Religioses in der politischen Argumentation der spaten romischen Republik: Ciceros Erste Catilinarische Rede - eine Fallstudie 9783515103022, 3515103023

English Description: Religion played a role in many different contexts in Rome. The “embedding” of religion into differe

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Vorwort
Inhalt
Einführung
Kapitel I Forschungsstand und Themenstellung, Quellenlage, Methode und Terminologie
1. Forschungsstand
2. Themenstellung
3. Quellenlage
4. Methode
5. Der Begriff ›Religion‹
Kapitel II Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede
1. Die politische und gesellschaftliche Großwetterlage
2. Das Jahr 63
3. Ausblick auf die weitere Entwicklung
4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung
Kapitel III Die Erste Catilinarische Rede
1. Ihre kommunikative Situation, Zielsetzung und Bedeutung
2. Texteditionen, Kommentare und Übersetzungen
Kapitel IV Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede
Kapitel V Ergebnisse und Ausblick
1. Sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem
2. Religiöse Inhalte
3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem
4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem
5. ›Eingebettete‹ Religion
6. Ausblick
Literatur
Register
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Religioses in der politischen Argumentation der spaten romischen Republik: Ciceros Erste Catilinarische Rede - eine Fallstudie
 9783515103022, 3515103023

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www.steiner-verlag.de

PAwB -42 PAwB

Religiöses in der ­ politischen Argumen­ tation der späten ­römischen ­Republik Ciceros Erste Catilinarische Rede – eine Fallstudie

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

Franz Steiner Verlag

ISBN 978-3-515-10302-2

Vera Sauer

Religiöses in der politischen Argumentation der späten römischen Republik

sem in dieser Rede hat, sie untersucht die Beweggründe, die Cicero dazu geführt haben, in seiner Argumentation auf Religion Bezug zu nehmen, sie fragt nach dem Inhalt und nach dem Stellenwert der religiösen Argumente. Darüber hinaus trägt diese Studie zur Untersuchung so unterschiedlicher Fragen bei wie der nach dem Stil der politischen Auseinandersetzung oder der nach dem Grad und der Art und Weise der Verwurzelung von Religion in Politik und Gesellschaft der späten römischen Republik. Schließlich leistet sie einen Beitrag zum Verständnis der Ersten Catilinarischen Rede selbst.

Vera Sauer

Religion spielte in Rom in vielen Zusammenhängen eine Rolle. Die ‚Einbettung‘ von Religion in verschiedene, beispielsweise soziale, politische, ökonomische oder kulturelle Kontexte wurde in den letzten Jahren aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet; alltägliches und vor allem beiläufiges Argumentieren mit Religiösem wurde bislang jedoch nur am Rande untersucht. Die vorliegende Untersuchung ist eine Fallstudie und befaßt sich mit der Ersten Catilinarischen Rede Ciceros. Die Studie gibt Aufschluß darüber, welche sprachliche Basis die Argumentation mit Religiö-

Potsdamer Altertums­wissenschaftliche Beiträge – 42

Vera Sauer Religiöses in der politischen Argumentation der späten römischen Republik

POTSDAMER ALTERTUMSWISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE (PAwB) Herausgegeben von Pedro Barceló (Potsdam), Peter Riemer (Saarbrücken), Jörg Rüpke (Erfurt) und John Scheid (Paris) –––– Band 42

Vera Sauer

Religiöses in der politischen Argumentation der späten römischen Republik Ciceros Erste Catilinarische Rede – eine Fallstudie

Franz Steiner Verlag

Von der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam im Jahr 2011 zur Erlangung der Würde eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Abhandlung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-10302-2 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungs­bestän­digem Papier. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Printed in Germany

in memoriam patris mei

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist die für den Druck geringfügig überarbeitete Fassung meiner von der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam angenommenen Dissertation. Betreut wurde diese Arbeit von Herrn Professor Dr. Pedro Barceló; mit großer Geduld hat er ihre Entstehung begleitet. Die weiteren Gutachten haben dankenswerterweise Frau Professorin Dr. Ursula Gärtner und Herr Professor Dr. Francisco Pina Polo erstellt. Besonders Herrn Barceló und Frau Gärtner schulde ich großen Dank für manch wertvollen Rat, den sie mir gesprächsweise wie auch in ihren Gutachten gegeben haben. Den Herausgebern der Potsdamer Altertumswissenschaftlichen Beiträge danke ich für die Aufnahme der Arbeit in ihre Reihe, Herrn Professor Dr. Jörg Rüpke zudem für die sorgsame Durchsicht des Manuskripts. Aus dem Kreis all derer, mit denen ich meine Überlegungen diskutieren durfte, seien mein Mann, Eckart Olshausen, und ganz besonders Frau Dr. Dorit Sedelmeier hervorgehoben. Ihr Zuspruch, ihr Sachverstand und auch ihre Souveränität, hin und wieder den advocatus diaboli zu spielen, haben mir ungemein geholfen. Meiner Schwester Ines schließlich danke ich für’s Korrekturlesen. Nicht ohne Erwähnung bleiben sollen hier meine Eltern, deren stetige Förderung, und Hansbert Bertsch, dessen exzellenter Lateinunterricht mir die Tür in die Welt der Alten Geschichte geöffnet haben. Gewidmet ist die Arbeit meinem 2003 verstorbenen Vater, Fritz Sauer. Die Art, in der er an meiner Vorbereitung auf das Latinum Anteil genommen hat, machte es schwer zu glauben, daß er – nach eigener Aussage – kein besonders begeisterter ›Lateiner‹ war; sie hat ganz wesentlich zu meiner eigenen Freude an dieser Sprache beigetragen. Rangendingen, im September 2012

Vera Sauer

Inhalt

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel I: Forschungsstand und Themenstellung, Quellenlage, Methode und Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 ›Eingebettete‹ Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Religion und Politik in der späten römischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 13 19

2. Themenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

3. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

5. Der Begriff ›Religion‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel II: Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die politische und gesellschaftliche Großwetterlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Das Jahr 63 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Ausblick auf die weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Publikation der orationes consulares . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Verschriftlichung von Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Stil und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ciceros Einschätzung der politischen Lage um die Mitte des Jahres 60 . . . . 3.3 Cicero und Clodius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Cicero und Pompeius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 54 57 61 63 64 66

4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Catilina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Rolle Ciceros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Ereignisse von religiöser Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 73 74 76 77

Kapitel III: Die Erste Catilinarische Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Ihre kommunikative Situation, Zielsetzung und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Texteditionen, Kommentare und Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8

Inhalt

Kapitel IV: Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . furor, furiosus (§§1; 2; 15; 22; 31 bzw. §25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . coniuratio, coniurati, foedus (§§1; 6; 13; 27; 30; 31 bzw. §12 bzw. §33) . . . . . . . . . . caedes (§§2; 3, 6; 7; 16; 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis iam diu machinaris (§2) . . . . . . . vir amplissimus, pontifex maximus (§3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vereri (§§5; 17; 29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nefarius (§§6; 11; 25; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . salus (§§8; 11; 12; 14; 28; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . scelus, scelerati, scelerate (§§8; 14; 15; 17; 18; 22; 27; 31; 33 bzw. §23 bzw. §27) . . . o di immortales! (§9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sanctissimus (§§9; 29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . polliceri (§§9; 32) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . purgare (§10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia (§11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . templum (§§12; 21; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . consulere (§13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . inlecebra (§13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vitium (§§14; 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . spiritus caeli (§15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fortuna (§§15; 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sacra, initiare, devovere, defigere (§16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . me hercule (§17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . placare (§17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . patria (§§17–19; 23; 27–29; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . parricidium, parricida (§§17; 33 bzw. §29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ›Hymnos‹ (§18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . responsum (§19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sodalis (§19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . utinam tibi istam mentem di immortales duint! (§22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . commovere (§22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . impius (§§23; 24; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . latrocinium, latrones (§§23; 27; 31 bzw. §33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sacrarium, venerari, altaria (§24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dextera (§24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bacchari (§26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . detestari, deprecari, quaesere (§27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mactare (§§27; 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gladiator (§29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sanguine se non contaminare (§29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . omina (§33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ›Prophezeiung‹ und ›Verwünschung‹ (§33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ›Gebet‹ (§33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 96 102 109 110 110 114 115 123 129 134 136 138 139 141 147 153 153 154 154 155 159 164 166 167 174 180 182 182 183 187 187 190 196 203 204 207 209 212 213 214 216 218

Inhalt

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Kapitel V: Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Religiöse Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 5. ›Eingebettete‹ Religion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 6. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Texteditionen, Kommentare, Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literarische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Inschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Einführung Religion war in Rom in viele Kontexte integriert – etwa in soziale, politische, ökonomische und kulturelle. Unterschiedlichste Aspekte dieser ›Einbettung‹ wurden aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven untersucht. Einen Forschungsschwerpunkt bildete in jüngerer Zeit die Frage nach der Rolle von Religion als Element der Kommunikation – beispielsweise in der politischen Auseinandersetzung. Das gleichsam alltägliche, besonders das mehr oder weniger beiläufige Argumentieren mit Religiösem wurde dabei bislang aber nur am Rande untersucht. Die vorliegende Fallstudie, die sich mit Ciceros Erster Catilinarischer Rede befaßt, gilt der Präsenz von Religion in einem derartigen Zusammenhang. Diese Studie soll unter anderem Aufschluß geben über die sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem, über Beweggründe, die dazu geführt haben, in der Argumentation auf Religion Bezug zu nehmen, und über den Stellenwert, selbstredend aber auch über religiöse Inhalte der so gestalteten Argumentation. Darüber hinaus soll diese Studie zur Untersuchung so unterschiedlicher Fragen beitragen wie der nach dem Stil der politischen Auseinandersetzung oder der nach dem Grad und der Art und Weise der Verwurzelung von Religion in Politik und Gesellschaft der späten römischen Republik. Schließlich will diese Studie auch einen Beitrag zum Verständnis der Ersten Catilinarischen Rede selbst leisten.

Kapitel I

Forschungsstand und Themenstellung, Quellenlage, Methode und Terminologie

1. Forschungsstand 1.1 ›Eingebettete‹ Religion Religion war in Rom ebensowenig wie in der antiken Welt allgemein ein separater Bereich, Religion war vielmehr integriert in soziale, politische, ökonomische und kulturelle Kontexte. In der religionshistorischen Forschung ist dies heute communis opinio. So kann man formulieren, daß Religion »für die römische Antike … – wie für die Antike allgemein – … grundsätzlich als eine ›eingebettete‹, d.h. in unterschiedliche kulturelle, politische und ökonomische Zusammenhänge integrierte Praxis zu fassen« ist.1 Diese Sichtweise basiert auf dem Konzept der ›Polis-Religion‹,2 das seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Es stellt eine radikale Abkehr von früheren Denkmustern dar, die zum einen Vorstellungen verpflichtet waren, die Religion in der Tradition von Friedrich Schleiermacher der individuellen Gefühlsebene zuordneten, zum anderen evolutionistischen Modellen – Modellen also, denen es darum ging, antike Religionen in Entwicklungsprozesse einzuordnen.3 Auch das lange anhaltende Bemühen der For1

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Rüpke 2001a, 911f.; vgl. Rüpke 22006, 13, 15f., 50. In Bezug auf Rom hat dies Beard 1994, 734 besonders prägnant formuliert: »The more fundamental cultural alienness of Roman religion lies in the degree to which it was undifferentiated from the political sphere. In modern world religions there is frequently considerable influence, in both directions, between religion and politics; but they remain separable and usually separate (if interacting) spheres of activity. In Rome, by contrast, we are not simply dealing with a close interaction between religion and politics; religion, as in many traditional societies, was a deeply embedded element within public life, hardly differentiated as a separate sphere of activity or intellectual interest until the very end of the Republic.« Diese Auffassung schlägt sich in der Präferenz für bestimmte Forschungsfelder nieder. So ist beispielsweise festzustellen, daß »große, die Religion(en) isolierende Modelle sowie Untersuchungen zur Religiosität einzelner Literaten und die traditionellen Götterbiographien« u.a. zugunsten von »sozialgeschichtlich orientierten Darstellungen einzelner Epochen« in den Hintergrund getreten sind (Rüpke, in: Forschungsbericht 2000, 284; ebenso der Tenor der anschließenden Forschungsberichte 2003 und 2007; vgl. auch Stevenson 1996, 1–4). Das Modell der ›eingebetteten‹ Religion wird in den letzten Jahren freilich vermehrt kritisiert (zusammenfassend Bendlin 2000; s.u. S. 15f.). Eine Vielzahl von Aspekten dieses Konzepts stellen u.a. Sourvinou-Inwood 1990 und Sourvinou-Inwood 1988; Bruit Zaidman, Schmitt Pantel 21991 vor. Graf 2002, 686 (»Evolutionismus«), 691, 696–698 (»radikaler Paradigmenwechsel«); Rives 1998, 350 (»reorientation«, »reinterpretation of Roman religious history«); Bendlin, in: Forschungsbericht 2000, 293; Bendlin 2001b, 890 (Charakterisierung des Schleiermacherschen Religionsbe-

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

schung, griechische und römische Religion zu unterscheiden und das ›Wesen‹ griechischer bzw. römischer, aber auch ›orientalischer‹ Religion zu erfassen und voneinander abzugrenzen bzw. Einflüsse – vor allem der ›orientalischen‹ auf ›die griechische‹ und ›die römische‹ bzw. ›der griechischen‹ auf ›die römische‹ – zu identifizieren, ist in Zusammenhang mit diesen Denkmustern zu sehen.4 Dem Konzept der Polis-Religion zufolge waren »die religiösen Institutionen, Gebräuche und Vorstellungen … von den sozio-politischen und kulturellen Verhältnissen der Stadtstaaten undifferenziert und in diese eingebettet«,5 und Religion hatte vor allem eine gesamtgesellschaftliche Funktion zu erfüllen.6 Nicht individuelles religiöses Empfinden bzw. persönlicher Glaube, sondern gesellschaftlich relevantes rituelles Handeln charakterisierten 3

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griffs – Religion ist »Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit« – unter Verweis auf Firsching, Schlegel 1998). Exponent des Evolutionismus war James G. Frazer mit seiner Studie The Golden Bough. A Study in Comparative Religion, London, 1890 (31913–1915 mit dem Untertitel A Study in Magic and Religion). Magie, Religion und Wissenschaft stellen seinem Konzept zufolge drei Etappen der Evolution dar. In seiner Tradition stehen beispielsweise William Warde Fowler, Martin P. Nilsson, Georg Wissowa und Kurt Latte. Den Paradigmenwechsel bewirkten insbesondere Angelo Brelich, Jean-Pierre Vernant und Walter Burkert. Freilich erscheinen bis in jüngste Zeit immer wieder Darstellungen, die evolutionistischen Denkmustern folgen (vgl. etwa die Beispiele zur römischen Religion bei Rüpke, in: Forschungsbericht 2000, 284f.; Bendlin, in: Forschungsbericht 2003, 300f., 307f.). Evolutionistische Denkmuster abzulehnen, bedeutet nicht, historische Entwicklung zu leugnen: Vgl. Hock 22006, 38–53; speziell zur römischen Religion etwa North 1976; Wardman 1982; Rüpke 1996; Rüpke 22006, 50, der von »geschichtliche(r) Bedingtheit und Wandelbarkeit« spricht; Rüpke 2011, passim; Beard, North, Price 1998, Xf., passim, die die Geschichte der römischen Religion als die Geschichte eines außerordentlichen Wandels beschreiben und beispielsweise nach den Auswirkungen politischen und kulturellen Wandels auf die Religion fragen und feststellen wollen, was religiösen Wandel ausmacht und wie man ihn erkennen kann. Daß Darstellungen, die dem Modell der Polis-Religion verpflichtet sind, dennoch gerne einen synchronen Ansatz wählen, liegt nicht zuletzt an der Quellenlage (vgl. Rüpke 22006, 50), aber auch an den Impulsen, die vom Strukturalismus auf die Religionswissenschaft, und hier insbesondere auf die Mythenanalyse, wie auch auf die Geschichtswissenschaft ausgingen. Zum Strukturalismus und der sogenannten École des Annales vgl. einführend Mohr 1988; Fietz 31998; Gehrke 2000, 460f.; Hock 2 2006, 116–118; Schmitz 2002, 37–54; Arweiler 2003; Jordan 2009, 78–83, 101–107. Vgl. Auffarth 2001, 905; Rüpke 2001a, 910, 916f.; Bendlin 2006. Mythologie galt als Typikum der griechischen, Ritual und Recht der römischen, Erlösungshoffnung der orientalischen Religion. Wie wirkungsmächtig und wie breitenwirksam dieser u.a. von Wissowa 21912 (11902) vertretene Forschungsansatz bis heute ist, demonstriert die Einführung in die griechische und römische Religion von Robert Muth (Muth 1988): Die Bestimmung des Wesens der Religionen und insbesondere die Frage, ob die römische Religion »überfremdete« oder sich in ihrem Wesen behaupten konnte, ist für Muth zentrales Anliegen – ungeachtet der von ihm selbst vertretenen, mittlerweile allgemein akzeptierten Auffassung, daß »nichtrömische Einflüsse auf Rom … älter (sind) als Rom selbst« (Rüpke 22006, 62). Ohne die unzweifelhaften Verdienste dieser Darstellung von Muth wie auch die seiner ihr zugrunde liegenden älteren Arbeiten schmälern zu wollen, sei sein Buch, wie auch die Tatsache, daß es Einführung sein will, und das Faktum, daß es 1998 (in der Konzeption unverändert) neu aufgelegt wurde, darüber hinaus als Beispiel dafür angeführt, daß »Methoden und Resultate von Nilsson und Latte« bis in jüngste Zeit fortgeschrieben werden (F. Graf, Rez. Muth 1988, in: Historische Zeitschrift 251, 1990, 111–114, hier 113), ohne die gegenwärtigen Forschungsrichtungen signifikant zu rezipieren. Bendlin 2001b, 890f. unter Verweis auf Sourvinou-Inwood 1990, Beard, North, Price 1998, 42–54 und Linder, Scheid 1993. Vgl. auch Auffarth 2001, 906f. Bendlin, in: Forschungsbericht 2000, 293.

1. Forschungsstand

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die Polis-Religion.7 Seit den Untersuchungen von John Scheid in den 1980er Jahren8 findet dieses Konzept, das zunächst für die griechische Staatenwelt entwickelt worden war, Anwendung auf Rom.9 Hier firmiert es als ›civic religion‹ oder ›Staatsreligion‹.10 Derzeit herrscht im wesentlichen Konsens darüber, daß antike Religion primär lokalen Charakter hatte:11 Einzelne soziale Gemeinschaften wie insbesondere die Stadtstaaten waren Träger der Religion – oder besser: der Religionen; diese waren voneinander verschieden.12 Umstritten ist dagegen, ob das Konzept der Polis-Religion in anderer Hinsicht modifiziert werden muß.13 Gefragt wird etwa, ob die »öffentliche, von den politischen Füh7 8 9

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Bendlin 2001b, 890. Vgl. etwa Linder, Scheid 1993. Vgl. insbesondere Scheid 1983. Graf 2002, 698. Weitere Exponenten dieser Forschungsrichtung sind Jerzy Linderski (vgl. etwa Linderski 1986b), Mary Beard, John North (vgl. bereits North 1976: Ablehnung der evolutionistischen Sichtweise, Betonung der Kontextbezogenheit römischer Religion) und Simon Price (vgl. etwa Beard, North, Price 1998). Zur traditionellen Sicht der römischen Religion wie auch zur Entwicklung alternativer Sichtweisen vgl. Scheid 1987; Scheid 1997; Rives 1998; Beard, Crawford 21999 (11985), 25–39; Bendlin 2000, 116–125. Zu den Verbindungslinien zwischen römischer Religion und griechischer Welt vgl. Cancik 1994. Diesen Bezeichnungen entspricht der lateinische Begriff sacra publica, ›öffentliche Kulte‹ (Rüpke 2 2006, 27–31). ›Öffentlichkeit‹ bezeichnet dabei einen Kommunikationsraum – im Wesentlichen den der Führungsschicht; ›öffentliche‹ Religion ist folglich wesentlich die Religion dieses Personenkreises und nicht etwa Religion eines Staates im Sinn der res publica-Interpretation des 19. Jahrhunderts (Rüpke 22006, 31f., 35, 132, 146, 197). Rüpke, in: Forschungsbericht 2000, 284; vgl. Auffarth 2001, 906f. Darüber, ob dies auch für reichsweite Traditionen wie Juden- und Christentum, Mithras-, Isis- und Kaiserkult gilt, hat sich noch keine communis opinio gebildet (vgl. Rüpke, in: Forschungsbericht 2000, 284, 297), die Tendenz geht aber in diese Richtung (vgl. etwa den Tenor des Forschungsberichts 2007); weitgehender Konsens herrscht dagegen darüber, daß es mit kultischen Zentren von Amphiktyonien, mit überregionalen Spielen, Heiligtümern und Orakeln auch Einrichtungen gab, die tatsächlich oberhalb der Ebene der Polis-Religion lagen. Überregionale Vergleiche und die Untersuchung größerer z.B. politischer oder geographischer Einheiten wie der römischen Provinzen sind aktueller Forschungsschwerpunkt (vgl. Rüpke, in: Forschungsbericht 2003, 298; Bendlin, in: Forschungsbericht 2003, 300); so untersuchte das Schwerpunktprogramm 1080 Römische Reichsreligion und Provinzialreligion der Deutschen Forschungsgemeinschaft »antike Religionsgeschichte als einen interkulturellen Prozeß globalen wie regionalen oder lokalen Charakters« (Cancik, Rüpke 2003, 8; vgl. Rüpke 2007a, 1f.; Cancik, Rüpke [Hg.] 2009; Rüpke 2011), der Sonderforschungsbereich 493 Funktionen von Religion in antiken Gesellschaften des Vorderen Orients in den Jahren 2000 bis 2003 u.a. politische und wirtschaftliche Funktionen überregionaler Heiligtümer (vgl. dazu Freitag, Funke, Haake [Hg.] 2006), das Forschungsnetzwerk Impact of Empire die Auswirkungen der Bildung des Römischen Reichs auf religiöse Strukturen (vgl. dazu de Blois, Funke, Hahn [Hg.] 2006), das Exzellenzcluster Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster u.a. die Funktion überregionaler Heiligtümer (vgl. dazu Funke 2009). In der Welt der griechischen Poleis äußerte sich dies etwa darin, daß man in einer fremden Stadt grundsätzlich keine volle Kultkompetenz hatte (Sourvinou-Inwood 1990, 295–300; vgl. auch Auffarth 1997); der Besitz in einem Heiligtum gehörte dem lokalen Gott, nicht dem panhellenischen (Auffarth 2001, 906), lokale Panthea unterschieden sich voneinander. Zu den Verhältnissen in Italien: Cazanove 1993; zu denen im Imperium Romanum vgl. Beard, North, Price 1998, 313–339. Grundlegend die differenzierende Studie von Stefan Krauter (Krauter 2004). Vgl. Bendlin, in: Forschungsbericht 2000, 294; Bendlin, in: Forschungsbericht 2003, 299f.; Rüpke, in: Forschungsbericht 2007, 300. Kritik üben etwa Stevenson 1996; Kindt 2009 (mit weiterer Literatur) und besonders grundsätzlich Bendlin 2000: Da die »neue Orthodoxie« we-

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

rungsschichten gelenkte Religion« so dominant war, daß sie auch für jede private religiöse Aktivität den Rahmen abgab, oder ob lokal religiöse Alternativen bestanden, die freilich – in unterschiedlichem Grad – in die Polis-Religion integriert wurden.14 Gewarnt wird davor, die Komplexität antiker Religion zu verkennen, indem man ihre Geschichte auf die Traditionen der Eliten reduziert.15 Hinterfragt wird, bis zu welchem Grad dieses Konzept den Verhältnissen in den hellenistischen Staaten und vor allem in den Provinzen des Römischen Reichs gerecht wird.16 Kritisiert wird, daß es die Existenz kognitiver und emotionaler Aspekte in den antiken Religionen in Frage stellt,17 außerdem, daß es der antiken Unterscheidung von religiösen und ›profanen‹ Bereichen nicht genügend Rechnung trägt.18 In jüngerer Zeit wird ›Religion‹ verstärkt mit ›Kommunikation‹ in Verbindung gebracht,19 sei es, daß man Religion geradezu als Kommunikation auffaßt,20 sei es, daß man 13

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sentlich in Opposition zu älteren Theorien entstanden sei, rekurriere sie indirekt, wenn auch entgegen ihrer Absicht, auf christlich geprägte Annahmen (S. 120–123). So sei z.B. gegenüber der so entstandenen Auffassung, antike religiöse Erfahrung sei gänzlich andersartig als heutige, Skepsis angebracht; in diesem Fall würden antike Menschen sich nicht nur kulturell, sondern auch psychologisch von uns unterscheiden (S. 122). Religiöse Entwicklungen im Sinne einer Differenzierung religiöser Wahlmöglichkeiten könnten vom Modell der civic religion nur als Abweichung von der Norm beschrieben werden, ›religiöser Pluralismus‹ und ›Differenzierung‹ würden so implizit negativ konnotiert (S. 124). Das Modell der civic religion versage, sobald man von etwas komplexeren Sozialstrukturen ausgehe (S. 124f.). Bendlin schlägt vor, Religion wieder von anderen Gebieten (Gesellschaft, Politik, Kultur) zu differenzieren (S. 125), den Dualismus zwischen sacra publica und sacra privata aufzugegeben (S. 131), von einem Wettbewerb verschiedener religiöser Wahlmöglichkeiten auszugehen, das Verschwinden solcher Möglichkeiten als natürlichen Prozeß in einem sich selbst regulierenden System zu begreifen (S. 134f.) und allgemein die soziale Komplexität der römischen Gesellschaft verstärkt zu berücksichtigen. Verteidigt wird das ›alte‹ Modell der PolisReligion von Scheid 1999, bes. 385–387; vgl. auch Scheid 22001 (11985), 17f.; Scheid 2003; Scheid 2005. Rüpke, in: Forschungsbericht 2000, 284; vgl. Rüpke, in: Forschungsbericht 2007, 300. Zum Spannungsfeld ›kollektiver Charakter antiker Religion – individuelle Religiosität‹ speziell in Rom einführend Rüpke 22006, 19–22, 199f., zu Religionen unterschiedlichster Gruppen Rüpke (Hg.) 2007a. Vgl. Bendlin 2000, 120f., 131f., 134f.; Kindt 2009, 12–15, 17–19. Rüpke 1999, hier speziell 13, 23: Zur Religion Roms etwa gehören gleichberechtigt die die PolisReligion v.a. bildenden, insbesondere von der Elite gestalteten sacra publica, und die sacra privata all ihrer Einwohner. Vgl. auch Bendlin, in: Forschungsbericht 2000, 294; Bendlin, in: Forschungsbericht 2007, 304–306; Tatum 1999a, der außerdem davor warnt, von der Religion der Elite zu sprechen, und der zeigt, wie unterschiedlich auch innerhalb der Elite z.B. die religiöse Erfahrung und die Auffassung über die Bedeutung von Aspekten der religiösen Praxis sein konnte; Krauter 2004, der zeigt, daß eine strenge Koppelung des Kultzugangs an politische Zugehörigkeit weder in den griechischen Poleis noch in Rom nachweisbar ist. Woolf 1997; Gordon 1990; Kindt 2009, 23–25. Bendlin 2001b, 890f. Vgl. Stevenson 1996; Bendlin 2000, 120–123, 130–135; Bendlin 2006, 254–256. Tatum 1993 geht außerdem der Frage nach, ob nicht doch (bzw. seit wann) persönliche Moral eine Rolle in der römischen Religion spielte (vgl. dazu auch Wiseman 1992). Vgl. Bendlin, in: Forschungsbericht 2007, 307f. zu Anzeichen einer Trendwende dahingehend, »Emotion als Forschungsproblem ernst zu nehmen«; ein instruktives Beispiel für diese Trendwende sind die Beiträge in Kneppe, Metzler (Hg.) 2003. Bendlin 2001b, 890f. Zu der Unterscheidung ›religiös – profan‹ in Rom einführend Rüpke 2 2006, 13–15. Dies geschieht sowohl aus sprach- und literaturwissenschaftlicher als auch aus soziologischer, aus altertumswissenschaftlicher und aus religionswissenschaftlicher Perspektive: vgl. etwa das Forschungsprojekt Stätten und Formen der Kommunikation im Altertum des Bochumer Altertumswis-

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Religion als Kommunikationssystem beschreibt, als System also, das ganz wesentlich auf Kommunikation beruht.21 Gefragt wird nach den Medien religiöser Kommunikation;22 untersucht werden insbesondere einzelne kommunikative Elemente von ›Religion‹23 und bestimmte Kommunikationsräume.24 Es werden aber auch die »medialen Aspekte« der Quellen reflektiert, d.h. nach deren Kontext, nach deren »kommunikativer Situation und Funktion« gefragt.25 Besonderes Interesse finden außerdem Fragen »nach der Konstruktion von Religion in literarischen Texten … seien es Texte für den rituellen Gebrauch, seien es Texte über Religion«,26 überhaupt nach der »Interaktion von Literatur und Religion«27 und nach dem »Kommunikations- bzw. Performanzcharakter« von Ritualen.28 Die Betonung der kommunikativen Aspekte von Religion stellt eine Korrektur der Sichtweise dar, 19

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senschaftlichen Colloquiums in den Jahren 1992–1997 (bes. Binder, Ehlich [Hg.] 1996; Binder, Ehlich [Hg.] 1997), den Sonderforschungsbereich 321 Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den Jahren 1984–1996 (Überblick über die Einzelprojekte, Forschungsergebnisse und Publikationen: Raible [Hg.] 1998), Tyrell, Krech, Knoblauch (Hg.) 1998, Brodersen (Hg.) 2001 und Rüpke 2007b. Problematisierend wiederum Bendlin 2000, 128f. – v.a. in Bezug auf die Eignung von Ritualen als Instrument der Kommunikation. So etwa Luhmann 1998 (allerdings ausgehend von Rahmenbedingungen, die Religion grundsätzlich nur in modernsten Gesellschaften hat). So etwa Rüpke 2001b (vgl. auch Rüpke 2011, passim, bes. 23–28) anhand des Beispiels ›Rom‹: Hier fand religiöse Kommunikation mit den Göttern und mit den Verstorbenen statt; Elemente der Kommunikation waren insbesondere Opfer, Gebet, Gelübde, prodigium und Prodigienprokuration. Kommuniziert wurde aber auch über diese Kommunikationsvorgänge selbst und über die Götter. Letzteres speziell unter Bezugnahme auf Mythen oder in Form des philosophischen Diskurses. Religion diente aber auch der zwischenmenschlichen Kommunikation (vgl. Rüpke 22006, 79, 84, 99), sacra publica speziell waren ganz wesentlich ein Medium der internen Kommunikation der römischen Führungsschicht (Rüpke 22006, 35), zwischenmenschliche Kommunikation, gegebenenfalls auch deren Blockade, konnte auf die Kommunikation mit den Göttern bzw. deren Blockade verlagert werden (Rüpke 2001b, 29). »Anschlußkommunikation« in dem Sinn, daß etwa mythologische und philosophische Spekulation Einfluß auf die Kommunikation mit den Göttern genommen hätte, ist dabei jedoch erst in der Kaiserzeit im Rahmen bestimmter Kulte feststellbar (Rüpke 2001b, 18–20). Zu diesem Beispiel wie auch allgemeiner zum Phänomen der »balkanisation des cerveaux«/»brain-balkanisation« bzw. der »kulturellen Schizophrenie« vgl. Feeney 1998 passim, bes. 14–21 (in Anschluß an Veyne 1983) bzw. Gildenhard 2009, 90f. (mit Literatur). Vgl. etwa Schörner, Šterbenec Erker (Hg.) 2008. Vgl. etwa die Beiträge von Tanja S. Scheer, Kai Brodersen, Veit Rosenberger und Gregor Weber in Brodersen (Hg.) 2001 zu Gebet, Fluch, Zeichen und Traum; vgl. auch Graf 1997, der Kommunikation im Zug magischer Praktiken untersucht. Anregend beispielsweise auch die Fallstudie von Binder 1997, der die vielfältigen kommunikativen Elemente der Lupercalia untersucht und dabei insbesondere die Kommunikation der am Kultgeschehen aktiv wie passiv Beteiligten während der rituellen Handlungen herausarbeitet. Vgl. etwa Rasmussen 2003, 219–239 und Rosenberger 2005 und bereits MacBain 1982 zur Berücksichtigung von Prodigien aus dem ager peregrinus bzw. aus Italien; Rüpke 2001c, der ein Modell der religiösen Kommunikation im provinzialen Raum zu entwickeln sucht. Rüpke, in: Forschungsbericht 2003, 298f.; vgl. Bendlin, in: Forschungsbericht 2003, 319. Rüpke, in: Forschungsbericht 2003, 299. So Feeney 1998; Kranemann, Rüpke (Hg.) 2003; Barchiesi, Rüpke, Stephens (Hg.) 2004; Elm von der Osten, Rüpke, Waldner (Hg.) 2006; Briquel, Février, Guittard (Hg.) 2010. Rüpke, in: Forschungsbericht 2009, 303, 305. Vgl. etwa Bierl, Lämmle, Wesselmann (Hg.) 2007 und die Beiträge in der Rubrik ›II.‹ des Archivs für Religionsgeschichte 11, 2009. Bendlin, in: Forschungsbericht 2003, 303, 317–319; Rüpke, in: Forschungsbericht 2009, 306.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

die ›Religion‹ vorzugsweise mit ›Handlung‹ in Verbindung gebracht und ihre rituellen Aspekte betont hat.29 Betrachtet man die Erforschung der antiken Religionen von altertumswissenschaftlicher Seite her, so ist festzustellen, daß sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und anfangs des 20. Jahrhunderts von der Entstehung der Religionswissenschaft und der Ethnologie bzw. Social Anthropology profitierte,30 sich in den folgenden Jahrzehnten dann aber weitgehend von diesen Disziplinen abgekoppelt hat und – ganz wesentlich aus diesem Grund – in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinsichtlich der Entwicklung neuer Fragestellungen und Theorien und insbesondere hinsichtlich des methodischen Instrumentariums stagniert ist;31 altertumswissenschaftliche Religionsforschung wurde eher aus historisch-philologischem als aus religionskundlichem Interesse betrieben.32 Dieses Manko hat bis heute Folgen. So stellt Fritz Graf etwa fest, altertumswissenschaftliche Methodenblindheit verzerre Ergebnisse der Forschung bis in die jüngste Zeit.33 Darüber, was ›Stand der Forschung‹ ist, bestehen nach wie vor recht unterschiedliche Auffassungen;34 dies zeigt ebenfalls, daß die Rezeption von Forschungsergebnissen noch immer auch davon geprägt ist, ob der Blickwinkel ein eher historischer oder ein primär religionswissenschaftlicher ist. Symptomatisch für diese Problematik ist die äußerst zwiespältige Aufnahme, die die Untersuchung von Claudia Bergemann über die Interdependenz von Politik und Religion im spätrepublikanischen Rom bei den Rezensenten gefunden hat.35 Während z.B. Arthur Keaveney die Arbeit als luzid, hilfreich, solid und unprätentiös bezeichnet, Ulrich Lambrecht sie für »eine anschauliche Zusammenschau, wie Politik und Religion ineinandergreifen« hält, Gerhard Radke und Loretana de Libero – bei allen Einwänden – in ihrer Kritik doch moderat bleiben, führt Andreas Bendlin sie als Beispiel für eine Arbeit an, die hinter das von Beard, North, Price, Linderski und Scheid Erreichte zurückfalle.36 Für William J. Tatum ist sie oberflächlich und nicht up to date, vielmehr in ihrer Sichtweise der römischen Religion Warde Fowler und Wissowa verpflichtet; Jerzy Linderski nennt sie gar dilettantisch und teils unoriginell, teils desaströs.37 29

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Diese Entwicklung ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels in der soziologischen Forschung zu sehen: ›Kommunikation‹ löst ›Handlung‹ in dem Anspruch ab, der Grundbegriff der Soziologie zu sein (vgl. Tyrell 1998 mit besonderer Berücksichtigung religionssoziologischer Aspekte; zur Anwendbarkeit speziell auf die Beschreibung antiker Religionen vgl. Rüpke 2001b, 14–17). Beispielhaft sei hier Jane Ellen Harrison genannt, die – wesentlich unter dem Einfluß von Émile Durkheim, neben Max Weber, einem der Begründer der Soziologie – die soziale Funktion von Ritualen untersucht hat. Vgl. Graf 2002, 686, 691f. Vgl. Graf 2002, 694. Vertreter dieser Richtung sind u.a. Franz Cumont, Marteen J. Vermaseren und insbesondere Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Graf 2002, 694. Vgl. etwa Muth 21998 mit Beard, North, Price 1998. Bergemann 1992. Ausgehend von der Interpretation von Ciceros Rede De domo sua untersucht Bergemann den Einsatz des Staatskults in der politischen Auseinandersetzung. A. Keaveney, in: The Classical Review 43, 1993, 451f.; U. Lambrecht, in: Gymnasium 102, 1995, 376f.; G. Radke, in: Gnomon 66, 1994, 560–563; L. de Libero, in: HZ 258, 1994, 762f.; A. Bendlin, in: Forschungsbericht 2000, 293.

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1.2 Religion und Politik in der späten römischen Republik Lenkt man den Blick auf die Darstellung der römischen Republik, insbesondere in ihrer späten Phase, in der historischen, nicht primär auf die Religion zielenden, sondern die politische Geschichte ins Visier nehmenden Literatur, so spielt das Thema ›Religion und Politik‹, wie auch das Thema ›Religion‹ allgemein, oftmals eine nur untergeordnete, manchmal auch gar keine Rolle.38 Dies gilt nicht nur für einführende Literatur,39 sondern auch für Handbücher40 und Gesamtdarstellungen,41 und ebenfalls für manch eine Untersuchung spezielleren Inhalts.42 Auffallenderweise verfahren so auch Autoren, die sich ansonsten für Fragen der Religion durchaus interessieren.43 So gesehen ist es verständlich, daß Claudia Bergemann hier ein Desiderat gesehen hat.44 Dennoch ist festzuhalten, daß Linderski bereits 1995 zu Recht darauf hingewiesen hat, daß diese Charakterisierung des Forschungsstandes für den Beginn der 1990er Jahre – jedenfalls in der Zuspitzung durch Bergemann – zumal unter Berücksichtigung religionswissenschaftlicher Arbeiten nicht mehr zutreffend war.45 Mittlerweile hat sich dieser Trend fortgesetzt; man hat sich dem Thema ›Politik und Religion in der späten römischen Republik‹ aus unterschiedlichen Perspektiven genähert. Um nur einige Beispiele zu nen37 38

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W. J. Tatum, in: Classical Journal 90, 1994/95, 332–334; J. Linderski, in: Classical Philology 90, 1995, 192–195. Vgl. Scheid 1997, 129–133 (mit Betonung der Tatsache, daß dieses Phänomen insbesondere in der deutschen althistorischen Forschung ausgeprägt ist). Das soll nicht heißen, daß es nicht eine Vielzahl von Untersuchungen zu den verschiedensten Aspekten von Religion gäbe, aber diese sehen Religion eben oftmals – mehr oder minder – aus ihren Kontexten gelöst. So etwa für Bellen 21995; Bleicken 62004; Schneider 22006. Christ 31980 bezieht den Aspekt ›Religion‹ punktuell etwas ausführlicher ein. So für Bengtson 31982. So für Piganiol 51962; Heuß 41976; Bringmann 22010; etwas ausführlicher Vogt 61973 und Crawford 21992 (11978). Vgl. auch Mann, Heuß (Hg.) 1963; Grimal (Hg.) 1966. So für Syme 21951; Meier 31997 (11966); Nicolet 1976; Flaig 22004; vgl. auch den Forschungsüberblick Hölkeskamp 2004b. Christ 42000 (11979) wiederum geht auf den Aspekt ›Religion‹ deutlich ausführlicher ein. Vgl. auch Kunkel, Wittmann 1995, die aus dem Blickwinkel der Staatsordnung zwangsläufig, dabei aber gewissermaßen beiläufig und ohne darüber besonders zu reflektieren, auf das Verhältnis ›Religion – Politik‹ zu sprechen kommen. In gewisser Weise entlarvend ist die in Zusammenhang mit der Behandlung des auspicium vorgenommene Einschätzung »Der kultische Verkehr mit den Göttern war grundsätzlich nicht Sache der republikanischen Magistrate, sondern oblag den Opferpriestern und den des Sakralrechts kundigen Kollegien.« (S. 29). So Bleicken (vgl. etwa Bleicken 1957); Heuß (vgl. etwa Heuß 1978); Meier (vgl. etwa Meier 1975). Ihrer Auffassung nach (Bergemann 1992, 1) gelten Erscheinungsbild und Ursachen der spätrepublikanischen Krise als hinreichend reflektiert. In den seltensten Fällen sei jedoch das Sakralwesen in die Betrachtungen einbezogen worden. Die Kultgepflogenheiten der Römer zu dokumentieren, sei weitgehend Domäne der Religionshistoriker geblieben. Sie haben sich der Aufgabe »in aller Breite und mit geduldiger Hinwendung zum Detail« gewidmet, so daß auch hier nahezu alle Fragen beantwortet zu sein scheinen. Bei diesem Ansatz sei jedoch die Bezugnahme auf einhergehende politische Erscheinungen in der Regel vernachlässigt worden. Eine solchermaßen getrennte Betrachtungsweise entspreche aber nicht der Auffassung der zu behandelnden historischen Zeit; folglich müsse die Interdependenz von Religion und Politik weiter untersucht werden. Vgl. J. Linderski, in: Classical Philology 90, 1995, 192–195 unter Verweis auf Beard, Crawford 21999 (11985), 25–39; zu denken ist auch an Wardman 1982.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

nen: Leonhardt Burckhardt und Loretana de Libero haben den Einsatz auguraler Techniken, insbesondere als Instrument der Obstruktion, untersucht,46 Veit Rosenberger, Susanne Rasmussen und David Engels das Prodigienwesen,47 Mariangela Monaca die Sibyllinischen Bücher,48 Jörg Rüpke das Verhältnis ›Religion – Krieg‹49 und die personalen Zusammenhänge zwischen religiösem Spezialistentum und politischer Funktionsträgerschaft,50 Marie-Laurence Haack das Wirken der haruspices,51 JeanLuc Bastien die Verleihung respektive die Verweigerung des Triumphs als Mittel der politischen Auseinandersetzung.52 Es ist zu hoffen, daß sich dieser Trend auch in Literatur, die in besonderer Weise meinungsbildend ist, d.h. etwa in Einführungen, Handbüchern und Gesamtdarstellungen durchsetzt und zwar nicht ›nur‹ in religionswissenschaftlicher,53 sondern auch in traditionell altertumswissenschaftlicher54 und schließlich auch in regelrecht breitenwirksamer Literatur.55 Verfall – mit diesem Schlagwort wurde die Religion der späten römischen Republik immer wieder charakterisiert.56 Unter ›Verfall‹ verstand man Verfall des Glaubens, Verlust des Römischen, Vernachlässigung, Instrumentalisierung, Mißbrauch oder Manipulation in politischem Zusammenhang. Zurückgeführt wurde dieser Verfall zum einen auf den Einfluß griechischen Gedankenguts. Es habe zumindest den Eliten eine skeptische und in der Folge nachlässige, zuweilen auch skrupellose Haltung der Religion gegenüber eingegeben. Zum anderen bescheinigte man der römischen Religion einen fundamentalen Mangel: sie habe emotionale religiöse Bedürfnisse nicht befriedigen können. Dies habe der Verbreitung östlicher Kulte Vorschub geleistet. Besonders prononciert vertreten wurde diese Sichtweise – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung im Einzelnen – von Georg Wissowa, Arthur D. Nock, Lily Ross Taylor, Kurt Latte und Georges Dumézil.57 Sie 46 47 48 49 50 51 52 53

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Burckhardt 1988, 178–209; de Libero 1992, 56–68. Rosenberger 1998; Rosenberger 2001; Rosenberger 2005; Rasmussen 2003; Engels 2007. Monaca 2005. Rüpke 1990; Rüpke 1997. Rüpke 2005. Haack 2003; Haack 2006. Bastien 2007. So geschehen bei Beard, North, Price 1998 – Religions of Rome kann derzeit als die maßgebliche Darstellung römischer Religion gelten (vgl. etwa Rives 1998; Bendlin 2001a); North 2000; Rüpke 22006; Rüpke (Hg.) 2007b. Immerhin andeutungsweise zu fassen etwa bei Baltrusch 32011, 43, 55, 147; ausführlicher in Wirbelauer (Hg.) 2004 und Flower (Hg.) 2004 die Beiträge von Jörg Rüpke (Rüpke 2004a – hier bezogen auf die Antike allgemein; Rüpke 2004b). Die Herausgeber der Cambridge Ancient History 7.2 und 9 Second Edition haben umfangreiche Beiträge zur Religion aufgenommen, die sich v.a. auch der Interdependenz von Religion und Politik widmen (North 1989; Beard 1994), ebenso die der Storia di Roma (wiederum ein Beitrag von John North: North 1990). Vgl. zu dieser Entwicklung auch Bendlin, in: Forschungsbericht 2007, 302. So jüngst geschehen bei Humer, Kremer (Hg.) 2011. Vgl. dazu Scheid 1997, 128f.; Feeney 1998, 2–6; Beard, Crawford 21999 (11985), 27–30. Wissowa 21912, 70–73 zufolge hat die Übertragung griechischer Mythen auf römische Götter zersetzend auf den Glauben gewirkt; der Einfluß der Philosophie sei verderblich gewesen. Priesterkollegien seien zu rein politischen Behörden geworden. Weitere Anzeichen des Niedergangs seien der Verlust des Wissens über die Götter und Kulte, die Tatsache, daß Priesterstellen unbesetzt geblieben seien, und auch der Verfall der sacra privata. Indifferentismus und Unglaube würden die

1. Forschungsstand

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wird teils bis in jüngste Zeit vertreten, so von Karl Christ, Claudia Bergemann und David Engels.58 Diese Sichtweise argumentiert unter anderem damit, daß Wissen über 57

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Situation am Ende der Republik charakterisieren. Taylor 31964 (11949), 76–97 vertritt unter der Überschrift ›Manipulating the State Religion‹ die Auffassung, die Staatsreligion sei ursprünglich ein Instrument der politischen Elite zur Beherrschung der Massen gewesen und insofern eine Kraft, die den Zusammenhalt des Staates gestärkt habe. Sie sei dann aber zur Waffe in den Auseinandersetzungen innerhalb dieser Elite gemacht und so in ihrer ursprünglichen Funktion geschwächt worden. Gekämpft habe man beispielsweise mit Hilfe der Kalendergestaltung, Methoden der Divination und der Zusammensetzung von Priesterkollegien. Latte 1960, 27–31, 264–293 zufolge wirkten griechische Aufklärung ebenso wie griechische Mythen auflösend auf die römische Religion. Anzeichen für den Verfall der altrömischen Religion sind ihm beispielsweise, daß Prodigien immer unverholener als Mittel in politischen Auseinandersetzungen eingesetzt worden seien und sich Gleichgültigkeit den römischen Kulten gegenüber breit gemacht habe, daß andererseits aber der Glaube an Träume und Vorzeichen weit verbreitet gewesen sei, sich Strömungen ausgebreitet hätten, die eine emotionale Beteiligung am Kult zugelassen hätten, und fremde Kulte große Anziehungskraft entwickelt hätten. Für Dumézil 21974 (11966), 489–510 geht mit der seit dem Zweiten Punischen Krieg zu konstatierenden politischen, sozialen und moralischen Dekadenz ein Verfall der Religion einher. Diesen Verfall macht er an den religiösen Präferenzen einzelner Protagonisten dieser Zeit fest, so an dem Glauben eines Marius oder Sulla an Prophezeiungen und Träume, außerdem an Feststellungen wie: Priesterstellen seien unbesetzt geblieben, Feste hätten nur noch der Unterhaltung gedient, superstitiöse Praktiken hätten um sich gegriffen, Intellektuelle hätten eine skeptische Haltung eingenommen; so habe etwa Ciceros Gespaltenheit nicht gerade dazu beigetragen, zerstörte Glaubensstrukturen wieder aufzubauen. Erst durch Augustus sei die Religion reorganisiert und wiederbelebt worden. Nock 1934, 468–471 sieht ebenfalls diverse Anzeichen für den Niedergang der Religion; er stellt allerdings auch einen recht weit verbreiteten Willen zu ihrer Restauration fest. Christ 42000 (11979), 409–411; 31980, 142f. betont die Unterschiedlichkeit der religiösen Überzeugungen der verschiedenen Gesellschaftsschichten und meint, der skrupellose Mißbrauch von Vorzeichendeutung und religiösen Tabus zu tagespolitischen Zwecken habe das von der führenden Schicht aus Gründen der Stabilisierung von Gesellschaft und Staat betriebene, oft aber nur noch vordergründige Festhalten an der traditionellen Religion ad absurdum geführt. Die traditionelle Religion habe ihre Klammerfunktion für das Gemeinwesen verloren. Bergemann 1992 ist der Auffassung, daß der Staatskult »manipulativ-politisch« (vgl. S. 87f. zu dieser Wortschöpfung) eingesetzt wurde. Erscheinungsformen dieser Funktionalisierung sind ihr der Umgang mit göttlichen Zeichen und mit dem Kalender, die Nutzung der sakralen Aufsicht durch den pontifex maximus und die Entwicklung der Priestertümer, etwa hinsichtlich ihrer Bedeutung und ihrer Zusammensetzung. Als Voraussetzung wie als Folge dieser Funktionalisierung sieht sie die Schwächung der Religiosität (S. 92, vgl. S. 137: »Abschwächung der Religionsidee«), als weitere Folge die Gefahr des Autoritätsverlusts der Aristokratie (S. 143f.). Engels 2007, 778–797 faßt die Entwicklung des römischen Vorzeichenwesens in der Zeit zwischen 133 und 27 v.Chr. unter der Überschrift ›Niedergang der Staatsvorzeichen‹. Für ihn ist »der wichtigste Aspekt der Entwicklung der öffentlichen Divination der späten Republik … die unverholen praktizierte Instrumentalisierung der weitgehend sinnentleerten öffentlichen Vorzeichen durch die betroffenen Priesterschaften«; diese hält er für »eine logische Folge der Auflösung der römischen Religiosität durch hellenistische Philosophie und orientalisierende Religionen« (S. 780). Vgl. auch Bringmann 1993, 13, der meint, von dem Streben, der erste zu sein, sei eine Instrumentalisierung aller Lebensbereiche ausgegangen, sie habe auch die Religion erfaßt. Etwas mildere Äußerungen finden sich etwa bei Bleicken 71995, 176– 178 (Die Einstellung der Römer ihrer Religion gegenüber habe sich gewandelt, sakrale Befugnisse der Magistrate seien zu politischen Zwecken manipuliert worden. Bleicken legt aber Wert auf die Feststellung, die Einstellung auch der vornehmen Römer gegenüber der Staatsreligion sei einem Atheismus nicht einmal nahegekommen und die traditionelle Religion sei am Ende der Republik noch nicht völlig abgestorben gewesen.), Kunkel, Wittmann 1995, 30 (Jedermann habe gewußt, daß die Auspikation in der skrupellosesten Weise manipuliert wurde; über die Behauptung

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

Götter und Kulte verloren gegangen sei, Priesterstellen unbesetzt geblieben seien, Feste nur noch der Unterhaltung gedient hätten, Methoden der Divination zum politischen Kampfinstrument degradiert worden seien und Priesterkollegien zu vorwiegend politischen Einrichtungen geworden seien, außerdem damit, daß superstitiöse Praktiken um sich gegriffen hätten. Sie kann sich – auf den ersten Blick jedenfalls – auch auf die Einschätzung antiker Autoren stützen: auf Varro, Cicero und Sallust etwa, die die Nachlässigkeit der Bürger den Göttern gegenüber kritisieren,59 auf Horaz, der die Leiden der Römer unter anderem auf diese Nachlässigkeit zurückführt,60 und auf Livius, der die Nachlässigkeit, die im gegenwärtigen saeculum den Göttern gegenüber herrsche, mit dem Verhalten kontrastiert, das man diesen gegenüber in früheren Zeiten an den Tag gelegt habe.61 An der Wertung dieser Befunde als Zeichen des Verfalls wird vor allem in jüngerer Zeit grundsätzliche Kritik geübt. So kranken diese Interpretationen, etwa Mary Beard, Michael Crawford, Denis Feeney, John North und Simon Price zufolge,62 generell daran, daß sie von christlich geprägten Religionsvorstellungen ausgehen, daran, daß sie die Kontexte, in denen Religion in Rom stand, nicht genügend berücksichtigen, und daran, daß sie Veränderungen der römischen Religion grundsätzlich für Zeichen der Dekadenz halten. Das habe z.B. dazu geführt, daß man – in Übertragung christlicher Denkungsart – gewissermaßen von der römischen Religion gefordert habe, sie hätte emotionale religiöse Bedürfnisse befriedigen sollen. Daher habe man außerdem das Verschwinden bestimmter Rituale als Verlust und Kultimporte lediglich als Reaktion auf den postulierten Mangel betrachtet statt als Zeichen der Fähigkeit dieser Religion, sich an veränderte politische und soziale Verhältnisse anzupassen.63 Diese Art, die römische Religion gewissermaßen von 58

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eines vitium habe man sich erst in der Zeit der brutalen Gewaltpolitik am Ausgang der Republik hinweggesetzt.) und Baltrusch 32011, 43f. (In der Zeit eines Pompeius und Caesar sei die Religion zunehmend im politischen Kampf instrumentalisiert worden, man solle freilich nicht von einer zynischen Politisierung der Religion sprechen.). Varro ant.rer.div. fr. 2a (Cardauns): civium neglegentia; fr. 12 (Cardauns). Vgl. zu Varro etwa Cardauns 1978, Cancik 1986, 259–261, Lehmann 1986, Rüpke 2009a, Graf 2002, 680 (Varro habe Traditionswandel als Traditionsverlust interpretiert. Dadurch, daß er seine Schrift Antiquitates rerum divinarum dem pontifex maximus Caesar gewidmet habe, habe er versucht, aus dem restaurativen Anliegen ein politisches zu machen.) und North 1976, 12, der zu bedenken gibt, daß Verlust von Tradition eine gesunde Entwicklung darstellen könne; der Kult passe sich so selbst neuen Bedingungen an. Daß Varro diese Veränderungen als bedauerlich empfunden habe, sei damit zu erklären, daß diese Entwicklung mit einem neuen Bewußtsein kollidiere, das seit dem Aufkommen antiquarischer Studien im 2. Jh. gewachsen sei. Cicero speziell in Bezug auf die Vernachlässigung der disciplina augurii (leg. 2,33) insbesondere durch die Nobilität (nat.deor. 2,9) und das Kollegium der Auguren (div. 1,28). Zum Verdienst, den die Schriften des Varro in den Augen Ciceros haben, vgl. ac. 1,9. Sallust zufolge – vgl. etwa Cat. 10,4; 11,6; 12,3f. – ist deos neglegere eine der Folgen der Habgier und der Überheblichkeit, die sich in Rom eingestellt habe, nachdem man keinen äußeren Feind mehr zu fürchten gehabt habe. So Hor. carm. 3,6,1–15, insbesondere 7f.: di multa neglecti dederunt / Hesperiae mala luctuosae. So Liv. 3,20,5; 43,13,1. Beard, Crawford 21999 (11985), 28–39; Price 1984, 10–15; Beard, North, Price 1998, 114–166, bes. 117–134; Feeney 1998 passim, bes. 2–6. Vgl. etwa auch North 1976, 11, der Konservatismus, Legalismus und Innovation als grundlegende Charakteristika der römischen Religion erklärt, nicht als Phasen der Degeneration, und der feststellt, die Probleme, die die römische Religion in der späten römischen Republik unbestreitbar ge-

2. Themenstellung

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außen zu betrachten, habe darüber hinaus dazu geführt, Handlungsweisen als Manipulation zu werten, die tatsächlich aber mit der Funktion und mit der Funktionsweise der römischen Religion zu erklären seien.64

2. Themenstellung Die Durchsicht der Literatur zeigt, daß die Zusammenhänge zwischen Politik, Gesellschaft und Religion in vielfältiger Weise das Interesse der Forschung gefunden haben. Die Untersuchung der Funktionen von Religion bildet dabei vor allem in jüngerer Zeit einen Schwerpunkt. Speziell wird gefragt, welche Rolle Religion als Element der Kommunikation innerhalb von gesellschaftlichen Gruppierungen oder auch zwischen ihnen gespielt hat und wie man in der politischen Auseinandersetzung mit Religion gearbeitet hat. Hier interessieren insbesondere die Funktionen von Religion auf der Handlungsebene – etwa als Element der Obstruktion, teilweise auch auf der Argumentationsebene – etwa als Gesichtspunkt bei der Frage nach der Legalität bestimmter Handlungsweisen. Neben manch einem Desiderat, das dabei ausgemacht wurde, ist das gewissermaßen alltägliche, besonders das mehr oder minder beiläufige Argumentieren mit Religiösem allenfalls am Rande behandelt worden.65 Die Analyse der Präsenz von Religion in derartigen verbalen Äußerungen kann m.E. jedoch einen wesentlichen Beitrag zur Untersuchung der 63

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habt habe, seien nicht aus ihr selbst, sondern insbesondere von den sozialen Veränderungen in dieser Zeit gekommen. Vgl. Rüpke 1999, 23f. und Cancik 1986, 260f., der von den Ruinen der republikanischen, nicht der römischen Religion spricht. In diesem Sinn bereits Liebeschuetz 1979, 7–29. Vgl. etwa auch Rüpke 22006, 60f., 227, der die Auffassung vertritt, in den damaligen Konflikten sei es nicht darum gegangen, religiöse Spielregeln zu übergehen, sondern darum, dem politischen Gegner vorzuwerfen, dieser habe sie gebrochen. Das zeige, wie sehr religiöse Spielregeln in Geltung gewesen seien. Von religiösem Verfall in der späten Republik könne nicht die Rede sein. In diesem Sinn vgl. Tatum 1999a, 280–284 speziell zur obnuntiatio des M. Calpurnius Bibulus 59 v.Chr. und zu den Diskussionen in der römischen Elite darüber; vgl. de Libero 1992, 59, 105. Vgl. außerdem Scheid 1981, bes. 118f.; Wardman 1982, 42–62; Stevenson 1996. Das betrifft v.a. Fälle, in denen zwar mit Religiösem argumentiert wurde, in denen jedoch, anders als beispielsweise in Ciceros Reden De domo sua und De haruspicum responso, nicht schon die Frage, die zur Diskussion stand, per se mit Religion zu tun hatte. In noch höherem Maß betrifft dies die Fälle, in denen Bezüge auf Religion, zumindest auf den ersten Blick, absichtsfrei in der Sprache vorhanden sind und in der Argumentation keine offensichtliche Rolle spielen – man denke etwa an die Verwendung von Begriffen, die lediglich religiös konnotiert sind. Wie vielversprechend es jedoch ist, diesem ›alltäglichen‹ Argumentieren mit Religiösem nachzugehen, zeigen etwa die von Guillaumont 1984, 19–42; Vielberg 1995; Levene 1997/98, 68–77; La Bua 1998; Pina Polo 2002 oder Gildenhard 2009 und 2011 verfolgten Ansätze, die Bemerkungen bei Beard, North, Price 1998, 115f., 138f. und Pina Polo 2005, 212–216 und auch die Untersuchungen von Achard 1981 (vgl. bes. 239–247, 306–311, 433–440) und Thome 1993 (vgl. bes. 384 [mit Anm. 951]); vgl. außerdem die methodisch höchst instruktive Studie von Rüpke 1998. Erwähnt sei auch Heibges 1962 (weitgehend zusammengefaßt in Heibges 1969a; 1969b), wenngleich es sich bei ihrer Untersuchung über weite Strecken ›nur‹ um eine Sammlung von Stellen handelt, an denen Cicero in seinen Reden in besonders markanter Weise auf Religion Bezug nimmt. Bis zu der Studie von Gunther Martin, Divine Talk. Religious Argumentation in Demosthenes galt Ähnliches im Wesentlichen auch in Bezug auf die griechische Welt (Martin 2009, 2–4; vgl. Jeremy Trevett, Rez. Martin 2009, in: Bryn Mawr Classical Review 2010.06.25; Sebastian Scharff, Rez. Martin 2009, in: sehepunkte 11, 2011, Nr. 1 [15.01.2011]).

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

Art und Weise, des Stils der politischen Auseinandersetzung leisten. Auf diesem Weg kann aber auch der Frage nachgegangen werden, wie verwurzelt Religion in Politik und Gesellschaft war; außerdem kann so ein Beitrag zur Diskussion darüber geleistet werden, ob – bzw. inwiefern – die Entwicklung der Religion in der Zeit der späten römischen Republik als Verfalls- oder als Umgestaltungsprozeß zu beschreiben ist. Darüber hinaus können derartige Studien zur Verfeinerung des Konzepts der Polis-Religion – oder überhaupt der Religion in Rom – beitragen. Dies speziell, wo es um die Rolle der Religion als Element der Kommunikation geht – sowohl innerhalb der politischen Elite, d.h. insbesondere innerhalb der Senatskreise, als auch zwischen ihr und dem Volk, d.h. insbesondere zwischen den Magistraten und dem Publikum der Volksversammlungen. Dies dadurch, daß sie das ›Eingebettetsein‹ von Religion in der rhetorischen Praxis, in Überzeugungstechniken und -strategien untersuchen und auch dadurch, daß sie versuchen, das ›Eingebettetsein‹ von Religion in der Vorstellungswelt der Rezipienten dieser Rhetorik zu hinterfragen. Eine gewisse Justierung des Konzepts der Polis-Religion ist zu erwarten, wo es um die Gewichtung der Bedeutung rituellen Handelns geht. Dies gilt möglicherweise auch hinsichtlich der Gewichtung der Relevanz emotionaler Aspekte für die römische Religion. Diese Erwartung weckt jedenfalls ein Blick in Ciceros rhetorische Schriften. Hier spielt die Behandlung von Argumenten, die mit Religion in Zusammenhang stehen, zwar nur eine geringe Rolle; kommt Cicero aber auf das Argumentieren mit Religiösem zu sprechen, so tut er dies mehrfach, wenn es um die Frage geht, wie man das Wohlwollen der Zuhörer erringen kann, und vor allem, wie man ihre Gefühle beeinflussen kann.66 Dies legt die Vermutung nahe, daß Religion doch in recht hohem Maß auf die Gefühlswelt der Zeitgenossen Ciceros einzuwirken vermochte, wenngleich ein religiöses Argument grundsätzlich offenbar nicht ein religiöses Gefühl erzeugen sollte, sondern ein anderes, wie etwa Wohlwollen oder Ablehnung, und erst das so erzeugte Gefühl dann das eigentlich wirksame Moment sein sollte. Auch dem Bild, das wir uns von einzelnen Individuen, insbesondere von Cicero, und ihrer Bedeutung für die Entwicklungen ihrer Zeit machen, dürften neue Aspekte hinzugefügt werden können – etwa, was ihre Haltung der traditionellen Religion und Staatsordnung gegenüber angeht, aber auch, ob ihre öffentlich praktizierte Haltung der Religion gegenüber Wirkung auf religiöse Vorstellungen und Verhaltensweisen ihrer Umgebung und der Nachwelt gehabt hat.67 66

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Vgl. etwa Cic. part. 73 (Menschen verspüren Vergnügen, wenn sie gespannt sind und sich wundern; das tun sie u.a., wenn sie von prodigia, von Orakeln, vom Wirken der Götter hören); inv. 1,101 (Topoi der indignatio können von der Autorität der Götter abgeleitet werden); de orat. 2,196 (Nennung eines Falls, in dem der Redner bei seinem Bemühen, Mitleid zu erregen, u.a. die Götter angerufen hat); part. 56 (Hochachtung gegenüber Göttern, der patria und den Eltern bewegt die Menschen). Das Wohlwollen der Zuhörer zu erringen und ihre Gefühle zu beeinflussen, sind nach antiker Auffassung grundlegende Aufgaben der Redekunst, die sich im Wesentlichen auf drei Dinge konzentriert: den Beweis der Wahrheit dessen, was man vertritt, den Gewinn der Sympathie des Publikums und die Beeinflussung seiner Gefühle (vgl. etwa Cic. de orat. 2,115; 2,121; 2,128; 2,310). Dabei basiere die Wirkung der Rede ganz wesentlich auf der Erregung oder Unterdrückung von Gefühlen (vgl. etwa Cic. de orat. 1,17; 1,60; 2,178; part. 22; Brut. 276, 279; orat. 128f.; Vogt-Spira 2008 mit weiteren Quellen und Literatur). Zum Themenfeld ›Cicero und Religion‹ allgemein vgl. den noch immer hilfreichen Überblick von Troiani 1984.

