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German Pages 278 Year 2015
Rainer Geißler, Horst Pöttker (Hrsg.) Medien und Integration in Nordamerika
Die Reihe »Medienumbrüche« wird herausgegeben von Peter Gendolla.
Rainer Geissler, Horst Pöttker (Hrsg.)
Medien und Integration in Nordamerika Erfahrungen aus den Einwanderungsländern Kanada und USA
Medienumbrüche | Band 35
Diese Arbeit ist im Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg 615 der Universität Siegen entstanden und wurde auf seine Veranlassung unter Verwendung der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.
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Inhalt Rainer Geißler/Horst Pöttker Einleitung ..................................................................................................................... 7
Teil I: Kanada Augie Fleras Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias Die Basis der (Fehl-)Darstellung von Minderheiten in Nachrichtenmedien neu durchdacht................................................................... 11 Augie Fleras Ethnomedien und Medien der Ureinwohner in Kanada Grenzen überschreiten, Puffer bilden, Verbindungen schaffen, Brücken schlagen ........................................................................................................ 59
Teil II: Vereinigte Staaten von Amerika Kenneth Starck Einheit in Verschiedenheit anerkennen Medien und ethnische Minderheiten in den USA............................................... 105 Kenneth Starck Wie Vorurteile aufrechterhalten werden Die Darstellung von Arabern und Amerikanern arabischer Herkunft in den Medien .......................................................................................... 133 Horst Pöttker/Anne Weibert Diversity Ethnische Minderheiten in den Medien der USA............................................... 165
Teil III: Nordamerika und Deutschland Harald Bader „Man tilgt ihn nicht, den heil’gen Funken“ Die New Yorker Staats-Zeitung und die deutschen 1848-er.................................. 193
Harald Bader Deutschamerikaner oder Auslandsdeutsche? Der Heimatbote 1929 ..................................................................................................203 Anne Weibert Mediale Integration ethnischer Minderheiten Ein Vergleich von Lokalberichterstattung über Türken in Deutschland und Hispanics in den USA...............................................................219 Rainer Geißler Fazit I Was ist vom klassischen Einwanderungsland Kanada über mediale Integration von ethnischen Minderheiten zu lernen? ..........................247 Horst Pöttker Fazit II Was ist vom klassischen Einwanderungsland USA über mediale Integration von ethnischen Minderheiten zu lernen?................259 Parisa Javadian Namin Hinweise zur elektronischen Bibliographie zur medialen Integration in Nordamerika................................................................................267 Zusammenfassungen ............................................................................................269 Autorinnen und Autoren ......................................................................................275
Rainer Geißler/Horst Pöttker
Einleitung Mit dieser Aufsatzsammlung legt das Projekt „Mediale Integration von ethnischen Minderheiten“ im Siegener DFG-Forschungskolleg 615 „Medienumbrüche zu Beginn des 20. und am Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert“ seinen fünften und letzten Band vor. Dem zuerst erschienenen Überblick über den Forschungsstand zur medialen Integration in Deutschland1 folgten zwei Dokumentationen von internationalen Tagungen, die das Projekt an den Universitäten Siegen und Dortmund zu dem Problem der Integration von ethnischen Minderheiten durch Massenmedien in zahlreichen Einwanderungsländern veranstaltete.2 Nachdem im Vorjahr die Sammlung von empirischen Teilstudien zur medialen Integration in Deutschland erschien,3 stellt dieser Band nun Beiträge zum Umgang der Medien mit ethnischen Minderheiten in Kanada und den USA vor und geht der Frage nach, was von den beiden klassischen nordamerikanischen Einwanderungsländern für die mediale Integration der Migranten in Deutschland gelernt werden kann. Die wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit medialer Integration ist in Deutschland – anders als in Nordamerika – ein relativ neues Phänomen. Obwohl bereits in den 1970-er Jahren erkennbar wurde, dass sich ein Teil der seit den 1950-er Jahren angeworbenen Gastarbeiter in Einwanderer verwandelte, wurden die Probleme der Integration zumindest auf den beiden oberen Ebenen der Politik – im Bund und in den Ländern – ein Vierteljahrhundert lang verdrängt. Erst seit einem guten Jahrzehnt erkennen die politischen Eliten zunehmend an, dass sich Deutschland zu einem Einwanderungsland neuen Typs entwickelt hat und vor der Herausforderung steht, seine demografisch und wirtschaftlich benötigten Migranten zu integrieren. Im Zentrum der Überlegungen zur Integration stehen dabei zu Recht die Integration der Einwanderer in den Arbeitsmarkt und, damit zusammenhängend, die Integration ihrer Nachkommen in das Bildungssystem. Aber auch Medien und Öf-
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Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.) (2005): Massenmedien und die Integration von ethnischen Minderheiten in Deutschland. Problemaufriss – Forschungsstand – Bibliographie. Bielefeld.
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Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.) (2006): Integration durch Massenmedien. Medien und Migration im internationalen Vergleich. Bielefeld; Geißler, Rainer/ Pöttker, Horst (Hrsg.) (2009): Media – Migration – Integration. European and North American Perspectives. Bielefeld.
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Geißler, Rainer/Pöttker, Horst (Hrsg.) (2009): Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten. Band 2: Forschungsbefunde. Bielefeld.
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Rainer Geißler/Horst Pöttker | Einleitung
fentlichkeit gehören zu den wichtigen Integrationsfeldern. Daher ist es wissenschaftlich von Interesse, den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus in andere Einwanderungsgesellschaften zu werfen, insbesondere in solche, die – wie die beiden nordamerikanischen – über lange Erfahrungen mit der ethnischen Diversität in der Bevölkerung und im Mediensystem verfügen. Dabei ist die Frage zu stellen, ob wir etwas von ihnen lernen können und, wenn ja, was. In den beiden ersten Teilen des Bandes skizzieren zwei Experten aus Kanada und den USA – Professor Dr. Augie Fleras, Soziologe, Multikulturalismusforscher und Kommunikationswissenschaftler von der University of Waterloo, sowie Prof. Dr. Kenneth Starck, Journalismusforscher und langjähriger Direktor der School of Journalism an der University of Iowa – Zustand und Probleme der medialen Integration in Kanada und in den USA. Diese englischen Texte haben die Herausgeber übersetzt. Der dritte Teil wurde von Mitgliedern unseres Projektteams verfasst und schlägt einige Brücken von Deutschland nach Nordamerika. Harald Bader analysiert an zwei historischen Fallbeispielen die Rolle deutscher Ethnomedien in den USA. Anne Weibert vergleicht die Lokalberichterstattung in Deutschland und den USA über die türkische bzw. hispanische Minderheit. Horst Pöttker und Anne Weibert rekonstruieren die historische Entwicklung des Selbstverständnisses der USA als Einwanderungsgesellschaft und weisen noch einmal im Überblick – wie sie es seit 2003 regelmäßig für deutsches Publikum tun – auf praktisch brauchbare Instrumente der US-amerikanischen diversity-Politik und -Forschung hin. Den Abschluss bilden Beiträge der Herausgeber zu der Frage, die unser Motiv für die Beschäftigung mit der medialen Integration in Kanada und den USA ist: Was ist von den beiden klassischen nordamerikanischen Einwanderungsländern über die mediale Integration von ethnischen Minderheiten zu lernen? Eine Bibliographie zur medialen Integration in Nordamerika ist online; Parisa Javadian Namin gibt einige Hinweise zu ihrer Benutzung. Wir danken allen, die zum Gelingen dieses Bandes beigetragen haben. Ein besonderes Dankeschön geht an die beiden nordamerikanischen Kollegen Augie Fleras und Kenneth Starck. Sie haben nicht nur die hier veröffentlichten Beiträge verfasst, sondern unser Projekt über mehrere Jahre durch wichtige Anregungen, Hinweise und Ratschläge unterstützt. Unser Dank geht auch an die beiden Autorinnen aus unserem Projektteam sowie an Harald Bader für seine Beiträge und für die formale Bearbeitung der Texte, an Sebastian Rehbach, der die Bibliographie zu Kanada zusammengestellt hat, an Sarah Löhr und Dennis Kogel für die Hilfe bei den Übersetzungen, an Natalie Geese, an Angelika Schomann im Dortmunder Sekretariat und last but not least an Prof. Dr. Peter Gendolla, den Sprecher des DFG-Forschungskollegs. Rainer Geißler und Horst Pöttker
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Teil I: Kanada
Augie Fleras
Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias Die Basis der (Fehl-)Darstellung von Minderheiten in Nachrichtenmedien neu durchdacht Abstract Canada’s mainstream news media are widely accused of reneging on the principles and practices of an official multiculturalism. Both print and broadcast news media continue to unwittingly frame migrants and minorities as problem people, that is, people with problems or who create problems. Moves to unframe this biased and unbalanced coverage by modifying the media mindset are well-intentioned. Yet an agency-oriented solution for improving the processing of minority news information may prove insufficient. The politics of mis-representation reflect a structural (systemic) bias because of the news values implict within a conventional news paradigm. The centrality of a systemic (mediacentric) bias is revealed in two ways. First, the very dynamic of newsmedia as a medium of negative tends to racially profile migrants and minorities as troublesome constituents in need of control or criticism. Second, the institutionalization of a liberal-universalism bias inhibits the framing of deep differences outside of a monocultural newsmedia framework. Such a mediacentric news bias not only intensifies the mis-representation of diversity, but also exposes those systemic barriers that preclude an inclusive newsmedia. The conclusion seems inescapable: Transformative change in redefining the representational basis of minority-newsmedia relations will materialize only when the conventional news paradigm re-thinks those news values that conceal as much as they reveal.
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Der Streit um den Nachrichtenrahmen: Verzerrte Berichterstattung oder Berichterstattung, die verzerrt?
Die Praxis der Nachrichtenberichterstattung wird immer wieder intensiv diskutiert. Auf der einen Seite ist unter dem Begriff Nachrichten ein empirisch verankerter Spiegel der sozialen Realität zu verstehen, die durch unparteiische, objektiv über Neuigkeiten berichtende Journalisten vermittelt wird. Auf der anderen Seite hingegen werden Nachrichten immer weniger als etwas „da draußen“
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
angesehen, das bloß ausgewählt und ausgestellt werden muss, sondern zunehmend als gesellschaftlich erschaffene und spezifisch kulturelle Konstruktion. Es gibt demnach nichts Natürliches oder Normales an der Aufmachung der Nachrichten, trotz der Bemühungen, diesen Eindruck zu erzeugen. Um es deutlicher zu sagen: Die Nachricht ist eine Kreation interagierender Individuen, die entscheiden, was aktuell ist und was nicht, wer zitiert wird und welche Quellen mit welcher Deutung verwendet werden (Weston 2003). Diese Idee der gesellschaftlich konstruierten Nachrichten steht im Einklang mit der Vorstellung, dass Nachrichten ein Diskurs sind, der eine Ideologie verteidigt. Die Mainstream-Nachrichtenmedien verkörpern als Diskurs der Dominanz, welcher sich selbst gestaltet, aber auch gestaltet wird, Ideen und Ideale, die die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Wirklichkeit lenken und andere dabei ausblenden (Henry/Tator 2002). Durch das Vertrauen in Nachrichtenfaktoren wird zum einen herausgestellt, welche Geschichten in welchem Zusammenhang auftreten, wie Themen präsentiert und welche Bilder anerkannt werden. Zum anderen werden ausgewählte Aspekte der Wirklichkeit als akzeptabler und überlegener, andere als irrelevanter und unbedeutender eingestuft, wodurch garantiert wird, dass Nachrichtenfaktoren Agenden setzen. Dem Bias, der sich aufgrund dieser Nachrichtendarstellung ergibt, wird generell Glauben geschenkt, wobei kein Konsens über den Ursprung desselben besteht. Entscheidet bezüglich der Definition, der Berichterstattung, der Erfassung und der Aufmachung die Eigentümerschaft (Struktur) oder der Journalismus (Vermittlung) darüber, was neu, oder eine Nachricht wert, ist (Miljan/Cooper 2003)? Für manche scheint der Bias der Nachrichtenmedien aus der kommerziellen Logik zu resultieren, die mit Eigentumsmustern und einer zunehmenden Konvergenz einhergehen (Herman/Chomsky 1988; Winter 2001). Wenn man dieser Argumentation folgt, beziehen sich Nachrichten nicht unbedingt auf Neuigkeiten, sondern vielmehr auf schon vorhandene Herrschaftsstrukturen machthabender Eliten, die Hegemonie um eine bevorzugte Agenda herum inszenieren (Hall 1980; Hier/Greenberg 2002). Andere denken, dass dieser Bias seinen Ursprung in der Routine der Nachrichtenentstehung hat (Fishman 1980; David 2003) – aufgrund des Drucks durch Deadlines, der Verfügbarkeit und des Zugangs zu Quellen, der Produktionsabläufe, der Dringlichkeiten der Produktion sowie der Einmischung durch die Eigner. Des Weiteren ist – bewiesenermaßen – die Abhängigkeit des Journalismus vom Staat und von anderen Experten als Primärquelle für Tatsachenberichte ebenfalls eine Ursache für diesen Bias – insbesondere wenn sie mit Vertrauen in die Informationen von Nachrichtenagenturen einher geht (Kalant 2004). Für wiederum andere entspringt der Bias den Nachrichtenwerten, die Journalisten mit in den Nachrichtenprozess einbringen (Miljan/Cooper 2003), da Nachrichten eine politische und soziale Sicht widerspiegeln, welche die journa-
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
listischen Standards und Prioritäten prägt. Hierzu sagte der Journalistikprofessor Todd Gitlin einmal, wenn auch in einem anderen Zusammenhang: Journalisten (und Medien generell) prägen die Wirklichkeit durch Selektion, Hervorhebung und Präsentation, unter Berücksichtigung implizierter Annahmen darüber, was existiert, was passiert und was bedeutend ist (Drezner/Farrell 2004, 34). Der daraus resultierende Medienzentrismus (der Hang der Medien, die Welt von ihrem Standpunkt aus als notwendig und normal zu interpretieren) untermauert die Rolle der Nachrichtenmedien als Deuter und Gestalter von Geschehnissen – sie sind hier mehr Teilnehmer als unbeteiligte Zuschauer. Somit konstruieren die Nachrichtenmedien die Ereignisse, über die sie berichten. Bringt man diese verschiedenen Blickwinkel zusammen, dann ergibt sich folgendes Muster der Medienberichterstattung: Was als Nachricht erscheint, spiegelt einen systemischen Bias wider, das unbeabsichtigt bestimmt, was von Bedeutung ist und was nicht. Darüber hinaus sind Nachrichten im Wesentlichen ein Medium des Negativen, da Nachrichtenwerte in erster Linie der medienzentrischen Logik folgen, „nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“. Sowohl elektronische als auch gedruckte Nachrichten verkörpern daher eine Erzählform, die Ereignisse in einen Konfrontationsrahmen mit festgelegten Protagonisten und Positionen zwingt, einschließlich Helden, Bösewichten und Opfern (van Dijk 2000). Ein auf Konflikten beruhendes Format transformiert Nachrichten in eine Berichterstattung, die negative Ansichten aktiviert und denjenigen mit lauten Stimmen, extremen Ansichten, seltsamem Auftreten und bizarrem Verhalten eine Plattform bietet (Weston 2003). Vereinzelte, unregelmäßig auftretende Ereignisse werden zu einer Geschichte verdichtet, die Feuer fängt, sobald sie – ohne Rücksicht auf ihren Wahrheitsgehalt – aufgeblasen wird. Eine drohende Krise wird angedeutet, obwohl sie bisher überhaupt nicht existiert (Hier/ Greenberg 2002; Henry/Tator 2002). Die zunehmende Boulevardisierung der Nachrichten teilt nicht nur die Wirklichkeit in verdauliche Häppchen ein, sondern weidet sich auch an einer Art von Gotcha Journalismus1, der das kompromisslose Streben nach dem Knüller vergöttert. Wenn aber Gerüchte die Verantwortung, Effekthascherei die Substanz und Voyeurismus die Aufrichtigkeit ersetzt, dann ist die Erosion journalistischer Standards unvermeidbar (Miller 1998; Tumber/Waisbord 2004). Der Chefredakteur einer der beiden 1
Anm. d. Hrsg.: Gotcha Journalismus (engl. gotcha = umgs. für „hab dich“/ „gefangen!“) bezeichnet eine Art der Berichterstattung, die darauf zielt, Personen zu diffamieren oder generell in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen – vergleichbar mit einem aggressiven, polemisierenden Enthüllungsjournalismus.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
nationalen kanadischen Tageszeitungen, Edward Greenspon (The Globe and Mail) sprach ganz offen von einem Beruf, der in das Abnormale verliebt ist („if it bleeds, it leads“/„if it scares, it airs“): Zieren wir uns nicht so. Journalisten haben Erfolg mit dem Leid anderer. Es ist nicht so, wie manche annehmen, dass sich die Medien nur mit dem Negativen aufhalten. Es ist eher so, dass wir beim Ungewöhnlichen und Außergewöhnlichen verweilen. [...] Das Alltägliche ist keine Nachricht wert. Das schafft eine natürliche Vorliebe für das Negative, da das meiste im Leben sich im Grunde genommen wie erwartet ergibt (Greenspon 2001). Das herkömmliche Nachrichtenparadigma spiegelt einen systemischen Bias wider, da bei der Berichterstattung aufgrund der Nachrichtenwerte das Negative und Feindliche dem Positiven und Gemeinschaftlichen vorgezogen wird. Dieser Bias ist institutionell und nicht persönlich, folgerichtig und nicht vorsätzlich, routinemäßig und nicht willkürlich, kulturell und nicht konspirativ, struktur- und nicht einstellungsbedingt (s. Weston 2003). Während aber Konfliktdiskurse einen positiven Widerhall innerhalb der Industrie hervorrufen, beeinflusst die andauernde Negativität Migranten und Minderheiten in einer negativen Art und Weise. Konflikt und Krise – die hauptsächlichen Themen – lassen Migranten und Minderheiten als Problemgruppen und „Störenfriede“ erscheinen, die Probleme verkörpern bzw. verursachen. Somit werden Migranten und Minderheiten durch diese negative Berichterstattung mit einem Image versehen, vergleichbar – auch in den sich daraus ergebenden Konsequenzen – mit Menschen, denen fälschlich etwas unterstellt wird. Migranten und Minderheiten verlieren hierbei kampflos oder werden durch Zuschreibungen fallen gelassen, da der institutionelle Druck unbeabsichtigt dazu führt, dass Fakten falsch dargestellt oder Beweise gefälscht werden (s. auch Ross 2003). Natürlich wird niemand behaupten, dass Migranten und Minderheiten überhaupt keine Probleme haben oder an der Situation nicht auch eine gewisse Schuld tragen, und es fordert auch niemand ein Moratorium negativer Berichterstattung über Minderheiten, damit die Götter der political correctness besänftigt werden. Und auch die Journalisten werden nicht beschuldigt, fiktive Nachrichteninhalte zu konstruieren, die „gedruckt werden, um zu passen“ (aber vgl. Parenti 1986). Die Praxis, Migranten und Minderheiten als Problemgruppen darzustellen, ist daher nicht unbedingt beabsichtigt – auch wenn Beweise suggerieren, dass sich Journalisten oft vorherrschende Nachrichtenmaßstäbe zueigen machen (Henry/Tator 2003) –, sondern spiegelt ein medienzentrischen Bias in der Verarbeitung von Mainstream-Nachrichteninformation wider.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
Aufgrund des Medienzentrismus neigen die Nachrichtenmedien (und die für sie Arbeitenden) dazu, die Wirklichkeit aus einem Medien-Blickwinkel als normal und notwendig zu interpretieren mit der Folge, dass nicht medientaugliche Interpretationen der Wirklichkeit als irrelevant und minderwertig und somit unverkäuflich abgestempelt werden. Die Auswirkungen dieses systemischen (medienzentrischen) Bias stellen eine Bedrohung für Kanadas multikulturelle Verpflichtungen dar, weil es vielen Kanadiern an Erfahrungen mit Kanadas Diversität an race, ethnischen Gruppen und Ureinwohnern aus erster Hand mangelt. Dadurch werden die Nachrichtenmedien zum primären und vorbereitenden Berührungspunkt, der die Einstellung der Menschen gegenüber den Migranten und Minderheiten prägt – wohl oder übel, wie Sandra Lambertus (2004: 179) warnt: Das Vertrauen der Medien in stereotypisierende Darstellungen ist schädlich, da es, sobald die Darstellungen verbreitet wurden, für die Medien unmöglich ist, ihren Einfluss auf Verhalten und Einstellungen in der Zukunft zu kontrollieren. Die kulturelle Bedeutung und der kumulative Einfluss der Fehldarstellungen in den Medien hat sich, nicht im vorsätzlichen Sinn der Gehirnwäsche oder Propaganda, sondern in der unwissentlichen Marginalisierung von Minderheiten und Migranten durchgesetzt. Sie werden zwar beachtet, zählen aber weniger als die kanadische Bevölkerung (Fleras 2004). Diese Arbeit ist Teil eines weitergehenden Diskurses über die Darstellungspraktiken von Diversität in Mainstream-Nachrichtenmedien (Fleras/ Kunz 2001; Mahtani 2002). Der Inhalt und die Argumentation dieses Aufsatzes basieren auf zwei Annahmen: Erstens, dass die Mainstream-Nachrichtenmedien Diversität ablehnen und weiterhin den vorgeblichen Pluralismus einer Denkweise à la business as usual bevorzugen und das, obwohl bekanntermaßen die Akzeptanz der gegebenen Diversität sowohl Elastizität und Adaptionsfähigkeit als auch institutionelle Kreativität fördert (Karim 2002). Diese Aversion gegen das Ernstnehmen von Unterschieden ist eher systemisch als persönlich und spiegelt die Wechselwirkung zwischen der Unternehmensstruktur der Medien und der Abhängigkeit von Werbeeinnahmen wider. Hinzu kommt die damit einhergehende Beharrlichkeit fest verwurzelter Nachrichtenwerte (Kalant 2004). Die zweite Annahme geht davon aus, dass die Nachrichtenmedien eine Rolle bei der Integration von Migranten und Minderheiten in die Gesellschaft spielen könnten – auch wenn Art und Umfang dieser Verantwortung offen zur Diskussion stehen. Logischerweise müssen sich die Nachrichtenmedien aber zuerst einmal damit befassen, wie sie Diversität zu integrieren beabsichtigen.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
Sicherlich in einer Art und Weise, die die Normen des üblichen Nachrichtenparadigmas in Frage stellen wird. Die Folgen sind nicht zu unterschätzen: inklusive Medien können Menschen zusammenbringen, wohingegen eine kurzsichtige und böswillige Berichterstattung polarisieren und provozieren kann – zum Nachteil eines Zusammenlebens in akzeptierter Unterschiedlichkeit (vgl. Miller 2003). Dieser Beitrag zeigt zunächst, wie die Darstellung von Migranten und Minderheiten in den Nachrichtenmedien Kanadas Verpflichtung zu einem inklusiven Multikulturalismus hintergeht. Die Problematisierung von Minderheiten und Migranten als Störenfriede ist weder absichtlich noch ist es eine Fehleinschätzung, sondern spiegelt ein systemischen (medienzentrisches) Bias wider, das unwissentlich (wenn auch logischerweise) Diversität als Konflikt oder Problem darstellt. Anders ausgedrückt geht das Problem über eine verzerrte Berichterstattung hinaus, bringt aber stattdessen eine Berichterstattung hervor, die durch die Nachrichtenfixierung auf das Negative verzerrend wirkt. Danach fährt die vorliegende Arbeit mit der Erkenntnis fort, dass die Prinzipien eines liberalen Universalismus diesen systemischen Bias untermauern, da die liberalen Nachrichtenwerte des konventionellen Nachrichtenparadigmas dem Anspruch, Unterschiede ernst zu nehmen, außerhalb eines Konfliktgefüges nicht gerecht werden können. Diese Arbeit schließt mit der Anmerkung, dass Initiativen, die die Qualität und Quantität von Berichterstattung über Minderheiten verbessern möchten, nicht aus dem eingefahrenen monokulturellen Trott herauskommen, wenn die vorgestellten Lösungen nicht die Nachrichtenwerte zerstören können, die systematisch ein konventionelles Nachrichtenparadigma wiedergeben und verstärken (Wilson II 2003).
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Framing des Kontexts
2.1
Kanada – eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft
Einwanderungsgesellschaften – zu denen Kanada nach weitläufiger Meinung zählt – sind durch drei Merkmale geprägt: Erstens wird Einwanderung als Langzeitinvestition in und Langzeitanlage für die Gesellschaft wahrgenommen, zweitens gibt es Richtlinien, die den Strom der Migranten regulieren und drittens existieren Programme, welche die Niederlassung und Integration von Migranten unterstützen. Zuwanderer werden in Kanada eher als zukünftige Bewohner und Bürger angesehen denn als kurzzeitige Gastarbeiter – auch wenn Kanada in der Vergangenheit Migranten aus China als vorübergehende Bewohner definiert hat und auch heute weiterhin ein Gastarbeiterprogramm unterhält.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
Der Kern von Kanadas Bekenntnis zur Einwanderung ist ein implizierter sozialer Vertrag, der Rechte und Pflichten festschreibt. Halten sich Migranten an diese Regeln der Gesellschaft, so verspricht die kanadische Regierung die Integration durch Sicherung von Gleichheit und voller Teilhabe zu ermöglichen. Die Rhetorik entspricht jedoch nicht immer der Realität: sichtbare Minderheiten2, insbesondere wenn sie erst seit kurzem in Kanada leben, belegen im Bezug auf Einkommen und Beschäftigung tendenziell einen Randstatus. Die Tatsache, dass sie weiterhin Diskriminierung oder Marginalisierung ausgesetzt sind, wirft kein gutes Licht auf Kanadas egalitäres Ethos (Fleras/Elliott 2003). Dennoch bestätigen die Zahlen Kanadas Anspruch, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein. Ungefähr 18 Prozent der kanadischen Bevölkerung wurden im Ausland geboren und gelten somit als Migranten – in der Statistik liegt Kanada damit direkt hinter Australien mit 22 Prozent auf dem zweiten Platz. Bis in die frühen 1970er Jahre kamen die kanadischen Migranten in erster Linie aus Europa und den Vereinigten Staaten, seither kommen fast 80 Prozent der Migranten aus unkonventionellen Ländern, insbesondere aus China und Indien. Aufgrund dieser Veränderung der Herkunftsländer definierten sich in der Volkszählung von 2001 etwa 13,4 Prozent der Kanadier als sichtbare Minderheiten. Die überwältigende Mehrheit dieser visible minorities lebt in den großen urbanen Zentren Toronto, Vancouver und Montreal. Dadurch verstärken sie die kanadische Realität einer monokulturellen Gesellschaft mit vereinzelten Zentren starker multikultureller Diversität. Trotz des offiziellen Anspruchs Kanadas, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, neigen viele Kanadier zu einer ambivalenten Denkweise über Migranten, was sich in den Debatten um die jährliche Zahl der Migranten (etwa 225.000 pro Jahr seit den frühen 1990er Jahren), um die Herkunftsländer (Asien) und Einwanderer-„Klassen“ widerspiegelt (Fachkräfte werden zwar bevorzugt, aber Familienmitglieder – sowohl als Eigenkategorie als auch als Angehörige – sind zahlenmäßig den anderen Kategorien weiterhin überlegen). Kanadas offizieller Multikulturalismus ist eine politische Antwort auf die Herausforderungen der Ansiedlung und Integration von Migranten (Fleras 2002). Er geht zurück auf das Jahr 1971, in dem Kanada als erste Nation den Schritt in Richtung eines formalen Multikulturalismus machte. Alle Parteien stimmten damals zu. Seine Bedeutung als wahrscheinlich erster und einziger offizieller Multikulturalismus der Welt wurde mit der konstitutionellen Verankerung 1982 und der Verabschiedung des Multiculturalism Act von 1988 konsolidiert. Trotz seines hervorgehobenen Status als Symbol und Substanz wird der 2
Anm. d. Hrsg.: „Sichtbare Minderheiten“ ist in Kanada ein rechtlicher Begriff; er erfasst „Personen, die weder Ureinwohner noch von kaukasischer Abstammung oder weißer Hautfarbe sind.“ Kaukasisch: Weiße europäische Abstammung.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
offizielle Multikulturalismus weiterhin, sowohl von Kanadiern als auch von ausländischen Beobachtern, missverstanden. Bei Kanadas multikulturellen Verpflichtungen handelt es sich nicht um das Zelebrieren von Unterschieden oder das Fördern von ethnischer Diversität. Um es klar zu sagen – der offizielle Multikulturalismus bekämpft Benachteiligungen durch die Beseitigung diskriminierender Barrieren. Gemäß der Logik des offiziellen Multikulturalismus Kanadas ist eine Gesellschaft von vielen Kulturen nur möglich, wenn die kulturellen Unterschiede zwischen den Menschen nicht den Zugang zu den vollen Bürgerrechten, zu Gleichheit und der Mitwirkung am gesellschaftlichen und politischen Leben eingrenzen. Soweit Diversität unter einem offiziellen Multikulturalismus toleriert wird, dürfen die Unterschiede zwischen den Minderheiten nicht gegen die Gesetze des Landes verstoßen, die Rechte anderer beeinträchtigen oder grundlegende konstitutionelle Werte, wie etwa die Gleichheit der Geschlechter, anfechten. Es überrascht nicht, dass Kanada nicht einmal annähernd so multikulturell ist (sowohl in der empirischen Realität als auch im normativen Standard), wie die Anhänger des Multikulturalismus behaupten. Andererseits ist es sowohl im Prinzip als auch in der Praxis viel multikultureller, als es viele Kritiker eingestehen (Fleras 2002). Im Mittelpunkt der multikulturellen Verpflichtungen Kanadas steht das Konzept institutioneller Inklusion. Inklusion erfordert eine Kombination von Prinzipien und Praktiken, mit denen Institutionen auf Diversität als verschieden, aber dennoch gleich antworten, indem sie überdenken, wie die Dinge um sie herum zu tun sind, um anzuerkennen und zu belohnen. Alle wichtigen Institutionen Kanadas stehen unter dem Zwang zur Inklusion, zum einen aufgrund des wirtschaftlichen Drucks (um einen Vorteil aus dem immer lukrativer werdenden ethnischen Markt zu schlagen) und zum anderen aufgrund des politischen Drucks (um den Bestimmungen des Employment Equity Act von 1986/1996 zu folgen). Außerdem wird ein regulativer Druck (um sicherzustellen, dass die Zusammensetzung der Belegschaft die Diversität der Gemeinde widerspiegelt) auf die Institutionen ausgeübt. Selbstverständlich kann institutionelle Inklusion unterschiedliche Formen annehmen, dazu gehören u.a. (a) faire Rahmenbedingungen zu schaffen, (b) Institutionen durch Einstellung von Minderheiten zu diversifizieren, (c) vergleichbare Institutionen zu schaffen, die Erfahrungen und Ansprüche von Minderheiten widerspiegeln und (d) konventionelle Normen und grundlegende Prinzipien in Frage zu stellen, die eine Dynamik à la business as usual definieren. Nichtsdestotrotz ist dieser Schritt in Richtung institutioneller Inklusion bedeutungsvoll, da er nicht nur die Prinzipien des offiziellen Multikulturalismus in die Praxis umsetzt, sondern auch die Bedeutung der Verminderung von Benachteiligung – im Gegensatz zur Zelebrierung von Unterschieden – durch die Schaffung einer Gesellschaft vieler Kulturen hervorhebt. Die meisten Einrichtungen haben sich bereits in Richtung Inklusion bewegt, und es wurden die
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
eklatantesten Formen eines diskriminierenden Bias beseitigt, indem Programme geschaffen wurden, die die Selektion und die Aufrechterhaltung von Diversität innerhalb der Arbeitnehmerschaft verbesserten. Der systemische Bias, durch den ungewollt diejenigen abgelehnt werden, die sich trauen anders zu sein oder die ohne eigenes Verschulden benachteiligt werden, bleibt hingegen bis heute unangefochten. Dieser Sachverhalt ist nirgendwo so offensichtlich wie in den Mainstream-Nachrichtenmedien, die weiterhin ein konventionelles Nachrichtenparadigma unterstützen, das Minderheiten und Migranten als Störenfriede darstellt. Grund hierfür sind die Nachrichtenwerte, die das Abnormale, das Negative, das Extreme und die Konfrontation hervorheben. Dieser medienzentrische Bias, welcher das konventionelle Nachrichtenparadigma prägt, hat einen systemischen – unbeabsichtigten und doch negativen – Effekt, nämlich dass Migranten und Minderheiten in angesehenen Bereichen (Wirtschaft) unterrepräsentiert sind, in nicht angesehenen Bereichen (Kriminalität) überrepräsentiert und überall sonst (Unterhaltung und Sport) fehlrepräsentiert sind. Die daraus resultierenden Bilder und Geschichten, die diese Unter-, Über- und Fehldarstellung von Migranten und Minderheiten verstärken, bleiben nicht ohne Konsequenzen oder politische Bedeutung, da die Beziehungen zwischen Medien und Minderheiten letztendlich in Bezug auf Macht und Privilegien ungleich sind. Das allein macht es umso notwendiger zu analysieren, wie es zu den Verfestigungen dieser Ungleichheiten gekommen ist (konstruiert, geäußert und aufrechterhalten) und wie diese zukünftig angezweifelt (herausgefordert und transformiert) werden können.
2.2
Die Darstellung kultureller Vielfalt in Kanadas Multikulturalismus: „Unsichtbarkeit normalisieren, Sichtbarkeit problematisieren“
Insbesondere in Ländern wie Kanada, die durch beispiellose Einwanderungsstrukturen eine demographische Revolution erleben und somit einem besonders schnellen gesellschaftlichen Wandel unterworfen sind, greifen Menschen meist auf die Mainstream-Nachrichtenmedien zurück, um Unsicherheiten und Irritationen zu mindern. Individuen stützen sich dabei auch auf die Medien, um ihre Einstellungen in Bezug auf Diversität zu formen, da vielen – von einem oberflächlichen Kennenlernen einmal abgesehen – der persönliche Kontakt mit den unterschiedlichen Ethnien fehlt (Wilson II n.a. 2003). Aber auch Migranten und Minderheiten vertrauen auf die Nachrichtenmedien, indem sie zum einen Orientierung für ihre Identität suchen und zum anderen Indikatoren für Akzeptanz erwerben. Dies führt dazu, dass diejenigen, die sich selbst in den Nachrichtenmedien positiv widergespiegelt sehen, mit gesteigerter Selbstachtung, Bestätigung sowie einem Gefühl von Gemeinschaft
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
und Zugehörigkeit prahlen (Karim 2002). Diejenigen hingegen, die bemerken, dass die Berichterstattung mit ihren Sorgen und Hoffnungen unvereinbar ist, können ein Gefühl von Ablehnung, Verzweiflung oder Feindseligkeit erleben. Schließlich orientieren sich auch Regierungsvertreter und Nicht-Regierungsorganisationen in ihrer Entscheidungsfindung an den Medien, insbesondere in Krisenzeiten, wie beispielsweise bei einer nicht angekündigten Ankunft von Flüchtlingen (Hier/Greenberg 2002). Somit dürfte folgende Einschätzung nicht überraschen: Bis sie durch andere Informationsquellen abgelöst werden, spielen die Mainstream-Nachrichtenmedien eine Schlüsselrolle für die öffentliche Meinung und die Reaktionen der Regierung (Metropolis 2004). Mainstream-Nachrichtenmedien sind dadurch zu den wichtigsten Vermittlern bei der Förderung von Diversität und der Aushandlung von Inklusion geworden. Was dabei auf dem Spiel steht, ist nicht weniger als die Bedeutung des viel diskutierten Themas Mediendarstellung von Migranten und Minderheiten, um einen multikulturellen Entwurf für kooperative Koexistenz voranzutreiben. Hierauf gibt es vielfältige Reaktionen und zwei Herausforderungen, die gelöst werden müssen. Erstens: Wie kann man Migranten und Minderheiten in einer weitgehend informativen und doch nuancierten Art und Weise als unterschiedlich aber dennoch gleich darstellen, ohne dass man sich in die vorgefasste Meinung der Medien und in journalistische Vorurteile verstrickt (Weston 2003)? Zweitens stellt sich die Frage, wie man Diversität durch entsprechende Angleichungen des konventionellen Nachrichtenparadigmas in die Nachrichtenmedien integriert. Ist es möglich, die natürliche Neigung der Nachrichtenmedien – Diversität abzulehnen, zu problematisieren oder zu entpolitisieren – mit dem multikulturellen Prinzip – Unterschiede anzuerkennen oder zu belohnen – in Einklang zu bringen? Bisher sind die Reaktionen auf das Aufeinandertreffen der Kulturen gemischt. Für einige haben die Mainstream-Nachrichtenmedien kompetent ihre Pflicht, den öffentlichen Diskurs zu prägen, erfüllt, wohingegen andere ein Versagen der Medienberichterstattung sehen, da sie Öl ins Feuer der Intoleranz gegossen haben. Bei wiederum anderen spiegelt das Urteil über die Nachrichtenmedien ein verwirrendes Potpourri aus Progressivität und Bedauern neben Gleichgültigkeit wider. Sollte aus dieser herrschenden Verwirrung die Repräsentationsbasis der Relation zwischen Medien und Minderheiten verbessert werden, so müssen dem logischerweise Debatten über die Rolle und die Verantwortung der Nachrichtenmedien bei der Integration von Migranten und Minderheiten vorausgehen.
