch Nicolet I (1974) 320f., 701f.; II (1974) 991f., 996f.; Seibert (1993a) 367; Erdkamp (1995) 169f.; Malmendier (2002) 51. 47 Liv. 44,16,4 berichtet beispielsweise von solcher Heeresversorgung durch die publicani während des dritten römisch-makedonischen Krieges; vgl. Vittinghoff (1954) 1194; Frank (1975) 149; Erdkamp (1995) 171; Badian (1997) 14; Brunt (1999) 149f. 48 Badian (1997) 106 negiert jegliche Existenz von Handelsaktivitäten der publicani; anders D’Arms (1981) 25f.; Brunt (1999) 177f. 49 Cic. Rab. 22. 28. 40.; CIL X, 8041,130; 8051,26; vgl. Shatzman (1975) 395f.; Huß (2001) 696f. Zur Stellung des Rabirius Postumus, etwa Schulz (2005) 175: „Postumus war Chef eines Finanzimperiums, das sich über fast alle östlichen Provinzen des Reiches erstreckte. Einer seiner Freigelassenen leitete eine Dependance in der kleinasiatischen Hafenstadt Ephesos […]. Postumus hatte Anteilscheine an den Pachtgesellschaften und war als Geldverleiher in fast allen Provinzen berüchtigt.“ Vgl. ferner Nicolet II (1974) 1000ff; Wiseman (1971) 199; Shatzman (1975) 395f.; D’Arms (1981) 27f.; De Martino (1991) 161f.; Fellmeth (2008) 106– 110.
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rung mit navicularii abgeschlossen haben.50 Neben dem Schiffsbesitz zeichneten sich die publicani auch durch ihre Handelsnetzwerke aus. P. Sittius, der in Nuceria durch eine Erbschaft zu großem Landbesitz gekommen war, hatte Handelsbeziehungen zum mauretanischen König aufgebaut und regen Handel mit Raubtieren für die immer spektakulärer werdenden Spiele in Rom betrieben.51 Cn. Calidius, dessen Sohn die senatorische Laufbahn eingeschlagen hatte, pflegte seit Jahren negotia, vermutlich mit Tafelluxus zu sizilischen Gemeinden.52 Die aus der Gegend von Antium stammende gens Cossutii war seit dem frühen zweiten Jahrhundert v. Chr. mit ihrer stetig wachsenden familia aus Freigelassenen und Clienten in Athen, der Ägäis, Aphrodisias, Puteoli, Luna und Rom im Marmorhandel tätig und einigen Cossutii eröffnete sich die politische Karriere und der Weg in den Senat. Vermutlich wurden sie Opfer der proscriptiones, das würde zumindest ihr plötzliches Verschwinden um 40 v. Chr. erklären. Dennoch blieb das Handelsnetz der Cossutii durch ihre liberti und clientes absolut intakt, wie Inschriftenfunde beweisen.53 Q. Turius hingegen vererbte seine negotia an andere publicani, die diese dann fortführen sollten.54 7.3 NEGOTIUM SENATORIS – DIE SENATORISCHE PARTIZIPATION O G E I7.3N R U L D H S M A –C P ZPAIZRTESCHONL–DMU.G73 AM SEEHANDEL T Seehandel treibende Senatoren werden bis zum Beginn des zweiten römischkarthagischen Krieges zum festen Bestandteil im Bild der römischen Wirtschaft gehört haben.55 Zu dieser Zeit pflegte man im westlichen Mittelmeer bereits merkantile Verbindungen zu Massalia und im östlichen Mittelmeer waren erste Kontakte mit Ägypten sowie Rhodos geknüpft worden.56 50
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Die bei Cic. Verr. 2,3,172 erwähnten manceps werden auch als Pächter und socii der societates puplicanorum verstanden, vgl. Steinwenter (1928) 987–997; ferner Bleicken (1995) 24, Anm. 38. Dennoch werden sich auch andere Gruppen am Getreidetransport verdingt haben, wie Rickman (1996) 40 annimmt. Cic. Sull. 56. 58; fam. 8,2,2. 5,5. 6,3. 7,10. 10,4; vgl. ferner Shatzman (1975) 312, 336. Cic. Verr. 2,4,43–45 erwähnt den Verkauf von silbernen Trinkhörnern an C. Verres. Zudem soll das Haus des Cn. Calidius voll mit silbernen Luxusgütern gewesen sein, daher liegt die Vermutung nahe, dass er auch damit Handel trieb. Vgl. Nicolet II (1974) 823f. Dazu die Untersuchung von Rawson (1975) 36–47; Torelli (1980) 313–321; ferner Nicolet I (1974) 222f.; II (1974) 857f. Cic. fam. 12,26,1. 27; vgl. Nicolet II (1974) 794, 1057. Die Liste der am Handel beteiligten publicani ließe sich ohne Weiteres fortsetzen, doch soll an dieser Stelle der Verweis auf deren Behandlung bei Nicolet I (1974) 372–379 genügen. Wäre dies nicht der Fall, so entbehrt das Zustandekommen der lex Claudia de nave senatorum jeglicher Logik. Denn warum sollte ein Volkstribun eine Gesetzesinitiative bezüglich der Handelsaktivitäten der Senatoren vorbringen, wenn es solche gar nicht gegeben hätte? Dazu Baltrusch (1989) 36, Anm. 41. Vgl. die Untersuchung von Barceló (1996) 49–52, der anhand von etrurischen Keramik- und Bronzefunden sowie ferner die in Etrurien-Latium und Campanien hergestellte schwarz gefirnisste Keramik Handelsbeziehungen zwischen Italien und Iberien ausmachen konnte. „Die Licinier, die Ogulnier, die Laetorier aus Etrurien, die Fulvier und Mamilier aus Tusculum,
7.3 Negotium senatoris – Die senatorische Partizipation am Seehandel
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Im Jahr 218 v. Chr. brachte der Volkstribun Q. Claudius dann einen Gesetzesentwurf zur Abstimmung, welcher die Beteiligung der Senatoren am Seehandel beeinflussen sollte. Im Wortlaut des Livius schrieb das Plebiszit fest, „daß kein Senator oder Sohn eines Senators ein Schiff von mehr als 300 Amphoren Fas57 sungsvermögen besitzen dürfe.“
Daraus zog Livius die Schlussfolgerung: „Diese Größe hielt man für genügend, um damit Früchte aus den Landgütern abzutransportieren. Jede Art von Gewinnstreben hielt man bei Senatoren für nicht geziemend.“58
Unter Mithilfe des Senators und homo novus C. Flaminius wurde das Gesetz zur Abstimmung gebracht und angenommen. Die altertumswissenschaftliche Forschung bietet Erklärungsmodelle und Deutungsansätze verschiedenster Couleur zur lex Claudia de nave senatorum, doch ein in die communis opinio der Forschung aufgenommenes Verbot des senatorischen Seehandels lässt sich aus der lex nicht ableiten.59 Da Livius unser einziger
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sowie die Atilier und Otalicier aus Campanien, alle entweder mit den Fabiern oder mit ihrem Anhang verbunden, halfen entscheidend mit, den Einfluß und die Macht dieses politischen Blocks innerhalb der römischen Senatsaristokratie zu stabilisieren. Alle diese berühmten Namen, die aufgrund ihrer senatorischen Karrieren immer wieder in den Fasten vorkommen, bildeten eigentlich nur die Spitze des Eisberges. Darunter wirkten zahlreiche ritterständische Familien, die deswegen unbekannt geblieben sind, weil sie nicht zum exklusiven Kreis der römischen Nobilität gehörten. Doch diese italischen Kaufmannsaristokratien waren enge Verbündete des römischen Senatsadels, der sich für ihre Interessen einsetzte.“ Kritisch dagegen etwa Lippold (1963) 95. Liv. 21,63,3: ne quis senator cuive senator pater fuisset maritimam navem que plus quam trecentarum amphorarum esset haberet. Liv. 21,63,4: – id satis habitum ad fructus ex agris vectandos, quaestus omnis patribus indecorus visus. Vornehmlich hat sich eine breite Vertreterschaft etabliert, welche in der lex Claudia den Ausschluss der Senatoren vom Seehandel und der Bindung an die Landwirtschaft sehen wollte, beispielsweise Gelzer (1983) 14f.; Bleicken (1989) 50f., 63ff; Heuß (2001) 81f., 134; Fellmeth (2008) 89. Ähnlich den Ausführungen Schleichs (1983) 49f. meint Baltrusch (1989) 35ff darin gesetzliche Disziplinierungsmaßnahmen erkennen zu wollen und stellt die lex Claudia in Beziehung zu den leges sumptuariae, wie die lex Metilia de fullonibus, die lex Oppia sumptuaria oder die Gesetze zum Tafelluxus, zu Geschenkegaben und zu Erbrechten, vgl. ders. 40–101. Yavetz (1962) 325–344 stilisiert eine wirtschaftliche Konkurrenzbeziehung zwischen Senatoren und publicani und will in dem Bestreben des C. Flaminius, dieses durchzusetzen, ein wirtschaftliches Kaltstellen der Senatoren erkennen; ähnlich auch De Martino (1991) 148, der dahinter ein politisches Konzept der Monopolisierung des Handels auf Geschäftsleute, also vornehmlich publicani, zu sehen meint. Ähnlich wie Pelletier (1969) 7–14 bezieht sich auch Bringmann (2003) 318ff in seiner Deutung der lex Claudia auf den historischen Rahmen ihres Zustandkommens und wertet sie als Kriegsgesetz, welches dazu diente, die umfangreichen maritimen Rüstungen der res publica zu Beginn des zweiten römisch-karthagischen Krieges durch die Akkumulation der Handelsschiffe für die Truppenversorgung zu stärken. In seinen Ausführungen lässt er sich jedoch zu unhaltbaren und übertriebenen Schätzungen hinreißen und meint, dass bis zu 1.150 Frachter für die Versorgung des Heeres von Nöten waren. Diese Vermutung stützt sich auf Pol. 1,52,5–6 Hinweis über
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Informant ist und nach unserem derzeitigen Kenntnisstand auch bleibt, müssen wir seinem Wortlaut wohl folgen. Demnach ist jedoch expressis verbis lediglich der Besitz von Schiffen ab einer bestimmten Größe für Angehörige der senatorischen Schicht verboten, d. h. kleinere Schiffe durften sehr wohl weiterhin unterhalten werden, auch wenn deren Nutzbarkeit für Handelsgeschäfte und größere Transporte sicher begrenzt war.60 Es wird jedoch keinerlei Interdikt ausgesprochen bezüglich der Nutzung von Handelsschiffen oder der Indienstnahme von navicularii für den Seehandel.61 Selbst Livius’ Verweis auf die Frevelhaftigkeit des Geldgeschäftes und Handels entspricht allein seiner ex post facto Deutung und kann einer kritischen Überprüfung nicht standhalten.62 Zwar können Hinweise von der Unrühmlichkeit der Geld- und Handelsgeschäfte in den Quellen, allem voran bei Cicero und Cato ausgemacht werden63, doch finden sich bei denselben Autoren Aussagen, die sehr wohl die Handelstätigkeit für moralisch richtig und wirtschaftlich notwendig befinden. So rät Cato jedem aristokratischen Landbesitzer, „[…]dass er eine Versteigerung veranlasst: Er verkaufe Öl, wenn es einen hohen Marktwert hat; an Wein und Getreide verkaufe er die Überschüsse; ältere Ochsen, minderwertige Rinder, minderwertige Schafe, Wolle, Felle, altes Fuhrwerk, alte Eisengeräte, einen betagten Sklaven,
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Transporterkontingente im ersten römisch-karthagischen Krieg, die Bringmann dann auf die Heeresgröße von 218 v. Chr. unreflektiert extrapoliert. In der Regel betrug die Lastfähigkeit eines antiken Frachters nach Schätzungen und Rekonstruktionen auf Grundlage von unterwasserarchäologischen Funden 50 – 80 t; vgl. Casson (1979) 170ff; Höckmann (1985) 62; Horden/Purcell (2000) 140. Ein bei Albenga an der ligurischen Küste gefundenes Schiffswrack hatte sogar 500 – 600 t transportiert, vgl. Parker (1992) 50. Die Tonnage des Wracks von Mahdia vor der nordafrikanischen Küste lud ca. 400 – 500 Tonnen, dazu Höckmann (1994) 54. 300 Amphoren sind dahingehend eine äußerst geringe Fracht und deren Schiffe dementsprechend klein, vermutlich entsprachen sie der Größe von Liburnen. Vgl. auch die Ausführungen von Lippold (1963) 94f.; ebenso Bringmann (2003) 316, doch schließt er für die Senatoren auch den Seehandel, bzw. das Geschäft mit dem Seetransport aus. De Martino (1991) 148 behauptet zudem, dass die lex Claudia alle indirekten Formen der Partizipation der Senatoren am Seehandel ausgeschlossen hätte, dabei findet sich nichts dergleichen in den Quellen. Der Besitz von Schiffen wird auch später durch die Repetundengesetzgebung Caesars (Dig. 50,5,3) aus dem Jahr 59 v. Chr. erneut festgeschrieben. Siehe auch Ciceros Anklagepunkt in seinen Verrinen (Cic. Verr. 2,5,45), bezüglich des von C. Verres in Auftrag gegebenen Schiffbaus; vgl. ferner De Salvo (1992) 63f. So auch Harris (1979) 66f.; D’Arms (1981) 31–34. Cic. off. 1,150: „Zu den schmutzigen Geschäften rechnet man auch die Zwischenhändler, die, was sie vom Großhändler kaufen, sofort wieder verkaufen.“ (Sordidi etiam putandi, qui mercantur a mercatoribus, quod statim vendant); ferner off. 1,151: „Der Kleinhandel aber ist zu den unsauberen Geschäften zu rechnen,“ (Mercatura autem, si tenuis est, sordida putanda est) Ferner Cic. Verr. 2,2,112. 4,8; Flacc. 70; fam. 13,22,2; 16,9,4; vgl. De Salvo (1992) 65f.; Gabba (1980) 95ff. Schleich (1983) 82–87 konnte unstrittig nachweisen, dass Cicero in seinen Aussagen vor allem Werte und Normen der hellenistischen Welt auf die römische Lebenswelt projizierte, so dass die Schlussfolgerung zutreffend ist: „Da sie weniger soziale Realität spiegeln als sie Bildungsgut transportieren, fallen sie als valide Stütze für Analysen des konkreten Verhaltens der römischen Führungsschicht aus.“ Zur Position der griechischen Philosophen zur Wirtschaft vgl. Fellmeth (2008) 13–18.
