Risikominderung durch wirtschaftliche Integration: Freihandelsabkommen in Nordamerika [1 ed.] 9783428490141, 9783428090143


115 82 37MB

German Pages 371 Year 1997

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Risikominderung durch wirtschaftliche Integration: Freihandelsabkommen in Nordamerika [1 ed.]
 9783428490141, 9783428090143

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen

Band 22

Risikominderung durch wirtschaftliche Integration Freihandelsabkommen in Nordamerika Von Pekka Helstelä

Duncker & Humblot · Berlin

PEKKA HELSTELÄ Risikominderung durch wirtschaftliche Integration

Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen Band 22

Risikominderung durch wirtschaftliche Integration Freihandelsabkommen in Nordamerika

Von Pekka Helstelä

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Helstelä, Pekka: Risikominderung durch wirtschaftliche Integration : Freihandelsabkommen in Nordamerika / von Pekka Helstelä. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen ; Bd. 22) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09014-4 brosch.

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6984 ISBN 3-428-09014-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Omistettu Annelille, Eerolle ja Ilkalle

Vorwort In einem Jahrzehnt, in dem die wirtschaftliche Integration in Europa mit der Realisierung des europäischen Binnenmarktes 1992 und der politisch angestrebten Gründung einer Währungsunion weiter vorangeschritten ist als in jeder anderen Region, stellt sich die Frage, ob es für einen europäischen Ökonomen zeitgemäß ist, sich intensiv mit nordamerikanischen Freihandelszonen - also einer 'niedrigeren' Integrationsform - zu beschäftigen. Welche neuen Erkenntnisse lassen sich gewinnen, wenn man den Blick über einen kontinentalen Tellerrand hebt, der angesichts der Ereignisse vor der eigenen Haustür bisweilen wie eine tiefe Suppenschüssel wirkt? Bei der ausführlichen Beschäftigung zunächst mit dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen Canada-United States Free Trade Agreement (CUFTA) zeigte sich, daß hier nicht - wie bei einem Freihandelsabkommen anzunehmen - in erster Linie die Liberalisierung im Vordergrund steht, sondern die Risikominderung. Mit anderen Worten: Es ging aus Sicht von Kanada weniger um einen freieren als um einen sicheren Zugang zum US-Markt. Aber auch die USA verfolgten konkrete Risikominderungsinteressen. Dies erklärt, warum ein Freihandelsabkommen nach zahlreichen gescheiterten Anläufen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wird, in dem der weltweit größte bilaterale Handel bereits weitgehend liberalisiert ist. Eine Analyse des am 1. Januar 1994 an seine Stelle getretenen North American Free Trade Agreement (NAFTA) mit Mexiko als drittem Mitgliedsland zeigt, daß auch hier Risikominderung sowohl in der Motivation als auch in der Umsetzung eine besondere Rolle spielt. Daraus leitet sich die zentrale These dieser Arbeit ab: Bei den beiden nordamerikanischen Freihandelsabkommen handelt es sich in erster Linie um Risikominderungskontrakte, die das politische Risiko der zukünftigen Einführung von Beschränkungen in den außenwirtschaftlichen Beziehungen der Partnerländer weitgehend beseitigen sollen. Damit ist Risikominderung nicht mehr ein wünschenswertes Nebenprodukt der regionalen Liberalisierung, sondern zentraler Gegenstand der Abkommen. Dies galt es in der vorliegenden Arbeit unter Beweis zu stellen. Die weitere Zielsetzung bestand darin, das Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes theoretisch zu begründen. Zur Erklärung wurden alternativ der wohlfahrtsökonomische Ansatz, der Public Choice- Ansatz und der Interessengruppenansatz herangezogen. Dies führt zu einer zweiten These, derzufolge multi-

Vorwort

8

nationale Unternehmen als wesentliche Befürworter eines Risikominderungskontraktes anzusehen sind. Es kann ein weiterer Beleg für die Bedeutung von multinationalen Unternehmen im Hinblick auf die Abwehr protektionistischer Interessen erbracht werden. Diese Arbeit hat der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität zu Freiburg als Dissertation vorgelegen. Mein Dank gilt zuallererst meinem Doktorvater und akademischen Lehrer, Professor Dr. Bernhard Külp, der durch stete Diskussionsbereitschaft, fruchtbare Anregungen und sein Interesse am Fortgang meiner Arbeit in jeder Phase für ihre Fertigstellung sehr förderlich war. Für weitere inhaltliche Anregungen und kritische Kommentare danke ich den Teilnehmern des gemeinsamen wirtschaftspolitischen Doktorandenseminars, insbesondere Prof. Dr. Günter Knieps und Prof. Dr. Viktor Vanberg. Sehr hilfreich war auch die konstruktive Kritik der Kollegen Dr. Gert Brunekreefit, Dr. Jochen Michaelis, Dr. Michael Pflüger und Dr. Alexander Spermann an der Albert-Ludwigs-Universität. Weiterer Dank gilt Prof. Dr. Norbert Berthold (Universität Würzburg) und Prof. Dr. Wim Kösters (Universität Bochum), die mir Gelegenheit gaben, Ergebnisse meiner Arbeit zur Diskussion zu stellen. Prof. Dr. Gerold Blümle danke ich für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens. Auch meine Kollegen am Lehrstuhl, Dr. Rupert Pritzl, Diplom-Volkswirtin Elke Denner, Frau Giseltraut Herbert sowie Frau Steffi Friedländer, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Sie haben nicht nur für ein stets günstiges, der wissenschaftlichen Arbeit förderliches Umfeld gesorgt, sondern durch ihre freundschaftliche Verbundenheit und persönliche Anteilnahme geholfen, Durststrekken und Endspurt zügig und ohne Blessuren zu überstehen. Ilka Osenberg hat meine Arbeit durch zweimaliges Lesen auf ein absolutes Minimum orthographischer Fehler reduziert. Ihr besonderes Verdienst ist es aber, mir durch liebevolle moralische Stütze und den Verzicht auf viele gemeinsame Stunden, den unentbehrlichen Rückhalt für meine Arbeit gegeben zu haben. Freiburg, Januar 1997

Pekka Helstelä

nsverzeichnis

Α. Einführung I.

Problemstellung

23

1. Motive wirtschaftlicher Integration

23

2. Unsicherheit im Außenhandel

26

3. Risikominderungskontrakt versus Versicherung

30

II. Aufbau der Arbeit B. Bedeutung der Risikominderung für Freihandelsabkommen in Nordamerika I.

23

CUFTA

32

36 36

1. Außenwirtschaftliche Beziehungen USA - Kanada vor dem Freihandelsabkommen 36 2. Zielsetzungen der beteiligten Länder für ein bilaterales Freihandelsabkommen 43 a) Zielsetzungen von Kanada

43

b) Zielsetzungen der Vereinigten Staaten von Amerika

45

3. Liberalisierungsmaßnahmen im Überblick

49

a) Liberalisierung bei Gütern

50

b) Liberalisierung bei Dienstleistungen

53

c) Liberalisierung bei Investitionen

57

4. Risikominderung im Überblick II. NAFTA

60 64

1. Außenwirtschaftliche Beziehungen USA - Kanada - Mexiko vor dem Freihandelsabkommen 64

nsverzeichnis

10

2. Zielsetzungen der beteiligten Länder für ein nordamerikanisches Freihandelsabkommen

71

a) Zielsetzungen von Mexiko

71

b) Zielsetzungen der Vereinigten Staaten von Amerika

74

c) Zielsetzungen von Kanada

76

3. Liberalisierungsmaßnahmen im Überblick a) Liberalisierung bei Gütern

79

b) Liberalisierung bei Dienstleistungen

84

c) Liberalisierung bei Investitionen

87

4. Risikominderung im Überblick C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte I.

79

89 93

Risikominderung im CUFTA

93

1. Risikominderung im bilateralen Handel

93

a) Antidumping- und Ausgleichszollverfahren in den USA als Quelle von Unsicherheit 93 b) Risikominderung bezüglich der Protektionismusgefahr

103

aa) Streitbeilegungsmechanismen im GATT und anderen Abkommen 103 bb) Risikominderung im Zusammenhang mit der Umsetzung und Interpretation des CUFTA 106 cc) Risikominderung gegenüber mißbräuchlicher Anwendung von Antidumping- und Ausgleichszollverfahren 108 dd) Risikominderung gegenüber mißbräuchlicher Anwendung von Schutzklauseln 112 2. Risikominderung bei Investitionen

115

a) Vorbemerkungen

115

b) Beschränkungen für Direktinvestitionen in Kanada

117

c) Gründe für die Beschränkung von Direktinvestitionen

120

d) Beurteilung der Risikominderung bei Direktinvestitionen

124

3. Risikominderung im Energiesektor

126

nsverzeichnis

11

II. Risikominderung im NAFTA

129

1. Risikominderung bezüglich der Protektionismusgefahr

129

a) Allgemeiner Streitbeilegungsmechanismus im Vergleich zum CUFTA 129 b) Der Streitbeilegungsmechanismus für Antidumping- und Ausgleichszollverfahren im Vergleich zum CUFTA 131 c) Lösung von emergency

üctfo/w-Problemen im Vergleich zum

CUFTA

132

2. Risikominderung bei Investitionen

134

a) Vorbemerkungen

134

b) Regelungen zum Abbau von Unsicherheit bei Direktinvestitionen.... 136 3. Risikominderung in sonstigen Bereichen

139

a) Energiesektor

139

b) Ursprungsregeln

140

III. Preis des Risikominderungskontraktes

142

1. Konzessionen als Risikoprämie

142

2. Konzessionen im CUFTA und NAFTA

144

D. Erklärungen für das Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes 148 I.

Wohlfahrtsmaximierung durch einsichtige Politiker auf der Grundlage von Ex a/ite-Modellen 148 1. Allgemeine Gleichgewichtsmodelle Unsicherheit

ohne Berücksichtigung

von 149

a) Allgemeine Beschreibung

150

b) Modellergebnisse in Abhängigkeit vom Modelltyp

152

c) Grenzen der Modelle

159

2. Erklärbarkeit des Zustandekommens einer regionalen Liberalisierung trotz negativer Wohlfahrtseffekte eines Freihandelsabkommens 165 a) Vorbemerkungen

165

b) Darstellung der Spielsituation in der Normalform

168

c) Darstellung der Spielsituation in der extensiven Spielform

172

nsverzeichnis

12

d) Analyse der Spielsituation 3. Ex ante-Modelle mit Protektionismusszenario

174 179

4. Beurteilung der Ex ante-Modellierung eines Risikominderungskontraktes als Entscheidungsgrundlage für ein Freihandelsabkommen 185 a) Subjektive versus objektive Wahrscheinlichkeiten

185

b) Probleme der Ex ante-Modellierung eines Risikominderungskontraktes 191 II. Risikominderungskontrakt im Median Wählermodell 1. Freihandel oder Protektionismus im Medianwählermodell

202 202

a) Durchschnitts Wähler versus Median Wähler

203

b) Das Medianwählermodell von Prachowny

207

c) Beurteilung des Medianwählermodells von Prachowny

208

2. Risikominderung im Medianwählermodell

214

a) Einfluß der Risikominderung auf die Wahlentscheidung

214

b) Unsicherheit durch widersprüchliche Modellergebnisse

216

c) Anpassungshilfen als Versicherung gegen das Anpassungsrisiko

219

3. Tatsächliches Wählerverhalten im Zusammenhang mit CUFTA

225

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter eines Risikominderungskontraktes 229 1. Grundlagen des Interessengruppenansatzes

229

2. Erklärungsansätze und Theorien des multinationalen Unternehmens

234

3. Nutzenmaximierende Entscheidungen von multinationalen Unternehmen unter Unsicherheit 242 a) Modellierung von Unsicherheit

243

b) Investitionsentscheidung bei Unsicherheit

245

aa) Investitionen im Risikofall

245

bb) Investitionen im Ungewißheitsfall

250

c) Standortentscheidung und Handelsumfang im Risikofall

254

aa) Die Modellannahmen

254

bb) Das Modell

260

nsverzeichnis

13

d) Internationalisierungsstrategien bei Unsicherheit

275

aa) Konkurrierende Internationalisierungsstrategien bei Sicherheit.. 275 bb) Konkurrierende schem Risiko

Internationalisierungsstrategien

bei politi279

cc) Konkurrierende Internationalisierungsstrategien bei Bewertungsunsicherheit 283 e) Multinationale Unternehmen und Liberalisierung

289

4. Handlungsalternativen der multinationalen Unternehmen zur Minderung des politischen Risikos 295 5. Die Rolle der kanadischen und amerikanischen multinationalen Unternehmen beim Zustandekommen des CUFTA 300 6. Ergebnisse zum Lobby ismusverhalten von multinationalen Unternehmen 303 E. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

309

Summary

319

Anhang I: Gliederung des Canada-United States Free Trade Agreement

320

Anhang II: Gliederung des North American Free Trade Agreement

326

Mathematischer Anhang

328

Literaturverzeichnis

338

Sachwortverzeichnis

360

blnverzeichnis

Tabelle 1 :

Kanada und die USA in 1988: Ausgewählte Vergleichsgrößen

39

Tabelle 2:

Abhängigkeit Kanadas vom Außenhandel mit den USA

40

Tabelle 3:

Trilaterale Handelsbeziehungen in 1992

64

Tabelle 4:

Gegenseitige Abhängigkeiten aufgrund von Handelsbeziehungen

65

Tabelle 5:

Kanada, Mexiko und die USA in 1992: Ausgewählte Vergleichsgrößen

Tabelle 6:

US-Außenhandel in Gütern mit Kanada und Mexiko in 1991: Ausgewählte Produktgruppen

Tabelle 7:

155

Ergebnisse verschiedener CGE-Modelle zu den Wohlfahrtseffekten des NAFTA

Tabelle 9:

67

Ergebnisse verschiedener CGE-Modelle zu den WohlfahrtsefFekten des CUFTA

Tabelle 8:

65

Auszahlungsmatrix im Status quo- und Protektionismusszenario

156 169

Tabelle 10: Bestimmung des Medianwählers anhand von sektoralen Gewinnen und Verlusten 209 Tabelle 11 : Entscheidungsmatrix fur die optimale Intemationalisierungsstrategie bei Bewertungsunsicherheit

285

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 :

Inframarginaler Gewinn

Abb. 2:

Differentialgewinn

Abb. 3 :

terms of tra Je-Effekt

Abb. 4:

volume of trade-Effekt

Abb. 5:

Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes in einem Spiel

160 160 161 161

mit unvollständiger Information

175

Abb. 6:

Darstellung der Güterströme

258

Abb. 7:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung

264

Abb. 8:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung von Leistungsanforderungen bei Direktinvestitionen 266

Abb. 9:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung eines Antidumpingzolls auf das Exportgut 268

Abb. 10:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung eines Ausgleichszolls auf das subventionierte Zwischenprodukt (für I ä / Ί groß in Relation zu \R2" I ) 271

Abb. 11 :

Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht kanadischer MNU) 272

Abb. 12a: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht amerikanischer MNU; das Zwischenprodukt wird in Land 2 hergestellt) 274 Abb. 12b: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht amerikanischer MNU; das Zwischenprodukt wird in Land 1 hergestellt) 275 Abb. 13:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung vor und nach der Handelsliberalisierung 293

Abungsverzeichnis

A

alternatives Ereignis in einem bestimmten Umweltzustand

a

Handlungsalternative i

aopt

optimale Handlungsalternative

Abb.

Abbildung

abs.

absolut

Abs.

Absatz

AD

Antidumping

ADI

Auslandsdirektinvestitionen

Art.

Artikel

Β

alternatives Ereignis in einem bestimmten Umweltzustand

BCNI

Business Council on National Issues

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BSP

Bruttosozialprodukt

c

Ungewißheitsaversion Wahlspende der Lobby, die Industrie i repräsentiert (mit Index Β = Befürworter, mit Index Ο = Gegner)

CGE

Computerized General Equilibrium

CP

Wohlfahrtsverlust durch bestehende contingent protection

CP+

Wohlfahrtsverlust durch zunehmende contingent protection

CUFTA

Canada-United States Free Trade Agreement

d

Häufigkeit eines Ereignisses

DOC e

P

ab

esab

Department of Commerce Auszahlung im Protektionismusszenario; für a = kanadische Handlungsalternative und b = amerikanische Handlungsalternative Auszahlung im Status quo-Szenario

Abkürzungsverzeichnis

17

E 0 [FJ

Erwartungswert der Nettoauszahlung einer Investition bei Möglichkeit des Abwartens

E[KH]

Erwartungswert der Kosten von ausländischen Handelsschranken

E[KI]

Erwartungswert der Kosten von Inputbestimmungen

Ε[ΔΚΗ]

erwartete Änderung der Kosten durch Handelsschranken

Ε[ΔΚΙ]

erwartete Änderung der Kosten durch Inputbestimmungen

EU

Erwartungsnutzen

a

Ex

Exportangebot des Auslands

EXP

Exportstrategie

Ft

Nettoauszahlung in Periode t bei einer Investitionsentscheidung mit Möglichkeit des Abwartens

F^K)

Ausbringung von Q in Land i als Funktion des Kapitaleinsatzes

FIRA

Foreign Investment Review Agency

FWV

firmenspezifische Wettbewerbsvorteile

G

Gewähren von sicherem Zugang

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs

GDP

Gross Domestic Product

GO

Zielfunktion einer stimmenmaximierenden Regierung

GW

als Index: Gegenwartswert

H

Anzahl Haushalte oder Individuen

H,^

hoher Netto-Exportertrag

i

risikofreier Diskontierungssatz

1

Investition/ Investitionskosten

ICA

Investment Canada Act

ICSID

International Center for the Settlement of Investment Disputes

1

and Trade

Im

Importnachfrage des Inlands

ITA

International Trade Administration

ITAC

International Trade Advisory Committee

2 Helstelä

Abkürzungsverzeichnis

18 ITC

International Trade Commission

Κ

Kapital

Κ

Inländischer Kapitalstock

K*

Kapitalzufluß aus dem Ausland

K, 1 K2

Kapitaleinsatz im Stammland (Land 1) Kapitaleinsatz im Gastland (Land 2)

KE

Externalisierungskosten

KH

Kosten der ausländischen Handelsschranken

KI

Kosten der Inputbestimmungen

KSt

Kosten des ausländischen Standortes/ Standortnachteile

L

Nettonutzen aus der regionalen Liberalisierung

LIZ

Lizenzierungsstrategie

MNU

Multinationale(s) Unternehmen

NNE

Niedriger Netto-Exportertrag

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NB

Gegenwartswert des erwarteten Nettonutzens

NEP

National Energy Program

NG

Nichtgewähren von sicherem Zugang

NN

Nettonutzen aus Verhaltensänderungen bei reduzierter Unsicherheit

NTHH

Nichttarifäre Handelshemmnisse

Ρ

Wahrscheinlichkeit

Ρ

Auslandspreis

i

Ρ Pi

Inlandspreis Preis der Konkurrenzgüter

,max

Wahrscheinlichkeitswert aus dem Wahrscheinlichkeitsintervall fur Uz, der den Nutzenerwartungswert der Alternative a maximiert

p,jn,n

Wahrscheinlichkeitswert aus dem Wahrscheinlichkeitsintervall für Uz, der den Nutzenerwartungswert der Alternative a. minimiert

p^Qj)

Preis des Endproduktes in Land i

p

Abkürzungsverzeichnis p^

Mittelwert des Wahrscheinlichkeitsintervalls

Pad

Wahrscheinlichkeit der Einfuhrung eines Antidumpingzolls

P^

Wahrscheinlichkeit der Einführung eines Ausgleichszolls

PH

Wahrscheinlichkeit der Einführung von Handelsschranken

Pj

Wahrscheinlichkeit der Einführung von Inputbestimmungen

P IS

Wahrscheinlichkeit der Einführung einer Inputsteuer

P^

Preis der Risikominderung (Konzessionen)

Pz

Wahrscheinlichkeit der Einführung eines Mengenzolls

P(A)

Wahrscheinlichkeit von A

proz.

prozentual

q

Kosten des Zwischenproduktes

Q

Endprodukt

Q,

Angebotsmenge des MNU für das Endprodukt in Land 1

Q2

Angebotsmenge des MNU für das Endprodukt in Land 2

Qex

exportiertes Endprodukt

r

Profitrate des Kapitals

r0

Kapitalrendite im Inland

r,

Welt-Kapitalrendite

r2

Nettorendite des Kapitals nach Steuern

T2

Erwartete Kapitalstückkosten in Land 2

r

Kapitalstückkosten in Land i

R

Nutzen der Risikominderung

R0

Netto-Ertrag in der Periode 0

RJJU

Erlös vor der Handelsliberalisierung

R^Qj)

Erlösfunktion für das Endprodukt in Land i

Rlib RB sIS

SITC

2*

Erlös nach der Handelsliberalisierung cost of risk-bearing Inputsteuer

Standard International Trade Classification

19

Abkürzungsverzeichnis

20 St

Standortvorteile

tzx

Transportkosten des Exportgutes

tz

Transportkosten des Zwischenproduktes

TRIMS

trade related investment measures

u

Nutzen der Alternative a im Umweltzustand UZ

U

Nutzen

Ü

UNCITRAL United Nations Commission on International Trade Law UZ

Umweltzustand

V

Zahl der Versuche

V,

Gegenwartswert der Erträge einer Investition in Periode t

VER

voluntary export restraints

W

aggregierte Wohlfahrt der Gesellschaft

WGPK

Wertgrenzprodukt des Kapitals

WTO

World Trade Organization

χ,

Produktionsmenge des Endproduktes in Land i

Y

Gesamtangebot aller konkurrierenden Unternehmen

ζ

Zollsatz (Mengenzoll)

Z

Antidumpingzoll

AD

erwarteter Antidumpingzoll im Gastland Z

AZ

Ausgleichszoll

Griechische Buchstaben: β

Gewichtungsparameter für die Sensibilität der Regierung gegenüber der Wohlfahrt des Durchschnittswählers

Φ

Menge der möglichen Umweltzustände

κ

Spannbreite der möglichen Ergebnisse (H,^ - N^)

λ

Wahrscheinlichkeit des Protektionismusszenarios

kmin

Schwellenwert der Wahrscheinlichkeit des Protektionismusszenarios, ab dem ein Risikominderungskontrakt angestrebt wird

Abkürzungsverzeichnis

21

π

globaler Gewinn des multinationalen Unternehmens

π,

Gewinn in Land 1 (Stammland)

π2

Gewinn in Land 2 (Gastland)

τ

Betroffenheit von US-contingent protection im Fall des Risikominderungskontraktes

ω

Spannweitenparameter, der als Gewichtungsparameter fungiert

Ω0

Nettoauszahlung in Periode 0 bei einer Jetzt-oder-nie-Entscheidung

Ξ

Menge der möglichen Ereignisse des jeweiligen Umweltzustandes

Ψ(^)

Alternativenpräferenzwert

Α. Einführung Ι. Problemstellung 1. Motive wirtschaftlicher Integration Wirtschaftliche Integration läßt sich als Prozeß wie auch als Ergebnis der Vereinigung zunächst getrennter Volkswirtschaften zu einem größeren Wirtschaftsraum verstehen, der sich nach außen durch einen diskriminierenden Abbau von Beschränkungen des Handels (und der grenzüberschreitenden Faktorwanderungen) auszeichnet. Diese Vereinigung beinhaltet i. d. R. auch gewisse Elemente der Kooperation und Koordination. 1 Die Theorie der Wirtschaftlichen Integration findet ihren Anfang im grundlegenden Werk von Viner (1950). Seither ist die Entwicklung der Integrationstheorie eng mit der europäischen Integration verknüpft, wenngleich sich im Zusammenhang mit der Entstehung immer neuer regionaler Zusammenschlüsse zahlreiche Autoren auch diesen Untersuchungsobjekten zugewandt haben. Nichtsdestotrotz ist die Integrationstheorie sehr stark europäisch geprägt, wobei sich vielfach auch außereuropäische Ökonomen verdient gemacht haben. Angesichts dieser europazentrierten Prägung erscheint es sinnvoll, gelegentlich den Blick über den kontinentalen Tellerrand hinwegzuheben, um neue Erkenntnisse für die Theorie der Wirtschaftlichen Integration zu gewinnen. Als Untersuchungsobjekt bieten sich die beiden nordamerikanischen Freihandelsabkommen aufgrund ihrer Größe und globalen Bedeutung an. Zum 1.1.1989 ist das Canada-United States Free Trade Agreement (in der Folge kurz: CUFTA) zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, am 1.1.1994 das North American Free Trade Agreement (in der Folge kurz: NAFTA) zwischen Kanada, Mexiko und den USA in Kraft getreten. Die ausführliche Beschäftigung zunächst mit dem CUFTA, später auch mit dem NAFTA, hat dem Verfasser gezeigt, daß es notwendig ist, die nordamerikanischen Freihandelsabkommen unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten:

Bezüglich der Darstellung der grundlegenden Integrationsformen genüge an dieser Stelle der Hinweis auf die zahlreichen Darstellungen in der Literatur zur Integrationstheorie/ -politik, wie ζ. B. bei El-Agraa (1988a), S. 1 f., oder Külp (1978), S. 135 f.

24

Α. Einführung

dem Motiv der Risikominderung. Interessant ist, daß es sich um eine zentrale Motivation für beide Abkommen handelt. Ein kurzer Blick auf die Motive wirtschaftlicher Integration zeigt, welche bislang im Mittelpunkt der Integrationspolitik gestanden haben. Zunächst ist festzustellen, daß wirtschaftliche Integration kein Eigenziel darstellt, sondern Instrumentalcharakter besitzt, d. h. der Erreichung übergeordneter Ziele dient. Diese lassen sich unterscheiden in politische Ziele und ökonomische Ziele. Zu den politischen Zielen sind insbesondere die Friedenssicherung, aber auch Ziele wie etwa die Behauptung der europäischen Staaten in der Weltpolitik oder die Lösung von Minderheiten- und Grenzproblemen zu zählen.2 Für die europäische Wirtschaftsintegration stellten bekanntlich politische Ziele die vorrangige Motivation dar.3 Nach El-Agraa stehen sogar für nahezu alle wirtschaftlichen Integrationen politische Gründe im Vordergrund. 4 Für das CUFTA läßt sich die Bedeutung politischer Ziele mit dem Hinweis auf die Sensibilität in Kanada, als Bundesstaat der USA angesehen zu werden oder als solcher zu enden, deutlich verneinen. Wie die Debatte um das CUFTA in Kanada gezeigt hat, stellte ein möglicher Verlust der nationalen Souveränität und Identität die zentrale Sorge vieler Kanadier dar. Zwar gibt es im Hinblick auf das Verhältnis von Mexiko zu den USA ebenfalls geschichtlich bedingte Empfindlichkeiten, eine völlige Absage an politische Motive ergibt sich hieraus jedoch nicht, wie an späterer Stelle gezeigt wird. Diese Motive zielen allerdings nicht auf eine langfristige politische Integration ab. Ökonomische Ziele lassen sich auf das Oberziel der 4Wohlstandssteigerung' konzentrieren. Dieses Ziel wird jedoch für gewöhnlich weiter unterteilt, wenn es um die Argumentation zugunsten einer wirtschaftlichen Integration geht. Es wird im wesentlichen unterschieden in die Frage nach - der effizienten Allokation (statische Wohlfahrtseffekte), - der Beeinflussung des wirtschaftlichen Wachstums (dynamische Wohlfahrtseffekte), - der Beeinflussung der terms of trade gegenüber Drittstaaten. Beachtung finden in diesem Zusammenhang Aspekte wie eine erhöhte Effizienz infolge von Spezialisierung, ein erhöhtes Produktionsniveau aufgrund der Nut-

2 3

Siehe hierzu Hrbek( 1993), S. 3 und S. 5.

