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German Pages 260 [268] Year 2012
Rahel Schomaker, Christian Müller und Andreas Knorr (Hg.) Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme
Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft
Herausgegeben von Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr. Prof. Dr.
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Thomas Apolte, Münster Martin Leschke, Bayreuth Albrecht F. Michler, Düsseldorf Christian Müller, Münster Stefan Voigt, Hamburg Dirk Wentzel, Pforzheim
Redaktion:
Dr. Hannelore Hamel
Band 95:
Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme
Lucius & Lucius • Stuttgart - 2 0 1 2
Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme
Herausgegeben von
Rahel Schomaker, Christian Müller und Andreas Knorr
Mit Beiträgen von Dietrich von Delhaes-Günther, Barbara Dietz, Lars P. Feld, Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff, Peter Hertner, Ina Holznagel, Stefan Luft, Nils Otter, Heiko Peters, Friedrich Schneider, Benjamin Weigert und Dirk Wentzel.
©
Lucius & Lucius • Stuttgart -2012
Anschriften der Herausgeber: Dr. Rahel Schomaker Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Freiherr-vom-Stein-Str. 2 67346 Speyer [email protected]
Prof. Dr. Christian Müller Westfäl.Wilhelms-Universität Münster Centrum für Interdisziplinäre Wirtschaftsforschung (CfW) Scharnhorststr. 100 48151 Münster [email protected]
Prof. Dr. Andreas Knorr DHV Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Freiherr-vom-Stein-Str. 2 67346 Speyer knorr@ shv-speyer.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. (Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft; Bd. 95) ISBN 978-3-8282-0562-8
© Lucius & Lucius Verlags-GmbH • Stuttgart - 2 0 1 2 Gerokstraße 51 • D-70184 Stuttgart Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Isabelle Devaux, Stuttgart Druck und Einband: R O S C H - B U C H Druckerei GmbH, 96110 Scheßlitz Printed in Germany
ISBN 978-3-8282-0562-8 ISSN 1432-9220
Vorwort „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall". Dieser Satz, frei nach dem Grimmschen Märchen der „Bremer Stadtmusikanten", kann als die Begründung für Migration schlechthin angesehen werden. Indes gibt es eine Vielzahl verschiedener Gründe, aus denen Menschen wandern: die Suche nach Arbeit, wirtschaftliche Probleme, private Gründe ebenso wie die Flucht vor Verfolgung und Krieg, Umweltkatastrophen oder die Suche nach persönlichen Chancen. Wanderungsbewegungen von Individuen wie auch größeren Bevölkerungsgruppen sind in diesem Sinne keinesfalls ein neues Phänomen, sowohl im Sinne von Binnenwanderungen innerhalb von Staaten als auch über Staatsgrenzen hinweg. Dies gilt nicht nur für Deutschland und Europa, sondern für nahezu alle Staaten und Regionen weltweit. Deutschland selbst war über lange Zeit sowohl Herkunfts- als auch Aufnahmeland für Migranten - beginnend mit den Völkerwanderungen bis hin zur Arbeitsmigration im 20. Jahrhundert. Entsprechend hat auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Themenkomplex eine relativ lange Tradition; schon mit Beginn der großen Überseewanderungen aus Europa in die Vereinigten Staaten versuchte Ravenstein im vorletzten Jahrhundert, Wanderungsbewegungen summarisch zu erklären. Heute liefern die vorliegenden Migrationstheorien eine Reihe von (formalen) Konzeptionen, um Wanderungsbewegungen zu erklären, dazu gehören Modelle, die Migration auf der Aggregatebene zu erklären suchen (Makro-, Distanz- und Gravitationsmodelle) sowie theoretische Konzepte, die auf die Mikroebene abstellen (Individualisierte Sogtheorie, Humankapitalmodell, Werterwartungsmodell). Dennoch fehlt bislang eine umfassende Theorie zur Erklärung von Wanderungsbewegungen. Die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, darunter auch die Ökonomie, die eine Reihe von theoretischen Ansätzen zur Erklärung von Migration beiträgt (Neoklassische Migrationstheorie, Theorie des dualen Arbeitsmarktes, Neue Migrationsökonomie), tun sich schwer mit der Entwicklung einer integrierten Migrationstheorie, die sowohl Makro- als auch Mikroebene umfasst. Noch schwieriger gestaltet sich die jüngere Diskussion um die Integration der Zugewanderten in das Aufnahmeland. Gängige Integrationstheorien wie etwa der race relation cycle oder das Assimilationsmodell erklären Integrationsprozesse bislang nur lückenhaft und erlauben kaum konkrete Implikationen für die praktische Politik. Während seit den 1950er Jahren verstärkt Menschen aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland migrieren und damit seinen Status als informelles Zuwanderungsland' längst zementiert haben, sieht sich Deutschland offiziell noch immer nicht als Einwanderungsland. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache: Knapp 20 Prozent der heute in Deutschland lebenden Menschen haben einen sog. .Migrationshintergrund', d.h., sie oder ihre Vorfahren sind nicht deutscher Herkunft. Diese Personengruppe bekommt rund ein Drittel aller Kinder, die aktuell in Deutschland geboren werden - und bildet damit absehbar keine Minderheit in Deutschland mehr. Insbesondere viele Kinder verfügen über die deutsche Staatsbürgerschaft und stehen damit in allen Rechten und Pflichten deutscher Staatsbürger. Mehr noch: Aufgrund der demographischen Entwicklung könnte es schon bald gesellschaftlich notwendig werden, dass weitere (qualifizierte) Arbeitskräfte zuwandern. Wie der aktuelle Status quo zeigt, z.B. ablesbar aus den Ergebnissen der PISA-Studie, ist nach wie vor eine große Gruppe insbesondere türkischstämmiger Migranten von Bildungsbeteiligung und gesellschaftlicher Teilhabe in hohem Maße ausgeschlossen. Lösungsansätze -
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Vorwort
wie etwa im Nationalen Integrationsplan von Bund, Ländern und Kommunen sowie zivilgesellschaftlicher Gruppen gefordert und angestoßen - gehen leicht unter in einer oft stark emotionalisierten öffentlichen Diskussion, die rasch dazu neigt, Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit, Ausbeutung des Sozialstaates, mangelnder Bildung und Kriminalität zu sehen. Der vorliegende Band versucht daher eine sachliche Annäherung an die Phänomene von Migration und Integration mit einem grundlegend interdisziplinären Ansatz. Der erste Teil beleuchtet das Phänomen aus der Sicht von Geschichtswissenschaft und (nicht nur) ökonomischer Theorie. Determinanten und Konsequenzen früherer und aktueller Migrationsströme stehen dabei genauso im Mittelpunkt wie die Wahrnehmung solcher Phänomene durch die mediale Öffentlichkeit. Im zweiten Teil unterziehen die Autoren Integrationsprozesse jenseits gängiger Skandalisierungsmuster einer eingehenden Analyse aus politikwissenschaftlicher, rechtlicher wie ökonomischer Perspektive. Im Mittelpunkt von Teil III schließlich stehen mit Arbeitsmarkt, der Schattenwirtschaft und dem Bildungssektor zentrale Schlüsselfelder der Migrations- und der Integrationspolitik. Die Beiträge dieses Bandes gehen aus dem 44. Forschungsseminar Radein hervor, das im Februar 2011 im „Zirmerhof' im Südtiroler Berdorf Radein stattfand. Für ihre Unterstützung in vielfacher Weise danken die Herausgeber den Herren Prof. Dr. Alfred Schüller von der Marburger Gesellschaftfiir Ordnungsfragen der Wirtschaft e.V. sowie Prof. Dr. Dirk Wentzel und Prof. Dr. Jörg Thieme. Frau Dr. Hannelore Hamel danken wir herzlich für die gewohnt gewissenhafte Endredaktion des Buches. Unser Dank gilt darüber hinaus Frau Ilse Steiger vom Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere nationale wie internationale Wirtschaftspolitik, der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer sowie dem Team der studentischen Mitarbeiter/innen des Instituts für Ökonomische Bildung der Universität Münster - Sonja Rinne, Lisa Schlesewsky, Fabian Schleithoff und Mark Uttendorf - für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Fertigstellung des Buchmanuskripts. Besonders danken die Herausgeber der Fazit Stiftung, Frankfurt, sowie der KonradHenkel-Stiftung, Düsseldorf, ohne deren großzügige finanzielle Förderung die Tagung und die Publikation ihrer Ergebnisse nicht möglich gewesen wären.
Speyer und Münster, im Januar 2012 Rahe! Schomaker, Christian Müller und Andreas Knorr
Inhalt
Teil I: Migration und Migrationspolitik Peter Hertner Wanderungsbewegungen in Europa in historischer Perspektive
3
Barbara Dietz Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland: Wanderungsdynamik, Integrationsmuster und politische Implikationen
23
Dietrich von Delhaes-Günther Theoriebildung in der ökonomischen Migrationsforschung
43
Nils Otter Determinanten und Auswirkungen der Migration auf Herkunfts- und Zielländer....
69
Dirk Wentzel Die Wahrnehmung und Darstellung von Migration in den Medien
99
Teil II: Integration und Integrationspolitik Stefan Luft Jenseits Multikulti und Skandalisierung - Einflussfaktoren und Mechanismen von Integrationsprozessen
123
Ina Holznagel Migrantenkriminalität als gesellschaftliches und kriminologisches Problem
143
Justus Haucap und Ulrich Heimeshoff Sind Moscheen in Deutschland NIMB Y-Güter?
163
VIII
Teil III: Schlüsselfelder der Migrations- und Integrationspolitik Heiko Peters und Benjamin Weigert Arbeitsmarkteffekte von Einwanderern in Deutschland: Literaturüberblick über Theorie und Empirie
187
Friedrich Schneider und Lars Feld The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries: What do we (not) know?
207
Stefan Luft Die Integration von Zuwanderern in das deutsche Bildungswesen Probleme, Ursachen, Perspektiven
237
Die Autorinnen und Autoren
259
Teil I: Migration und Migrationspolitik
Rahel Schomaker, Christian Müller und Andreas Knorr (Hg.) Migration und Integration als wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungsprobleme Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft • Band 95 • Stuttgart • 2012
Wanderungsbewegungen in Europa in historischer Perspektive
Peter
Hertner
Inhalt 1. Ordnungskriterien und Strategien historischer Wanderungsforschung
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2. Ein knapper historischer Überblick
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2.1. Mittelalter und Frühneuzeit in Europa
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2.2. Das lange 19. Jahrhundert: Industrialisierung, Urbanisierung und Massenauswanderung aus Europa
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2.3. Das 20. Jahrhundert: Erzwungene und freiwillige Wanderungen in einem Europa der Katastrophen und der Integration
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3. Ein erneuter Rückgriff auf mögliche Ordnungskriterien für Migrationen
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4. Ein kurzes Fazit: Wanderungen in der Globalisierung
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Literatur
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Peter Hertner
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1.
Ordnungskriterien und Strategien historischer Wanderungsforschung
Um die verschiedenen Formen von Migrationen in historischer Perspektive einordnen zu können, um mögliche Strategien der Akteure dieser Wanderungsbewegungen herauszuarbeiten und zugleich die Ursachen und die Folgen solcher Ortsveränderungen deutlich zu machen, empfiehlt sich eine Auswahl möglicher Kriterien für eine ganz grobe Klassifizierung, wie sie in ähnlicher Form von Dirk Hoerder, Jan und Leo Lucassen (2007, S. 37) vorgeschlagen worden sind. Man könnte nach diesem Muster Wanderungen - in historischer oder aktueller Perspektive - nach den folgenden Kriterien einordnen: — Distanz: lokal - regional - national - kontinental - interkontinental; — Richtung: Hinwanderung - Wanderung in verschiedene Richtungen - Rückwanderung; — Dauer: saisonal - mehrjährig - für die Dauer eines Arbeitslebens - auf Lebenszeit; — Sozialer und ökonomischer Raum: Land —» Stadt, Land —> Land, Stadt —> Stadt; — Wirtschaftssektor: Primärer Sektor - Sekundärer Sektor - Tertiärer Sektor; — Motiv: erzwungen - freiwillig; — Information und Migration: ,offiziell' - privat. Diese Klassifizierungsangebote an die historische Forschung können dann auf der Grundlage der vorhandenen Literatur und mit Hilfe der erschlossenen Quellen zu konkreten Ergebnissen und, wenn möglich, auch zu weiterführenden Hypothesen verarbeitet werden. In der Vergangenheit ist dies beispielsweise von der älteren Schule der Migrationsforschung versucht worden mit der, auf den ersten Blick umfassenden und deshalb geradezu verführerischen, push-pull-Hypothese. Sie schien den Vorzug zu haben, dass sich praktisch alle denkbaren Fälle von Wanderungen auf diese alternativen Ansätze anwenden ließen. Dass dies am konkreten historischen Beispiel jedoch im Einzelfall kaum eindeutig nachweisbar ist, hat der bekannte britische Migrationshistoriker Dudley Baines (1991, S. 13) hervorgehoben: „[...] the majority of emigrants - i.e. those who were not escaping from pogrom or famine - would have had great difficulty in explaining whether they had been 'pushed' out of Europe or 'pulled' towards their destination." Neuere historische Untersuchungen zum Phänomen der Wanderung basieren auf Ansätzen, die man jeweils auf den Makro-, Meso- oder Mikrobereich beziehen könnte. Die folgenden Unterschiede lassen sich dabei herausarbeiten: Makrostudien stützen sich meist auf nationale oder regionale Statistiken und beginnen deshalb in der Regel erst im frühen 19. Jahrhundert, in nicht wenigen Fällen nicht vor dessen Mitte. Sie versuchen, Korrelationen zwischen ökonomischen und sozialen Größen wie Einkommen, Produktion, Verteilung und Schwankungen der Wirtschaftstätigkeit in den Ursprungs- und Zielländern herzustellen und damit die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen und Wirkungen von Wanderungen zu erklären. Damit lassen sich zweifellos Wanderungen aus bestimmten, fast ausschließlich europäischen Staaten in
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die nicht allzu zahlreichen „countries of white settlement" (USA, britische Dominions, ein Teil Lateinamerikas) erfassen, aber von einer globalen Betrachtung ist man damit noch weit entfernt. Das liegt vor allem an der unzureichenden Qualität der Statistiken in den meisten Teilen Afrikas und Asiens. Auch für Sibirien, um ein konkretes Beispiel zu nennen, scheint die Zahl der Einwanderer aus dem westlichen Russland und die der Ureinwohner im 19. Jahrhundert bis heute nicht klar zu ermitteln zu sein.1 Studien, die, wie Jeffrey G. Williamson (2009), für das ,vorstatistische Zeitalter' beispielsweise für das koloniale Lateinamerika demografische Größen schätzen und daraus dann auch noch Rückschlüsse auf die Einkommens- und Vermögensverteilung ziehen wollen, können aus diesen Gründen bestenfalls nur ganz grobe Trends ermitteln, falls sie nicht zumindest für das 16. bis 18. Jahrhundert - sogar zu ganz abenteuerlichen Ergebnissen kommen. Mesostudien stützen sich für das Mittelalter und die Frühneuzeit auf die Analyse von Migrationen innerhalb einzelner Territorien oder von Wanderungen zwischen solchen Einheiten, für das 19. und 20. Jahrhundert auf die Beschäftigung mit wirtschaftlich (zum Beispiel mit dem Ruhrgebiet) oder politisch definierten Regionen (im deutschen Fall beispielsweise mit Regierungsbezirken, Provinzen oder Bundesländern). Solche Studien sind häufig innovativ, da sie - aufgrund der relativ engen Grenzziehung - die Ursachen und Wirkungen von Migration in ihren verschiedensten Aspekten - also politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen - miteinander verbinden können. 2 Mikrostudien untersuchen schließlich das Phänomen der Wanderung im Falle von Individuen, von einzelnen Familien, Stadtvierteln oder Dörfern. Bei ihnen lässt sich in vielen Fällen eine besonders enge Verbindung zwischen Herkunftsort und Wahl des Wanderungsziels, zwischen ausgeübtem Beruf und individuellem Erfolg am Zielort, zwischen vorhandenen kulturellen Mustern und den unter Umständen völlig andersartigen Bedingungen am Zielort beziehungsweise im Zielland herausarbeiten. Für Fragen, die Öffentlichkeit und Politik in den europäischen Staaten inzwischen besonders beschäftigen, nämlich die wirtschaftlichen, die sozialen, aber auch die kulturellen Möglichkeiten der Integration der Einwanderer aus außereuropäischen Herkunftsländern seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, können Mikrostudien Bemerkenswertes leisten. Vor allem Studien dieses Typs können nachweisen, wie Integrationsbedingungen und -Verläufe sich im historischen Ablauf verändert haben und wie diese zusätzliche historische Dimensionierung eine realistische Sicht auf mögliche Integrationsverläufe begünstigt. Es braucht kaum betont zu werden, dass die Einbeziehung einer historischen Perspektive in die Migrationsforschung zusätzliches empirisches Material bereitstellt und 1
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Schätzungen gehen davon aus, dass „... zwischen 1861 und 1882 etwa 240 000 Bauern nach West- und Ost-S.[ibirien], zwischen 1883 und 1905 1,64 Mio. Bauern nach S.[ibirien], dem Fernen Osten und Mittelasien" wanderten. Für 1914 wird die Zahl der Einwohner Sibiriens auf etwa 10 Mio. Menschen, davon etwa ein Zehntel Ureinwohner, geschätzt (Torke 1985, S. 343-345, hierzu bes. S. 344). Vgl. hierzu zum Beispiel die Überlegungen von Ralf Banken in seiner groß angelegten Studie über die wirtschaftliche Entwicklung der Saarregion im „langen" 19. Jahrhundert (Banken 2000, S. 17-43).
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Peter
Hertner
den Studien aktueller Problemlagen eine chronologische Tiefendimension hinzufügt, die sich, um nur ein Beispiel zu nennen, bei Untersuchungen über Erfolge oder Misserfolge wirtschaftlicher und sozialer Integration besonders bewährt hat. Wie die historische Dimension zu einer Erweiterung des Blicks beitragen kann, soll im Folgenden durch eine komprimierte Darstellung historischer Wanderungsbewegungen illustriert werden.
2.
Ein knapper historischer Überblick
2.1. Mittelalter und Frühneuzeit in Europa Die Vorstellung, Menschen seien in größerer Zahl innerhalb Europas, nach Europa und aus Europa heraus erst im 19. und 20. Jahrhundert gewandert, lässt sich leicht widerlegen. Um es mit Lesley Page Moch (2003, S. 1) zu sagen: „Our image of a sedentary Europe [...] is seriously flawed. People were on the move ..." Sehen wir einmal von den sog. , Völkerwanderungen' in der Spätantike und noch weiter zurück liegenden Wanderungsbewegungen in Europa ab, dann bietet auch das Mittelalter bereits ausreichendes Anschauungsmaterial für Migrationen. Das aus mitteleuropäischer Sicht eindrücklichste Beispiel stellt die sog. ,Deutsche Ostsiedlung' zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert dar, an der auch Niederländer beteiligt waren. Bei einer Bevölkerungszahl des mittelalterlichen Deutschen Reiches von etwa 13 bis 15 Mio. Menschen um 1300 „ [...] waren es nicht Millionen Menschen, die aus Altdeutschland im Hochmittelalter abwanderten, sondern nur einige Hunderttausend" (Abel 1971, S. 175, 177). Dennoch veränderten diese Wanderungsbewegungen die ethnische Zusammensetzung Ostmitteleuropas für die folgenden Jahrhunderte und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs grundlegend. Die große Pestepidemie, die Mitte des 14. Jahrhunderts folgte, verringerte die europäische Bevölkerung etwa um ein Drittel. Aus etwa ebenso vielen ländlichen Siedlungen wanderten diejenigen, die den .Schwarzen Tod' überlebt hatten, ab. Eben diese Siedlungen wurden zu „Wüstungen", die dann entweder im 16. Jahrhundert wieder besiedelt wurden oder bis heute von der Oberfläche verschwunden sind und renaturiert wurden (Abel 1976, S. 98-122). Eine bereits drei bis vier Jahrhunderte vor der Ostsiedlung stattgefundene Wanderung erfolgte aus Skandinavien, als die Normannen/Wikinger Frankreich, England, Sizilien, Teile der Ukraine, Island, Grönland, ja selbst Stützpunkte an der amerikanischen Nordostküste eroberten und teilweise auch besiedelten. Bevölkerungswachstum und Klimaschwankungen dürften für diesen Exodus verantwortlich gewesen sein (Hoerder 2010, S. 27). Mit der Pestkatastrophe des 14. Jahrhunderts verbunden, weil dafür verantwortlich gemacht, war die Vertreibung des jüdischen Bevölkerungsanteils aus Süd- und Westdeutschland. Ein Großteil dieser Juden zog nach Ostmitteleuropa, wo er bis zur Katastrophe des Holocausts im Zweiten Weltkrieg ansässig blieb. Neben diesen Fernwanderungen gab es im Mittelalter und in der Frühneuzeit (16. bis 18. Jahrhundert.) auch Migrationen, die zum einen stärker individuell ausgeprägt waren und sich zum anderen auf relativ kurzer Distanz abspielten: Stärker individuell, wenn auch durch religiöse Überzeugung und/oder gesellschaftlichen Druck beeinflusst, waren in der Welt des Mittelalters Wallfahrten (Santiago de Compostela, Rom, Jerusalem). Mittelalterliche Herrscher hatten noch keine feste Residenz, sondern zogen, wie der
Wanderungsbewegungen
in Europa in historischer
Perspektive
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Kaiser des Heiligen Römischen Reichs oder die spanischen Herrscher, mit ihrem Hofstaat von Stadt zu Stadt oder von Pfalz zu Pfalz. Am anderen Ende der sozialen Skala mussten in den Bauern- und Handwerkerfamilien jüngere Geschwister, die von der Familie nicht mehr ernährt werden konnten, abwandern und sich andernorts ihre Nahrung suchen. Bei den fast regelmäßig, im Schnitt mindestens einmal in einem Jahrzehnt auftauchenden Hungerkrisen zogen noch im 16. Jahrhundert Tausende von Verarmten und Bettlern von Stadt zu Stadt und von Kloster zu Kloster, um dort zumindest vorübergehend ernährt zu werden. Durch die dort herrschenden, generell ganz unzureichenden sanitären Verhältnisse war die Sterblichkeit in den Städten des Mittelalters und der Frühneuzeit hoch. Nur eine stetige Zuwanderung junger Menschen aus der umgebenden Region konnte das langfristige Überleben städtischer Siedlungen garantieren. Auf dem Land zogen Hirten mit ihren Herden im Frühjahr von der Ebene ins Gebirge und im Herbst wieder zurück. Diese sog. ,Transhumanz' war bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in ganz Europa weit verbreitet (Braudel 1992, S. 120-144). Mit den Wanderungen des Mittelalters lassen sich durchaus die Migrationen in der Frühneuzeit vergleichen. Spektakulär, wenn auch zahlenmäßig begrenzt, waren jetzt im Zeitalter der Glaubensspaltung die Vertreibungen aus religiösen/konfessionellen Gründen: Am bekanntesten wurde wohl die Vertreibung von ungefähr 200.000-300.000 Protestanten aus dem Frankreich Ludwigs XIV. nach dem Widerruf des Edikts von Nantes im Jahr 1685. Ein Teil, etwa 30.000-40.000 dieser sog. Hugenotten, wurde auch in Deutschland aufgenommen, zum Beispiel in Hessen-Kassel und in BrandenburgPreußen. Fünf Jahrzehnte später - schon am Ende des .Konfessionellen Zeitalters' vertrieb der Salzburger Erzbischof seine rund 20.000 Protestanten, von denen nicht wenige in Ostpreußen angesiedelt wurden (Bade und Oltmer 2007, S. 143 f.). In England wurde im 17. Jahrhundert den Puritanern - auch ,Dissenters' genannt - das Leben so schwer gemacht, dass viele von ihnen sich zur Auswanderung nach Nordamerika, dem späteren New England, entschieden. In Spanien waren schon nach dem Fall von Granada im Jahr 1492 und bis weit ins folgende Jahrhundert hinein die Juden und die islamischen Araber, die sog. ,Moriscos', des Landes verwiesen worden, soweit sie nicht zum Christentum konvertierten. Es war auch kein Zufall, dass aus Mitteleuropa diejenigen, die in die nordamerikanischen Kolonien Großbritanniens emigrierten, häufig Angehörige konfessioneller Minderheiten, zum Beispiel der Mennoniten, Herrnhuter oder Quäker, waren. Wie auch schon in den Jahrhunderten zuvor kompensierten europäische Regionen, die durch Kriege oder Seuchen entvölkert waren, durch Zuwanderung ihr demographisches Defizit: So wanderten zum Beispiel nach dem Dreißigjährigen Krieg Schweizer, deren Heimat vom Krieg verschont geblieben war, nach Südwestdeutschland und ins Elsass, Niederländer nach Brandenburg ein. Nach dem Zurückdrängen des Osmanischen Reiches auf dem Balkan am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts siedelten die Habsburger Herrscher dort systematisch mitteleuropäische Bauern, vor allem aus Südwestdeutschland, der Pfalz, aus dem Elsass, aus Lothringen und aus Luxemburg, an. Die Zarin Katharina II. holte deutsche Einwanderer nach Südrussland und an die Wolga. Man wird die Zahl der Auswanderer nach Ost- und Südosteuropa zwischen etwa 1680 und 1800 auf etwa 740.000 Menschen beziffern dürfen. Dies waren
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Peter Hertner
weit mehr als die ca. 170.000 Auswanderer, die bis dahin über den Atlantik nach Nordamerika gefahren waren (Bade und Oltmer 2007, S. 147). All dies sind mehr oder weniger bekannte Geschichten, die hier nur erwähnt werden, weil sie das Bild einer, in Mitteleuropa bis ins 19. Jahrhundert hinein vorwiegend agrarisch geprägten, Gesellschaft mit hoher Sesshaftigkeit korrigieren, denn offensichtlich war diese Gesellschaft, von der etwa vier Fünftel auf dem Land angesiedelt war, daneben auch immer wieder einem beträchtlichen Wanderungsdruck ausgesetzt. Neben den erwähnten machtpolitisch-religiösen Gründen war es dann vor allem das, um die Mitte des 18. Jahrhunderts in ganz Nordwest- und Mitteleuropa einsetzende, verhältnismäßig rasche Bevölkerungswachstum, das besonders in den süddeutschen Territorien mit Realteilung die Menschen zur Auswanderung drängte.