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einen kränklichen Sklaven, und alles, was sonst noch überflüssig sein sollte, verkaufe er. Ein Hausvater soll verkaufslustig, nicht kauflustig sein.“64
Während Cato allein den Verkauf von Waren für anständig und nachahmenswert erachtet, geht Cicero noch weiter, wenn er meint, dass „[…] der kapitalkräftige Großhandel, der die Verbrauchsgüter aus aller Welt heranschafft und sie ehrlich den Massen zukommen läßt, durchaus untadelhaft ist. Man wird ihn mit vollem Recht sogar loben können, wenn er sein Schäfchen im Trockenen hat und zufrieden mit dem, was er erwarb, - wie das nicht selten der Fall ist – sich von Übersee in den Hafen und von da unmittelbar auf seine ländlichen Besitzungen zurückzieht.“65
Die in den Quellen immer wieder aufblitzende moralische Tabuisierung senatorischer Handelsaktivitäten muss wohl eher im Zusammenhang mit maßlosem, unverhohlenem Erwerbsstreben gesehen werden, welches es anzuprangern und moralisch zu verwerfen galt.66 Doch wo lag die Grenze zwischen ehrenhaften Unternehmungen und „maßlosem“, streng zu verurteilendem Gewinnstreben?67 Die Homogenität innerhalb der senatorischen Aristokratie entsprach einer immer wieder propagierten und notwendigen gesellschaftlichen Konvention. Diese künstlich erzeugte Balance war jedoch Einwirkungen ausgesetzt, die sie in eine Schieflage zu bringen drohten. Ein auf privates Engagement fußender Erwerb von Reichtum und Gewinn konnte ein auslösender Faktor sozialer Dissonanz innerhalb der senatorischen Aristokratie sein. Denn in Rom ließ sich ca. ab dem zweiten Jahrhundert v. Chr. Politik nur mit erheblichen finanziellen Mitteln gestalten und diese Entwicklung nahm bis zum Ende der Republik unaufhörlich zu; ange64
Cato agr. 1,2,7: Auctionem uti faciat: vendat oleum, si pretium habeat; vinum, frumentum quod supersit, vendat; boves vetulos, armenta delicula, oves deliculeas, lanam, pelles, plostrum vetus, ferramenta vetera, servum senem, servum morbosum, et si aliut supersit, vendat. Patrem familias vendacem, non emacem esse oportet. Ferner praefatio 1; 1,2,5–6. Nach Plut. Cato maior 21,8 soll Cato seinem Sohn von der Richtigkeit und Notwendigkeit von Gewinn und Reichtum überzeugen wollen: „Er spornte seinen Sohn dazu an sein Vermögen zusammenzuhalten, indem er sagte, sein Vermögen abnehmen zu lassen sei nicht Sache eines Mannes, sondern einer Witwe. Ein noch stärkeres Stück Catos aber ist es, wenn er sich zu sagen unterfing, der müsse als ein bewundernswerter und göttlicher Mann gelten, aus dessen Büchern es sich erweise, daß er mehr Hinzuerworbenes als Ererbtes hinterlasse.“ (προτρέπων δὲ τὸν υἱὸν ἐπὶ ταῦτα φησὶν οὐκ ἀνδρός, ἀλλὰ χήρας γυναικὸς εἶναι τὸ µειῶσαί τι τῶν ὑπαρχόντων. ἐκεῖνο δ᾽ ἤδη σφοδρότερον τοῦ Κάτωνος, ὅτι θαυµαστὸν ἄνδρα καὶ θεῖον εἰπεῖν ἐτόλµησε πρὸς δόξαν, ὃς ἀπολείπει πλέον ἐν τοῖς λόγοις ὃ προσέθηκεν οὗ παρέλαβεν.) 65 Cic off. 1,151: sin magna et copiosa, multa undique apportans multisque sine vanitate impertiens, non est admodum vituperanda, atque etiam, si satiata quaestu vel contentia potius, ut saepe ex alto in portum, ex ipso portu se in agros possessionesque contulit, videtur iure optimo posse laudari. Vgl. Gabba (1980) 95f. 66 Mehrfach belegt durch Cic. Att. 1,4,3; off. 1,25; Tusc. 1,12; Sall. Cat. 48,5; Plin. n.h. 33,134; Vell. 2,46,2; Plut. Crassus 2,1; 11,1. 67 Wir haben zahlreiche Hinweise auf das hohe Ansehen von Erwerb und Reichtum: Pol. 7,56,3; 31,26,8–9. 27,11; Plin. n.h. 7,139; Plut. Crassus 2,7; Cass. Dio 40,27,3. Vgl. zudem den interessanten Gedankengang Schleichs (1983) 88 zur Stigmatisierung der Handels: „Händler und Kaufleute machten sich auch durch ihre berufsbedingte Reisetätigkeit suspekt, in einer weitgehend immobilen Gesellschaft bildeten sie ein Element der Instabilität; ihre Reisen verschafften Kenntnisse, die das Wissensmonopol der politischen Eliten gefährden konnten.“
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fangen bei dem Ausrichten der Spiele während der Aedilität und den generösen Zuwendungen für die plebs urbana wie bspw. Getreideschenkungen, über Bestechungen bei Wahlen und der Gerichte, die Versorgung von Veteranen, fiskale Unterstützungen der eigenen Clientel bis hin zur Finanzierung eines standesüblichen Lebensstils.68 C. Iulius Caesar ist ein anschauliches Beispiel für die existenzbedrohende Verarmung. Seine extrem hohe Verschuldung „verdankte“ er u. a. den prunkvollen Spielen, die er während seiner Aedilität abgehalten hatte. Er staffierte hunderte Gladiatoren mit silbernen Rüstungen aus und ließ es auch an der Finanzierung kostspieliger Bauten nicht mangeln. Die wachsende Gläubigerschaft zwang Caesar, überstürzt in seine ihm für das Jahr 60 v. Chr. zugewiesene provincia abzureisen, wo er durch Beute und Abgaben seine eigenen Taschen zu füllen und seine Schulden zu tilgen hoffte.69 Um mit SCHLEICHS Worten zu sprechen: „Die wirtschaftliche Interessenwahrung war kein Selbstzweck, sondern diente der Beförderung politischer Ansprüche. Politische Macht ließ sich spätestens seit sullanischer Zeit ohne unerhörte Finanzmittel weder gewinnen noch erhalten.“70
Neben zahlreichen anderen Einnahmequellen war auch der Seehandel ein lukrativer Nebenerwerb für die Angehörigen der Senatsaristokratie und ihr extensiver Missbrauch drohte die auf Homogenität eingeschworene und ausgerichtete Gesellschaftsschicht zu sprengen. Daher nimmt es auch nicht wunder, dass Cato, der Censor, einerseits in seinem Werk de agricultura voll des Lobes über die landwirtschaftliche Natur des römischen Aristokraten ist und diese immer wieder über die Maßen preist, sich aber anderseits nach den Hinweisen Plutarchs indirekt – für die Augen seiner Standesgenossen nicht auf Anhieb erkennbar – am lukrativen Seehandel bereicherte, wofür er seinen Freigelassenen Quinctio als Mittelsmann nutzte und über diesen bei einem Seehandelsunternehmen Anteile kaufen ließ.71 Und Cato war kein Einzelfall, höchstens das wohl prominenteste Beispiel. Dezidierte prosopographische Untersuchungen und Amphorenfunde der letzten Jahrzehnte konnten nachweisen, dass die Senatoren, ähnlich wie der ältere Cato, vornehmlich durch Freigelassene oder mittels ihrer Clientelbeziehungen am römischen Seehandel partizipierten.72 In einigen Fällen gelang es sogar die vielgestaltigen Handelsaktivitäten der aristokratischen Führungsschicht der res publica 68 Vgl. die Ausführungen von Shatzman (1975) 84–98, 159–167; Gelzer (1983) 91–102; Schleich (1984) 57f.; Bleicken (1989) 52ff; Christ (2000) 101f.; Heftner (2005) 399ff. 69 Zu den prunkvollen Spielen Sall. Cat. 49,3; Suet. Caes. 10; Plin. n.h. 33,53; App. b.c. 2,1,3; Plut. Caesar 5,8–9; Cass. Dio 37,8,1–2; vgl. Grant (1970) 46ff; Gesche (1976) 23f., Will (1992) 24; Canfora (2001) 33ff. Meier (2004) 188–191. 70 Schleich (1984) 57. Vgl. hierzu die prospographische Analyse von Shatzman (1975) 143– 158, der an Hand von sechzehn römischen senatorischen Familien die Bedeutung von Kapital und politischem Einfluss überzeugend dargelegt hat, und zu dem Ergebnis kommt: „The results show a correlation between economic prosperity and political prominence […] property and capital were indispensable means towards success in Roman politics.“ 71 Plut. Cato maior 21,6. 72 Dazu D’Arms (1981) 42–46, 58, 63f., 150f., 154; Schleich (1984) 61–69; Schuster (2005) 198.
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populi romani en detail zu rekonstruieren. Nachfolgend sollen fünf Möglichkeiten senatorischer Partizipation am Seehandel genauer erörtert werden: (1) durch fenus nauticum, (2) durch Produktion und Vertrieb von Amphoren, (3) durch Freigelassene und Clienten, (4) durch Besitz von Lagerhallen (horrea) und (5) als adfines von societates publicanorum. (1) fenus nauticum: Das fenus nauticum (Seedarlehen) war aus der griechischen Rechtspraxis (ναυτιχός τόόχος) übernommen, sowie auf römische Verhältnisse zugeschnitten worden und sah vor, dass ein oder mehrere Gläubiger mit ihrem Geld (pecunia traiecticia) für die Risiken des Seehandelsverkehrs und bei eintretendem Schiffbruch oder bei Seewurf für den Verlust der Waren hafteten. Im Gegenzug mussten die Schuldner, die eine solche Hypothek in Anspruch genommen hatten, erhebliche usurae maritimae oder fenus (Zinsen) zahlen, die sich nach der Reisedauer bzw. dem Reiseziel orientieren konnten, nach oben hin keine Grenzen kannten (infinitum) und den Schiffseigner bzw. Händler oft zur Verpfändung seines Schiffes und/oder der Ware zwangen.73 Bereits Cato, der Censor, betätigte sich als Gläubiger von Seehandelsunternehmen, wobei er darauf achtete, dass diese für ihn auch genügend Gewinn abwarfen. Beispielsweise verlieh er das Geld an eine Gesellschaft von 50 Händlern mit ebenso vielen Schiffen. Dazu ließ er sogar durch Qunictio Anteile dieses Handelsunternehmens kaufen, so dass er trotz des hohen Zinnsgewinns nicht allein das gesamte Risiko zu tragen hatte.74 73 Schuster (2005) 188–195 und zu der griechischen Vorlage ders. 28–129. Auch wenn die Nachweise zum fenus nauticum aus der Kaiserzeit stammen (Dig. 22,2,8), verweisen die Digesten (14,2,2 pr. u. 3. 7) mehrfach auf die juristische Ausarbeitung griechischen Seerechts – wie etwa die aus der lex Rhodis de iactu rezipierte Schadensregulierung in Folge von Schiffswurf (iactus mercium) – durch republikanische Rechtsgelehrter wie S. Sulpicius Rufus, Ofilius und Labeo hin, so dass davon auszugehen ist, dass diese Art des Darlehens bereits seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. in die römische Rechtspraxis aufgenommen und praktiziert worden war. Vgl. Klingmüller (1909) 2200f.; De Martino (1991) 151f.; De Salvo (1992) 336—372; Andreau (1999) 132. Schuster (2005) 185 einschl. Anm. 49 vermutet, dass sich die Römer bereits Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. des fenus nauticum bedienten, auch wenn er gleichzeitig anmerkt: „Zu beweisen ist diese Vermutung freilich nicht; sie gründet sich lediglich auf die Wahrscheinlichkeit, dass der aufkeimende römische Seehandel zunächst von wagemutigen aber kapitalschwachen Händlern betrieben wurde, die auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten für ihre Handelsunternehmungen nicht gezögert haben dürften, ein Seedarlehen aufzunehmen, zumal dieser Weg der Geldbeschaffung in den griechischen Häfen bzw. Kolonien in Italien, mit deren Eroberung die Römer am Anfang des 3. Jhdts. v. Chr. begonnen hatten, ohnehin die übliche Vorgehensweise war.“ 74 Plut. Cato maior 21,6. Kienast (1954) 33–36 stützt die von Plutarch tradierten Handelsunternehmungen Catos durch Catos Engagement gegen die lex Iunia de feneratione, womit den Wuchergeschäften ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Nach Kienasts Dafürhalten war Cato schon ab 200 v. Chr. in die Geldgeschäfte mit fenus nauticum involviert und verfügte durch die ererbten Ländereien über Kapital, welches er dann investieren konnte: „Der ihm hieraus zufließende Gewinn wurde dann wohl in Handelsgeschäften, wie sie Plutarch schildert, angelegt.“ Die Wertung von Catos Geldgeschäften ist in der Forschung umstritten.
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7. Der römische Überseehandel
Der Senator C. Sempronius Rufus hatte sich mehrfach an Handels- und Geldgeschäften in der Hafenmetropole Puteoli beteiligt, so dass Cicero seinem Freund Atticus ironisierend schrieb, dass man, wenn man durch die Straßen von Puteolis Handelsviertel ginge, nicht darum herumkäme, Sempronius zu erblicken, der dort immer auf der Suche nach Geschäften sei.75 Ein solches Geschäft konnte D’ARMS überzeugend rekonstruieren:76 Demnach verdingte sich Sempronius Rufus als faenerator eines fenus nauticum oder eines Seefrachtvertrages und lieh zwei einflussreichen Händlern Puteolis, C. Vestorius und M. Tuccius, Geld für ein Handelsunternehmen. Ein zwischen 1968–1975 vor der südgallischen Küste, südwestlich von Massalia gefundenes Schiffswrack liefert zudem genauere Details der Seehandelsvereinigung. Unterwasserarchäologen konnten Amphoren, welche das Produktionszeichen von M. Tuccius trugen, bergen und verschiedene Färbereistoffe, wie Rubinschwefel, Bleiglätte und auch Stahlblau, dessen Herstellungsweise nach einer Notiz bei Vitruv von C. Vestorius aus Alexandrien nach Puteoli gebracht worden war, im Inneren des Wracks ausfindig machen.77 Dieser archäologische Fund lässt den Schluss zu, dass M. Tuccius und C. Vestorius das Schiff für den Transport von Farbstoffen und Amphoren gemeinsam gechartert und dafür ein Seedarlehen bei Sempronius Rufus aufgenommen hatten. Als ihre Produkte beim Seeunglück vor Massalia nun verlorengingen, haben sie den Wert ihrer Waren gemäß dem fenus nauticum von ihm zurückgefordert, mit einigen Schwierigkeiten, denn alles deutet daraufhin, dass sich Sempronius Rufus weigerte, für den Schaden aufzukommen.78 JOHN D’ARMS kommt zu dem Schluss, dass:
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Während Fellmeth (2008) 88f. zwischen Catos Äußerungen in seinen de agricultura und den Geldgeschäften mit fenus nauticum eine Doppelzüngigkeit erkennt, ist für Schuster (2005) 185f. Anm. 51 ein solcher Dissens nicht erkennbar, denn „In den hohen Zinssätzen beim Seedarlehen lag der Ausgleich der Risikoübernahme, das Rechtsgeschäft galt daher nicht als wucherisch“. Vgl. ferner Frank (1975) 207f.; Gabba (1980) 92f.; De Salvo (1992) 65; Gehrke (2000) 156ff; Temin (2001) 175f.; Schulz (2005) 172f. Cic. Att. 5,2,2. D’Arms (1980) 78–81; ders. (1981) 48–55; ferner Schulz (2005) 173f. Vitr. 7,11,1; Plin. n.h. 33,162. Zum Schiffswrack „Planier C“ vgl. Parker (1992) 316f., Nr. 826. Anders Schulz (2005) 173f. der fälschlicherweise M. Tuccius’ Stempel auf dem Terra sigillata und nicht auf den Amphoren erwähnt. Lange Zeit sind die Amphoren, auf denen M. TVCCI.L.F.TRO[MENTIINA TRIBU].GALEONIS zu lesen ist, nicht in Verbindung zu den in Cic. Att. 8,7,1 erwähnten M. Tuccius gebracht worden. Dabei hatte Münzer (1939) 767 den M. Tuccius und den von Cic. Att. 11,13,4 Galeo als ein und dieselbe Person identifiziert, so dass daran anknüpfend D’Arms (1980) 79; ders (1981) 51f. die Verbindung zu den Amphoren des Wracks „Planier C“ herzustellen vermochte. Es war keinesfalls unüblich, dass sich Händler verschiedenster Waren ein Schiff teilten, so dass man diesbezüglich auch rechtliche Vorschriften festzuschreiben hatte. Dies ist bezeugt für den Seewurf, nach der lex Rhodia de iactus, siehe Dig. 14,2,2,2. Dass Vestorius und Tuccius Druck auf Sempronius ausgeübt haben, bezeugt die von Cic. Att. 5,2,2 berichtete Situation, in der Sempronius in Cumae sich von Vestorius beobachtet fühlte und ihm aus dem Weg ging. Ferner ist von Cic. Att. 8,7,1 der Versuch des Sempronius tradiert, M. Tuccius unter Berufung auf die lex Plotia wegen Gewaltverbrechen anzuklagen. Ob es solche Gewaltübergriffe wirklich gab, muss ungeklärt bleiben, denn der Versuch scheiterte und mündete in einer Gegenklage wegen falscher Anklage. Cic. Att. 6,2,10 legt nahe, dass hierbei Vestorius seine Finger mit im Spiel hatte, wenn er zum einen sein Bedauern über die Naivität des
7.3 Negotium senatoris – Die senatorische Partizipation am Seehandel
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„[…] this commercial grouping of C. Vestorius, M. Tuccius Galeo, and C. Sempronius Rufus illustrates precisely and concretely one feature of organization […] the principle of social heterogeneity in trading operations. For this partnership the boundaries of status are blurred, with the men of different social levels involved: a municipal notable, a freeborn member of the tribe Tromentina, and a Roman senator.”79
(2) Amphorenproduktion: Die gens Sesti verfügte über Landbesitz auf dem ager Cosanus an der italischen Westküste.80 In derselben Gegend entdeckten in den vergangenen 40 Jahren Archäologen zahlreiche Amphoren und Amphorenscherben einer Produktionsstätte, die mit der Aufschrift SES oder SEST auf die gens Sestia als Produzenten hindeuten.81 Noch erstaunlicher ist, dass Amphoren mit der Beschriftung SEST in einem 1952 entdeckten Schiffswrack vor der Küste Massalias geborgen wurden82, was eine Partizipation der Sestia am etrurischen Weinhandel sehr wahrscheinlich macht.83 Durch Cicero haben wir Kenntnis von engen verwandtschaftlichen Beziehungen des Senators P. Sestius zu Personen in Massalia, die ihn auch zu Seereisen in die griechische Hafenstadt veranlasst haben.84 Zudem muss die Familie, wie auch andere Angehörige der Senatorenschaft, mehrere Schiffe besessen oder
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Sempronius äußert, womit er vermutlich auf den kläglichen Anklageversuch Bezug nimmt, und zum anderen Vestorius um seinen Einfluss beneidet. Entweder Tuccius übte wirklich derart Druck auf Sempronius aus, dass dieser um sein Leben fürchtete und daher die Anklage vorbrachte – und das Scheitern allein auf Vestorius’ Einfluss zurückzuführen ist – oder aber Sempronius suchte nach einer Möglichkeit, sich dieses lästigen Gläubigers zu entledigen. D’Arms (1981) 55 kommt zu dem Schluss, dass „[…] M Tuccius Galeo and C. Vestorius were harassing C. Sempronius Rufus for his failure to pay his proper share of damages attendant upon the loss for his failure to pay his proper share of damages attendant upon the loss of his (or another) ship and its cargo through naufragium“. D’Arms (1981) 55. Cic. Att. 15,29,1; vgl. ferner D’Arms (1981) 56. Insgesamt machen die SEST-Amphoren mehr als 10% der Amphorenfunde rund um Cosa aus, vgl. dazu Manacorda (1978) 122f.; Will (1989) 339–350. Da ein Großteil der Amphoren nach Untersuchungen der Oberfläche im Inneren wohl nie in Gebrauch gewesen waren, konstatiert D’Arms (1981) 58, dass „[…] the unused condition of the mass of Sestius amphora fragments found at Cosa signifies that Cosa was the place of containers’ manufacture.“ Der Begründer dieses „Familienunternehmens“ könnte L. Sestius, der Vater des Senators P. Sestius gewesen sein, der er sich aus anderen, von Cic. Sest. 6 jedoch nicht bekannten Gründen von seiner politischen Karriere verabschiedete, vgl. dazu D’Arms (1981) 59ff. Will (1956) 224ff; vgl. auch die Illustration bei D’Arms (1981) Abb. 8. Zum Wrack „Grand Congloué B“ Parker (1992) 201, Nr. 473. Vgl. D’Arms (1981) 58: „Nevertheless, the Cosan properties of Sestius produced wine jars, and in quantity; that is the most reasonable explanation of the family’s attachments, attested on amphorae and in literature, to the town.“ Zur Weinherstellung auf dem ager cosanus vgl. Carandinis (1980a) 1–10 Ausführungen zur villa di Settefinestre; ferner Manacorda (1980) 173ff. Cic. Sest. 7. Der Vater seiner zweiten Gattin Cornelia, L. Scipio Asiaticus, war nach Massalia ins Exil gegangen. Dorthin war Sestius mit Cornelia per Schiff gereist. Es ist mehr als ein Zufall, dass vor der Küste Massalias ein Schiff unterging, das Amphoren mit seinem Namen geladen hatte.