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Augie Fleras | Das konventionelle Nachrichtenparadigma als systemischer Bias
2.2.1
Fehl-Repräsentation/Über-Repräsentation/Unter-Repräsentation
Die Mediendarstellung von Migranten und Minderheiten lässt viel zu wünschen übrig (Mahtani 2002), und Mainstream-Nachrichtenmedien sind immer wieder dem Vorwurf einer unausgewogenen und voreingenommenen Berichterstattung ausgesetzt, da Migranten und Minderheiten kontinuierlich durch verleumderische Bilder und erniedrigende Beurteilungen beleidigt werden (Holtzman 2000; Shaheen 2001). Minderheiten und Migranten bleiben anfällig für bedenkliche Berichterstattung, in der sie (a) als irrelevant und minderwertig herabgestuft werden, (b) als soziale Bedrohung für die Gesellschaft dämonisiert werden, (c) als Sündenbock und Quelle aller Probleme herhalten müssen, (d) für ihre Andersartigkeit oder da sie nicht anders genug sind in das AndersSein gedrängt werden, (e) durch ein Prisma eurozentrischer Ängste und Fantasien gesehen werden und (f) einer Doppelmoral ausgesetzt sind, die Minderheiten verhöhnt, ungeachtet dessen, was sie tun oder nicht getan haben. Durch die Fixierung auf Elend und Sensationen entsteht eine Leerstelle in der Berichterstattung über Minderheiten, welche das Normale verschmäht und Ausnahmen aufbauscht. Auf die gleiche Weise werden bei der Berichterstattung über Kriminalität die seltensten Verbrechen (brutale Verbrechen, Fremder gegen Fremder) aufgebauscht, während die häufigsten Verbrechen (Eigentumsdelikte) heruntergespielt werden (Surette 1998). Die Fehl-Darstellung der Medien kann in folgende Kategorien unterteilt werden, die Minderheiten und Migranten als (a) Unsichtbare, (b) Stereotype, (c) Problemgruppen, (d) Verzierungen (Requisiten oder Token) oder (e) Weißgewaschene darstellt. Es wimmelt folglich an eklatanten Unstimmigkeiten in der Medienberichterstattung, aufgrund uneinheitlicher Botschaften, die „Unsichtbarkeit normalisieren“, während sie „Sichtbarkeit problematisieren“ (Henry/Tator 2003). Für die einen gibt es also eine Tendenz, die Nicht-Erkennbarkeit besonders erkennbarer Migranten und Minderheiten zu normalisieren, für andere wiederum existiert der Hang, jegliche Präsenz als Gefahr oder Bedrohung für die Gesellschaft zu problematisieren. Betrachtet man die Nachrichtenberichterstattung über die kanadischen Ureinwohner, so sind auch sie im Wesentlichen unsichtbar und werden nur im Zusammenhang mit Feindseligkeit (durch Skandale oder Betrug) oder Widerstand (von Blockaden über Konfrontation bis hin zu Protesten) in den Nachrichten erwähnt (Miller 2004; Green 2004). Jegliches Gefühl von Gleichgewicht oder Objektivität der Medien wird dadurch widerlegt, dass Ureinwohner als gefährliche Gesetzlose dargestellt werden, denen man nicht trauen und die man deshalb nicht respektieren kann (Lambertus 2004). Die kanadischen Ureinwohner werden in den Medien als (a) Gefahr für Kanadas territoriale Integrität oder nationales Interesse (Ansprüche auf nationale Einheit und Autonomie), als (b) Risiko für Kanadas gesellschaftliche Ordnung (die
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Gewalt von Oka Quebec bis Burnt Church New Brunswick), als (c) wirtschaftliche Bürde (v. a. die massiven Kosten im Zusammenhang mit Landansprüchen und Entschädigungen für Missbrauchsfälle an Internaten), als (d) Ärgernis für das Justizsystem (vom Fall Donald Marshall bis zur Erschießung von Ureinwohnern durch Polizisten und der Tötung von Dudley George in Ipperwash, Ontario) oder als Objekte des Mitleids aufgrund der verbreiteten gesellschaftlichen Probleme in dysfunktionalen Gemeinden verunglimpft. Fasst man diese negativen Aspekte zusammen, so steht der Lebensstil der Ureinwohner als Ganzes in der Kritik. Er wird gleichgesetzt mit der übermäßigen Inanspruchnahme von Sozialhilfe, einer Vorliebe für Alkohol und Drogen, einer extremen Faulheit, einem Mangel an Ehrgeiz sowie einer Misswirtschaft im Umgang mit ihren geringen Ressourcen. Außerdem wird den Ureinwohnern vorgeworfen, all diese Punkte damit zu rechtfertigen, dass es sich um natürliche Rechte der Ureinwohner handle oder sie von der Gesellschaft in eine Opferrolle gedrängt wurden. Eine solch abschätzige Medienberichterstattung zeichnet das Bild der kanadischen Ureinwohner als Menschen in Not, die mit den heutigen Herausforderungen nicht fertig werden (Weston 2003). Paradoxerweise halfen auch all die Anstrengungen der Ureinwohner nicht, eine bedeutende Veränderung zu bewirken. Die Nachrichtenberichterstattung von Protestaktionen oder zivilem Ungehorsam ist zu einem Konfliktparadigma geworden, in dem die eine Seite als gut (Cowboys) vergöttert und die andere als böse (Indianer) „dämonisiert“ wird. Protestierende werden regelmäßig als gefährlich oder irrational gebrandmarkt, weil ihre Aktionen nicht zu den Normen der Gesellschaft passen – im Gegensatz zu Regierungs- und Gerichtsbeamten, die sich selbst als Verkörperung von Ordnung und als Inbegriff der Vernunft sehen (Abel 1997). So überrascht es nicht, dass viele Kanadier, die „es eben einfach nicht kapieren“ (Miller 2004), das Ausmaß und die Häufigkeit des Widerstands der Ureinwohner (z.B. von Oka bis Ipperwash, von Gustafsen Lake bis Burnt Church) als verwirrend und zugleich auch als äußerst ärgerlich ansehen. Das wiederum war Anlass für das vernichtende Urteil von Dan David (2004) über die Medienberichterstattung der Krise von Kanehsatake: Mitte Januar [2004] explodierte Kanehsatake erneut im nationalen Bewusstsein. Betrachtet man rückblickend die Berichterstattung der Medien über die Ereignisse, dann treten bekannte Muster wieder in Erscheinung. Sofort belebten die wichtigsten kanadischen Nachrichtenorganisationen lautstark die Bilder der 1990er-Oka-Krise – maskierte Mohawk-Krieger und ähnliches – und veränderten dadurch die Wahrnehmung. Sie verwandelten die Geschehnisse in die Geschichte eines heldenhaften Häuptlings, der sich gegen das Verbrechen stellt. Außerdem beschrieben die meisten Journalisten Kanehsatake als eine Gemeinde mit niemals endenden Problemen, die aufgrund belanglo-
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ser Familienstreitereien dem Untergang geweiht ist. [...] Nur wenige Journalisten untersuchten die Geschichte genauer oder wichen von diesen bequemen Stereotypen ab. Diese Dämonisierung der Ureinwohner und ihres Aktivismus kann nicht einfach so abgetan werden, da sie weiterhin durch ein weißes Prisma gesehen werden. Sie werden durch einen Eurozentrismus schikaniert, der Weißsein als akzeptierte Norm privilegiert und nach dieser die Ureinwohner beurteilt – nicht anhand dessen, was sie sind, sondern anhand dessen, was sie nicht sind (Maaka/Fleras 2005; Benson 2005). Solch eine negative Sichtweise marginalisiert nicht nur die Legitimität einer abweichenden Meinung, sondern trivialisiert die Bemühungen der Ureinwohner, historisches Unrecht zu korrigieren, indem von wirklichen Problemen abgelenkt wird. Das folgende Fallbeispiel stellt eine der elementaren Fragen in dieser Hinsicht: Wie stellen die Medien in einer Krisensituation die Beziehung zwischen Kolonisten und Kolonisierten dar – insbesondere, wenn die herrschenden Diskurse diejenigen der „Außenseiter“ überlagern (Lambertus 2004)? Das Beispiel zeigt auch, wie Nachrichtenmedien und Regierung bzw. Polizei die gesellschaftliche Konstruktion der Nachrichten aushandeln, indem sie die Definition der Situation kontrollieren.
Das Cowboy-und-Indianer-Revival: Die Kriminalisierung von Aboriginals – die „Aboriginalisierung“ von Kriminalität Die Berichterstattung der Mainstream-Nachrichtenmedien über Themen, die die kanadischen Ureinwohner, auch Aboriginal People oder First Nation People genannt, betreffen, neigt zu unbelegten Tatsachenbehauptungen (Fleras/Kunz 2001; Weston 2003). Die Medien werden beschuldigt, bestimmte Aspekte wegzulassen und ihre Vermittlungssünden aufrechtzuerhalten, da sie die Realität der Ureinwohner durch das weiße Prisma des Mainstreams betrachten (Fleras 2003). Äußerst selten erscheinen Nachrichten über kanadische Ureinwohner in einem historischen Kontext, und noch seltener geben Meldungen Einblicke in Kultur und Belange der Ureinwohner aus ihrer eigenen Perspektive (Abel 1997; Sheffield 2004). In die Berichterstattung fließt kaum Input von Seiten der Ureinwohner ein, weshalb sie oft dem Blickwinkel eines Außenseiters entspricht. Dies geschieht aufgrund von Angst, Faulheit, Mangel an Erfahrung oder schlicht Unfähigkeit (RCAP 1996; Weston 2003; David 2003). Eine solche Kritik ist allerdings wenig überraschend, da die Themen der Ureinwoh-
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ner viel zu komplex, widersprüchlich und kontextabhängig sind, als dass sie vom Junk Food-Journalismus3 erfasst werden könnten (auch Lasica 1996).
Die „Indianer“ der Nachrichtenmedien: Bilder, die verletzen Die Medienberichterstattung über die Ureinwohner kann bestenfalls als unausgeglichen, schlimmstenfalls als kriminell beschrieben werden. Diese Ambivalenz reflektiert das Einsortieren von Ureinwohnern durch die Medien in Kategorien wie bedauernswerte Opfer, edle Umweltschützer oder wütende Krieger (RCAP 1996). Einerseits werden die Ureinwohner als rein, unschuldig, verletzlich und des Schutzes der Regierung bedürftig definiert, andererseits werden sie als unbarmherzige Rohlinge dargestellt, die zwingend durch die Regierung kontrolliert werden müssen. Des Weiteren existieren Darstellungen von Ureinwohnern als unglücksselige Opfer, die soziale Missstände erleiden oder erzeugen und deshalb Regierungsunterstützung benötigen. Indem sich die Medien eines kulturell-historischen Reservoirs von stereotyper Negativität bedienen – das Motiv von Cowboys und Indianern –, wird die Nachrichtenberichterstattung über Ureinwohner auf das Atypische ihrer Gemeinschaften fixiert, wobei das Normative und Kooperative ausgeschlossen wird (Weston 2003; Lambertus 2004). Diese klischeehafte Darstellung der Ureinwohner wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass man ihren Widerstand – durch die Thematisierung im Zusammenhang mit Begriffen wie Konflikt, Krise und Verbrechen – fehlschlagen lässt. Es überrascht daher nicht, dass Medienberichte über Initiativen der Ureinwohner, die mithilfe diese „Optik“ in Frage stellen, und dabei eher auf Konfrontation, als auf den Gesamtzusammenhang fokussiert sind. Die Medienberichterstattung über die Belange der Ureinwohner wird als rassistisch beschrieben, wobei die Mainstream-Nachrichtenmedien nicht offen rassistisch im konventionellen Sinne – durch das Verwenden von Kraftausdrücken, durch offene Bigotterie oder radikale Feindseligkeit – agieren. Der Rassismus wird mehr systemisch und nicht vorsätzlich vermittelt, indem die Berichterstattung über Ureinwohner einer medienzentrischen, Nachrichten produzierenden Logik folgt, die den Realitäten und Erwartungen der Ureinwohner widersprechen. Genau wie im Androzentrismus – worunter eine männliche Sichtweise zu verstehen ist, die Realität von einem männlichen Standpunkt aus als normal betrachtet und sich selbst als überlegen ansieht, während weibliche Perspektiven ignoriert, abgelehnt oder missverstanden werden – spiegelt auch dieser medienzentrische Bias eine systemische Verzerrung 3
Anm. d. Hrsg.: Junk Food-Journalismus ist eine negativ besetzte Bezeichnung von inhaltslosem Sensationsjournalismus.
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wider, bei dem Medienblickwinkel auf Kosten alternativer Standpunkte genormt werden. Da Nachrichten im Wesentlichen Geschichten erzählen, kann man Ureinwohner ohne absichtliche Böswilligkeit schmälern oder dämonisieren, da eine entscheidende Komponente der Erzählung darin besteht, die Personen für die Rolle des Helden, des Schurken oder des Opfers vorzusehen (Media Awareness Network 2005). Die Wortwahl kann dazu führen, dass Ureinwohner entfremdet werden, wodurch sie als ein gesichtsloser Feind und nicht als Menschen mit individuellen Identitäten und angeborenen Rechten wahrgenommen werden (siehe Lakoff 2004). Ob nun bewusst oder unbewusst, das Ergebnis bleibt dasselbe: Da Mainstrem-Nachrichten durch ihre Arbeitsweise Agenden setzen, werden Bilder und Aussagen über die Ureinwohner aufrecht erhalten, die eher aufpeitschen und wütend machen als aufklären und beruhigen.
Informieren oder Aufpeitschen? Stuart Hall erklärt in seinem Standardwerk Policing the Crisis (1978), dass man in Krisenzeiten erkennt, wie ein ideologisches System funktioniert, da konventionelle Bezugssysteme durch Gegendebatten, die eine Einstellung à la business as usual in Frage stellen, in Frage gestellt werden (Henry/Tator 2003). Dies zeigte sich exemplarisch in der Nachrichtenberichterstattung über die Krise des Hummerfangs im Atlantik, welche die tiefen Risse zwischen Kanadas Ureinwohnern und der Berichterstattung freilegte und aufzeigte, dass die Nachrichtenmedien im Interesse der kanadischen Regierung handeln. Ende 1999 entschied das Oberste Gericht Kanadas, dass es einigen Gemeinschaften von Ureinwohnern im atlantischen Kanada (einschließlich der Mi’kmaq und Maliseet) kraft bestehender eingeborener und vertraglicher Rechte erlaubt sei, ohne Lizenz und außerhalb der Saison als Lebensunterhalt oder für eine bescheidenes Einkommen zu jagen und zu fischen (Coates 2000). Die Wahrnehmung der herkömmlichen eingeborenen Rechte erzeugte schwere Spannungen, da die Lizenz zum Hummerfischen gleichbedeutend mit der Lizenz zum Gelddrucken und nur schwer zu bekommen war. Hinzu kommt, dass Ureinwohner bisher erfolgreich von dieser lukrativen Industrie ausgeschlossen wurden. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Spannungen zwischen Ureinwohnern und Hummerfischern eskalierten, besonders als kanadische Hummerfischer nach dem Urteil des Obersten Gerichtes hunderte von Ureinwohnern gelegte Hummerfallen zerstörten. Das Oberste Gericht gab dem öffentlichen Druck in einem weiteren Urteil jedoch nach und räumte der Bundesgesetzgebung das höhere Recht ein, die Fischerei im Auftrag nationaler und ökologischer Interessen zu verwalten. Dies geschah aber leider erst, nach-
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dem Fischereiflotten der Ureinwohner geplündert und verbrannt worden, 4000 von Ureinwohnern gelegte Hummerfallen zerstört worden und anschauliches Videomaterial, das offene Gewalt gegen die Ureinwohner zeigt, Kanadas viel beworbenen Ruf als „gütigere, freundlichere“ Gesellschaft zunichte gemacht hatte (Toughill 2000). Durch ausgehandelte Kompromisse mit den meisten (aber nicht allen) Gruppen der Ureinwohner wurde letztendlich die Ruhe wiederhergestellt, kurz darauf aber durch gewalttätige Vorfälle wieder zerrüttet. Beispiele hierfür waren die Bombardierung staatlicher Fischereibeamter mit Fischgedärmen, das Rammen eines Fischerboots der Mi’kmaq durch bundesstaatliche Schiffe und Schießereien. Wie reagierten Nachrichtenmedien auf diese Krisen in den Beziehungen zwischen Mehrheitskanadiern und Ureinwohnern? Die Berichterstattung der Mainstream-Nachrichtenmedien über Burnt Church war nicht weniger kurzsichtig als über die Oka-Krise 1990, die ebenfalls nationale und internationale Medienaufmerksamkeit auf sich zog (Kalant 2004). Der Gesamttenor der OkaBerichterstattung spiegelte die beiden Themen Kriminalität und Konflikt wider – mehr als ein Problem von „Recht und Ordnung“ als als Kampf um Land oder um die Rechte der Ureinwohner (Winter 1992; Skea 1994; Valaskakis 1994). Mit Konfrontation als bevorzugter Thematik wurden die Geschehnisse in ein moralisches Theaterstück umgewandelt, das einen Kampf zwischen den Kräften der Ordnung und des Chaos heraufbeschwor – mit der Polizei und der Regierung auf der guten und den Mohawkfraktionen auf der bösen Seite (York 1991). Die Doppelmoral siegte und die Mohawk wurden als eine heißblütige Gang dämonisiert, die das kanadische Gesetz verletzt, mit den Autoritäten im Konflikt liegt und deren Kriminalität kanadischen Werten und nationalen Interessen widerspricht. Hingegen wurden Überfischung und illegale Wilderei mehrheitskanadischer Fischer verharmlost und Polizeigewalt durch eine Kriminalisierung des Widerstands der Ureinwohner stillschweigend gebilligt (siehe u.a. Lambertus 2004). Die exzessive Beschäftigung der Medien mit Kriminalität führte wahrscheinlich auch zur Ausdehnung der Auseinandersetzung und lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit von bedeutenderen Themen, die die Rechte der Ureinwohner betrafen, ab. Es wurden zwar zugegebenermaßen auch interessante Artikel veröffentlicht, die die Kontroverse aus der Perspektive der Ureinwohner in einen historischen Kontext stellten (Toughhill 2000; auch Coates 2000). Die meisten Berichte versteckten sich jedoch meist hinter eingängigen Überschriften oder einer strahlenden Visualisierung, was mehr anregte als informierte. Ähnlich einseitig erwies sich auch die Berichterstattung der Nachrichten über die Krise am „Maritimen Oka“, in der es auch zu einer Fixierung auf Konflikt und Konfrontation kam. Die Nachrichtenmedien beschworen unter
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Bezugnahme auf Burnt Church Bilder eines bewaffneten Konflikts zwischen einem harten Kern weißer Fischer und einem Mob gesetzloser Ureinwohner herauf. Diese Konfrontation zog die Aufmerksamkeit der Medien auf sich, während gleichzeitig bedeutendere Themen außer Acht gelassen wurden. Auf der einen Seite standen die Ureinwohner, die wegen ihrer rücksichtslosen Verteidigung einer unhaltbaren, naiv vom Obersten Gerichtshof unterstützten Position kritisiert wurden. Auf der anderen Seite standen die kanadischen Fischer, die – manchmal gewalttätig und in Selbstjustiz – ihre Interessen vor dem Hintergrund verteidigten, ihre Lebensgrundlage vor dem ökologischen Ruin zu schützen. Zugegeben, die Mainstream-Medien schreckten nicht davor zurück, kanadische Fischer als Ausgangspunkt des Konflikts zu betonen, trotzdem lag der Schwerpunkt aber auf dem rechtschaffenen Zorn der Fischer, von denen viele als gesetzestreue Naturschützer dargestellt wurden, die ihre Interessen gegen die speziellen Privilegien der Ureinwohner verteidigten. Durch Sprachwahl und Mutmaßungen, die man zwischen den Zeilen lesen konnte (van Dijk 2000), wurde eindeutig eine verschlüsselte Botschaft vermittelt: Die Ureinwohner verdienen, was sie von der weißen Bürgerwehr bekommen, weil sie unverhohlen durch das Fischen ohne Lizenz sowie außerhalb der Saison die Gesetze brechen. Die Darstellung der Ureinwohner als ökologische Räuber ist mehr als ironisch – angesichts des lange bestehenden Stereotypes der Ureinwohner als Hüter der Umwelt –, aber es ist genau dieser Gegensatz, der den Nachrichtenwert herstellte.
Sich duellierende Diskurse Ähnlich beunruhigend war – ob nun absichtlich oder nicht – dass die Berichterstattung der Nachrichtenmedien mit der Position des Department of Fisheries and Oceans übereinstimmte, obwohl dessen Nachrichten kaum als neutral oder unvoreingenommen erachtet werden konnten. Die Mainstream-Medien übernahmen somit unkritisch eine staatliche Kommunikationsstrategie, die die Mi’kmaq als gierige und irrationale Gesetzesbrecher darstellte, die wild dazu entschlossen sind, die sich erschöpfenden Ressourcen auf illegalem Weg zu plündern, ohne dabei auch nur einen Gedanken an Gesetze oder die Schonung der Ressourcen zu verschwenden. Im Gegensatz dazu wurde die Position der Regierung als ausgewogen, gerecht und den nationalen Interessen dienend dargestellt, da sie „Frieden, Ordnung und eine gute Staatsführung“ wiederherzustellen versuchte. Ebenso tendierten die Medien dazu, den Widerstand der Ureinwohner als ein Problem von Recht und Ordnung darzustellen und spielten somit den größeren Zusammenhang, durch den der Kampf eigentlich entzündet wurde, herunter. Hinweise auf die vertraglichen Rechte der Ureinwohner,
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wodurch deren Kampf zu rechtfertigen wäre, tauchen in der Berichterstattung kaum auf, da sie als Vorwand verstanden werden, kriminelle Aktivitäten zu verdecken und zu rechtfertigen, die im Widerspruch zu dem Canadian Way stehen. Somit ist die Perspektive der Ureinwohner als Gegengewicht kaum zu finden. In der Realität wurden die konkurrierenden, die Krise prägenden Blickwinkel vielmehr geschönt, wie in den gegensätzlichen Positionen zu erkennen ist (Abb. 1; siehe Kitchener Waterloo Record, 28. August 2000). Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Mainstream-Berichterstattung über die so genannten Hummerkriege nicht den Kern des Streits erfasste. Es ging weder um Gesetzesbrüche noch um die Gewalt zwischen Gesetzesbrechern und Gesetzeshütern. Stattdessen drehte sich der Konflikt um die Rechtsprechung zu der fundamentalen Frage „wer besitzt was, und warum?“ Wessen Rechte – die der Ureinwohner oder die des kanadischen Staates – setzen sich durch, wenn konkurrierende Ansprüche auf dasselbe Land bestehen? Können durch die Verfassung garantierte eingeborene und vertragliche Rechte – nach Nahrung zu suchen und zu fischen – gegen die Rechte der bundesstaatlichen Autoritäten – im Interesse aller Kanadier regulierend einzugreifen und damit die natürlichen Ressourcen zu schonen – abgewogen werden? Wer entscheidet und mit welcher Begründung? Führen Rechte in Kanada zu einer Einheits-Formel, oder können sie an partikulare Ansprüche angepasst werden, damit sie die besondere Lage der Ureinwohner berücksichtigen? Kann ein inklusives Kanada so konstruiert werden, dass Unterschiede ernst genommen werden oder ist unser viel gepriesener Multikulturalismus nicht viel mehr als ein „vorgeblicher Pluralismus“, der Konformität und Konsens honoriert (Fleras 2002)? Dreht sich der Konflikt um eine Neuaufteilung der vorhandenen Ressourcen oder geht es darum, dass die grundlegenden kolonialen Prinzipien, die die konstitutionelle Ordnung der Gesellschaft regeln, in Frage gestellt werden (Maaka/Fleras 2005)? Haltung der Regierung/Department of Fisheries and Oceans Canada
Haltung der Ureinwohner
Das oberste Gericht Kanadas bestätigte das uneingeschränkte Recht Ottawas, die Fischerei zu regulieren.
Das oberste Gericht Kanadas bestätigte das eingeborene und vertragliche Recht, von der Fischerei zu leben. Daher muss die Regierung die Notwendigkeit jeglicher Einschränkungen belegen.
Die Ureinwohner müssen die Möglichkeit haben, wichtigere Aufgaben im Fischereimanagement zu übernehmen.
Den Ureinwohnern muss das Recht auf selbstgesteuerte und selbstbewirtschaftete gewerbliche Hummerfischerei anstatt bloß eines Mitspracherechts im
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Management eingeräumt werden. Dies beinhaltet auch ein eigenes Identifizierungs- und Kontrollsystem. Die Ureinwohner sind mit 17 gewerbli- Die Ansprüche obliegen, egal ob mit chen Hummerfang-Lizenzen und 5.000 oder ohne Lizenz bzw. Erlaubnis, von Fallen auszustatten. Des Weiteren erhal- Rechtswegen den Ureinwohnern und ten sie Geld, damit ihre Werften versind keine Ausgleichszahlung, um den bessert werden können, neue AusFrieden zu sichern und lokale Selbstverrüstung gekauft und die Instandhaltung sorgung zu garantieren. derselben gesichert werden kann. Es gibt nur eine gewerbliche Hummersaison (vom Frühling bis zum Frühsommer), aber den Ureinwohnern ist ein Zugeständnis bezüglich des Fangs im Spätsommer für ihre Feierlichkeiten zu machen. Ureinwohner sind Bürger, die die Gesetze des Landes befolgen müssen.
Zwei Fangzeiten sollen gewährt werden, wobei eine gewerbliche Saison im Frühling/Sommer und im Herbst eingeschlossen ist.
Die Gesetze und Rechtsprechung Kanadas finden nicht notwendigerweise Anwendung. Indigene Gemeinden sind relativ autonome politische Gemeinschaften, die rechtlich souverän sind und dennoch an der kanadischen Souveränität teilhaben. Ihre Souveränität ist somit unabhängig begründet und nicht abhängig von der Gnade des Staats.
Abb. 1: Politische Haltungen von kanadischer Regierung und Ureinwohnern.
Da die Mainstream-Medien diese Belange nicht ansprachen, wurden die Kämpfe in Burnt Church so entpolitisiert, dass der Widerstand auf das Level einer Polizei-Reality-Show reduziert wurde. Migranten und Minderheiten werden ebenfalls durch farbkodierte Diskurse diffamiert (siehe Anhang). Farbige, unabhängig davon, ob sie im Ausland oder in Kanada geboren wurden, werden von den Mainstream-Nachrichtenmedien dafür kritisiert, dass sie es nicht schaffen würden, sich anzupassen. Die Berichterstattung über Flüchtlinge beschäftigt sich in erster Linie mit der illegalen Einwanderung und den damit verbundenen Kosten, die in der Verwaltung und bei der Integration in die kanadische Gesellschaft entstehen (Hier/Greenberg 2002). Dem gegenüber werden die Traumata der Asylsuchenden, das Problem, sich überhaupt eine Überfahrt nach Kanada leisten zu können oder die Schwierigkeiten, sich an eine neue und komplexe Umwelt anzupassen, kaum erwähnt – demnach kann die
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Verstärkung dessen, was nicht gesagt wird, genauso verzerrend sein wie das, was gesagt wird. Migranten werden üblicherweise als Störenfriede dargestellt, die Sicherheitsrisiken mit sich bringen: sie nehmen den echten Kanadiern die Arbeit weg, sie betrügen das Wohlfahrtssystem, sie verstopfen die ohnehin schon ziemlich ausgezehrten sozialen, medizinischen und kommunalen Dienste, sie sind verantwortlich für die zunehmende Übervölkerung, sie beeinträchtigen Kanadas hellauf gepriesene Lebensqualität, sie nutzen das kanadische Bildungssystem aus, ohne eine entsprechende Gegenleistung gegenüber Kanada zu erbringen, sie beschäftigen sich mit illegalen Dingen, wie beispielsweise Drogen oder dem Schmuggel, und sie gefährden, weil sie Konformität verweigern Kanadas Einheit und Identität (vgl. Li 2003). Diese Darstellung von Migranten und Minderheiten als Sündenböcke im Kontext eines moral panic-Diskurses wirft auch Fragen der nationalen Identität (wer ist ein echter Kanadier?) und der nationalen Sicherheit (wen muss man draußen lassen?) auf (Hier/Greenberg 2002). So überrascht es nicht, dass sich die Berichterstattung über Migranten und Einwanderung um die folgenden rhetorischen Fragen dreht: „Wer gehört nach Kanada?“, „Wem soll die Erlaubnis dazu erteilt werden?“, „Welche Art von Richtlinien und Gesetzen können ‚sie‘ fern halten?“, „Wie sind die Beziehungen zwischen ‚uns‘ und ‚denen‘?“, „Was steht für uns auf dem Spiel?“, „Welche Ressourcen stehen zur Verfügung, um mit diesem ‚Problem‘ umzugehen?“ und „Was kann man tun, um ‚Kanadas‘ (kulturellen und bürgerrechtlichen) Raum zu schützen?“ (Henry/Tator 2002, 109; auch van Dijk 2000). Der Mangel an ausgewogener Berichterstattung erweist der Diversität keinen guten Dienst, da in ganz Kanada bei den Gemeinschaften der Migranten der Frust über ihre Lage, ihre Rolle und ihren Beitrag zur kanadischen Gesellschaft wächst (Davie 2000). Berichte der Nachrichtenmedien tendieren dazu, Migranten und Minderheiten als die Anderen abzuwerten und sie als Problemgruppen ohne Chancen und weit entfernt vom normativen Raum darzustellen. Hingegen wird Weißsein zum Standard genormt, der die anderen ablehnt und dämonisiert (Henry/Tator 2003). Minderheiten und Migranten beklagen sich, dass sie zu Ausländern oder Außenseitern stigmatisiert werden, deren Leben sich scheinbar um ihren durch Rasse oder Religion geprägten Status dreht, bis hin zur faktischen Ausschließung anderer Attribute. Bilder von denen als jene Menschen werden durch das Prisma des Weißseins gefiltert. Dabei werden Ängste oder Fantasien des Mainstream auf diese anderen projiziert. Wie Michael Pickering in seinem Buch Stereotypes schreibt, sagt ein solcher Medienzentrismus mehr über uns als über sie aus: Die Grenzen zwischen normal und abweichend werden konstruiert, indem festgelegt wird, was als ‚das Andere‘ angesehen wird. Der Pro-
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zess des ‚othering‘, des Anders-Machens, definiert seine Ziele nicht nur als Objekte, sondern ist konform zur privilegierten Position des normalen, natürlichen Subjekts. Der Prozess des ‚othering‘ sagt uns viel über den, der das ‚othering‘ vollzieht. Die Darstellung von Minderheiten entweder als gut (Leitbild) oder als schlecht verhindert, dass Minderheiten-Frauen und -Männer realistisch – sprich mit einem Leben voller Stärken und Schwächen – dargestellt werden. Besonders hervorzuheben sind die Migranten und Minderheiten, deren Realitäten sich weit entfernt von einer bevorzugten kanadischen Identität bewegen oder eine Sicherheitsbedrohung darstellen. Ein Beispiel hierfür ist der Anstieg der öffentlichen Beschimpfungen von Muslimen in den Nachrichtenmedien (Raza 2003; Saloojee 2003; auch Shaheen 2001). Es gibt nur sehr wenig Berichte über den Mittleren Osten, die dann aber auch nicht gerade als ausgewogen bezeichnet werden können. Sie verleumden den Islam als gewalttätige, zurückgebliebene und intolerante Religion und zeigen Muslime typischerweise als potentielle Terroristen, die man genau überwachen muss, bevor man sie dorthin zurückbefördert „wo sie hingehören“ (Canadian Islamic Congress 2002). Die Geringschätzung gegenüber den arabischen Völkern, die als minderwertig und feindselig bezeichnet werden, könnte leicht zur Entmenschlichung der irakischen Gefangenen in Abu Ghraib beigetragen haben. Hierbei handelte es sich um keine isolierte, individuelle Tat, sondern vielmehr um die logischen Konsequenzen aus einem System, das seine Arbeit verrichtet. Letztendlich werden, laut John Miller (2003) und anderen (Henry/Tator 2002), auch race und Verbrechen durch die Medien oft miteinander verknüpft. Es handelt sich also um eine Doppelmoral, die kriminelles Verhalten Weißer als abweichende individuelle Tat entschuldigt und Verbrechen, die von Angehörigen einer Minderheit begangen worden sind, als Gruppenverbrechen brandmarkt. Sowohl für das Verbrechen als auch für dessen Lösung muss somit die gesamte Gemeinschaft Verantwortung übernehmen. Durch die Verknüpfung von Kriminalität und race ist der kumulative Effekt dieser Heuchelei nicht zu kontrollieren. Eine ähnliche Situation ist auch in Europa zu beobachten, wie der EUweite Forschungsbericht von Online/More Colour in the Media beweist. Im Rahmen der Studie wurden Zeitungen und Fernsehnachrichten von einem Tag ausgewertet, und es zeigte sich, dass auch hier negative Berichterstattung über Migranten und Minderheiten eher die Regel als die Ausnahme ist. Nichtsdestotrotz gibt es in der Europäischen Union Unterschiede zwischen den Nachrichten in den Printmedien und im Fernsehen sowie zwischen den Boulevardblättern und den seriösen Zeitungen (ter Wal 2004). Die Studie fand heraus, dass negative Berichterstattung Ethnizität oder race nicht per se verunglimpfte, son-
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dern dass diese daher rührt, dass Migranten und Minderheiten mit negativen Nachrichtenzusammenhängen assoziiert wurden. Dies waren unter anderem (a) Kriminalität, Störung öffentlicher Ordnung und Fehlverhalten (b) Diskriminierung (im Kontext einer strafbaren Handlung), (c) religiöser Fundamentalismus und (d) Darstellung von Asylsuchenden und illegalen Migranten als Sicherheitsrisiko. Diese stereotype Berichterstattung ist nicht belanglos, da sie die Überrepräsentation von Minderheiten in Bereichen wie Kriminalität und Konflikt (von Protestdemonstrationen bis hin zum Erhalt der öffentlichen Ordnung) oder Unterhaltung – Stars oder Sport – verstärkt, aber auch die Unterrepräsentation im Bereich Politik fördert. Die Tendenz, Erfahrungen der Minderheiten durch das Prisma des Weißeins – das stillschweigend als Norm gesetzt wird – zu filtern, führt zum einen dazu, dass Minderheiten herabgesetzt werden, indem die Aspekte ihrer Kultur verunglimpft werden, die ihnen Stolz und Identität vermitteln (siehe auch Rider 2004). Zum anderen werden die Sorgen der Migranten und die Beiträge der Minderheiten zur Gesellschaft dadurch entpolitisiert, dass Minderheiten nicht als engagierte Individuen dargestellt, sondern als Objekte der Geringschätzung oder Belustigung an den Rand gedrängt werden.
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Die Anpassung der Nachrichtenmedien an den Mainstream: Kompromisse? The news today is the same as it was yesterday, it just happened to different people. (Der kanadische Komiker Don Herron, zitiert nach Hackett 2004: 146).