2.2. Das lange 19. Jahrhundert: Industrialisierung, Urbanisierung und Massenauswanderung aus Europa Etwa gleichzeitig mit dem Beginn der Industrialisierung, in Großbritannien also schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, in Deutschland ab den 1840er und 1850er Jahren, in Skandinavien noch einmal zwanzig Jahre später, setzte dann die Massenauswanderung aus West- und Mitteleuropa nach Übersee ein. Bestimmend für diese transatlantische Massenbewegung des 19. Jahrhunderts „[...] war in Deutschland das Missverhältnis im Wachstum von Bevölkerung und Erwerbsangebot in der Übergangskrise von der Agrar- zur Industriegesellschaft" (Bade und Oltmer 2007, S. 148). In der zweiten Jahrhunderthälfte zog es 90 % der deutschen Auswanderer in die USA Nach Lateinamerika waren auf lange Frist - 1820-1930 - etwa 5 % der deutschen Auswanderung gerichtet (Bernecker und Fischer 1992, S. 198). Zwischen 1816 und 1914, also im sog. .langen 19. Jahrhundert', wanderten aus Deutschland etwa 5,5 Mill. Menschen in die Vereinigten Staaten aus. Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis heute waren es dann nochmals 2 Millionen. Die Wanderungsbewegung aus Deutschland im 19. Jahrhundert hatte durchaus zyklischen Charakter: Höhepunkte waren die Jahre 1846-1857, 18641873 und dann nochmals 1880-1893. Regional wechselten die Schwerpunkte von zunächst SUdwestdeutschland über West- und Nordwestdeutschland, um sich in den 1880er Jahren dann vor allem auf Nordostdeutschland zu konzentrieren (Bade und Oltmer 2007, S. 147 ff.). Für die Auswanderer aus Deutschland folgten die weiteren Ziele in Übersee, nämlich Kanada, Brasilien, Argentinien, Chile und Australien, dann in deutlichem Abstand zu den USA. Ab etwa 1893 wurde die Emigration aus Deutschland zu einem vergleichsweise schmalen Rinnsal, das rasche Inlandswachstum hatte ihre Dynamik gebrochen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs registrierte man dann eine durchschnittliche Nettoauswanderung aus Deutschland von jährlich nur noch etwa 25.000 Personen (Hoerder 2010, S. 59). Blickt man Uber Deutschland hinweg auf Gesamteuropa, so lässt sich konstatieren, dass in den hundert Jahren ab 1820 etwa 50 Mio. Europäer nach Übersee gewandert sind und dass deshalb das Attribut der Massenemigration durchaus gerechtfertigt erscheint. Vergleichbar ist dieses Phänomen nur mit der Zwangsmigration von auf etwa 8 Mio. geschätzten Schwarzafrikanern, die vom 17. bis 19. Jahrhundert nach Mittel-, Nord- und Südamerika als Sklaven transportiert wurden. Im Vergleich waren auf dem
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in Europa in historischer
Perspektive
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gesamten amerikanischen Kontinent bis 1820 nur knapp 2,5 Mio. Europäer eingewandert (Baines 1991, S. 11). Bis zur Mitte der 1870er Jahre kamen fast alle transatlantischen Auswanderer aus Nordwest- und Mitteleuropa, danach waren es vor allem Südund Osteuropäer - Italiener, Spanier, Polen, Russen, insbesondere russische Juden - , die dann besonders nach 1900 das Gros der Einwanderer in die Vereinigten Staaten stellten. In den 1880er Jahren und im letzten Jahrzehnt vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs spielten dann auf dem amerikanischen Kontinent zunehmend Kanada, Argentinien und Brasilien eine wichtige Rolle als Einwanderungsländer. Im Gegensatz zu Deutschland, dessen Auswanderung besonders auf die USA konzentriert war, wanderten die britischen Emigranten auch vergleichsweise stark in die .Dominions', die zu den sog. ,countries of white settlement' zählten, aus: Von den 5,6 Mio. Briten, die zwischen 1871 und 1913 ihre Heimat verließen, zog es zwar 53,8 % in die Vereinigten Staaten, daneben aber immerhin 25,4 % nach Kanada und 16,5 % nach Australien und Neuseeland. Die Mehrzahl der übrigen 4,3 % ging nach Südafrika (Hatton und Williamson 1994, S. 64). Um 1800 lebten lediglich 4 % Europäer außerhalb Europas und Sibiriens, 1914 waren dies immerhin 21 %, und deren Zahl war noch im Steigen begriffen (Baines 1991, S. 12). Zugleich veränderte sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts der Charakter der europäischen Auswanderung nach Übersee: Im Zeichen schnellerer und billigerer Schiffspassagen wanderten viele Immigranten nach einigen Jahren wieder in ihre Ursprungsländer zurück - in den USA waren dies zwischen 1890 und 1914 bereits 30 % der Einwanderer, in Argentinien hat man diesen Anteil für die Zeit zwischen 1857 und 1924 für die Immigration aus Italien und Spanien sogar auf 47 % der Gesamteinwanderung aus diesen beiden Ländern berechnet. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gab es unter den italienischen und spanischen Arbeitern in Argentinien eine steigende Zahl, die während des europäischen Winters zu Erntearbeiten in den Sommer der südlichen Hemisphäre reisten, um dann anschließend als golondrinas, als sog. Schwalben, zur Feldbestellung für das nächste Halbjahr wieder nach Italien oder Spanien zurückzukehren. Zugleich mit dem Charakter der Wanderungsbewegungen veränderten sich auch die Auswanderer: Waren es zunächst vor allem Familien gewesen, so wurden es jetzt zunehmend junge Männer und auch Frauen, die nun nicht mehr unbedingt hoffen konnten, sich als Siedler niederlassen zu können, sondern die als Industrie- oder auch Agrararbeiter, als Dienstboten, Handwerker, Techniker oder Kaufleute ihr Glück in der neuen Welt suchen wollten (Hatton und Williamson 1994, S. 4 ff.). Auf die Gründe für diese Massenauswanderung im langen 19. Jahrhundert soll weiter unten noch detaillierter eingegangen werden. So viel sei jetzt schon einmal gesagt: Es dürften vor allem Einkommensgesichtspunkte gewesen sein, die Europäer in Länder trieben, in denen natürliche Ressourcen in reichhaltigem Maße zur Verfügung standen, in die zunehmend europäisches Kapital floss, in denen es aber genau an dem Faktor, der in Europa im Überfluss vorhanden war, nämlich an der menschlichen Arbeit, mangelte. Folge war ein Lohnniveau in Übersee, das im Falle Argentiniens für die italienischen und spanischen Einwanderer zwischen 1890 und 1939 etwa doppelt so hoch lag wie in deren Ursprungsländern (Taylor 1992, S. 1913 f.). In den Einwanderungsländern lieferten die Immigranten beeindruckende Beiträge zum Bevölkerungswachstum: Bis 1913
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trugen sie in Argentinien 50 %, in den USA 32 % und in Australien 30 % zum demographischen Wachstum bei (Hatton und Williamson 1994, S. 18). Hätte man in den Vereinigten Staaten 1870 jede weitere Einwanderung untersagt, dann wäre dort 1910 das Lohnniveau um 24,7 % höher gewesen. Umgekehrt, bei jeglichem Verzicht auf Auswanderung, hätte das Lohnniveau in Großbritannien 1910 um 19 % tiefer gelegen, in Irland sogar um 34 % (Hatton und Williamson 1994, S. 21). Dass diese Massenauswanderung aus Europa gelingen konnte, war im Übrigen dem bekannten Umstand zu verdanken, dass die Zielländer, vor allem - soweit sie nicht wie in Mexiko oder in Peru zuvor von Hochkulturen besiedelt waren - die beiden amerikanischen Halbkontinente, Australien und Neuseeland, nicht aber Südafrika, ursprünglich eine ganz niedrige Bevölkerungsdichte aufwiesen und dass die Ureinwohner dieser Länder rücksichtslos ausgerottet oder durch eingeschleppte Krankheiten dezimiert wurden. So beeindruckend diese europäische Massenemigration auch war, sie sollte nicht den Blick dafür verdecken, dass auch innerhalb Europas im Zeichen der Industrialisierung nicht zu unterschätzende Binnenmigrationen stattfanden. Begonnen hatte dieses Phänomen zweifellos im Ursprungsland der Industriellen Revolution, in Großbritannien, wo sich die neuen Industriereviere in Lancashire, in den Midlands, um Newcastle und um Glasgow erst durch massive Zuwanderungen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickeln konnten. Ab den 1820er Jahren half die irische Einwanderung, lange vor der Great Famine in Irland selbst, dass vor allem in und um Manchester die Textilindustrie sich rasch entwickeln konnte (Pollard 1978, S. 113). In Deutschland hatte die frühe Industrialisierung zwar zunächst in Sachsen und im Rheinland Fuß gefasst, aber das beeindruckendste Beispiel für eine massive Binnenmigration lieferte doch das Ruhrgebiet, das seit den 1840er, verstärkt aber seit den 1860er Jahren zum Kern der mitteleuropäischen Schwerindustrie heranwuchs. In wenigen Jahrzehnten entwickelte sich damals die Landschaft nördlich des Ruhrflusses zur Industrieregion, dominiert von Kohlenzechen und Stahlwerken. Die Menschen, die für diese Transformation benötigt wurden, kamen in den ersten Jahrzehnten im Wesentlichen aus dem rheinischen und westfälischen Hinterland, spätestens seit dem Beginn der 1880er Jahre aber aus den preußischen Ostprovinzen. Nicht wenige von ihnen waren polnischer Abstammung (Hoerder 2002, S. 348). Nicht erst der Wegzug der bis dahin meist in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitskräfte aus Ostelbien schuf eine verstärkte Nachfrage besonders nach Saisonarbeitern in der Großlandwirtschaft Mittel- und Ostdeutschlands, er hat sie aber eindeutig verstärkt. Hinzu kam im Zeichen dynamischer Wirtschaftsentwicklung seit Mitte der 1890er Jahre eine steigende Arbeitsnachfrage in der Schwerindustrie an der Saar und im damals deutschen Teil Lothringens. In wenigen Jahren erfolgte daher, wie schon erwähnt, ein tief greifender Umschwung, der aus dem Deutschen Reich nicht mehr ein Auswanderungs-, sondern ein Einwanderungsland machte.
2.3. Das 20. Jahrhundert: Erzwungene und freiwillige Wanderungen in einem Europa der Katastrophen und der Integration Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges befanden sich im Deutschen Reich 1,2 Mio. .ausländischer Wanderarbeiter', wie sie offiziell hießen (Bade und Oltmer 2007, S. 149
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f.). In erster Linie waren dies Polen aus dem russischen Teil des früheren Polen (Kongresspolen), vor allem aber aus dem österreichischen Galizien. Auf sie war man in der preußischen Großlandwirtschaft vor allem zur Erntezeit dringend angewiesen. Zugleich gab es aber im größten deutschen Bundesstaat seit den 1880er Jahren eine eindeutig antipolnische Politik, die kulturell gegen die auf preußischem Gebiet ansässigen Polen, zugleich aber auch gegen eine dauerhafte Einwanderung von Polen aus den anderen beiden Teilungsgebieten gerichtet war. Seinen Vorstellungen versuchte der preußische Staat durch den sog. ,Legitimationszwang' - Ausweispflicht und offizielle Aufenthaltsbewilligung - einerseits, durch die Durchsetzung des .Rückkehrzwangs' in den Wintermonaten andererseits gerecht zu werden. 3 Dieses politische Motiv entfiel bei den italienischen Wanderarbeitern, die es vor allem in den Südwesten des Reiches, in die Eisen- und Stahlindustrie und ins Baugewerbe zog (Del Fabbro 1996; Cornelißen 2001). Ihre Zahl ist nicht eindeutig gesichert, dürfte sich aber auf 100.000-200.000 Personen belaufen haben (Cornelißen, 2001, S. 301). Weshalb im letzten Jahrzehnt vor Beginn des Ersten Weltkrieges die Auswanderung aus Großbritannien, ganz im Gegensatz zur Emigration aus Deutschland, sich ziemlich dynamisch weiter entwickelte, lässt sich auch heute noch nicht eindeutig beantworten. Dass die deutsche Wirtschaft in diesem Zeitabschnitt im Inland rascher wuchs als die britische - ausgehend allerdings von einem deutlich niedrigeren Niveau - , scheint nicht der ausschlaggebende Grund gewesen zu sein (Baines 1991, S. 53 f.). Im Vergleich zu Deutschland - und diese Perspektive hat Dudley Baines insgesamt kaum berücksichtigt - könnte ein möglicher Grund darin liegen, dass britische Auswanderer fast ausschließlich in Ländern landeten, die englischsprachig waren und damit eine raschere Integration versprachen, was ihnen möglicherweise die Entscheidung zur Emigration erheblich erleichtert hat. Im Übrigen war die Auswanderung in fast allen Ländern nur auf einige Regionen konzentriert, die in ihrer Bedeutung im Zeitablauf auch wechseln konnten: So war es in Italien zunächst - bis in die 1870er Jahre - der Nordwesten (Ligurien, Piemont und die Lombardei). Danach kam der Nordosten (Venetien) hinzu. Spätestens ab der Jahrhundertwende stellte dann Süditalien das Gros der Auswanderer. Im Gegensatz zum nördlichen Europa blieb die Dynamik der italienischen Emigration verspätet - erst 1913 wurde das jährliche Maximum erreicht. Während bei der überseeischen Auswanderung aus Italien nach 1900 die Bedeutung Südamerikas - vor allem Argentiniens und Brasiliens nachließ, wuchs der Anteil der USA bis fast auf 40 % an. Ein bedeutender Teil der italienischen Wanderung ging nach Europa, und schon aufgrund der geringeren Entfernung war dieser in den allermeisten Fällen nur temporär bzw. saisonal (Hertner 1985, S. 719 ff.). Doch gab es auch für diese Kategorie beträchtliche Unterschiede: Zwischen 1905 und 1929, für die Jahre also, bei denen wir über die entsprechenden Daten verfügen, lässt sich für die Wanderungen von Italien nach Argentinien im Falle Ober- und Mittelitaliens eine deutlich höhere Rückwanderungsquote feststellen als für die Regionen des Südens. Es liegt nahe, diesen Unterschied mit den prinzipiell besseren Beschäftigungschancen im Norden und im Zentrum Italiens im Vergleich zum Mezzogiorno zu
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Vgl. dazu die überzeugende Darstellung bei Herbert (1986, S. 15-81).
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erklären (Cacopardo und Moreno 1985). Auch in Spanien waren es über Jahrzehnte hinweg nur drei Landesteile - der Nordwesten mit Galicien und Asturien, der Südosten mit Murcia und den andalusischen Küstenprovinzen, die Inseln (Kanaren und Balearen) - , die das Gros der Auswanderer stellten. Im spanischen Fall hat sich an dieser Verteilung auch über Jahrzehnte hinweg nichts Grundsätzliches geändert. Die Zielländer lagen fast ausschließlich, und in dieser Reihenfolge, in Lateinamerika: Argentinien, Uruguay, Kuba und Brasilien, dazu kamen dann noch das französische Algerien und, mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, Frankreich selbst. Damit waren über 90 % der spanischen Auswanderung zwischen 1880 und 1930 abgedeckt (Sänchez Alonso 1995, S. 205 ff., 272 f.). In praktisch allen europäischen Ländern liefen parallel zu dieser Massenemigration nach Übersee zwei grundlegende Veränderungen, die das gesamte 19. und auch noch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts prägen sollten und sich gegenseitig bedingten: Industrialisierung und Urbanisierung. Deren Auswirkungen auch auf die Binnenwanderung innerhalb der europäischen Staaten konnte hier nur angedeutet werden. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die Mobilisierung von Millionen junger Männer in den Krieg führenden Staaten änderte die Lage grundsätzlich: Die Überseewanderungen kamen zum Stillstand; in der Rüstungsindustrie, bei der Kohleförderung und in der Landwirtschaft der am Krieg beteiligten Staaten wurden plötzlich ganz dringend Arbeitskräfte gesucht. Deutschland hielt etwa 300.000 „Wanderarbeiter" aus Russisch-Polen, die sich jetzt auf dem Höhepunkt der Erntesaison Anfang August 1914 im Reich aufhielten, quasi als Zwangsarbeiter zurück. 1916 wurde der Versuch gemacht, etwa 100.000 belgische Arbeiter zur Arbeit in Deutschland zwangszuverpflichten. Letzten Endes schlug dies fehl und vergiftete das antideutsche Klima im besetzten Belgien noch zusätzlich. Vor allem wurden aber Kriegsgefangene zur Arbeit herangezogen, so dass bis Kriegsende in Deutschland mit etwa 2 Mio. Freiwilligen, Zwangsverpflichteten und Kriegsgefangenen versucht wurde, die Lücken, die der Krieg gerissen hatte, zu schließen (Moch 2003, S. 165). Frankreich setzte ebenfalls Kriegsgefangene ein, ließ 113.000 Arbeiter aus Spanien und Portugal kommen und verpflichtete Arbeitskräfte aus seinem Kolonialreich, von Afrika bis Indochina, zur Arbeit im ,Mutterland' (Moch 2003, S. 165). Die Zwischenkriegszeit war erneut von Wanderungsbewegungen innerhalb Europas gekennzeichnet: Frankreich, das im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl im Krieg die größten Verluste zu verzeichnen und das im langfristigen Vergleich eine besonders niedrige Geburtenrate aufzuweisen hatte, versuchte, diesen Nachteil durch eine großzügige Einwanderungspolitik zu kompensieren: Ende der Zwanziger Jahre gab es 1,6 Mio. ausländische Arbeitskräfte im Land, darunter 475.000 Italiener, 287.000 Polen und 194.000 Spanier. In Deutschland war die Lage entgegengesetzt: Von den 2 Mio. Ausländern des Jahres 1918 waren 1924 gerade noch 174.000 übrig geblieben, deren Zahl bis zum Krisenjahr 1932 auf nur noch 108.000 geschrumpft war. Der Grund war nicht nur in einer restriktiven deutschen Gesetzgebung für Einwanderer zu suchen, sondern auch in der hohen deutschen Arbeitslosigkeit - bis zu 30 % während der Weltwirtschaftskrise - , die Einwanderern kaum Beschäftigungschancen bot. Auf gesamteuropäischer Ebene kam hinzu, dass das .Sicherheitsventil' der Überseewanderung durch die
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restriktiven neuen Einwanderungsgesetze in den USA aus den Jahren 1921 und 1924 vor allem für Süd- und Osteuropäer nahezu wegfiel (Moch 2003, S. 166 f.). Einen zumindest für Westeuropa - eher singulären Versuch, die Zuwanderung vom flachen Land in die Großstädte zu kontrollieren und im Grenzfall sogar zu untersagen, machte das faschistische Italien zwischen dem Ende der Zwanziger und der Mitte der Dreißiger Jahre. Dahinter stand zum Teil die rassistisch angehauchte Ideologie von einem gesunden Bauernstand nach altrömischem Vorbild, zum andern war es der Einbruch der Weltwirtschaftskrise, der die Beschäftigungsmöglichkeiten in den Städten reduziert hatte. Der Erfolg einer solchen gezielten Wanderungspolitik blieb am Ende bescheiden und wurde durch die Aufrüstung ab Mitte der Dreißiger Jahre und deren Bedarf an Arbeitskräften hinfällig (Treves 1976; von Delhaes-Guenther 1979). Bereits ab 1927 hatte das faschistische Regime die offizielle Auswanderung aus Italien, soweit sie nicht saisonal beschränkt blieb, praktisch unmöglich gemacht (Sori 1975). Die 1930er und die erste Hälfte der 1940er Jahre waren in Europa durch Bürgerkriege, den Zweiten Weltkrieg, durch Rassen- und Klassenpolitik, durch Vertreibungen und Umsiedlungen gekennzeichnet, und all dies führte zu Wanderungsbewegungen, wie man sie sich vorher kaum hätte vorstellen können. Deutschland spielte dabei eine zentrale Rolle: Kaum war Anfang 1933 das nationalsozialistische Regime an die Macht gekommen, begann es, eines seiner zentralen Ziele, ,die Lösung der Judenfrage' in Angriff zu nehmen. Von den 65.000 Deutschen, die bereits 1933 das Land verließen, waren nicht weniger als 80 % jüdischer Abstammung (Moch 2003, S. 168). Die bis Kriegsbeginn 1939 stetig verschärften Maßnahmen gegen jüdische Deutsche, etwa 500.000 Menschen, und vorübergehend zugewanderte Juden aus Ostmitteleuropa führten dazu, dass in den sechseinhalb Jahren nach der „Machtergreifung" etwa 280.000 Mitglieder dieser, nach rassistischen Kriterien ausgewählten, Gruppe NS-Deutschland noch rechtzeitig verlassen konnten (Bade und Oltmer 2007, S. 155). Mit dem Sieg Francos im Spanischen Bürgerkrieg flüchteten 1939 etwa 450.000 Anhänger der republikanischen Seite über die Grenze nach Frankreich. Nach dem Angriff //zY/erdeutschlands auf Polen im September 1939 wurden 1,5 Mio. Polen aus den gerade von Deutschland annektierten Teilen Westpolens ins sog. Generalgouvernement vertrieben und zum Teil durch .Volksdeutsche' ersetzt, die aus dem Baltikum oder dem Südwesten der Sowjetunion ,heim ins Reich' transferiert worden waren. Die Sowjetunion ihrerseits vertrieb einen Teil der Polen und der jüdischen Staatsbürger Polens aus dem Teil Polens, der aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts an sie gefallen war, nach Osten. Auch die Vernichtung der europäischen Juden ab Ende 1941 war zunächst auf Wanderungsbewegungen aufgebaut, denn die Menschen wurden anfangs in großen Ghettos, am bekanntest unter ihnen die Ghettos von Warschau und Lodz, zusammen getrieben und dann in die Vernichtungslager abtransportiert (Moch 2003, S. 169 f.). Wie schon im Ersten, so war auch im Zweiten Weltkrieg die deutsche Kriegswirtschaft dringend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, nur dass jetzt ungleich brutaler vorgegangen wurde: Schon kurz nach Kriegsbeginn wurde zwischen den Zivilarbeitern, den Kriegsgefangenen und den KZ-Häftlingen eine , Hierarchie des Rassismus' durchgesetzt, die sich in den folgenden Jahren immer deutlicher etablierte und ausgeweitet wurde. Diese Hierarchie kam besonders klar bei den Kriterien zum
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Ausdruck, mit denen die Lebensmittelrationen, die Qualität der Unterkünfte, Arbeitszeit und Entlohnung, sowie die Qualität der Arbeitsplätze festgelegt wurden. Die in Frankreich angeworbenen Zivilarbeiter standen ganz oben, die sowjetischen Kriegsgefangenen und die KZ-Insassen ganz unten auf dieser Stufenleiter (Herbert 1986, S. 153-163). Mitte 1944 arbeiteten im sog. ,Großdeutschen Reich' etwa 7 Mio. Ausländer und Ausländerinnen, ein Teil von ihnen als Freiwillige, daneben aber eine hohe Zahl von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern (Herbert 2001). Spätestens 1944/45 schlug die brutale ethnische ,Flurbereinigung' durch Nazideutschland zurück auf die Deutschen selbst: Bis 1947/48 wurden etwa 12,5 Mio. Deutsche aus den Gebieten östlich von Oder und Neisse, aus dem Sudetenland und aus Südosteuropa in die alliierten Besatzungszonen in Deutschland vertrieben, mit der Konsequenz, dass Ende 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone 24,3 % der Bevölkerung aus Heimatvertriebenen bestand (Bade und Oltmer 2007, S. 158 f.). Solche ,ethnischen Säuberungen', die zu Beginn der Zwanziger Jahre erstmals zwischen Griechen und Türken in Kleinasien, in Thrakien und Mazedonien .erprobt' worden waren, fanden nach 1945 auch in anderen Regionen Europas statt: so in Istrien und Dalmatien, wo man die Italiener aus den jetzt an Jugoslawien gefallenen Gebieten vertrieb, oder in Ost- und Südostpolen, wo die polnische Bevölkerung von den Sowjets, die sich diese Gebiete einverleibt hatten, zum größten Teil .ausgesiedelt' und in die, von Deutschen geräumten, Gebiete im Westen - Schlesien, Pommern, Danzig, das südliche Ostpreußen, die Polen übertragen worden waren - transferiert wurde. Der rasche wirtschaftliche Wiederaufstieg Westdeutschlands ab 1949 erhöhte parallel dazu die Nachfrage nach Arbeitskräften. Als das einheimische Reservoir allmählich ausgeschöpft war - bis 1961 wurde es noch erheblich durch Zu Wanderer aus der SBZ/DDR ergänzt - , musste man auf Arbeitskräfte aus dem europäischen Ausland zurückgreifen. „Vom Ende der 1950er Jahre bis zum Anwerbestopp 1973 kamen rund 14 Mio. ausländische Arbeitskräfte nach Deutschland, rund 11 Mio. kehrten wieder zurück, die anderen blieben und holten ihre Familien nach" (Bade und Oltmer 2007, S. 159). Der Anwerbestopp des Jahres 1973, der damals konjunkturell - vor allem mit den Auswirkungen der Ölkrise - begründet wurde4, hatte allerdings den Effekt, dass die Rückwanderung der ausländischen Arbeitskräfte weitgehend zum Stillstand kam, weil man auf deren Seite befürchtete, später nicht wieder in die Bundesrepublik zurückkehren zu dürfen. Deshalb wurden dann auch häufig die Familien nach Deutschland nachgeholt. Um es mit Bade und Oltmer (2007, S. 160) zu sagen: „Aus .Gastarbeitern' mit Daueraufenthalt wurden faktisch Einwanderer." Zugleich wurde das Selbstverständnis der Bundesrepublik als ,Nichteinwanderungsland', das im politischen Diskurs immer wieder bekräftigt wurde, in der Praxis immer unglaubwürdiger, denn zwischen 1961 und
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Ulrich Herbert (1986, S. 220-221) schildert die 1973 plötzlich auftauchende Diskussion in Deutschland folgendermaßen: „[...] Innerhalb weniger Monate wurde in der Bundesrepublik offenbar, dass mit dem ungehinderten Anstieg der Ausländerzahlen in den vergangenen Jahren ein Berg von langfristigen, kostenintensiven, sozial brisanten und auch moralisch schwerwiegenden Folgeproblemen entstanden war, die in der Öffentlichkeit wie unter den Verantwortlichen bei Regierung und Arbeitgebern zunächst ziemlich fassungsloses Erstaunen hervorriefen."