Vgl. ζ. B. Balassa (1962), S. 6, oder Molle (1990), S. 49 ff. Zur geschichtlichen Einführung siehe auch Külp (1978), S. 124-127. 4 Vgl. El-Agraa (1988b), S. 16.

I. Problemstellung

25

zung von Skaleneffekten (i-Maßnahmen der USA zu zählen. Aufgrund ihrer empirisch geringeren Bedeutung sowie der anders gearteten Regelungen zur Risikominderung werden sie getrennt von den Antidumping- und Ausgleichszollverfahren in Kapitel C.I.l.b) dd) behandelt.

94

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Möglichkeit, in Bereichen, in denen der Handel durch Zollabbau liberalisiert wurde, einheimische Produzenten weiterhin vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dabei ist zu beachten, daß Antidumping- und Ausgleichszölle im Grundsatz keinen Protektionismus darstellen. Vielmehr widerspricht ihre Grundlage - das Vorliegen von Dumping oder die Subventionierung von Exportprodukten - dem GATT zufolge den Regeln eines 'fairen Handels', d. h. eines Handels, der allein durch die komparativen Vorteile bestimmt ist. Dieser soll durch die Einführung von Zöllen auf gedumpte oder subventionierte Exporte gewährleistet werden können - ein grundsätzliches Verbot von Dumping und Subventionierung beinhaltet das GATT nicht. 4 Problematisch ist hierbei, daß die Verhängung von Antidumping- und Ausgleichszöllen ausschließlich im Rahmen eines nationalen Verfahrens geschieht, das trotz einer Bindung an die Antidumping- und Antisubventionskodizes des GATT zumindest bis zum Abschluß der Uruguay-Runde beträchtliche Spielräume der Ausgestaltung zuließ.5 Es gilt zu zeigen, daß diese trade remedy /aw-Maßnahmen als protektionistische Instrumente anzusehen sind. Von Bedeutung ist hierbei, daß die USA in der Vergangenheit so häufig wie kein anderes Land Antidumping· und Ausgleichszollverfahren gegen ausländische Unternehmen durchgeführt haben. Von den im Zeitraum 1980 bis 1988 weltweit eingeleiteten 1255 Antidumping- und 496 Ausgleichszollverfahren entfielen 30,6 % resp. 61,3 % auf die USA. Zwar gehörte auch Kanada zu den wenigen Ländern, die in bedeutendem Umfang von Antidumpingzöllen Gebrauch machten (22,7 % der oben genannten Antidumpingverfahren entfielen auf Kanada, allerdings nur 3,6 % der Subventionsverfahren). 6 In den bilateralen Handelsbeziehungen kann jedoch von einer erheblich stärkeren Betroffenheit der kanadischen Exporte von US-amerikanischen Maßnahmen gesprochen werden als umgekehrt. Nach Angaben der kanadischen Regierung waren im Zeitraum 1980-1987 kanadische Exporte im Umfang von 6,225 Mrd. CAN-Dollar durch amerikanische Maßnahmen betrof-

4

Grundsätzlich verboten waren vor Abschluß der Uruguay-Runde des GATT lediglich Exportsubventionen für verarbeitete Produkte, sofern diese einen Ausfuhrpreis unterhalb des Preises vergleichbarer Inlandswaren des importierenden Landes erlauben, vgl. Jäger (1992), S. 155. 5 Für eine kritische Diskussion der WTO-Antidumping- und Subventionsordnung siehe Hauser/ Schanz (1995), S. 75-99. Trotz zahlreicher Fortschritte bei der Eindämmung protektionistischer Mißbräuche von Antidumping- und Ausgleichszöllen gibt es nach wie vor Spielräume, diese Maßnahmen als „Instrument eines selektiven und unilateralen Protektionismus" (dieselben, S. 81) einzusetzen. 6 Vgl. Rugman/ Verbeke (1990), S. 44, Tabelle 4A. 1, und S. 46, Tabelle 4A.2.

I. Risikominderung im CUFTA

95

fen, umgekehrt amerikanische Exporte nach Kanada nur im Umfang von 403 Mio. CAN-Dollar. 7 Das Ausmaß der US-contingent protection gegen Kanada im Jahr 1986 betrug über 6 % des gesamten kanadischen Exportwertes. 8 Auch wenn Exporte aus der EG und aus Japan am häufigsten Ziel von Maßnahmen der US-contingent protection in den 80er Jahren waren,'* wurde die Praxis der US-contingent protection vor allem in Kanada (aber auch in Mexiko) mit großer Sorge betrachtet, da man in hohem Maß von einem freien und sicheren Zugang zum Haupthandelspartner abhängig war. Wie sieht nun in den USA das jeweilige Verfahren bei Antidumping- und Ausgleichszöllen aus und welche Möglichkeiten beinhaltet es für einen protektionistischen Mißbrauch? Dumping liegt gemäß Artikel VI, Abs. 1 GATT-Vertrag vor, wenn Waren eines Landes zu einem Preis auf den Markt eines anderen Landes gebracht werden, der unter ihrem normalen Wert liegt. Der normale Wert orientiert sich a) an einem vergleichbaren Verkaufspreis auf dem Inlandsmarkt des exportierenden Landes, b) wenn ein solcher Vergleichspreis fehlt, am höchsten Verkaufspreis für ein vergleichbares Gut, welches in ein Drittland exportiert wird oder c) an den Produktionskosten im Herkunftsland zuzüglich angemessener Aufschläge für Vertriebskosten und Gewinn. Dies entspricht auch der Definition des Dumping, wie er in der US-Handelsgesetzgebung zu finden ist. Voraussetzung für die Einführung eines Antidumpingzolls ist auch dort eine materielle Schädigung von Produzenten des Importkonkurrenzsektors durch Importe zu Dumpingpreisen.10 Die Erhebung von Ausgleichszöllen ist im Rahmen des GATT an vergleichbare Voraussetzungen gebunden: 1. ist der Nachweis einer Subventionierung zu erbringen, 2. ist ein Schaden oder eine Bedrohung zu Lasten eines bestehenden oder eines im Entstehen begriffenen Wirtschaftszweiges nachzuweisen und 3. muß ein Kausalzusammenhang zwischen Subvention und Schädigung vorliegen. Der Ausgleichzoll darf nicht höher sein als die gewährte Subvention, und sollte niedriger sein, wenn dies zum Ausgleich des Schadens ausreicht. 11 Von 7

Zitiert nach: Rugman (1989), S. 117.

8

Vgl. Ritchie (1991), S. 84.

Gegen EG-Länder wurden im Zeitraum 1980-1989 von den USA 141 Antidumping· und 167 Ausgleichszollverfahren eingeleitet, gegen Japan 58 resp. 6. Kanada war von 25 bzw. 18 Verfahren betroffen, Mexiko von 8 bzw. 2, vgl. Boltuck/Litan (1991), S. 4, Tabelle 1-3. 10 Vgl. dieselben, S. 8. 11

Vgl. Jäger (1992), S. 157. Da in den USA Ausgleichszölle i. d. R. in maximal erlaubter Höhe (dem Pro-Stück-Wert der Subvention) verhängt werden, kommt es zu

96

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

diesen Voraussetzungen müssen auch die US-Handelsbehörden ausgehen, wenn sie über die Einführung eines Ausgleichszolls zu befinden haben. Geprüft werden die genannten Voraussetzungen bei Antidumping- und Ausgleichszollverfahren ip den USA von zwei unabhängigen Behörden: In einem ersten Schritt wird von der International Trade Commission (ITC) geprüft, ob es eine 4reasonable indication' für die Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweiges gibt. Die International Trade Administration (ITA) im Department of Commerce prüft dann, ob ein Dumping- oder Subventionstatbestand mit einer 4reasonable likelihood ' vorliegt, und wenn ja, schätzt sie die Höhe des vorläufigen Antidumping- bzw. Ausgleichszolls. War das Ergebnis der ITA positiv, so wird von der ITC eine detailliertere Schädigungsanalyse durchgeführt. Bei erneut positivem Ergebnis führt auch die ITA eine zweite Analyse des Dumping- oder Subventionstatbestandes durch. Wird das erste Ergebnis bestätigt, legt sie den endgültigen Zoll fest. Am Ende des Verfahrens haben sowohl der Kläger - die initiierenden einheimischen Produzenten - als auch der Angeklagte - das exportierende Unternehmen - die Möglichkeit, die Entscheidung von einem amerikanischen Gericht, dem U. S. Court of International Trade, prüfen zu lassen.12 Wie dargestellt gibt es zwei Verfahrensschritte: Um möglichst kurzfristig auf unfaire Importe reagieren zu können, wird nach einer ersten kurzen Prüfung durch die ITA und die ITC ein vorläufiger Zoll erhoben, sofern die jeweiligen Ergebnisse dies rechtfertigen. Die weitere Prüfung bis zur Festlegung der endgültigen Zollhöhe dauert i. d. R. drei bis vier Jahre. Liegt der endgültig festgelegte Zoll höher als der vorläufige, muß für die importierte Menge die Differenz zuzüglich einer relativ hohen Verzinsung nachgezahlt werden. Die Zahlungsverpflichtung betrifft den Importeur. Dieser weiß somit über einen relativ langen Zeitraum nicht, welchen Preis er für die importierte Menge letztlich zahlen muß. Zwar wird er versuchen, die Zollbelastung so weit es geht auf den Exporteur zurückzuwälzen. Dies kann er aber i. d. R. nur im Zusammenhang mit zukünftigen Lieferungen tun. Für den Importeur bedeutet dies, daß er nach Einleitung eines Antidumping- oder Ausgleichszollverfahrens ohne Risiko nur dann weiter importieren kann, wenn er über genaue Kenntnis darüber verfügt, wie hoch der 'normale Wert' vergleichbarer Güter ist bzw. welche Subventionen dem Exporteur zugeflossen sind (und ob diese als anfechtbar gelten). Nur dann läßt sich beurteilen, ob der endgültige Zoll höher liegen wird. Dieses Wissen

einer Verzerrung der Preise zugunsten der US-Produzenten, vgl. Boltuck u. a. (1991), S. 161 ff. 12 Vgl. Hufbauer (1990), S. 143 f. Zum US-Antidumpingverfahren siehe ausführlicher auch bei Murray (1991), S. 24 ff.

I. Risikominderung im CUFTA

97

kann er jedoch nicht besitzen, so daß die Unsicherheit über die letztendliche Preishöhe zu einem stärkeren Nachfragerückgang führen kann. Dies hat zur Folge, daß die contingent protection-Maßnahme aufgrund der dargestellten Unsicherheit eine stärkere protektionistische Wirkung aufweist als allein durch die endgültige Zollhöhe begründet ist. 13 Francois, Palmeter und Anspacher kommen sogar zu dem Ergebnis: „The end result is often that any dumping or countervailing duty, no matter how small, is prohibitive"™ Auf die zahlreichen protektionistischen Spielräume einzugehen, die sich aus der Methodik der Antidumpingverfahren in den USA ergeben, würde zu sehr ins Detail führen. Zur Verdeutlichung ihrer Fragwürdigkeit soll ein Beispiel aus einer Vielzahl problematischer Verfahrensweisen herausgegriffen werden. Betrachtet wird hier die Vorgehensweise der ITC bei der Bestimmung der Dumpingspanne, die bestimmt, ob ein Dumpingfall vorliegt. 15 Gibt es einen vergleichbaren Preis für das Exportgut auf dem Inlandsmarkt des exportierenden Landes, so liegt Dumping vor, wenn der Exportpreis innerhalb der letzten sechs Monate niedriger war als der durchschnittliche Inlandspreis während dieses Zeitraumes. Genauer: Dumping liegt vor, wenn die ITC eine negative Dumpingspanne ermittelt. Diese ist definiert als (Inlandspreis Exportpreis) / Exportpreis. In einem ersten Schritt wird der durchschnittliche Inlandspreis bestimmt. Ist der Preis einer einzelnen Exporttransaktion höher als der durchschnittliche Inlandspreis, wird die Dumpingspanne für diese Transaktion gleich null gesetzt. Für alle Exporte, bei denen der Durchschnittspreis im Inland unterschritten wird, ergibt sich eine negative Dumpingspanne. Deren Durchschnitt ergibt die für die Entscheidung der ITC relevante Größe. 16 Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Angenommen das exportierende Unternehmen kann innerhalb der betrachteten sechs Monate seine Produktionskosten vermindern, so daß es sowohl den Inlands- als auch den Auslandspreis im gleichen Umfang zu senken vermag. Im Inland wie im Ausland finden je drei Transaktionen mit (der Einfachheit halber) identischen Mengen statt. Bei der ersten beträgt der Preis im In- und Ausland je 6 $, bei der zweiten je 5 $ und bei der dritten je 4 $. Der durchschnittliche Inlandspreis beträgt somit 5 $. Mit diesem Durchschnittspreis wird der Preis der einzelnen Exporttransaktion vergli-

13 14

Vgl. Boltuck u. a. (1991), S. 173. Francois u. a. (1991), S. 129.

15

Siehe für weitere Kritik an den Verfahrensweisen im US-Antidumpingverfahren die ausführlichen Darstellungen bei Baldwin/ Moore (1991), S. 270 ff., Boltuck u. a. (1991), S. 155-160, Cass/Narkin (1991), S. 205-217, sowie Murray (1991), S. 30-51. 16

Vgl. Boltuck u. a. (1991), S. 155.

7 Helstelä

98

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

chen. Für die erste und zweite Transaktion ist der Exportpreis größer bzw. gleich dem durchschnittlichen Inlandspreis. Hier wird die Dumpingspanne gleich null gesetzt. Bei der dritten ergibt sich eine negative Dumpingspanne von - 0,25 $. Die durchschnittliche Dumpingspanne beträgt - 0,083 $ und genügt bereits zur Feststellung eines Dumpingtatbestands, obwohl eine identische Verteilung der Export- bzw. Inlandspreise vorliegt. Diese und andere Vorgehensweisen bei der Feststellung eines Dumpingtatbestands fuhren häufig auch dort zu einem positiven Ergebnis, wo kein Dumping vorliegt, d. h. der Verkaufspreis im exportierenden Land dem Ausfuhrpreis (ab Werk) entspricht oder gar darunter liegt. Dies schafft ebenfalls Unsicherheit bei den ausländischen Exporteuren und amerikanischen Importeuren. Hoekman/ Leidy stellen fest: i9A major effect of AD [antidumping; Anm. d. Verf.] laws is to make the world trading environment more uncertain for the exporting firm. This uncertainty leads exporters to recoil from export markets on the margin." 11 Eine Verzerrung zugunsten der amerikanischen Produzenten ergibt sich weiterhin dadurch, daß durch die fair trade laws deutlich strengere Maßstäbe an den 'fairen Handel* von ausländischen Exporteuren gelegt werden als im inneramerikanischen Wettbewerb durch die U. S. anti-trust laws. x% Bei Ausgleichszollverfahren läßt sich die zentrale Ursache für protektionistischen Mißbrauch und die Entstehung von Unsicherheit eindeutig identifizieren. Entsprechend den Regeln des GATT wird im US-Ausgleichszollverfahren unterschieden, ob eine Subvention allgemein zugänglich ist oder nicht (Kriterium der Spezifität; auch General Availibility-Kriterium genannt). Allgemeine Subventionen, wie z. B. ein staatlich gefordertes Bildungssystem, stellen auch nach dem US-Handelsgesetz keine unerlaubte Subventionierung dar, die mit Ausgleichszöllen geahndet werden kann. Eine wesentliche Änderung ergab sich jedoch durch einen Gerichtsentscheid des U. S. Court of International Trade im Jahr 1984. Danach wird eine Subvention als angreifbar eingestuft, wenn das General Availibility-Kùieù\im zwar theoretisch gegeben ist, in der Praxis die Subvention jedoch vor allem einer bestimmten Industrie zugute kommt. 19 Durch die geänderte Rechtssprechung bezüglich des General AvailibilityKriteriums sah sich Kanada einer zunehmenden Bedrohung ihrer Exporteure durch Ausgleichszölle ausgesetzt, da der kanadische Staat in vielen Bereichen Subventionen vergibt. 20 Der damit geschaffene Interpretationsspielraum einer 17

Hoekman/Leidy (1993c), S. 165. Vgl. Quirin ( 1988), S. 190. 19 Vgl. Saunders (1988), S. 220. 20 Vgl. Lipsey (1986), S. 232. Besonders hohe Subventionen erhält in Kanada die Agrarindustrie, der Bergbau und die Fischerei. In diesen Bereichen liegt die Subventio18

I. Risikominderung im CUFTA

99

'unfairen' Subvention werde - so die Befürchtung auch des Economic Council of Canada - den Zugang von amerikanischen Firmen zum Ausgleichszollverfahren erleichtern und zu vermehrten Verfahren gegen kanadische Exporteure führen. 21 Francois, Palmeter und Anspacher kommen zu dem Ergebnis, daß gerade die in Kanada weit verbreiteten regionalen Regierungsprogramme aufgrund der Änderung des Spezifitätkriteriums als angreifbar gelten werden. 22 Offensichtlich existieren hinreichende Möglichkeiten, Antidumping- und Ausgleichszölle zu protektionistischen Zwecken zu mißbrauchen. Daran anschließend stellt sich die Frage, warum sie eine so herausragende Bedeutung im Vergleich zu anderen importbeschränkenden Maßnahmen erlangt haben? Cass/ Narkin stellen hierzu fest: „The form of trade protection that has proved most flexible and least costly in political terms - both domestically and internationally - is the imposition of antidumping or countervailing duties." 23 Rugman weist darauf hin, daß diese Verfahren bei Protektion suchenden amerikanischen Produzenten insbesondere deshalb so beliebt sind, weil sie im Gegensatz zu anderen handelspolitischen Instrumenten (wie ζ. B. dem Einsatz von safeguard actions oder des Section 337 zur Bekämpfung unfairer Importpraktiken) nicht dem Einfluß des US-Präsidenten unterliegen und somit keine übergeordneten außenpolitischen Überlegungen den protektionistischen Interessen einzelner gegenüberstehen.24 In der Literatur ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß Antidumpingmaßnahmen de facto - wenn auch nicht de jure - als (ineffizientes) Substitut für safeguard actions eingesetzt werden. 25 Hoekman/ Leidy nennen hierfür zahlreiche Gründe: 26 nierung auch höher als in den USA. In anderen Bereichen ist die Subventionierung im internationalen Vergleich eher unter dem Durchschnitt und in allen Bereichen seit Ende der 80er Jahre insgesamt rückläufig, so daß der Anteil der Subventionszahlungen an den öffentlichen Ausgaben 1990 nur noch 3,8 % betrug (gegenüber knapp 7 % in 1980), vgl. Frontzkowski (1994), S. 225 und S. 367, Tabelle 4.15. 21 Vgl. Economic Council of Canada (1987), S. 42. Ähnlich auch Cass/ Narkin (1991), S. 222 f. 22 Vgl. Francois u. a. (1991), S. 98. 23

Cass/Narkin

24

Vgl. Rugman (1989), S. 112 f. Ähnlich auch Baldwin/ Moore (1991), S. 256.

25

( 1991 ), S. 201.

Vgl. Boltuck u. a . (1991), S. 179, sowie Hoekman/Leidy die dort angegebene Literatur. 26 Vgl. Hoekman/Leidy (1993c), S. 171 ff.

7*

(1993c), S. 155, und

100

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

1. sei der Zugang zu Antidumpingverfahren leichter, die Anforderungen transparenter und die Wahrscheinlichkeit unerwarteter Ergebnisse geringer. 2. sind die Anforderungen im Zusammenhang mit der nachzuweisenden Schädigung der einheimischen Industrie leichter zu erfüllen als bei der Beantragung von safeguard actions. Nach Artikel XIX GATT-Vertrag erfordert die Anwendung der Schutzklausel das Vorliegen von 4serious injury ', wohingegen die Antidumpinggesetzgebung von 4material injury ' spricht. Obwohl beide nicht hinreichend genau definiert sind, wird bei der Umsetzung in den USA 4serious injury ' als strengeres Kriterium verstanden. 3. sind die von Rugman genannten außenpolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit safeguard actions zu berücksichtigen. Diese können sich negativ auf die Bereitschaft politischer Entscheidungsträger zum Mitteleinsatz auswirken. Antidumpingverfahren orientieren sich dagegen nur an 'technischen' Kriterien. 27 4. ist das Antidumpingverfahren auch in den Fällen interessant, in denen im zweiten Verfahrensabschnitt die endgültige Schädigungsanalyse durch die Handelsbehörde zu einem negativen Ergebnis führt, d. h. kein Dumpingtatbestand festgestellt wird. Im ersten Verfahrensabschnitt wird lediglich geprüft, ob die vom Kläger eingereichten Dumpingvorwürfe für die Verfahrenseinleitung ausreichen. Ist dies der Fall, wird ein vorläufiger Antidumpingzoll erhoben, der bereits ausreichen kann, den ausländischen Konkurrenten zu verdrängen: „ These provisional measures may lead to substitution of demand away from the products under investigation. Once trading relationships have been severed, they may be difficult to re-establish. Also, risk averse importers may not want to be affiliated with producers who are 'tainted', and may be the target of other actions. " 28 5. gebe es bei Antidumpingzöllen keine zeitliche Befristung oder eine automatische Verminderung der verhängten Zölle. 29 Ein weiterer Grund wird von Hufbauer darin gesehen, daß beim Einsatz der safeguard actions äquivalente Konzessionen bei anderen Gütern zu gewähren

27

So auch Wonnacott, P. (1987), S. 64.

28

Hoekman/Leidy

29

(1993c), S. 173.

Dies hat sich durch Artikel 11 der WTO-Antidumpingordnung geändert, siehe Hauser/Schanz (1995), S. 80.

I. Risikominderung im CUFTA

101

sind. 30 Eine Kompensation ist bei der Erhebung von Antidumping- und Ausgleichszöllen nicht zu berücksichtigten. 31 Baldwin/ Moore zeigen, daß eine zunehmende Nutzung von Antidumpingund Augleichszollverfahren zu protektionistischen Zwecken durch zahlreiche Gesetzesänderungen im Zeitraum von 1974 bis 1988 ermöglicht wurde: 32 Der US-Kongreß hat u. a. die Fristen, in denen ausländische Firmen Informationen beizubringen haben, verkürzt, so daß diese weniger Gelegenheit haben, sich vom Vorwurf des unfairen Handels zu entlasten.33 Kleineren amerikanischen Firmen wurde der Zugang zum Verfahren durch technische Hilfestellung von seiten der Handelsbehörden erleichtert. Die Möglichkeit der Koalition von Management und Arbeitnehmervertretungen bei der Klageeinreichung wurde ebenso eingeführt wie die Möglichkeit des Department of Commerce (DOC), selbst ein Verfahren zu initiieren. Die Zuständigkeit für Antidumping- und Ausgleichszollverfahren wurde außerdem 1979 dem Finanzministerium entzogen und auf das DOC übertragen. Baldwin/ Moore stellen bei einem Vergleich der grundsätzlichen Einstellungen der führenden politischen Beamten beider Ministerien fest: „They [die Beamten des DOC; Anm. d. Verf.] are likely to be more sympathetic to claims that U.S. firms are being injured by unfair foreign trade practices than are officials from Treasury. Members of Congress are well aware of the differences in agency positions in interagency deliberations on trade policy matters, and by bringing about this shift in responsabilities on trade matters, they took an important step toward achieving their goal of tightening the enforcement of the fair trade laws." 34

30

Siehe Artikel XIX:3(a) GATT-Vertrag. Vgl. Hufbauer (1990), S. 142. 32 Vgl. Baldwin/ Moore (1991), S. 256-263. 33 Für viele kleine ausländische Firmen, die nicht über hinreichende personelle und computertechnische Ressourcen zur Befriedigung der Informationsansprüche des Department of Commerce verfügen, sei dies „ potentially an important impediment to doing business in the United States Dieselben, S. 269. Dabei ist zu beachten, daß die USHandelsgesetze zur Bekämpfung von unfairem Handel die einzigen Gesetze in den USA sind, in denen die Beweislast ausschließlich beim Angeklagten liegt, vgl. Francois u. a. (1991), S. 99. Eine Darstellung der Überforderung kleinerer ausländischer Firmen durch die Informationsanforderungen des DOC geben Boltuck/ Litan (1991), S. 17. 31

34

Baldwin/ Moore (1991), S. 258.

102

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Insgesamt kann somit festgestellt werden, daß das System der contingent protection in den USA den Partikularinteressen von einheimischen Produzenten in bedeutendem Umfang zugänglich ist. Vergleicht man die Zahl der im Zeitraum 1980 bis 1987 in den USA eingeleiteten Antidumpingverfahren (296) mit der Zahl der Verfahren, die zu einem endgültigen Antidumpingzoll gefuhrt haben (174), 35 so könnte eine Interpretation lauten, daß die Handelsbehörden de facto in geringerem Umfang protektionistische Partikularinteressen unterstützen als oben dargestellt wurde. Die Zahlen besagen jedoch nichts darüber, ob die Erhebung eines endgültigen Antidumpingzolls auch in jedem Fall gerechtfertigt war. Maßstab hierfür ist sinnvollerweise die Zielsetzung der Antidumpinggesetzgebung, die importkonkurrierende Industrie vor einer Schädigung durch unfairen Handel zu schützen. Da das DOC einen Dumpingtatbestand bereits dann als gegeben ansieht, wenn die Dumpingspanne 0,5 % übersteigt, sind Zweifel insofern berechtigt, als eine Dumpingspanne von einem halben Prozent kaum zu einer Schädigung amerikanischer Unternehmen führen wird. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, daß bei einer solch niedrigen Schwelle in vielen Fällen bereits durch den statistischen upward bias ein Dumpingtatbestand festgestellt wird, obwohl keiner vorliegt. 36 Die genannten Zahlen können jedoch auch so interpretiert werden, daß amerikanische Unternehmen das Antidumpingverfahren nutzen, um ausländische Konkurrenten vorübergehend zu schädigen, auch wenn kein Dumpingvorwurf begründet ist. 37 Staiger/ Wolak (1994) haben diesbezüglich zwischen 4process filers' und outcome filers' unterschieden. Process filers reichen Klage ein, um die ausländische Konkurrenz durch das Verfahren an sich zu schädigen, auch wenn keine Aussicht auf einen endgültigen Antidumpingzoll besteht. Voraussetzung ist hier lediglich, daß die Handelsbehörden in der ersten, oberflächlichen Analyse zu einem zustimmenden Ergebnis kommen. Outcome filers hingegen haben die Zielsetzung, daß am Ende auch ein endgültiger Antidumpingzoll verhängt wird. Den Anteil der process filers unter den Klage einreichenden amerikanischen Unternehmen schätzen sie auf 3 bis 4 % ein. Als Zielscheibe für process filers werden vor allem Kanada und Mexiko identizifiert. 38 4

Mehrere kanadische Autoren betonen, daß die Handelsgesetze der USA im Bereich der contingent protection-Maßnahmen nicht nur dann eine Betroffen-

35 36 37 38

Vgl. Hoekman/Leidy (1993c), S. 181, Tabelle 7.2. Siehe Murray (1991), S. 36 f. Siehe Quinn (1988), S. 192, und Copeland (1989), S. 52. Vgl. Staiger/ Wolak ( 1994), S. 3 f.