Sowohl aus Forschungsergebnissen als auch aus Einzelberichten geht hervor, dass sich die Berichterstattung der Nachrichtenmedien über Diversität sich in den letzten Jahren verbessert hat (Fleras/Kunz 2001; CRE 2004). Kanadas Nachrichtenmedien unternahmen Schritte in Richtung einer verbesserten Darstellung von Migranten und Minderheiten, indem bspw. mehr Trainings für Journalisten angeboten wurden, um deren Verständnis von Diversität zu verbessern, grundloses race-tagging (dem Opfer oder Täter ein Rassenlabel anheften) zu verhindern sowie eine Sprache zu vermeiden, die Minderheiten als beleidigend empfinden. Ein angesehener Journalist einer großen kanadischen Tageszeitung schreibt über die Herausforderungen und den Umgang mit heiklen Themen – darunter solche, die muslimische Empfindlichkeiten berühren:
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Nachrichtenorganisationen reißen sich ein Bein aus, um nicht zu provozieren und nicht zu generalisieren. Wir verhalten uns ganz vorsichtig und reden noch vorsichtiger, obwohl das manchmal – meiner Einschätzung nach – in seltsam zurückhaltenden und präventiv selbstzensierten Berichten endet. […] Redakteure zucken zusammen und erörtern die möglichen Auswirkungen von allen möglichen Blickwinkeln. Mir fällt kein anderer Kundenkreis ein, der respektvoller behandelt bzw. dem eine größere Unterwürfigkeit entgegengebracht wird (Rosie DiManno 2004). Trotz der bescheidenen Verbesserungen heißt es aber weiterhin business as usual in einer Industrie, die Diversität verschmäht – es sei denn, es geht um Profit oder den richtigen Dreh (Lasica 1996; Klein/Naccarato 2003). Laut des vor kurzem veröffentlichten Berichts Frame Work: Employment in Screen-Based Media – A National Profile sind sowohl Ureinwohner als auch visible minorities weiterhin unterrepräsentiert, besonders in Management- und Kreativpositionen (Women in Film and Television – Toronto, zitiert nach Gill 2004; auch Task Force 2003). Deutlich macht dies auch die alarmierende Enthüllung, dass keine visible minorities oder Ureinwohner im Vorstand des kanadischen Senders CBC (Canadian Broadcasting Corporation) sitzen (Fernandez 2004). Dieses Zusammenspiel von Helden, Schurken und Halunken in der Berichterstattung über Diversität veranlasste Lionel Lumb (2004) von der School of Journalism der Carleton Universität zu einer scharfen Anklage: Es ist eindeutig, dass Kanadas Minderheiten im Mainstream angelangt sind, aber Kanadas Mainstream-Sendeanstalten bewegen sich immer noch blind vorwärts in einer Art selbst kreierten Schlucht, von der sie die kanadische Realität nicht sehen können. […] Diversität ist kein Nachteil, sondern eine Kostbarkeit, die Kanada und die Kanadier feiern sollten. Es gäbe so viel mehr im Fernseh- und Radioprogramm zu zeigen und daher wird es Zeit, dass die Sender verstehen, dass das Widerspiegeln von Diversität keine Pflicht ist, sondern ein Vergnügen. Die Entwicklung ist aber dennoch ambivalent zu beurteilen. Zum Beispiel ist die Entrüstung der Nachrichtenmedien über die Flut antijüdischer Vorfälle in Kanada im Frühjahr 2004 sehr zu loben. Dennoch beinhaltete diese überwältigend positive Berichterstattung ein Konfliktthema, das zwischen den Zeilen herauszulesen war: Juden und Muslime gehören aufgrund ihrer Territorialpolitik Problemgruppen an. Die Nachrichtenmedien waren auch nicht abgeneigt, die Rassismus-Karte auszuspielen (oder die Botschaft der Politiker zu verstärken, die diese vermitteln wollen, um sinkendes politisches Glück beleben zu
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können), indem sie die Kluft zwischen Kanadas multikulturellen Idealen und seiner monokulturellen Wirklichkeit problematisieren. Solange sich Kanada weder von der monokulturellen Vergangenheit vollkommen freigemacht, noch komplett auf einen inklusiven Multikulturalismus eingelassen hat, werden sich die Nachrichtenmedien auf diese Realitätskluft stürzen, die endloses Futter für ihre Inhalte bietet. Aber auch positive Berichterstattung ist eventuell nicht so neutral, wie es augenscheinlich aussieht. So argumentieren Miljan und Cooper (2003) beispielsweise, dass 80 Prozent der kanadischen Berichterstattung über die Ureinwohner sachlich sei, wobei sie nicht untersuchten, ob die sachliche Darstellung einen negativen oder positiven Inhalt einschließt (man beachte zum Beispiel die negative Verdrehung des sachlichen Artikels „Organized Crime Keeps Six Nations Cops Busy“, Hamilton Spectator, 11. Mai 2004).
Diversität in Kanadas Medienlandschaft •
Wie viel Diversität gibt es in Nachrichtenredaktionen? Im Jahr 2000 zeigte eine Untersuchung von Florian Sauvageau und David Pritchard von der Laval University in Quebec, dass nur 2,7 Prozent der kanadischen Journalisten aller Medien nicht-weiß sind. Diese Zahl deckt sich mit einer früheren Untersuchung der Ryerson School of Journalism aus dem Jahr 1993, wobei 41 Tageszeitungen untersucht wurden und ein Anteil von 2,6 Prozent Nicht-Weißer in den verschiedenen Positionen vom Reporter bis zum Vorgesetzten ermittelt wurde. Die Zahl der nicht-weißen Journalisten zu erhöhen wurde nicht als unmittelbare Priorität angesehen, und die Berichterstattung über Diversität belegte bei den Prioritäten weiterhin einen der letzten Plätze (Media Awareness Network 2005). Es gibt keinen Beweis dafür, dass farbige Journalisten absichtlich ausgeschlossen werden, sondern es handelt sich eher um institutionelle Barrieren, die systemisch sind oder mit Rücksichtnahme zu tun haben.
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Wie viele Angehörige von visible minorities gibt es beim kanadischen Nationalsender CBC? Im Jahr 2002 machten visible minorities 5 Prozent der Angestellten aus – diese Zahl blieb seit 1995 weitestgehend unverändert und deckt sich nicht mit dem Anteil visible minorities von 13,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2001. Es gibt keine Aufschlüsselung von visible minorities nach kreativen oder leitenden Positionen.
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Ethnomedien schwimmen auf einer Erfolgswelle, obwohl sie nahezu keine Förderung des kanadischen Staates erhalten. Laut Media Awareness (2004) bieten 14 Vollprogrammsender ein Angebot für ethnische Grup-
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pen und über 60 Mainstream-Radiosender teilweise ethnische Programme an. Außerdem gibt es über 250 ethnische Zeitungen, inklusive sieben nicht-englischer Tageszeitungen sowie einige ethnische Fernsehsender wie Torontos multikulturellen Sender CFMT (Omni 1 und 2), Aboriginal Peoples Television Network im Pay TV und 45 digitale Spezialanbieter (siehe Cardozo 2005). Um ehrlich zu sein, stimmt diese Fehlrepräsentation von Minderheiten und Migranten zwar vielleicht nicht mit Kanadas multikultureller Verpflichtung überein, aber Unterlassungsfehler sind weder beabsichtigt noch einstellungsbegründet, sondern systemisch und institutionell. Denn die eigentliche Praxis und die Konventionen des Mediensystems – die Art wie Nachrichten definiert, gesammelt und präsentiert werden – bleiben bestehen und halten die populären, aber abwertenden Bilder von Migranten und Minderheiten weiterhin aufrecht (Weston 1996). Selbstverständlich schließen Nachrichtenwerte, die vom Extremen handeln, Berichterstattung über Minderheiten nicht aus, sondern prägen die Berichterstattung generell, sodass die meisten Geschichten aufgrund der vorherrschenden Nachrichtenwerte mit einer Vorliebe für Negativität gestaltet werden (ter Wal 2004). Dennoch ist der Einfluss negativer Berichterstattung auf angreifbare Minderheiten unverhältnismäßig, da durch die Negativität, die eine überproportionale Anzahl von Geschichten über Migranten und Minderheiten rahmt, eine Einseitigkeit kreiert wird, die die positiveren Aspekte jeder Gemeinschaft unter den Teppich kehrt (Cottle 2000; Henry/Tator 2003). So berichten beispielsweise die Nachrichten über Verbrechen von schwarzen Kanadiern ähnlich wie sie über die der Weißen berichten, ignorieren dabei aber – wenn nichts Spektakuläres passiert – andere Themen, die Schwarze interessieren – sprich es gibt entsprechend wenige Geschichten über Schwarze, die einfach ihren Alltag ohne Verbrechen leben. Weil Migranten und Minderheiten selten in den täglichen Nachrichten außerhalb ihrer stereotypen Spur erscheinen, wird ihre Akzeptanz als normale Mitglieder der Gesellschaft unmöglich gemacht (ter Wal 2004). Was also von den Nachrichtenmedien nicht erwähnt wird, kann genau so wichtig sein wie das, was erwähnt wird. Die negativen Darstellungen treffen auf einen Mangel an komplexer Charakterisierung, wodurch ein farbkodierter Nachrichtendiskurs gefördert wird, dessen palemale (weißer, männlicher) Blick eher pro-weiß ist, als dass er sich gegen Minderheiten richtet. Migranten und Minderheiten werden nicht unbedingt als minderwertig abgestempelt, sondern eher, aufgrund der Assoziation mit negativen Kontexten, als unvereinbar mit den kulturellen Werten des Mainstreams stigmatisiert. Diese Rassifizierung von Kultur ist erschreckend, da bereits Kinder von Migranten und Minderheiten
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dazu konditioniert werden, kulturelle Unterschiede außerhalb der weißen Mittelschichtkultur zu verschmähen. Sie lernen, sich nicht zu mögen, weil mediale Darstellungen ihr Ansehen beschädigen. Ein Sprecher einer amerikanischislamischen Gesellschaft sagte Folgendes über den Film Alladin (zitiert nach Giroux 1995, 40): Alle bösen Typen haben Bärte, große, dicke Knollnasen, finstere Augen, einen starken Akzent und schwingen ständig ihre Schwerter. Alladin hat keine große Nase, sondern eine kleine, er trägt keinen Bart oder Turban und hat auch keinen Akzent. Was ihn nett macht, ist der ihm gegebene amerikanische Charakter. Genau diese Dinge sind schuld daran, dass sich meine Tochter schämt, eine Araberin zu sein. Zugegebenermaßen ist der Einfluss negativer Mediendarstellungen weder automatisch beeinflussend noch vorhersehbar demoralisierend, da die Medienbotschaften uns kaum sagen, was wir denken sollen. Vielmehr vermitteln uns die Medien, worüber wir nachdenken sollen, ziehen aber dabei größtenteils die Diskurse des Mainstreams gegenüber denen von Randgruppen vor. Diese Negativität ist kein Auffassungs- oder Beurteilungsfehler, obwohl man die Hartnäckigkeit von Ignoranz, Arroganz, Gleichgültigkeit oder Faulheit als nachteilige Faktoren nicht ignorieren sollte. Sie spiegelt vielmehr die normalen Abläufe ablehnender und ausschließender institutioneller Strukturen wider. Die Institutionalisierung von Negativität gegenüber Migranten und Minderheiten kann folglich auch als eine Art soziale Kontrolle interpretiert werden (Churchill 2002). Mainstream-Nachrichtenmedien sind jedoch nicht auf Kontrolle aus – auch wenn sie oft mit Behörden wie der Polizei zusammenspielen und Nachrichten passend fabrizieren (Lambertus 2004). Dennoch wird durch die Häufigkeit negativer Berichterstattung, die Migranten und Minderheiten als Störenfriede problematisiert, eine Kontrollwirkung ausgeübt. Der Gesamteffekt einer solchen „institutionalisierten Propaganda“ (Fleras 2004) ist äußerst hegemonial. Diejenigen, die an der Macht sind, sichern sich ganz ohne Zwang Folgsamkeit sowie Kontrolle und erhalten dabei auch noch Zustimmung. Dies geschieht, indem die Einstellungen der Menschen verändert werden, ohne dass diese sich dessen bewusst sind. Die „Normalisierung“ konventioneller Muster von Macht und Privilegien als natürlich, unvermeidbar, universal und übergeordnet spiegelt ebenfalls eine systemische Verzerrung innerhalb der Nachrichtenmedien wider.
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„Das Schweigen der Medien“: Freilegung eines systemischen (medienzentrischen) Bias
Die Fehldarstellung von Migranten und Minderheiten in den Nachrichtenmedien ist weder isoliert noch zufällig noch planlos – eine Art idiosynkratisches Abweichen von einer ansonsten inklusiven organisatorischen Norm. Die Fehlrepräsentation von Migranten und Minderheiten ist systemisch und institutionalisiert. Letzteres nicht durch Isolation, sondern eher wegen einer routinierten, sich wiederholenden und vorhersagbaren Berichterstattung, und systemisch aufgrund der grundlegenden Prinzipien, die ohne Böswilligkeit oder Absicht Migranten marginalisieren. Die Berichterstattung wird rassifiziert durch weitgehend unbewusste race filters, die rohe Fakten in Nachrichten verwandeln, die mit Mainstream-Normen, grundlegenden Werten und einem vorherrschenden Nachrichtenparadigma übereinstimmen (Henry/Tator 2002). Durch ein sowohl systemischen als auch medienzentrischen Bias wird die Rassifizierung der Nachrichten zusätzlich verstärkt – race-Diskurse durchdringen die Nachrichtengestaltung und privilegieren das Weißsein als die stillschweigend akzeptierte Norm. Parallelen können hier zwischen der Berichterstattung über Migranten und Minderheiten und der über Geschlechter gezogen werden: In der selben Art und Weise, wie sich Medieninstitutionen gender-spezifisch bei palemale Realitäten und malestream (männlicher Mainstream) Erfahrungen verhalten, rassifizieren die Nachrichtenmedien, indem Mainstream-Interessen auf Kosten von Minderheiten bevorzugt werden. Die Natürlichkeit und die Unsichtbarkeit dieser Konstruktionen machen es doppelt schwieriger, Diversität zu normalisieren, es sei denn als Konflikt und Problem. Diese Einschätzung scheint vielleicht unnötig pessimistisch und über die Maßen harsch zu sein, aber es ist genau diese Besorgnis über Medienmacht und Minderheiten-Entmachtung, die erforscht werden muss, bevor man für Probleme passende Lösungen findet.
4.1
Systemischer Bias: Nachrichten als Diskurse zur Verteidigung von Ideologie
Mainstream-Nachrichtenmedien sind mächtige Instanzen, fähig, Diskurse zu dominieren und zu kontrollieren. In manchen Fällen ist die Ausübung dieser Macht offensichtlich, bspw. die Tendenz, Verbrechen zu rassifizieren und dabei Ethnien zu kriminalisieren. In anderen Fällen hingegen wird die Macht der Medien durch eine Aura von Unbefangenheit, Objektivität und Ausgewogenheit demonstriert. Dann werden Themen derart gerahmt, dass die bestimmenden Werte der Produktion verschleiert werden und die meisten Verbraucher
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sich der gesellschaftlichen Konstruktion hinter der offenkundigen Natürlichkeit der Medienprodukte nicht bewusst werden. Daher sind Mainstream-Nachrichtenmedien alles andere als neutral oder passiv im Sammel-, Erfassungsund Sendungsprozess. In ihnen stecken eine Vielzahl verborgener Agenden und vorherrschender Ideologien, die ihre Dynamik als Diskurse zur Verteidigung einer vorherrschenden Ideologie verstärken (Herman/Chomsky 1988; s. auch Klaehn 2002). Mainstream-Nachrichtenmedien sind mit ideologischen Annahmen beladen, die die Aufmerksamkeit auf einige Aspekte der Realität lenken, indem Ideen und Ideale eines dominanten Diskurses als natürlich oder vorrangig normalisiert werden, während die Werte und Ansichten derjenigen, die Konventionen in Frage stellen, als irrelevant und nachrangig problematisiert werden (Abel 1997). Die ideologische Arbeit der Medien wird dem Publikum nur selten vermittelt, wie beispielsweise beim Gebrauch von verschlüsselten Begriffen (inner city, Einwanderungswellen), die die Realität verdecken, indem sie ihr ausweichen und somit ihren verborgenen Agenden einen Glanz von Legitimität verleihen (Li 2003). Folglich, und dies überrascht nicht, ist das, was als Nachricht durchgeht, oft nicht mehr von institutionalisierter – wenn auch nicht unbedingt absichtlicher – Gedankenkontrolle (institutionalisierte Propaganda) zu unterscheiden. Die Arbeit von Foucault – besonders seine wegweisende Veröffentlichung Power/Knowledge (1980) – stellt die Nachrichteninhalte als vorherrschenden Diskurs heraus. Nach Foucault und den Anhängern der Postmoderne gibt es keine absolute Wahrheit (oder das Wissen oder die Realität) in unserer gedankenabhängigen Welt, sondern nur Diskurse über „Wahrheiten“ (oder Wissen oder Realitäten), deren „Wahrhaftigkeiten“ die gesellschaftliche Lage der Menschen (im Bezug auf Klasse, Geschlecht, race, Ethnizität usw.) widerspiegeln. Ein dominanter Diskurs kann seine Version von Wahrheit als normal oder notwendig bevorzugen, ohne diese Interpretationen eigennützig oder künstlich wirken zu lassen. Durch das Widerspiegeln und das Bevorzugen der Interessen der Machtelite spielen hegemoniale Medien eine entscheidende Rolle, da sie die Grenzen einer legitimen Debatte normalisieren, während sie diejenigen mit gegensätzlichen Interessen marginalisieren (als Diskussionsgrundlage siehe Henry/Tator 2003). Somit haben diejenigen, die Machtpositionen innehaben, leichter die Möglichkeit, ihre Gegner als abweichend, gefährlich, illegal, nicht repräsentativ oder ihren Eigeninteressen folgend darzustellen. Dies erfolgt nicht unbedingt durch offene Äußerungen eines rassistischen Diskurses, sondern durch verschlüsselte Sprache (Erzählungen, Bilder und Rhetorik), die – hinter einer Fassade von guten Absichten, prinzipientreuen Haltungen, liberalen Werten und demokratischen Idealen – verweigert und ausgrenzt. Medien sind zusätzlich auf eine zweite Art ideologisch. Sie sichern nicht nur dominante Ideologien ab, sondern sind darüber hinaus selbst von ideologi-
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schen Annahmen durchdrungen, die die Rahmung der Nachrichtengeschichten beeinflussen. Ereignisse und Themen werden üblicherweise in Krisenformaten oder als Konflikt dargestellt, in der Hoffnung, die Sichtweisen zu bestimmen (z.B. race card oder gender wars4). Migranten und Minderheiten werden üblicherweise als Störenfriede dargestellt, deren Beharren auf Gleichheit genauso problematisch ist wie ihre Forderung nach Anerkennung von Unterschieden. Diese Art der Rahmung ist weder neutral noch objektiv, sondern von einer Medienkultur geprägt, die Konformität normalisiert und gleichzeitig Dissens problematisiert (Abel 1997; Henry/Tator 2002; Lambertus 2004). Durch die weiße Perspektive wird der existierende Status Quo als im Wesentlichen gut und prinzipiell vernünftig definiert, und diejenigen, die diesen Konsens und diese Konformität durch Protestaktionen und zivilen Ungehorsam herausfordern, werden als Störenfriede dargestellt, die mit Kontrolle und Zwang zur Räson gebracht werden müssen. Aufgrund der dichotomischen Einteilung der Welt in gut und böse neigen die Medien dazu, die Erwartungen und Erfahrungen von Minderheiten und Migranten zu verdrehen und ihre Lebenswirklichkeiten als komplexe Individuen mit normalem Leben zu leugnen.
4.2
Medienzentrischer Bias: systemisch und unterschwellig
Wie können die Darstellungen in den Nachrichten einen institutionellen Bias verkörpern? Hierfür erweist sich eine Unterscheidung zwischen systemischem und systematischem Bias als äußerst hilfreich. Ein systematischer Bias beruht auf der bewussten Absicht von Akteuren, im Interesse von Institutionen zu leugnen oder auszugrenzen. Des Weiteren kann dieser Bias auch zu Höflichkeitsformen wie beispielsweise einer verschlüsselten Sprache oder aversiven Handlungen führen, oder aber – durch den Gebrauch von Kraftausdrücken, offensichtlicher Diskriminierung und physischer Angriffe – auch zu offenem Hass gegenüber anderen. In allen Fällen stellt ein systematischer Bias einen Prozess dar, bei dem einer Person durch eine andere etwas zugefügt wird, mit der Absicht, diese zu behindern oder zu verletzen. Dieser beabsichtigte Bias wird weithin als willkürliche und vereinzelte Aktion dysfunktionaler Individuen wahrgenommen, deren Handlungen aufdringlich und zerstörend sind. Man kritisiert die Beharrlichkeit eines solchen Bias als anormal – als irrtümliches Abweichen vom normativen Standard einer ansonsten gesunden Gesellschaft.
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Anm. d. Hrsg.: Die race card auszuspielen bezeichnet einen Vorgang, bei dem vorwiegend mit Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe und Ethnizität argumentiert wird. Ähnlich wie race card bezeichnet gender wars eine Argumentationsweise, die Geschlechterdiskriminierung benutzt.
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Der Grund dafür, dass dieser Bias als systematisch angesehen wird, ist auf liberale Ideologien zurückzuführen, die die Normalität von Gleichheit zwischen races als vorherrschenden Standard in Kanada aufrechterhalten. Diskriminierende Handlungen werden demnach als irreguläre Abweichungen von der Norm angesehen und nicht als Prozess, der systemisch in den Strukturen und Vorgängen der Mainstream-Institutionen verwurzelt ist (Aylward 1999). Der systemische Bias hingegen ist unpersönlich und entsteht unbewusst, ist aber nicht weniger beunruhigend oder zerstörerisch und gerade aufgrund seiner Unaufdringlichkeit noch viel schwieriger zu entdecken, zu isolieren und zu beseitigen. Er bezieht sich auf diese unbeabsichtigte, aber umso mächtigere Art institutioneller Ausgrenzung, die wie eine Diskriminierung ohne Vorurteil erscheint. Das bestimmende Merkmal dieses systemischen Bias ist daher seine vermeintliche Normalität, die business as usual-Mentalität, durch die Migranten und Minderheiten unwissentlich, aber routinemäßig benachteiligt werden – sogar dann, wenn die kontrollierenden Akteure selbst frei von offenen Vorurteilen sind und an dem scheinbar progressiven Prinzip, jeden gleich zu behandeln, festhalten. Ein systemischer Bias könnte somit mit einer Institutionalisierung von Ethnozentrismus (oder Eurozentrismus) verglichen werden. Genauso wie Ethnozentrismus eine unbewusste und alltägliche Tendenz widerspiegelt, seine eigene Lebensweise als natürlich oder überlegen anzusehen und davon ausgehen lässt, dass andere genauso denken wie man selbst (oder so denken wollen), so spiegelt auch ein systemischer Bias die unpersönliche und dennoch automatische Tendenz einer Institution wider, die eigene Art zu handeln als normal und unvermeidbar zu bevorzugen, während andere Arten als irrelevant oder minderwertig abgelehnt werden. Institutionelle Routinen, Regeln und Belohnungen müssen nicht nicht explizit rassistisch oder vorsätzlich diskriminierend ausgelegt sein. Dennoch gibt es diskriminierende Effekte, weil Benachteiligte negativ von race-neutralen Regeln betroffen sind, die keine Unterschiede in Rechnung stellen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich ein systemischer Bias in wesentlichen Punkten von einem systematischen unterscheidet – der eine ist unpersönlich, der andere beabsichtigt; hier Konsequenzen, dort Intentionen; hier Routine, dort Willkür; hier normal, dort abweichend; und hier Strukturen, dort Hoffnungen (makro – mikro). Weder Absicht noch Motiv sind jedoch entscheidend bei einem systemischen Bias, sondern die unbeabsichtigten Konsequenzen. Durch sie werden die Benachteiligungen versehentlich aufrechterhalten, da sie identische Standards auf ungleiche Kontexte anwenden, ohne dabei die Zusammenhänge zu berücksichtigen. Ein solcher Bias basiert darauf, dass politische Programme und institutionelle Regeln ungewollt diskriminierend sein können, wenn sie von gut gemeinten aber letztendlich fehlerhaften Annahmen über das Normale und Akzeptierte geprägt sind (Shkilnyk 1985). Es ist die Folge institutionellen
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Praktiken – vom Anwerben neuer Mitarbeiter und deren Weiterbeschäftigung bis zu Beförderung und Belohnung. Diese selbst sind frei von jeglicher Befangenheit, ihre unbeabsichtigten Einflüsse wirken sich jedoch negativ auf Migranten und Minderheiten aus. Die logischen Konsequenzen, die sich aus der gleichmäßigen und gleichen Anwendung scheinbar neutraler Regeln auf ungleiche Kontexte ergeben, sollten nicht leichtfertig abgetan werden. Migranten und Minderheiten werden von den Mainstream-Nachrichtenmedien durch die Berichterstattung ohne eigenes Zutun, aufgrund des systemischen Bias der Nachrichtenwerte eines konventionellen Nachrichtenparadigmas, diskriminiert – wie im folgenden gezeigt wird.
Systemische Verwendung von Stereotypen Stereotype in den Medien führen uns Medienzentrismus als Beispiel eines systemischen Bias vor Augen. So wie Menschen in ihrem Alltag Stereotype gebrauchen, um tägliche Informationen leichter zu verarbeiten, sind die Medien auf Stereotype angewiesen, um Realität zu kodifizieren. Nachrichtenmedien verwenden Stereotype für Minderheiten und Migranten, da sie diese routinemäßig mit typischen Aktivitäten und spezifischen Themengebieten – Verbrechen, Krisen oder Konflikt (zusätzlich zu Sport und Unterhaltung) – assoziieren, während sie in anderen Zusammenhängen – Geschäftsleben, Erziehung, Gesundheit oder der kanadischen Wirtschaft – so gut wie nicht erwähnt wird (Lester/Ross 2003). Das Verwenden von Stereotypen in den Medien für Minderheiten ist nicht unbedingt ein Wahrnehmungsproblem befangener Individuen, sondern gehört eher zur betrieblichen Dynamik einer Industrie, die Informationen vereinfachen muss, indem sie sich eines kollektiven Portfolios beliebter und unbewusster Bilder bedient. Zusätzlich hindern die Einschränkungen in Zeit und Raum die Mainstream-Medien daran, komplexere Interpretationen der Realität zu entwickeln und dabei auf das gesamte Spektrum der menschlichen Emotionen, des Konflikts und des Widerspruchs zurückzugreifen. So wird z. B. das Fernsehprogramm nach der Formel sicher, einfach und familiär gesäubert, da man Angst davor hat, dass das Publikum oder Anzeigenkunden abgeschreckt werden. Außerdem sind bei den Beschränkungen eines 26 Zoll großen Bildschirms und eines 22-minütigen Zeitfensters für die Charakterentwicklung und die Handlungsauflösung Verzerrungen durch Vereinfachungen unvermeidbar. Den Gestaltern der Nachrichtenprogramme bleibt somit – aufgrund der Zeitzwänge, der dramatischen Zweckmäßigkeit und der dauerhaft bewegten Bildern, die von einem MTV-Publikum erwartet werden – keine andere Wahl, als die „Wirklichkeit“ zu destillieren und zu verfälschen (Alia 1999).
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Mit anderen Worten: das Verwenden von Stereotypen in den Medienprozessen ist systemisch, da es in normale institutionelle Vorgänge, Regeln und Belohnungen eingebettet ist. Institutionelle Stereotype entstehen nicht unbedingt bewusst oder absichtlich, sondern erwachsen vielmehr aus den logischen Konsequenzen scheinbar neutraler Prioritäten und normaler Abläufe. Die Stereotypisierung von Minderheiten ist somit kein zufälliger Fehler der Wahrnehmung, sondern untrennbar damit verbunden, „wie man es hier eben so macht.“ Dennoch ist die Gesamtwirkung dieser systemischen Verwendung von Stereotypen nicht zu unterschätzen. Betroffenen Minderheiten fehlt zum einen die institutionalisierte Kraft, negative Typisierungen abzuwenden, zu dämpfen oder zu neutralisieren, und zum anderen existieren zusätzliche kulturelle Belastungen, die ihre Verletzlichkeit noch verstärken (Canadian Islamic Congress 1999). Wenn die Verwendung von Stereotypen in den Medien mehr über den Mainstream selbst als über die Minderheiten aussagt, dann ist das Endprodukt unreal. Während Stereotype also im konventionellen Sinn nicht real sind, woran uns Soziologen seit langem erinnern, werden sie doch in ihren gesellschaftlichen Konsequenzen real (Pickering 2001). Der Verweis auf systemische Stereotype bestätigt das Offensichtliche: Ein systemischer, medienzentristischer Bias ist tief in den grundlegenden Prinzipien und der operativen Logik der Nachrichten, in ihrer Definition, Berichterstattung, Erfassung und Aufmachung, verwurzelt. Dennoch herrscht ein anderer, nicht weniger systemischer und negativer, medienzentristischer Bias vor: Mainstream-Nachrichtenmedien verhalten sich – offen gesagt – aversiv gegenüber Diversität. Nachrichtenmedien können sich zwar mit Diversität (vorgeblichem Pluralismus) beschäftigen, aber die Tendenz – Einheit mit Homogenität und Gleichheit mit Uniformität gleichzusetzen – macht es ihnen schwer, die Anforderungen einer tiefgreifenden und herausfordernden Diversität ernst zu nehmen (siehe Parekh 2000). Genau wie Kanadas offizieller Multikulturalismus, der nicht mit den hoch politisierten Anforderungen nationaler Minderheiten oder kanadischer Ureinwohner umzugehen weiß, scheinen auch die Nachrichtenmedien die tiefgreifenden Unterschiede ausschließlich als Konflikt oder Problem rahmen zu können. Die Verachtung dieser tiefgreifenden Unterschiede in den Medien hat zu einer Marginalisierung von Migranten und Minderheiten geführt, da ihre Unterschiede als Gegensatz zu Kanadas konstitutionellem Prinzip des liberalen Universalismus präsentiert werden. Der liberale Universalismus nimmt an, dass unsere Unterschiede durch unsere Gemeinsamkeiten abgelöst werden – zumindest für Zwecke von Anerkennung und Belohnung. Was wir als moralisch autonome und uneingeschränkte Individuen gemeinsam haben, zählt mehr als
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das, was uns durch verschiedene Hautfarben oder Zugehörigkeit zu racial Gruppen trennt (Maaka/Fleras 2005). Aus der Sicht eines liberalen Universalismus sind die Unterschiede nur hautdünn, und daher kann eine Gesellschaft, in der jeder vor dem Gesetz gleich ist (oder sein sollte), keinerlei bevorzugte Behandlung aufgrund von race oder Ethnizität tolerieren. Natürlich ist in bestimmten Fällen eine besondere Behandlung benachteiligter Minderheiten vertretbar. Diese ist dann aber nur aufgrund von Notwendigkeiten zu rechtfertigen und nicht aufgrund von race oder speziellen Rechten. Der liberale Universalismus zieht somit die Oberflächlichkeit eines vorgeblichen Pluralismus den komplexen Zusammenhängen tiefgreifender Unterschiede als Entwurf für ein Zusammenleben in Diversität vor. Wie kann also der von einem liberalen Universalismus unterstützte vorgebliche Pluralismus systemisch diskriminierend sein? Ebenso wie Diversität, die trotz eines erhöhten Grades an Toleranz als echter Beitrag zur kanadischen Gesellschaft unterschätzt bleibt, sind auch Darstellungen von Minderheiten durch einen systemischen Nachrichtenbias beeinträchtigt. Dieses verspricht zwar Inklusion, verbleibt aber hinter dem Gitter von monokulturellen Strukturen, die verweigern und ausschließen. Historisch betrachtet sahen sich die Nachrichtenmedien als gesellschaftlicher Leim, der die Gesellschaft auf zwei Arten zusammenhielt – zum einen, indem die Medien Unterschiede und Barrieren abbauten, die aus Region oder Geburt resultieren, und zum anderen, indem sie eine Gesellschaft erschufen, die mehr auf gemeinsamen Interessen als auf Unterschieden basiert (siehe Wilson II n.a. 2003). Die Berichterstattung wird aber weiterhin durch die ethnozentrische Annahme verzerrt, dass Migranten und Minderheiten wie wir sind oder wie wir sein möchten oder wie wir sein müssen – insbesondere wenn sie erfolgreich sein wollen. Das Betrachten der Vielfalt durch eine solche monokulturelle Linse könnte aber auf eine ungleiche Behandlung hinauslaufen, wenn (oder weil) Benachteiligungen in einem Kontext von Ungleichheit aufrecht erhalten werden. Ein sonderbarer und genormter Filter (one size fits all), durch den komplexe und verschiedenartige Realitäten betrachtet werden, hat aufgrund der Verschmelzung – und dem Verwechseln – von Gleichheit (equality) und Gleichartigkeit (sameness) eine verzerrende Wirkung. Inklusivität ist, kurz gesagt, noch nicht erreicht. Engagement für Inklusivität ist mehr als einfaches Herumbasteln durch kosmetische Reform, es muss mit der Vernehmung des systemischen Bias eines institutionalisierten liberalen Universalismus beginnen. Anstatt einen vorgeblichen Pluralismus gutzuheißen, muss sich der Fokus der Medien darauf richten, dass Unterschiede durch Anerkennung und Belohnung ernstgenommen werden. Zugegebenermaßen gibt es zahlreiche Hürden bei der Operationalisierung der Konzepte Berücksichtigung von Unterschieden oder Zusammenleben in Verschiedenheit. Wie legen wir fest, welche Unterschiede in Frage kommen? Auf welcher
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Basis werden sie bestimmt? Und von wem und warum? Da ein vorgeblicher Pluralismus, der durch die Mainstream-Medien gestützt wird, weder Unterschiede ernstnimmt (außer als Problem, das gelöst werden muss) noch Unterschiede berücksichtigt (außer als Quelle für Konflikt und Konfrontation), herrscht weiterhin ein systemischer Bias vor.
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Medienzentrismus rückgängig machen: Der Weg zu inklusiven Nachrichtenmedien
Die Bilder der Mainstream-Medien spielen bei der Konstruktion sozialer Identitäten eine zentrale Rolle. So sind die Medien bei der Identifikation und Konstruktion von Menschen als soziale Wesen behilflich – teilweise, indem andere als Störenfriede bezeichnet werden, die kritisiert oder verändert werden müssen (Lambertus 2004). Außerdem übernehmen Nachrichten eine entscheidende Rolle bei der Wiedergabe gesellschaftlichen Wissens, das den Status Quo auf folgende drei Weisen legitimiert: Erstens dienen Mainstream-Nachrichtenmedien oft als erster und einziger Berührungspunkt mit der Welt da draußen, zweitens sichern die Medien einen kulturellen Bezugsrahmen, um einen öffentlichen Diskurs über gut und schlecht zu definieren, und drittens dienen die Nachrichtenmedien als ideologischer Diskurs, indem sie die Werte mancher bevorzugen und die anderer benachteiligen. Auch kommerzielle Abwägungen drängen sich hierbei auf, da Mainstream-Nachrichtenmedien in erster Linie Unternehmen sind, deren einziges Ziel darin besteht, ihren Gewinn zu maximieren (Enteman 2003). Sie wurden als gewinnbringende Systeme geschaffen, um die Aufmerksamkeit der Leser durch Geschichten (über Konfrontation, Krisen oder Skandale) oder Standpunkte (Konfliktformate) zu erregen, die das öffentliche Interesse einfangen, die Bewertung durch Zuschauer ankurbeln und Werbeeinnahmen steigern. So räumte der Eigentümer der National Post auch im laufenden Wettbewerb seines Unternehmens um Leserschaft mit den anderen nationalen kanadischen Zeitungen offen ein: Es ist ein langes Spiel, und wir werden es gewinnen. [Wie? Indem] wir die Hände nach den Anzeigenkunden ausstrecken und sicher gehen, dass es genug Inhalte gibt, die wiederum neue Werbekategorien erzeugen (Leonard Asper, zitiert nach Cobb 2004). Nachrichtenmedien legen folglich ihre Prioritäten eher auf Werbeattraktivität und die Wünsche ihres Publikums und fühlen sich nicht so sehr den Prinzipien von sozialer Reform und öffentlicher Verantwortung verpflichtet. Da Nachrichtenmedien nie dafür entworfen wurden, sich konstruktiv mit Diversität
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und Inklusivität auseinanderzusetzen, kann nur die Aussicht auf Profit die Berichterstattung verbessern. Wenn nämlich die existierende Berichterstattung über Diversität die Einnahmen der Unternehmen nicht gefährdet, werden moralische Bedenken über verletzende Darstellungen als irrelevant verworfen (Lester/Ross 2003).