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2005 stieg der Anteil an der Bevölkerung - zunächst West-, dann ab 1990 auch Gesamtdeutschlands - von 1,2 auf 8,9 % (Bade und Oltmer 2007, S. 161). In der DDR lag der Ausländeranteil viel niedriger: 1989 betrug er etwa 190.000, das waren kaum mehr als 1 % der dort ansässigen Bevölkerung. Davon arbeiteten als ausländische Werktätige' in DDR-Betrieben im Jahr 1989 93.600 Personen. Von ihnen stammten ungefähr 69.000 aus Vietnam und 15.000 aus Mozambique. Sie waren durch Regierungsabkommen angeworben worden, eine Familienzusammenführung war nicht vorgesehen (Bade und Oltmer 2007, S. 162). Auch die anderen europäischen Länder waren nach 1945 von Wanderungen betroffen, selbst wenn der .Eiserne Vorhang' Ost-West-Bewegungen weitgehend unmöglich gemacht hatte. Es waren jetzt vor allem Süd-Nord-Migrationen aus den früheren Kolonialreichen in die Metropolen, welche die 1960er und 1970er Jahre in besonderem Maße kennzeichneten und bis heute vor allem das Bild der Stadtbevölkerung in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien prägen. In Frankreich beispielsweise zählte man 1981 bereits 810.000 Einwanderer aus dem Maghreb, vor allem aus Algerien. Aus Algerien stammten auch die ,Harkis', die im Unabhängigkeitskrieg auf Seiten der Franzosen gekämpft hatten. Hinzu kamen noch die ,Pieds Noirs', die Nachkommen vor allem französischer und spanischer Siedler in Algerien, die nach dessen Unabhängigkeit 1962 das Land verlassen mussten. In die Niederlande wanderten bis zum Ende der Siebziger Jahre 300.000 Indonesier ein. Die meisten von ihnen stammten aus den Molukken und hatten der Kolonialmacht im damaligen Niederländisch-Indien als Soldaten und Beamte gedient. Hinzu kamen weitere Zuwanderer aus der früheren Kolonie Surinam (Niederländisch Guyana) und von den Niederländischen Antillen (Moch 2003, S. 178 f.; van Amersfoort und van Niekerk 2003). Großbritannien hatte, so lange es die freie Zuwanderung aus den Staaten des Commonwealth und dem Kolonialreich gestattete, nämlich von 1948 bis 1962, eine beträchtliche Einwanderung aus Pakistan und Indien, aus Jamaika und verschiedenen früheren afrikanischen Kolonien zu verzeichnen. Die ungehinderte Einreise wurde 1968 und 1972 erschwert, ohne dass die Einwandererzahlen drastisch zurückgegangen wären. 2001 waren 8,3 % der britischen Bevölkerung im Ausland geboren (Castles und Miller 1993, S. 65-97). Der Fall der Berliner Mauer 5 und die folgende Integration Ostmitteleuropas, die schließlich für die meisten Staaten aus dieser Zone mit der EU-Mitgliedschaft endete, hat die Süd-Nord-Wanderungen - zumindest vorläufig - in den Hintergrund treten lassen. Deutschland nahm hier - bedingt nicht zuletzt durch seine zentrale Lage in Europa - eine Sonderstellung ein: Vor 1989 war die Zahl der Asylanträge nur in drei Jahren an die Marke von 100.000 Antragstellern herangekommen oder hatte sie leicht überschritten. 1986 zum Beispiel stammten drei Viertel von ihnen aus der sog. ,Dritten Welt'. 5
Massey und Taylor fassen die Folgen dieser "Wende" überzeugend zusammen in der Formulierung: „Until 1990 [...] international migration was never in a position to reach its full potential because of the Cold War, which isolated nearly a third of the human population of the global market economy (the citizens of China, the Soviet Union, and nations in their spheres of influence) while miring many Third World nations in proxy confrontations and political machinations. [...] The west agreed to take in refugees who managed to escape, but only on the tacit assumption that communist-block countries would do their utmost to stop them from leaving" (Massey und Taylor 2004, S. 375).
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1993, als die kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan ihrem Höhepunkt zustrebten, kamen 72,1 % aus Europa und in erster Linie aus dessen Südosten. Das Jahr zuvor war mit 438.000 Asylanträgen ein Rekordjahr gewesen. Hinzu kamen im deutschen Fall die sog. ,Aussiedler', Deutschstämmige aus der Sowjetunion, aus Polen und aus Rumänien, um nur die wichtigsten Herkunftsländer zu nennen. Ihre Aufnahme wurde begründet als Spätfolge des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieges, unter dem diese Gruppe noch Jahrzehnte lang zu leiden gehabt hatte. Von 1950 bis 2006 kamen ungefähr 4,5 Millionen dieser Aussiedler in die Bundesrepublik, davon rund 3 Millionen kurz vor und nach der Wiedervereinigung (Bade und Oltmer 2007, S. 164 ff.). Die von der Europäischen Union garantierte Freizügigkeit machte sich durch den Beitritt einer Reihe ostmitteleuropäischer Staaten zur Union im Jahr 2004 vor allem in den Mitgliedsländern bemerkbar, die nicht - wie Deutschland und Österreich - ihren Arbeitsmarkt bis 2011 faktisch gesperrt hatten, nämlich besonders in Großbritannien, in Irland, aber auch in Spanien. Insgesamt sollen zwischen Mai 2004 und September 2009 etwa 1,5 Mio. Beschäftigte aus den neuen Mitgliedsstaaten in die aufnahmebereiten unter den ,alten' EU-Ländern gewandert sein (siehe auch den Beitrag von Dietz in diesem Band). Viele dieser Arbeitskräfte waren allerdings nur kurzfristig unterwegs, und nicht wenige sind während der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 wieder - zumindest vorübergehend - in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
3.
Ein erneuter Rückgriff auf mögliche Ordnungskriterien für Migrationen
Lässt man die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wanderungsbewegungen, wie sie oben kurz skizziert wurden, einmal außer Acht und blickt einstweilen nur auf die Migrationen der letzten einhundertsechzig Jahre zurück, so wird man bei den, ganz am Anfang dieses Beitrags aufgezählten, Wanderungskriterien eine ganze Reihe der dort gemachten Unterscheidungen konkret anwenden können: Bei der Klassifizierung nach der Distanz wird man feststellen können, dass die Industrialisierung und die damit eng verbundene Urbanisierung im west- und mitteleuropäischen Raum und in Nordamerika im Fall der Migrationen für die dabei zurückgelegten Distanzen sowohl bei regionalen und nationalen wie auch bei kontinentalen und interkontinentalen Entfernungen im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts eine beeindruckende Steigerung erreichten, und zwar sowohl was ihre Quantität als auch was ihre Häufigkeit betrifft. Dabei kommt den großen Innovationen des 19. Jahrhunderts im Transport- und Kommunikationssektor eine überaus wichtige Rolle zu, genauer gesagt der Einführung von Dampfschiffen und von Eisenbahnen für den schnelleren, pünktlicheren und billigeren Transport von Menschen, aber auch von Gütern, bei deren Produktion und Abbau in einer weiteren Phase die Migranten dann auch selbst mitgewirkt haben. Mit diesen neuen Transportmitteln wurden auch Briefe, also Informationen, befördert, und für die damals schnellste Form der Nachrichtenübermittlung - auch über ganze Kontinente hinweg - stand ab 1850/70 der elektrische Telegraf zur Verfügung.
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Betrachtet man als Weiteres das Kriterium der Richtung solcher Wanderungen, dann wird man feststellen können, dass die hier bereits erwähnten grundlegenden Verbesserungen der Transport- und Kommunikationsmittel im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts entscheidend dazu beigetragen haben, dass nicht nur die Hin- sondern auch eventuelle Rückwanderungen wesentlich erleichtert wurden. Diese Tatsache hat gleichzeitig aber auch bewirkt, dass die Dauer von Wanderungen viel stärker variieren konnte als zuvor, und dies nicht nur auf die kürzere - regionale oder nationale - Distanz, sondern auch im interkontinentalen Rahmen. Praktisch bedeutete dies, dass, wer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - vom 20. ganz zu schweigen - in einen anderen Erdteil auswanderte, in seinem Leben durchaus ein- oder mehrmals in seine frühere Heimat zurückkehren konnte, ohne sich finanziell ruinieren oder sein Leben bei Schiffsuntergängen riskieren zu müssen. Im Jahrhundert davor war Auswanderung fast regelmäßig ein Abschied für immer von der Heimat gewesen. Saisonale Wanderungen wurden oben am Beispiel der europäischen Erntearbeiter in der argentinischen Landwirtschaft angesprochen. Solche kurzfristigen Migrationen gab es aber auch schon im 19. Jahrhundert im nationalen oder europäischen Rahmen in anderen Wirtschaftssektoren, wie zum Beispiel im Eisenbahnbau, im Straßenbau und im städtischen Hochbau (Baines 1994, S. 40). Was den sozialen und ökonomischen Raum betrifft, innerhalb dessen solche Migrationen stattfanden, so wanderten Europäer, die Ziele in Übersee ansteuerten, bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ganz überwiegend in ländliche, häufig noch ganz unerschlossene Gebiete aus. Sie selbst stammten auch in erster Linie aus ländlichen Regionen. In dem Maße, in dem Siedlungsgebiete aufgebraucht' wurden, zielten die Migrationen dann auf bereits urbanisierte Territorien. In den USA zum Beispiel fand dieser Wechsel vom Land zur Stadt als Ziel etwa ab den 1870er Jahren statt, in Argentinien begann eine Umstellung solcher Art erst etwa zwei Jahrzehnte später. Damit eng zusammen hing die Wahl des Wirtschaftssektors: Wer nicht in die damaligen Metropolen zog, landete noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein vor allem in der Landwirtschaft, deren Arbeitskräftebedarf zunächst ja noch erstaunlich hoch lag. Die frühe Industrialisierung auf den britischen Inseln zum Beispiel erforderte jedoch den Zuzug billiger und deshalb ungelernter Arbeitskräfte beispielsweise in die Textilindustrie. Das Beispiel der oben erwähnten Wanderung von Iren in die englischen und schottischen Industriegebiete kann dies deutlich illustrieren ebenso wie die Zuwanderung ostmitteleuropäischer Arbeitskräfte in die britische Dienstleistungsökonomie im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Auch die Zuwanderung ins Ruhrgebiet im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ließe sich hier erwähnen. Was schließlich das Motiv für solche Wanderungen betrifft, so lässt sich nur in einem Teil der Fälle Freiwilligkeit von Zwang klar trennen. Verfolgung aus rassistischen oder religiösen Gründen waren für die Auswanderung russischer und polnischer Juden aus dem Zarenreich am Ende des 19. Jahrhunderts ebenso wie für die Vertreibung deutscher Juden aus Nazideutschland zwischen 1933 und 1939 verantwortlich. Ähnliches galt für die Mennoniten, die zu verschiedenen Zeitpunkten von Westeuropa nach Russland, nach den Vereinigten Staaten und Kanada und nach Argentinien und Paraguay ausgewandert waren, unter anderem weil sie in ihren Gastländern aus religiöser Überzeugung
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keinen Militärdienst leisten wollten. Aus politischen Gründen wurden die nach dem Krieg von 1870/71 in das von Frankreich an Deutschland abgetretene Elsaß-Lothringen eingewanderten Deutschen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges von den französischen Behörden ausgewiesen. Im Frankfurter Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 zwischen Frankreich und dem neuen Deutschen Kaiserreich hatte man den Elsässem und Lothringern noch die Option gewährt, sich innerhalb von anderthalb Jahren für die Auswanderung nach Frankreich zu entscheiden (Gosewinkel 2001, S. 191-200). Während des Zweiten Weltkrieges wiesen ihrerseits die deutschen Machthaber alle des ,Franzosentums' Verdächtigen aus den zwei elsässischen Départements und aus dem lothringischen .Département Moselle', die offiziell von Nazideutschland gar nicht annektiert worden waren, nach ,Innerfrankreich' aus. Umgekehrt geschah dann dasselbe wiederum mit den inzwischen wieder eingewanderten Deutschen wenige Jahre später beim Ende der Naziherrschaft in diesem Teil Frankreichs. In den meisten der hier geschilderten Fälle war der Zwang entscheidend, aber 1871 war der erzwungenen Abtretung dieser französischen Provinzen doch auch die, für die Elsässer und Lothringer mehr oder weniger freiwillige, Alternative der Abwanderung oder des Dableibens beigemischt (Vogler 1994, S. 384-386, 422-424, 445-448). Albert O. Hirschman hat diese Wahlentscheidungen in seinem originellen Essay „Exit, voice, and loyalty" (1970) vorgestellt und dabei für den Einzelnen Abwanderung und Protest als alternative Handlungsmöglichkeiten in einer für ihn unbefriedigenden Situation genannt. Mehr als zwei Jahrzehnte später änderte derselbe Hirschman übrigens seine damals getroffenen Überlegungen im Lichte des Zusammenbruchs der DDR 1989/90 in einigen Punkten ab und spezifizierte sie erneut (Hirschman 1995, S. 9-44). Was die neuere Forschung in der Migrationsgeschichte aber besonders hervorgehoben und inzwischen auch relativ gründlich erforscht hat, ist die Bedeutung der Information für praktisch alle Typen von Wanderungen: Freiwillige Wanderungen sind ohne hinreichende Informationen über die Bedingungen am Zielort oder im Zielland kaum vorstellbar. In einer Zeit, in der Medien im modernen Sinne noch nicht existierten, werden Menschen ihre gewohnte Umgebung kaum aufgegeben haben, wenn sie nicht durch voraus gewanderte Freunde oder Verwandte über das, was sie am Zielort möglicherweise erwartete, Informationen eingeholt hatten. Solche Informationen konnten zwar unzureichend oder gar falsch sein, doch wurden sie dann fast immer im folgenden Zeitablauf korrigiert. Tagebücher, Briefe, mündliche Berichte von Rückwanderern, Flugblätter waren selbst in einer Zeit von erheblichem Nutzen, in der die Alphabetisierung noch längst nicht abgeschlossen war. Über diesen Rückkoppelungsmechanismus den nötigen Aufschluss zu erhalten, ist für Historiker im Nachhinein nur möglich, wenn diese Quellen noch zugänglich sind - und wie man sich vorstellen kann, sind das eher die Ausnahmefälle. Doch lässt sich von solchen Funden dann auf das Vorhandensein und die Wirksamkeit der sog. ,chain migration' schließen, bei der Auswanderer aus einem Ort Auswanderer aus demselben Ort oder derselben Mikroregion nach sich zogen (.Kamphoefner 1999, S. 43). Diesen Quellen kommt eben nicht nur anekdotische Bedeutung zu, auch wenn noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Vetter aus der Hauptstadt oder der mythische reiche Onkel aus Amerika Figuren waren, an denen sich die Fantasie noch unentschlossener Migrationskandidaten entzünden konnte - und das nicht nur in der Operette oder im Film. Diesen, doch überwiegend privaten Informationsquellen
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sollte man noch die quasi offizielle Wanderungspropaganda, wie sie von Regierungen oder Schifffahrtslinien verbreitet wurde, hinzufügen. Beide Informationsarten - private wie öffentliche - ergänzten sich gegenseitig, auch wenn vieles für die Vermutung spricht, gerade im 19. Jahrhundert habe die private Information im Vergleich zur öffentlichen den deutlich stärkeren Effekt gehabt (Kamphoefner 1999, S. 36).
4.
Ein kurzes Fazit: Wanderungen in der Globalisierung
Für all diese hier erwähnten Punkte lassen sich ziemlich mühelos Brücken von der geschichtlichen Erfahrung zur Gegenwart schlagen. Nicht wenige der heutigen, mit Migrationen verbundenen Probleme - die verschiedenen Wanderungsmotive oder die spezifische Integrationsfähigkeit des Ziellandes, um nur zwei zu nennen - lassen sich sowohl in der näheren oder ferneren Vergangenheit als auch in der Zeit, in der wir leben, beobachten. Freilich haben sich in einer Welt, in der im Vergleich mit dem Zustand der Erde vor zweihundert Jahren mehr als dreimal so viele Menschen leben, eine ganze Reihe von Sachverhalten zugespitzt. Um mit der Bevölkerungszahl zu beginnen: Es gibt, wenn man von relativ wenigen Ureinwohnern, die in der Vergangenheit von den Immigranten - sei es auf dem nordamerikanischen oder dem südamerikanischen Subkontinent, in Sibirien oder in Australien - verdrängt oder auch brutal ausgerottet wurden, einmal absieht, heute keine nahezu menschenleeren Gebiete mehr, wenn man die beiden Polregionen nicht mitzählt. Durch den in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf breiter Front eingeführten Luftverkehr, durch Radio und Femsehen sowie durch die in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelten Intemetverbindungen haben sich sowohl die Möglichkeiten der weltweiten Information und Kommunikation als auch die Chancen einer raschen Ortsveränderung dramatisch beschleunigt. Gerade auf dem Gebiet der Migration ist Globalisierung nicht nur zum Schlagwort, sondern auch zur täglichen Wirklichkeit geworden. 6 Dass sich dies nicht schlagartig, sozusagen von heute auf morgen, sondern im längerfristigen Verlauf - über mehr als anderthalb Jahrhunderte hinweg - vollzogen hat, sollte hier in der gebotenen Kürze dargestellt werden.
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6
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Peter
Hertner
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Wanderungsbewegungen
in Europa in historischer
Perspektive
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Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland: Wanderungsdynamik, Integrationsmuster und politische Implikationen
Barbara
Dietz
Inhalt 1. Einleitung
24
2. Die Dynamik der Ost-West-Migration
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2.1. Deutschland im Zentrum der neuen Ost-West-Wanderungen
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2.2. Ost-West-Migration im Kontext der EU-Osterweiterungen
31
3. Die Integration der Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa in Arbeitsmarkt und Gesellschaft
33
3.1. Die wirtschaftliche Integration der Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa 3.2. Gesellschaftliche Integration
34 36
4. Implikationen für die Migrations- und Integrationspolitik
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4.1. Migrationspolitische Perspektiven
38
4.2. Chancen der Integrationspolitik
39
Literatur
41
24
1.