I. Risikominderung im CUFTA

103

heit kanadischer Produzenten zur Folge haben, wenn kanadische Exporte von Antidumping- oder Ausgleichszöllen betroffen sind. Schädigend sei bereits die Unsicherheit, die sie schaffen: „The very existence of antidumping (AD) and countervailing duties, no matter how small, carries tremendous significance simply because of the uncertainties they introduce." 39 Hoekman/ Leidy stellen fest: „Recent research has demonstrated that the mere existence of antidumping, countervailing and safeguard provisions - even if not exercised - may reduce competition between foreign exporters and domestic import-competing firms." 40 Deshalb wurde dem Abbau von Unsicherheit im Zusammenhang mit der UScontingent protection im CUFTA von Seiten Kanadas eine zentrale Bedeutung beigemessen.

b) Risikominderung bezüglich der Protektionismusgefahr Das einzige Integrationsgebiet, das zum Zeitpunkt der CUFTA-Verhandlungen die Möglichkeit von Antidumping- und Ausgleichszollverfahren unter Mitgliedsländern nicht vorsah, war die Europäische Gemeinschaft. 41 Dem Beispiel der EG zu folgen hätte jedoch eine größere Verlagerung von Kompetenzen auf die supranationale Ebene notwendig gemacht, als man in den USA und Kanada einzugehen bereit war, so daß andere Wege gefunden werden mußten.42 Schließlich einigte man sich im wesentlichen auf die Einrichtung von Streitlösungsmechanismen. Hier stellt sich zunächst die Frage, welche Erfahrungen aus dem GATT und anderen Abkommen hinsichtlich institutioneller Vorkehrungen zur Streitbeilegung eingebracht werden konnten.

aa) Streitbeilegungsmechanismen im GATT und anderen Abkommen Die weit verbreitete Ansicht, daß die USA in der Vergangenheit in beträchtlichem Umfang von Antidumping- und Ausgleichszöllen unrechtmäßigen Gebrauch gemacht haben, ist ein Hinweis darauf, daß im Rahmen des GATT kein hinreichender Schutz gegen eine mißbräuchliche Anwendung bestand.43 So ur39

Boltuck u. α. (1991), S. 172. Ähnlich auch Lindsey (1990), S. 836, und Copeland (1989), S. 51. 40 Hoekman/Leidy (1993a), S. 222. 41

Vgl. Hudec (1987), S. 111 f.

42

Vgl. Smith (1988a), S. 72. So auch Steger (1987), S. 91 f.

43

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Streitlösung im Rahmen des GATT vor Beendigung der Uruguay-Runde. Diese hat zwar zu wesentlichen Verbesse-

104

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

teilen Hindley/ Messerlin: „The failure to controll misuse of AD action was the most significant breakdown of GATT guarantees during the 1980ies" AA Worauf läßt sich dies zurückfuhren? Die Kritik am GATT-Streitbeilegungsmechismus 45 betrifft in erster Linie zeitliche Verzögerungen des Verfahrens, die Möglichkeit der beschuldigten Partei, das Verfahren aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit zu blockieren sowie fehlende effektive Sanktipnsmöglichkeiten. Ein Zeitlimit für einzelne Verfahrensschritte sieht nur das Streitbeilegungsverfahren im Subventionsübereinkommen vor. Verzögerungsmöglichkeiten gab es aber auch hier (bei der Bildung des panels und der Formulierung des Untersuchungsauftrages), so daß selbst im einzigen Anwendungsbereich, in dem Fristen vertraglich festgelegt waren, keine maßgebliche Verbesserung im Hinblick auf die Verfahrensdauer festgestellt werden konnte.46 Als Sanktionen sieht das GATT lediglich vor, daß das geschädigte Mitgliedsland die Anwendung von Verpflichtungen oder Zugeständnissen - nach Ermächtigung durch den GATT-Rat - aussetzt.47 Problematisch ist die Art der Sanktionen, da die Vergeltung zum einen zumeist einen Wirtschaftszweig im anderen Land trifft, der mit dem Konflikt gar nichts zu tun hat, und zum anderen zu einer Selbstschädigung führt, da Konsumenten und Rohstoffe oder Vorprodukte importierende Unternehmen des eigenen Landes benachteiligt werden. Insgesamt ist die Anwendung des Sanktionsinstrumentes nicht zielkonform, da es dem konstituierenden Ziel des GATT, der Liberalisierung des Handels, zuwiderläuft: Statt das erreichte Liberalisierungsniveau wieder herzustellen, wird es durch die Sanktion weiter gesenkt. Die Anwendung von Sanktionen setzt außerdem voraus, daß der panelBericht zuvor durch den GATT-Rat angenommen wurde. Die Annahme bedarf

rungen des Streitbeilegungsmechanismus im Rahmen der WTO geführt (zur Darstellung und Beurteilung siehe Hauser/Schanz (1995), S. 236-246), zum Zeitpunkt der CUFTAund Ν AFTA-Verhandlungen lagen diese Ergebnisse jedoch noch nicht vor. Von verschiedenen Autoren wird die Vorbildfunktion der CUFTA- und NAFTA-Streitbeilegung für die GATT-Uruguay-Runde betont (siehe ζ. B. Schott (1991), S. 82). 44 Hindley/Messerlin (1993), S. 364. 45 Rechtsgrundlagen des Streitbeilegungsverfahrens im Rahmen des GATT sind Artikel XXII und XXIII GATT-Vertrag sowie die Reformen der Tokio-Runde in Form des Understanding Regarding Notification, Consultation, Dispute Settlement and Surveillance , siehe Enders (1993), S. 346. Zum Verfahrensablauf siehe Jäger (1992), S. 229 ff. 46 47

Vgl. Jäger (1992), S. 266 f.

Vgl. Artikel XXIII:2 Abs. 2 GATT-Vertrag. Eine Beschränkung auf Maßnahmen mit 'äquivalenter' Wirkung ist hier nicht vorgesehen.

I. Risikominderung im CUFTA

105

jedoch der Einstimmigkeit, so daß die beklagte Partei durch Verweigerung ihrer Zustimmung die Annahme und damit auch den Einsatz von Sanktionen verhindern kann. 48 Ein wesentliches Problem besteht somit darin, daß die Empfehlungen des GATT -panel, das den Streitfall beurteilt, nicht bindend sind, sondern noch der Zustimmung aller Mitgliedsländer - einschließlich des Beklagten bedürfen. 49 Ein weiterer Nachteil der Streitbeilegung im Rahmen des GATT wird von Enders darin gesehen, daß die Überprüfung nationaler Handelsgesetze auf GATT-Konformität erst dann möglich ist, wenn sie durch Anwendung zu einer Schädigung eines Mitgliedslandes geführt haben.50 Die Betrachtung von Streitbeilegungsmechanismen in anderen Freihandelsabkommen zeigt folgendes Bild: 5 1 In keinem der von Steger (1988b) analysierten Freihandelsabkommen 52 wird die Möglichkeit zur Verhängung von Antidumping· oder Ausgleichszöllen gegen ein Mitgliedsland eingeschränkt. Bezüglich allgemeiner Streitlösungsmechanismen ist festzustellen, daß in den Abkommen zwischen den USA und Israel sowie Australien und Neuseeland keine permanente Kommission zur Überwachung der Vertragsumsetzung eingerichtet wurde. Es besteht lediglich die Möglichkeit von Ad Aoc-Konsultationen, wobei die Entscheidungsgewalt bei den Einzelstaaten verbleibt. Im EFTA wurde ein Rat eingerichtet, in den jedes Mitgliedsland einen Vertreter entsendet. Analog zu den Problemen im Rahmen des GATT führt das Einstimmigkeitsprinzip zu erheblichen Verzögerungen. Zeitvorgaben für einzelne Verfahrensschritte liegen nicht vor. Die zentralen Probleme in Streitbeilegungsverfahren - zeitliche Verzögerungen und das Fehlen bindender /?awe/-Entscheidungen - sollten im Rahmen des CUFTA (und später auch des NAFTA) vermieden werden. Die GATT-Streitbeilegungsmechanismen konnten jedenfalls keinen hinreichenden Schutz gegen unilaterale protektionistische Maßnahmen der USA bieten, so daß für Kanada (und Mexiko) ein Anreiz bestand, einen regionalen Risikominderungskontrakt mit den USA anzustreben. 48

Vgl. Jäger (1992), S. 271 ff.

49

Vgl. Steger (1988b), S. 134.

50

Vgl. Enders (1993), S. 346.

51

Vgl. Steger (1988b), S. 135-139.

52

Zum Vergleich zieht sie das U. S. -Israel Free Trade Agreement von 1985, die European Free Trade Association (EFTA; gegründet 1960), das United Kingdom-Ireland Free Trade Agreement, das Abkommen zwischen der EG und Schweden sowie das Closer Economic Relations Trade Agreement (CER) zwischen Australien und Neuseeland heran.

106

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte bb) Risikominderung im Zusammenhang mit der Umsetzung und Interpretation des CUFTA

Das Allgemeine Streitbeilegungsverfahren nach Chapter 18 dient der Konfliktlösung bei Streitfällen im Zusammenhang mit der Umsetzung und Interpretation des CUFTA. Es handelt sich hierbei nicht unmittelbar um Regelungen zur Gewährleistung des von kanadischer Seite angestrebten sicheren Zugangs zum US-Markt angesichts einer möglichen Zunahme der US-contingent protection. Diese Regelungen werden in den beiden folgenden Kapiteln beschrieben. Insgesamt wirkt aber auch das Allgemeine Streitbeilegungsverfahren risikomindernd in bezug auf die Protektionismusgefahr, da es die Überprüfung CUFTAkonformen Verhaltens der Vertragspartner ermöglicht. Vertrauen in die Gültigkeit der neu gesetzten Rahmenbedingungen für die bilateralen außenwirtschaftlichen Beziehungen kann als notwendig angesehen werden, damit die erforderliche Anpassung von seiten der Unternehmen in Kanada und den USA vonstatten geht. Weiterhin wirkt die Benachrichtigungspflicht des Artikel 1803 CUFTA risikomindernd, da es die Vorhersehbarkeit der Auswirkungen zukünftiger Gesetzes» oder Verordnungsänderungen garantiert, die sich auf Rechte der anderen CUFTA-Partei beziehen (können). Es heißt dort: Jede Partei ^hall provide written notice to the other Party of any proposed or actual measure that it considers might materially affect the operation of this Agreement Dies soll möglichst weit im voraus geschehen. Außerdem besteht eine Informationspflicht auch bei Fragen des Vertragspartners bezüglich Maßnahmen des anderen, und zwar unabhängig davon, ob zuvor eine Benachrichtigung über die Maßnahme erfolgt ist. Weitere Mitteilungspflichten finden sich auch außerhalb des Chapter 18: • Der Vertragspartner muß im Bereich technischer Standards über vorgeschlagene Maßnahmen zur Genehmigung neuer Produkte, die von Provinzen und Bundesstaaten oder „major national private organizations " erlassen werden, im voraus informiert werden (Art. 607). • Sollen bestimmte Dienstleistungen des Vertragspartners vom Prinzip der nationalen Gleichbehandlung ausgenommen werden, ist dies mitzuteilen (Art. 1402). • Gleiches gilt für Investoren, denen nationale Gleichbehandlung verwehrt werden soll (Art. 1602). • Nach Annex 406 D.9.b sind Änderungen in der Zollverwaltung mitzuteilen.

I. Risikominderung im CUFTA

107

Chapter 18 des CUFTA regelt vor allem aber Streitfälle im Zusammenhang mit der Interpretation und Umsetzung des CUFTA. Es sieht im Fall eines Konflikts der Vertragsparteien zunächst vor, daß Konsultationen stattfinden (Art. 1804). Verlaufen diese ergebnislos, wird der Streitfall an die Canada-United States Trade Commission weitergeleitet (Art. 1805), die das wesentliche Organ des Allgemeinen Streitbeilegungsverfahrens ist (Art. 1802). Die Kommission besteht aus den beiden Außenhandelsministern der Vertragsparteien, die sich alle sechs Monate abwechselnd in Kanada und den USA zu Konsultationen und Beaufsichtigung der Umsetzung des CUFTA treffen sollen. Gelangt die Kommission selbst nicht innerhalb von 30 Tagen zu einer „mutually satisfactory solution " des Konflikts, leitet sie den Streitfall an ein Binational Arbitration Panel weiter. 53 Abhängig davon, auf welche Vorgehensweise sich die Vertragsparteien - vertreten durch die Kommission - einigen, wird vom panel entweder eine bindende Entscheidung getroffen (Art. 1806) oder eine Empfehlung an die Kommission ausgesprochen, die in diesem Fall anhand des /?a«e/-Berichts erneut versucht, zu einer Lösung zu gelangen. Kommt keine Lösung zustande, ist die klagende Partei autorisiert, die Anwendung äquivalenter Vorteile auszusetzen, die es angibt, durch das Verhalten des Vertragspartners zu verlieren (Art. 1807). Für die einzelnen Verfahrensschritte wurden Zeitlimits festgelegt, so daß vom Beginn der Konsultationen bis zur Autorisierung von Gegenmaßnahmen im Fall einer gescheiterten Streitlösung maximal acht Monate vergehen. 54 Das Binational Arbitration Panel besteht aus fünf Mitgliedern: zwei Amerikanern, zwei Kanadiern und einer fünften Person, die von der Kommission ausgewählt wird. Das panel wird von Fall zu Fall aus einer Liste von panelMitgliedern entsprechend ihrem speziellen Fachwissen neu zusammengesetzt.55 Die Liste wird von der Kommission aufgestellt. Gegenüber dem GATT-Streitbeilegungsmechanismus bestehen Unterschiede zum einen in der Möglichkeit, sich im vorhinein darauf zu einigen, die Entscheidung des panels als bindend anzuerkennen. Zum anderen wird die Verfahrensdauer stark begrenzt, so daß innerhalb von nur acht Monaten entweder eine Streitlösung oder die Autorisation zur Ergreifung von Sanktionen vorliegt. Wesentlich ist, daß die beklagte Partei keine Möglichkeit hat, die Ergreifung autorisierter Gegenmaßnahmen ähnlich wie im GATT zu blockieren. Zwar muß auch die Entscheidung der Kommission einstimmig erfolgen. Kommt aber keine Diese Vorgehensweise lehnt sich an das Konsensprinzip, wie es im GATT praktiziert wird, an. 54 Siehe im Detail bei Merkin (1990), S. 87 f. 55 Bezüglich der Streitbeilegung im Rahmen des GATT ist auch fehlendes Fachwissen von /?arte/-Mitgliedern bemängelt worden, vgl. Van Bael (1988), S. 72.

108

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Einstimmigkeit zustande, gewährleistet Artikel 1807 die Ergreifung von Gegenmaßnahmen nach Ablauf von spätestens acht Monaten. Problematisch ist nach wie vor, daß als einziges Sanktionsinstrument der Entzug von Zugeständnissen aus dem CUFTA gewählt wurde. Unklar bleibt, was hierbei unter einem 'äquivalenten Vorteir zu verstehen ist.

cc) Risikominderung gegenüber mißbräuchlicher Anwendung von Antidumping- und Ausgleichszollverfahren Zur Sicherung des bestehenden Marktzugangs in die USA bedurfte Kanada des Schutzes vor einer Zunahme der US-contingent protection. In Chapter 19 einigten sich die Vertragsparteien auf drei Maßnahmenpakete zum Abbau der Unsicherheit im Zusammenhang mit Antidumping- und Ausgleichszollverfahren: 1. sieht Artikel 1907 die Gründung einer Arbeitsgruppe vor, die binnen einer Frist von sieben Jahren nach Inkrafttreten des CUFTA „mutually beneficial rules " ausarbeiten soll, die Antidumping- und Ausgleichszollverfahren im bilateralen Verhältnis überflüssig machen. Neben der Verhandlung von Art und Umfang eines erforderlichen Subventionsabbaus sollte die Definition angreifbarer Subventionen und der Ersatz der Antidumpingverfahren durch die Anwendung nationaler Wettbewerbsgesetze Gegenstand ihrer Arbeit sein. Diese Aufgabe konnte innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit zur Verhandlung des CUFTA nicht geleistet werden. 2. wurde in Artikel 1903 vereinbart, daß Änderungen nationaler Handelsgesetze, die Antidumping- und Ausgleichszollverfahren betreffen, auf ihre GATTund CUFTA-Konformität hin zu überprüfen sind. Wird durch ein CUFTApanel Inkonformität festgestellt, kann der Vertragspartner äquivalente legislative oder exekutive Maßnahmen ergreifen oder das CUFTA mit einer Frist von 60 Tagen kündigen, falls die beanstandete Änderung nicht innerhalb eines festgelegten Zeitraums korrigiert wird. Bemerkenswert ist daran, daß im Gegensatz zur Regelung im GATT eine Überprüfung möglich ist, bevor die Gesetzesänderung zu einer Schädigung ausländischer Exporteure führt. Nicht überprüfbar sind allerdings bestehende Gesetzesregelungen. 3. sollte nach Artikel 1904 dadurch Schutz vor einer mißbräuchlichen Anwendung der trade remedy laws geboten werden, daß die gerichtliche Überprüfung der endgültigen Entscheidungen in Antidumping- und Ausgleichszollverfahren von nationalen Gerichten auf ein Binational Panel verlagert wird, dessen Entscheidungen bindend sind. Befindet das panel die verhängten Antidumping· oder Ausgleichszölle als unrechtmäßig, so wird der Fall an die

I. Risikominderung im CUFTA

109

zuständige Handelsbehörde zurückgewiesen, die die fehlerhafte Entscheidung zu korrigieren hat. Kommt es auch dann zu keiner gegenseitig anerkannten Lösung, kann das geschädigte Land seinerseits Vergeltungsmaßnahmen ergreifen oder das Abkommen mit einer Frist von 60 Tagen kündigen. Von zentraler Bedeutung für die Sicherung des Zugangs zum US-Markt hat sich für Kanada die dritte Regelung erwiesen. Die erstgenannte Regelung ist zwar als First-best-Lösung anzusehen, da hier die Verzerrung - die mißbräuchliche Anwendung der trade remedy laws - möglichst direkt angegangen wird. 56 Die Arbeitsgruppe hat ihre Tätigkeit jedoch nie aufgenommen: Zunächst wollte man die Ergebnisse aus der laufenden Uruguay-Runde des GATT abwarten. 57 Später wurde in den NAFTA-Verhandlungen vereinbart, die Zielsetzung des Artikel 1907 CUFTA aufzugeben. 58 Regelung zwei ist aufgrund ihrer geringeren Häufigkeit weniger bedeutsam.59 Wie auch im Allgemeinen Streitbeilegungsverfahren wurden die einzelnen Verfahrensschritte zeitlich stark befristet, so daß maximal 315 Tage bis zur Konfliktlösung vergehen dürfen. Dies wird als wesentlicher Fortschritt gegenüber den GATT-Streitlösungsmechanismen angesehen.60 Das Binational Panel setzt sich ebenfalls aus fünf Mitgliedern zusammen, die nach den gleichen Regeln berufen werden. Verschiedentlich ist kritisiert wor-

56

Von zahlreichen Ökonomen ist empfohlen worden, Antidumpinggesetze durch nationale Wettbewerbsgesetze zu ersetzen, da innerhalb einer Freihandelszone die wesentliche Voraussetzung für räumliche Preisdifferenzierung verlorengeht. Dumping ist nur möglich, wenn Handelsbeschränkungen Abitragemöglichkeiten beim Re-Import zunichte machen. Zur Vermeidung unerwünschten Verdrängungswettbewerbs eignen sich nationale Gesetze gegen Preisdiskriminierung und predatory pricing besser als Antidumpinggesetze, da sie an in- und ausländische Unternehmen gleiche Maßstäbe anlegen müssen, vgl. Steger (1988b), S. 127 f. Zur Anwendung von price discrimination laws in den USA und Kanada - es ist ein Trend zur verminderten Beanstandung von Preisdiskriminierung auf nationaler Ebene zu verzeichnen - siehe Smith (1992), S. 144. Antidumpingpolitik wird aus ökonomischer Sicht u. a. von Boltuck/Litan (1991), S. 9 und S. 12, Deardorff( 1993), S. 139, und Hoekman/Leidy (1993c), S. 160-163, kritisiert. Kritisch gegenüber der Anwendung von Ausgleichszöllen äußern sich z. B. Wonnacott, P. (1987), S. 83 ff., sowie Francois u. a. (1991), S. 95 ff. 57 Vgl. Hufbauert Schott ( 1992), S. 29 f. 58

Siehe Smith (1993), S. 88. Enders (1993), S. 353, sieht darin eine wesentliche Verbesserung, auch wenn seit Inkrafttreten des CUFTA keine entsprechenden Gesetzesänderungen eingetreten sind. 60 So ζ. Β. von Quinn (1988), S. 194. 59

110

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

den, daß ein Land mit einer Stimme mehr vertreten sei und somit eine parteiische Entscheidung befurchtet werden muß. 61 Die Praxis hat jedoch gezeigt, daß sich die Mitglieder nicht landesloyal verhalten. Ein wesentlicher Kritikpunkt, der gegen den Chapter 19-Streitbeilegungsmechanismus vorgebracht wurde, ist, daß das Binational Panel auch nur die korrekte Rechtsanwendung der nationalen Handelsgesetzgebung prüfen könne und dabei von gleichen Kriterien ausgehen müsse wie zuvor das U. S. International Trade Court bzw. das Canadian International Trade Tribunal. Nach Artikel 1904 (3) CUFTA muß das Binational Panel „the general legal principles that a court of the importing Party otherwise would apply to a review " anwenden. 62 Rugman/ Anderson (1989) argumentieren jedoch, daß die Überprüfung der Entscheidungen durch das Binational Panel wesentlich zu einer Disziplinierung der Arbeit insbesondere der International Trade Commission (ITC) führen werde, die in ihrer Schädigungsanalyse in der Vergangenheit häufig eine hinreichend gründliche ökonomische Analyse haben vermissen lassen: „They routinely vote material injury due to the poor health of the plaintiff's industry, even where there are no reliable economic indicators that foreign subsidies caused injury (...). Once the members of the binational panels address the economic substance of ITC decisions it is likely that the ITC itself will adjust to the new situation and revert to more objective assessments (..)." 62 Eine Untersuchung der bisherigen Funktionsweise der Chapter 18- und 19Streitbeilegungsverfahren des CUFTA, durchgeführt von Horlick/ DeBusk (1992), kommt zu einem positiven Ergebnis: „The panels have been quite successful in achieving the FTA goals of timely and impartial decisions (...) and both countries have given binding effect to decisions ," 64 Die Mehrzahl der Streitbeilegungsverfahren betraf Chapter 19-Fälle.65 Die Prüfung der Rechtmäßigkeit verhängter Antidumping- oder Ausgleichszölle 61

Siehe Enders (1993), S. 351.

62

Kritisch äußern sich zu diesem Punkt u. a. Quinn (1988), S. 194, Axworthy (1988), S. 35, Turner (1991), S. 111, und Enders (1993), S. 354. 63 Rugman/ Anderson (1989), S. 26. 64 Horlick/DeBusk (1992), S. 2 f. 65

Die kanadische Regierung berichtet von 25 Chapter 19-Fällen gegen die USA und insgesamt 5 Chapter 18-Fällen (davon 2 gegen die USA). Für eine Kurzdarstellung der Inhalte und Ergebnisse siehe Government of Canada (1993), S. 92 und S. 95.

I. Risikominderung im CUFTA

111

konnte (mit zwei Ausnahmen) innerhalb der Frist von 315 Tagen beendet werden. Gegenüber der gerichtlichen Prüfung durch den U. S. International Trade Court bedeutet dies eine Verkürzung um mehr als die Hälfte. 66 Zugleich ist festzustellen, daß die Existenz der Streitbeilegungsverfahren keineswegs dazu geführt hat, daß keine neuen Antidumping- oder Ausgleichszollverfahren eingeleitet werden. Im Zeitraum 1989/ 90 haben die USA zwei Antidumping- und drei Ausgleichszollverfahren gegen Kanada initiiert, Kanada vier Antidumpingverfahren gegen die USA. 67 Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß Streitlösungsmechanismen zwar nur eine Second-best-Lösung darstellen und keine Garantie bieten, daß mit ihnen tatsächlich ein sicherer Zugang erreicht werden kann. Die Erfahrungen im Rahmen des CUFTA zeigen jedoch, daß sie sich bei entsprechender Ausgestaltung bindende Entscheidungen, verknüpft mit engen, aber noch vertretbaren Zeitvorgaben - prinzipiell als funktionsfähig erweisen. Risikomindernd wirken sie dann, wenn sie die Erwartungen von Rugman/ Verbeke erfüllen: „This should lead to increased use of rational economics-based tests and decreased clientele power during technical track investigations." 68 Die Einführung von Streitlösungsmechanismen zur Lösung des Problems der US-contingent protection kann aber aus politökonomischer Sicht negativ beurteilt werden. Harris stellte hierzu 1988 fest: Jt is quite possible that by adding an additional layer of administrative judgement on this process we merely add legitimacy to a set of laws whose removal should be the first objective of true free trade. History shows that it is generally easier to make new laws which confer benefits on particular interest groups, than it is to remove old laws which would enhance the public interest, but result in eliminating rents to easily identifiable interest groups." 69 Diese Befürchtungen haben sich bewahrheitet, wie das Aufgeben der in Artikel 1907 CUFTA vorgesehenen Zielsetzung, Antidumping- und Ausgleichszollverfahren im bilateralen Verhältnis innerhalb einer festgesetzten Frist überflüssig zu machen, zeigt. 66 Vgl. Horlick/ DeBusk (1992), S. 9. Der Durchschnitt betrug für Chapter 19-Fälle 10 Vi Monate - im Vergleich zu 26 Monaten zuvor. 67 Vgl. dieselben, S. 3, Fußnote 9. 68 Rugman/ Verbeke ( 1990), S. 39. 69 Harris (1988), S. 53.