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7. Der römische Überseehandel
zumindest unterhalten haben, denn der Sohn des P. Sestius, Lucius, stellte diese den Caesargegnern im Sommer 44 v. Chr. zur Verfügung.85 Neben den Sestii sind noch weitere Senatoren als Erzeuger oder Vertreiber von Amphoren inschriftlich bezeugt: Appius Claudius Pulcher (Consul des Jahres 38 v. Chr.)86, L. Tarius Rufus87, M. Herennius Picens (Consul von 34 v. Chr.)88, T. Rufrenus (Legat unter dem Triumvir Lepidus im Jahr 43 v. Chr.)89, und C. Vibienus.90 (3) Freigelassene: Wie bereits oben ausgeführt, hatte sich schon Cato, der Censor, selbsternannter Moralist und Vertreter eines überkommenen aristokratischen Ethos’, durch seinen Freigelassenen Qunictio am Seehandel beteiligt, indem er durch ihn Anteile an einer Handelsgesellschaft erwarb. Die aus Campanien stammende gens Lucceii hatte seit Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. vereinzelt römische Magistraturen bekleidet und war in den unterschiedlichsten wirtschaftlichen Bereichen tätig: Geldgeschäfte in Rhegium, Immobiliengeschäfte in Rom (Vici Lucceii) und Landbesitz in Puteoli. Darüber hinaus waren Freigelassene der Familie auf Delos tätig und beteiligten sich dort als Vertreter der Lucceii im Wein- und Ölhandel.91 Mit der vor einiger Zeit von WILLIAM HARRIS vorgelegten Arbeit kann sogar eine 85
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Cic. Att. 16,3,4. Der bei Cicero anklingende Wortlaut legt nahe, dass es sich dabei nicht um Kriegsschiffe gehandelt habe. Ferner ist durch Cic. Att. 16,3,4 der Besitz von Schiffen auch für den Senator Bucilianus belegt, wobei der Verdacht der kommerziellen Nutzung der Schiffe gestärkt wird, von Cic. Att. 15,18,2, der eine Zusammenarbeit des Bucilianus mit den Sesti andeutet; vgl. dazu D’Arms (1981) 65. Auch ein Lentulus wird von Cic. Att. 1,4,2. 5,2 als Schiffseigner erwähnt, der Ciceros Kunstwerke von Athen nach Rom verschiffen soll. Die Zugehörigkeit dieses Lentulus zur senatorischen Aristokratie wird von Shatzman (1975) 333f.; D’Arms (1981) 68 einschl. Anm. 78 angenommen. Amphoren aus Mutina und Gallien tragen seinen oder den Namen seines Bruders CIL I², 2345: AP[PI] PULCHRI; III, 12010,4: AP[] PULC[HE]R. Vermutlich war er dadurch am Weinhandel beteiligt, vgl. Shatzman (1975) 321ff. Rufus muss am Handel mit dalmatinischen Hafenstädten beteiligt gewesen sein. Amphoren mit seinem Namen sind bis nach Este und Zagreb gelangt, CIL III, 2878: M[ARCUS] TARUS C[AI] F[ILIUS] TRIERA / SEX[TO] TARIO C[AI] F[ILIO] FRATI / TARIAE C[AI] F[ILIAE] TERTIAE SOROR[I] / Q[UINTO] TARIO C[AI] F[ILIO] FRATI / VIVOS [!] FECIT ET SUIS FILIIS; 3060: L[UCIUS] CENIONIUS L[UCI] LIB [ERTUS] / CLA[UDIA] PRIAMUS / VI[V(U)]S FECIT SIBI ET / TARIAE [3] LIB[ERTAE] P[RIMI] / GENIAE UXOR[I] / CARIS[SIMAE, 12010,30: L [UCIUS] TARI[US] RUFI[US], und V, 8112,78: L[UCI] TARI RUFI[]; vgl. Shatzman (1975) 400. Picens’ Amphoren fand man nicht nur in Rom, sondern auch noch in Attika, Mutina und Afrika vgl. Callender (1965) 1099–1105; Wiseman (1971) 235. CIL XI 6700, 558–562; Wiseman (1963) 275–283. Cic. Mil. 37; CIL XI 6700, 760–764; Wiseman (1963) 275–283. Nach Cic. Verr. 2,5,165 erbte ein Q. Lucceius eine große Bank in Rhegium. Großer Landbesitz in Puteoli ist aus Cic. fam. 5,16,2; Att. 15,2,1; 16,2,3 abzuleiten. Eine in Delos gefundene Inschrift (Inscr. Delos 1763) eröffnet eine Verbindung eines auf Delos handelnden Freigelassenen, dessen Patron ein Lucceius war. D’Arms (1981) 64 konstatiert eine Beteiligung der Lucceii am Öl- und Weinhandel. Zu den Immobiliengeschäften in Rom vgl. Richardson (1992) 425; LTUR V (1999) 176f.; Kolb (2002) 287.
7.3 Negotium senatoris – Die senatorische Partizipation am Seehandel
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Partizipation einzelner Senatoren am Sklavenhandel mit Hilfe ihrer Freigelassenen erwogen werden. Letzte Sicherheit verschafft der derzeitige Forschungsstand jedoch nicht.92 (4) Horrea: Seit dem zweiten römisch-karthagischen Krieg prosperierte die Tibermetropole, und mit der anwachsenden Bevölkerung stieg auch der Bedarf an Getreide. Um die riesigen notwendigen Mengen lagern zu können begann M. Aemilius Lepidus 192 v. Chr. bei dem Neubau des Portus Tiberinus auch mit der Errichtung von Getreidespeichern, so genannten horrea. Als durch die lex frumentaria des C. Semporinus Gracchus die öffentliche Getreidespende an die stadtrömische plebs eingeführt wurde, stieg der Getreidekonsum weiter an und die Kapazität der bestehenden horrea genügte nicht mehr. In dieser Situation ließen einzelne gentes wie die Sulpicii auf ihren Grundstücken in Rom Lagerhallen errichten, die nicht nur ihren Namen trugen, sondern auch vermietet wurden, wodurch sie unweigerlich Gewinne am Getreidehandel abschöpften.93 (5) Societas publicanorum Neben Seedarlehen und Seefrachtverträgen boten auch die patres (Anteilscheine) der societates publicanorum den Senatoren die Möglichkeit, mittels Kapitalinvestitionen vom Seehandel zu profitieren. Der Consul von 132 v. Chr., P. Rupilius, hatte während seiner Statthalterschaft in Sicilia mit den dort ansässigen publicani zusammen gearbeitet und Anteile an deren societas erworben. Es ist interessant, dass die Rupilii nach 132 v. Chr. in den Consularfasten nicht mehr zu finden sind. Der Grund wird jedoch weniger in P. Rupilius’ Beteiligung an den Geschäften der publicani, als vielmehr in seinem Vorgehen gegen die mit Tiberius Gracchus verbündeten Senatoren bestanden haben. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts v. Chr. taucht dann wieder ein P. Rupilius auf, doch nicht etwa als römischer Magistrat, sondern als magister einer einflussreichen societas publicanorum. Es wäre möglich, dass die Rupilii nach ihrem Verschwinden aus dem politischen Leben Roms ein neues Betätigungsfeld suchten und dieses in publica fanden.94 T. Aufidius entstammte einer gens, die seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert regelmäßig Senatoren stellte und vielfältige Geschäfte abwickelte, sei es in Tarracina, Metapontum, Athen oder auf Delos, Tenos und Naxos. In dieser
92 Vgl. Harris (1980) 129, der eine Verbindung zwischen dem in Plin. n.h. 7,56; Suet. Aug. 69,1; Macrob. Sat. 2,4,28 erwähnten Sklavenhändler Toranius Flaccus und dem Quaestor von 73 v. Chr. sowie Vormund des Octavian, C. Toranius, (Sall. hist. 3,64Mc.; Suet. Aug. 27,1; Flor. 2,8,5; App. b.c. 4,47) erkennen will, da „The nomen is a rare one“. 93 Cic. Ac. 2,51; Liv. 35,10,12; 41,27,8; Hor. 4,12,8; CIL VI 30855; dazu Shatzman (1975) 260f.; Richardson (1992) 193; Rickman (1996) 139f.; LTUR III (1996) 40ff; Kolb (2002) 211. 94 Cic. Verr. 2,2,32–44. 59. 90. 125; P. Ascon. 264; Val. Max. 3,7,1; 6,9,8; Shatzman (1975) 103, 193.
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7. Der römische Überseehandel
Tradition erwarb T. Aufidius Anteile einer societas publicanorum, welche die portoria in seiner provincia Asia gepachtet hatte.95 Zudem haben wir Kenntnis von mehreren Senatoren, die während ihrer Statthalterschaft in den Provinzen des Reiches eng mit den dortigen publicani und negotiatores kooperierten. Leider geben die Quellen in der Mehrzahl keine detaillierten Informationen über die Art und Weise der Zusammenarbeit. Lediglich von M. Fonteius wissen wir, dass er in seiner provincia Gallia narbonensis die Hafenzölle (portoria) auf Waren, wie etwa Wein, deutlich erhöhte, was zu einer Bereicherung der publicani, die diese portori gepachtet hatten, führte.96 Ansonsten wird nur allgemein von durch die Statthalter gewährten Vergünstigungen oder Privilegien für die publicani berichtet, die – wenn man die Beschlüsse des Fonteius und des Vatia berücksichtigt – mit großer Wahrscheinlichkeit die portoria in den Handelshäfen und Umschlagstädten betrafen.97 Es ist wohl offensichtlich, dass derlei Vergünstigungen von den publicani entlohnt wurden, so dass diese Beispiele auch als Partizipation am lokalen Seehandel interpretiert werden können. Unter den von 1–5 angeführten mannigfachen Wegen, auf denen sich Senatoren am Seehandel zu beteiligen wussten, stellte das fenus nauticum mit seinen komplexen Geldtransaktionen sicher die lukrativste Variante dar. Fest steht, dass handeltreibende Senatoren bzw. Angehörige der Senatoren, zum realistischen Bild der römischen Wirtschaft gezählt werden müssen und die lex Claudia de nave senatorum nicht den Stellenwert innerhalb des regimen morum eingenommen und die Absicht, Senatoren vom Seehandel fernzuhalten, verfolgt hatte, wie landläufig gedeutet. Während des Principats nehmen die Quellenhinweise zu senatorischen Handelsaktivitäten zu, und zeichnen ein weitaus komplexeres Bild, als es für die Zeit der Republik derzeit möglich ist.98
95 Cic. Flacc. 45; Val. Max. 6,9,7. Nach Varr. rust. 2,9,6 gehörte einem P. Aufidius Pontianus aus Amiternum Weideland in der Bucht von Tarent, und Cicero nennt einen Sex. Aufidius, der negotia in Afrika besaß; zu weiteren Vertretern der gens CIL I², 1554. 1805. 2236; IG III 3208; XII 5, 39,v.15. 860; vgl. Shatzman (1975) 306f. 96 Cic. Font. 11–15. 19–20. 32. 46; vgl. Shatzman (1975) 341. Ferner bestätigte nach Cic. Att. 6,1,16 P. Servilius Vatia die hohen Zinssätze, zu welchen die publicani Gelder an die kilikischen Städte verliehen. Zu dem Einfluss der publicani auf die Statthalter siehe Schulz (1997) 197ff. 97 Kenntnisse von der Gewährung von Vergünstigungen für die publicani haben wir für M. Iuventius Laterensis und Appius Claudius Pulcher in Cilicia, Cic. Planc. 63; fam. 3,7,4; vgl. Shatzman (1975) 321ff, 375 sowie für Q. Cornificius in Africa Cic. fam. 12,26–27; Shatzman (1975) 337. 98 Dazu Schleich (1984) 42f.: „Doch kann aus dem Schweigen der Quellen […] aber noch nicht auf Desinteresse senatorischer Kreise an Gewinnen geschlossen werden, denn literarische und soziale Konventionen führten zu einer Ausklammerung wirtschaftlichen Interessen und Ambitionen antiker Kommunikation.“ Eine Zusammenstellung der verschiedenen Handelsaktivitäten mit Verweis auf einschlägige Behandlungen in der Forschung liefert Schleich (1984) 43–47; vgl. ferner die Ausführungen von D’Arms (1981) 155ff, 169f.
7.4 Navicularii – Private Reeder und Schiffseigner im Dienste Roms
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7.4 NAVICULARII – PRIVATE REEDER UND SCHIFFSEIGNER IM DIENSTE ROMS RENGIFSDCHUTA–VMPLO.74 Staatlich organisierte Handelsschifffahrt war den Römern bis in die Kaiserzeit hinein völlig fremd. Vielmehr engagierte man für notwendige Transporte aus den Provinzen in die Tibermetropole – wobei dem Getreidetransport eine besondere Bedeutung zukam – private Schiffseigner, die navicularii.99 Sie werden in den republikanischen Quellen mehrfach mit den mercatores in Verbindung gebracht und in einigen Fällen waren sie Händler und Reeder in einer Person.100 Die navicularii betrieben daher entweder selbst Seefahrt oder aber vermieteten ihre Schiffe an Kaufleute bzw. an collegia oder conventus der negotiatores. Ob sie sich bereits in republikanischer Zeit in den Dienst des Staates stellten, kann nicht eindeutig geklärt werden.101 Immerhin erwähnt Cicero mehrfach das öffentliche Engagement in der Absicherung der Tätigkeiten der navicularii102, und einige den Seehandel allgemein und die navicularii im Besonderen betreffende Rechtsliteratur hat sich bereits im letzten vorchristlichen Jahrhundert ausgebildet.103 Ferner haben wir wiederholt Kenntnis von navicularii, die in gutem Kontakt zu führenden römischen Politikern standen. C. Marius beispielsweise pflegte freundschaftliche Beziehungen zu einem navicularius namens Numerius aus Ostia. Mit dessen Schiffen gelang ihm die Flucht aus Italien, nachdem er Sulla in den Kämpfen vor den Toren Roms unterlegen war.104
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Zu den navicularii siehe immer noch die Ausführungen von Stoeckle (1935) 1902–1932, der u.a. in der Heeresversorgung von 215 v. Chr. durch die publicani schon Tätigkeiten der navicularii annimmt. Ferner Casson (1980) 21–34; De Martino (1991) 365f.; De Salvo (1992) 69–182; Rickman (1996) 124ff. Cic. Manil. 11; Verr. 2,5,153. Uns ist aus Puteoli aus der Zeit der Republik ein mercator et navicularis namens P. Granius bekannt, den Cic. Verr. 2,5,154 als Zeugen für C. Verres’ Verbrechen in Sicilia anzuführen gedachte. Ferner erwähnt Cicero einen Freigelassenen im Dienst des Granius. Zudem war Cicero mit einem Getreidehändler aus Puteoli, C. Avianius Flaccus, eng befreundet (fam. 13,35,1. 75), der zudem Schiffsbesitzer war. Zu der Verbindung von Händler und Schiffseigner auch De Salvo (1992) 225–237, 373ff; Rickman (1996) 72f., 124f. Cic. fam. 16,12,4 rügt die navicularii für ihre teils riskanten Seefahrten, da sie angeblich nur auf den Gewinn aus seien. Zur Verbindung zu den conventus bzw. collegia vgl. Anm. 12 (Kapitel 7.1). vgl. ferner Stoeckle, (1935) 1902f.; De Salvo (1992) 259f. Cic. Manil. 11; Verr. 2,5,149. Die rechtlichen Vorschriften beinhalteten Regelungen zwischen dem Reeder (auch als exercitor navis bezeichnet) und seiner Schiffsmannschaft, dem magister navis (Kapitän) und den navicularii (hier: Seemänner). Die actio exercitoria beispielsweise war bereits Ofilius bekannt (Dig. 14,1,1,9). Nach Dig. 19,2,31 äußerte sich schon Alfenus Varus zu Detailfragen der actio oneris aversi. Ferner erarbeitete im receptum nautarum (Dig. 4,9,3,1), welche die Schadensregulierung bei Frachtbeschädigung und/oder -verlust regelte, Labeo zu Beginn des Principat einen Passus zum Piratenüberfall und Schiffbruch. Vgl. De Martino (1991) 156, der die Klagen wegen Diebstahls und Schadens bei Seefahrten vor dem Edikt gegen Raub, das von Terentius Lucullus um 76 v. Chr. erlassen worden war, datiert. Vgl. ferner De Salvo (1992) 299–316. Plut. Marius 35, 6.