5.1
Das Schweigen brechen
Wie soll man also das Schweigen brechen, das die Mainstream-Nachrichtenmedien umhüllt? Ist es möglich, Nachrichten so zu gestalten, dass sie (a) zugänglich und verantwortungsbewusst sind, (b) nicht auf Sensationen aus sind, indem sie die Aufmerksamkeit auf Verbrechen oder Konflikt lenken und dabei andere Geschichten ausschließen, (c) Handlungen von Minderheiten in einen größeren Kontext stellen, (d) sensibel, aber ohne Übertreibung, für Diversität sind und (e) nach Inklusivität streben, ohne neue Standards zu gefährden? Die Antworten auf diese Fragen sind nur schwer fassbar, da es ihnen an Konsens oder Quantifizierung mangelt ist und sie voller Prophezeiungen in Bezug auf die Rolle und die Verantwortung der Mainstream-Nachrichtenmedien bei der Integration von Migranten und Minderheiten sind. Die nachfolgende Liste soll dies veranschaulichen: •
Sollten Minderheiten nur in einem positiven Licht präsentiert werden oder können diese rassifizierten Gruppen ein breites Spektrum an Rollen und Statuspositionen hervorbringen?
•
Sollten Nachrichtenwerte Unterschiede unterstreichen (und dadurch Einheit gefährden) oder sollten sie sich auf Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten konzentrieren (und folglich bestimmte Identitäten nicht anerkennen)?
•
Kann überhaupt irgendein Nachrichtenmedium die innere Diversität von Migranten und Minderheiten in Bezug auf Geschlecht, sozialer Klasse, Ethnizität, Alter, sexueller Vorlieben, etc. einfangen – ohne in die Falle des Essentialismus, der Alibipolitik/Political Correctness, des Stereotypisierens oder der Romantik zu geraten?
•
Sind Mainstream-Medien zu freundlich gegenüber Diversität geworden, wie einige Kritiker bemängeln, wodurch ihre Integrität und Genauigkeit geopfert wird, aufgrund der Angst vor Beleidigungen oder der Androhung von Vergeltung (McGowan 2001)?
•
Können durch mehr Arbeitsplätze für Angehörige von Minderheiten oder durch die Demontage des Bias Veränderungen erreicht werden?
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Oder ist eine dauerhafte Veränderung nur durch die Umwandlung des Systems möglich, indem die Nachrichtenwerte in Frage gestellt werden, die in der Vergangenheit ein konventionelles Nachrichtenparadigma geprägt haben? •
Wenn inklusive Medien das Ziel sind, was wäre dann das angemessene Level für Inklusivität? Hierfür gibt es vier Optionen:
(1) Die Etablierung von Chancengleichheit durch das Entfernen diskriminierender Grenzen, (2) eine Verminderheitlichung der Mainstream-Medien durch Mitarbeiter mit Migrationshintergrund und kulturellem Feingefühl, (3) ein Parallelsystem aus ethnischer Presse oder Kanadas APTN (Aboriginal peoples television network), das den Mainstream ergänzt oder (4) ein abgetrenntes System, das das vorherrschende Nachrichtenparadigma in Frage stellt. Journalisten werden weitgehend als Katalysatoren für die Verbesserung der Berichterstattung über Minderheiten in den Medien wahrgenommen (Henry/Tator 2002; Mahtani 2002). Laut Aidan White, dem Generalsekretär der International Federation of Journalists (zitiert nach ter Wal 2004), müssen Standards entworfen werden, die sicherstellen, dass Journalisten die ganze Wahrheit erzählen, wenn sie über Minderheiten und Multikulturalismus berichten. Dies bedeutet, dass die Berichterstattung zum einen sachlich und inklusiv und zum anderen auch feinfühlig und professionell sein muss. Diese Verpflichtung zur Inklusivität geht einher mit dem Ziel, die Berichterstattung um die Perspektive der Minderheiten zu erweitern (Klute 2002). Es müssen daher neue und geeignete Wege gefunden werden, wie Gemeinschaften von Minderheiten und ihre Anliegen in den Mainstream der Nachrichtenberichterstattung eingegliedert werden können (ter Wal 2004). Im Raum stehen auf Diversität ausgerichtete, die Inklusivität steigernde Initiativen, wie beispielsweise die Erhöhung des Anteils der Mitarbeiter mit Minderheitenhintergrund in allen Bereichen der Nachrichtenredaktionen. Dass der Anteil der Journalisten mit Migrationshintergrund den Anteil der Migranten an der Gesamtbevölkerung widerspiegelt, ist laut diesem Ansatz sowohl moralisch richtig als auch ökonomisch vorteilhaft. Durch eine Berichterstattung, die sensibel gegenüber Diversität ist, werden nicht nur unterschiedliche Perspektiven ins Spiel gebracht, auch die Medien kommen durch die Beschäftigung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund den Bestimmungen im Rahmen der Initiativen zur Beschäftigungsgleichheit (aktive Fördermaßnahmen) nach (siehe Wilson II 2000). Trotzdem wird der Anteil der Journalisten, die sich selbst als visible minorities bezeichnen, lediglich auf drei Prozent geschätzt, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung im Moment bei knapp 14 Prozent liegt. Aber man stößt auf einige Paradoxa, wenn man Verbesserungen ausschließlich von Zahlen abhängig macht (Mahtani 2002, 2003). Wenn die Macht weiterhin in den Händen weißer Män-
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ner (palemale) bleibt, dann sehen, ohne eine entsprechende Veränderung im vorherrschenden Nachrichtenparadigma, die höheren Einstellungszahlen von Minderheiten in der Statistik zwar gut aus, jedoch nicht in der Praxis. Es ist unwahrscheinlich, dass die diskriminierende Nachrichtenpraxis bekämpft wird, wenn man sichere und attraktive Minderheiten rekrutiert, die lieber auf Linie sind anstatt Widerstand zu leisten. Hierin liegt das erste von vielen Paradoxa, denen farbige Journalisten begegnen. Folgt man Clint C. Wilson II und seinen CoAutoren (2003), dann hat jeder neue Angestellte einen natürlichen Hang zur Konformität, um zu überleben und Erfolg zu haben. Denn Erfolg im Job beruht eher auf der Erfüllung der institutionellen Erwartungen als darauf, Wind zu machen. Und farbige Journalisten, die sich gegen das Prinzip „wie man die Dinge hier eben macht“ zu Wehr setzen, werden womöglich still durch ein verhüllendes Schweigen geächtet (siehe Mahtani 2003). Der Drang nach Widerspruch muss jedoch nicht diszipliniert werden, da ihm von vornherein Grenzen gesetzt werden, die eher strukturell als einstellungsbezogen sind, mehr implizit denn explizit und die organisatorisch eher eingebettet sind in institutionelle Normen (wie beispielsweise Erzählstrukturen), als dass sie diesen entgegenstehen (Hackett 2004). Darin liegt noch ein weiteres Paradoxon (Wilson II 2000): Auch die Rekrutierung von Journalisten aus visible minorities kann sich als unbedeutend herausstellen, wenn das konventionelle Nachrichtenparadigma nicht essentiell überdacht wird. Die Rolle der Journalisten als Vermittler von Veränderungen ist dabei in Gefahr, weil diese in einer Kultur und Struktur agieren, in der ihre Arbeit auf der Darstellung von Minderheiten als Störenfriede basiert. Dieser systemische Bias macht es Journalisten mit Migrationshintergrund schwer, ihren beruflichen Ehrgeiz (Akzeptanz von Kollegen und Vorgesetzten zu gewinnen) mit der Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft (eine Leerstelle im Informationsbedarf der multikulturellen Gesellschaft zu füllen) in Einklang zu bringen. Da von allen Angestellten der Mainstream-Nachrichtenmedien erwartet wird, dass sie sich in einer Weise anpassen, die mit einem eurozentrischen Blickwinkel übereinstimmt, schafft es Clint Wilson II (n.a. 2003, 132), ein Gefühl für das Paradoxon einzufangen: Man muss verstehen, dass die Vorgehensweise und die Maßnahmen der Nachrichtenredaktionen einen Wandel der Berichterstattung über Nicht-Weiße entgegenwirken – ohne Rücksicht auf das race-Erbe der Reporter. Manche farbigen Reporter akzeptieren die Lehren der Rassenpolitik als schlicht intakten Journalismus: die berufliche Praxis wurde jahrzehntelang durch unsensible Vorgehensweise in Bezug auf race definiert. Dennoch beklagen sich aber andere farbige Journalisten über die Atmosphäre in den Nachrichtenredaktionen, die sie dazu zwingt, ihren Beruf aus einer anglo-amerikanischen Perspektive zu sehen. Sie beschweren sich, dass ihre Kollegen und Vorgesetzten –
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die nicht offen rassistisch, sondern unsensibel und ignorant sind – ihre Leistung anhand kulturell verzerrter Nachrichtenkriterien beurteilen. So ist das Ansehen von Journalisten bei Kollegen gefährdet, wenn sie sich zu sehr auf Themen konzentrieren, die mit race zu tun haben. Arbeit an solchen Themen führt selten zu Anerkennung und daraus folgenden Beförderungen. Angesichts der verschiedenen Faktoren, die eine traditionelle Nachrichtenpolitik unterstützen, erscheint der langsame Fortschritt in Richtung fairer und korrekter Berichterstattung [...] zwar verständlich, nicht aber verzeihlich. Kurz gesagt: Die Wahrscheinlichkeit für eine schnelle Veränderung des konventionellen Nachrichtenparadigmas ist gering, wenn nicht auch gleichzeitig die vorherrschenden Nachrichtenwerte in Frage gestellt werden, mit denen farbige Journalisten in den Nachrichtenredaktionen konfrontiert werden. Die Berichterstattung über die Ureinwohner kann als stellvertretend für die vorhandene Herausforderung angesehen werden. Die meisten Journalisten sind entweder zu schlecht vorbereitet oder zu übel gesinnt, um in Artikeln über Ureinwohner zu berichten (David 2003). Es gibt also viel zu lernen und zu wenig Zeit, es zu lernen. Die Probleme sind hierbei vielfältig, da die Geschichten an nicht zugänglichen Schauplätzen spielen, ein Misstrauen der Ureinwohner gegenüber Journalisten Probleme im Verhältnis zueinander schafft, und die Abneigung, seine Meinung zu äußern, wenn die ganze Gemeinschaft betroffen ist, garantiert, dass Offizielle standardmäßig das Reden übernehmen – sogar, wenn die Autoritäten selbst das Problem sind. Journalistische Standardpraktiken, wie z.B. das Aufbereiten von Themen um das Prinzip „jede Geschichte hat zwei Seiten“, können hier zu vereinfachend sein, da die meisten Themen eben viel komplexer sind als eine Wir-gegen-die-Darstellung (Bromley 2004; Tannen 2003). Diese Polarisierung eines Themas opfert nicht nur Nuancen, sondern fördert, laut Deborah Tannen, wenn auch in einem anderen Zusammenhang herausgearbeitet, die Beherrschung von Debatten durch lautstarke und extremistische Meinungsführer. Die aufgrund der Personalisierung der Themen nachlassende Aufmerksamkeit für die gesellschaftlichen, historischen und kulturellen Zusammenhänge, die die Krise erzeugen, hat zur Folge, dass den Opfern die Schuld angehängt wird. Das Beste, auf das die Ureinwohner hoffen können, ist hierbei vielleicht eine korrekte Paraphrasierung, weil die Nachrichtenmedien die bloße Diversität, Komplexität und wechselnden Identitäten der Ureinwohner schlicht nicht einfangen können (Lischke/ McNab 2005, 1). Außerdem haben Journalisten aufgrund der Forderung nach Pünktlichkeit und Schnelligkeit im Zeitalter des Internets und durch den Anspruch auf Live-Fernsehberichterstattung kaum Zeit, zu reflektieren oder ihre Informationen erneut zu prüfen. Die Berichterstattung über vielschichtige
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Themen, wie beispielsweise die Souveränitäts-Forderungen der Ureinwohner, ist unter dem Primat der Kürze, welches aufgrund sinkender Aufmerksamkeitsspannen eingehalten werden muss, nicht möglich (Weston 2003). Unter den Journalisten existiert – wie zu Erwarten – ein maßloses Vertrauen in sichere und hervorgebrachte Nachrichten, die durch inszenierte Pressekonferenzen unkritisch bereitgestellt werden oder in vorhersehbaren Pressemitteilungen und Nachrichtenservices ausfindig gemacht wurden. Man kann die Kollegen kaum zufriedenstellen, wenn man Geschichten nachgeht, die zu RassismusAnschuldigungen führen oder zu Anklagen durch die Kollegen. Schlimmer noch: laut Dan David, einem indigenen Kolumnisten, ist das Trommeln für Ureinwohner nur selten hilfreich für eine Beförderung oder den Karriereerfolg; ohne einen Hauch von Skandal oder Krise ist Trommeln nämlich einfach nicht sexy. Sind wir also der Beantwortung der Schlüsselfrage nähergekommen? Wie werden Nachrichtenmedien in Zukunft die Funktion und die Verantwortung übernehmen, Migranten und Minderheiten in den Mainstream einzugliedern, wenn doch diese Industrie selbst Diversität noch in erheblichem Maße in die eigenen Reihen integrieren muss? Die Herausforderungen bezüglich der Korrekturen am konventionellen Nachrichtenparadigma sind erheblich und umfassen ein Spektrum, das vom Ausbalancieren der Interessen der Nachrichtenindustrie bis zum Ansprechen von Forderungen der Minderheiten nach mehr inklusiver (korrekter und ausgewogener) Berichterstattung reicht. Ein hierarchischer, unkritischer, Junk Food-Journalismus, der sich weigert zu kommunizieren oder einzugreifen, kann nicht länger akzeptiert werden. Die Agenda weiterzuentwickeln anstatt sie immer wieder neu zu kitten, ist ein Prozess, der die Gemeinschaft aller Partner und Teilnehmer miteinander verbindet, um gemeinsam einen Dialog über die Neugestaltung der Nachrichten zu entwickeln (Lasica 1996). Im Metier der Nachrichtenberichterstattung wird diese Herausforderung möglicherweise nicht als Problem wahrgenommen, da Journalisten im Grunde genommen glauben könnten, dass sie für Belange von Diversität ausreichend empfänglich sind, da sie eine Sprache der Gleichheit, der Diversität und des Liberalismus wählen. Aber diese Reaktion ist ohne eine entsprechende Kritik an den vorherrschenden, weiterhin marginalisierenden Diskursen eher oberflächlich und führt zu keiner Veränderung (Henry/Tator 2002; auch Lasica 1996). Diese beschränkte Denkweise weist stark auf den Bedarf an erhöhter Reflexion unter Journalisten (und den Nachrichtenmedien) hin. Niemand beschuldigt Journalisten eines absichtlichen Rassismus, aber das fehlende, kritische Bewusstsein für ihre eigene, westlich zentrierte Einstellung kann durchaus zu einem rassifizierten Status Quo beitragen. Der Fokus liegt daher darauf, eine größere kulturelle Sicherheit zu gewinnen, indem man kritisch informierte Selbsterkenntnis in Bezug auf diejenigen Nachrichtenwerte fördert,
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die ein konventionelles Nachrichtenparadigma bestimmen. Was man sieht, hängt davon ab, wo man steht; Journalisten müssen sich also eingestehen, wie ihre soziale Stellung – im Hinblick auf Klasse, Geschlecht, race, sexuelle Orientierung, Alter und Fähigkeit/Behinderung – ihre Berichte und deren Tendenzen zutiefst beeinflusst. Sicherlich ist auch die Verpflichtung zu kritischer Selbsterkenntnis keine Garantie für eine inklusive Berichterstattung, da sich ein komplexes Netz von Beziehungen und Regeln etabliert hat, das die stückweisen Bemühungen in Richtung Reform neutralisieren könnte, ohne dabei das ganze System zu ändern. Journalisten, die die vorherrschenden Diskurse in Frage stellen, könnten dann dafür kritisiert werden, dass sie Political Correctness überdosieren oder sich hinter journalistischer Feigheit verstecken („Angst, als Rassist bezeichnet zu werden“). Kritiker argumentieren außerdem, dass Nachrichtenmedien inzwischen sehr große Befürchtungen haben, irgendeinen Kundenkreis zu beleidigen und dass es daher eine wachsende Abneigung gegenüber jeglicher Berichterstattung über Diversität gibt, die als negativ, peinlich oder kritisch ausgelegt werden kann. Eine ehrliche und objektive Sammlung von Nachrichten könnte diesem Prozess letztendlich zum Opfer fallen (siehe McGowan 2001).
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Bilder der Macht, Macht der Bilder
Das Leben von Migranten und Minderheiten wird weiterhin durch negative Berichterstattung verdreht und verstümmelt. Ihre Realitäten bleiben somit verzerrt, ignoriert, stereotypisiert und miniaturisiert – vielleicht nicht bewusst, aber durch unbewusste Neigungen, die die Nachrichteninformation prägen (Weston 2003). Wegen der Macht der Bilder stehen Minderheiten und Migranten unter Druck, die institutionelle Kontrolle wiederzugewinnen. Dies ist eine der Möglichkeiten, den ablehnenden oder ausschließenden psychischen Gefängnissen zu entkommen. Man sagt, Wissen sei Macht, und so bietet die Rückgewinnung der Kontrolle über die Darstellungen von Minderheiten eine Gegen-Hegemonie zu den privilegierten Diskursen. Eine Kontrolle über die Bilder ist entscheidend, wenn Minderheiten und Migranten sich als Subjekte in der Welt durchsetzen und nicht weiterhin als Objekte von Manipulation oder Belustigung gelten wollen (Hanamoto 1995). Dennoch sind die Besitzansprüche nicht einfach, da Mainstream-Medien von hierarchischen Herrschaftsverhältnissen bestimmt werden, wie Stuart Hall (1980) einst beobachtete, in denen das Hier drinnen die Diskurse gegenüber dem Da draußen dominiert. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Grundsatzfrage, inwieweit die Nachrichtenwerte eines konventionellen Nachrichtenparadigmas eine Berichterstattung begünstigen, die mit den höchsten Zielen des Berufs im Konflikt steht (Weston 2003).
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Hierzu bleibt festzuhalten, dass Migranten und Minderheiten nicht unter einer verzerrten Berichterstattung leiden. Vielmehr leiden sie unter einer Berichterstattung, die verzerrend wirkt, weil die konventionellen Nachrichtenmedien auf das Negative fixiert sind und dabei das Positive ausschließen. Somit muss jede Lösung den Ursprung des Problems angehen und sich auf diesen systemischen medienzentrischen Bias konzentrieren, der Migranten und Minderheiten negativ als Störenfriede rahmt. Das Anfechten der Medienhegemonie und der institutionalisierten Macht muss über ein paar zusätzliche Farbtupfer in den Gesichtern und die Anstellung einiger weniger Journalisten mit Migrationshintergrund hinausgehen. Es muss mit Nachdruck an der Beseitigung dieses systemischen Bias und der kulturellen Barrieren gearbeitet werden, da letzten Endes die Veränderung von Einstellungen ohne die entsprechenden institutionellen Veränderungen dem Erklimmen einer Rolltreppe gleicht, die abwärts fährt und deren Geschwindigkeit strukturell kontrolliert ist. Fortschritte sind möglich, jedoch nur äußerst langsam und verbunden mit erheblichen Kosten. In anderen Worten: es ist eine institutionelle Veränderung notwendig, und die Umwandlung des vorherrschenden Nachrichtenparadigmas muss damit beginnen, dass dominante Nachrichtenwerte problematisiert werden. Oft nicht erkennbar, sind diese dennoch äußerst normativ mächtig, scheinbar natürlich und dennoch gesellschaftlich konstruiert, scheinbar neutral und dennoch ideologisch aufgeladen. Es ist überfällig, die Prioritäten der Nachrichtenmedien mit den Forderungen von Migranten und Minderheiten auszubalancieren. In einer multimedialen und multinationalen Gesellschaft wie der kanadischen werden Migranten und Minderheiten nur die Nachrichtenmedien beachten, von denen auch sie beachtet werden (Wilson II n.a. 2003). Niemand hat behauptet, dass die Herausforderungen leicht sein würden: Auf der einen Seite gibt es die Herausforderung, Mainstream-Nachrichtenmedien zu schaffen, die sicher für Diversität, aber dennoch sicher vor Diversität sind. Auf der anderen Seite gibt es eine sogar noch entmutigendere Herausforderung: die Konstruktion der Bilder von Migranten und Minderheiten, die sich vor – aber dennoch sicher für – Mainstream-Nachrichtenmedien sind. Im Zentrum dieser Herausforderung steht die Macht. Die Kontrolle von Wissen und desser Verbreitung durch Mediendarstellungen ist grundlegend für die Machtausübung in der Gesellschaft. Die Kontrolle über Darstellungen wird immer in Macht verwurzelt bleiben, insofern alle Darstellungen gesellschaftlich konstruiert und von denen geformt sind, die sie erschaffen und konsumieren. Falls es nicht gelingt, die dominierenden Diskurse, die diese Machtmuster verstärken, zu demaskieren, werden die am Rande weiter marginalisiert werden (Henry/Tator 2003). Zugegebenermaßen können Verbesserungen keine Macht für das Volk hervorbringen. Aber eine Denkweise à la business as usual entmachtet in jedem Fall die, die am Rande
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der Gesellschaft stehen. Bis die Machtfrage jedoch geklärt ist – Wer kontrolliert was und wie? Wessen Werte dominieren beim Aushandeln, wer was bekommt und warum? – wird ein systemischer, medienzentrischer Bias, der das konventionelle Paradigma der Nachrichtenwerte prägt, Kanadas multikulturelle Verpflichtungen weiter untergraben.
Anhang Der Autor beschloss, alle Artikel aus den beiden nationalen kanadischen Tageszeitungen zu sammeln, die sich in ihrer Überschrift auf race, Ethnizität und Ureinwohner bezogen. Die Untersuchung begann am 26. April 2004 und wurde bis zum 25. April 2005 weitergeführt. Die Aufnahme in diese Untersuchung war auf diejenigen Überschriften begrenzt, die (a) sich auf ein Geschehnis in Kanada bezogen und einen Zusammenhang zwischen Minderheiten und Ethnizität, race, den Ureinwohnern, Migration, Ansiedlung, Immigration, Multikulturalismus, Rassismus, Diskriminierung, Konflikt oder Verbrechen herstellten, (b) einen Platz im Nachrichten-/Wirtschaftsteil (und nicht in den Unterhaltungs- oder Sportteilen) hatten und (c) die Dimension ethnische Minderheit in einer Schlagzeile oder einem begleitenden Foto enthielten. Eine Inhaltsanalyse der Texte wurde nicht durchgeführt, da die Schlagzeilen einen ersten und bleibenden Eindruck für viele Leser schaffen. National Post veröffentlichte im Untersuchungsjahr insgesamt 385 Artikel, die einen Bezug zu Diversität oder Minderheiten hatten. Lediglich 19 von ihnen können eindeutig als positiv definiert werden, der Rest als negativ (bzw. zweideutig oder neutral). Darin werden Migranten und Minderheiten entweder implizit oder explizit als Störfaktoren definiert. The Globe and Mail veröffentlichte insgesamt 360 Artikel, von denen 49 positiv, der Rest negativ oder zweideutig waren. Insgesamt wurden 745 Artikel veröffentlicht, von denen 67 eine positive Berichterstattung enthielten, 676 jedoch anders eingestuft werden mussten. Die Bestandsaufnahme und Stichprobe sowie das Ergebnis sind angesichts des hohen Grades an Subjektivität einer solchen Untersuchung eher informatorisch als wissenschaftlich gemeint.
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Augie Fleras
Ethnomedien und Medien der Ureinwohner in Kanada Grenzen überschreiten, Puffer bilden, Verbindungen schaffen, Brücken schlagen Abstract Canada possesses a lively and possibly unmatched aboriginal and ethnic (or multicultural) media. Despite their centrality to an inclusive society, questions and confusion persist. Do ethnic and aboriginal media contribute to or detract from the challenges of living together differently? Do these media play an integrative role in advancing a cooperative coexistence? With respect to outcomes, are aboriginal and ethnic media inclusive or insular? Does the underlying logic of aboriginal media differ from ethnic media? This paper acknowledges the validity of both an inward- and outward-looking orientation. Insofar as social integration and cultural insularity is promoted without sacrificing a commitment to community or to Canada, ethnic and aboriginal media are shown to constitute a form of social capital by emphasizing both bonding (inwards) and bridging (outwards) functions. Ethnic media are no less critical in constructing a transnational and multilocal sense of belonging by linking the here with the there by way of the diasporic inbetween. The paper also argues that aboriginal and ethnic media constitute a reactive and proactive dynamic: reactive, in buffering minorities from the negativity of mainstream media; proactive, by capitalizing on alternative discourses to facilitate a more just and equitable integration. The paper concludes on a positive note: However counter-hegemonic in style and substance, Canada’s aboriginal and ethnic media typify a commitment to the integrationist principles of an inclusive multiculturalism. By advancing a normative blueprint for living together without drifting apart, the politics of ethnic and aboriginal media are proving a dynamic worthy of scholarly attention and international acclaim.
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Einleitung: Ethnomedien und die Medien der Ureinwohner ernstnehmen
Kanada ist eine multikulturelle Gesellschaft, deren Multikulturalität vier verschiedene semantische Bedeutungsebenen aufweist: Multikulturalismus als de-
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mographische Tatsache, als Ideologie, als Regierungsrichtlinie und -programm sowie als Praxis. Von diesen multiplen Bedeutungsebenen überwiegen Verweise auf Multikulturalismus als offizielle Politik (Fleras/Elliott 2007). Im Kern von Kanadas offiziellem Multikulturalismus steht die Verpflichtung zu institutioneller Inklusion, da laut Multiculturalism Act von 1988 alle Institutionen (aber insbesondere die bundesstaatlichen Institutionen) die Verantwortung haben, Diversität zu fördern – durch ihre Gemeinschaft reflektierende Initiativen, die Respekt für kulturelle Identitäten ausdrücken und auf die Bedürfnisse und Belange der Minderheiten reagieren (Annual Report 2006). Sowohl öffentliche als auch private Institutionen haben Schritte unternommen, um das Niveau an Empfänglichkeit zu erhöhen. Teilweise, indem sie die extremsten Formen von Rassismus bei der Erbringung von Dienstleistungen beseitigten, teilweise durch die Modifikation institutioneller Strukturen, um eine faire Behandlung zu garantieren und teilweise durch die Bildung positiver Programme, um Zugang und Darstellung zu verbessern. Wenn auch gut gemeint, so ist diese Verpflichtung zur Inklusion nicht immer durchführbar, da Mainstream-Institutionen um weiße rassifizierte Diskurse herum konstruiert worden sind, die Minderheiten systemisch den Zutritt oder die Gleichheit verweigern (Henry und Tator 2006). In keinem anderen Bereich ist dieser institutionalisierte Ausschluss offensichtlicher als in der Berichterstattung der Mainstream-Medien über Minderheiten. Trotz bescheidener Verbesserungen bei der Darstellung von Vielfalt sind die Nachrichtenwerte eines konventionellen Nachrichtenparadigmas weiterhin dafür verantwortlich, dass Minderheiten als Störenfriede – als Problemgruppen, die Probleme sind, Probleme haben und Probleme machen – dargestellt werden (Fleras 2006). Diese Rahmung von Diversität (diversity) in der Verknüpfung Konflikt/Problem/Negativität ist weder beabsichtigt noch resultiert sie aus persönlichen Überzeugungen. Ganz im Gegenteil sind diese unbeabsichtigten und doch logischen Konsequenzen, die sich aus einer größtenteils einseitigen Fehldarstellung ergeben, in ihrer Logik systemisch: das bedeutet, dass die Berichterstattung über Migranten und Minderheiten mehr ein systemischer als ein systematischer Bias ist. Da eine solch monokulturelle Berichterstattung einen Kontrolleffekt mit sich bringt – schließlich kann das, was nicht gesagt wird, wichtiger sein als das, was gesagt wird – können Nachrichtenmedien systemische Propaganda ausüben (Fleras 2007). Es kann durchaus gesagt werden, dass Minderheiten und Ureinwohner von den Mainstream-Nachrichtenmedien schlecht behandelt werden (Mahtani 2002; Henry und Tator 2006; Jiwani 2006), da sie in den Bereichen, die keine Bedeutung haben (Verbrechen oder Unterhaltung), überrepräsentiert, in denen, die zählen (politischer oder wirtschaftlicher Erfolg) unterrepräsentiert und in allen anderen Segmenten, aufgrund eines pro-weißen (eurozentrischen) Bias,
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fehlrepräsentiert sind (Fleras/Kunz 2001). Sie bleiben außer im Kontext von Krise, Negativität und Konflikt unsichtbar, womit man ihren Status als Störenfriede, die man besser beseitigt oder kontrolliert, verstärkt. Um die Auswirkungen dieser systemisch voreingenommenen Berichterstattung zu umgehen oder auszugleichen, haben sich ethnische (oder rassifizierte) Minderheiten und Ureinwohner alternativen Medieninstitutionen zugewandt. Diese geben den Erfahrungen, Identitäten und Rechten von Minderheiten Vorrang und haben sich daher entsprechend stark vermehrt. Darunter finden wir u. a. (1) die ethnische Presse und die Presse der Ureinwohner, (2) ethnischen und indigenen Rundfunk sowie (3) deren Einbeziehung in die Mainstream-Nachrichtenmedien. Hierzu gab es unterschiedliche Reaktionen. Für manche erfüllt die Expansion der Medien Kanadas multikulturelle Verpflichtungen, für andere sind Ethno/indigene Medien im Grunde nichts anderes als manipulierende Fürsprecher von Interessengruppen, und für wieder andere sind sie komplexer und nuancierter als eine allzu simple Zweiteilung in Gut oder Böse. Integrativ oder separatistisch? Insular oder isolationistisch? Einschließend oder ausschließend? Verbindend oder entzweiend? Puffer oder Grenze? Brücken oder Sperren? Innerhalb oder außerhalb der Reichweite? Fortschrittlich oder rückschrittlich? Gesellschaftsfördernd oder gesellschaftskritisch? Debatten über Ethno-/indigene Medien sind definitiv mehrdeutig und dieser Zustand scheint anzuhalten – die Kontroversen sind vielmehr Teil eines größeren Projekts rund um die umstrittene Rolle der Medieninstitutionen bei der Förderung der Integration von Einwanderern und Minderheiten (Geißler 2005; Geißler/Pöttker 2005; 2006). Um bei der Rolle der Medien für die Integration von Einwanderern zu bleiben, werden in dieser Arbeit sowohl die Versprechen und Gefahren der Ethno-/indigenen Medien in Kanada, als auch ihre Entstehungsprozesse und Paradoxien untersucht. Ein besonderer Fokus liegt dabei darauf, was getan werden kann, was vermieden werden sollte und was wir voneinander lernen können. Der vorliegende Beitrag geht davon aus, dass die Medien der Ureinwohner und die Ethnomedien ein integrativer Bestandteil eines Projektes für ein inklusives Kanada sind: Erstens durch die Förderung des demokratischen Diskurses, der über das hinausgeht, was normalerweise durch die Mainstream-Nachrichtenmedien vermittelt wird. Zweitens durch die Förderung der spezifischen Interessen multikultureller Minderheiten und Ureinwohner durch alternative Mediendiskurse (DeSouza/Williamson 2006). Drittens durch die Sicherung von Überschneidungspunkten, die für die Förderung von interkulturellem Bewusstsein und Austausch bedeutend sind. Als soziales Kapital begünstigen Ethnomedien nicht nur den Zusammenhalt der jeweiligen Gemeinschaft, sondern stellen auch ein Instrument zur Brückenbildung zwischen den Gemeinschaften dar, um einen wechselseitigen Prozess der Integration zu verstärken („you adjust, we adapt/we adjust, you adapt“). Da Ethno/
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indigene Medien in Bezug auf Logik, Prozess und Ergebnis multidimensional sind, ist es weder möglich noch wünschenswert, nur eine Bemessungsgrundlage zu haben (Ojo 2006). Daher wird die Arbeit wie folgt thematisch aufgebaut: (1)
Konzeptualisierung der Gegensätze zwischen Mainstream-Medien (private und öffentlich-rechtliche) und alternativen Medien1 (darunter Ethno-/indigene Medien) in Bezug auf zugrundeliegender Logik, Arbeitsweise, Arbeitsprozess und erwarteten Ergebnissen.
(2)
Darstellung von Ethno-/indigenen Medien sowohl als insular als auch als integrativ– sprich sowohl als nach innen und außen blickend als auch als aktiv und proaktiv.
(3)
Richten des Augenmerks auf das Wesen der Nachrichtenberichterstattung in Ethnomedien. Über welche Themen wird berichtet – lokale Geschichten oder Geschichten aus der Heimat für Gemeindemitglieder in der Diaspora (Lin/Song 2006)?
(4)
Untersuchung der Popularität und des Erfolgs von Ethno-/indigenen Medien.
(5)
Diskussion ihres Einflusses auf die Erleichterung der Integration von Migranten (d.h. der Möglichkeiten sich niederzulassen, sich einzufügen und aufzusteigen), indem sie etablierten Minderheiten helfen, eine Gemeinschaft und Kultur aufzubauen.
(6)
Aufzeigen, wie entscheidend Ethnomedien beim Aufbau eines multilokalen Zugehörigkeitsgefühls sind, indem sie Migranten der Gegenwart mit Kanada und ihrer Heimat verbinden.
(7)
Erwägung der Möglichkeit, dass – zum Zweck der Analyse – Mainstream-Nachrichtenmedien eine Art Ethnomedien darstellen (aber weitaus machtvoller).
(8)
Anerkennung der Rolle von Ethno-/indigenen Medien bei der Mitwirkung an einer kritischen Öffentlichkeit (Husband 2005), teilweise indem unangenehme Fragen jenseits der Mainstream-Kompetenz gestellt werden (Hsu 2002).
(9)
Angesichts des ausgeprägten konstitutionellen Status von Kanadas Ureinwohnern aufzeigen, inwiefern sich die Logik, die den Medien der Ureinwohner zu Grunde liegt, von der der Ethnomedien unterscheidet.
1
Anm. d. Hrsg.: Orig. populist media, synonym mit „alternativen“ Medien.
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(10) Untersuchung der Möglichkeit, inwiefern Ethno-/indigenen Medien als soziales Kapital betrachtet werden können, da sie eine Bindungs- und Brückenbaufunktion übernehmen. (11) Festlegung des Status, der Rolle und der Verantwortung sowohl der Mainstream-Medien als auch von Ethno-/indigenen Medien innerhalb des Kontexts eines inklusiven Multikulturalismus.