112

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte dd) Risikominderung gegenüber mißbräuchlicher Anwendung von Schutzklauseln

Eine weitere Möglichkeit zum Schutz einheimischer Produzenten der Importkonkurrenzindustrie sieht die Befreiungsklausel nach Artikel X I X GATTVertrag vor. Für den Fall, daß ein inländischer Industriezweig durch einen unvorhergesehenen und raschen Anstieg der Importe bestimmter Güter eine ernsthafte Schädigung erleidet oder zu erleiden droht und der Anstieg auf im Rahmen des GATT eingeräumte Marktzugangserleichterungen zurückzuführen ist, kann ein temporärer Schutz gewährt werden. 70 Damit soll eine Anpassung unter Milderung sozialer und wirtschaftlicher Härten ermöglicht werden. In den USA wurde diese Regelung durch Section 201 des Trade Act von 1974 umgesetzt. Die International Trade Commission hat zu prüfen, ob eine ernsthafte Schädigung vorliegt oder droht. Kommt sie zu einem positiven Ergebnis, spricht sie eine Empfehlung zum Schutz der betroffenen Industrie aus. Innerhalb einer Frist von 60 Tagen entscheidet der US-Präsident, ob der Empfehlung entsprochen wird, und wenn ja, mit welchen Maßnahmen. Zur Wahl stehen Zölle, Quoten, tariff-rate quotas , orderly marketing arrangements und Anpassungshilfen. Er kann die Empfehlung jedoch aus übergeordnetem nationalen Interesse ablehnen.71 Da die Anwendung der Befreiungsklausel an bestimmte Bedingungen geknüpft ist, sind auch safeguard actions als Maßnahmen der contingent protection anzusehen. Von Antidumping- und Ausgleichszöllen unterscheiden sie sich dadurch, daß sie kein unfaires Verhalten der ausländischen Exporteure (wie beim Dumping) oder der ausländischen Regierung (bei der Gewährung von Exportsubventionen) zum Gegenstand haben. Sie sind quantitativ von erheblich geringerer Bedeutung als Antidumping- oder Ausgleichszölle. Gründe hierfür wurden bereits in Kapitel C.I.l.a) aa) benannt. Im Zeitraum 1979 bis 1988 wurde die GATT-Schutzklausel von den USA nur in zwei Fällen angewandt.72 Dennoch waren auch safeguard actions für Kanada ein wichtiger Verhandlungsgegenstand im Zusammenhang mit der befürchteten Zunahme der UScontingent protection. Hierfür können drei Gründe angeführt werden:

70

Siehe Artikel XIX: 1 (a) GATT-Vertrag.

71

Vgl. Wonnacott, P. (1987), S. 63. Zu den Maßnahmen siehe Rugman (1989),

S. 112. 72

Vgl. Hauser/ Schanz ( 1995), S. 102, Tabelle 2.13. Im Vergleich dazu wurden von den USA im gleichen Zeitraum 427 Antidumping- und 371 Ausgleichsmaßnahmen ergriffen.

I. Risikominderung im CUFTA

113

Erstens hatten die USA im Zeitraum vor 1979 häufiger zu Section 201Maßnahmen gegriffen und dabei in mehreren Fällen gegenüber kanadischen Exporten Handelsbeschränkungen verhängt, obwohl deren Anteil an den beklagten Importen in die USA weniger als 5 % der Gesamtimporte betrug. 73 In diesem Zusammenhang wurde häufig vom sideswipe- Problem gesprochen, da die kanadischen Exporteure Leidtragende von Maßnahmen wurden, die sich eigentlich gegen andere Länder richteten.74 Zweitens war Kanada 1986 im Shakes and Shingles-YdX\ als Hauptziel von safeguard actions der USA betroffen. Es wurde ein Zoll von 35 % erhoben, der über einen Zeitraum von fünf Jahren wieder abzubauen war. 75 Beklagt wurde in diesem Zusammenhang, daß die kanadische Regierung vom US-Präsidenten hierüber nicht zuvor in Kenntnis gesetzt wurde. 76 Drittens war auch im Rahmen des CUFTA eine Schutzklausel vorgesehen. Befreiungsklauseln sind für das Zustandekommen von Handelsabkommen von Bedeutung, da sie die Möglichkeit gewähren, den Anpassungsdruck von importkonkurrierenden Industrien zu reduzieren, die von der bilateralen Liberalisierung besonders stark betroffen sind. Damit kann der lobbyistische Druck von Gegnern der Liberalisierung reduziert werden. Aus Sorge vor einer Zunahme der US-contingent protection wollte man in Kanada jedoch die Möglichkeit einer mißbräuchlichen Anwendung weitestmöglich begrenzen. Im CUFTA wird bei safeguard actions zwischen bilateral action (Maßnahmen unter der Schutzklausel des CUFTA) und global action (Maßnahmen unter Artikel XIX-GATT-Vertrag) unterschieden. Als risikomindernde Regelungen wurden im einzelnen vereinbart: Bilaterale Maßnahmen sind auf die Übergangsperiode des CUFTA, d. h. auf den Zeitraum von Anfang 1989 bis Ende 1998 beschränkt. Sie sind auf drei Jahre befristet und können für ein bestimmtes Produkt nur einmal gewährt werden. Nur nach einstimmiger Vereinbarung kann eine Maßnahme, die bis Ende 1998 noch keine drei Jahre in Kraft ist, über diesen Zeitpunkt hinaus fortgeführt werden. Nach Ablauf der Maßnahme gilt der Zollsatz, der zu diesem Zeitpunkt ohne die Maßnahme gegolten hätte.77 73

Vgl. Steger (1988a), S. 72. Diese Sichtweise berücksichtigt nicht, daß auch die Schutzklausel des GATT dem Gebot der Nichtdiskriminierung unterliegt und die kanadischen Exporte deshalb zu recht einbezogen wurden. 75 Vgl. Wonnacott, P. (1987), S. 63. 74

76 77

Vgl. Steger (1988a), S. 72. Vgl. Art. 1101 CUFTA.

8 Helstelä

114

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Bei Einsatz von Artikel XIX-Maßnahmen wird das Partnerland von der Maßnahme ausgenommen, wenn die Importe aus diesem Land a) nicht4substantial ' sind, d. h. weniger als 5 bis 10 % betragen und b) nicht wesentlich zu der ernsthaften Schädigung der Importkonkurrenzindustrie beigetragen haben. Das Partnerland kann jedoch nachträglich in diese Maßnahmen miteinbezogen werden, wenn es zu einem signifikanten Anstieg der Importe aus diesem Land kommt und dies die Wirkung der Maßnahme untergräbt. Vor Ergreifung von Artikel XIX-Maßnahmen ist das Partnerland in jedem Fall im voraus zu informieren und zu konsultieren, unabhängig davon, ob es ebenfalls betroffen ist. Es dürfen keine Maßnahmen gegenüber dem Partnerland ergriffen werden, die die Importe aus diesem Land unter den Trend der 4reasonable recent base period ' senken, wobei dieser Trend auch eine Zunahme aufweisen kann. Eine Zollerhöhung ist nach oben durch den Zollsatz begrenzt, den das Partnerland nach der Meistbegünstigungsklausel gegenüber Drittländern erhebt. 78 Sowohl bei bilateralen als auch bei globalen Maßnahmen muß dem Partnerland Kompensation in Form von Konzessionen mit äquivalenten Handelseffekten und im äquivalenten Wert der zusätzlichen Zölle gewährt werden, ζ. B. durch vorzeitigen Zollabbau bei anderen Gütern. Wird keine Einigung über die Kompensation erzielt, kann das exportierende Land Zölle mit äquivalenter Wirkung einfuhren. Streitfälle, die aus der Anwendung von bilateralen oder globalen Maßnahmen resultieren, werden von der Canada-United States Trade Commission behandelt, die eine bindende Entscheidung fällt. 79 Die Möglichkeit, die nationale Anwendung von safeguard actions unter Artikel X I X GATT-Vertrag durch ein panel prüfen zu lassen, welches zudem eine bindende Entscheidung ausspricht, ist ohne Vorbild im GATT und anderen internationalen Handelsabkommen. 80 Bei der Bewertung der Regelungen in bezug auf die Risikominderung kommen Lipsey und York zu folgendem Urteil: „ - Canadian negotiators will no longer have to plead for exemption from global measures directed at other countries - thus ending the so-called sideswipe problem; - notification and consultation makes unilateral, politically motivated action more difficult; - the compensation clause diminishes the temptation to take action against injuries that are not perceived to be important; 78

Vgl. Art. 1102 CUFTA.

79

Vgl. Art. 1806 CUFTA. Vgl. Steger (1988a), S. 73.

80

I. Risikominderung im CUFTA

115

- the clause limiting the severity of the emergency action that can be taken allows investors to make location decisions with the assurance that their exports will not be rolled back if they are successful in rapidly penetrating the other country's market (...). " 81 Insgesamt kann festgestellt werden, daß die Risikominderung im Bereich der safeguard actions genauso wenig jegliche Möglichkeiten eines protektionistischen Mißbrauchs beseitigen kann wie die Risikominderung bezüglich der USAntidumping- und Ausgleichszollverfahren. Immerhin entsteht der Eindruck, daß die hier getroffenen Regelungen im ganzen erfolgversprechender sind. Dies ist jedoch letztlich eine empirische Frage, die mangels entsprechender konkreter Fälle gegenwärtig nicht beantwortet werden kann.

2. Risikominderung bei Investitionen a) Vorbemerkungen Die risikomindernden Regelungen des CUFTA für grenzüberschreitende Investitionen wurden bereits in Kapitel B.I.3.c) dargestellt und bedürfen hier keiner ausführlicheren Behandlung mehr. Auch die Risikominderung in bezug auf inländische Investitionen ist nicht Gegenstand der weiteren Betrachtung (soweit es durch die Regelungen des CUFTA zu einem sichereren Zugang zum Markt des Partnerlandes kommt, reduziert sich das Investitionsrisiko im Exportsektor). Vielmehr soll die Darstellung des Risikominderungsbedarfs im Zusammenhang mit dem politischen Risiko der Einführung von Beschränkungen für Auslandsdirektinvestitionen im Vordergrund stehen. In einem ersten Schritt ist auf den Hintergrund für die staatliche Reglementierung von ausländischen Investitionen in Kanada einzugehen: den hohen Anteil im Ausland kontrollierten Kapitals. Im folgenden Kapitel werden die Beschränkungen für ausländische Investitionen, die in der Vergangenheit in Kanada eine Rolle gespielt haben, kurz dargestellt. Anschließend soll untersucht werden, aufgrund welcher Argumente ausländische Investitionen diskriminiert werden. Kosten und Nutzen, die im Gastland aus Direktinvestitionen resultieren, sind einander gegenüberzustellen. Es ist zu erklären, warum Direktinvestitionen auch nach erfolgter Genehmigung der Gefahr nachträglicher Beschränkungen ausgesetzt sind. In einem abschließenden Kapitel zur Risikominderung bei Investitionen kann gezeigt werden, daß Unsicherheit bezüglich der Beschränkung von

81

8*

Lipsey/ York ( 1988), S. 71.

116

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Direktinvestitionen in beiden Länder als relevant anzusehen ist, und deshalb auch Kanada von risikomindernden Regelungen profitiert. Beschränkungen für Direktinvestitionen werden üblicherweise im Zusammenhang mit Investitionen von multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern diskutiert. Sie spielen jedoch auch in Industrieländern eine Rolle, die über einen längeren Zeitraum signifikante Kapitalimporte in Form von Direktinvestitionen verzeichnen (wie ζ. B. Australien). 82 Kanada hat in der Vergangenheit einen massiven Zustrom von Direktinvestitionen erlebt, mit der Folge, daß es den weltweit höchsten Anteil im ausländischen Besitz befindlichen Kapitals aufweist. 83 Überwiegend stammt dieses Kapital aus den USA. Die amerikanischen Direktinvestitionen weisen zwar anteilsmäßig einen rückläufigen Trend auf, sind aber in den 80er Jahren nach wie vor dominierend gewesen: Von 1984 bis 1988 ist der Anteil amerikanischer Direktinvestitionen an den gesamten Direktinvestitionen in Kanada von 76 % auf 64 % gesunken. Absolut haben sie zugenommen (von 63,4 Mrd. CANDollar in 1984 auf 75,8 Mrd. CAN-Dollar in 1989).84 Am höchsten ist der ausländische Kapitalanteil in der verarbeitenden Industrie. 1986 betrug der prozentuale Eigentumsanteil ausländischer Investoren am Kapitalstock der kanadischen verarbeitenden Industrie 46 %. Mit der Direktinvestition wird zumeist auch die Entscheidungsmehrheit erlangt. Der prozentuale Anteil des im Ausland kontrollierten Kapitals belief sich in diesem Sektor 1986 auf 49 %. Besonders hoch ist der Anteil des im Ausland kontrollierten Kapitals in der kanadischen Kautschukindustrie (96 %), der Automobilindustrie (91 %), der chemischen Industrie (83 %) und der Transportmittelindustrie (77 %). Primärsektoren mit bedeutenden Anteilen ausländischen Kapitals sind die Erdölund Erdgasindustrie sowie der Bergbau. Hier ist in den 80er Jahren ein Rückgang der ausländischen Eigentumsanteile zu beobachten gewesen: In der Erdölund Erdgasindustrie von 38 % kontrollierten Kapitals in 1981 auf 34 % in 1986, im Bergbau von Nichteisen-Metallen von 19 % auf 14 % und im übrigen Bergbau von 50 % auf 33 %. 85 Anfang der 70er Jahre lag der Anteil des ausländisch kontrollierten Kapitals im Durchschnitt aller Sektoren noch bei fast 60 %, wovon ca. 80 % aus den USA stammte.86

82

Vgl. Maskus/Eby (1993), S. 452.

83

Vgl. Watkins, M. (1988), S. 84 f. So auch Turner (1991), S. 113.

84

Vgl. Frontzkowski ( 1994), S. 360, Tabelle 4.11a. Die verlorenen Anteile der USA gingen zu etwa gleichen Teilen an Direktinvestitionen aus Europa und Asien. 85 Vgl. dieselbe, S. 362, Tabelle 4.12. 86 Vgl. Battram/Kennish (1988), S. 147.

I. Risikominderung im CUFTA b) Beschränkungen fiir Direktinvestitionen

117 in Kanada

Seit Ende der 60er Jahre befaßten sich kanadische Regierungen wiederholt mit der Frage, ob ein weiterer Zufluß amerikanischer Direktinvestitionen wünschenswert sei. Dreimal wurden zu dieser Fragestellung Studien in Auftrag gegeben. Die Empfehlungen des Gray Report von 1972 führten schließlich zur Einrichtung der Foreign Investment Review Agency (FIRA) im Jahr 1974 und dem National Energy Program (NEP) in 1980.87 Aufgabe der FIRA war die Überprüfung von Direktakquisitionen durch Nicht-Kanadier (ab einer Größenordnung von 250.000 CAN-Dollar Bruttovermögen oder 3 Mio. CAN-Dollar Bruttoumsatz) sowie der Gründung neuer Geschäftsaktivitäten durch Ausländer, die bislang keine Niederlassung in Kanada besaßen oder in einem anderen Geschäftsfeld tätig waren. 88 Direktinvestitionen, die den Prüfkriterien entsprachen, sollten nur dann bewilligt werden, wenn sie von 4significant benefit ' für Kanada sind. Untersucht wurde diesbezüglich: „ (a) the effect of the investment on the level and nature of economic activity in Canada, including the effect on employment, on resource processing, on the utilization of parts, components, and services produced in Canada, and on exports from Canada ; (b) the degree and significance of participation by Canadians in the business enterprise and in the industry sector to which the enterprise belongs; (c) the effect on productivity, industrial efficiency, technological development, innovation and product variety in Canada; (d) the effect Canada; and

on competition within any industry or industries in

(e) the compatibility of the investment with national industrial and economic policies, taking into consideration industrial and economic policy objectives enunciated by a province likely to be significantly affected by the proposed investment. ' Das Gewicht einzelner Kriterien wurde von Fall zu Fall unterschiedlich behandelt, so daß große Unsicherheit bezüglich der Aussicht auf Genehmigung entstand.

87

Vgl. dieselben, S. 145. Zu den Empfehlungen des Gray Report siehe S. 148.

88

Vgl. dieselben, S. 148.

89

Dieselben, S. 149.

118

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Kriterien wurden verschiedene, vertraglich festgelegte Leistungsanforderungen gestellt. Diese Auflagen konnten sich ζ. B. auf den local content in der Produktion beziehen, d. h. in die hergestellten Produkte mußte ein Mindestanteil an kanadischen Rohstoffen oder Vorprodukten einfließen. Bisweilen wurde auch ein Mindestexportanteil für in Kanada hergestellte Güter verlangt. Weitere Anforderungen bezogen sich ζ. B. auf den Transfer von Technologie, die Verlagerung von Forschungsaktivitäten nach Kanada oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. Von ausländischen Investoren wurden vor allem die fehlende Transparenz der Verfahren, Zeitverzögerungen, politische Einmischung und unhaltbare Forderungen der Behörde beklagt. 90 Im Zeitraum von 1974 bis 1981 wurden 1.939 Akquisitionen geprüft, davon 82 % genehmigt. Die Gründung neuer Geschäftsaktivitäten wurde in 1.857 Fällen geprüft, davon 83 % zustimmend.91 Die Zahlen geben jedoch keinen Aufschluß darüber, wieviele Direktinvestitionsabsichten durch die Einführung der FIRA zurückgenommen wurden. Neben der Unsicherheit, die durch das Verfahren entstand, spielten auch die Verfahrenskosten und die Zeitverzögerung bis zur Durchführung einer Direktinvestition eine Rolle bei der Verminderung von Anreizen zur Investition in Kanada. Das 1980 eingeführte National Energy Program (NEP) sollte ebenfalls zu einer Verminderung des ausländischen Anteils am kanadischen Kapitalstock beitragen. Die Zielsetzung bestand darin, den kanadischen Kapitalanteil in der Erdöl- und Erdgasindustrie bis 1990 auf mindestens 50 % zu erhöhen. Im Jahr 1973 wurden noch 90 % des Kapitals in diesem Sektor vom Ausland kontrolliert. Das NEP beinhaltete fiskalische und administrative Maßnahmen zur Erreichung seiner Zielsetzung. Von ausländischen Öl-Unternehmen wurden erhöhte Steuern erhoben. Die zusätzlichen Steuereinnahmen wurden an inländische private und staatliche Unternehmen transferiert. Teilweise wurden daraus auch Firmenübernahmen der staatlichen Petro-Canada finanziert. Administrative Maßnahmen umfaßten u. a. Instruktionen an die FIRA, ein besonderes Augenmerk auf Direktinvestitionen in diesem Sektor zu legen. Zahlreiche ausländische Unternehmen reagierten auf dieses Programm mit einem Verkauf ihrer Vermögensanteile an kanadische Unternehmen. Dies führte zu Liquiditätsproblemen und Kapitalmangel, weil die Erdölpreise zu fallen begannen. Als die Notwendigkeit ausländischer Kapitalspritzen erkannt wurde, lokkerte die Regierung die Kriterien für den Unternehmenserwerb durch Ausländer. Lediglich der Erwerb von kanadischen Unternehmen, die finanziell gesund sind, sollte untersagt bleiben (diese Regelung wurde im CUFTA beibehalten). 90

Vgl. Globerman (1989), S. 172.

91

Vgl. derselbe, S. 171, Tabelle 10.1.

I. Risikominderung im CUFTA

119

Anfang der 80er Jahre kam es - infolge von FIRA und NEP - erstmalig zu einer Umkehrung der Nettodirektinvestitionsströme nach Kanada. 1981 übertrafen die kanadischen Direktinvestitionen im Ausland die Direktinvestitionen in Kanada um 4,4 Mrd. CAN-Dollar, in 1982 um 1,4 Mrd. CAN-Dollar und in 1983 noch um 0,2 Mrd. CAN-Dollar. 92 Gleichzeitig wurde Kanada von einer schweren Rezession betroffen. Dies veranlaßte die kanadische Regierung zur Überprüfung ihrer Kontrollpraxis gegenüber Direktinvestitionen. 93 Die FIRA wurde 1985 durch den Investment Canada Act (ICA) ersetzt, welches in erheblich geringerem Maß staatliche Eingriffe vorsah. Geprüft werden sollten nur noch - Direktakquisitionen ab einer Größe von 5 Mio. CAN-Dollar, - indirekte Akquisitionen ab 50 Mio. CAN-Dollar, - indirekte Akquisitionen zwischen 5 und 50 Mio. CAN-Dollar, wenn der Anteil der von kanadischen Eigentümern erworbenen Geschäftsanteile über 50 % des Bruttovermögens beträgt sowie - Akquisitionen, die in die Kategorie 4national identity fallen.

or cultural heritage '

Die Zielsetzung des ICA liegt in der Förderung ausländischer Direktinvestitionen, die einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum und zur Beschäftigung erwarten lassen. Auch hier sollen signifikante ausländische Investitionen auf ihre Vorteilhaftigkeit für Kanada überprüft werden. Allerdings ist die zentrale Aufgabe der Behörde die Förderung der Standortattraktivität Kanadas. Deshalb wurden die Prüfkriterien stark vereinfacht, die Prüfverfahren stark verkürzt und die Verhandlung von Leistungsanforderungen in den meisten Fällen unterlassen. In den ersten Jahren wurden alle Investitionsvorhaben genehmigt.94 Worauf basiert nun die sich im Zeitablauf verändernde Haltung gegenüber Direktinvestitionen?

92

Vgl. Burgess (1987), S. 209, Tabelle 1. Vgl. Globerman (1989), S. 172. Ausführlicher zur Foreign Investment Review Agency siehe Leckow/Mallory (1991), S. 25-33. 94 Vgl. Battram/ Kennish (1988), S. 149 ff. Zum Investment Canada Act siehe auch Globerman (1989), S. 172 ff., und Leckow/Mallory (1991), S. 33-38. 93

120

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte c) Gründe für die Beschränkung von Direktinvestitionen

Im Zusammenhang mit der Frage, ob Direktinvestitionen beschränkt werden sollen, sind Kosten und Nutzen von Investitionen multinationaler Unternehmen (kurz: MNU) im Gastland gegeneinander abzuwägen. Eine solche KostenNutzen-Analyse wurde auch durch das FIRA durchgeführt. Hier gilt es nun, eine allgemeine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Direktinvestitionen aus Sicht des Empfängerlandes vorzunehmen. Aus wohlfahrtstheoretischer Sicht werden Direktinvestitionen ambivalent beurteilt. Zum einen können Effizienzgewinne erzielt werden, da insbesondere im Zusammenhang mit dem einhergehenden Transfer von firmenspezifischem organisatorischen und technischen Wissen eine höhere Produktivität der Produktionsfaktoren im Gastland folgt. Dies führt zu steigenden inländischen Faktoreinkommen, erweiterten Konsummöglichkeiten und einer aus der Sicht von Regierungen mit eingeengten Budgetspielräumen willkommenen Erhöhung der Steuereinnahmen. Weitere Effizienzsteigerungen können aus spillover-EffcktQn des Technologietransfers resultieren: Die Kenntnisse, die Arbeitnehmer des ausländischen Unternehmens erwerben, kommen bei Arbeitsplatzwechsel inländischen Unternehmen zugute; inländische Unternehmen können die eingeführte Technologie nachahmen. Außerdem kann der Zugang eines ausländischen Anbieters auf monopolistischen Märkten des Gastlandes wettbewerbsund somit effizienzsteigernd wirken. Zum anderen jedoch genießt das M N U aufgrund firmenspezifischer Vorteile eine monopolistische Stellung,95 die sich zum Schaden des Gastlandes auswirken kann: Wenn die ins Heimatland transferierten monopolistischen Gewinne und Faktoreinkommen größer sind als die zusätzliche Wertschöpfung, wird das Gastland einen Wohlfahrtsverlust erleiden. 96 Ob das Gastland dies durch Ertragsbesteuerung verhindern kann, hängt letztlich von den Möglichkeiten des Unternehmens ab, die Gewinnhöhe durch die Wahl der internen VerrechnungsSiehe Kapitel D.III.2 dieser Arbeit. 96

Vgl. Markusen/ Melvin (1988), S. 305. Für den Fall der vollkommenen Konkurrenz ist gezeigt worden, daß Direktinvestitionen stets wohlfahrtssteigernd für das Empfängerland sind, da die zusätzliche Ausbringung bei sinkenden Grenzerträgen des Kapitals immer größer ist als das Faktoreinkommen, das an ausländisches Kapital fließt. Der Zufluß weiteren ausländischen Kapitals senkt den Grenzertrag des Kapitals im Gastland und damit auch das Nettoeinkommen aus vorangegangenen ausländischen Investitionen. Siehe ζ. B. MacDougall (1970), S. 343 ff., und Markusen/ Melvin (1988), S. 285 ff. Miaygiwa (1990), S. 8 f., weist jedoch daraufhin, daß dies nur bei Freihandel gilt: Bei Vorliegen von Zöllen im kapitalintensiven Sektor wirkt zusätzliches Auslandskapital stets wohlfahrtsfahrtsmindernd.