Barbara
Dietz
Einleitung*
Immigration und die damit zusammenhängenden Probleme der Integration von Zuwanderern sind in den letzten Jahren wiederkehrende Themen in der politischen Debatte Deutschlands. Vor dem Hintergrund der Zuwanderung seit der Nachkriegszeit haben sich über die Jahrzehnte große Gruppen von Migranten in Deutschland etabliert, deren Herkunftsstaaten und deren ethnisch-kultureller Hintergrund sich immer stärker differenzierten. Im Jahre 2009 hatte jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen Migrationshintergrund, d.h. war entweder selbst nach Deutschland eingewandert, gehörte zur Gruppe der in Deutschland geborenen Ausländer oder hatte zumindest ein Elternteil, das nach Deutschland zugewandert oder hier als Ausländer geboren worden war. Geprägt durch politische und ökonomische Konstellationen und durch die rechtlichen Rahmenbedingungen durchlief das (west-)deutsche Migrationsgeschehen verschiedene Phasen. Zu Beginn der 1950er Jahre führte die damals vorherrschende Arbeitskräfteknappheit zur aktiven Anwerbung von ausländischen Arbeitnehmern, die allerdings in den meisten Fällen nach einem Rotationssystem angestellt wurden, um längerfristige Immigration zu vermeiden. Eine dauerhafte Integration der Arbeitsmigranten in Wirtschaft und Gesellschaft war nicht vorgesehen. Die Rezession in Folge des Ölpreisschocks gab den Ausschlag für einen Anwerbestopp im Jahre 1973. Dennoch nahm die ausländische Bevölkerung aufgrund des Nachzugs von Familienangehörigen, des natürlichen Bevölkerungswachstums und der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern weiter zu. Nach einer Phase vergleichsweise geringer Migration zwischen 1974 und 1987 stieg die Zuwanderung nach Deutschland gegen Ende der 1980er Jahre erneut deutlich an. Ausgelöst wurde diese Wanderung durch die politische Öffnung Mittelund Osteuropas 1 sowie durch die kriegerischen Konflikte im vormaligen Jugoslawien und durch ethnische Verfolgungen in verschiedenen Teilen der Welt. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Aussiedler- und Asylgesetzgebungen wurde die Immigration der 1990er Jahre im Wesentlichen von (Spät-)Aussiedlera aus Mittel- und Osteuropa, Asylbewerbern und (Bürgerkriegs-)Flüchtlingen getragen. In vergleichsweise geringem Maße partizipierten daran auch Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa, die im Rahmen vertraglich geregelter Bestimmungen in Deutschland eine Beschäftigung aufnehmen konnten. Nach den Osterweiterungen der Europäischen Union gewann diese Arbeitsmigration an Dynamik, obwohl sie von deutscher Seite weiterhin durch Übergangsregelungen begrenzt blieb. Insgesamt gesehen ging die Immigration nach Deutschland im letzten Jahrzehnt zurück, wobei zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Zuwanderungsgesetz (2005) verabschiedet wurde, das für eine grö-
1
Dieser Beitrag wurde durch Forschungsarbeiten im Rahmen des EU-Projektes „Interplay of European, National and Regional Identities: Nations between States along the New Eastern Borders of the European Union" unterstützt. Unter Mittel- und Osteuropa werden die Staaten verstanden, die 2004 (Slowenien, Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland) und 2007 (Rumänien, Bulgarien) der EU beitraten sowie die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die nicht der EU angehören (Russland, Belarus, Moldawien, die Ukraine, Armenien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Georgien, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan).
Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland
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ßere Transparenz und für eine Vereinheitlichung der Immigrationsregelungen sorgen sollte. In einem weiteren Aspekt sah dieses Gesetz vor, die Immigration nach Deutschland stärker als bisher an den ökonomischen und demographischen Bedürfnissen des Landes auszurichten. Während die Arbeitsmigration der Anwerbephase vor allem Zuwanderer aus der Türkei und südeuropäischen Mittelmeerstaaten nach Deutschland brachte, kamen in Folge der späteren, zum großen Teil politisch und ethnisch motivierten Migration Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa ins Land. Geprägt wurden diese beiden bedeutenden Immigrationsbewegungen durch gesetzliche Bestimmungen, die in der Konsequenz eine Diversität der Zuwanderer nach Status zur Folge hatte und zu einer Pluralisierung der Herkunftsstaaten der Immigranten führte. Heute zählen die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die Türkei, das ehemaligen Jugoslawien, Polen, Italien und Griechenland zu den wichtigsten Herkunftsregionen von Migranten in Deutschland. 2 Im Folgenden wird argumentiert, dass sowohl die ökonomisch als auch die ethnisch und politisch motivierten Zuwanderungsregulierungen nicht nur die Migrationsdynamik bestimmten, sondern auch die Integration der Zuwanderer maßgeblich beeinflussten. Dies basiert auf der Hypothese, dass die Kriterien der Zuwanderung die demographischen, sozialen und ökonomischen Charakteristika der Migranten determinieren, die wiederum verantwortlich für ihre Integrationschancen sind. In exemplarischer Weise spiegeln sich die Folgen der Zuwanderungsregelungen und Integrationsmaßnahmen im Bereich der Migration aus den mittel- und osteuropäischen Staaten nach Deutschland wider. Bemerkenswerterweise schließt diese Immigration nahezu alle Gruppen ein, die für Deutschlands Migrationshistorie von Bedeutung sind: (Spät-)Aussiedler, Asylmigranten und Flüchtlinge, Arbeitsmigranten und nachreisende Familienangehörige. Vor diesem Hintergrund untersucht der folgende Beitrag die Dynamik der Ost-West-Wanderung nach Deutschland und beleuchtet die soziale und Arbeitsmarktintegration der Zuwanderer aus dieser Region, wobei den nach Status und Herkunftsland unterschiedenen Charakteristika der Integration besonderes Interesse gilt. Abschließend stehen migrations- und integrationpolitische Perspektiven zur Diskussion, wobei die Erfahrungen der Zuwanderung aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland reflektiert werden.
2.
Die Dynamik der Ost-West-Migration
Der politische Umbruch in Mittel- und Osteuropa am Ende der 1980er Jahre sowie das spätere Auseinanderbrechen der UdSSR führten zu einer Aufhebung von Emigrationsbarrieren in dieser Region, die in den Jahren des kalten Krieges eine Auswanderung
2
Entsprechend der aktuellen Definition des statistischen Bundesamtes werden Migranten als Personen mit Migrationshintergrund definiert, das sind alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche geborene Personen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil (Statistisches Bundesamt 2009). Im Gegensatz dazu schließt die ausländische Bevölkerung alle Personen ein, die in Deutschland leben, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Barbara Dietz
26
in westliche Länder auf ein Minimum begrenzt hatten. Nur im Rahmen besonderer Regelungen, z.B. im Rahmen der Familienzusammenführung, war es den Bürgern der Warschauer Pakt-Staaten erlaubt, in das westliche Ausland zu emigrieren. Vor dem Hintergrund beträchtlicher Unterschiede des Einkommens und des Lebensstandards in Ost und West sowie politischer Krisen und Minderheitenkonflikte in den vormals sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion entwickelten sich aufgrund der nunmehr durchlässigen Grenzen neue Migrationsbewegungen, deren bevorzugtes Ziel die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dort vor allem Deutschland war. Emigranten aus Mittel- und Osteuropa hatten jedoch hohe Barrieren zu überwinden, um in die gewünschten Zielländer zu kommen. Nach Deutschland konnten sie beispielsweise nur dann einreisen, wenn sie im Rahmen der Aussiedler-, Asyl- und Flüchtlingsgesetzgebung aufgenommen wurden, als Familienangehörige oder zu Ausbildungszwecken kamen oder wenn sie die Kriterien der kurzfristigen Arbeitsmigration erfüllten. Obwohl Deutschland zur damaligen Zeit keine explizite Migrationspolitik formuliert hatte, wurden die Zuwanderungen einerseits durch die Aussiedler- und Asylgesetzgebung, d.h. von ethnisch-politischen und humanitären Motiven getragen, anderseits durch bilaterale Verträge zur Arbeitsmigration, d.h. von arbeitsmarktpolitischen und ökonomischen Erwägungen gesteuert.
2.1. Deutschland im Zentrum der neuen Ost-West-Wanderungen Bis zur Mitte der 1990er Jahre waren Aussiedler- und Asylmigrationen von herausragender Bedeutung für das Ost-West-Wanderungsgeschehen in Deutschland, während legale Arbeitsmigrationen einen vergleichsweise geringen Raum einnahmen. Diese Gewichtung veränderte sich im Laufe der 1990er Jahre, wobei vor allem Gesetzesänderungen, wie beispielsweise die Änderung der Aussiedler- und Asylgesetzgebung, sowie eine Umgestaltung der politischen Rahmenbedingungen - sowohl im Zusammenhang mit der Einführung des Zuwanderungsgesetzes in Deutschland als auch mit den EUOsterweiterungen - eine herausragende Rolle spielten. (Spät-)Aussiedler-
und
Asylmigration
Die größten Zuwanderungsgruppen, die zu Beginn der neuen Ost-WestWanderungen nach Deutschland kamen, waren Aussiedler aus Polen, Rumänien und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Haug und Sauer 2006). Diese Migrationsbewegung hatte bereits in den fünfziger Jahren ihren Anfang genommen, war aber aufgrund der restriktiven Ausreisebedingungen in den Herkunftsländern - trotz einer hohen Ausreisemotivation der Deutschen in diesen Staaten - vergleichsweise begrenzt geblieben. Erst die sukzessive Aufhebung der Ausreisebeschränkungen in Polen und Rumänien und später in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten machte den Weg für Aussiedler nach Deutschland frei (Dietz 2006). Dies hatte eine drastisch steigende Einwanderung von Aussiedlern zur Folge: Von 78.000 Aussiedlern im Jahre 1987 stieg ihre Zahl auf 202.000 im Jahre 1988 an, um 1989 bzw. 1990 mit 377.000 bzw. 397.000 Aussiedlern den Höhepunkt in den Nachkriegsjahren zu erreichen. Im Zeitraum zwischen
Die Immigration
aus Mittel- und Osteuropa nach
Deutschland
27
1988 und 2009 kamen 3.08 Millionen (Spät-)Aussiedler nach Deutschland3, 2.2 Millionen davon stammten aus der vormaligen UdSSR (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: Zuwanderung von (Spät-)Aussiedlern nach Deutschland (1950-2009)
Quelle: Bundesverwaltungsamt
2009 und 2010.
Die Bundesregierung reagierte auf die dynamische Entwicklung der Aussiedlerzuwanderung in erster Linie mit dem Versuch, diese Migration durch Verfahrensänderungen, so durch das Aussiedleraufnahmegesetz vom 1. Juli 1990 und insbesondere durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG) vom 1. Januar 1993, zu steuern und zu begrenzen. Bis zur Gültigkeit des KfbG wurde generell davon ausgegangen, dass alle Deutschen in Mittel- und Osteuropa aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit Benachteiligungen erlitten hatten. Diese Annahme wurde im KfbG nur noch für Antragsteller aus den Nachfolgestaaten der UdSSR aufrechterhalten, während alle übrigen Ausreisewilligen einen individuellen Nachweis für erlittene Diskriminierung erbringen mussten. Zudem schrieb das KfbG ein Einreisekontingent von jährlich etwa 225.000 Aussiedlern fest, das am 1. Januar 2000 auf 100.000 Zuwanderer pro Jahr nach unten korrigiert wurde. Außerdem beschloss das KfbG die Terminierung der Aussiedlerzuwanderung, das heißt, dass die nach 1993 geborenen Angehörigen der deutschen Minderheit in Mittelund Osteuropa und der vormaligen Sowjetunion keinen Antrag auf die Anerkennung als Spätaussiedler mehr stellen können. Die Kontingentierung der Zuwanderungszahlen hatte ab 1993 eine Verstetigung der Spätaussiedlerzuwanderung auf hohem Niveau (ca. 220.000 Zuwanderer jährlich) und eine Verschiebung der Herkunftsländer auf die Nachfolgestaaten der UdSSR, insbesondere auf Russland und Kasachstan, zur Folge. Da in den 1990er Jahren so gut wie keine ethnische Diskriminierung Deutscher in Polen und Rumänien zu belegen war, kam die Spätaussiedlerzuwanderung aus diesen Ländern seit dem Jahr 1993 nahezu zum Erlie-
3
Mit der Einführung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes (Januar 1993) wurden alle Personen, die im Rahmen der Aussiedleraufnahme nach Deutschland kamen, als Spätaus Siedler bezeichnet.
28
Barbara Dietz
gen und wurde durch die Aufnahme Polens und Rumäniens in die Europäische Union obsolet. Seit dem Jahr 1996 war ein weiterer deutlicher Rückgang der Spätaussiedlerzuwanderung zu verzeichnen. Dieser ist in erster Linie auf die im Sommer 1996 eingeführte Prüfung der deutschen Sprachkenntnisse der Ausreisewilligen in den Nachfolgestaaten der UdSSR zurückzuführen, die dem Nachweis der .deutschen Volkszugehörigkeit' dienen sollte (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2005). Da die Deutschen in der vormaligen Sowjetunion nur über eine geringe deutsche Sprachkompetenz verfügten und die Anerkennung als Spätaussiedler für die Antragsteller ausgeschlossen war, die den Sprachtest nicht bestanden hatten, stellte der Sprachtest de facto eine Einreisebarriere dar. Bis zum Jahre 2004 musste der Personenkreis der nichtdeutschen Ehegatten und Kinder von Spätaussiedlern, die mit dem deutschen Antragsteller das Recht auf Zuwanderung nach Deutschland erhielten, keinen deutschen Sprachtest ablegen. Dies wurde im neuen Zuwanderungsgesetz vom Januar 2005 geändert, und seither ist der deutsche Sprachtest für alle Personen verpflichtend, die als Spätaussiedler und deren Angehörige nach Deutschland kommen wollen. Die Einführung des Sprachtests für alle Familienangehörigen hatte eine deutliche Verringerung der Spätaussiedlerzuwanderung zur Folge. Während im Jahr 2004 noch 59.000 Spätaussiedler nach Deutschland gekommen waren, sank diese Zahl im Jahr 2005 auf 35.500 Personen und schloss 2009 nur noch 3.360 Personen ein. Die jüngste Entwicklung der Spätaussiedlerzuwanderung legt den Schluss nahe, dass sich aufgrund der starken Abwanderung der Deutschen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und der restriktiveren gesetzlichen Aufnahmebestimmungen in Deutschland das Potential für diese Ost-West-Migration weitgehend erschöpft hat. Der politische Umbruch in Mittel- und Osteuropa und die damit einhergehenden ökonomischen, ethnischen und politischen Krisen ließen die Asylwanderungen aus diesen Staaten nach Deutschland zu Beginn der 1990er Jahre deutlich ansteigen. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Asylrecht für die meisten migrationswilligen Personen in mittel- und osteuropäischen Ländern zur damaligen Zeit die einzige Möglichkeit darstellte, nach Deutschland zu kommen. Auch im Falle der Nachfolgestaaten der Sowjetunion waren Asylmigrationen relevant, wobei vor allem die Kaukasusstaaten (Armenien, Georgien und Aserbaidschan) und Russland als Senderegionen hervortraten, die bis heute von Bedeutung für Asylwanderungen sind. Zudem hatte Deutschland im Februar 1991 eine an der Genfer Flüchtlingskonvention orientierte Regelung eingeführt, die es Juden aus der vormaligen UdSSR erlaubte, nach Deutschland zu immigrieren (Dietz 2005). Diese so genannte .Kontingentflüchtlingsregelung' basierte auf einem Gesetz, das ursprünglich 1980 zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Südostasien beschlossen worden war. Es legte die Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer nach einem Quotensystem fest. Im Fall der jüdischen Immigranten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, wozu die Antragsteller einschließlich ihrer Familien zählen, wurde auf eine Festlegung von Jahreskontingenten verzichtet. In einem vereinfachten Verfahren konnten die Ausreisewilligen bei den deutschen Auslandsvertretungen in den Nachfolgestaaten der UdSSR einen Aufnahme-
Die Immigration
aus Mittel- und Osteuropa
nach
Deutschland
29
antrag stellen.4 Nach der Bewilligung wurden die Flüchtlinge durch das Bundesverwaltungsamt mit Hilfe des sogenannten ,Königssteiner Schlüssels' auf alle Bundesländer verteilt. Im Gegensatz zu Asylbewerbern erhielten die jüdischen Kontingentflüchtlinge eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Mit dem Zuwanderungsgesetz wurde die Immigration jüdischer Zuwanderer aus der vormaligen Sowjetunion auf eine neue Basis gestellt. Die seit dem 1. Juli 2006 geltende Neuregelung sieht die Aufnahme jüdischer Zuwanderer nach einem Kriterienkatalog vor, der von den Antragstellern zunächst den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse (auf einem einfachem Niveau) im Heimatland verlangt. Daneben erstellt die Zentrale Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) für jeden Einreisewilligen eine „Integrationsprognose", die familiäre Bindungen, das Alter, die Ausbildung und die beruflichen Pläne berücksichtigt, und prüft, ob der Antragsteller Jude ist. Erst wenn eine Jüdische Gemeinde in Deutschland die Aufnahme des Antragstellers garantiert, kann ein Aufnahmebescheid erteilt werden. Diese Neuregelung hatte zum Ziel, die jüdischen Immigranten aus der vormaligen Sowjetunion über die Einbindung in die jüdischen Gemeinden besser in das wirtschaftliche und soziale Leben Deutschlands zu integrieren. Nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes reisten 231.000 jüdische Immigranten zwischen Februar 1991 und Dezember 2009 mit ihren Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland ein, während nach den Unterlagen des Zentralrates der Juden in Deutschland etwa 102.000 neue Gemeindemitglieder registriert wurden, die als Immigranten aus der vormaligen UdSSR kamen (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Zuwanderung von jüdischen Kontingentflüchtlingen nach Deutschland (1990-2009) 25000 -
Quelle: Bundesamt für Migration Deutschland
(ZWST)
und Flüchtlinge
2009, Zentralwohlfahrtstelle
der Juden in
2010.
Im Gegensatz zu den Jüdischen Gemeinden in Deutschland, die sich auf das jüdische Religionsgesetz (,Halacha') berufen und nur jüdische Immigranten aus der UdSSR in die Gemeinden aufnehmen, die jüdische Eltern bzw. eine jüdische Mutter besitzen oder 4
Berechtigt waren alle Personen, die selbst jüdischer Nationalität (nach den Kategorien des (post-)sowjetischen Passsystems) waren oder von mindestens einem jüdischen Elternteil abstammten. Familienangehörige (Ehegatten und Kinder) des Antragstellers konnten in den Antrag einbezogen werden.
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Barbara
Dietz
die zum Judentum konvertiert sind, erkennen die deutschen Behörden alle Personen als jüdische Kontingentflüchtlinge an, die mindestens ein jüdisches Elternteil haben oder die als nichtjüdische Ehepartner und Verwandte von jüdischen Immigranten nach Deutschland kommen. Das erklärt die beträchtlichen Unterschiede zwischen der Zahl jüdischer Immigranten, die von den Jüdischen Gemeinden und die von den deutschen Behörden registriert wurden. Arbeitsmigration
aufgrund bilateraler
Verträge
Bereits unmittelbar nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs" war absehbar, dass Deutschland aufgrund der beträchtlichen Einkommensunterschiede zwischen Ost und West ein attraktives Zuwanderungsland für Arbeitsmigranten aus mittel- und osteuropäischen Ländern darstellen würde. Trotz größerer geographischer Entfernungen wurde dies auch für einige Nachfolgestaaten der Sowjetunion, vor allem für die Ukraine, Moldawien und die Russische Föderation antizipiert. Die Öffnung der Grenzen in Mittelund Osteuropa fiel jedoch zeitlich mit einer Phase steigender Arbeitslosigkeit in Deutschland zusammen, und politisch wurde mehrheitlich eine strikte Begrenzung der Arbeitsmigration aus Nicht-EU Staaten befürwortet. Da (illegale) Arbeitswanderungen aus Mittel- und Osteuropa aufgrund von Netzwerkbeziehungen und der geographischen Nähe erwartet wurden, vereinbarte die deutsche Regierung mit einer Reihe von mittel- und osteuropäischen Staaten bereits zu Beginn der 1990er Jahre bilaterale Verträge zur Arbeitskräftemigration. Damit wurde die legale Arbeitsaufnahme von Immigranten aus dieser Region auf der Basis bilateraler Abkommen reguliert und in den meisten Fällen auf eine kurzfristige Erwerbstätigkeit begrenzt (Pallaske 2002). Mit den bilateralen Abkommen zur Arbeitskräftemigration waren von deutscher Seite eine Reihe von politischen und ökonomischen Zielen verbunden, wobei zunächst angestrebt wurde, die wirtschaftliche Entwicklung in Mittel- und Osteuropa mit Hilfe einer (kurzfristigen) Beschäftigung von Arbeitsmigranten aus diesen Staaten in Deutschland zu unterstützen. Weiterhin sahen die bilateralen Abkommen zur Arbeitsmigration vor, den Migrationsdruck auf Deutschland zu verringern, langfristige bzw. dauerhafte Zuwanderung zu vermeiden und illegale Arbeitsmigration zu verhindern. Zudem sollten die Arbeitsmigranten aus mittel- und osteuropäischen Staaten dazu beitragen, in Deutschland bestehende Engpässe am Arbeitsmarkt, z.B. bei der Nachfrage nach saisonalen Arbeitskräften in der Landwirtschaft, zu reduzieren. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die auf bilateralen Verträgen basierende Arbeitskräftemigration aus Mittel- und Osteuropa auch einen nachfragebestimmten Aspekt enthielt, vergleichbar mit der Rekrutierung von Arbeitsmigranten in den 1960er und beginnenden 1970er Jahren. Seit der Einführung der bilateralen Abkommen zu Arbeitsmigrationen gelten für mittel* und osteuropäische Arbeitnehmer verschiedene Zuwanderungsregelungen im Bereich der Saison-, Werkvertrags-, Gast- und Grenzarbeit. Während mittel- und osteuropäische Saisonarbeitnehmer auf individueller Basis eine zeitlich begrenzte Tätigkeit in Deutschland annehmen können, sind Werkvertragsarbeitnehmer Beschäftigte mittelund osteuropäischer Firmen (Subunternehmer), die mit deutschen Firmen kooperieren.
Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach
Deutschland
31
Die Entlohnung der entsandten Werkvertragsarbeitnehmer muss den in Deutschland geltenden Tarifen entsprechen, allerdings sind die Beiträge zur Sozialversicherung der Arbeitnehmer in den jeweiligen Heimatländern zu leisten. Anders als Werkvertragsarbeitnehmer gehen Gastarbeitnehmer aus diesen Staaten ein Beschäftigungsverhältnis mit deutschen Firmen ein, um ihre beruflichen und sprachlichen Kenntnisse zu erweitern. Als Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme müssen Gastarbeitnehmer eine abgeschlossene Berufsausbildung und Grundkenntnisse der deutschen Sprache mitbringen. Für ihre Tätigkeit steht ihnen der gleiche Tariflohn zu wie einheimischen Beschäftigten, und sie sind den deutschen Bestimmungen entsprechend sozialversicherungspflichtig. Bis zu den Osterweiterungen der Europäischen Union war die Zuwanderung mittelund osteuropäischer Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt in erster Linie von zeitlich befristeter, häufig wiederholter Arbeitsmigration gekennzeichnet. Die Beschäftigung von Saisonarbeitern spielte dabei - bezogen auf die nachgefragte Personenzahl die wichtigste Rolle (Becker 2003). Festzuhalten ist, dass die Zahl der beschäftigten Saisonarbeiter zwischen 1991 und dem Beginn des Jahres 2004 um das Zweieinhalbfache angestiegen war. Seither ging die Immigration saisonaler Arbeitskräfte etwas zurück, verharrt aber immer noch auf einem hohen Niveau. Im Jahresdurchschnitt kamen seit 1991 ca. 225.000 Saisonarbeitnehmer nach Deutschland, nahezu 84% davon waren aus Polen. Dies ist mit der anhaltenden heimischen Knappheit an Arbeitskräften für gering bezahlte, saisonale Tätigkeiten zu erklären, die sich trotz hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht verringerte. Die Gruppe der Werkvertragsarbeitnehmer nahm in der Tendenz über die Jahr hinweg ab, wobei sie jahresdurchschnittlich 41.000 Arbeitskräfte umfasste. Die Zahl der Gastarbeitnehmer fiel im Rahmen der vertraglich geregelten Arbeitsmigration kaum ins Gewicht. Das vorgesehene Kontingent von 7.050 Arbeitsplätzen für Gastarbeiter aus mittel- und osteuropäischen Staaten wurde in keinem Jahr voll ausgeschöpft.