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7. Der römische Überseehandel
Caesars maritime Macht während seiner spanischen Statthalterschaft fußte auf seiner engen Bindung zum einflussreichsten Reeder in Gades, L. Cornelius Balbus. Zu diesem hatte er gastfreundschaftliche Beziehungen aufgebaut und ihn in seinen Stab als praefectus fabrum aufgenommen. Im Gegenzug versorgte Balbus den Iulier mit Schiffen für seine Atlantikfahrt entlang der hispanischen Westküste, sowie für die zweite Britannienexpedition während seiner gallischen Statthalterschaft.105 Zudem gibt es Hinweise, dass Pompeius gute Verbindungen zu zahlreichen navicularii Brundisiums unterhielt106, vermutlich noch aus der Zeit seines Sonderkommandos zur Sicherstellung der Getreideversorgung Roms.107 Cicero muss den Reeder Mescinius gut gekannt haben, da er seine besonnenen nautischen Fähigkeiten rühmte und ihn seinem Freund und Freigelassenen Tiro für dessen Heimreise aus der Provinz Cilicia nach Brundisium empfahl.108 Auch wenn in den hier erwähnten Beispielen die navicularii als einzeln handelnde Personen auftauchen, so haben sie sich wohl noch in der Zeit der späten römischen Republik in collegia navicularium zusammen geschlossen, die gemeinsam ihre Interessen zu vertreten suchten.109 In der Kaiserzeit erfahren sie für ihre 105 Vgl. hierzu die Ausführungen im Kapitel 4.3.1. S. 178ff. 106 Dies wird aus Cic. Att. 9,4,2 ersichtlich. Cicero lässt seinen Freund Atticus an einem Gespräch, welches er mit Postumus über die Lage in Brundisium geführt hatte, teilhaben. Während Cicero bezweifelt, dass Pompeius einen Reeder finden wird, der ihn unterstützen würde, widersprach ihm Postumus mit dem Hinweis, dass doch Pompeius’ „[…] Wohlwollen gegenüber den Reedern allgemein bekannt sei.“ ([…]audita naviculariis hominis liberalitas esset). 107 Der gute Freund Ciceros und navicularius sowie mercator C. Avianius Flaccus, Angehöriger der Avianii, einer einflussreichen und über das Mittelmeer weitverstreuten Händlerfamilie, genoss nach Cic. fam. 13,75 besondere Privilegien, die er von Pompeius während dessen imperium extraordinarium für die Getreideversorgung erhalten hatte. Bedenkt man den Umfang des römischen Getreidebedarfs, so ist es wahrscheinlich, dass Avianius keine Ausnahme, sondern vielmehr die Regel darstellte und auch andere navicularii derart begünstigt wurden. Wir werden es der Freundschaft zu Cicero zu verdanken haben, dass die Nachricht über die Privilegierung der navicularii durch Pompeius zu uns gekommen ist. Zu den Avianii vgl. D’Arms (1981) 28. 108 Cic. fam. 16,12,4. Tiro war seinem Lehrmeister in dessen provincia Cilicia gefolgt und hatte ihm dort wertvolle Dienste erwiesen, vgl. McDermott (1972) 259–286. 109 In der Literatur herrscht über die Entstehungszeit der collegia naviculariorum Unklarheit, vgl. den Überblick der älteren Literatur bei Stoeckle (1935) 1903f.; weiterhin Rostovtzeff I (1985) 133; De Martino (1991) 367; De Salvo (1992) 225–298; Rickman (1996) 226–230. Doch scheint mir, dass ein Stelle bei Cic. Verr. 2,2,137 bei den Datierversuchen keinerlei Berücksichtigung gefunden zu haben scheint. In seiner Anklageschrift, die hier en detail zitiert werden muss, urteilt Cicero scharf über die Erpressungsversuche des C. Verres: „Zum anderen: weshalb zahlten dir die Zensoren Beiträge für eine Statue? Bilden die Zensoren einen Stand einen Berufsverband, irgendeine besondere Gruppe von Leuten? Denn derartige Ehrungen sind entweder eine amtliche Angelegenheit der Gemeinden, oder aber sie obliegen bestimmten Gruppen von Personen, wie den Landwirten, den Kaufleuten den Schiffseigentümern;“ (deinde quam ob rem censores ad statuam tibi conferebant? Ordo aliqui censorum est, conlegium, genus aliquod hominum? Nam aut publice civitates istos honores habent aut generatim homines, ut aratores, ut mercatores, ut navicularii;). Ciceros ironisch anmutende Frage nach der Natur der Censur, wirft auch die Institution des collegium auf. Um seine Argumentation zu untermauern, dass die Censoren einer solchen Vereinigung jedoch nicht entsprechen, benennt er für die Zeit typische collegia und zählt neben den mercatores, und ara-
7.4 Navicularii – Private Reeder und Schiffseigner im Dienste Roms
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wertvollen Dienste zahlreiche Vergünstigungen und etablieren sich zu einem unerlässlichen Pfeiler des römischen Handels.110
tores auch die navicularii auf. Demnach müssen Cicero und auch weiten Kreisen der römischen Aristokratie – denn sonst hätte Cicero dies nicht in seiner Rede erwähnt – collegia naviculariorum nicht fremd, sondern zumindest in den größeren Hafenstädten wie Ostia, Puteoli oder Brundisium anzutreffen gewesen sein. 110 Um nur die ersten zu nennen: Der Princeps Claudius etwa befreite nach Suet. Claud. 18,2– 19,1 die navicularii von der lex Papia Poppaea, verlieh an die latinischen navicularii das Bürgerrecht und an den Frauen der Reeder das ius trium liberorum. Nero beließ ihnen census und tributum (Tac. ann. 13,51,2). Hadrian befreite die navicularii von allen munizipalen Belastungen (Dig. 50,6,6,5). Vgl. weiterhin zu den Privilegien Stoeckle (1935) 1927–1931; Habermann (1982) 47f.; Rostovtzeff I (1985) 132f.; De Martino (1991) 367f., 497; De Salvo (1992) 381–389; Schuster (2005) 200f. einschl. Anm. 141.
8. MARE NOSTRUM – DIE THALASSOKRATIE DER RES PUBLICA POPULI ROMANI In der Bezeichnung des Mittelmeeres orientierten sich die römischen Autoren zu republikanischer Zeit zunächst, ähnlich wie die griechischen, an seiner geographischen Charakteristik. Als Binnenmeer wahrgenommen, versuchte man die Abgeschlossenheit und Trennung des Mittelmeeres von dem weltumfließenden oceanos durch die Prädikate intestinum, ἔσω oder ἐντός sprachlich zu verdeutlichen, so dass sich in den Quellen aus dieser Zeit die Ausdrücke mare intestinum, ἡ ἔσω θάλαττα oder ἡ ἐντός θάλαττα finden lassen.1 In der Spätphase der römischen Republik etablierte sich für die Bezeichnung des Mittelmeeres der bis heute Synonym verwendete Ausdruck mare nostrum. Ob diese Wendung wirklich auf Caesar zurückgeht, können wir nicht mit Gewissheit sagen, zumindest ist er der erste in einer langen Reihe von Autoren, die diesen Begriff verwendet haben.2 Die Tatsache, dass auch in den zeitnahen Schriften Sallusts die Formulierung mare nostrum zu finden ist3, deutet darauf hin, dass der Terminus im letzten vorchristlichen Jahrhundert keine Seltenheit, sondern durchaus geläufig war. In der frühen Kaiserzeit wird er zum feststehenden Begriff, etwa in den Werken des Livius, Plinius, Pomponius Mela oder Tacitus.4 Doch mare nostrum ist neben der römischen Bezeichnung für das Mittelmeer, durch das Besitz anzeigende nostrum auch der philologische Ausdruck des römischen Machtanspruches auf See. Das Mittelmeer mit seiner Fläche von 2,97 Mio. km² ist für die Römer einerseits ein Teil der ihnen bekannten Welt, andererseits aber auch ein Teil ihres Herrschaftsgebietes, ein Teil ihres Imperium Romanum. Mare nostrum ist eine Chiffre für die sich zu ihrer Thalassokratie bekennende res publica populi romani, so dass Cicero meinte: „Schon seit langem sehen wir, daß sich das unendliche Meer, auf dessen wogende Fläche nicht nur die Schiffahrt, sondern auch die Gemeinden und der militärische Nachschub angewiesen sind, […] vom Ozean bis in die äußersten Winkel des Pontus so fest in der Gewalt des römischen Volkes befindet, als handele es sich um einen einzigen sicheren und ringsum geschützten Hafen.“5 1 2 3
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Aristot. meteor. 2,1; Pol. 3,39,2; Sall. hist. 2,13. 76; Diod. 4,18,5. Caes. Gall. 5,1,2. Sall. Iug. 17–18; vgl. Die Deutung bei Horden/ (2000)12: „The claim of the Romans to „their“ sea was part of a political and cultural process by which they progressively defined the place of Rome at the heart of an Inhabited Wolrd – an Oecumene or Oribs Terrarum with the Mediterranean at ist centure.“ Liv. 26,42,4; Plin. n.h. 6,142; Mela 1,1,6; Tac. Agr. 24,2. Cic. prov. 31: Iam diu mare videmus illud immensum, cuius fervore non solum maritime cursus sed urbes etiam et viae militares iam tenebantur, […] sic a populo Romano ab Oceano usque ad ultimum Pontum tamquam unum aliquem portum tutum et clausum teneri.
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In einem Hafen übernehmen in das Meer hineinragende Molen, deren Substruktionen aus Holz gebaut und mit Opus Caementitium aufgefüllt waren6, die Schutzfunktion, indem sie einen kleinen Teil des Meeres abtrennten und das Hafenbecken vor den teilweise heftigen Meeresströmungen an den Küsten der bei Unwetter heftigen See sicherten und auch durch die schmale Hafeneinfahrt den Schiffsverkehr des Hafens kontrollierten. Folgt man nun Ciceros metaphorischer Gegenüberstellung von Hafen und römischer Thalassokratie, so lassen sich zum einen die maritimen Herrschaftsansprüche der anderen Mittelmeeranrainer als „Seestürme“ deuten, vor denen es sich zu schützen, sowie abzugrenzen galt, und zum anderen lassen sich auch bei der römischen Suprematie zur See im übertragenen Sinne „Molen“ finden, die der Absicherung, des Schutzes und der Kontrolle dienten. Nach der Sichtung des umfangreichen Materials konnten insgesamt fünf – um bei dem Bild zu bleiben – „Schutzkonstruktionen“ identifiziert werden: (1) Mittelbare und unmittelbare Kontrolle der Küsten, (2) mittelbare und unmittelbare Kontrolle der Inseln, (3) Flotten, (4) Bekämpfung der Piraterie und (5) Ausschaltung maritimer Konkurrenten. (1) Mittelbare und unmittelbare Kontrolle der Küsten Für alle Mittelmeeranrainer stellten die Küsten „Zugänge“ zum Meer und geopolitische Ausgangspunkte aller seebeherrschenden Ambitionen dar. An geostrategisch vielversprechenden Punkten entstanden Siedlungen mit teils natürlichen, teils künstlich angelegten Häfen. Viele solcher Siedlungen entwickelten sich durch regen Handelsverkehr zu prosperierenden Hafenstädten und -metropolen. Die zumeist entlang der Küsten verlaufenden Seerouten verknüpften die einzelnen Hafenstädte zu einem komplexen, seeübergreifenden Netz auf denen der Schiffsverkehr florierte. Ihre Häfen waren sowohl Umschlagplatz vielfältiger Waren, Zentrum des Güteraustausches mit dem Hinterland als auch Schutzstätte der Handelsschiffe und Kriegsflotten vor den Existenz bedrohenden Seestürmen und Unwettern, sowie Basis für nautische Kriegs- und Eroberungskampagnen. Zugleich stellten die Küsten auch den empfindlichsten Angriffspunkt der Mittelmeerkulturen dar, denn sie waren die „Zugänge“ zum Festland und ins Landesinnere. An den seichten Stränden konnten bequem Kriegsschiffe und Transporter landen, in deren Rümpfen feindliche Heere nur darauf warteten, Krieg und Verwüstung zu bringen. Unzureichend geschützte Hafenstädte boten mit ihren gefüllten Lagerhallen und Schiffshäusern der blühenden, dem System antiker Seefahrt immanenten Piraterie lukrative Ziele ihrer Beutezüge. Daher war die Kontrolle sowie Absicherung der Küsten ein wesentlicher Stützpfeiler der römischen Thalassokratie. Hierbei bewährte sich ein System aus mittelbarer und unmittelbarer Kontrolle, das auf den Erfahrungen beruhte, die Rom mit den Bürgerkolonien und den griechischen Seestädten Süditaliens während der Expansion auf der italischen Halbinsel gemacht hatte.
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Vgl. Höckmann (1985) 148f., einschl. Abb. 126.
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Unter Kontrolle subsumiert sich zunächst einmal eine Sammlung verschiedener Aufgaben schutzstrategischer Art, wie Beobachtung und Überwachung des entlang der Küste verlaufenden Seeverkehrs, Schutz der Küste vor Landungsversuchen und Angriffen fremder Schiffe sowie Abwehr von Piraterie. Ferner meint Kontrolle auch die territoriale Vorherrschaft über die Küste und politische wie ökonomische Dominanz. Die mittelbare Kontrolle der Küsten des mare internum fußte auf Verbündete, welche die Römer als socii navales titulierten. Zu ihnen zählten einzelne Seestädte wie Neapolis, Tarent, Lokroi, Rhegium, Gades, Apollonia oder Epidamnos und größere Mächte, mit eigenen maritimen Einflusssphären sowie Ambitionen wie Massalia oder Pergamon. Diese nautischen Alliierten waren durch Verträge mit Rom verbunden, durch welche ihnen ein gewisses Maß an Autonomie bei der Vorherrschaft eines Küstenabschnittes eingeräumt wurde. Beispielsweise delegierte Rom die Maßnahmen des Küstenschutzes in Süditalien, Südgallien, Illyrien und Kleinasien an die dortigen socii navales. Für römische Schiffe waren dadurch die Seerouten entlang dieser Küstenabschnitte sicher und die Häfen der Verbündeten konnte die res publica populi romani für ihre maritimen Seekampagnen nutzen, so dass den römischen Kriegsflotten Anlaufpunkte, Versorgungsbasen und Operationsstützpunkte quer über das Meer verteilt zur Verfügung standen. Demgegenüber war die unmittelbare Kontrolle von der kontinuierlichen Präsenz der Römer an den Küsten gekennzeichnet. Etwa zeitgleich zu den ersten Vertragsabschlüssen mit einzelnen süditalischen socii navales setzte die res publica mit der Kolonisation der italischen Küsten bereits sehr früh ihr von römischen Bürgern gestütztes nautisches Engagement um. Innerhalb von beinahe zwei Jahrhunderten gründete Rom insgesamt 26 coloniae maritimae an der tyrrhenischen und adriatischen Küste der italischen Halbinsel. In diesen hauptsächlich mit guten Häfen ausgestatteten Küstenstädten siedelten römische Bürger, denen nur ein kleines Stückchen Land zur Bewirtschaftung überlassen wurde und die sich daher anderweitig, vermutlich auf See, versorgten. Die Observation der Küste war mit ihren Garnisonen die Hauptaufgabe der coloniae maritimae, ihre Häfen dienten als Operationsbasen für die römischen Flotten und als Anknüpfungspunkte zu den Seehandelsrouten. An den außeritalischen Küsten wurde die direkte Kontrolle durch die Einrichtung der provinciae realisiert. Der Begriff der provincia, der ursprünglich den Aufgabenbereich eines römischen Magistrates bezeichnete – dies konnte sowohl die Kriegführung zu Lande oder zu Wasser, als auch die Rechtsprechung, die fiskalische Verwaltung, oder kultische Obliegenheiten meinen – wurde nach dem ersten römisch-karthagischen Krieg als terminus technicus für die Beschreibung eines geographisch begrenzten Herrschaftsbereiches eines römischen imperiumTrägers verwendet. Zur Zeit der Republik waren die auf dem Festland eingerichteten Provinzen des Imperium Romanum anfangs ausnahmslos Küstenterritorien, deren Grenzen im Landesinneren nur wenige hundert Kilometer von der Küste entfernt verliefen. Die Seestädte an den Küsten bildeten das urbane Rückgrat der Provinz. Sie wurden zumeist als civitates foederata in das römische Provinzialsys-
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tem übernommen, dienten als Ziel römischer Koloniegründungen und mit ihren Häfen als Anlaufpunkte der Handelsschiffe, sowie „Pforte“ zum Hinterland.7 Der römische Herrschaftsbereich auf der iberischen Halbinsel ist hierfür ein anschauliches Beispiel, er reichte in den ersten Jahren nach der Gründung von Hispania citerior und Hispania ulterior von den Seestädten der iberischen Ostküste mit Tarraco im Norden bis nach Gades im Süden und dehnte sich im Nordwesten entlang des Iberus bis nach Osca, sowie in das Siedlungsgebiet der Sedetani aus, und im Südwesten grenzte es an den Baetis (Guadalquivir). Dieses Bild der „Küstenprovinzen“ lässt sich auf die provinciae Gallia narbonnenis, Africa proconsularis, Cyrenaica, Syria, Cilicia, Asia, Bithynia et Pontos und Macedonia uneingeschränkt übertragen. Auch hier erstreckte sich das römische Territorium nicht weiter als 200 Kilometer landeinwärts, wo es zumeist von natürlichen Barrieren begrenzt wurde; beispielsweise von Gebirgen, wie dem Tauros im Norden der provincia Cilicia, den Rhodopen im Norden von Macedonia oder dem Paryadres und Scydises im Süden von Bithynia et Pontos, ferner Steppenebenen, wie im Süden der provinciae Africa proconsularis und Cyrenaica, sowie im Westen von Aegyptus, und schließlich Gewässern wie im Nordosten von Syria dem Euphrat, dem Tarnis und Rhodanus im Norden der Gallia narbonensis, dem Strymon und Axios im Norden von Macedonia oder dem Roten Meer im Osten von Aegyptus.8 Das Hinterland war zum Zeitpunkt der Provinzgründung nicht primär von Bedeutung. In mehreren Fällen beließ man es in der Hand von reges socii et amici, wie den numidischen und mauretanischen Königen in Nordafrika, Demetrios von Pharos und Skerdilaidas, Pleuratos sowie Genthios in Illyrien, oder Kastor Tarkondarios, Antipatros von Derbe, Tarcondimotus und den Königen Kappadokiens in Kleinasien, zu denen Rom ein amicitia-Verhältnis pflegte und/oder mit denen es einen foedus schloss. Ansonsten begann man ausgehend von der Küste durch zähe Eroberungskampagnen wie in Hispanien oder Gallien das Hinterland zu unterwerfen und die Provinzgrenzen weiter ins Landesinnere zu versetzen. Die Flüsse spielten hierbei eine wesentliche Rolle. Von ihren Mündungen ausgehend marschierten die Heeressäulen entlang des Flusslaufes ins Landesinnere, während auf den Flüssen die Versorgung durch Schiffe geregelt wurde. Erst die Heere der römischen Kaiser werden den römischen Machtanspruch weiter ins Landesinnere etwa über die Alpen nach Germanien und Raetien, über den Tauros nach Kappadokien oder über den Istros (Donau) nach Dacien verlegen und das Binnenland schrittweise in das Imperium Romanum integrieren.
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Für Horden/Purcell (2000) 125 liegt die Triebfeder für die Provinzialisierung der Küsten durch die res publicam populi romani in der Bedeutung der Küstenabschnitte als Kommunikatiosnwege begründet. Ursache sei hierfür die für die antike Nautik übliche Küstenseefahrt: „ In this case the names that had reflected the early sailors’ perceptual continuum were used for the Roman cities that made this coast part oft he empire. The seafarers’ perception was institutionalized in the administration of the area, and contributed to another kind of unity, that of a province of the imperium Romanum.“ Zur Bedeutung georgaphischer Grenzen Horden/Purcell (2000) 24.