I. Risikominderung im CUFTA

121

preise entsprechend zu manipulieren. Die Möglichkeit zum transfer pricing wird für sich genommen vielfach negativ beurteilt, da dem Gastland hierdurch Steuern entgehen.97 Die Frage ist allerdings, ob in Abwesenheit des M N U entsprechend höhere Steuereinnahmen angefallen wären. Skepsis wird in potentiellen Empfängerländern auch im Hinblick auf den möglichen Verlust der politischen Souveränität und kulturellen Identität geäußert, zumal wirtschaftliche Macht mit politischer Macht einhergehe. 98 Ferner wird auf negative Zahlungsbilanzeffekte verwiesen, die daraus resultieren, daß M N U eine hohe Importneigung für Vorprodukte haben.99 Zahlungsbilanzprobleme können auch aus dem Transfer von Einkommen und Gewinnen ins kapitalgebende Land resultieren. Außerdem wird die Handelsbilanz bei steigendem Einkommen im Gastland in Abhängigkeit von der marginalen Importneigung beeinflußt. Exporte der Tochterunternehmen im Gastland wirken sich hingegen positiv auf die Zahlungsbilanz aus. 100 Weiterhin ist zu bedenken, daß die Auslandsproduktion von M N U auch dem Umgehen von Zollmauern dienen kann {tariff jumping), so daß die Produktion im Gastland Exporte aus dem Mutterland ersetzt und sich somit ebenfalls positiv auf die Zahlungsbilanz auswirkt. Bisweilen wird auch argumentiert, daß der Technologietransfer aus dem Ausland langfristig nachteilig sei, da dies zu einer Einschränkung der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit im Gastland führen könne. Fragwürdig bei dieser Argumentation ist, daß der Forschung und Entwicklung im eigenen Land häufig ein Eigenwert beigemessen wird, unabhängig davon, ob sie im Ausland mit geringeren Kosten durchgeführt werden kann. 101 Die kanadischen Sorgen über das hohe Ausmaß an US-Direktinvestitionen und die damit einhergehende Kontrolle faßt Sharma wie folgt zusammen: „The Canadian concern is that Canada provides the raw materials but the US processes them. It is perceived to result in overspecialisation of Canadians in raw-material-extraction in Canada; under-representation of Canadians in high-level professional and managerial positions ; large dividend outflows from Canada;

97

Vgl. Balasubramanyam/ Greenaway (1993), S. 152.

98

Siehe MacMillan/Pazderka

(1989), S. 340, und Globerman (1989), S. 165.

99

Nach Warnock (1988), S. 125, ist die Importneigung für Vorprodukte bei ausländisch kontrollierten Unternehmen viermal so hoch wie bei kanadischen Unternehmen. 100

Vgl. Root (1990), S. 661 ff.

101

Vgl. MacMillan/Pazderka

(1989), S. 339.

122

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte Canadian subsidiaries not being allowed to compete with the US parent in export ; and in Canada becoming a branch plant economy of the US" 102

Weiterhin ist in Kanada auch die Ansicht vertreten worden, daß die Präsenz von ausländischen Tochterunternehmen kanadische Unternehmen daran gehindert habe, eine Betriebsgröße zu erreichen, die für die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten notwendig sei. Die multinationalen Unternehmen aus dem Ausland können hingegen die Weltmärkte aus dem Mutterland beliefern, wo sie die notwendigen Größenvorteile erzielen. 103 Dieses letztgenannte Argument zur Beschränkung von Direktinvestitionen gleicht dem Erziehungszollargument von List. Welches Gewicht einzelnen Pro- und Contra-Argumenten beizumessen ist, kann sich von Fall zu Fall unterscheiden. Demzufolge kann auch der Nettonutzen unterschiedlich ausfallen. Dies zeigt sich anhand der konkreten KostenNutzen-Analysen, die in Kanada von der FIRA durchgeführt wurden und in einzelnen Fällen zu einer Ablehnung geführt haben. In der Literatur ist eine überwiegend positive wohlfahrtsökonomische Beurteilung von Direktinvestitionen zu finden. 104 Vielfach wird aber in Ländern, die skeptisch gegenüber der Vorteilhaftigkeit von Direktinvestitionen sind, der Versuch unternommen, potentielle Kosten durch Leistungsanforderungen zu vermindern. Diese sind allerdings ebenfalls wohlfahrtsmindernd: Nach Maskus/ Eby führt die Willkürlichkeit der verhandelten Leistungsanforderungen zu „«discrimination across firms ,uncertainty about future changes in requirements and incentives, rent seeking, and other costly outcomes that diminish any benefits from TRIMS [trade related investment measures; Anm. d. Verf] and discourage efficient entry and operations." 105 Aus Sicht der Weltwohlfahrt sind sie abzulehnen, da sie zur Verzerrung von Produktions-, Standort- und Handelsentscheidungen führen und somit Fehlallokationen zur Folge haben. Berücksichtigt man, daß mit der Beschränkung von Direktinvestitionen auch wohlfahrtsmindernde Auswirkungen auf das Gastland verbunden sind, stellt sich die Frage, warum eine Regierung nachträglich bereits genehmigte und

102

Sharma (1988), S. 209. Siehe MacMillan/ Pazderka (1989), S. 340. Diese Argumentation ergibt sich aus dem Vergleich der kanadischen Wirtschaft mit der mehr als zehnmal so großen USWirtschaft. 103

104 105

Siehe ζ. B. Balasubramanyam/ Greenaway (1993), S. 152.

Maskus/Eby (1993), S. 457. Die von Maskus/ Eby analysierten TRIMS beinhalten die in Kanada gebräuchlichen Leistungsanforderungen (siehe dieselben, S. 453 f.).

I. Risikominderung im CUFTA

123

durchgeführte Direktinvestitionen beschränken sollte. 106 Im Zusammenhang mit der optimalen Standortentscheidung und Wahl der optimalen Internationalisierungsstrategie wird an späterer Stelle davon ausgegangen, daß M N U sich auch der Unsicherheit über eine nachträgliche Einführung von Leistungsanforderungen gegenübersehen. Dies läßt sich nach Rugman u. a. (1985) und Root (1990) mit einer sich im Laufe der Zeit ändernden Wahrnehmung des Kosten-NutzenVerhältnisses durch die Politiker erklären: 107 Es wird argumentiert, daß es weniger auf die tatsächlichen als auf die wahrgenommenen Kosten und Nutzen ankommt. Mit zunehmender Zeitdauer besteht eine Tendenz zur negativen Beurteilung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Zu Beginn sind die wahrgenommenen Kosten relativ gering, da das Tochterunternehmen mäßige Gewinne erwirtschaftet und diese zumeist im Gastland reinvestiert. Es findet ein erwünschter Transfer von Kapital und Knowhow statt. Die spillover- Effekte des Technologietransfers und die Wettbewerbseffekte werden positiv bewertet. Nach einer gewissen Zeit ändert sich jedoch die Beurteilung. Der Kapital- und Technologietransfer nimmt ab und die spillover- Effekte verlieren an Bedeutung. Auf der anderen Seite steigt mit der Zeit die Gewinnrückführung ins Stammland, da das Unternehmen höhere Gewinne erwirtschaftet und geringeren Reinvestitionsbedarf im Gastland hat. Auch der wachsende wirtschaftliche Erfolg und der damit einhergehende Zuwachs an ökonomischer Macht werden mit Sorge beobachtet. Dies kann dazu führen, daß Politiker der Ansicht sind, die Geschäftstätigkeit könne durch inländische Unternehmen genauso gut durchgeführt werden - oder durch andere ausländische Firmen, mit denen sie vorteilhaftere Leistungsanforderungen vereinbaren könnten. Die Leitung des M N U hingegen wird steigende Produktion, Umsätze und Steuerzahlungen im Gastland als Beleg für zunehmende Wohlfahrtssteigerungen im Gastland ansehen. Repatriierte Gewinne werden als Belohnung der erfolgreichen Unternehmensführung beurteilt. Es geht aber nicht nur die Wahrnehmung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses auseinander. Auch die relative Machtposition von Regierung und M N U kehrt sich um. War das Unternehmen vor Realisierung der Investition noch in der besseren Verhandlungsposition, da es i. d. R. über alternative Investitionsmöglichkeiten in anderen Ländern verfügt, während das Gastland ein Interesse an der Durchführung der Investition hat, wendet sich die relative Machtposition nach der Investition zugunsten der Regierung des Gastlandes, weil die Durchführung der Investition versunkene Kosten verursacht und firmenspezifische Vorteile zunehmend von inländischen Konkurrenten nachgeahmt werden. Mit 106 107

Auf diese Möglichkeit weisen auch dieselben, S. 455, hin. Vgl. zum folgenden Rugman u. a. (1985), S. 284 f., sowie Root (1990), S. 667 ff.

124

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

fortschreitender Zeitdauer meint das Gastland immer weniger von der Direktinvestition zu profitieren, so daß die Regierung in eine immer bessere Verhandlungsposition kommt, um neue Bedingungen auszuhandeln, die ihren Anteil an den ökonomischen Vorteilen der Direktinvestition aufrechterhalten oder sogar steigern sollen. Dieser Erklärungsansatz, der an der relativen Verhandlungsmacht ansetzt, gilt allerdings weniger für MNU, die in der Lage sind, das Gastland permanent durch die Einführung neuer Technologien oder ihren exklusiven Zugang zu bestimmten Exportmärkten abhängig zu machen. Außerhalb dieses Erklärungsansatzes ist aber auch die Möglichkeit zu sehen, daß sich allgemein das politische Klima, die wirtschaftliche Lage und die Beurteilung ökonomischer Zusammenhänge seitens der Politiker ändert. Vor der damit verbundenen Gefahr einer Rückkehr zur administrative protection, wie sie unter FIRA und NEP in Kanada bis Mitte der 80er Jahre praktiziert wurde, wollte die amerikanische Regierung US-Investoren in Kanada schützen. Deshalb wurde im CUFTA Risikominderung auch im Bereich der Direktinvestitionen vereinbart. Von diesen Regelungen profitieren aber auch die kanadischen MNU.

d) Beurteilung der Risikominderung

bei Direktinvestitionen

Zur Risikominderung bei Direktinvestitionen wurde im CUFTA vereinbart, 108 - daß bei der Gründung neuer Unternehmen, ihrer Führung sowie ihrem Verkauf nationale Gleichbehandlung gilt, - daß zukünftige Änderungen von Gesetzen und Verordnungen nicht zu einer stärkeren Diskriminierung von Investitionen aus dem Partnerland führen dürfen als die bereits bestehenden, - daß im Fall einer Enteignung eine angemessene Entschädigung zu erfolgen hat, - daß die Repatriierung von Gewinnen und Einkünften gewährleistet wird, - daß unmittelbar handelsrelevante Leistungsanforderungen verboten sind 109 und - daß die Kontrolle von amerikanischen Direktinvestitionen durch Investment Canada bei neugegründeten Unternehmen und indirekten Akquisitionen schrittweise abzubauen ist; bei direkten Akquisitionen wurde die Schwelle bis 108 109

Siehe detaillierter in Kapitel B.I.3.c) dieser Arbeit.

Die Einführung und Durchsetzung sonstiger Leistungsanforderungen ist zwar nach wie vor möglich, wird aber durch die drastische Beschneidung der Kontrollmöglichkeiten von Investment Canada ebenfalls eingeschränkt, vgl. Schott (1988), S. 25.

I. Risikominderung im CUFTA

125

1992 von 5 Mio. CAN-Dollar auf 150 Mio. CAN-Dollar bis 1992 angehoben, so daß sich der Kreis kanadischer Unternehmen, die beim Erwerb durch amerikanische Investoren überprüfungspflichtig sind, um mehr als 90 % verklei110

nert. Von diesen Regelungen profitieren nicht nur amerikanische, sondern auch kanadische Unternehmen (Investoren aus Drittländern sind hingegen ausgenommen). Zwar hat die kanadische Regierung die Zielsetzung der Risikominderung für kanadische Investoren nicht explizit verfolgt. Dennoch sahen kanadische Ökonomen gerade in den angesprochenen risikomindernden Regelungen wesentliche Gewinne auch für Kanada.111 Kanadische Unternehmen haben in den 80er Jahren - unter anderem als Vorsorge gegen eine zunehmende US-contingent protection - verstärkt in den USA investiert. Das Investitionsvolumen ist von 32,1 Mrd. CAN-Dollar in 1984 auf 50,1 Mrd. CAN-Dollar in 1989 angestiegen. Dies entspricht einer Steigerung um 56 %. Die US-Direktinvestitionen in Kanada sind im Vergleich der Jahre 1989 zu 1984 nur um knapp 20 % gestiegen. Das Wachstum der kanadischen Direktinvestitionen war damit mehr als doppelt so groß wie die Zunahme der US-Direktinvestitionen in Kanada. 112 Sollte in den USA eine ablehnende Haltung gegenüber ausländischen Investitionen entstehen, profitieren auch kanadische M N U von dem Schutz gegen die Einführung neuer Restriktionen und Diskriminierungen. Die Möglichkeit eines „U.S. nationalist backlash against a rapidly rising stock of foreign investment a backlash of the kind that occured in Canada in the 1970s u113 wurde nicht nur von Lipsey gesehen. Safarian stellt fest, daß „the idea of a review agency is being revived in some quarters in response to the recent increase in foreign acquisitions of U.S. firms. u114 Rugman hingegen sieht die Gefahr von Restriktionen weniger vor dem Hintergrund möglicher Sorgen einer US-Regierung um den Verlust der ökonomischen Souveränität, als vielmehr in der Tatsache begründet, daß es in den USA zahlreiche lobbyistische Interessen gibt, die sicherstellen wollen, daß der US-Protektionismus nicht durch Direktinvestitionen umgangen wird, die dazu dienen, Exporte in die USA zu substituieren. 115 110

Vgl. ebenda.

111

Siehe ζ. B. Rugman (1988), S. 4, Menz/ Stevens (1991), S. 26 f., und Thakur (1991), S. 236. 112 Vgl. Frontzkowski (1994), S. 360, Tabelle 4.1 la, und S. 363, Tabelle 4.13a. 113

Lipsey (1989), S. 15.

114

Safarian (1991), S. 151.

115

Vgl. Rugman (1988), S. 6.

126

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Da die Regelungen fur Direktinvestitionen aus dem Partnerland überwiegend prospektiver Natur sind, ist bereits festgestellt worden, daß sich das CUFTA in diesem Bereich als Stillhalteabkommen charakterisieren läßt. Daraus ergibt sich, daß der Risikominderung ein größeres Gewicht beigemessen wurde als der Liberalisierung. Die Zielsetzung der US-Regierung - mehr Sicherheit für USInvestoren in Kanada - scheint im Rahmen des CUFTA eher realisiert worden zu sein als das Ziel der kanadischen Regierung, den Zugang zum US-Markt abzusichern. Immerhin hat Kanada aber die Kontrolle über wesentliche direkte Unternehmensakquisitionen durch US-Firmen aufrechterhalten. Inwiefern M N U aus Kanada und den USA von der Risikominderung bei Investitionen - aber auch beim politischen Risiko einer zunehmenden contingent protection - profitieren, wird in Kapitel D.III.3 näher untersucht.

3. Risikominderung im Energiesektor Aufgrund der Regelungen des Chapter 9 gewinnen beide Länder mehr Sicherheit: die USA in bezug auf ihren Zugang zu den reichhaltigen kanadischen Energieressourcen, Kanada bezüglich des Zugangs zum Absatzmarkt USA (bislang ist allein auf die Bedeutung der Risikominderung im bilateralen Energiehandel aus Sicht der USA hingewiesen worden; nach Aussage des kanadischen Verhandlungsführers war ein sicherer Zugang zum US-Markt auch für Energieprodukte seit langem eine wichtige Zielsetzung Kanadas).116 Da Kanada der wichtigste Energielieferant der USA ist, strebte die amerikanische Regierung Regelungen an, die verhindern sollten, daß das National Energy Board zu einer Politik der Exportbeschränkung - praktiziert in den Jahren 1970 bis 1985 - zurückkehrt. Durch das CUFTA erhalten die USA Garantien, daß es nicht mehr zu administrativer Preisdiskriminierung oder Angebotsverknappung kommen kann: Bevor ein Exportkontrakt abgeschlossen wird, müssen kanadische Energieproduzenten gegenüber dem National Energy Board nachweisen, daß die exportierte Energie überschüssig ist und mit dem Export keine negativen Umwelteffekte einhergehen. 117 Vor dem CUFTA mußte außerdem gezeigt werden, daß der Exportpreis „(i) would recover its appropriate share of the costs incurred in Canada, (ii) would not be less than the price to Canadians for equivalent service in related areas, and (iii) would not result in prices in the country to which

116

Vgl. Reisman (1987), S. 47.

117

Vgl. Blue (1988), S. 257.

I. Risikominderung im

FTA

127

the power is exported being materially less than the least cost alternative for power and energy at the same location within that country (...)" m Der in Punkt (iii) verlangte least cost alternative-Test entfällt mit dem CUFTA. 1 1 9 Damit einhergehend soll auf dem Exportmarkt kein höherer Preis verlangt werden als auf dem Inlandsmarkt (Art. 904 CUFTA). Auf das Verbot von Mindestexportpreisen und diskriminierenden Exportsteuern (Art. 902 und 903 CUFTA) ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden. Diese Regelungen schützen amerikanische Energieimporteure vor einer administrativen Preisdiskriminierung. 120 Als eine zentrale Regelung zur Sicherung des Zugangs wird die Regel des proportional access' zu kanadischen Energieressourcen angesehen (Art. 904 CUFTA). Zwar darf Kanada Energieexporte auf der Grundlage des GATT weiterhin aus Gründen der Angebotsverknappung, Preisstabilisierung oder Konservierung beschränken, jedoch kann die Einschränkung von Exporten in die USA nur proportional zur gesamten Angebotsreduktion erfolgen, d. h. das Verhältnis von Exporten und Gesamtangebot darf sich nicht ändern. Ausschlaggebend ist das Verhältnis der letzten 36 Monate. Dies sichert den USA den Zugang zu kanadischen Energiereserven auch in Zeiten einer weltweiten Angebotsverknappung. 121 4

Von Gegnern des CUFTA wurde diese Regelung vehement kritisiert, da sich die kanadische Regierung damit der Möglichkeit begibt, die Ressourcen des Landes für die eigenen Bürger zu reservieren, wenn es zu einer weltweiten Knappheit kommt. 122 Es ist allerdings zu beachten, daß kanadische Abnehmer nach wie vor die Möglichkeit besitzen, die amerikanischen Importeure zu überbieten. Somit können sie bis zu einhundert Prozent des kanadischen Energieangebots am Markt erwerben. Das Angebot darf zwar staatlicherseits nicht beschränkt werden, über die Zuteilung entscheidet jedoch der Markt. 123

118

Section 6(2)(z) der National Energy Board Part VI Regulations , zitiert nach demselben, S. 260. 119 Vgl. Annex 905.2 CUFTA. 120

Gunton (1988), S. 5 f., ist der Ansicht, daß nicht nur eine staatlicherseits vorgenommene Preisdiskriminierung von Exporten durch Besteuerung etc. verhindert wird, sondern auch den Energielieferanten versagt ist, (wie in der Vergangenheit durchaus üblich) von amerikanischen Kunden zwei- bis dreimal so hohe Preise zu verlangen wie von inländischen Abnehmern. Anderer Meinung ist Lipsey (1988), S. 71. 121

Vgl. Leyton-Brown (1990), S. 50.

122

So ζ. B. Drache (1988b), S. 80, und Warnock (1988), S. 16 f.

123

Darauf weisen Lipsey (1988), S. 72, und Watkins, G. C. (1993), S. 208, hin.

128

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

Während amerikanische Konsumenten von einem sichereren Zugang zu kanadischen Energieressourcen zu Marktpreisen profitieren, liegt der Vorteil der CUFTA-Regelungen für Kanada in der Sicherheit, die ihre Energieproduzenten erhalten. Art. 902 CUFTA verbietet die Anwendung von Export- und Importrestriktionen. Vorhandene Zölle sind innerhalb von fünf Jahren abzubauen. Die USA hatten in der Vergangenheit einzelne Energieprodukte mit relativ hohen Einfuhrzöllen belegt. Insbesondere der Import von Uran wurde beschränkt. 124 Während der CUFTA-Verhandlungen gab es verschiedene Bestrebungen im US-Kongreß, die Einfuhr von Öl und Strom aus Wasserkraft zu beschränken. Auch davor ist Kanada zukünftig geschützt.125 Weiterhin können kanadische Energieexporte von den USA nur noch in bedeutend geringerem Umfang aus Gründen der nationalen Sicherheit beschränkt werden, da mit Art. 907 CUFTA strengere Bedingungen an solche Beschränkungen geknüpft wurden. Risikomindernd wirkt schließlich auch die Vereinbarung, daß man das Partnerland konsultieren wird, bevor Regulierungsmaßnahmen im Energiesektor ergriffen werden, die zu Handelsumlenkung und Diskriminierung führen. Hier ist eine Einigung zu erzielen. 126 In Kapitel D.III wird das Risikominderungsinteresse von M N U als Erklärungsansatz für das Zustandekommen des CUFTA untersucht. Es ist festzustellen, daß auch die Risikominderung im Bereich des bilateralen Energiehandels im Interesse von M N U war, da sich die kanadische Rohölindustrie - wie bereits in Kapital B.I.2.b) festgestellt - zu großen Teilen im Besitz amerikanischer Konzerne befindet. Die Risikominderung ist für sie von Bedeutung, da die Entwicklung und Extraktion der kanadischen Erdölreserven in entlegenen Regionen Kanadas hohe Investitionen notwendig macht. Ohne eine Sicherung des Marktzugangs zu den USA würde das Risiko von Kapazitätsinvestitionen zu hoch sein und verschiedene Megaprojekte müßten unterbleiben. 127

124 125 126 127

Vgl. Schott (1988), S. 22 f. Vgl. Ritchie (1988), S. 14 f. Vgl. Frontzkowski (1994), S. 267. Vgl. dieselbe, S. 297.

II. Risikominderung im NAFTA

129

I I . Risikominderung im NAFTA Die Beschreibung der Risikominderung im NAFTA beschränkt sich im wesentlichen auf die Darstellung von Unterschieden zum CUFTA.

1. Risikominderung bezüglich der Protektionismusgefahr a) Allgemeiner Streitbeilegungsmechanismus

im Vergleich zum CUFTA

Analog zum Chapter 18 des CUFTA sieht Chapter 20 des NAFTA einen Allgemeinen Streitbeilegungsmechanismus vor. Zentrales Überwachungsorgan ist die Free Trade Commission , die sich aus den Handelsministern der drei Partnerländer zusammensetzt und mindestens einmal jährlich zu Konsultationen zusammenkommt.128 Ihre Tätigkeit wird unterstützt von einem ständigen Sekretariat, dessen Aufgaben und Bedeutung gegenüber dem CUFTA-Sektretariat wesentlich erweitert wurden. 129 In einem Streitfall über die Umsetzung oder Interpretation des NAFTA sind zunächst die Vertragsparteien zu gegenseitigen Konsultationen verpflichtet, bevor sie die Free Trade Commission anrufen können. Deren Schlichtungsfunktion wird im NAFTA noch weiter hervorgehoben, d. h. einer Einigung ohne Einschaltung von Schiedsgerichten wird eine wachsende Bedeutung beigemessen, um Zeit und Kosten zu sparen. 130 Gelingt die Schlichtung nicht, wird auch hier ein Arbitration Panel einberufen. Bei der Auswahl seiner Mitglieder sieht das NAFTA - trotz der guten Erfahrungen im CUFTA - eine 4reverse selection ' vor, die die Unparteilichkeit der panel-Mitglieder gewährleisten soll. Sind nur zwei Länder beteiligt, so wählt die anklagende Partei zwei Staatsbürger des verteidigenden Landes aus, die verteidigende Partei wiederum zwei Staatsbürger des anderen Landes. Das fünfte Mitglied wird im gegenseitigen Einvernehmen bestimmt. Bei fehlendem Einvernehmen wird ein Land durch Los bestimmt, einen Vertreter aus dem anderen Land auszuwählen.131 Sind alle drei Länder beteiligt, wählen die anklagenden Parteien die beiden Vertreter des angeklagten Landes aus, das seinerseits aus jedem der anklagenden Länder einen Vertreter bestimmt. Die Wahl des fünften Mitglieds erfolgt

128 129 130 131

9 Helstelä

Vgl. Government of Canada (1993), S. 93. Siehe Winham (1993), S. 257. Vgl. derselbe, S. 256 f. Vgl. derselbe, S. 258.

130

C. Beschreibung der Risikominderungskontrakte

wie oben. 132 Sind nur zwei Länder betroffen, kann das dritte Land auf eigenen Wunsch eine Vermittlerrolle übernehmen, wobei es allerdings keine Möglichkeit erhält, den Abschlußbericht des panel zu kommentieren. 133 Neu gegenüber dem CUFTA sind auch spezielle Verfahren zur Begutachtung von Streitfällen über Umweltfragen und technischen Standards zum Schutz der Gesundheit und ähnlichem, bei denen wissenschaftliche Ausschüsse herangezogen werden können. 134 Neu ist hier weiterhin, daß die Beweislast bei der anklagenden Partei liegt. 135 Die Möglichkeit der Ergreifung von Gegenmaßnahmen durch ein Land, das im Streitschlichtungsverfahren Recht bekommen hat und nun vergeblich auf die Korrektur des Fehlverhaltens durch das angeklagte Land wartet, wird dadurch begrenzt, daß das panel den Umfang der Maßnahmen autorisieren muß. Werden Maßnahmen ergriffen, die darüber hinausgehen, kann das hiervon betroffene Land eine bindende Schiedsgerichtsentscheidung erwirken. 136 Eine weitere Neuerung gegenüber CUFTA besteht darin, daß Streitbeilegungsmechanismen erstmalig auch für den Bereich der Finanzdienstleistungen vereinbart wurden. Die Regelung folgt im wesentlichen dem Verfahren im Chapter 20 NAFTA, unterscheidet sich von diesem jedoch dadurch, daß sich die panel-Mitglieder aus einer speziellen Liste von Finanzexperten rekrutieren. 137 Wie auch im CUFTA besteht im NAFTA die Möglichkeit, bei GATT-Rechte betreffenden Streitigkeiten zwischen der Streitbeilegung im Rahmen des GATT oder des NAFTA zu wählen, wobei nur jeweils ein Verfahren offensteht. Gegenüber dem CUFTA ist die Wahlmöglichkeit dadurch eingeschränkt, daß das unbeteiligte Land den Wunsch äußern kann, diesen Fall im Rahmen des NAFTA zu behandeln. Einigen sich die Streitparteien in diesem Fall nicht gemeinsam auf die Streitbeilegung im GATT, so muß dem NAFTA-Verfahren der Vorzug gegeben werden. 138 Insgesamt sind einzelne institutionelle Änderungen, Erweiterungen von Zuständigkeiten und kleinere Verfahrensänderungen festzustellen, die als Verbesserungen gegenüber CUFTA-Regelungen angesehen werden können.

132

Vgl. Government of Canada (1993), S. 96.

133

Vgl. PTmÄam(1993),S.258.

134

Vgl. ebenda.

135

Vgl. Hufbauer/Schott

136

Vgl. Government of Canada (1993), S. 96.

(1993), S. 103.

137

Vgl. De Mestral (1993), S. 262.

138

Vgl. Winham( 1993), S. 259.