2
Medieninstitutionen – eine Abgrenzung
Schon lange sprechen Medienwissenschaftler von drei unterschiedlichen Medieninstitutionen – privaten, öffentlich-rechtlichen und alternativen Medien. Obwohl die Unterschiede nicht einmal annähernd so ausgeprägt sind wie oft angenommen, unterscheidet sich die zugrundeliegende Logik jeweils im Hinblick darauf, was, warum, wie und zu welchem Zweck vermittelt wird (Fleras 2003). Private Medien repräsentieren wirtschaftliche Unternehmen. Sie befinden sich in Privatbesitz und befassen sich in erster Linie damit, Geld zu verdienen oder Profit zu machen (meist durch Werbung oder Abonnements) und richten ihr Augenmerk darauf, den Konsumenten bekannte und formelhafte Inhalte bereitzustellen, die sich an den kleinsten gemeinsamen Nenner richten. Sie weisen generell jegliche soziale Verantwortung für Taten und Ergebnisse von sich, außer es geht um Profit. Nach der zugrundeliegenden Logik existieren private kommerzielle Medien nicht um zu informieren, zu unterhalten oder schlichtweg aufzuklären. Ihr Ziel ist es vielmehr, mit der Bereitstellung einer Konsumware (oder eines Programms), die die richtige Zielgruppe mit Werbetreibenden verbindet, Geld zu verdienen. Öffentlich-rechtliche Medien sind Einrichtungen, die das öffentliche Interesse fördern. Sie gehören dem Staat oder dem Steuerzahler und konzentrieren sich hauptsächlich auf die Aufklärung der Bürger durch ein breites Spektrum an Programmen. Sie sind auf die Maximierung des Gemeinwohls oder die Förderung nationaler Interessen ausgerichtet. Wegen ihres Auftrags – den Zuschauern Programme anzubieten, die sie für eine aktive Bürgerschaft, die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und die Partizipation benötigen – werden sie auch als elitär angesehen. Selbstverständlich schließen öffentlich-rechtliche Medien ein breites Spektrum an Organisationsformen ein, vom öffentlich finanzierten, aber distanzierten System in Großbritannien über das gemischt finanzierte Modell des CBC in Kanada und des PBS in den Vereinigten Staaten, bis zum staatseigenen und regierungskontrollierten System in China (Lincoln n.a. 2005). Solch eine Bandbreite an unterschiedlichen Organisationsformen der öffent-
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lich-rechtlichen Medien macht eine Definition oder Charakterisierung schwierig. Alternative Medien unterscheiden sich von Mainstream- (öffentlich/staatlich) und privaten Medien (Markt) aufgrund ihrer Inhalte, Struktur, Verbreitung und ihres Konsums (Skinner 2006). Indem sie einen Raum ausfüllen, der von den zunehmend gleichförmigen Medien verlassen wurde, bieten sie alternative Dienstleistungen für diejenigen an, die nicht über demographische Durchschlagkraft oder politische Macht verfügen. Diese Medien sind meist unabhängig und dienstleistungsorientiert und spiegeln lokal begrenzte Interessen wider, da sie Nachrichten und Informationen zur Verfügung stellen, die eine direkte Relevanz für ihre Zuschauer haben. Des Weiteren umfassen alternative Medien Nachrichtenwerte, die sich von denen der Mainstream-Nachrichtenmedien unterscheiden. Sie kommunizieren eher horizontal als hierarchisch von oben nach unten und fördern eine breite Mitwirkung der Gemeinschaft am Produktionsprozess (Lalley/Hawkins 2005; Rennie 2006). Außerdem gehen sie bei der Ermächtigung der Entmachteten höchst parteiisch vor. Es überrascht daher nicht, dass sich alternative Nachrichtenwerte von denen des Mainstreams unterscheiden. Während die letzteren die zentrale Stellung von Konflikt oder Abnormalität als berichtenswert erachten, besonders wenn es um Minderheiten geht, konzentrieren sich alternative Nachrichtenwerte auf Erfolgsgeschichten von Minderheiten und positive Vorbilder. Alternative Medien können weiter in Gemeinschafts-, Ethno- und indigene Medien unterteilt werden. Obwohl diese Einordnung der Medien in eine einzige Kategorie wahrscheinlich mehr verschleiert als offenbart, haben diese Medien doch viele Gemeinsamkeiten. Dies sind beispielsweise eine engere Bindung zum Publikum, geringere Beschäftigung mit Profit und größere Aufmerksamkeit auf Bereiche von lokalem Interesse, wie beispielsweise der Stadtpolitik. Außerdem bieten sie eine Alternative zur Gleichgültigkeit des Mainstream in Bezug auf Lokalthemen, bieten nützliche Informationen bei Einwanderungsfragen, fördern den öffentlichen Dialog und den Austausch von Ideen für die Mobilisierung des Publikums zum sozialen Handeln und stellen den Status Quo und die vorherrschende Verteilung von Macht und Privilegien in Frage (Journalism.org 2004; Rennie 2006; Skinner 2006). Das exponentielle Wachstum von Ethnomedien oder Minderheitenmedien spiegelt nicht nur die globalen Migrationsmuster wider, sondern auch ein durch das Internet inspiriertes Hervortreten verschiedener partizipatorischer, gemeinschaftlicher, oppositioneller, alternativer und die Gemeinde betreffender Medienpraktiken, die die Veränderung im Umgang der Menschen mit ihren Medien begrüßen (Deuze 2006). Zur Herausforderung der privaten, profit-orientierten Medienmacht durch eine partizipatorische globale Medienkultur sagt Skinner (2006: 217):
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Im Gegensatz zu maßgeschneiderten Inhalten, Organisationsstruktur und Produktionspraktiken zur Umsatzmaximierung rücken alternative Medien spezielle soziale Fragen und Werte in den Vordergrund. In Bezug auf Organisationsstruktur meiden sie häufig absichtlich traditionelle hierarchische Organisationsmodelle, um so viel Input wie möglich für die Produktion zu bekommen. Was die Produktion anbelangt, suchen sie häufig eher Mitarbeiter und Beiträge in den Gemeinschaften, die sie bedienen, als dass sie sich auf professionelle Journalisten verlassen, um der Tendenz entgegenzuwirken, dass berufliche Werte die Themen, Strukturen und Quellen des Inhalts bestimmen. Obwohl es ziemlich leicht ist, alternative Medien zu verherrlichen, sind sie nicht annähernd so unberührt von groben Geschäftsanliegen wie viele glauben. Trotz einer Orientierung an den Nischen unterscheidet sich ihre kommerzielle Dynamik insgesamt kaum von denen der Mainstream-Medien. Herausgeber und Produzenten folgen meist einem bewährten Ablauf: sie finden heraus, was Profit abwirft, verpacken es als authentisch neu und verbinden das Paket mit einer bevorzugten Zielgruppe (Jeff Yang in Hsu 2002). Auch Fragen rund um Kooperation und Konsens sind problematisch, da man ihr Potenzial als Konfliktschauplätze nicht abtun sollte, besonders wenn Heimatkonflikte in der ethnischen Presse stattfinden und Herausgeber ernsthafte Konsequenzen erdulden müssen, wenn sie sich auf die falsche Seite stellen (Nallainathan 2007). Die unten stehende Tabelle vergleicht verschiedene Medieninstitutionen – privat, öffentlich-rechtlich und alternativ (Fleras 2003). In der linken Spalte sind die Kriterien, die als Basis für den Vergleich dienen – wenn auch in äußerst idealistischer Terminologie und eher kategorie- als kontextbezogen – aufgelistet. Die drei Spalten auf der rechten Seite liefern den Vergleich. Man sollte anmerken, dass die Etablierung von user generated content im Internet die Möglichkeit eines neuen personalen Medienmodelles andeutet, welches darauf beruht, dass normale Bürger Medienprodukte jenseits der konventionellen Kanäle (Kreation, Verteilung und Konsum) produzieren, verbreiten und konsumieren können (Rennie 2006; Ojo 2006). Die Abgrenzung von Mainstreamund Ethnomedien mag vielleicht übertrieben sein. Mainstream-Medien bestehen aus privaten oder öffentlichen Vertriebsstellen, die auf das breite Publikum ausgerichtet sind, wohingegen Ethnomedien danach streben, gezielt eine spezielle ethnische Minderheit anzusprechen. Wie intuitiv eine solche Trennung auch immer sein mag: es ergeben sich dennoch Schwierigkeiten. Wo genau hören Mainstream-Medien auf und wo genau fangen Ethnomedien an? Ethno- und indigene Medien gehören mehr dem Mainstream an als viele denken, während Mainstream-Medien ethnischer sind als ihr Ruf. Die genaue Abgrenzung löst sich damit auf. Man sollte daher die scheinbar nicht intuitive Möglichkeit berücksichtigen, dass Mainstream-
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Medien als ethnische Medien interpretiert werden können, da sie die Interessen eines weißen Kundenkreises bedienen: Alle Inhalte der Massenmedien könnten ausgehend von der Erfahrung analysiert werden, was über Ethnizität offenbart wird. Die New York Times könnte man zum Beispiel als ethnische Zeitung lesen, obwohl sie es nicht explizit oder bewusst ist (Riggins 1992: 2). Privat
Logik
Eskapistisch (den Konsumenten wird gegeben, was sie wollen)
Öffentlichrechtlich
Alternativ (ethnisch, indigen)
Ermächtigend (der GeElitär (den Bürmeinschaft die Macht/ gern wird gegeben, Stimme zu geben, die was sie brauchen) ihr verwehrt wird/wurde)
Ziel
Profit (marktabhängig)
Öffentliches Gut, nationales Interesse
Parteiisch: für das Volk, vom Volk, über das Volk
Funktion
Unterhalten
Aufklären
Ermutigen – Anpassen, Herausfordern, Umwandeln
Bereich
Universalität, weiMarktlücke durch sungsgebunden kommerzielle (broadcasting) Massentauglichkeit
Bisher unerschlossene Minderheitengruppe (narrowcasting)
Wahrnehmung des Publikums
Konsument
Bürger
Gemeinschaft/ Minderheit
Eigentum
Firmenbesitz
Öffentlichkeit, fi- In lokalem Besitz, unter nanziert vom Steu- lokaler Kontrolle und in erzahler lokaler Produktion
Routiniert, vertraut
Breite Auswahl mit Schwerpunkt auf Hochkultur
Programminhalt
Verschiedene Nachrichtenwerte (den Menschen geben, was der Mainstream ignoriert)
Abb. 1: Medieninstitutionen in Kanada: Ein Vergleich der Modelle.
Die Konsequenzen dieser Umkehrung sind aufschlussreich, da Medieninstitutionen und -texte weder neutral noch wertfrei, aber auf eine fundamentale
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Weise in Hinblick auf race2 verschlüsselt sind, weil sie uns daran erinnern, dass alle Nachrichtenmedien ethnisch verortet sind – egal ob sie sich dieser Platzierung bewusst sind oder nicht. Sofern Mainstream-Medien im Besitz und unter der Kontrolle von Firmen sind, sind sie von, für und um weiße Erfahrungen, Wirklichkeiten und Vorrechte organisiert (Jiwani 2006). Es werden, wenn auch unbeabsichtigt oder beiläufig, Inhalte geschaffen, die eurozentrische Werte und Normen fördern, während alternative Diskurse als nachrangig oder irrelevant eingestuft werden. Dieses eurozentrische Weißsein dient nicht nur als normativer Standard, durch den andere beurteilt, bewertet und kritisiert werden, sondern es erzeugt – da der Eurozentrismus in institutionelle Strukturen, Prozesse und Ergebnisse eingebettet ist – auch eine palemale3 Sicht und neigt dazu, Fantasien oder Ängste auf rassenbezogene Andere zu projizieren. Zugegebenermaßen sind Entscheider und gatekeeper in den Medien wahrscheinlich nicht bewusst voreingenommen gegenüber Nicht-Weißen. Trotzdem gestalten sie unbewusst ihre Berichte in einer Art und Weise, die eine bevorzugte Denk- und Sichtweise auswählt, hervorhebt und auferlegt. Im Ergebnis stehen dann Weiße und Nicht-Weiße in einer unterschiedlichen Beziehung zu den MainstreamMedien: Weiße sehen sich als normal oder überlegen dargestellt, während sich Minderheiten in den eurozentrischen Diskursen, die erniedrigen, leugnen und klein machen, als auf race reduziert wahrnehmen. Wen kann unter diesen Umständen der Erfolg und die Popularität von Ethnomedien überraschen? Parallelen zwischen Ethno- und Mainstream-Medien sind unverkennbar: Beide bedienen den Informationsbedarf ihrer primären Kunden und Werbezielgruppen („serve the people“). Sie sind jeweils auf die eigene Gruppe bezogen, müssen ein spezielles Publikum ansprechen, sind zum Überleben auf Werbung und Abonnements angewiesen und müssen ihren Inhalt dementsprechend anpassen. Aber selbst wenn Mainstream-Medien als Ethnomedien verstanden werden können, versagt der Vergleich aufgrund eines wesentlichen Unterschiedes – der Macht. Im Gegensatz zu Ethnomedien, die relativ machtlos außerhalb ihres Einflussbereiches sind, besitzen Mainstream-Nachrichtenmedien die Macht, die Mittel und den Einfallsreichtum, etwas zu bewirken, angefangen bei der Erstellung von Agenden und der Bestimmung des öffentlichen Diskurses bis zur Förderung nationaler Interessen. Diese Tatsache alleine macht es doppelt wichtig, dass die Medien der Ureinwohner und die Ethnomedien sowohl als eigene Dynamik theoretisiert als auch als Akteure angese-
2
Anm. d. Hrsg.: Im Deutschen ist der Begriff „Rasse“ anders konnotiert als in Nordamerika sowie historisch belastet. Daher werden in der Übersetzung die englischen Ausdrücke (race u.a.) verwendet und kursiv gesetzt.
3
Anm. d. Hrsg.: palemale: die Sichtweise weißer Männer.
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hen werden, die mit den Herausforderungen einer globalen und partizipatorischen Medienkultur fertig werden.
3
Indigene Medien und Ethnomedien theoretisieren: Das soziale Kapital arbeiten lassen
Sie reagieren auf die Bedürfnisse ethnischer und rassischer Minderheiten; sie bieten ihnen eine Stimme, indem sie das Wohl der Gemeinde fördern; sie stellen soziales Unrecht in Frage; sie pflegen ein Gefühl von kulturellem Stolz und sie artikulieren das Wesen ihrer Gemeinde (Gonzales 2001). Mit sie sind die Medien der Ureinwohner und die Ethnomedien gemeint, deren gemeinsame Ziele die informativen, integrativen und beratenden Bedürfnisse derjenigen ansprechen, die historisch benachteiligt sind oder sich in der Diaspora befinden. Diese Multidimensionalität ist wichtig für die Klärung der Ursprünge und Rationalität der Medien der Ureinwohner und der Ethnomedien und deren Rolle in der Gesellschaft und insbesondere in den Gemeinschaften der Minderheiten. Außerdem stellen diese Medien eine Herausforderung für die Steuerung der Medienlandschaft dar und erfreuen sich durch die größer werdende, partizipatorische Dynamik wachsender Beliebtheit (Deuze 2006).
3.1
Indigene und Ethnomedien rahmen
Medien der Ureinwohner und Ethnomedien sind meist kleine Sender, Kabelkanäle, Zeitungen und Magazine, die racial und ethnische Minderheiten als Zielgruppe haben, darunter Ureinwohner, Frauen und Männer im Kontext von race sowie Einwanderer und Flüchtlinge (auch Lieberman 2006). Viele davon sind kleine mom and pop4 Startups, die wöchentlich oder unregelmäßig in anderen Sprachen als Englisch (oder Französisch) veröffentlicht und kostenfrei verbreitet werden. Andere ethnische Medien ähneln tendenziell Mainstream-Medien, indem sie anspruchsvoll in Bezug auf die Arbeitsabläufe, Inhalte und der Verbreitung und mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet sind, um täglich mit Gewinn zu erscheinen (Lin und Song 2006). Ethnische Medien können außerdem nach Herkunft klassifiziert werden: auf der einen Seite gibt es heimische Ethnomedien, die entweder in der Muttersprache oder in der Sprache des Gastlandes oder in einer Kombination beider Sprachen produziert werden.
4
Anm. d. Hrsg.: Kleinstfamilienbetriebe; wörtlich „Mutti und Papa“.
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Auf der anderen Seite existieren ethnische Medien, die im Ausland produziert, aber im Gastland verbreitet werden (Weber-Menges 2005). Während manche Ethnomedien Interkulturalität für sich beanspruchen, indem sie einen Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen anregen möchten, sind viele nur auf ein einziges Ziel hin ausgerichtet. Aber auch bei letztgenannten lassen sich interne Differenzen feststellen – manche Ethnomedien sind auf die unverkennbaren Bedürfnisse und Belange von Einwanderern ausgerichtet, während andere einheimische Minderheiten ansprechen und wieder andere sich an unterschiedliche Zielgruppen in jeder Kategorie wenden. Diese Fülle an unterschiedlichsten Ethnomedien legt die Erfordernis eines komparativen strukturellen Bezugsystems nahe, wie es von Donald R. Browne (2005) vorgeschlagen wurde, wenn es auch ursprünglich für die Analyse elektronischer Ethnomedien gedacht war: (1)
Absatzkanäle und Serviceebenen (lizenziert, nicht lizenziert, Rundfunk, TV, Presse, Internet),
(2)
Grundsätze (durch die Regierung, Anzeigenkunden oder Gemeindemitglieder festgelegt),
(3)
Finanzierung (Werbung, Lizenzierung, Regierungszuschüsse, Abonnements),
(4)
Hauptpublikum (zugänglich für jeden oder nur für Minderheiten; Zielgruppe innerhalb der Gemeinschaft),
(5)
Art des Programms (Information, Bildung, Unterhaltung),
(6)
Verbindungen mit der Gemeinschaft (verwendete Sprache, Beschäftigte),
(7)
Operatives Ziel (Verbindungen mit den Heimatländern der Vorfahren, Bewahrung der Sprache und der Kultur, Stolz auf die Gemeinde, Informationsquelle, Bekämpfung negativer Stereotype).
Die Relevanz dieser Bezugsebenen bei der Theoretisierung Ethno/indigener Medien kann kaum bestritten werden. Wie berechtigt solch eine Messung auch sein mag, so konzentriert sich diese Arbeit hauptsächlich auf die Rolle der Ethnomedien bei der Förderung der Integration neuer Kanadier. Diese Medien verkörpern soziales Kapital, das gleichzeitig verbindet und überbrückt, indem es das Hier mit dem Dort durch das Dazwischen verbindet. Die überbrückende Rolle von Ethnomedien beim Überschreiten von Grenzen sollte niemanden überraschen. Durch gemeinschaftsbasierte, kulturell feinfühlige, kommunikationsempfängliche und lokal relevante Informationsflüsse sollte auch die verbindende und abfedernde Dynamik der Ethnomedien kaum Überraschung hervorrufen.
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Ethnomedien liefern Soziales Kapital auf eine paradoxe Art. Wie Robert Putnam in seinem bahnbrechenden Buch Bowling Alone hervorhob, hängt die Lebensqualität der Menschen und das Leben der Gesellschaft vom Aufbau an Reserven des sozialen Kapitals ab. Und dennoch räumte Putman (2000) ein, dass je ethnisch diversifizierter eine Gemeinschaft ist, desto unwahrscheinlicher es ist, dass Menschen mit anderen Ethnien Kontakt haben oder Vertrauenswürdigkeit zueinander entwickeln. Der mögliche Verlust sozialen Kapitals nimmt Ethnomedien in die Pflicht, diese Abkoppelung und das Misstrauen, teilweise durch die Bereitstellung von überbrückendem Kapital, zwischen verschiedenen Gruppen auszugleichen (d.h. Bindungen zu schaffen zu Menschen, die anders sind als man selbst) und teilweise durch verbindendes Kapital innerhalb der eigenen Gruppe (d.h. Bindungen zu schaffen zu Menschen, die ähnlich sind wie man selbst). Auf der einen Seite spielen Ethnomedien eine vermittelnde Rolle, indem sie die Gemeinschaft mit der Gesellschaft verbinden; auf der anderen Seite bieten Ethnomedien eine starke Migrantenidentität, um den Übergang von dort nach hier durch die Förderung eines mehr multilokalen Zugehörigkeitsgefühls zu erreichen (Cheng 2005). Oder wie Madeleine Bunting (2007), die das Verbinden und das Überbrücken zusammenbringt, schreibt: „Eine starke Identität einer Gemeinschaft gibt ihnen das Vertrauen und die Selbstachtung, um Fuß zu fassen und voranzukommen“ (vgl. auch Riggins 1992; Lam 1996). Besonders zu erwähnen ist die Bereitstellung relevanter Informationen, nach denen Angehörige von Minderheitengruppen streben, auf die sie jedoch nicht einfach zugreifen können. Ethno-/indigene Medien bieten eine Alternative zu den Mainstream-Medien, die von vielen als immer zentralistischer, standardisierter und als vertieft in Banalitäten und Sensationsgeschichten wahrgenommen werden. Diese kurzsichtige und verfälschte Berichterstattung über globale Belange, bedingt durch die Nachrichtenwerte des Mainstreams, erschafft einen Nachholbedarf an exakten Informationen, die Gemeinschaften in der Diaspora ansprechen (Tan 2006; Karim 2006). Als Quelle für solche Informationen ziehen Medien der Ureinwohner und Ethnomedien mithilfe einer anderen Sichtweise und einer Sprache, die bei ihren Rezipienten einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, die Aufmerksamkeit auf die Berichte, die der Mainstream vertuscht (Hsu 2002). In ihrer Rolle als Schwarzes Brett für Ankündigungen anstehender Ereignisse benutzen Regierungen die Medien der Ureinwohner und Ethnomedien häufig, um Informationen zu vermitteln und Einstellungen zu ändern, während wirtschaftliche Interessen darin liegen, neue Märkte zu erschließen (Wu 2005). Die beratende Rolle alternativer Medien ist aber nicht weniger entscheidend. Ethnomedien streben nicht nur nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, sondern stellen
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auch die unangenehmen Fragen, die Mainstream-Medien aus Angst vor Zensur oder Repressalien vermeiden. Angesichts solcher vielfältiger und sich widersprechender Funktionen gibt es recht unterschiedliche Reaktionen auf Ethno-/indige Medien. Auf der einen Seite wird von einigen die Gemeinschaft reflektierende Funktion, ihr Agieren als politisches Sprachrohr, die Förderung eines gemeinschaftlichen Zwecks, die Stärkung eines Gruppenbewusstseins und Heimatgefühls, sowie die Schaffung und Verstärkung des Gefühls von Gemeinschaftskonsens hervorgehoben (vgl. Anhang). Auf der anderen Seite sehen andere in dieser Verpflichtung zur Fürsprache einen weicheren Journalismus, der letztendlich eine Ideologie der ausgewogenen Berichterstattung vorzieht (Hsu 2002). Kanäle, die ethnische Minderheiten exklusiv begünstigen, können für die Ghettoisierung von Minderheitenerfahrungen und für übermäßig sanfte Nachrichtenberichterstattung kritisiert werden, da, wie Lawrence Lam (1996: 255) nicht besonders überraschend argumentiert, die Menschen beim Sehen oder Lesen hinsichtlich ihrer Interessen selektiv sind – besonders in einem Land mit einer großen Medienvielfalt wie Kanada. Es deuten jedoch gewisse Anzeichen darauf hin, dass nicht alle ethnischen Minderheiten übereifrig auf ethnische Medien als Hilfs- oder Informationsquelle zurückgreifen (Lam 1996; Mahtani 2007; aber siehe Gillespie 2005). Für wieder andere verzögert die nach innen gerichtete Art Ethno-/indigener Medien nicht nur die Integration von Migranten in ihre Wahlheimat, sondern sabotiert auch die integrierende Logik des Zusammenlebens. Hierbei stellt sich natürlich die Frage, was man unter Integration versteht, wie man sie erreicht, was sie zu erreichen hofft und was getan werden muss, um Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden (Neill und Schwedler 2007, siehe auch EC Commission of the European Communities, Com 2005, vgl. Anhang). Für andere wiederum zeugt die Beständigkeit und Beliebtheit Ethno-/indigener Medien von der Multikulturalität, die Demokratie beeinflusst und definiert.
3.2
Indigene und Ethnomedien einordnen: reaktiv/proaktiv; nach innen/nach außen gerichtet
Die Gründe für die Entstehung von Ethnomedien sind vielfältig und sowohl reaktiv als auch proaktiv und nach innen wie nach außen gerichtet. Auf der reaktiven Seite ärgern sich ethnische und rassifizierte Minderheiten über ihren Ausschluss von den Mainstream-Nachrichtenmedien (Husband 2005; DeSouza und Williamson 2006). Historisch lässt die Be- und Misshandlung von Ureinwohnern, Einwanderern und rassifizierten ethnischen Minderheiten durch Nachrichtenmedien angesichts ihrer Platzierung in einer von fünf negativen
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Kategorien sehr zu wünschen übrig. Sie stellen Minderheiten als unsichtbar, problematisch, stereotyp, verzierend oder weißgewaschen dar (Fleras und Kunz 2001). In einer Branche, die von der Logik angetrieben wird, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind, resultierte die Darstellung von Minderheiten als Unruhestifter aus einer einseitigen Berichterstattung, die dämonisierte und leugnete (Butterwege 2005). Van Dijk (1993) schreibt hierzu: Die Strategien, Strukturen und Abläufe der Berichterstattung, die Themenauswahl, die Perspektive, die Wiedergabe von Meinungen, sowie Stil und Rhetorik zielen darauf ab, „uns“ positiv und „sie“ negativ darzustellen. […] Ihr Fall gilt nur dann als berichtenswert, wenn sie Probleme verursachen, in Kriminalität oder Gewalt verstrickt sind oder wenn sie als Bedrohung der weißen Vorherrschaft dargestellt werden können. Trotz bescheidener Verbesserungen in der Qualität und der Quantität der Berichterstattung bleiben Mainstream-Nachrichtenmedien ein doppeltes Problem: erstens aufgrund eines systemischen Bias, der Minderheiten als Störenfriede darstellt und zweitens aufgrund ihres Fehlers, tiefgehende Unterschiede nur als Konflikt oder Problem darzustellen (Fleras 2006). Diese Problematik sollte niemanden wirklich überraschen, da Nachrichtenmedien grundsätzlich rassifziert sind, indem sie Regeln, Werte, Praktiken, Diskurse und Belohnungen (sowohl absichtlich als auch unabsichtlich) auflösen, wodurch weiße Interessen und eurozentrische Themen bevorzugt werden. Das Endergebnis? Indem diversity als Konflikt und/oder Problem dargestellt wird, was als Katalysator für das Berichtenswerte dient und alternative Bezugssysteme ausschließt d.h. indem Unsichtbarkeit normalisiert und Sichtbarkeit problematisiert wird – hat sich Medienberichterstattung über Minderheiten eher als systemisch verzerrend denn als systemisch verzerrt erwiesen (Everitt 2005). Die Fehldarstellung von Minderheiten und Ureinwohnern durch Nachrichtenmedien hält indes weiterhin an (ERCOMER 2002; Jiwani 2006; Miller 2005). Während Nachrichtenmedien aber früher Minderheiten offen als Ausländer in einem Land des weißen Mannes verunglimpft haben, wird dies inzwischen gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. Eine immer größer werdende Angst, etwas Negatives über Minderheiten zu sagen und somit als rassistisch oder reaktionär gebrandmarkt zu werden (McGowan 2001), ruft eine dünn verhüllte Kritik hervor, die unterschwellig die Interessen der Weißen widerspiegelt. Erstens werden Minderheiten dafür kritisiert, dass sie nicht so in das gesellschaftliche Bezugssystem passen, wie sie sollten (Minderheiten sind okay, solange sie nützlich sind oder ihren Platz kennen), zweitens werden sie mit negativen Aktionen wie Verbrechen oder Terrorismus in Verbindung gebracht,
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drittens werden ihre kulturellen Werte und Praktiken als unvereinbar mit der gegenwärtigen weltlichen Gesellschaft abgewiesen, und viertens werden die Wahrheiten und Sorgen der Minderheiten durch einen Pro-Weißen-Blick (Perspektive) gefiltert, der ausnahmslos schmälert oder verfälscht. Wenn auch subtil und abgeschwächt, so reduziert solch ein negatives Bezugssystem nicht nur Minderheiten auf den Status von Problemgruppen, sondern leitet durch die Reduzierung von Minderheiten als nur geringfügig bedeutender als Ethnien einen nationalen Diskurs darüber ein, wer akzeptabel ist und was normal ist (siehe auch McLeod 2007). Diese Negativität ist nirgends offensichtlicher als bei der Berichterstattung über Muslime oder arabisch aussehende Menschen (Canadian Islamic Conference 2005). Positive und ausgleichende Darstellungen normaler Muslime oder Araber sind in den Mainstream-Medien kaum existent (Alliance of Civilizations 2006; Starck 2009), während Berichterstattung, in der Muslime als gewalttätig und irrational dargestellt werden, stark auf internationale Konflikte ohne historischen Zusammenhang fokussiert ist (Manning 2006). Die Berichterstattung der Nachrichtenmedien wird tendenziell von der Debatte über den sogenannten Kampf der Kulturen – Islam vs. Westen – bestimmt, was bedeutet, dass die Protagonisten in der globalen Geopolitik gefangen sind (auf dieselbe Weise diente etwa ehemals der Kalte Krieg als Rahmen für geopolitische Entwicklungen, Seib 2004/05). Nachrichtenberichterstattung stellt muslimische/arabische Männer häufig als Tyrannen oder Terroristen dar, während muslimische/ arabische Frauen auf das Niveau von Burka tragenden Unterwürfigen reduziert werden, die im Widerspruch zur modernen Wirklichkeit stehen. Visuelle Darstellungen des Islams lösen sofort eine unterschwellige Negativität aus: Ein bärtiger Mann, der so aussieht, als wäre er aus dem Nahen Osten, der einen schwarzen Umhang und einen Turban trägt, kann eine ganze Reihe von Bildern auslösen: religiösen Fanatismus, Flugzeugentführungen, westliche Geiseln, die hilflos in Kerkern festgehalten werden, LKW-Bomben, die Hunderte von unschuldigen Menschen töten, grausame Strafen, genehmigt durch islamisches Recht, und die Unterdrückung der Menschenrechte – kurz gesagt, von intellektuellem und moralischem Rückschritt (Karim 2006:118). Es ist also verständlich, dass man Mainstream-Medien vorwirft, sie seien rassistisch, würden eine emotional wertende Terminologie (Islam als extremistisch, fundamentalistisch, terroristisch oder primitiv) und grob vereinfachende und negative Stereotype (DeSouza und Williamson 2006) verwenden. Die Kombination von Beleidigung und Verletzung, zusammen mit einem verminderten Selbstbewusstsein, bringt Verbitterung und Wut darüber hervor, was viele als
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weiße Propaganda ansehen. So eine auf race bezogene Einseitigkeit verstärkt auch das Risiko von Rassenspannungen und vermehrter Diskriminierung. So überrascht es vielleicht nicht, dass bei einer Meinungsumfrage, bei der 10.000 Menschen in überwiegend muslimischen Ländern gefragt wurden, was der Westen tun könnte, um die Beziehungen zur muslimischen Welt zu verbessern, 47 Prozent (die am häufigsten gewählte Antwort) meinten, die westlichen Medien müssten aufhören, den Islam zu missachten, indem Muslime als untergeordnet oder bedrohlich dargestellt würden (Alliance of Civilization 2006). Mainstream-Nachrichtenmedien werden folglich dafür kritisiert, dass sie ihre Verpflichtungen nicht einhalten, Minderheiten zu integrieren (Whyte 2006). Die Kritik zielt auf die Weigerung der Medien ab, Minderheiten als Individuen und aktive Handelnde anzuerkennen und zu behandeln und sie nicht als gesichtslosen, homogenen Mob darzustellen. Des Weiteren bezieht sie sich auf ihr Widerstreben, unter die Oberfläche zu blicken und ihre Ablehnung, Minderheiten innerhalb eines ganzheitlichen Kontextes von Normalität oder Akzeptanz abzubilden (Weber-Menges 2005). Die Ausbreitung dieser Biases und blinder Flecken bringt Widerstand und Protest hervor. Es gibt somit nur die Option, alternative Medien als Informationsquellen heranzuziehen, die die Realität von Minderheiten in einer Sprache wiedergibt, die ihre Erfahrungen widerspiegelt (Ahmad 2006). Ein alternativer Diskurs bietet demnach ein Menü von Nachrichtenwerten, das sich von den Agenden der MainstreamMedien unterscheidet. Anstatt Minderheiten als potenzielle Störenfriede darzustellen, fördern Erfolgsprofile ein positives Selbstbild, das ein positives kollektives Gemeinschaftsgefühl unterstützt. Sogar negative Nachrichten werden anders gestaltet. Durch Ethnomedien können Gruppenkonflikte und Probleme in der Gemeinde in einen historischen Kontext gesetzt werden, der die Schuld eher dem System als den Minderheiten zuweist (Ojo 2006; Lin/Song 2006). Vor diesem Hintergrund der Negativität und der Probleme streben Ethnomedien proaktiv danach, Erfolge, Leistungen und Hoffnungen der Minderheiten zu bejubeln. Sie operieren gegen die vorherrschende Hegemonie, weil sie den fehlenden gesellschaftlichen und kulturellen Kontext bieten, um die komplexen sozialen Realitäten zu verstehen, die Minderheiten erdulden müssen. Durch die Verstärkung eines Gefühls für Kultur und Gemeinschaft bieten Ethnomedien einen Zufluchtsort vor Stereotypen und Verzerrungen, die in den Mainstream-Medien reichlich vorhanden sind. Ethnomedien stellen auch ein Informationssystem über das Heimatland dar, das wichtig für die Integration ist. Schließlich bedienen sich Nachrichten von oder über die Heimat der Sehnsucht eines Einwanderers nach Inhalten über das Dort, die dann als Basis fungieren, um sich in das Hier zu integrieren (Lin und Song 2006). Nicht weniger wichtig ist ihre Rolle bei der Bereitstellung von spezifischem Informati-
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onsbedarf, unter anderem Informationen über das Fußfassen, Anpassen und Aufsteigen (Whyte 2006). Man beachte die möglichen Vorteile: Ein ethnisches Medium kann sich als zugänglicher erweisen als Mainstreamkanäle, wenn freie Serviceleister oder Spendenaktionen beworben, Informationen über anstehende Ereignisse und Besuche von Würdenträgern aus dem Ausland geliefert, tiefgehende Geschichten über ihre Gemeinden erzählt, Ratschläge zum Buchen einer Reise oder Finden eines Anwalts gegeben werden oder einfach eine Plattform, um die letzten Kricket- oder Rugby-Ergebnisse zu checken, angeboten wird. Besonders wichtig sind Hinweise darauf, wie man sich durch Bürokratie und Dienstleistungen manövriert (Silverstone/Georgiou 2005). Weil Menschen denjenigen Medien Aufmerksamkeit schenken, die ihnen Aufmerksamkeit schenken, ist es gerade diese Ausrichtung, die die Glaubwürdigkeit von Ethnomedien ausmacht (Husband 2005). Ethnomedien spielen außerdem eine sowohl nach innen als auch nach außen gerichtete Rolle. Letzteres insofern, da sie ihrer Zielgruppe Informationen von Relevanz und Unmittelbarkeit zur Verfügung stellen. Dies beinhaltet unter anderem auch umfassende Hilfe, wie man sich in einer fremden neuen Welt zurechtfindet. Ethnomedien geben Gemeinschaften eine Stimme, die ihre Sorgen einem breiteren Publikum zugänglich machen kann und stellen gleichzeitig ein Gegengewicht zu den immer mehr von Wirtschaftsinteressen dominierten Mainstream-Medien dar (Hsu 2002). Diese Brückenbildung zur Außenwelt verstärkt und fördert das soziale Kapital von Minderheiten, sowohl als Individuen als auch als Mitglieder der Gemeinde. Nach innen sind Ethnomedien ein Zeichen für Identität, da sie den Gemeinschaften relevante Nachrichten durch einen Blickwinkel und Ton mitteilen, der bei diesem Publikum nachhaltig wirkt. Die Konzentration auf Nachrichten aus der Heimat oder Ereignisse in der Muttersprache der Einwanderer stärken Identitäten, Traditionen und Kultur, insbesondere weil MainstreamMedien tendenziell die Belange von Minderheiten ignorieren oder diese unnötig problematisieren. Ethnomedien bieten daher eine Alternative zum Mainstream und richten ihr Augenmerk auf Belange von sozialer Gerechtigkeit, institutioneller Inklusion und der Beseitigung diskriminierender Schranken. Indem sie Lokalnachrichten von direkter und unmittelbarer Relevanz anbieten, haben Ethnomedien das Potenzial, Bürger dazu zu motivieren, auf Ungerechtigkeiten und Problemen innerhalb der Gemeinde entgegenzuwirken (Lin und Song 2006). Man kann folglich Ethnomedien an einer reaktiv-proaktiven und nach innen-nach außen ausgerichteten Dimension verorten. Mit den globalisierten Strömen von Migration, Ideen, Informationen, Kapital und Technologie ändern sich auch die traditionellen Vorstellungen von Zugehörigkeit. Einwande-
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rer haben die Möglichkeit, in ihrer Wahlheimat verwurzelt zu sein, ohne die Verbindungen zu ihrem Herkunftsland zu verlieren. Sie üben dabei Druck auf die ethnischen (Einwanderer-)Medien aus und zwingen sie zu Multilokalität und einem grenzüberschreitenden Zugehörigkeitsgefühl (Cheng 2005). Indem man die Möglichkeit einer Gemeinschaft, die in den Vorstellungen oder Erzählungen über Grenzen hinausreicht, anerkennt, fordert man konventionelle Konzepte heraus, die die Beziehung zwischen Wahlheimat und Ursprungsland auf einen Entweder-oder-Zwiespalt reduzieren, um so die Aufmerksamkeit von Migranten zu gewinnen. Nach Cheng muss aber auch die Rolle von Ethnomedien bei der Integration ethnischer Minderheiten überdacht werden. Die meisten Ethnomedien sind multidimensional und können nicht in eine der eindimensionalen Kategorien gesteckt werden. Diese Dynamik und Komplexität wird deutlich, wenn die Dimensionen (nach innen/nach außen; reaktiv/proaktiv) entlang zweier Kontinua ausgerichtet und dann im rechten Winkel halbiert werden:
Nach innen (insular)
Nach außen (integrativ)
Reaktiv (defensiv)
Proaktiv (affirmativ)
Reaktion auf Negativität/Unsichtbarkeit in den Mainstream-Medien durch das Anbieten einer Minderheitenperspektive, darunter auch den Zugang zu Lokal- und Heimatinformation: „Puffer errichten“ Sozialer Ungerechtigkeit entgegenwirken, indem positive Veränderungen befürwortet und faire Voraussetzungen geschaffen werden: „Grenzen überschreiten“
Aufmerksamkeit liegt auf der Zelebrierung von sowohl persönlichen Leistungen als auch von Leistungen der Gemeinschaft, um den Zusammenhalt und den Kulturstolz zu fördern: „Bindungen erschaffen“ Positive Bilder von erfolgreichen Minderheiten verwenden, um die Beteiligung von Minderheiten in einer inklusiven Gesellschaft zu stärken: „Brücken bauen“
Abb. 2: Dimensionen von Ethnomedien.