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(2) Mittelbare und unmittelbare Kontrolle der Inseln Die geostrategische Bedeutung der Inseln des Mittelmeeres für eine Thalassokratie besingt schon Homer in der Odyssee, wenn er von der Insel Asteris berichtet: „Dort inmitten der Salzflut liegt eine felsige Insel,/ zwischen Ithaka und dem zerklüfteten Samos,/ Asteris, nicht sehr groß, mit Schiffe bergenden Buchten/ beidseits; dort erwarteten lauernd ihn die Achaier.“9
Ähnlich wie Asteris in der Odyssee boten zahlreiche Inseln des Mittelmeeres in Seekriegen den Flotten der verschiedensten Thalassokratien die Möglichkeit, in Deckung zu gehen, um, vor den Augen des Gegners verborgen, einen plötzlichen Angriff auf feindliche Schiffe oder Seeplätze durchführen zu können – oder ihre Häfen wurden einfach als Operationsbasen genutzt. Ferner dienten die den Festlandküsten vorgelagerten Inseln als maritime Vorposten, um sowohl die Küste des Festlandes, als auch den Sund zwischen Insel und Festland überwachen und absichern zu können. Dieser „Glacis“-Charakter trifft besonders in der Adria, bei den Inseln vor der Küste Illyriens, und der Peloponnes in der Ägäis, vor der Küste Kleinasiens sowie im westlichen Mittelmeer auch für Sardinien und Korsika zu. Daneben führten entlang der Inseln, wie Kypros, Rhodos, Kreta, Sizilien, Sardinien, Korsika oder den Balearen die Hauptseerouten, so dass sich Inseln zu merkantilen Drehscheiben des Überseehandels entwickelten, in deren boomenden Hafenmetropolen nicht nur unzählige Waren feilgeboten wurden, sondern auch zahlreiche fremdstämmige Händler und Kaufleute sich ansiedelten.10 Nach den Angaben des antiken Geographen Strabon wechselten bis zu 10.000 Sklaven pro Tag auf den Märkten der Insel Delos ihren Besitzer.11 Auf dem kargen Aigina etwa konnte die dortige Bevölkerung ihre Versorgung zwar nicht mit den unfruchtbaren Böden gewährleisten, doch ihre geographisch äußerst günstige Lage vor der Küste Korinths machte Aigina zu einem der dominierenden Verkehrsknotenpunkte der Ägäis, wo sich zahlreiche Händler niederließen.12 Andere Inseln zeichneten sich entweder durch spezifische Produkte aus, die nur dort zu erwerben waren, wie Purpur aus Rhodos13, roter Ocker von den Balearen und Lemnos14, Schiffsbauholz von Korsika15, oder aber durch ihre fruchtbaren Böden und ihren dadurch bedingten Getreidereichtum, wie etwa auf Sizilien oder Sardinien.16
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Hom. Od. 4,844–847: ἔστι δέ τις νῆσος µέσσῃ ἁλὶ πετρήεσσα, / µεσσηγὺς Ἰθάκης τε Σάµοιό τε παιπαλοέσσης, / Ἀστερίς, οὐ µεγάλη: λιµένες δ᾽ ἔνι ναύλοχοι αὐτῇ / ἀµφίδυµοι: τῇ τόν γε µένον λοχόωντες Ἀχαιοί. Zur Bedeutung der Inseln für die antike Wirtschaft und den Handel vgl. umfassend die Ausführungen von Lätsch (2005) 101–126. Als wesentliche Knotenpunkte in der connectivity des Mittelmeeres sehen Horden/Purcell (2000) 133ff die Inseln. Strab. 14,5,2 Arist. Pol. 1292 a 24 berichtet von zahlreichen Händlern auf Aigina. Vitr. 7,13,2. Vitr. 7,7,2. Theophr. h. plant. 5,8,2; Plin. n. h. 16,197. Lucan 3,65; Strab. 6,2,7; Liv. 2,34,3.7. 41,8; 23,32,5–12.
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In wenigen Fällen bildeten Inseln auch die Keimzellen antiker Seeherrschaft. Nach den Ausführungen des Thukydides war die Insel Kreta die erste Seemacht der antiken Welt. Ihr König Minos hatte zahlreiche Inseln der Ägäis (die Kykladen) erobert, dort Siedlungen gegründet und versucht, der Piraterie auf dem Meer Einhalt zu gebieten.17 Nach ihrem Niedergang traten kleinere Inseln in bescheidenerem Maße Kretas Erbe an. Aigina etwa verfügte über eine ansehnliche Flotte und dominierte die umliegende See, bevor es von Athen unterjocht wurde.18 Ebenso gebot Naxos über einige benachbarte Kykladeninseln19, und selbst von Chios20 oder Korkyra21 berichten die antiken Autoren als See beherrschenden Größen. Die hier kurz angerissenen Eigenschaften zeigen auf, dass Inseln notwendige Komponenten einer antiken Thalassokratie darstellten. Daher unterließ es Rom auch nicht, die insulae des mare internum in seinen Herrschaftsbereich einzugliedern. Hierbei lässt sich ebenso wie beim Festland das Prinzip der mittelbaren und unmittelbaren Kontrolle erkennen. Ähnlich wie Massalia oder Pergamon auf dem Festland, so übernahm auch die Insel Rhodos in der Ägäis die Funktion eines socius navalis. Die Rhodier waren für ihre nautischen Kenntnisse sprichwörtlich bekannt, so dass noch Cicero meinte, man könne allein mit zehn Rhodiern zehn Schiffe bemannen.22 Rhodos’ Bündnistreue wurde mit Gebietserweiterungen auf dem Festland an der kleinasiatischen Küste und der Bestätigung des Hegemonialanspruches über den Nesiotenbund, in dem die Kykladeninseln der Ägäis organisiert waren, belohnt, so dass die Insel zu einem wesentlichen Machtfaktor in der Ägäis avancierte. Fortan standen die karische und lykische Küste sowie zahlreiche kleinere Inseln des östlichen Mittelmeeres unter rhodischer Suprematie, von Roms Gnaden. Solange Rhodos ein verlässlicher maritimer Alliierter Roms war, so lange war Rom an einem vitalen und aufstrebenden Rhodos gelegen. Doch anders als bei Pergamon fiel Rhodos nicht durch Erbfall an die res publica populi romani, sondern versank ebenso wie Massalia in politischer wie ökonomischer Bedeutungslosigkeit. Nachdem die Rhodier sich während des dritten römisch-makedonischen Krieges aus römischer Sicht unschlüssig und reserviert verhalten und statt für Rom anscheinend für Perseus von Makedonien Partei ergriffen hatten, erwirkte Rom die wirtschaftliche Degradierung Rhodos’, indem es Delos zum Freihafen erklärte. Diese Strafaktion war weniger die Antwort auf unterlassene Hilfsdienste als vielmehr auf die Gefahr
17 Thuk. 1,4,1. 8,2–4; Diod. 5,78,3; ferner Strab. 10,4,17. 18 Hdt. 5,82; Strab. 8,6,16; Plut. Themistokles 4,1. 19 Nach Hdt. 5,30–31 meinten die Perser, dass, wenn sie Naxos erst einmal erobert hätten, ihnen auch die anderen Kykladeninseln gehörten. Demnach muss Naxos eine irgendwie geartete Vorherrschaft über die Kykladen – namentlich werden Andros und Paros erwähnt – ausgeübt haben. 20 Nach Strab. 14,1,35 war auch Chios im Besitz einer Flotte, mit der es eine dominante Rolle auf See übernahm. 21 Zu Korkyra vgl. Kiechle (1979) 180ff. 22 Cic. Manil. 18.
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einer maritimen Konkurrenz, die von Rhodos als möglichem Verbündeten Makedoniens durchaus bestanden hätte. In den meisten Fällen jedoch übte Rom unmittelbar die Kontrolle über die größeren bewohnten Inseln des Mittelmeeres aus. Dabei spielte Rom bei einigen Inseln, wie etwa bei denen vor der Küste Illyriens, die Rolle einer Schutzmacht. Ferner konnten Eilande, wie Sizilien, Sardinien oder Korsika nach der Eroberung als geschlossener Herrschaftsbereich erfasst werden, indem man auf die Insel begrenzt eine provincia einrichtete. Oder man ordnete sie den provinciae am nahegelegenen Festland zu, wie die Balearen den hispanischen Provinzen und Kypros der Provinz Cilicia. Ein Sonderfall stellt die provincia Creta et Cyrene dar. Hierbei war die Insel nicht nur Anhängsel der Provinz auf dem Festland, sondern beide Territorien – Insel wie Festland – wurden als eine provincia eingerichtet, wobei diese nicht nur im Namen Niederschlag fand sondern auch in der Wahl des Statthaltersitzes, der sich nicht etwa in der Kyrenaika sondern auf der Insel in Gortyn befand. (3) Die Flotte Ein wesentliches Merkmal einer Thalassokratie – egal welches Zeitalters – ist die Präsenz einer Flotte. Mit Schiffen werden Seeschlachten ausgetragen, Heere samt Nachschub verschifft, Handels- und Versorgungsgüter transportiert, Seerouten, Küsten, Inseln, Hafenmetropolen sowie Umschlagplätze gesichert oder überfallen, die Grenzen der bekannten Welt überschritten, um neue, unbekannte Länder jenseits dieser Grenzen zu entdecken, und schließlich der Herrschaftsanspruch von den eigenen Ufern an neue Gestade „gespült“. Eine Flotte ist das Instrumentarium, mit der eine Thalassokratie ihren hegemonialen Anspruch auf See durchzusetzen und zu behaupten versucht. In der Antike war das witterungsbeständige Holz der Tanne, Schwarzkiefer oder Zeder nach Theophrast der bedeutendste Rohstoff der Seefahrt, aus dem die Schiffe, seien es nun die des Krieges oder des Handels in Werften und Bootshäusern gefertigt wurden.23 Daher galt es für eine antike Seemacht, die baumreichen Wälder Thrakiens, Makedoniens, Korsikas, Latiums oder Bruttiums für sich zu beanspruchen und zu verteidigen wissen.24 Das seebeherrschende Athen beispielsweise, in dessen unmittelbarer Umgebung keine für den Schiffsbau brauchbaren Bäume wuchsen, sicherte sich die Holzzufuhr aus Makedonien durch Verträge mit dessen Königen.25 Rom hingegen war bereits seit der Eroberung der italischen Halbinsel im Besitz der wertvollen Holzdepots Latiums und des Südens der italischen Halbinsel. Mit Korsika erhielt es einen weiteren wichtigen Roh23 Theopr. h. plant. 5,7,1. 24 Thuk. 4,108,1; Xen. Hell. 5,2,16–17; 6,1,11; Dem. 19,265; 4926; 49,36; Diod. 20,46,4; Theophr. h. plant. 4,5,5; Dion. Hal. Ant. 20,5; Strab. 6,1,9; Plin. n. h. 16,197; Plut. Demetrios 10,1. Die Holzausfuhr zu kontrollieren oblag nach Errington (1986) 17 einschl. Anm. 17 dem makedonischen König. Zur Bedeutung des Holzes für die Wirtschaft und das Militär der Römer vgl. Nenninger (2001) 38–86, 111–190. 25 Hier sei beispielsweise auf den Vertag zwischen Perdikkas und Athen aus dem Jahr 423/422 v. Chr. verwiesen, dazu Bengtson (1962) Nr. 186.
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stofflieferanten, dessen Qualität Theophrast wegen der Qualität der Bäume und des Holzes über die Maßen lobt.26 Ferner monopolisierte die res publica die Nutzung der größeren Wälder des östlichen Mittelmeeres, etwa Makedoniens oder Syriens, indem das Holzschlagen für andere Mittelmeeranrainer stark reglementiert oder gar ganz verboten war.27 Anders als im Principat verfügte Rom in republikanischer Zeit über keine stehenden Flotten. Der Bau und Unterhalt der Kriegsschiffe verschiedensten Typs orientierte sich immer am Bedarf der jeweiligen Kriegssituation. Im ersten römisch-karthagischen Krieg etwa unterhielt Rom bis auf zwei kürzere Intervalle über die gesamte Kriegsdauer von dreizehn Jahren eine Flotte von mehreren hundert Schiffen. Waren bestimmte Kontingente durch Unwetter und verlorene Seeschlachten vernichtet, wurden zur nächsten Kriegssaison neue Einheiten erbaut und die bestehenden in den Schiffshäusern ausgebessert. Ähnlich verhielt es sich auch im zweiten Krieg mit Karthago, in welchem kein Jahr verging, in dem nicht eine römische Flotte auf dem Mittelmeer operierte; nur beschränkten sich ihre Einsätze nicht mehr ausschließlich auf das westliche Mittelmeer, sondern auch die Ägäis war nun zum maritimen Kriegsschauplatz geworden. Im Gegensatz dazu operierte Sulla im ersten mithridatischen Krieg anfangs gänzlich ohne Schiffskontingente. Lediglich mit einigen Transportern ließ er seine Truppen von Italien nach Griechenland über die Adria verschiffen. Als er schließlich dann gegen die maritime Übermacht des pontischen Königs einer Flotte bedurfte, ließ er sie in den östlichen Provinzen und unter den Verbündeten in der Ägäis zusammen ziehen. In den Bürgerkriegen perfektionierte Caesar diesen durch die Notwendigkeit bedingten, nur auf wenige, strategisch wesentliche Operationsgebiete beschränkten Flottenbau. Im Unterschied zur riesigen Armada seiner Kontrahenten verfügte er über kleinere Einheiten, etwa vor Massalia, bei Sizilien oder in der Adria, die er punktuell dort einsetzte, wo sie pressant waren. Neben den eigentlichen Kriegsschiffen, wie den liburnae, Triremen, Tetreren oder Penteren verfügte die römische Flotte auch über Transportschiffe, die den Nachschub über das Meer gewährleisteten. Waren in Kriegskampagnen, beispielsweise gegen die einheimischen Stämme des gallischen und iberischen Hinterlandes, gegen Mithridates VI. in Bithynien und Pontos, oder gegen Iugurtha in Nordafrika die Kriegsflotten nicht in Kämpfen auf See aktiv, so begleiteten zumindest einige Einheiten diejenigen Transporter, welche die Legionen mitsamt ihren Versorgungsgütern zu ihren jeweiligen Operationsgebieten über das Meer versegelten. In der Regel sind wir jedoch nur dann über die Transportflotten informiert, wenn diese entweder Opfer eines feindlichen Angriffs waren oder während eines Seeunwetters beschädigt bzw. vernichtet wurden. Zudem werden diese Einheiten auch im Zusammenhang mit den Operationen einer Kriegsflotte er26 Theophr. 5,8,1. 27 Bestimmte Waldgebiete des Libanon waren unter kaiserlichen Schutz gestellt, um dem unkontrollierten Abholzen wichtiger Baumarten für den Schiffsbau vorzubeugen, CIL III 180; Meiggs (1982) 85f. Die Friedensbedingungen nach dem Ende des zweiten römischkarthagischen Krieges beinhalteten auch ein Verbot des Holzschlagens.
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wähnt, zumeist bei der Auflistung der Schiffskontingente, um so die nautische Übermacht der res publica zu unterstreichen. Doch halten wir fest, dass Rom zu jeder Zeit in den eigenen Werften und Schiffshäusern den Bau, den Unterhalt, die Wartung und Ausbesserung seiner Kriegsschiffe gepflegt hat. Während die antiken Autoren vom Beginn des römischen Flottenbaus im Zusammenhang mit dem ersten Krieg gegen Karthago sprechen, lassen sich Schiffshäuser und Hafenanlagen in Rom selbst schon deutlich früher finden. Einen wesentlichen Beitrag zur römischen Flottenmacht leisteten die socii navales. Sowohl Schiffe einschließlich Rudermannschaften als auch Schiffszimmermänner, Konstrukteure und einheimische Navigatoren stellten sie der res publica populi romani zur Verfügung. So verfügte Rom weit vor dem ersten römisch-karthagischen Krieg durch die süditalischen Griechenstädte über das technische Know-how, um Kriegsschiffe zu konstruieren und in großer Eile auf Stapel zu legen. Die Römer lernten schnell, übernahmen bekannte Schiffskonstruktionen und adaptierten neue Schiffstypen, wie die illyrischen liburnae oder die massigen Holzsegler der Veneter von der gallischen Atlantikküste. Während Rom noch im ersten römisch-makedonischen Krieg ausschließlich auf die Schiffe der italischen socii navales zählen konnte, unterstützte im zweiten Krieg gegen Karthago schon das phokaische Massalia die Tibermetropole im Kampf auf See. Eine erfolgreiche Kriegführung in der Ägäis wäre schließlich ohne die Flotteneinheiten Pergamons oder Rhodos’ nicht möglich gewesen. Hinzu kam, dass je nach Bedarf den einzelnen Seestädten in den Provinzen der Bau und der Unterhalt von einigen Schiffen auferlegt werden konnte. Hier sei an den gaditanischen Reeder Balbus oder an die sizilischen Gemeinden erinnert. Wie stark der Anteil der maritimen Verbündeten und Provinzialen war, verdeutlichen die römischen Bürgerkriege. Pompeius vermochte es, innerhalb eines Jahres aus allen Teilen der östlichen Provinzen Schiffe zusammen zu ziehen, so dass er schließlich über eine Flottenmacht aus ägyptischen, syrischen, asiatischen, rhodischen und achaischen Kontingenten gebot.28 Das Kommando über die Flotte erfuhr im Verlauf der Republik zahlreiche Veränderungen, die sich – wie schon der Umfang der Schiffskontingente – an den spezifischen Situationen der jeweiligen Konflikte und Kampagnen orientierte. Das Einsatzfeld der römischen Flotten allein auf die Kriegskampagnen zu beschränken wird dem Ausmaß der römischen Präsenz auf dem Meer nur bedingt gerecht. Auch in sicherheitsstrategischen Belangen kamen zumindest kleinere Kontingente zum Einsatz. Zum Schutz der italischen Gestade etwa hatte man bereits im ausgehenden vierten Jahrhundert v. Chr. das Amt der duumviri navales installiert, die an geographisch festgelegten Küstenabschnitten mit kleineren Flottillen patrouillierten. Darüber hinaus verfügten auch die Statthalter in den römischen Provinzen über kleinere Einheiten, die zumeist von den Provinzialen unterhalten wurden, um die Küsten und Häfen vor feindlichen Überfällen und vor allem der Piraterie zu schützen. Im Kriegsfall konnten diese Schiffe dann von Rom eingezogen und für die anstehenden Kampagnen zweckentfremdet werden.