2. Themenstellung

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Schließlich könnten derartige Untersuchungen durch den besonderen Blickwinkel, unter dem sie die Quellen interpretieren, auch einen Beitrag zu noch umfassenderem Verständnis dieser Quellen leisten. Im Einzelnen mag man sich Antworten unter anderem zu folgenden Fragenkomplexen erhoffen: 1. Zu dem jeweils Argumentierenden und zum Kreis der Adressaten seiner Argumentation: Hier wäre zu fragen, wer Argumente verwendet hat, die mit Religion zu tun haben und wem gegenüber. – Sind beispielsweise individuelle Unterschiede festzustellen, d.h. kann man Personen identifizieren, die häufig religiöse Argumente verwendet haben, und andere, die dies eher vermieden haben? Hat man hinsichtlich der Verwendung derartiger Argumente in einer Rede vor dem Senat anders agiert als in einer Rede vor dem Volk68 oder auch in einer Rede, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gehalten wurde? 2. Zum Inhalt: Hier wäre festzustellen, worin diese Argumente bestanden, also etwa, welche Aspekte von Religion in der politischen Argumentation eine Rolle gespielt haben. – Hat man beispielsweise auf die Götter und ihren Willen bzw. ihre Willensäußerungen Bezug genommen? Hat man das Verhalten der Menschen den Göttern gegenüber, die religiöse Praxis, thematisiert? Spielten in der Argumentation auch Reflexionen über Religion eine Rolle? Hat man also auch religiöse Anschauungen hinterfragt und beispielsweise mit der Unterschiedlichkeit der Vorstellungen vom Wesen der Götter argumentiert? 3. Zum Ziel: Hier ginge es darum festzustellen, was mit Hilfe religiöser Argumente begründet werden sollte. – Ging es dabei vorzugsweise um Grundsätzliches oder verfolgte man so auch konkrete Einzelziele? Zielten diese Argumente auf Sachfragen (und worin bestanden diese gegebenenfalls), oder eher auf Personen, sei es auf die eigene, sei es auf die der Kontrahenten? Dienten diese Argumente gleichermaßen dem Angriff wie der Verteidigung? Gab es Ziele oder Themen, bei denen die Bezugnahme auf Religion grundsätzlich gemieden wurde? 4. Zum Kontext: Hier wäre, über die Frage nach dem konkreten Ziel der Argumentation hinausgehend, zu untersuchen, unter welchen (auch äußeren) Umständen, in welchen Situationen man mit religiösen Argumenten operiert hat, und speziell, in welchem größeren politischen Kontext diese Argumentation stand. – Hing die Verwendung religi68

Diese Frage ist als Frage nach Unterschieden (oder aber Gemeinsamkeiten) im Detail zu verstehen, kann die insbesondere von Mack 1937, 76f. (mit Anm. 160) in Bezug auf Cicero vertretene Auffassung, der Redner verwende vor dem breiten Publikum in viel höherem Maß Religiöses als vor dem gebildeten senatorischen, im Prinzip doch als widerlegt gelten; vgl. Beard, North, Price 1998, 139 Anm. 67, die meinen: »… we are effectively questioning the common view that, while Cicero loads his speeches to the (easily impressed and superstitious) people with divine appeals, in speaking to the (sophisticated and sceptical) senate he keeps the gods off the agenda«, und unter Berufung auf Vasaly 1993, 40–87 feststellen, diese Auffassung sei »simply wrong«. Bereits Heibges 1962 hatte die Auffassung Macks hinterfragt und die These verfochten, die Frage, ob der Redner auf Religion Bezug nehme oder nicht, hänge nicht vom Publikum, sondern von der Stilart der Rede ab (vgl. bes. Heibges 1962, 147–154). Zur Frage, ob zwischen Senats- und Volksreden allgemein grundlegende Unterschiede bestehen, vgl. etwa Thompson 1978; auch Mack 1937 und Pina Polo 1996a, bes. 123–126.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

öser Argumente beispielsweise auch vom Ort des Geschehens ab, vom Rahmen, in dem sie stand, vom Anlaß, aus dem sie erfolgte? Spielte die Argumentation mit Religiösem in einer Krise eine andere Rolle, als wenn alles in ruhigen Bahnen verlief, in militärischem Zusammenhang eine andere als in zivilem, in außenpolitischem eine andere als in innenpolitischem? Zur Motivation und Funktionsweise: Hier wäre zu untersuchen, warum Religiöses zur Argumentation herangezogen wurde und wie es seine Wirkung entfaltete. – War das Religiöse als durch seinen konkreten Inhalt überzeugendes Argument gedacht, oder wurde seine Wirksamkeit eher von der generellen Bezugnahme auf die Götter erwartet? Wurde Religiöses als explizite Begründung oder suggestiv eingesetzt? Führten neben wie auch immer gearteten inhaltlichen Überlegungen auch rein rhetorische bzw. stilistische Gründe zum Einsatz religiöser Argumente? Wollte man mit ihrer Verwendung dem mos maiorum entsprechen bzw. verwendete man sie einfach, weil es zum ›guten Ton‹ gehörte? Orientiert an der antiken Überzeugung, eine Rede müsse, um das Publikum für die eigene Sache zu gewinnen, belehren, Vergnügen bereiten und bewegen:69 spielte da Religiöses in allen drei Bereichen dieselbe Rolle? Wurden religiöse Argumente zumindest manchmal auch in gewisser Weise unbewußt oder unabsichtlich eingesetzt? Zielten sie direkt auf das politisch-gesellschaftliche ›Empfinden‹, oder sollten sie gewissermaßen auf Umwegen politisch wirksam werden? Basierte ihre Wirksamkeit auf der Furcht vor den Göttern oder darauf, daß sie beispielsweise auf bewährte Werte, Regeln und Verhaltensweisen verwiesen, die das gesellschaftliche und politische Leben erleichterten? Rückschlüsse auf die ›Konstitution‹ von Argumentierenden und Adressaten: Im Anschluß an die Frage nach der Motivation, religiöse Argumente zu verwenden, und im Anschluß an die Frage nach ihrer Funktionsweise wird man auch wissen wollen, ob bzw. inwiefern religiöse Argumente von religiösen Überzeugungen des Argumentierenden und bzw. oder derer, an die sich die Argumentation wandte, zeugen. Zum Stellenwert und der Häufigkeit: Hier wäre festzustellen, welches Gewicht religiösen Argumenten im Kontext anderer etwa juristischer, vom mos maiorum abgeleiteter oder an der ›politischen Vernunft‹ bzw. an der Nützlichkeit orientierter Argumente zukam – sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. – Wie häufig wurden sie genutzt? Welchen Wert maß man ihnen bei? Wurden sie vor allem dann genutzt, wenn Mangel an anderen Argumenten herrschte? Wurden sie genutzt, weil sie schwerer angreifbar waren, weil man sich bei ihnen auf die communis opinio stützen konnte? Zum Erfolg: Gerne wüßte man, wie erfolgreich religiöse Argumente tatsächlich waren. – Hatte man mit ihnen immer einen Trumpf in der Hand? Welchen Anteil hatten sie am Erfolg oder auch am Mißerfolg einer Argumentation? Zu Veränderungen: Schließlich wird man erfahren wollen, ob all dies ein Kontinuum darstellte oder aber Veränderungen unterworfen war. – Ist ein zeitlicher Wandel zu beobachten? Worin bestand er gegebenenfalls? Was hat ihn verursacht? Betrifft der Wandel lediglich die Argumentationspraxis einzelner Personen, oder ist er genereller Art? Docere, delectare, movere: z.B. Cic. Brut. 185; 276; vgl. orat. 69 (probare, delectare, flectere – beweisen, Vergnügen bereiten, umstimmen bzw. erweichen); weitere Belege bei Lausberg 21973, §257.

3. Quellenlage

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Es ist offensichtlich, daß sich auf manche dieser Fragen nur schwer eine Antwort finden läßt. So, wo es darum geht, die Motivation für den Einsatz religiöser Argumente zu erkennen, und zu entscheiden, wie bewußt, d.h. in welchem Maß reflektiert man das getan hat. Das tatsächlich wirksame Moment der Argumentation auszumachen, ja, auch nur festzustellen, ob ein Argument überhaupt Wirkung gezeigt hat, wird nur selten möglich sein. Rückschlüsse auf die ›Konstitution‹ von Argumentierenden und Adressaten dürften nur bedingt gezogen werden können. Wichtig ist auch die Frage, wie repräsentativ, d.h. in welchem Grad verallgemeinerungsfähig die in Frage kommenden Quellen bzw. deren Auswertung sind. Ebenso deutlich ist, daß zur Beantwortung anderer Fragen umfassende Vergleiche notwendig sind. So, wo es um die Frage geht, wer wem gegenüber unter welchen Umständen welche Argumente verwendet hat, wo es also auch darum geht festzustellen, ob eine individuelle Argumentationsweise vorliegt, oder ob es sich um eine allgemeine Gewohnheit handelt. Auch einen zeitlichen Wandel in der Argumentationspraxis, sei es im Bezug auf eine Person, sei es im Bezug auf Modeerscheinungen, sei es im Bezug auf längerfristige Entwicklungen, kann man nur vergleichend ausmachen.

3. Quellenlage Die Untersuchung der skizzierten Fragen kann sich für die Zeit der späten römischen Republik – jedenfalls gemessen an der Quellenlage für frühere Epochen – auf eine relativ breite und vielfältige Quellenbasis stützen, kann im Prinzip doch jede Information über eine Äußerung, jedes Zitat, jede Schrift, die nur irgendwie in politischem Kontext steht, Quelle sein. Zu denken ist vor allem an Cicero – an den Großteil seiner Reden, an viele seiner Briefe, letzten Endes an die meisten seiner rhetorischen und philosophischen Schriften, aber beispielsweise auch an Sallust, an Caesar, an den Autor der Invectiva in Ciceronem.70 Im Sinn der Frage nach der gewissermaßen alltäglichen Argumentationspraxis im politischen Getriebe wird man freilich besonderes Augenmerk auf die Quellen richten, die möglichst unmittelbar aus der politischen Argumentation heraus entstanden sind, in erster Linie also auf Reden Ciceros, aber auch auf manche seiner Briefe.71 Tatsächlich ist die Fülle der Quellen, die für die oben beschriebenen Fragestellungen relevant sind, so groß, daß für die vorliegende Untersuchung eine Wahl getroffen werden mußte. Genauer gesagt ist es die Dichte der Stellen, an denen in vielen der in Frage kommenden Quellen mit Religiösem argumentiert wird, die Vielfalt der dabei verwendeten Bezüge auf Religion und die Verschiedenartigkeit der mit ihnen gestalteten Argumente, die eine Einschränkung notwendig macht: Alleine in den wesentlich politischen Reden nutzt Cicero an über 500 Stellen Religiöses argumentativ; dabei lassen sich über 30 verschiedene Themenbereiche ausmachen. So ist vom Wirken der Götter, von ihrem Willen und ihren Willensäußerungen die Rede, aber auch von ihrem Verhältnis zur res publica und von ihren Eigenschaften. Das Verhalten und auch die Haltung von Menschen gegenüber Göttern 70

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Zu denken ist freilich auch an Quellen anderer Gattung, insbesondere an Münzen; zu ihnen vgl. etwa Classen 1986; Spannagel 2000, 247–266; Clark 2007, 137–161, 291–299; einführend Williams 2007, 143–155. Bei aller Fülle an Quellen steht freilich außer Frage, daß sie sehr Cicerolastig sind. Zur Frage nach der ›Unmittelbarkeit‹ insbesondere der Reden vgl. S. 57ff.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

werden thematisiert, ebenso die Bedeutung von Priesterschaften; Einrichtungen des Kults finden Erwähnung – so z.B. Opfer und Gebete, Feste, Altäre und Tempel. Eide und Losverfahren, die Furien, der Tod und der Totenkult, Schicksal, Glück und Unglück, Heiliges und Frevel spielen eine Rolle. Schließlich ist von einzelnen Menschen wie auch von Personengruppen und Institutionen die Rede, die göttlich oder göttergleich sind oder zumindest so geartete Eigenschaften besitzen oder entsprechende Leistungen aufzuweisen haben. Neben diesen expliziten Bezügen auf Religion verwendet Cicero religiös konnotierte Begriffe, Begriffe also, deren Bedeutungsspektrum sich unter anderem auf Religiöses erstreckt – etwa, weil sie auch termini technici religiöser Sprache sind oder weil sie dadurch, daß sie eben auch in religiösem Zusammenhang verwendet werden, in assoziativer Weise eine Verbindung zu Religion herstellen –, bei denen freilich an der jeweils interessierenden Stelle diese Bedeutung nicht im Vordergrund steht, es aber denkbar ist, daß sie dennoch mit anklingt.72 Derartige Begriffe sind in obiger Zählung nicht enthalten; sie sind aber – zumindest in einigen Reden – abundant.73

4. Methode Angesichts der Fülle des Quellenmaterials ist es sinnvoll, nur eine einzige Rede Ciceros in das Zentrum der Untersuchung zu stellen. Diese Rede soll möglichst umfassend unter der thematisierten Fragestellung analysiert werden. Auf diese Weise mag diese Untersuchung als Anreiz und gewissermaßen als Modell für ähnliche Analysen dienen, in deren Zusammenschau man schließlich der Beantwortung der angesprochenen Fragen noch näher kommen kann. Als Gegenstand für meine Untersuchung eignet sich die erste Catilinaria besonders gut: Sie ist vollständig erhalten und gut überliefert.74 Die Umstände ihres mündlichen Vortrags wie auch ihrer schriftlichen Publikation sind relativ gut bekannt; dies gilt ebenso für den historischen Kontext, in dem sie insgesamt zu sehen ist.75 Zudem markiert sie einen entscheidenden Punkt in einer historisch besonders bedeutsamen Situation.76 Die Argumentation ist rein politisch – dies in dem Sinn, daß sie, ohne mit der Behandlung einer bestimmten Sachfrage wie etwa einem Gesetzesvorschlag verbunden zu sein – was die Hauptlinien der Argumentation mit hätte prägen können –, direkt der Auseinandersetzung über die Partizipation an der Macht innerhalb der politischen Elite entsprungen ist. Der Anlaß der Rede wie auch die Bedingungen, unter denen sie gehalten wurde, hatten sich kurzfristig ergeben; zudem entwickelte sich die Situation im Senat während der Rede ständig weiter und erforderte so immer wieder schnelle Reaktionen des Redners.77 Dies läßt es möglich erscheinen, 72

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Zur Problematik des Begriffs ›Konnotation‹, seinen Verwendungsweisen und Bedeutungsvarianten vgl. zusammenfassend Eggs, Kalivoda 1998. Hier wird er schlicht im Sinn von ›(Neben)bedeutung‹ verwendet – sei es, daß sie gewissermaßen sachlicher, assoziativer, wertender oder auch emotionaler Art ist. In der ersten Catilinaria beispielsweise finden sich neben gut einem Dutzend expliziter Bezüge auf Religion annähernd vierzig religiös konnotierte Begriffe, die an einhundert Stellen Verwendung finden. Vgl. Maslowski 2003, praefatio. Vgl. dazu Kap. II und III. Vgl. dazu S. 37f., 51ff., 72f., 77, 91f. Vgl. dazu S. 88ff.

4. Methode

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daß die Rede auch in ihrer schriftlichen Form sehr unmittelbar ist, d.h. einen besonders treffenden Eindruck davon vermittelt, wie man sich im Senat in einer akuten Auseinandersetzung spontan äußern konnte.78 Über die Rezeption und Wertschätzung der Rede in der Antike ist einiges bekannt; hinsichtlich ihrer politischen Bedeutung, vor allem aber in Hinblick auf ihre rhetorische Qualität wurde ihr immer wieder ein besonders hoher Rang innerhalb des Œuvres Ciceros attestiert.79 In der zweiten Catilinaria hat sie ein Gegenstück, dessen Kontext ähnlich gut bekannt ist; dies eröffnet die Möglichkeit zu vergleichen, wie Cicero in Situationen, die auf das Engste miteinander verbunden waren, im Senat und in einer contio sprach.80 Ohne daß dies einen Grund darstellen könnte, die erste Catilinaria doch nicht ins Zentrum der Untersuchung zu stellen, ist zu konzedieren, daß sich diese Rede manche der genannten Vorteile mit anderen Reden teilt. So bilden auch die erste und die zweite Rede De lege agraria, die beiden Reden Post reditum und die dritte und vierte Philippica insofern Redepaare, als sie eine eng verwandte Thematik vor dem Senat und vor dem Volk behandeln. Insbesondere auch von der dritten Philippica kann man sagen, sie markiere einen entscheidenden Punkt in einer historisch besonders relevanten Situation: In ihr forderte Cicero den Senat dazu auf, zu erkennen zu geben, daß man M. Antonius als hostis betrachte; mit ihr veranlaßte er den Senat, die Maßnahmen, die D. Iunius Brutus und der jüngere Caesar privatim gegen Antonius getroffen hatten, zu bestätigen. Dieser Beschluß stellte eine Weichenstellung mit weitreichenden politischen Folgen dar, die zunächst in den Bürgerkrieg, letztendlich aber zum Principat des Augustus führten. Die dritte Philippica gilt zudem als besondere rhetorische Meisterleistung.81 Als rein politisch im oben beschriebenen Sinn können etwa auch die Reden Post reditum gelten, geht es in ihnen hauptsächlich doch ›nur‹ um die Pflege politischer Beziehungen und um die Reintegration Ciceros in die politische Elite nach seiner Rückkehr aus dem Exil bzw. um die Neubestimmung seiner Stellung innerhalb des gesellschaftlichen Machtgefüges. Daß andere Reden andere Vorteile böten, ist ebenfalls nicht zu leugnen. So würde sich z.B. die Rede De lege Manilia für einen Vergleich zwischen rhetorischer Praxis und rhetorischer Theorie etwa hinsichtlich der Frage, in welchen Passagen einer Rede es sich besonders empfiehlt, auf Religion Bezug zu nehmen, insofern besonders anbieten, als ihr formaler Aufbau recht weitgehend den Empfehlungen der rhetorischen Literatur entspricht. Nicht zu übersehen ist außerdem, daß manche Punkte, die zunächst für die Wahl der ersten Catilinaria sprechen, auch ihre Schattenseite haben. So sind die Umstände, die für die besondere ›Unmittelbarkeit‹ der Rede gesorgt haben, ebenso wie der politische Zusammenhang, in dem sie insgesamt zu sehen ist, mitverantwortlich dafür, daß das Spektrum an sachlichen Argumenten, das Cicero nutzen konnte, sehr eingeschränkt war, er also nicht so sehr auf das probare bauen konnte, vielmehr besonders intensiv auf das delectare und vor allem das movere setzen mußte.82 Die letzten beiden Überlegungen erinnern zudem an etwas, was auf der Hand liegt, was aber dennoch ausdrücklich festgehalten werden soll: Die erste Catilinaria kann ebensowe78 79 80 81 82

Vgl. dazu auch S. 60f. Vgl. dazu S. 92 Anm. 16. Vgl. dazu auch S. 247ff. Vgl. etwa Fuhrmann in seiner Einleitung zu dieser Rede, 202–204. Vgl. dazu auch S. 46ff., 91f.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

nig wie irgendeine andere Rede in platter Weise als stellvertretend für andere gelten. Vielmehr ist jede Rede in irgendeiner Hinsicht ›besonders‹ und ›anders als die anderen‹. Zu sehr unterscheiden sie sich etwa hinsichtlich ihrer formalen Gestaltung, ihres Stils, ihres Gegenstandes, ihres konkreten Publikums, der politischen Situation, der äußeren Begleitumstände, der persönlichen Lage des Redners wie auch seiner Stellung zu dem Gegenstand seiner Erörterung, als daß irgendeine Rede ›repräsentativ‹ sein könnte. Diese Kautel ist selbstredend auch bei der Einordnung der Ergebnisse dieser Untersuchung zu berücksichtigen. Am Anfang dieser Untersuchung stand das Bestreben, alle für die Erörterung der oben beschriebenen Fragestellungen relevanten Stellen aufzufinden. Während dies für die expliziten Bezüge auf Religion keine besondere Schwierigkeit darstellte, erforderte es z.T. recht weitgehende Analysen der Wortbedeutung und des Sprachgebrauchs, um auch möglichst alle religiös konnotierten Begriffe als solche zu erkennen. Dafür sind neben Spezialuntersuchungen,83 etymologischen Wörterbüchern84 und Indices85 der Thesaurus linguae latinae und Sammlungen digitalisierter Texteditionen mit der Möglichkeit der Volltextrecherche86 mächtige Hilfsmittel. Die Abwägung, ob die religiöse Konnotation eines Begriffs an einer bestimmten Stelle tatsächlich zum Tragen kommt, ob dies wenigstens mit einiger Wahrscheinlichkeit der Fall ist, oder aber, ob dies ganz auszuschließen ist, war dann bereits mit der eingehenderen Interpretation der Stellen verbunden. Die textnahe historisch-philologische Kommentierung und Interpretation ist das Kernstück der Untersuchung.87 Sie ist zentral für das Verständnis der einzelnen Stellen wie auch für das Verständnis von deren Stellung im Gesamtzusammenhang der Rede und also die Basis für die Annäherung an die oben vorgestellten Fragestellungen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Lesbarkeit orientiert sich die Präsentation der Untersuchungsergebnisse jedoch nicht an diesen Arbeitsschritten. Vielmehr werden zunächst die Kapitel II und III die Quelle, die im Zentrum dieser Untersuchung steht – eben die Erste Catilinarische Rede –, und damit Ciceros Argumentation in dieser Rede, historisch möglichst genau einordnen. Neben den politischen Zusammenhängen der Entstehung der Rede im Jahr 63 und ihrer Publikation im Jahr 60 gilt das Augenmerk dabei insbesondere der kommunikativen Situation, in der die Rede jeweils zu sehen ist. Kapitel IV enthält die historisch-philologische Kommentierung und die Interpretation der Stellen, an denen Cicero mit Religiösem argumentiert. Kapitel V wird dann die Ergebnisse dieser Interpretationen in Hinblick auf die oben entwickelten Fragestellungen auswerten. Auf den ersten Blick verwundern mag, daß den jeweils zu interpretierenden Stellen in aller Regel eine eigene, stilistisch manchmal vielleicht etwas ungelenk wirkende Übersetzung beigegeben ist. Derartige und auch derart häufig Übersetzungen beizugeben, erschien mir freilich sinnvoll, um deutlich zu machen, auf welchem Textverständnis die Interpretation 83 84 85 86 87

Beispielsweise Fugier 1963; Fugier 1986; Hellegouarc’h 21972; Benveniste 1969. Beispielsweise Walde, Hofmann 1965/72; Ernout, Meillet 41959. Beispielsweise Kinapenne (Hg.) 2001. So insbesondere die Bibliotheca Teubneriana Latina. Beispiele, die zeigen, wie gewinnbringend textnahe Interpretation – close reading, wenn man so will – ist, vorausgesetzt, sie berücksichtigt die vielfältigen Zusammenhänge, in denen der zu interpretierende Text und sein Gegenstand stehen – also etwa die literarischen und die historischen –, sind Legion; als Beispiele herausgegriffen seien hier lediglich Rüpke 1998 und Linderski 2001.

5. Der Begriff ›Religion‹

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jeweils beruht. Verwundern mag außerdem die Ausführlichkeit der Fußnotentexte. Um den ›roten Faden‹ der teils recht komplexen Interpretationen nicht zu verwirren, schien es jedoch angezeigt, nicht nur Quellen- und Literaturbelege, sondern auch jede Art von Nebenüberlegung – Erklärungen spezieller Sachverhalte etwa oder die Diskussion differierender Forschungsmeinungen – aus dem Haupttext auszugliedern. Angeregt ist die Untersuchung unter anderem von religions- und literaturwissenschaftlichen, daneben auch von sprachwissenschaftlichen88 Fragestellungen; sie versteht sich aber als im Kern historische Arbeit.89

5. Der Begriff ›Religion‹ Bisher habe ich den Begriff ›Religion‹ wie auch seine Derivate benutzt, ohne ihn eigens zu klären. Auf den ersten Blick scheint dies tatsächlich fast schon entbehrlich zu sein, kann doch die Auffassung als communis opinio gelten, die Andreas Bendlin folgendermaßen formuliert: ›Religion‹ ist ein »Terminus der religiösen Selbstbeschreibung«, der »ein System von gemeinsamen Praktiken, individuellen Glaubensvorstellungen, kodifizierten Normen und theologischen Erklärungsmustern« bezeichnet, »dessen Gültigkeit zumeist auf ein autoritatives Prinzip oder Wesen zurückgeführt wird«, er ist »für die Religionswissenschaft … dagegen eine rein heuristische Kategorie, mit der jene Praktiken, Vorstellungen, Normen und theologische Konstrukte historisch untersucht werden, deren inhaltliche Unbestimmtheit eine einheitliche Definition dessen, was Religion sei und durch wen oder was sie sich legitimiere, aber ausschließt«; gleiches gilt für die Auffassung, daß ›Religion‹ sich lediglich als »Terminus der modernen europäischen Selbstbeschreibung religiöser Systeme« findet, in anderen – antiken wie nachantiken – Kulturen jedoch »kein sprachliches Äquivalent hat«.90 Da in der Folge jedoch die Anwendbarkeit des Begriffs ›Religion‹ auf antike Verhältnisse ab und zu grundsätzlich in Frage gestellt91 oder in Reaktion auf die früher vorherrschende »Tendenz, moderne europäische Vorstellungen von Religion auf die Antike zu übertragen«, zumindest »die Marginalisierung des individuellen religiösen Empfindens und des persönlichen ›Glaubens‹ zugunsten des gesellschaftlich relevanten rituellen Handelns« betrieben wurde,92 bedarf sie einer Rechtfertigung. Zu finden ist sie darin, daß sich ›Religion‹ »als Gegenstand der religionsgeschichtlichen Forschung … weder mit den auf der objekt88 89

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Anregend etwa Kaempfert 1971; Kaempfert (Hg.) 1983. Es fragt sich natürlich, ob angesichts der transdisziplinären Thematik dieser Untersuchung eine derartige Zuschreibung überhaupt sinnvoll ist. Gemeint ist jedenfalls: sie nimmt von ganz wesentlich historisch geprägten Fragestellungen ihren Ausgang. Bendlin 2001b; vgl. etwa Rudolph 1994; Beard, North, Price 1998, Xf.; Rüpke 22006, 12– 18; Hock 22006, 10–21. Zur Entwicklung des modernen Terminus ›Religion‹ vgl. etwa Feil 1986/ 97/2001/07; Smith 1998, zusammenfassend Rudolph 1994; Kehrer 1998; Bendlin 2001b; zu antiken objektsprachlichen Termini, die »Teilbereiche religiösen Verhaltens« bezeichnen, ohne jedoch »die Bedeutung des modernen Religionsbegriffs« zu erreichen – so etwa religio – vgl. zusammenfassend ebenfalls Bendlin 2001b (mit Literatur); speziell zu religio etwa Rüpke 2009b, 332– 339; Rüpke 2011, 158–164; zu religiosus de Souza 2001. So sucht etwa Sabbatucci 1988 den Religionsbegriff in einen allgemeinen, geradezu »verschwommenen« (Rudolph 1994, 137f.) Kulturbegriff aufzulösen. Bendlin 2001b. Zur Kritik an diesem wie auch an weiteren Elementen des Konzepts der Polis-Religion s.o. S. 15f.

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I. Forschungsstand, Themenstellung, Quellenlage, Methode, Terminologie

sprachlichen Ebene vorgegebenen Termini noch durch einen erweiterten ›Kultur‹-Begriff … hinreichend erfassen läßt« und also die »Gewinnung« (respektive die Verwendung) »eines metasprachlichen Religionsbegriffes« notwendig bzw. sinnvoll erscheint.93 Festzulegen, welche Bereiche dieser metasprachliche Begriff konkret umfassen soll, stellt eine weitere Schwierigkeit dar; letzten Endes ist dies der Entscheidung jedes Wissenschaftlers überlassen.94 Sicherlich wird man alles, womit auch immer Menschen auf Götter Bezug nahmen, berücksichtigen, wohl auch ihre »Kommunikation über die Götter als solche«, ebenso den Komplex Tod und Totenkult,95 außerdem den Bereich der Verehrung von Personen – zu denken ist etwa an Imperiumsträger, später an die Kaiser – und der Verehrung von Mächten – etwa der Roma oder des Populus Romanus. Abhängig von der Fragestellung, die man untersucht, kann es m.E. freilich sachdienlich sein, den Begriff weiter zu fassen und etwa Phänomene, die streng genommen lediglich mittelbar mit so definierter ›Religion‹ zu tun haben, ebenfalls zu berücksichtigen.96

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Bendlin 2001b. So etwa Rüpke 2007c, 125; vgl. Rüpke 22006, 12; Smith 1998, 281. Zur Problematik einer Definition von ›Religion‹ generell auch Pollack 1995; Auffarth, Mohr 2000, bes. 164–166. Vgl. auch Beard, North, Price 1998, die geradezu programmatisch auf eine formale Definition von ›Religion‹ verzichten, die vielmehr festzustellen versuchen, was in Rom als ›Religion‹ gelten kann und inwiefern sich dies von unserem Verständnis unserer eigenen religiösen Welt unterscheidet (Beard, North, Price 1998, Xf.). So etwa Rüpke 2001b, 17–24 in Bezug auf Rom; vgl. bereits Spiro 1966, 96, der Religion definierte als »an institution consisting of culturally patterned interaction with culturally postulated superhuman beings«. So erweist es sich im Rahmen dieser Untersuchung beispielsweise als sinnvoll, den Begriff patria zu den zumindest in weiterem Sinn religiös konnotierten Begriffen zu zählen; vgl. dazu S. 169f.

Kapitel II

Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede Den historischen Kontext der Ersten Catilinarischen Rede zu analysieren und zu schildern, mag müßig erscheinen, gehört die Zeit Ciceros und besonders das Jahr seines Konsulats doch zu den Phasen der römischen Geschichte, die besonders intensiv untersucht wurden. Nicht zuletzt angesichts ihrer transdisziplinären Thematik mag die vorliegenden Studie jedoch auch Leserinnen und Leser finden, denen diese Zusammenhänge nicht en détail vertraut sind. Diese Zusammenhänge anzusprechen, ist m.E. jedoch auch bereits aufgrund der Tatsache geboten, daß vieles, was die Geschichte dieser Zeit anbelangt – die res gestae wie die historia rerum gestarum –, nach wie vor unsicher oder strittig ist. Manche dieser Unsicherheiten und Streitpunkte haben Einfluß auf das Verständnis und die Interpretation der Rede und auch auf die Einordnung der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung. So ist es angezeigt, deutlich zu machen, wo Schwierigkeiten liegen und von welcher Sichtweise im Folgenden jeweils ausgegangen wird. Derartige Unsicherheiten und Streitpunkte beginnen bei Fragen der Chronologie, reichen über Fragen der Historizität von Ereignissen bis hin zu Fragen der Authentizität der tradierten Rede und enden bei Fragen der wissenschaftlichen Einschätzung und Wertung. So ist z.B. nicht mit letzter Sicherheit geklärt, wann Cicero die Erste Catilinarische Rede gehalten hat und wie man sich die Situation im Detail vorzustellen hat, in der dies geschah.1 Umstritten ist, wie real beziehungsweise wie groß die Gefahr überhaupt gewesen ist, die von Catilina ausging und, damit verbunden, ob Cicero tatsächlich in einer Situation akuter Bedrohung oder aber in einer, nicht zuletzt mithilfe der auszuwertenden Rede, ganz wesentlich von ihm selbst als Notlage der res publica inszenierten Situation gesprochen hat.2 Ebenso umstritten ist, in welchem Maß sich die Rede, die Cicero schriftlich publiziert hat, von der Rede unterscheidet, die er tatsächlich gehalten hatte, und insbesondere, ob die zwischenzeitliche Veränderung der politischen Lage die Gestaltung der überarbeiteten Rede beeinflußt hat.3 Strittig ist außerdem die Gewichtung verschiedener Aspekte der Zielsetzung der Rede sowie Wirkung und Bedeutung der Rede.4 Weitere Kontroversen gelten der Stellung Ciceros im Machtgefüge seiner Tage, insbesondere zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Rede,5 und nicht zuletzt der historischen Bedeutung des Jahres 63 im allgemeinen und der Catilinarischen Verschwörung im besonderen.6 1 2 3 4 5 6

Vgl. dazu S. 88ff. Vgl. dazu S. 46ff., 72f., 75ff. Vgl. dazu S. 54ff., 63f. Vgl. dazu etwa S. 77, 88ff. Vgl. dazu S. 39ff., 46ff., 51ff., 76f. und bes. 54ff., 63ff. Vgl. dazu S. 34ff., 37f., 72ff.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

Nuancierungen gegenüber manch einer anderen Darstellung des historischen Kontexts der Ersten Catilinarischen Rede finden sich in der vorliegenden Untersuchung außerdem beispielsweise in der Betonung der engen Verbindung der Verschwörung mit der allgemeinen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Lage in Rom und Italien7 und in der Betonung der Undurchsichtigkeit der Machtverhältnisse und der Frontverläufe zwischen den politischen Akteuren und der Folgen, die sich daraus für Cicero ergaben.8 Auch sollte m.E. stärker, als es oft geschieht, betont werden, daß Cicero als selbständige politische Größe mit einem eigenem Profil und eigenen politischen Vorstellungen anzusehen ist, die gerade in der in Frage stehenden Zeit auch einen ernstzunehmenden Machtfaktor darstellte.9 Der communis opinio entspricht es darüber hinaus wohl auch nicht, wenn ich Cicero in den Jahren 63 und 62 als regelrechten Gegenspieler des Pompeius sehe und dessen Unmut Cicero gegenüber nicht so sehr mit unangemessenen Äußerungen Ciceros als mit der tatsächlichen Konkurrenz zweier principes erkläre.10 Darüber hinaus vertrete ich anders als die communis opinio die Auffassung, weder der Zeitpunkt noch das die Publikation der konsularischen und damit auch der Catilinarischen Reden auslösende Moment sei von der aktuellen politischen Lage bestimmt gewesen oder gar aus einer akuten Zwangslage Ciceros heraus erfolgt.11 Geradezu ein Novum ist schließlich, soweit ich sehe, die konsequente Zusammenstellung aller mit der Catilinarischen Verschwörung in Zusammenhang stehenden Ereignisse von religiöser Relevanz und deren Auswertung im Rahmen der historia dieses Kontexts.12

1. Die politische und gesellschaftliche Großwetterlage Mit der fortschreitenden Auflösung des aristokratischen Verhaltenskodex und der Aufweichung der sullanischen Ordnung, verbunden mit herrschaftsorganisatorischen bzw. außenpolitischen, gesellschaftlichen und schließlich auch wirtschaftlichen und sozialen Problemen, wurde die politische Situation in Rom immer labiler und komplizierter.13 Im folgenden geht es nicht darum, die damit verbundenen Entwicklungen im Einzelnen nachzu7 8 9 10 11 12 13

Vgl. dazu Kap. II passim, bes. S. 51ff., 73f. Vgl. dazu Kap. II passim, bes. S. 46ff., 50f. Vgl. dazu S. 39ff., 66ff. Vgl. dazu S. 48f., 52f., 66ff. Vgl. dazu S. 63ff. Vgl. dazu S. 77ff. Auflösung des aristokratischen Verhaltenskodex: dazu gehört die extreme Betonung der eigenen dignitas, Karrieren außerhalb des cursus honorum, Sicherung des eigenen Einflusses durch außerordentliche Mandate, Desintegration einzelner, durch Größe und Art der Klientel übermächtiger patroni, zunehmende Gewaltbereitschaft, Zuspitzung der Politikstile ›optimatisch‹ – ›popular‹. Aufweichung der sullanischen Ordnung: durch außerordentliche Imperien, Restauration des Volkstribunats, erneute Zulassung der Ritter als iudices zu den quaestiones perpetuae. Herrschaftsorganisatorische bzw. außenpolitische Probleme: Überforderung des eigentlich stadtstaatlichen Systems durch die Notwendigkeiten der Reichsverwaltung und Herrschaftssicherung, Spartacus, die Seeräuber, Mithradates VI. Gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Probleme: personaler Wandel speziell innerhalb der politischen Elite, Ungleichgewicht der Klientelen der politisch Führenden, Konflikte zwischen Opfern und Nutznießern der sullanischen Proskriptionen, ökonomische Folgen der Kriege, Bürgerkriege und Aufstände, Zunahme des ländlichen und städtischen Proletariats.

1. Die politische und gesellschaftliche Großwetterlage

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zeichnen oder die Komplexität der Zusammenhänge in ihrer Gesamtheit darzustellen, sondern nur darum, einen Rahmen zu schaffen, der den Kontext erkennbar macht, in dem der Konsulat Ciceros und insbesondere die Niederwerfung der Catilinarischen Verschwörung, aber auch das Jahr 60, in dem Cicero Reden seines Konsulatsjahres publiziert hat, zu sehen sind.14 In den Jahren um 63 v.Chr. verfügte Pompeius über das größte Machtpotential im römischen Staat.15 Höhepunkt seiner unorthodoxen Karriere waren die imperia extraordinaria, die ihm 67 v.Chr. zur Bekämpfung der Piraten und 66 v.Chr. im Zuge des dritten Krieges gegen Mithradates VI. durch Volksbeschluß (lex Gabinia bzw. lex Manilia) übertragen worden waren. Beide Aufgaben erledigte Pompeius mit Bravour. Dabei gab er dem Osten der Mittelmeerwelt, sowohl in den Provinzen Roms als auch weit über die Grenzen des Imperium Romanum im engeren Sinne hinaus, eine neue politische Ordnung. Die Regelungen, die Pompeius getroffen hatte, mußten freilich noch vom Senat bestätigt werden. In Erinnerung an die in gewisser Weise vergleichbare Situation der Jahre 85 bis 83, auf die die Schreckensherrschaft Sullas gefolgt war, und in Erinnerung daran, daß diese nicht zuletzt mit Unterstützung des Pompeius zustande gekommen war, fürchtete man in Rom unterdessen das Schlimmste von der Rückkehr des Pompeius.16 Pompeius agierte dann 14

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Einen ersten Überblick über die Ereignisse und Zusammenhänge, die Forschungsdiskussionen, die kaum überschaubare Literaturfülle und die zwar recht dichte, wegen ihrer Tendenz aber doch oft problematische Quellenlage bieten u.a. Bengtson 31982, Christ 31980, Lintott 1994, Wiseman 1994, Bleicken 62004. Grundlegende Studien stammen etwa von Wilhelm Drumann (Drumann 21899–1929), Eduard Meyer (Meyer 31922), Friedrich Münzer (Münzer 1920), Matthias Gelzer (z.B. Gelzer 1912; Gelzer 1939; Gelzer 21959; Gelzer 61960), Ronald Syme (Syme 21951), Christian Meier (z.B. Meier 31997), Alfred Heuß (z.B. Heuß 41976), Erich S. Gruen (Gruen 1974) und Karl Christ (z.B. Christ 42000). Instruktiv neben vielen anderen auch Bringmann 1993; Girardet 1996; Beard, Crawford 21999; Pina Polo 1999. Zu Pompeius, seiner Stellung im Machtgefüge, seinem Verhältnis zum Senat vgl. etwa Meyer 31922, 11–62 (v.a. zur Agitation von Crassus und Caesar gegen Pompeius, dann zur Annäherung Caesars an Pompeius); Gelzer 21959, 100–116; Meier 31997, 270–280 (mit besonderer Betonung der Rolle Catos), 288–293; Sumner 1966 (der eine Rivalität zwischen Crassus und Pompeius, v.a. aber zwischen Caesar und Pompeius in den 60er Jahren in Abrede stellt; dagegen Ward 1972); Mitchell 1973; Heuß 41976, 192–198, 200; Marshall 1976a, 63–90 (speziell zum Verhältnis von Pompeius zu Crassus); Ward 1977, passim (mit besonderer Betonung der Rivalität zwischen Pompeius und Crassus); Leach 1978, 102–122 (mit besonderer Betonung der Tatsache, daß es Pompeius in der Zeit, in der er weit von Rom entfernt gewesen ist, unmöglich gewesen sei, eine aktive Rolle in der stadtrömischen Politik zu spielen); Hillman 1989, 136–179; Schoenlin Nicols 1992; Seager 22002, 67–88; Christ 42000, 251–255, 267–290 (mit besonderer Betonung der Rivalitäten innerhalb der Nobilität insgesamt und der obstruktiven Haltung gegenüber Pompeius, Crassus und Caesar im Speziellen); Bleicken 62004, 76–80, 204–226, 229f. (mit besonderer Betonung der Bedeutung der imperia extraordinaria; vgl. dazu aber Girardet 2001); Dingmann 2007. Zusammenfassend Will 2001; Christ 2004, 97–107; Olshausen 2007. Vell. 2,40,2f.; Plut. Pompeius 43; Cass. Dio 37,20; vgl. 37,44; Cic. fam. 5,7,1. Differenzierend Gelzer 61960, 59, Marshall 1976a, 81, 93f. und Ward 1977, 193–198 (in Bezug auf Crassus; Crassus sei nicht vor Pompeius aus Rom geflohen, vielmehr sei er ihm entgegengereist und habe mit ihm ein Arrangement getroffen). Speziell zur Agitation des Volkstribunen Q. Caecilius Metellus Nepos, die Ende des Jahres 63 und Anfang 62 diese Furcht angefacht haben dürfte, s.u. S. 48f., 52f., 66ff. Seager 22002, 67 gibt sogar zu überlegen, ob nicht bereits die Befürwortung der Wahl Ciceros zum Konsul durch optimatische Kreise mit der Angst vor Pompeius zu erklären ist. Man habe

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

aber anders als seinerzeit Sulla: Er entließ sein Heer und traf im Januar 61 ohne unmittelbare militärische Rückendeckung in Rom ein. Im Senat, zumal im Kreis der Optimaten, war man sehr erleichtert, honorierte seine Einstellung und sein Verhalten aber nicht, sondern brüskierte17 Pompeius vielmehr dadurch, daß man ihm lediglich einen Triumph zusprach, seine Regelungen im Osten aber nicht ratifizierte und Pläne, die der Versorgung seiner Veteranen hätten dienen können, ablehnte.18 Dies geschah offenbar in Fehleinschätzung der politischen Situation insgesamt, der tatsächlichen Machtverhältnisse und der gesellschaftlichen und politischen Rolle, in der sich Pompeius sah: Man glaubte, seinen Einfluß so reduzieren zu können, ohne eine besondere Reaktion erwarten zu müssen. Nicht zuletzt diese machtpolitischen Manöver des Senats haben Pompeius schließlich aber zur Zusammenarbeit mit Crassus und Caesar im sogenannten Ersten Triumvirat bewogen. Caesar war es dann auch, der im Jahr 59 als Konsul die Ordnung bestätigen ließ, die Pompeius im Osten vorgenommen hatte (lex Iulia de actis Cn. Pompei in transmarinis provinciis confirmandis); sein Agrargesetz kam auch Veteranen des Pompeius zugute. Geprägt wurde diese Zeit zunehmend von den Ambitionen des zunächst aus familiären Gründen eher antisullanisch eingestellten, dann generell gegen die optimatischen Senatskreise agierenden Caesar.19 Er absolvierte den cursus honorum zwar problemlos und konnte 63 mit intensiver finanzieller Unterstützung durch Crassus20 seine Wahl zum Prätor und sogar zum pontifex maximus bewirken. Mit seinen politischen Anliegen stand er aber immer wieder auf der unterliegenden Seite;21 seinen Ruf beschädigte er dadurch, daß man ihn wiederholt mit Skandalen in Verbindung bringen konnte.22 Offenbar war er schließlich der 16

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Pompeius nicht die Möglichkeit geben wollen, unter dem Vorwand, die Ordnung gegen einen Konsul Catilina wiederherstellen zu müssen, nach Rom zurückzukehren und so die Macht an sich zu reißen. Cicero habe man zugetraut, mäßigend auf Pompeius einzuwirken; gleichzeitig sei man sicher gewesen, daß er einen sullanischen Staatsstreich keinesfalls unterstützen würde. D.h. man bedrohte seine dignitas. Vgl. Heuß 41976, 193, 198; Christ 42000, 261, 290; Meier 3 1997, 297–299 (allgemein zum »Spannungsverhältnis zwischen dem dignitas-Streben des Einzelnen und der Solidarität der res publica«); vgl. auch Raaflaub 1974; Bringmann 1993; Thome 2000, Bd. 2, 117–134. Die Versorgung der Veteranen spielte in dieser Auseinandersetzung, anders als die Ratifizierung der Ordnung des Ostens, jedoch allenfalls eine untergeordnete Rolle: vgl. Panitschek 1987. Zu Caesar vgl. etwa Strasburger 1938, 90–141; Gelzer 61960, 24–63; Heuß 41976, 198–200; Girardet 1996; auch Meier 1982, 173–255; Will 1992; Canfora 1999; zum Caesarbild durch die Zeiten Strasburger 21968; Christ 1994; zum Caesarbild Ciceros auch Riemer 2001. Zusammenfassend Will 1997a; vgl. auch Meyer 31922, 333–345. Anders Marshall 1976a, 83. So als er, wie auch Crassus, sich 68 bzw. 65 für die Verleihung des Bürgerrechts an die Transpadaner, 65 für die Provinzialisierung Ägyptens und 64/63 für die Agrargesetzgebung des P. Servilius Rullus einsetzte (vgl. aber Strasburger 1938, 90–125 und bes. 127, der zeigt, wie problematisch die Quellenlage ist, und der zu dem Schluß kommt, daß die Beteiligung Caesars an keinem dieser Projekte als sicher nachweisbar gelten kann, der aber auch betont, daß die Zweifelhaftigkeit eines jeden einzelnen Zeugnisses jedoch nicht deren Gesamtheit aus der Welt schaffe, daß der Tenor der Überlieferung also durch eine historische Wahrheit bedingt sein müsse). So als 63 die Klagen gegen C. Calpurnius Piso und C. Rabirius, die ganz wesentlich von Caesar initiiert worden waren, nicht zum Erfolg führten. Eine Schmälerung seines Prestiges stellte es außerdem dar, daß er nach seiner Rückkehr aus Spanien im Jahr 60 auf die Feier eines Triumphs verzichten mußte. Anderenfalls hätte er sich nicht um den Konsulat bewerben können, da Cato durch eine Dauerrede im Senat verhindert hatte, daß rechtzeitig über Caesars Antrag, in absentia kandidieren zu dürfen, abgestimmt werden konnte. Ähnlich prestigemindernd war möglicherweise auch, daß den für 59 zu wählenden

2. Das Jahr 63

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Ansicht, sich wirklichen politischen Einfluß nur, dem Beispiel des Pompeius folgend, durch außerordentliche Kommanden verschaffen zu können. In der Unzufriedenheit des Pompeius, wie auch in der des Crassus,23 lag für ihn die Chance, sich mächtige Verbündete zu schaffen.24 So gesehen, war die Auseinandersetzung zwischen Pompeius und den optimatischen Senatskreisen, die der coitio des Pompeius, des Caesar und des Crassus den Weg ebnete, zentral für Entwicklungen, in deren Verlauf die traditionellen Mechanismen der politischen Willensbildung gesprengt wurden und die schließlich zum Ende der republikanischen Staatsordnung führten.25

2. Das Jahr 63 Dem Jahr 63 kommt in dieser Entwicklung eine Schlüsselstellung zu. Dies gilt in besonderer Weise für eine bestimmte Episode: für die Catilinarische Verschwörung. Dadurch daß es gelang, diese Krise ohne die Hilfe des Pompeius zu überwinden, gewann der Senat, genauer gesagt, gewannen die optimatischen Kreise im Senat enorm an Autorität. Dieser Erfolg hat wesentlich zu dem Selbstbewußtsein beigetragen, mit dem der Senat in den folgenden Jahren Pompeius gegenüber aufgetreten ist, damit aber auch zu dessen enger Verbindung mit Crassus und Caesar und so paradoxerweise letztendlich auch zum Ende der Republik.26 Von weitreichender Bedeutung ist außerdem, daß sich Cicero im Zuge der Bekämpfung der Verschwörung durch die Hinrichtung einiger Catilinarier politisch wie ju21 22

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Konsuln die Zuständigkeit für silvae callesque als künftige Provinz zugewiesen wurde (dagegen aber Seager 22002, 84f.). So – jedenfalls im Nachhinein – mit der sogenannten Ersten Catilinarischen Verschwörung 66/65, mit der Verschwörung des Jahres 63 und in gewisser Weise auch mit dem Bona-Dea-Skandal im Jahr 62. Skandalös war aber auch seine enorme Schuldenlast, die ihn bis zu seiner Statthalterschaft in Hispania Ulterior im Jahr 61 in Schwierigkeiten brachte – so drohten Klagen seiner Gläubiger sogar seine Abreise nach Spanien zu behindern, bis Crassus für ihn bürgte. Crassus wurde von seinen Standesgenossen u.a. aufgrund seiner auffallend üblen sullanischen Vergangenheit, seiner extremen Geschäftstüchtigkeit und seiner besonders unverfrorenen Art, mit Geld Politik zu machen, nicht wirklich akzeptiert und fühlte sich infolgedessen zurückgesetzt. Vgl. zu Crassus etwa Gelzer 1926; Marshall 1976a, der davor warnt, die Persönlichkeit des Crassus jedoch, tendenziösen Quellen folgend, auf finanzielle Aspekte zu reduzieren und ihn hinsichtlich seiner militärischen und politischen Fähigkeiten zu unterschätzen, und Ward 1977, der Crassus für einen in allen Belangen – außer in seinen politischen Ambitionen – gemäßigten Menschen hält und speziell betont, daß Geld für ihn in erster Linie eine politische Waffe gewesen sei; außerdem Parrish 1973, die insbesondere seine Kontakte zu optimatischen Kreisen beleuchtet; zusammenfassend Will 1999. Ob Caesar freilich der Initiator der coitio war, ist fraglich: Stanton, Marshall 1975 (etwa gegen Gelzer 21959, 114–116; Gelzer 61960, 61f.). Ebenso von Ungern-Sternberg 1998a, 623f.; Christ 2004, 107; ähnlich Seager 22002, 84, der u.a. unter Verweis auf Plut. Lucullus 42 und Cato 30 die besondere Verantwortung Catos betont. Protagonisten der optimatischen Kreise waren Q. Lutatius Catulus (cos 78), L. Licinius Lucullus (cos 74), M. Terentius Varro Lucullus (cos 73), Q. Caecilius Metellus Creticus (cos 69), Q. Hortensius Hortalus (cos 69), C. Calpurnius Piso (cos 67), Q. Caecilius Metellus Celer (cos 60) und M. Porcius Cato. Zum Spezialfall Cicero s.u. S. 39ff. Vgl. Meier 1962; Meier 31997, 271, 287; Meier 1968, 63, 108; Meier 1980, 103–110, 146; Shackleton Bailey 1971, 39; Heuß 41976, 196f.; Fuhrmann 41997, 113; Jehne 2000, 258; Christ 42000, 284.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

ristisch ausgesprochen angreifbar27 gemacht und es so seinen Gegnern erleichtert hat, ihn politisch zu lähmen, phasenweise auch ganz auszuschalten und so die Gruppierung derer zu schwächen, die für die alte res publica eintraten. Bereits ein stark raffender Überblick über die Ereignisse28 zeigt, wie verwickelt die Verhältnisse im Jahr 63 tatsächlich waren: Als problematisch erweist es sich, von ›den Optimaten‹ und ›den Popularen‹, überhaupt nur von bestimmten durch ihre Ziele oder wenigstens durch ihre politische Methoden verbundenen Gruppierungen und von Frontverläufen zwischen diesen Gruppierungen zu sprechen. Deutlich wird, wie unklar die Machtverhältnisse generell wie auch die Mehrheitsverhältnisse in bestimmten Einzelfragen waren. Insbesondere zeigt sich, wie problematisch die Situation für den Konsul Cicero war. Die rogatio agraria des P. Servilius Rullus Am 1. Januar, also unmittelbar nach Antritt seines Konsulats, sprach sich Cicero im Senat, wie auch an den folgenden Tagen in contiones, gegen die rogatio agraria des Volkstribunen P. Servilius Rullus aus. Rullus hatte vorgeschlagen, eine Zehn-Männer-Kommission, die für fünf Jahre mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet sein sollte, mit der Verteilung von Land an besitzlose Bürger in Italien zu betrauen. Dieses Land sollte teils vom ager publicus genommen, teils angekauft werden; der Ankauf sollte unter anderem durch den Verkauf von ager publicus in den Provinzen finanziert werden. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als stellte sich Cicero hier auf die Seite der Optimaten gegen ein klassisch populares Anliegen. Die Dinge liegen aber deutlich komplizierter, fragt man nach den Hintermännern dieser Gesetzesvorlage. Diese hat es allem Anschein nach gegeben, Cicero – und er ist hier unsere einzige Quelle – läßt aber im Dunkeln, um wen es sich handelte.29 In der modernen Forschung wird zumeist davon ausgegangen, Crassus30 oder Crassus gemeinsam mit Caesar31 sei der eigentliche Initiator gewesen. Mithilfe der Landverteilung hätte er bzw. 27 28

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Vgl. etwa von Ungern-Sternberg 1970, bes. 86f., 123–129; Dahlheim 1990; Habicht 1990, 49–52; von Ungern-Sternberg 1997a, 91–99. Vgl. Martin 1965, 44–67, bes. 63–67. Zu den Begriffen optimates und populares vgl. Robb 2010, bes. 15–33, 164f.; zusammenfassend Burckhardt 2000; von Ungern-Sternberg 2001. Zur teilweise nicht unproblematischen Chronologie und zu den Quellen vgl. Gelzer 1939, 865–892; Gelzer 61960, 38f. Anm. 58 (speziell zur Datierung der Rede De proscriptorum filiis); Marinone 2 2004, 82–87, 342–348, 492f.; zu den Quellen außerdem Drumann 21899–1929. Vgl. Formulierungen wie architecti huiusce legis (leg.agr. 1,11); istis tuis harum omnium rerum machinatoribus (1,16; ähnlich 2,23); ii, quos multos magis quam Rullum timetis (1,22); privati quidam (2,12); certi homines (2,15; ähnlich 2,50; 2,54; 2,65; 3,16); illi horum consiliorum auctores (2,20; ähnlich 2,98); ii, qui se decemviros sperant futuros (2,63). Es ist durchaus möglich, daß auch den Zeitgenossen nicht klar war oder nicht klar werden sollte, um wen es sich handelte, und daß auch Cicero kein Interesse daran hatte, sie beim Namen zu nennen, handelte es sich doch in jedem Fall um Männer, die als popular galten; vgl. Fuhrmann 21985, 121. Cic. leg.agr. 1,1; 2,44 spielt allerdings deutlich auf Crassus und Caesar an; dazu Afzelius 1940, 221. Vgl. aber auch Drummond 1999, 158–162, der zu überlegen gibt, daß es möglicherweise gar keine Hintermänner dieser Gesetzesvorlage gegeben hat, es vielmehr Teil der Strategie Ciceros gewesen sein kann, deren Existenz zu suggerieren, um so seine ablehnende Haltung berechtigter erscheinen zu lassen. Bartels 2001; vgl. Christ 42000, 259. Johannemann 1935, 15f.; Gelzer 1939, 867; Afzelius 1940; Gelzer 61960, 38–40; Fuhrmann 21985, 120; Ward 1972, 250–258; Marshall 1976a, 75f.; Ward 1977, 152–162. Ward 1972, 250f., 257f.; 1977, 161 vermutet, daß Pompeius mit der angestrebten lex agraria zur Koopera-

2. Das Jahr 63

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hätten sie ihre Position Pompeius gegenüber aufwerten wollen. Cicero dürfte hier also sowohl in optimatischem Sinn als auch im Sinn des in dieser Zeit als popular einzuschätzenden Pompeius gehandelt haben.32 Cicero argumentierte so erfolgreich, daß Rullus seine Vorlage wohl nicht einmal zur Abstimmung brachte, die Optimaten und Cicero persönlich das Jahr mit einem Erfolg begannen.33 Rückblick: Ciceros politisches Profil bis zum Jahr 63 Cicero mag bei seiner Stellungnahme aber auch ganz eigene Anliegen verfolgt haben. So dürfte es ihm wichtig gewesen sein, sich selbst gerade jetzt, zu Anfang seines Konsulats, als Optimat zu erweisen – in dem Sinne, daß er vorwiegend im und mit dem Senat Politik zu machen gedenkt; als Optimat freilich, der gleichzeitig jedoch wahrhaft popular ist – in dem Sinne, daß er die tatsächlichen Interessen des Volkes wohl beachtet34 und so den consensus omnium bonorum herstellt.35 Wenn sich Cicero mit dieser Stellungnahme auch sehr deutlich positionierte und in gewisser Weise an optimatischem Profil gewann, wäre es freilich zu kurz gegriffen, seine Position alleine durch die Koordinaten ›optimatisch‹ bzw. ›popular‹, oder auch alleine durch die Zuordnung – oder Gegnerschaft – zu bestimmten Personen,36 zu gesellschaftlich, politisch, oder durch ihre Interessen bestimmten Gruppierun31

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tion bewogen werden sollte: Hätte er nicht mit Crassus und Caesar zusammengearbeitet, hätten die beiden ihm schaden können, hätte er aber kooperiert, hätte er insbesondere bei der Versorgung seiner Veteranen von der lex profitieren können. Vgl. Marshall 1976a, 76, der es – allgemeiner formulierend – für wahrscheinlich hält, Crassus sei es darum gegangen, sich eine gute Ausgangsbasis für ein politisches Arrangement mit Pompeius zu schaffen. Sumner 1966 gibt zu überlegen, ob die Gesetzesvorlage nicht doch im Interesse des Pompeius, gewissermaßen in Vorbereitung der Versorgung seiner Veteranen, eingebracht worden ist. Hintermann war seiner Auffassung nach Caesar. In diesem Fall hätte Cicero wiederum in optimatischem Sinn, aber gegen die Interessen des Pompeius gehandelt. Vgl. die Gegenargumente in dieser angesichts der Quellenlage wohl kaum mit letzter Sicherheit entscheidbaren Diskussion bei Ward 1972. Bedenkenswert ist freilich auch die Überlegung von Rawson 1978, 86–89, der zufolge die rogatio des Rullus Pompeius weder begünstigen noch schaden sollte. Erst Cicero habe Pompeius ins Spiel gebracht, um dadurch, daß er reklamierte, im Sinne des Pompeius zu handeln, seine auf Festigung des status quo zielende Politik kaschieren und sich das Wohlwollen des Volks bewahren zu können. Derartige machtpolitische Erfolge, die letztlich aber auf Kosten der Lösung von Sachfragen erzielt wurden, konnten langfristig freilich fatale Folgen haben. Dies v.a. auch deswegen, weil es eigentlich insbesondere um soziale Probleme der römischen Gesellschaft ging. Vgl. die Zusammenschau von von Ungern-Sternberg 1998a (freilich ohne expliziten Bezug auf die Ereignisse des Jahres 63): Diese ›Erfolge‹ unterhöhlten den Glauben breiter Bevölkerungsteile an die Legitimität der bestehenden Ordnung und schufen so die Grundlage dafür, daß Gewalt im Innern mitunter weitgehend akzeptiert wurde. So etwa leg.agr. 1,23–25; 2,6; 2,9–11; 2,102f.; vgl. Seager 1972b, bes. 333f.; Robb 2010, 72–75. Vgl. Ward 1972, 258, der betont, wie wichtig es Cicero war, Pompeius von Crassus und Caesar fernzuhalten, ihn – und mit ihm seine Anhänger unter den Rittern – für den Senat bzw. für die concordia ordinum zu gewinnen. Cicero selbst hat die rogatio agraria als Anschlag auf die res publica gewertet (so leg.agr. 1,22; 1,26) und seinen Erfolg in dieser Sache auch im Rückblick hoch veranschlagt (vgl. Pis. 4; fam. 1,9,12). In Hinblick auf die politischen Weichenstellungen des Jahres 63 ist hier Ciceros Verhältnis zu Pompeius von besonderem Interesse. Vgl. dazu etwa Rawson 1978; auch Johannemann 1935; vgl. auch unten S. 66ff.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

gen37 beschreiben zu wollen, wenngleich diese Größen durchaus von Bedeutung sind. Zumindest bis zu seinem Konsulat, teilweise aber auch darüber hinaus, war für Cicero nämlich der Gegensatz ›homo novus – nobiles‹ mindestens ebenso relevant.38 Seine bisherige Ambivalenz in der Frage ›optimatisch oder popular?‹39 rührte ganz wesentlich von dieser zunächst weit größeren Problematik her. So hatte Cicero bei der Verteidigung des Sex. Roscius aus Ameria im Jahr 80 zwar die sullanischen Proskriptionen angeprangert, Sulla aber – diplomatisch sehr geschickt – vollkommen von seinem verbrecherischen Freigelassenen Chrysogonus losgelöst.40 Ähnlich geschickt wie im Prozeß des Roscius gelang es Cicero im Jahr 70, C. Verres auf das heftigste zu attackieren, ihn gleichzeitig aber als für den Senatorenstand völlig untypisch darzustellen. So gewann er enorm an Popularität, ohne jedoch die Nobilität zu verprellen.41 Mit dieser Besonnenheit, mit der er sich zwischen den verschiedenen Gruppierungen bewegte, mag es zusammenhängen, daß sich Cicero erst als Prätor im Jahr 66 zu einer aktuellen politischen Frage öffentlich äußerte, als er für den Antrag des Volkstribunen C. Manilius plädierte, Pompeius den Oberbefehl im Krieg gegen Mithradates VI. zu übertragen. Auf den ersten Blick exponierte sich Cicero hier in einem popularen Verfahren für populare Politiker. Da sich allerdings die Zahl der Optimaten, die explizit gegen den Antrag eingestellt waren, in Grenzen hielt, lief Cicero nicht Gefahr, die Optimaten insgesamt zu brüskieren. Nicht unerheblich dürfte für Cicero auch die Überlegung gewesen sein, sich so Pompeius – schließlich ein nobilis mit noch immer wachsendem Einfluß – gewogen machen zu können.42 Ähnlich – wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen – lag der Fall im Jahr 65 bei Ciceros Eintreten gegen den Versuch, Ägypten als Provinz einzuziehen. Hier vertrat Cicero mit seiner Rede De rege Alexandrino optimatische Positionen gegen die allerdings recht isoliert stehenden Popularen Crassus und Caesar.43 Auffallend ist, wie deutlich sein Bruder ihn dann zu Beginn des Jahres 64 davor warnte, sich während der Bewerbung um den Konsulat überhaupt zu politischen Fragen zu äußern.44 37 38

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Zu denken ist da etwa an die Ritter; vgl. Bleicken 1995. Vgl. Heinze 1909, passim, bes. 99f., 136–138; Gelzer 1939, 831–865 passim; Habicht 1990, 14– 16, 28f., 34f., 41, 46; zur Begrifflichkeit vgl. zusammenfassend Crawford 2000. Neben Q.Cic. comm.pet. passim ist in diesem Zusammenhang Cic. leg.agr. 2,1–10 besonders aufschlußreich: hier entwickelt Cicero seine Qualität als popularis geradezu aus der Tatsache heraus, daß er homo novus ist, freilich nicht ohne dem Begriff popularis eine eigene Prägung zu geben. Zu den unterschiedlichsten Aspekten des Begriffs popularis bei Cicero vgl. Seager 1972b; Morstein-Marx 2004, 207– 230; Robb 2010, passim, bes. 55–93, 182–184. Sie führte dazu, daß man immer wieder einen Seitenwechsel Ciceros sehen wollte. Vgl. etwa Bengtson 31982, 219: Cicero habe im Jahr 64 von den Popularen zu den Optimaten gewechselt. Bleicken 62004, 78, 227 zufolge hat sich Cicero im Jahr 63 mit seinem Vorgehen gegen Catilina von seiner popular gefärbten Vergangenheit abgewandt (freilich sei Cicero wohl nie popular im eigentlichen Wortsinn gewesen). Vgl. dagegen Mitchell 1979, passim, der auch in der Zeit vor dem Jahr 63 eine grundsätzlich konservativ-optimatische Ausrichtung Ciceros erkennt; ähnlich Fuhrmann 41997, 46, 105–110. Vgl. Habicht 1990, 31f. Daß Cicero allgemein bemüht war, niemandes Feindschaft zu erregen und folglich in Gerichtsverfahren grundsätzlich nur als Verteidiger auftrat, ist sicherlich ebenfalls in diesem Zusammenhang zu sehen (vgl. Habicht 1990, 32). Vgl. Gelzer 1939, 844, 849–851; Habicht 1990, 38f. Vgl. Gelzer 1939, 855f., 858; Habicht 1990, 39f.; sorgsam abwägend Heinze 1909, 112f. Vgl. Gelzer 1939, 862.