2.2. Ost-West-Migration im Kontext der EU-Osterweiterungen Durch die Osterweiterungen der Europäischen Union im Mai 2004 (um Slowenien, die Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn, Litauen, Lettland, Estland, Malta und Zypern) und im Januar 2007 (um Rumänien und Bulgarien) wurde die Zuwanderung aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten nach Deutschland auf eine neue Basis gestellt. Ab dem 1. Mai 2004 galt innerhalb der erweiterten Union die Freizügigkeit von Personen, die aber im Falle der Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt werden konnte. Hier war eine gestaffelte bis zu siebenjährige Übergangsfrist (2+3+2 Regelung) vorgesehen, die es den bisherigen Mitgliedstaaten erlaubte, ihre nationalen Zuwanderungsregelungen gegenüber den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten vorerst noch beizubehalten, wobei die Notwendigkeit hierfür nach zwei Jahren zu überprüfen war. Nach weiteren drei Jahren (im Mai 2009) konnten die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen für maximal zwei weitere Jahre aufrechterhalten, wenn eine Störung des Arbeitsmarktes oder die Gefahr einer solchen Störung bestand. Allerdings gibt es für alle EU-Staaten, so auch für Deutschland, spätestens ab Mai 2011 keine Beschränkung der Zuwanderung aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten der ersten Erweiterungsrunde mehr. Im Falle Rumäniens und Bulgariens tritt die vollständige Arbeitnehmerfreizügigkeit im Januar 2014 ein.
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Barbara Dietz
Aufgrund von Prognosen, die Deutschland im Zentrum der neuen Arbeitswanderungen nach der Osterweiterung sahen (Boen und Brücker 2000, Straubhaar 2001, Sinn et al. 2002), legte die Bundesregierung im Zuge der Übergangsregulierungen - zunächst bis zum 30. April 2006 und 2009, dann bis zum 30. April 2011 - eine Beschränkung der Arbeitsmigration aus den mittel- und osteuropäischen EU-Staaten nach den bisher geltenden nationalen Bestimmungen fest. Allerdings wurde bereits im Zuge der Osterweiterung die Dienstleistungsfreiheit (das heißt, das Recht, als Selbständiger oder als Gesellschaft in anderen EU-Staaten Dienstleistungen zu erbringen) umfassend auf die neuen Mitgliedstaaten erstreckt. Damit wurde es Staatsangehörigen der mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten möglich, in jedem anderen EU-Staat als Selbständige eine Firma zu gründen. Diese neue Form der Arbeitsmigration wurde auch für Deutschland unmittelbar relevant. Trotz der Übergangsregelungen nahm die Migration aus den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten nach Deutschland als Folge der Osterweiterungen zu. Die erste Erweiterungsrunde führte zu einer Nettomigration von jahresdurchschnittlich 32.000 Personen aus den acht neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten (EU-8). Dies überstieg die Wanderangen der letzten zehn Jahre vor der Osterweiterang nach Deutschland nahezu um das Doppelte (Baas und Brücker 2010). Dennoch verlor Deutschland als Adressat der Arbeitsmigration aus Mittel- und Osteuropa im Vergleich zu den anderen EU-15 Staaten an Bedeutung. Während der Anteil Deutschlands an den Zuwanderern aus den acht neuen EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2004 etwas mehr als die Hälfte betragen hatte, machte er im Jahr 2009 nur noch 23% aus. Da England und Irland ihre Arbeitsmärkte unmittelbar nach der ersten Ostererweiterung für die neuen EUMitglieder geöffnet hatten, etablierten sich diese beiden Staaten als wichtigste Immigrationsziele der neuen EU-8 Arbeitsmigranten. Die Migration aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland hatte bereits in den Jahren vor der zweiten Osterweiterungsrunde im Jahr 2007 an Intensität gewonnen, danach aber nochmals deutlich zugenommen. In den Jahren zwischen 2000 und 2006 waren im Jahresdurchschnitt 6.900 Personen aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gekommen, in den Jahren seit der Aufnahme dieser Staaten in die EU waren es jahresdurchschnittlich 17.900 Migranten. Dennoch wurde Deutschland auch im Falle dieser beiden neuen EU-Staaten nicht wie erwartet zum bevorzugten Zuwanderungsland. EU-Staaten, die bereits im Vorfeld der zweiten Osterweiterung zu Emigrationszielen von Arbeitsmigranten aus Bulgarien und Rumänien geworden waren, wie Griechenland, Italien und Spanien, zogen auch nach der EU-Erweiterung im Jahre 2007 Migranten aus diesen Ländern an. Als möglicher Nebeneffekt der Osterweiterungen hat sich die Zahl von Studenten aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland erhöht, die als so genannte Bildungsausländer zum Studium nach Deutschland kommen. Allerdings deutete sich eine zunehmende Bildungsmigration bereits in den Jahren vor der EU-Erweiterung an. Zwischen den Wintersemestern 1996/1997 und 2002/2003 stieg die Zahl der Studenten aus Polen um mehr als das Doppelte, bei rumänischen Studenten konnte eine nahezu vierfache, bei ukrainischen Studenten eine fast fünffache und bei bulgarischen Studenten sogar eine siebenfache Steigerung verzeichnet werden. Im Jahr 2009 standen Studenten aus Russland mit einem Anteil von 5,4% an den ausländischen Studierenden in Deutschland an
Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach Deutschland
33
zweiter Stelle (hinter Studenten aus China). Studierende aus Polen (5,2%) und Bulgarien (5,1%) folgten auf dem dritten und vierten Platz.
3.
Die Integration der Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa in Arbeitsmarkt und Gesellschaft
In der Migrationsliteratur nimmt der Begriff Integration einen zentralen Stellenwert ein, wobei Integration bzw. Integrationserfolge zumeist daran gemessen werden, inwieweit Zuwanderer in wirtschaftlichen und in gesellschaftlichen Bereichen des Aufnahmelandes gleichberechtigt partizipieren können (Bauer et al. 2000). Dabei spielen sprachliche, soziale, kulturelle und ökonomische Differenzen zwischen dem Herkunfts- und dem Aufnahmeland der Migranten eine herausragende Rolle. Die Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt ist zum Beispiel davon abhängig, wie gut das im Herkunftsland erworbene Humankapital (Schul-, Berufsausbildung und Arbeitsmarkterfahrung) den Erfordernissen des Arbeitsmarktes des Aufnahmelandes entspricht (Zimmermann 1995) 5 . Zudem wird die wirtschaftliche, aber auch die gesellschaftliche Integration von staatlicher Politik beeinflusst, die ein Spektrum von öffentlich finanzierten Unterstützungsmaßnahmen (Sprachkurse, Ausbildungsförderung, Sozialleistungen) umfasst und die Rahmenbedingungen der Integration festlegt. Wie bereits gezeigt, unterscheiden sich die Immigranten aus Mittel- und Osteuropa nach dem Aufnahmestatus, den Herkunftsstaaten, dem ethnisch-kulturellen Hintergrund und der Wanderungsmotivation. Die Implikationen dieser unterschiedlichen Ausgangsbedingungen werden im Folgenden für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration der Gruppe der Spätaussiedler, der jüdischen Kontingentflüchtlinge und der Arbeitsmigranten aus den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Staaten exemplarisch aufgezeigt. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die staatlichen Integrationsmaßnahmen für diese Immigrantengruppen unterschiedlich ausgestaltet sind. Anerkannte (Spät-) Aussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge erhalten z.B. nach der Einreise eine unbefristete Arbeitserlaubnis, Unterstützung bei der Wohnungssuche und Hilfe beim deutschen Spracherwerb. Von Bedeutung ist, dass (Spät-)Aussiedler bereits unmittelbar nach der Aufnahme die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und dass sie die Möglichkeit haben, Berufsabschlüsse und Zeugnisse in einem erleichterten Verfahren anerkennen zu lassen. Andere Zuwanderer aus mittel- und osteuropäischen Staaten, die im Rahmen der Personenfreizügigkeit, der Arbeitsmigration oder der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen, können dagegen auf keine staatlichen Integrationshilfen zählen. 6
5
6
Empirische Studien auf diesem Gebiet vergleichen zumeist die Einkommen bzw. die Arbeitslosigkeitswahrscheinlichkeiten von Einheimischen und Immigranten. Diese Unterschiede gehen auf die Arbeitsmigration der 1960er und 1970er Jahre zurück, als nicht mit einer langfristigen Integration der Arbeitsmigranten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft gerechnet wurde, sondern mit der Rückkehr der Zuwanderer in ihre Herkunftsländer.
34
Barbara Dietz
3.1. Die wirtschaftliche Integration der Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa Ein wesentliches Kriterium für die wirtschaftliche Integration von Immigranten ist, ob sie gleichberechtigte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, d.h. ob sie Einkommen erzielen, die denjenigen vergleichbarer Einheimischer entsprechen, ob sie ihrer Ausbildung nach beschäftigt sind und ob sie mit einheimischen Beschäftigten vergleichbare Risiken der Arbeitslosigkeit haben. Während die wirtschaftliche Integration von Aussiedlern bis zum Ende der achtziger Jahre als Erfolgsgeschichte gesehen werden kann (Koller 1994, 1997), wiederholten sich diese positiven Erfahrungen für die danach eingereisten (Spät-)Aussiedlerkohorten nicht.7 Obwohl das Ausbildungsniveau der (Spät-)Aussiedler im Allgemeinen über dem der traditionellen Arbeitsmigranten aus den vormaligen Anwerbeländern liegt, fällt ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt schwer und sie arbeiten häufig unter ungünstigeren Bedingungen als Einheimische. Eine Auswertung des Sozioökonomischen Panels stellt beispielsweise für das Jahr 1998 fest, dass (Spät-)Aussiedler, die zwischen 1984 und 1994 nach Deutschland gekommen waren, im Vergleich zu Einheimischen ca. 25% weniger verdienen und dass sie zu einem größeren Teil als Einheimische in gering qualifizierten Berufen arbeiteten (Kreyenfeld und Konietzka 2002). Eine später durchgefühlte Analyse fand zwischen (Spät-)Aussiedlern der Ankunftsjahre 1988 bis 2002 und Einheimischen eine ursprüngliche Einkommensdifferenz von 50%, wobei geschätzt wurde, dass sich nach einem Zeitraum von 9 bis 12 Jahren eine Annäherung an die Einkommen Einheimischer vollzieht (Fertig und Schurer 2007). Eine Analyse der Einkommensdeterminanten weist bei (Spät-)Aussiedlern auf bekannte Zusammenhänge, aber auch auf einige Besonderheiten hin. Zwar ist bei (Spät-) Aussiedlern eine positive Verknüpfung von beruflicher Qualifikation und Einkommenshöhe festzustellen, diese wirkt sich aber nur dann aus, wenn die (Spät-)Aussiedler in ihren Ausbildungsberufen tätig sind (Kreyenfeld und Konietzka 2002). Im Gegensatz dazu können (Spät-)Aussiedler, denen es nicht gelingt, wieder in ihrem Beruf Fuß zu fassen, nicht auf positive Einkommenseffekte durch ihre Berufsausbildung zählen. Wie zu vermuten, wirken sich sehr gute und gute deutsche Sprachkenntnisse positiv auf die Einkommen aus. Dies ist insbesondere in qualifizierten Berufen und im Dienstleistungssektor der Fall. Allerdings sind gute deutsche Sprachkompetenzen bei (Spät-)Aussiedlern trotz des deutschen Sprachtests nicht selbstverständlich, da sie durch die fortschreitende Assimilation in den Herkunftsländern die deutsche Sprache weitgehend verloren haben. Bei der Suche nach einem Arbeitsplatz sind für (Spät-)Aussiedler das Alter, die Sprachkenntnisse, die berufliche Qualifikation und der im Herkunftsland ausgeübte Beruf von Bedeutung. Jüngere (Spät-)Aussiedler finden leichter einen Arbeitsplatz als ältere, und (Spät-)Aussiedlern mit sehr guten oder guten Deutschkenntnissen gelingt die 7
Bis zum Ende der 1980er Jahre war die Gruppe der Aussiedler vergleichsweise klein, ihre Deutschkenntnisse gut, und die mitgebrachte Ausbildung konnte relativ erfolgreich am Arbeitsmarkt umgesetzt werden. Diese Faktoren trugen dazu bei, dass Aussiedler sich mit geringeren Friktionen als in späteren Jahren in den Arbeitsmarkt integrieren konnten.
Die Immigration aus Mittel- und Osteuropa nach
Deutschland
35
Arbeitsaufnahme eher. Für beruflich qualifizierte Spätaussiedler ist die Suche nach einem Arbeitsplatz nicht einfach, besonders wenn sie in Organisations-, Verwaltungs-, Sozial- und Erziehungsberufen gearbeitet haben. Hier kommt zweifellos die Sprachproblematik zum Tragen, aber auch die begrenzte Möglichkeit in (post-)sozialistischen Ländern erworbene Berufsausbildungen in Deutschland umzusetzen. Verschiedene Studien zeigen, dass Arbeitslosigkeit unter (Spät-)Aussiedlern seit den neunziger Jahren ein Problem darstellt, wobei ihre Arbeitslosenquote über derjenigen von einheimischen Deutschen liegt. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung kam für das Jahr 2004 zu dem Ergebnis (Brück-Klingberg et al. 2007), dass die Arbeitslosigkeit unter (Spät-)Aussiedlern 34% betrug, das war deutlich höher als die Arbeitslosigkeit unter einheimischen Deutschen (16,1%), und auch unter Ausländern in Deutschland (19,8%). Während aber das Arbeitlosigkeitsrisiko unter besser ausgebildeten einheimischen Deutschen und Ausländern niedriger war als unter weniger Ausgebildeten, hatten (Spät-)Aussiedler mit höherer Bildung geringere Chancen, eine Arbeit zu finden, als schlechter Ausgebildete (Brück-Klingberg et al. 2007). Dies bestätigt die bereits angesprochenen Schwierigkeiten der (Spät-)Aussiedler, ihre in den (post-)sowjetischen Staaten erworbene Ausbildung und erlernte Qualifikation in Deutschland umzusetzen. Bezogen auf die Arbeitsmarktintegration, sind jüdische Immigranten aus den Nachfolgestaaten der UdSSR in einer den (Spät-)Aussiedlern vergleichbaren Ausgangsposition. Sie reisen nach Deutschland ein, ohne hier eine Arbeitstelle zu haben, die meisten bringen nur geringe Deutschkenntnisse mit, und ihre Ausbildung erhielten sie in den Nachfolgestaaten der UdSSR. Allerdings kommen jüdische Kontingentflüchtlinge überwiegend aus Urbanen Gebieten des europäischen Teils der vormaligen Sowjetunion, und sie sind überdurchschnittlich gut ausgebildet. Über 70% dieser Immigranten, die in den 1990er Jahren nach Deutschland kamen, hatten eine Universitäts- oder Fachhochschulbildung, viele verfügten über eine langjährige Berufserfahrung (Tress 1995; Schoeps et al. 1999). Dennoch ist das Arbeitsmarktrisiko auch bei dieser Zuwanderungsgruppe hoch. Im Jahr 2000 waren 32% der jüdischen Kontingentflüchtlinge, die zwischen 1990 und 1995 nach Deutschland gekommen waren, arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit der Kohorte, die zwischen 1996 und 2000 eingereist war, betrug sogar 60% ( o , dann verringert sich die relative Knappheit des zuwandernden Faktors und die relative Entlohnung von Arbeit sinkt: C4)
d(w2/wi)= dV,
a, daJdwy^-daJdw.-V,
>Q
Der Lohnsatz w, sinkt relativ zum Zinssatz w2, was zu Reallohnverlusten der Faktorbesitzer von v, führt; Besitzer des Faktors v2 verzeichnen hingegen einen realen Einkommensgewinn: w2
^ w2
w, )
In Gleichung (5) bezeichnet 9X = ^w, / C(w) den Kostenanteil von v, an den Gesamtkosten in der Produktion und folgt aus der Nullgewinnbedingung. Da relativ zu w2 sinkt - die Veränderungsrate kleiner ist, erhalten wir für den Ausdruck in Klammem ein positives Vorzeichen. Trotz dieser asymmetrischen Verteilungswirkung der Zuwanderung erhöht sich durch selbige die Gesamtproduktion der Ökonomie in einer Höhe, die es den Reallohngewinnem erlauben würde, die Reallohnverlierer vollständig zu kompensieren. Die Zuwanderung jedweden Produktionsfaktors steigert also in diesem Modellrahmen die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt, allerdings auf Kosten unerwünschter Verteilungswirkungen. Wir können das Modell auch direkt auf den Arbeitsmarkt mit heterogener Arbeit erweitem. Nehmen wir an, dass v, geringqualifizierte Arbeit darstellt und v2 qualifizierte Arbeit. Dann führt die Zuwanderung von gering qualifizierten Arbeitern tenden-
196
Heiko Peters und Benjamin
Weigert
ziell zu einer Reallohnerosion, während qualifizierte Arbeit durch einen Anstieg ihres Reallohns davon profitiert. Anders sieht das Ergebnis allerdings aus, wenn wir unterstellen, dass der Produktionsfaktor v2 ebenfalls variabel ist. So wird etwa im Fall eines kleinen Landes, das in der Produktion Arbeit und Kapital einsetzt, der Kapitalzins auf dem internationalen Kapitalmarkt bestimmt und ist durch ein kleines Land nicht beeinflussbar. Deshalb kann sich dieser durch Zuwanderung von Arbeitskräften nicht ändern, da kleinste Abweichungen vom Weltmarktpreis Kapitalzuflüsse auslösen. Der Zustrom an Zuwanderern wird daher den Zufluss von neuem Kapital in einem Umfang bewirken, bis das Verhältnis von Arbeit und Kapital dem Gleichgewicht vor der Zuwanderung entspricht. Aus Gleichung (5) wird ersichtlich, dass, wenn der Kapitalzins sich nicht ändern kann, auch der Reallohn gleich bleiben muss, was nur möglich ist, wenn gemäß Gleichung (4) genau so viel Kapital ins Land strömt, bis das Verhältnis von vt zu v, wieder dem vor der Zuwanderung entspricht. Somit würde keiner der beiden Produktionsfaktoren Reallohngewinne oder -Verluste zu verzeichnen haben; lediglich das gesamtwirtschaftliche Produktionsvolumen würde sich durch die Zuwanderung erhöhen, wobei das zusätzliche Produktionsvolumen auf die Zuwanderer und die ausländischen Kapitaleigner entfallen würde. Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt bliebe demnach von der Zuwanderung gänzlich unberührt. Das bisher diskutierte Modell eines kleinen Landes lässt sich leicht auf drei Produktionsfaktoren erweitern, etwa zwei Arten von Arbeit, geringqualifizierte v,, qualifizierte v2 und Kapital V3. In diesem Fall ist es einfacher, den Einfluss der Zuwanderung anhand der Gewinnmaximierungsbedingung zu analysieren, in die bereits die Gleichgewichtsbedingungen für die drei Faktormärkte eingesetzt wurden: (6)
/,(V,,V2,V3)= w,,
/2(V,. V2, V3) = w2,
f](V„V1,V,) = w,-,
dabei bezeichnet jeweils die partielle Ableitung nach dem y'-ten Produktionsfaktor. Der Einfluss der Zuwanderung auf die Lohnverteilung zwischen den verschiedenen Arten von Arbeit, hängt entscheidend von der Annahme ab, ob Kapital zufließt oder nicht. Für die kurze Frist unterstellen wir, dass Kapital vollkommen unelastisch ist, also kein zusätzliches Kapital zuströmen kann. Analog zum bereits diskutierten Fall zweier Produktionsfaktoren in einer geschlossenen Ökonomie ändert sich durch die Zuwanderung von v, und/oder v2 die Kapitalentlohnung und wird sich vom internationalen Zins unterscheiden. Wandert nun sowohl gering qualifizierte Arbeit als auch qualifizierte Arbeit zu dv,,dv, > o , so ändert dies die Grenzproduktivität jedes Faktors: (7)
/„(.)dV 1 + fu(.)dV2
= dwt,
f2l (•) dVt + f22 (.) dV2 - dw 2,
/,,(.) dV, + /,.(.) dV 2 = dw
Zuwanderung von ausschließlich geringqualifizierter Arbeit dv2 = o verringert in jedem Fall deren Entlohnung, da unsere Annahmen die Produktionstechnologie /.. < o v ; implizieren. Welchen Einfluss die Zuwanderung auf die Entlohnung der anderen Produktionsfaktoren hat, hängt dann im Wesentlichen davon ab, ob deren Grenzprodukt positiv oder negativ vom einwandernden Faktor beeinflusst wird.
Arbeitsmarkteffekte
197
von Einwanderern in Deutschland
Selbst für den speziellen Fall, dass die Zusammensetzung der Zuwanderergruppe der Zusammensetzung der Gruppe einheimischer Arbeitskräfte entspricht dv, / dv, = v,/v2, erhalten wir als Ergebnis, dass die Kapitalentlohnung steigt: rsi ( >
fu{
-'v2
dv2'
- f
Jn(
''v2
J
dV2
f
r -,
^'v2~
v
3
_dw3 dV2
Dies ist unmittelbar einleuchtend, da der Zustrom an geringqualifizierter und qualifizierter Arbeit die relative Knappheit von Kapital erhöht und dadurch die Kapitalentlohnung in jedem Fall ansteigen muss. Da die Güterpreise konstant bleiben, bedeutet ein Anstieg der Kapitalentlohnung, dass die gesamte Gruppe der Beschäftigten - geringqualifiziert und qualifiziert - von einem realen Einkommensrückgang betroffen ist. Wie sich jedoch der Rückgang des Einkommens bei jeder der beiden Gruppen niederschlägt, hängt letztlich davon ab, wie das Grenzprodukt der jeweiligen Gruppe durch die Zuwanderung beeinflusst wird. Es ist somit möglich, dass beide Gruppen jeweils einen realen Rückgang der Entlohnung erleben werden, oder aber, dass nur eine der beiden Qualifikationsgruppen von einem Rückgang der Entlohnung betroffen ist, während die andere Gruppe einen Anstieg der Entlohnung erlebt. In der langen Frist wird der Anstieg der Kapitalentlohnung entsprechende Kapitalströme auslösen, so dass sich der Kapitalbestand insgesamt wieder erhöht und die heimische Kapitalentlohnung wieder der auf den internationalen Kapitalmärkten entspricht. Der Fall vollkommener Kapitalmobilität lässt sich ebenfalls leicht in unserem Modellrahmen abbilden, indem wir dw, = o setzen. Da sich die Kapitalentlohnung im Gleichgewicht nicht ändern kann, kommt es durch Zuwanderung zu einem Kapitalzufluss in Höhe von: (9)
jy
/3,(.)^+/32(.W2
während sich die Lohnänderungen für die jeweiligen Gruppen wie folgt schreiben lassen:
fll
V
J
fn
U
J
Der Ausdruck f.. f.. - f;JM < 0, sofern die Isoquanten der Produktionsfunktion für alle relativen Mengen an Produktionsfaktoren konvex zum Ursprung sind. Dann ist jeweils der Bestimmungsgrund für die Lohnänderung, ob die Einwanderung eine andere Struktur aufweist als die Zusammensetzung des heimischen Arbeitsangebots. Überwiegt der Zustrom geringqualifizierter Arbeitskräfte dvt / v, > dv jv,, dann erodiert deren Lohnsatz, während ein überwiegender Zustrom qualifizierter Zuwanderer den Lohnsatz der geringqualifizierten Arbeiter erhöht und den der qualifizierten verringert.