28 Caes. civ. 35,1.
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Als Rom im ersten Krieg mit Karthago begann, seinen Machtanspruch auf das Meer zu erweitern und festzusetzen, übertrug man den Consuln als den höchsten römischen Magistraten und Inhabern des imperium die Befehlsgewalt über die Flotte. Dabei kristallisierte sich in der Regel eine Aufgabenteilung beider amtierenden Consuln heraus: Während der eine vornehmlich die Kriegführung zu Lande bestritt, umfasste die provincia des anderen im Wesentlichen das Meer und damit auch den Oberbefehl über die Flotte. Die damit einhergegangenen Erfolge bewirkten die Anwendung dieser Strategie auch für die Kriegführung in den beiden illyrischen Kriegen sowie noch zu Beginn des zweiten und dritten römischkarthagischen Krieges. Nur in fünf aufeinanderfolgenden Kampagnen übertrug der Senat das Seekommando gleichermaßen auf beide Consuln, doch geschah dies ausschließlich im ersten römisch-karthagischen Krieg, der wie kein zweiter in der langen Kette von Konflikten in republikanischer Zeit sehr intensiv auf dem Meer ausgetragen wurde.29 Je stärker jedoch die Konflikte im Zuge der römischen Expansion an Komplexität und Intensität zunahmen, desto intensiver begann man damit, die Kriegführung zu partialisieren. Der Organisation der zahlreichen Kriegsschauplätze des zweiten römisch-karthagischen Krieges waren die jeweils amtierenden Consuln nicht mehr gewachsen. Während diese sich schließlich in erster Linie auf die Kriegführung gegen das in Italien operierende Heer Hannibals konzentrierten, loderten in der Adria, der Ägäis, und dem mare Tyrrhenum weitere Kriegsherde, die es zu löschen galt. Dies hatte zur Folge, dass einerseits die Befehlsgewalt über Schiffskontingente nun auch an andere römische Ämter, wie die Praetoren oder legati vergeben, und andererseits das Seekommando prolongiert wurde, um fähigen Flottenbefehlshabern sowohl die Chance zu bieten, über ein Jahr hinaus die Flotte zu kommandieren als auch eine gewisse Kontinuität in der maritimen Kriegführung zu gewährleisten. Durch die Dezentralisierung der Flottenführung und Verteilung auf mehrere Befehlshaber war eine große Reichweite für die nautische Kriegführung möglich. Der Höhepunkt dieser Entwicklung spiegelt sich in dem imperium extraordinarium des Pompeius Magnus zur Bekämpfung der Seeräuber wider. Während Pompeius selbst die Gesamtstrategie beaufsichtigte und sich ein mobiles Flottenkontingent vorbehielt, waren ihm dreizehn legati unterstellt, die jeweils eine kleinere Flotte befehligten und in einem rasterartig festgelegten Gebiet des Mittelmeeres operierten. Innerhalb weniger Wochen gelang es Pompeius, das gesamte Mittelmeer zu befrieden. Im Principat diente diese Strategie als Vorlage für die Installation der konstanten Flottenkontingente an ihren jeweiligen Stützpunkten, die quer über das Meer verteilt waren. (4) Bekämpfung der Piraterie Die Piraterie zählt zu den Wesensmerkmalen der antiken Seefahrt. Überall dort wo Waren und Güter über See transportiert, wo in Häfen und Seestädten Vorräte gelagert werden und wo Händler ihre Waren löschen, wird Seeraub betrieben. 29 Erstmals trat dies in der Kriegskampagne des Jahres 257 v. Chr. auf, in der die Consuln C. Atilius Regulus und Cn. Cornelius Blasio jeweils eine Flotte kommandierten. Im Anschluss wurde dieses Modell für weitere vier Jahre übernommen.
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Bereits Homer widmete mit der Odyssee einem aus Ithaka stammenden „Seeräuber“ ein Meisterwerk antiker Rhapsodie. Wenn etwa Odysseus vor dem blindäugigen Cyclopen Polyphem steht, fragt dieser misstrauisch: „Fremde, wer seid ihr? Woher kommt ihr gefahren die feuchten / Pfade? Geht es um ein Geschäft, oder irrt ohne Ziel ihr / über die Salzflut wie Piraten, die streunend ihr Leben / setzen aufs Spiel, indem sie Fremden Unheil bereiten?“30
Und als Odysseus schließlich vor dem geblendeten Polyphem flieht, versäumt er es nicht, dessen geliebte Schafherde mitgehen zu lassen.31 Jede antike Seeherrschaft versuchte mit ihren eigenen Mitteln, der Seeräuberei Einhalt zu gebieten, gänzlich ausschalten ließ sie sich jedoch nie; denn für viele kleinere Stämme und Gemeinden an den Küsten bildete sie die Grundlage ihrer Existenz. Zu Beginn versuchte Rom, sich der Piraterie durch Küstenschutzflottillen der duumviri navales und durch Gründungen von coloniae maritimae zu erwehren. Je weiter jedoch der Herrschaftsanspruch über die italische Halbinsel hinaus expandierte, desto notweniger wurde es, diese defensive Strategie mit offensiven Kampagnen zu ergänzen, anfangs etwa gegen die ligurischen Stämme im Nordwesten des Mittelmeeres, gegen die Gymnesier auf den Balearen und die Illyrer in der Adria. Während die res publica sich dadurch bald der Piraterie im westlichen Teil des mare internum entledigte, blieb ihr Engagement in der Ägäis anfänglich äußert begrenzt. Solange die Mächte des hellenistischen Ostens, wie Rhodos, die Seleukiden, Ägypten oder Makedonien die See beherrschten, nahmen diese sich auch der dortigen Piraterie an und reglementierten sie. Doch durch Roms unveränderliche Interventionen brachen nacheinander die maritimen Hegemonien des östlichen Mittelmeeres weg, ohne dass Rom das entstandene Machtvakuum auf dem Meer durch die eigene Präsenz zu füllen gedachte. Unter diesen Bedingungen gedieh die Piraterie und weitete sich über die Ägäis bis in italische Gewässer hinein aus. Als neben den Handelsrouten auch zunehmend römische Seestädte und Häfen an den italischen Küsten Ziele der Piraten wurden, intervenierte Rom schließlich. Mit dem Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. wurden kontinuierlich römische Magistrate mit der Bekämpfung der Seeräuber in Kilikien, Kleinasien oder auf Kreta betraut. All diese Maßnahmen blieben jedoch punktuell und stellten keine längerfristige Lösung dar. Erst als durch die lex Gabinia ein außerordentliches imperium mit einer Kompetenzfülle geschaffen wurde, die sämtliche Rahmen maritimer Unternehmungen der res publica sprengte, stellte sich endlich der Erfolg ein. Wie auf einem Reißbrett war das gesamte Mittelmeer in verschiedene, sich an den Küsten orientierenden Operationsgebiete gegliedert und je einem legatus samt Geschwader zugeteilt worden. Innerhalb weniger Monate schaltete so der Oberbefehlshaber Pompeius die seeräuberischen Aktivitäten aus und besiegte mit seiner Flotte das Aufgebot der kilikischen Seeräuber bei Korakeseion. Darüber hinaus ließ er die Siedlungen und Städte der Piraten ausfindig ma30 Hom. Od. 9,252–255: ‘ὦ ξεῖνοι, τίνες ἐστέ; πόθεν πλεῖθ᾽ ὑγρὰ κέλευθα;/ ἦ τι κατὰ πρῆξιν ἦ µαψιδίως ἀλάλησθε, / οἷά τε ληιστῆρες, ὑπεὶρ ἅλα, τοί τ᾽ ἀλόωνται / ψυχὰς παρθέµενοι κακὸν ἀλλοδαποῖσι φέροντες. 31 Zur Rolle der Piraterie bei Homer vgl. dazu DeSouza (1999) 17–26.
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chen und zerstören. Pompeius nahm ihnen mit der Vernichtung oder Konfiskation der Schiffe ihre angestammte Existenzgrundlage und schuf ihnen gleichzeitig durch Ansiedlung in neuen Städten sowie durch die Aufnahme in seine Clientel eine neue, dem Meer abgewandte. (5) Ausschaltung maritimer Konkurrenten „Nun ist aber das Wesen des Staates schlechthin Macht. Nicht nur nach innen, sondern auch im Kreise der ihn umgebenden Staatenwelt will und muß der Staat sich Geltung verschaffen, und jeder gesunde und kräftige Staat wird versuchen, über andere Macht zu gewinnen. In roher Form verschafft er sie sich durch Unterjochung der Nachbarn, in feinerer, indem er diese seinem Einflusse zugänglich macht. Die Hegemonie ist aber eine besonders starke Form des Einflusses“.32
Wendet man diese von HEINRICH TRIEPEL in seiner umfassenden staatstheoretischen Monographie zur Hegemonie in der Weltgeschichte vorgelegte Definition auf die römische Vorherrschaft zur See an, muss nun nach dem Verhalten gegenüber anderen antiken Thalassokratien gefragt werden. Roms Verständnis von Vorherrschaft auf See beinhaltete immer eine Reduktion der maritimen Einflusssphären seiner Konkurrenten. Aus diesem Grund waren in jedem Friedensvertrag, den die res publica populi romani mit einem anderen Mittelmeeranrainer schloss, Passus enthalten, welche die Seeaktivitäten des Vertragspartners einschränkte; dazu zählten: (a) der Verlust überseeischer Besitzungen und (b) Reduktion der Küstengebiete, ferner (c) die Reduktion der Flottenstärke, bis hin zur (d) geographischen Einschränkung des Seeverkehrs. (a) Verlust überseeischer Besitzungen: Wie oben bereits ausgeführt zählen Gebietsbesitzungen, die nur über See mit dem Kernterritorium verbunden waren – seien es der eigenen Küste vorgelagerte Inseln oder Siedlungen an fremden Ufern – zu einem der wesentlichen Merkmale einer antiken Thalassokratie. Roms hegemonialer Anspruch auf das Meer schloss eine Konfiskation überseeischer Besitzungen seiner Feinde mit ein, denn dadurch konnte einerseits der gegnerische Schiffsverkehr zwischen den über das Meer verteilten Besitzungen unterbunden werden, wodurch auch die eigene Seefahrt abgesichert wurde, und andererseits konnten so die geostrategischen Vorteile bestimmter Inseln, Kaps, Landzungen etc. für eigene Operationsbasen, Kolonien oder Handelsplätze genutzt werden. Am Anfang der langen Reihe der Mittelmeermächte, die ihre überseeischen Gebiete an Rom verloren haben, steht Karthago. Bereits nach dem ersten römischkarthagischen Krieg büßte es seine Besitzungen auf Sizilien, den Aegatischen sowie Liparischen Inseln und jedwede Ansprüche auf Sardinien oder Korsika ein.33 Beinahe vierzig Jahre später endete mit Karthagos vernichtender Niederlage bei Zama 202 v. Chr. nicht nur der zweite Krieg mit Rom, sondern auch die kar32 Triepel (1974) 131. 33 Pol. 1,63,1–3; 3,27,1–6; Liv. 21,40,5; 22,54,11; App. Sic. 2,4; Zon. 8,17,5; Eutrop. 3,2,2; Oros. 4,11,1.
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thagische επικράτεια im westlichen mare internum. Die Siedlungen und besetzten Gebiete an der Südostküste der iberischen Halbinsel gingen an die res publica verloren und bildeten ähnlich wie die zuvor abgetretenen Inseln die geographische Basis der ersten römischen Provinzen. In der Adria musste Teuta nach der Auseinandersetzung mit Rom 229/228 v. Chr. die der illyrischen Küste bei Rhizon vorgelagerten Inseln Pharos, Issa und Korkyra, einschließlich der dortigen Siedlungen, aufgeben.34 Im Osten der Mittelmeerwelt lösten die nach der Schlacht bei der thessalischen Bergkette Kynoskephalai 197 v. Chr. getroffenen Friedensverhandlungen zwischen Philipp V. und Rom die Inseln Euboia, Thasos, Samothrake, Lemnos, Skyros, Imbros und Delos sowie die Seestädte Korinth, Chalkis, Abdera, Poteideia, Acanthos und Demetrias aus der makedonischen Vorherrschaft. Ein Teil wurde für frei erklärt, ein anderer den römischen Verbündeten Rhodos und Pergamon zugesprochen.35 Aber auch kleineren Stadtstaaten, wie beispielsweise Sparta, gewährte Rom keinerlei maritimen Herrschaftsanspruch. Der spartanische Tyrann Nabis III. war nach der erfolglosen Eroberung lakonischer Küstenstädte von T. Quinctius Flaminius dazu gezwungen worden, die spartanischen Besatzungen in den Städten und Siedlungen auf der Insel Kreta zu räumen.36 Rhodos schließlich verlor wegen seiner promakedonischen Position während des dritten römisch-makedonischen Krieges neben den Besitzungen an der kleinasiatischen Küste auch den Führungsanspruch auf den Nesiotenbund. (b) Reduktion der Küstengebiete: Mit dem Verlust überseeischer Besitzungen ging in der Regel auch eine Verringerung der Landmasse des Gegners, die unmittelbar an das Mittelmeer grenzte, einher. So musste Teuta den Küstenabschnitt Illyriens aus ihrem Herrschaftsbereich lösen, der die Seestädte Apollonia und Epidamnos umfasste und deren Unabhängigkeit akzeptieren, sowie die nachfolgende graduelle Annäherung an Rom.37 Auf nordafrikanischem Territorium verlor Karthago nach dem zweiten römisch-karthagischen Krieg Küstengebiete, die jenseits der so genannten „Phoinikischen Gräben“ lagen, an Massinissa. Vermutlich trennte diese Begrenzung die „Kleine Syrte“ vom karthagischen Machtbereich ab.38 Der seleukidische König Antiochos III. verlor im östlichen Mittelmeer durch den 188 v. Chr. geschlossenen Friedensvertrag von Apameia die gesamte karische und lykische Küste an den römischen socius navalis Rhodos, sowie die Chersones mit Lysimacheia am Hellespont, ferner die an das Mittelmeer grenzenden Gebiete Phrygien, Mysien, Lakonien und Lydien mit den bedeutendsten Hafenmetropolen Ephesos, Telmessos und Tralleis an Pergamon.39 Lediglich der schmale Küsten34 35 36 37 38
Pol. 2,12,3; App. Ill. 7. Pol. 18,44,1–7; Liv. 33,30,1–11. Liv. 34,35,9. Pol. 2,12,3; App. Ill. 7. Pol. 15,18,1; Liv. 30,37,2; App. Lib. 54. Zur Problematik der Lokalisation der ‚Phoinikischen Gräben’ vgl. Walbank II (1967) 467. 39 Pol. 21,42,2–7. 45,9–11; Liv. 38,38,4. 39,13–16; unspezifisch Diod. 29,10,1.
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streifen der späteren provincia Syria blieb dem Seleukidenreich als unmittelbare Anbindung an das Mittelmeer erhalten. In ähnlicher Weise war man wenige Jahre zuvor mit Makedonien verfahren. Die thrakischen Küstengebiete vom Fluss Nestos bis zum Hellespont musste Philipp V. abtreten, so dass ihm lediglich die chalkidische Halbinsel mit ihren Hafenstädten Thessalonike, Kassandreia und Torone als Zugang zur Ägäis blieb. Der armenische König Tigranes II., der sich mit Mithridates VI. von Pontos im Krieg gegen Rom verbündet hatte, verlor 65 v. Chr. nach seiner Niederlage gegen Pompeius die eroberten Küstengebiete am Issischen Meerbusen bis hin zur Hafenstadt Ptolemais südlich von Tyros, wodurch er direkten Zugang zum Mittelmeer besessen hatte, an Rom. Demgegenüber begnügte man sich nach dem ersten mithridatischen Krieg damit, die pontischen Eroberungen und Besetzungen der Ägäis räumen zu lassen und Mithridates VI. aus dem Mittelmeer zu verbannen. Im Extremfall isolierte die res publica ihre Feinde auch vollständig vom Mittelmeer. Die Überlebenden Karthagos etwa verkaufte man in die Sklaverei und ließ ihre Siedlungen zerstören.40 Anders verfuhr man mit den Bewohnern Capuas, die sich im zweiten römisch-karthagischen Krieg Hannibal angeschlossen hatten. Alle Überlebenden wurden in Gebiete ohne Flüsse oder Zugang zum Meer zwangsdeportiert und die Küstengebiete Capuas den benachbarten römischen Kolonien zugeordnet. (c) Reduktion der Flottenstärke: Die res publica populi romani praktizierte zwei Methoden zur Verringerung der feindlichen Flottenstärke. (1) Die Anzahl der Schiffe wurde auf ein bestimmtes Maß festgelegt, wobei darauf geachtet wurde, dass diese für ein maritimes Wiedererstarken, also für den Überfall anderer Schiffe oder die Eroberung von Seestädten und Inseln, nicht genügte. (2) Die Schiffstypen, die zu bauen und zu unterhalten erlaubt waren, wurden vertraglich festgeschrieben. In den uns zur Verfügung stehenden Quellen finden sich Hinweise, dass die gewährten Schiffe die Größe von Triremen oder Lemben, also kleinen aber doch wendigen Kriegsschiffen mit einer limitierten Riemenanzahl, nicht zu überschreiten hatten. Karthago musste nach dem zweiten römisch-karthagischen Krieg alle Kriegsschiffe bis auf zehn Triremen ausliefern.41 Nachdem ligurische Piraten wiederholt das mit Rom verbündete Massalia attackiert hatten, wurden sie 181 v. Chr. nach einem Gegenschlag von den Römern gezwungen, fortan nur noch Schiffe zu unterhalten, die in ihrer Größe maximal Triremen gleichen durften.42 Teuta erlegte man die Bestimmung auf, dass sie lediglich mit zwei unbewaffneten Schiffen uneingeschränkt in der Adria Seefahrt betreiben dürften. Alle übrigen Schiffe waren auf einen sehr begrenzten geographischen Operationsradius beschränkt.43
40 41 42 43
Cic. Tusc. 3,53; Oros. 4,23,2. 7. Anders Zon. 9,30. Pol. 15,8,4; Liv. 30,37,4; App. Lib. 54. Anders Strab. 17,3,15, der von 12 Triremen berichtet. Liv. 40,18,25–28; Plut. Aemilius Paullus 6. Pol. 2,12,3; App. Ill. 7.