2. Das Jahr 63

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Bei all dem ist grundsätzlich zu bedenken, daß Cicero nicht über eine besonders ausgeprägte Hausmacht verfügte. Seine Klientel bestand im Wesentlichen aus denjenigen, die er sich durch seine bisherige Amtsführung verpflichten konnte, und insbesondere aus denjenigen, deren Interessen er vor Gericht vertreten hatte.45 Seine Klientel hatte aber insbesondere keine militärische Komponente und war zum allergrößten Teil nicht ererbt. Dazu kommt, daß Cicero niemandes Protegee war; auch bei der Kandidatur um den Konsulat setzten sich erst sehr spät nobiles für ihn ein.46 Nicht zu unterschätzen sind als weitere Komponenten, die Ciceros Positionierung bestimmten, seine ganz eigenen Vorstellungen davon, wie die res publica gestaltet, wie die unterschiedlichsten Personengruppen in sie eingebunden sein sollten und wie Politik gemacht werden sollte;47 schließlich auch seine Vorstellungen davon, welche Rolle ihm selbst in der 44 45

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Q.Cic. comm.pet. 53. Zu Autorenschaft und Datierung des Commentariolum petitionis vgl. Laser 2001, 5–7, 47. Vgl. etwa auch Q.Cic. comm.pet.: Wenngleich Quintus neben denjenigen, die sein Bruder verteidigt hat, auch alle publicani, fast alle Ritter, viele municipia, ziemlich viele collegia und sehr viele junge Männer, die ihm wegen ihrer Rhetorikstudien verbunden waren, auf seiner Seite sieht (comm.pet. 3), geht aus dem Folgenden deutlich hervor, daß doch v.a. diejenigen den Kern seiner Klientel bilden, die ihm wegen ihrer Verteidigung verpflichtet sind (vgl. comm.pet. 4; 19; 38; 55 und bes. 20). Zu Reate, einem municipium, das in der Klientel Ciceros – das Klientelverhältnis ging auf seine reatinische Praefektur zurück – eine besondere Rolle spielte: Nowak 1973, 76. Vgl. Habicht 1990, 34. Mitchell 1979, 170–175 stuft dagegen die Bedeutung der Beziehungen höher ein, die Cicero mit Mitgliedern der Nobilität in Verbindung brachten. Vgl. Heinze 1909 (ihm zustimmend Gelzer 1939, passim; Habicht 1990, 13), der Cicero gegen den Vorwurf des Opportunismus (etwa gegen Mommsen 81889, Bd. 3, 619f.) verteidigt und mit guten Gründen in Abrede stellt, daß Cicero sich vom Popularen zum Optimaten gewandelt habe. Cicero habe vielmehr von Anfang an eine politische Linie verfolgt, deren Idee sich seit der Rede für A. Cluentius Habitus im Jahr 66 unter dem Begriff concordia ordinum greifen lasse (vgl. bes. Heinze 1909, 121f. zu Cic. Cluent. 152); Gelzer 1939, 861, 864f.; Strasburger 1931 (mit den kritischen Überlegungen von Bleicken 1995, 60–71). Cicero ging es u.a. darum, den Gegensatz ›optimatisch – popular‹ aufzuheben, ihn allenfalls zu ersetzen durch den Gegensatz ›der res publica gutgesinnt – schädlich für die res publica‹. Vgl. dazu auch Meier 1968, 93–95, wenngleich seine Einschätzung, Ciceros Betrachtungsweise sei »unpolitisch-moralisch« (S. 94) gewesen, bzw. er sei, »kraß gesagt … kein Politiker« gewesen (S. 111), sicherlich verfehlt ist (vgl. etwa Habicht 1990, passim). So gesehen ist Shackleton Bailey 1971, 36 darin zuzustimmen, daß eine faktische concordia ordinum im Jahr 63 entstanden ist – und zwar unter Sonderbedingungen –, daß sie daher, als diese Bedingungen wegfielen, nicht mehr funktionierte. Daß Cicero sich lediglich von dieser faktischen concordia begeistern lassen und diese Idee zu der seinen gemacht habe, trifft m.E. jedoch nicht zu. Die concordia ordinum war keine ad-hoc-Erfindung aufgrund eines situationsbedingten Faktums, sondern eine politische Idee, die Cicero schon länger entwickelt hatte. Daher wollte er – und, wie etwa die Münzprägung zeigt (vgl. Classen 1986, 273), nicht nur er – an ihr auch unter veränderten Bedingungen festhalten. Nicht zu unterschätzen ist sicherlich der prägende Eindruck der Personen, die ihm während seines tirocinium fori Vorbild und Bezugspunkt waren: M. Antonius (cos 99) und insbesondere L. Licinius Crassus (cos 95), Q. Mucius Scaevola ›Augur‹ (cos 117) und Q. Mucius Scaevola ›Pontifex‹ (cos 95). Sie vermittelten ihm eine im Wesentlichen konservative, primär optimatischen Grundsätzen verpflichtete Haltung (vgl. Rawson 1971; Mitchell 1979, 10–90). Daß sie – bei aller Einbindung in die aktuellen Ereignisse – gewissermaßen schon exempla gewordene Politiker der (vor)letzten Generation waren, als Cicero sie beobachtete und daß sie ihren Erfolg und ihre Autorität ganz wesentlich herausragenden Fähigkeiten bzw. Kenntnissen – der Rednergabe bzw. des Rechts – verdankten, mag neben anderen Faktoren aber bei Cicero die Entwicklung eigener politischer Ideen und die Orientierung an ihnen in der politischen Praxis gefördert haben. Zu weiteren

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

res publica zukomme. So sollte Cicero bei aller Abhängigkeit von diversen politischen Kräften und bei aller Einbindung in die Verhältnisse als eigenständige politische Größe mit einem eigenen Profil und eigenen politischen Ideen gesehen werden.48 Die contio in Sachen L. Roscius Otho Wie aufgeladen die Stimmung zu Anfang des Jahres 63 war, wie sehr auch größere Bevölkerungsgruppen an den Auseinandersetzungen Anteil nahmen – wie sie zumindest durch Agitation dazu animiert werden konnten –, zeigt eine Begebenheit am Rande szenischer Spiele.49 Als L. Roscius Otho das Theater betrat, empfing das Publikum ihn mit Mißfallensäußerungen, hatte er doch im Jahr 67 als Volkstribun ein Gesetz durchgebracht, das 14 Sitzreihen im Theater ausschließlich den Rittern vorbehielt. Als die Ritter mit Beifallskundgebungen dagegenhielten, drohte die Auseinandersetzung zu eskalieren. Cicero gelang es, die Menge zu beruhigen: Er rief sie zu einer contio vor den Tempel der Bellona und stimmte sie so weit um, daß sie Otho schließlich sogar applaudierte.50 Die Prozesse gegen C. Calpurnius Piso und gegen C. Rabirius Die optimatische Linie, die er im Zuge der Auseinandersetzung über die rogatio agraria eingeschlagen hatte, verfolgte Cicero weiter, als er bald darauf C. Calpurnius Piso und, noch in der ersten Hälfte des Jahres, C. Rabirius in Prozessen verteidigte. Diese Prozesse waren politisch motiviert, ganz wesentlich von Caesar initiiert51 und richteten sich gegen Optimaten bzw. gegen optimatische Ansprüche. Piso,52 einer der Konsuln des Jahres 67, galt als extremer Optimat. Er hatte beispielsweise intensiv gegen die Übertragung von Sondervollmachten an Pompeius im Zuge des Seeräuberkriegs gekämpft. Piso wurde nun in einem Repetundenverfahren vorgeworfen, er habe als Prokonsul im Jahr 66/65 einen Transpadaner ungerechtfertigterweise hinrichten lassen. Ciceros Verteidigung war erfolgreich. Rabirius wurde wegen der Ermordung des Volkstribunen L. Appuleius Saturninus im Jahr 100 angeklagt. Angestrengt wurde das Verfahren von dem Volkstribunen T. Labienus, dem nachmaligen Legaten Caesars. Am ersten Teil des Verfahrens war Caesar als duovir 47 48

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Aspekten der politischen Ideen Ciceros, insbesondere zu seinen Vorstellungen von den virtutes, vgl. Mitchell 1991, 9–62. Zu Cicero allgemein bzw. zu übergeordneten Aspekten seiner Biographie und seines Werks vgl. etwa Boissier 1865; Strachan-Davidson 1894; Sihler 21933 (11914); Petersson 1920; de Benedetti 1929; Laurand 21935/38; Büchner, Gelzer, Kroll, Philippson 1939; Ciaceri 2 1939/21941; Smith 1966; Bringmann 1971; Shackleton Bailey 1971; Stockton 1971; Kumaniecki 1972; Uttschenko 1972; von Albrecht 1973; Rawson 1975; Lacey 1978; Mitchell 1979; Meier 1980; Grimal 1986; Habicht 1990; Fuhrmann 41997; Mitchell 1991; Bernett 1995; von Albrecht 2003; Marinone 22004; Pina Polo 2005; Narducci 2009; Bringmann 2010; zum Cicerobild durch die Zeiten Zielinski 31912/41929; Kumaniecki 1960; Fuhrmann 1989; Habicht 1990, 12–14; zusammenfassend Bringmann, Leonhardt 1997. Um welche Spiele es sich gehandelt hat, bleibt unklar (vgl. Crawford 21994, 213f.). Vgl. Plut. Cicero 13. Zu den politischen Hintergründen des Aufruhrs Crawford 21994, 209–212. Vgl. Sall. Cat. 49,2 bzw. Suet. Caes. 12. Vgl. Münzer 1897b.

2. Das Jahr 63

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perduellionis direkt beteiligt. Cicero trat entweder im zweiten Teil des Verfahrens, der provocatio, vor den comitia centuriata auf, oder – nachdem dieses Verfahren vom Prätor Q. Caecilius Metellus Celer durch die Auflösung der comitia abgebrochen worden war – in einem von Labienus angestrengten zweiten53 Verfahren. Cicero übernahm neben Q. Hortensius Hortalus, der der Anklage in der Sache entgegentrat, den politischen Aspekt der Verteidigung und suchte dabei die Anklage als generellen Angriff auf das Recht des Senats, das sogenannte senatus consultum ultimum auszusprechen, zurückzuweisen. Rabirius wurde letztendlich offenbar freigesprochen.54 Cicero verteidigte hier also ein Recht, das der optimatische Teil des Senats seit der Auseinandersetzung mit C. Sempronius Gracchus im Jahr 121 für sich reklamierte.55 Gleichzeitig war Cicero aber wieder bemüht, sich als wahrhaft popular zu erweisen, verteidigte er doch die Freiheitsrechte der römischen Bürger gegen Labienus, der durch die Einleitung des altertümlichen Perduellionsverfahrens den mittlerweile erreichten Schutz der Bürger vor Geißelung mißachtete und gegen den Geist des von C. Gracchus durchgesetzten Rechts auf provocatio ad populum verstieß.56 Auseinandersetzungen um die Rechte der Söhne Proskribierter, um die legationes liberae und um die Ergänzung der Priesterkollegien Nahezu zeitgleich57 mußte die populare Seite eine weitere Niederlage hinnehmen. Ein Volkstribun hatte vergeblich beantragt, die Söhne der unter Sulla Proskribierten wieder zur Bewerbung um die Ämter zuzulassen. Cicero gelang es, das Volk davon zu überzeugen, daß die Aufhebung dieser sullanischen Bestimmung fatale Folgen für die res publica hätte und daher, trotz aller Härte gegenüber den Betroffenen, aufrechterhalten werden müsse.58 Dagegen drang Cicero wegen der Interzession eines Volkstribunen mit seinem Vorschlag, die legationes liberae abzuschaffen, nicht durch. Die Interzession mag weniger auf das Konto der Auseinandersetzung zwischen optimatischen und popularen Standpunkten gegangen sein, als vielmehr auf den Interessenkonflikt der Senatoren in dieser Sache, waren sie doch Nutznießer dieser legationes.59 Einen uneingeschränkten Erfolg für die populare Seite konnte Labienus – im Hintergrund stand wieder Caesar – verbuchen, als es gelang, die lex Domitia aus dem Jahr 104 oder 103 zu reaktivieren. Die vier amplissima collegia wurden jetzt wieder durch Wahl statt 53

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So vonder Mühll 1914; Gelzer 1939, 870–872 (nach Mommsen 31887/88, Bd. 2, 298 Anm. 3, 615 Anm. 2); Phillips 1974, 90; Helm 1979, 64f. Anders Rawson 1975, 87f.; Tyrrell 1978; Wiseman 1994, 352. Zu den politischen Hintergründen, zu Verfahrensfragen und zu Problemen, den genauen Verlauf des Prozesses zu rekonstruieren vgl. Phillips 1974 und einführend Fuhrmann 21985, 197–201; Helm 1979, 57–69; auch Tyrrell 1978, der es für wahrscheinlich hält, daß das Verfahren kurz vor den Konsulwahlen angestrengt wurde und sowohl als Warnung davor gedacht war, ein senatus consultum ultimum herbeizuführen, als auch dazu, den Widerstand gegen die Wahl Catilinas zu schwächen (S. 51f.). Vgl. von Ungern-Sternberg 1970 (zusammenfassend S. 130–133). Cic. Rab.perd. 10–17. Gelzer 61960, 38f. Anm. 58. Vgl. Cic. Pis. 4; Quint. inst. 11,1,85. Cic. leg. 3,18 zufolge stand der Senat freilich hinter seinem Vorschlag, lediglich ein leichtfertiger Volkstribun habe den Beschluß vereitelt. Immerhin wurde aber die Dauer einer legatio libera auf ein Jahr beschränkt.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

durch Kooptation ergänzt. So kamen die Kompetenzen dieser religiösen Spezialisten erneut in die Reichweite popularer Kontrolle.60 Ehrungen für Pompeius Als im Sommer oder Anfang Herbst der Tod Mithradates’ VI. bekannt geworden war und man folglich davon ausgehen konnte, daß Pompeius in absehbarer Zeit aus dem Osten zurückkehren werde, beschloß der Senat auf Initiative Ciceros eine supplicatio,61 die sich über 10 Tage erstrecken und also doppelt so lange dauern sollte, wie üblich. Aber auch die populare Seite bemühte sich, die Verdienste des Pompeius zu würdigen und diesen so für sich in Anspruch zu nehmen.62 Nicht zuletzt auf Betreiben Caesars brachten die Volkstribunen Labienus und T. Ampius – gegen den heftigen Widerstand Catos – ein Gesetz durch, das es Pompeius erlaubte, bei Spielen die Triumphaltracht und den Lorbeerkranz bzw. die toga praetexta und die corona aurea zu tragen.63 Der Triumph des Lucullus Kurz vor den Konsulatswahlen konnte dann L. Licinius Lucullus – ganz wesentlich auf Betreiben Ciceros64 – den ihm jahrelang vorenthaltenen65 Triumph feiern. Dies stellte für Lucullus sicherlich eine gewisse Genugtuung dar, war aber auch ein Erfolg für die Optimaten insgesamt. Daß die Entwicklung eine für Lucullus günstigere Wendung genommen hatte, mochte damit zusammenhängen, daß man Pompeius gerade jetzt, als er auf dem Höhepunkt seines Erfolges stand, Grenzen aufzeigen wollte.66 Ein wichtiger Effekt ergab sich aber auch aus dem Termin der Triumphfeier, sorgte er doch dafür, daß am Wahltag Veteranen des Lucullus in Rom präsent waren. Diese haben auf die Mehrheitsverhältnisse zum einen durch ihre eigene Stimme eingewirkt, zum anderen aber auch dadurch, daß sie die Entscheidung anderer Wähler durch die Stimmung beeinflußten, die sie in der Stadt verbreitet hatten.67 So sprachen sich viele für L. Licinius Murena, den ehemaligen Legaten des Lucullus, aus – und damit gegen Catilina.68 60 61 62 63 64

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Vgl. Beard, North, Price 1998, 137; vgl. bereits im Jahr 62 die Wahl des M. Aemilius Lepidus, des späteren pontifex maximus und Triumvirn, zum pontifex. Cic. prov. 27. Vgl. Gelzer 21959, 102f. Vgl. Vell. 2,40,4; Cass. Dio 37,21,4. So stellte es Cicero jedenfalls in dem im Jahr 45 verfaßten Dialog Lucullus dar: Cic. ac. 2 (=Luc.) 3. Wie aktiv Cicero in dieser Sache tatsächlich gewesen war, wie sehr er also gegen die Interessen des Pompeius gehandelt hatte, ist nicht leicht einzuschätzen. Lucullus hatte den Rest seiner Kompetenzen im Osten verloren, als Pompeius der Oberbefehl im Krieg gegen Mithradates übertragen worden war – wozu ja nicht zuletzt Cicero mit seiner Rede Pro lege Manilia beigetragen hatte. Pompeius hatte dann mithilfe des Volkstribunen des Jahres 66, C. Memmius, die Zuerkennung des Triumphs hintertrieben (Plut. Lucullus 37,1f.; Plut. Cato Minor 29,3). Ähnlich Rawson 1978, 92f. Diese Konstellation sollte sich im Jahr 62 anläßlich des Triumphs des Q. Caecilius Metellus Creticus gewissermaßen wiederholen (vgl. Münzer 1897a). Cic. Mur. 37f. spricht beide Aspekte an. Tatsächlich dürfte sich die Stärke des anwesenden Heeres (exercitus: Cic. l.c.) in Grenzen gehalten haben, war das Heer des Lucullus doch fast vollständig von Pompeius übernommen worden (Plut. Lucullus 36,4).

2. Das Jahr 63

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Die Konsulatswahlen Im Vorfeld der Konsulatswahlen für das Jahr 62 brachte Cicero mit Zustimmung des Senats erfolgreich die lex Tullia de ambitu ein. Sie stellte partiell eine Verschärfung älterer Regelungen dar; insbesondere drohte sie zehnjähriges Exil an.69 Das Gesetz ist im Zusammenhang mit der Kandidatur Catilinas für den Konsulat zu sehen.70 Die Wahlen fanden erst einige Tage nach dem ursprünglich vorgesehenen Termin statt.71 Die Verschiebung hatte Cicero im Senat veranlaßt, nachdem sich provozierende Äußerungen Catilinas und Anzeichen für bedenkliche, d.h. die res publica – oder zumindest ihre Ordnung – gefährdende Umtriebe gehäuft hatten.72 Catilina von der Wahl ausschließen zu lassen, konnte Cicero dann freilich nicht erreichen.73 Das zeigt deutlich, mit wie großen Vorbehalten man seiner Politik in dieser Sache begegnete. So sicherte Cicero die Wahlen in Eigenregie;74 sie nah68

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Es ist gut möglich, daß dieser Effekt bereits beabsichtigt war, als man Lucullus den Triumph ermöglichte (so Gelzer 1939, 873f.). Keaveney 1992, 134 überlegt dagegen, ob nicht umgekehrt die Tatsache, daß Teile der Truppen des Lucullus gerade in Rom anwesend waren, weil sie Murena bei der Wahl unterstützen wollten, mit dafür gesorgt hat, daß Lucullus nun der Triumph genehmigt wurde, mußte dem triumphierenden Promagistrat doch für den Tag des Triumphes durch Volksbeschluß das imperium für den Stadtbereich verliehen werden (vgl. Mommsen 31887/88, Bd. 1, 128f.; Kunkel, Wittmann 1995, 16). Zu der aufgrund der Quellenlage wohl kaum mit Sicherheit entscheidbaren Frage, ob die lex Tullia de ambitu tatsächlich exilium als gesetzliche Strafe vorsah oder ob hinter diesem juristisch unscharfen Begriff nicht doch die relegatio oder aber die aqua et igni interdictio steht und ob diese – gegebenenfalls – wirklich bei dieser Gelegenheit erstmals als Strafe vorgesehen war, vgl. Kelly 2006, 43; Stini 2011, 35f. Das exilium konnte bislang zwar auch Strafcharakter haben, stellte aber eigentlich die erlaubte Flucht vor einer Kapitalstrafe dar; die aqua et igni interdictio war »ihrem Ursprung nach kein Strafurteil, sondern ein administrativer Akt in Form eines von den Magistraten ausgeführten comitialen Beschlusses« (Stini 2011, 31–36, Zitat 32f.; vgl. Kelly 2006, 25–39), die relegatio eine Form der coercitio, der Befugnis der imperialen Magistrate, bei Störung der öffentlichen Ordnung in die Rechte der Bürger einzugreifen (vgl. Kelly 2006, 65–67; Stini 2011, 36f.). Cass. Dio 37,29,1; Gelzer 1939, 873. Freilich war es dann Murena, der aufgrund der lex Tullia angeklagt wurde: Cic. Mur. 3; 5; 47; 89. Welchen Gegenstand der Prozeß haben sollte, den Cato Catilina in einer Senatssitzung kurz vor den Wahlen androhte (Cic. Mur. 51), ist nicht bekannt (von Ungern-Sternberg 1997a, 86f.). Zur Chronologie der Ereignisse vgl. Gelzer 1939, 874; Benson 1986; Marinone 22004, 82, 492. Die Wahl fand aller Wahrscheinlichkeit nach noch im Juli statt (Benson 1986). So hatte Catilina, als ihm Cato wenige Tage vor den comitia im Senat mit einer Anklage drohte (vgl. oben Anm. 70), geantwortet: Wenn man einen Brand gegen seine Existenz entfache, werde er ihn nicht mit Wasser, sondern mit Trümmern löschen (ruina: Cic. Mur. 51). Wenig später soll er sich bei einer contio domestica als Anführer der Zugrundegerichteten angeboten haben (Cic. Mur. 50). Als Cicero ihn deswegen im Senat zur Rede stellte, erklärte er, der Staat habe zwei Körper, einen gebrechlichen mit schwachem Haupt und einen starken ohne Haupt. Wenn dieser Teil sich ihm gegenüber verdient mache, werde ihm zu seinen, Catilinas, Lebzeiten das Haupt nicht fehlen (Cic. Mur. 51; vgl. Plut. Cicero 14,6). Cic. Mur. 51 zufolge kam es zu keinem Beschluß gegen Catilina, weil die Senatoren teils nichts, teils alles fürchteten. Cass. Dio 37,29,3 zufolge hielt man im Senat die Sache für unwahrscheinlich und argwöhnte, Cicero beschuldige Catilina aus Feindschaft zu Unrecht. Er erschien auf dem Marsfeld in Begleitung einer starken Schutztruppe; unter der Tunica trug er – gut sichtbar – einen Panzer (Cic. Mur. 52; Plut. Cicero 14,8; Cass. Dio 37,29,4f.). Ob Catilina tatsächlich ein Attentat auf Cicero und auf seine Konkurrenten geplant hatte (Cic. Cat. 1,11; Plut. Cicero 14,3), ist schwer einzuschätzen (Gelzer 1939, 874). Zu den privaten Schutztruppen Ciceros vgl. Nowak 1973, 71–85, bes. 78f., 83.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

men einen friedlichen Verlauf. Gewählt wurde neben Murena der mit Cato verschwägerte D. Iunius Silanus. Die Wahl des pontifex maximus Die Wahl zum pontifex maximus war ein besonderer Erfolg für Caesar. Er konnte sich mit überwältigender Mehrheit gegen die für dieses Amt eigentlich prädestinierten Kandidaten, die Konsuln der Jahre 79 und 78 P. Servilius Vatia Isauricus und Q. Lutatius Catulus, durchsetzen und damit auch gegen das Herkommen, demzufolge – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur Konsulare in dieses Priesteramt gewählt wurden.75 Zunächst bedeutete die Wahl für Caesar einen Erfolg in der Auseinandersetzung mit den optimatischen Kreisen und einen auffallenden Prestigegewinn im Kreis der Popularen und bei der breiteren Bevölkerung. Mittelfristig eröffneten sich ihm durch den Oberpontifikat besondere Möglichkeiten zur Einflußnahme auf die Gestaltung von Gesellschaft und Politik.76 Langfristig sollte er dann mithilfe des Oberpontifikats die gewissermaßen sakrale Stilisierung seiner Person und seiner Machtstellung betreiben.77 Berücksichtigt man die weitere historische Entwicklung, so erweist sich diese Wahl als geradezu epochemachend, erbte doch Augustus nach dem Intermezzo des M. Aemilius Lepidus in gewisser Weise dieses Priesteramt78 und begründete so die Tradition, derzufolge der Oberpontifikat für die Stellung aller Kaiser bis hin zu Gratian konstitutiv war.79 Einen weiteren Erfolg konnte Caesar dann mit seiner Wahl zum Prätor für sich verbuchen. Antonius, Pompeius, der Senat und Ciceros Politik gegenüber Catilina Nach dem Scheitern seiner Bewerbung um den Konsulat traf Catilina Vorbereitungen für sein weiteres Vorgehen.80 Davon wurde Cicero informiert, berichtete im Senat darüber, fand jedoch bei vielen keinen Glauben.81 Für Cicero war es außerdem bedenklich, daß C. Antonius, sein Kollege im Konsulat, Catilina gegenüber eine unklare Position einnahm.82 75

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Zum Zeitpunkt der Wahl vgl. Huber 1971, 1–24, der einen Termin nach den Konsulatswahlen, aber vor der Wahl der Prätoren wahrscheinlich macht; zum politischen Kontext der Wahl: Stepper 2003, 28; Rüpke 2, 2005, 1059 Anm. 2; auch Huber 1971, 47–51. Zu Caesar als pontifex maximus allgemein vgl. Stepper 2003, 27–39. Der adrogatio des Clodius in eine plebeiische gens freilich und damit der Möglichkeit, sich zum Volkstribun wählen zu lassen, ebnete Caesar im Jahr 59 wohl nicht als pontifex maximus, sondern als Konsul den Weg (Kunst 2005, 93, 154–156). Stepper 2003, 34–39. Erblich im wörtlichen Sinn war es wohl nicht geworden – so allerdings Cass. Dio 44,5,3 bei der Aufzählung der Ehrungen für Caesar im Jahr 44. Augustus selbst berief sich freilich in suggestiver Weise auf die Tatsache, daß sein Vater Caesar das Amt innegehabt habe (RGDA 10). Vgl. Stepper 2003, 109–112. Vgl. Stepper 2003, passim. Zum Verlauf der Verschwörung vgl. auch S. 72ff. Die milden Meinungsäußerungen derer, die Cic. Cat. 1,30 zufolge die entstehende Verschwörung durch ihren Unglauben stärkten, fielen wohl in der von Suet. Aug. 94,5 erwähnten Senatssitzung vom 23. September. Nicht streng genug reagierte der Senat Cicero zufolge aber auch schon früher, so in besagter Senatssitzung vor den Konsulatswahlen (Cic. Mur. 51, vgl. S. 45). Vgl. Cic. Mur. 49; Sest. 8; Pis. 5. Cass. Dio 37,30,3f.; 37,32,3; 37,33,3 zählt ihn direkt zu den Verschwörern. Zu Antonius allgemein Klebs 1894.

2. Das Jahr 63

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Um mit Antonius zu einem Einvernehmen zu kommen, hatte Cicero ihm bereits vor dem 1. Januar 63 die Statthalterschaft in Macedonia überlassen,83 die Ausstattung der Provinz war aber vom Senat noch nicht festgelegt worden. Dies hing wohl damit zusammen, daß Cicero sich noch nicht entschlossen hatte, Gallia Citerior, die zweite Provinz, die im Jahr 62 unter consularischer Verwaltung stehen sollte, tatsächlich zu übernehmen.84 Jetzt entschied sich Cicero, ganz auf eine Provinz zu verzichten;85 Gallia Citerior ging nun an Q. Caecilius Metellus Celer.86 Wohl im Zuge dieser Verhandlungen wurde auch die Ausstattung der Provinz Macedonia geregelt,87 Antonius dabei zufrieden- und damit für die drohende Auseinandersetzung mit Catilina ruhiggestellt.88 Diese Vorgänge lassen erkennen, wie verhalten der Rückhalt war, den Cicero im Senat auch in den Monaten August und September für seine Position Catilina gegenüber hatte. Dieser Trend sollte sich fortsetzen.89 Dabei hatte Cicero nicht nur Senatoren gegen sich, die aktive Mitstreiter bzw. enge Sympathisanten Catilinas waren,90 sondern auch Personen, die 83 84 85

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Gelzer 1939, 865; Habicht 1990, 41f.; vgl. Cic. leg.agr. 1,25f. Gelzer 1939, 875f. Ob dies tatsächlich damit zusammenhing, daß sich in der Gallia Citerior Aufständische sammelten, Cicero also als Proconsul eine Militäraktion hätte leiten müssen und er sich beim Gedanken daran unbehaglich fühlte – so Gelzer 1939, 875 –, sei dahingestellt. Daß Cicero seinen Platz grundsätzlich, wie auch in der Situation des Jahres 63, eher im Senat als in einer Provinz sah (vgl. Gelzer l.c.), überzeugt mehr. Cicero erklärte jedenfalls in einer contio – diese Rede veröffentlichte er dann auch im Corpus seiner konsularischen Reden – den Verzicht auf die Provinz im Interesse des Staates (vgl. Cic. Pis. 5; Phil. 11,23; Att. 2,1,3). Zum Verfahren Gelzer 1939, 875f. und Allen 1952. Die Datierung dieser Vorgänge ist freilich sehr problematisch; so gibt etwa Allen 1952 zu überlegen, ob diese Regelungen nicht bereits vor der Konsulatswahl für das Jahr 62 getroffen wurden. Gelzer 1939, 875f. Gelzer 1939, 876. Vgl. dazu auch S. 50f., 76f. Selbst das senatus consultum ultimum vom 21. Oktober kann nicht unbedingt als Anzeichen dafür gelten, daß Cicero den Senat dann doch – wenigstens vorübergehend – für seine Politik Catilina gegenüber gewinnen konnte. Dieser Senatsbeschluß richtete sich nämlich nicht speziell gegen Catilina, sondern trug der Bedrohungslage in Rom und Italien generell Rechnung. In verschiedenen Gegenden Italiens, in Campania, im Picenum, in Apulia, bei den Brutti und bei den Paeligni, v.a. aber in Etruria gab es Unruhen, die sich zu regelrechten Aufständen entwickelten. Diese Unruhen waren, auch wenn Cicero immer wieder bemüht war, diesen Eindruck zu erwecken, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Catilina initiiert (so freilich etwa Stockton 1971, 114, der Manlius, einen ehemaligen Centurio des Sulla, für einen Agenten Catilinas hält, und Habicht 1990, 44, der meint, Manlius habe hier eine Armee für Catilina rekrutiert); eher hatte er Anschluß an sie gesucht und begonnen, sie sich zunutze zu machen (vgl. Seager 1973, 240f.; Stewart 1995; von Ungern-Sternberg 1997a, 87 und unten S. 73ff.). Von konkreten Planungen der Aufständischen in Italien wie auch von Mordplänen Catilinas in Rom erfuhr man u.a. aus anonymen Briefen, die Cicero in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober ausgehändigt worden waren. Auf diese Informationen reagierte der Senat dann am 21. Oktober mit dem senatus consultum ultimum. Das decretum tumultus wurde schließlich erlassen, nachdem am 27. Oktober der Aufstand des C. Manlius in Etruria manifest geworden war. Vgl. Cic. Cat. 1,5f.; 1,8f.; 2,5; auch 2,18f. Einer von ihnen war M. Porcius Laeca, in dessen Haus sich die Verschwörer in der Nacht vom 6. auf den 7. November versammelten; außerdem sind namentlich bekannt Q. Annius Chilo, L. Cassius Longinus, C. Cornelius Cethegus, P. und Serv. Cornelius Sulla, L. Vargunteius und der für 62 designierte Volkstribun L. Calpurnius Bestia. Die von Sall. Cat. 17,3 außerdem genannten Angehörigen des ordo senatorius P. Autronius Paetus, Q. Curius und P. Cornelius Sulla – ihn sollte Cicero im Jahr 62 verteidigen – waren in der fraglichen Zeit aus dem Se-

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

beschwichtigen wollten, da sie Ciceros Interpretation der Situation nicht folgen und keine besondere Gefahr erkennen konnten.91 Andere wiederum wollten zwar gegen Catilina vorgehen, schlugen dabei jedoch nicht den politisch-militärischen, sondern den juristischen Weg ein: So klagte L. Aemilius Paullus Catilina nach der lex Plautia de vi an.92 Vor diesem Hintergrund entwickelten dann populare Kreise eine Propaganda, die gegen Cicero und gegen die Politik, für die er stand, gerichtet war:93 Nachdem Catilina in der Nacht vom 7. auf den 8. oder – deutlich wahrscheinlicher – vom 8. auf den 9. November Rom verlassen hatte,94 die Existenz der Verschwörung offenkundig geworden war und man allerlei Gegenmaßnahmen ergriffen hatte,95 die Verschwörer selbst in Rom unterdessen aber nichts Konkretes unternommen hatten, behaupteten sie, Cicero sei der eigentliche Verursacher der unruhigen Lage.96 Gegen den Kurs Ciceros arbeitete wohl auch schon jetzt der für das Jahr 62 designierte Volkstribun Q. Caecilius Metellus Nepos.97 Dies war von besonderer Tragweite, da er ein Vertrauensmann des Pompeius war.98 Seit dem Jahr 67 war er sein Legat gewesen, im Frühjahr 63 war er nach Rom zurückgekehrt und agierte nun dort für ihn.99 Primär ging es Nepos sicherlich nicht um Opposition gegen Cicero, sondern darum, Pompeius für seine Rückkehr nach Rom eine möglichst günstige Ausgangsbasis zu schaf90 91

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nat ausgestoßen; P. Cornelius Lentulus Sura amtierte 63 als Prätor. Zu Crassus und Caesar s.u. S. 75 Anm. 259. Vgl. Cic. Cat. 1,30; 2,3; 3,4. Daß diese Gruppierung nicht unbedeutend war, zeigt sich nicht zuletzt darin, daß Cicero sich gezwungen sah, recht bedächtig vorzugehen, er insbesondere das senatus consultum ultimum nicht nutzte, um gegen Catilina persönlich vorzugehen. Zur Stärke dieser Gruppierung trug Cicero paradoxerweise selbst bei: Die Sicherungsmaßnahmen, die auf seine Veranlassung hin getroffen worden waren, verhinderten den offenen Ausbruch der Verschwörung in Rom, die Verantwortlichen wurden zunächst nicht enttarnt (vgl. etwa Meyer 31922, 28: »Der Bestand der Verschwörung war zwar notorisch, aber nicht authentisch erwiesen«). Meier 1962, 114 und 1968, 99 gibt zu bedenken, daß unter ihnen auch einige gewesen sein dürften, die es aus Berechnung auf Unruhen ankommen lassen wollten: Sie hätten Pompeius gerne eine Möglichkeit eröffnet, in Italien militärisch aktiv zu werden. Vgl. Vitzthum 1966, 1f.; von Ungern-Sternberg 1997a, 87f.; zur lex Plautia de vi allgemein Vitzthum 1966, zu ihrem Inhalt bes. 42–48. Vgl. Gelzer 1939, 878; vgl. auch unten S. 52f. Zu Personen, die ihm gegebenenfalls die Hinrichtung Catilinas aufgrund des senatus consultum ultimum als crudeliter et regie factum vorwerfen würden, und zu denjenigen, die ihm gegebenenfalls vorhalten würden, er habe Catilina rechtswidrig in die Verbannung getrieben, vgl. etwa Cic. Cat. 1,5f.; 1,30; 2,12; 2,14. Es handelte sich um die Nacht, die zwischen der Ersten und der Zweiten Catilinarischen Rede lag (Cic. Cat. 2,26 mit 2,6 und 2,12; Sall. Cat. 32,1). Zur Datierung der Ersten Catilinarischen Rede vgl. S. 89 Anm. 4. So waren Catilina, der sich zu Manlius begeben hatte, und Manlius selbst zu hostes erklärt und die Konsuln mit der Aushebung von Truppen beauftragt worden. Vgl. Sall. Cat. 43,1; vgl. auch Invectiva in Ciceronem 3: Quasi vero non illius coniurationis causa fuerit consulatus tuus et idcirco res publica disiecta eo tempore quo te custodem habebat. Gelzer 1939, 881 versteht Cic. Mur. 81 in diesem Sinn; Meier 1962, 144 und Rawson 1978, 93 halten dies ebenfalls für sehr wahrscheinlich. Plut. Cato Minor 20,1–21,2; Meier 1962, 105–111. Als Gegengewicht hatte sich M. Porcius Cato zum Volkstribun wählen lassen (vgl. auch Cic. Mur. 81). Zur besonderen Stellung Catos im politischen Gefüge dieser Zeit vgl. etwa Gelzer 1934, 74–78; Afzelius 1941, 133–162; Meier 31997, 270–280; Fehrle 1983, 83–135. Differenzierend Mitchell 1991, 71f., dessen Sicht – Nepos sei in erster Linie um seiner eigenen Karriere willen nach Rom zurückgekehrt – etwa angesichts der Intensität, mit der Cato durch die Kandidatur des Nepos alarmiert war, m.E. aber doch zu einseitig ist (vgl. Plut. Cato Minor 20,3f.).

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fen. Die Unruhen in Italien und Rom mögen ihm da nicht ungelegen gekommen sein; in der Agitation gegen Cicero mag er eine Möglichkeit gesehen haben, die Überwindung der Krise so lange zu verzögern, bis Pompeius aktiv eingreifen konnte. Auch auf diesem Weg100 wurde das Vorgehen Ciceros gegen die Catilinarier zum Politicum in der sich anbahnenden Auseinandersetzung zwischen Pompeius und den optimatischen Senatskreisen; Cicero selbst wurde so in gewisser Weise zum Gegenspieler des Pompeius.101 Der Prozeß gegen L. Licinius Murena Wie komplex die politische Lage, wie wenig monolithisch die politischen Gruppierungen in Rom gegen Ende des Jahres waren, wird deutlich, betrachtet man den Prozeß gegen den consul designatus Murena, ist er doch eine Auseinandersetzung innerhalb des optimatischen Lagers. Murena wurde Ende November von Ser. Sulpicius Rufus, einem seiner unterlegenen Konkurrenten bei der Bewerbung um den Konsulat, und von Cato de ambitu angeklagt. Die Tatsache, daß es zu diesem Prozeß kam, mag damit zusammenhängen, daß auch ausgesprochene Optimaten die unmittelbare Gefahr von Seiten Catilinas für überwunden hielten,102 oder auch damit, daß auch sie diese Gefahr generell nicht so hoch veranschlagten.103 Anders ist es kaum erklärlich, daß man das Risiko einging, im Fall der Verurteilung des Murena am 1. Januar nur einen Konsul zur Verfügung zu haben.104 Freilich sind bei der Beurteilung dieser Vorgänge weitere Faktoren zu berücksichtigen. So hatte Sulpicius Rufus schon während des Wahlkampfs einen Prozeß gegen seine Mitbewerber vorbereitet.105 Cato hatte versprochen, jeden vor Gericht zu bringen, der Bestechungsgelder verteile.106 Die Ankläger setzten also einen Kurs fort, den sie schon vor Beginn der Verschwörung eingeschlagen hatten. Es mag ihnen dabei nicht zuletzt um ihre eigene Glaubwürdigkeit gegangen sein. Merkwürdig bleibt, daß Optimaten, insbesondere Cato, der ja als Gegenspieler des Nepos und damit des Pompeius angetreten war, in gewisser Weise Ambitionen des Pompeius Vorschub leisteten, mit der Niederschlagung der Verschwörung – d.h. auch, mit 100 101

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Vgl. S. 37f. zu weiteren Aspekten. Vgl. auch S. 76f. Noch deutlicher wurde diese Konstellation ab dem 10. Dezember, als Nepos sich kraft Amtes dafür einsetzte, Pompeius mit der endgültigen Niederschlagung der Verschwörung zu beauftragen. Vgl. S. 52f. Cicero selbst war möglicherweise bemüht, sich nicht so sehr als Gegenspieler, vielmehr als stadtrömisches Pendant zu dem an den Grenzen des Imperium den Bestand des Staates sichernden Pompeius darzustellen, Pompeius jedoch gleichzeitig auf die Gepflogenheiten der res publica zu verweisen. – So kann man etwa Cic. Cat. 3,26 (… unoque tempore in hac re publica duos civis exstitisse, quorum alter finis vestri imperi non terrae sed caeli regionibus terminaret, alter eiusdem imperi domicilium sedisque servaret); 4,21 (anteponatur omnibus Pompeius … erit profecto inter horum [d.h. der Feldherren] laudes aliquid loci nostrae gloriae, nisi forte maius est patefacere nobis provincias, quo exire possimus, quam curare, ut etiam illi, qui absunt, habeant, quo victores revertantur) jedenfalls verstehen, wenn man die Stellen nicht für ein Produkt der Überarbeitung für die schriftliche Publikation hält. (Zumeist freilich werden sie gelesen als Ausdruck der Hybris Ciceros, sich mit Pompeius messen zu wollen; vgl. S. 67ff.) So Gelzer 1939, 881. Vgl. auch die Tatsache, daß summi et clarissimi viri Cicero noch am 3. Dezember rieten, die bei der Allobrogergesandtschaft abgefangenen Briefe nicht erst im Senat zu öffnen, um sicherzugehen, daß sie nicht etwa doch nur harmlos waren (Cic. Cat. 3,7; vgl. Gelzer 1939, 883). Vgl. Cic. Mur. 4; 78–85. Cic. Mur. 43–49. Plut. Cato Minor 21,3.

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einem militärischen Kommando in Italien –, beauftragt zu werden.107 So bemerkenswert wie der Kreis der Ankläger ist dann auch die Zusammensetzung der Riege der Verteidiger. Neben Cicero und Hortensius fand sich hier nämlich auch Crassus, der zu dieser Zeit doch grundsätzlich mit Caesar zusammenarbeitete, also eher dem popularen Lager zuzurechnen war.108 Angesichts der Tatsache, daß Sulpicius Rufus und Cato sonst im Allgemeinen mit Cicero auf einer politischen Linie lagen, mußte Cicero vermeiden, die beiden zu verärgern; er mußte also in zweifacher Weise geschickt argumentieren. Dies gelang ihm tatsächlich; Murena wurde freigesprochen. Die Beratungen des Senats über die Verschwörer Als Cicero Anfang Dezember handfeste Beweise dafür vorlegen konnte, daß die Verschwörer in Rom weiterhin aktiv waren,109 gelang es ihm, den Senat für seinen Kurs zu gewinnen und ihn – dank intensiver argumentativer Hilfe Catos – schließlich dazu zu bewegen, sich für die Hinrichtung von fünf der in Rom verbliebenen Protagonisten der Verschwörung auszusprechen. Im Detail zeigt sich aber, wie eingeschränkt der Rückhalt, den Cicero im Senat hatte, auch jetzt wieder war: So wurde, nachdem Cicero in der Senatsverhandlung vom 3. Dezember seine Beweise vorgelegt hatte, zwar beschlossen, neun der Verschwörer in Haft zu nehmen,110 auch wurde eine supplicatio bewilligt,111 Q. Lutatius Catulus nannte Cicero parens patriae,112 und L. Gellius erklärte, die res publica schulde ihm die corona civica.113 Dazu steht dann aber die Häufigkeit in Kontrast, mit der der Senat zwei Tage später in der Sitzung vom 5. Dezember seine Meinung änderte.114 In dieser Sitzung befragte Cicero den Senat darüber, was mit den Verhafteten geschehen solle. Nachdem sich alle anwesenden 107 108

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Zu der Frage, ab wann genau diese Ambitionen bekannt waren, vgl. S. 48f., 66. Man mag überlegen, ob für sein Engagement ausschlaggebend gewesen sein kann, daß er aus Skepsis gegenüber Pompeius Unsicherheiten in der Besetzung des Konsulats vermeiden wollte. Vgl. Seager 1973, 246f., der betont, daß mit Hortensius und Crassus ausgesprochene Pompeius-Gegner Murena verteidigten, und der zu bedenken gibt, daß man den militärisch erfahrenen Murena möglicherweise gar nicht primär wegen des Kampfes gegen Catilina als Konsul sehen wollte, sondern um Pompeius abzuschrecken. Bei den Beweisen handelte es sich insbesondere um Briefe, die belegten, daß die Verschwörer die Allobroges um militärische Unterstützung angegangen hatten, außerdem um ein Waffendepot, aber auch um Zeugenaussagen und schließlich um Aussagen, die die Verhafteten selbst machten. Cic. Cat. 3,14. Cic. Cat. 3,15; 3,23; 4,5. Bei der Begründung der supplicatio wird deutlich, daß der Senat zu diesem Zeitpunkt Ciceros Interpretation der Situation sehr weitgehend folgte: supplicatio … his decreta verbis est: ›quod urbem incendiis, caede civis, Italiam bello liberassem‹ (Cic. Cat. 3,15). Vgl. auch S. 77f. Cic. Pis. 6: me Q. Catulus princeps huius ordinis et auctor publici consilii frequentissimo senatu parentem patriae nominavit; vgl. Cic. Sest. 121: me … quem Q. Catulus, quem multi alii saepe in senatu patrem patriae nominarant; Phil. 2,12: frequentissimo senatui sic placuit ut esset nemo qui mihi non ut parenti gratias ageret. Cic. Pis. 6. L. Gellius, der Konsul des Jahrs 72, Censor 70. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß insgesamt nur neun Personen in Haft genommen werden sollten; vgl. Gelzer 1939, 885; March 1989. Auch Cicero hielt dies für erklärungsbedürftig und verwies auf die Milde (lenitas) des Senats und auf die Hoffnung, die anderen an der Verschwörung Beteiligten wieder zur Vernunft bringen zu können (Cic. Cat. 3,14). Auch die Reaktion des Senats auf die Denunziation des Crassus durch L. Tarquinius am 4. Dezember (Sall. Cat. 48, 3–9) zeigt, wie instabil die Haltung des Senats war (March 1989, 234).

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Konsulare dem consul designatus Silanus folgend für die äußerste Strafe115 ausgesprochen hatten, gelang es dem designierten Prätor Caesar, unter Verweis auf die lex Sempronia des Jahres 123, die die Hinrichtung eines römischen Bürgers verbot, wenn er nicht die Möglichkeit gehabt hatte, an das Volk zu appellieren, einen Meinungsumschwung herbeizuführen.116 Als nun der Vorschlag gemacht wurde, die Entscheidung aufzuschieben, bis Catilina besiegt sei,117 und dieser Vorschlag Beifall fand, stellte Cicero erneut die Lage dar,118 bestand darauf, daß die Entscheidung sofort gefällt würde, und stellte die Vorschläge Caesars und des Silanus zur Abstimmung. Die Befragung begann von neuem. Von Catulus abgesehen, stimmten alle, auch Silanus, für den Vorschlag Caesars. Erst der designierte Volkstribun Cato trat wieder für die Hinrichtung ein. Als Cicero nun Catos Antrag zur Abstimmung stellte, stimmten ihm alle Konsulare und überhaupt die Senatsmehrheit zu. Die Verschwörung in den Koordinaten optimatisch-popularer Auseinandersetzung Wie sehr die Catilinarische Verschwörung, zumindest der Umgang mit ihr, in andere Auseinandersetzungen dieser Zeit eingebettet gewesen ist,119 zeigt sich etwa darin, daß führende Optimaten, namentlich Q. Lutatius Catulus, C. Calpurnius Piso und auch Cato, die Situation dazu zu benutzen versuchten, Caesar politisch auszuschalten, indem sie ihm eine direkte Beteiligung an der Verschwörung nachsagten.120 Aber auch Caesar ordnete mit seiner Meinungsäußerung am 5. Dezember die Catilinarische Verschwörung oder jedenfalls die Bestrafung der Verschwörer in traditionelle Koordinaten der optimatisch-popularen Auseinandersetzung ein:121 Sein Verweis auf die lex Sempronia stand ganz in der Tradition popularer Argumentation. Nachdem fünf der Verschwörer122 noch am Abend des 5. Dezember hingerichtet worden waren, wurde Cicero auf den Straßen gefeiert – von der breiten Bevölkerung123 wie 115 116

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Plut. Cicero 20,4; Cato Minor 22,4: ἐσχάτη δίκη. Lateinisch vermutlich ultima poena. Angesichts der Tatsache, daß Caesar sich nach dem 10. Dezember für die Gesetzesvorlagen des Nepos einsetzte (s.u. S. 66), fragt es sich, ob es ihm auch schon jetzt darum ging, das Ende der Verschwörung zugunsten von Profilierungsmöglichkeiten des Pompeius zu verzögern (ebenso Sumner 1966, 579 Anm. 61; ähnlich Ward 1968, 116 unter Verweis auf Meier 1962, 177f.; vgl. auch Meier 1968, 105; Rilinger 1989, 482f.). Dieser Vorschlag kam von T. Claudius Nero, einem ehemaligen Legaten des Pompeius. Er dürfte im Interesse des Pompeius, ihm eine Einsatzmöglichkeit in Italien zu verschaffen, gestellt worden sein. Das ist die vierte Catilinaria. Anregend, wenngleich im Einzelnen z.T. problematisch Havas 1977. Zum Problem, die Exzeptionalität der Verschwörung, ihren Stellenwert, ihre politische Bedeutung objektiv (und in gewisser Weise gegen die von Cicero dominierte Tradition) einzuschätzen s.u. S. 72f. Sall. Cat. 49; Plut. Cato Minor 23,1; Plut. Cicero 20,6; Plut. Caesar 7f. Dazu Gelzer 1939, 886; Gelzer 61960, 44f. Auch Crassus wurde verdächtigt (Sall. Cat. 48,3–9). Vgl. Meier 1968, 104f. Der anderen vier, die verhaftet werden sollten, konnte man offenbar nicht habhaft werden; ihr weiteres Schicksal ist unbekannt (March 1989, 225, 232). Insgesamt war die Stimmung der stadtrömischen Bevölkerung in Sachen ›Catilina‹ freilich höchst uneinheitlich und schwankend. Davon zeugen u.a. die Maßnahmen, die getroffen wurden, nachdem Freigelassene der Verhafteten versucht hatten, Leute für deren Befreiung zu gewinnen (vgl. Gelzer 1939, 886f.), und die Tatsache, daß Cato nach der Hinrichtung der Verschwörer im Senat

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

auch von Senatoren.124 Cicero war aber offenkundig deutlich, daß die Stimmung schnell wieder umschlagen könne, begann er doch sofort damit, sich – gewissermaßen propagandistisch – abzusichern. So ließ er die Zeugenaussagen, die er in der Senatssitzung vom 3. Dezember hatte protokollieren lassen, in Italien und in den Provinzen veröffentlichen.125 Nachdem am 10. Dezember die neuen Volkstribunen ihr Amt angetreten hatten, entwickelten L. Calpurnius Bestia, der selbst an der Verschwörung beteiligt war,126 und vor allem Q. Caecilius Metellus Nepos denn auch eine intensive Agitation gegen Cicero.127 Sie gipfelte darin, daß sie interzedierten, als Cicero sich am letzten Tag seines Konsulats so, wie

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erfolgreich die Erweiterung von Getreidespenden zur Beruhigung des Volkes initiierte (Plut. Cato Minor 26; vgl. Burckhardt 1988, 253f.). Plut. Cicero 22,5f. Cic. Sull. 41–43. Die Protokollierung selbst war bereits eine Vorsichtsmaßnahme (vgl. l.c. 41; die Protokollierung von Senatssitzungen allgemein wurde erst im Jahr 59 üblich). Auch die Rede Catos am 5. Dezember wurde auf Veranlassung Ciceros mitgeschrieben (Plut. Cato Minor 23,3). Der Schilderung Plutarchs ist zu entnehmen, daß dies genau geplant war. Eventuell ist Plutarch l.c. außerdem so zu verstehen, daß Cicero auch für die Verbreitung der Rede sorgte; so Gelzer 1939, 890. Zu den Maßnahmen, mit denen sich Cicero abzusichern versuchte, mag man darüber hinaus rechnen, daß er den Senat überhaupt über die Verschwörer befinden ließ; eine rechtlich unanfechtbare Grundlage für ihre Hinrichtung schuf nämlich auch dieser Senatsbeschluß nicht, er mochte aber politische Rückendeckung bieten (vgl. etwa von Ungern-Sternberg 1997a, 91–97). Ein weiteres Element der Vorsicht kann man darin sehen, daß der an der Verschwörung beteiligte Prätor P. Cornelius Lentulus Sura sein Amt niederlegen mußte, bevor er in Haft genommen wurde (Cic. Cat. 3,14f.), Cicero sich also nicht auf seine potestas maior verließ. Cat. 3,15 spricht Cicero von dem Bedenken (religio), das man haben könnte, einen Magistrat zu bestrafen, selbst wenn dieser sein magistratisches Recht verwirkt habe (nam P. Lentulus, quamquam patefactis indiciis et confessionibus suis iudicio senatus non modo praetoris ius, verum etiam civis amiserat, tamen magistratu se abdicavit, ut, quae religio C. Mario, clarissimo viro, non fuerat, quo minus C. Glauciam, de quo nihil nominatim erat decretum, praetorem occideret, ea nos religione in privato P. Lentulo puniendo liberaremur). Dieses Bedenken mochte etwa der maiestas des Magistrats oder der Tatsache, daß ein Magistrat während seiner Amtszeit vor Strafverfolgung geschützt war, geschuldet sein. Irrig dagegen Barlow 1994, der von genereller »sacredness« der Magistratur ausgeht und meint, Cicero habe mit der Hinrichtung des Lentulus, der sein Amt in Wirklichkeit nicht niedergelegt habe, ein Sakrileg begangen. Auch Ciceros Bemühen, Crassus und Caesar vor Denunziationen zu schützen, dürfte teilweise unter dem Aspekt der Vorsicht zu sehen sein (vgl. Meyer 31922, 31–33, 36), wenngleich auch andere Erwägungen eine Rolle gespielt haben mögen, so etwa die, daß es wohl kaum hätte gelingen können, die Verschwörung so schnell und unerbittlich niederzuschlagen, wenn Crassus und Caesar involviert worden wären (Canfora 1999, 56; vgl. auch Sall. Cat. 48,7; App. civ. 2,6). Sall. Cat. 17,3; 43,1; vgl. App. civ. 2,3. Cic. Sest. 11 (ohne Namensnennung); Plut. Cato Minor 26,2; vgl. App. civ. 2,3. Cicero hielt die Situation für so bedrohlich, daß er P. Sestius (Quaestor 63, wohl seit dem 5. Dezember Proquaestor), der bisher Capua gesichert hatte, mit seinen Truppen nach Rom rief. Cicero zufolge hat dies den Tatendrang der neuen Volkstribunen wie auch den der restlichen Verschwörer gedämpft (hoc adventu P. Sesti tribunorum plebis novorum, qui tum extremis diebus consulatus mei res eas quas gesseram vexare cupiebant, reliquaeque coniurationis impetus et conatus sunt retardati: Cic. Sest. 11; vgl. Schol. Bob. z.St.).

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es üblich war, in einer contio nochmals mit einer Ansprache an das Volk wenden wollte.128 Wie brisant diese Auseinandersetzung in machtpolitischer Hinsicht war, zeigen die Gesetzesanträge, die Nepos am 10. Dezember129 promulgiert hatte und die die Ziele seiner Politik offenbarten.130 Pompeius sollte mit der Niederwerfung Catilinas beauftragt und so mit einem militärischen Auftrag versehen nach Italien zurückgeholt werden.131 Außerdem wollte Nepos Pompeius – in Abwesenheit und obwohl seit dem ersten Konsulat des Pompeius noch nicht die übliche Frist von zehn Jahren132 verstrichen war – zum Konsul wählen lassen.133 Brisant waren diese Vorgänge aber auch, weil sie den Auftakt zu Auseinandersetzungen darstellten, die anfangs des Jahres 62 zu einem neuen Höhepunkt in der Konfrontation zwischen Verfechtern der optimatischen bzw. der popularen Art, Politik zu betreiben, führen sollte.134

3. Ausblick auf die weitere Entwicklung Die weitere Entwicklung interessiert im Rahmen dieser Untersuchung in zweifacher Hinsicht. Zum einen hilft sie zu erkennen, welche Bedeutung das Jahr 63 im Rahmen der politischen Gesamtentwicklung gehabt hat.135 Zum anderen geht es um die Frage, in welchem Kontext Cicero die Reden seines Konsulatsjahres publiziert hat. So interessiert etwa, wann Cicero die uns heute vorliegende Fassung der Reden gestaltet hat, weshalb er sie gerade zu dem betreffenden Zeitpunkt veröffentlicht hat und an welchen Rezipientenkreis er dabei gedacht hat. Geht man davon aus, daß zwischen dem mündlichen Vortrag der Reden und deren schriftlicher Publikation einige Zeit verstrichen ist, und davon, daß Cicero sie für die schriftliche Publikation überarbeitet hat, ist außerdem zu fragen, ob Entwicklungen, die sich in der Zwischenzeit ergeben hatten, die inhaltliche wie auch die stilistische Gestaltung beeinflußt haben könnten.