3.2. Zuwanderung in einer Zwei-Sektor-Ökonomie Wir erweitern nun den Modellrahmen, indem wir mehr als einen Sektor betrachten. Konkret nehmen wir an, dass eine Ökonomie zwei Güter produziert, jeweils unter Verwendung von zwei Produktionsfaktoren Arbeit v, und Kapital. In der kurzen bis mittleren Frist ist der, in den jeweiligen Sektoren eingesetzte Kapitalstock fix, das heißt, Ka-
Heiko Peters und Benjamin Weigert
198
pital kann nicht ohne weiteres von einem Sektor in den anderen Sektor transferiert werden und ist daher sektorspezifisch. Langfristig kann jedoch der Kapitalstock in beiden Sektoren variiert werden. In jedem Fall ist der Faktor Arbeit sowohl in der kurzen als auch in der langen Frist vollkommen mobil zwischen den beiden Sektoren. Nachfolgend werden wir die beiden Fällen diskutieren und sehen, dass sich zwischen den beiden Konstellationen erhebliche Unterschiede in der Arbeitsmarktwirkung von Zuwanderung ergeben. Betrachten wir zuerst den kurz- bis mittelfristigen Fall, in dem das Kapital sektorspezifisch ist; v, und V3 bezeichnen jeweils den Kapitalstock im Sektor 1 und 2. Da wir eine kleine offene Volkswirtschaft betrachten, sind die Güterpreise international vorgegeben, und durch die mangelnde Mobilität des Kapitals können sich die Kapitalentlohnungen in den beiden Sektoren unterscheiden. Aus den Gleichungen (1) und (2) erhalten wir für den Fall M = 3 und N = 2 jeweils zwei Nullgewinnbedingungen sowie die Markträumungsbedingung für die drei Produktionsfaktoren.
(11)
a l 2 (l,w 2 /w,) 2 ^(Lw-j/w,) 3 c,(l,w 2 /w|) _ 1 d(w2 ! w{) ^ >0 c 2 (l, w3 / w.) p d(w2/wt)
"
d(w2/w,)
Die beiden Gleichungen beschreiben das Gleichgewicht der Ökonomie. Die relativen Nachfragen nach Arbeit im ersten und zweiten Sektor hängen jeweils positiv von den relativen Lohnsätzen W, / W. und w3 / W, ab. Damit beschreibt die Bedingung für das Faktormarktgleichgewicht eine fallende Kurve im ((w 2 /w,),(w 3 /w 1 ))-Raum. Die Nullgewinnbedingungen beschreiben ihrerseits eine steigende Funktion. Damit ist ein Gleichgewicht in der Ökonomie eindeutig. Durch die Zuwanderung von Arbeitskräften dv t > o wird Arbeit relativ zu allen anderen Produktionsfaktoren reichlicher, und das sektorspezifische Kapital wird jeweils relativ knapper. Die zugewanderten Arbeiter erhöhen die Produktion in beiden Sektoren, allerdings sinken in beiden Sektoren das Grenzprodukt der Arbeit und damit der Lohnsatz. Da die Produktionstechnologie konstante Skalenerträge aufweist, müssen das Grenzprodukt des Kapitals und damit die Kapitalentlohnung steigen. Im Ergebnis sinkt die relative Entlohnung von Arbeit, während die des Kapitals in beiden Sektoren steigt. Zuwanderung verschiebt somit den Gleichgewichtslokus des Faktormarktes nach außen, verändert die Lage der Nullgewinnbedingung jedoch nicht. Wenn wir die Annahme sektorspezifischen Kapitals aufheben, erhalten wir das Heckscher-Ohlin-Modell. Mit Kapital, das zwischen den Sektoren mobil ist und wenn in beiden Sektoren positive Mengen produziert werden, wird im Gleichgewicht auch die Kapitalentlohnung in der Ökonomie einheitlich sein. Formal lässt sich die Ökonomie wie folgt formulieren:
Arbeitsmarkteffekte
von Einwanderern in Deutschland
au(wl,w2
(12)
199
)V, + a 2 l (w,, w 2 )Y2 = V,
f 2 ) c2(wt,w2)
=
= V2
1 p
Eine wichtige Eigenschaft dieses Modells ist, dass für gegebene Güterpreise die Faktorpreise ausschließlich durch die Nullgewinnbedingung bestimmt werden. Somit spielt in diesem Fall das Angebot an Produktionsfaktoren für die nationale Bestimmung der Faktorpreise keine Rolle. Kommt es nun in dieser Ökonomie zu Zuwanderung, reagieren deshalb nur die Produktionsmengen. Konkret führt die Zuwanderung lediglich zu Produktionsanpassungen in den beiden Sektoren, wobei der Sektor expandiert, der Arbeit relativ intensiv nutzt c^, /3, 2 , während der andere Sektor schrumpft: dY,
(13)
d v
\
OMi.O\\lan-a2Ja22)
dY, dVl
«^(a,,/o,2
-a21/a22)
Zuwanderung löst daher in einer kleinen offenen Volkswirtschaft lediglich sektorale Anpassungen aus, allerdings keinerlei Lohneffekte (Rybczynski-Effekt). Sind die beiden Faktoren zwei unterschiedliche Arten von Arbeit, geringqualifizierte und qualifizierte, dann liefert uns das Modell als Ergebnis, dass durch Zuwanderung geringqualifizierter Arbeitskräfte der Sektor schrumpft, der qualifizierte Arbeit intensiv nutzt, während der andere Sektor expandiert. Dieses Ergebnis setzt jedoch voraus, dass beide Sektoren aktiv sind, also keine vollständige Spezialisierung vorliegt. Mit Blick auf die Bestimmungsgleichungen des Modells ist leicht ersichtlich, dass bei vollständiger Spezialisierung die Auswirkungen der Zuwanderung analog zu denen des Ein-Sektor-Modells sind. Alle hier diskutierten Modelle unterstellen flexible Faktorpreise. Die meisten Länder weisen jedoch Lohnrigiditäten in Form von Mindestlöhnen oder Mindesteinkommen, die Marktlöhne faktisch nach unten begrenzen, auf. Typischerweise sind diese Mindestlöhne für geringqualifizierte Arbeiter bindend, so dass ein Teil von ihnen arbeitslos ist und damit der Arbeitsmarkt zum bindenden Mindestlohn nicht geräumt werden kann. In den hier diskutierten Modellen können wir leicht einen Mindestlohn einführen. Das wesentliche Ergebnis von Zuwanderung ist dann, dass der ausgelöste Lohndruck sich nicht mehr entfalten kann und stattdessen die Arbeitslosigkeit dieses Faktors steigt. Die Zuwanderung vornehmlich geringqualifizierter Arbeitskräfte löst demnach statt einer Lohnreduktion einen Anstieg der Arbeitslosigkeit aus, von der dann Einheimische und Zuwanderer gleichermaßen betroffen sind. Das ist dann die Kehrseite der gleichen Medaille (Krugman, 1995), nur dass sich eben statt eines Preiseffekts mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit ein Mengeneffekt zeigt. Wenn die Ursache für Rigiditäten modelliert wird, das heißt der Mindestlohn endogenisiert wird, dann ergeben sich teilweise andere Ergebnisse, im Vergleich zu einem exogen gesetzten Mindestlohn.
200
Heiko Peters und Benjamin Weigert
So betrachten Schmidt et al. (1994) eine Erweiterung des bereits oben diskutierten Ein-Sektor Modells mit drei Produktionsfaktoren - qualifizierte und geringqualifizierte Arbeit - sowie Kapital. Statt eines exogenen Mindestlohns für geringqualifizierte Arbeit verhandelt eine Monopolgewerkschaft über die Lohnhöhe beider Gruppen von Arbeitern. Der Einfluss von Zuwanderung auf die Lohnverteilung und die Beschäftigung hängt, ähnlich wie im Fall flexibler Löhne, von der Substitutions- oder Komplementaritätsbeziehung der verschieden Produktionsfaktoren ab. In diesem Modellrahmen kann Zuwanderung Druck auf die Gewerkschaften ausüben, so dass diese den Lohn senken und die Arbeitslosigkeit unter den Einheimischen abnimmt.
4.
Arbeitsmarkteffekte von Immigration und Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt: Empirischer Überblick
4.1. Einfluss von Immigration auf Beschäftigung und Löhne Die empirische Literatur bezüglich der Arbeitsmarkteffekte versucht nun herauszufinden, wie groß die tatsächliche Verteilungswirkung von Immigration ist. Da die theoretischen Modelle jeweils unterschiedliche Aussagen darüber machen, wie die Verteilungswirkung wirklich aussieht, ist es für wirtschaftspolitische Empfehlungen wichtig zu wissen, welcher der vorgestellten theoretischen Modellrahmen für eine Analyse angemessen ist. Wir haben gesehen, dass in einer kleinen offenen Volkswirtschaft entweder nur Mengeneffekte (Heckscher-Ohlin-Modell) oder beides, Faktorpreis- und Mengeneffekte auftreten können. Im Hauptfokus der empirischen Arbeiten steht also die Wirkung von Immigration auf die Beschäftigungschancen und Löhne von bereits im Inland lebenden Personen - Einheimische und bereits in Deutschland lebende Personen mit Migrationshintergrund. In der empirischen Literatur wurden verschiedene Ansätze verwendet: Der als erster und bisher am häufigsten verwendete Ansatz untersucht die Wirkung von Einwanderung auf Löhne und Beschäftigung auf lokalen Arbeitsmärkten. Deutschland wird dabei in lokale Gebiete aufgeteilt, und für diese lokalen Arbeitsmärkte werden dann die Löhne mit dem Immigrantenanteil an der Bevölkerung in diesem lokal abgegrenzten Gebiet, den Beschäftigungsquoten und regionenspezifischen Variablen korreliert. De New und Zimmermann (1994) und Pischke und Velling (1997) wenden diesen Ansatz für Deutschland an und kommen zu dem Ergebnis, dass durch Einwanderung keine bedeutenden negativen Effekte auf Löhne und Beschäftigung von Einheimischen bestehen. Problematisch an diesem Schätzansatz ist allerdings, dass Immigranten systematisch auf unterschiedliche lokale Arbeitsmärkte verteilt sein könnten und Einheimische als Reaktion auf die Zuwanderung in andere Gebiete umziehen oder ihr Kapital dorthin lenken könnten. In der Folge dürfte sich die Entlohnung von Arbeit und Kapital über alle Regionen hinweg angleichen. Wenn dann die Löhne zwischen den lokalen Arbeitsmärkten verglichen werden, ergeben sich natürlich keine oder aber nur geringe Unterschiede. Hieraus kann dann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Zustrom an Immigranten keinen Einfluss hat, da sich die Auswirkung durch die Verlagerung von Arbeit und Kapital über das ganze Land verteilt hat (Borjas 1999).
Arbeitsmarkteffekte von Einwanderern in Deutschland
201
In dem zweiten Ansatz werden nicht mehr lokale Arbeitsmärkte betrachtet, sondern es wird auf die Ebene der gesamten Volkswirtschaft gewechselt. Die Arbeitskräfte werden je nach Qualifikationsniveau - bzw. Berufsklassifikation - und Berufserfahrung in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Für diese Gruppen werden dann der Durchschnittslohn und der Immigrantenanteil bestimmt. Dieser Lohn wird dann mit dem Immigrantenanteil und weiteren erklärenden Variablen korreliert. Für die Gruppierung nach Qualifikationsniveau und Berufserfahrung findet Bonin (2005), dass eine Erhöhung des Immigrantenanteils um 10 Prozent die Löhne um 1 Prozent senkt. Steinhardt (2009) findet mit dem gleichen Ansatz einen Effekt in Höhe von -0,6 Prozent. Er nimmt zusätzlich die Unterteilung nach Berufsklassifikation und Berufserfahrung vor und findet einen Effekt in Höhe von -1,6 Prozent. Problematisch an diesem Ansatz ist allerdings, dass keine Interaktion von Löhnen und Beschäftigten sowie den gegenseitigen Auswirkungen von Angebotsveränderungen in den Gruppierungen beachtet werden. Mit einem Produktionsfunktionenansatz wird in der dritten Herangehensweise die Wirkung auf den Lohn bestimmt. In diesem allgemeinen Gleichgewichtsansatz wird die Wirkung von Verschiebungen des Arbeitsangebots in einem Arbeitsmarktsegment auf andere Arbeitsmarktsegmente beachtet. D'Amuri et al. (2010) finden insgesamt nur sehr geringe Effekte. Für bereits in Deutschland lebende Immigranten wird aber eine negative Auswirkung sowohl auf die Löhne als auch auf die Beschäftigung gefunden. Da diesen Berechnungen allerdings die Annahme von sich komplett räumenden Arbeitsmärkten zugrunde liegt, ist der Ansatz im Falle des Vorliegens von Rigiditäten nicht geeignet. Mit einem Lohnkurvenansatz schätzten Brücker und Jahn (2010, 2011) die Elastizität der Lohnsetzungskurve. Es wird damit für verschiedene Gruppen des Arbeitsmarktes geschätzt, wie sich der Lohn bei einer Änderung der Arbeitslosenquote verändert. Dabei werden die Substitutionselastizitäten zwischen Einheimischen und Ausländern sowie zwischen verschiedenen Bildungs- und Berufserfahrungsgruppen geschätzt. In ihrem Ansatz werden Rigiditäten mit beachtet. Nach den Ergebnissen von Brücker und Jahn (2010, 2011) profitieren heimische Arbeitskräfte über alle Qualifikationsniveaus hinweg langfristig durch eine Steigerung ihrer Löhne und eine Reduktion der Arbeitslosigkeit. Da Immigranten nur eingeschränkt mit Einheimischen am Arbeitsmarkt konkurrieren und in stärkerer Konkurrenz mit bereits im Inland lebenden Ausländern stehen, müssen diese die Anpassungslasten tragen. Die Arbeitsmarktwirkungen sind umso vorteilhafter, je höher das Qualifikationsniveau und je geringer die Berufserfahrung ist. Die empirischen Studien zeigen somit, dass die Befürchtungen der heimischen Bevölkerung, die Einwanderer würden ihre Beschäftigungschancen verschlechtern und einen Lohndruck ausüben, nicht bestätigt werden. Für heimische Arbeitskräfte führt Einwanderung tendenziell eher zu einer Verbesserung ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die Anpassungslasten müssen die bereits im Inland lebenden Ausländer durch eine Verschlechterung ihrer Beschäftigung und geringere Löhne tragen. Hier ist die Integrationspolitik gefordert, die für eine Verbesserung der Situation von bereits im Inland lebenden Ausländern auf dem Arbeitsmarkt - durch beispielsweise die Verbesserung der Sprachfähigkeiten, die Anerkennung von Bildungsabschlüssen und den Abbau von Diskriminierungen - sorgen könnte. Diese hätte dann allerdings auch zur Folge,
202
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dass sich die positiven Effekte von Immigration nicht nur auf heimische Arbeitskräfte, sondern dazu noch auf im Inland lebende Ausländer verteilen (Brücker und Jahn 2010).
4.2. Integration von Immigranten in den Arbeitsmarkt Neben den direkten Arbeitsmarkteffekten auf die Beschäftigung und Löhne von bereits im Inland lebenden Personen ist die langfristige Integration der Immigranten auf dem Arbeitsmarkt des Gastlandes bedeutsam. Dies liefert Informationen darüber, welchen Beitrag Immigranten im Gastland leisten können. Die Einwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften hat mehrere Vorteile, da sie typischerweise besser in den Arbeitsmarkt integriert sind (OECD 2008). Sie tragen zu Innovationen bei und steigern damit die Produktivität und unterstützen das Wachstum in Technologiesektoren (Freeman 2006). Bei der Integration in den Arbeitsmarkt sollte unterschieden werden, ob überhaupt die Aufnahme einer Beschäftigung gelingt und wenn ja, ob eine ökonomische Assimilation stattfindet. Der Einstieg von Immigranten in den Arbeitsmarkt könnte durch eine ex-ante-Diskriminierung deutlich erschwert werden und damit geringere Partizipationsraten zur Folge haben. Kaas und Manger (2010) präsentieren erste Hinweise auf das Vorhandensein von ex-ante-Diskriminierung für Deutschland. Bei gleichen persönlichen Charakteristika werden Studenten mit einem deutsch klingenden Namen im Zuge einer Bewerbung um einen Praktikumsplatz deutlich häufiger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen als Bewerber mit einem ausländisch klingenden Namen. Inwieweit eine ökonomische Assimilation der Immigranten nach Aufnahme einer Arbeit im Gastland gelingt, ist ebenso ein wichtiges Themenfeld. Der Hauptfokus der ökonomischen Literatur liegt hierbei in der Lohnentwicklung von Immigranten. Zum Zeitpunkt der Einwanderung verdienen Immigranten wegen des fehlenden länderspezifischen Humankapitals weniger als Einheimische bei gleichen sozio-ökonomischen Eigenschaften. Mit jedem Aufenthaltsjahr im Gastland können Immigranten länderspezifisches Wissen aufbauen und damit den anfänglichen Lohnabstand verringern. Für Deutschland finden die Studien einen negativen Einkommensunterschied zum Zeitpunkt der Einwanderung. Die Ergebnisse bezüglich einer Lohnangleichung mit der Aufenthaltsdauer sind allerdings nicht eindeutig (Bauer u. a. 2005; Constant und Massey 2005; Dustmann 1993; Licht und Steiner 1994; Pischke 1992; Schmidt 1997). Die neueren Studien finden allerdings eine Konvergenz (Adsera und Chiswick 2007; Fertig und Schurer 2007; Gundel und Peters 2007). Deutliche Unterschiede gibt es aber bei einer Differenzierung nach Herkunftsländern. Eine Angleichung der Einkommen findet für Immigranten aus Hochlohnländern bereits nach etwa 5 Jahren statt und für Spätaussiedler erst nach 30 Jahren. Immigranten aus Niedriglohnländern und der Türkei können die Einkommenslücke im Vergleich zu Einheimischen zwar in den ersten Jahren leicht reduzieren, eine Angleichung findet allerdings nicht statt (Gundel und Peters 2007). Als wichtige Determinanten für eine Angleichung erweisen sich gute Sprachkenntnisse (Aldashev u. a. 2009; Dustmann und Soest 2002). Fraglich ist allerdings, ob ein bestehender Lohnunterschied auf unbeobachtbare Eigenschaften oder auf ex-post-Diskriminierung zurückzuführen ist. Im Querschnitt betrachtet, steigt der Lohnnachteil von Immigranten gegenüber Deutschen über die Lohn-
Arbeitsmarkteffekte
von Einwanderern in Deutschland
203
Verteilung hinweg an. Die Dekomposition des Einkommensunterschieds liefert, dass dieser hauptsächlich durch eine unterschiedliche Entlohnung der Eigenschaften verursacht wird (Peters 2008). Dies kann allerdings nicht so einfach als ex-postDiskriminierung interpretiert werden. Da für Unternehmen Unsicherheit darüber besteht, wie lange der Immigrant im Gastland bleiben wird, bewirkt diese Unsicherheit gegenüber einem Einheimischen mit den gleichen persönlichen Eigenschaften, dass der Immigrant geringer entlohnt wird. In einer Lohnregression zeigt sich genau dieser Effekt, nämlich dass eine erhöhte Rückkehrwahrscheinlichkeit negativ mit dem Lohn korreliert ist (Peters und Weigert 2009).
5.
Zusammenfassung
Der massive Zustrom von Immigranten seit dem II. Weltkrieg hat Deutschland zu einem Einwanderungsland werden lassen. Seitdem der Anwerbestopp von .Gastarbeitern' im Jahr 1973 eingeführt wurde, ist die Immigrationspolitik in Deutschland darauf ausgerichtet, den Arbeitsmarkt vor Zuwanderung aus dem Ausland zu schützen. Es können seitdem legal nur Familienangehörige von bereits in Deutschland lebenden Immigranten, Spätaussiedlem, Flüchtlingen und Asylbewerbern einwandern. Somit wurde die Einwanderung nicht aktiv und nach bestimmten Kriterien gesteuert, sondern ergab sich eher aus politischen Veränderungen heraus. Im Gegensatz zur stetig sinkenden Zahl der Nettomigration in den letzten Jahrzehnten und dem im Vergleich zu Ausländern anderer OECD-Länder relativ geringen Bildungsniveau von Ausländern in Deutschland haben es Länder mit einer aktiven Steuerung der Migration mit Qualitätskriterien wie Australien, die USA und Kanada geschafft, nicht nur eine höhere Nettomigration aufzuweisen, sondern auch einen größeren Anteil von hoch qualifizierten Personen anzuziehen. Keine aktive Steuerung mit Qualitätskriterien eingeführt zu haben scheint für Deutschland nachteilig gewesen zu sein. Inwieweit es hier zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt kommen könnte, ist aus theoretischer Sicht nicht eindeutig. Die Auswirkungen können positive, negative, aber auch gar keine Lohnwirkungen sein. Inwieweit es allerdings zu Umverteilungen kommt, hängt davon ab, ob sich Immigranten und heimischen Arbeitskräften hinsichtlich ihrer Qualifikation voneinander unterscheiden. In zahlreichen theoretischen Modellen kann gezeigt werden, dass die Arbeitskräfte mit der Qualifikation reale Lohneinbußen hinnehmen müssen, die unter den Immigranten am häufigsten vorkommt. In Mehrsektorenmodellen kommt es allerdings zu keinerlei Verteilungswirkungen, sondern zu sektoralen Verschiebungen. Bei den empirischen Studien zu der Wirkung von Immigration auf die Löhne und Beschäftigung von Einheimischen zeigt sich bei den verschiedenen empirischen Methoden, dass es, wenn überhaupt, eher zu positiven Wirkungen für heimische Arbeitskräfte kommt. Unter Druck geraten hier allerdings bereits in Deutschland lebende Ausländer. Neben der Wirkung von Immigration auf die bereits in Deutschland lebende Bevölkerung ist es wichtig, dass die neu ankommenden Immigranten möglichst schnell und dauerhaft erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Hier ist die Integrationspolitik gefordert, die durch intensive Sprachkurse, die Anerkennung von Bildungsab-
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Heiko Peters und Benjamin Weigert
Schlüssen, Qualifizierungsmaßnahmen, aktive Arbeitsvermittlung und den Abbau von Diskriminierungen erheblich dazu beitragen kann. Ob ex-ante-Diskriminierungen auf breiter Basis vorkommen, bedarf weiterer Forschungsarbeit. Erste Hinweise auf das Vorhandensein liefert die Studie von Kaas und Manger 2010. Hier sollte es darum gehen, nicht gerechtfertigte Vorurteile abzubauen. Inwieweit die Anonymisierung von Bewerbungen hier weiterhilft, ist fraglich, da sich der gleiche Diskriminierungseffekt dann eine Ebene weiter im Bewerbungsprozess zeigen könnte. Wenn trotz möglicher ex-ante-Diskriminierungen der Sprung in den Arbeitsmarkt gelingt, könnte es allerdings zu einer ex-post-Diskriminierung kommen. Diese ist allerdings schwierig festzustellen. Der nach Kontrolle für persönliche beobachtbare Eigenschaften - hierunter zählen z. B. auch die Aufenthaltsdauer, Sprachkenntnisse, Schulbildung im Ausland und weitere spezifische Eigenschaften von Personen mit Migrationshintergrund - noch verbleibende Lohnunterschied, kann durch nicht-beobachtbare Variablen oder aber ex-post-Diskriminierung entstehen. Dies genau aufzusplitten stellt sich allerdings als äußerst schwierig heraus. Eine unterschiedliche Entlohnung von Immigranten und Einheimischen kann beispielsweise dadurch gerechtfertigt sein, dass Immigranten im Vergleich zu Einheimischen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, um in ihr Heimatland zurück oder ein Drittland zu gehen. Diese erhöhte Unsicherheit stellt für Unternehmen durch die Suche nach einem adäquaten Ersatz und die dann entstehenden Einarbeitungskosten eine Kostenbelastung dar. In einer Lohnregression zeigt sich genau dieser Effekt, nämlich dass eine erhöhte Remigration negativ mit dem Lohn korreliert ist (Peters und Weigert 2009).