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Dem seleukidischen Reich war es seit dem Friedensvertrag von Apameia verboten, Schiffe zu besitzen, welche die Größe von Lemben mit dreißig Riemen überschritten. Zudem wurden alle Kriegsschiffe der Flotte bis auf zehn an Rom ausgeliefert.44 Philipp V. hatte nach dem zweiten römisch-makedonischen Krieg sogar nur noch sechs Kriegsschiffe in seiner Flotte, die übrigen waren einschließlich seines Flaggschiffes an Rom ausgeliefert worden.45 Nabis III. von Sparta blieben nach seiner Auseinandersetzung mit Rom lediglich zwei Lemben mit max. sechzehn Riemen pro Schiff.46 Demgegenüber erreichte Rom nach dem ersten mithridatischen Krieg lediglich die Auslieferung von siebzig Kriegsschiffen. Das Gros versegelte mit Mithridates VI. zurück nach Pontos.47 Zudem entwickelte es sich zur gängigen Praxis, dass die römischen Kriegsführer die übrigen Schiffe ihrer jeweiligen Gegner – soweit sie nicht bereits in den Gefechten vernichtet worden waren –entweder als Beute nach Rom mitführten oder sie rituell vor den Augen ihrer besiegten Gegner auf See verbrannten, um ihnen auf diese Weise eindrucksvoll das Ende ihrer maritimen Herrschaft zu demonstrieren.48 (d) Geographische Einschränkung des Seeverkehrs: Schließlich versuchte Rom, den Seeverkehr der maritimen Kontrahenten zu diktieren. Zu diesem Zweck wählte man markante geographische Orientierungspunkte, wie etwa Kaps, Flussmündungen, Bergmassive oder Inseln, die auch in der antiken Navigation verwendet wurden, und setzte diese als Grenzpunkte für ein Gebiet auf See fest, in welchem es dem Vertragspartner erlaubt war, Seefahrt zu betreiben. Die res publica hatte mit solchen Vertragspassus bereits seit dem sechsten/fünften Jahrhundert v. Chr. Erfahrungen, denn bereits in den ersten zwei römisch-karthagischen Kontrakten bedienten sich beide Vertragsparteien der maritimen Grenzziehung mittels bekannter geographischer Eckpunkte. Nach einer Notiz des Zonaras war es den Karthagern bereits nach dem Ende des ersten römisch-karthagischen Krieges untersagt, mit Kriegsschiffen über Sizilien hinaus das mare Tyrrhenum zu befahren.49 In der Adria schrieb Rom für Teuta und nachfolgend auch für Demetrios von Pharos das Verbot fest, mit ihren Kriegsschiffen nach Süden über die Küstenstadt Lissus an der Mündung des Drilo zu segeln, wodurch die dort liegenden Hafenstädte Apollonia und Epidamnos, die bereits enge Beziehungen zu Rom geknüpft 44 Pol. 21,42,13; Liv. 38,38,8; Diod. 29,10,1. App. Syr. 39 ergänzt den Passus um die Bestimmung, dass Antiochos III. im Verteidigungsfall eine größere Zahl an Schiffen zustehe, als für den Friedensfall vertraglich festgesetzt. 45 Pol. 18,44,6–7; Liv. 33,30,5; App. Mac. 9,3; anders Plut. Flaminius 9 der von zehn Schiffen spricht. 46 Liv. 34,35,5. 47 Plut. Sulla, 22,2–5; 24,1–4; ferner App. Mithr. 64. 48 Verbrennung karthagischer Schiffe durch Scipio Aemilianus nach der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr. App. Lib. 133. Verbrennung seleukidischer Schiffe durch Q. Fabius Labeo nach dem Abschluss des Friedensvertrages von Apameia 188 v. Chr., Liv. 38,39,2–3. 49 Zon. 8,17,5.
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hatten, vor illyrischen Übergriffen auf See zumindest vertraglich geschützt waren.50 Ein Passus des Friedensvertrages von Apameia reglementierte den für seleukidische Kriegsschiffe genehmigten Meeresraum in der Ägäis und schrieb die zwei Vorgebirge Kalykadnos und Sarpedonion im Norden als Demarkationslinie fest.51 Die hier aufgezeigten verschiedenen Vorgehensweisen lassen eine Systematik erkennen, die jedoch nicht als festgeschriebene Handlungsrichtlinie Roms für den Umgang mit den maritimen Kontrahenten missverstanden werden darf. Vielmehr bildeten einerseits die Kenntnisse, welche die Römer bereits durch die römischkarthagischen Verträge mit der Festlegung maritimer Demarkationslinien an geographischen Fixpunkten erworben haben, und andererseits die Entscheidungen und Erfahrungen bezüglich der Eingrenzung des maritimen Einflusses von Teuta und Karthago im dritten Jahrhundert v. Chr. die Grundlage für die zukünftige Strategie gegenüber den anderen Mittelmeeranrainern. *** Nachdem nun die Komponenten der römischen Thalassokratie aufgezeigt und erläutert wurden, gilt es abschließend, die Auswirkungen dieser maritimen Suprematie auf die Kultur und Gesellschaft der res publica populi romani aufzuzeigen. In der einschlägigen Literatur wird immer wieder die Angst der Römer vor dem Meer als Argument angeführt, um ihnen das Prädikat einer antiken Seemacht vorzuenthalten und sie stattdessen als Landmacht zu kennzeichnen. Dieser metus maritimus ist jedoch allen auf das Meer ausgerichteten Kulturen, sowohl denen des Altertums als auch denen anderer Epochen, zueigen. Die in der antiken Literatur beharrlich auftretende Furcht vor der Unberechenbarkeit und zerstörerischen Gewalt des Meeres, die negativen Konnotationen der See und angsterfüllten Beschreibungen maritimer Götter begünstigten diese reserviert wirkende Einstellung zum Element Wasser.52 Doch nur weil Homer in seiner Odyssee die Gefahren des Meeres detailreich und ehrfürchtig beschreibt, deuten wir den attisch-delischen Seebund, Athens hegemoniale Position in der Ägäis und die expansionistischen Bestrebungen der kleinasiatischen Griechen im westlichen Mittelmeer nicht als Prozesse einer „hydrophoben“ Küstenkultur. Ebenso verhält es sich mit Rom. Mag Cicero das Mittelmeer auch als „Mare magnum et difficile“53 bezeichnen, so ist, wie hier aufgezeigt werden konnte, die Bedeutung des Meeres für die Genese des Imperium Romanum nicht von der Hand zu weisen. Den Aussagen der antiken Autoren stehen die archäologischen Zeugnisse, die Rom als Seemacht identifizieren, diametral entgegen. Hier seien zu Beginn die 50 51 52 53
Pol. 2,12,3; App. Ill. 7. Pol. 21,42,14; Liv. 38,38,9; App. Syr. 39. Vgl. hier Schulz (2005) 207–210. Cic. fam. 16,12,4.
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Siegesmonumente genannt, die, mit den Rammspornen der gegnerischen Schiffe geschmückt, zu Ehren der Flottenbefehlshaber für deren Erfolge zur See errichtet wurden. Die columna Duilia steht hier am Anfang einer Reihe von Siegessäulen, die das Stadtbild Roms maßgeblich prägten. Die dort als maritime spolia verwendeten Rammsporne transportierten die Botschaft der Entmachtung des Feindes zur See und wurden zum Symbol für die maritime Sieghaftigkeit des römischen Gemeinwesens. Bereits knapp achtzig Jahre vor Errichtung der columna Duilia fanden die Rammsporne in der römischen Architektur Verwendung, als C. Maenius die nautischen Kriegswaffen der samnitischen Seestadt Antium an der Rednertribüne, der rostra, anbringen ließ. Es ist kennzeichnend, dass die rostra als „bedeutendstes Betätigungsfeld und für die Reden ehrenvollste Stätte“54, wo römische Politiker heftige Diskurse mit den Waffen der antiken Rhetorik austrugen, ihren etymologischen Ursprung einer Waffe der antiken Seekriegführung zu verdanken hat, die zudem an ihrer Front angebracht war. In der Sakraltopographie der Tibermetropole finden sich Tempel für Meeresgottheiten, denen man nach einer erfolgreichen Seefahrt – gleichgültig ob aus kriegerischer oder merkantiler Motivation heraus – Dank schuldete, die man mit Opfern oder Lob bedachte oder denen man vor dem Beginn einer Seeunternehmung Opfer darbrachte, um sich ihres Wohlwollens zu versichern. Auch die bedeutsame Lage bestimmter Kultstätten, wie der Tempel des Portunus und Ianus in unmittelbarer Nähe zum Portus Tiberinus oder der Lares permarines und Tempestates auf dem Campus Martius, den die Römer nachweislich als Hafen nutzten, indem sie dort Schiffe an Land zogen, verdeutlicht die enge Verbindung von göttlicher Wohlfahrt mit römischer Aktivität auf dem Meer, denn es galt den Wirkungsraum der nautischen Gottheit zu akquirieren und mit den eigenen Handlungsfeldern auf See zu verbinden. Ferner erwarben wohlsituierte Römer kostspielige Immobilien an den Küsten Campaniens, Latiums und Etruriens, um sich dort, entfernt vom Trubel der Stadt, dem otium hinzugeben. Die Besitzer achteten penibel darauf, dass ihre villae maritimae in ihrer gesamten architektonischen Konzeption von den Blickachsen über die Gestaltung der Wandmalerei bis hin zu kleinen Anlegestegen und piscinae ganz auf das Meer hin ausgerichtet waren. Schließlich gemahnten über den Tod hinaus die römischen Nekropolen durch Inschriften, nautische Symbole an Friesen, steinerne Miniaturen von Schiffen oder Schiffsteile an das individuelle maritime Engagement einzelner Römer. Ein Großteil des wirtschaftlichen Lebens der Römer war vom Meer und der maritimen Suprematie ihrer res publica geprägt. Im letzten Jahrhundert v. Chr. war das Mittelmeer zum verbindenden Element eines regen Güterverkehrs mit der Tibermetropole als Drehscheibe geworden; seien es nun Sklaven von den Märkten Delos’ oder Ephesos’, Papyrus und Glas aus Ägypten, Spezereien, Purpur und Seide aus dem Orient, exotische Tiere aus Nordafrika, Edelmetalle aus Spanien, Wein aus Italien, Öl aus Griechenland, Getreide aus den Schwarzmeergebieten – die Liste der Waren ließe sich noch um einige Produkte erweitern. Zum einen 54 Cic. Manil. 1: “locus ad agendum amplissimus, ad dicendum ornatissimus“.
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wurden wegen der Kosten- und Zeitersparnis die Seewege den Landwegen beim Transport der verschiedensten Waren aus den Provinzen des Imperium Romanum in die Tibermetropole und von den italischen Häfen in die Provinzen vorgezogen, und zum anderen war Rom auf den außeritalischen Güterverkehr angewiesen, da mit der Agrarfläche der italischen Halbinsel der Bedarf, etwa an Getreide, schon lange nicht mehr gedeckt werden konnte. Rom hatte zunächst durch die Einbindung der Griechen-Städte an den Küsten Süditaliens Zugriff auf die weit verzweigten Seehandelsnetze in den hellenistischen Osten erhalten, denn die italischen negotiatores und mercatores pflegten Handelsbeziehungen zu den Mütterstädten ihrer ἀποικία oder ihres ἐµπόριον. Zugleich traten sie in Clientelbeziehungen zu einflussreichen römischen Aristokraten, wodurch Rom sehr schnell vom Seehandel Velias, Rhegiums, Dikaiarcheias, Crotons oder Lokrois profitierte. Je weiter Rom im Mittelmeerraum expandierte, desto intensiver gestaltete sich der Überseehandel. Denn im Kielwasser der römischen Kriegsschiffe fuhren die Handelsschiffe der italischen negotiatores. Die italischen Händler und Kaufleute ließen sich in den Provinzen nieder und pflegten unter dem Schutz römischer Waffen durch Handelsniederlassungen wirtschaftliche Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung. Rom sicherte im Gegenzug seine bzw. die Handelsinteressen der Italici durch Verträge und Bündnisse, aber auch durch Krieg. Die Komplexität des Seehandels und die Vielfalt der Waren ermöglichten es zahlreichen Römern, am Geschäft mit dem Transport über See zu partizipieren. Einige investierten ihr Vermögen als Gläubiger von Seedarlehen und Frachtverträgen, sowie als Anteilseigner eines Handelsunternehmens in den Seehandel und schöpften erhebliche Gewinne ab. Andere erwarben Grundstücke in der Nähe der Häfen, ließen dort riesige horrea errichten und vermieteten diese anschließend. Wohlhabende Bewohner der Seestädte verdingten sich als Schiffseigner, indem sie ihre Handelsfrachter verpachteten und publicani zogen in den Seestädten der Provinzen oder der italischen Halbinsel Hafenzölle ein, deren Höhe sich am zu verladenen Warenwert orientierte. In Krisenzeiten tauchen immer wieder Römer auf, die sich in privata mit eigenen Schiffen samt Mannschaften in den Dienst der res publica stellten, und so etwa die Versorgung des Heeres übers Meer gewährleisten, um dafür nach Kriegsende entlohnt zu werden. Schließlich wurden auf den Landgütern wohlsituierter Römer überschüssige Waren wie Wein, Öl oder Fisch zu den Märkten in den Provinzen verschifft und dort angeboten. Durch gefundene Stempel auf Scherbenresten konnten einzelne römische gentes als Produzenten sowie Vertreiber von Amphoren und Keramik identifiziert werden, die wiederum der Aufbewahrung von Waren gedient haben. Mithilfe ihrer Freigelassenen und ihrer clientes bauten römische Familien ganze Handelsnetze aus, die sich über das gesamte mare internum erstreckten, wodurch sie sich ganz dem Handel zur See verschrieben. Auch der Bereich der kultischen Lebenswelt der Römer war den Einflüssen des Meeres unterworfen. Als Rom während des ersten römisch-karthagischen Krieges nach zähen Jahren des Stellungskampfes und des Fehlens größerer Siege plötzlich die bis dato dominante Seemacht des westlichen mare internum in einer
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Seeschlacht überwältigte, wurde der Anerkennung dieses Sieges auf See eine eigene Bühne errichtet: der triumphus navalis. Mit dem ersten Seetriumph in der römischen Geschichte im Jahr 260 v. Chr. wurde der des Krieges müde gewordenen römischen Bevölkerung ein Schauspiel geboten, das bis ins Detail dem Erfolg sowohl des amtierenden Consuls und Flottenbefehlshabers C. Duilius, als auch der res publica populi romani auf See huldigte. Diese besondere Ausdrucksform maritimer Sieghaftigkeit zeichnete sich durch mit der Seefahrt verbundene Motive aus: Erbeutete Rammsporne, komplette Schiffe, personifizierte Flüsse und Meere, mitgeführte Flottenbesatzungen, die durch besondere Siegeskränze ausgezeichnet waren und gefangen genommene Seemannschaften des Feindes. All diese Elemente wurden in das „Repertoire“ des römischen Triumphes aufgenommen und im pompös inszenierten Festakt der pompa triumphalis der jubelnden städtischen Bevölkerung präsentiert. Der Triumph des Duilius wirkte als Katalysator auf die römische Seekriegführung. Die ihm nachfolgenden römischen nobilis im Amt der Consuln wollten es ihm gleichtun und mit ihrer Flotte innerhalb einer Kriegssaison durch Raubzüge an den Küsten Siziliens und Nordafrikas schnell Beute machen, sowie Karthago in einer Seeschlacht gegenübertreten und es besiegen. Bis auf zwei Ausnahmen kommandierten die Consuln in jedem Jahr des ersten römisch-karthagischen Krieges die Schiffskontingente der res publica persönlich und setzten sie mehr als einmal in risikoreichen Manövern und Kampagnen unnützen Gefahren aus, nur um auf ihrer Jagd nach virtus, die nötigen Erfolge zu haben. Insgesamt sieben Mal wurde in diesem Krieg der triumphus navalis vergeben. Eine derart starke Konzentration dieser Ehrung nautischer Tüchtigkeit war einmalig und wurde zu keiner Zeit, in keinem Krieg, den Rom führte, je wieder erreicht. Die Hauptursache hierfür liegt in den komplexer werdenden Kriegskampagnen der Folgejahre begründet, als oft auf mehreren Kriegsschauplätzen gleichzeitig, sowohl auf dem Meer als auch an Land, gekämpft werden musste. Demzufolge galt es nun für einen auf virtus und dignitas bedachten römischen Feldherrn, gleichsam zu Wasser und zu Lande siegreich zu sein. So kommandierten diese lediglich in seltenen Fällen ausschließlich die Flotte. An ihrer Stelle traten Legaten und römische Alliierte wie Pergamon, Rhodos, Massalia oder Ägypten, welche die Schiffskontingente befehligten und zur See siegten. Diese Leistungen und Erfolge vermochten dann die römischen Oberbefehlshaber für sich mit zu verbuchen. Der Sieg zur See verlor seine Sonderstellung, die er im ersten römischkarthagischen Krieg durch den Sieg des Duilius bei Mylae erlangt hatte, und mit ihm verlor auch der triumphus navalis sein Alleinstellungsmerkmal. Nur noch selten, insgesamt vier Mal, wurden reine Seetriumphe in Rom begangen. Stattdessen integrierte man seine Elemente in den semantischen Kanon des regulären Triumphes, so dass der Triumphator die Ehrungen seiner Leistungen sowohl zu Lande als auch zu Wasser festlich begehen konnte. Die Familien der Seetriumphatoren sowie Flottenkommandanten pflegten die Erinnerung an die nautischen Leistungen und Erfolge ihrer Familienmitglieder intensiv, indem sie nicht nur Rammsporne sondern auch Meeresgottheiten als Motiv für ihre Münzemissionen wählten und durch den Namen in der Umschrift die