II. Risikominderung im NAFTA b) Der Streitbeilegungsmechanismusfür Ausgleichszollverfahren

131

Antidumping- und

im Vergleich zum CUFTA

Auch für Mexiko war der Schutz gegen eine Zunahme der US-contingent protection wesentliche Zielsetzung für ein Abkommen mit den USA. Durch die weitestgehende Übernahme der Chapter 19-Regelungen des CUFTA wird auch im NAFTA (ebenfalls Chapter 19) ein spezieller Streitschlichtungsmechanismus für Antidumping- und Ausgleichszollverfahren eingerichtet. Die Schiedsgerichte in Chapter 19-Fällen werden weiterhin Binational Panels sein, d. h. wenn beispielsweise Kanada einen Antidumpingzoll gegenüber identischen Produkten aus den USA und Mexiko verhängt, werden im Streitfall zwei unabhängige Schiedsgerichte einberufen, die die Entscheidungen des kanadischen International Trade Tribunal nach Ländern getrennt überprüfen. 139 Wie auch im CUFTA ist vereinbart worden, daß Änderungen von Gesetzen betreffend Antidumping- und Ausgleichszollverfahren nur vorgenommen werden können nach Konsultation der Vertragspartner und mit ausdrücklichem Hinweis, daß die Regelung auch die Partnerländer betrifft. Ein NAFTA -panel untersucht die Konformität der Gesetzesänderungen mit Rechten aus dem NAFTA, aus GATT-Subventions- und Antidumpingkodizes sowie aus früheren /?

der Tokio-Runde des GATT noch gar nicht niedergeschlagen hat. Der Zollabbau fällt im Modell somit größer aus als in der Realität.13 Zweitens dürften sie den Umfang nicht ausgeschöpfter Größenvorteile in Kanada überschätzt haben. 14 Drittens reagieren die Ergebnisse, wie von verschiedenen anderen Ökonomen nachgewiesen, sehr stark auf die spezifische Modellierung des Preissetzungsverhaltens bei Cox und Harris. 15 Viertens wurde gezeigt, daß das Ergebnis auch von den als sehr hoch eingeschätzten Preiselastizitäten des Exportangebots und der Importnachfrage im Cox/ Harris-Modell abhängt.16 Die übrigen Modelle in bezug auf das CUFTA weisen für Kanada überwiegend höhere Wohlfahrtsgewinne aus als unter der Annahme vollkommener Konkurrenz (zwischen 0,6 und 2,5 %), jedoch deutlich geringere als von Cox und Harris prognostiziert. Wigle (1988) errechnet sogar einen Wohlfahrtsverlust Vgl. Wilkinson (1990), S. 113. Harris selbst hat die Ergebnisse dahingehend revidiert, daß er lediglich mit einem halb so großen Wohlfahrtsgewinn rechnet, wenn man für das Modell statt auf die 1976er Daten auf Daten von 1987 (dem Jahr, in dem die Liberalisierung der Tokio-Runde endgültig vollzogen war) zurückgreifen könnte, vgl. Harris (1987), S. 32 f. 14 Zu den Kritikern zählen u. a. Barber (1990), S. 84, Daly/ Rao (1986), S. 392, Proulx (1987), S. 468, und Brown/Stern (1989). Nach Hazledine (1990), S. 802, konnte die zugrundeliegende Eastman-Stykolt-Hypothese der zollinduzierten Ineffizienz der kanadischen Wirtschaft (d. h., die Existenz umfangreicher nicht ausgeschöpfter economies of scale) bislang empirisch nicht nachgewiesen werden. Vielfach wird auch die Frage gestellt, ob Massenproduktionsvorteile nicht gegenwärtig - und verstärkt in der Zukunft - an Relevanz verlieren, vgl. z. B. Thompson (1991), S. 69 f., sowie Rugman u. a. (1985), S. 371. Zur Eastman-Stykolt-Hypothese selbst siehe Wigle (1988), S. 540. Nach Lipsey (1970), S. 238, lassen sich ungenutzte economies of scale damit begründen, daß in einem stagnierenden Markt die marginalen costs of selling stärker ansteigen als die marginalen Produktionskosten aufgrund der Nutzung von Größenvorteilen sinken würden. 15 Vgl. Copeland (1989), S. 50, Fußnote 9. Siehe auch Proulx (1987), S. 466, Morici (1989b), S. 361, und Wilkinson (1990), S. 113. Das Preissetzungsverhalten wird bei Cox und Harris - in den Sektoren mit unvollkommener Konkurrenz - als eine gemischte Preispolitik modelliert. Zu gleichen Teilen wird der Preis bestimmt durch Grenzkosten plus Gewinnaufschlag (Preissetzungsverhalten bei monopolistischer Konkurrenz) und Weltmarktpreis plus Zoll (einerseits wird hier oligopolistischer Wettbewerb mit collusive pricing zur Erzielung möglichst hoher Preise unterstellt, andererseits wird jedoch durch die Annahme von freiem Marktzutritt der Preis auf die Höhe 'Weltmarktpreis plus ΖοΙΓ begrenzt, wobei sich ein Gewinn von null einstellt), vgl. Coughlin (1990), S. 55. Vgl. i ( 1 9 ) , S. .

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

155

von - 0,1 % (auch hier aufgrund einer terms of trade-Verschlechterung). Für die USA liegen die Prognosen einhellig bei einer Zunahme des Realeinkommens um 0,1 %. Die Liberalisierung im NAFTA soll sich für Mexiko mit Gewinnen zwischen 1,6 und 3,3 %, für Kanada in Höhe von 0,7 bis 6,8 % und für die USA mit zwischen 0,1 und 2,6 % bezahlt machen. Auffallend ist, daß die Ergebnisse bei Roland-Holst/ Reinert/ Shiells (1992) für Kanada höhere Wohlfahrtsgewinne ausweisen als für Mexiko, obwohl Kanada zu Mexiko kaum nennenswerte außenwirtschaftliche Beziehungen unterhält, und Wohlfahrtsgewinne aus dem Handel mit den USA weitgehend der Liberalisierung im Rahmen des CUFTA zuzurechnen wären. Tabelle 7 Ergebnisse verschiedener CGE-Modelle zu den Wohlfahrtseffekten des CUFTA (prozentuale Änderung des Realeinkommens) Kanada

USA

L Modelle mit vollkommener Konkurrenz

0,6

-0,04

-0,3

0,03

Canadian Department of Finance (1987)

0,4

k. Α.

Magunu. a. (1988)

0,7

k. Α.

Hamilton/ Whalley (1985) Brown/ Stern (1987)

2. Modelle mit unvollkommener Konkurrenz und steigenden Skalenerträgen CoxJ Harris (1985)

8,9

k. A.

Canadian Department of Finance (1988)

2,5

k. A.

Markusen/ Wigle(1987)

0,6

Wigle (1988) Brown/ Stem (1989) Magunu. a. (1988)

-0,1

1,1

2,5

0,1 0,1 0,1

k. A.

(k. A. = keine Angabe) Quellen: Wilkinson (1990), S. 113, Tabelle 5.2, und Copeland (1989), S. 29, Tabelle 1.

156

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes Tabelle 8

Ergebnisse verschiedener CGE-Modelle zu denWohlfahrtseffekten des NAFTA (prozentuale Änderung des Realeinkommens) Mexiko

Kanada

USA

1. Statische Modelle mit vollkommener Konkurrenz KPMG Peat Marwick (1991) Zölle Zölle, nichttarifâre Handelshemmnisse und Direktinvestitionen Hinojosa-Ojeda/ Robinson (1992) Zölle und nichttarifâre Handelshemmnisse und Direktinvestitionen und internationale Arbeitsbewegungen Roland-Holst/ Reinert/ Shiells (1992) Zölle und nichttarifâre Handelshemmnisse

0,3

k. A.

4,6

k. A.

0,3 6,4 6,8

k. A. k. A. k. A.

0,1 2,3

4,9

0,2

0,02 0,04

0,0

0,1 0,1 0,1 1,7

2. Statische Modelle mit unvollkommener Konkurrenz und steigenden Skalenertr Roland-Holst/Reinert/Shiells (1992) Zölle und nichttarifâre Handelshemmnisse - Cournotscher Wettbewerb - Bestreitbare Märkte Cox/Harris (1992) Zölle Sobarzo (1992) Zölle Brown/Deardorff/Stern (1992b) Zölle und nichttarifâre Handelshemmnisse und Direktinvestitionen

2,5 3,3

4,1 6,8

1,6 2,6

k.A.

3,11

k. A.

2,0

k. A.

k. A.

1,6 5,0

0,7 0,7

0,1 0,3

3. Dynamische Modelle McCleery (1992) Zölle und Investorenvertrauen und endogene Produktivitätserhöhung Young und Romero (1992) Zölle und Investorenvertrauen Quelle: Brown/Deardorff/Stern

1,0 3,2 11,0

k. A. k. A. k. A.

k.A. k. A. k. A.

2,6 8,1

k. A. k.A.

k. A. k.A.

(1992a), S. 1510, Tabelle 1 (k. A. = keine Angabe).

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

157

Diese Modellrechnungen erfassen i. d. R. sechs verschiedene Wohlfahrtseffekte: 1. Spezialisierungsgewinne durch die verstärkte Nutzung von komparativen Vorteilen, 2. Effizienzgewinne durch die Nutzung von economies of scale , 3. steigende Konsumentenrenten durch sinkende Preise infolge zunehmenden Wettbewerbs, 17 4. terms of trade-Effekte, 5. Gewinne für die einheimischen Exporteure durch Zugangspräferenzen zu den Märkten der Partnerländer (Handelsablenkung) und 6. Verluste für die inländischen Konsumenten aufgrund der Handelsablenkung, die sich durch den bevorzugten Zugang der Exporteure aus den Partnerländern ergibt. Eine weitere Quelle von Wohlfahrtsgewinnen ergibt sich im Zusammenhang mit Faktorwanderungen. Unterschiede in den Modellergebnissen ergeben sich u. a. aufgrund der Annahmen über die Kapitalmobilität. Kapital wird in einzelnen Modellen als international mobil, in anderen als international immobil angesehen. 18 Arbeit wird - mit Ausnahme bei Hinojosa-Ojeda/ Robinson (1991) - als national vollkommen mobil und international als vollkommen immobil angenommen. In Tabelle 8 wird ersichtlich, daß sich für Mexiko beachtenswerte Wohlfahrtserhöhungen (in der Größenordnung von 4,6 bis 6,4 %) in erster Linie unter der Annahme eines expandierenden Zuflusses von Direktinvestitionen ergeben. Mit Ausnahme von zwei Modellen handelt es sich um komparativ-statische Analysen. 19 Young/ Romero (1992) hingegen verwenden ein Modell intertemporaler, dynamischer Optimierung der Ressourcenallokation. Die dynamische Entwicklung wird durch zeitliche Veränderungen in makroökonomischen Funktionen erfaßt, die zukünftig erwartete Zins- und Investitionsentwicklungen

Dieser Effekt wird zumindest im Cox/ Harris-Modell erfaßt, da auf unvollkommenen Märkten eine gemischte Preispolitik angenommen wird. Zur Hälfte bestimmt sich hier der Preis auf der Grundlage 'Weltmarktpreis plus ΖοΙΓ. Bei sinkenden Importzöllen sinkt der Inlandspreis. 18 Siehe Coughlin (1990), S. 52 f. 19

Auch bei den NAFTA-Modellen, die einen Anstieg der Direktinvestitionen berücksichtigen, handelt es sich um statische Modelle, da das Wachstum des Kapitalstocks exogen vorgegeben ist, d. h. sich nicht endogen aus der Modellierung des NAFTA ergibt, vgl. Kehoe (1993), S. 121.

158

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

abbilden. Der Kapitalbildungsprozeß in Mexiko wird im Modell zunächst durch Importzölle für Kapitalgüter eingeschränkt. Der Zollabbau führt zu intersektoraler Spezialisierung und einem erhöhten Kapitalimport. Dies ergibt eine Wohlfahrtssteigerung um 2,6 %, was beachtlich ist, da Young/ Romero von konstanten Skalenerträgen ausgehen. Eine Verbesserung des Investorenvertrauens durch das NAFTA (modelliert als Senkung der Risikoprämie auf Investitionen in Mexiko um 2,5 %; die Realzinsen sinken dadurch um einen Prozentpunkt) führt nach ihren Berechnungen sogar zu einer Wohlfahrtssteigerung um 8,1 %. McCleery (1992) berücksichtigt in seinem dynamischen Modell neben einer Zunahme des Investorenvertrauens eine endogene Produktivitätserhöhung infolge des NAFTA, indem die Arbeitsproduktivität mit dem Handelsvolumen verknüpft wird. In der Summe aller Effekte ermittelt er eine Steigerung der mexikanischen Wohlfahrt um 11 %. 2 0 Unterschiede in den Modellergebnissen, die nicht auf die bereits genannten Modellunterschiede (vollkommene versus unvollkommene Konkurrenz; statische versus dynamische Modelle) zurückzuführen sind, ergeben sich ferner aus unterschiedlichen Annahmen über Substitutionselastizitäten zwischen Arbeit und Kapital sowie zwischen inländischen und ausländischen Gütern (damit einhergehend auch der Frage, ob Kanada als wirtschaftlich kleines Land zu modellieren ist, das seine Exportpreise nicht beeinflussen kann), 21 über die Anzahl der betrachteten Sektoren (je mehr erfaßt werden, um so größer sind die Effizienzgewinne durch Reallokation), über die internationale Mobilität von Kapital und über das Preissetzungsverhalten 22 der Unternehmen. Nach der kurzen Darstellung der Ergebnisse und Unterschiede stellt sich noch die Frage nach den Grenzen von CGE-Modellen. Mit wenigen Ausnahmen weisen die Modellergebnisse für die beteiligten Länder verhältnismäßig geringe Wohlfahrtssteigerungen aus. Was spricht dafür, daß die Ergebnisse zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt werden? Was wird nicht berücksichtigt?

20 21

Siehe Brown/Deardorff/Stern

(1992a), S. 1509 ff., und Proff(

1994), S. 86 f.

Vgl. Coughlin (1990), S. 52. Andersson Π 990) hat gezeigt, daß sich für niedrige Substitutionselastizitäten der Güternachfrage eine Vërschlechterung der terms of trade ergibt, bei hohen Elastizitäten werden sie sich verbessern. 22 Alternativen: Preis gleich Grenzkosten bei vollkommener Konkurrenz; Preis gleich Grenzkosten plus Gewinnaufschlag bei monopolistischer Konkurrenz; Preis gleich Weltmarktpreis plus Zoll bei collusive pricing und freiem Marktzugang.

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

159

c) Grenzen der Modelle Kritisch zu beurteilen ist an CGE-Modellen zunächst, daß sie modellimmanent keine Anpassungsphase berücksichtigen und somit entstehende Anpassungskosten nicht ausweisen. Beschäftigungseffekte ergeben sich nur auf sektoraler Ebene, gesamtwirtschaftlich wird - aufgrund der neoklassischen Annahme eines funktionierenden Lohn- und Zinsmechanismus - Vollbeschäftigung postuliert. Selbst wenn es der Wirklichkeit entsprechen würde, daß letztlich auch der Arbeitsmarkt geräumt wird, 23 so wird doch der notwendige Strukturwandel zumindest temporär zu Arbeitslosigkeit fuhren. Da in einer komparativ-statischen Analyse die Anpassungsphase ausgeblendet wird, werden hiermit verbundene Wohlfahrtseffekte aus der Betrachtung ausgeklammert. Andererseits berücksichtigen die Modelle auch keine Wohlfahrtsgewinne, die sich aus der Handelsliberalisierung bei einer zuvor unterbeschäftigten Volkswirtschaft ergeben. Wenn Zollbarrieren abgebaut werden und die Endverbraucherpreise sinken, steigt das verfügbare Realeinkommen. Nehmen die Konsumausgaben bei Unterbeschäftigung zu, steigt bei keynesianischer Argumentation das reale Sozialprodukt und mit ihm die Beschäftigung. Diese Wohlfahrtsgewinne fallen bei Annahme von Vollbeschäftigung weg. Die Modellergebnisse weisen andererseits dahingehend einen zu hohen Wohlfahrtsgewinn aus, daß sie von der Annahme ausgehen, der Abbau von Handelsbeschränkungen finde vollständig zum Zeitpunkt des Inkrafttretens statt. Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß sich die tatsächlich vereinbarten Übergangsfristen von fünf, zehn oder gar fünfzehn Jahren positiv auf den Anpassungsprozeß auswirken. Die zu berücksichtigenden Anpassungskosten würden bei einem sofortigen Abbau von Handelsschranken höher ausfallen. Insofern ergeben sich durch die Nichterfassung dieser Kosten auf der einen Seite und die Vernachlässigung der zeitlich gestaffelten Liberalisierung auf der anderen Seite entgegengesetzte Wirkungen auf die Höhe der tatsächlich realisierten Nettowohlfahrt. Es sollte auch nicht übersehen werden, daß die Mehrzahl der Modelle sich auf den Zollabbau konzentriert. Die Erfassung von nichttarifären Handelshemmnissen erfolgt zwar teilweise durch Umrechnung in Zolläquivalente, zahlreiche Handelsbarrieren bleiben jedoch (verständlicherweise) außerhalb der Betrachtung, da sie kaum quantifizierbar sind. So bleibt ζ. B. die Liberalisierung des business travel völlig außer acht. Überhaupt wird die Liberalisierung im Bereich der Dienstleistungen, wozu auch die Regelungen zum business travel weitgeMan beachte, daß etwa in Kanada zur Zeit der Entstehung der meisten kanadischen CGE-Modelle die Arbeitslosenzahl bei über 1,5 Millionen, d. h. bei knapp 8 % lag.

160

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

hend gezählt werden können, kaum oder gar nicht berücksichtigt. Dies scheitert bereits daran, daß keinerlei quantitative Schätzungen darüber vorliegen, wie groß der Umfang und Einfluß von Handelsbarrieren im Bereich der Dienstleistungen ist. 24 Insofern weisen die Modellrechnungen Gewinne aus der Liberalisierung nur unvollständig aus. Die Frage ist, ob sich durch ihre Berücksichtigung viel an den ausgewiesenen Modellergebnissen ändern würde. Nach der Studie von Magun u. a. (1988), die verschiedene nichttarifâre Handelshemmnisse (u. a. beim öffentlichen Beschaffungswesen) erfaßt haben, unterscheiden sich die Wohlfahrtsgewinne kaum, ob man diese nun einbezieht oder nicht. 25 Die Studie von Roland-Holst/ Reinert/ Shiells (1992) hingegen kommt unter Berücksichtigung von nichttarifären Handelsbarrieren zu deutlich höheren Wohlfahrtsgewinnen für die Teilnehmerländer des NAFTA als in ihren Alternativrechnungen nur mit Zollabbau (vgl. Tabelle 8 dieser Arbeit). Wie verschiedene Modellergebnisse bezüglich des NAFTA zeigen, ergeben sich höhere Wohlfahrtsgewinne, wenn man von einer Zunahme der Direktinvestitionen ausgeht. Nach Markusen/ Melvin lassen sich vier Wohlfahrtseffekte eines zunehmenden Kapitalzuflußes aus dem Ausland unterscheiden: 26 1. ein inframarginaler Gewinn, 2. ein Differentialgewinn, 3. ein terms of irade-Effekt und 4. ein volume of trade-Effekt. Sie lassen sich graphisch wie folgt darstellen: L

a

l

b

b S

c Κ

\ W G P

K





K + K*

Κ

Abb. 1 : Inframarginaler Gewinn

24

Vgl. Stokes (1989), S. 228.

25

Zitiert nach Little ( 1988), S. 19, Fußnote 20.

26

Vgl. Markusen/Melvin

( 1988), S. 285 ff.

e

c

• Κ

Κ + Κ*

Abb. 2: Differentialgewinn

Κ

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen Ex"

Ρ

161

D

Po P.

Im'

Im'

Abb. 3: terms of trade-Effekt

Im' 0

Im',

Im'

Abb. 4: volume of trade-Effekt

In den Abbildungen 1 und 2 ist die Wertgrenzproduktkurve des Kapitals WGP K abgetragen. Die Kapitalrendite r 0 im Inland liegt zunächst oberhalb der Welt-Kapitalrendite r r Dies führt zu einem Kapitalzufluß_aus dem Ausland in Höhe von Κ * , so daß sich der inländische Kapitalstock Κ auf Κ + Κ * erhöht. Damit sinkt die inländische Kapitalrendite auf r r Die Produktion mit dem ausländischen Kapital steigert das inländische Einkommen um acde (Abbildung 1), wovon dem ausländischen Kapital bei Grenzproduktivitätsentlohnung bcde zufließen. Es verbleibt demnach ein Dreieck abe als zusätzliches Faktoreinkommen des Inlandes. Man spricht hier von einem inframarginalen Gewinn, da die Gewinne, die dem Inland zufließen, nicht aus der marginalen, sondern aus jeder inframarginalen (dazwischen liegenden) Einheit stammen. Ein inframarginaler Gewinn entsteht nur dann nicht, wenn der Kapitalzufluß keinen Einfluß auf den Preis des Faktors Kapital besitzt, d. h. die Wertgrenzproduktkurve horizontal verläuft. Wird nun zusätzlich das dem Ausland zufließende Einkommen des Faktors Kapital besteuert (Abbildung 2), so daß die Nettorendite r 2 beträgt, kommt ein Teil des ausländischen Faktoreinkommens - und zwar bcde - dem Inland in Form erhöhter Steuereinnahmen zugute. Dieser Gewinn wird als Differentialgewinn bezeichnet, da er sich aus der Differenz dessen ergibt, was dem ausländischen Kapital als Faktoreinkommen bei Grenzproduktivitätsentlohnung zusteht und was es nach Abzug der Steuer tatsächlich erhält. Bei der Besteuerung ist selbstverständlich zu berücksichtigen, daß der inframarginale Gewinn abe kleiner ausfällt, wenn die Nettorendite des ausländischen Kapitals sinkt, da weniger ausländisches Kapital attrahiert wird. Der Differentialgewinn ist gleich null, wenn keine Besteuerung des ausländischen Faktoreinkommens erfolgt.

11 Helstelä

162

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

Der terms of trade- und der volume of trade-Effekt in Abbildungen 3 und 4 lassen sich bestimmen aufgrund der Verschiebung der Importnachfragekurven des Inlandes von Im' 0 nach Im' v Eine hohe Kapitalrendite und damit eine hohe Grenzproduktivität des Kapitals sind ein Hinweis auf eine im Inland herrschende relative Kapitalknappheit. Da dem Heckscher-Ohlin-Theorem zufolge diejenigen Güter importiert werden, die in der Produktion den relativ knappen Faktor intensiv nutzen, kann gefolgert werden, daß das ausländische Kapital in die importkonkurrierenden Industrien fließen wird. Aufgrund der steigenden Gesamtfaktorproduktivität kommt es hier zu Kostensenkungen, die letztlich zu einer relativen Preissenkung gegenüber Importgütern führen. Sinkende Preise der Importkonkurrenzgüter führen dazu, daß die Konsumenten weniger Importgüter nachfragen; die Importnachfragekurve verschiebt sich nach links/ unten. Um den terms of trade-Effekt hervorzuheben, soll in Abbildung 3 davon ausgegangen werden, daß das ausländische Exportangebot Ex a vollkommen unelastisch ist. Ein Rückgang der inländischen Importnachfrage führt zu einem sinkenden Importgüterpreis von p0 auf /?„ was eine Verbesserung der terms of trade darstellt. Der Wohlfahrtsgewinn ergibt sich aus 'Preissenkung mal Importmenge ' und entspricht somit der Fläche abcd. Dieser terms of trade-Effekt wäre bei vollkommen elastischem Exportangebot gleich null. Um den volume of trade-Effekt besser veranschaulichen zu können, soll das Exportangebot des Auslandes in Abbildung 4 als vollkommen elastisch postuliert werden. Neben der Verschiebung der Importnachfragekurve des Inlandes ist hier angenommen, daß im Inland ein Zoll ζ auf die Importgüter erhoben wird, die zum Weltmarktpreis pa angeboten werden, so daß für den Inlandspreis gilt: ρ - p a · (1 +z). Der Rückgang in der Importnachfrage führt zu einem Wohlfahrtsverlust in Höhe der schraffierten Fläche abcd, da Importgüter durch nach wie vor teurere inländische Produkte substituiert werden. Zwar sinkt der Preis für inländische Importkonkurrenzgüter, er liegt jedoch weiterhin über dem Weltmarktpreis. Lediglich der Zollschutz macht die inländischen Produkte wettbewerbsfähig. Der Wohlfahrtsverlust wird gemessen an den entgangenen Zolleinnahmen infolge der reduzierten Importmenge. Der volume of tradeEffekt tritt jedoch nur auf, wenn ein Importzoll erhoben wird. Bei einer Elastizität des ausländischen Exportangebots größer null und kleiner unendlich sind sowohl ein volume of trade- als auch ein terms of trade-Effekt zu berücksichtigen, die in entgegengesetzte Richtungen wirken. Dieser Analyse liegt - wie auch den CGE-Modellen - die Annahme zugrunde, der Zufluß von Auslandskapital sei eine Funktion der Profitrate r des Kapitals. Da sich die Erwartungen an einen Zufluß ausländischen Kapitals sowohl im CUFTA als auch im NAFTA im wesentlichen auf Direktinvestitionen konzentrierten, ist es sehr fragwürdig, daß von einer neoklassischen Investitionsfunk-

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

163

tion ausgegangen wird. 27 Diese wurde entwickelt im Hinblick auf Portfolioinvestitionen, die in erster Linie auf Zinsdifferenzen bzw. unterschiedliche (risikoadjustierte) Kapitalerträge in verschiedenen Ländern zurückzuführen sind. Bei Direktinvestitionen hingegen dürften andere Ursachen im Vordergrund stehen (siehe Kapitel D.III.2 und D.III.3). Zwar orientiert sich auch die Investitionsentscheidung bei Direktinvestitionen an der Rentabilität und somit gewissermaßen auch an einer 4Profitrate des Kapitals'. In bezug auf Direktinvestitionen wird diese jedoch nicht durch die Knappheit des Kapitals bestimmt. Vielmehr muß das spezielle Entscheidungskalkül von multinationalen Unternehmen berücksichtigt werden, die die Direktinvestitionen durchführen. Dieses soll später ausführlich betrachtet werden. 28 CGE-Modelle sind außerdem bislang nicht in der Lage, die Auswirkungen der regionalen Liberalisierung auf die Erwartungen der Investoren zu modellieren und somit die resultierenden Investitionsströme endogen zu bestimmen.29 Im Rahmen dieser Arbeit ist jedoch mehrfach gezeigt worden, daß sowohl das CUFTA als auch das NAFTA versuchen, Unsicherheit bei Investoren durch verschiedene Investitionsregelungen abzubauen. Damit wirken sie sich unmittelbar auf die Erwartungen der Investoren aus. Nicht erfaßt werden ferner Effizienzgewinne, die sich aus einer Abschaffung von bestimmten Leistungsanforderungen an ausländische Investoren ergeben. Amerikanische Unternehmen, die zuvor in Kanada oder Mexiko investieren wollten, mußten teilweise u. a. local content-Vorschriften oder Auflagen bezüglich des Exportes erfüllen, die zu Ineffizienzen führen, da sie die Möglich27

Vgl. Koechlin (1993b), S. 65. Auch Erdilek (1990), S. 82, weist auf die Schwäche der CGE-Modelle hin, nicht zwischen Portfolio- und Direktinvestitionen zu unterscheiden. 28 Harris (1984), S. 1030, hat schon früh daraufhingewiesen, daß es notwendig wäre, multinationale Unternehmen und Direktinvestitionen in die CGE-Modelle adäquat einzubinden. Dies stellt bislang ein nichtgelöstes Problem dar. Da in dieser Arbeit der Lobbyismus von multinationalen Unternehmen als wesentlicher Erklärungsansatz für das Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes betrachtet wird, bleibt die Analyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf Partialmodelle beschränkt, die erklären sollen, warum multinationale Unternehmen ein Interesse an einem Risikominderungskontrakt haben. Dabei wird zwar das Investitionskalkül der Unternehmen - insbesondere unter Berücksichtigung von Unsicherheit - näher untersucht, eine Überführung in eine Totalanalyse liegt jedoch außerhalb der Zielsetzung dieser Arbeit. 29

Vgl. Francois/ Shiells (1994), S. 6. Diese Kritik schließt das Modell von Young/ Romero (1992) mit ein. Ähnlich auch Dungan u. a. (1991), S. 417. Little (1988), S. 13, hat kritisiert, daß die CUFTA-Modellrechnungen die verringerte Unsicherheit bei Investitionen nicht berücksichtigen.