Natürlich stimmt nicht jeder damit überein, dass die Medien der Ureinwohner und Ethnomedien inhaltlich oder in ihrer Wirkung integrativ sind. Kritiker behaupten, dass diese Medien Integration dämpfen können. Mit der Einführung von Satellitenfernsehen und Internet wird es Migranten in der Diaspora leicht gemacht, ihre Wurzel in der Heimat zu bewahren, indem sie sich über dortige
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Neuigkeiten, Moden und Trends informieren. Diese Sorge ist verständlich, da die Mitglieder ethnischer Gemeinden bei ihren Bemühungen die Grenzen der Mainstream-Medien zu überschreiten tendenziell die enthusiastischsten und technologiebewusstesten Nutzer von Kommunikationsdienstleistungen sind (Online 2007). Weiter argumentieren die Kritiker, dass Einwanderer, wenn sie einmal von ihrer eigenen Medienwelt vereinnahmt worden sind, nicht länger mit anderen kommunizieren und interagieren müssen, was schließlich zur Fragmentierung der Gesellschaft in separate Enklaven führt (Husband 2005; Weber-Menges 2005). Beispielsweise bieten manche Drittsprachsender in Kanada – unter anderem Programme in Kantonesisch, Mandarin oder Pandschabi – einen maßvollen Anteil lokaler und/oder aktueller Nachrichten an, die meisten ethnischen Sendungen hingegen bringen sehr wenig kanadische Inhalte – sie enthalten damit de facto dem Minderheiten-Publikum kanadische Nachrichten, Blickwinkel und kulturelle Inhalte vor. Zugegebenermaßen leben Migranten weder in Medienghettos noch verlassen sie sich ausschließlich auf eine Ethnomedien„Diät“ (Lam 1996; Mahtani 2007), sondern wählen aus einem reichhaltigen Medienmenü, um die Kluft der Multilokalität zu schließen (Weber-Menges/ Geißler 2009). Will man Ethnomedien folglich weder heiligsprechen noch verteufeln, muss ein Umdenken erfolgen und an die Stelle der entzweienden oder integrativen Typisierung muss eine dialektische Dynamik treten. Das Wechselspiel zwischen dem Reaktiv-Proaktiven und dem nach innen-außen gerichteten Fokus erzeugt einen insularen und integrativen Prozess – der gleichzeitig verbindet, puffert, überbrückt und Grenzen überschreitet. Eine Beschäftigung mit ethnischen und heimatbezogenen Nachrichten könnte die gesellschaftliche Eingliederung außerdem dadurch verzögern, dass kulturelle Identität und community-Netzwerke gestärkt werden (Lin/Song 2006). Trotzdem schließt ein solcher Fokus in einer Welt, in der das Globale lokal ist und das Lokale global, nicht unbedingt Integration aus. Indem Ethnomedien eine comfort zone in einem fremden, neuen Land schaffen, schirmen sie Migranten und Minderheiten von der harten Wiederanpassung ab und bieten somit einen Puffer zwischen dem Hier und dem Dort durch das Dazwischen. Ethnomedien dienen damit auch als überbrückendes Element, um die Integration in die Gesellschaft insgesamt zu erleichtern, während sie das beruhigende Band von Gemeinschaft, Identität und Kultur sicherstellen (Open Society Institute 2005). Damit sind Ethnomedien sowohl Mittel der kulturellen Konservierung als auch Förderer der Eingliederung und ihr Status als abgeschnittene Inseln einen Weg zur Integration zu eben dürfen nicht unterschätzt werden. Insbesondere in Kanada, wo die Beliebtheit von Ethno-/indigenen Medien wahrscheinlich die Quintessenz von Kanadas inklusivem Multikulturalismus darstellt.
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Indigene und Ethnische Medien in Kanada: Nischen der Abgeschlossenheit als Bahnen zur Integration
Kanada hat lange für die Förderung und Erhaltung seiner kulturellen Vielfalt im Kontext von Globalisierung, Handelsliberalisierung und Grenzen sprengender Technologien gekämpft. Die Unterstützung des Prinzips der kulturellen Diversität wird auf dreifache Weise ausgedrückt: erstens, durch die Förderung ethnischer Sendungen oder Sendungen in einer Drittsprache innerhalb des kanadischen Fernsehsystems (Lincoln n.a. 2005); zweitens, durch die Aufnahme in den Mainstream der privaten und öffentlich-rechtlichen Medien; und drittens, durch die Anerkennung der Legitimität ethnischer/indigener Presseerzeugnisse. Dennoch garantiert der Erfolg weder Klarheit noch einen Konsens. Obwohl Ethno-/indigene Medien in Kanada schon eine lange Geschichte haben, werden ihr Umfang und Einfluss unterschiedlich eingeschätzt. Die Angaben zu ersteren schwanken, da Neuerscheinungen aufgrund der Kosten, des Wettbewerbs und der Einschüchterung oftmals so schnell kommen wie sie gehen. Sogar der Begriff Ethno-/indigene Medien ist wegen der internen Vielfalt problematisch. Bezieht sich ethnisch auf neue oder auf gebürtige Kanadier? Auf sichtbar gemachte Minderheiten5 oder weiße, europäische ethnische Gruppen? Auf Ureinwohner mit oder ohne Status? Ungeachtet dieser Ungewissheiten und Irritationen können Ethno/indigene Medien in drei Kategorien unterteilt werden: Ethnische/indigene Presse, ethnische/indigene Sender und der Zugang in den Mainstream der öffentlichrechtlichen und privaten Medien. Zunächst soll jedoch ein kurzer Überblick über die kanadische Medienlandschaft gegeben werden.
4.1
Kanadas Medienlandschaft
Kanada wird weithin als eine Gesellschaft mit einer großen Medienfülle angesehen, deren beeindruckende Leistungen trotz einer einschüchternden Geographie, demographischer Vielfalt und geschichtlicher Hürden besonders ins Auge fallen (Attalah und Shade 2006). Der Broadcasting Act legt die Ziele des Rundfunksystems dar und setzt mehrere Prioritäten für kanadische Sender, darunter die besondere Rolle von Medien im Besitz und unter der Kontrolle Kanadas, das Eingehen auf die Bedürfnisse aller Kanadier und die Verpflich-
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Anm. d. Hrsg.: im Orig. visibilized minorities – eine kritische Anspielung auf den rechtlichen Begriff visible minorities (sichtbare Minderheiten); dieser erfasst „Personen, die weder Ureinwohner noch von kaukasischer Abstammung oder weißer Hautfarbe sind“. Kaukasisch: Weiße europäischer Abstammung.
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tung zur Rücksicht auf die Sprachenvielfalt, ohne dabei die offizielle französisch-englische Zweisprachigkeit Kanadas aus den Augen zu verlieren. Während sie in erster Linie auf Englisch und Französisch senden, um die Integration von Einwanderern in die kanadische Gesellschaft zu sichern, erwartet man von Sendern in Kanada, dass sie durch ihre Programme und die Beschäftigungschancen, die durch ihren Betrieb entstehen, die Bedürfnisse und Interessen kanadischer Männer, Frauen und Kinder bedienen und ihre Lebensumstände und Hoffnungen widerspiegeln, darin eingeschlossen gleiche Rechte, die linguistische Dualität und das multikulturelle und multiracial Wesen der kanadischen Gesellschaft sowie den besonderen Platz der Ureinwohner innerhalb dieser Gesellschaft einschließt. Diese Agenda der Diversität gipfelte in der Entwicklung eines anspruchsvollen und komplexen Rundfunksystems, das sowohl englisch- und französischsprachige Bürger als auch Ureinwohner bedient, nebst einer Reihe von Anbietern in dritten Sprachen, die einen weiteren wichtigen Stein in Kanadas MedienMosaik ausmachen (Lincoln n.a. 2005). Ethnische Radioprogramme sind in den meisten kanadischen Städten präsent und sind von Sendeplätzen bei Mainstreamsendern bis hin zu ethnischen Radiostationen in Drittsprachen breit gefächert. Insbesondere das Fernsehen – unter anderem ein indigener Fernsehsender – spielt eine große Rolle. Multikulturelle Sender (OMNI 1 und 2 in Toronto) findet man zusätzlich zu Sendeplätzen im Gemeindekabelkanal, kommerziellen Stationen und einem nationalen Sender (Vision TV) in den größeren kanadischen Städten. Insgesamt umfasst Kanadas gemischtes privat-öffentlichalternatives Mediensystem fast 700 private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender (511 englische, 115 französische und 53 in einer dritten Sprache) und ca. 1158 Radiosender (867 englische, 253 französische und 38 in einer dritten Sprache) (CRTC 2006). Kanada besitzt außerdem einen lebendigen, wenn auch immer mehr unter Druck geratenden Verlagssektor. Im Moment gibt es 105 Tageszeitungen in Kanada – zwar weniger als zum Höchststand im Jahr 1938 mit 138, aber mehr als die nur 87 Zeitungen im Jahr 1945. Auch im Zeitungswesen ist die Eigentümerschaft auf mehrere große Ketten übergegangen, unter anderem CanWest Global, Hollinger International, Torstar, Quebecor, Osprey Media Group (kürzlich gekauft von Quebecor) und Power (Canadian Newspaper Association 2006). Obwohl nur noch 5,2 Millionen Kanadier eine Tageszeitung abonniert haben (1989 waren es noch 5,7 Millionen), bleiben die wöchentlichen Leser mit 11,8 Millionen in den 17 größten Absatzmärkten zwischen 2001 und 2005 trotz des einwanderungsbedingten Bevölkerungswachstums konstant. Die Leserschaft
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von Online-Zeitungen nimmt hingegen stetig zu, und im Jahr 2005 waren 15 Prozent der Erwachsenen über 18 Leser der Online-Ausgabe einer Zeitung. Ähnlich eindrucksvoll ist das Wachstum von kostenlosen Tageszeitungen. Beispielsweise lesen bis zu 27 Prozent der Erwachsenen in Toronto und 23 Prozent der Erwachsenen in Montreal eine Gratis-Zeitung pro Woche. Doch die Aussichten für traditionelle Zeitungen scheinen – obwohl sie sich laut der Canadian Newspaper Association in diesen harten Zeiten behaupten – trüb zu sein: Kanadische Zeitungen stehen in ihrer Rolle als Nachrichtenüberbringer im Informationszeitalter weiterhin vor Herausforderungen und unterliegen einem Wettbewerb. Während Information an sich in einem beeindruckenden Maße in zahlreichen Formen wuchert, wurde die Art und Weise der Speicherung und der Verbreitung der Informationen umfassender und komplexer. Die gesamten Leiden der Medien bestehen in der scheinbaren Unfähigkeit oder dem Desinteresse, den ethnischen Markt zu knacken. Trotz Kanadas Multiculturalism Act, seinem Broadcasting Act und seiner ethnischen Rundfunkpolitik bleiben die Nachrichtenmedien weiterhin entlang der Farbgrenze zwischen dem als normal dargestellten Weißen und dem racialized Anderen geteilt – und verwirken dabei die Möglichkeit, sich mit einer weitgehend unerschlossenen Zielgruppe zu verbinden. Letztendlich haben sich Ethnomedien im vergangenen Jahrzehnt stark ausgedehnt und spielen nun eine viel größere Rolle im Leben der am schnellsten wachsenden ethnischen Gruppen (chinesische und südasiatische Kanadier), als traditionelle Medienuntersuchungen vermuten lassen (Karim 2006). Diese Medien variieren in ihrer Größe von kleinen Zeitungen, die in privaten Kellern produziert werden, bis hin zu etablierten und professionell geführten Rundfunkstationen. Hunderte ethnischer Zeitungen werden täglich, wöchentlich oder monatlich veröffentlicht, darunter manche, die immer aufwendiger betrieben werden und sehr wohl in der Lage sind, sich mit nicht ethnischen Zeitungen zu messen. Es gibt jene, die sich an spezifische Gruppen richten (Share – karibisch und afrikanisch), während sich andere direkt und allgemein an Einwanderer wenden (New Canada). Manche sind in Englisch gedruckt, viele in den jeweiligen Muttersprachen und wieder andere zweisprachig. Auch ausländische Anbieter sind über spezielle Kabelsender oder Satellitenfernsehen zu empfangen. Dies zeigt, wie schnell sich Ethnomedien an neue Kommunikationstechnologien anpassen, um sich den Zugang zu dem oft kleinen und verstreuten Publikum zu sichern (Karim 2003). Die Entwicklung des Internets zur entscheidenden Medienoption und zum Kommunikationswerkzeug für ethnische Gruppen muss besonders erwähnt werden, da es wahrscheinlich zu einer verminderten Abhängigkeit der größten ethnischen
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Gruppen von den traditionellen Medien in Kanadas MTV-Städten (Montreal, Toronto, Vancouver) beigetragen hat (Solutions Research Group 2006). Natürlich gab es nicht nur in Kanada einen deutlichen Anstieg ethnischer Medienangebote, sondern auch in den Vereinigten Staaten ist eine bedeutende Steigerung der Anzahl der ethnischen Radiostationen (sowohl lokal als auch national), Zeitungen, Magazine, Webportale und Kabelfernsehstationen zu beobachten (Hsu 2002). (Das Interesse der Wissenschaft an Ethnomedien als Instrument der Assimilation durch die Modellierung der Weltanschauung und des Zugehörigkeitsgefühls der Einwanderer geht zurück bis ins Jahr 1922 und der Veröffentlichung von Robert Parks The Immigrant Press and its Control). Im Gegensatz zu den Mainstream-Medien, die einen Rückgang an Leserzahlen, Umsätzen und Börsenkursen zu beklagen haben, expandieren die Ethnomedien immer weiter (Annual Report 2006). Zugegebenermaßen liegen keine konkreten, landesweiten Zahlen für die Ethnomedien vor, dennoch schätzt eine kalifornische Studie, dass 84 Prozent der Schwarzen, der asiatischstämmigen Amerikaner und der Latinos Ethnomedien ausgesetzt waren, mehr als die Hälfte ethnische Sendungen oder Veröffentlichungen gegenüber englischen Quellen bevorzugten und 40 Prozent sagten, dass sie der Werbung in ethnischen Publikationen mehr Aufmerksamkeit schenkten als der in MainstreamMedien (Briggs 2005). Da ethnische Minderheiten inzwischen fast ein Drittel der Kaufkraft Amerikas ausmachen, lehnen die Werbetreibenden diese Zielgruppe nicht mehr als zu klein oder zu arm ab, sondern machen sich über diese Nischen ebenso her wie über den Mainstream (Lieberman 2006).
4.2
Indigene und ethnische Publikationen
Die zentrale Bedeutung ethnischer Nachrichtenmedien in Kanada ist nicht zu leugnen. Ethnische Zeitungen haben in Kanadas Medienlandschaft eine lange Tradition – von den ersten ethnischen Zeitungen auf Deutsch in Halifax Ende des 18. Jahrhunderts (Der Neu-Schottländische Calender 1787) über die Veröffentlichung Das Museum Canada in der Region Waterloo 1835, gefolgt von der Entstehung der schwarzen Zeitungen der 1850er (unter anderem Provincial Freeman und The Voice of the Fugitive). Aktuelle Schätzungen vermuten, dass bis zu 350 ethnische Zeitungen (inklusive etwa 200 Veröffentlichungen in einer Drittsprache) ihre Leserschaft täglich, wöchentlich, monatlich, viertel- oder halbjährlich ansprechen. Die meisten dieser Zeitungen sind lokal oder regional verbreitet, es gibt jedoch auch einige nationale Zeitungen, wie zum Beispiel die chinesische Version von Kanadas nationalem Nachrichtenmagazin (Macleans). In Britisch-Kolumbien konkurriert die indo-kanadische Punjabi Times mit drei englischsprachigen Wochenzeitungen und vier weiteren Wochenzeitungen in
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Pandschabi, die indo-kanadische Belange ansprechen, während es in SüdOntario sieben Wochenzeitungen in Pandschabi gibt und eine zweimal im Monat erscheinende englische Zeitung, die sich an dasselbe Publikum richtet. Ihr gemeinsamer Einfluss ist laut Ben Viccari (2007), Präsident des Canadian Ethnic Journalists and Writers Club immens: Diese Medien halten ihre Leser und ihr Publikum über Kanada auf dem Laufenden und bieten ein Mittel für den Ausdruck der Gedankenfreiheit, die viele Herausgeber und Sender in ihrem Ursprungsland nie gefunden haben.
4.3
Indigener und ethnischer Rundfunk
Nicht weniger wichtig sind ethnische und indigene Rundfunkstationen – sowohl Radio als auch Fernsehen. Im Gegensatz zu ethnischen Printmedien, die relativ freie Hand in ihrer Gestaltung haben, ist ethnischer und indigener Rundfunk straff bis ins kleinste Detail geregelt. Ausgehend davon, dass die Rundfunkfrequenzen im Besitz der Öffentlichkeit sind und öffentlichen Interessen dienen müssen, betont Kanadas Broadcasting Acts (1991) nicht nur die Wichtigkeit von diversity innerhalb des Rundfunksystems, sondern legt auch die Ziele für den ethnischen und indigenen Rundfunk fest. Die Canadian RadioTelevision and Telecommunications Commission (CRTC) schreibt außerdem vor, wie diese Prinzipien umgesetzt werden sollen, indem sie die Bedingungen für die Verbreitung ethnischer und multilingualer Programme vorgibt (Karim 2006). Die CRTC versteht unter ethnischen Programmen alle Radio- oder Fernsehprogramme, die auf eine ethnische oder racial Gruppe – ausgenommen Ureinwohner und Nachkommen französischer und englischer Siedler – ausgerichtet sind. Die Programmgestaltung ist in jeder Sprache möglich, einschließlich Englisch oder Französisch oder in einer Kombination mehrerer Sprachen. Abhängig von der Größe der Zielgruppe und der zu Verfügung stehenden Mittel müssen Stationen, die ethnische Programme anbieten, verschiedene ethnische Gruppen innerhalb ihres Einzugsbereichs einbinden. Die CRTC (1999) sagt dazu: Ethnische Stationen sollen eine Reihe von ethnischen Gruppen in verschiedenen Sprachen bedienen. Und zwar deshalb, weil der Mangel an Rundfunkfrequenzen die Lizenzierung eines einsprachigen Programms über den Äther vielleicht nicht für jede ethnische Gruppe in einem vorgegebenen Markt zulässt. Dieser Ansatz zieht auch die Bereitstellung von Sendungen für Gruppen in Betracht, die ansonsten
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nicht in der Lage wären, sich ihr eigenes einsprachiges Programm zu leisten. Andere Beschränkungen sind Teil der obligatorischen Lizenzierungsvereinbarung. Nach den Bestimmungen der CRTC müssen ethnische Radio- und Fernsehstationen mindestens 60 Prozent ihres Programms ethnischen Sendungen widmen. Mit den anderen 40 Prozent des Programms ist es Stationen gestattet, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das Erlöse zugunsten ethnischer Programme erwirtschaftet. Um Kanadas linguistische Vielfalt wiederzugeben, müssen 50 Prozent des Programms in einer dritten Sprache sein, d.h. in einer anderen Sprache als Französisch bzw. Englisch oder einer der vielen Sprachen der Ureinwohner. Ethnische Radiostationen müssen diese Bedingung in jeder Sendewoche erfüllen; die Einhaltung dieser Bedingung wird bei ethnischen Fernsehstationen monatlich gemessen. Man sollte dabei außerdem beachten, dass nicht-ethnische Radio- und Fernsehstationen zwar eine unbegrenzte Menge ethnischer Programme in Französisch oder Englisch senden dürfen, aber nur 15 Prozent ihrer Programme in einer dritten Sprache. Sie können jedoch eine Bewilligung von bis zu 40 Prozent beantragen. Ein solch hohes Maß an Mikromanagement erscheint vielleicht extrem bürokratisch, dient jedoch dem Ziel, den ethnischen Rundfunk vor übermäßiger Konkurrenz zu schützen, während gleichzeitig nicht-ethnischen Sendern die Flexibilität eingeräumt wird, die lokale Diversität widerzuspiegeln. Genau wie bei den Mainstreamsendern treffen die inhaltlichen Anforderungen in Kanada auch auf die ethnischen Radio- und Fernsehstationen zu (im Allgemeinen müssen Radioprogramme 35 Prozent kanadische Inhalte wiedergeben – zumindest in Bezug auf Kategorie 2: allgemeine Musik, aber nur 7 Prozent in Bezug auf Kategorie 1: ethnische Musik). Fernsehprogramme müssen außerdem 60 Prozent kanadische Inhalte liefern, davon 50 Prozent während der Prime Time am Abend.
4.3.1
Ethnischer Rundfunk
Die CRTC verfasste 1985 ihre ersten Richtlinien für ethnischen Rundfunk, die sich der multikulturellen Prämisse verschrieben, dass neue Kanadier ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl entwickeln, wenn Programme aus ihrer Gemeinde und in ihrer eigenen Sprache existieren (Whyte 2006). Seit die CRTC dem CHIN Radio 1966 die erste ethnische Sendelizenz ausgestellt hat, ist die Anzahl der lizenzierten ethnischen Radio- und Fernsehbetriebe drastisch gestiegen. Im Moment bestehen die lizenzierten ethnischen und drittsprachigen Sender aus fünf Fernsehstationen in den MTV-Städten (Montreal, Toronto, Vancouver),
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18 ethnischen Radiostationen, die wöchentlich fast 2000 Stunden an Programmen in einer dritten Sprache anbieten, zehn speziell ausgerichteten Hörfunk-Angeboten, für die man spezielle Empfänger benötigt, fünf analogen Diensten, elf auf den Markt gebrachten speziellen, digitalen Angeboten nach Kategorie 2 und 50 genehmigten, aber noch nicht gestarteten Diensten (zitiert nach Lincoln u.a. 2005; auch Cardozo 2005). (Angebote der Kategorie 2 sind nur digital verfügbar, nicht kostenlos und müssen nicht unbedingt mit einem Kabel- oder Satellitenversorger transportiert werden) (Kular 2006). OMNI 1 und OMNI 2 sind Weltmarktführer: sie produzieren mehr als 20 Stunden Programm in der Woche, davon 60 Prozent weder in Französisch noch in Englisch. Der nationale Rundfunk Vision TV bietet etwa 30 Programme über verschiedene religiöse Richtungen und Bräuche an. Auch private Sender drängen auf den Markt: multikulturelle Aspekte werden seit 1984 von Torontos CITYTV in zwei umfangreichen nicht-englisch- und nicht-französischsprachigen Programmblöcken berücksichtigt.
4.3.2
Medien und Rundfunk der Ureinwohner
Wie die ethnischen Minderheiten verfügen auch die kanadischen Ureinwohner über eigene Medieninstitutionen als Mittel, das ihnen hilft, die Vergangenheit mit Wegen in eine globale, integrierte Zukunft zu verbinden (Meadows und Molnar 2001; Roth 2006). Aber die Medien der Ureinwohner operieren auf einer anderen Wellenlänge: Während Ethnomedien eine Alternative zu dem darstellen, was von den Mainstream-Medien geboten wird, sind die Medien der Ureinwohner bestrebt, originäre Dienste anzubieten, weil der Mainstream die Ureinwohner nicht bedient. Es überrascht nicht, dass aufgrund von Unterschieden im soziologischen und verfassungsrechtlichen Status den Medien der Ureinwohner eine andere Logik als den Ethnomedien zugrunde liegt (Fleras und Elliott 2007). Ethnomedien richten sich direkt an Einwanderer/Flüchtlinge – sprich diejenigen, die von Soziologen wegen ihrer Entscheidung, nach Kanada zu kommen, als freiwillige Minderheiten definiert werden. Im Allgemeinen ist ihr erstes Anliegen, sich niederzulassen, einzufügen und aufzusteigen – ohne notwendigerweise dabei ihre Heimatidentität zu opfern. Anstatt Kanada in Frage zu stellen oder sich selbst von der Gesellschaft zu lösen, ist es ihr Ziel, die Integration voranzutreiben. Teilweise geschieht dies durch das Entfernen diskriminierender Schranken, die Inklusivität unmöglich machen und teilweise, falls notwendig, durch das Einsetzen spezieller Maßnahmen, um die Integration zu vereinfachen. Am Ende spielen Kanadas Ethnomedien eine wichtige Rolle im Integrationsprozess, da sie eine Reihe von nach innen und
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außen gerichteten Funktionen anbieten, die den Übergang vom Dort zum Hier durch das Dazwischen erleichtern – das heißt Einwanderer mit deren Heimat verbinden und gleichzeitig deren Verpflichtung gegenüber Kanada zu stärken. Im Gegensatz dazu werden Ureinwohner soziologisch als unfreiwillige Minderheiten definiert. Als Nachkommen der ursprünglichen Bewohner wurden sie gewaltsam und gegen ihren Willen in ein koloniales Verfassungssystem eingebunden. Anstatt zu versuchen, sich in eine Gesellschaft einzupassen, an deren Entstehung sie nicht beteiligt wurden, ist es ihr oberstes Ziel, aus dieser kolonialen Zwangslage herauszukommen, indem sie ihre verfassungsrechtlichen Verhältnisse gemäß dem Status einer nation within neu ordnen. Sie beanspruchen den Status völlig autonomer Gemeinden, die souverän in ihrem eigenen Recht sind, aber dennoch an der Souveränität der Gesamtgesellschaft teilhaben (Maaka und Fleras 2005). Die indigenen Medien lehnen es ab, die Ureinwohner als hilfsbedürftige ethnische Minderheiten zu betrachten. Daher unterstützen sie mit ihren Informationen tendenziell deren Ansprüche, als First Nations ihr Recht auf selbstbestimmte Autonomie wieder mit Nachdruck geltend zu machen und sind als beherrschte Menschen angesehen zu werden, die den dominierenden Werten und Labels unterworfen sind (Retzlaff 2006). Zugegebenermaßen sind nicht alle indigenen Medien politisch. Viele betreiben eine informative und auf der Gemeinschaft basierende Agenda, die den Ureinwohnern einen der wenigen Plätze bietet, wo sie ein Spiegelbild ihrer gelebten Erfahrungen finden können (Raudsepp 1996). Ein Beispiel hierfür ist der Leitspruch der Anishnabek News, einer indigenen Zeitung in Ontario, deren Ziel es ist, „Stolz zu pflegen und Wissen über das Zeitgeschehen, die Kultur, die Ziele und Erfolge in Anishnabek zu teilen.“ Die Ziele beinhalten: Teilen: Menschen aus den vier Ecken der Anishnabek Nation die Möglichkeit zu bieten, Geschichten zu erzählen und Erfolge zu vermerken und unsere Bürger über Aktivitäten der Union of Ontario Indians zu informieren. Stärke: Der Vision der Anishnabek Nation eine Stimme zu verleihen, die unsere Geschichte, Sprache und Kultur zelebriert, unsere territorialen, vertraglichen und eingeborenen Rechte und die Entwicklung gesunder und florierender Gemeinden fördert. Um dem dominanten euro-kanadischen Diskurs entgegenzuwirken, ihm standzuhalten, um Stereotype zu bekämpfen und abzusichern, dass Berichte und gegenwärtige Belange den Blickwinkel von Ureinwohnern reflektieren, stellen indigene Medien andere Nachrichtenwerte für Wandel und Herausforderungen in den Vordergrund (Retzlaff 2006). Folgender Slogan könnte den Unterschied zwischen den Medien der Ureinwohner und den Ethnomedien zusammenfassend auf den Punkt bringen: Wenn es das Ziel von Ethnomedien ist, die Aus-
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sicht auf ein Zusammenleben mit Unterschieden zu verbessern, dann dürfte es genauer sein, das Anliegen der indigenen Medien als die Herausforderung des getrennten Zusammenlebens zu beschreiben. Die kanadischen Ureinwohner besitzen wohl eines der modernsten Rundfunksysteme der Welt (Roth 2006). Nirgends ist dies offensichtlicher als in Nordkanada, wo ihre Gemeinden größtenteils durch die Bereitstellung von Satellitentechnologie Kontrolle über die lokalen Medien ausüben und damit ihren sozialen und kulturellen Bedürfnissen entgegenkommen (Meadows 1995; Meadows und Molnar 2001). Der Broadcasting Act von 1991 erwies sich ebenfalls als ausschlaggebend, da er nicht nur das ursprüngliche Recht, die eigene Kommunikation zu kontrollieren, bewahrte, sondern auch „den speziellen Platz der Ureinwohner“ in den Programmen und unter den Angestellten der Mainstreamsender sicherstellte. In Anlehnung an den Geist des Broadcasting Act bewilligte die CRTC 1999 die Bildung eines nationalen Sendernetzes für Ureinwohner (APTN), das inzwischen in acht Millionen kanadischen Haushalten zu empfangen ist (alle Kabelanbieter müssen APTN als Teil ihres Basispakets übertragen – Kosten für die Abonnenten sind etwa 15 Cent im Monat, die an APTN gehen). Als nationales Netzwerk von, für und über Ureinwohner und ihre Belange bietet APTN eine Plattform für kulturell und sprachlich relevante Programme und liefert den Kanadiern gleichzeitig ein Fenster zur Welt der Ureinwohner. Die Schaffung einer nationalen Medienlandschaft, die in den Bundesgesetzen verankert ist, verspricht auch, einer Fehldarstellung in den Mainstream-Medien entgegenzuwirken, indem eine positive und realistische Darstellung von Kanadas First Peoples auf einer großen Bandbreite von Themen gefördert wird (Meadows und Molnar 2001; Baltrushchat 2004; Retzlaff 2006). Lorna Roth (2006: 327) bezeichnet APTN als einen symbolischen Treffpunkt für Ureinwohner und Nicht-Ureinwohner zum Austausch ihrer gemeinsamen Interessen und merkt an: APTN hat ermöglicht, dass indigene Nachrichten von Gruppen gehört werden, die vielleicht niemals Zugang zu einer lebenden Person mit indigener Abstammung hatten; es bietet die Möglichkeit, nationale Bilder und Geschichten zu teilen, Brücken des Verständnisses zu bauen und kulturelle Grenzen zu überbrücken. In welchem Ausmaß haben sich nun Ureinwohner (und indigene Völker generell) sowie Bevölkerungsgruppen in der Diaspora den Informations-Superhighway zueigen gemacht, um Brücken und Verbindungen zu schaffen? Die Antwort auf die Frage, was die electronic frontier einem Volk am Rande der Macht und weit entfernt vom Zentrum der Einflussnahme liefern kann, wird zunehmend klar: Emanzipation für die historisch Entrechteten durch Änderung von
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Subjektivitäten und Praktiken (sowohl online als auch offline) der Marginalisierten und Entmachteten (Landzelius 2006). Diese Veränderung ist weitreichender als eine einfache Frage nach dem Nutzen oder den Effekten neuer Medien. Die Betonung liegt stattdessen darauf, wie Mitglieder einer Gemeinschaft sich in einem globalen Kommunikationsumfeld ein Zuhause schaffen und sich häuslich einrichten. Man kann laut Kyra Landzelius vier Muster feststellen: (1) eingeborene/indigene Völker verwenden und formen Internet Communication Technologies (ICT), um ihre Bedürfnisse, Interessen und Identitäten widerzuspiegeln, zu stärken und zu fördern – und nutzen die Möglichkeiten des Internets um ihre Ziele voranzutreiben; (2) ICT als Forum für Forderungen im Namen der Ethnizität (oder Indigenität); (3) als Forum, um Ethnizität (oder Indigenität) zu benennen oder zu beanspruchen; und (4) die Grenzen verschieben, nach denen die Politik der Ethnizität bzw. Indigenität neu durchdacht, überarbeitet und wiederbelebt wird. Bis jetzt weist das Engagement der Ureinwohner für ICT in zwei Richtungen, nämlich nach innen (bindend) und nach außen (überbrückend) (Landzelius 2006). Die Orientierung nach innen erstreckt sich von der Förderung lokaler Interessen und Gemeinschaftsdienste, darunter die Verbreitung von Ingroup-Informationen bis hin zum Import von Expertenwissen für die Gemeinschaft. Beispielsweise benutzen Ureinwohner in Führungspositionen ICT, um abgelegenen kanadischen Gemeinschaften erstklassige medizinische Versorgung zukommen zu lassen (Gideon 2006). Telemedizin ermöglicht es Spezialisten, Patienten mittels Echtzeit-Verbindungen zu betrachten und bietet dadurch eine bezahlbare Möglichkeit, die Tyrannei der Distanz innerhalb Kanadas zu besiegen. Gleichzeitig hält sie die westliche Medizin und die traditionellen medizinischen Überzeugungen und Praktiken der Ureinwohner im Gleichgewicht. Die Orientierung nach außen konzentriert sich tendenziell auf die Brückenbildung zur Außenwelt und reicht von einfacher Touristeninformation bis hin zu richtiggehenden indigenen Revolutionsbewegungen. Der Aufstand der indigenen und Mestizo-Bauern der Chiapas gegen die mexikanische Regierung stellt eines der spektakuläreren Beispiele einer indigenen Cyberkampagne gegen die neue geopolitische Ordnung dar – auf diese Weise wird das Potenzial des Web für lokales Empowerment gestärkt (Belausteguigoitia 2006). Folglich stehen die Funktionen nach innen und nach außen keinesfalls im Widerspruch zu einander oder heben einander sogar auf, sondern stärken sich gegenseitig durch die Verbindung des Regionalen mit dem Globalen und deren Auswirkungen für die Artikulation von Identitäten, Erfahrungen und Ergebnissen (Landzelius 2006).
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4.4
Ethnizität mainstreamen
Verweise auf Medien der Ureinwohner und Ethnomedien in Kanada gelangen in eine zusätzliche Strömung. Kanadas Mainstream-Medien stehen (sowohl formell als auch informell) unter Druck, ethnische und indigene Unterschiede zu respektieren, zu reflektieren und auf sie zu reagieren (z.B. mainstreaming: ins Zentrum zu rücken, was einmal am Rande war). Die regierungseigene Task Force on Broadcasting Policy, 1986 unter der Leitung von Gerald Caplan und Florian Sauvagneau gegründet, packte das dringliche Problem an, Ureinwohner und ethnische Minderheiten einzubeziehen. Der Broadcasting Act von 1991 traf sowohl bezüglich der Programmgestaltung als auch der Beschäftigungsmöglichkeiten für das kanadische Rundfunksystem Vorkehrungen, „um den Bedürfnissen einer diversen Gesellschaft gerecht zu werden und den multikulturellen und multiracial Charakter Kanadas widerzuspiegeln.“ Das Gesetz stärkte nicht nur die Argumente für „kulturellen Ausdruck“, indem die Sendezeit für racialized Minderheiten ausgedehnt wurde, sondern förderte auch das Bewusstseins- und Sensibilitätstraining des Personals in der Produktion und Programmgestaltung. Auch Sprachrichtlinien wurden entwickelt, um race-Rollenstereotype zu verringern, und die Darstellung von racial Minderheiten wurde genauer beobachtet. Die Institutionalisierung der ethnischen Rundfunkpolitik schuf Richtlinien für die Darstellung von Minderheiten, und im Gegenzug wurde eine Regulierungsbehörde beauftragt, Rundfunkdienste zu entwickeln, die Kanadas Diversität widerspiegeln. Die CRTC verlangt von allen Fernsehsendern (und auch immer mehr Radiosendern), Siebenjahrespläne über die Widerspiegelung von Diversität in ihrem Programm und im Betrieb zu entwerfen und jährlich über ihren Fortschritt zu berichten (Cardozo 2005) (für vergleichbare Entwicklungen in den Niederlanden siehe D’Haenens 2009). Diversität in den Mainstream zu bringen, oder mainstreamen, kann für alle Seiten ein Gewinn sein. Laut Madeline Ziniak, Vorsitzende der Task Force for Cultural Diversity on Television und Vizepräsidentin bei Omni Television, werden sich inzwischen Werbetreibende der Vorteile von multikultureller Werbung für Minderheiten bewusst (zitiert nach Prashad 2006). Die Bevölkerungsstatistiken treiben die Veränderungen zusätzlich voran: Wenn Farbige fast 40 Prozent der Bevölkerung in Vancouver und Toronto ausmachen, haben die Medien kaum eine andere Wahl, als anzuerkennen, dass sich Diversität gut verkaufen lässt. Trotz eines toleranteren gesellschaftlichen Klimas und eines leistungsstarken Geschäftsmodells verbindet sich institutionelle Inklusivität nicht so leicht mit kommerziellen Mainstream-Medien. Offen gesagt sehen sich kommerzielle Medien selbst nicht als Reformagenturen an, die progressive Veränderungen vorantreiben oder aufnehmen – auch wenn sie vielleicht wegen der Macht, die sie ausüben, soziale Verantwortungen haben. Die raison d’être ihres Geschäfts-
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modells ist einfach: Geld machen, indem das Publikum mit den Werbetreibenden durch Einschaltquoten verbunden wird. Institutionelle Praktiken, durch die Umsätze erwirtschaftet werden (wie zum Beispiel Stereotype), werden beibehalten, die Praktiken, die keinen Umsatz bringen, werden gestrichen. Eine solch gewinnorientierte Mentalität kollidiert ausnahmslos mit den Forderungen der Minderheiten nach einer ausgewogenen und kontextuellen Berichterstattung – angesichts von Medien mit einer Präferenz für Stückelung vor Kontext, Konflikt vor Kooperation, Episodenhaftes vor Kontextbezogenheit, Persönlichkeiten vor Themen. Es ist nicht weniger abträglich für das Mainstreaming von Diversität, dass konkurrierende Agenden im Spiel sind. Während Mainstream-Medien im Prinzip einen zentralen Schnittpunkt für interkulturelle Verständigung und Austausch bieten (DeSouza/Williamson 2006), ziehen die Veränderungen, die Minderheiten von den Nachrichtenmedien fordern (verantwortungsvolle Berichterstattung über Minderheiteninteressen, weniger Effekthascherei, mehr Kontext, gemäßigte Sprache und weniger Stereotype), genau auf jene Nachrichtenwerte, auf die sich Medien verlassen, um zu verkaufen oder zu fesseln. Konventionelle Nachrichtenparadigmen in Frage zu stellen, lässt sich hingegen nur schwer verkaufen. Veränderungen werden nur dann stattfinden, wenn man das Problem der Macht(teilung) anpackt, nämlich die Umformung der strukturellen Zwänge, die die Medienproduktion und die ideologischen Einstellungen der Medienschaffenden prägen (Mahtani 2007).