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The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries: What do we (not) know?
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
Contents 1. Introduction
208
2. Some theoretical Considerations about the Shadow Economy
208
2.1. Defining the Shadow Economy
208
2.2. Measuring the Shadow Economy
210
2.3. The Main Causes Determining the Shadow Economy
212
3. Estimation and Size of the Shadow Economies and Shadow Labor Force 3.1. Econometric Estimation
218 218
3.2. The Development and Size of the Shadow Economy in German-Speaking Countries
220
3.3. Size and Development of the Shadow Economy in 21 OECD Countries
222
3.4. Shadow Economy Labor Market
224
3.5. Shadow Economy and Unemployment
230
4. Conclusions
231
References
231
208
1.
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
Introduction
Fighting tax evasion and the shadow economy have been important policy goals in OECD countries during recent decades. In order to do this one should have knowledge about the size and development of the shadow economy and shadow economy labor force as well as the reasons why people are engaged in shadow economy activities. Hence, in our paper we are mainly concerned with the size and development of the shadow economy, black activities and undeclared work. 1 Tax evasion is not considered in order to keep the subject of this paper tractable otherwise too many additional aspects would be involved 2 . Also tax morale or experimental studies on tax compliance are beyond the scope of this paper. 3 Our paper is organized as follows: Section 2 presents theoretical considerations about the definition and measurement of the shadow economy and discusses also the main factors determining its size. In Section 3, empirical results of the size and development of the shadow economy and shadow labor force are discussed. Also the interaction between the shadow economy and unemployment is analyzed. Finally section 4 concludes.
2.
Some theoretical Considerations about the Shadow Economy
2.1. Defining the Shadow Economy Most authors trying to measure the shadow economy still face the difficulty defining the shadow economy. 4 According to one commonly used definition it comprises all currently unregistered economic activities that contribute to the officially calculated (or observed) Gross National Product. 5 Smith (1994, p. 18) defines it as "market-based production of goods and services, whether legal or illegal, that escapes detection in the official estimates of GDP". In other words one of the broadest definitions is: "...those economic activities 1 2
3
4
5
A first and extended version of this paper has been published in Feld and Schneider (2010). See Andreoni, Erard and Feinstein (1998) for the authoritative survey, Feld and Frey (2007) or Kirchler (2007) for broader interdisciplinary approaches, or the papers by Kirchler, Maciejovsky and Schneider (2003), Kastlunger, Kirchler, Mittone and Pitters (2009), Kirchler, Hoelzl and Wahl (2007). The authoritative scientific work on tax morale is by Torgler (2007). See also Torgler (2002) for a survey on experimental studies and Blackwell (2009) for a meta-analysis. Our paper focuses on the size and development of the shadow economy for uniform countries and not for specific regions. Recently first studies have been undertaken to measure the size of the shadow economy as well as the "grey" or "shadow" labor force for urban regions or states (e.g. California). See e.g. Marcelli, Pastor and Joassart (1999), Marcelli (2004), Chen (2004), Williams and Windebank (1998, 2001a, b), Flaming, Hayolamak, and Jossart (2005), Alderslade, Talmage and Freeman (2006), Brtick, Haisten-DeNew and Zimmermann (2006). Herwartz, Schneider and Tafenau (2009) estimate the size of the shadow economy of 234 EUNUTS regions for the year 2004 for the first time demonstrating a considerable regional variation in the size of the shadow economy. This definition is used, e.g., by Feige (1989, 1994), Schneider (1994a, 2003, 2005) and Frey and Pommerehne (1984). Do-it-yourself activities are not included. For estimates of the shadow economy and the do-it-yourself activities for Germany see Btihn, Karmann und Schneider (2009) or Karmann (1986, 1990).
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
209
and the income derived from them that circumvent or otherwise avoid government regulation, taxation or observation" (Dell'Anno 2003, Del'Anno and Schneider 2004 and Feige (1989)).6 As these definitions still leave room for interpretation, Table 1 provides a better feeling as to what could be a reasonable consensus definition of the underground (or shadow) economy. Table 1: A Taxonomy of Types of Underground Economic Activities1' Type of Activity ILLEGAL ACTIVITIES
LEGAL ACTIVITIES
Monetary Transactions
Non Monetary Transactions
Trade with stolen goods; drug dealing and manufacturing; prostitution; gambling; smuggling; fraud; etc.
Barter of drugs, stolen goods, smuggling etc. Produce or growing of drugs for own use. Theft for own use.
Tax Evasion
Tax Avoidance
Tax Evasion
Tax Avoidance
Unreported income from selfemployment; wages, salaries and assets from unreported work related to legal services and goods
Employee discounts, fringe benefits
Barter of legal services and goods
All do-ityourself work and neighbor help
Source: Authors' compilation, Structure of the table is taken from Lippert and Walker (1997, p. 5) with additional remarks. From Table 1, it is obvious that a broad definition of the shadow economy includes unreported income from the production of legal goods and services, either from monetary or barter transactions - and so includes all productive economic activities that would generally be taxable were they reported to the state (tax) authorities. In this paper the following more narrow definition of the shadow economy is used.7 The shadow economy includes all market-based legal production of goods and services that are deliberately concealed from public authorities for the following reasons: — to avoid payment of income, value added or other taxes, — to avoid payment of social security contributions, — to avoid having to meet certain legal labor market standards, such as minimum wages, maximum working hours, safety standards, etc., and — to avoid complying with certain administrative obligations, such as completing statistical questionnaires or other administrative forms. 6 7
See also Thomas (1999), Fleming, Roman and Farrell (2000) or Feld and Larsen (2005, p. 25). See also the excellent discussion of the definition of the shadow economy in Pedersen (2003, pp. 13-19) and Kazemier (2005a) who use a similar one.
210
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
Thus, we will not deal with typically illegal underground economic activities that fit the characteristics of classical crimes like burglary, robbery, drug dealing, etc. We also exclude the informal household economy which consists of all household services and production.
2.2. Measuring the Shadow Economy The definition of the shadow economy plays an important role in assessing its size. By having a clear definition, a number of ambiguities and controversies can be avoided. In general, there are two types of underground economic activity: illicit employment and the production of goods and services consumed within the household. 8 The following analysis focuses on the former type and excludes illegal activities such as drug production, crime and human trafficking. The latter type includes the production of goods and services, consumed within the household, or childcare and is not part of this analysis either. Thus, it only focuses on productive economic activities that would normally be included in the national accounts but which remain underground due to tax or regulatory burdens. 9 Although such legal activities contribute to the country's value added, they are not captured in the national accounts because they are produced in illicit ways (e.g. by people without proper qualification or without a master craftsman's certificate). From the economic and social perspective, soft forms of illicit employment, such as moonlighting (e.g. construction work in private homes) and its contribution to aggregate value added can be assessed rather positively. Although the issue of the shadow economy has been investigated for a long time, the discussion regarding the 'appropriate' methodology to assess its scope has not come to an end yet. 10 There are three methods of assessment: — Direct procedures at a micro level that aim at determining the size of the shadow economy at one particular point in time. An example is the survey method; — Indirect procedures that make use of macroeconomic indicators in order to proxy the development of the shadow economy over time; — Statistical models that use statistical tools to estimate the shadow economy as an "unobserved" variable. Our estimation of the shadow economy of highly developed OECD is firstly based on a combination of the MIMIC procedure and the currency demand method, i.e. a combination
8
9
10
For a broader discussion of the definition issue see Thomas (1992), Schneider, Volkert and Caspar (2002), Schneider and Enste (2002, 2006) and Kazemier (2005a, b). With this definition the problem of having classical crime activities included could be avoided, because neither the MIMIC procedure nor the currency demand approach captures these activities: e.g. drug dealing is independent of increasing taxes, especially as the included causal variables are not linked (or causal) to classical crime activities. See e.g. Thomas (1992), Kazemir (2005a, b) and Schneider (2005). For the strengths and weaknesses of the various methods see Bhattacharyya (1999), Breusch (2005a, b), Dell'Anno
and Schneider (2009), Dixon (1999), Feige (1989), Feld and Larsen
(2005), Giles (1999a, b, c), Schneider (1986, 2001, 2003, 2005, 2006), Schneider and Enste (2000a, b, 2002, 2006), Tanzi (1999), Thomas (1992, 1999). See also the discussion in the appendix of this paper.
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
211
of methods two and three. 11 The MIMIC procedure assumes that the shadow economy remains an unobserved phenomenon (latent variable) which can be estimated using quantitatively measurable causes of illicit employment, e.g. tax burden and regulation intensity, and indicators reflecting illicit activities, e.g. currency demand, official GDP and official working time. A disadvantage of the MIMIC procedure is that it measures only relative estimates of the size and the development of the shadow economy. Thus, the currency demand method 12 is used to calibrate the relative into absolute estimates by using two or three absolute values of the absolute size of the shadow economy. Secondly, the size of the shadow economy is estimated by using survey methods (Feld and Larsen 2005, 2008, 2009). In order to minimize the number of respondents dishonestly replying or totally declining answers to the sensitive questions, structured interviews are undertaken (usually face-to-face) in which the respondents are slowly getting accustomed to the main purpose of the survey. Like it is done by the contingent valuation method (CVM) in environmental economics (Kopp et al. 1997), the first part of the questionnaire aims at shaping respondents' perception to the issue at hand. In the second part, questions about respondents' activities in the shadow economy are asked, and the third part contains the usual socio-demographic questions. In addition to the studies by Merz and Wolff (1993), Feld and Larsen (2005; 2008; 2009) and Enste and Schneider (2006) for Germany, the survey method has been applied in the Nordic countries and Great Britain (Isachsen and Str0m 1985, Pedersen 2003) as well as in the Netherlands (van Eck and Kazemier 1988, Kazemier 2006). While the questionnaires underlying these studies are broadly comparable in design, recent attempts by the European Union to provide survey results for all EU member states runs into difficulties regarding comparability (Renooy et al. 2004, European Commission 2007): the wording of the questionnaires becomes more and more cumbersome depending on the culture of different countries with respect to the underground economy. These two sets of approaches are most broadly used in the literature. Although each has its drawbacks, and although biases in the estimates of the shadow economy almost certainly prevail, no better data are currently available. In tax compliance research, the most interesting data stem from actual tax audits by the US Internal Revenue Service (IRS). In the Taxpayer Compliance Measurement Program (TCMP), actual compliance behavior of
11
These methods are presented in detail in Schneider (1994a, b, c, 2005) and Schneider and Enste (2000b, 2002, 2006). Furthermore, these studies discuss advantages and disadvantages of the MIMIC- and the money demand methods as well as other estimation methods for assessing the size of illicit employment; for a detailed discussion see also the appendix to this paper or Feld and Larsen (2005). 12 . This indirect approach is based on the assumption that cash is used to make transactions within the shadow economy. By using this method one econometrically estimates a currency demand function including independent variables like tax burden, regulation etc. which "drive" the shadow economy. This equation is used to make simulations of the amount of money that would be necessary to generate the official GDP. This amount is then compared with the actual money demand and the difference is treated as an indicator for the development of the shadow economy. On this basis the calculated difference is multiplied by the velocity of money and one gets a value added figure for the shadow economy. See footnote 10 for references discussing this method critically.
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taxpayers is observed and is used for empirical analysis (Andreoni, Erard and Feinstein 1998). The approach of the IRS is broader in a certain sense as tax evasion from all sources of income is considered, while the two methods discussed before aim at capturing the shadow economy or undeclared work and thus mainly measure tax evasion from labor income. Even the data obtained from the TCMP is biased as the actually detected tax noncompliance could only be the tip of the iceberg. Although the perfect data on tax noncompliance does therefore not exist, the imperfect data in this area can still provide interesting insights regarding the size, the development and the determinants of the shadow economy.
2.3. The Main Causes Determining the Shadow Economy A useful starting point for a theoretical discussion of tax non-compliance is the paper by Allingham and Sandmo (1972) on income tax evasion. While the shadow economy and tax evasion are not congruent, activities in the shadow economy in most cases imply the evasion of direct or indirect taxes, such that the factors affecting tax evasion will most certainly also affect the shadow economy. According to Allingham and Sandmo tax compliance depends on its expected costs and benefits. The benefits of tax non-compliance result from the individual marginal tax rate and the true individual income. In the case of the shadow economy the individual marginal tax rate is obtained by calculating the overall marginal tax burden from indirect and direct taxes including social security contributions. The individual income generated in the shadow economy is usually categorized as labor income and less probably as capital income. The expected costs of non-compliance derive from deterrence enacted by the state. Tax non-compliance thus depends on the state's auditing activities raising the probability of detection and the fines individuals face when they are caught. As individual morality also plays a role for compliance, additional costs could pertain beyond pure punishment by the tax administration in the form of psychic costs like shame or regret, but also additional pecuniary costs if, e.g., reputation loss results. Kanniainen, Paakdnen and Schneider (2004) incorporate many of these insights in their model of the shadow economy by also considering labor supply decisions. They hypothesize that tax hikes unambiguously increase the shadow economy, while the effect of public goods financed by those taxes depends on the ability to access public goods. Morality is also included in this analysis. But the costs for individual non-compliers resulting from moral norms appear to be mainly captured by state punishment although self-esteem also plays a role. A shortcoming of these analyses is the neglected endogeneity of tax morale and good governance. In contrast, Feld and Frey (2007) argue that tax compliance is the result of a complicated interaction between tax morale and deterrence measures. While it must be clear to taxpayers what the rules of the game are and as deterrence measures serve as signals for the tax morale a society wants to elicit (Posner 2000a, 2000b), deterrence could also crowd out the intrinsic motivation to pay taxes. Moreover, tax morale is not only increased if taxpayers perceive the public goods received in exchange for their tax payments worth it. It also increases if political decisions for public activities are perceived to follow fair procedures or if the treatment of taxpayers by the tax authorities is perceived to be
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
213
friendly and fair. Tax morale is thus not exogenously given, but is influenced by deterrence, the quality of state institutions and the constitutional differences among states. Although this leaves us with a rich set of variables that might influence the size of the shadow economy, it is only the starting point. As labor supply decisions are involved, labor and product market regulations are additionally important. Recent theoretical approaches thus suggest following a differentiated policy to contain the shadow economy's expansion. Deterrence Although the traditional economic theory of tax non-compliance derives unambiguous predictions as to their impact only for deterrence measures and despite the strong focus on deterrence in policies fighting the shadow economy, there is surprisingly little known about the effects of deterrence from empirical studies. In their survey on tax compliance, Andreoni, Erard and Feinstein (1998) report that deterrence matters for tax evasion, but that the reported effects are rather small. Blackwell (2009) finds strong deterrence effects of fines and audits in experimental tax evasion. Regarding the shadow economy, there is however little evidence. This is due to the fact that data on the legal background and the frequency of audits are not available on an international basis. They would also be difficult to collect even for the OECD member countries. A recent study by Feld, Schmidt and Schneider (2007) demonstrates this for the case of Germany. The legal background is quite complicated differentiating fines and punishment according to the severity of the offense, to the true income of the non-complier, but also regionally given different directives on sentences by the courts in different states. Moreover, the tax authorities at the state level do not reveal how intensively auditing is taking place. With the available data on fines and audits, Feld, Schmidt and Schneider (2007) conduct a time series analysis using the estimates of the shadow economy obtained by the MIMIC approach. According to their results, deterrence does not have a consistent effect on the German shadow economy. Conducting Granger causality tests, the direction of causation (in the sense of precedence) is ambiguous leaving room for an impact of the shadow economy on deterrence instead of deterrence on the shadow economy. Feld and Larsen (2005, 2008, 2009) follow a different approach by using individual survey data for Germany. First replicating Pedersen (2003), who reports a negative impact of the subjectively perceived risk of detection by state audits on the probability of working in the shadows for the year 2001, they then extend it by adding subjectively perceived measures of fines and punishment. Fines and punishment do not exert a negative influence on the shadow economy in any of the annual waves of surveys, nor in the pooled regressions for the years 2004-2007 (about 8000 observations overall). The subjectively perceived risk of detection has a robust and significant negative impact in individual years only for women. In the pooled sample for 2004-2007, which minimizes sampling problems, the probability of detection has a significantly negative effect on the probability of
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
214
working in the shadow economy also for men (keeping the one for women) and is robust across different specifications. 13 Pedersen (2003) reports negative effects of the subjectively perceived risk of detection on the probability of conducting undeclared work in the shadows for men in Denmark in 2001 (marginally significant), for men in Norway in 1998/2002 (highly significant), 14 men and women in Sweden in 1998 (highly significant in the first and marginally significant in the second case), and no significant effect for Great Britain in 2000. Moreover, van Eck and Kazemier (1988) report a significant negative of a high perceived probability of detection on participation in the hidden labor market for the Netherlands in 1982/1983. In none of these studies perceived fines and punishments are included as explanatory variables. The large scale survey study on Germany by Feld and Larsen (2005, 2009) thus appears to be the most careful analysis of deterrence effects on undeclared work up to date. Overall, this is far from convincing evidence on the proper working of deterrence as it is always the combination of audits and fines that matters according to theoretical analysis, but also to pure plausibility arguments. The reasons for the unconvincing evidence of deterrence effects are discussed in the tax compliance literature by Andreoni, Erard and Feinstein (1998), Kirchler (2007) or Feld and Frey (2007). They range from interactions between tax morale and deterrence, thus the possibility that deterrence crowds out tax morale, to more mundane arguments like misperceptions of taxpayers. Likewise, these reasons could be important for the evidence on the deterrence effects on work in the shadow economy. As the latter mainly stems from survey studies, the insignificant findings for fines and punishment may also result from shortcomings in the survey design. Tax and Social Security Contribution
Burdens
In contrast to deterrence, almost all studies ascertain that the tax and social security contribution burdens are among the main causes for the existence of the shadow economy. 15 Since taxes affect labor-leisure choices and stimulate labor supply in the shadow economy, the distortion of the overall tax burden is a major concern. The bigger the difference between the total labor cost in the official economy and after-tax earnings (from work), the greater is the incentive to reduce the tax wedge and work in the shadow economy. Since the tax wedge depends on the level and increase of the social security burden/payments and the overall tax burden, they are key features of the existence and the increase of the shadow economy.
13
14
15
An earlier study by Merz and Wolff (1993) does not analyze the impact of deterrence on undeclared work. The earlier study by Isachsen and Str0m (1985) for Norway does also not properly analyze the impact of deterrence on undeclared work. See Thomas (1992), Lippert and Walker (1997), Schneider (1994a, b, c, 1997, 1998a, b, 1999, 2000, 2003, 2005, 2009), Johnson, Kaufmann, and Zoido-Lobatón (1998a, b), Tanzi (1999), Giles (1999a), Mummert and Schneider (2001), Giles and Tedds (2002) and Dell'Anno (2003) as more recent ones.
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
215
Intensity of Regulations Increased intensity of regulations, for example labor market regulations, trade barriers, and labor restrictions for immigrants, is another important factor which reduces the freedom (of choice) for individuals engaged in the official economy. Johnson, Kaufmann, and Zoido-Lobaton (1998b) find significant empirical evidence of the influence of (labor) regulations on the shadow economy; and the impact is clearly described and theoretically derived from other studies, e.g. for Germany (Deregulierungskommission/Deregulation Commission 1991).16 Regulations lead to a substantial increase in labor costs in the official economy. But since most of these costs can be shifted to employees, regulations provide another incentive to work in the shadow economy where they can be avoided. Johnson, Kaufmann, and Shleifer (1997) report empirical evidence supporting their model which predicts that countries with higher general regulation of their economies tend to have a higher share of the unofficial economy in total GDP. They conclude that it is the enforcement of regulation which is the key factor for the burden levied on firms and individuals, and not the overall extent of regulation - mostly not enforced - which drives firms into shadow economy. Friedman, Johnson, Kaufmann and Zoido-Lobaton (2000) come to a similar conclusion. In their study every available measure of regulation is significantly correlated with the share of the unofficial economy and the estimated sign of the relationship is unambiguous: more regulation is correlated with a larger shadow economy. Public Sector Services An increase of the shadow economy can lead to reduced state revenues which in turn reduces the quality and quantity of publicly provided goods and services. Ultimately, this can lead to an increase in the tax rates for firms and individuals in the official sector, quite often combined with a deterioration in the quality of the public goods (such as the public infrastructure) and of the administration, with the consequence of even stronger incentives to participate in the shadow economy. Johnson, Kaufmann, and Zoido-Lobaton (1998a, 1998b) present a simple model of this relationship. According to their findings smaller shadow economies occur in countries with higher tax revenues achieved by lower tax rates, fewer laws and regulations and less bribery facing enterprises. Countries with a better rule of law, which is financed by tax revenues, also have smaller shadow economies. Transition countries have higher levels of regulation leading to a significantly higher incidence of bribery, higher effective taxes on official activities and a large discretionary framework of regulations and consequently a higher shadow economy. Their overall conclusion is that "wealthier countries of the OECD, as well as some in Eastern Europe, find themselves in the 'good equilibrium' of relatively low tax and regulatory burden, sizeable revenue mobilization, good rule of law and corruption control, and a [relatively] small unofficial economy. By contrast, a number of countries in Latin America and the former Soviet Union exhibit characteristics consistent with a 'bad equilibrium': tax and regulatory discretion and burden on the firm is high, the rule of law is weak, and there is a high incidence of
16
The importance of regulation on the official and unofficial (shadow) economy is more recently investigated by Loayza, Oviedo and Serven (2005a, b). Kucera and Roncolato (2008) extensively analyze the impact of labor market regulation on the shadow economy.
216
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
bribery and a relatively high share of activities in the unofficial economy." (Johnson, Kaufmann and Zoido-Lobaton 1998a, p. I). Other Public
Institutions
Recently, various authors 17 consider the quality of public institutions as another key factor for the development of the informal sector. They argue that the efficient and discretionary application of tax systems and regulations by government may play a crucial role in the decision of conducting undeclared work, even more important than the actual burden of taxes and regulations. In particular, corruption of bureaucracy and government officials seem to be associated with larger unofficial activity, while a good rule of law by securing property rights and contract enforceability, increase the benefits of being formal. Hence, it is important to analyze theoretically and empirically the effect of political institutions like the federal political system on the shadow economy. If the development of the informal sector is considered as a consequence of the failure of political institutions in promoting an efficient market economy, since entrepreneurs go underground when there is an inefficient public goods provision, then the effect of institutions of the individual's incentive to operate unofficially can be assessed. In a federal system, competition among jurisdictions and the mobility of individuals act as constraints on politicians because "choices" will be induced that provide incentives to adopt policies which are closer to a majority of voters' preferences. Frequently, the efficient policies are characterized by a certain level of taxation, mostly spent in productive public services. In fact, the production in the formal sector benefits from a higher provision of the productive public services and is negatively affected by taxation, while the shadow economy reacts in the opposite way. As fiscal policy gets closer to a majority of voters' preferences in federal systems, the size of the informal sector goes down. This leads to the hypothesis that the size of the shadow economy should be lower in a federal system than in a unitary state, ceteris paribus. Tax Morale In addition to the incentive effects discussed before, the efficiency of the public sector has an indirect effect on the size of the shadow economy because it affects tax morale. As Feld and Frey (2007) argue, tax compliance is driven by a psychological tax contract that entails rights and obligations from taxpayers and citizens on the one hand, but also from the state and its tax authorities on the other hand. Taxpayers are more heavily inclined to pay their taxes honestly if they get valuable public services in exchange. However, taxpayers are honest even in cases when the benefit principle of taxation does not hold, i.e. for redistributive policies, if the political decisions underlying such policies follow fair procedures. Finally, the treatment of taxpayers by the tax authority plays a role. If taxpayers are treated like partners in a (tax) contract instead of subordinates in a hierarchical relationship, taxpayers will stick to their obligations of the psychological tax contract more easily. In addition to the empirical evidence on these arguments reported by Feld and Frey, Kirchler (2007) presents a comprehensive discussion of the influence of such factors on tax compliance.