11*

164

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

keit zur vollständigen Nutzung der komparativen Vorteile des jeweiligen Standortes einschränken. Auch die Notwendigkeit, vor Ort Forschung und Entwicklung durchzuführen, obwohl dies effizienter zentral bei der Muttergesellschaft geschehen könnte, wäre eine weitere effizienzmindernde Leistungsanforderung. Die Reduktion solcher 'versteckter' Kosten der kanadischen administrative protection und der mexikanischen Kontrolle über Auslandsinvestitionen wird in den Modellrechnungen ignoriert. Somit stellt sich heraus, daß die vorliegenden CGE-Modelle insbesondere Defizite bei der Erfassung von Verhaltensänderungen ausländischer Investoren aufweisen, die aufgrund spezieller Investitionsregelungen in den beiden nordamerikanischen Freihandelsabkommen zu erwarten sind. Damit wird jedoch eine wichtige Quelle von Wohlfahrtseffekten - die in den Modellrechnungen zum NAFTA als recht hoch ausgewiesen werden - einer realitätsnahen Analyse entzogen. Da es sich bei den beiden Freihandelsabkommen offensichtlich um Risikominderungskontrakte handelt, ist das wesentliche Manko jedoch darin zu sehen, daß sie den Aspekt des sicheren Marktzugangs außer acht lassen.30 Ex ante-Modelle berechnen Wohlfahrtsveränderungen gegenüber einem Referenzszenario, in dem die zu beurteilende wirtschaftspolitische Maßnahme unterbleibt. In praktisch allen Modellen wird als Referenzszenario die Status quo-Situation betrachtet. Dies berücksichtigt jedoch nicht, daß das eigentlich relevante Szenario die Gefahr eines zunehmenden US-Protektionismus berücksichtigen müßte. Wie ausführlich gezeigt wurde, ist der Aspekt des sicheren Marktzugangs sowohl für Kanada als auch für Mexiko von großer Bedeutung gewesen. Auch aus der Sicht der USA gab es Risikominderungsinteressen. Wenn man davon ausgeht, daß sich Politiker für einen Risikominderungskontrakt entscheiden, weil dies die Expertise von Ökonomen über die daraus resultierenden Wohlfahrtswirkungen empfiehlt, können sie sich nicht auf die bisher angesprochenen Modelle stützen, da die Risikominderung gar nicht Gegenstand der Modellrechnungen war. Sie können lediglich (unter Berücksichtigung der aufgezeigten Ungenauigkeiten) tendenziell ersehen, in welchem Umfang Gewinne aus der Liberalisierung zu erwarten sind.

30

Dies wurde in ähnlicher Form auch schon von anderen Autoren festgestellt, siehe z. B. Whalley (1987), S. 211, Easton (1989), S. 70 f., Stokes (1989), S. 226, und Coughlin (1990), S. 57.

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

165

2. Erklärbarkeit des Zustandekommens einer regionalen Liberalisierung trotz negativer Wohlfahrtseffekte eines Freihandelsabkommens a) Vorbemerkungen Bisweilen ist auf kanadischer und mexikanischer Seite von Gegnern der Freihandelsabkommen eingewendet worden, die Ergebnisse der Modellrechnungen ließen nur geringfügige Wohlfahrtsgewinne oder gar Wohlfahrtsverluste erwarten. Berücksichtigt man insbesondere, daß in den Ex ante-Modellen keine Anpassungskosten ermittelt werden, sind Zweifel an der Begründbarkeit der regionalen Liberalisierung in Nordamerika auf der Grundlage von Modellrechnungen durchaus nachvollziehbar. Dem läßt sich entgegenhalten, daß es sich nicht in erster Linie um Liberalisierungsabkommen, sondern um Risikominderungskontrakte handelt, so daß insgesamt größere Gewinne zu erwarten sind, als unter alleiniger Berücksichtigung der Freihandelsgewinne (oder -Verluste), die in den meisten Ex a«te-Modellen errechnet wurden. Soll nun die Entscheidung der Politik zugunsten eines Abkommens unter der Zielsetzung der Wohlfahrtsmaximierung gefällt werden, muß eine genauere Vorstellung darüber herrschen, welches Gewicht einem Protektionismusszenario im Vergleich zum Status quo-Szenario zukommt, d. h. es muß eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Szenarios getroffen werden. Je geringer die Relevanz, d. h. Wahrscheinlichkeit, eines Protektionismusszenarios, um so geringer ist der Wert eines Risikominderungskontraktes (et vice versa). Die zukünftige US-Handelspolitik ist jedoch den sich bedroht fühlenden Kanadiern (und Mexikanern) im voraus nicht bekannt. Anhand einer spieltheoretischen Analyse soll untersucht werden, ob und unter welchen Bedingungen mit dem Zustandekommen eines Freihandelsabkommens zu rechnen ist, wenn die regionale Liberalisierung (ohne Risikominderung) einen Wohlfahrtsverlust für dasjenige Land erwarten läßt, das einen sicheren Zugang zum Haupthandelspartner sucht. Es wird - entgegen der Mehrzahl von Modellergebnissen - angenommen, daß Kanada eine Wohlfahrtsminderung erleidet, wenn der bilaterale Handel mit den USA liberalisiert wird. Dies ist immerhin das Ergebnis der Modellrechnungen von Brown/ Stern (1987) und Wigle (1988), in denen negative terms of trade-Effekte alle wohlfahrtssteigernden Auswirkungen der Liberalisierung überlagern. Diese Annahme dient dazu, die Betrachtung auf den Wert der Risikominderung zu konzentrieren. Werden Wohlfahrtssteigerungen aus der Liberalisierung auch für Kanada erwartet, 31 ist um so eher mit dem Zustande-

Diese Ansicht wird vom Verfasser geteilt.

166

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

kommen eines Freihandelsabkommens zu rechnen, das auch risikomindernde Regelungen beinhaltet. Betrachtet wird ein nicht-kooperatives Spiel, bei dem Kanada zwischen den Handlungsalternativen CUFTA abschließen und kein CUFTA abschließen, die USA zwischen sicheren Zugang gewähren und sicheren Zugang nicht gewähren wählen können. In diesem Zusammenhang bedeutet CUFTA abschließen lediglich Liberalisierung des bilateralen Handels. Unabhängig davon, ob ein Freihandelsabkommen abgeschlossen wird, kann es jedoch durch vermehrte Nutzung des diskretionären Spielraums der US-Handelsbehörden im Bereich von contingent protection-Maßnahmen zu einer Zunahme des US-Protektionismus kommen. 32 Soll dies verhindert werden, müssen die USA Kanada einen sicheren Zugang gewähren. Insofern sind die Strategien nicht identisch, d. h. CUFTA abschließen ist nicht mit sicheren Zugang gewähren gleichzusetzen. Unter der Annahme, daß die USA einem CUFTA in jedem Fall zustimmen werden, weil dies wohlfahrtssteigernd ist, und Kanada wiederum von einem sicheren Zugang zum US-Markt profitiert, kann auf eine Betrachtung 'symmetrischer' Strategien verzichtet werden. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die USA ein Interesse daran haben könnten, auch dann einen sicheren Zugang zu gewähren, wenn kein CUFTA zustande kommt. Zunächst ist festzustellen, daß der US-Präsident weder bei Antidumpingnoch bei Ausgleichszollverfahren einen direkten Einfluß hat. Eine Korrektur der 'technischen Entscheidung' der International Trade Commission (ITC) und des Department of Commerce (DOC) aus politischen Überlegungen heraus ist hier nicht möglich. 33 Den maßgeblichen Einfluß übt vielmehr der US-Kongreß aus. Baldwin und Moore kommen aufgrund einer ausfuhrlicheren Analyse zu dem Ergebnis: „Congress can largely shape [antidumping and countervailing duty determinations] through legislation and various pressures on the DOC and the ITC." 34 Der US-Kongreß wird i. d. R. als protektionistisch eingeschätzt, wähFerner konnte an anderer Stelle gezeigt werden, daß das CUFTA in den Bereichen Dienstleistungen und Investitionen im wesentlichen als Stillhalteabkommen zu charakterisieren ist. Ohne explizite Regelung dieser Bereiche würde auch hier zukünftig - trotz eines Freihandelsabkommens - die Möglichkeit bestehen, Beschränkungen der außenwirtschaftlichen Beziehungen vorzunehmen. Die Argumentation soll jedoch der Einfachheit halber im folgenden auf die Zunahme von contingent protection-M&ßmhmen beschränkt bleiben. 33

Vgl. Rugman (1989b), S. 110 ff. Zur Erinnerung: Die International Trade Commission prüft, ob eine Schädigung einer amerikanischen Branche vorliegt und spricht eine Empfehlung über Maßnahmen aus, die International Trade Administration im Department of Commerce legt die Höhe der Antidumping- bzw. Ausgleichszölle fest. 34 Baldwin/ Moore (1991), S. 256.

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

167

rend fur die US-Präsidenten eher gilt, daß diese eine freihändlerische (liberale) Position beziehen.35 Rugman/ Verbeke 36 unterscheiden bezüglich der US-Handelspolitik die Instrumente political track (gegenüber der Wählerschaft verantwortliche Politik) und technical track (politisch nicht verantwortliche Bürokratie) auf der einen Seite sowie Effizienzziele und Verteilungsziele auf der anderen Seite. Während in den USA vielfach argumentiert wird, die US-contingent protection könne gerade aufgrund der Tatsache, daß der hierfür zuständige technical track unabhängig von politischem Druck sei, eine ausschließlich effizienzorientierte Handelspolitik gewährleisten, zeigt es sich, daß de facto das Gegenteil der Fall ist. Den Protektionismus suchenden US-Unternehmen ist es gerade durch den fehlenden Einfluß des Präsidenten auf den technical track möglich, ihre eigenen Verteilungsziele zu Lasten von allgemeinen Effizienzzielen durchzusetzen. Als Begründung wird angeführt, daß die Bürokratie ebenso anfällig ist für die Bedienung von Lobbyismusinteressen, da es sich hierbei um ihre 'Klientel' handelt. Dies ist erst recht zu erwarten, wenn die Bürokratie als eine Art 'Blitzableiter' des political track fungiert, mit dem sich die Politik dem permanenten Druck von Interessengruppen zu entziehen versucht. Somit wird die Lobbyismusaktivität lediglich verlagert. Rugman/ Verbeke kommen zu dem Ergebnis, daß die bisherige Praxis der US-contingent protection auch nicht im Interesse der USA sei, da sie politisch unerwünschte Ergebnisse (Verfolgung von Verteilungs- statt von Effizienzzielen) zur Folge hat. Sie schlußfolgern: policy-improving measures should be taken if firms (...) generate high unintended policy outputs through influencing the activities of the technical track." Aufgrund dieser Ausführungen könnte das Gewähren eines sicheren Zugangs auch als Handlungsalternative für den Fall in Betracht gezogen werden, daß ein CUFTA nicht zustande kommt. 38 Zweifelsohne kann die Betonung von Effizienz· gegenüber Verteilungszielen in diesem Zusammenhang als wohlfahrtssteigernde Maßnahme angesehen werden. Nichtsdestotrotz ist für eine realitätsnahe Analyse der Handlungsalternativen davon auszugehen, daß den Wohlfahrtsgewinnen in Form gesteigerter Effizienz hohe politische Kosten gegenüberstehen, will man den Einfluß des (zunehmend protektionistischen) US-Kongresses auf die US-contingent protection vermindern bzw. den Einfluß des Prä-

35

Vgl. ζ. B. Rotstein (1985), S. 3, und Baldwin/ Moore (1991), S. 253 f.

36

Vgl. Rugman/ Verbeke ( 1990), S. 20 ff.

37

Dieselben, S. 24.

38

Dies kann beispielsweise durch Einführung eines Vetorechts des Präsidenten geschehen.

3?

168

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

sidenten erhöhen. 39 Insofern ist das Gewähren eines sicheren Zugangs (sowohl im Zusammenhang mit dem CUFTA als auch in einem Alleingang) zwar unter Wohlfahrtsaspekten auch aus Sicht der USA zu begrüßen. Für die zu analysierende Spielsituation ist aber davon auszugehen, daß die hiermit verbundenen Auszahlungen aus Sicht der amerikanischen Regierung negativ sind, weil politisch gegenüber dem US-Kongreß kaum durchsetzbar.

b) Darstellung der Spielsituation in der Normalform Wie bereits festgestellt wurde, ist zwischen einem Status quo-Szenario (kein zunehmender Protektionismus von seiten der USA) und einem Protektionismusszenario zu unterscheiden. Für beide Szenarien lassen sich die Wohlfahrtseffekte in einer Auszahlungsmatrix darstellen. Die Auszahlungen an Kanada werden durch die erste Zahl, die Auszahlungen an die USA durch die zweite Zahl wiedergegeben. Die Auszahlung wird anhand eines Wohlfahrtsmaßstabes (ζ. B. der äquivalenten Einkommensvariation) gemessen und mit eah(a = kanadische Handlungsalternative; b = amerikanische Handlungsalternative; a, b = 1, 2) bezeichnet.40 Darüber hinaus wird in Klammern das Vorzeichen von eah angegeben und im Anschluß eine plausible Rangfolge der Ergebnisse dargestellt. Mit esah werden die Auszahlungen im Status quo-Szenario, mit e a h die Auszahlungen im Protektionismusszenario gekennzeichnet. Es wird angenommen, daß Kanada aus der regionalen Liberalisierung Wohlfahrtsverluste erleidet.

39

In diesem Zusammenhang stellte Senator Lloyd Bentsen im Jahr 1989 fest: „Not even the President has the authority to overrule that technical finding [von ITC und DOC; Anm. d. Verf.], and that is the way we want to keep it Zitiert nach Baldwin/ Moore (1991), S. 256. 40

Damit die politischen Kosten der Gewährung eines sicheren Zugangs in einen Wohlfahrtsmaßstab wie die äquivalente Einkommensvariation umgerechnet werden können, ist von der Annahme auszugehen, daß sich die Effizienzsteigerung in diesem Bereich nur durch wohlfahrtsmindernde Zugeständnisse an den Kongreß erkaufen läßt, wobei insgesamt ein Wohlfahrtsverlust resultiert.

I. Wohlfahrtsmaximierung auf der Grundlage von Ex ante-Modellen

169

Tabelle 9 Auszahlungsmatrix im Status quo- und Protektionismusszenario

USA:

USA:

sicheren Zugang

sicheren Zugang nicht

nicht gewähren kein CUFTA (0, 0)

(e

s

12,

e

s

gewähren

12 )

(+) R

Kanada: CUFTA

gewähren

(e s 21 ,e s 21 ) (-) (+)

Für die USA gilt:

(-)(-)

Kanada:

(es22, es22) CUFTA

P

(+)(-)

(eP2l, eP21) (eP22, e P J (-) (+)

H (+)

< e n
0 und q"(F(K)) > 0. Mit anderen Worten: In der Produktion von Ζ wird ein Engpaßfaktor eingesetzt. Diese Annahme führt zu gleichen Ergebnissen wie F"(K) < 0, einer üblichen Annahme in Außenhandelsmodellen mit einem Zwischenprodukt. 223 Unter Umständen erhöhen sich die Produktionskosten im Gastland um die Inputsteuer si s. Es existieren Standortvorteile, d. h. r r i* r

222

Von positiven Skalenerträgen als Erklärung für ein MNU wird somit abgesehen. Bei Vorliegen von positiven Skalenerträgen würde es zu einer vollständigen Spezialisierung an einem Standort kommen, es sei denn, man berücksichtigt - wie bei der proximity-concentration-Hypothese - mit zunehmender Distanz steigende Transportkosten (siehe auch Hirsch (1976), S. 259). Aus Vereinfachungsgründen soll hierauf verzichtet werden. Auch eine explizite Berücksichtigung von multiplant economies (siehe auch hier Kapitel D.III.2) ist nicht zweckmäßig, da die hierfür relevanten Fixkosten eines firmenspezifischen Zwischenproduktes (ζ. B. Forschungsergebnisse) unabhängig davon anfallen, welche Internationalisierungsstrategie gewählt wird. Sie sind zwar für die Existenz von MNU von Bedeutung, weil sie eine explizite Form der Modellierung firmenspezifischer Vorteile darstellen. Für die hier betrachtete Wahl des Standortes sind sie jedoch nicht entscheidungsrelevant, weil die bei der Produktion des Firmenwissens anfallenden Fixkosten versunkene Kosten darstellen und die Grenzkosten der Nutzung (annähernd) null sind. 223 Vgl. Das (1983), S. 421. Da das Zwischenprodukt separat betrachtet werden soll, können die Berechnungen durch die Annahme F"(K) = 0 vereinfacht werden. Für F"(K,) = 0 und q"(F(K)) = 0 ergibt sich keine eindeutige Lösung des Maximierungsproblems: Die (noch zu entwickelnden) Q^Q^- und Ayf 2-Kurven haben in diesem Fall die gleiche Steigung, siehe mathematischer Anhang A.2.

1*

260

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

Beim Export von Q ^ und Ζ fallen ferner konstante Transportkosten in Höhe von t n bzw. t z an. Für den Fall der contingent protection erhöhen sich die Exportkosten um den Antidumping- und/ oder Ausgleichszoll zAD bzw. zAZ. Die Unternehmensleitung wird - wie in vergleichbaren Modellen üblich - als risikoavers unterstellt. Ihr Ziel ist es, den Erwartungsnutzen des Gewinnes EU (π) zu maximieren, wobei EU' > 0 und EU"< 0. Es wird sich zwar zeigen, daß die Annahme der Risikoaversion keineswegs notwendig ist, damit ein Risikominderungskontrakt für M N U von Interesse ist. Auch bei risikoneutralen Entscheidungsträgern ist eine Risikominderung vorteilhaft, da dies die erwarteten Kosten senkt und somit den erwarteten Gewinn erhöht. Dennoch soll von einer risikoaversen Unternehmensleitung ausgegangen werden, da die Risikominderung - wie zu zeigen sein wird - einen zusätzlichen Nutzen stiftet und somit das Interesse an einem Risikominderungskontrakt höher ist als bei Annahme von Risikoneutralität. Betrachtet wird die Nutzenmaximierung der Entscheidungsträger, d. h. der Unternehmensleitung. Zwar können auch die Kapitalgeber als risikoaverse Wirtschaftssubjekte ein Interesse an der Risikominderung haben. Dieses dürfte aber vergleichsweise geringer sein, da sie in größerem Maß in der Lage sind, das politische Risiko durch Diversifikation ihres Portfolios zu reduzieren als das Management. Die Unternehmensleitung kann zwar auch in gewissem Umfang Geschäftsaktivitäten diversifizieren. Ihr persönlicher Nutzen kann aber letztlich durch Lobbyismus zugunsten eines Risikominderungskontraktes mehr gesteigert werden als der Nutzen der Aktionäre.

bb) Das Modell Anhand des nachfolgenden Modells soll die Auswirkung der Unsicherheit bezüglich der Einführung von zAD, zAZ und sIS einzeln und in ihrer gemeinsamen Wirkung auf die Standortentscheidung (die Höhe von K x und KJ sowie die Höhe des Handelsumfangs Q ^ untersucht werden. Unter den dargestellten Modellannahmen wählt das M N U diejenige Kombination von K v ^ u n d Q^ die den Erwartungsnutzen des globalen Gewinnes von Mutter- und Tochtergesellschaft maximiert. Dabei wird vereinfachend ein perfekter Kapitalmarkt angenommen, d. h. die Kapitalrestriktion K> K x + K 2 ist nicht bindend. Die Zielfunktion lautet: Max EU(n) =

EU(n i+n 2)

mit: π( = Gewinn im Landj und EU' (π)

2

>0,EU"(n) 0), nicht aber die steigenden Grenzkosten der Produktion im Gastland ein, siehe ebenda, Gleichung 3.A.

264

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

Abb. 7: Optimale Standort- und Handelsentscheidung Damit lassen sich die optimale Standortwahl und der optimale Handelsumfang graphisch simultan bestimmen. Im folgenden ist zu analysieren, wie sich die Einführung des politischen Risikos auf die Standort- und Exportentscheidung auswirkt. Die weitere Vorgehensweise besteht darin, zunächst die möglichen Staatseingriffe einzeln zu betrachten, um dann abschließend die Auswirkungen ihres gleichzeitigen Vorliegens beurteilen zu können. Unsicherheit über die Einführung von Leistungsanforderungen im Gastland modelliert als Inputsteuer - führt zu folgender Zielfunktion: Max EU(n) =Rl(F(K l) - Qa) + R2(F(O +Qex)

- q (F(K,)) - q (.F(K 2,)) -t z'a'

"V*.

F(K 2)

-t^'Q.

Die 1. Ableitungen unterscheiden sich von den Bedingungen 1. Ordnung bei einer Entscheidungssituation ohne Unsicherheit nur für Gleichung (8). Es gilt nun: ÔEU(n) !dK=

EU' (π) · {(R 2\F(K 2) + 0 ^ ) ' F(K 2) - [P IS · (r 2 + ^ ) + (1 - P B ) · r 2] - q\F(K 2)) · F(K 2) - t z · α · F(K 2)} = 0.

(8')

Gleichung (8') bestimmt die X 2 ^ 2 / s -Kurve in Abbildung 8, deren Steigung dQzx /dK 2 sich durch vollständiges Differenzieren bestimmen läßt. Sie ist identisch mit der Steigung der X 2 A^-Kurve in Abbildung 7, und zwar unabhängig

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter

265

von der Risikoeinstellung der Entscheidungsträger. 232 Die mögliche Einführung einer Inputsteuer auf das Auslandskapital des M N U führt zu einer Erhöhung der (erwarteten) Produktionskosten im Gastland in Relation zu den Produktionskosten des Stammlandes. Da die Wahrscheinlichkeit der Einführung der Inputsteuer nicht vom Umfang des vom M N U im Ausland eingesetzten Kapitals abhängt, ergibt sich, daß der damit verbundene Kostennachteil der Auslandsproduktion für jede Einheit des eingesetzten Kapitals gleich hoch ist. Ist aber der Anreiz zur Substitution von Auslandsproduktion durch Produktion im Stammland für jede Kapitaleinheit K 2 gleich groß, müssen sich die Steigungen der X 2 X 2- und X 2X2-Kurve entsprechen. Da die Kurven vereinfacht linear dargestellt werden, sind in Abbildung 8 die X 2 X 2 - und X 2 A^-Kurve mit identischer Steigung einzuzeichnen. Die Risikoeinstellung ist allerdings nicht bedeutungslos. Bedingung (8') läßt sich auch schreiben als EU '(π) · [(R 2'(F(K

2)

+ Qn) · F\K 2) - ξ- q\F(K 2)) · F\K 2) - t z · α · F'(K 2)]

+ Cov [U '(π), (R 2'(F(K

2)

+ Qa) · F\K 2) - r 2 - q\F{K 2)) · F\K 2) - t z· α · F\K 2)] = 0,

wobei r 2 die erwarteten Produktionskosten im Gastland angibt. Betrachtet wird zunächst der Fall der Risikoaversion. Der Kovarianz-Term ist hier negativ: Durch die Einführung einer Inputsteuer vermindert sich der Grenzgewinn. Gleichzeitig steigt der Grenznutzen, da EU" (π) < 0 ist. Bedingung (8') ist demnach für risikoaverse Entscheidungsträger nur erfüllt, wenn der erste Summand positiv ist. Der erste Summand bzw. der Grenzgewinn einer zusätzlichen Einheit K 2 ist nur für Kombinationen von Q^ und K 2 links von der X 2X 2Kurve positiv. Damit muß die X l 2X 2 -Kurve links von der A ^ - K u r v e liegen. Im Fall der Risikoneutralität ist der Kovarianz-Term hingegen gleich null, da der Grenznutzen U'(n) für EU" (π) '= 0 konstant ist, d. h. er verändert sich weder durch eine Verminderung, noch durch eine Erhöhung des Grenzgewinnes. Damit Bedingung (8') erfüllt ist, muß kein positiver Grenzgewinn realisiert werden. Dennoch liegt die X 2SX 2S-Kurve auch hier links von der J^A^-Kurve: Weil die (erwarteten) Grenzkosten von K 2 in Gleichung (8') höher sind als die Grenzkosten in Gleichung (8), ist die Bedingung Wertgrenzprodukt = Grenzkosten bei gegebenem Q^ für geringeres K 2 erfüllt. Dies gilt aber auch im Fall der Risikoaversion, d. h. die Linksverschiebung der X 2 X 2 -Kurve muß für EU" (π) < 0 größer ausfallen als bei EU" (π) = 0.

232

Zur formalen Herleitung siehe mathematischer Anhang A.3.

266

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

Da sich an den übrigen Kurven nichts verändert hat, kann ein Vergleich der optimalen Standortwahl und des optimalen Handelsumfanges mit und ohne politisches Risiko der Einfuhrung von Leistungsanforderungen anhand von Abbildung 8 durchgeführt werden.