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Ethnische und indigene in Kanada: Ein Entwurf für das Zusammenleben mit Unterschieden
Wie reflektieren und stärken also indigene und ethnische Medien Kanadas Verpflichtung zu einem inklusiven Multikulturalismus? Zu beachten ist dabei, wie der kanadische Multikulturalismus entstanden ist und wie er weiterhin als Antwort auf die Realitäten neuer und racialized Kanadier besteht. Kanada ist ein beliebtes Ziel für Einwanderer aus der ganzen Welt. Weniger als die Hälfte der kanadischen Bevölkerung (47%) kann sich nicht auf eine französische, englische oder indigene Abstammung berufen. 2001 machten sichtbare (oder racialized) Minderheiten 13,4 Prozent der Bevölkerung aus – eine deutliche Steigerung im Vergleich zu sechs Prozent im Jahr 1981. Man erwartet, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2017 (Kanadas 150. Geburtstag) auf 20 Prozent ausdehnt, größtenteils bedingt durch Kanadas straffes Einwanderungsprogramm, das von etwa 250.000 neuen Kanadiern pro Jahr ausgeht und von denen etwa 60 Prozent aus Asien und dem Nahen Osten kommen. Weder Einwanderer noch racialized Minderheiten sind gleichmäßig über Kanada verteilt.
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So machen racialized Minderheiten fast 40 Prozent der Bevölkerung in Toronto und Vancouver aus, während etwa die Hälfte der Bevölkerung im Ausland geboren ist (Einwanderer). So überrascht es vielleicht nicht, dass etwa 70 Prozent des kanadischen Bevölkerungswachstums durch Einwanderer bedingt ist (was eine niedrige Ersatzrate durch kanadische Geburten widerspiegelt), und bis 2017 wird das gesamte Wachstum der kanadischen Bevölkerung (und des Arbeitsmarkts) auf Zuwanderung zurückgehen. Von den verschiedenen Initiativen im Vorfeld, die diese demographische Revolution meistern sollen, ist die bedeutendste der offizielle Multikulturalismus (Kymlicka 2001, 2008; Fleras 2002; Stein u.a. 2007; Bunting u.a. 2007). Im Gegensatz zum kolonialen Paradigma – das die kanadische Kultur mit dem unumstrittenen Mainstream gleichgesetzt hat, während es ethnische Kulturen und Minderheiten als Subkulturen marginalisierte – bedeutet die Verpflichtung zum Multikulturalismus einen wichtigen Paradigmenwechsel (Canadian Heritage 2003). Kanada wird inzwischen überall als multikulturelle Gesellschaft anerkannt, deren Bekenntnis zu den Inklusivitätsprinzipien des Multikulturalismus unübertroffen ist. Aber trotz mehr als 35 Jahre offiziellem und weithin akzeptiertem Multikulturalismus hält weitere Verwirrung an. Sowohl Kritiker als auch Anhänger neigen dazu, den Multikulturalismus wörtlich zu nehmen – im Sinne von vielen Kulturen, die in Harmonie Seite an Seite koexistieren. Für manche ist die Vorstellung, Unterschiede zu feiern und ethnisch diverse Gemeinschaften zu fördern, machbar und erstrebenswert, für andere wirft eine solche Diversität allerdings Probleme für die gesellschaftliche Kohäsion auf. Multikulturalismus hat in einer Ära politisierter Diversität ausgedient und wird heute als Gefahr und Weg in die Spaltung, als kontraproduktiv für die Sicherheit und den Erfolg der Gesellschaft angesehen. In Wirklichkeit ist aber das Grundprinzip hinter Kanadas Multikulturalismus-Modell in Logik und Absicht inklusiv. Der inklusive Multikulturalismus sieht durchaus ein Kanada vieler Kulturen vor, solange die kulturellen Unterschiede der Menschen ihren gleichen Bürgerrechten und ihrer vollen Teilhabe nicht im Weg stehen. Es wird ein gesellschaftliches Klima gefördert, das kulturelle Unterschiede toleriert, solange Zugehörigkeit, Gleichheit und Beteiligung nicht ausgeschlossen werden. Soweit kulturelle Unterschiede unter Kanadas Multikulturalismus toleriert werden, dürfen diese Unterschiede nicht gegen die Gesetze verstoßen und persönliche Rechte oder zentrale konstitutionelle Werte verletzen (Fleras 2003). Die modernistischen Wurzeln des offiziellen Multikulturalismus spiegeln sich darin wider, dass er den liberalen Universalismus fördert. Das heißt, alle Menschen sollen gleich behandelt werden – selbstverständlich ohne Rücksicht auf ihre Unterschiede, weil jeder vor dem Gesetz gleich ist. Unsere Gemeinsamkeiten als freie und moralisch autonome Indivi-
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duen sind wichtiger – wenigstens zum Zweck der Anerkennung und der Belohnung – als das, was uns als Mitglieder von racially verschiedenen Gruppen trennt. Kulturelle Unterschiede, soweit sie existieren, sind größtenteils oberflächlich, tendieren dazu, in die Quere zu kommen und sollten selbst im Dienst des Fortschritts kaum für Belohnung oder Anerkennung eingesetzt werden. Die zwangsläufige Schlussfolgerung: Im Mittelpunkt des kanadischen Multikulturalismus-Modells steht nicht das Zelebrieren von Diversität, sondern der Abbau von Benachteiligungen; nicht Trennen und Isolation, sondern Interaktion und Integration; nicht Exklusion, sondern Inklusion; nicht Unterschiede, sondern Toleranz und nicht einseitige Absorption, sondern wechselseitige Integration („you adjust, we adapt“/„you adapt, we adjust“). Unterschiede werden freilich nicht vollständig abgelehnt. Sie können unter mildernden Umständen berücksichtigt werden. Am Ende ist jedoch auch das Bekenntnis zur formalen Gleichheit nicht unbedingt eine Garantie gegen Ausschluss und Ausbeutung. Wie berechtigt oder wertvoll diese Unterschiede auch immer sein mögen, sie müssen mit den kanadischen Gesetzen, Werten und Rechten übereinstimmen. Eine andere multikulturelle Inversion ist dennoch unvermeidbar: wenn es das Ziel ist, Benachteiligungen abzubauen, Toleranz voranzubringen sowie Integration und Inklusion zu fördern, steht im Multikulturalismus mehr das Wir als das Die im Zentrum. Der Fokus liegt nicht darauf, die Anderen zu ändern, sondern auf der Ebene von Strukturen/Institutionen und Individuen/Mentalitäten eine vernünftige Übereinkunft zu sichern. Die Paradoxien, die ein offizieller Multikulturalismus impliziert, können sehr wohl denen indigener und ethnischer Medien entsprechen. Auf der einen Seite stimmen Ethnomedien mit dem modernistischen Gedanken des Zusammenlebens mit Unterschieden überein, der die Notwendigkeit anerkennt, dass neue und racialized Kanadier gleich behandelt werden müssen, ohne Rücksicht auf ihre Unterschiede. Auf der anderen Seite stellen Ethnomedien laut Definition ein postmodernes Abbild eines offiziellen Multikulturalismus dar. Kulturelle Unterschiede sind wichtig und müssen eventuell in den existierenden institutionellen Rahmen eingearbeitet werden. Das bedeutet routinemäßig gleiche Behandlung, aber unterschiedliche Behandlung, wenn es die Situation erfordert. Anders gesagt bekräftigen Ethnomedien die Notwendigkeit, Diversität und ethnische Gemeinschaften zu respektieren, während man die Ziele institutioneller Inklusivität und sozialer Gerechtigkeit verfolgt, während man den Dialog erleichtert, wenn sich die beiden Prinzipien kreuzen (Alliance of Civilizations 2006). Im Gegensatz dazu unterstützen die Medien der Ureinwohner wohl kaum das Prinzip des Multikulturalismus. Für diejenigen, die bei der Politisierung des
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Konzepts eines neuen postkolonialen Sozialvertrags in der ersten Reihe stehen, kann eine multikulturelle Staatsführung unmöglich der Politik tiefgreifender Diversität gerecht werden, besonders wenn sie die Belange der Ureinwohner für eine selbstbestimmte Autonomie über Land, Identität und Politik berücksichtigt (Maaka/Fleras 2005). Indigene Unterschiede sind der Schlüssel zum Überleben, und indigene Medien spielen eine Schlüsselrolle bei der Sicherung einer speziellen Beziehung zu den zentralen Autoritäten, zu den dazugehörigen Bewegungen im Gefüge von Macht und Ansprüchen. Und dennoch erkennen indigene Medien auch an, dass Ureinwohner dieselbe Art von Informationen und Gemeinschaft benötigen wie die neuen Kanadier, insbesondere diejenigen, die in Städten wohnen (über die Hälfte der Ureinwohner leben in Städten, obwohl diese Urbanität unsicher sein kann). Die Inhalte der indigenen Medien müssen angepasst werden, um dieser Sorge um Integration gerecht zu werden. Soweit von den Medien der Ureinwohner erwartet wird, dass sie diese komplexe Dynamik von Unterschieden und gleichzeitigen Gemeinsamkeiten vermitteln, stehen sie vor beachtlichen Herausforderungen. Ungeachtet dieser Beschränkungen und Unsicherheiten bleiben sowohl Medien der Ureinwohner als auch Ethnomedien in vorderster Reihe bei der Gestaltung Kanadas. Indem sie die inklusiven Prinzipien von Kanadas Multikulturalismus widerspiegeln, verstärken und vorantreiben, spielen sie eine integrative Rolle beim Fortschreiten zu einer kooperativen Koexistenz. Indigene und ethnische Medien sind gleichzeitig inklusiv und insular: Indem sie gleichzeitig soziale Integration und kulturelle Abgeschiedenheit fördern, ohne dabei ein Bekenntnis zur Gemeinschaft oder zu Kanada zu opfern, sind sie sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet. Sie reflektieren außerdem eine reaktive und proaktive Dynamik: reaktiv, indem sie Minderheiten vor der Negativität der Mainstream-Medien schützen; proaktiv, indem sie Brücken schlagen und alternative Mediendiskurse aktivieren. Dadurch dienen sie auch als Mahnung: Bevor Mainstream-Medien bei der Integration von Migranten und Minderheiten in die Gesellschaft helfen können, müssen sie zunächst Diversität institutionell integrieren. Und da Menschen denjenigen Medien ihre Aufmerksamkeit schenken, die auch ihnen Aufmerksamkeit schenken – in diesem Fall den ethnischen und indigenen Medien – liegt darin ihr Erfolg und die Popularität: Indem sie einen normativen Entwurf sichern, der Puffer und zugleich Bindeglied ist, der Brücken schlägt und zugleich Grenzen überschreitet, der isoliert und zugleich integriert, erweisen sich indigene und ethnische Medien als ausschlaggebendes soziales Kapital beim Vorantreiben eines Zusammenlebens ohne Auseinanderdriften.
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Anhang Man beachte hier ein europäisches Manifest für die Unterstützung, Anerkennung und Betonung der Wichtigkeit der Minderheitenmedien (Online/More Colour in the Media, zitiert von Pat Cox 2004). Hier einige ausgewählte Passagen aus dem Manifest: Im Manifest fordern Minderheitenmedien das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten auf: •
die wichtige Rolle von Minderheitenmedien in Europa als Akteure zur Implementierung gesellschaftlicher Inklusion anzuerkennen;
•
Minderheitenmedien als öffentlichen Gemeindeservice anzuerkennen und als solchen in allen europäischen und nationalen Mediengesetzen festzuhalten und einen must see Status auf allen relevanten Plattformen anzuerkennen;
•
sicherzustellen, dass die Redefreiheit, das Recht auf Information und das Recht zu Kommunizieren für alle, darunter auch das Recht für Minderheiten, Medien in ihrer Sprache zu Verfügung zu haben, ein grundlegendes Recht aller Bürger ist. Diese Rechte sollten als Teil des Konzepts der Bürgerrechte in der Medienpolitik, den Gesetzen und in der sozialen Inklusionspolitik der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten verankert sein;
•
sich bewusst zu sein, dass die Sensibilisierung der Mehrheit der Bevölkerung für die Vorteile und Herausforderungen der Einwanderung Grundelemente einer proaktiven Inklusionspolitik sind und dass die Massenmedien in ihrer Rolle als Erzieher der öffentlichen Meinung eine große Verantwortung haben;
•
sich bewusst zu sein, das Mainstream-Medien große Probleme haben, ethnische Minderheiten als Publikum anzulocken und ihre Mainstreamprodukte zu einer Spiegelung der multikulturellen Gesellschaft zu machen;
•
sich bewusst zu sein, dass im Gegensatz zu Mainstream-Medien, Minderheitenmedien in der Lage sind, als Vermittler zu fungieren, weil sie sich in die Netzwerke der Sprecher und Anführer der Gemeinden einloggen können;
•
sich bewusst zu sein, dass Minderheitenmedien, als Teil öffentlicher Dienstleistungen [...] eine wichtige Rolle bei der Ermutigung gleicher und voller Mitbestimmung von Einwanderern und ethnischen Minderheiten spielen können durch das Ansprechen wichtiger Belange [...] und durch
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die Bereitstellung einer Diskussionsplattform über wichtige nationale und regionale Angelegenheiten innerhalb ihrer eigenen Gemeinden sowie der Bereitstellung einer Plattform, auf der sie diese Ansichten mit dem Rest der nationalen Bevölkerung teilen können; •
überzeugt davon, dass Minderheitenmedien innerhalb des Konzepts der Bürgerrechte zur Verbesserung interkultureller Kommunikation, zu Verständigung und Dialog, zum Mitwirkungs- und Emanzipationsprozess von Einwanderern und ethnischen Minderheiten beitragen können;
•
überzeugt davon, dass durch den Gebrauch der Sprache ihres Publikums, Minderheitenmedien in der Lage sind, Einwanderern und ethnischen Minderheiten, die normalerweise durch andere nationale und regionale Medien nicht erreicht werden, erfolgreich die Hand zu reichen;
•
überzeugt davon, dass Minderheitenmedien eine wichtige Unterstützungsfunktion gegenüber Mainstream-Medien haben, als Vermittler zwischen Minderheiten und Mainstreamgesellschaft, durch die Bereitstellung eines Zugangs zu Minderheitennetzwerken und alternativen Informationsquellen;
•
überzeugt davon, dass Minderheitenmedien eine grundlegende öffentliche Dienstleistung darstellen und dass sie als solche ein struktureller Teil der nationalen und europäischen Medienlandschaft sein sollten;
•
überzeugt davon, dass Minderheitenmedien einer bedeutsamen und relevanten Unterstützung bedürfen, damit sie ihre wichtige Rolle ausfüllen können.
Es wird viel über die (bürgerliche) Integration als Gesellschaftsvertrag gesprochen, um Multikulturalismus zu ersetzen. Dennoch gibt es kaum Übereinstimmung darüber, was Integration bedeutet und wie man sie erreicht (Neill und Schwedler 2007). Um diese Lücke zu schließen, unternahm der Europäische Rat 2004 eine Verpflichtung zur Integration – die Prinzipien werden im Folgenden zusammengefasst. •
Integration ist ein dynamischer wechselseitiger Prozess gegenseitigen Entgegenkommens von Einwanderern und ihrem Gastland.
•
Integration beinhaltet Respekt für die grundlegenden Werte der Europäischen Union.
•
Beschäftigung ist ein Schlüssel zum Integrationsprozess für Einwanderer und Gastland.
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•
Grundlegende Kenntnisse über die Sprache, Geschichte und die Institutionen des Gastlandes sind für die Integration unabdingbar.
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Zugang zu Bildung ist für die Integration von Einwanderern von großer Bedeutung.
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Die Integration von Einwanderern verlangt einen vollständigen und nicht diskriminierenden Zugang zu Institutionen, öffentlichen und privaten Gütern und Diensten.
•
Häufiges Zusammentreffen und kreative Interaktion zwischen Einwanderern und den Bürgern der Mitgliedstaaten sichert eine erfolgreiche Integration.
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Integration basiert auf der Garantie für das Praktizieren vielfältiger Kulturen und Religionen, vorausgesetzt, dass diese Praktiken nicht im Widerspruch stehen zu Rechten oder Gesetzen.
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Die Mitwirkung von Einwanderern im demokratischen Prozess ist besonders bei der Formulierung von Programmen und politischen Zielen wichtig, die ihre Leben beeinflussen.
•
Integration ist abhängig von Integrationsrichtlinien und -maßnahmen in allen relevanten Bereichen und Stufen der staatlichen und öffentlichen Dienste.
•
Es muss klare Ziele, Indikatoren und Evaluationsinstrumente geben, um Immigrationspolitik zu regeln und Fortschritt zu beurteilen.
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Teil II: Vereinigte Staaten von Amerika
Kenneth Starck
Einheit in Verschiedenheit anerkennen Medien und ethnische Minderheiten in den USA Abstract This paper rests on several assumptions. One is that the ideas of unity and diversity are compatible. Another is that media play an important part in the interactions between and among diverse groups of a society. A third is that a society’s integration of ethnic minorities is a continuous, ongoing and dynamic process. After a brief historical overview of immigration patterns in the United States, the paper sketches the relationship between media and ethnic minorities before moving on to contemporary issues with emphasis on the latter. Drawing primarily on a critical review of scholarly research and professionallyoriented literature, the paper focuses on three main points: (1) the representation by mainstream media of ethnic minorities, (2) the production process of mainstream media and (3) the background and preparation of those engaged in media production. The principal conclusion is that media as a critical institutional force in a democracy must serve all of society. This is achieved by taking a pro-active stance in striving for equality of justice and opportunity and in balancing desires for national unity and ethnic identity.
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Einleitung I hear America singing, the varied carols I hear. (Walt Whitman, Leaves of Grass, 1855)
„American beats out Kwan.“1 Diese Schlagzeile über die Olympischen Winterspiele in Nagano ließ die fast eine Million Abonnenten des MSNBC News Alert-Internetangebots am 20. Februar 1998 wissen, dass Tara Lipinski die Goldmedaille im Eiskunstlauf gewonnen hatte. Lipinski ist selbstverständlich eine amerikanische Staatsbürgerin. Die in Kalifornien geborene Nancy Kwan allerdings auch. Die asiatisch-amerikanische Gemeinde war über die Schlagzeile nicht sehr erfreut und schließlich entschuldigte sich MSNBC. Aber war
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Anm. d. Hrsg.: „Amerikanerin schlägt Kwan“.
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„Amerikanerin“ überhaupt das richtige Wort? Was ist mit den Amerikanern (Nord) in Kanada oder den Amerikanern (Süd) in Südamerika? „Ein durchschnittlicher amerikanischer Haushalt umfasst 30 Paar Frauenschuhe, 22 Krawatten, 1,8 Autos, vier Fernbedienungen, 2,5 Fernsehgeräte, 25 batteriebetriebene Geräte und genug Platz im Kleiderschrank, um eine dreiköpfige chinesische Familie zu beherbergen.“ So lautet die Einleitung eines Artikels aus der Baltimore Sun vom 3. April 2002 mit der Überschrift „Outletmall kingdom forced to sell pieces of its empire.“2 Zwei Tage später reagierten Mitglieder der Asian American Journalists Association aus Washington, D.C.: Dieser Artikel aus dem Wirtschaftsteil der Baltimore Sun zeigt beispielhaft, wie die klischeehafte Darstellung von race3 zu schlechtem Journalismus führt. Der Aufmacher des Artikels ist mit seinem implizierten Spott über chinesische Immigranten nicht nur beleidigend, sondern macht auch nicht klar, was genau der Reporter vermitteln möchte. Heißt „genug Platz im Kleiderschrank, um eine dreiköpfige chinesische Familie zu beherbergen“ viel Platz oder ganz und gar kein Platz? „Genau wie Aunt Jemima“ beschrieb der Sportmoderator des Kabelsenders CLTV in Chicago einen Sprecher des Jagd- und Angelfests, der einen schwarzen Jagd-Tarnanzug und einen Truthahnfeder-Hut trug (Aunt Jemima ist das stereotype Bild einer fülligen schwarzen Südstaaten-Bediensteten, die als Werbefigur eine Pfannkuchenmischung verkauft). Der Sender entschuldigte sich, suspendierte den Moderator und wies alle Angestellten des Senders an, an einer Fortbildung teilzunehmen, die sich mit „Sprache, Sensibilität und Möglichkeiten der Kommunikation, die in einem heterogenen Arbeits- und Fernsehumfeld positiv, aufmerksam und verständnisvoll ist“, beschäftigt (Chicago SunTimes, 17. Oktober 2002). Während des Watts-Aufruhrs 1965 in Los Angeles beschäftigte die Los Angeles Times keinen einzigen schwarzen Reporter, den sie zum Tatort schicken konnte. So rekrutierten die Redakteure einen schwarzen Mitarbeiter, der als Bürobote bei den Kleinanzeigen beschäftigt war. Er berichtete tagelang über die Unruhen (Editor & Publisher, 23. Mai, 2003). Es besteht Einigkeit darüber, dass ethnische sowie kulturelle Differenzen generell Einfluss auf die gegenseitige Wahrnehmung von Menschen nehmen. Daher ist es auch unvermeidbar, dass sich diese Wahrnehmungen – oder auch
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„Fabrikverkaufszentrum-Königreich muss Teile seines Imperiums verkaufen.“ Aufgrund der negativen, ausschließlich biologischen Konnotation von „Rasse“ im Deutschen wird hier das englische race gebraucht, eine Verbindung aus äußerlichen Merkmalen, Ethnizität, Selbstwahrnehmung und soziologischem Klassenbegriff.
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Fehlwahrnehmungen – in den Medien widerspiegeln. Die oben genannten Beispiele illustrieren, wie die Medien in den USA mit Ethnizität zusammenstoßen können und wie Ethnizität die Berichterstattung der Medien über die Welt, die Menschen und die Ereignisse färbt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen Medien und ethnischen Minderheiten in den USA und stützt sich dabei auf mehrere Prämissen. Eine besteht in der Annahme, dass Einheit und Diversität miteinander vereinbar sind, wobei die Akzeptanz dieser Vereinbarkeit in der heutigen Welt eine Grundlage für ein effizientes und erfolgreiches Funktionieren jeder Gesellschaft ist. Eine weitere These ist, dass die Medien eine wichtige Institution in Bezug auf die Interaktionen zwischen und innerhalb verschiedener Gruppen einer Gesellschaft darstellen. Letztendlich wird das Ziel, eine Verbindung von Einheit und Diversität herzustellen, nie erreicht, da die gesellschaftliche, ökonomische und politische Integration von ethnischen und anderen Minderheiten ein kontinuierlicher, anhaltender und dynamischer Prozess ist. Der Beitrag beginnt mit einem kurzen historischen Überblick über die Charakteristika der Einwanderung in die Vereinigten Staaten. Danach skizziert er das Verhältnis von Medien und ethnischen Minderheiten. Aktuelle Themen werden dabei im Mittelpunkt stehen, wobei sich diese Arbeit auf drei Hauptstränge konzentriert: (1) die Repräsentation der ethnischen Minderheiten in den Mainstreammedien, (2) den Produktionsprozess der Mainstreammedien und (3) den Hintergrund der Medienproduzenten – inklusive Ausbildung und Vorbereitung. Der Autor bezieht sich dabei vor allem auf eine kritische Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Forschung und der berufspraktisch orientierten Literatur. Wie noch gezeigt werden soll, besteht die wichtigste Schlussfolgerung darin, dass die Medien als kritische institutionelle Kraft in einer Demokratie der gesamten Gesellschaft dienen müssen. Dies kann durch das Einnehmen einer aktiven Rolle im Streben nach Gerechtigkeit und Chancengleichheit sowie durch Herstellung eines Gleichgewichts zwischen dem Wunsch nach nationaler Einheit und ethnischer Identität erreicht werden.
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Kontext and Konzeptualisierung America is God’s Crucible, the great Melting-Pot. (Israel Zangwill, The Melting Pot, 1923)
Viele von uns kennen den Titel eines der wohl bekanntesten Broadwaystücke, The Melting Pot, von Israel Zangwill, dem berühmten englischen Dramatiker. Nach der Premiere im Jahr 1908 erfreute sich das Theaterstück großer Beliebtheit. Als es ein Jahr später endete, konnte es auf 136 Vorstellungen zurückblic-
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ken. Melting Pot wurde zur Metapher für Immigration in die USA und die Transformation von ausländischen Siedlern in eine neue Kreation: den Amerikaner. Die Geschichte – ein bisschen wie Romeo und Julia mit Happy End – handelt von einem jüdischen Jungen und einem christlichen Mädchen, die beide im Ausland geboren worden sind. Trotz zahlreicher Hindernisse verlieben sie sich und heiraten. Durch die Kombination ihrer Fähigkeiten bilden sie eine Einheit – ein Amerika –, die stärker ist als die Summe ihrer Teile. Die Geschichte ist natürlich sinnbildlich zu verstehen. Trotz unterschiedlicher Interpretationen in Bezug auf ihre Bedeutung (z.B. Melting Pot als Schmelztiegel, d.h. Gefäß, in dem man Erze und Metalle schmelzen kann, was ein viel gewaltsamerer und komplexerer Prozess ist als der Begriff vermuten lässt) und verschiedener Bilder, die den adaptiven Prozess beschreiben (z.B. gemischter Salat, Pfannengericht, Eintopf, Mosaik, Schmelze, etc.) bleibt der Melting Pot eine starke Metapher, um zu beschreiben, was passiert, wenn Neuankömmlinge ihren Wohnsitz in einem neuen Land nehmen. Aber was passiert eigentlich? Folgende Fragen könnten interessant sein: Vermischt sich eine Kultur nahtlos mit einer anderen? Welchen Einfluss hat die Ethnizität einer Person auf deren Lebensweg? Inwieweit spielt die Ethnizität bei der Definition einer Person oder einer Gruppe durch andere eine Rolle? Was ist mit der Hautfarbe? Wie stellen die Medien Menschen dar, die anders aussehen und sich anders verhalten als die meisten von uns? Und warum stellen die Medien sie so dar? Hierbei handelt es sich um vielschichtige Fragen, die, wie es bei solchen Fragen häufig der Fall ist, wahrscheinlich nicht definitiv zu beantworten sind. Dennoch verdienen sie unsere Aufmerksamkeit. Die Art, wie und auf welcher Grundlage wir über sie denken, wird uns helfen, die Zukunft unserer eigenen Länder und die der Welt zu gestalten. Ereignisse wie der 11. September 2001 und ihre Folgen sind dafür verantwortlich, dass unser Interesse noch mehr vertieft und unsere Aufmerksamkeit verstärkt wird. Die Geschichte der Einwanderung in die USA beginnt mit der Kolonialzeit, als ungefähr eine Million Menschen an den amerikanischen Küsten ankamen (diese und die folgenden Angaben wurden von Berthoff 1999 übernommen). Betrachtet man die Einwanderungsgeschichte der USA über die Jahre hinweg, so ist doch auffällig, dass über anderthalb Jahrhunderte (etwa von 1820 bis 1970) europäische Immigranten denen der anderen Länder zahlenmäßig bei weitem überlegen waren. Von 45.162.638 Immigranten in diesen 150 Jahren kamen 79 Prozent (oder 35.704.302) aus Europa. Bis zum Jahrzehnt zwischen 1961 und 1970 stellten die Europäer die größte Gruppe der Immigranten in den Vereinigten Staaten. Hier eine Auswahl der Daten, die den prozentualen Anteil europäischer Immigranten in den Vereinigten Staaten in Intervallen von jeweils zehn Jahren angeben:
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•
Von 1820-1830: 70 Prozent,
•
von 1851-1860: 94 Prozent,
•
von 1891-1900: 97 Prozent,
•
von 1911-1920: 76 Prozent,
•
von 1931-1940: 66 Prozent,
•
von 1951-1960: 53 Prozent,
•
von 1961-1970: 34 Prozent.
Offensichtlich kehrte sich der Trend des Überwiegens europäischen Immigranten im Zeitraum von 1961 bis 1970 um. Der Anteil an der Gesamtzahl der Immigranten in diesem Jahrzehnt (3.321.677) entsprach für europäische Immigranten 34 Prozent. Der Grund für die Nennung dieser Zahlen und der Prozentsätze liegt in der Hervorhebung von zwei wichtigen Fakten über die Einwanderung in die Vereinigten Staaten: Obwohl die Anzahl von Immigranten über die Jahre aufgrund verschiedener Einflüsse – darunter politische und ökonomische – variierte, so blieb das generelle Phänomen der Immigration in die Vereinigten Staaten beständig. Der zweite Aspekt betrifft die Regionen, aus denen Immigranten kommen. Die heutigen Immigranten stammen hauptsächlich aus Lateinamerika und Asien. Laut Zhou (2004) wanderten zwischen 1971 und 2000 etwa 21 Millionen Menschen in die USA ein, wovon 80 Prozent Lateinamerikaner und Asiaten waren. Heute setzt sich die US-Bevölkerung zu einem Fünftel aus Immigranten und deren Kindern zusammen – Prognosen besagen, dass bis 2050 ein Drittel aller Amerikaner Asiaten oder Lateinamerikaner sein werden. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass Herausforderungen in Bezug auf Integration, Anpassung, Eingewöhnung und Assimilation – wie immer man es auch nennen mag – die Nation und somit auch deren Institutionen in der Vergangenheit durchgängig beschäftigt haben. Der zweite Punkt – die sich wandelnde Ethnizität der Immigranten – ist hier besonders relevant, da wir versuchen, ein Gesamtbild zu entwerfen und spezifische Fragen aufzudecken. Aber zuerst ist es notwendig, Begrifflichkeiten zu klären, auch wenn relevante Termini sicherlich bei der Übersetzung in andere Sprachen etwas von ihrer ursprünglichen Bedeutung einbüßen werden. Albas Konzeptualisierung verschiedener Modelle der Migrationserfahrung ist zwar rudimentär, aber dennoch nützlich und bietet einen linguistischen Leitplan für diese Arbeit. Laut Alba (1998) durchlaufen Immigranten einen Eingliederungsprozess (incorporation):
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Eingliederung bezeichnet den Prozess, in dem sich Immigranten und deren Nachfahren von ansässigen Außenseitern, deren Partizipation an der Gesellschaft des Gastgebers auf den Arbeitsmarkt beschränkt ist und die sich in vielen Belangen noch an ihrer Heimat orientieren, zu Einheimischen entwickeln (1). Er ermittelt zwei Basis-Eingliederungsmodelle und schlägt die Möglichkeit eines dritten vor. Eines lässt sich aus den Erfahrungen der verschiedenen ethnischen Gruppen aus Europa ableiten. Es fasst einige ähnliche Modelle unter dem Oberbegriff Assimilation (Akkulturation, Anpassung, Integration) zusammen. Das andere Modell bezieht sich auf race bzw. durch race definierte Gruppen. Hier sind vor allem Afroamerikaner zu nennen. Dieses Modell heißt racial exclusion – Ausgrenzung aufgrund von race. Racial exclusion basiert auf Hautfarbe und Körpermerkmalen, hat seinen Ursprung in der Sklaverei und zog in den vergangenen Jahren durch die unterschiedliche ethnische Zusammensetzung von Immigranten verstärkt Aufmerksamkeit auf sich. Alba bezeichnet das dritte Modell als ethnic enclave economy – ethnische Enklavenökonomie (z.B. Kubaner in Miami, Koreaner in Los Angeles). Dieser dritte Ansatz verdeutlicht, dass Immigranten sozioökonomische Vorteile genießen, die auf ethnischer Solidarität basieren, die durch eine kulturelle Loyalität mit ihrer ethnischen Gruppe erreicht wird. Während Alba schlussfolgert, dass keines dieser drei Modelle dominant ist, sind in der modernen Wissenschaft Hinweise darauf zu finden, dass eine Rekonzeptualisierung des Begriffs Assimilation verdeutlicht, was in der Vergangenheit in den USA passiert ist und was wir in den USA zukünftig zu erwarten haben. Die Titel verschiedener neuerer Bücher unterstreichen diesen Ansatz: Reinventing the Melting Pot: The New Immigrants and What It Means to Be American (Jacoby 2004), und Remaking the American Mainstream: Assimilation and Contemporary Immigration (Alba/Nee 2003). Die vorliegende Arbeit ist in starkem Maße an den Ansatz angelehnt, der in den genannten Werken verfolgt wird. Assimilation als sozialwissenschaftliches Paradigma, mit dem man Immigration in die USA untersuchen und verstehen kann, stammt aus der soziologischen Chicagoer Schule (Chicago School of Social Thought). Zu nennen sind hier vor allem die Arbeiten von Robert E. Park, W. I. Thomas und ihren Kollegen (Alba/Nee 2003). Das Konzept der Assimilation und die Verknüpfung mit der nebulösen Melting-Pot-Metapher blieb bis zur Veröffentlichung von Milton Gordons Assimilation in American Life im Jahre 1964 vage. Er betonte die Multidimensionalität des Konzepts Assimilation und füllte Immigrationsstudien mit Leben, indem er sie aus der Perspektive eines Assimilationisten betrachtete (Alba/Nee, 2003). Diese Dimensionen der Assimilation sind nahezu unbegrenzt und berühren alle Aspekte der Kultur, insbesondere aber die sozia-
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len, ökonomischen und, was die größte Herausforderung darstellt, die politischen. In den USA kann die Hautfarbe nicht ignoriert werden, wenn es um das Thema Assimilation geht. Gans nennt race „das bedeutendste Hindernis in Bezug auf Geschwindigkeit und Leichtigkeit der Assimilation“ (Gans 2004: 34). Alba und Nee (2003) stimmen ihm zu und weisen darauf hin, dass es, auch wenn sich Assimilation auf Nicht-Europäer ausdehnt, doch unwahrscheinlich ist, dass diese die Ungleichheiten behebt, die aus Rassismus resultieren. Mit dieser Tatsache sind alle Institutionen des Landes konfrontiert – einschließlich und insbesondere die Medien. Laut Nee und Alba (2004) können aus dem neuen Assimilationskonzept weitere wichtige Aussagen abgeleitet werden. So rufen Immigranten Veränderung im Mainstream hervor, während auch sie sich selbst verändern, indem sie sich an die neue Umwelt anpassen. Daraus folgt, dass Assimilation ein wechselseitiger Prozess ist. Eine andere Aussage lautet, dass Assimilation nicht bedeutet, auf ethnische Zugehörigkeit verzichten zu müssen. Außerdem nimmt man nicht an, dass Assimilation einem einheitlichen oder universellen Muster folgt. Das Ergebnis des Assimilationsprozesses wird von einer Reihe gesellschaftlicher Mechanismen beeinflusst. Nee und Alba können drei solcher Mechanismen ermitteln, die die Geschwindigkeit und den Erfolg der Assimilation beeinflussen: (1) Institutionelle – insbesondere durch Gesetzgebung und Regierungspolitik vielleicht am wichtigsten; (2) Individuelle – sprich, die „alltäglichen Entscheidungen einzelner Immigranten“, und (3) Gemeinschaften und Netzwerke. Eine wichtige Komponente des institutionellen Rahmens stellen die Massenmedien dar, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten werden.