17
See e.g. Johnson et al. (1998a, b), Friedman et al. (2000), Dreher and Schneider (2009), Dre-
her, Kotsogiannis and McCorriston (2007, 2009), as well as Teobaldelli (2011).
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
217
Regarding the impact of tax morale on the shadow e c o n o m y , there is scarce and only recent evidence. Using data on the shadow e c o n o m y obtained by the M I M I C approach, Torgler and Schneider
(2009) report the most convincing evidence for a negative effect of
tax morale. T h e y particularly address causality issues and establish a causal negative relation f r o m tax morale to the size of the shadow economy. This effect is also robust to the inclusion of additional explanatory factors and specifications. T h e s e findings are also in line with earlier preliminary evidence by Körner et al. (2006). Using survey data, Feld and Larsen (2005, 2009) likewise report a robust negative effect of tax morale in particular and social norms in general on the probability of respondents to conduct undeclared work. Interestingly, the estimated effects of social norms are quantitatively m o r e important than the estimated deterrence effects. Van Eck and Kazemier
(1988) also report a marginally sig-
nificant effect of tax morale on the participation in the hidden labor market. Summary
of the Main Causes of the Shadow
Economy
In Table 2, an overview of a n u m b e r of empirical studies summarizes the various factors influencing the shadow economy. The overview is based on the studies in which the size of the shadow e c o n o m y is measured by the M I M I C approach. As there is no evidence on deterrence using this approach - at least with respect to the broad panel data base on which this table draws - the most central policy variable does not show up. This is an obvious shortcoming of the studies, but one that cannot b e coped with easily due to the lack of internationally comparable deterrence data.
Table 2: Main Causes of the Increase of the Shadow Economy Factors influencing the shadow economy
Influence on the shadow economy (in %) (a)
(b)
(1)
Increase of the Tax and Social Security Contribution Burdens
35-38
45-52
(2)
Quality of State Institutions
10-12
12-17
(3)
Transfers
5-7
7-9
(4)
Specific Labor Market Regulations
7-9
7-9
(5)
Public Sector Services
5-7
7-9
(6)
Tax Morale
22-25
-
Influence of all Factors
84-98
78-96
(a) Average values of 12 studies. (b) Average values of empirical results of 22 studies. Source: Schneider (2005). In Table 2 two columns shadow e c o n o m y with and clearly demonstrates that the far the most important single
are presented, showing the various factors influencing the without the independent variable, "tax morale". This table increase of tax and social security contribution burdens is by contributor to the increase of the shadow economy. This fac-
218
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
tor does explain some 35-38% or 45-52% of the variance of the shadow economy with and without including the variable "tax morale". The variable tax morale accounts for some 22-25% of the variance of the shadow economy, 1 8 there is a third factor, "quality of state institutions", accounting for 10-12% and a forth factor, "intensity of state regulation" (mostly for the labor market) for 7-9%. In general Table 2 shows that the independent variables tax and social security burden, followed by variables tax morale and intensity of state regulations are the three major driving forces of the shadow economy.
3.
Estimation and Size of the Shadow Economies and Shadow Labor Force
3.1. Econometric Estimation Following the theoretical considerations in section 2, we develop seven hypotheses below, all ceteris paribus, which will be empirically tested subsequently using the MIMIC approach: — An increase in direct and indirect taxation increases the shadow economy. — An increase in social security contributions increases the shadow economy. — The more the country is regulated, the greater the incentives are to work in the shadow economy. — The lower the quality of state institutions, the higher the incentives to work in the shadow economy. — The lower tax morale, the higher the incentives to work in the shadow economy. — The higher unemployment, the more people engage in shadow economy activities. — The lower GDP per capita in a country, the higher is the incentive to work in the shadow economy. As the sample consists of 21 highly developed OECD countries between 1990 and 2005 (pooled cross section time series data), the effect of deterrence cannot be empirically tested. The size of fines and punishment and the probability of detection are only available for one or two countries across time. The following estimation results thus rather correspond to the factors reported in Table 2 which are gained from an overview of existing studies. In Table 3, the econometric results using the MIMIC approach (latent estimation approach) are presented for these 21 OECD-countries for which we have eight data points of the years 1990/91, 1994/95, 1997/98, 1999/2000, 2001/02, 2002/03, 2003/04 and 2004/05.
18
. The importance of this variable with respect to theory and empirical relevance is also shown in Frey (1997), Feld and Frey (2002a, 2002b, 2007) and Torg 1er and Schneider (2009).
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
219
Table 3: MIMIC Estimation of the Shadow Economy of 21 Highly Developed OECD Countries, 1990/91, 1994/95, 1997/98, 1999/2000, 2001/02, 2002/03, 2003/04 and 2004/05. Cause Variables
Estimated Coefficients
Share of direct taxation (in % of G D P ) Share of indirect taxation (in % of G D P ) Share of social security contribution (in % of G D P ) Burden of state regulation (index of labor market regulation, Heritage Foundation, score 1 least regular, score 5 most regular)
>.1 = 0 . 3 8 4 * * (3.06) X.2 = 0.196(*) (1.84) ) 3 = 0.506** (3.86) M = 0.213(*) (1.96)
Quality of state institutions (rule of law, W o r l d Bank, score -3 worst and + 3 best case) T a x morale ( W V S and E V S , Index, Scale tax cheating always justified =1, never justified = 1 0 ) U n e m p l o y m e n t rate (%)
= -0.307* (-2.61) X6 = -0.582** (-3.66) X.7 = 0.324** (2.61) 18 = -0.106** (-3.04)
G D P per capita (in US-$)
Indicator Variables
Estimated Coefficients
E m p l o y m e n t rate (in % of population 18-64) A v e r a g e working time (per week) A n n u a l growth rate of G D P (adjusted for the mean of all 2 2 O E C D countries) C h a n g e of local currency per capita
X 9 = -0.626** (-2.72) X10 = - 1 . 0 0 (Residuum) m =-0.274** (-3.03) X.12 = 0.312** (3.74) R M S E 1 ' = 0.0016* (p-value = 0.903) Chi-square 2 ) = 2 6 . 4 3 (p-value = 0.906) T M C V 3 ) = 0.049
Test-statistics
AGFI4' = 0.763 N = 168 D.F. 5 ' = 67 Notes: t-statistics are in parentheses (*); *; ** indicates significance at the 90%, 95%, or 99% confidence levels. 1) Steiger's Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) for test of close fit; RMSEA < 0.05; the RMSEA-value varies between 0.0 and 1.0. 2) If the structural equation model is asymptotically correct, then the matrix S (sample covariance matrix) will be equal to I (0) (model implied covariance matrix). This test has a statistical validity with a large sample (N > 100) and multinomial distributions; both are given for all three equations in tables using a test of multinomial distributions. 3) Test of Multivariate Normality for Continuous Variables (TMNCV); p-values of skewness and kurtosis. 4) Test of Adjusted Goodness of Fit Index (AGFI), varying between 0 and 1; 1 = perfect fit. 5) The degrees of freedom are determined by 0.5 (p + q) (p + q + 1) - t; with p = number of indicators; q = number of causes; t = the number for free parameters. Source: A u t h o r s ' compilation
Aside the usual cause variables like direct and indirect taxation, social security contributions and state regulation we have added two further causal factors, i.e. tax morale and the
220
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
quality of state institutions. In addition to the employment rate, the annual growth rate of GDP and the change of currency per capita, we use the average working time (per week) as an additional indicator variable. 19 The estimated coefficients of all eight cause variables are statistically significant and have the theoretically expected signs. The tax and social security burden variables are quantitatively the most important ones, followed by the tax morale variable which has the single biggest influence. Also the independent variable quality of state institutions is statistically significant and quite important to determine whether one is engaged in shadow economy activities or not. The development of the official economy measured by unemployment and GDP per capita has a quantitatively important influence on the shadow economy. Turning to the indicator variables they all have a statistically significant influence and the estimated coefficients have the theoretically expected signs. The quantitatively most important independent variables are the employment rate and the change of currency per capita. 20 Summarizing, the econometric results demonstrate that in these OECD countries the social security contributions and the share of direct taxation have the biggest influence, followed by tax morale and the quality of state institutions 21 .
3.2. The Development and Size of the Shadow Economy in German-Speaking Countries Existing estimates of the German shadow economy (measured in percentage of official GDP) are shown in Table 4 (see also Feld et al. 2007). The oldest estimate uses the survey method of the Institute for Demoscopy (IfD) in Allensbach, Germany, and shows that the shadow economy was 3.6% of official GDP in 1974. In a much later study, Feld and Larsen (2005, 2008) undertook an extensive research project using the survey method to estimate shadow economic activities in the years 2001 to 2006. 22 Using the officially paid wage rate, they concluded that these activities reached 4.1% in 2001, 3.1% in 2004, 3.6% in 2005 and 2.5% in 2006. 23 Using the (much lower) shadow economy wage rate these estimates shrink however to 1.3% in 2001 and 1.0% in 2004, respectively. If we look at the discrepancy method, for which we have estimates from 1970 to 1980, the German shadow economy is much larger: using the discrepancy between expenditure and income, we get approximately 11% for the 1970s, and using the discrepancy between official and actual employment, roughly 30%. The physical input methods from which estimates for the
19
20
Using this indicator variable the problem might arise that this variable is influenced by state regulation, so that it is not exogenous; hence the estimation may be biased. The variable currency per capita or annual change of currency per capita is heavily influenced by banking innovations; hence this variable is pretty unstable with respect to the length of the estimation period. Similar problems are already mentioned by Giles (1999a) and Giles and Tedds (2002).
21
Compare also Schneider, Buehn and Montenegro (2010), and Feld and Schneider (2010).
22
In our paper there is no extensive discussion about the various methods to estimate the size and development of the shadow economy; we do also not discuss the strength and weaknesses of each method. See Schneider and Enste (2000a, 2000b), Schneider (2005), Feld and Larsen (2005, 2008, 2009), Pedersen (2003), and Giles (1999a, b, c). Due to the extraordinarily low rate of participation based on a relatively small sample, the results for 2006 must be interpreted with extra great care. The results for 2006 should be regarded as tentative and, at the most, as an indication that black activities do not appear to have increased from 2005 to 2006.
23
The Shadow Economy
and Shadow Economy Labor Force in OECD
Countries
221
1980s are available deliver values of around 15% for the second half of that decade. The (monetary) transaction approach developed by Feige (1989) places the shadow economy at 30% between 1980 and 1985. Yet another monetary approach, the currency demand approach - the first person to undertake an estimation for Germany was Kirchgassner (1983, 1984) - provides values of 3.1% (1970) and 10.1% (1980). Kirchgassner's values are quite similar to the ones obtained by Schneider and Enste (2000a, 2000b, 2002), who also used a currency demand approach to value the size of the shadow economy at 4.5% in 1970 and 14.7% in 2000. Finally, if we look at latent MIMIC estimation procedures, the first ones being conducted by Frey and Weck-Hannemann (1984), and later, Schneider and others followed for Germany, again, the estimations for the 1970s are quite similar. Furthermore, Schneider's estimates using a MIMIC approach (Schneider 2005, 2009) are close to those of the currency demand approach. Table 4: The Size of the Shadow Economy in Germany According to Different Methods (in Percentage of Official GDP) Method
Shadow economy in Germany (in % of official GDP) in: 1970
Survey
Discrepancy between expenditure and income Discrepancy between official and actual employment Physical input method Transactions approach Currency demand approach
Latent (MIMIC) approach
Soft modeling
1975 3.6"
1980
1985
1990
1995
2000
2005
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
4.1 7)
3.6 J)
11.0
10.2
13.4
23.0
38.5
34.0
-
-
-
14.5
14.6
-
-
-
17.2
22.3
29.3
31.4
-
-
-
-
3.1
6.0
10.3
-
-
-
-
-
12.1
11.8
12.6
-
-
-
-
-
4.5
7.8
9.2
11.3
11.8
12.5
14.7
-
5.8
6.1
8.2
-
-
-
-
-
-
-
9.4
10.1
11.4
15.1
16.3
-
4.2
5.8
10.8
11.2
12.2
13.9
16.0
15.4
-
-
-
-
-
-
-
8.3
4)
Ifl5 Allensbach (1975) Feld and Larsen (2005, 2008) Lippert and Walker (1997) Langfeldt (1984a, b)
1) 1974. 2) 2001 and 2005; calculated using wages in the official economy. Source: Authors' compilation
Source
Feld and Larsen (2005) Feige (1989) Kirchgässner (1983) Langfeldt (1984a, b) Schneider and Enste (2000) Frey and Weck (1984) Pickhardt and Sarda Pons (2006) Schneider (2005, 2007) Weck-Hannemann (1983)
222
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
Thus, we can see that different estimation procedures produce different results. It is safe to say that the figures produced by the transaction and the discrepancy approaches are rather unrealistically large: the size of the shadow economy at almost one third of official GDP in the mid-1980s is most likely an overestimate. The figures obtained using the currency demand and hidden variable (latent) approaches, on the other hand, are relatively close together and much lower than those produced by other methods (i.e. the discrepancy or transaction approaches). This similarity is not surprising given the fact that the estimates of the shadow economy using the latent (MIMIC) approach were measured by taking point estimates from the currency demand approach. The estimates from the MIMIC approach can be regarded as the upper bound of the size of the shadow economy. For the reasons outlined in Section 3, the estimates obtained from the survey approach provide for its lower bound. It should be noted that the "true" size of the shadow economy does not necessarily lie between both bounds, nor is it precluded that it is closer to the upper than the lower bound. But both benchmarks help us to understand the phenomenon pretty well.
3.3. Size and Development of the Shadow Economy in 21 OECD Countries In order to calculate the size and development of the shadow economies of the 21 OECD countries, we have to overcome the disadvantage of the MIMIC approach, which is, that only relative sizes of the shadow economy are obtained such that another approach to calculate absolute figures must be used. For the calculation of the absolute sizes of the shadow economies from these MIMIC estimation results, we take the already available estimates from the currency demand approach for Austria, Germany, Italy and the United States (from studies of Dell'Anno and Schneider 2003, Bajada and Schneider 2005, and Schneider and Enste 2002). As we have values of the shadow economy (in % of GDP) for various years for the above mentioned countries, we can use them in a benchmark procedure to transform the index of the shadow economy from the MIMIC estimations into cardinal values. 24 Table 5 presents the findings for 21 OECD countries until 2007. They clearly reveal that since the end of the 90's the size of the shadow economy in most OECD countries continued to decrease. The unweighted average for all countries in 1999/2000 was 16.8% and dropped to 13.9% in 2007. This means, that since 1997/98 - the year in which the shadow economy was the biggest in most OECD countries, it has continuously shrunk. Only in Germany, Austria and Switzerland the growing trend lasted longer and was reversed two or three years ago. The reduction of the share of the shadow economy from GDP between 1997/98 and 2007 is most pronounced in Italy (-5.0%) and in Sweden (-4.0). The German shadow economy ranges in the middle of the ranking, whereas Austria and Switzerland are located at the lower end. With 20% to 26%, South European countries exhibit the biggest shadow economies measured as a share from official GDP. They are followed by Scandinavian countries whose shadow economies' shares in GDP range between 15 and 16%. One reason for the differences in the size of the shadow economy between these OECD countries includes, among others, that for example there are fewer regulations in the
24
This procedure is described in great detail in the paper Dell'Anno and Schneider (2003, 2009), see also the appendix where the procedure is shortly described and the advantages and disadvantages are shown.
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD Countries
223
OECD country USA compared to the OECD country Germany where everything what is not explicitly allowed is forbidden. The individual's freedom is limited in many areas by far-reaching state interventions. Another reason is the large differences in the direct and indirect tax burden with the lowest in the U.S. and Switzerland in this sample. Table 5: The Size of the Shadow Economy in 21 OECD Countries between 1989/90 and 2007: Estimated Using the Money Demand and MIMIC Methods (in % of Official GDP) Shadow Economy OECDcountries
Aver-
Average
Aver-
Aver-
Aver-
200
200
age
1994/95
age
age
age
3
4
1989/
1997/9
1999/0
2001/0
90
8
0
2
2005 l
2006 i
2007 l
1. Australia
10.1
13.5
14.0
14.3
14.1
13.7
13.2
12.6
11.4
10.7
2. Belgium
19.3
21.5
22.5
22.2
22.0
21.4
20.7
20.1
19.2
18.3 12.6
3. Canada
12.8
14.8
16.2
16.0
15.8
15.3
15.1
14.3
13.2
4. Denmark
10.8
17.8
18.3
18.0
17.9
17.4
17.1
16.5
15.4
14.8
5. Germany
11.8
13.5
14.9
16.0
16.3
17.1
16.1
15.4
14.9
14.6
6. Finland
13.4
18.2
18.9
18.1
18.0
17.6
17.2
16.6
15.3
14.5
14.7
14.3
13.8
12.4
11.8
7. France
9.0
14.5
14.9
15.2
15.0
8. Greece
22.6
28.6
29.0
28.7
28.5
28.2
28.1
27.6
26.2
25.1
9. GB
9.6
12.5
13.0
12.7
12.5
12.2
12.3
12.0
11.1
10.6
10. Ireland
11.0
15.4
16.2
15.9
15.7
15.4
15.2
14.8
13.4
12.7
11. Italy
22.8
26.0
27.3
27.1
27.0
26.1
25.2
24.4
23.2
22.3
12.Japan
8.8
10.6
11.1
11.2
11.1
11.0
10.7
10.3
9.4
9.0
13. Netherl.
11.9
13.7
13.5
13.1
13.0
12.7
12.5
12.0
10.9
10.1
14. New Z.
9.2
11.3
11.9
12.8
12.6
12.3
12.2
11.7
10.4
9.8
15. Norway
14.8
18.2
19.6
19.1
19.0
18.6
18.2
17.6
16.1
15.4
16. Austria
6.9
8.6
9.0
9.8
10.6
10.8
11.0
10.3
9.7
9.4
17.
Portu-
15.9
22.1
23.1
22.7
22.5
22.2
21.7
21.2
20.1
19.2
18. Sweden
15.8
19.5
19.9
19.2
19.1
18.6
18.1
17.5
16.2
15.6
19.Switzerl
6.7
7.8
8.1
8.6
9.4
9.5
9.4
9.0
8.5
8.2 19.3
gal
20. Spain
16.1
22.4
23.1
22.7
22.5
22.2
21.9
21.3
20.2
21. USA
6.7
8.8
8.9
8.7
8.7
8.5
8.4
8.2
7.5
7.2
Un-
12.7
16.2
16.8
16.8
16.7
16.5
16.1
15.6
14.5
13.9
weighted average for 21 OECD countries
Source: Own calculations
224
Friedrich Schneider and Lars P. Feld
3.4. Shadow Economy Labor Market Having examined the size, rise and fall of the shadow economy in terms of value added over time, the analysis now focuses on the "shadow labor market", as within the official labor market there is a particularly tight relationship and "social network" between people who are active in the shadow economy. 25 Moreover, by definition every activity in the shadow economy involves a "shadow labor market" to some extent: 26 Hence, the "shadow labor market" includes all cases, where the employees or the employers, or both, occupy a "shadow economy position". Why do people work in the shadow economy? In the official labor market, the costs firms (and individuals) have to pay when 'officially' hiring someone are increased tremendously by the burden of tax and social contributions on wages, as well as by the legal administrative regulation to control economic activity. 27 In various OECD countries, these costs are greater than the wage effectively earned by the worker - providing a strong incentive to work in the shadow economy. More detailed theoretical information on the labor supply decision in the underground economy is given by Lemieux, Fortin and Frechette (1994) who use micro data from a survey conducted in Quebec City (Canada). In particular, their study provides some economic insights regarding the size of the distortion caused by income taxation and the welfare system. The results of this study suggest that hours worked in the shadow economy are quite responsive to changes in the net wage in the regular (official) sector. Their empirical results attribute this to a (mis-) allocation of work from the official to the informal sector,where it is not taxed. In this case, the substitution between labor market activities in the two sectors is quite high. These empirical findings indicate, that "participation rates and hours worked in the underground sector also tend to be inversely related to the number of hours worked in the regular sector" (Lemieux, Fortin and Frechette 1994, p. 235). These findings demonstrate a large negative elasticity of hours worked in the shadow economy with respect both to the wage rate in the regular sector as well as to a high mobility between the sectors. Illicit work can take many shapes. The underground use of labor may consist of a second job after (or even during) regular working hours. A second form is shadow economy work by individuals who do not participate in the official labor market. A third component is the employment of people (e.g. clandestine or illegal immigrants), who are not allowed to work in the official economy. Empirical research on the shadow economy labor market is even more difficult than of the shadow economy on the value added, since one has very little knowledge about how many hours an average "shadow economy worker" is actually
25
26
27
Pioneering work in this area has been done by L. Frey (1972, 1975, 1978, 1980), Cappiello (1986), Lubell (1991), Pozo (1996), Bartlett (1998) and Tanzi (1999). Compare also the latest OECD report with the title "Is Informal Normal: Toward More and Better Jobs" by the OECD (2009). This is especially true in Europe (e.g. in Germany and Austria), where the total tax and social security burden adds up to 100% on top of the wage effectively earned; see also section 2.3.
The Shadow Economy and Shadow Economy Labor Force in OECD
225
Countries
working (from full time to a few hours, only); hence, it is not easy to provide empirical facts. 28 Kucera and Roncolato (2008, p. 321) also deal with informal employment. They address two issues of crucial importance to labor market policy: — The intensive labor market regulations as one (major) cause of informal employment, and — the so-called "voluntary" informal employment. Kucera and Roncolato give a theoretical overview on both issues and also a survey of a number of empirical studies, in which mainly the effect of official labor market regulations on informal employment is analyzed, where they find a significant and quantitatively important influence. The latest OECD study (2009)29 concludes that informal employment is the norm, not the exception, in many parts of the world. More than half of all jobs in the non-agricultural sectors of developing countries - over 900 million workers - can be considered informal. If agricultural workers in developing countries are included, the estimates size to roughly 2,000 million people. In some regions, including Sub-Saharan Africa and South Asia, over 80% of non-agricultural jobs are informal. Most informal workers in the developing world are self-employed and work independently, or owe and manage very small enterprises. According to the OECD study (2009), informal employment is a result of both, people being excluded from official jobs and people voluntarily opting out of formal structures, e.g. in many middle income countries incentives drive individuals and businesses out of the formal sector. Figure 1: Informal Employment and GDP in Latin America and Southeast Asia Latin America
Southeast Asia
58 57
3,7
56
3,5
55
3,3
54
5,4
53
60
5,2
52
55
51 50
1990-94
1995-99
2000-07
— Share of informal e m p l o y m e n t in total non-agricultural e m p l o y m e n t — R e a l G D P p e r capita ( W o r l d Penn Tables)
1985-89
1990-94