Abb. 8: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung von Leistungsanforderungen bei Direktinvestitionen

Ergebnis 1: Besteht Unsicherheit allein über die mögliche Einführung von Leistungsanforderungen, so vermindert sich erwartungsgemäß die Produktionsaktivität im Gastland gegenüber einer Situation ohne politisches Risiko. Die Produktion im Stammland und der Handelsumfang nehmen zu. Die größere Verschiebung der X 2X 2-Kurve im Fall der Risikoaversion gegenüber dem Fall der Risikoneutralität bestätigt die ökonomische Intuition, daß risikoaverse Entscheidungsträger einen zusätzlichen Anreiz besitzen, dem Risiko auszuweichen, soweit dies möglich ist. Aber auch risikoneutrale Entscheidungsträger haben einen Anreiz, auf den Kostennachteil der Auslandsproduktion durch Produktionsverlagerung zu reagieren. Steigende Grenzkosten der Produktion im Stammland begrenzen die Ausweichreaktion. Als nächstes wird der Fall betrachtet, daß Unsicherheit über die Einführung eines Antidumpingszolls auf das Exportgut Q ^ besteht. Die Wahrscheinlichkeit seiner Einführung (P A D ) ist eine steigende Funktion der Exportmenge, mit P AD' > 0 und P An" > 0. Die Zielfunktion lautet:

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter

267

Max EU(n) = R, (.F(K,) - Qa) + R2 (F(K 2) + Qa) - r, · tf, - r, · Ä, -q(F(KÌ)-q{F{K

2))-t z'*'F(KÌ

- {Ρ AO (QEX) · ('„+ *«>)

+

[1 -PAO (ß«)l ' (εχ} ' QI

Die 1. Ableitungen unterscheiden sich von den Bedingungen 1. Ordnung bei einer Entscheidungssituation ohne Unsicherheit nur für Gleichung (9). Es gilt: d EU (π) ldQ a

= EU '(π) · {(-1 ) · Rx \F(K

- Ρ*>'(

QEX

)' ^ '

QEX

'

X

P*>

) - ß „ ) + R2\F(K 2 ) + QEX) (QEX

)' ^ "

} =0.

(9 ')

Die Steigung der -Kurve ergibt sich durch vollständiges Differenzieren von Gleichung (9'). Geht man vom Schnittpunkt der Q ^ Q ^ - K u r v e mit der K 2 Achse aus und vermindert sukzessive die Auslandsproduktion, so steigt mit zunehmender Exportmenge auch die Wahrscheinlichkeit eines Antidumpingzolls. Da der Nettogrenzerlös im Gastland zunehmend stärker sinkt, je mehr importiert wird, bleibt Bedingung (9') nur dann erhalten, wenn die Produktion im Gastland in immer geringerem Maß durch Produktion im Stammland substituiert wird. Geht man auch hier von linearen Kurven aus, so verläuft die QEX° QEX° -Kurve flacher als die Q ^ Q ^ -Kurve. 233 Dieses Ergebnis ist unabhängig vom Größenverhältnis der Grenzerlöse in beiden Ländern. Bedingung (9') läßt sich alternativ auch schreiben als EU '(π) · {(-1) · RX\F(K

X

) - ß „ ) + R2\F(K 2) + Qa ) - ^ - t

+ Cov [U '(π), (-1) · RX\F(K X)- Q^) + R2'(F(K

B

2) + Qa)

} ]=0,

wobei zAD den erwarteten Antidumpingzoll im Gastland angibt. Für risikoaverse Entscheidungsträger verschiebt sich somit die Q ^ Q j J 0 Kurve außerdem nach links, da der Kovarianz-Term negativ ist (siehe hierzu die Ausführungen zur möglichen Einführung von Leistungsanforderungen). Ergebnis 2: Besteht Unsicherheit über die mögliche Einführung eines Antidumpingzolls auf Exportgut Q ^ so erhöht sich die Produktionsaktivität im Gastland gegenüber einer Situation ohne politisches Risiko. Die Produktion im Stammland und der Handelsumfang nehmen ab. Diese Reaktion fällt vergleichsweise stärker aus, wenn das M N U berücksichtigt, daß es über den Ex23

Zur formalen Herleitung siehe mathematischer Anhang A . .

268

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

portumfang die Wahrscheinlichkeit eines Antidumpingzolls beeinflußt (Drehung der QEXQEX-Kurve). Analog zur Argumentation im Zusammenhang mit der Unsicherheit über die Einführung von Leistungsanforderungen ist festzustellen, daß bei Risikoaversion ein zusätzlicher Anreiz zur Produktionsverlagerung besteht, da dies das Risiko vermindert.

Abb. 9:

Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung eines Antidumpingzolls auf das Exportgut

Zu betrachten ist weiterhin der Fall, daß allein Unsicherheit über die Einführung eines Ausgleichszolls auf das Zwischenprodukt besteht. Dabei werden sowohl das Zwischenprodukt Z 2 , welches bei der Produktion im Gastland benötigt wird, als auch das Exportgut Q ^ , das ein subventioniertes Zwischengut Z ^ enthält, mit einem Ausgleichszoll belastet. Die Wahrscheinlichkeit seiner Einführung (P A Z ) ist eine steigende Funktion der im Gastland angebotenen Menge des Endproduktes (Q 2 = F(K 2) + QM\ mit P AZ > 0 und P AZ' > 0. Die Zielfunktion lautet demnach: Max EU(n) -RI(F(K

I

)-QEX)



2

W)+ß

ö

) - r, · K,-r 2·

K 2- q (F(K

- q (F(K 2)) - {P az(Q 2) · (t z+ ζ ΛΖ) + [1 - P A2(Q 2)] 't z}' - PazÌQI) ' ζΛΖ' „z (F(K 2 )+ß^) · z Ä · α - / „ } = 0 . (9")

Gleichung ( 8 " ) bestimmt die X 2Z A^-Kurve, Gleichung ( 9 " ) ergibt die ΩκχΑΖQEX 2-Kurve in Abbildung 9. Ihre Steigung wird durch vollständiges Differenzieren dieser Gleichungen bestimmt. Es läßt sich zeigen, daß die X 2AZX 2AZ Kurve flacher verläuft als die A ^ - K u r v e . Die Steigung der -Kurve in Relation zur ß ^ ß ^ - K u r v e ist abhängig vom Verhältnis der Grenzerlöse in beiden Ländern. 234 Die Drehung beider Kurven resultiert aus dem Zusammenhang der Angebotsmenge des M N U im Gastland mit der Eintrittswahrscheinlichkeit der Einführung eines Ausgleichszolls (P AZ(F(K 2) + ß ^ ) > 0). Je größer die Angebotsmenge ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Handelsbehörden des anderen Landes eine Schädigung ihrer importkonkurrierenden Industrie durch die vermeintliche Subventionierung des Zwischenprodukts feststellen können. Daß die X 2Z X 2Z -Kurve flacher verläuft als die A ^ - K u r v e , läßt sich leicht veranschaulichen, wenn man von der gewinnmaximierenden Kombination von K 2 und QJX ausgeht, bei der Q^ gleich null ist (d. h. dem Schnittpunkt der X 2X 2 Kurve mit der K 2 Achse). Reduziert man den Kapitaleinsatz im Ausland, so steigt zunächst der Grenzerlös R2'(F(K 2) + Q^) und die Grenzkosten q'(F(K 2)) sinken. Damit Bedingung ( 8 " ) erhalten bleibt, muß β ^ importiert werden. Jede Einheit zusätzliches β ^ senkt den Grenzerlös in gleichem Maß wie jede im Ausland weniger produzierte Einheit X 2 = F(K 2) ihn erhöht. Wegen der sinkenden Grenzkosten muß aber jede Einheit X 2 durch mehr als eine Einheit Q^ ersetzt werden, damit der Grenzgewinn null wird. Deshalb muß nach Bedingung ( 8 " ) das Gesamtangebot des M N U im Gastland steigen, wenn die Auslandsproduktion reduziert wird. Dies aber hat zur Folge, daß die Wahrscheinlichkeit eines Ausgleichszolls zunimmt. Der erwartete Ausgleichszoll steigt. Damit vermindert sich die zusätzliche Menge an ß ^ , die importiert werden muß, um die

23

iehe mathematischer Anhang A . .

270

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

sinkenden Grenzkosten zu kompensieren. Da der erwartete Ausgleichszoll mit sinkendem K 2 überproportional steigt (P ÀZ "(F(K ^ + Q^) > 0), die Produktionskosten aber immer weniger sinken (q"(F(K 2) > 0), müßte die Steigung der X 2ZX 2Z-Kurve in Richtung Q^-Achse immer mehr abnehmen. Der Einfachheit halber soll aber nach wie vor von linearen Kurven ausgegangen werden. Die X 2ZX 2Z -Kurve verläuft flacher als die A ^ - K u r v e . Die Steigung der -Kurve in Relation zur Q ^ Q ^ - K u r v e kann nicht eindeutig bestimmt werden. Sie kann sowohl steiler als auch flacher verlaufen als die Q^QEX -Kurve. Aus Bedingung ( 9 " ) folgt: Wird β ^ um eine Einheit reduziert, muß F(KJ und damit K 2 um so mehr (weniger) zunehmen, je stärker (weniger) der Grenzerlös im Stammland im Vergleich zum Nettogrenzerlös im Gastland sinkt. Damit verläuft die ß ^ ß ^ - K u r v e flacher, wenn Ä , " betragsmäßig groß ist in Relation zu R2" und vice versa. Bei flacher ß ^ ß ^ - K u r v e nimmt das Gesamtangebot im Gastland mit sinkendem β ^ zu, da jede Einheit von β ^ durch mehr als eine Einheit X 2 substituiert werden muß. Damit steigt der erwartete Ausgleichszoll, d. h. die ß ^ ß ^ - K u r v e krümmt sich zunehmend in Richtung ^-Achse. Bei Darstellung mit linearen Kurven dreht sie sich im Uhrzeigersinn und verläuft somit steiler als die β ^ Q ^ -Kurve (Abbildung 9). Zu erklären ist, warum die QmQex-Kurve sich im Fall des Ausgleichszolls mit dem Uhrzeigersinn, im Fall des Antidumpingzolls aber gegen den Uhrzeigersinn dreht. Dies ergibt sich, da die Wahrscheinlichkeit P AZ vom Gesamtangebot des M N U im Gastland F(K 2) + ß ^ abhängt, wohingegen die Wahrscheinlichkeit P AD nur durch die Exportmenge β ^ beeinflußt wird. Daraus folgt: Während bei einer flachen ß ^ ß ^ - K u r v e P AZ zunimmt, wenn Q^ durch X 2 substitutiert wird, sinkt P AD. Demzufolge ergeben sich entgegengesetzte Drehungen. Ist hingegen Rbetragsmäßig klein in Relation zu R2\ so sind die Drehungen gleichgerichtet. In diesem Fall ist die ß ^ ß ^ - K u r v e steiler, die Q ^ z Q ^ z Kurve flacher. A u f die graphische Darstellung dieser Konstellation wird verzichtet, da zur Begründung des Dumpingvorwurfs angenommen wurde, daß die Preiselastizität der Nachfrage im Gastland höher ist. Dies hat zur Folge, daß unter den gegebenen Modellannahmen I groß ist in Relation zu \R2" |. Formal läßt sich weiterhin zeigen, daß der Rückgang des Handelsumfangs aufgrund der X 2Z X 2Z -Kurve bezogen auf das ursprüngliche Gewinnmaximum stets größer ausfällt als der Rückgang in Folge der Q & z Q ^ 2 - K u r v e . M i t anderen Worten: d ß ^ / dz AZ ist - bezogen auf den Schnittpunkt der X 2X 2 und ß ^ ß ^ Kurven - stets größer aufgrund der Bedingung ( 8 " ) als aufgrund der Bedingung ( 9 " ) (siehe mathematischer Anhang A.5). Damit ist gewährleistet, daß es im Gastland stets zu einem Produktionsrückgang kommt. Dies ist von Bedeutung, da sich auch hier die X 2Z X 2Z - und Q^ z Q^ z -Kurven analog zur bisherigen Argumentation im Fall der Risikoaversion weiter nach links verschieben.

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter QEX

QEX

271

T

Κ QEX . QEX"

•EXopt

Ί opt

Abb. 10: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei Unsicherheit über die Einführung eines Ausgleichszolls auf das subventionierte Zwischenprodukt (für groß in Relation zu | Ä 2 " I ) Ergebnis 3: Besteht Unsicherheit über die mögliche Einführung eines Ausgleichszolls auf ein subventioniertes Zwischenprodukt, das mit gleichem Anteil α in die Produktion des Exportgutes Q ^ im Stammland und in die Produktion des Endproduktes im Gastland eingeht, und ist die Wahrscheinlichkeit seiner Einführung positiv abhängig von der im Gastland insgesamt angebotenen Menge des Endproduktes, so vermindert sich der Handelsumfang und die Produktionsaktivität in beiden Ländern gegenüber einer Situation ohne politisches Risiko. Es ergibt sich, daß Unsicherheit über die Einführung eines Ausgleichszolls auf das Zwischenprodukt nicht durch Produktionsverlagerung vermindert werden kann. Interessanterweise hat diese Form der Unsicherheit somit die gleichen Auswirkungen wie Nachfrageunsicherheit bezüglich eines Exportgutes. 235 Es konnte demnach gezeigt werden, daß die Einführung des politischen Risikos von Leistungsanforderungen, Ausgleichs- oder Antidumpingzöllen durch das Gastland (mit einer Ausnahme) stets eine Linksverschiebung oder -drehung der X 2 X 2~ und/ oder der Q^ Q^ -Kurven zur Folge hatte. Lediglich bei der QEX 2 QEX Z -Kurve konnte für im Verhältnis zu \R2"\ großem eine Drehung im Uhrzeigersinn beobachtet werden. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse kann nun die gleichzeitige Betrachtung der drei möglichen Staatseingriffe anhand einer graphischen Analyse durchgeführt werden.

235

Wie Das (1983) gezeigt hat, führt Nachfrageunsicherheit bezüglich eines Exportgutes zu einer verminderten Produktionsaktivität in beiden Ländern.

272

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

Führt man die einzelnen Risiken schrittweise ein, so ergibt sich folgendes Bild: Unsicherheit über die Einfuhrung von Leistungsanforderungen führt zu einer Linksverschiebung der A ^ - K u r v e . Sie verschiebt sich weiter nach links, wenn von Risikoaversion ausgegangen wird. Außerdem dreht sie sich gegen den Uhrzeigersinn, wenn auf das subventionierte Zwischenprodukt möglicherweise ein Ausgleichszoll eingeführt wird. Insgesamt resultiert daraus eine X 2PRX 2PR -Kurve (wobei P R für das politische Risiko steht). Auch das Exportgut ist vom Ausgleichszoll betroffen. Soll gleichzeitig ein Dumpingvorwurf konstruierbar sein, ist von einer höheren Nachfrageelastizität im Gastland auszugehen. Dann ergibt sich eine Drehung von Q ^ Q ^ im Uhrzeigersinn. Die Q ^ Q ^ Kurve dreht sich wiederum entgegengesetzt, wenn Unsicherheit über die Einführung eines Antidumpingzolls berücksichtigt wird. In bezug auf die QEX* QEX* -Kurve kann bei Vorliegen beider Risiken vereinfachend von einer Linksverschiebung ausgegangen werden 236 , die sich weiter verstärkt, wenn Risikoaversion gegeben ist.

Abb. 11 : Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht kanadischer MNU)

236

Aufgrund der Unsicherheit über den Antidumpingzoll krümmt sich die Q^ Q^ Kurve am linken Ende in Richtung J^-Achse, im Fall des Ausgleichszolls hingegen am rechten Ende. Da es von den konkreten Nachfrage- und Kostenverhältnissen abhängt, wo der ursprüngliche Schnittpunkt der Q ^ Q ^ - und A^-Kurve liegt, wird dieses Ergebnis bei linearer Darstellung am besten durch eine zumindest geringfügige Linksverschiebung der Q j R Q j R -Kurve erfaßt.

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter

273

Ergebnis 4: Das Investitionsrisiko, modelliert als Inputsteuer, stellt ein Kostenrisiko der Produktion im Gastland dar. Das politische Risiko der Einführung eines Antidumpingzolls ist ein Kostenrisiko der Produktion im Stammland. Das Risiko der Einführung eines Ausgleichszolls auf ein Zwischenprodukt wirkt sich wie ein Nachfragerisiko aus, d. h. das Risiko und seine negativen Konsequenzen auf den erwarteten Gewinn lassen sich durch Substitution der Produktion im einen Land durch erhöhte Produktion im anderen Land nicht vermindern. Wie aus Abbildung 11 ersichtlich wird, wirken die einzelnen Risiken zusammengenommen ebenfalls wie ein Nachfragerisiko (es sei denn, die jeweiligen Risiken erhalten stark unterschiedliche Gewichte durch die ihnen zugeordneten Wahrscheinlichkeiten): Im Ergebnis reduziert sich die Produktion und das Angebot in beiden Ländern. Das Wissen des M N U um seinen Einfluß auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von Antidumping- und Ausgleichszoll (hier modelliert als endogene Wahrscheinlichkeiten) führt zu einer größeren Zurückhaltung bei der Marktpräsenz im Auslandsmarkt. Da die Wahrscheinlichkeit der Leistungsanforderungen exogen bestimmt ist und somit hier keine analog erhöhte Anpassungsreaktion erfolgt, ist mit einem gewissen Bias zugunsten der Auslandsproduktion bei der Tochtergesellschaft zu rechnen. Die beschriebenen Reaktionen des M N U sind zwar, gegeben die jeweiligen Risiken, nutzenmaximierend. Das politische Risiko wird dadurch jedoch nur eingeschränkt vermindert. Ist es hingegen möglich, diese Risiken durch einen Risikominderungskontrakt weiter zu verringern, kann die Unternehmensleitung einen höheren erwarteten Gewinn und bei Risikoaversion darüber hinaus eine zusätzliche Nutzensteigerung erzielen. Die bisherige Betrachtung gilt für kanadische MNU, die sich einem politischen Risiko allein im Gastland gegenübersehen. In Kapitel D.III.5 wird gezeigt, daß amerikanische M N U ein gleichgerichtetes Interesse am sicheren Zugang zum US-Markt haben, da ihre kanadischen Tochterunternehmen in hohem Maß in die USA exportieren. Damit sehen sie sich einem politischen Risiko im Stammland ausgesetzt. Unsicherheit über die Einführung von Leistungsanforderungen besteht hingegen für die Produktion im Gastland. Die optimale Standortund Handelsentscheidung der amerikanischen M N U läßt sich anhand der Abbildungen 12a und 12b analysieren. Im Gegensatz zur Darstellung in Abbildung 11 ist Land 1 das Gastland, Land 2 das Stammland. Es werden Exporte des Endproduktes nur aus dem Gastland ins Stammland betrachtet. Da von Seiten amerikanischer M N U keine Sorge über zunehmende contingent protection in Kanada geäußert wurde, ergibt sich unter Beibehaltung der Annahme, das Zwischenprodukt werde allein im Stammland hergestellt, daß das politische Risiko der Einführung eines Ausgleichszolls auf das Zwischenprodukt entfällt. Die Ergebnisse hierfür sind in Abbildung 12a

18 Helstelä

274

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

abgebildet. Die X{ S X{ S -Kurve liegt - analog zur Argumentation fur die X 2 X 2 Kurve - links von der X iX l-Kurve. Es ist im Stammland nur die potentielle Einfuhrung eines Antidumpingzolls auf das Exportgut Q ^ zu berücksichtigen.

Abb. 12a: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht amerikanischer MNU; das Zwischenprodukt wird in Land 2 hergestellt)

Ergebnis 5a: Fällt das politische Risiko der Einfuhrung eines Ausgleichszolls auf das Zwischenprodukt weg, da Ζ in Land 2 hergestellt wird (Abbildung 12a), fuhren die verbleibenden politischen Risiken zu einer verminderten Produktionstätigkeit in Land 1 (hier: Kanada) und einer erhöhten Produktion in Land 2 (hier: USA). Der Handelsumfang des Endproduktes sinkt. Das politische Risiko kann allerdings durch Produktionsverlagerung vermindert werden. Es wird jedoch ein geringerer Gewinn realisiert als bei Abwesenheit des politischen Risikos, da das politische Risiko zu einer Verzerrung der Faktorpreise (erhöht um die erwartete Inputsteuer) und Güterpreise (erhöht um den erwarteten Antidumpingzoll) führt. Ergebnis 5b: Wird das Zwischenprodukt hingegen in Land 1 hergestellt (Abbildung 12b), geht die Produktion in beiden Ländern zurück und der Handelsumfang sinkt. Bei gleichzeitigem Vorliegen wirken die politischen Risiken wie ein Nachfragerisiko, das durch Standortverlagerung nicht reduziert werden kann.

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter QEX

275

QEX

EXopt

Ί opt

'2 opt

Abb. 12b: Optimale Standort- und Handelsentscheidung bei gleichzeitigem Vorliegen verschiedener politischer Risiken (aus der Sicht amerikanischer MNU; das Zwischenprodukt wird in Land 1 hergestellt) Unabhängig davon, in welchem Land das Zwischenprodukt hergestellt wird, ergibt sich, daß sowohl der erwartete Gewinn als auch der Nutzenerwartungswert, der sich aus dem erwarteten Gewinn ergibt, höher sind, wenn die politischen Risiken durch einen Risikominderungskontrakt reduziert werden. Damit kann auch für amerikanische Unternehmen, deren Tochterunternehmen aus Kanada in die USA exportieren, gezeigt werden, daß sie ein Interesse haben, sich für einen Risikominderungskontrakt einzusetzen.

d) Internationalisierungsstrategien

bei Unsicherheit

aa) Konkurrierende Internationalisierungsstrategien bei Sicherheit M N U verfügen über drei verschiedene Möglichkeiten, einen Auslandsmarkt zu bedienen: 1. durch Export der im Stammland erstellten Güter, 2. durch Eigenproduktion im Gastland und 3. durch Lizenzvergabe, d. h. die entgeltliche Übertragung von Produktions- und Vermarktungsrechten an ein Fremdunternehmen im Gastland. Dies sind konkurrierende Internationalisierungsstrategien. Erste Ansätze, die das Zustandekommen von Direktinvestitionen durch die Bestimmungsgründe konkurrierender Internationalisierungsstrategien erklären, stammen von Hirsch (1976) und Dunning (1977). Wurde das Zustandekommen von Direktinvestitionen in früheren Ansätzen unabhängig von diesen Bestimmungsgründen zu erklären versucht, handelt es sich mittlerweile um eine weit-

1*

276

D. Zustandekommen eines Risikominderungskontraktes

gehend akzeptierte Erkenntnis, daß es auf die relative Vorteilhaftigkeit der verschiedenen Internationalisierungsstrategien ankommt, wenn ein M N U darüber entscheidet, mittels welcher der drei Strategien es den Auslandsmarkt gewinnmaximierend bearbeiten kann. 237 Ausgehend von Dunning's eklektischem Ansatz wird die Berücksichtigung der relativen Vorteilhaftigkeit differierender Internationalisierungsstrategien von Stehn (1989) weitergeführt und verfeinert. Nach Dunning (1977) kommen Direktinvestitionen zustande, wenn zugleich ein firmenspezifischer Vorteil, ein Internalisierungsvorteil und ein Standortvorteil gegeben sind. 238 Sind nur die beiden erstgenannten vorhanden, wird das Unternehmen Exporten den Vorzug geben; besteht nur ein firmenspezifischer Vorteil, ist die Lizenzvergabe am günstigsten. Auf dieser Grundlage stellt Stehn verfeinerte Kriterien auf, wann die jeweilige Internationalisierungsstrategie bevorzugt wird. Im Gegensatz zu Dunning vertritt er allerdings die Ansicht, daß firmenspezifische Wettbewerbsvorteile zwar die Gründung ausländischer Tochterunternehmen fördern können, jedoch keine notwendige Bedingung für internationale Direktinvestitionen darstellen. 239 Bei seiner Analyse werden folgende Einflußfaktoren betrachtet: 240 • Firmenspezifische Wettbewerbsvorteile (FWV): Der Besitz von Rechten an intangiblen Gütern, insbesondere Wissensgütern, verschafft dem Unternehmen einen vorübergehenden Vorteil gegenüber der ausländischen und inländischen Konkurrenz. • Externalisierungskosten (KE): Wie in Kapitel D.III.2 ausgeführt, sind mit der Lizenzvergabe häufig hohe Transaktionskosten verbunden, da Wissensgüter Gegenstand der Lizenzierung sind. Man kann in diesem Zusammenhang auch von Kosten der Externalisierung sprechen. Nach Stehn handelt es sich hierbei um Kosten des internationalen Handels mit Rechten am geistigen Eigentum, deren Entstehung durch Ineffizienzen der nationalen und internationalen Patentsysteme begründet ist. • Ausländische Standortvorteile (St): Neben den üblichen Standortvorteilen der klassischen und neoklassischen Handelstheorie, die auf der Austattung eines Landes mit natürlichen Ressourcen und Produktionsfaktoren beruhen, werden durch diese Größe auch Transportkosten und die Auswirkungen verschiedenster wirtschaftspolitischer Maßnahmen erfaßt (wie ζ. B. institutionelle Regelungen, 237

Vgl. Stehn (1989), S. 1 f. Für eine kritische Analyse traditioneller Ansätze zur Erklärung von Direktinvestitionen siehe Stehn (1990). 238 Siehe auch Kapitel D.III.2. 239 240

Vgl. Stehn (1989), S. 13. Vgl. derselbe, S. 16.

III. Multinationale Unternehmen als Befürworter

277

Ausgestaltung des Steuersystems, Regulierungsdichte etc.). Es handelt sich um eine Nettogröße, da die 'ursprünglichen' Standortnachteile des Hymer-Kindleberger-Approach 241 hiervon abzuziehen sind. Da es möglich ist, daß sich auch ein Netto-Standortnachteil einstellt, soll zwischen Standortvorteilen (St) und Standortnachteilen bzw. Kosten eines Standortes (KSt) unterschieden werden. Zwei spezielle (außen)wirtschaftspolitische Maßnahmen werden aus der Betrachtung von St bzw. KSt herausgenommen: Es handelt sich hier zum einen um die Handelsprotektion, die dem exportierenden Unternehmen Kosten der ausländischen Handelsschranken (KH) aufbürdet. Zum anderen werden Inputbestimmungen 1* 2 eingeführt, die die Kosten der Produktion im Gastland erhöhen (KI). Überblick über die anschließend verwendeten Abkürzungen: FWV= firmenspezifische Wettbewerbsvorteile KE = Externalisierungskosten KH = Kosten der ausländischen Handelsschranken KI = Kosten der Inputbestimmungen KSt = Kosten des ausländischen Standortes/ Standortnachteile St = Ausländische Standortvorteile Nach Stehn lassen sich daraus folgende Determinanten für die drei Internationalisierungsstrategien herleiten: 243 Jeweils notwendige und insgesamt hinreichende Bedingungen für eine eindeutige Entscheidung zugunsten von Direktinvestitionen sind: (a)

St

>

KI,

(b)

KI




KE,

(0

KI

>

KE,

0)

KSt + KE