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Cic. fam. 5,2,7; Pis. 6f.; Plut. Cicero 23,2f.; Cass. Dio 37,38. Ward 1968, 117 hält diese Brüskierung Ciceros für einen Versuch, Unruhen zu provozieren, die dann die Rückberufung des Pompeius legitimieren sollten. Zum Datum: Sumner 1963, 217f. Vgl. Meier 1962, passim. Einiges spricht dafür, daß Pompeius, versehen mit militärischen Kompetenzen, sogar in die Stadt Rom selbst gerufen werden sollte (Mitchell 1991, 68f.). Dies würde u.a. auch erklären, weshalb Nepos die Auseinandersetzung über seinen Gesetzesantrag mit der über die Hinrichtung der Catilinarier verknüpft hatte; speziell würde auch die Nachricht bei Plut. Cicero 23,4 verständlicher, derzufolge Nepos nach dem Ende der Amtszeit Ciceros gefordert hat, man müsse Pompeius zurückrufen, damit er der Gewaltherrschaft (δυναστεία) Ciceros ein Ende mache. Vgl. Kunkel, Wittmann 1995, 6f. Unklar ist, ob Nepos diese Vorschläge zeitgleich oder nacheinander einbrachte und ob sie sich – im ersten Fall – ergänzen sollten oder gewissermaßen als Alternativen gedacht waren (vgl. dazu Rilinger 1989, 483; Christ 42000, 267; Seager 22002, 73). Vgl. Mitchell 1991, 69–73; vgl. dazu auch unten S. 66. Vgl. dazu auch S. 37f.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

3.1 Die Publikation der orationes consulares Es ist communis opinio, daß Cicero das Corpus seiner konsularischen Reden im Jahr 60 veröffentlicht hat.136 Diese Datierung stützt sich auf einen Brief, den Cicero Anfang Juni 60 an Atticus geschrieben hat.137 Atticus hatte ihn um die Zusendung bestimmter Reden gebeten; diese ließ Cicero ihm nun zukommen, dazu noch einige andere – insgesamt das ganze Corpus der Reden, die er die konsularischen genannt wissen wollte.138 Ganz offensichtlich schickte er sie Atticus zu dessen persönlicher Information, nicht damit er für ihre Verbreitung sorge; darum hat Cicero sich in diesem Fall selbst gekümmert. Das legt die Formulierung oratiunculas … mittam, quoniam quidem ea, quae nos scribimus adulescentulorum studiis excitati, te etiam delectant jedenfalls nahe.139 136

Schanz, Hosius 1927, 422; von Albrecht 21994, 419; Sternkopf 1916, 19; Settle 1962, 131; Fuhrmann 21985, 221; Fuhrmann 41997, 94; Cape 2002, 115–120. Anders aber McDermott 1972, der zu erweisen sucht, daß Cicero die Reden seines Konsulatsjahres allesamt schon im Jahr 63, und zwar sukzessiv und jeweils kurz, nachdem er sie gehalten hatte, veröffentlichte. M.E. gelingt es McDermott, plausibel zu machen, daß dieses Szenario zu Ciceros sonstiger Publikationspraxis passen würde. Daß Cicero auch in diesem Fall so vorgegangen ist, ist damit jedoch nicht bewiesen. V.a. erklärt dieses Szenario aber nicht den Passus Cic. Att. 2,1,3, wo Cicero ausdrücklich und ausführlich eine aktuelle Sammlung seiner konsularischen Reden thematisiert (ähnlich der Einwand von Heil 2003, 40 Anm. 149). Zur Problematik des Begriffs ›Publikation‹ vgl. Starr 1987; Dortmund 2001; Heil 2003, 8 stellt unter Verweis auf Dortmund 2001 zusammenfassend fest: »›Publikation‹ oder ›Edition‹ bedeutet in der Antike nicht mehr als die vom Autor in der Regel bewußt vollzogene Freigabe eines Textes zur Weiterverbreitung … Der Begriff ›Verleger‹ sollte … ganz vermieden werden.« Dies gilt insbesondere auch für Atticus; so bereits Sommer 1926 und – ähnlich – Phillips 1986. V.a. im Fall der öffentlichen Rede ist freilich auch mit der Möglichkeit der unautorisierten Verbreitung zu rechnen (Pina Polo 1996a, 28; Heil 2003, 41). 137 Cic. Att. 2,1. Die Feststellung Sallusts, Cicero habe die – nach unserer Zählung – erste Catilinaria später schriftlich veröffentlicht, erlaubt keine genauere zeitliche Fixierung (Sall. Cat. 31,6: M. Tullius consul … orationem habuit … quam postea scriptam edidit). Die Bemerkungen, die Cicero in einem Brief an Atticus vom 13. Februar 61 zu Reden seines Konsulatjahrs macht und die davon ausgehen, daß Atticus diese Reden bzw. Stilmittel und Formulierungen, die Cicero in ihnen verwandt hat, kennt (Cic. Att. 1,14,3f.: Totum hunc locum, quem ego varie meis orationibus, quarum tu Aristarchus es, soleo pingere, de flamma, de ferro (nosti illas ληκύθους), valde graviter pertexuit [gemeint ist Crassus] bzw. nosti iam in hac materia sonitus nostros), sind kein Widerspruch zu der Datierung der Publikation in das Jahr 60, war Atticus im Jahr 63 doch in Rom anwesend, hat mit Cicero sicherlich über dessen Reden gesprochen, hat sie teilweise vielleicht sogar im Originalton gehört (zur Öffentlichkeit von Senatssitzungen s.u. S. 90 Anm. 8). Angesichts dieser Tatsache ist dagegen Ciceros Wunsch, Atticus möge den publizierten Reden, die er ihm nun schicke, entnehmen, was er getan und gesagt habe, schwer verständlich. Es sei denn, man hält ihn für eine scherzhafte Bemerkung. (Cic. Att. 2,1,3: hoc totum σῶμα curabo ut habeas. Et quoniam te cum scripta tum res meae delectant, isdem ex libris perspicies et quae gesserim et quae dixerim; aut ne poposcisses. Ego enim tibi me non offerebam.) 138 Oratiunculas autem et quas postulas et pluris etiam mittam … quae consulares nominarentur … Hoc totum σῶμα curabo ut habeas … aut ne poposcisses. Ego enim tibi me non offerebam. Cicero zählt die Reden einzeln auf; insgesamt handelt es sich um zwölf: Quarum una est in senatu Kalendis Ianuariis (=leg.agr. 1), altera ad populum de lege agraria (=leg.agr. 2), tertia de Othone (nicht erh.), quarta pro Rabirio (=Rab.perd.), quinta de proscriptorum filiis (nicht erh.), sexta cum provinciam in contione deposui (nicht erh.), septima qua Catilinam emisi (=Cat. 1), octava quam habui ad populum postridie quam Catilina profugit (=Cat. 2), nona in contione quo die Allobroges indicarunt (=Cat. 3), decima in senatu Nonis Decembribus (=Cat. 4). Sunt praeterea duae breves, quasi ἀποσπασμάτια legis agrariae (=leg.agr. 3 bzw. nicht erh.).

3. Ausblick auf die weitere Entwicklung

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Aus dieser Formulierung geht auch hervor, daß das primäre Ziel der Publikation nicht politische Agitation war,140 sondern der Wunsch, junge Männer141 bei ihren Studien, also bei ihrer in erster Linie rhetorischen Ausbildung, zu unterstützen.142 Dieses Verständnis legt insbesondere auch die Begründung nahe, mit der Cicero diese Reden als ›konsularische‹ bezeichnet sehen wollte: Sie unterscheiden sich von seinen früheren Reden in stilistischer Hinsicht, sind sie doch nicht mehr polternd, sondern so, wie es einem Konsul angemessen ist.143

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Die kleinen Reden … schicke ich, da ja gewiß die Dinge, die wir – angeregt von den Studien der jungen Männer – schreiben, auch Dich erfreuen. – Die Präsensform scribimus weist im Übrigen auf die zeitliche Nähe dieser Publikation zur Abfassung des Briefes. Dagegen aber etwa Ciaceri 1918, 130–134; Fuchs 1959, 466; Tyrrell 1978, 51; Helm 1979 passim; Fuhrmann 41997, 94, die alle, wenn auch mit unterschiedlicher Vehemenz, die Auffassung vertreten, politische Motive, insbesondere die Verteidigung der Konsulatspolitik, seien vorrangig gewesen; vgl. auch Boes 1995, der, besonders in Hinblick auf die vierte Catilinaria, zu erweisen sucht, daß es Cicero bei der Publikation darum gegangen sei, auf Caesar ›bessernd‹ einzuwirken. Zurückhaltender von Ungern-Sternberg 1971, 47, der lediglich feststellt, die Annahme liege nahe, politische Motive hätten im Vordergrund gestanden. Heil 2003, 41 Anm. 149 meint, daß sowohl literarische als auch politische Ambitionen bei der Konzeption der Sammlung der konsularischen Reden eine Rolle gespielt haben dürften (vgl. auch 41f., 48f. allgemein zur politischen Note publizierter Reden). Die Formulierung scribimus adulescentulorum studiis excitati weist darauf hin, daß Cicero mit diesen jungen Männern in direktem Kontakt stand. Zu denken ist also nicht an diejenigen, die noch eine Rhetorikschule besuchten bzw. von einem Rhetoriklehrer unterrichtet wurden, sondern an etwas ältere, die sich etwa während ihres tirocinium fori Cicero zum Vorbild genommen haben. Zur Frage, um wen es sich dabei konkret gehandelt haben könnte, vgl. Kröner 1990, 66f. Zu den politischen Implikationen der Beziehung zwischen adulescentes und ihren Mentoren etwa Humpert 2001. Vgl. Heil 2003, 40, der Cic. Att. 2,1,3 als Beleg dafür anführt, daß ein Grund für die Verschriftlichung von Reden die Absicht sein konnte, der studierenden Jugend exempla zur Verfügung zu stellen. Vgl. auch Stroh 1975, 51f., dessen – bei allen Einschränkungen, die er selbst vornimmt (»Ciceros Reden müssen auch in ihrer schriftlichen Fassung politische Wirkung gehabt haben … und ohne Zweifel hat Cicero diese bei der Niederschrift bedacht«) – generalisierender Schluß »Der Einfluß auf die (politische) Meinungsbildung ist nicht das Hauptmotiv der Redenpublikation … Die schriftlichen Reden, so könnten wir zugespitzt sagen, sind Schulbücher« m.E. allerdings zu einseitig ausfällt, da er im Wesentlichen nur die Zeugnisse im Blick hat, die die Publikation von Reden aus didaktischen Gründen belegen (weitere Einwänden gegen diese Sichtweise bei Crawford 1984, 6f.; vgl. auch Fuhrmann 2002 zu Eich 2000). Zu anderen Motiven für die Publikation von Reden vgl. auch unten S. 58. Fuit enim mihi commodum, quod in eis orationibus quae Philippicae nominantur enituerat tuus ille civis Demosthenes et quod se ab hoc refractariolo iudiciali dicendi genere abiunxerat ut σεμνότερός τις et πολιτικώτερος videretur, curare ut meae quoque essent orationes quae consulares nominarentur. – Weil in den Reden, die Philippische genannt werden, sich jener dein Mitbürger Demosthenes in vollem Glanz gezeigt hatte und weil er sich von dieser polternden Art der Gerichtsrede getrennt hatte, damit er ehrwürdiger und staatsmännischer erscheine, habe ich es nämlich für angemessen gehalten, dafür zu sorgen, daß es auch von mir (solche) Reden gäbe, die (dann) ›konsularische‹ genannt werden sollten (Cic. Att. 2,1,3). Der Vergleich mit den Philippischen Reden des Demosthenes bezieht sich hier also ganz offensichtlich nicht auf die politische Bedeutsamkeit (ähnlich Stroh 1983, 42f.). So dürfte ea, quae nos scribimus adulescentulorum studiis excitati tatsächlich wie oben geschehen zu verstehen sein, mit studium also kein Eifer im politischen Sinn gemeint sein. Auffallend ist – abgesehen vom viel geringeren zeitlichen Abstand zwischen dem mündlichen Vortrag der betreffenden Rede und ihrer schriftlichen Publikation – die Parallele Cic. Att. 4,2,2: Cicero berichtet Atticus An-

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

Der Gedanke, daß Cicero mit der Publikation auch politisch-propagandistische Absichten verfolgt haben dürfte, drängt sich dennoch unbestreitbar auf: Zum einen ist es kaum vorstellbar, daß Cicero die Publikation seiner Reden in gewissermaßen naiver Weise für eine unpolitische Handlung gehalten haben könnte,144 zumal seinem Selbstverständnis zufolge im Prinzip alles, was er tat, mit der res publica in Verbindung stand.145 Zum anderen wählte Cicero die Reden ganz offensichtlich nicht ausschließlich nach rhetorischen Kriterien aus, sondern so, daß sie in ihrer Gesamtheit sein konsulares ethos und dessen Umsetzung in die politische Praxis seines Amtsjahres spiegelten und also auch hinsichtlich seiner politischen Selbstauffassung und Selbstdarstellung ein σῶμα darstellten.146 Zum dritten erfolgte die Publikation der Reden in einer Zeit, in der Cicero mit anderen Schriften – und in deren Fall nachweislich – versuchte, seinen Konsulat in seinem Sinn darzustellen, die Erinnerung an ihn wach zu halten und so die Anerkennung seiner dignitas und seine gloria zu fördern.147 Festzuhalten ist freilich, daß Cicero in seinem Brief an Atticus diesen Zusammenhang nicht herstellte, und dies, obwohl er die politische Lage ausführlich beschrieb.148 Bei aller grundsätzlichen Politikbezogenheit war in diesem Fall also offenbar weder der Zeitpunkt noch das die Veröffentlichung unmittelbar auslösende Moment von der aktuellen politischen Lage bestimmt. Daß Cicero im Jahr 60 ein Corpus konsularischer Reden herausgebrachte und dabei vorwiegend rhetorisch-didaktische Ziele verfolgte, schließt freilich nicht aus, daß diese Reden oder zumindest einige von ihnen nicht auch in anderen, d.h. früheren Versionen in Umlauf 143

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fang Oktober 57, daß er am 29. September vor den pontifices wegen der Rückerstattung seines Hauses gesprochen habe. Diese Rede sei ihm so gut gelungen – vis dicendi, die Gewalt der Rede, macht deutlich, daß v.a. ein Gelingen in stilistischer Hinsicht gemeint ist –, daß er sie der Jugend nicht vorenthalten durfte. Und auch Atticus werde er sie bald schicken, selbst in dem Fall, daß dieser sie gar nicht haben wolle (… et si umquam in dicendo fuimus aliquid, aut etiam si umquam alias fuimus, tum profecto dolor et magnitudo vim quandam nobis dicendi dedit. Itaque oratio iuventuti nostrae deberi non potest; quam tibi, etiam si non desideras, tamen mittam cito). Dies weder generell noch mit Blick auf die adulescentuli. Vgl. etwa Cic. Att. 1,14,3, wo Cicero ausdrücklich auf politische Folgen mancher seiner Schriften verweist: Er habe in ihnen Pompeius gelobt – und damit Crassus gekränkt; Crassus sei daher umso weniger verpflichtet, seinerseits ihn, Cicero, zu loben. Zu den politische Implikationen, die das Rhetorik-Lernen bzw. -Lehren selbst hatte, vgl. etwa Pina Polo 1996a, 88–93. Auch sollte man die Rolle der iuvenes im politischen Getriebe insgesamt nicht übersehen, was nicht zuletzt die Anhängerschaft Catilinas (vgl. dazu etwa Mitchell 1979, 226), aber auch Ciceros eigene Klientel (vgl. etwa Q.Cic. comm.pet. 3; 33) zeigt. Dies gilt neben dem Lehren (respektive Lernen) von Rhetorik (vgl. etwa Cic. inv. 1,1; 1,6; de orat. 1,33f.; orat. 142–144) insbesondere auch für die Beschäftigung mit Philosophie (vgl. etwa Cic. nat.deor. 1,6–8, bes. 7: … ipsius rei publicae causa philosophiam nostris hominibus explicandam putavi und die eindrucksvolle Interpretation von Cic. fin. 3,7 bei Heil 2003, 16–19; vgl. auch Girardet 1983, 169–180; Strasburger 1990). Cape 2002. Vgl. Beretta 1996, 57–116. – Bei diesen Schriften handelte es sich um commentarii in griechischer und wohl auch in lateinischer Sprache, außerdem um das Epos De consulatu suo. Zur Abfassung dieser Schriften hatte sich Cicero entschlossen, nachdem in den Jahren 62 bis 60 seine Bemühungen, den Dichter Archias, den Epigrammatiker Thyillos oder den Universalgelehrten Poseidonios von Apameia für eine Darstellung seines Konsulat zu gewinnen, gescheitert waren und ihm der commentarius, den Atticus im Jahr 60 verfaßt hatte, zu schlicht erschienen war. Cic. Att. 2,1,4–10. Vgl. S. 63f.

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gebracht worden waren – und dies auch aus politischen Gründen –, sei es durch Cicero selbst,149 sei es durch andere. In letzter Konsequenz bedeutet dies, daß die Frage, ob die uns erhaltene Version der Reden auf die Publikation zurückgeht, von der in dem Brief an Atticus die Rede ist, jedenfalls allein aufgrund der Testimonia nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden kann.150 Exkurs: Verschriftlichung von Reden Fragt man schließlich nach der Art und dem Grad der Überarbeitung bei der Verschriftlichung151 der Fassung, die auf uns gekommen ist, also danach, worin und in welchem Maß sich die überlieferten Reden von den tatsächlich gehaltenen unterscheiden,152 so ist man angesichts der Quellenlage letzten Endes ganz wesentlich auf die Analyse der Reden selbst verwiesen,153 wenngleich einige grundsätzliche Überlegungen helfen, den Rahmen des Möglichen bzw. des zu Bedenkenden abzustecken. 149

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Daß Atticus sich einige der Reden, die Cicero dann zu den konsularischen zählt, erbeten hatte, mag man als Hinweis darauf nehmen, daß sie seiner Kenntnis nach bereits in vorzeigbarer schriftlicher Form vorlagen. Ähnlich z.B. auch Laurand 41936–38, 10; Drexler 1976, 138; Stroh 1983, 41f.; vgl. auch Habicht 1990, 50. Anders Helm 1979, 7 Anm. 19: Cicero habe die Reden ausschließlich in dem Corpus des Jahres 60 herausgebracht. Die Handschriftenüberlieferung hält sich jedenfalls nicht (oder nicht mehr) an die von Cicero vorgesehene Reihenfolge der Reden innerhalb des Corpus. Und Quintilian mag die zweite Catilinaria in einer anderen Ausgabe, d.h. in einer Einzelausgabe gelesen haben. So versteht jedenfalls Stroh 1983, 42 Anm. 27 die Formulierung Quint. inst. 9,3,46 et in eundem alio libro … – und gegen denselben in einem anderen Buch … Zu antiken Corpora ciceronischer Reden und zu Zusammenstellungen in mittelalterlichen Handschriften vgl. Schanz, Hosius 1927, 405; Rouse, Reeve 1983, 54–65; Binder 2007, 148f., 155f. Daß Cicero in einem anderen Fall von ein und derselben Schrift innerhalb kürzester Zeit verschiedene Versionen in Umlauf gebracht hat, zeigt derselbe Brief an Atticus, wo von Ciceros griechischem commentarius bzw. ὑπόμνημα seines Konsulats die Rede ist. Cicero hatte die Schrift offenbar jemandem nach Korkyra geschickt. Atticus hat sie dort zu sehen bekommen. Das Exemplar, das jedoch für Atticus direkt bestimmt war, ist das von Cossinius beförderte. Cicero hat es Atticus erst geschickt, nachdem er es mit großer Sorgfalt überarbeitet hatte. Da Cicero von Poseidonios schon eine Reaktion auf seine Schrift erhalten hatte, dürfte er diesem die frühere Variante (oder eine dritte) geschickt haben. Deutlich ist dagegen, daß die für Atticus bestimmte Version diejenige ist, deren Umlauf forciert werden sollte (2,1,1f.: meus autem liber … quem tu Corcyrae, ut mihi aliis litteris significas, strictim attigisti, post autem, ut arbitror, a Cossinio accepisti. Quem tibi ego non essem ausus mittere nisi eum lente ac fastidiose probavissem. Quamquam ad me rescripsit iam Rhodo Posidonius se, nostrum illud ὑπόμνημα cum legeret … Tu, si tibi placuerit liber, curabis ut et Athenis sit et in ceteris oppidis Graeciae). Zu dem gesamten Vorgang vgl. auch unten S. 62f.; vgl. außerdem die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der beiden Versionen der Academica (Schanz, Hosius 1927, 500–503; auch Ogilvie 1978, 58–60). Zur Verschriftlichung von Reden vgl. etwa Crawford 1984, 1–21; Classen 1985, 3–7; Fuhrmann 1990; Pina Polo 1996a, 26–28; Ledentu 2000; Heil 2003, 39–49. Zu bedenken ist, daß es dabei letztlich nicht nur um die Textgestaltung geht, sondern auch um die Gestaltung der actio. Ein Unterschied zwischen der gehaltenen Rede und ihrer schriftlichen Fassung liegt darin, daß der Schrift die Ausdrucksmöglichkeiten des Vortrags, also Gestik, Mimik und Stimmführung fehlen. Zur actio bzw. pronuntiatio vgl. etwa Steinbrink 1992, 43–52; Rebmann 2005, 212–225; Blänsdorf 2001, 220–228. Dies birgt erhebliche Schwierigkeiten, wie u.a. das Beispiel der Catilinarischen Reden zeigt (vgl. S. 60f.). Bezeichnend für diese Problematik ist die Unterschiedlichkeit der Einschätzungen, zu denen etwa Humbert 1925 bzw. Stroh 1975, 31–54 in Bezug auf die Gerichtsreden Ciceros kommen. Während für Humbert die schriftlich publizierte Fassung gewissermaßen die Zusammen-

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

So geht es bei der Frage nach der Art der Überarbeitung unter anderem darum, ob und aus welchen Gründen die jeweilige Rede inhaltlich und bzw. oder stilistisch umgestaltet wurde. Wie groß der Unterschied zwischen gehaltener und schriftlich publizierter Rede sein konnte, zeigt die Rede Ciceros für Milo.154 Insbesondere der Grund, aus dem die Verschriftlichung erfolgte, dürfte Einfluß auf den Grad der Überarbeitung gehabt haben. War die verschriftlichte Rede etwa als exemplum für rhetorische Studien gedacht oder ging es dem Autor darum, sein Ansehen als Politiker oder als patronus bei den Zeitgenossen und bei der Nachwelt zu vermehren, dürften die Reden stärker überarbeitet worden sein, als wenn der Autor seine Rede in der aktuellen politischen Auseinandersetzung möglichst schnell über den Kreis der unmittelbaren Zuhörer hinaus bekannt machen wollte.155 Auch der Zeitpunkt, zu dem die Verschriftlichung erfolgte, das Thema der Rede, die Situation, in der sie gehalten worden war, mögen Einfluß auf ihre schriftliche Gestaltung genommen haben, mußte sie jetzt doch gelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext verständlich und auch inhaltlich relevant sein, und dies unter Umständen für einen neuen Rezipientenkreis unter neuen Rezeptionsumständen. Bei der Interpretation verschriftlichter Reden ist also nicht nur die Möglichkeit der textlichen Umgestaltung zu bedenken, vielmehr ist der gesamte Kontext zu berücksichtigen, in dem der gesprochene bzw. der geschriebene Text steht, stellt die Verschriftlichung doch 153

schau all dessen ist, was der Redner während des Prozesses in verschiedenen Etappen vorgebracht hat, begreift Stroh die Rede – bei allen Veränderungen, die sie für die schriftliche Publikation im Einzelnen erfahren haben mag – als tatsächliche Einheit: Sie hätte genau so gehalten werden können. Auch Laurand 41936–38, 1–23 und Settle 1962, 62–67 versuchen, mit jeweils unterschiedlicher Argumentation zu erweisen, daß Cicero seine Reden grundsätzlich nur geringfügig überarbeitet hat. Zu dieser Kontroverse vgl. auch Helm 1979, 8f. Anm. 22. Einige der wenigen Quellen, die Unterschiede, in anderen Fällen Übereinstimmung zwischen mündlicher und schriftlicher Fassung einer Rede thematisieren, bei Laurand 41936–38, 3f.; Helm 1979, 1 Anm. 3, 2 Anm. 6; außerdem etwa Quint. inst. 12,10,49–57; Plin. epist. 1,20,6–10. 154 Milo wurde im Jahr 52 wegen des Mordes an Clodius de vi angeklagt. Angesichts des massiven Auftretens der Clodianer und der Präsenz der Truppen, mit denen Pompeius den Prozeß sichern wollte, gelang es Cicero, der Milo verteidigte, nicht, ein überzeugendes Plädoyer zu halten. Milo wurde verurteilt und ging ins Exil. Ciceros Rede wurde mitgeschrieben und war zumindest bis in die Zeit Quintilians bekannt (Quint. inst. 4,3,17). Weiter tradiert wurde freilich die Fassung, in der Cicero seine Rede im Nachhinein schriftlich publizierte. Milos Reaktion, als er diese Version der Rede kennenlernte (Cass. Dio 40,54; vgl. Plut. Cicero 35), wie auch das Zeugnis Quintilians zeigen, daß Cicero nicht etwa nur die actio, also die ›Darbietung‹ der Rede in der Gerichtsverhandlung nicht gelungen war, sondern daß er die Rede inhaltlich deutlich anders gestaltet hatte (vgl. auch Ascon. arg. in Mil. p. 37, 15–17 Stangl; Schol.Bob. arg. in Mil. p. 61, 19–28 Hildebrandt). Die schriftliche Fassung enthielt das, was er hätte sagen können, wäre er nicht so eingeschüchtert gewesen. Man mag einwenden, daß dies ein Sonderfall ist, daß normalerweise, d.h. wenn nicht besondere Umstände die erhebliche Abweichung vom Wortlaut rechtfertigten, antike Rezipienten kaum ein so extremes ›eigentlich hätte ich aber das und das sagen wollen, und zwar auf diese und jene Weise‹ akzeptiert hätten. Der Fall zeigt aber, mit welchen Extremen wir aus heutiger Perspektive zu rechnen haben. Weiter Beispiele etwa bei Humbert 1925, 1–5; Helm 1979, 3–5. 155 Heil 2003, 40f.; Pina Polo 1996a, 26. Die Adressaten sind auch jetzt wieder in der gesellschaftlichen bzw. politischen Elite zu suchen, jedoch nicht ausschließlich in Rom selbst, sondern auch außerhalb Roms in Italien und in den Provinzen, insbesondere unter den dort weilenden Amtsträgern; dazu Pina Polo 1996a, 28, 30–33; Jal 1963, 215–217 (speziell zur Geschwindigkeit, mit der die Philippischen Reden verbreitet wurden). Zu den Gründen für die Verschriftlichung von Reden allgemein: Heil 2003, 39–41.

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den Übergang in einen anderen Kommunikationsraum dar.156 Es ist also zu hinterfragen, ob die verschriftlichte Rede ein authentisches Bild der ursprünglichen Rede und ihrer Kommunikationsbedingungen bietet.157 Immerhin ist aber festzustellen, die schriftliche Rede behielt »trotz der veränderten Kommunikationssituation … den Charakter der Mündlichkeit in der Regel bei«.158 Den Charakter der Mündlichkeit prägen unter anderem direkte Anreden, Reaktionen auf Zwischenrufe und die Verwendung von Formen, die die Memorierbarkeit erleichtern, wie z.B. Parallelismen und Antithesen.159 Durch die Anlehnung an die Mündlichkeit bzw. durch die Fiktion der Mündlichkeit soll dem Rezipienten Authentizität suggeriert werden.160 Darüber hinaus dürfte die Nähe zur Mündlichkeit auch gewissermaßen technische Ursachen gehabt haben, da die verschriftlichte Rede für einen ›Leser‹ verfaßt ist, der im allgemeinen ein laut Lesender war oder gar der Zuhörer eines

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Zum Begriff des Kommunikationsraums allgemein Heil 2003, passim; grundlegend ist Rüpke 2000. Die klassischen ›Hörräume‹ sind der Senat, die contio, das Gericht. Vom Zeitpunkt der Verschriftlichung an unterliegen die Reden dann, wie andere Literatur, den Regeln der ›Leseräume‹ (Heil 2003, 41). Zu diesen gehört, daß sich Bücher bis zum Jahr 39 v.Chr., als C. Asinius Pollio die erste öffentliche Bibliothek in Rom einrichtete, grundsätzlich nur in Privatbibliotheken fanden. Größere Sammlungen besaßen fast ausschließlich Angehörige der Oberschicht. Die Verbreitung von Schriften erfolgte vorwiegend durch private Weitergabe, da die gewerbliche Buchproduktion noch im 1. Jh. v.Chr. nur geringen Umfang hatte. Rezitation hatte für die Verbreitung wie für die Art der Rezeption große Bedeutung. Rezeption von Literatur ist grundsätzlich dem otium zuzurechnen (vgl. aber in Bezug auf die Reden den Einwand unten Anm. 160). Vgl. zu diesem Themenkomplex Heil 2003, 6–16 (mit weiterführender Literatur); zur Zirkulation von Büchern besonders Starr 1987. Heil 2003, 34, 41, 50. Heil 2003, 41 unter Verweis auf den Vergleich mit Ciceros zweiter Rede gegen Verres und mit seiner zweiten Rede gegen Antonius, die, obwohl sie nicht oder – im Fall der Rede gegen Verres – zumindest nicht in diesem Umfang für den mündlichen Vortrag konzipiert worden waren und nur schriftlich publiziert wurden, Merkmale der Mündlichkeit aufweisen. Vgl. zur Beibehaltung von Aspekten der Mündlichkeit und der Situationsgebundenheit wie zu deren Fiktion insbesondere auch Fuhrmann 1990. Zur Tilgung von Merkmalen der Mündlichkeit wie auch zu damit verbundenen sachlichen Änderungen aus Gründen der Verständlichkeit vgl. Humbert 1925, bes. 260– 276. Blänsdorf 2001, 216–218. Vgl. Heil 2003, 41f., 48f.: Durch die fingierte Mündlichkeit werde der Leser künstlich in einen anderen Kommunikationsraum versetzt: beispielsweise vom Kommunikationsraum ›otium‹, in dem er die verschriftlichte Rede rezipiere, in den Kommunikationsraum ›Senat‹, in dem die Rede urspünglich gehalten worden war. Dadurch bleibe dem Lesestoff Brisanz, besonders auch politische Brisanz erhalten bzw. werde ihm im Fall der Reden, die gar nicht gehalten worden waren, verliehen. Heil macht für die Rezeption verschriftlichter Reden freilich nur die Kommunikationsräume ›otium‹ und ›Schule‹ namhaft, nicht jedoch den Kommunikationsraum ›negotium‹, dessen Existenz, was seine schriftliche Seite anbelangt, auch in einem über das Aktenstudium hinausgehenden Sinn m.E. aber gesichert ist und von Heil ja auch indirekt angesprochen wird, wo er von der Publikation von Reden im Zuge des politischen Tagesgeschäfts schreibt. Man denke aber beispielsweise auch an politische Pamphlete wie die zweite Verrine, an panegyrische Werke wie die des Poseidonios über Pompeius oder die des Archias über Lucullus, und – geht man zeitlich nur wenig weiter – beispielsweise an die commentarii Caesars, die Invectiva in Ciceronem, die Laudes Catonis, die Anticatones und die zweite Philippica Ciceros. Nicht zu bestreiten ist dagegen, daß etwa das Rezipieren philosophischer Texte im negotium zur Zeit Ciceros noch nicht etabliert war (vgl. Heil 2003, 16–19).

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Vorlesers und im Fall der Rede, die als Unterrichtsmaterial diente, der Hörer eines die actio simulierenden Deklamators.161 Folgt man diesen Überlegungen, so wird man Elemente der Schriftlichkeit, die sich freilich auch finden, wie etwa komplizierter Satzbau, für Folgen der Verschriftlichung bzw. der Literarisierung162 halten. Dabei ist zwar zu bedenken, daß Schriftlichkeit bei der Vorbereitung der Reden eine große Rolle gespielt hat und also Charakteristica der Schriftlichkeit auch aus diesem Grund in den Text gelangt sein können – sei es, daß sie tatsächlich Eingang in die gesprochene Rede gefunden haben,163 sei es, daß sie ohne diesen ›Umweg‹ direkt aus dem schriftlichen Redeentwurf stammen, der dem Redner als Vorlage bei der gewissermaßen endgültigen Verschriftlichung seiner Rede gedient haben mag. Die Tatsache, daß die antike Literatur insgesamt – und zu ihr ist die verschriftlichte Rede zu rechnen – bei ihrer Produktion wie bei ihrer Reproduktion in hohem Maß mit Mündlichkeit verbunden war, mag man aber als Warnung davor nehmen, Dinge für Elemente der Schriftlichkeit zu halten, die dies zumindest nach antiken Maßstäben nicht oder nicht in dieser Ausschließlichkeit sind.164 Was nun die Art und den Grad der Überarbeitung der konsularischen und – im Rahmen dieser Untersuchung besonders interessierend – der Catilinarischen Reden konkret anbelangt, gehen die Meinungen weit auseinander. Als Gegenpole in der jüngeren Forschung können Christoph Helm und Wilfried Stroh gelten.165 Helm suchte nachzuweisen, daß Cicero die Catilinarien für die Edition im Jahr 60 an vielen Stellen umfassend überarbeitet hat – dies vor allem in Rücksicht auf die veränderte politische Lage;166 Stroh 161

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Insbesondere im Fall des Schulstoffs sollte dies auch als Argument für die Nähe zur ›echten‹ Mündlichkeit dienen können, da das exemplum ja realistisches Vorbild sein sollte. Zum Thema ›Laut-Lesen‹ vgl. Balogh 1927 (mit der Gegenposition von Knox 1968); differenzierend Gavrilov 1997 (ergänzend Burnyeat 1997); zum Vorlesen Starr 1990/91; zur Rezitation und zur Rolle des Rezitators Lefèvre 1990 (speziell S. 12f. zu den Belegen für Rezitationen in der Republik); Ehlers 2001 (Ehlers behandelt allerdings vor allem deren Bedeutung für die Produktion und für die Rezeption von Dichtung); vgl. auch die Beiträge in Vogt-Spira (Hg.) 1990; Vogt-Spira (Hg.) 1993 zu Elementen der Mündlichkeit in der römischen Geschichtsschreibung, in philosophischen Schriften, in der Satire, der Komödie und in der Dichtung; zu den Praktiken der rhetorischen Ausbildung etwa Bonner 1977, 250–327; zusammenfassend Sauer 2000; speziell zu den exempla Kröner 1990, 68f., der die verschriftlichten exempla v.a. als perfektionierte Vorbilder für erneute Mündlichkeit im Rhetorikunterricht betrachtet. Vgl. dazu etwa Fuhrmann 1990, der die Tatsache, daß aus einer Rede, einem Gebrauchstext also, Literatur werden konnte, auf die »Wechselwirkung von rhetorischer Form und schriftlicher Fixierung« zurückführt (S. 54). Vgl. etwa Blänsdorf 2001, der, gestützt auf rhetorische Schriften Ciceros und auf Quintilian, sicherlich zutreffend den Einfluß der schriftlichen Vorbereitung auf den mündlichen Vortrag und die enge Verflechtung von Reden und Schreiben betont, der aber Elemente der überlieferten Reden, die nur durch Schriftlichkeit zu erklären seien, in m.E. nicht gerechtfertigter Weise generalisierend auf die Schriftlichkeit der Vorbereitung zurückführt (z.B. S. 210) und die Schriftlichkeit in gewisser Weise überhaupt für die übergeordnete, die stilprägende Größe hält (z.B. S. 215: man habe den Anspruch gehabt, den Stil der Schriftlichkeit mündlich zu reproduzieren). Vgl. etwa den Prosarhythmus, dazu Cic. orat. 168–236; einführend Primmer 1990; Dihle 2001. Zum Prosarhythmus besonders in den Catilinarischen Reden Dyck 2008, 245f. (mit Literatur). Zu früheren Kontroversen vgl. auch Laurand 41936–38, 8–10, 21f. Helm 1979; Cicero sei es dabei v.a. darum gegangen, seine Konsulatspolitik zu verteidigen und zu verherrlichen.

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vertritt dagegen die Auffassung, daß inhaltliche Änderungen nicht stringent nachweisbar seien, und daß ihr Wortlaut gänzlich aus der politischen Situation des Jahres 63 heraus erklärt werden könne.167 Daß man zu so konträren Auffassungen kommen konnte, liegt nicht zuletzt daran, daß sich keine Quelle explizit auf Ciceros Vorgehen in diesem speziellen Fall bezieht, man daher von der Analyse der Reden selbst ausgehen muß und im Wesentlichen nur in den oben vorgestellten allgemeinen Überlegungen ein Korrektiv hat.168 Besonders problematisch ist, daß folglich bei der Analyse der Texte Plausibilitätsüberlegungen eine große Rolle spielen: Will man herausfinden, was Cicero – gegebenenfalls – verändert hat, bleibt einem nichts anderes übrig, als von der Überlegung auszugehen, was er denn wohl verändert haben könnte; die Antwort darauf kann dann freilich recht subjektiv ausfallen.169 Als sicher kann m.E. lediglich gelten, daß sich in den Catilinarien nichts findet, was ausschließlich mit der Abfassung im Jahr 60 erklärt werden könnte. Ansonsten ist mit von Ungern-Sternberg zu konstatieren: »Mit einer Bearbeitung ist zu rechnen, ihr Ausmaß bleibt freilich unklar.«170 Exkurs: Stil und Inhalt Daß es Cicero in dieser Zeit auch sonst immer wieder ganz besonders auf den Stil der Darstellungen ankam, die seinen Konsulat betrafen – und daß die Frage ihres Stils ihn mindestens zuweilen mehr beschäftigte als ihre politischen Inhalte bzw. die politische Wirkung, die sie haben sollten oder haben könnten –, zeigen mehrere Briefe an Atticus: Im Februar 61 war Cicero in einer Senatssitzung in Anwesenheit des Pompeius auf seinen Konsulat zu sprechen gekommen, nachdem bereits Crassus Ciceros Verdienste ausgiebig gelobt hatte. Cicero freute sich Atticus gegenüber ganz besonders darüber, wie gut ihm seine Rede in rhetorischer Hinsicht gelungen war. In erster Linie durch rhetorische Technik habe er Pompeius, der eine so geartete Rede von Cicero ja noch nie gehört habe, beeindrucken wollen. Die Zustimmung, die Cicero bei den Senatoren für seine Rede erntete, führte er dann zwar auch auf ihren Inhalt zurück – er hatte von der Bedeutung des Senats, dem Einvernehmen mit den Rittern, der Übereinstimmung in Italien, dem Dahinschwin167

Stroh 1975, 51 Anm. 90; Stroh 1983, 41f. Anm. 25; vgl. Cape 2002, 154; ausführlich zur ersten Catilinaria: Stroh 1986. Eine gewissermaßen mittlere Position vertritt Primmer 1977: Der Hauptbestand der Rede stamme aus dem Jahr 63, im Wesentlichen sei der Text auch »realitätshaltig« (S. 38). 168 Eine Ausnahme stellt Diod. 40,5a dar, dessen Schilderung einer Szene der Senatssitzung vom 7. bzw. – wahrscheinlicher – 8. November mit Cic. Cat. 1,20f. konfrontiert werden kann. Dazu Reinach 1904; von Ungern-Sternberg 1971; Primmer 1977, 36–38; Stroh 1986, 11–13. Zur Datierung der Senatssitzung s.u. S. 89 Anm. 4. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Tatsache, daß teilweise auch der Gang der Ereignisse, etwa was den genauen Verlauf dieser Senatssitzung betrifft, – wo überhaupt – nur aus den Reden Ciceros erschlossen werden kann, die Frage, ob Cicero in einer bestimmten Situation sinnvollerweise das gesagt haben kann, was gesagt zu haben er behauptet, also auch nicht an von Cicero unabhängigen Aussagen geprüft werden kann. 169 Ein zugegebenermaßen extremes Beispiel ist Offermann 1995: Ausgehend von seiner ganz persönlichen Einschätzung, was Cicero z.B. in Hinblick auf den Aufbau einer Rede spontan zu leisten im Stande gewesen sein dürfte, plädiert er dafür, daß Cicero die erste Catilinaria bei der Verschriftlichung intensiv umgestaltet hat. Charakteristisch für seine Argumentationsweise sind Formulierungen, wie »Es erscheint mir schwer vorstellbar, daß …« (S. 232). 170 Von Ungern-Sternberg 1997a, 204 Anm. 1.

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den der restlichen Verschwörer, den niedrigen Preisen, der Ruhe gesprochen –, charakterisierte diese Punkte aber als lautes Getöse, das er bei diesem Thema bekanntlich nutze. Cicero betonte also auch hier wieder den rhetorischen Effekt.171 Den Eindruck, den seine Rede dann tatsächlich auf Pompeius gemacht hat, schilderte er Atticus denn auch gar nicht, während er durchaus noch hinterfragt hatte, weshalb die Rede des Crassus auf Pompeius Eindruck gemacht hat.172 Als Cicero im März 60 den commentarius, den er in griechischer Sprache über seinen Konsulat verfaßt hatte, Atticus schickte, eine lateinische Fassung und auch eine Darstellung in Gedichtform ankündigte, sprach er nur die Möglichkeit sprachlicher bzw. stilistischer Probleme an.173 Im Mai 60 freute sich Cicero dann darüber, daß ihm die griechische Version so gut gelungen sei, daß sogar ein Grieche ihn darum beneiden könne.174 Im Juni 60 verglich er schließlich diese griechische Fassung mit einem commentarius, den Atticus ebenfalls in griechischer Sprache über Ciceros Konsulat angefertigt hatte. Der Vergleich widmete sich ausschließlich der Darstellungsart.175 In demselben Brief berichtete Cicero Atticus außerdem, Poseidonios, dem er seine eigene Darstellung als Vorlage nach Rhodos geschickt habe, damit dieser etwas noch Schmuckvolleres über seinen Konsulat schreibe, habe dies abgelehnt. Cicero führte die Ablehnung darauf zurück, daß Poseidonios meine, es nicht besser als er, Cicero, machen zu können.176 Cicero brachte diese Ablehnung also auch nicht etwa mit der vielschichtigen, nicht zuletzt in propagandistischer und damit politischer Hinsicht bedeutsamen Verbindung in Zusammenhang, die zwischen Poseidonios und Pompeius bestand.177 Atticus sollte nun Ciceros Darstellung, falls sie ihm gefiele, in Griechenland verbreiten. Erst in diesem Zusammenhang kam Cicero dann kurz auf die 171

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Cic. Att. 1,14,4: Ego autem ipse, di boni! quo modo ἐνεπερπερευσάμην novo auditori Pompeio! si umquam mihi περίοδοι ἢ καμπαὶ ἢ ἐνθυμήματα ἢ κατασκευαί suppeditaverunt, illo tempore. quid multa? clamores. etenim haec erat ὑπόθεσις de gravitate ordinis, de equestri concordia, de consensione Italiae, de intermortuis reliquiis coniurationis, de vilitate, de otio. nosti iam in hac materia sonitus nostros. tanti fuerunt ut ego eo brevior sim quod eos usque istinc exauditos putem. Ganz ähnlich kommentiert Cicero die Rede des Crassus, und – da Crassus in seiner Rede Motive nutzte, mit denen Cicero in Sachen ›Catilina‹ üblicherweise selbst arbeitete – auch seine eigenen Reden zu diesem Thema (Att. Cic. 1,14,3): Crassus … surrexit ornatissimeque de meo consulatu locutus est, ut ita diceret, se quod esset senator, quod civis, quod liber, quod viveret, mihi acceptum referre; quotiens coniugem, quotiens domum, quotiens patriam videret, totiens se beneficium meum videre. Quid multa? Totum hunc locum, quem ego varie meis orationibus … soleo pingere, de flamma, de ferro (nosti illas ληκύθους), valde graviter pertexuit. Cic. Att. 1,14,3: Proximus Pompeium sedebam. Intellexi hominem moveri, utrum Crassum inire eam gratiam quam ipse praetermisisset an esse tantas res nostras quae tam libenti senatu laudarentur, ab eo praesertim qui mihi laudem illam eo minus deberet quod meis omnibus litteris in Pompeiana laude perstrictus esset. Cic. Att. 1,19,10. Cic. Att. 1,20,6. Cic. Att. 2,1,1f. Cicero hielt die Schrift des Atticus für zu schlicht und schmucklos. Bei seiner eigenen habe er dagegen alle Mittel des Isokrates und seiner Schüler und auch Aristotelisches benutzt. Cic. Att. 2,1,2: Quamquam ad me rescripsit iam Rhodo Posidonius se, nostrum illud ὑπόμνημα cum legeret, quod ego ad eum ut ornatius de isdem rebus scriberet miseram, non modo non excitatum esse ad scribendum sed etiam plane deterritum. Quid quaeris? Conturbavi Graecam nationem. Daß in der Begründung, mit der Poseidonios – gemeint ist Poseidonios von Apameia – ablehnte, Ironie liegen könnte (vgl. Reinhardt 1953, 566; Gelzer 21959, 98), wollte Cicero offenbar nicht in Erwägung ziehen.

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Wirkung zu sprechen, die er sich von seiner Schrift versprach: Ihre Verbreitung in den griechischen Städten könne den Glanz seiner Sache erhöhen.178 Dies macht deutlich, daß es Cicero zumindest bei der griechischen Fassung um Anerkennung in der griechischen Welt ging, durch seine stilistische Leistung in kultureller Hinsicht, aber auch was seinen Ruf als Politiker179 betraf. 3.2 Ciceros Einschätzung der politischen Lage um die Mitte des Jahres 60 Darüber, in welcher Lage sich Cicero selbst wie auch die res publica sah, als er Atticus seine konsularischen Reden schickte, informiert uns derselbe Brief: Cicero beschäftigten unter anderem seine Auseinandersetzungen mit C. Clodius Pulcher,180 sein Verhältnis zu Pompeius und zu Caesar, das Verhältnis zwischen Senat und Ritterschaft, die ›Fischteichbesitzer‹181 und Cato. Sein Verhältnis zu Pompeius und auch zu Caesar entwickelte sich seiner Einschätzung nach günstig.182 Sorgen bereitete ihm dagegen das Zerwürfnis zwischen Se177

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Daß Cicero über diese Verbindung noch nicht im Bilde war, ist sehr unwahrscheinlich angesichts der Tatsache, daß die Darstellung der Taten des Pompeius durch Theophanes von Mytilene, der zumindest die Begegnung von Pompeius mit Poseidonios im Jahr 66 erwähnt haben dürfte, bereits zur Zeit des Prozesses gegen Archias im Jahr 62 in Rom bekannt war (Cic. Arch. 24), besonders aber angesichts der Tatsache, daß Pompeius selbst sehr gerne von ihren Begegnungen in den Jahren 66 und 62 erzählte. Ob Cicero die ganze Tragweite dieser Beziehung ermessen konnte, ist dagegen unsicher; dies liegt v.a. daran, daß die Schrift bzw. die Schriften, in denen Poseidonios die Taten des Pompeius behandelte, nicht genau datierbar sind. Zu diesen sehr komplexen Sachverhalten vgl. Gelzer 1939, 902f.; 21959, 98; Reinhardt 1953, 565f., 630f., 638–641; Malitz 1983, 24–29, 72– 74; auch Ward 1968, 176–186. Für die Begegnung des Jahres 66 mochte Cicero auch ein spezielleres Interesse gehabt haben, hat Poseidonios dabei doch Pompeius den Ilias-Vers αἰὲν ἀριστεύειν καὶ ὑπείροχον ἔμμεναι ἄλλων (6,208; 11,784) als Leitlinie mit auf den Weg gegeben; diesen Vers hatte sich Cicero aber selbst auch schon als Junge zum Motto gemacht (Cic. ad Q.fr. 3,5,4). Cic. Att. 2,1,2: Tu, si tibi placuerit liber, curabis ut et Athenis sit et in ceteris oppidis Graeciae. Videtur enim posse aliquid nostris rebus lucis adferre. Wie wichtig ihm sein und seiner Familie Ansehen in der griechischen Welt war und welche politischen Dimensionen dieses Ansehen haben konnte, zeigt ein Brief, den Cicero Ende 60 oder Anfang 59 seinem Bruder geschrieben hat, als dieser Propraetor in der Provinz Asia war (Cic. ad Q.fr. 1,1). Daß Ciceros doch ganz wesentlich in der Stadt Rom erworbener Ruf tatsächlich bis nach Asia gedrungen war, zeigt sich etwa darin, daß man ihm dort einen Tempel errichten wollte (Cic. ad Q.fr. 1,1,26). Vgl. auch S. 52 zur Veröffentlichung der Zeugenaussagen vom 3. Dezember 63 in den Provinzen. Zu Clodius vgl. S. 64ff. Als piscinarii bezeichnete Cicero Senatoren optimatischer Prägung, die sich in der aktuellen Situation mehr um ihr privates Wohlergehen kümmerten, als sich politisch zu engagieren. Cicero warf ihnen vor, die Brisanz der Lage zu verkennen (vgl. Cic. Att. 1,18,6; 2,1,7 im Januar bzw. Juni 60), außerdem ihm seine Stellung zu mißgönnen (Cic. Att. 1,19,6; 1,20,6 im März bzw. Mai 60) und so der res publica zu schaden. Zu Pompeius vgl. S. 66ff. In diesem Brief vom Juni 60 überlegt Cicero, ob es ihm nicht gelingen könne, Caesar besser zu machen – so wie durch seinen Einfluß sich auch Pompeius gebessert und seine populare Leichtfertigkeit abgelegt habe (Cic. Att. 2,1,6: … ut ille [sc. Pompeius] esset melior et aliquid de populari levitate deponeret … quid si etiam Caesarem … reddo meliorem?; zu Pompeius vgl. auch 1,20,2f.). Unabhängig von der Frage, wie realistisch Ciceros Hoffnungen waren, zeigt diese Bemerkung, welch hoffnungsvoller Stimmung er Mitte des Jahres war. Und so sehr Cicero seine Einflußmöglichkeiten überschätzt haben mag (vgl. dazu etwa Gelzer 1939, 903–905; Habicht 1990, 58f.), zeigt doch die Mitteilung, die ihm Ende des Jahres gemacht wurde, Caesar wolle auf seinen Rat und auf den des Pompeius hören, daß auch Caesar daran interessiert war, mit Cicero zu ei-

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nat und Rittern und auch die Rolle, die Cato dabei spielte.183 Seine Ausführungen machen klar, daß er, was seine eigene Position anbelangte, zwar Wachsamkeit für angebracht hielt, sich aber nicht sonderlich in die Defensive gedrängt fühlte. Daß Cicero seine Position im Juni 60 für ziemlich gefestigt hielt, wird besonders dadurch deutlich, daß er Atticus gegenüber leugnet, er habe die Nähe zu Pompeius gesucht, um sich selbst zu schützen. Cicero behauptet vielmehr, er habe dies getan, weil Differenzen zwischen ihnen beiden schweren Schaden für die res publica bedeutet hätten.184 In den vorhergehenden Monaten hatte dies freilich noch ganz so geklungen, wie Atticus ihn verstanden hatte. So hatte er Anfang Dezember 61 die res publica als infirma, misera, commutabilis bezeichnet;185 um seine Stellung zu sichern, halte er sich neben der concordia ordinum, die zu bewahren möglicherweise nicht gelinge, noch einen anderen Weg offen: Pompeius.186 Noch deutlicher hatte Cicero Mitte März 60 erklärt, er versuche, seine Stellung zu bewahren, sei aber auf der Suche nach Schutz; dies wegen der Unzuverlässigkeit der Gerichte, der Konfrontation zwischen Rittern und Senat und wegen der ›Fischteichbesitzer‹, die ihm seine Stellung mißgönnten. Daher habe er Pompeius dazu gebracht, im Senat seine Verdienste anzuerkennen, damit klar werde, daß sie beide sich nicht überworfen hätten. Sie hätten jetzt ein so gutes Verhältnis, daß sie beide sich dadurch gestärkt fühlen könnten.187 Im Mai 60 – und dies markiert gewissermaßen den Umschwung seiner Einschätzung der Lage – verband Cicero dann seine Hoffnung, die Verbindung mit Pompeius werde ihm Ruhe vor den Angriffen der improbi verschaffen, mit dem Gedanken, daß mehr noch als er selbst die res publica Gewinn aus ihrer Verbindung ziehen könne, sei es ihm doch gelungen, Pompeius für seinen Standpunkt zu gewinnen.188 3.3 Cicero und Clodius Ausgangspunkt der Gegnerschaft zwischen Cicero und Clodius, die immer mehr eskalierte, war offenbar die religio Clodiana. Clodius hatte sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 62 als Frau verkleidet und in das Haus Caesars eingeschlichen, in dem in jenem Jahr das 182

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ner gewissen Verständigung zu kommen (Cic. Att. 2,3,3; prov. 41). Entsprechendes galt im übrigen offenbar auch für Crassus – dieselbe Mitteilung sprach nämlich davon, Caesar wolle Crassus und Pompeius miteinander versöhnen. Streitpunkte waren zum einen ein Gesetzesvorschlag, der vom Senat ausgegangen war, bei dem es um die Ahndung der Bestechlichkeit von Geschworenen ging, zum anderen die Forderung von Rittern, Verträge über die Steuerpacht in Asia aufzuheben. Die Steuerpächter hatten sich nämlich verspekuliert und wollten jetzt eine Reduktion der zu leistenden Zahlungen erreichen. Obwohl Cicero die Forderungen der Ritter für völlig unangemessen hielt, setzte er sich für sie ein. Er wollte so die concordia ordinum wahren, die er in seinem Konsulat hergestellt hatte, wie er dachte. Cato dagegen beharrte auf den sachlich zwar richtigen, wie Cicero aber meinte, politisch unklugen Positionen. Cicero fürchtete, daß von dem drohenden Zerwürfnis zwischen Senat und Rittern Gefahr für die res publica wie auch für seine eigene Stellung ausgehen könnte. Cic. Att. 2,1,7f.; vgl. 1,17,8– 10 (vom 5. Dezember 61: Ende November / Anfang Dezember hatten die Auseinandersetzungen begonnen); 1,18,3; 1,18,7; 1,19,6. Cic. Att. 2,1,6. Cic. Att. 1,17,1; vgl. 1,18,2 Mitte Januar 60: mit der res Romana gehe es zu Ende. Cic. Att. 1,17,10. Cic. Att. 1,19,6f. Cic. Att. 1,20,2.

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Fest der Bona Dea, an dem nur Frauen teilnehmen durften, gefeiert wurde. Die Motive des Clodius liegen im Dunkeln. Sie sind wohl kaum im privaten Bereich, in einer Affäre mit Pompeia, der Gattin Caesars, zu suchen und waren wohl auch nicht gegen Caesar gerichtet. Eher handelte es sich um eine gezielte Provokation der optimatischen Senatskreise und Ciceros,189 war der 5. Dezember doch der Jahrestag der Hinrichtung der Catilinarier und stand Ciceros damaliges Handeln doch mit einem Zeichen der Bona Dea in Verbindung. Das Fest der Bona Dea hatte in seinem Konsulatsjahr in seinem Haus stattgefunden; er selbst hatte sich unterdessen mit seinem Bruder und mit Freunden über das weitere Vorgehen gegen die Verhafteten beraten. Da war seine Frau Terentia erschienen und hatte gemeldet, beim Opfer für Bona Dea hätten sich Zeichen ereignet, die die Vestalinnen als Aufforderung gedeutet hätten, Cicero solle an seinem Kurs festhalten.190 Cicero war zunächst unsicher, wie er sich zu der Affäre des Clodius stellen sollte.191 Als Clodius aber schließlich wegen Religionsfrevels angeklagt wurde, sagte er als Zeuge gegen ihn aus und ließ sein Alibi platzen. Ciceros Entscheidung, gegen Clodius auszusagen, hing sicherlich damit zusammen, daß im Vorfeld des Prozesses die Auseinandersetzung um die Frage, nach welchen Modalitäten der entsprechende Gerichtshof eingerichtet werden solle, sich zu einer Auseinandersetzung über die auctoritas des Senats entwickelt hatte. In diesem Zusammenhang war dann – gewissermaßen zwangsläufig – der Konsulat Ciceros thematisiert worden, und Clodius hatte versucht, mit der Catilina-Thematik Stimmung in seinem Sinn zu machen.192 Skandalöserweise wurde Clodius freigesprochen, wohl nicht zuletzt Dank massiver Bestechungen. Cicero sah in dem Freispruch bzw. in der Art seines Zustandekommens einen schweren Schlag für die res publica, meinte aber, dadurch wie er seitdem Clodius entgegengetreten sei – z.B. mit einer heftigen Invective im Senat –, insbesondere das Selbstvertrauen der boni und die Würde des Senats wiederhergestellt zu haben; ihm selbst habe der Ausgang des Prozesses nicht wesentlich geschadet.193 Seit dem Ende des Jahres 61 bemühte sich Clodius dann, von seiner patrizischen gens zur plebs zu wechseln.194 Im Juni 60 war Cicero schließlich sicher, daß Clodius tatsächlich Volkstribun werden wollte und das nicht nur vorgab.195 Jetzt wurde wohl auch deutlich, daß sich Pläne des Clodius direkt gegen Cicero richteten. Jedenfalls meinte Cicero, wenn Clodius die Möglichkeit hätte, würde er intensiver gegen ihn vorgehen; dann wäre die Lage so bedenklich, daß er Atticus bitten würde, nach Rom zu kommen – momentan sei dies aber nicht nötig.196 Daß Cicero in Clodius einen Gegner hatte, der in Opposition zu ihm sein politisches Profil als popularis zu schärfen gedachte, zeichnete sich im Sommer 60 offenbar ab; daß er ihm jedoch so gefährlich werden könnte, wie er es im Jahr 58 dann tatsächlich sein sollte, war aber wohl kaum absehbar. Im Jahr 59 gelang Clodius mit Hilfe Cae189

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Moreau 1982, 255–259; Moreau folgend Benner 1987, 37–40; vgl. bereits Gallini 1962, 262, 265, 272; auch Will 1991, 56–58; Crawford 21992, 189; anders dagegen Pina Polo 1996b. Vgl. Tatum 1999b, 85f. zu weiteren Motiven, die Clodius gehabt haben könnte. Plut. Cicero 19f. Vgl. dazu auch S. 79. Cic. Att. 1,13,3. Vgl. Cic. Att. 1,14,5; 1,16,1; Gelzer 1939, 897f.; Lacey 1974, 89 und bes. Tatum 1999b, 74–80. Cic. Att. 1,16,6–11 vom Juli 61. Cic. Att. 1,18,4; 1,19,5; Benner 1987, 41f.; Kunst 2005, 155f. Cic. Att. 2,1,5. Vgl. Cic. Att. 2,1,4: ac nunc quidem otium est, sed si paulo plus furor Pulchelli progredi posset, valde ego te istinc excitarem.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

sars jedoch die transitio ad plebem. Er wurde danach auch tatsächlich zum Volkstribunen gewählt. Als Volkstribun beeinflußte er die politischen Verhältnisse nachhaltig.197 Einer seiner Erfolge war die gesetzliche Bekräftigung der Provocationsrechte römischer Bürger – ein Erfolg, der zur Exilierung Ciceros und – aus dem Blickwinkel der Politik des Clodius – zur Wiederherstellung der libertas führte.198 3.4 Cicero und Pompeius Ciceros Versuche, Ende 63 bzw. Anfang 62 den Konflikt mit dem Volkstribunen Q. Caecilius Metellus Nepos zu entspannen, scheiterten.199 Als Nepos am 3. Januar200 seine Gesetzesvorschläge, Pompeius zwecks Bekämpfung Catilinas nach Italien zu rufen bzw. Pompeius zum Konsul wählen zu lassen,201 zur Abstimmung bringen wollte, interzedierten Cato und Q. Minucius Thermus. Es entwickelte sich eine teilweise sogar handgreifliche Auseinandersetzung, in der schließlich die Optimaten die Oberhand gewannen; der Senat faßte das senatus consultum ultimum, untersagte Caesar – er hatte die Gesetzesvorschläge unterstützt – und Metellus die weitere Amtsführung als Prätor bzw. als Volkstribun und erklärte, daß jeder, der künftig wegen der Hinrichtung der Verschwörer eine Bestrafung der Verantwortlichen verlange, als Staatsfeind betrachtet werde. Metellus reiste heftig protestierend zu Pompeius ab; Caesar arrangierte sich mit dem Senat.202 Nepos war es ganz offensichtlich darum gegangen, Pompeius für seine Rückkehr nach Rom mit möglichst großen Machtmitteln auszustatten. Die optimatische Senatsmehrheit, allen voran Cato, hatte dies verhindert – gewissermaßen in Fortsetzung der Politik Ciceros. Catilina wurde Anfang 62 bei Pistoriae bezwungen,203 Unruhen wurden in verschiedenen Gegenden Italiens niedergeschlagen.204 In Rom selbst entfesselten die Optimaten auf Grund der lex Plautia de vi eine Flut von Prozessen gegen den Rest der Verschwörer.205 Cicero trat häufig als Belastungszeuge auf,206 war aber offenbar bemüht, »die Verfolgung 197 198 199 200

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Benner 1987, 48–58. Zu Clodius vgl. Lintott 1967; Tatum 1999b; zusammenfassend Will 1997b; speziell zur Prägung des Clodius-Bildes durch Cicero vgl. Pina Polo 1991. Cic. fam. 5,2; vgl. Gelzer 1939, 891f.; Mitchell 1991, 67f. Damit verletzte er die Bestimmung, der zufolge die Abstimmung über ein Gesetz frühestens am 24. Tag nach der Promulgation erfolgen durfte; vgl. Sumner 1963, 217f. Sumner 1963 gibt zu überlegen, ob die plötzliche Eile – schließlich hätte er ja nur noch einen Tag warten müssen, um gesetzeskonform handeln zu können – damit zu erklären ist, daß Nepos der Meinung war, das Ende Catilinas stehe unmittelbar bevor. Wäre Catilina militärisch besiegt gewesen, wäre die Beauftragung des Pompeius obsolet geworden. Wäre das Gesetz aber erst einmal in Kraft gewesen, hätte Pompeius – selbst wenn Catilina kurz nach Verabschiedung des Gesetzes besiegt worden wäre – unter dem Vorwand, noch Reste der Verschwörung beseitigen zu müssen, in Italien aktiv werden können. Vielleicht hätte er dann sogar, nach dem Muster seines ›Sieges‹ über Spartacus, die Beendigung des Aufstandes für sich reklamieren können. Vgl. S. 53. Cic. Sest. 12; 62; Schol. Bob. zu Sest. 62; Suet. Caes. 16; Plut. Cato Minor 26,2–29,4; Cass. Dio 37,42f.; zur Vielschichtigkeit und Brisanz dieser Vorgänge vgl. etwa auch Meyer 31922, 39f.; Gelzer 61960, 50f.; Sumner 1963; Heuß 41976, 197f.; Rilinger 1989; Christ 42000, 267f. Von M. Petreius, dem Legaten des Antonius. Gelzer 1939, 893 favorisiert den Februar; vgl. aber Sumner 1963, der für den Anfang des Januar plädiert. Vgl. Stewart 1995, 62–64. In Bruttium dauerten die Unruhen allerdings bis ins Jahr 60 an (Stewart l.c.).