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Medien und ethnische Minderheiten The communications media, ironically, have failed to communicate. (Report of The National Advisory Commission on Civil Disorders, 1968: 210)
Nach einigen Sommern voller Rassenunruhen in US-amerikanischen Städten etablierte Präsident Lyndon Johnson 1967 die National Advisory Commission on Civil Disorders4, um die Ereignisse zu untersuchen und Empfehlungen für die Zukunft anzubieten. Ein Jahr später gab die Kommission ihren Bericht heraus, der als Kerner Commission Report (1968) bekannt wurde. Dem Bericht zufolge bewegte sich die amerikanische Gesellschaft „in Richtung einer zweigeteilten Ge4
Anm. d. Hrsg.: „Nationale Beratungskommission für zivile Unruhen“, auch bekannt als Kerner Commision.
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sellschaft, einer schwarzen und einer weißen – getrennt und ungleich“ (1). Außerdem widmete der Report den Medien beachtliche Aufmerksamkeit. In einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung über die Unruhen von 1967 fand man Fälle, in denen Sensationslust, blindes Vertrauen auf öffentliche Quellen und die Begrenzung der Konfrontationen auf Schwarz gegen Weiß im Vordergrund standen. Allerdings handelte es sich hierbei nicht um die wesentlichen Defizite. Die Autoren schrieben: Wir denken, dass der größte Fehler der Medien letzten Sommer darin bestand, dass die Berichterstattung nicht so repräsentativ war wie sie sein sollte, um realistisch zu sein (202). U.a. empfahl der Bericht den Medien: (1) eine gründlichere Analyse von Problemen, die sich um race drehen, (2) mehr afroamerikanische Journalisten zu fördern und einzustellen und (3) alltägliche Nachrichten über Afroamerikaner genauso wie die über andere Gruppen zu behandeln. Abschließend wurde erklärt, dass eine Presse, die wiederholt, wenn auch unbewusst, die Vorurteile, die Bevormundung und die Gleichgültigkeit des weißen Amerikas widerspiegelt, vielleicht verständlich sein mag, aber als Institution, der die Aufgabe zukommt, unsere Gesellschaft zu informieren und zu bilden, nicht entschuldbar ist. Der Kerner Report kann als Wendepunkt in der Geschichte der Darstellung von Afroamerikanern in den USA angesehen werden. Dies liegt nicht daran, dass er unmittelbare oder dramatische Veränderungen hervorgerufen hat, sondern vielmehr daran, dass er als Anstoß für Journalisten und deren Ausbilder diente, über Wege nachzudenken, die allzu offensichtlich gewordenen Mängel einer ausschließlich weißen Medienlandschaft zu beseitigen (Wilson II/Gutiérrez 1995). Wie die vier letzten Jahrzehnte gezeigt haben, würde es noch viel härterer und kontinuierlicherer Bemühungen bedürfen, effektive Möglichkeiten zu finden, Unzulänglichkeiten in der Berichterstattung über race zu beseitigen. Das Hauptanliegen des Kerner Reports war die Schwarz-Weiß-Problematik. Aber wenn wir die Rolle der Medien in einer demokratischen Gesellschaft ernst nehmen, treffen viele der Kritikpunkte und Empfehlungen des Kerner Reports auf alle ethnischen Minderheiten zu. Welche Rolle spielen die Medien in einer Gesellschaft? Dazu betrachten wir kurz einen Bericht einer früheren Kommission, der Commission on Freedom of the Press (Leigh 1947). Die Kommission, die sich aus bedeutenden Intellektuellen und Wissenschaftlern – nicht aber aus Medienvertretern – zusammensetzte (wenn sie auch von Henry R. Luce, Mitglied des Time Magazine-Imperiums, fi-
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nanziert wurde), betonte in ihrem Bericht die bedeutende Rolle der Presse in einer Demokratie. In dem Bericht wird Folgendes festgehalten: „Die Macht der Presse bringt relativ große Verpflichtungen mit sich“ (Leigh 1947: vii). Der eher als Hutchins Report (nach Robert M. Hutchins, damals Rektor der Universität von Chicago) bekannte Bericht stellte fünf Verpflichtungen der Medien heraus, die für eine freie Gesellschaft notwendig sind (Leigh 1947: 20-29): (1)
Eine wahrheitsgemäße, umfassende und intelligente Berichterstattung über die Tagesereignisse in einem Kontext präsentieren, der ihnen eine Bedeutung verleiht;
(2)
ein Forum für den Austausch von Anmerkungen und Kritik bieten;
(3)
ein repräsentatives Bild der Gruppen einer Gesellschaft entwerfen;
(4)
die Ziele und Werte der Gesellschaft präsentieren und verdeutlichen und
(5)
einen Zugang zu alltäglichen Informationen ermöglichen.
Hierbei handelt es sich natürlich nicht um einfache Aufgaben, vor allem nicht angesichts der Entwicklung der Medientechnologie seit 1948, als der Bericht veröffentlicht wurde. Auch wenn die Ziele vermutlich unerreichbar sind, sollten wir doch versuchen, sie anzustreben. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Aufforderung an die Medien, ein „repräsentatives Bild der einzelnen Gruppen einer Gesellschaft zu entwerfen“. Die Empfehlungen des Berichts für die Medien beinhalten: verantwortlicher und professioneller zu sein; die journalistische Ausbildung zu verbessern; Zentren für weitergehendes Studium und Forschung zu etablieren. Zwei Sachverhalte, die man hier betonen sollte, lauten, dass die Medien (1) eine wichtige Position in der Gesellschaft einnehmen, und (2) sich bemühen müssen, in einer Demokratie so inklusiv wie nur möglich zu sein – insbesondere für Minderheiten, die normalerweise keinen Zugang zu den politischen und ökonomischen Machtzentren besitzen. Dass die Medien Einfluss haben, ist unbestritten. Obwohl sie zugeben, dass die Auswirkungen der Massenkommunikation komplex und schwer zu erfassen sind, schlussfolgern Wilson II und Gutiérrez (1995) in ihrem umfassenden Bericht über Minderheiten und Medien, dass die Forschung zeigt, dass die Berichterstattung der Medien und die Darstellung von Minderheiten auf Mitglieder der Minderheitengruppen und auf Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft einen Einfluss ausübt (56). Wir beschäftigen uns nun mit der Medienpraxis, beginnend mit der Darstellung ethnischer Minderheiten.
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Die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien Media representations […] are not a foregone conclusion and they most certainly are not beyond challenge or change. – Darstellungen in den Medien […] sind keine ausgemachte Sache und mit Sicherheit nicht gegen Infragestellung oder Wechsel gefeit. (Simon Cottle, Ethnic Minorities and the Media)
Die Darstellung ethnischer Minderheiten in den Medien wurde von unterschiedlichen Standpunkten aus, auch aus der Perspektive ethnischer Gruppen, untersucht. Wilson II und Gutiérrez (1995) trennen die Darstellung nach Medien, die sich primär der Unterhaltung widmen (z.B. Filme) und nach solchen, die sich mehr mit der Verbreitung von Nachrichten und Informationen beschäftigen (z.B. Fernsehen und Zeitungen – einschließlich Werbung und Öffentlichkeitsarbeit). Die Argumentation stützt sich auf ihre angesehene Studie Race, Multiculturalism, and the Media, die aus dem älteren Werk Minorities and Media (1985) stammt. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die amerikanischen Massenunterhaltungsmedien vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs alle ethnischen Minderheiten von Ureinwohnern über Afroamerikaner und Amerikaner asiatischer Herkunft bis zu Lateinamerikanern auf eine ähnliche Weise mit Stereotypen versahen. Ethnische Stereotypisierung tauchte in allen Unterhaltungsmedien auf – von der Populärliteratur über Theaterstücke bis hin zum Film. Die Autoren konstatieren: Die Stereotype basierten auf negativen vorurteilsbelasteten Merkmalen, sodass sie, wenn man sie mit den Werten der mehrheitlich weißen Gesellschaft verglich, als von Natur aus minderwertige Eigenschaften galten (1995: 84). Wirtschaftlichkeit, so argumentieren sie, war ein Beweggrund für die Produzenten, Ware zu präsentieren, die auf die Bedürfnisse des Publikums ausgerichtet war. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich die öffentliche Meinung zu ändern. Auch wenn ihre Strategien immer noch durch ökonomische Überlegungen bestimmt waren, begannen die Medien, Inhalte anzubieten, die – auch wenn sie weiterhin alte Stereotype widerspiegelten – konzipiert wurden, um auf dem milliardenschweren Markt ethnischer Minderheiten, insbesondere der Schwarzen und der Lateinamerikaner, Fuß zu fassen. Ein wichtiger Aspekt, der von den Autoren hervorgehoben wird, ist, dass die Medien in erster Linie ein Publikum ansprechen möchten, das über wirtschaftliche Ressourcen verfügt.
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Ein Bestandteil dieser wirtschaftlichen Strategie ist Werbung. Hierbei spielen auch Prinzipien eine Rolle, die auf Stereotype abzielen, aber Wilson II und Gutiérrez (1995) beschäftigen sich in erster Linie mit Werbung, die Medien im Besitz und unter der Führung ethnischer Minderheiten unterstützt. Einige wenige große Unternehmen handelten zumindest teilweise sozial verantwortlich und unterstützten ethnische Medien mit ihrer Werbung. Dieser Beitrag wird sich mit der Expansion ethnischer Medien, die Minderheitengruppen eine Stimme verleihen, noch später beschäftigen. Die Autoren betrachten Öffentlichkeitsarbeit vor allem aus einer bildenden Perspektive. Hiernach müssen PR-Spezialisten in einer differenzierten multikulturellen Gesellschaft kulturell feinfühlig sein, wenn sie ihre Kunden erfolgreich binden möchten. In einer solchen Gesellschaft werden professionelle PR-Sprecher von einer entsprechenden Bildungsphilosophie beeinflusst. Auch wenn die oben erwähnten Aspekte der Kommunikation innerhalb ethnischer Minderheiten relevant sind, so sind in diesem Beitrag doch die Nachrichtenmedien von größerem Interesse. Wilson II und Gutiérrez (1995: 150-159) bestimmen fünf historische Phasen in Bezug auf die Behandlung von ethnischen Minderheiten in den Nachrichtenmedien: (1)
Exklusion – ethnische Minderheiten werden nicht beachtet,
(2)
Bedrohung – ethnische Minderheiten werden als Gefahr für die soziale Ordnung dargestellt,
(3)
Konfrontation – ethnische Minderheiten fordern sowohl die Medien als auch die soziale Ordnung heraus,
(4)
Stereotypische Selektion – Mainstreammedien beachten ethnische Gruppen im Zusammenhang mit bestimmten Themen, wie beispielsweise Erfolgsgeschichten und Vorzeigeminderheiten, und
(5)
Multikulturelle Berichterstattung – ethnische Minderheiten werden in allen Arten der Nachrichten behandelt.
Als ehemaliger Zeitungsreporter in einer Großstadt im mittleren Süden der USA in den frühen 1960er Jahren erinnere ich mich an Ereignisse, die mit dieser Entwicklung der Presseberichterstattung über ethnische Minderheiten übereinstimmen. Bevor ich anfing, ignorierte die Zeitung Afroamerikaner, die einen beachtlichen Teil der Bevölkerung ausmachten. Schwarze Mordopfer waren bloß einen Abschnitt in den Berichten wert. Nachrichten hingegen, in denen es um weiße Opfer ging, wurde viel bedeutendere Aufmerksamkeit geschenkt. Im Februar 1963 wurde ich Zeuge, wie Polizeibeamte einen schwarzen Gefangenen in einer Polizeistation mit einem Gummischlauch auspeitschten. Man muss der Zeitung zugute halten, dass die Herausgeber die Geschichte
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auf die Titelseite brachten, was eine Ermittlung und die Suspension der drei weißen Polizeibeamten zu Folge hatte (anschließend schickte mir ein unbekannter Leser eine Nachricht auf einer visitenkartengroßen Karte, auf der stand: „Ich habe 1 $ in Ihrem Namen an die N.A.A.C.P. (Anm. des Übersetzers: die National Association for the Advancement of Colored People) gespendet. Sie sind jetzt ein Ehren-Nigger“). Ein Beispiel für die Kontrolle von Medien durch eine ethnische Organisation wird von einer kürzlich erschienenen Studie der National Association of Hispanic Journalists (NAHJ) vorgelegt. Die Studien werden seit acht Jahren durchgeführt und heißen National Brownout. Die jüngste Studie zeigte, dass die abendlichen TV-Nachrichten eine geringfügige und stereotype Berichterstattung über Lateinamerikaner bieten (Latinos Remain… 2003). Die Berichterstattung befasste sich hauptsächlich mit Kriminalität und Immigration. Während Lateinamerikaner mehr als 13 Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, lag der prozentuale Anteil der auf Lateinamerikaner bezogenen Berichte unter einem Prozent (0,75) von den insgesamt etwa 16.000 Berichten, die 2002 in den wichtigsten Nachrichtensendungen ausgestrahlt wurden. Hierbei handelt es sich um eine minimale Steigerung im Vergleich zu 2001, wo es noch 0,62 Prozent waren. Während die Anzahl der interviewten Lateinamerikaner anstieg, standen zwei Drittel der Berichte über Lateinamerikaner im Zusammenhang mit Verbrechen, Terrorismus und illegaler Einwanderung. Mittlerweile fand eine andere Gruppe, die Native American Journalists Association (NAJA), in ihrer Studie heraus, dass sich die meisten Berichte über Native Americans5 in den größten Zeitungen des Landes mit Reservatsangelegenheiten, Casino-Glücksspiel, Sport-Maskottchen oder Unterhaltung beschäftigten (Fitzgerald 2004). Forscher entwickelten dafür eine eigene Kategorie und nannten sie Curious – neugierig und schaulustig. Die meisten Zeitungen veröffentlichten Berichte in dieser Kategorie, die ähnliche Aussagen wie die folgenden enthielten: Native Wisdom6 im Wetterbericht – in der Chicago Sun-Times; angeblicher Kannibalismus in Indianerruinen, ohne die skeptische Einstellung der Natives zu erwähnen – in Newsday; und die Erklärung des Todes eines High School-Athleten mit der „angeblichen Verwendung fehlerhafter Heilkunst“ unter der Überschrift Little Big Rivalry7 – in der Los Angeles Times (Fitzgerald 2004: 40). Auch wenn die Beschäftigung mit der Darstellung von Ethnizität in den Medien aus anderen Perspektiven aufgrund von Platzmangel hier nur begrenzt möglich ist, sind es einige dennoch wert, genannt zu werden – selbst wenn es 5
Anm. d. Hrsg.: US-amerikanische Ureinwohner.
6
Weisheiten der Ureinwohner.
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Bei Little Big Rivalry handelt es sich um eine Referenz zu der Schlacht am Little Big Horn 1876, in der eine Native American-Armee die US-Streitkräfte besiegte.
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nur der Anschaulichkeit dient. Ferguson (1998) argumentiert, dass eine ideologische Theorie „jede Analyse von Themen wie race, Identität oder Mediendarstellung beeinflussen kann“ (1). Kamalipour und Carilli (1998) bieten einen Überblick über kulturelle Diversität und Medien in den USA. Unter den üblichen Themen in den vielen spezifischen Beispielen von Mediendarstellung des Buches – etwa Cartoons und Berichte über so unterschiedliche Themen wie Araber und Umwelt – finden sich Stereotypisierung, Identität, Status Quo und verantwortlicher Umgang. Joyce (1976) untersucht, wie redaktionelle Inhalte der irisch-amerikanischen Presse im 19. Jahrhundert irischen Immigranten halfen, sich an die Erwartungen und Werte der amerikanischen Gesellschaft anzupassen. Mansfield-Richardson (2000) führte eine umfassende Inhaltsanalyse durch, die sich mit Amerikanern asiatischer Herkunft beschäftigt – der Rolle asiatisch-amerikanischer Journalisten und wie US-Medien Asian Americans darstellen. Besonders wertvoll für Wissenschaftler ist Cottles (2000) sehr aufschlussreiche Sammlung an Artikeln über Medien und ethnische Minderheiten. In der Einleitung erklärt Cottle, dass Kontinuität, Konflikt und Veränderung das Verhältnis von Medien und ethnischen Minderheiten charakterisieren und dass das Ziel seines Buches darin bestehe, „die Komplexität dieser Wechselbeziehung zu erforschen“. Diese wird offenkundig, wenn wir die beiden nächsten Abschnitte dieses Beitrags betrachten: zunächst die Medienstruktur und den Produktionsprozess, gefolgt von der Ausbildung der Medienschaffenden.
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Medienstruktur und Produktionsprozess The circulation of Spanish-language newspapers has more than tripled in the last decade to 1.7 million […] when Englishlanguage newspaper circulation has declined 11 percent. (State of the News Media for 2004, Project for Excellence in Journalism)
Die größte Aufmerksamkeit in den Studien über Medien und ethnische Minderheiten wird der Mediendarstellung und dem Hintergrund der Medienproduzenten gewidmet. Eng verknüpft mit diesen Themen ist jedoch auch die Struktur des Mediensystems, besonders die Besitzverhältnisse und die Nachrichtenproduktion. Wie Gandy (1998), der den Ansatz der Kritischen Theorie in seine Forschung einbringt, festhält, bedeutet das Gewinnstreben im Mediensystem, dass Produktionsentscheidungen „sowohl den Bedürfnissen der Werbeträger als auch denen der Individuen und Gruppen im Publikum Rechnung tragen müssen“ (94). Dies hat deutliche Auswirkungen auf Medieninhalte
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– die Berichterstattung über ethnische Minderheiten eingeschlossen. Aber was ist mit Medien in der Hand ethnischer Minderheiten? Und welche Rolle spielen diese Medien für Minderheiten? Ethnisch orientierte Zeitungen in den USA spielten eine wichtige Rolle in der frühen Immigrationsgeschichte des Landes. Solche Zeitungen erfüllten zwei scheinbar konträre Funktionen. So unterstützten sie die meist europäischen Neuankömmlinge einerseits dabei, sich an eine neue Kultur anzupassen und andererseits halfen sie ihnen, ihr ethnisches Erbe zu bewahren (Shim 1997). In der jüngeren Geschichte durchliefen andere ethnische Gruppen einen ähnlichen Prozess. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie langlebig die von bedeutenden ethnischen Gruppen geförderten Zeitungen in den USA sind, kann die Tatsache angeführt werden, dass die erste lateinamerikanische Zeitung, El Misisip, im Jahre 1808 in New Orleans gegründet wurde und die erste asiatisch-amerikanische Zeitung, The Golden Hills’ News, seit 1851 in San Francisco erscheint. Die erste afroamerikanische Zeitung, Freedom’s Journal, wurde erstmals 1827 in New York veröffentlicht und die erste Zeitung der Native Americans, der Cherokee Phoenix, wurde 1828 im Staat Georgia gegründet (Wilson II und Gutiérrez 1995). Es könnte aufschlussreich sein zu untersuchen, wie sich die Medien in Abhängigkeit von der lateinamerikanischen Bevölkerung entwickelt haben, der am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppe der USA. Seit 1970 hat sich die Zahl spanischsprachiger oder zweisprachiger Tageszeitungen vervierfacht – von acht auf etwa 36 (Manor 2004). Zwischen 1990 und 2001 stiegen die Werbeeinnahmen um mehr als das Siebenfache – von 111 Millionen Dollar auf 786 Millionen Dollar. Währenddessen sank die Anzahl englischsprachiger Tageszeitungen um etwa 17 Prozent. Dasselbe Phänomen ist beim Rundfunk zu beobachten. 1985 existierten nur 17 spanischsprachige Fernsehstationen; bis 2002 war die Zahl auf 252 gestiegen (Manor 2004). Ob es diese spanischsprachigen Medien nach der zweiten und dritten Generation weiterhin geben wird, bleibt abzuwarten. Wenn man die Vergangenheit als Maßstab heranzieht, dann ist ein Assimilationsprozess wahrscheinlich, durch den Englisch zur dominanten Sprache kommender Generationen wird. Falls der Strom spanischsprachiger Immigranten anhalten sollte, werden spanischsprachige Zeitungen einem Zeitungsberater zufolge bestehen bleiben (Manor 2004). Anders ausgedrückt: Die Nachfrage am Markt wird die Zukunft der Ethnomedien bestimmen, wie man es in einer Marktwirtschaft erwartet. Medienangebote sind das Resultat eines komplexen, verflochtenen Produktions- und Distributionssystems. Gandy (1998) entwickelt diese Idee aus der Perspektive der Kritischen Theorie mit Hinweis auf die Frankfurter Schule ein Stück weiter und hält fest, dass „in Masse produzierte kulturelle Güter industrielle Produkte sind“ (93). Wie reagieren Nachrichtenredaktionen und
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Journalistenverbände auf die Herausforderung, über die sich ständig verändernde ethnische Diversität in ihren communities zu berichten? Indem sie ethnische Minderheiten in ihren Berichten behandeln, haben die Medien bestenfalls mittleren Erfolg erzielt. Es gab jedoch viele Bestrebungen, diese Leistung zu verbessern. Exemplarisch sollen hier ein paar Organisationen mit einer kurzen Nennung ihrer jeweiligen Aktivitäten angeführt werden, die in ihren Bemühungen um Diversität in den Medien besonders hervorstechen. Viele weitere Gruppen sind ähnlich engagiert. Das Ziel besteht hier darin, einige Beispiele vorzustellen: Das Robert C. Maynard Institute for Journalism Education (MIJE, www.mije. org): Gegründet 1977, widmet sich diese in Oakland (Kalifornien) ansässige gemeinnützige Organisation ausschließlich der Aufgabe, den Nachrichtenmedien dabei behilflich zu sein, die nationale Vielfalt in Bezug auf Stellenbesetzung, Inhalt und Unternehmensführung zu reflektieren. Laut ihrer Website blickt MIJE auf eine Geschichte zurück, in der „mehr nicht-weiße Journalisten als in jeder anderen Institution des Landes ausgebildet und eingesetzt wurden“. Das Institut bietet mehrere Trainingsprogramme an, von redaktioneller Arbeit bis hin zu Managementtraining. Die meisten Programme sind speziell für Menschen nichtweißer Hautfarbe, aber es existieren auch solche, die sich an Fachleute unabhängig von ihrer Hautfarbe richten – etwa ein einwöchiges, multikulturelles Multimediaprogramm. Das MIJE betreibt viele Aktivitäten in Kooperation mit Universitäten. Das Institut erhielt seinen Namen zu Ehren seines verstorbenen Mitbegründers, dem bekannten Afroamerikaner Robert C. Maynard. Er ist ein ehemaliger Washington Post-Journalist und war Besitzer, Verleger und Herausgeber der Oakland Tribune. Das Freedom Forum (www.freedomforum.org/diversity): Das Freedom Forum wurde 1991 gegründet und hat seinen Sitz in Arlington, Virginia. Es ist eine unabhängige Stiftung, die sich mit Diversität in Redaktionen als einem ihrer Hauptschwerpunkte beschäftigt (die anderen sind das Newseum und der erste Verfassungszusatz). Eines dieser Diversitätsprogramme bietet Unterricht für Menschen nichtweißer Hautfarbe an, die den Beruf des Journalisten anstreben, aber über keine formale journalistische Ausbildung verfügen. Dieses Programm findet im Freedom Forum’s Diversity Institute in der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee statt. Mit den sieben Absolventen vom April 2004 stieg die Anzahl aller Absolventen des Instituts seit Beginn des Programms im Jahre 2002 auf 42. Das Freedom Forum wird durch Spenden unterstützt. Das Poynter Institute (www.poynter.org): Eine Schule für aktuelle und zukünftige Journalisten und ihre Ausbilder. Die Schule befindet sich auf dem Campus der Universität von South Florida in St. Petersburg. Unter den spezi-
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fischen Zielsetzungen zur Förderung von Spitzenleistungen in den Nachrichtenmedien befinden sich auch „die Anerkennung der Diversität in den Redaktionen und im alltäglichen Leben“ und „ein klares Bild der Rolle von Journalismus in einer Demokratie“. Die auf ein Jahr festgelegten Seminarreihen (z.B. „das Schreiben über die Beziehungen von Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe und über soziale Gerechtigkeit“) stellen die Hauptaufgabe des Instituts dar. Es wurde 1975 mithilfe einer Schenkung von Nelson Poynter, Präsident der St. Petersburg Times und der Washingtoner Schwestergesellschaft, der Congressional Quarterly, gegründet. Die Society of Professional Journalists (www.spj.org/diversity.asp): Als größter Journalistenverband des Landes mit über 9.000 Mitgliedern fördert die Society of Professional Journalists hohe journalistische Standards und Diversität im Journalistenberuf. Die Webseite bietet sowohl zahlreiche Quellen als auch ein Diskussionsforum zum Thema kulturelle Vielfalt. Diese Institutionen und andere Berufsverbände engagieren sich durch ein breites Spektrum an Aktivitäten, die die Nachrichtenmedien in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Hier ein paar Beispiele: In einer Online-Diskussion von Copy Editing for Diversity8, schreibt Ron Smith, stellvertretender Chef des Milwaukee Journal Sentinel: Diversität ist ein sich immer in Arbeit befindliches Phänomen. Aber die meisten Zeitungen würden durchfallen, gäbe es dafür eine Benotung, da sie zu faul sind, unter die Oberfläche zu schauen. Diversität bezieht sich nicht nur auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe; sie kann genauso gut politisch und auch ökonomisch sein. Des Weiteren sollte man beachten, dass nicht ein Einzelner für irgendeine Gruppe sprechen kann [...] Unvollständige Angaben entfremden Leser und machen sie wütend – vor allem diejenigen, die Minderheiten angehören. Dies ist nirgends so weit verbreitet wie in Polizeimeldungen […] Sorgt dafür, dass die Angaben eine Bedeutung haben und dass sie notwendig sind (www.poynteronline.org). Eine Diversitätskontrolle ist eine Methode für Medien, die feststellt, wie repräsentativ ihre Inhalte im Hinblick auf die Gemeinden sind, die sie bedienen. Die Mercury News aus San José (Kalifornien) führt zum Beispiel seit vielen Jahren solche Kontrollen durch. Alle redaktionellen Bereiche inklusive der Fotoredaktion nehmen daran teil. Nach dem Zufallsprinzip wird eine Woche ausgewählt. Mittels Richtlinien, die vom Maynard Institute (MIEJ) entwickelt worden sind, wird jeder Artikel nach Hautfarbe, Ethnizität, sozioökonomischem Status, Alter und Geographie bewertet. Die gesammelten Daten können dann mit de8
Anm. d. Hrsg.: Lektorat für Diversität.
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mographischen Erhebungen über die Gemeinde verglichen werden. Frühere Analysen in San José zeigten eine Überrepräsentation von weißen Männern und eine Unterrepräsentation der asiatischen und hispanischen Gemeinden, was wenig überrascht (www.mije.org/). Time-Out for Diversity and Accuracy ist ein weiteres Projekt, um den Medien bewusstzumachen, dass sie die Ethnizität ihrer Gemeinden inhaltlich korrekt darstellen sollten. Nachrichtenorganisationen wie die Associated Press Managing Editors (APME) und die American Society of Newspaper Editors (ASNE) teilen dieses Bestreben. Ihre Aktivitäten umfassen die Initiierung oder Erneuerung der Beziehungen mit verschiedenen Segmenten der Gemeinde, Bustouren und das Kontrollieren der Quellenvielfalt. Das Time Out-Archiv mit Ideen und Projekten findet man auf der Website der APME: www.apme.com. Schließlich sollten noch die verschiedenen farbigen Journalistenverbände erwähnt werden. Dies sind die Asian American Journalists Association (AAJA), die National Association of Black Journalists (NABJ), die National Association of Hispanic Journalists (NAHJ) und die Native American Journalists Association (NAJA). (Die Angaben zu den Websites dieser Gruppen finden sich unter den Quellen im zweiten Teil dieses Beitrags). Zusammen bilden sie eine nationale Allianz, die 7.000 farbige Journalisten repräsentiert. Diese Allianz heißt UNITY: Journalists of Color, Inc. (www.unityjournalists.org/). UNITY verfolgt zwei Ziele: Einerseits die Entwicklung von Programmen und institutionellen Verbindungen, die eine ganzjährige Journalisteninteressenvertretung und Journalistenausbildung fördern, wobei der Schwerpunkt sowohl auf Ausgeglichenheit und Genauigkeit in der Berichterstattung als auch auf der Diversität in amerikanischen Redaktionen liegt und andererseits die Planung der größten Journalistenversammlung des Landes. Bei einer Rede in Iowa City sagte der damalige UNITY-Präsident Ernest Sotomayor (2004), Onlineredakteur bei Newsday in Long Island, New York: „Diversität läuft auf Glaubwürdigkeit, Relevanz und Ehrlichkeit hinaus.“ Indem er festhielt, dass in den USA 150 ethnische Gruppen existieren, argumentierte Sotomayor, dass Diversität ein Kernstück des Journalismus sein muss: „Daher müssen Journalisten als Fürsprecher fungieren.“ Die Mitarbeiter werden als ein entscheidender Bestandteil im Produktionsprozess angesehen und auf diese richten wir nun auch unsere Aufmerksamkeit.
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Die Vorbereitung der Medienschaffenden
Im Mai 2003 ergaben Nachforschungen der New York Times, dass einer ihrer Reporter, der 27-jährige Jayson Blair, in einem Zeitraum von über vier Jahren hunderte von Artikeln fingiert oder plagiiert hat. Dieser Skandal beschädigte den Ruf der eigentlich führenden nationalen Tageszeitung und verringerte die Glaubwürdigkeit aller Nachrichtenmedien. Der Vorfall ließ außerdem eine Frage aufkommen: Sind in den Medien Vorzugsbehandlungen zu beobachten, um Minderheiten am Journalismus zu beteiligen, die dem Journalismus aber letztendlich selber schaden? Blair ist ein Afroamerikaner. Ebenso Gerald Boyd, der zur Zeit des Blair-Zwischenfalls leitender Redakteur der Times war und gleichzeitig der erste Schwarze, der diese Position in der über 150-jährigen Geschichte der Zeitung innehatte (Gelb 2003). Blair verlor natürlich seine Stelle. Ironischerweise aber auch Boyd (wie der Chefredakteur Howell Raines). Lange vor Blair und mitverursacht durch die Unruhen der 1950er und 1960er Jahre versuchten die US-Medien mit unterschiedlichem Erfolg, ethnische Minderheiten, vor allem farbige Menschen, intensiver in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Wie wir bereits sehen konnten, gab es Fortschritte in der Darstellung und in der Reaktion auf die Medienstruktur und die Medienproduktion. Bisher haben wir uns mit einer entscheidenden Komponente des gesamten Mediensystems – den Mitarbeitern – allerdings noch nicht beschäftigt. Wie sieht der Lebenslauf heutiger Journalisten aus? Welchen Beitrag leisten die Medien, um Mitarbeiter anzuwerben, die unterschiedliche ethnischen Hintergründe haben? Welche Aufgaben erfüllen die Journalistenschulen? Die American Society of Newspaper Editors (ASNE), eine Organisation bestehend aus etwa 750 Mitgliedern, bei denen es sich um leitende Redakteure in Tageszeitungen handelt, sammelt seit 1978 Daten über die Beschäftigung von Minderheiten (vgl. Abb. 1 im Beitrag Pöttker/Weibert). Die Daten zeigen, dass die Anzahl der bei Zeitungen beschäftigten Minderheiten im Laufe der Zeit angestiegen ist. So war diese im Jahr 2004 mit 7.000 (12,95 Prozent der gesamten Arbeitnehmer) fast viermal so hoch wie im Jahr 1978, wo sie 1.700 – 3,95 Prozent – betrug. Obwohl diese Zahl bedeutsam erscheint, muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass ethnische Minderheiten etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen und diese Zahl in den kommenden 25 Jahren oder auch schon früher vermutlich auf 40 Prozent ansteigen wird. Des Weiteren berichteten von den 927 (von insgesamt 1417) Tageszeitungen, die sich an der Umfrage beteiligten, 373 – meist diejenigen mit einer Auflage von unter 10.000 Exemplaren – dass sie überhaupt keine Minderheiten beschäftigten. Trotz des Anstiegs fragte der Vorsitzende des ASNE-Gremiums für Diversität: „Ermutigen die Redakteure denn eine größere Anzahl an Farbigen, dabei zu helfen, den Inhalt der Zeitungen zu ändern, sodass die sich verän-
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dernden communities besser widergespiegelt werden?“ Die Daten verdeutlichen sowohl die Anzahl und den prozentualen Anteil ethnischer Minderheiten in Abhängigkeit von ihrem Tätigkeitsbereich (vgl. Abb. 2 im Beitrag Pöttker/ Weibert) als auch die Anzahl und den prozentualen Anteil von Weißen und Minderheiten aufgegliedert nach Tätigkeitsbereichen (Abb. 1). In allen ethnischen Gruppen stellt der Reporter die dominante Position dar. Bei den leitenden Positionen ist etwa eine von zehn Stellen mit einem Mitglied einer ethnischen Minderheitengruppe besetzt. Ein ausführlicher Bericht und eine Analyse der Daten kann abgerufen werden: www.asne.org. Die Knight Foundation, die weltweit Exzellenz im Journalismus fördert, ist noch einen Schritt weiter gegangen. Bei dem Versuch, die ASNE-Daten in einen Kontext zu stellen, hat die Knight Foundation einen Newsroom Diversity Index entwickelt. Der Index vergleicht den Anteil der Positionen, die mit farbigen Journalisten besetzt sind mit demjenigen der nichtweißen Bevölkerung im Verbreitungsgebiet. Das Ergebnis soll helfen zu bestimmen, wie genau die Mitarbeiter der Zeitung ihr jeweiliges Verbreitungsgebiet widerspiegeln. Darüber hinaus ist es möglich, die Website der Staaten und der größten 200 Zeitungen zu besuchen und dort die Diversität der jeweiligen Zeitung mit der Diversität ihrer Leserschaft zu vergleichen. Hier einige Beispiele: Ausgehend von einem Pariwert von 100, was bedeutet, dass die Zeitung und die Gemeinde bezüglich ihrer Diversität übereinstimmen, übersteigen zwei Zeitungen den Wert bei Weitem: das Akron Beacon Journal aus Ohio mit einem Wert von 169 und die Des Moines Register aus Iowa mit 150. Zwei Zeitungen, die weit unter dem Pariwert liegen, sind die Tampa Tribune aus Florida mit 19, und die Journal Newspapers aus Alexandria, Louisiana, mit 23. Nähere Erläuterungen und zusätzliche Daten des Newsroom Diversity Index sind unter www.powerreporting.com/ knight/ verfügbar. Auch für den Rundfunk sind ethnische Daten erhältlich. Die Annual Survey for the Radio and Television News Directors Association (RTNDA) aus dem Jahr 2003, für den die Ball State University zuständig ist, zeigt, dass der Anteil der beschäftigten Minderheiten im Fernsehen von 20,6 Prozent im Vorjahr auf 18,1 Prozent gefallen ist, parallel zu einem Rückgang im Radio. Der Gesamtanteil von Minderheiten angehörenden Chefs der Nachrichtenredaktionen im Fernsehen ist im selben Zeitraum ebenso zurückgegangen – von 9,2 auf 6,6 Prozent (Abb. 3). Trotz des Rückgangs übersteigt der prozentuale Anteil von bei Fernsehnachrichten beschäftigten Minderheiten (18,1%) den Anteil der Minderheiten in Zeitungen (12,95%).
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Funktion
Arbeitskräfte
Minderheiten
Weiße
13.053
1.375 (10,5%)
11.679 (89,4%)
Leitende Redakteure Umbruchredakteure Reporter
10.554
1.223 (11,6%)
9.331 (88,4%)
24.830
3.440 (13,9%)
21.390 (86,1)
Fotografen insgesamt
5.756 54.194
978 (17%) 7.016
4.779 (83%) 47.178
Abb. 1: Anzahl und prozentualer Anteil der Weißen und der Minderheiten nach Tätigkeitsbereich. Quelle: ASNE (Abweichung auch im Original).
1994
2001
2002
2003
Fernsehen Weiße
82,9
75,4
79,4
81,9
Afroamerikaner Hispanics
10,1 4,2
9,9 10,1
9,3 7,7
8,4 6,5
Asian Am. Native Am.
2,2 0,6
4,1 0,6
3,1 0,5
2,7 0,5
Radio Weiße
85,3
89,3
92,0
93,5
Afroamerikaner Hispanics
5,7 7,5
5,2 5,5
4,1 2,4
4,8 1,2
Asian Am. Native Am.
0,6 1