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maritime Kompetenz für ihre gens akquirierten. Dieses symbolische Kapital wurde für die politische Laufbahn einzelner Familienangehöriger in die Waagschale geworfen, um Ämter, Ehren und Einfluss zu gewinnen und den mos maiorum entsprechend durch die eigenen Erfolge die Ahnen zu ehren. Schließlich sind auch die letzten krisenhaften Jahre der res publica populi romani, welche das römische Gemeinwesen ins Chaos der Bürgerkriege stürzten, tief von der Beziehung der Römer zum Meer geprägt. Per definitionem zeichnet sich ein Bürgerkrieg zunächst dadurch aus, dass unüberbrückbare Konflikte politischer, sozialer, religiöser oder ethnischer Natur innerhalb einer Gesellschaft mit kriegerischen Mitteln ausgetragen werden. Anders als beim Krieg mit äußeren Mächten verläuft im Bürgerkrieg die Front mitten durch eine Gesellschaft hindurch, die ihre Mitglieder über jegliche sozialen Beziehungsgefüge wie Arbeit, Freundschaft oder Familie hinweg in zwei Kriegsparteien spaltet. Diese Front reißt zudem innerhalb dieser Gesellschaft weit über den Konflikt und die kriegerische Lösung hinaus einen von Blut, Leid, Schuld und Sühne getränkten Graben auf, der auf die nachfolgenden Generationen, da sie diesen zu überwinden suchen, einwirkt, und so zu einer Konstante der eigenen kulturellen Identität wird. Das Meer beeinflusste für Rom gleich in zweifacher Hinsicht die Natur der Bürgerkriege: Einerseits muss das Meer, bzw. Roms Thalassokratie über das mare internum, als ein Teil des vielschichtigen Ursachenkomplexes der Bürgerkriege verstanden werden. Denn sowohl der Behauptung und Absicherung der römischen Hegemonie auf dem Meer, etwa gegenüber der zunehmenden Piraterie oder Mithridates VI. von Pontos, als auch der Getreideversorgung der Tibermetropole durch Schiffslieferungen aus den Provinzen war mit den gängigen Ämtern und Befugnissen nicht mehr beizukommen, so dass einzelne Männer mit Sondervollmachten ausgestattet versuchten, auf die sich verändernden Anforderungen und Probleme adäquat zu reagieren. Dazu akkumulierten sie entgegen den gängigen Regeln wie Annuität, Iteration und Interzession, über einen längeren Zeitpunkt ungeheure Macht in ihrer Person und belasteten dadurch die auf Homogenität ausgerichtete aristokratische Führungsschicht mit einer identitätsbedrohenden Hypothek. Andererseits bewirkte die römische Thalassokratie, dass sich die Schlachten der Bürgerkriege in erheblichem Maße auf das Meer konzentrierten und dass letztendlich das mare nostrum zur Siegestrophäe avancierte. C. Marius und Cinna gelang die Einnahme Roms nur, weil sie neben der Belagerung vom Landesinneren aus auch mit Schiffen die Tibermündung bei Ostia abriegelten, dadurch die Stadt von der Getreidezufuhr abschnitten und so in der Lage waren, die Bevölkerung auszuhungern. Sertorius’ Rebellion in Hispanien war auch deshalb derart erfolgreich und von der res publica nicht niederzuschlagen, weil er mit seiner Flotte den Seeverkehr des mare Ibericum, und damit einher gehend auch die Getreideversorgung der Tibermetropole aus den hispanischen Provinzen kontrollierte und die iberische Ostküste mit den Operationsbasen bei Dianium und Carthago Nova gegen Invasionsversuche absicherte. Erst als man sich in Rom dazu entschloss, auch auf See gegen Sertorius vorzugehen und zu diesem Zweck M. Antonius mit weit reichen-
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den Kompetenzen ausgestattet hatte, brach in Kombination mit der Offensive im Landesinnern, der Aufstand des Sertorius zusammen. Das Meer bildete in den Bürgerkriegen von 49 v. Chr. bis 31 v. Chr. das militärische sowie strategische Epizentrum. Die Mehrzahl der Kämpfe wurde entweder an den Küsten bzw. den militärstrategisch bedeutsamen Häfen des mare internum, oder auf hoher See ausgetragen. Pompeius hatte beispielsweise entlang der illyrischen Küste durch Operationsbasen, Flottenstützpunkte und mehrere unabhängig voneinander operierende Schiffsverbände ein nautisches Verteidigungsschild aufgebaut, um Angriffe oder sogar eine Landung Caesars abzuwehren. Darüber hinaus ließ er den wichtigsten Hafen seines Feindes, Brundisium in der Ägäis, angreifen und blockieren, wodurch er die Aktivität der gegnerischen Flotte zu binden hoffte. In ähnlicher Weise sicherten nach der Schlacht bei Pharsalos die verbliebenen Verbündeten des Pompeius mit Cato und Cornelius Scipio Nasica an der Spitze ihre neue Ausgangsbasis an der Küste Nordafrikas. Caesar hingegen zwang durch eine amphibische Kriegführung seine Gegner in die Knie. 48 v. Chr. etwa eroberte er mit seinem Heer einen schmalen Streifen an der illyrischen Küste mit Häfen und Seestädten, welche dann die Flotte mit den Truppenverstärkungen des Antonius anlaufen konnte. Mithilfe ihrer Flotte schufen sich die Caesarmörder Brutus und Cassius im Osten der Mittelmeerwelt eine Machtbasis, von der aus sie Octavian und Antonius bei Philippi entgegentraten. Sextus Pompeius avancierte durch seine eigene Flotte zwischenzeitlich zum alleinigen Beherrscher des Meeres, eine Rolle die er ostentativ durch die erklärte Sohnschaft zu Neptun und die eigene Ausstaffierung nach außen trug, so dass die triumviri Octavian, Antonius und Lepidus nicht darum herum kamen, sich vorerst mit ihm als gleichberechtigem Partner zu arrangieren. Schließlich endeten die Bürgerkriege und mit ihnen auch das Zeitalter der römischen Republik in einer Seeschlacht vor der illyrischen Adriaküste bei Ambrakia, als die Flotte des Antonius und der Cleopatra den Blockadering der octavianischen Schiffe zu durchbrechen suchten und dabei das Gros ihrer Kontingente verloren. Zu Beginn sowie auch im Verlauf dieser Arbeit ist wiederholt Kritik an den Definitionen zur (antiken) Thalassokratie geäußert worden. Daher soll am Ende nun der Versuch stehen, unter Berücksichtigung der hier behandelten Aspekte der römischen Seeherrschaft einen eigenen Vorschlag für die Definition einer antiken Thalassokratie zu unterbreiten: Unter Thalassokratie ist eine auf das Meer bezogene politische sowie militärische und ökonomische Dominanz eines an die See anrainenden Gemeinwesens zu verstehen. Um diese Vormachtstellung ausüben zu können, bedarf es zuallererst eines geographischen Zuganges zum Meer, etwa über einen Küstenabschnitt mit Häfen und Landeplätzen, die den Anforderungen der antiken Seefahrt genügen. Die Suprematie auf dem Meer fußt einerseits auf der Einschränkung oder Auslöschung maritimer Ambitionen konkurrierender Seemächte und andererseits auf der Kontrolle des Meeres über die territoriale Vorherrschaft an den Küsten sowie über die Inseln durch See- und Hafenstädte als Stützpunkte. Die Flotte bildet das offensive Instrumentarium einer Seeherrschaft. Mit ihrer Hilfe werden Konflikte auf dem Meer militärisch ausgetragen, der Güter- und Warenverkehr auf den Seerouten ermöglicht, die Herrschaftsgebiete an den Küsten und den Inseln gesichert und neue hinzugefügt. Zudem kann
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8. Mare nostrum – Die Thalassokratie der res publica populi romani eine Thalassokratie wesentliche Teilaufgaben, die der Absicherung und Kontrolle des Meeres dienen, an Verbündete übertragen und diesen dafür auch ein beschränktes Maß an maritimer Mitbestimmung zugestehen. Schließlich zeichnet sich ein seebeherrschendes Gemeinwesen dadurch aus, dass sämtliche Bereiche seiner sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebenswelt von der engen Beziehung zur See geprägt und durchdrungen sind, so dass das Meer zu einem untrennbaren Bestandteil seiner Kultur wird.
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BILDNACHWEISE 1. Buchcover: Photographie des Wandbildes aus der Nekropole eines Navicularius aus Ostia vom Autor. Das Gemälde ist heute in der Vatikanischen Bibliothek zu bewundern. Der Inschrift am linken Bildrand zufolge ist das Schiff „Isis“ eines gewissen Giminius bei dem Beladen dargestellt. Das erstaunliche an dem Wandbild ist der Detailreichtum der gezeichneten Arbeitsvorgänge und beteiligten Personen beim Verladen der ebenda durch Inschriften betitelten Güter. 2. S. 24: Karte der römischen Expansion auf der italische Halbinsel, Gestaltung durch Christoph Perner. 3. S. 34f.: Karte des Imperium Romanum von 264–31 v. Chr., Gestaltung durch Christoph Perner. 4. S. 163, 185, 231, 264, 273, 279, 285f.: Abbildungen der Münzen, Gestaltung durch Christoph Perner. 5. S. 270 und 274: Photographien der rostra und columna rostrata in Rom vom Autor.
p o t s da m e r a lt e rt u m s w i s s e n s c h a f t l i c h e b e i t r äg e
Herausgegeben von Pedro Barceló, Peter Riemer, Jörg Rüpke und John Scheid.
Franz Steiner Verlag
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ISSN 1437–6032
Christoph Batsch / Ulrike Egelhaaf-Gaiser / Ruth Stepper (Hg.) Zwischen Krise und Alltag / Conflit et normalité Antike Religionen im Mittelmeerraum / Religions anciennes dans l’espace méditerranéen 1999. 287 S. mit 18 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07513-8 Ulrike Egelhaaf-Gaiser Kulträume im römischen Alltag Das Isisbuch des Apuleius und der Ort von Religion im kaiserzeitlichen Rom 2000. 668 S., 20 Taf., geb. ISBN 978-3-515-07766-8 Christiane Kunst / Ulrike Riemer (Hg.) Grenzen der Macht Zur Rolle der römischen Kaiserfrauen 2000. X, 174 S., kt. ISBN 978-3-515-07819-1 Jörg Rüpke (Hg.) Von Göttern und Menschen erzählen Formkonstanzen und Funktionswandel vormoderner Epik 2001. 200 S., kt. ISBN 978-3-515-07851-1 Silke Knippschild „Drum bietet zum Bunde die Hände“ Rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum 2002. 223 S. mit 23 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08079-8 Christoph Auffarth / Jörg Rüpke (Hg.) ∆Epitomhv th`~ oijkoumevnh~ Studien zur römischen Religion in Antike und Neuzeit. Für Hubert Cancik und Hildegard Cancik-Lindemaier 2002. 284 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08210-5 Ulrike Riemer / Peter Riemer (Hg.) Xenophobie – Philoxenie Vom Umgang mit Fremden in der Antike 2005. XI, 276 S., geb.
ISBN 978-3-515-08195-5 Patricia Just Imperator et Episcopus Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischen dem 1. Konzil von Nicaea (325) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381) 2003. 251 S., kt. ISBN 978-3-515-08247-1 9. Ruth Stepper Augustus et sacerdos Untersuchungen zum römischen Kaiser als Priester 2003. 275 S., kt. ISBN 978-3-515-08445-1 10. Alessandro Barchiesi / Jörg Rüpke / Susan Stephens (Hg.) Rituals in Ink A Conference on Religion and Literary Production in Ancient Rome held at Stanford University in February 2002 2004. VIII, 182 S., kt. ISBN 978-3-515-08526-7 11. Dirk Steuernagel Kult und Alltag in römischen Hafenstädten Soziale Prozesse in archäologischer Perspektive 2004. 312 S. mit 6 Abb., 26 Plänen und 12 Taf., kt. ISBN 978-3-515-08364-5 12. Jörg Rüpke Fasti sacerdotum Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdischchristlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v. Chr. bis 499 n. Chr. Teil 1: Jahres- und Kollegienlisten Teil 2: Biographien Teil 3: Beiträge zur Quellenkunde und Organisationsgeschichte / Bibliographie / Register 2005. 3 Bde. mit insg. 1860 S. und CD-ROM, geb. ISBN 978-3-515-07456-8 8.
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erscheint nicht Dorothee Elm von der Osten / Jörg Rüpke / Katharina Waldner (Hg.) Texte als Medium und Reflexion von Religion im römischen Reich 2006. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-08641-7 Clifford Ando / Jörg Rüpke (Hg.) Religion and Law in Classical and Christian Rome 2006. 176 S., kt. ISBN 978-3-515-08854-1 Corinne Bonnet / Jörg Rüpke / Paolo Scarpi (Hg.) Religions orientales – culti misterici Neue Perspektiven – nouvelles perspectives – prospettive nuove 2006. 269 S. mit 26 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08871-8 Andreas Bendlin / Jörg Rüpke (Hg.) Römische Religion im historischen Wandel Diskursentwicklung von Plautus bis Ovid 2009. 199 S., kt. ISBN 978-3-515-08828-2 Virgilio Masciadri Eine Insel im Meer der Geschichten Untersuchungen zu Mythen aus Lemnos 2007. 412 S. mit 6 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08818-3 Francesca Prescendi Décrire et comprendre le sacrifice Les réflexions des Romains sur leur propre religion à partir de la littérature antiquaire 2007. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-08888-6 Dorothee Elm von der Osten Liebe als Wahnsinn Die Konzeption der Göttin Venus in den Argonautica des Valerius Flaccus 2007. 204 S., kt. ISBN 978-3-515-08958-6 Frederick E. Brenk With Unperfumed Voice Studies in Plutarch, in Greek Literature, Religion and Philosophy, and in the New Testament Background 2007. 543 S. mit 39 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08929-6 David Engels Das römische Vorzeichenwesen (753–27 v. Chr.) Quellen, Terminologie, Kommentar, historische Entwicklung
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2010. 301 S., kt. ISBN 978-3-515-09689-8 Giorgio Ferri Tutela urbis Il significato e la concezione della divinità tutelare cittadina nella religione romana 2010. 266 S., kt. ISBN 978-3-515-09785-7 James H. Richardson / Federico Santangelo (Hg.) Priests and State in the Roman World 2011. 643 S. mit 24 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09817-5 Peter Eich Gottesbild und Wahrnehmung Studien zu Ambivalenzen früher griechischer Götterdarstellungen (ca. 800 v.Chr. – ca. 400 v.Chr.) 2011. 532 S., kt. ISBN 978-3-515-09855-7 Mihály Loránd Dészpa Peripherie-Denken Transformation und Adaption des Gottes Silvanus in den Donauprovinzen (1.–4. Jahrhundert n. Chr.) 2012. X, 312 S. und 13 Taf. mit 35 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09945-5 Attilio Mastrocinque / Concetta Giuffrè Scibona (Hg.) Demeter, Isis, Vesta, and Cybele Studies in Greek and Roman Religion in Honour of Giulia Sfameni Gasparro 2012. 248 S. mit 48 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10075-5 Elisabeth Begemann Schicksal als Argument Ciceros Rede vom „fatum“ in der späten Republik 2012. 397 S., kt. ISBN 978-3-515-10109-7 Christiane Nasse Erdichtete Rituale Die Eingeweideschau in der lateinischen Epik und Tragödie 2012. 408 S., kt. ISBN 978-3-515-10133-2
39. Michaela Stark Göttliche Kinder Ikonographische Untersuchung zu den Darstellungskonzeptionen von Gott und Kind bzw. Gott und Mensch in der griechischen Kunst 2012. 360 S. und 32 Taf. mit 55 Abb. ISBN 978-3-515-10139-4 40. Charalampos Tsochos Die Religion in der römischen Provinz Makedonien 2012. 278 S. und 44 Taf. mit 58 Abb., 5 Ktn. und 3 Plänen, kt. ISBN 978-3-515-09448-1 41. Ioanna Patera Offrir en Grèce ancienne Gestes et contextes 2012. 292 S. mit 22 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10188-2 42. Vera Sauer Religiöses in der politischen Argumentation der späten römischen Republik Ciceros Erste Catilinarische Rede – eine Fallstudie 2012. 299 S., kt. ISBN 978-3-515-10302-2 43. Darja Šterbenc-Erker Die religiösen Rollen römischer Frauen in „griechischen“ Ritualen 2013. 310 S., kt. ISBN 978-3-515-10450-0 44. Peter Eich / Eike Faber (Hg.) Religiöser Alltag in der Spätantike 2013. 293 S. mit 24 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10442-5 45. Nicola Cusumano / Valentino Gasparini / Attilio Mastrocinque / Jörg Rüpke (Hg.) Memory and Religious Experience in the Greco-Roman World 2013. 223 S. mit 24 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10425-8 46. Veit Rosenberger (Hg.) Divination in the Ancient World Religious Options and the Individual 2013. 177 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10629-0
„Mare nostrum“ – unser Meer. So betiteln die Römer spätestens seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert das Mittelmeer. Das besitzanzeigende nostrum verdeutlicht ihren maritimen Machtanspruch. In einem beinahe zweihundertjährigen Prozess wuchs die Stadt am Tiber zur mittelmeerumspannenden Supermacht des Altertums heran. Wie keine andere antike Küstenkultur zuvor verstand es Rom, seine Hegemonie über das Mittelmeer aufzubauen und systematisch maritime Kontrahenten auszuschalten.
Marco Ladewig zeichnet in diesem Band die Genese der römischen Seeherrschaft nach. Zugleich spürt er in den römischen Kulten, der Architektur, der Wirtschaft und der Innenpolitik Belegen für eine römische Thalassokratie nach, um mit dem Zerrbild der res publica populi romani als Landmacht aufzuräumen und sie – wie alle anderen antiken Kulturen ebenso – als Küstenkultur darzustellen. Rom und das Mittelmeer sind untrennbar miteinander verbunden, denn nur über die Beherrschung des Meeres wurde die Stadt Rom zum Imperium Romanum.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-10730-3