3. Ausblick auf die weitere Entwicklung

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auf die notorischen Catilinarier zu beschränken«.207 So sehr sich Cicero durch diese Entwicklung bestätigt fühlen konnte, so heftig waren die Vorwürfe, die von anderer Seite gegen ihn erhoben wurden. Der Ankläger des P. Cornelius Sulla etwa, L. Manlius Torquatus, beklagte die Hinrichtungen vom 5. Dezember 63 nicht nur, sondern warf Cicero, der zusammen mit Hortensius Sulla verteidigte, vor, die Protokolle der Aussagen vom 3. Dezember gefälscht zu haben, und sprach vom regnum Ciceros.208 In dieser Situation agierte Cicero offenbar nicht immer geschickt. So hat er sich von Sulla noch während des Prozesses Geld geliehen, was ihn dem Vorwurf der Käuflichkeit und gar der Erpressung aussetzte.209 Kritik mag ihm auch, wenngleich wohl nicht in erster Linie, seine ›Ruhmredigkeit‹ eingebracht haben, mit der er immer wieder an seine Verdienste als Konsul erinnerte.210 Auch ein Schreiben, das Cicero an Pompeius richtete, mag in diese Reihe der Ungeschicklichkeiten gehört haben:211 Anfang des Jahres 62 hatte Cicero diesen in einem ausführlichen Brief über die Ereignisse seines Konsulatsjahres informiert.212 Pompeius hatte auf dieses Schreiben sehr zurückhaltend reagiert.213 Seine Distanziertheit mag teils tatsächlich damit zu erklären sein, daß er es sich mit Caesar und Crassus nicht verderben wollte214 – eine derartige Rücksichtnahme vermutete auch Cicero.215 Vor allem aber dürfte sie damit 205 206 207 208

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Cic. Sull. 6f.; Cic. Cael. 70; Cass. Dio 37,41,2–4. Fuhrmann 1978, 8 spricht von einem Prozeßkrieg. Cic. Sull.10; 21; 48; 83. Gelzer 1939, 894 unter Verweis darauf, daß Cicero erneut Caesar in Schutz nahm und darauf, daß er die Verteidigung des P. Cornelius Sulla übernahm. Vgl. Cic. Sull. 21–23; 25–27; 29–31; 40–45; 48. Rex und tyrannus sollte ihn dann etwa auch Clodius nennen (Cic. Att. 1,16,10; Cic. dom. 75; 94; Sest. 109). Zum Vorwurf des regnum im Jahr 62 vgl. Habicht 1990, 56f., der die Ursache dieses Vorwurfs nicht so sehr in der Hinrichtung der Catilinarier sieht (so etwa Bleicken 1975, 478 Anm. 340), sondern darin, daß Cicero in diesem Jahr »die Rolle eines politischen Führers nicht nur beanspruchte, sondern auch innehatte«. Zum Vorwurf der Fälschung vgl. Fezzi 2003, 57–63, bes. 59–61. Vgl. Invectiva in Ciceronem 3f. Zu dieser Affäre vgl. Gelzer 1939, 894f. mit den Quellen. Offenbar sprach Cicero bereits seinen Zeitgenossen zu häufig und zu überschwänglich von seinen Verdiensten: Cic. ad Brut. 1,17,1 (Brief des Brutus an Atticus aus dem Jahr 43); Plut. Cicero 24,1–3 und Cass. Dio 38,12 (in Bezug auf die Zeit nach dem Ende der Verschwörung bzw. auf die Zeit zwischen ihrem Ende und der Auseinandersetzung mit Clodius); differenzierend Quint. inst. 11,1,23f.; vgl. auch Invectiva in Ciceronem 6; aus späterer Zeit Sen. de brev.vit. (=dial. 10) 5,1; Plut. Cicero 51. Wann genau dieser Überdruß aber tatsächlich einsetzte, speziell, ob dies schon anfangs 62 geschah, ist m.E. unklar. Vgl. Gelzer 1939, 889f.; Habicht 1990, 45–48, 60f.; vgl. auch Jocelyn 1984 speziell zu antiker Kritik an De consulatu suo. Zur allgemeinen Praxis und Funktion des Eigenlobs in der Rede vgl. Hölkeskamp 2004a, 224–232. Die Auffassung, der Bericht habe Cicero geradezu geschadet, wurde zumindest im Jahr 54 vertreten (vgl. Cic. Planc. 85). Schol.Bob. zu Cic. Planc. 85 (… epistulam … de rebus suis in consulatu gestis …). Der Brief ist nicht erhalten. Er war bald publik geworden: bereits Torquatus, der Ankläger des Sulla, hatte ihn zitiert (Cic. Sull. 67). Daß Cicero ihn selbst veröffentlicht hat, vermuten Rawson 1975, 92; Fuhrmann 1978 zu Cic. Sull. 67. Vgl. Cic. fam. 5,7,2f.: Cicero vermißt einen Glückwunsch. Man kann dieses neuerliche Schreiben an Pompeius vom April 62 überhaupt so verstehen, daß Pompeius ihm mittlerweile zwar geschrieben hatte, auf den Bericht Ciceros aber nicht weiter eingegangen war. Vgl. Meyer 31922, 38. Freilich ohne Namen zu nennen: Cic. fam. 5,7,3: gratulationem … quam ego abs te praetermissam esse arbitror quod vererere ne cuius animum offenderes. Vgl. fam. 5,7,1, wo Cicero von den veteres hostis, novi amici des Pompeius spricht, mit denen er aller Wahrscheinlichkeit nach Caesar und

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

zu erklären sein, daß die politische Linie, die Cicero während seines Konsulats verfolgt hatte, immer wieder den Interessen des Pompeius entgegengestanden hatte.216 Außerdem dürfte Pompeius klar geworden sein – und dazu mag auch Ciceros Brief beigetragen haben –, daß er es bei seiner Rückkehr mit einem selbstbewußten, an optimatische Erfolge gewöhnten Senat zu tun haben würde, der sich bis zu einem gewissen Grad zudem auf die Ritter und auch auf die stadtrömische Bevölkerung stützen konnte – mit einem Senat, der außerdem mit Cicero und Cato über neue wirkungsmächtige und auch propagandistisch sehr erfolgreiche Exponenten217 verfügte. Pompeius konnte Ciceros und Catos Erfolge wie auch diese beiden persönlich für eine Quelle künftiger Probleme bei der Durchsetzung seiner eigenen Interessen halten. Ein weiterer Grund dafür, daß Pompeius so reserviert reagierte, dürfte darin zu suchen sein, daß Pompeius das Schreiben Ciceros gerade in der Zeit erreicht hat, in der Nepos mit seinen im Interesse des Pompeius gestellten Gesetzesanträgen gescheitert und außerdem von seinem Amt suspendiert worden war, also in einer Zeit offener Konflikte und zu einem Zeitpunkt, zu dem Pompeius gerade eine politische Niederlage hatte hinnehmen müssen.218 Vor diesem politischen Hintergrund mag Pompeius schließlich 215

sein Umfeld und wohl auch Crassus meint. Zur Quellenlage, zu den aus ihr erwachsenden Problemen der Chronologie, was die Entwicklung der Beziehungen zwischen Pompeius, Caesar und Crassus anbelangt und zu den divergierenden Forschungsmeinungen in dieser Frage vgl. Shackleton Bailey zu Cic. fam. 5,7,1. Immerhin ist aber sicher, daß Caesar die Gesetzesvorschläge des Nepos unterstützt hatte. 216 So nicht nur in Sachen ›Catilina‹ bzw. ›Gestaltung der Rückkehr des Pompeius‹, sondern auch, als Cicero C. Calpurnius Piso verteidigte, so als es um den Triumph des Lucullus ging (vgl. S. 44). Ebenso Rawson 1978, 93; Habicht 1990, 54. Dagegen Johannemann 1935, 15–19, der Cicero im Jahr 63 für einen adiutor des Pompeius hält, dabei aber nur Ciceros Reden gegen die rogatio des Rullus und Ciceros Antrag der supplicatio anläßlich des Tods des Mithradates berücksichtigt. Ward 1968, 115–120 zufolge hatten Pompeius und Cicero im Jahr 63 in politischen Sachfragen keine Differenzen. Der Konflikt sei vielmehr auf der persönlichen Ebene entstanden, da Cicero die Interessen des Pompeius nicht ausreichend unterstützt habe. Zu diesen Interessen zählt Ward dann freilich den Konsulat und die Beauftragung mit der Niederschlagung der Catilinarischen Verschwörung. 217 Tatsächlich hatte sich Cicero vor seinem Konsulat in politischer Hinsicht nicht sonderlich exponiert (vgl. S. 39ff.) und war von einer Meinungsführerschaft im Senat weit entfernt gewesen. Daß Pompeius mit der neuen Konstellation auch nach seiner Rückkehr nach Rom noch nicht ganz vertraut war oder zumindest Cicero dies vermutete, mag man Cic. Att. 1,14 vom 13. Februar 61 entnehmen. Cicero hatte den Eindruck, Pompeius sei noch immer nicht ganz klar, was er, Cicero, geleistet habe (1,14,3: Intellexi hominem moveri, utrum Crassum inire eam gratiam quam ipse praetermisisset an esse tantas res nostras quae tam libenti senatu laudarentur …); er meinte auch, ihm eine Kostprobe seiner neuen Art zu reden geben zu müssen (vgl. S. 61f.). Zu Ciceros Position im Senat, die speziell im Jahr 62 tatsächlich sehr stark war, vgl. Parrish 1972; Habicht 1990, 55–57. Zu Cato vgl. etwa Meier 31997, 273; Fehrle 1983, 102–108. 218 Ähnlich Rawson 1978, 94–96. Nicht ausgeschlossen ist außerdem, daß der Bericht Ciceros Vorbehalte und Befürchtungen gespiegelt hat, die man in Rom in Bezug auf Pompeius hegte – dies zumindest insofern, als Cicero Pompeius zu verstehen gegeben haben dürfte, daß man in Rom auch sehr gut ohne Pompeius, zumindest ohne den übermächtigen Feldherrn Pompeius auskam. In diesem Fall konnte Pompeius sich mißverstanden und beleidigt fühlen – jedenfalls wenn er schon damals nur ›harmlose‹ Absichten gehabt haben sollte. (Ob er das Vorgehen des Nepos im Detail billigte, ist z.B. nicht bekannt; vgl. dazu etwa Mitchell 1991, 71f.; Seager 22002, 72–74. Vgl. Mitchell 1991, 74–88 auch allgemein zur ›Harmlosigkeit‹ des Pompeius in den 60er Jahren, d.h. zu seiner grundsätzlichen Loyalität der res publica gegenüber, wie auch zu Ciceros im Prinzip doch überwiegend positivem Pompeius-Bild in dieser Zeit.)

3. Ausblick auf die weitere Entwicklung

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auch die Art und das Maß, in dem Cicero seine eigenen Leistungen gelobt hat, unerfreulich gewesen sein.219 Daß Ciceros Eigenlob aber primär verantwortlich für die Distanziertheit des Pompeius war,220 ist angesichts der weit verbreiteten Übung, seine eigenen Leistungen ins rechte Licht zu rücken,221 m.E. eher unwahrscheinlich. Im Übrigen fragt es sich, wie weit Cicero es mit seinem Eigenlob wirklich getrieben hat, ist doch davon auszugehen, daß er dieses Schreiben tatsächlich erst nach dem Ende seiner Amtszeit am 29. Dezember, angesichts der turbulenten Ereignisse zu Beginn des Jahres 62 vermutlich auch erst nach dem 3. Januar abgesandt hat, also sicher in Kenntnis der Initiativen des Nepos und der Ambitionen des Pompeius und wahrscheinlich auch in Kenntnis ihres Scheiterns.222 Diese Konstellation macht es m.E. auch unwahrscheinlich, daß der Tenor des Berichts einem Überschwang geschuldet war, der dann provozierend wirkte, geschweige denn, daß Cicero absichtlich provozieren wollte: schließlich war er gerade in diesen Tagen bemüht, den Konflikt mit Nepos beizulegen. Vielmehr sollte dieser Bericht neben dem Wunsch, die eigene

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Vgl. Schol.Bob. zu Cic. Planc. 85. Nicht ausgeschlossen ist, daß Cicero seine Leistung der des Pompeius an die Seite gestellt hat – etwa ähnlich wie in Cic. Cat. 3,26 (… unoque tempore in hac re publica duos civis exstitisse, quorum alter finis vestri imperi non terrae sed caeli regionibus terminaret, alter eiusdem imperi domicilium sedisque servaret) oder wie, etwas zurückhaltender, in 2,11 und 4,21; der Vergleich ihres Verhältnisses mit dem zwischen P. Cornelius Scipio Africanus und C. Laelius in Ciceros folgendem Brief an Pompeius weist jedenfalls in diese Richtung (Cic. fam. 5,7,3: … ut tibi multo maiori quam Africanus fuit me non multo minorem quam Laelium facile et in re publica et in amicitia adiunctum esse patiare). Dieser Vergleich macht zwar deutlich, daß Cicero Pompeius doch eine gewisse Vorrangstellung einräumte, Pompeius mag aber angesichts seiner eigenen Karriere wie auch seiner jüngsten Leistungen Ciceros Selbstbewußtsein durchaus als Zumutung empfunden haben. Vgl. dazu auch Johannemann 1935, 19–22; Nicolet 1960, 236–252; Habicht 1990, 54; auch Lomanto 1996, 116–124. Ward 1968, 119–186, bes. 124, 127 hält diesen Vergleich für den Versuch Ciceros, die Verärgerung des Pompeius darüber zu dämpfen, daß er immer wieder Ebenbürtigkeit mit ihm reklamiert hatte. Nun habe er sich bemüht, seine Stellung und die des Pompeius als einander ergänzend, statt wie bislang als miteinander rivalisierend darzustellen. Wenngleich das in Bezug auf diesen Brief und auch, was die Fortentwicklung des Scipio-Laelius-Mythos durch Cicero anbelangt (dazu Ward 1968, 127–144), zutreffend sein mag, kann man in diesem Brief m.E. aber doch keine generelle Trendwende sehen, denn auch noch später hielt Cicero den Vergleich mit Pompeius zumindest ›auf Augenhöhe‹ für angebracht: Das zeigt nicht nur der oft verspottete und kritisierte Vers cedant arma togae, concedat laurea laudi aus dem im Jahr 60 veröffentlichten Epos De consulatu suo (vgl. dazu aber die Interpretation Cic. Pis. 73–75, in der Cicero leugnet, daß er sich überhaupt auf Pompeius beziehe, außerdem Cic. off. 1,77), sondern beispielsweise auch die genannten Passagen aus den Catilinarischen Reden, erfolgte ihre schriftliche Publikation doch ebenfalls im Jahr 60; vgl. außerdem etwa Cic. Att. 1,19,3 (aus dem Jahr 60); 6,1,22 (aus dem Jahr 50); 10,4,4 (aus dem Jahr 49). Vgl. auch Buchheit 1969, dem der Konflikt zwischen Cicero und Pompeius Konsequenz des Bemühens Ciceros ist, dem »Geist« zum »Triumph« zu verhelfen, d.h. dem Kampf mit dem Wort gegenüber dem Kampf mit der Waffe größere Anerkennung zu verschaffen. 220 Fuhrmann 41997, 102 etwa führt die Ruhmredigkeit Ciceros als einzigen Grund für die frostige Reaktion des Pompeius an. 221 Zu denken ist etwa an die autobiographischen Schriften des M. Aemilius Scaurus (cos 115), des P. Rutilius Rufus (cos 105), des Q. Lutatius Catulus (cos 102), des Sulla und des Varro; vgl. Candau 2011; Tatum 2011. Vgl. auch des Pompeius eigenes Schreiben, das er wohl Ende März 62 an den Senat gesandt hatte (Cic. fam. 5,7,1; prov. 27), die Beschreibung seiner Taten durch Theophanes von Mytilene, die des Lucullus durch Archias. 222 Zur Chronologie und ihren Unsicherheiten vgl. auch Shackleton Bailey zu Cic. fam. 5,7.

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dignitas und auctoritas223 zu propagieren und Pompeius das Funktionieren der res publica in seinem, Ciceros eigenem Sinn deutlich zu machen, auch von diplomatischem Geschick geprägt gewesen sein – ähnlich wie es sein folgender Brief an Pompeius nachweislich war.224 Angesichts des Einflußes, den Cicero und Cato gewonnen hatten, bemühte sich Pompeius dann zu Anfang des Jahres 61 tatsächlich um eine Annäherung an die beiden, insbesondere an Cato, zu dem er verwandtschaftliche Verbindungen zu knüpfen versuchte, worauf Cato allerdings nicht einging.225 Cicero einzuschätzen, war wohl deutlich schwieriger, und so gestaltete sich die Annäherung an ihn denn auch recht zögerlich und wohl auch nicht frei von Mißverständnissen:226 Ende 62 meinte Cicero, Pompeius sei ihm freundschaftlich gesonnen.227 Im Januar 61 fing Pompeius an, Cicero zu loben – freilich hielt Cicero dieses Lob für halbherzig.228 Anfang Februar äußerte sich Pompeius dann auch im Senat so, daß man meinen konnte, er billige die Politik, die Cicero Catilina gegenüber betrieben hatte.229 Schließlich schien aber ihr Verhältnis so eng zu sein, daß Pompeius sich deswegen sogar als Cn. Cicero verspotten lassen mußte.230 Pompeius mag sich auf diese Annäherung eingelassen haben, weil er Cicero in den anstehenden Verhandlungen über die Bestätigung seiner Maßnahmen im Osten nicht als Gegner haben wollte, aber auch, weil er sich den Senat grundsätzlich gewogen machen wollte – und dieser hatte sich letztendlich ja immer wieder hinter Cicero gestellt. Für Cicero war diese Annäherung wichtig, weil Pompeius ihm als Person galt, deren Anerkennung prestigeträchtig war, zunehmend aber auch, weil er sich von ihm Schutz versprach, sollten die anderen Stützen seiner Stellung, insbesondere der Senat und die concordia ordinum, wegbrechen.231 Daß die Beziehungen zu Pompeius problematisch waren, sah Cicero

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Der Begriff ›Ruhmredigkeit‹ greift wohl zu kurz: Es geht nicht nur um Eigenlob, auch nicht nur um gewissermaßen objektive gloria, vielmehr um dignitas und auctoritas, um den Einfluß, den man reklamiert, unabhängig davon, ob man gerade magistratus ist oder nicht. So gesehen hat Cicero eine Position angestrebt, die Pompeius sich selbst zugedacht hatte. Vgl. Habicht 1990, 47f., 53–60, der u.a. unter Verweis auf Parrish 1972 eine Vielzahl von Indizien und Belegen dafür anführt, daß Cicero sich in den Jahren nach seinem Konsulat als princeps senatus, ja als rector rei publicae sah, und daß er das zumindest im Jahr 62, etwas eingeschränkt auch noch 61, in recht hohem Maße auch tatsächlich gewesen ist – und vor allem, daß er auch so wahrgenommen wurde. Vgl. auch Martin 1980 zu Ciceros princeps-Konzeption; außerdem Batstone 1994 zu Ciceros Konstruktion seines konsularen ethos. Vgl. Shackleton Bailey und auch Penz 1971, 98–100 zu Cic. fam. 5,7. Plut. Pompeius 44; Cato Minor 30. Vgl. Meyer 31922, 46f.; 60–62. Cic. Att. 1,12,3. Cic. Att. 1,13,4: Tuus autem ille amicus (scin quem dicam? de quo tu ad me scripsisti, postea quam non auderet reprehendere laudare coepisse) nos, ut ostendit, admodum diligit, amplectitur, amat, aperte laudat, occulte, sed ita ut perspicuum sit, invidet. Cic. Att. 1,14,2–4; aus der Bemerkung, die Pompeius Cicero gegenüber machte – er meine, damit auch genug zu Ciceros Angelegenheiten gesagt zu haben –, geht hervor, daß man seine Stellungnahme auch so verstehen sollte. Deutlich wird aber auch, daß er sich dazu nicht klarer äußern wollte. Cic. Att. 1,16,11. Vgl. S. 63f.

3. Ausblick auf die weitere Entwicklung

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bei aller Hoffnung, die er auf sie setzte, wohl,232 wenngleich vielleicht noch nicht in der ganzen Tragweite. Daß dieses Konzept schließlich versagte und Pompeius ihn letztlich nicht wirksam vor Clodius schützte, hatte sicherlich viele Ursachen. So hatte sich auch Cicero nicht entschieden genug für die Belange des Pompeius eingesetzt,233 überhaupt wird es Pompeius nicht entgangen sein, daß Ciceros Gedanken vorwiegend um dessen eigene Probleme und Interessen kreisten.234 Außerdem hatte Pompeius selbst Rücksichten zu nehmen.235 Ausschlaggebend dürfte aber gewesen sein, daß Cicero wiederholt Avancen des sogenannten Triumvirats zurückgewiesen236 und die Politik der Drei auch direkt kritisiert hatte.237 Schließlich demonstrierte er – bei aller Zurückhaltung, die er sich in politischen Fragen seit der transitio ad pebem des Clodius auferlegt hatte – weiterhin seinen Willen zur Unabhängigkeit238 und blieb so zumindest ein potentieller Kristallisationspunkt des Widerstands gegen die Interessen der Drei und damit auch gegen die Interessen des Pompeius.239

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So äußerte er Atticus gegenüber immer wieder Vorbehalte gegen Pompeius, akzeptierte, daß Atticus Bedenken hatte (Cic. Att. 1,20,2; 2,1,6), versprach, daß er Pompeius gegenüber vorsichtig sein werde (Cic. Att. 1,17,10; 1,20,2f.; vgl. auch 1,19,8) und kritisierte Pompeius in einzelnen Punkten (so Cic. Att. 1,16,12 wegen Wahlkampfumtrieben; 1,18,6 weil sich Pompeius in Schweigen hüllte, anstatt zu handeln). Vgl. Fuhrmann 41997, 119; Mitchell 1991, 94f. Besonders deutlich wurde dies etwa anläßlich der Diskussionen über das Ackergesetz, das der Volkstribun L. Flavius Anfang des Jahres 60 vorgeschlagen hatte; es wäre auch den Veteranen des Pompeius zugute gekommen. Zu den Problemen des Pompeius nach seiner Rückkehr vgl. Gelzer 21959, 112f.; Christ 42000, 285–287; Seager 2 2002, 75–82. Dies spiegeln auch Ciceros Briefe an Atticus, in denen er nur sehr selten Anliegen oder Probleme des Pompeius erwähnt. Vgl. etwa Seager 1965; Seager 22002, 102: Pompeius mag gehofft haben, seine eigenen Interessen dadurch, daß er Cicero preisgab, vor Angriffen des Clodius schützen zu können; er mag auch gehofft haben, sich außerdem der Dankbarkeit Ciceros versichern zu können, wenn er ihm nach einiger Zeit – wenn Clodius nicht mehr im Amt wäre – die Rückkehr nach Rom ermöglichen würde. Abgesehen davon sollte sich erweisen, daß Clodius sowieso nur bedingt steuerbar war: vgl. Gelzer 21959, 124; Gruen 1966. Ähnlich Johannemann 1935, 41–45. So war Cicero im Dezember des Jahres 60 nicht auf das Anerbieten Caesars eingegangen, in seinem Konsulatsjahr auf seinen Rat zu hören, was wohl eine Einladung, dem sogenannten Triumvirat beizutreten, darstellte (vgl. Cic. Att. 2,3,3f. und etwa Habicht 1990, 60; Jehne 2000, 259). Er lehnte es außerdem ab, in der Ackerkommission mitzuarbeiten, die im Jahr 59 zur Umsetzung der Agrargesetze Caesars eingerichtet worden war (Cic. prov. 41), sich an einer Gesandtschaftsreise nach Alexandreia zu beteiligen (vgl. Att. 2,5,1) oder Caesars Legat zu werden (Att. 2,18,3). So anläßlich der Verteidigung des Antonius im März 59. Die transitio ad plebem und die adrogatio des Clodius, an denen Caesar als Konsul (vgl. dazu S. 46 Anm. 76) bzw. Pompeius als Augur mitwirkten, war offensichtlich die unmittelbare Antwort auf diese Kritik (Gelzer 21959, 118; Habicht 1990, 61). So ging er nicht auf das Angebot Caesars ein, bei ihm als Legat tätig zu sein und sich so vor Clodius in Sicherheit zu bringen (Cic. prov. 41f.). Ähnlich u.a. Habicht 1990, 65; Fuhrmann 41997, 130.

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4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung Seit der Antike hat die Catilinarische Verschwörung die vielfältigsten Darstellungen erfahren.240 Dabei wurde ihre Bedeutung in politischer und historischer Hinsicht völlig unterschiedlich eingeschätzt: Während sie für die einen ein breit angelegtes Komplott war, das die res publica ernsthaft gefährdete,241 war sie für andere lediglich ein marginales Ereignis.242 Dritte wiederum – und dies ist sicherlich die überwiegende Mehrheit – nahmen gewissermaßen eine mittlere Position ein, sei es, daß ihnen die Verschwörung als Symptom einer krisenhaften Zeit galt,243 sei es, daß sie sich ihnen, im Kontext betrachtet, als Ereignis von nicht zu unterschätzender Bedeutung erwies, selbst wenn sie an sich keine Angelegenheit von besonderem Rang gewesen sein sollte.244 Eine ganz wesentliche Ursache für die Unterschiedlichkeit der Wertungen ist die Quellenlage. Auf den ersten Blick hat man es mit einer enormen Quellenfülle zu tun,245 bei näherem Hinsehen aber erweist sich die antike Tradition als im Wesentlichen abhängig von einem Autor – nämlich von Cicero – und in ihren Wertungen auch deutlich von seiner Sichtweise geprägt.246 Da Cicero gleichzeitig aber einer der Hauptakteure in dieser Ausein-

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Von den modernen sind etwa John 1875/76, Boissier 1905, Hardy 1917, Ciaceri 1918, Pareti 1934, Hutchinson 1966, Meijer 1973 und Bessone 2004 grundlegend. Vgl. auch unten S. 74 Anm. 253 und die Bibliographie von Criniti 1971 (ermöglicht auch den Zugang zu russischer Literatur). Für diese Position wird v.a. Cicero in Anspruch genommen (vgl. neben dem Bild, das er in den Catilinarischen Reden entwirft, etwa off. 1,77f.); zu bedenken ist freilich, daß es sich bei seinen Wertungen nicht um wissenschaftlich-historische handelt, sondern um in politisch-gesellschaftlichem Zusammenhang stehende (vgl. zu diesem Spannungsfeld auch Cic. fam. 5,12, bes. 5,12,3). Von den Modernen tendiert insbesondere Boissier 1905 in diese Richtung. So gehören beispielsweise für Mommsen 81889, Bd. 3, 175 die »Bubenstücke« Catilinas »in die Criminalacten, nicht in die Geschichte«. Bengtson 31982, 220 zufolge war die Verschwörung »kein Ereignis ersten Ranges«, erst Cicero habe sie durch seine Reden und Schriften dazu gemacht; vgl. Ciaceri 1918, bes. 144, 168. Auch für Fuhrmann 41997, 98f. war, was Cicero leistete, »kaum mehr als eine … Polizeiaktion«. Etwas milder urteilen etwa Seel 1951, 34 (die Verschwörung sei »kaum mehr als eine belanglose Episode ohne Folgen« gewesen; sie habe aber immerhin als Katalysator gewirkt und etwa bei Caesar und Cicero einen Selbstfindungsprozeß in Gang gebracht) und Hoffmann 1959, 460f., 477 (man könne tatsächlich den Ablauf der Geschichte von den Gracchen bis Augustus in großen Linien zeichnen, ohne überhaupt den Namen Catilinas zu erwähnen; Catilina habe aber mit seinem Unterfangen das Thema der kommenden Jahrzehnte angeschlagen: Bürgerkrieg). Am radikalsten ist Waters 1970: Die Verschwörung sei im Wesentlichen eine Erfindung Ciceros, die dieser aus machiavellistischen Gründen vorgenommen habe. Exponent dieser Sichtweise ist Sallust; seiner Auffassung nach war die Catilinarische Verschwörung freilich auch für sich betrachtet ein gravierender Vorfall (vgl. z.B. Sall. Cat. 5,8; 14,1; 36,4–39,5 mit 4,4; 5,6; 23,4; 23,6; 39,4; vgl. Syme 1964, 64, 66f. Zu denkbaren weitergehenden, besonders auch politischen Absichten seiner Schrift vgl. ebenfalls Syme 1964, 121–137; auch Ledworuski 1994, 60–70). Von den Modernen etwa John 1875/76, 819; Pareti 1934, 173–182; Gelzer 1923, 1711; Heuß 41976, 196f. (»Sie war kein welthistorisches Ereignis, aber auch keine Bagatelle. Setzt man sie in den Rahmen ihrer Zeit, dann ist sie ein beredtes Zeugnis für die Erbärmlichkeit des damaligen politischen Zustandes.«); Christ 31980, 128; Bleicken 62004, 78, 231f.; Bringmann 2 2010, 304. Vgl. S. 37f. Die allermeisten Quellen sind zusammengestellt bei Drexler 1976. Vgl. auch Drumann 5, 2 1919.

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andersetzung und damit Partei war, ist die Einschätzung seiner Darstellung und damit die Einschätzung der Ereignisse doppelt schwierig und folglich auch besonders umstritten. Neben der Quellenproblematik, der Rekonstruktion der Ereignisabläufe und der Einordnung der Verschwörung in größere politische Zusammenhänge hat sich die Forschung unter anderem – und dies verstärkt in jüngerer Zeit – mit juristischen bzw. staatsrechtlichen Fragen247 wie der nach der Rechtmäßigkeit der Hinrichtungen vom 5. Dezember, mit der Analyse der sozialen und ökonomischen Hintergründe,248 außerdem mit der italischen Perspektive der Ereignisse249 befaßt. 4.1 Die Ausgangslage Im Verlauf des Jahres 63 waren verschiedene Konfliktfelder deutlich geworden.250 Sie standen teilweise in der Tradition optimatisch-popularer Auseinandersetzungen, etwa wo es anläßlich der rogatio agraria des Rullus um Landverteilung ging oder beim Prozess gegen Rabirius um die Rechtmäßigkeit der senatus consulta ultima. Teilweise stand die Positionierung Einzelner im machtpolitischen Gefüge im Vordergrund, etwa wo es um die Zuerkennung eines Triumphs oder um die Wahl des pontifex maximus ging. Oftmals überlagerten sich dabei Konflikte, bei denen es um Fragen des politischen Prinzips ging, mit Auseinandersetzungen um den Einfluß Einzelner; so ist etwa die rogatio agraria des Rullus auch im Zusammenhang der Klientelpflege ihrer Hintermänner zu sehen – wer diese auch immer gewesen sein mögen. Deutlich wurden aber auch drängende Probleme gesellschaftlichpolitischer bzw. sozial-wirtschaftlicher Art, etwa wo es um die Rechte der Söhne der unter Sulla Proskribierten oder um die Verschuldung weiter Bevölkerungskreise in Rom und Italien wie auch in den Provinzen ging. Catilina sollte manche dieser Themen aufgreifen, insbesondere die Schuldenfrage.251 Generell baute er auf die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise, angefangen mit eigentlich arrivierten, aber in ihrer dignitas verletzten Politikern und tendenziell liberal eingestellten, will heißen, einer unkonventionellen Lebensweise gegenüber aufgeschlossenen, 246

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Schwartz 1897; Marshall 1974; Heider 2000; vgl. auch Ciaceri 1918, passim; Strasburger 1938, 24–27, 39–43; Syme 1964, 71–74, 81f.; Waters 1970, 196 Anm. 4; Habicht 1990, 46f.; Ledworuski 1994, passim; von Ungern-Sternberg 1997a, 204 Anm. 2; Bessone 2004, 1– 18; vgl. außerdem Robinson 1986, 83–175 zur Formung Catilinas als »exemplum of evil« durch Cicero in der Rede Pro Murena und in den nach dem Jahr 63 gehaltenen Reden; Criniti 1975 und 1990, 16f., 24–28 zu der – von bezeichnenden Ausnahmen abgesehen – über Jahrhunderte durchweg negativen Konnotation des Namens ›Catilina‹ bzw. der Apostrophierung als ›catilinarisch‹. Procacci 1928; von Ungern-Sternberg 1970, bes. 86f., 123–129; Mitchell 1971; Herrán 1972; Nippel 1988; Dahlheim 1990; Drummond 1995; von Ungern-Sternberg 1997a, 91– 99; vgl. auch Habicht 1990, 49–53 mit Literatur Anm. 9; Konstan 1993. Yavetz 1963; Meijer 1973; Gruen 1974, 416–433; Schneider 1974, 224–241; Havas 1978b; Stewart 1995; Giovannini 1995. Stewart 1995; auch Sirago 1982. Vgl. S. 37ff. Ihn deshalb für einen Politiker zu halten, für den ein Programm, zumal ein sozialrevolutionäres, im Zentrum der Bemühungen stand (so etwa Zullino 1985), wäre freilich verfehlt; vielmehr bestand Catilinas Hauptanliegen darin, seine dignitas zu wahren (vgl. etwa seinen Brief an Q. Lutatius Catulus: Sall. Cat. 35; so auch Bringmann 1993, 12; Bringmann 22010, 305; vgl. außerdem Uttschen ko 1972, 122–124; Schneider 1974, 231–233).

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jungen Männern aus der Oberschicht über durch Sulla Geschädigte bis hin zu finanziell Ruinierten aller Art, darunter insbesondere auch Veteranen Sullas. Diese Unzufriedenheit reichte von der Stadt Rom selbst, über Italien bis in die Provinzen.252 Dabei vereinte Catilina auch Gruppierungen ursprünglich gegensätzlicher Provenienz, so sullanische Veteranen und die Nachkommen unter Sulla Proskribierter. 4.2 Catilina L. Sergius Catilina253 gehörte offenbar bis zu seiner Kandidatur für den Konsulat des Jahres 62 zum politischen Establishment,254 und zwar ungeachtet seiner sullanischen Vergangenheit – er hatte, teilweise im Zug der Proskriptionen, unter anderem wohl zwei seiner Schwäger, vielleicht auch seinen Bruder getötet – und ungeachtet seiner Verwicklung in Skandale – im Jahr 73 etwa war er wegen Unzucht mit einer Vestalin angeklagt worden, außerdem gab es Gerüchte über die Verwicklung in ein Mordkomplott in den Jahren 66/65, die sogenannte Erste Catilinarische Verschwörung.255 An seiner Zugehörigkeit zum politi252

Zu den Beteiligten und Sympathisanten – Einzelpersonen wie Bevölkerungsgruppen – und ihren Motiven vgl. Gruen 1974, 416–433; Mitchell 1979, 226–234; speziell zur italischen Komponente vgl. S. 47 Anm. 89. Verschuldung war nicht nur in Italien und Rom, sondern auch in den Provinzen ein drängendes Problem: vgl. etwa Cic. Sull. 58; speziell zur Verschuldung der Allobroger: Sall. Cat. 40,1; 40,4; 41,2. Die Gesandtschaft der Allobroger, die die Verschwörer für ihre Sache zu gewinnen suchten, war nach Rom gekommen, um sich über die Geldgier der römischen Magistrate zu beschweren und vom Senat Hilfe zu erbitten (Sall. Cat. 40,3). 62/61 v.Chr. sollten die Allobroger sich dann tatsächlich gegen Rom erheben (Cass. Dio 37,47f.; Liv. per. 103). Crawford 2001, 262 geht sogar so weit, die Catilinarische Verschwörung ganz wesentlich als Schuldenkrise zu interpretieren, die durch Geldknappheit noch verschärft worden sei. Tatsächlich wollte man wegen größerer Renditen statt in Italien lieber in den Provinzen investieren. Wegen der Erfolge des Pompeius war dies besonders auch im Osten wieder attraktiv geworden. In der Folge floß nicht nur Geld in die Provinzen ab, vielmehr stiegen allgemein die Zinsen, in Italien fielen die Immobilienpreise. Letzteres traf insbesondere die eigentlich Besitzenden, da ihre Immobilien der Sicherung ihrer Schulden dienten. Auch Cicero und der Senat suchten dieser Krise entgegenzuwirken, freilich nicht durch Schuldenerlaß, sondern durch ein Verbot, Edelmetall aus Italien auszuführen (vgl. Cic. Vatin. 12; mit Flacc. 67). Zu diesen Zusammenhängen: Frank 1933, 347f.; Gruen 1974, 426f.; Giovannini 1995, 17f., 24–29. 253 Zu seiner Biographie und zu seiner Stellung im Machtgefüge seiner Zeit vgl. Gelzer 1923; Kaplan 1968; Manni 21969 (11939; mit den Rez. von Mary I. Henderson, in: JRS 31, 1941, 176– 178 und von Ernst Hohl, in: Gnomon 19, 1943, 168f.); Meijer 1984, 38–105, 165–171; auch Heider 2000; vgl. außerdem oben S. 72 Anm. 240; zusammenfassend von Ungern-Sternberg 1997a, 85–87; von Ungern-Sternberg 1997b. 254 Von Ungern-Sternberg 1997a, 86; ähnlich z.B. Mitchell 1979, 221. 255 Ihre Existenz wurde immer wieder bezweifelt, so von Seager 1964; Syme 1964, 87–98; Waters 1970, 196; letztlich bereits von Stevens 1963. Unbestreitbar ist immerhin, daß es Gerüchte gab, die für das Jahr 65 designierten Konsuln L. Aurelius Cotta und L. Manlius Torquatus sollten ermordet werden (vgl. etwa Cic. Cat. 1,15; Cic. Sull. 68; Sall. Cat. 18,5). Sie waren designiert worden, nachdem sie ihre bei der Wahl ursprünglich siegreichen Mitbewerber P. Autronius Paetus und P. Cornelius Sulla erfolgreich wegen ambitus angeklagt hatten. Autronius und Sulla waren daraufhin vermutlich ein Komplott eingegangen, in dem auch Catilina eine Rolle spielte, wenngleich sicherlich nicht er, sondern wohl eher Crassus der eigentliche Drahtzieher war. Crassus mag hier eine Möglichkeit gesehen haben, seine Position Pompeius gegenüber zu stärken (Christ 42000, 256f.). Zur Unterschiedlichkeit der Einschätzungen vgl. beispielsweise Gruen 1969; Havas 1970; Marshall 1976a, 69–72; Vretska zu Sall. Cat. 18,1; Canfora 1999, 57–59; Bessone 1998/99 und auch Bessone 2000.

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schen Establishment änderten auch diverse Rückschläge in seiner Karriere nichts – zur Kandidatur für den Konsulat des Jahres 65 war er nicht zugelassen worden,256 im Jahr 65 war ein Repetundenprozeß gegen ihn angestrengt worden,257 der die Bewerbung um den Konsulat des Jahres 64 verhinderte, im Jahr 64 schließlich war er bei den Konsulwahlen unterlegen. Daß Catilina in dieser Zeit zum politischen Establishment gehörte, macht z.B. der Verlauf des Repetundenprozesses deutlich: Cicero erwog immerhin seine Verteidigung, Clodius vertrat die Anklage wenig konsequent, Konsulare setzten sich für ihn ein, schließlich wurde er freigesprochen. Dies zeigt sich aber auch darin, daß man ihn nicht fallen ließ, als er im Jahr 64 wegen Mordes im Zusammenhang der sullanischen Proskriptionen angeklagt wurde. Schließlich spiegelt sich dies auch in der Tatsache, daß Cicero Catilina bei ihrer Kandidatur für den Konsulat des Jahres 63 offenbar nur wegen seiner Vergangenheit und seiner Wahlkampfmethoden angriff,258 nicht aber wegen umstürzlerischer Bestrebungen. Die arrivierten politischen Kreise wandten sich von Catilina erst ab, als er bei seiner Kandidatur für den Konsulat des Jahres 62 tabulae novae, neue Schuldschriften, vorschlug.259 Dabei störte man sich wohl weniger am Inhalt dieses Vorschlags, der an sich nicht revolutionär war, zumal tabulae novae nicht notwendigerweise die vollständige Streichung der Schulden, sondern beispielsweise die Reduktion der Zinsen oder die Modifizierung der Rückzahlungsbedingungen meinte.260 Man störte sich vielmehr vor allem daran, daß Catilina sich ungewöhnlicherweise während der Kandidatur gewissermaßen programmatisch äußerte.261 Cicero nutzt dies, um ihn sozialrevolutionärer Umtriebe zu bezichtigen.262 Unklar ist, ab wann Catilina die Anwendung von Gewalt erwog. So ist es denkbar, daß er zunächst nur das Opfer seiner eigenen Rhetorik war, als er kurz vor den Wahlen, von Cato 256

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Sei es wegen eines drohenden Repetundenprozesses (Ascon. 89C), sei es weil er sich nicht rechtzeitig beworben hatte (vgl. Sall. Cat. 18,3), sei es weil der die Wahl leitende Konsul L. Volcacius Tullus die professio aus politischen Gründen nicht akzeptierte (vgl. Marshall 1976b; Licandro 1997). Nach seiner Prätur im Jahr 68 hatte er in den Jahren 67 und 66 die Provinz Africa verwaltet. Vgl. die Fragmente der Rede In toga candida. Wann genau Catilina speziell die Unterstützung durch Crassus und auch durch Caesar verlor, ist aufgrund der Quellenlage (vgl. etwa Marshall 1976a, 76–80; Ward 1977, 172–192) freilich nicht mit letzter Sicherheit auszumachen. Während beispielsweise Gelzer 1923, 1701 und 61960, 43, Stockton 1971, 100, Marshall 1976a, 76–80 und Fuhrmann 41997, 92 es für wahrscheinlich halten, daß dies bereits vor den Wahlen für das Jahr 62 geschehen ist, meinen etwa Will 1992, 37 und Christ 42000, 262, daß Crassus bzw. Caesar Catilina erst im Oktober bzw. im Dezember 63 fallen gelassen habe. Sollten Crassus und/oder Caesar Catilina tatsächlich so lange unterstützt haben, ist wiederum unklar, ob sie an der Verschwörung auch direkt beteiligt waren, bzw. aus welchen Motiven sie Catilina unterstützten (vgl. dazu auch Salmon 1935, 308–315). Ebenso unklar ist, wie Cicero dies zum Zeitpunkt des Geschehens eingeschätzt hat. Während etwa Strasburger 1938, 120–125 der Auffassung ist, Cicero habe nicht einmal einen Verdacht gehabt, meint beispielsweise Will 1992, 37, Cicero sei von der Beteiligung der beiden überzeugt gewesen. Sicher ist lediglich, daß Cicero in späterer Zeit, spätestens in der posthum veröffentlichten Schrift De consiliis suis (vgl. auch Meyer 31922, 33), vielleicht aber auch schon in den Jahren 60/59 (vgl. Marshall 1974) Verdächtigungen geäußert hat. Crassus selbst soll freilich gesagt haben, die Vorwürfe, die – von dritter Seite – schon im Jahr 63 gegen ihn erhoben worden seien (vgl. oben S. 51 Anm. 120), habe in Wirklichkeit Cicero in die Welt gesetzt (Sall. Cat. 48,9). Giovannini 1995, bes. 30–32; vgl. auch Sall. Cat. 33,2 und Vretska z.St. Von Ungern-Sternberg 1997a, 86. Von Ungern-Sternberg 1997a, 86. Vgl. Cic. Mur. 50.

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mit einem Prozeß bedroht, seinerseits mit rabiaten Gegenmaßnahmen drohte.263 Als die Niederlage bei den Wahlen deutlich machte, daß er seine Karriere auf herkömmliche Art nicht würde fortsetzen können, suchte er aber offenbar engeren Anschluß an die von der Schuldenproblematik bedingten Unruhen, setzte auf eine weitverbreitete Aufstandsbewegung und wurde so tatsächlich zum Verschwörer.264 4.3 Die Rolle Ciceros In welchem Maß Catilinas politische Gegner, allen voran Cicero, seine Entwicklung von einem Politiker, der mit anderen in einem – im Wesentlichen – nicht ungewöhnlichen Wettstreit um Ansehen, Einfluß und Ämter stand, zu einem Verschwörer mit zu verantworten hatten, ist angesichts der Quellenlage schwerlich auszumachen.265 Vorwürfe wie, Cicero sei der eigentliche Verursacher der Unruhen, oder, er habe Catilina erst in die Illegalität getrieben, wurden bereits in zeitnahen Quellen erhoben bzw. kolportiert.266 Diese Sichtweise fand – mit verschiedenen Modifikationen – in der modernen Forschung ihre Fortsetzung. Besonders prononciert vertreten wurde sie von Waters, der meinte, Cicero habe die Verschwörung aus machiavellistischen Gründen im Wesentlichen erst erfunden, da es ihm darum gegangen sei, eine führende Rolle in der Politik zu spielen und sich als Retter des Staates zu gerieren.267 Auch für Seager ist die Catilinarische Verschwörung in großen Teilen eine Fiktion Ciceros.268 Er vermutet jedoch gänzlich andere Motive. Cicero sei mit einer verwickelten und beängstigenden Situation konfrontiert gewesen: allenthalben Unzufriedenheit, die nur eines kleinen Anstoßes bedurfte, um Unruhen auszulösen. Cicero habe befürchtet, daß die Rückkehr des Pompeius dieser Anstoß sein könnte, und zudem, daß Pompeius diesen Umstand für sich nutzen könnte – sei es, daß er sich an die Spitze der Unruhen setzen würde, sei es, daß ihm die Unruhen als Vorwand dienen könnten, seine Truppen zu behalten und einen Staatsstreich zu inszenieren. Daher habe Cicero gewollt, daß sich alle potentiellen Unruhestifter offenbarten und zusammenschlössen – und zwar möglichst schnell –, so daß sie vor der Rückkehr des Pompeius außer Gefecht gesetzt werden könnten.269 263 264 265 266

Von Ungern-Sternberg 1997a, 86. Vgl. dazu auch oben S. 45 Anm. 72. Von Ungern-Sternberg 1997a, 87. Zum weiteren Verlauf der Ereignisse s.u. S. 88ff. Vgl. von Ungern-Sternberg 1997b, 1030. Invectiva in Ciceronem 3 (vgl. Sall. Cat. 43,1); Q. Fufius Calenus im Jahr 43 – Cass. Dio 46,2,3; 46,20 zufolge – anläßlich der Verteidigung des Antonius im Senat gegen Vorwürfe Ciceros (zu Cass. Dio 46,20 vgl. auch Sall. Cat. 35). 267 Waters 1970, bes. 196, 211. Will 1992, 35f. geht in gewisser Weise noch weiter: Er stellt nicht nur fest, Cicero habe den ›Verschwörer‹ erst zu Maßnahmen getrieben, die begangen zu haben er ihn bezichtigte, vielmehr habe er die anonymen Briefe, die ihm in der Nacht zum 21. Oktober übergeben worden waren, vermutlich selbst geschrieben; die für den 28. Oktober erwartete Abschlachtung der Optimaten sei ausgeblieben, nicht weil Cicero den vorgeblichen Plan verhindert, sondern weil er ihn erfunden habe. Deutlich moderater Jehne 2000, 257, der lediglich von Dramatisierungen Ciceros spricht und meint, Cicero sei gewillt gewesen, die Machenschaften Catilinas für eine umsichtig organisierte Verschwörung zur Durchführung eines sozialrevolutionären Umsturzes zu halten; dies habe u.a. Ciceros Bedürfnis entsprochen, etwas Großes für den römischen Staat zu vollbringen. 268 Seager 1973, 240; hier formulierte er noch entschiedener als in Seager 22002, 70. 269 Seager 1973, 245–247; Seager 22002, 70f.

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Wie auch immer Ciceros Intentionen, sein Handeln und auch der Grad des Einflusses, den sein Wirken faktisch auf den Verlauf der Ereignisse gehabt hat, generell einzuschätzen sind: mit größter Wahrscheinlichkeit suchte Cicero zumindest in der Senatssitzung vom 7. bzw. – deutlich wahrscheinlicher – 8. November in einer Weise auf Catilina einzuwirken, die diesen zu einer bestimmten Handlung nötigen sollte, nämlich dazu, Rom zu verlassen. Folgt man dem Wortlaut der Rede Ciceros, sollte Catilina außerdem möglichst viele seiner Mitstreiter mitnehmen und sich am besten zu den Aufständischen nach Etrurien begeben, sich also so verhalten, daß die Verschwörung offensichtlich würde. So gesehen wollte Cicero Catilina zu einer Entscheidung bewegen, die eine Eskalation der Auseinandersetzung darstellen und Catilina effektiv zum hostis machen würde.270 Unbestreitbar ist jedenfalls, daß Cicero im Jahr 60 mit der Publikation der Rede diese Sichtweise seiner damaligen Absichten propagierte271 und die Rede selbst als diejenige apostrophierte, mit der er Catilina aus Rom hinausgewiesen habe.272 4.4 Ereignisse von religiöser Relevanz Mit der Catilinarischen Verschwörung standen unterschiedliche Ereignisse von religiöser Relevanz in Zusammenhang bzw. wurden mit ihr in Verbindung gebracht. Dabei handelte es sich um eine supplicatio, um göttliche Zeichen wie prodigia bzw. deren Sühnung und um eine Prophezeiung. Die supplicatio beschloß der Senat am 3. Dezember. Mit diesem Fest dankte man den Göttern für die Aufdeckung der Verschwörung; veranstaltet wurde es zu Ciceros Ehren.273 Involviert waren in dieses Fest im Prinzip alle römischen Bürger: die Festtage waren dies nefasti, die Türen sämtlicher Tempel waren geöffnet.274 Breitenwirksam gab die Senatsmehrheit so zu erkennen, daß sie sich die Sichtweise Ciceros zueigen gemacht hatte.275 270

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Zu den Schwierigkeiten, das Datum, wie auch die Situation, in der Cicero die Erste Catilinarische Rede gehalten hat, zu rekonstruieren und seine wie auch Catilinas Absichten zu erkennen, s.u. S. 88ff.; zur Frage nach der Übereinstimmung der schriftlich publizierten mit der tatsächlich gehaltenen Rede vgl. S. 57ff., 87f. Zur Zielsetzung und zum Erfolg der publizierten Rede vgl. auch S. 88ff., speziell zur Psychagogie Ciceros S. 91 und auch S. 233ff., 245 Anm. 159; vgl. die wiederholte explizite Aufforderung, Catilina solle Rom verlassen und er solle seine Mitstreiter mitnehmen, wie auch den Wunsch, er möge nicht ins Exil, sondern zu Manlius gehen, in den §§10; 12f.; 17f.; 20–23; 30; 32f. Cic. Att. 2,1,3: … septima (sc. oratio), qua Catilinam emisi. Sallusts Lob der Rede als luculenta atque utilis rei publicae darf man, zusammen mit seiner Bemerkung, Cicero habe die Rede später schriftlich veröffentlicht (Cat. 31,6), wohl so verstehen, daß er diese Auffassung Ciceros teilte und die publizierte Rede, zumindest in dieser Hinsicht, auch für authentisch hielt. Vgl. dazu auch S. 91f. Supplicatio dis immortalibus pro singulari eorum merito meo nomine decreta est (Cic. Cat. 3,15; vgl. 4,5: meo nomine supplicationem decrevistis; 4,10: supplicationem mihi decrevit). Halkin 1953, 99–105. Vgl. die Aufforderung Quirites, quoniam ad omnia pulvinaria supplicatio decreta est, celebratote illos dies cum coniugibus ac liberis vestris (Cic. Cat. 3,23). Zur integrierenden und stabilisierenden Wirkung dieses Rituals vgl. Linke 2003 (mit Literatur). Wie weitgehend der Senat sich zu diesem Zeitpunkt Ciceros Sicht der Dinge angeschlossen hat, geht aus der Formulierung hervor, mit der er die supplicatio anordnete: supplicatio … his decreta verbis est: ›quod urbem incendiis, caede civis, Italiam bello liberassem‹ (Cic. Cat. 3,15; his decreta verbis est zeigt, daß Cicero hier wörtlich zitiert). Mit incendia, caedes, bellum nimmt der Senat Schlagwörter Ciceros – Cicero selbst spricht Att. 1,14,3f., wenn auch im Nachhinein, von totum hunc locum, quem ego varie meis orationibus … oleo pingere, de flamma, de ferro (nosti illas ληκύθους) –

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Adressaten dieser Botschaft waren neben der Bevölkerung sicherlich das Lager der verbliebenen Verschwörer und ihrer Sympathisanten in Rom wie in Italien, möglicherweise aber auch Pompeius276 – zumindest ist es leicht vorstellbar, daß Pompeius die Neuerungen, die mit dieser supplicatio verbunden waren, als provokant empfunden hat, wurde mit Cicero doch erstmals in der Geschichte Roms ein Magistrat als togatus, d.h. für eine nicht-militärische Leistung in dieser Weise ausgezeichnet.277 Zudem geschah dies, zumindest im Verständnis Ciceros, erstmals nicht ›nur‹ für die erfolgreiche Erledigung von Aufgaben der res publica, sondern für deren Rettung.278 Die erwähnten prodigia hatten sich zum Teil bereits im Jahr 65 ereignet, zum Teil wurden sie im Verlauf des Jahres 63 beobachtet. Bei den prodigia des Jahres 63 handelte es sich um Himmelserscheinungen wie Planetenkonstellationen und Kometen, die an den feriae Latinae beobachtet wurden, um eine Mondfinsternis, datierbar auf den 3. Mai, um von Cicero faces genannte Lichtphänomene und um Blitze aus heiterem Himmel, aber auch um Erdbeben und um erschreckende nächtliche Erscheinungen.279 Cicero bezog sie – recht summarisch angesprochen in der dritten Catilinaria, ausführlich in De consulatu suo, zitiert in De divinatione – auf die Catilinarische Verschwörung.280 In der dritten Catilinaria, in der Rede also, mit der er in einer contio der Bevölkerung von der Senatssitzung des 3. Dezember, der Aufdeckung der Verschwörung und der Verhaftung ihrer in Rom verbliebenen Anführer berichtete, meinte Cicero, die Vertreibung Catilinas und die Aufdeckung der Verschwörung durch ihn, Cicero, sei in einer Weise vonstatten gegangen, daß es den Anschein gewinnen konnte, als sei dies durch das ›Nicken‹ und den Rat der Götter vollbracht worden.281 Belege dafür sind ihm unter anderem die Zeichen, so Fackeln am Himmel, Blitze, Erdbeben, mit denen die Götter derart unmittelbar geholfen haben, daß es so aussah, als hätten sie diese Ereignisse vorhergesagt.282 Er interpretiert diese prodigia also nicht als Zeichen, mit denen die Götter zu erkennen geben, daß die pax deorum gestört ist, vielmehr legt 275 276 277

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auf: vgl. etwa Cic. Cat. 1,3; 1,6; 1,23; 1,33; 2,1; 2,6; 2,10; 2,15; 2,28. Vgl. aber S. 46ff., 50f. dazu, wie labil sein Rückhalt im Senat dennoch grundsätzlich gewesen ist. Zum Verhältnis zwischen dem Senat (und auch Cicero) und Pompeius vgl. S. 35f., Kap. II.2 passim, bes. S. 66ff. Supplicatio … meo nomine decreta est, quod mihi primum post hanc urbem conditam togato contigit (Cic. Cat. 3,15; ähnlich etwa Cat. 4,5; Sull. 85; Phil. 2,13); nam mihi consuli supplicatio nullis armis sumptis non ob caedem hostium, sed ob conservationem civium novo et inaudito genere decreta est (Cic. Phil. 14,24); vgl. Nicolet 1960, bes. 244. Zu Ehren des Pompeius war nach dem Tod Mithradates’ VI. wenige Monate zuvor ebenfalls eine supplicatio beschlossen worden. Sie war mit zehn Tagen von ungewöhnlich langer Dauer (s.o. S. 44). Die supplicatio zu Ehren Ciceros war sicherlich kürzer; immerhin ist sie aber zumindest zweitägig gewesen, darf man die Formulierung celebratote illos dies (Cic. Cat. 3,23) wörtlich nehmen; üblich waren drei oder fünf Tage (Halkin 1953, 41, vgl. 105–109). Quae supplicatio si cum ceteris supplicationibus conferatur, hoc interest quod ceterae bene gesta, haec una conservata re publica constituta est (Cic. Cat. 3,15; ähnlich etwa Cat. 4,20; Pis. 6; Phil. 2,2; fam. 15,4,11). Zu der Thematik ›Rettung der res publica‹ vgl. S. 125ff. Cic. Cat. 3,18; div. 1,18; weitere Quellen bei Engels 2007, 609–611, ebenso Literatur. Dabei weichen seine Schilderungen der prodigia in einigen Punkten inhaltlich wie stilistisch erheblich voneinander ab. Zu diesen Unterschieden und ihrer Erklärung Köves-Zulauf 1997. Quamquam haec omnia, Quirites, ita sunt a me administrata ut deorum immortalium nutu atque consilio et gesta et provisa esse videantur (Cic. Cat. 3,18). … tum vero ita praesentes his temporibus opem et auxilium nobis tulerunt ut eos paene oculis videre possemus … ut haec, quae nunc fiunt canere di immortales viderentur (Cic. Cat. 3,18).

4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung

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er nahe, sie als Zeichen zu sehen, mit denen die Götter Hinweise auf die Bedrohung der res publica geben, ihr also direkt helfen.283 Gesagt ist damit auch, daß die Götter Ciceros Sicht der Dinge teilen und ihn unterstützen, er gewissermaßen im Verein mit ihnen handelt.284 Auch in De consulatu suo weisen die Götter mithilfe derartiger Zeichen – deren Liste ist hier viel umfangreicher – auf drohende Gefahren hin. Den Worten der Muse Urania zufolge, deren Kompetenz als Himmelskundige sich Cicero dadurch, daß er sie hier sprechen läßt, zunutze macht, war es Cicero selbst, der die Zeichen so deutete, schon bevor die Ereignisse eintraten, vor denen sie warnten.285 In etwas anderer Weise steht eine Beobachtung mit der Catilinarischen Verschwörung in Verbindung, die beim Fest der Bona Dea in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember gemacht wurde. Die Flamme auf dem Altar loderte hoch auf, nachdem sie schon fast erloschen war. Die Vestalinnen sollen dies als Aufforderung gedeutet haben, Cicero, der sich mit seinem Bruder und mit einigen Freunden gerade über das weitere Vorgehen gegen die Verschwörer beriet, solle an seiner Linie festhalten.286 Dieses Zeichen der Unterstützung durch die Göttin war also primär an Cicero adressiert, nicht an die res publica insgesamt.287

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Zum Zukunftsbezug von prodigia vgl. Engels 2007, 43–47. Vgl. bereits den Anfang der Rede: Rem publicam, Quirites, … hodierno die deorum immortalium summo erga vos amore, laboribus, consiliis, periculis meis e flamma atque ferro ac paene ex faucibus fati ereptam et vobis conservatam ac restitutam videtis (Cic. Cat. 3,1). 285 Vgl. multaque misceri nocturna strage putasti (Cic. div. 1,18). 286 Plut. Cicero 19f.; vgl. Cass. Dio 37,35,3f. Servius stellt dieses Zeichen freilich in einen ganz anderen Zusammenhang. Seinem Kommentar zu Verg. ecl. 8,105f. (aspice; corripuit tremulis altaria flammis / sponte sua … cinis ipse – sieh, es erfaßt die Asche selbst mit zitternden Flammen den Altar aus eigenem Antrieb …) zufolge hat sich das Zeichen bereits im Vorjahr ereignet – offensichtlich bei einer privaten Feier – und wurde als Vorzeichen auf die Erlangung des Konsulats durch Cicero gedeutet (hoc uxori Ciceronis dicitur contigisse cum post peractum sacrificium libare vellet in cinerem: quae flamma eodem anno consulem futurum ostendit eius maritum). Servius beruft sich dabei explizit auf das poema Ciceros (sicut Cicero in suo testatur poemate). Während etwa Guillaumont 1984, 104f. unter Berufung auf Soubiran, 251 diesen Widerspruch dadurch aufzulösen sucht, daß er als Quelle Plutarchs Ciceros griechischen Konsulatsbericht, als Quelle des Servius jedoch das lateinische De consulatu suo vermutet, in dem Cicero das Ereignis umdatiert habe, hält Engels 2007, 613 dies für unwahrscheinlich, da Cicero ja gerade in Hinblick auf sein römisches Publikum daran gelegen sein mußte, göttliche Unterstützung für die Hinrichtung der Verschwörer hervorzuheben. Ob Engels eine andere Lösung des Widerspruchs sieht, wird dabei nicht deutlich; er führt den Vorfall aber in seiner Liste der Vorzeichen und hält sich in seinen Ausführungen dazu im Wesentlichen an Plutarch. Auch Gallini 1962, 261 und Moreau 1982, 16f. haben offenbar keinen Zweifel an der Darstellung durch Plutarch. M.E. ist es nicht unwahrscheinlich, daß man hier tatsächlich zwei Zeichen, die in ganz unterschiedlichem Kontext stehen, unterscheiden muß: Auch die Zeichen selbst unterscheiden sich deutlich. Bei Vergil ist von zitternden Flammen die Rede, auf sie bezieht sich Servius. Bei Plutarch dagegen ist von einer starken und helleuchtenden Flamme (φλὸξ πολλὴ καὶ λαμπρά) bzw. von einem großen Licht (μέγα φῶς) die Rede, bei Cassius Dio entsprechend von einem Feuer, das ungewöhnlich hoch aufschlug (πῦρ ἐπὶ μακρότατον παρὰ τὸ εἰκός). Nicht nur das Erscheinungsbild der Flamme unterscheidet sich bei den Autoren, vielmehr liegt bei Vergil und Servius der Ton auf der Selbstentzündung, bei Plutarch und Cassius Dio jedoch auf der Größe und Leuchtkraft der Flamme. 287 Diese Individualisierung lag gewissermaßen im Trend der Zeit (vgl. Engels 2007, 786–797); festzuhalten ist jedoch, daß die Deutung des Zeichens von den Vestalinnen bei einem Fest pro populo vorgenommen worden ist. Zu dem Zusammenhang, der mit einiger Wahrscheinlichkeit zwischen diesem Zeichen bzw. seiner Deutung und der religio Clodiana besteht, s.o. S. 65.

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

Auch das Mißlingen eines augurium in Ciceros Konsulatsjahr, das des augurium salutis, wurde – jedenfalls von dem Augur App. Claudius – als Hinweis auf einen künftigen Bürgerkrieg gewertet. In De divinatione läßt Cicero seinen Bruder Quintus daran erinnern. Er läßt ihn hinzufügen, dieser Bürgerkrieg sei dann ja auch wenige Monate später ausgebrochen. Zumindest Cicero wollte also auch dieses Zeichen auf die Catilinarische Verschwörung bezogen sehen.288 Im Jahr 65 hatten Blitze verschiedene Tempel, Bildwerke und Gesetzestafeln auf dem Capitol getroffen. Dabei war unter anderem eine Iuppiterstatue zerstört und die Bronzegruppe der Romulus und Remus säugenden Wölfin beschädigt worden. Auf Empfehlung der haruspices waren für diese prodigia Sühnemaßnahmen beschlossen worden. Eine dieser Maßnahmen, die Aufstellung eines neuen Iuppiterstandbilds, durch das Anschläge auf das Wohlergehen Roms für Senat und Volk durchschaubar werden sollten, hatte sich verzögert. Aufgestellt wurde es erst am 3. Dezember des Jahres 63, zur gleichen Zeit, zu der im Senat die Verschwörer überführt wurden.289 Diese Koinzidenz führt Cicero in der dritten Catilinaria auf das ›Nicken‹ Iuppiters zurück, auf seine Willensäußerung also; verbunden mit der Tatsache, daß Senat und Volk die Verschwörung des Catilina als solche erkannt haben, ist sie ihm Beweis dafür, daß Rom durch das ›Nicken‹ und die Macht der Götter gelenkt wird.290 Damit macht Cicero seine nächste Behauptung plausibel: Nicht er habe sich den 288

Cic. div. 1,105; vgl. Cass. Dio 37,24f., der dieser Sichtweise folgt: Er stellt das Mißlingen des augurium salutis mit den prodigia in eine Reihe. Zum augurium salutis vgl. Liegle 1942; Linderski 1986b, 2255f.; Rüpke 1990, 141–143; Winkler 1995, 36f.; Vaahtera 2001, 133–136: Das augurium salutis konnte nur in Zeiten inneren und äußeren Friedens durchgeführt werden. Dabei wurden zunächst die Götter gefragt, ob man für die salus der res publica beten dürfe. Im Jahr 63 war die Antwort der Götter unklar (Cic.: addubitatum; Cass. Dio οὐ … καθαρόν). App. Claudius wurde dafür, daß er diese Tatsache mit einer Prophezeiung verband, anstatt sie nur festzustellen, von seinen Kollegen verspottet. 289 Cic. Cat. 3,19f.; div. 1,19–21 (Zitat aus De consulatu suo); 2,45–47; Cass. Dio 37,9,1f.; 37,34,3f.; weitere Quellen bei Engels 2007, 607–609, ebenso Literatur. 290 Hic quis potest esse, Quirites, tam aversus a vero, tam praeceps, tam mente captus qui neget haec omnia quae videmus praecipueque hanc urbem deorum immortalium nutu ac potestate administrari? … illud vero nonne ita praesens est ut nutu Iovis Optumi Maxumi factum esse videatur, ut, cum hodierno die mane per forum meo iussu et coniurati et eorum indices in aedem Concordiae ducerentur, eo ipso tempore signum statueretur? quo conlocato atque ad vos senatumque converso omnia et senatus et vos quae erant contra salutem omnium cogitata inlustrata et patefacta vidistis (Cic. Cat. 3,21). Engels 2007, 609 hält das Zusammentreffen der Ereignisse unter Berufung auf Goar 1972, 43, der freilich viel zurückhaltender formuliert, für eine Inszenierung Ciceros, für eine pia fraus. Wenngleich nicht zu leugnen ist, daß Cicero, seitdem er sich wohl in der zweiten Novemberhälfte der Mitarbeit der Allobrogergesandtschaft versichert hatte, auf handfestes Beweismaterial hoffen konnte und er es war, der den Termin der Senatssitzung bestimmte, und wenn auch nicht auszuschließen ist, daß Cicero auch auf die Terminierung der Statuenaufstellung Einfluß genommen hat, ist doch festzuhalten, daß die Koinzidenz nicht von langer Hand geplant gewesen sein kann: Das ausschlaggebende Beweismaterial, die Briefe der Verschwörer an die Allobroger und der Brief des Lentulus an Catilina, waren ihm erst in der Nacht auf den 3. Dezember in die Hände gefallen. So ist doch eher von einem Zufall auszugehen, der es Cicero erlaubte, die Aufklärung der Verschwörung dem Rat der Götter zuzuschreiben. Engels’ Überlegung, mit der er zu erweisen sucht, daß Cicero die Koinzidenz inszeniert hat, ist nicht leicht nachvollziehbar und scheint mir eine Art Zirkelschluß zu sein: Engels geht davon aus, daß diese Koinzidenz auf eine pia fraus Ciceros zurückzuführen ist. Cicero hätte diese Manipulation aufdecken und damit im polemischen Teil von De divinatione die Berechtigung seiner skeptischen Haltung prodigia gegenüber untermauern kön-

4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung

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Anschlägen der Verschwörer entgegengestellt, sondern Iuppiter; unter Führung der Götter habe er, Cicero, seine Einsichten gewonnen, seine Entschlüsse gefaßt und sei zu Beweisen gelangt.291 Was Cicero im Zusammenhang mit der Erwähnung der prodigia des Jahres 63 implizit zum Ausdruck gebracht hatte, macht er hier vollends deutlich: Er handelt im Einklang mit den Göttern, mehr noch, er handelt unter ihrer Führung.292 Auch in De consulatu suo ist es die Gleichzeitigkeit der Aufstellung der Iuppiterstatue und der Überführung der Verschwörer, mit der Cicero die Verknüpfung der prodigia des Jahres 65 mit der Catilinarischen Verschwörung motiviert. Anders als in der dritten Catilinaria spielt in der Rede der Urania seine eigene Person an dieser Stelle jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Während die prodigia des Jahres 65 prodigia publica waren, prodigia also, die nach Meinung des Senats die res publica betrafen und derentwegen er folglich Sühnemaßnahmen eingeleitet hatte, ist dies bei den prodigia des Jahres 63 nicht der Fall – zumindest hatte der Senat aller Wahrscheinlichkeit nach zum Zeitpunkt der hier interessierenden Ereignisse noch nicht über ihre Annahme beschlossen.293 Während sich die prodigia des Jahres 65 auf 290

nen. Damit hätte er aber die Aufrichtigkeit der dritten Catilinaria und die Legimität seines Vorgehens gegen die Catilinarier in Frage gestellt. Nur so (d.h. da es sich um eine Inszenierung gehandelt habe) sei zu verstehen, weshalb Cicero die Beweiskraft dieses Beispiels eines prodigium lediglich durch den Hinweis auf die Zufälligkeit der Ereignisse zu entkräften sucht (Cic. div. 2,45–47), obwohl er in diesem Fall die Manipulation doch hätte beweisen können. Der Zirkelschluß besteht darin, daraus, daß Cicero die Manipulation nicht bewiesen habe, eben weil es eine Manipulation gewesen sei – und er sich unglaubwürdig gemacht hätte, hätte er dieses Faktum zugegeben –, zu folgern, daß es sich um eine Manipulation gehandelt hat. Zu Ciceros Einflußnahme auf die Geschehnisse insgesamt s.o. S. 76f. Zu der oft widersprüchlich erscheinenden Haltung Ciceros prodigia bzw. Divination gegenüber vgl. etwa Goar 1972, passim; Linderski 1982; Guillaumont 1984; Beard 1986; Schofield 1986, 55–63; Rosenberger 1998, 78–90; Feeney 1998, 14–21; Rasmussen 2000; Rasmussen 2003, 183–198; Engels 2007, 129–164. 291 Quibus ego si me restitisse dicam, nimium mihi sumam et non sim ferendus: ille, ille Iuppiter restitit; ille Capitolium, ille haec templa, ille cunctam urbem, ille vos omnis salvos esse voluit. dis ego immortalibus ducibus hanc mentem voluntatemque suscepi atque ad haec tanta indicia perveni (Cic. Cat. 3,22). 292 Die Steigerung der Direktheit, mit der Cicero diese Behauptung aufstellt, geht damit einher, daß er hinsichtlich der präsumtiven Frage, ob die Götter wirklich Einfluß genommen haben, nun keine Zweifel mehr aufkommen läßt. In Bezug auf die prodigia des Jahres 63 war noch die Rede davon, daß es den Anschein gewinnen konnte (videantur), als sei die Vertreibung Catilinas und die Aufdeckung der Verschwörung durch das ›Nicken‹ und den Rat der Götter vollbracht worden bzw. davon, daß es so aussah (viderentur), als hätten sie die Ereignisse vorhergesagt (Cic. Cat. 3,18). Jetzt ist der Wahrheit abgewandt, voreilig, geistig umnachtet, wer leugnet, daß die Götter Rom durch ihr ›Nicken‹ und ihre Macht lenken, die Koinzidenz der Ereignisse ist offenkundig auf das ›Nicken‹ Iuppiters zurückzuführen, Iuppiter hat die Anschläge vereitelt, Cicero hat unter Führung der Götter Erkenntnisse gewonnen (Cic. Cat. 3,21f.). 293 Zum Begriff prodigium publicum vgl. Rasmussen 2003, 35; Engels 2007, 750–752 (dort jeweils auch ältere Literatur). In der Regel wurden die prodigia eines Jahres offenbar gesammelt; über ihre Annahme und Sühnung als prodigia publica wurde dann zu Beginn des folgenden Jahres befunden (Engels 2007, 750f.). Engels 2007, 609 führt die Himmelszeichen, das Erdbeben und die nächtlichen Erscheinungen des Jahres 63 als »öffentliche Vorzeichen«. Es ist jedoch nicht überliefert, daß eine expiatio erfolgte (vgl. Rasmussen 2003, 107). Daß diese prodigia tatsächlich nicht gesühnt wurden, erscheint angesichts der politischen Situation zu Anfang des Jahres 62 nicht unwahrscheinlich: Der Volkstribun Q. Caecilius Metellus Nepos hatte Gesetzesanträge promulgiert, denen zufolge Pompeius zur Niederschlagung Catilinas nach Italien gerufen bzw. zum Konsul gewählt werden sollte (zu diesen Turbulenzen s.o. S. 48f., 52f.). Möglicherweise wollte man verhindern, daß

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

die Stadt Rom konzentrierten und vor allem die dortige politische Lage gespiegelt haben dürften,294 stammten die Beobachtungen des Jahres 63 zum großen Teil aus Italien und dürften die Beunruhigung in weiten Teilen der Region wiedergegeben haben.295 Insbesondere die Häufung der Vorzeichen des Jahres 63, genauer gesagt die gesteigerte Bereitschaft, entsprechende Ereignisse als Zeichen dafür zu nehmen, daß die pax deorum gestört ist, bzw. dafür, daß Unheil droht, und sie folglich nach Rom zu melden, mag man als Beleg dafür ansehen, daß diese Zeit in breiten Kreisen als krisenhaft betrachtet wurde. All dies macht deutlich, daß die Kommunikation mit Religiösem, hier mit Vorzeichen, in unterschiedlicher Weise gelebte Realität war – nicht nur zwischen Menschen und Göttern, sondern auch zwischen den Menschen untereinander: So zeigen die Bereitschaft zur Wahrnehmung und die Meldung der Zeichen Beunruhigung an, ihre Diskussion im Senat, gegebenenfalls die Einleitung von Sühnemaßnahmen und auch die Berücksichtigung der Zeichen in der politischen Rede die Rezeption dieser Stimmung durch die Entscheidungsträger.296 Die Akzeptanz, die dieses Kommunikationsinstrument genoß, konnte man sich in der eigenen Argumentation wiederum zunutze machen;297 so basiert die der Dritten Catilinarischen Rede ganz wesentlich auf der Würdigung von prodigia. Eine Prophezeiung machte sich die Gegenseite, genauer gesagt P. Cornelius Lentulus Sura, zunutze: Er versuchte, die Gesandten der Allobroger unter anderem dadurch zu gewinnen, daß er auf Sibyllinische Sprüche und auf Auskünfte der haruspices verwies, denen zufolge er, nach Cinna und Sulla, der dritte Cornelier sei, an den die Herrschaft über Rom und das Reich notwendigerweise gelangen werde.298 Diskutiert wird, ob es sich bei der Prophezeiung in den Sibyllinischen Sprüchen bzw. durch die haruspices um eine Fälschung handelte, die ursprünglich auf Lentulus zielte: Mit 293

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der Beschluß, die prodigia zu sühnen, die Aufgabe, die Verschwörung vollends niederzuschlagen, besonders prestigeträchtig erscheinen ließ. Nicht ausgeschlossen ist jedoch auch, daß man diese prodigia – vielleicht nicht zuletzt Dank ihrer Interpretation durch Cicero – eher als Warnung vor Gefahren für die res publica nahm, denn als Zeichen dafür, daß die pax deorum gestört war und man folglich auch nicht die Notwendigkeit sah, sie zu sühnen. – Man hatte es ja auch bereits für angemessen erachtet, den Göttern mit einer supplicatio für die Aufdeckung der Verschwörung zu danken. Zu denken ist etwa an die sogenannte Erste Catilinarische Verschwörung und an die Bestrebungen des Crassus und Caesars, den Transpadanern das Bürgerrecht zu verleihen und Ägypten als Provinz einzuziehen; vgl. dazu auch S. 40, 74 Anm. 255. Vgl. Sall. Cat. 30, der ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen portenta atque prodigia, der Beunruhigung der Bevölkerung in Italien und den dortigen Vorgängen (zu diesen auch oben S. 47 Anm. 89) herstellt. Zu prodigia aus Italien vgl. Rasmussen 2003, 219–239; Rosenberger 2005. Zu mediengeschichtlichen Aspekten des Prodigienwesens vgl. Rosenberger 2001. Im Sinn der amplificatio ab auctoritate etwa (vgl. Cic. inv. 1,101; Rhet. Her. 2,48), d.h. indem man sich eine überlegene Autorität zunutze machte. Diese Autorität konnte die der Götter selbst sein, oder, wie es im Fall der Nutzung der prodigia des Jahres 65 durch Cicero mit eine Rolle gespielt haben mag, die des Senats, der ja mit der Sühnung dieser prodigia zum Ausdruck gebracht hatte, daß er die Sorge vor einem Anschlag auf die res publica für berechtigt gehalten hatte. Diese Autorität konnte, wie es im Fall der Nutzung der prodigia des Jahres 63 durch Cicero mitschwingen mochte, aber auch die des populus Romanus sein, aus dessen Kreisen die Meldung der prodigia gekommen war. Lentulum autem sibi confirmasse ex fatis Sibyllinis haruspicumque responsis se esse tertium illum Cornelium, ad quem regnum huius urbis atque imperium pervenire esset necesse; Cinnam ante se et Sullam fuisse (Cic. Cat. 3,9).

4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung

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ihrer Hilfe habe man Lentulus zum Anschluß an die Verschwörer bewegen wollen.299 Auf den ersten Blick kann sich diese These besonders auf Plutarch stützen, der berichtet, Lentulus sei von falschen Sehern und Gauklern mit leeren Hoffnungen verdorben worden, indem sie ihm erdichtete Sprüche wie aus den Sibyllinischen Büchern gesungen hätten, die voraussagten, es seien Rom drei Cornelier als Alleinherrscher bestimmt. Nach Cinna und Sulla sei er der dritte.300 Auch Cicero spricht einmal davon, Lentulus sei von Sehern verführt worden zu glauben, sein Name werde schicksalhaft für das Unheil der res publica sein.301 Es ist freilich schwer vorstellbar, daß andere, d.h. doch wohl führende Verschwörer wie Catilina und Cethegus Fälschungen ins Werk gesetzt haben sollten, die einem anderen eine so prominente Rolle versprachen.302 Schwer vorstellbar ist auch, daß Cicero es nicht erwähnt haben sollte, wenn die Verschwörer Sprüche in den Sibyllinischen Büchern plaziert hätten,303 oder wenn Lentulus Sprüche aus privaten Sibyllinischen Büchern als offizielle ausgegeben hätte.304 Ich möchte zu überlegen geben, ob die Bemerkung Plutarchs – man habe Lentulus Erdichtetes gesungen, das sich so gab, als stamme es aus den Sibyllinischen Büchern – nicht in eine sinnvolle Richtung weist und ob nicht eine Bemerkung Ciceros in De consulatu suo weiteren Aufschluß geben kann. In Bezug auf das Jahr 65 fragt Cicero hier, wer damals – gemeint ist die Zeit, als sich die prodigia ereigneten – nicht, die Schriften und Zeugnisse der (Wahrsage)kunst wälzend, den etruskischen Blättern traurig machende Sprüche entnommen habe. Alle Sprüche hätten gewarnt, es stehe den Bürgern – verursacht durch eine edle Familie – ungeheures Unglück bevor. Damals hätten sie vom Untergang der Gesetze gesprochen, sie hätten dazu aufgefordert, die Tempel und die Stadt den Flammen zu entreißen und sich vor Mord vorzusehen; derartiges werde nämlich geschehen, begründet durch ein lastendes fatum, wenn nicht zuvor in bestimmter Weise ein Iuppiterbild aufgestellt werde.305 Bezieht man, anders als – soweit ich sehe – bislang geschehen, generosa{m} stirpe 299 300 301 302

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Engels 2007, 612 unter allerdings irreführendem Verweis auf Stockton 1989, 111f. (gemeint ist damit im übrigen Stockton 1971 [ND 1988]). Plut. Cicero 17,5. Cic. Cat. 4,2: … P. Lentulus suum nomen inductus a vatibus fatale ad perniciem rei publicae fore putavit. Daß Lentulus auf eine derartige Fälschung hereingefallen wäre, kann man sich eher vorstellen – jedenfalls scheint er für die Prophezeiung, wie auch immer sie zustande gekommen war, tatsächlich empfänglich gewesen zu sein: vgl. Cic. Cat. 4,2; 4,12 cum vero mihi proposui regnantem Lentulum, sicut ipse se ex fatis sperasse confessus est …, auch Cic. Sulla 70 … quis perversam atque impiam religionem recordatur, qui illum (sc. Lentulum) aut nefarie cogitasse aut stulte sperasse miretur? weist in diese Richtung. Ebenso Guillaumont 1984, 97f. Zur Bedeutung, die man der Prophetie in Rom grundsätzlich beimaß, vgl. etwa Wiseman 1992. Auch das Argument, die Tatsache, daß beim Brand des Capitols im Jahr 83 die Sibyllinischen Bücher verbrannt und danach rekonstruiert worden seien, habe die Fälschung erleichtert (vgl. Engels 2007, 612), leuchtet nicht so recht ein, da die Rekonstruktion bereits im Jahr 76 (vgl. etwa Monaca 2005, 78–82) abgeschlossen war. Zu verschiedenen Versuchen zu erklären, wie eine Fälschung zustande gekommen sein könnte, vgl. Monaca 2005, 240f. (mit Literatur). Tum quis non artis scripta ac monumenta volutans / voces tristificas chartis promebat Etruscis? / omnes civilem generosa{m} stirpe profectam / instare ingentem cladem pestemque monebant; / tum legum exitium constanti voce ferebant, / templa deumque adeo flammis urbemque iubebant / eripere et stragem horribilem caedemque vereri / atque haec fixa gravi fato ac fundata teneri, / ni prius excelsum ad columen formata decore / sancta Iovis species claros spectaret in ortus. (Cic. div. 1,20).

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Historischer Kontext der Ersten Catilinarischen Rede

profectam in die Diskussion der Frage ein, auf welche Sprüche sich Lentulus berief,306 so ergibt sich ein m.E. schlüssiges Szenario. Vorstellbar ist nämlich, daß sich ein derartiger Passus in den Auskünften fand, die der Senat im Jahr 65 eingeholt hatte – schließlich erwähnt Cicero ihn im Zusammenhang mit den voces, die den Senat ja wirklich zu Sühnemaßnahmen veranlaßt hatten.307 Lentulus kann diesen Passus dann auf sich bezogen haben, bestärkt durch eine Zuspitzung, die die Formulierung durch private vates aus seinem engeren Umfeld erfahren haben mag:308 sie mögen stirps generosa konkretisiert und mit den Corneliern in Verbindung gebracht haben.309 Dies wiederum mag Plutarch dazu geführt haben zu sagen, man habe Lentulus Erdichtetes gesungen, das sich so gegeben habe, als stamme es aus den Sibyllinischen Büchern. Die Charakterisierung des Jahres 63 als annus fatalis, die Lentulus den Allobrogern gegenüber außerdem ins Feld geführt hat,310 dürfte dagegen als Eigenkreation des Lentulus anzusehen sein. Auf den ersten Blick scheint zwar auch ein offizieller Hintergrund denkbar, berief sich Lentulus, Sallust zufolge, doch auf haruspices, die für dieses 20. Jahr nach dem Brand des Kapitols aufgrund von prodigia einen blutigen Bürgerkrieg vorhergesagt hatten.311 Genau genommen besagt die zitierte Formulierung bei Sallust jedoch nicht, daß tatsächlich haruspices mit der Datierung in das 20. Jahr nach dem Brand des Kapitols operiert haben; sie besagt lediglich, daß Lentulus das Faktum, die aktuellen Geschehnisse so datieren zu können, und die Prophezeiung der haruspices den Allobrogern gegenüber in Zusammenhang gebracht hat. In dieselbe Richtung weist die Wiedergabe der Aussage der Allobroger durch Cicero:312 Hier ist von haruspices nicht einmal die Rede, auch nicht von Bürgerkrieg, vielmehr vom Untergang Roms. Lentulus soll gesagt haben, das Jahr, das das 20. nach 306

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Ebensowenig wird stirps generosa mit den Cornelii in Verbindung gebracht, vielmehr mit der vornehmen Herkunft Catilinas und auch der seiner hochgestellten Mitstreiter erklärt, so von Pease, Soubiran, Schäublin, Freyburger/Scheid, Wardle. Daran ändert auch die Formulierung quis non … volutans … promebat …? nichts, die, wörtlich genommen, daran denken läßt, jedermann habe die Schriften gewälzt. So gesehen handelte es sich hier tatsächlich um private Divination (so auch Guillaumont 1984, 97–99, wenngleich mit teils anderer und wenig ausführlicher Begründung: »il ne s’agit sûrement pas des Livres Sibyllins officiels, conservés au Capitole, ni d’une consultation en règle des haruspices, ordonnée par le Senat«). Zu deren grundsätzlicher Ablehnung durch Cicero vgl. etwa Guillaumont 1984, 95–109. Vgl. dagegen Monaca 2005, 239–242, die offenbar meint, in dem »oracolo sibillino«, woher auch immer es stammen mochte – Monaca hält einen jüdisch-orientalischen Hintergrund für nicht unwahrscheinlich –, sei tatsächlich von drei Corneliern die Rede gewesen. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen scheint mir aber ein irriges Verständnis von Sall. Cat. 47,2f. (Eadem Galli fatentur ac Lentulum dissimulantem coarguunt praeter litteras sermonibus, quos ille habere solitus erat: ex libris Sibyllinis regnum Romae tribus Corneliis portendi; Cinnam atque Sullam antea, se tertium esse, quoi fatum foret urbis potiri; praeterea ab incenso Capitolio illum esse vigesumum annum, quem saepe ex prodigiis haruspices respondissent bello civili cruentum fore. Igitur perlectis litteris, quom prius omnes signa sua cognovissent, senatus decernit, uti …) zu sein: »Lentulo dà lettura in Senato di un ipotetico oraculo sibillino«. Eundemque dixisse fatalem hunc annum esse ad interitum huius urbis atque imperi … (Cic. Cat. 3,9). Praeterea ab incenso Capitolio illum esse vigesumum annum, quem saepe ex prodigiis haruspices respondissent bello civili cruentum fore (Sall. Cat. 47,2). Eundemque dixisse fatalem hunc annum esse ad interitum huius urbis atque imperi qui esset annus decimus post virginum absolutionem, post Capitoli autem incensionem vicesimus (Cic. Cat. 3,9).

4. Einige Aspekte der Catilinarischen Verschwörung

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dem Brand des Kapitols und das 10. nach der Freisprechung der Vestalinnen sei, sei schicksalhaft für den Untergang von Stadt und Reich. Die Wirkung dieses Konstrukts ist ganz auf die Allobroger berechnet. Besonders deutlich wird dies durch die zweite Datierung, die Lentulus offenbar vorgenommen hat:313 Die Erwähnung der Freisprechung der Vestalinnen mochte den Allobrogern gegenüber einfach nur eindrucksvoll sein, ihnen lediglich sagen, daß es ein bedeutungsvolles Jahr ist. Bei genauerem Hinsehen erweist diese Erwähnung sich nämlich als so ambivalent, daß weder Lentulus noch haruspices, seien es offizielle, seien es vates aus dem Umfeld der Verschwörer, sie in innerrömischer Argumentation so benutzt haben dürften: Von der Freisprechung ist nämlich in gleichem Sinn die Rede wie vom Brand des Kapitols, sie wird also als unheilverkündend, d.h. als mit negativen Assoziationen besetzt betrachtet. So kann die Freisprechung eigentlich nur von denjenigen betrachtet worden sein, die die Anklage betrieben hatten. Diese sind zwar wohl in popularen Kreisen zu suchen; da aber die Angeklagten, neben den Vestalinnen Fabia und Licinia, Catilina und wohl auch Crassus gewesen sind, ist weder zu erkennen, welchen Gewinn die optimatische Senatsmehrheit noch welchen Gewinn die Verschwörer sich von einer derartigen Argumentation hätten versprechen können.314

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Sie findet nur hier, nicht aber bei Sallust Erwähnung. Zu den politischen Hintergründen, die diese Prozesse gehabt haben mögen – Catilina und Fabia, Halbschwester der Terentia, der Gattin Ciceros, bzw. Crassus und Licinia wurden wohl unabhängig voneinander angeklagt (Lewis 2001, 141–147) – vgl. Cadoux 2005, 178f.; Engels 2007, 604f.

Kapitel III

Die Erste Catilinarische Rede

1. Ihre kommunikative Situation, Zielsetzung und Bedeutung Die Zusammenhänge, die für die Interpretation der Rede im Sinn der Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung von besonderer Bedeutung sind, stellen sich – was die kommunikative Situation der Rede anbelangt – nach obigen Überlegungen folgendermaßen dar: Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt diese Rede uns ebenso wie die anderen Catilinarischen Reden in der Version vor, in der Cicero sie Mitte des Jahres 60 in einer Sammlung konsularischer Reden herausgegeben hat. Damals war es ausdrücklich Ciceros Anliegen, Reden vorzulegen, die in stilistischer Hinsicht eines Konsuls bzw. Konsulars würdig waren. Sie sollten jungen Männern bei ihren rhetorischen Studien als Vorbild dienen. Analytisch gesprochen, hat Cicero den Text also für den Kommunikationsraum ›Schule‹ gestaltet; konkret sollte man sich darunter freilich nicht eine Rhetorikschule vorstellen, sondern eher einen Kreis junger Männer im tirocinium fori oder zu Beginn ihrer öffentlichen Tätigkeit, denen Cicero ein Vorbild war. Diese Männer stellten eine Erweiterung des Publikums gegenüber dem der ursprünglich gehaltenen Reden dar; dies zunächst aufgrund ihres Alters, da sie einer anderen Generation angehörten, möglicherweise aber auch in gesellschaftlicher und in gewisser Weise in geographischer Hinsicht, da sie nicht notwendigerweise alle aus senatorischen Familien stammten und zum Teil auch aus munizipalen Aristokratien gekommen sein mögen. Mag das aktuelle Anliegen Ciceros auch rhetorischer Art gewesen sein, wäre es doch verfehlt, sich diesen Kommunikationsraum ›Schule‹ unpolitisch vorzustellen. Dies nicht nur, weil Cicero in den Reden politische Inhalte vermittelte, sondern auch, weil die Bindung zwischen dem Lernenden und seinem Vorbild per se gesellschaftliche und politische Komponenten hatte. Äußerst unwahrscheinlich ist es außerdem, daß Cicero über den unmittelbaren Anlaß der Publikation nicht hinausgedacht haben sollte. Bereits die Weitergabe der Reden an Atticus stellte eine Erweiterung des unmittelbar avisierten Publikums dar. Angesichts der Tatsache, daß ein antiker Autor die Wege, auf denen seine Schriften verbreitet wurden, grundsätzlich nicht kontrollieren konnte, dürfte es klar gewesen sein, daß die Texte über den Kommunikationsraum ›Schule‹ hinaus Verbreitung finden konnten, und zwar sowohl im Bereich ›otium‹, in dem sie als Literatur konsumiert wurden, als auch im Bereich ›negotium‹, in dem sie aus politischem Interesse gelesen wurden. In beiden Fällen konnte wiederum der Rezipientenkreis ausgeweitet werden, und zwar sowohl in gesellschaftlicher als auch in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. So wahrscheinlich es ist, daß Cicero zumindest bedacht hat, daß die Publikation der Reden auch Wirkung im negotium zeigen konnte, er

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III. Die Erste Catilinarische Rede

dies vielleicht auch intendiert hat, so wichtig ist es aber festzuhalten, daß Cicero die Reden nicht aus einem aktuellen politischen Anlaß oder gar aus dem akuten Zwang, sich zu verteidigen, publiziert hat. Gleichwohl ist zu bedenken, daß sich die politische Lage für Cicero, wie auch für sein Publikum seit dem Jahr 63 verändert hatte, außerdem, daß die Affäre ›Catilina‹ in der Zwischenzeit an Aktualität verloren hatte, wenngleich manche Nachwirkung noch spürbar war. Ein Rezipient der schriftlich publizierten Reden hatte in mancher Hinsicht einen anderen Kenntnisstand als ein Hörer der Reden im Jahr 63. Einerseits dürfte er mehr gewußt haben: So war mittlerweile ja der Ausgang der Verschwörung bekannt, es mögen auch mit Ciceros Darstellung im Einzelnen konkurrierende oder diese ergänzende Schilderungen der Vorgänge kursiert sein. Andererseits dürfte er aber weniger gewußt haben: So mag manches Detail schon in Vergessenheit geraten oder auch unerheblich geworden sein, oder aber – zumindest dem breiteren Publikum – überhaupt nicht erst bekannt geworden sein. Aus heutiger Sicht interessieren die Reden freilich nicht nur im Kontext ihrer Publikation im Jahr 60, sondern auch als Quelle für das Jahr 63. Man wüßte gerne, was Cicero damals tatsächlich gesagt hat und wie er es gesagt hat, wodurch seine Äußerungen veranlaßt waren, welche Ziele er mit ihnen verfolgte und ob die Situation, in der er die Reden gehalten hat, tatsächlich so gestaltet war, wie er es seinem Lesepublikum zu rekonstruieren nahelegt.1 Darüber ist, bedingt durch die Quellenlage, im Einzelnen jedoch keine endgültige Sicherheit zu erzielen. Man muß sich damit arrangieren, daß uns heute ein Redenkonstrukt vorliegt, das sich gibt, als sei es im Jahr 63 verfaßt, das Cicero aber eben drei Jahre später herausgegeben hat. Möglicherweise sind es die Reden, die Cicero, von kleinen Korrekturen abgesehen, tatsächlich gehalten hat, vielleicht sind es aber die Reden, die Cicero gehalten haben wollte. In jedem Fall hielt Cicero sie für vorbildlich, riet er doch seinen Schülern, in einer vergleichbaren Lage vergleichbar zu sprechen. Soweit sich die Ereignisse um die Erste Catilinarische Rede aus heutiger Sicht rekonstruieren lassen, stellen sie sich folgendermaßen dar: Nachdem die Verschwörer in der Nacht vom 6. auf den 7. November bei einem Treffen im Haus des Laeca ihr weiteres Vorgehen abgesprochen hatten, unternahmen am frühen Morgen des 7. November zwei der Verschwörer den Versuch, Cicero zu ermorden.2 Der Anschlag scheiterte, da Cicero rechtzeitig gewarnt worden war. Cicero versammelte den Senat im Tempel des Iuppiter Stator3 – aller Wahrscheinlichkeit nach am 8. November.4

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In welch hohem Maß die historische wie auch die literarkritische Einschätzung von Reden davon abhängt, wie man sich deren historischen Kontext vorstellt, zeigt Primmer 1977 gerade für die Erste Catilinarische Rede (vgl. auch Batstone 1994). Das Treffen im Haus des Laeca ist durch Cic. Sull. 52 explizit in die Nacht vom 6. auf den 7. November datiert. Aus Cic. Cat. 1,9f. geht klar hervor, daß der Attentatsversuch noch in derselben Nacht unternommen wurde (vgl. Sall. Cat. 28,1). – Vgl. Primmer 1977, 21f. Bei Vretska 1959, 185f. Anm. 1 eine Zusammenstellung anders lautender Datierungen (Versammlung in der Nacht vom 5. auf den 6., Attentat am 7. November bzw. Versammlung in der Nacht vom 6. auf den 7., Attentat am 8. November); diese Zusammenstellung ließe sich fortschreiben – so datiert etwa Fuhrmann 21985, 223; Fuhrmann, zu Cic. Cat. 1,1 und zu Cic. Sull. 6 die Versammlung bei Laeca wieder in die Nacht vom 5. auf 6. November, das Attentat auf den Morgen des 7.

1. Ihre kommunikative Situation, Zielsetzung und Bedeutung

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Zweifelsfrei zu rekonstruieren, mit welcher Absicht er dies ursprünglich getan hat, ist wohl nicht möglich. So ist insbesondere unklar, ob Cicero zum Zeitpunkt der Einberufung des

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Cic. Cat. 1,11 (vgl. 1,33); 2,12; Plut. Cicero 16,3. Der Tempel befand sich am Nord-Ost-Fuß des Palatin; die genaue Lage ist umstritten (vgl. etwa Bonnefond-Coudry 1989, 121–125; Ziolkowski 1992, 87–91; Richardson 1992, 225; Vasaly 1993, 41f.; Coarelli 1996, 156f.; Cecamore 2002, 129–145). Er gehört zu den Gebäuden, die offenbar nur gelegentlich für Senatssitzungen genutzt wurden (vgl. Bonnefond-Coudry 1989, passim, bes. 47); tatsächlich ist die hier interessierende Sitzung die einzige, für die der Tempel des Iuppiter Stator in republikanischer Zeit als Sitzungslokal belegt ist (Bonnefond-Coudry 1989, 47, 121–125 für die Zeit ab 218 v.Chr.; vgl. Ross Taylor, Scott 1969, 568f.; Richardson 1992, 225). Diese Datierung basiert auf Cic. Cat. 1,8 mit 1,1 und 2,13; den dortigen Angaben zufolge hatte das Treffen im Haus des Laeca in der vorletzten Nacht – vom Tag der Senatssitzung aus gerechnet – stattgefunden. Verwirrend ist, daß Cic. Cat. 1,4 diese Senatssitzung auf den 20. Tag nach der Senatssitzung datiert, in der das senatus consultum ultimum gefaßt worden war, und es mit größter Wahrscheinlichkeit diese ist, die er Cat. 1,7 auf den 21. Oktober, also lediglich 18 Tage vor den 8. November datiert. Ausräumen läßt sich dieser Widerspruch, folgt man Asconius, der in seinem Kommentar zu Cic. Pis. 4 diese Diskrepanz als Beispiel dafür anführt, daß Cicero die Gewohnheit gehabt habe, runde Zeitangaben zu verwenden. Verwirrend sind auch die Angaben, die Cicero Cat. 2,6 und 2,12 macht. Cat. 2,6 spricht Cicero die consilia der nox superior an, die er hesterno die im Senat enthüllt habe. Versteht man nox superior als vorgestrige Nacht (abgeleitet aus Cic. Cat. 1,1; 1,8, wo nox superior tatsächlich die vorgestrige Nacht meint), so müßte man annehmen, die Senatssitzung habe am Tag nach dem Treffen im Haus des Laeca, also am 7. November stattgefunden. Faßt man nox superior aber gleichsam als relative Zeitangabe auf, die die frühere Nacht bezeichnet – Drexler übersetzt konsequent so –, dann löst sich der Widerspruch. Cat. 2,12 spricht Cicero davon, er habe hesterno die … cum domi meae paene interfectus essem den Senat zusammengerufen und ihm die ganze Sache vorgelegt. Faßt man hesterno die … cum … paene interfectus essem im Sinne von am gestrigen Tag, als ich beinahe getötet worden wäre als zusammengehörige Zeitangabe auf, die den Tag der Senatssitzung benennt, müßte man annehmen, daß der Attentatsversuch und die Senatssitzung am selben Tag stattgefunden haben. Betrachtet man cum jedoch als cum narrativum, rücken der Zeitpunkt hesterno die, zu dem Cicero die Senatssitzung einberufen hat und der Zeitpunkt, an dem er beinahe ermordet worden wäre, auseinander; der Ton liegt dann auf der Ereignisabfolge: am gestrigen Tag, nachdem ich beinahe getötet worden wäre, habe ich den Senat einberufen (vgl. etwa die Übersetzungen von Fuhrmann und Drexler). Nicht ausgeschlossen ist es freilich auch, cum als cum causale aufzufassen und zu verstehen: am gestrigen Tag, da ich beinahe getötet worden wäre, habe ich den Senat einberufen. In diesem Fall ist die Vorzeitigkeit des Attentatsversuchs geradezu Voraussetzung der Kausalität, und so gleichsam in sie eingeschlossen. In beiden Fällen ist es dabei zwar möglich zu verstehen, daß der Attentatsversuch ebenfalls hesterno die und damit am Tag der Senatssitzung stattgefunden habe, zwingend erforderlich ist dies jedoch nicht (so bereits John 1875/76, 784 Anm. 52; ähnlich Sternkopf; dagegen freilich Vretska 1959, 191). So gesehen widerspricht auch diese Stelle nicht der Annahme, es seien zwischen dem Treffen im Haus des Laeca und der Senatssitzung zwei Nächte, zwischen dem Attentatsversuch und der Senatssitzung eine Nacht verstrichen. Zur Klärung von Cat. 2,6; 2,12 vgl. auch Primmer 1977, 24–26 mit teils anderer, komplexer Argumentation. Zu den unterschiedlichen Datierungsansätzen von Attentat und Senatssitzung (beide Ereignisse am 7., beide am 8., das Attentat am 7., die Rede am 8.) vgl. wiederum die Zusammenstellung bei Vretska 1959, 185f. Anm. 1; sie ließe sich erneut fortschreiben – so datieren etwa Fuhrmann 21985, 223 und Berry 2006, 302f. die Senatssitzung auf den 7. November. Zur Schwierigkeit, die Ereignisse zwischen dem Treffen im Haus des Laeca und der Senatssitzung, in der Cicero die Erste Catilinarische Rede gehalten hat, insgesamt zu datieren, vgl. neben Vretska 1959 und Primmer 1977 außerdem etwa Potter 1925/26; Todd 1952; Crane 1965/66; Batstone 1994, 211–226, bes. 223f.; Marinone 22004, 83, 87, 492; Dyck 2008, 243f. – v.a. die ältere Literatur hierzu ist abundant.

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III. Die Erste Catilinarische Rede

Senats5 davon ausgegangen ist, Catilina werde, obwohl der Mordanschlag mißlungen war, zum Zeitpunkt der Senatssitzung Rom verlassen haben.6 In diesem Fall erschiene es nicht ausgeschlossen, daß Cicero die Abreise als Schuldeingeständnis darstellen und die Erklärung Catilinas zum hostis erreichen wollte. Sollte Cicero aber damit gerechnet haben, daß Catilina Rom doch noch nicht verlassen haben würde, erschiene es beispielsweise auch denkbar, daß er die Rückendeckung des Senats für eine magistratische relegatio gewinnen wollte. Die Senatoren versammelten sich unter großer Anteilnahme der Bürgerschaft;7 die Sitzung fand allem Anschein nach valvis apertis statt.8 Auch Catilina erschien. Daß Cicero nicht gewußt haben sollte, daß Catilina nun doch nicht abgereist war, ist angesichts Ciceros Informationsquellen und auch angesichts der Tatsache, daß Catilina sich ja in custodia libera begeben hatte, m.E. kaum vorstellbar. Daß Cicero von Catilinas Erscheinen im Senat überrascht war, ist zum einen aus denselben Gründen, zum andern aber, da dieses Verhalten die konsequente Fortsetzung von dessen Strategie, Unschuldsbewußtsein zu demonstrieren – und also auch Rom nicht zu verlassen –, darstellte, immerhin wenig wahrscheinlich.9 5

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Sie erfolgte offenbar ziemlich unmittelbar nach dem Mißlingen des Attentats (vgl. Cic. Cat. 2,12, dazu oben Anm. 2]; Plut. Cicero 16,3) und damit vermutlich vor dem Zeitpunkt, für den Catilina – zumindest im Erfolgsfall – seine Abreise geplant hatte (sie sollte wohl in der auf das Attentat folgenden Nacht erfolgen – vgl. insbesondere Cic. Cat. 2,13 und die Argumente bei Primmer 1977, 23; absolut zwingend ist dies jedoch nicht). Die zeitliche Nähe der Einberufung der Senatssitzung zu dem Attentatsversuch alleine kann freilich nicht als Beweis für einen kausalen Zusammenhang dieser Ereignisse dienen. Primmer 1977, 23f. beispielsweise hält dies für wahrscheinlich, anders etwa Vretska 1959, 193. Für dieses Szenario könnte sprechen, daß Cicero, wenn oben vorgestellte Überlegungen zur Terminierung der Einberufung der Senatssitzung wie der Sitzung selbst richtig sind, die Sitzung nicht noch für den Tag des Attentats, sondern erst für den darauffolgenden Tag einberufen hat. Daraus mag man schließen, daß er Catilina zum Zeitpunkt der Senatssitzung also offenbar außerhalb Roms wissen wollte; gleichsam verfahrensrechtlich und verfahrenstechnisch gesehen hätte er den Senat nämlich durchaus bereits für den Tag des Attentatsmorgens einberufen können (vgl. Mommsen 31887/88, III.2, 917f. und beispielsweise die Senatssitzung vom 3. Dezember, die am Morgen desselben Tages einberufen worden war, wie aus Cic. Cat. 2,5–7 hervorgeht). Vgl. Cic. Cat. 1,1 und bes. 1,21. Vgl. Cic. Cat. 1,15, wo Cicero auf Tageslicht (lux) und – gewissermaßen mit dem Himmel in Verbindung stehende – Luft (spiritus caeli) verweist, die man im Innern des Tempels wahrnehmen konnte; vgl. auch Cic. Cat. 1,21 (mit Maclardy und Sternkopf z.St.), wo Cicero auf die vor der – offenbar geöffneten – Tür stehende Menge verweist. Zur grundsätzlichen Öffentlichkeit von Senatssitzungen vgl. Sternkopf zu Cic. Cat. 4,3 (ille qui … stat in conspectu meo gener); Mommsen 3 1887/88, III.2, 931f.; Ross Taylor, Scott 1969, 533. Diese Überlegungen sind in verschiedenen Zusammenhängen relevant, so bei der Diskussion der Frage, wie spontan Cicero die Rede gestaltet hat (zur Bedeutung dieser Frage für die vorliegende Untersuchung vgl. S. 23ff., 28ff.), ob beispielsweise ihr ungewöhnliches exordium der Situation geschuldet war oder ein mit Bedacht gewähltes Stilmittel darstellte. Schließlich spielen sie auch eine Rolle bei der Klärung der in gewisser Weise übergeordneten Frage danach, ob Cicero womöglich die ganze Situation inszeniert habe (vgl. dazu auch S. 76f.). Die Meinungen gehen weit auseinander; wenige Beispiele mögen dies demonstrieren: Daß Cicero von Catilinas Erscheinen überrascht war und seine Rede improvisierte, meint etwa Fuhrmann 21985, 223f., ebenso Gelzer 1939, 878, der zudem davon ausgeht, Cicero habe angenommen, Catilina hätte die Stadt bereits verlassen. Daß Cicero damit rechnen mußte, Catilina werde seine Abreise verschieben, nachdem das Attentat gescheitert war, meint dagegen Vretska 1959, 193. Daß Cicero abwarten wollte, ob Catilina trotz des Scheiterns des Attentats abreisen werde und daher die Senatssitzung erst für den auf den von

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Cicero nutzte Catilinas Anwesenheit nun dazu, Catilina in einer Rede, der ersten Catilinaria, heftig anzugreifen10 – offenbar zum einen mit dem Ziel, Catilina dazu zu bewegen, Rom zu verlassen, zum anderen mit dem Ziel, die Senatoren nachhaltig gegen Catilina einzunehmen,11 außerdem in der Absicht, seine Vorgehensweise und sein Selbstverständnis als für die res publica Tätiger ins rechte Licht zu rücken.12 Auf einen förmlichen Senatsbe-

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Catilina geplanten Abreisetermin folgenden Tag einberufen habe, geben Primmer 1977, 24 und Loutsch 1994, 278 zu überlegen. Loutsch 1994, 282–300 zufolge ist die Gestaltung des exordium ›ex abrupto‹ nicht der Überraschung bzw. den Affekten Ciceros geschuldet, sondern wohlkalkuliertes rhetorisches Mittel. Daß die Rede Improvisationen erkennen lasse, habe andere Ursachen; so habe Cicero während der Rede mehrfach auf Einwürfe Catilinas reagieren müssen – Catilina habe beispielsweise über die Frage seiner Ausweisung eine der üblichen Form entsprechende Senatsdebatte gefordert (S. 279–281). Zu Improvisation zwang Cicero außerdem die wohl unerwartet zurückhaltende Reaktion des Senats auf seinen Versuch, ihn dazu zu animieren, Catilina gewissermaßen per acclamationem aus der Stadt zu verweisen (vgl. Cic. Cat. 1,20f., dazu von UngernSternberg 1971; Primmer 1977, 36–38; Stroh 1986, 11–13). Nicht ausgeschlossen erscheint es zudem, daß Catilina erst im Senat erschien, nachdem Cicero bereits von dessen jüngsten Umtrieben – dem Treffen im Haus des Laeca, dem Attentatsversuch – berichtet hatte; so versteht etwa Stroh 1986, 7 Cic. Cat. 1,16; 2,12. Eine invectiva im Wortsinn ist die Rede freilich nicht (vgl. Quint. inst. 3,7,2, der sie anders als andere Reden Ciceros nicht als Beispiel einer vituperatio anführt), wenngleich sie bei spätantiken Grammatikern (vgl. etwa Sergius bzw. Servius, Explanationes in Artem Donati [GL IV 558,22]; Audax, Excerpta Dosithei Artis Grammaticae [GL VII 354,27]; Cledonius, Ars Grammatica [GL V 77,6]; Priscianus, Institutio de arte grammatica [GL III 89,1]; vgl. Rizzo, in: Storoni Mazzolani 1979, 46f.) und in Hss. (vgl. etwa Maslowski zur inscriptio) so bezeichnet wird und tatsächlich Elemente der Invektive enthält: Koster 1980, 116f. Anm. 396. Beide Ziele sind auf das Engste miteinander verknüpft: Gelingt es, Catilina zu isolieren, so trägt dies dazu bei, ihm den weiteren Aufenthalt in Rom unmöglich zu machen; gelingt es, ihn dazu zu bringen, Rom zu verlassen, so ist ein Argument gewonnen, den Senat von der Existenz der Verschwörung bzw. der Beteiligung Catilinas daran zu überzeugen (vgl. Loutsch 1994, 281f.), zumal wenn Catilina sich entschließen sollte, nicht ins Exil, sondern zu den Aufständischen unter Manlius zu gehen. Zu der unterschiedlichen Haltung verschiedener Gruppen im Senat s.o. S. 46ff. Zu dem Mangel an objektiven Beweisen für die Beteiligung Catilinas an der Verschwörung, wie auch überhaupt für die Existenz einer Verschwörung vgl. auch oben S. 50f., 76f.; offenbar taugte auch der Attentatsversuch vom Vortag nicht als handfester Beweis (vgl. Loutsch 1994, 278). Zu der Frage, ob die publizierte Rede die Intention der tatsächlich gehaltenen gleichsam unverfälscht erkennen läßt, s.o. S. 60f. Zur Zielsetzung der Rede im Einzelnen vgl. auch S. 77, 233ff., 240ff.; aus der Fülle der Literatur, die nach der Intention der Ersten Catilinarischen Rede fragt, seien genannt: Bornecque 1936, 75–146; von Ungern-Sternberg 1971; Primmer 1977; Stroh 1982; Stroh 1986; Cape 1991, 34–78; Batstone 1994; Loutsch 1994; Price 1998. Den Gang der Argumentation analysieren etwa Primmer 1977, 28–36; Stroh 1982; Batstone 1994, 226–259; einen Überblick bieten u.a. Sternkopf 1916, 29f.; MacKendrick 1995, 58–60, 467f.; Dyck 2008, 60–62. Einen linguistischen Ansatz verfolgt Ruzzetti-Rocca 2000. Für Batstone 1994 passim, bes. 216f., 240, 257, 259–261 ist die eindrucksvolle Präsentation seines konsularen ethos – ihr diene etwa die Rechtfertigung seiner Vorgehensweise gegenüber Catilina, die Demonstration seiner providentia wie auch seiner Redegewalt – das einzige Ziel der Rede Ciceros. So stringent Batstone dies als ein Ziel der Rede erweisen kann, ist es m.E. doch wenig überzeugend, aus der Feststellung, daß sich der Kontext der Rede – ihre Gelegenheit, ihre Absicht, ihre Wirkung – nicht schlüssig ermitteln und auch nicht mit der Rede selbst in Einklang bringen lasse, zu schließen, dies sei der Fall, da Cicero eben weder auf den Senat in einer Weise einzuwirken gewollt habe, die etwa zu einer Beschlußfassung in Sachen ›Catilina‹ führen sollte, noch auf Catilina selbst, Cicero vielmehr – gegen Ende seines Konsulats – nur nach einer Gelegenheit gesucht habe, sein ethos in nachhaltiger Weise darzustellen, auctoritas und den Anspruch, gewissermaßen Stim-

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III. Die Erste Catilinarische Rede

schluß – der Senat hätte Cicero beispielsweise dazu auffordern können, von seinem Coercitionsrecht Gebrauch zu machen und Catilina und seine Mitstreiter zu relegieren – arbeitete er mit dieser Rede dagegen nicht unmittelbar hin.13 In der folgenden Nacht verließ Catilina Rom.14 Dazu hatte er sich offenbar unter dem Eindruck der Rede Ciceros bzw. angesichts ihrer Wirkung auf den Senat entschlossen.15 So gesehen stellte die Erste Catilinarische Rede eine wesentliche Weichenstellung für die folgenden Entwicklungen dar. Sie galt denn auch als politische wie rhetorische Meisterleistung Ciceros.16 12 13

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me Roms zu sein, zu reklamieren und gleichzeitig die Berechtigung dieses Anspruchs unter Beweis zu stellen. So mündet die Rede nicht in eine Befragung der Senatoren; vgl. Cic. Cat. 1,20 seine Weigerung, den Senat darüber abstimmen zu lassen, ob Catilina ins exilium gehen solle. Es läßt sich freilich nicht völlig ausschließen, daß Cicero zu Beginn seiner Rede noch in Erwägung gezogen hatte, den Senat zu befragen, daß er davon, während er sprach und die Reaktionen Catilinas und vor allem der Senatoren beobachtete, aber doch Abstand nahm. Cic. Cat. 2,26; Sall. Cat. 32,1. Diese Einschätzung propagierte jedenfalls nicht nur Cicero (vgl. etwa Cic. Cat. 2,1; 2,6; Cat. 3,3; Att. 2,1,3; vgl. dazu auch S. 77), vielmehr teilte auch Sallust sie: Die Tatsache, daß Catilina Überlegungen anstellte, die dann schließlich zu dem Entschluß abzureisen führten, motivierte Sallust damit, daß es Catilina in einer Erwiderung auf Ciceros Rede nicht gelungen war, den Senat wieder für sich einzunehmen, er von den Senatoren vielmehr überschrieen und hostis und parricida genannt worden war (Sall. Cat. 31,7–32,1; die Frage nach der Historizität der von Sallust hier geschilderten Vorgänge im Einzelnen – vgl. dazu etwa Vretska zu inquilinus civis, obstrepere omnes … vocare und incendium meum … exstinguam – kann in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben, kommt es hier doch nur darauf an, wie Sallust den Effekt der Rede Ciceros einschätzte). Die Rede Ciceros charakterisierte Sallust zudem als der res publica nützlich (31,6), attestierte ihr also auch auf diesem Weg Wirksamkeit. Das Verdikt Mommsens, dem sie Beispiel dafür war, daß »wo er (sc. Cicero) zu handeln schien … die Fragen, auf die es ankam, regelmäßig eben abgethan« waren (Mommsen 81889, Bd. 3, 619), verkennt zum einen die Situation, in der Cicero die Rede gehalten hat – das Attentat war gescheitert, damit die Abreise Catilinas, wenn auch wohl nicht grundsätzlich, so doch zumindest, was ihren Zeitpunkt betraf, infrage gestellt (so etwa auch Primmer 1977, 21). Zum anderen verkennt es den Argumentationsaufbau der Rede – ihre Wirkung erzielte sie nicht zuletzt dadurch, daß Cicero gerade behaupten konnte, Catilina habe seine Abreise ja bereits beschlossen (so schon Meyer 31922, 30). Zum dritten schließlich verkennt dieses Verdikt die Tatsache, daß die Rede sich nicht nur an Catilina, sondern auch an den Senat richtete (so etwa auch Primmer 1977, passim). Von Ungern-Sternberg 1997b, 1030 gilt die Rede gar als das Moment, das Catilina überhaupt veranlaßt hat, die Führung des Aufstandes in Italien zu übernehmen (vgl. auch Seager 1973, 243, 247). Vgl. etwa Fuhrmann 21985, 227; Dyck 2008, 61; vgl. auch Batstone 1994. Sallust legt den Ton auf ihre Bedeutung als politisches bzw. den weiteren Verlauf der Ereignisse beeinflussendes Movens (vgl. Flor. epit. 2,12,7f.; vgl. auch oben S. 77 Anm. 272). Ciceros Sohn galt die erste Catilinaria offenbar als die Rede seines Vaters (vgl. Sen. suas. 7,14). Geradezu populär wurde die diese Rede eröffnende Frage Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? (vgl. dazu Loutsch 1994, 282f. Anm. 26), wobei die Phrase quo usque tandem möglicherweise gerne von Catilina benutzt und von Cicero hier also persifliert wurde (Malcolm 1979; vgl. Batstone 1994, 228; dagegen Dyck z.St.). Zum hohen Bekanntheitsgrad der Rede durch die Zeiten: Criniti 1969, 6f.; Rizzo, in: Storoni Mazzolani 1979, 46–52; Dyck 2008, 13–16. Moderne Kritik entzündete sich etwa am Aufbau der Rede, der als unklar empfunden wurde, oder daran, daß man die Rede, sei es unter historischen, sei es unter rhetorischen bzw. literarischen Aspekten für künstlich oder gar irreal hielt (vgl. die Sammlung der Kritikpunkte und ihrer Vertreter bei Primmer 1977, 18–20, 31 Anm. 30; Stroh 1986, 2–4). Zur Diskussion und Widerlegung dieser Kritik vgl. ebenfalls Primmer 1977, der u.a. betont, man müsse sich mit einer Rede »im Ganzen auseinandersetzen und sie eben als Rede betrachten und interpretieren, d.h. als ein Gebilde, das einen Überredungsprozeß widerspie-

2. Texteditionen, Kommentare und Übersetzungen

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2. Texteditionen, Kommentare und Übersetzungen Die 2003 von Tadeusz Maslowski gestaltete Edition kann derzeit sicherlich als die maßgebliche textkritische Ausgabe der Catilinarischen Reden gelten.17 Sie ist die erste, die auch die 1977 von Ramon Roca-Puig erstmals edierten Papyri berücksichtigt.18 Neben einer ausführlichen Erläuterung der Handschriftentradition19 enthält die Ausgabe eine Zusammenstellung von testimonia der Reden wie auch bestimmter in den Reden erwähnter Ereignisse. Der textkritische Apparat ist ausgesprochen detailliert; rein orthographische Varianten sind in einer eigenen Liste notiert. Die Ausgabe enthält neben dem textkritischen einen zweiten Apparat, der Anspielungen und Verweise späterer antiker Autoren auf die jeweilige Stelle verzeichnet. Die Textgestaltung ist zumeist konservativ – dies in dem Sinn, daß Maslowski häufig Lesungen der Handschriften wieder aufnimmt, die frühere Herausgeber emendiert oder verworfen haben.20 Hilfreiche Kommentare liegen unter anderem von Sternkopf, Haury und Dyck vor, für die Erste Catilinarische Rede außerdem von Maclardy,21 Übersetzungen etwa von Bailly, Berry und Fuhrmann, und, für die erste Rede, wiederum von Maclardy.22

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gelt, in dem sich alle Überredungsteilziele einem von den Gesetzen der Psychagogie (nicht bloß der Logik) bestimmten Gesamtablauf einordnen« (S. 20) und der zeigt, daß dies für die Erste Catilinarische Rede in hohem Maß gilt; Stroh 1986; Batstone 1994. Vgl. Andrew R. Dyck, Rez. Maslowski 2003, in: Bryn Mawr Classical Review 2004.04.31; Dyck 2008, 21. Von den älteren Editionen seien genannt Nohl 1886; Clark 1905; Bornecque, Bailly 1926; Reis 1927. Roca-Puig 1977. Von besonderer Bedeutung ist der in Ägypten verfaßte Papyrus B (Barcelona) aus dem 4./5. Jh. Er enthält die Erste Catilinarische Rede von Kapitel 29 an und die gesamte Zweite Catilinarische Rede fast vollständig, außerdem allerdings sehr fragmentierte Abschnitte aus den vorausgehenden Kapiteln der ersten Rede. Bezugspunkt ist für Maslowski die nach wie vor grundlegende Arbeit von Nohl (Nohl 1886 – auf ihn geht die Einteilung der Hss. in die drei Familien α, β und γ zurück; vgl. zu Nohl 1886, VII– X auch Nohl 1912, 117–119). Maslowski schlägt aber ein jeweils eigenes Stemma für die ersten beiden Reden, für die dritte Rede und für die vierte Rede vor. Er kommt damit der Forderung nach, das Verhältnis von α, β und γ zueinander genauer zu diskutieren, die etwa Rouse, Reeve 1983, 62–65, bes. 62 Anm. 41 erhoben haben. Maslowski favorisiert für die ersten beiden Reden ebenso wie Nohl zumeist die Lesung, die α bietet; er plädiert aber mit Nachdruck dafür, im Einzelfall der ratio, nicht der auctoritas zu folgen (LII). Andrew R. Dyck, Rez. Maslowski 2003, in: Bryn Mawr Classical Review 2004.04.31; Dyck akzeptiert Maslowskis Textgestaltung weitgehend (vgl. Dyck 2008, 20f.). Maclardy 1899; Sternkopf 1916; Haury 1969; Dyck 2008. Genannt seien außerdem Pasdera 1946; Criniti 1969; Funaioli 41977. Maclardy 1899 (samt Interlinearübersetzung); Bornecque, Bailly 1926; Fuhrmann 21985; Berry 2006. Außerdem seien genannt Kasten 1969; Storoni Mazzolani 1979.

Kapitel IV

Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede Die Auswahl der Textstellen, die in dieser Studie kommentiert und interpretiert werden, ist in dem begründet, was die heuristische, mit dem metasprachlichen Begriff ›Religion‹ bezeichnete Kategorie meint.1 M.E. erweist es sich als sinnvoll, diese Kategorie dabei so weit zu fassen, daß auch ihre Ränder gleichsam abgetastet werden können.2 Daher wird im Folgenden beispielsweise auch die Verwendung von Begriffen untersucht, die lediglich mittelbar mit ›Religion‹ in Verbindung stehen.3 Und daher werden auch religiös konnotierte Begriffe, bei denen sich herausstellt, daß diese Konnotation in der Ersten Catilinarischen Rede nicht zum Tragen kommt,4 gleichberechtigt – wenngleich in möglichster Kürze – diskutiert, und nicht etwa nur summarisch aufgeführt. Die Anordnung der Kommentare respektive Interpretationen ist sowohl an inhaltlichen Kriterien als auch am Gang der Rede orientiert. So werden beispielsweise alle Stellen, an denen Cicero mit den Begriffen furor und furiosus operiert, in einem ersten Komplex behandelt, alle Stellen, an denen er mit den Begriffen coniuratio und coniurati arbeitet, in einem zweiten. Da Cicero im Lauf der Rede den Begriff furor benutzt, bevor einer der Begriffe coniuratio oder coniurati zum erstenmal fällt, findet sich der furor und furiosus behandelnde Komplex an erster, der coniuratio und coniurati behandelnde an zweiter Stelle. Ziel dieser Anordnung ist es, einerseits unter dem Blickwinkel der Fragestellung dieser Untersuchung thematisch Zusammengehörendes auch im Zusammenhang zu behandeln,5 es andererseits aber den Leserinnen und Lesern zu erleichtern, den Gang der Argumentation in der Rede insgesamt im Blick zu behalten.6

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Vgl. dazu S. 31f. Neuerlich sei hier auf Beard, North, Price 1998, bes. Xf., und deren Mahnung verwiesen, es gehe auch darum festzustellen, was in Rom als ›Religion‹ gelten könne. So z.B. latrocinium. So z.B. im Fall von vitium. Aus diesem Grund werden in einigen Fällen auch Begriffe, die sprachlich nicht miteinander verwandt sind, in ein und demselben Komplex behandelt: So findet sich beispielsweise in der Diskussion der Begriffe coniuratio und coniurati auch die zu foedus. Bei erstem Hinsehen könnte es leserfreundlicher erscheinen, wäre die Anordnung entweder rein chronologisch, d.h. am Gang der Rede, oder aber lediglich an den dann alphabetisch anzuordnenden Begriffen orientiert. Dies würde jedoch Zusammenhänge verschleiern beziehungsweise eine Vielzahl von Querverweisen oder aber häufige Wiederholungen der Erklärung des Kontexts und des Gangs der Argumentation erforderlich machen.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

furor, furiosus (§§1; 2; 15; 22; 31 bzw. §25) Furor bezeichnet die Raserei, die Wut – dies in einem Bedeutungsspektrum, das so breit ist, daß es im Prinzip jedes deviante, von einer Norm abweichende Verhalten einschließt.7 So ist furor im römischen Recht terminus technicus für Geisteskrankheit, kann aber beispielsweise auch die Wut der Kämpfenden, die Raserei der Liebenden oder die der in irgendeiner Hinsicht Begeisterten bezeichnen, im weiteren Sinn außerdem das wahnsinnige oder unsinnige Unterfangen, die Tollheit. Furiosus, rasend, wütend ist entsprechend der aufgrund von Geistesgestörtheit oder aufgrund irgendeiner Leidenschaft Aufgeregte.8 Furor9 wurde darüber hinaus, ähnlich wie beispielsweise amentia und audacia,10 zum politischen Schlagwort – geprägt und okkupiert von optimatischen Politikern, verwandt zur Diskreditierung politischer Gegner, deren Anliegen und deren Art, Politik zu betreiben.11 Ausgangspunkt für den politischen Gebrauch des Wortes war offenbar die Vorstellung von Krankheit, die mit dem Begriff verbunden ist, genauer gesagt von dauerhafter Geistesgestörtheit, und damit von Abnormität.12 So wird mit furor denn auch besonders Unbegründetheit und Maßlosigkeit im politischen Handeln bezeichnet bzw. behauptet; furor ist das Gegenteil von ratio, consilium und prudentia.13 Schließlich kann alles als furor gelten, was die bestehende Ordnung stört,14 mehr noch: furor kann geradezu definieren, was aus Sicht der boni die improbi ausmacht.15 Auch in der ersten Catilinaria bewegt sich der Gebrauch von furor überwiegend in diesem Bedeutungsspektrum. So zeigt die Verwendung von furor in §1 in besonders markanter Weise, mit welcher Selbstverständlichkeit man diesen Begriff in politischem Zusammenhang gebrauchen konnte, daß er geradezu terminus technicus der politischen Sprache gewesen ist, außerdem in welch umfassendem Sinn er dabei benutzt werden konnte. Gekleidet in die rhetorische 7 8 9 10 11

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Vgl. TLL 6, 1629–1633; Alessi 1974, passim, bes. 345. Zu einigen Bedeutungsvarianten von furor speziell bei Cicero vgl. auch Taldone 1993. Vgl. TLL 6, 1619–1621. Ebenso die anderen Begriffe der Wortfamilie: vgl. Achard 1981, 239–247; TLL 6, 1624 zu furere, 1627 zu furens, 1620f. zu furiosus in politischem Zusammenhang. Zu amentia/amens vgl. Achard 1981, 242–245, zu audacia/audax/audacter Wirszubski 1961; Weische 1966, 28–33; Achard 1981, 247f. Daß bestimmte Schlagwörter fest in optimatischer Hand waren und daß sie im Sprachgebrauch der Optimaten allgemein üblich waren, kann man zeigen – bei aller Vorsicht, die angesichts der Quellenlage notwendig ist (so ist die Quellendichte für die Zeit vor Cicero äußerst gering, so ist der Sprachgebrauch von Optimaten in weit größerem Umfang überliefert als der von Popularen, so basiert unsere Kenntnis des Sprachgebrauchs im Wesentlichen auf den Usancen weniger Personen); vgl. dazu, wie auch zur politischen Sprache allgemein Hellegouarc’h 21972; Weische 1966; David 1980; Achard 1981. Speziell zu furor: Weische 1966, 23–28; Achard 1981, 239–247, bes. 246f.; Taldone 1993, 8–16; auch Alessi 1974, der die politische Prägung des Begriffs allerdings ganz Cicero zuschreibt (vgl. etwa Alessi 1974, 211, 350). Vgl. Achard 1981, 239; auch Weische 1966, 25f. Die Verwendung von furor in rhetorischem oder philosophischem Zusammenhang zur Bezeichnung des Agierens eines mit unangebrachter Erregung Sprechenden bzw. eines Menschen, dem temperantia oder sapientia abgeht, hat der politischen Verwendung dagegen, anders als man vermuten könnte, nicht Pate gestanden und klingt im Allgemeinen auch nicht mit an (Weische 1966, 24 bzw. Achard 1981, 240). Vgl. etwa Cic. Verr. 2,5,85; leg. 3,22; Phil. 3,17. Vgl. Weische 1966, 26. Vgl. etwa Cic. Rab.perd. 4.

furor, furiosus

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Frage Wie lange noch wird diese deine Raserei uns verhöhnen?16 konstatiert Cicero bei Catilina, ohne jede Vorbereitung, Erklärung oder Begründung, furor.17 Da Cicero damit sicherlich nicht Unverständnis oder Ratlosigkeit auslösen, sondern Empörung ausdrücken sowie gleichzeitig Handlungsbereitschaft demonstrieren und auctoritas reklamieren wollte,18 kann man davon ausgehen, daß er hier in allgemein üblicher, zumindest in allgemein verständlicher Weise mit dem Begriff furor operierte.19 Da der furor Catilinas zunächst nicht näher spezifiziert wird, kann ein Rezipient unter diesem Begriff in umfassender Weise alles subsumieren, was er mit Catilina verbindet und was diesem – aus optimatischer Sicht – vorgeworfen werden kann. Im Folgenden konkretisiert Cicero die Vorwürfe: Zunächst, gewissermaßen indirekt, dadurch, daß er unter anderem erwähnt, in der Stadt seien Wachen aufgestellt worden, das Volk fürchte sich, alle boni hätten sich versammelt, dann dadurch, daß er von Plänen, von Zusammenkünften, von Entschlüssen Catilinas, von Verschwörung spricht. Wenn in §2 dann erneut vom furor Catilinas die Rede ist,20 faßt dieser Begriff das zuvor Geschilderte zusammen; er steht für das, was Cicero als Verschwörung beschreibt, ist geradezu synonym für coniuratio.21 Intensiviert wird das Bild des furor als gegen die res publica gerichteter Handlung dadurch, daß Catilina Männer entgegengestellt werden, die etwas für die res publica tun – oder jedenfalls tun sollten. In §15 bezieht furor sich auf ein früheres Mordkomplott: auf den Versuch, die für das Jahr 65 gewählten Konsuln und die principes civitatis zu ermorden.22 Dem furor Catilinas 16 17

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Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet? Lediglich eine andere rhetorische Frage – Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? – geht dieser voraus. Abrupt ist nicht nur die Behauptung des furor in den Raum gestellt, abrupt ist vielmehr auch der Beginn der Rede insgesamt – in inhaltlicher wie in formaler Hinsicht. Vgl. Loutsch 1994, 275–300. Zur Intention des Exordium vgl. Cape 1991, 39–42; Batstone 1994, 227–233; Loutsch 1994, 275–300. Eine gewisse Bestätigung findet diese Vermutung auch im unmittelbaren Fortgang der Rede: Mit audacia, einem weiteren terminus optimatischer Prägung, setzt Cicero in einer dritten rhetorischen Frage – Quem ad finem sese effrenata iactabit audacia? – seine Vorwürfe fort. Dadurch, daß er audacia hier außerdem als effrenata, als zügellos beschreibt, verbindet er sie besonders eng mit furor, der seinerseits gemeinhin Maßlosigkeit charakterisiert. Darüber hinaus ist, der anschließenden Schilderung Ciceros zufolge, die Wahrnehmungsfähigkeit Catilinas gestört. So soll er beispielsweise nicht bemerkt haben, daß seine Pläne allgemein bekannt sind. Mit dieser Verblendung legt er eine Schwäche an den Tag, die üblicherweise furiosi – rekurrierend auf die Vorstellung des Krankhaften – zugeschrieben wird (vgl. Achard 1981, 245f.). Nos autem fortes viri satis facere rei publicae videmur, si istius furorem ac tela vitemus. – Wir aber, tapfere Männer, scheinen genug für die res publica zu tun, wenn wir der Raserei und den Waffen dieses (Menschen) ausweichen. Genau genommen ist es die Formulierung furor ac tela. Sie ist aber als Hendiadyoin aufzufassen (ebenso Criniti z.St., Haury z.St., Dyck z.St.), als Formulierung also, die in furor und tela nicht zwei Dinge sieht, sondern ein einziges Phänomen, bei dem an dieser Stelle freilich ein bestimmter Aspekt, nämlich der der Gewalttätigkeit, hervorgehoben werden soll. … cum scias esse horum neminem qui nesciat te prid(ie) Kal(endas) Ian(uarias) Lepido et Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo, manum consulum et principum civitatis interficiendorum causa paravisse, sceleri ac furori tuo non mentem aliquam aut timorem tuum sed fortunam populi Romani obstitisse? – … da du weißt, daß niemand unter diesen (Senatoren) ist, der nicht wüßte, daß du am Tag vor den Kalenden des Januar, als Lepidus und Tullus Konsuln waren, bewaffnet auf dem comitium gestanden bist, daß du (dir) eine Bande angeschafft hast, um die Konsuln und die principes civi-

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

stellt Cicero in diesem Fall scelus an die Seite; scelus ac furor kontrastiert er dann mit mens aut timor. Die Gegenüberstellung von furor und mens zeigt deutlich, daß sich Cicero hier der Metapher ›Geisteskrankheit‹ bedient. Durch den Zusatz aut timorem tuum erweitert er sie freilich insofern, als er der mentalen Ebene eine emotionale Alternative beigibt: Nicht nur irgendeine Einsicht, eine Äußerung des gesunden Geistes gewissermaßen, sondern auch Furcht könnte dem politischen Wahnsinn Einhalt gebieten. Zu überlegen ist, ob Cicero hier außerdem mit religiösen Vorstellungen – einem weiteren Aspekt des Begriffs furor – arbeitet. Dafür gibt es zwei Anzeichen: 1. Die Kombination von furor und scelus. – Da nach landläufiger Überzeugung Verbrechen von den Göttern oftmals mit Wahnsinn bestraft wurden,23 ist es sehr wahrscheinlich, daß bereits die Kombination der Begriffe scelus und furor die Vorstellung erweckte, man habe es mit Raserei zu tun, die eine von den Göttern verhängte Strafe ist. Diese Assoziation dürfte Cicero auch in diesem Fall ausgelöst und damit gleichsam die religiöse Konnotation von furor aktiviert haben.24 Ohne es direkt auszusprechen, erweckt Cicero so – en passant – den Eindruck, die Götter hätten Catilina bestraft, sie verurteilten ihn ebenso wie Cicero selbst dies tut.25 2. Nicht mens oder timor, sondern fortuna populi Romani war es, die schließlich dem scelus und furor Catilinas Einhalt geboten hat. Unter fortuna populi Romani konnte man sich sowohl ein gewissermaßen profanes Glück oder Schicksal vorstellen als 22

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tatis zu töten, (der nicht wüßte,) daß deinem verbrecherischen Sinn und deiner Raserei nicht irgendeine Einsicht oder deine Furcht, sondern fortuna populi Romani entgegen stand? Zu dieser sogenannten Ersten Catilinarischen Verschwörung vgl. S. 74 Anm. 255, 155f. Vielfältige Beispiele, die zeigen, wie weit diese Überzeugung verbreitet war, finden sich nicht zuletzt bei Cicero selbst: vgl. Achard 1981, 240–242 mit Belegen (Cat. 3,22; dom. 141; har.resp. 39; Pis. 50; Mil. 86 mit 88). Eng verbunden ist diese Vorstellung mit der Gestalt der Furiae: vgl. Waser 1910; Weische 1966, 27; Achard 1981, 241f.; zum etymologischen Zusammenhang Ernout, Meillet 41959, 263 s.v. furo. Auch hierfür finden sich bei Cicero Belege, so Sull. 76; S.Rosc. 66f.; Verr. 2,1,6f.; 2,5,113; leg. 1,40; nat.deor. 3,46. Zu Vorstellungen über den Zusammenhang von »Verbrechen und Wahnsinn« insgesamt vgl. auch Thome 1993, 377–381. Entsprechendes dürfte dann auch für timor gelten: Timor meint u.a. religiöse Scheu (vgl. etwa Lucr. 5,1222; Hor. sat. 2,3,295). Daß diese Konnotation des Begriffs aufscheint, bewirkt die Konstellation, in der timor hier steht und die dafür sorgt, daß man insbesondere an eine Art von Furcht denkt: an die Furcht vor der Strafe der Götter. Führt man sich die vorgestellte Abfolge der Ereignisse vor Augen, mag es irritieren, daß, genau genommen, das Verbrechen, auf das sich scelus ac furor bezieht, in dem Moment, in dem mens oder timor eingreifen sollten, tatsächlich noch nicht geschehen war, Strafe – jedenfalls Strafe für einen vollendeten Mord – also auch noch nicht erfolgt sein konnte, und außerdem scelus und furor eigentlich – gleichsam synonym – denselben Sachverhalt, das Mordkomplott nämlich, bezeichnen, nicht aber das Verbrechen und seine Folge für den Täter. An der Tatsache, daß die Formulierung scelus ac furor an die Götter denken ließ, ändert dies aber nichts. Daß in politischem Zusammenhang diese religiöse Konnotation von furor eine Rolle spielt, ist alles andere als singulär; es dürfte sogar ganz wesentlich dieser Aspekt von furor gewesen sein, der den Begriff den Optimaten als Schlagwort empfahl (Achard 1981, 240–243). Paradoxerweise bestätigen dies gerade auch Rationalisierungen dieser religiösen Vorstellung (Achard 1981, 241f.; vgl. Thome 1993, 365–377; vgl. etwa S.Rosc. 66f.; Pis. 46; fr. 3; parad. 2,18). Nicht zuletzt wegen des Bezugs auf die Götter ist der Begriff furor wirkungsmächtiger als z.B. amentia, die ja auch einen Gegenpol zu mens bildet; zu weiteren Ursachen für die größere Wirkungsmacht von furor, zu der Assoziation mit Feuer etwa, vgl. Achard 1981, 242f.

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auch eine Gottheit.26 Für diejenigen, die hier die Gottheit am Werk sahen, mag es besonders nahe gelegen haben, auch die religiöse Konnotation von furor zu hören.27 In §22 stellt Cicero fest, es sei nicht zu erwarten, daß Catilina sich ins Exil begebe. Daß er der schwierigen Lage der res publica nachgeben solle, könne man auch nicht fordern, da eine solche Handlungsweise seinem Charakter widerspreche. In diesem Zusammenhang kontrastiert Cicero furor mit ratio.28 Ratio ist hier aber nicht einfach nur das Gegenteil von furor, sondern ein Gegenmittel, ein potentielles jedenfalls: ratio kann von furor zurückhalten,29 wie pudor von turpitudo oder metus von periculum. Bei Catilina funktioniert dies aber nicht, da er anders geartet ist als normale Menschen. Cicero rekurriert hier erneut auf die Krankheitsmetapher; ausdrücklich macht er deutlich, daß furor bei Catilina kein vorübergehender Zustand ist, sondern seiner Art, seinem Charakter entspricht.30 Es fragt sich, ob der in diesem Zusammenhang geäußerte Wunsch, die Götter mögen Catilina eine res-publica-freundlichere mens geben,31 die religiöse Konnotation von furor – furor als Strafe der Götter – auch an dieser Stelle aufscheinen läßt. M.E. ist dies jedoch unwahrscheinlich, da mens hier nicht die Einsicht o.ä. meint, sondern die Sinnesart, den Charakter, mens hier in gewisser Weise die übergeordnete Größe ist, während furor bzw. sein Gegenstück ratio, ebenso wie etwa turpitudo bzw. pudor, nur einen Aspekt der Sinnesart neben anderen charakterisiert. In §31 erscheint furor in Gesellschaft von scelus und audacia – sozusagen in bekannter Weise, wenn auch in neuer Kombination.32 Eingebettet ist die Stelle in einen ausführlichen Vergleich. Die res publica ist in ähnlicher Lage wie ein Kranker: Lindert man nur die Symptome der Krankheit, kehrt sie nach kurzem verstärkt zurück; würde man alleine Catilina töten, würde die pestis, die in der res publica ist, langfristig gesehen, verschlimmert. Trotz 26 27

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Vgl. S. 155ff. Umgekehrt legt ein religiöses Verständnis von furor es freilich auch nahe, fortuna in einem religiösen Rahmen anzusiedeln. Sieht man furor als die Strafe der Götter für das scelus an, so spiegelt sich hier das Verständnis der fortuna/tyche als neben den Göttern wirkender Kraft, fährt sie doch den Göttern gewissermaßen in die Parade und stoppt den von den Göttern gesandten furor (vgl. Eur. Phoen. 1202; Demosth. or. 4,45). Neque enim is es, Catilina, ut te aut pudor a turpitudine aut metus a periculo aut ratio a furore revocarit. – Du bist nämlich nicht so geartet, Catilina, daß dich Scham von Schändlichkeit oder Furcht von Gefahr oder Vernunft von Raserei zurückhalten würde. Vgl. §15: auch mens und timor sind potentielle Gegenmittel. Besonders deutlich wird dies dadurch, daß auch pudor und metus – also das Empfinden dafür, was sich für den Einzelnen als Teil der Gemeinschaft gehört (vgl. Classen 1988, 290) bzw. angemessene Furcht vor konkreter Gefahr (vgl. Menge 61977, 7) – bei Catilina nicht greifen, er nicht nur von politischer Raserei, sondern auch von Schändlichkeit und Gefahr nicht abgehalten werden kann. Te ut ulla res frangat, tu ut umquam te conligas, tu ut ullam fugam meditere, tu ut ullum exsilium cogites? Utinam tibi istam mentem di immortales duint! – Als ob dich irgendeine Sache brechen, als ob du dich jemals zusammennehmen würdest, als ob du über irgendeine Flucht nachdenken würdest, als ob du an irgendein Exil denken würdest? Wenn doch die unsterblichen Götter dir diese Sinnesart gäben! Etenim iam diu … in his periculis coniurationis insidiisque versamur, sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit. – Und in der Tat schon lange … befinden wir uns in diesen Gefahren der Verschwörung und in Anschlägen, aber, ich weiß nicht wie, die Reife aller Verbrechen und der alten Raserei und Vermessenheit ist (erst) in die Zeit unseres Konsulats ausgebrochen.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

dieses Kontexts ist es fraglich, ob an dieser Stelle die religiöse Konnotation des Begriffs furor zum Tragen kommt oder er seine Wirkung als Krankheitsmetapher entfaltet.33 Prägend ist hier vielmehr das Attribut, das furor beigegeben ist – vetus, alt, lange andauernd – und die explizite Feststellung, schon lange sei man den Gefahren der coniuratio ausgesetzt, zur Reife gekommen seien alle Verbrechen, der alte furor und audacia aber erst jetzt, im Konsulat Ciceros. Nicht vom persönlichen furor Catilinas ist also die Rede, sondern von furor als Teil der Bedrohung, der man ausgesetzt ist. Die Formulierung sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit macht deutlich, daß Cicero unter dieser Bedrohung nicht nur die aktuelle Verschwörung verstanden wissen will, sondern eine schon viel länger währende Gefahr, die freilich jetzt in der aktuellen Verschwörung zum Ausbruch gekommen ist. Omnia scelera, vetus furor und audacia nehmen also zumindest auf frühere Aktivitäten Catilinas und seiner Mitstreiter Bezug; nicht ausgeschlossen ist aber, daß diese Begriffe sogar die gesamte politische Richtung charakterisieren sollen, in deren Tradition Catilina steht bzw. in die er von Cicero gestellt wird, die populare nämlich.34 In jedem Fall ist diese Stelle ein Beispiel für den politischen Gebrauch des Begriffs furor; mit einiger Wahrscheinlichkeit ist sie ein Beispiel für seinen Gebrauch in besonders umfassendem Sinn. Aus dem Rahmen des bisher Beschriebenen fällt die Verwendung von furiosus in §25. In §§25f. entwickelt Cicero den Gedanken, Catilina werde abreisen und es sei eigentlich gar nicht nötig, ihn dazu zu animieren, unter anderem dadurch weiter, daß er Catilina vor Augen führt, er werde dahin gehen, wohin ihn seine zügellose und rasende Begierde schon längst hinreiße.35 Für sich betrachtet, enthält die Formulierung cupiditas effrenata ac furiosa sicherlich keine religiöse Komponente.36 Sie ist aber über ein Geflecht von Begriffen und Gedankengängen mit bacchari verbunden, einem Ausdruck, dessen religiöse Konnotation außer Frage steht:37 Zum einen stellt Cicero dem, was Catilina antreibt, das gegenüber, was ihn erwartet, wenn er diesem Antrieb gefolgt sein wird; die effrenata ac furiosa cupiditas wird unter anderem dazu führen, daß Catilina bacchantisch rasen wird,38 wenn er Rom verlassen ha33

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Die religiöse Konnotation könnte, ähnlich wie in §15, durch die Kombination mit scelus, das Bild des krankhaften Wahnsinns durch den expliziten pestis-Vergleich (§30f.) geweckt werden. Freilich steht scelus – und damit furor – hier nicht in Verbindung mit timor, fortuna oder einem anderen Begriff, der das religiöse Ambiente verstärken könnte. Und pestis ist hier der Begriff, der die Krankheit bezeichnet; zudem wird sie ausdrücklich als fiebrige Erkrankung ausgemalt, nicht als Geisteskrankheit. Vgl. Mur. 81, wo Cicero feststellt, alles was während der letzten drei Jahre betrieben worden sei, komme jetzt zum Ausbruch (omnia quae per hoc triennium agitata sunt iam ab eo tempore quo a L. Catilina et Cn. Pisone initum consilium senatus interficiendi scitis esse in hos dies, in hos menses, in hoc tempus erumpunt). Ibis tandem aliquando quo te iam pridem tua ista cupiditas effrenata ac furiosa rapiebat. – Du wirst endlich einmal (dahin) gehen, wohin dich schon längst diese deine zügellose und rasende Begierde hinreißt. Furiosus steht, anders als furor, in aller Regel nicht in religiösem Zusammenhang: vgl. TLL 6, 1619– 1621. Vgl. dazu S. 204ff. … qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere … – an welcher Fröhlichkeit wirst du dich … erquicken, vor welchen Freuden wirst du aufspringen, in wie großem Vergnügen bacchantisch rasen …

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ben und sich bei den Seinen befinden wird. Zum andern führt Cicero als Beweis dafür, daß Catilina tatsächlich cupiditas antreibt, an, haec res bereite Catilina nicht etwa Schmerz (dolor), sondern Vergnügen (voluptas);39 entsprechend werde Catilina dann in voluptate bacchari. So sorgt Cicero dafür, daß sein Publikum die cupiditas effrenata ac furiosa des Catilina mit dem Bild eines bacchantisch Rasenden assoziiert und folglich religiös konnotiert.40 Gefördert werden dürfte diese Assoziation dadurch, daß die Charakterisierung der cupiditas als furiosa an furor denken läßt und furor – in Entsprechung des griechischen Begriffs μανία – im Zusammenhang mit Mythen und Kulten des Dionysos die Raserei seines Thiasos bezeichnet, furere und bacchari synonym sind.41 Nicht unwahrscheinlich ist, daß sich diese mit der cupiditas furiosa verbundene Assoziation auf das Bild, das Cicero vom furor Catilinas insgesamt entwirft, überträgt, daß man die politische Raserei des Catilina also nicht nur mit dem Bild des von den Göttern Gestraften, sondern auch mit dem Bild des in religiöser Begeisterung – und damit, in römischen Augen, in zweifelhafter Weise42 – Handelnden verbunden hat. Diese beiden Bilder dürften ihre Wirksamkeit gewissermaßen parallel zueinander entfaltet haben. In den Augen eines antiken Rezipienten hätten sie zwar gänzlich ineinanderfließen können, da bacchari durchaus auch gebraucht wurde, um das Wüten der Furien zu bezeichen – Mänaden und Erinyen

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Neque enim tibi haec res adfert dolorem sed quandam incredibilem voluptatem. – Diese Sache verursacht dir nämlich nicht Schmerz, sondern ganz unglaubliches Vergnügen. Haec res meint hier das ganze Unternehmen Catilinas, obwohl haec sich grundsätzlich auf das – speziell in gedanklicher Hinsicht – Nächstliegende bezieht. Hier ist dies zunächst das ›dahin Gehen, wohin …‹, also die Abreise. Daß Cicero aber in demselben Satz das Wohin näher beschreibt (›wohin dich deine Begierde reißt‹), erzwingt, daß man nicht nur an die Abreise denkt, sondern auch an das, was in ihrer Folge geschieht. Vgl. etwa Sternkopf z.St., der meint »der Aufbruch ins Lager des Manlius, d.i. der Krieg gegen das Vaterland« sei gemeint, und Fuhrmann, der haec res mit dein Vorhaben übersetzt. Nicht außer Acht lassen sollte man außerdem, daß Cicero unmittelbar zuvor von Morden Catilinas an Bürgern gesprochen hat: Dies mag, ist von haec res die Rede, noch nachwirken. Diesem Vorgang leistet auch die Tatsache Vorschub, daß kurz zuvor, in §24, von einer anderen cupiditas die Rede war – wenngleich der Begriff cupiditas hierbei nicht fiel – und diese cupiditas mit Religiösem verbunden war: Es ging um Catilinas Verehrung eines silbernen Adlers, dessen er sich nicht enthalten könne; vgl. S. 196ff. Vgl. TLL 6, 1623 s.v. furo, auch 1630 s.v. furor; instruktiv auch Bocciolini Palagi 2003 zu furor und bacchari bei Vergil. Der früheste explizite Beleg für diesen Gebrauch von furor bzw. furere findet sich freilich erst bei Catull. 64,254f. (lymphata mente furebant … bacchantes), stammt also aus der Zeit um 54/53 v.Chr. (vgl. auch Alessi 1974, 140, 349). Daß Cicero jedoch furere und bacchari sogar dann, wenn er diese Begriffe in übertragenem Sinn gebraucht, dies in geradezu tautologischer Weise tut, dürfte aber ein Hinweis darauf sein, daß furere bzw. furor schon länger zur Bezeichnung bacchantischer Raserei üblich war (vgl. Brut. 276: hier kommt die Sprache auf Redner, die furere atque bacchari, da sie unangemessen in zu gehobenem Stil und in zu feuriger Weise sprechen; zu har.resp. 39 s.u. Anm. 43; vgl. außerdem Cat. 4,11 versatur mihi ante oculos aspectus Cethegi et furor in vestra caede bacchantis – dazu unten S. 110 Anm. 94). Vgl. dazu S. 204f.

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wurden schon von Aischylos einander angenähert –,43 dies verhindert Cicero aber dadurch, daß er das bacchari in einem Ambiente ansiedelt, das für Catilina höchst angenehm ist.44

coniuratio, coniurati, foedus (§§1; 6; 13; 27; 30; 31 bzw. §12 bzw. §33) Cicero apostrophiert die Verbindung Catilinas und seiner Mitstreiter als coniuratio.45 Damit wählt er aus der Vielzahl der Begriffe, die – in weitgehend synonymer Weise – die über amicitia hinausgehende politische Verbindung von Menschen bezeichnen können,46 nicht nur den stärksten bzw. den am deutlichsten negativ konnotierten Begriff,47 sondern auch den Begriff, bei dem eine religiöse Komponente mit anklingen kann: Wörtlich genommen besagt coniuratio, daß die Beteiligten sich einander eidlich verbunden haben.48

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Zu Quellen und Literatur vgl. Whallon 1964; Bocciolini Palagi 2003, 118; Hershkowitz 1998, 35–61, bes. 48 Anm. 196. Vgl. auch Thome 1993, 133–139 zur Wirkung der Furie Allecto auf Amata bei Verg. Aen. 7,341–405. Cicero selbst führt Handlungsweisen des Clodius auf die Strafe zurück, mit der Bona Dea ihn wegen der Verletzung ihres Festes belegt habe, mit furor nämlich (har.resp. 37–39); sein Verhalten erklärt er dabei – tautologisch – als bacchari und furere: tu cum furiales in contionibus voces mittis, cum domos civium evertis, cum lapidibus optimos viros foro pellis, cum ardentis faces in vicinorum tecta iactas, cum aedes sacras inflammas, cum servos concitas, cum sacra ludosque conturbas, cum uxorem sororemque non discernis, cum quod ineas cubile non sentis, tum baccharis, tum furis, tum das eas poenas quae solae sunt hominum sceleri a dis immortalibus constitutae (har.resp. 39). Hic tu qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere, cum in tanto numero tuorum neque audies virum bonum quemquam neque videbis! – An welcher Fröhlichkeit wirst du dich hier (d.h. dort, bei ihnen) erquicken, vor welchen Freuden wirst du aufspringen, in wie großem Vergnügen wirst du bacchantisch rasen, wenn du in der so großen Zahl der Deinen weder irgendeinen guten Mann hören noch sehen wirst! In den §§6; 13; 27 wird tatsächlich eher darauf abgehoben, daß es sich um einen Zusammenschluß von Menschen handelt (es ist von voces coniurationis, coniuratio perditorum hominum, princeps coniurationis die Rede), während in den §§1; 30; 31 coniuratio eher deren Unterfangen, gewissermaßen das Institut ›coniuratio‹ bezeichnet (hier ist von coniuratio tua, coniuratio nascens, coniuratio facta, pericula insidiaeque coniurationis die Rede). Zu denken ist außer an coniuratio etwa an coitio, conspiratio, factio und societas (vgl. Hellegouarc’h 21972, 80–115). Bedeutungsunterschiede zwischen diesen Begriffen sind – gemessen an ihrer tatsächlichen Verwendung – oft nicht zu fassen; so gesehen sind sie ausgesprochen unpräzise (Hellegouarc’h 21972, 569). Insbesondere können sie allesamt einen Zusammenschluß bezeichnen, dessen Ziel die Erlangung von Macht ist und der sich dabei von der Norm abweichender Methoden bedient. Speziell zur Nähe von coniuratio und coitio, von coniuratio und conspiratio und von coniuratio und factio bzw. von coitio und factio Hellegouarc’h 21972, 95, 98f., 101, 104; zu factio vgl. außerdem Seager 1972a. Vgl. auch Spencer 2001, 78–133 allgemein zu Verschwörungen und Verschwörer bezeichnenden Begriffen. Coniuratio muß nicht pejorativ sein, ist es aber zumeist (vgl. Hellegouarc’h 21972, 95–97). Zu graduellen Unterschieden, insbesondere zu den zwischen den Begriffen coniuratio, coitio und conspiratio bestehenden, vgl. Hellegouarc’h 21972, 95–99. Factio kommt in seiner Wirkungsmacht und in seinem negativen Klang coniuratio am nächsten; in Bezug auf Catilina ist der terminus freilich ungeeignet, da er überwiegend in Bezug auf Unternehmungen bzw. Gruppierungen angewandt wurde, die sich ganz wesentlich durch ihre finanzielle Potenz auszeichneten (Hellegouarc’h 21972, 102–108; vgl. Seager 1972a).

coniuratio, coniurati, foedus

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In vielen Fällen dürfte auch tatsächlich ein Eid die fides unter den Beteiligten hergestellt haben – in machen war es nachweislich der Fall. Konstitutiv war ein Eid offensichtlich aber nicht für alle als coniuratio bezeichneten Verbindungen.49 Gerne wüßte man, wie sich dies im Fall der coniuratio des Catilina verhalten hat. Hellegouarc’h geht, gestützt auf Sall. Cat. 22, davon aus, daß die Beteiligten sich tatsächlich eidlich verpflichteten;50 daran, jedenfalls daran, daß irgendjemand objektive Kenntnis davon hatte, kann man freilich angesichts der Tatsache, daß Cicero an keiner Stelle ausdrücklich von einem Eid spricht, Zweifel haben, ist es doch kaum vorstellbar, daß er sich dieses Faktum für seine Angriffe auf Catilina hätte entgehen lassen.51 Auffallend ist die Konsequenz, mit der Cicero von coniuratio spricht: Die weitgehend synonymen Begriffe coitio und conspiratio benutzt er gar nicht,52 societas nur in einer Umschreibung.53 Auch alternative Bezeichnungen verwendet er äußerst sparsam: lediglich latrocinium kommt vor.54 Paradoxerweise kann diese Konsequenz gerade darauf zurückzuführen sein, daß Cicero keine handfesten Beweise für ein Komplott hatte:55 Möglicherweise sollte die Bezeichnung diesen Mangel ausgleichen und durch Wiederholung und konsequente Anwendung gleichsam legitimiert werden.56

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Das heißt, daß sie sich einem Schwurgott gegenüber verpflichtet haben. Zu Eiden vgl. Rüpke 1990, 76–84; Graf 2005a. Die Stärke des Begriffs coniuratio ist offenbar ganz wesentlich auf seine religiöse Komponente zurückzuführen (vgl. Hellegouarc’h 21972, 95, vgl. 104). So bezeichnet Cicero auch das Einvernehmen (consensio) der Sarden in ihrer Klage gegen M. Aemilius Scaurus als coniuratio (Cic. Scaur. 38; 40). Zur Rolle des Eids bei coniurationes Hellegouarc’h 21972, 97 mit Beispielen; zur Herkunft und Bedeutungsentwicklung von coniuratio allgemein ebenfalls Hellegouarc’h 21972, 95f. (vgl. aber Rüpke 1990, 70–75 zu coniuratio in militärischem Zusammenhang). Coniuratio ist im Übrigen kein strafrechtlich definierter Begriff (Nippel 1997, 68). Hellegouarc’h 21972, 97. Im Übrigen kann man Sallust auch so verstehen, daß er nicht nur daran Zweifel hegt, daß Catilina menschliches Blut verwandt hat, daß er vielmehr die Gerüchte um den Eid insgesamt für zu schlecht verbürgt hält. Ebensowenig factio; vgl. dazu aber oben Anm. 47. Dies gilt, über die erste Catilinaria hinausgehend, generell für Äußerungen, mit denen er auf die ›Verschwörung‹ des Catilina Bezug nimmt. Vgl. S. 107f.; vgl. dort auch zu dem in diesem Zusammenhang außerdem verwendeten Begriff foedus. Vgl. S. 190ff. Vgl. S. 76f., 91 Anm. 11. Deutlich größer ist die Variationsbreite der Begriffe, mit denen Cicero Catilina und seine Mitstreiter bezeichnet. So ist nicht nur von coniurati (§12), sondern auch von socii (§8), comites (§12), hostes (§§5; 13; 33), naufragii (§30), latrones (§33; s.u. S. 190ff.) und von manus (§§12; 23; 25) die Rede, in Bezug auf Manlius von satelles und administer (§7), in Bezug auf einen M. Metellus von sodalis (§19; s.u. S. 182f.), in Bezug auf Catilina von imperator castrorum (sc. hostium) (§5; 10; 27), dux hostium bzw. belli (§5; 27), hostis (§13; 27), auctor sceleris (§27), princeps coniurationis (§27), evocator servorum et civium perditorum (§27), gladiator (§29) und parricida civium (§29). Offenbar wählt Cicero zur Bezeichnung der Personen jeweils den Begriff, mit dem er den Aspekt ihres Verhältnisses zu Catilina oder den Aspekt ihrer Rolle in der coniuratio, um den es ihm an der jeweiligen Stelle geht, am treffendsten charakterisieren kann, zur Bezeichnung der Sache insgesamt aber konsequent den Begriff, unter dem er die unterschiedlichsten Aspekte subsumieren kann und der zudem besonders wirkungsmächtig ist. Mit ›coniuratio‹ prägt Cicero ein Etikett; dabei kommt es nicht auf Differenzierung, sondern auf Einprägsamkeit und Prägnanz an.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Ob durch die Bezeichnung als coniuratio freilich auch das Bild einer auf Eid basierenden Gruppierung evoziert werden sollte, Cicero also tatsächlich auf die religiöse Wurzel des Begriffs und nicht einfach nur auf seine gleichsam eingebürgerte Stärke und seinen pejorativen Klang baute, erscheint zunächst zweifelhaft. Untersucht man den näheren Kontext, in dem coniuratio jeweils steht, findet sich nämlich nichts – kein Wortspiel etwa –, was die Etymologie des Begriffs betonen würde: In §1 fällt die Bezeichnung zum ersten Mal. Gekleidet in die rhetorische Frage, ob er, Catilina, nicht sehe, daß seine Verschwörung schon durch die Kenntnis aller Anwesenden im Zaum gehalten werde,57 konstatiert Cicero sie und behandelt sie wie ein bewiesenes Faktum. Coniuratio erscheint hier als terminus technicus der politischen Sprache. In §6 wird coniuratio mit coeptus nefarii parallelisiert: Cicero fragt Catilina, was er jetzt noch erhoffe, wenn weder die Nacht seine coeptus nefarii verdunkeln noch ein Privathaus die Stimmen der coniuratio zusammenhalten könne.58 Falls man die Charakterisierung der coeptus als nefarii, ›nicht erlaubt‹, verstanden haben sollte im Sinn von ›nicht erlaubt, da dem Willen der Götter zuwiderlaufend‹,59 dürfte dies auch coniuratio eine religiöse Färbung gegeben haben. Daß dies aber das Verständnis von coniuratio als einer durch Eid verpflichteten Gemeinschaft geweckt haben sollte, ist wohl auszuschließen.60 Viel eher liegt der Ton darauf, daß die coniuratio eine fas, ›dem, was in der Ordnung ist‹,61 entgegenstehende Bewegung darstellt. In §13 fragt Cicero, was Catilina noch in Rom festhalten könne: In der Stadt sei außerhalb jener coniuratio verlorener Menschen doch keiner, der ihn nicht fürchte und hasse.62 Hier wird die Aufmerksamkeit durch perditi homines auf die Qualität der an der coniuratio Beteiligten gelenkt – der Gedanke an einen Eid kommt nicht auf. In §27 läßt Cicero die patria Catilina unter anderem als auctor sceleris, princeps coniurationis und evocator servorum et civium perditorum bezeichnen. Ähnlich wie coeptus nefarii in §6 coniuratio eine bestimmte religiöse Färbung verleihen mag, kann dies hier durch die Parallelisierung mit scelus geschehen, da scelus für den Rezipienten hier wohl tatsächlich den religiösen Beiklang impietas hat.63 In erster Linie ist die Stelle jedoch durch den kriegerischen Kontext geprägt: Die patria wirft Cicero vor, daß er, wenn er zulasse, daß Catilina Rom verlasse, Catilina gewissermaßen in die Stadt hinein schicke, nicht aus ihr hinaus, – Catilina, der ein Feind sei, der der Anführer des Kriegs sein werde, der im Lager der Feinde als Feldherr erwartet werde.64 Daher ist es recht wahrscheinlich, daß man die in dieses Am57 58 59 60

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… constrictam iam horum omnium scientia teneri coniurationem tuam non vides? Etenim quid est, Catilina, quod iam amplius exspectes, si neque nox tenebris obscurare coeptus nefarios nec privata domus parietibus continere voces coniurationis potest …? Dies ist freilich alles andere als zwingend; vgl. S. 116ff. Auch die voces lassen wohl kaum den Gedanken an einen Eid aufkommen, erinnert privata domus doch deutlich an das Haus des Laeca, läßt also ganz konkret an eine Besprechung der Verschwörer denken. Vgl. S. 115f. In qua (sc. urbe) nemo est extra istam coniurationem perditorum hominum qui te non metuat, nemo qui non oderit. Vgl. S. 129ff. Tune eum quem esse hostem comperisti, quem ducem belli futurum vides, quem exspectari imperatorem in castris hostium sentis, auctorem sceleris, principem coniurationis, evocatorem servorum et civium perditorum, exire patiere, ut abs te non emissus ex urbe sed immissus in urbem esse videatur?

coniuratio, coniurati, foedus

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biente eingebettete Reihung auctor sceleris, princeps coniurationis, evocator servorum et civium perditorum ebenfalls unter kriegerischem Aspekt versteht und in dem auctor sceleris speziell den Urheber eines drohenden (Bürger-)Krieges sieht, im princeps coniurationis den Anführer einer Verschwörung, die eben besonders auch eine militärische Seite hat, im evocator servorum et civium perditorum schließlich denjenigen, der servi und cives perditi zu den Waffen ruft. Die zuletzt genannte Assoziation wird dadurch forciert, daß evocati der terminus technicus für Veteranen ist, die erneut zum Dienst im Heer gerufen werden;65 darin, daß mit ehemaligen Soldaten des Sulla tatsächlich Veteranen zu den Sympathisanten Catilinas zählten, findet sie gleichsam eine Bestätigung.66 In §30 fällt der Begriff coniuratio zweimal. In beiden Fällen geht es um das Werden der Verschwörung: Zuerst um die coniuratio nascens – manche hätten die entstehende Verschwörung durch ihren Unglauben gestärkt –, dann um die coniuratio facta – wenn Catilina sich zu Manlius begeben haben werde, werde niemand so töricht sein, daß er nicht sehen würde, daß eine Verschwörung ›gemacht‹ worden ist, niemand so schlecht, daß er ihre Existenz nicht zugeben würde.67 Beidemale hat coniuratio den Klang eines politischen terminus technicus. In §31 schließlich geht es in gewisser Weise um die größeren Zusammenhänge, in denen die gegenwärtigen Aktivitäten Catilinas zu sehen sind.68 Nicht ausgeschlossen ist, daß coniuratio hier nicht nur die aktuelle Verschwörung meint, sondern für die gesamte politische Richtung steht, in der Cicero sie gesehen haben will.69 Sollte dies zutreffen, hätte man es hier mit einer besonders weiten Ausdehnung des Begriffs zu tun. In jedem Fall ist coniuratio hier aber erneut terminus der politischen Sprache; der Gedanke an einen Eid als Kern der Sache kommt nicht auf. In §12 begründet Cicero, weshalb er Catilina zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht töten läßt damit, daß dann die übrigen Verschwörer in der res publica zurückblieben. Dabei bezeichnet er die Mitstreiter Catilinas nicht einfach als coniurati, sondern als manus coniuratorum.70 Damit betont er zum einen, daß es sich um eine Gruppe, um eine ›Schar‹ handelt.

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Vgl. Cic. fam. 3,6,5; 15,4,3; Caes. passim; Rüpke 1990, 74. So gesehen steckt in der Bezeichnung evocator servorum et civium perditorum der Vorwurf, an den ja erst wenige Jahre zurückliegenden Spartacusaufstand und an den Bürgerkrieg anknüpfen zu wollen. Daß Aushebungen mit der Vereidigung der Rekrutierten verbunden waren, steht außer Frage, daß dieses Faktum aber hier zum Tragen kommt und die Wurzel des Begriffs coniuratio hervorhebt, hieße aber wohl zu weitgehend Assoziationen zu postulieren. Anders als man lange aus Serv. Aen. 2,157; 7,614; 8,1; Isidorus, Etymologiae 9,3,52–55; Don. Ter. Eun. 772 entnehmen zu können glaubte, sind coniuratio bzw. coniurare und evocatio im Übrigen keine termini technici für Sonderformen der militärischen Aushebung, die zudem mit vom Usus des sacramentum abweichender Eidesleistung verbunden gewesen wären (Rüpke 1990, 70–75). Auch so gesehen kommt bei coniuratio (bzw. evocator) also nicht zwingend der Gedanke an einen Eid auf. Qui spem Catilinae mollibus sententiis aluerunt coniurationemque nascentem non credendo conroboraverunt. … Nunc intellego, si iste quo intendit, in Manliana castra pervenerit, neminem tam stultum fore qui non videat coniurationem esse factam, neminem tam improbum, qui non fateatur. Etenim iam diu … in his periculis coniurationis insidiisque versamur, sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit. Vgl. dazu S. 100. Nam si te interfici iussero, residebit in re publica reliqua coniuratorum manus.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Zum anderen verleiht die Bezeichnung als manus dieser Gruppe eine militärische Note.71 Cicero lenkt das Augenmerk also auf die physische Bedrohung, die von den coniurati ausgeht und in gewisser Weise auf das Ausmaß der Verschwörung.72 Dies hindert zwar nicht, coniurati auch wörtlich zu verstehen und mitzuhören, daß sich die Mitglieder dieser Gruppe durch Eid verbunden haben könnten, provoziert wird dieser Gedanke aber nicht. So gesehen nutzt Cicero die Begriffe coniuratio und coniurati nicht, um das Bild einer auf Eid basierenden Gruppierung zu forcieren. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, daß Cicero dadurch, daß er Catilina bzw. den Verschwörern einerseits diverse religiöse, besser gesagt, superstitiöse Praktiken unterstellt,73 andererseits ihr Handeln als gegen Götter und Tempel, patria und res publica gerichtet, fas und pietas zuwiderlaufend beschreibt,74 er der coniuratio im Lauf der Rede also eine – wenn auch pervertiert- – religiöse Komponente verleiht, es ganz natürlich zu sein schien, daß der Verschwörung tatsächlich ein Eid zugrunde lag. Das ist raffiniert und wohl auch viel wirkungsvoller, als wenn er die Eidesleistung einfach behauptet hätte. Ausgangspunkt dieser Assoziationen ist aber doch das Wort coniuratio – gewissermaßen ein provozierter Zirkelschluß. Akzeptiert man diese Überlegung, mag man in ihr einen Hinweis darauf sehen, daß Cicero eben doch auf die religiöse Bedeutung des Begriffs baute. Daß man mit der Vorstellung, es habe eine coniuratio im Wortsinn stattgefunden, tatsächlich operiert hat, belegt Sallust.75 Er berichtet von Gerüchten, denen zufolge Catilina den Mitverschwörern in besonders feierlicher Weise einen Eid (iusiurandum), verbunden mit einer bedingten Selbstverwünschung (exsecratio), abgenommen habe. Diese Gerüchte charakterisierten die Art der eidlichen Verbindung dadurch genauer, daß sie außerdem behaupteten, Catilina habe die Verschwörer dabei menschliches Blut (humani corporis sanguis)76 mit Wein vermischt trinken lassen. Diese Form der Aufnahme (dicatio) in die Verschwörung, das Bewußtsein, dabei eine Untat begangen zu haben, habe die fides der Verschwörer untereinander stärken sollen. Sallust fügt hinzu, manche seien der Ansicht gewesen, diese Gerüchte seien von Leuten in Umlauf gebracht worden, die die invidia, die später gegen Cicero aufgekommen sei, dadurch mildern wollten, daß sie das scelus der durch Cicero Bestraften als möglichst gräßlich darstellten.77 71

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Vgl. Hellegouarc’h 21972, 61 zu den Kontexten, in denen manus zur Bezeichnung politischer Gruppierungen verwendet wird: Abgeleitet von manus in der Bedeutung ›ein Trupp Soldaten‹ bezeichnet manus vorzugsweise eine in einer – unter Umständen bürgerkriegsartigen – Konfliktsituation agierende Klientel; vgl. außerdem TLL 8, 367f. s.v. manus IIIB und bes. auch Cic. Cat. 1,23; 25. Vorbereitet wird dieser Effekt dadurch, daß Cicero Catilina kurz zuvor vorgeworfen hat, er hole gegen die gesamte res publica aus – dabei macht er mit der Formulierung aliquem petere eine Anleihe bei den termini des Gladiatorenkampfes (vgl. Maclardy z.St.; vgl. TLL 10.1, 1932 s.v. peta und 1941 s.v. petitio IIA) –, die Tempel der Götter, die Häuser der Stadt, das Leben aller Bürger, ganz Italien stürze er ins Verderben und in Verödung. Vgl. dazu S. 159ff., 196ff., auch 204ff. Vgl. dazu S. 115ff., 129ff., 147ff., 166f., 167ff., 174ff., 187ff., 190ff. Sall. Cat. 22. Diese Formulierung macht es zusammen mit der Wertung dieser Handlung als tantum facinus (22,2) bzw. scelus atrox (vgl. 22,3) wahrscheinlich, daß man sie mit der Vorstellung, ein Mensch sei getötet worden, in Verbindung brachte bzw. in Verbindung bringen sollte. Sachlich zwingend wäre dies freilich nicht gewesen (vgl. Vretska zu 22,1).

coniuratio, coniurati, foedus

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Wenngleich Cicero selbst nicht von Blutkonsumation, ja nicht einmal ausdrücklich von einem Eid gesprochen hat,78 hat er doch die coniuratio in ein Licht gerückt, das derartigen Vorstellungen entgegenkam.79 Besonders deutlich wird dies in §33, wo Cicero die Mitstreiter Catilinas als diejenigen, die sich Catilina durch Verbrechen aller Art und durch ›Mord‹ verbunden haben, bezeichnet.80 Verbrechen aller Art und ›Mord‹ – damit ist sicherlich in erster Linie gemeint, was die Verschwörer im Rahmen der coniuratio getan und geplant haben, vielleicht auch, was sie schon früher gemeinsam miteinander verbrochen haben sollen, außerdem die coniuratio selbst. Gesagt ist damit aber auch, daß diese Verbindung ganz wesentlich von Verbrechen getragen wird. Der Schritt, sich auch den Moment des Zustandekommens der Verschwörung als mit einem Verbrechen verbunden vorzustellen, ist dann freilich klein. Diese Charakterisierung der mit Catilina Verbundenen wiederholt Cicero wenig später in einer Art aufzählender Definition derjenigen, die Iuppiter von den Tempeln, von den Häusern und Mauern der Stadt, vom Leben und Vermögen der Bürger fernhalten und die er als Lebende und als Gestorbene mit ewig dauernden Martern strafen soll:81 Diese Aufzählung – Feinde der Guten, Feinde der patria, Räuber Italiens – kulminiert in der Bezeichnung als Leute, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander und durch eine nicht erlaubte – wenn man die religiöse Konnotation mithört,82 dem Willen der Götter zuwiderlaufende – Gemeinschaft verbunden sind.83 Foedus scelerum ist eine schillernde Formulierung:84 Je nach dem, wie man den Genitiv scelerum auffaßt, liegt der Ton darauf, daß man sich zum Zweck von Verbrechen durch ein foedus verbunden hat, oder aber darauf, daß das foedus auf Verbrechen beruht – wann diese auch immer genau stattgefunden haben mögen. Was die societas zur societas nefaria macht, kann entsprechend ebenso ihre Zielsetzung als auch die Art ihres Zustandekommens sein. Die Bezeichnung der Verschwörer ganz am Ende der Rede als homines … scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniuncti wirkt wie eine Zusammenfassung dessen, was unter ›Verschwörern‹ bzw. unter coniuratio zu verstehen ist. 77

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Zur Chronologie der Gerüchte, von denen Sallust berichtet, und zur Intention, mit der er auf sie zu sprechen kommt, also selbst mit ihnen operiert: Vretska zu Sall. Cat. 22,1. Vgl. Vretska z.St. ebenso zur Frage nach historischen Wurzeln der Vorstellung vom ›Blutschwur‹. Weder in den catilinarischen Reden noch später – soweit wir wissen (vgl. Vretska zu Sall. Cat. 22,1). Ebenso Rives 1995, 73; vgl. Marasco 1981, bes. 175f., der zu überlegen gibt, ob Cicero seinerseits auf Erzählungen von der ›Verschwörung‹ des Apollodoros (vgl. Diod. 22,5,1) rekurriert haben könnte, der in der Folge dieser ›Verschwörung‹ in den Jahren 279–276 in Kassandreia eine Schrekkensherrschaft errichtet hatte. … qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt … Zu scelus und parricidium vgl. S. 129ff. bzw. 174ff. Zur genaueren Interpretation dieses an ein Gebet gemahnenden Abschnitts vgl. S. 218ff. Daß dies hier ausbleibt, ist sowohl angesichts des Kontexts – Cicero bittet Iuppiter in einer an ein Gebet gemahnenden Weise, die durch diese societas Verbundenen zu strafen – als auch angesichts der Charakterisierung, die diese societas im Lauf der Rede insgesamt erfahren hat – vgl. dazu S. 235f. – kaum vorstellbar. … homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos … Vgl. Maclardy z.St.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Der Begriff foedus (§33) an sich schließlich weckt – vielleicht deutlicher als die Bezeichnung coniuratio selbst – die Vorstellung, das coniungere basiere auf einem Eid, gar auf einem ›blutigen‹ Eid, da foedus – zumindest im Fall des zwischenstaatlichen Vertrags – tatsächlich eine Verbindung bezeichnet, die durch einen Eid mit bedingter Selbstverfluchung gesichert wird und bei der, im Zuge der Eidesleistung, ein blutiges Opfer erfolgt.85 Auch wenn foedus zur Bezeichnung einer Absprache zwischen einzelnen Personen oder Personengruppen verwendet wird – dies insbesondere in politischem Zusammenhang – und man nicht zwingend davon ausgehen kann, daß in jedem Fall tatsächlich eine förmliche Eidesleistung und ein Opfer erfolgte,86 ist doch deutlich, daß die Vorstellung von Eid und auch Opfer mitschwingt, und auch, daß – im übertragenen Sinn – dieses Opfer ein Mensch sein kann.87 So hat Cicero zumindest dazu beigetragen, die Stimmung zu schaffen, in der die von Sallust kolportierten Gerüchte gedeihen konnten – von wem auch immer sie tatsächlich in Umlauf gebracht worden sein mögen; Gerüchte, die in späterer Zeit für bare Münze genommen bzw. zum Vorwurf des Ritualmords und der Anthropophagie gesteigert wurden.88 So gesehen ist Cicero auch nicht ganz unbeteiligt an der Entstehung bzw. Festigung der stereotypen Verbindung ›Verschwörung – Menschenopfer‹ (gegebenenfalls verbunden mit Anthropophagie), die auch in anderen Zusammenhängen als denen der Catilinarischen Verschwörung immer wieder eine Rolle spielt.89 85

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Es wird ein Schwein geschlachtet und gesagt, im Fall des Eidbruchs solle Iuppiter mit dem Eidbrüchigen entsprechend verfahren; vgl. Rüpke 1990, 111–115 mit den Quellen; mit z.T. anderer Interpretation Zack 2001, 52–60, vgl. auch 167–242. Ergebnis des foedus ist eine societas oder amicitia. Cicero bleibt mit der Formulierung foedus … ac … societas also ganz im Bild. Societas hat, so gesehen, auch eine religiöse Note. – Wenn Cicero aber in §8 losgelöst von foedus von socii spricht, all dies mithören zu wollen, hieße die assoziative Kraft des Begriffs dann wohl doch zu sehr zu strapazieren. Vgl. etwa Cic. fam. 5,8,5, das foedus, das Cicero Crassus für die Zeit von dessen Abwesenheit im Jahr 54 anträgt: Has litteras velim existimes foederis habituras esse vim, non epistulae, meque ea quae tibi promitto ac recipio sanctissime esse observaturum diligentissimeque esse facturum. Besonders deutlich wird dies, wo Cicero von dem foedus zwischen den Konsuln des Jahres 58, A. Gabinius und L. Calpurnius Piso Caesoninus, und Clodius spricht. Hier sieht er sich selbst in der Rolle des Opfertieres, dessen Blut das Bündnis bekräftigt: Foedus fecerunt cum tribuno plebis … Id autem foedus meo sanguine ictum sanciri posse dicebant (Cic. Sest. 24f.). Ähnlich Cic. p.red. ad Quir. 13; Pis. 28. Zu foedus als politischem terminus vgl. Hellegouarc’h 21972, 38–40; zu philosophischen Konnotationen des Begriffs vgl. etwa Lévy 1998, bes. 139, 151–153. Flor. epit. 2,12,4 bzw. Cass. Dio 37,30,3; Plut. Cicero 10,4; Iohannes von Antiocheia 149 (Roberto)= FHG 4, 563; vgl. auch Min. Fel. 30,5. Vgl. zu dieser Thematik insgesamt auch Garbugino 1991. Vgl. S. 206 Anm. 614. Auch angesichts dieser Überlegungen verlieren sowohl die von van den Bruwaene 1981/82, bes. 106f. als auch die von Manni 1944/45 und Havas 1978a vertretenen Thesen an Plausibilität. – Van den Bruwaene meint, die Verbindung von coniurare mit der Vorstellung der Konsumation von Blut sei dem Kontakt mit griechischsprachigen Einwohnern Roms, genauer gesagt dem Verhören von Formen des griechischen ὄμνυμι – schwören geschuldet; man hätte, wenn ὤμοσαν – sie haben geschworen, gesagt wurde, sie haben Blut getrunken verstehen können (vgl. ὠμός – roh). Manni geht von der Historizität des ›Blutschwurs‹ aus und meint, Catilina habe ihn in Anlehnung an den Kult der Ma-Bellona kreiert. Havas treibt diese Idee ins Extrem und vertritt die Auffassung, Catilina und seine Mitstreiter hätten mit diesem Kult überhaupt einen »arrière-plan religieux« verfolgt: Sie hätten diesen Kult in der Erwartung favorisiert,

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caedes (§§2; 3, 6; 7; 16; 24) Der Begriff, den Cicero vorzugsweise benutzt, wenn er Catilina Mord vorwirft, ist caedes.90 Caedes bezeichnet auch das Schlachten von Opfertieren.91 Diese Bedeutung läßt Cicero hier freilich nicht aufscheinen.92 So ist die Verwendung des Begriffs caedes ein Beispiel dafür, daß Cicero nicht jede Möglichkeit nutzt, religiöse Konnotationen zu aktivieren.93 Nicht ausgeschlossen ist es freilich, daß das Bild, das Cicero im Lauf der Rede insgesamt von Catilina und der coniuratio entwirft, dazu angetan ist, seine Opfer doch als Opfer eines zumin89 90

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Menschen in Gallien, Spanien und auch in Nordafrika würden sich durch ihn besonders angesprochen fühlen und sich so für die Verschwörung gewinnen lassen. Sei es, wenn es um Morde oder Mordversuche in der Vergangenheit (§§7; 16; 24), sei es, wenn es um die Planung künftiger Mordtaten geht (§§2; 3; 6; 7). Außerdem verwendet er nex (§§18; 24) und parricidium (§33) und spricht von interficere (§§11; 15), an einer Stelle auch von morte … domum vacuefacere (§14). Catilina selbst bezeichnet er als parricida (§29). Zu parricidium und parricida vgl. auch S. 174ff. Caedes ist, anders als parricidium, kein strafrechtlich definierter Begriff. Caedes gehört zu den Schlagwörtern, die von optimatischer Seite, insbesondere von Cicero, gegen die improbi ins Feld geführt wurden. Hauptziel war es, affektiv von deren Gewalttätigkeit zu überzeugen; ob ein Nachweis dafür, daß tatsächlich Gewalttaten begangen wurden, erbracht werden konnte, war dabei unerheblich (vgl. Achard 1981, 337f. mit einer Vielzahl von Belegen). TLL 3, 50f. s.v. caedes (4). Ansonsten meint caedes überhaupt das ›Niederhauen‹, das Töten, sei es von Tieren, sei es von Menschen; von Menschen beispielsweise in der Schlacht. In §2 behauptet er, Catilina kennzeichne und bestimme mit den Augen einen jeden der Senatoren zur Ermordung (notat et designat oculis ad caedem unum quemque nostrum). Diese Mordpläne sind Teil des furor Catilinas (vgl. auch §15, wo allerdings nicht caedes, sondern interficere mit furor in Verbindung gebracht wird), Cicero evoziert hier aber nicht das Bild einer Tötung aus bacchantischem furor (zum Klang von furor an diesen Stellen vgl. S. 97ff.). In §3 bezeichnet er Catilina als einen, der die Welt durch Mord und Brand veröden wolle (orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem). In §6 fordert er ihn auf, nicht mehr an Mord und Brände zu denken (obliviscere caedis atque incendiorum). In §7 erinnert Cicero daran, daß er im Senat erklärt habe, Catilina habe die Ermordung der optimates für den 28. Oktober angesetzt (dixi ego idem in senatu caedem te optumatium contulisse in a. d. V. Kal. Nov.), und daran, daß Catilina, als Cicero diesen Plan vereitelt hatte, sagte, er sei auch mit der Ermordung derer, die auf Ciceros Warnung hin nicht aus Rom geflohen seien, zufrieden (… nostra tamen qui remansissemus caede contentum te esse dicebas). In §16 erinnert er Catilina daran, daß alle Konsulare, die von ihm schon oft zur Ermordung bestimmt worden seien (omnes consulares qui tibi persaepe ad caedem constituti fuerunt), die Sitzbänke in seiner Nähe leer gelassen haben. In §24 spricht Cicero davon, daß Catilina, wenn er sich zum Morden aufgemacht habe, einen silbernen Adler verehrt habe, und davon, daß er von dessen Altar seine Rechte zum Mord an Bürgern gewandt habe (quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti). Hier ist zwar von kultischen Praktiken Catilinas die Rede (vgl. S. 196ff.), das Morden gehört jedoch nicht dazu. Vielmehr dient die Verehrung des Adlers der Vorbereitung dieser Morde; die Mordopfer sind nicht Opfer im Kultgeschehen. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Tötung des M. Marius Gratidianus durch Catilina während der sullanischen Proskriptionen tatsächlich Züge einer rituellen Tötung trug (vgl. Q.Cic. comm.pet. 10; Ascon. 90C zu Cic. tog.cand.; Val. Max. 9,2,1; Lucan. 2,173–193; Sen. De ira 3,18,1f.; Plut. Sulla 32,4; Flor. epit. 2,9,26; Oros. 5,21,7; Hoffmann 1959, 464; Marco Simón, Pina Polo 2000a, 156f.; Flaig 22004, 144f.; Spannagel 2003, 342). Möglicherweise verzichtete Cicero in Rücksicht auf Q. Lutatius Catulus auf Anspielungen: Gratidianus, der für den Selbstmord des Vaters des Catulus verantwortlich gemacht wurde, war an dessen Grab getötet worden. – Eine andere Sicht dieser Ereignisse vertritt Marshall 1985: Er sucht zu zeigen, daß Gratidianus nicht von Catilina, sondern – wahrscheinlich – von Catulus getötet wurde. Marshall stellt freilich nicht in Abrede, daß Cicero Catilina verantwortlich machte.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

dest bacchantisch – und damit religiös – angehauchten furor erscheinen zu lassen. So gesehen mochte caedes, gewissermaßen rückwirkend, doch seinen religiösen Beiklang entfalten.94

in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis iam diu machinaris (§2) In §2 meint Cicero, Catilina hätte schon längst getötet werden müssen, gegen ihn hätte jenes Verderben gewendet werden müssen, das er schon lange gegen ›uns alle‹ erdacht habe.95 Die Formulierung in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis … machinaris ist einer Formulierung des Livius sehr ähnlich, die dieser bei der Schilderung der devotio des P. Decius Mus im Jahr 340 v.Chr. benutzt: Nachdem Decius sich selbst und die Truppen der Feinde den Göttern geweiht und sich mitten unter die Feinde gestürzt habe, sei er dem Heer wie ein piaculum erschienen, qui pestem ab suis aversam in hostes ferret.96 Auch der so zum Ausdruck gebrachte Gedanke – Schaden, der von einem Feind droht, soll gegen diesen selbst gelenkt werden –, ist im Kern derselbe. Sicherlich ginge es zu weit, daraus weitere direkte Parallelen ableiten zu wollen und zu vermuten, Cicero habe die Forderung, Catilina hinzurichten, mit einer devotio97 und die geforderte Hinrichtung mit einem piaculum assoziieren wollen. Dagegen ist es m.E. nicht ausgeschlossen, daß Cicero seine Forderung mithilfe dieser Formulierung bewußt in ein gedankliches Umfeld eingeordnet hat, das durch die religiöse Konnotation anderer hier angesiedelter Fälle geprägt war und so dazu beitragen konnte, seine Forderung zu überhöhen.98

vir amplissimus, pontifex maximus (§3) Nachdem Cicero Catilina gefragt hat, ob ihm nicht klar sei, daß seine Machenschaften aufgedeckt seien (§1), erklärt er, Catilina hätte eigentlich schon längst hingerichtet werden müssen (§2). Diese Behauptung sucht Cicero in zwei Schritten plausibel zu machen. Zunächst zeigt er, daß Catilina getötet werden müsse (§3), dann, daß dies bereits hätte geschehen sollen (§4). Beweismittel sind ihm jeweils exempla – historische bzw. legendäre Vorbil94

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Vgl. auch Cic. Cat. 4,11 versatur mihi ante oculos aspectus Cethegi et furor in vestra caede bacchantis – mir schwebt der Anblick des Cethegus vor Augen und die ›Raserei‹ des über eure Ermordung ›bacchantisch rasenden‹ (sc. und wie er vor Begeisterung über eure Ermordung frohlockt). Wenngleich auch in dieser Imagination streng genommen nicht die Ermordung in bacchantischem furor geschieht, vielmehr sich die Freude über das Gelingen des Verbrechens dergestalt äußert, läßt Cicero hier die präsumtiven Opfer des Cethegus doch als Opfer eines bacchantisch agierenden Täters erscheinen. Ad mortem te, Catilina, duci iussu consulis iam pridem oportebat, in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis iam diu machinaris. Liv. 8,9,10: Aliquanto augustior humano visus, sicut caelo missus piaculum omnis deorum irae, qui pestem ab suis aversam in hostes ferret. – Er erschien um ein Ziemliches erhabener als ein menschliches Wesen, wie ein vom Himmel als Versöhnungsmittel allen Zorns der Götter Geschickter, der das von den Seinen abgewendete Verderben in die Feinde tragen würde. Zu devotiones vgl. etwa Versnel 1976; Guittard 1995, 1012–1303; zusammenfassend Versnel 1997a. Vgl. auch S. 216ff. zu §33, wo Cicero den Gedanken des in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis … machinaris wieder aufnimmt.

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der. Zum Beweis der Notwendigkeit der Tötung führt er erstens das Beispiel des P. Scipio an, der Ti. Gracchus getötet habe, und zweitens das des C. Servilius Ahala, der Sp. Maelius getötet habe (§3).99 Vorbild für die unverzügliche Umsetzung eines Senatsbeschlusses sind ihm erstens L. Opimius, der C. Gracchus, M. Fulvius und dessen Söhne getötet habe, und zweitens C. Marius und L. Valerius, die gegen L. Saturninus und C. Servilius vorgegangen seien.100 Besonders sorgfältig gestaltet Cicero das erste exemplum, den Ausgangspunkt seiner Argumentation. Er erzählt die Begebenheit nicht nur, sondern setzt sie explizit in Bezug zur aktuellen Situation. Er überläßt das Vergleichen der Situationen nicht seinem Publikum, vielmehr formuliert er selbst, welche Parallelen er ziehen möchte. Dabei setzt Cicero nicht nur die Situationen insgesamt zueinander in Beziehung – also die labefactatio des Ti. Gracchus und die coniuratio des Catilina –, sondern vergleicht auch einzelne Aspekte:101 Gracchus verursachte eine nur mäßige Erschütterung,102 während Catilina Zerstörung durch

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P. Cornelius Scipio Nasica Serapio (cos 138) rief im Senat dazu auf, gegen Ti. Sempronius Gracchus vorzugehen, als dieser im Jahr 133 seine Wiederwahl als Volkstribun durchzusetzen suchte und der Consul P. Mucius Scaevola sich weigerte, gewaltsam gegen ihn einzuschreiten. In der Folge wurde die Versammlung der plebs gesprengt, Ti. Gracchus und eine Vielzahl seiner Anhänger getötet. C. Servilius Ahala, magister equitum des vom Senat gegen Sp. Maelius eingesetzten dictator L. Quinctius Cincinnatus, soll Maelius getötet haben, als dieser sich der Vorladung vor den Senat widersetzte. Nach einer anderen Version hat Ahala als privatus gehandelt, jedoch im Auftrag des Senats. Maelius, ein reicher Plebeier, soll, nachdem er sich in einer Hungersnot 440/439 v.Chr. durch Abgabe billigen Getreides eine große Gefolgschaft verschafft hatte, die Königswürde angestrebt haben. Zur Frage nach dem historischen Kern der Erzählung zusammenfassend Müller 1999, zu den Quellen Broughton 1951, 56. 100 L. Opimius erwirkte im Jahr 121 als Consul ein senatus consultum ultimum gegen C. Sempronius Gracchus und dessen Anhänger und erfüllte seinen Auftrag, die Unruhen niederzuschlagen, blutig. Dabei kamen neben C. Gracchus unter anderem auch M. Fulvius Flaccus (cos 125), der die Politik der Gracchen intensiv unterstützt hatte, und seine Söhne um. C. Marius und L. Valerius Flaccus, die Konsuln des Jahres 100, wurden durch ein senatus consultum ultimum ermächtigt, gegen den Volkstribunen L. Appuleius Saturninus und den Praetor C. Servilius Glaucia vorzugehen, nachdem Saturninus einen Mitbewerber des Glaucia um den Konsulat hatte ermorden lassen und Marius daraufhin Saturninus hatte fallen lassen, dessen in der Tradition der Gracchen stehende Politik er bislang unterstützt hatte. Saturninus, Glaucia und ihre Anhänger wurden in der Curia festgesetzt und schließlich von einer aufgebrachten Menge getötet. Wegen dieser Tötung war in der ersten Hälfte des Jahr 63 C. Rabirius angeklagt worden (vgl. dazu S. 42f.). 101 An vero vir amplissimus, P. Scipio, pontifex maximus, Ti. Gracchum mediocriter labefactantem statum rei publicae privatus interfecit: Catilinam orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem nos consules perferemus? – Ein hoch angesehener Mann, P. Scipio, pontifex maximus, hat doch wohl den Ti. Gracchus, der die ›Verfassung‹ der res publica nur mäßig erschüttert hat, als privatus getötet: Und wir als Konsuln werden Catilina ertragen, den es danach verlangt, die Welt durch Mord und Brand zu veröden? 102 Der Steigerungsfähigkeit halber wird das Verhalten des Tiberius hier, ähnlich wie in §4 das des C. Gracchus (interfectus est propter quasdam seditionum suspiciones – getötet worden ist wegen gewisser Verdächtigungen hinsichtlich aufrührerischer Umtriebe C. Gracchus), als vergleichsweise harmlos dargestellt, um das des Catilina umso gefährlicher erscheinen zu lassen. Zur Variabilität des Bildes, das Cicero von den Gracchen entwirft, vgl. etwa Murray 1966; Béranger 1972; Gaillard 1975; Robinson 1986, 41–82.

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Mord und Brand wünscht; Gracchus zielte auf den status der res publica,103 Catilina will dagegen den gesamten orbis terrae verwüsten; gegen Gracchus ging ein privatus vor, gegen Catilina sind die consules aufgeboten. Cicero vergleicht hier gewissermaßen Kleineres mit Größerem. Für Quintilian104 ist diese Stelle Paradebeispiel dafür, daß man, um eine Steigerung zu erreichen, nicht nur Ganzes mit Ganzem, sondern auch Teile mit Teilen vergleichen kann. Quintilian meint also, Cicero wolle nicht nur sagen, daß man Catilina hinrichten solle, weil auch Gracchus getötet werden mußte, sondern, daß man, da man schon Gracchus töten mußte, Catilina erst recht hinrichten müsse.105 Daß Scipio als vir amplissimus und pontifex maximus bezeichnet wird, findet im Vergleich keine direkte Parallele: die consules werden nicht näher charakterisiert. Da dies aus dem Rahmen des ansonsten viel ausgewogeneren Vergleichsaufbaus fällt, fragt es sich, ob Cicero diesen Charakterisierungen eine eigene argumentative Funktion zugedacht hat.106 Die Vermutung liegt nahe, Cicero habe es für nötig befunden, die Tatsache unmißverständlich ins rechte Licht zu rücken, daß hier ein privatus, also ein Mann ohne amtliche Kompetenzen, die Initiative ergriffen hat.107 Tatsächlich mag die Bezeichnung des Scipio als vir amplissimus, so provozierend sie für popular gestimmte Hörer gewesen sein mag,108 in diese Richtung gewirkt haben, wurden als amplissimi viri doch insbesondere Männer bezeichnet, die die höchsten Ämter bekleideten oder bekleidet hatten.109 So mag dieses Attribut daran erinnert haben, daß Scipio Konsular gewesen ist, also offenbar einmal mehrheits103

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Status meint den Stand, den Zustand, die Verfassung der res publica, genauer gesagt, ihren sicheren Stand, ihren soliden Zustand, ihre gute Verfassung – und, so gesehen, ihre ›republikanische‹ Staats›verfassung‹: vgl. Girardet 1983, 188–196; Girardet 1996, 217, 226, 228. Inst. 8,4,13f. Ein Teil der Handschriften trägt den von Quintilian beschriebenen Sinn der Konstruktion in den Text der Rede hinein: Catilinam vero orbem terrae … vastare cupientem (vgl. Maslowski z.St.). Daß pontifex maximus als reines Attribut der Person zu verstehen ist und lediglich ihrer Identifizierung dient, ist unwahrscheinlich. ›P. Scipio, pontifex maximus‹ könnte nämlich auch den Vater des hier gemeinten bezeichnen; v.a. aber ist P. Scipio dadurch, daß gesagt wird, er habe Ti. Gracchus getötet, in hinreichender Weise identifiziert. Die res publica betreffendes Handeln von privati war höchst umstritten. Cicero suchte es – unter bestimmten Umständen – immer wieder zu legitimieren; vgl. Béranger 1958. Das Handeln des Scipio ins rechte Licht zu rücken, war umso wichtiger, als Ciceros gesamte Argumentation hier nur dann greift, wenn man Scipios Handlungsweise als gerechtfertigt akzeptiert. Es soll ja nicht nur gesagt werden: wenn man schon Gracchus töten durfte, dann erst recht Catilina, sondern auch: wenn sich schon ein privatus genötigt sehen durfte, gegen Gracchus vorzugehen, dann müssen Konsuln im Fall des Catilina erst recht einschreiten. Zudem baut Cicero damit der Debatte um die Frage vor, welche Kompetenzen die Konsuln hinsichtlich der Tötung von Bürgern aufgrund eines senatus consultum ultimum haben: Wenn man schon als privatus einen dem status rei publicae gefährlichen Bürger töten kann, ist diese Debatte ja eigentlich hinfällig. Festhalten sollte man freilich, daß es Cicero hier, insgesamt gesehen, nicht etwa primär um Rechtfertigung geht, sondern darum, Catilina massiv zu drohen. Dies zeigt nicht zuletzt der Fortgang seiner Argumentation: Gerade, daß er so umstrittene optimatische Positionen als vorbildlich anführte, mußte einschüchternd wirken. Grenzen setzte dieser Taktik freilich die Tatsache, daß Catilina nicht der einzige Adressat der Rede war. Dem Senat, genauer gesagt, den gemäßigten Senatskreisen dürften die rechtfertigenden Elemente der Formulierungen geschuldet sein. Scipio war nicht erst wegen seines Vorgehens gegen Gracchus eine äußerst umstrittene Persönlichkeit (Münzer 1900 mit den Quellen). TLL 1, 2010f. s.v. amplus IIC; Hellegouarc’h 21972, 229–231.

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fähig gewesen war und Ämter, sogar das höchste bekleidet hatte. Diese Bezeichnung mag aber auch daran erinnert haben, daß Scipio als pontifex Mitglied eines der amplissima collegia110 gewesen ist. Über diese Assoziation ist dann auch die Verbindung zu dem zweiten Attribut hergestellt. Einen pontifex maximus als vir amplissimus zu bezeichnen, ist in besonderer Weise passend. So wird deutlich, daß Ti. Gracchus nicht von irgendeiner rivalisierenden Bande aus zweifelhaften Motiven erschlagen wurde, sondern von einem Mann, dessen Handeln durch seine persönliche Qualifikation, durch sein Ansehen gedeckt war, im Interesse des Staates. Diese Überlegung macht es wahrscheinlich, daß Cicero auch den Oberpontifikat des Scipio aus denselben Motiven erwähnt: So soll dokumentiert werden, daß Scipio ein Mann mit allgemein anerkannter – nicht nur von Cicero postulierter – Autorität war; das Priesteramt erweist seine gesellschaftliche und politische Akzeptabilität. Dennoch ist zu überlegen, ob die Bezeichnung pontifex maximus weitere Effekte haben konnte, insbesondere ob von ihr eine Wirkung religiöser Art ausgehen konnte – dies so verstanden, daß in der Tatsache, daß Scipio Priester, ja pontifex maximus war, etwa eine besondere Legitimation seiner Handlung gesehen werden konnte, eine Legitimation, die auf seinem religiösen Spezialistentum bzw. auf seinen priesterlichen Kompetenzen beruhte. Streng juristisch bzw. staatsrechtlich gesehen war dies sicherlich nicht der Fall.111 Scipio selbst hat bei seinem Vorgehen gegen Ti. Gracchus aber seine Autorität als pontifex maximus112 in die Waagschale geworfen; seiner Aktion hat er außerdem eine religiöse Form gegeben. Reflexe davon finden sich in diversen Darstellungen des Untergangs des Ti. Gracchus, so in den Rhetorica ad Herennium, bei Plutarch und bei Appian.113 Offenbar legte Scipio die toga praetexta an, machte also deutlich, daß er als Priester handelte, und bedeckte seinen Kopf in einer besonderen Weise mit der toga, womit er zum Ausdruck brachte, daß er seine Handlung als consecratio capitis verstanden wissen wollte, Ti. Gracchus also als sacer anzusehen sei.114 Wie präsent das Faktum dieser Inszenierung und ihr Sinngehalt freilich dem Publikum Ciceros war, ist unklar.115 110 111

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Locus classicus: RGDA 9; Cicero bezeichnet Verr. 2,4,108 das collegium der decemviri, fam. 3,10,9 das der augures als amplissimum. Vgl. Wissowa 21912, 511–513, 523f.: Die Machtmittel des pontifex maximus waren gegenüber Personen oder Einrichtungen, die nicht zum Kreis der ihm in irgendeiner Form unterstellten Priester bzw. Priesterkollegien gehörten, eng umgrenzt. Insbesondere waren ihm die Auguren nicht disziplinarisch unterstellt – dies ist insofern relevant, als Ti. Gracchus Augur war. Daß er zum Zeitpunkt des Geschehens tatsächlich schon längst pontifex maximus gewesen ist, steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest (Münzer 1900, 1503f.; Broughton 1951, 478f.; Rüpke 2005, 924; vgl. Linderski 2001, passim). Rhet.Her. 4,68; Plut. Ti. Gracchus 19; App. civ. 1,68–70. So die weitestgehend bestechende Interpretation der betreffenden Bemerkungen in den Quellen durch Jerzy Linderski (Linderski 2001). Zur consecratio capitis vgl. außerdem Crifò 1984, 456–480. Die Frage, ob Scipio als privatus überhaupt eine consecratio capitis hätte vornehmen können – angesichts der Tatsache, daß dies im Fall anderer consecrationes, etwa der consecratio bonorum, nicht möglich war, erscheint dies fraglich –, kann insofern offen gelassen werden, als sich die consecratio capitis zumindest in der mittleren und späten Republik in der Rechtssprache und Rechtspraxis grundsätzlich nicht mehr findet (vgl. Wissowa 1900, 900); Linderski und Crifò gehen ihr denn auch nicht weiter nach. Den Verfassern unserer Quellen waren die Gesten des Scipio jedenfalls offensichtlich nicht so ganz verständlich (vgl. dazu Linderski 2001, passim).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

So ist es zwar nicht ausgeschlossen, daß Cicero die religiöse Komponente, die das Handeln Scipios gehabt hatte, dem einen oder anderen durch dessen Benennung als pontifex maximus ins Gedächtnis rief. Es sei aber nochmals festgehalten, daß Ciceros Argumentation nicht auf diesen Effekt baute.116

vereri (§§5; 17; 29) Vereri besagt, daß man etwas ›fürchtet‹. Die Furcht kann daher rühren, daß man eine Gefahr erkannt hat; vereri ist in diesem Fall metuere, ›befürchten, in Sorge sein‹, weitgehend synonym. Die Furcht kann aber auch daher rühren, daß einem die Bedeutung oder die Überlegenheit einer Sache oder einer Person deutlich ist und man folglich ›Ehrfurcht, Hochachtung, Scheu empfindet‹. Diese Bedeutungsvariante – es ist die ursprüngliche – ist dafür verantwortlich, daß vereri insbesondere auch dazu dient, die Haltung von Menschen den Göttern gegenüber zu charakterisiern.117 In der ersten Catilinaria nutzt Cicero vereri an drei Stellen. In den §§5 und 29 geht es ihm um die Frage, welche Reaktionen er zu befürchten hätte, wenn er Catilina hinrichten lassen würde.118 Angesprochen ist also eine konkrete Gefahr 116

Vgl. auch §28. Hier stellt Cicero fest, daß die patria Einwände gegen die Tötung Catilinas, die auf den mos maiorum verweisen, nicht gelten lassen würde, da schon oft sogar Privatleute verderbliche Bürger getötet haben: at persaepe etiam privati in hac re publica perniciosos civis morte multarunt – aber in dieser res publica haben doch sehr oft sogar privati verderbliche Bürger mit dem Tod bestraft. Fuhrmann übergeht mit seiner Übersetzung Aber in diesem Staate haben doch sehr oft Männer ohne Amtsgewalt verderbliche Bürger hingerichtet! das auf privati zu beziehende etiam, das die Aussage erst sinnvoll macht. Hier ist ja nicht die Frage zu diskutieren, ob privati Bürger töten dürfen oder sollen, sondern ob Cicero als Konsul dies tun sollte. In aller Kürze argumentiert die patria: Wenn sogar privati verderbliche Bürger mit dem Tod bestraft haben, dann darf, dann muß dies der Konsul erst recht tun. Damit wird neuerlich auch behauptet, daß es gar nicht darum geht, was der Konsul aus staatsrechtlicher Sicht tun darf, da sein Vorgehen durch den mos maiorum sowieso gedeckt wäre. Auffallend ist, daß die privati hier nicht einmal sofort zusätzlich als vorbildliche Bürger charakterisiert werden, sondern erst einige Sätze später in §29 (summi viri et clarissimi cives). Daß einer von ihnen pontifex maximus war, wird nicht mehr angesprochen. Auch bei anderen Gelegenheiten ist Scipio für Cicero nicht exemplum eines handelnden pontifex maximus, sondern eines handelnden privatus: dom. 91; Planc. 88; Brut. 107; 212; off. 1,76. Besonders deutlich wird dies Tusc. 4,51: mihi ne Scipio quidem ille pontufex maxumus, qui hoc Stoicorum verum esse declaravit, numquam privatum esse sapientem, iratus videtur fuisse Ti. Graccho tum, cum consulem languentem reliquit atque ipse privatus, ut si consul esset, qui rem publicam salvam esse vellent, se sequi iussit. – Mir scheint nicht einmal Scipio, jener pontifex maximus, der jenes Wort der Stoiker, ein Weiser sei niemals privatus, als wahr erwiesen hat, auf Ti. Gracchus zornig gewesen zu sein, damals, als er den matten Consul zurückließ und, selbst privatus, wie wenn er Consul wäre, denjenigen, die wollten, daß die res publica heil bliebe, befahl, ihm zu folgen. (Qui rem publicam salvam esse vult, me sequatur ist die Formel, mit der von Obermagistraten bei tumultus zu den Waffen gerufen wird, vgl. etwa Serv. Aen. 8,1; Rüpke 1990, 72f.; Rüpke 2005, 924). Einen anderen Effekt mochte diese Titulierung aber noch erzielen sollen: Die Kontrastierung eines zum optimatischen exemplum taugenden pontifex maximus mit dem gegenwärtigen – C. Iulius Caesar. (Hierauf hat mich dankenswerterweise Pedro Barceló aufmerksam gemacht.) 117 Vgl. etwa Cic. Planc. 29 (omitto … ut vivat cum suis, primum cum parente – nam meo iudicio pietas fundamentum est omnium virtutum –, quem veretur ut deum – neque enim multo secus est parens liberis –, amat vero ut sodalem, ut fratrem, ut aequalem); Liv. 39,37,17 (veremur quidem vos, Romani, et si ita voltis, etiam timemus: sed plus veremur et timemus deos immortales). Zu vereri insgesamt vgl. Gernia 1970, passim, zusammenfassend 8f., 138–140.

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bzw. die Sorge, die diese Gefahr unter Umständen auslösen könnte. Die religiöse Konnotation des Begriffs vereri kommt hier offenkundig nicht zum Tragen. In §17 sucht Cicero die Notwendigkeit zu erweisen, daß Catilina Rom verlassen müsse.119 Cicero gibt zu bedenken: Wenn Catilina von seinen Eltern gefürchtet (timere) und gehaßt würde und er sie nicht besänftigen könnte, würde er ihnen aus den Augen gehen. Jetzt hasse und fürchte (metuere) ihn aber die patria, die allen gemeinsame Mutter; ob er da weder ihre Autorität ›achten‹ (vereri) noch ihrem Urteil folge leisten, noch ihre Gewalt fürchten (pertimescere) werde.120 Nimmt man die religiöse Konnotation der patria wahr – daß dies an dieser Stelle ausbleiben sollte, ist kaum vorstellbar –,121 so dürfte hier die religiöse Konnotation von vereri geradezu zwangsläufig ebenfalls aufscheinen: Die auctoritas der gleichsam über die normalmenschliche Sphäre hinausgehobenen patria ›achtet‹ man ihrem Status entsprechend in einer Weise, die an die Art gemahnt, in der man den Göttern oder ähnlich übergeordneten ›Wesen‹ Achtung entgegenbringt.122 Man mag überlegen, ob nicht auch umgekehrt die religiöse Konnotation, die vereri innewohnt, ihrerseits dazu beiträgt, die religiöse Konnotation der patria zum Vorschein zu bringen. Angesichts der Deutlichkeit, mit der diese Konnotation der patria hier aus anderen Gründen hervortritt, dürfte dieser Effekt jedoch lediglich in dem Sinn von Bedeutung sein, als er gleichsam eine Bestätigung der religiösen Note der patria darstellt.

nefarius (§§6; 11; 25; 33) Als nefarius bezeichnet Cicero die Vorhaben Catilinas (§6), den Versuch, ihn, Cicero, anläßlich der Konsulatswahl für das Jahr 62 zu ermorden (§11), die Art des Kriegs, den Catilina grundsätzlich wünsche (§25), den Krieg, zu dem Catilina nun aufbrechen solle (§33), und die Gemeinschaft, durch welche die Verschwörer miteinander verbunden sind (§33). Damit charakterisiert er sie als ›nicht erlaubt‹. – Nefarius ist auf nefas zurückzuführen,123 nefas ist, was ›nicht fas ist‹,124 fas wiederum ist ›das Erlaubtsein‹ und auch ›das Erlaubte‹, wobei zu verstehen ist, daß grundsätzlich die Götter die Erlaubenden sind.125 Im 118

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§5: si te iam, Catilina, comprehendi, si interfici iussero, credo, erit verendum mihi ne non potius hoc omnes boni serius a me quam quisquam crudelius factum esse dicat (zum Verständnis dieses Satzes insgesamt vgl. Vester 1988; Mayer 1989); §29: etenim si summi viri et clarissimi cives Saturnini et Gracchorum et Flacci et superiorum complurium sanguine non modo se non contaminarunt sed etiam honestarunt, certe verendum mihi non erat ne quid hoc parricida civium interfecto invidiae in posteritatem redundaret. Genaueres zum Kontext s.u. S. 164f. Huius (sc. patriae) tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces? Vgl. dazu S. 171, 173. Dazu, daß die religiöse Konnotation von vereri aufscheint, trägt möglicherweise auch bei, daß die ›Achtung‹, die ›Scheu‹ vor der Autorität der patria hier vor dem Hintergrund anderer Spielarten von Furcht begegnet. Zu timere, metuere und pertimescere wie auch zu weiteren Begriffen des Fürchtens vgl. Gernia 1970. Zum Konsonantwechsel s/r bei dieser Adjektivbildung vgl. Leumann 61977, 178. Benveniste 1969, 400. Benveniste 1969, 397–404; Cipriano 1978; vgl. TLL 6, 287–296. Vgl. die beiden Autoren auch zu der schwierigen Etymologie (fas ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit fari, sprechen, verbunden) und zu der v.a. für die frühe Zeit umstrittenen Semantik des Begriffs. Vgl. außerdem Rüpke 1995, 269–271.

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konkreten Sprachgebrauch kann von der Bezugnahme auf die göttliche Autorität freilich abstrahiert werden.126 Fas wurde darüber hinaus auch als göttliches Recht dem menschlichen Recht gegenübergestellt.127 Diese Kontrastierung ist für frühere Zeiten jedoch nicht zutreffend; insbesondere entspricht fas nicht dem ius divinum, das Cicero als von den Göttern kommend vom ius humanum, dem von den Menschen gesetzten Recht, unterscheidet.128 Der Unterschied zwischen fas und ius liegt vielmehr in ihrem normativen Charakter – fas bezeichnet, was von Verboten frei ist, ius jedoch das, was gemacht werden muß oder rechtens ist.129 Gleichwohl beschreibt fas in gewissem Sinn eine Norm – dies zumindest in der Zeit Ciceros (und wohl auch schon früher), ist der Sinngehalt von fas est … doch ›es ist in der Ordnung(, daß) …‹, der von nefas est … ›es ist nicht in der Ordnung(, daß) …‹ und so gesehen, ›es ist ab-norm(, daß) …‹.130 In Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung wüßte man gerne, ob und gegebenenfalls wie intensiv und in welchem Sinn genau Cicero mit dem Verdikt nefarius auf die Götter Bezug nimmt. Angesichts der Schwierigkeit, die Semantik der Begriffe fas und nefas im vorciceronischen Sprachgebrauch zu fassen,131 ist es jedoch nicht leicht einzuschätzen, mit welchem gleichsam eingebürgerten Bedeutungsspektrum Cicero arbeiten konnte, welche Vorstellungen sein Publikum a priori mit nefarius verband.132 In §6 fordert Cicero Catilina auf, von seinen Plänen Abstand zu nehmen, die doch alle entdeckt seien. Er fragt Catilina, was er denn jetzt noch erhoffe, wo doch weder die Nacht

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Zur semantischen Breite der Begriffe fas und nefas vgl. Cipriano 1978: So kann nefas bespielsweise ein Sakrileg, die Verletzung der pietas oder auch die Verletzung der natura bezeichnen, kann aber auch in Bezug auf ethisch-philosophische Prinzipien angewandt werden; nefas est kann schließlich auch bedeuten ›es ist nicht möglich‹ oder, als Ausruf der Empörung, ›es ist unerhört!‹. Auch nefarius kann in sozusagen abgemilderter profaner Weise zu verstehen sein; man mag den Begriff dann behelfsweise mit ›ruchlos‹ oder ›frevelhaft‹ wiedergeben. Locus classicus ist Serv. georg. 1,269 (Anf. 5. Jh.). Fugier 1963, 127–133. Zum ius divinum vgl. etwa Cic. part. 129. Vgl. auch Peeters 1945, der nefas und fas mit dem Konzept des Tabu erklärt und betont, daß fas nicht als göttliches Recht verstanden worden sei, entsprechend nefas nicht als das Brechen göttlichen Rechts, worauf insbesondere auch der Gebrauch von nefarius – durch Cicero etwa – hinweise (Peeters 1945, 171). Prescendi 1998 unter Berufung auf Magdelain 1943, 158–163; vgl. Fugier 1963, 131 unter Berufung auf Orestano 1939, 238–246; Fugier 1986, 53f. Fugier 1963, 133f., 138–140; Fugier 1986, 54. Vgl. TLL 6, 287–296 s.v. fas bzw. Recherche in der Bibliotheca Teubneriana Latina zu nefas. Eine Gefahr – sie besteht selbstverständlich grundsätzlich, sie ist hier aber besonders virulent – liegt zudem darin, daß Referenzen, auf die man sich zu berufen geneigt ist, eben gerade anhand des Materials erarbeitet wurden, das in vorliegendem Zusammenhang wieder zur Diskussion steht. Fugier etwa stützt ihre These, daß nefas zuzeiten das bezeichnet, was nicht ›in der Ordnung‹ ist, ganz wesentlich auf die Stellen, an denen Cicero mit Catilina in Verbindung Stehendes als nefarius qualifiziert (Fugier 1963, 138f.). Weitere Schwierigkeiten liegen zum einen darin, daß bei den oben zitierten Untersuchungen bei weitem nicht alle Stellen Berücksichtigung gefunden haben, an denen Cicero (teilweise auch andere Autoren) die in Frage stehenden Begriffe benutzt hat, zum anderen darin, daß in aller Regel das Interesse nur dem prädikativen und substantivischen Gebrauch von fas bzw. nefas (und auch den Adjektiven fastus und nefastus, die vorwiegend der Qualifizierung von Tagen dienten – vgl. TLL 6, 325f. s.v. fastus bzw. Recherche in der Bibliotheca Teubneriana Latina zu nefastus; Peeters 1945, 138–143, 171), nicht aber dem Adjektiv nefarius gilt.

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seine coeptus nefarii133 verdunkeln noch ein Privathaus die Stimmen der Verschwörung zusammenhalten könne.134 Welcher Effekt auch immer von der Bezeichnung der Vorhaben (coeptus) Catilinas als nefarii ausgehen mag, er wird an dieser Stelle in hohem Maße geprägt, vielleicht auch übertroffen, von der Wirkung, die Cicero durch das fast schon exzessive Spiel mit den Gegensätzen ›sehen und hören – nicht wahrnehmen‹,135 ›hell – dunkel‹, ›offen – verborgen‹136 erreicht. Dieses Spiel läßt den Sieg des Lichts und der Öffentlichkeit intensiv und geradezu sinnlich wahrnehmbar werden: Der Schutz, den die Dunkelheit der Nacht und die Wände der Privathäuser den Verschwörern eigentlich bieten sollte, versagt angesichts der Augen und Ohren der Informanten Ciceros. So wird alles erhellt, alles kommt heraus. Dieses Spiel wird durch die hyperbolische Formulierung, die Anschläge Catilinas seien für alle heller als Licht,137 auf die Spitze getrieben. Damit wird nicht nur deutlich, wie erfolgreich diese Aufklärung, wie aussichtslos also auf der anderen Seite die Lage Catilinas ist, vielmehr wird, was Catilina plant, der Nacht und dem privaten Raum, das, wofür Cicero sich einsetzt, jedoch dem Tag und der Öffentlichkeit zugeordnet. Was auch immer Catilina plant und tut, er tut es – gemessen am Usus der res publica – also zur falschen Zeit138 und im falschen Handlungsraum; bereits dazu könnte man sagen: nefas est. 133

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An dieser Stelle bieten die Handschriften zwei Varianten. Die Handschiftenfamilie α hat coetus, β und γ haben coeptus. Nohl und Clark (ebenso etwa Maclardy, Sternkopf, Reis, Bornecque, Dyck) geben der Lesung coetus den Vorzug, Maslowski (ebenso bereits Haury) der Lesung coeptus. Haury argumentiert in gewisser Weise mit der lectio difficilior, indem er auf die Seltenheit des Wortes coeptus verweist. Für Maclardy spricht diese Seltenheit dagegen gegen diese Lesung. Er meint außerdem, daß coetus vom Sinngehalt her besser passe, beziehe das Wort sich doch offensichtlich auf das nächtliche Treffen im Haus des Laeca. Hier trifft er sich mit Sternkopf, der unter Berufung auf Cic. leg.agr. 2,12 (Non desistebant [sc. die Volkstribunen, die die lex agraria vorbereitet haben] clam inter se convenire, privatos quosdam adhibere, ad suos coetus occultos noctem adiungere et solitudinem. – Sie ließen nicht davon ab, sich heimlich zu treffen, gewisse Privatpersonen hinzuzuziehen, ihren verborgenen Zusammenkünften die Nacht und die Einsamkeit beizugeben.) darauf verweist, daß coetus das eigentliche Wort für heimliche, verbrecherische Zusammenkünfte sei. Man könnte hinzufügen (vgl. Dyck), daß in §10 das Treffen im Haus des Laeca tatsächlich und in allen Handschriften übereinstimmend als coetus bezeichnet wird. M.E. dürfte die lectio difficilior jedoch auch hier das stärkere Argument sein. Außerdem ist der Bezug auf das Treffen im Haus des Laeca an dieser Stelle absolut nicht zwingend, ist es doch nur ein Geschehen unter vielen, auf die sich Cicero hier beziehen kann und für die coeptus ein geeigneter Sammelbegriff ist. Etenim quid est, Catilina, quod iam amplius exspectes, si neque nox tenebris obscurare coeptus nefarios nec privata domus parietibus continere voces coniurationis potest, si inlustrantur, si erumpunt omnia? – Und in der Tat, was ist es, Catilina, was du jetzt noch länger erhoffen kannst, wenn weder die Nacht mit ihrer Finsternis die ›unerlaubten‹ Vorhaben verdunkeln noch ein Privathaus mit seinen Wänden die Stimmen der Verschwörung zusammenhalten kann, wenn alles aufgeklärt wird, wenn alles herauskommt? Multorum te etiam oculi et aures non sentientem, sicut adhuc fecerunt, speculabuntur atque custodient. – Auch werden die Augen und Ohren vieler dich, der du das nicht bemerkst, so wie sie es bisher gemacht haben, auskundschaften und überwachen. Während man sieht und hört, was Catilina tut, ist er selbst gewissermaßen blind und taub. … si neque nox tenebris obscurare coeptus nefarios nec privata domus parietibus continere voces coniurationis potest, si inlustrantur, si erumpunt omnia? Luce sunt clariora nobis tua consilia omnia. Comitia und Senatssitzungen haben bei Tageslicht stattzufinden: Vaahtera 1993, 97 mit Quellen. Folgt man Decl. in Cat. 65 (Kristoferson), wären nächtliche Versammlungen dem 12-Tafelgesetz (8,26) zufolge regelrecht verboten gewesen; an der Authentizität dieser Bestimmung bestehen

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Den Inhalt der Pläne Catilinas faßt Cicero dabei formelartig zusammen: ›Mord und Brände‹.139 Wenn Cicero im Folgenden Revue passieren läßt, was bislang tatsächlich geschehen ist – die Erhebung des Manlius in Etrurien, das Treffen im Haus des Laeca, bei dem Brandstiftung in Rom und ein Mordanschlag auf Cicero verabredet worden sein sollen –, bzw. was verhindert worden ist – die Ermordung der optimates, die Einnahme von Praeneste –,140 so zeigt er damit nicht nur, daß er wirklich wohl informiert und Catilina immer einen Schritt voraus gewesen ist, sondern untermauert auch den Vorwurf ›Mord und Brände‹. Neu ist dem Publikum dieser Vorwurf nicht: Davon, daß Catilina Senatoren zur Ermordung auswähle, war schon in §2 die Rede, davon, daß er sogar die Welt durch Mord und Brand veröden wolle, in §3; auch die Geschehnisse in Etrurien fanden schon Erwähnung (§5). Von welcher Art die Pläne Catilinas sind, hatte Cicero dabei nicht zuletzt dadurch deutlich gemacht, daß er ihm außerdem furor und audacia vorgeworfen hatte, ebenso, die Furcht des Volkes und die Ablehnung durch den Senat zu ignorieren (§1), dadurch, daß er sein Handeln als coniuratio bezeichnet (§1) und mit dem des Ti. Gracchus verglichen hatte (§3), und auch dadurch, daß er an den Senatsbeschluß erinnert hatte, der gegen Catilina vorliege (§3):141 Sie richten sich gegen die politische Ordnung, genauer gesagt, gegen die von optimatischer Seite verfochtene Form dieser Ordnung. Mit der Bezeichnung als nefarii faßt Cicero die coeptus, ihren Charakter zusammen. Dies ist bemerkenswert, da die Vorwürfe, die Cicero im Einzelnen erhebt, wo er von Plänen Catilinas spricht, ganz unterschiedlicher Provenienz sind. Teilweise sind sie am mos maiorum orientiert, etwa der Vorwurf, Volk und Senat zu ignorieren, oder politischer Art, etwa die Wertung von Catilinas Handeln als furor, audacia und coniuratio; hier verwundert das Verdikt nefarius wohl kaum. Teilweise behaupten seine Vorwürfe aber ein Verhalten, das auch justiziabel ist, etwa die Vorbereitung von Gewalttaten und militärischen Aktionen; hier erschiene auf den ersten Blick die Bezeichnung iniuriosus sinnfälliger.142 So ist zu überlegen, ob die Bezeichnung als nefarii nicht mehr leistet, als alle genannten Bestandteile der Vorhaben Catilinas mit einem eindrucksvollen Etikett zusammenzufassen: Dadurch, daß Cicero die Anwendung von Gewalt, die von Catilina drohe, mit der Vorstellung nefas est in Ver138

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jedoch erhebliche Zweifel: Schurgacz 2004 zu Decl. in Cat. 65,1f. Daß nächtliche Versammlungen als suspekt galten, man ihnen gegenüber insbesondere auch politische Vorbehalte hatte, steht dagegen außer Frage; vgl. etwa die Erzählungen des Livius zu den Jahren 494 (Liv. 2,28,1–4 – nächtliche Versammlungen der plebs im Rahmen der sogenannten Ständekämpfe) und 186 v.Chr. (Liv. 39,14–16 – nächtliche Versammlungen im Rahmen der Bacchanalienaffäre; dazu auch unten S. 206 Anm. 613): Mueller 2004. Muta iam istam mentem … obliviscere caedis atque incendiorum. – Ändere jetzt diese Absicht da … denke nicht mehr an Mord und Brände. Zum Aufstand des Manlius vgl. S. 47 Anm. 89; zu dem Treffen im Haus des Laeca in der Nacht vom 6. auf den 7. November vgl. S. 88. Den Versuch, Praeneste einzunehmen, datiert Cicero auf den 1. November (§8). Zu furor und audacia vgl. auch S. 96f., zu coniuratio S. 104f., zu dem Vergleich mit Ti. Gracchus S. 110ff., zu dem Senatsbeschluß und seiner Zielsetzung S. 47 Anm. 89. Tatsächlich war ja auch eine Anklage nach der lex Plautia de vi gegen Catilina anhängig; vgl. dazu S. 48. Darin, auch Justiziables als nefarius zu bezeichnen, ist aber sicherlich kein grundsätzlicher Widerspruch zu der oben referierten Unterscheidung von ius und fas in normativer Hinsicht zu sehen, können Mord, Brandstiftung und die Anwendung militärischer Gewalt in innenpolitischem Zusammenhang schließlich beiden Prinzipien zuwiderlaufen. Vgl. auch im Folgenden zur Charakterisierung von Mordversuchen und Bürgerkrieg als nefarii.

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bindung bringt, legt er den Ton darauf, daß Catilina eben auch in diesen Fällen gegen den politischen Verhaltenskodex und gegen die politische Ordnung verstößt. So prägt Cicero mit diesem Verdikt auch die eigentlich juristisch verwertbaren Vorwürfe in einer Weise, die der politischen bzw. am mos maiorum orientierten Argumentation das Übergewicht verleiht.143 Versteht man die Vergehen Mord, Brandstiftung, militärische Erhebung aber als nefas, nicht als iniuria, impliziert dies, daß man gegen sie auch anders als juristisch vorgehen kann. So gesehen kann man in diesem Verdikt eine Begründung für die Art und Weise sehen, in der Cicero tatsächlich gegen Catilina vorgegangen ist: politisch bzw. ›maßnahmengestützt‹,144 nicht juristisch. Hört man den religiösen Beiklang des Wortes nefarius,145 ist mit diesem Verdikt außerdem ein Bezug zu den Göttern hergestellt: Die Vorhaben Catilinas werden als ›nicht erlaubt‹ im Sinn von ›nicht erlaubt, da dem Willen der Götter zuwiderlaufend‹, gekennzeichnet. Damit würde Cicero gleichzeitig einen neuen Vorwurf gegen Catilina erheben und seinem eigenen Standpunkt eine weitere Legitimation geben: Catilina handelt gegen den Willen der Götter, Cicero jedoch in ihrem Sinn. Allerdings ist festzuhalten, daß der Kontext, weder der direkte noch der weitere, es erzwingt, konkret an Götter zu denken. So sehr auch die religiöse Konnotation der Begriffe furor und coniuratio im Lauf der Rede zum Tragen kommen mag, an dieser Stelle ist dies noch nicht der Fall.146 Überhaupt hat das Handeln Catilinas noch keine religiöse Note: weder in dem Sinn, daß es mit pervertiert-religiösen Akten verbunden ist, noch in dem Sinn, daß es sich unmittelbar gegen die Götter richtet. In §11 erinnert Cicero an verschiedene Anschläge, die Catilina auf ihn verübt habe. Dabei bezeichnet er den Versuch, ihn bei den Wahlen für den Konsulat des Jahres 62 zu ermorden, als nefarius.147 Dadurch hebt Cicero diesen Mordversuch von den anderen, die er nicht näher charakterisiert, ab und kennzeichnet ihn als besonders verurteilenswert. Weshalb er gerade diesen Anschlag hervorhebt und weshalb er ihn in dieser Weise wertet, wird deutlich, betrachtet man die Stelle in ihrem Zusammenhang. Cicero sucht zu erweisen, daß er jetzt eigentlich offensiv und außerdem kraft Amtes, nicht mehr nur defensiv und privatim wie bislang, gegen Catilina vorgehen müßte. Mittlerweile greife dieser nämlich offen die gesamte res publica an.148 Zu verstehen ist: bisher habe er sie lediglich indirekt und gleichsam punktuell 143 144

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Dies geht mit der Tatsache einher, daß Cicero insgesamt nur recht zurückhaltend Argumente gegen Catilina ins Feld führt, die mit der Rechtslage operieren. Vgl. auch S. 241f. Vgl. von Ungern-Sternberg 1970, 106 Anm. 112, der in Bezug auf die Senatsversammlung vom 5. Dezember feststellt, sämtliche Redner hätten »Maßnahmen«, nicht gesetzlich vorgesehene Strafen empfohlen. Angesichts des Bedeutungsspektrums des Begriffs (vgl. S. 115f.) ist dies wahrscheinlich, aber nicht zwingend notwendig. Von furor war bisher in §§1 und 2, von coniuratio in §§1 und 6 die Rede; vgl. dazu S. 96f., 104. Cum proximis comitiis consularibus me consulem in campo et competitores tuos interficere voluisti, compressi conatus tuos nefarios amicorum praesidio et copiis nullo tumultu publice concitato. – Als du bei den letzten Konsulwahlen mich, den Konsul, auf dem Campus (Martius) und deine Mitbewerber töten wolltest, habe ich deine ›unerlaubten‹ Versuche mit der Hilfe und den Mannschaften meiner Freunde unterdrückt, ohne öffentlich Unruhe zu erregen. Zu diesen Vorgängen vgl. S. 45f. Nunc iam aperte rem publicam universam petis … Qua re, quoniam id quod est primum et quod huius imperi … proprium est, facere nondum audeo … – Jetzt holst du schon offen gegen die gesamte res

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

angegriffen – durch die Anschläge auf Cicero nämlich.149 Aber auch in dieser Phase der indirekten Angriffe Catilinas auf die res publica war schon eine Eskalation der Verbrechen festzustellen: Zunächst habe Catilina mit Cicero den consul designatus angegriffen, dann aber den consul.150 Das Attribut nefarius eignet sich offenbar dazu, dieser Steigerung des Verbrecherischen Ausdruck zu verleihen. Die Steigerung ist in der Funktion des präsumtiven Opfers innerhalb der res publica begründet: Als consul designatus war Cicero privatus, als consul ist er aber magistratus.151 Erneut bezeichnet nefarius also eine Handlung, die sich gegen die politische Ordnung, gegen die res publica richtet. Während der Begriff Cicero in §6 aber eher dazu diente, deutlich zu machen, daß er die so bezeichneten Vorhaben Catilinas tatsächlich in diesem Sinn zu werten und ihnen auf entsprechendem Weg entgegenzutreten gewillt ist, kennzeichnet nefarius in §11 in erster Linie das Maß und den Grad der Direktheit, mit der der Anschlag auf die res publica zielte. Auffallend ist, daß Cicero diesen Mordversuch nicht nur als denjenigen identifiziert, der bei den letzten Konsulwahlen stattgefunden hat, vielmehr zusätzlich erwähnt, daß der Mord in campo durchgeführt werden sollte. Diese Präzisierung scheint auf den ersten Blick nicht notwendig zu sein: Konsulwahlen fanden ja prinzipiell auf dem Marsfeld statt. So ist zu überlegen, ob in ihr mehr als lediglich die Ergänzung der Zeit- durch eine Ortsangabe zu sehen ist. Tatsächlich kann man diese Präzisierung zum einen als Hinweis darauf verstehen, daß der Konsul nicht nur einfach zur Zeit der Wahlen, sondern während der Ausübung einer Amtshandlung getötet werden sollte.152 Zum anderen mag sie das Augenmerk auf den Ort des Geschehens selbst gelenkt und damit an seine Bedeutung für die res publica und auch an die besondere Qualität erinnert haben, die man ihm zuschrieb: Der Campus Martius galt – zumindest zuweilen – als consecratus.153 Wenngleich diese Bezeichnung sicherlich nicht in technischem Sinn als ›zum sacrum erklärt‹ verstanden werden darf,154 wird 148 149 150

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publica aus … Daher, da ich ja das, was das Erste ist und was dieser (der konsularischen) Befehlsgewalt … eigentümlich ist, noch nicht zu tun wage … (§12). Dies geht aus §11 hervor. Quam diu mihi consuli designato, Catilina, insidiatus es … Cum proximis comitiis consularibus me consulem … interficere voluisti … – Solange du, Catilina, mir, dem consul designatus, nachgestellt hast … Als du bei den letzten Konsulwahlen mich, den Konsul … töten wolltest … Die Formulierung conatus tui nefarii schließt den Anschlag Catilinas auf seine Mitbewerber in die Wertung als nefarius ein. Das eigentliche Interesse gilt aber dem Anschlag auf Cicero; die Bedeutung dieses Anschlags ist ausschlaggebend für die Bezeichnung nefarius. Dies zeigt nicht nur der Kontext, sondern auch die Satzstellung. Cicero war der die Wahl leitende Konsul (vgl. Cic. Mur. 1). Belege bei Castagnoli 1948, 100f.; vgl. Vaahtera 1993, 109; auch Liou-Gille 1998, 37–47. Cat. 4,2 operiert Cicero in ähnlichem Zusammenhang ausdrücklich mit dieser Vorstellung: Für ihn, Cicero, sei weder das Forum noch das Marsfeld, die Curia, das Haus, das Bett und auch nicht die sella curulis jemals frei von Lebensgefahr gewesen. Dabei charakterisiert er das Marsfeld als campus consularibus auspiciis consecratus. Daß der Campus Martius nicht in seiner Gesamtheit konsekriert war, steht nicht zuletzt angesichts der Eigentumsverhältnisse, die hier herrschten, außer Frage (vgl. etwa Richardson 1992, 64–67). Die saepta, der Teil des Marsfeldes, der den comitia centuriata als Versammlungsort diente, und in unserem Zusammenhang primär angesprochen ist, war nicht konsekriert – jedenfalls gibt es auf eine regelrechte consecratio keinerlei stichhaltige Hinweise. Auch Cic. Cat. 4,2 ist consecratus ganz offensichtlich nichttechnisch, d.h. lediglich in übertragenem Sinn, gebraucht: Die Formulierung, der campus sei durch konsularische Auspizien konsekriert, ist in dem Sinn zu verstehen, daß er

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dennoch deutlich, daß auch aus dem Ort des Geschehens selbst die Wertung dieses Anschlags als nefarius abgeleitet werden und dabei die Sakralisierung, die dieser Ort – in übertragenem Sinn – erfahren hat, eine Rolle gespielt haben kann.155 Unabhängig davon, ob die Formulierung in campo tatsächlich die Assoziation weckt, der Mordversuch habe an einem gleichsam geweihten Ort stattgefunden, ist es m.E. zwingend, bei der Bezeichnung der conatus als nefarii auch an den religiösen Kern des Begriffs zu denken und also mitzuverstehen, daß dieser Anschlag auf den Konsul, insbesondere auch gemessen am Willen der Götter zu verurteilen ist: Die Götter sind mittlerweile nämlich in die Argumentation einbezogen: In §9 hatte Cicero sie direkt angesprochen, sie gewissermaßen als Autorität angerufen und so für seine Position in Anspruch genommen.156 Die Atmosphäre der Rede hat dadurch in gewissem Sinn eine religiöse Note bekommen; daß man an die Götter denkt, wenn jetzt das Wort nefarius fällt, hat dadurch an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Vor allem aber bezieht sich Cicero in §11 selbst, im unmittelbaren Kontext unserer Stelle, ausdrücklich auf die Götter. Ihnen, und besonders Iuppiter Stator, gebühre großer Dank, weil man Catilina, dieser der res publica so gefährlichen Geißel, so oft schon entkommen sei.157 Cicero vermittelt dadurch den Eindruck, daß die Abwehr der Anschläge Catilinas ganz wesentlich dem Schutz der Götter zu verdanken ist; gleichzeitig reklamiert er erneut ihr Einverständnis mit seinem Standpunkt.158 Anders, als es in §6 – möglicherweise – der Fall ist, transportiert hier nicht allein nefarius die Behauptung ›die Götter sind meiner Meinung, sie unterstützen mich, Cicero‹ suggestiv in die Argumentation hinein, vielmehr nimmt diese Bezeichnung diesen hier sowieso 154

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durch die Kompetenz der dort agierenden Konsuln gleichsam geweiht, geheiligt ist – auspicia nämlich können im Zug einer consecratio zwar eine Rolle spielen, sie bewirken sie jedoch nicht; vgl. Vaahtera 1993, 109. (Daß die Formulierung nicht in dem Sinn zu verstehen ist, daß der campus – irgendwann einmal – unter konsularischen Auspizien konsekriert worden sei, geht aus dem Zusammenhang der Stelle hervor: Auch das Forum, die Curia etc. werden nicht gewissermaßen rückschauend und juristisch charakterisiert, sondern durch die Funktion, die sie idealerweise erfüllen, respektive durch die Würde, die davon ausgeht – forum in quo omnis aequitas continetur … curia, summum auxilium omnium gentium … domus, commune perfugium … lectus ad quietem datus … sella curulis, sedes honoris.) Daß diese Sakralisierung freilich in gewisser Weise doch einen realen religiösen Hintergrund haben mochte, ist freilich nicht in Abrede zu stellen: Das tribunal, von dem aus der Konsul die comitia centuriata in der saepta leitete, war nämlich zweifellos, ebenso wie jeder andere Ort, von dem aus Magistrate dem Volk etwas zur Entscheidung vorlegten (cum populo agere), templum – templum im Sinn eines inaugurierten Ortes (vgl. etwa Bonnefond-Coudry 1989, 26; Vaahtera 1993, 108, 110f. mit Quellen und Literatur). Ob dies auch für die saepta gegolten hat, ist umstritten (vgl. etwa Vaahtera 1993, 109–111 mit Marcattili 2005). Zu den fundamentalen Unterschieden von auspicium, (in)auguratio, consecratio, wie auch zu der manchmal unscharfen Verwendung des Begriffs templum vgl. etwa Linderski 1986b, 2256–2296; Vaahtera 1993, 107–111; Beard, North, Price 1998, 22f.; Rüpke 22006, 180–182. Zur Frage, ob bestimmte Handlungen, wenn sie an einem mit den Göttern in besonderer Verbindung stehenden Ort stattfinden, noch verwerflicher sind, als wenn sie an einem anderen Ort vorgenommen werden, vgl. auch unten S. 150ff. Vgl. außerdem zur Überhöhung von res publica und patria S. 167ff. Vgl. die Interpretation S. 134ff. Magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia, quod hanc tam taetram, tam horribilem tamque infestam rei publicae pestem totiens iam effugimus. Vgl. die Interpretation S. 141ff.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

schon deutlich zum Ausdruck gebrachten Gedanken lediglich auf, spiegelt die in ihm liegende Wertung der Handlungsweise Catilinas und bestätigt ihn gleichsam. Vor allem aber legt sie den Ton darauf, daß die Götter insbesondere damit nicht einverstanden sind, daß ein Funktionsträger der res publica ermordet werden soll. In §25f. führt Cicero den zuvor entwickelten Gedanken, Catilina werde Rom verlassen und es sei eigentlich gar nicht nötig, ihn dazu aufzufordern (§24), fort, indem er Catilina vor Augen hält, er werde dahin gehen, wohin ihn seine zügellose und rasende Begierde schon längst hinreiße. In diesem Zusammenhang behauptet Cicero, Catilinas Trachten habe schon immer dem bellum nefarium gegolten, genauer: Catilina habe niemals Ruhe gewünscht, ja, er habe nicht einmal Krieg gewünscht, es sei denn ein bellum nefarium (§25).159 Diese Behauptung dient Cicero gewissermaßen als Beleg dafür, daß Catilina seiner Begierde folgen werde, und auch dafür, daß diese Begierde schon längst (iam pridem) am Werk ist. Mit diesem Verweis auf die Vergangenheit Catilinas spielt Cicero auf dessen Beteiligung an den Proskriptionen Sullas an. So wird deutlich, welche Art von Krieg Catilina wünscht: es geht ihm – damals wie heute – um Bürgerkrieg, um einen gegen die Ordnung der res publica gerichteten Krieg.160 Eingebettet ist die Behauptung, Catilinas Trachten habe schon immer einem bellum nefarium gegolten, in eine Aufzählung anderer Abnormitäten: Sein Unternehmen verursache ihm nicht Schmerz, sondern Vergnügen, es handle sich um amentia, seine Bande bestehe nicht etwa nur aus von allem Glück, sondern auch von aller Hoffnung verlassenen Leuten.161 Diese Aufzählung macht deutlich, daß Catilina nicht nur gegen die Normen, gegen die Regeln der res publica verstößt, sondern auch, daß das, was ihn dazu veranlaßt, abnorm und in seinem geradezu perversen Charakter begründet ist.162 Nicht otium, sondern bellum 159 160

Numquam tu non modo otium sed ne bellum quidem nisi nefarium concupisti. Bellum nefarium (vgl. TLL 2, 1848 Z. 42–45 s.v. bellum) meint zwar häufig Bürgerkrieg (vgl. etwa Cic. Att. 9,9,4; Phil. 2,24; 3,3; 6,2; 9,15; 13,39), jedoch nicht notwendigerweise (vgl. etwa Cic. Pis. 84f.; div. 1,81; auch Sull. 58). Cicero macht sich bei der Reihung otium – bellum – (bellum) nefarium die Tatsache zunutze, daß otium als Folge der pax zwar sowohl Gegenbegriff zum externen Krieg (vgl. etwa Cic. Caecin. 43), als auch zum Bürgerkrieg (vgl. etwa Cic. leg.agr. 2,9; Mur. 83; 86; 90; fam. 2,16,2) sein kann, daß aber die zweite Verwendung, die weitaus gängigere ist (vgl. TLL 2, 1855 Z. 61–71 s.v. bellum; vgl. auch Achard 1981, 280–289, 464–468). So erwartet man, wenn man hört, Catilina wünsche ›nicht Ruhe, sondern …‹, zu erfahren, daß er einen Bürgerkrieg will; die Zwischenschaltung, er wünsche nicht einmal Krieg, erhöht den Effekt der Gegenüberstellung. 161 Neque enim tibi haec res adfert dolorem sed quandam incredibilem voluptatem. Ad hanc te amentiam natura peperit … Nactus es ex perditis atque ab omni non modo fortuna, verum etiam spe derelictis conflatam improborum manum. – Diese Sache verursacht dir nämlich nicht Schmerz, sondern ganz unglaubliches Vergnügen. Zu dieser Verstandlosigkeit hat dich die Natur hervorgebracht … Du hast eine Bande aus schlechten (Leuten) erlangt, zusammengeschmolzen aus Verlorenen und nicht etwa bloß von allem Glück, sondern auch von Hoffnung gänzlich Verlassenen. (Zum Verständnis von haec res s.o. S. 101 Anm. 39.) Letztlich gehört auch die Behauptung, es werde ihm großes Vergnügen bereiten, wenn er dann bei den Seinen weder einen guten Mann sehen noch hören werde (§26: Hic tu qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere, cum in tanto numero tuorum neque audies virum bonum quemquam neque videbis!) in diese Reihe. 162 Besonders deutlich wird dies in der Gedankenfolge Neque enim tibi haec res adfert dolorem sed quandam incredibilem voluptatem. Ad hanc te amentiam natura peperit … Vgl. zu dieser Stelle auch S. 157ff.

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zu wünschen, ist schon eigenartig; ein bellum nefarium zu wünschen, ist jedoch abnorm – dies in doppeltem Sinn. Cicero hat hier dem Begriff bellum civile den Begriff bellum nefarium vorgezogen. Dies mag – neben der Absicht zu betonen, daß ein derartiger Krieg die Ordnung der res publica, ja gleichsam die res publica selbst aufhebt – weitere Ursachen haben: Angefangen bei dem allgemeinen Bemühen, Catilinas Unternehmen möglichst weitgehend zu diskreditieren,163 über das Bestreben, an die Rolle Catilinas im bellum nefarium der Jahre 83 bis 81 zu erinnern und dadurch deutlich zu machen, daß von ihm auch innerhalb des Kriegsgeschehens nefas zu erwarten ist, galt doch Verwandtenmord als symptomatisch für sein damaliges Verhalten,164 bis hin zu der Möglichkeit, mithilfe des Begriffs nefarius daran zu erinnern, daß das, was Catilina wünsche, dem Willen der Götter zuwiderlaufe.165 Daß auch die zuletzt angesprochene Denkbarkeit zum Tragen kommt, ist nicht unwahrscheinlich, selbst wenn man davon ausgeht, daß der Begriff es nicht schon per se erzwingt, an die Götter zu denken. Zum einen wurden nämlich die Absichten Catilinas im Verlauf der Rede bereits mehrfach als dem Willen der Götter entgegenstehend gekennzeichnet.166 In einem dieser Fälle fand auch der Begriff nefarius Verwendung;167 Cicero hat ihn in dieser Rede also schon einmal mit den Götter in Verbindung gesetzt. Zum andern kann auch hier eine gewisse religiöse Prägung vom Kontext der Stelle ausgehen, steht sie doch in engem Zusammenhang mit Stellen, deren eigene religiöse Prägung außer Frage steht.168 In §33 fordert Cicero Catilina auf, zu einem bellum impium ac nefarium aufzubrechen. Wenig später charakterisiert er die Verschwörer als Leute, die durch ein Bündnis der Verbrechen und durch eine societas nefaria verbunden seien. In beiden Fällen scheint die religiöse Konnotation des Begriffs nefarius mit großer Wahrscheinlichkeit auf.169

salus (§§8; 11; 12; 14; 28; 33) Salus bedeutet ›Unversehrtheit‹; dies im Sinn von physischer ›Gesundheit‹, wie im Sinn von anderweitigem, etwa materiellem oder die Sicherheit betreffendem ›Wohlergehen‹. Der Begriff kann das Wohlergehen des Einzelnen wie das des ganzen Staates bezeichnen. Insbesondere meint er die ›Unversehrtheit‹ des Römers als Bürger.170 Personifiziert und als 163

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Vgl. die latro- bzw. latrocinium-Terminologie in den §§23 (vgl. dazu S. 190, 192ff.); 31; 33 und besonders in §27, wo Cicero meint, er habe erreicht, daß das, was von Catilina angefangen wurde, eher Räuberei als Krieg genannt werde, und auch die Bezeichnung Catilinas als gladiator in §29. Vgl. S. 179. Zu der Frage, weshalb ein Bürgerkrieg überhaupt als bellum nefarium bezeichnet werden kann, vgl. Di Martino 1991. So in §9 (vgl. S. 134ff.), §11 (vgl. S. 141ff.) und §12 (vgl. S. 147f.). §11 (vgl. dazu S. 119ff.). Vgl. S. 196ff., 204ff. Zur Analyse dieser Stellen vgl. S. 188f., 107. Vgl. etwa Cic. Planc. 79; fam. 14,1,5; Mil. 39 (hier bezeichnet Cicero den Konsul des Jahres 57, P. Cornelius Lentulus Spinther, der ganz wesentlich seine Rückberufung aus dem Exil durchgesetzt hat, als restitutor salutis meae). Zur Bedeutungspalette von salus insgesamt vgl. Winkler 1995, passim, bes. 11f.; zu bestimmten Aspekten (Leben, Besitz) der salus der Bürger Achard 1981, 448– 455.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Gottheit verehrt wurde Salus spätestens Ende des 4. Jh. v.Chr.171 Salus konnte zwar von Einzelnen wegen persönlicher Anliegen angerufen werden,172 der öffentliche Kult galt aber der das Wohlergehen des gesamten Staatswesens und seiner Bürger schützenden Gottheit.173 Hinsichtlich der Thematik der vorliegenden Untersuchung interessiert freilich nicht nur, ob Cicero durch Verwendung des Begriffs salus direkt auf diese Gottheit Bezug nimmt, sondern beispielsweise auch, ob er durch ihn eine – in etwas weiterem Sinn – religiöse Atmosphäre schafft bzw. eine Überhöhung erzielt, oder ob er salus in gewisser Weise verabsolutiert,174 und dies auf religiösem Weg. In der ersten Catilinaria ist in den §§8, 11 und 33 expressis verbis von der salus der res publica die Rede. Auch die salus communis in §12 meint die salus rei publicae. In den §§14 und 28 geht es um die salus der Bürger. In §8 meint Cicero, Catilina werde einsehen, daß er, Cicero, viel schärfer für das Wohlergehen der res publica wache, als Catilina für ihr Verderben.175 Was das Wohlergehen der res publica ausmacht oder zumindest ganz wesentlich zu ihm gehört – Ruhe und Sicherheit in Italien und Rom, Unversehrtheit der führenden Männer –, geht dabei e contrario aus dem Zusammenhang hervor: Das Verderben, das Catilina der res publica bereiten will, sucht er durch militärische Erhebungen in Italien, durch Brandstiftung in Rom, durch die Ermordung der optimates und die Ermordung Ciceros herbeizuführen.176 Zur salus der res publica gehört aber auch, daß sie eben eine solche, eine ›öffentliche Sache‹ ist. Dies wird ebenfalls e contrario deutlich: Catilina nämlich verfügt über sie wie über eine Privatsache – er verteilt die Gegenden Italiens und Roms, er weist Personen ihren Einsatzort zu177 – und 171

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Im Jahr 302 wurde der 311 im Zweiten Samnitenkrieg gelobte Tempel der Salus auf dem Mons Quirinalis geweiht (zu diesem Tempel Ziolkowski 1992, 144–148; Winkler 1995, 16–19; Orlin 1997, 179f.). Diesem Salus-Kult dürfte aber ein älterer vorausgegangen sein (vgl. Winkler 1995, 23–26, wenngleich seine Überlegungen im Detail teilweise nicht leicht nachzuvollziehen sind, mit Marwood 1988, 4f.). Beispiele bei Winkler 1995, 28. Winkler 1995, passim, bes. 13. Zur Verbindung mit Hygieia (›Gesundheit‹) vgl. Winkler 1995, 27–30. Vgl. etwa Cic. leg. 3,8: ollis (sc. den Konsuln) salus populi suprema lex esto; dazu Sánchez de la Torre 1997. Iam intelleges multo me vigilare acrius ad salutem quam te ad perniciem rei publicae. Daß Catilina zu dieser Einsicht kommen werde, erwartet Cicero, weil Catilina erkennen müsse, daß er, Cicero, seine bisherigen Anschläge vereitelt habe und über seine Pläne bestens informiert sei (§§6–10). Erhebungen in Italien: §7 (Aufstand des Manlius), §8 (Versuch, Praeneste einzunehmen), vgl. §9 (Catilina habe die Gegenden Italiens verteilt); Brandstiftung in Rom: §9; Ermordung der optimates: §7; Ermordung Ciceros: §9. Vgl. auch den summarischen Vorwurf caedes atque incendia in §6. Distribuisti partis Italiae, statuisti, quo quemque proficisci placeret, delegisti, quos Romae relinqueres, quos tecum educeres, discripsisti urbis partis ad incendia. – Du hast die Gegenden Italiens verteilt. Du hast festgesetzt, wohin es dir gefalle, daß ein jeder sich auf den Weg mache. Du hast ausgewählt, wen du in Rom zurücklassen, wen du mit dir nehmen wollest. Du hast Gegenden der Stadt für die Brände abgegrenzt. (§9). Auch die Wortwahl lenkt das Verständnis in diese Richtung. So hat pars nicht nur die gleichsam neutrale Bedeutung ›Teil‹ – hier im Sinn von ›Gegend‹, sondern auch den Beiklang ›Anteil an einem Besitz‹ (vgl. etwa Cic. Rab.Post. 4). Die gewolltermaßen maniriert klingende Formulierung statuisti, quo quemque proficisci placeret (statt statuisti, quo quemque proficisceret) verdeutlicht die Anmaßung seines Handelns, erinnert sie doch sehr daran, wie man – in diesem Fall dann angebrachterweise offiziös – etwa von einem Beschluß des Senats sprechen würde.

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er beschließt über sie in privatem Rahmen, in einem Privathaus.178 Salus wird hier gleichsam innenpolitisch und verfassungsrechtlich definiert.179 Wenngleich es Cicero an dieser Stelle besonders darum geht, Catilina dadurch zu entmutigen, daß er zeigt, wie erfolgreich er bei der Aufklärung und Abwehr seiner Pläne ist, nimmt Cicero dadurch, daß er dies auf die Formel bringt, er wache schärfer auf die salus der res publica als Catilina auf deren Verderben, für sich in Anspruch, anders als Catilina aufseiten der res publica zu stehen – eine Rechtfertigung seines Handelns en passant. Anklänge religiöser Art sind hier nicht zu entdecken. Nachdem Cicero festgestellt hat, den Göttern, zumal Iuppiter Stator, gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei,180 stellt er fest, es dürfe nicht noch öfter in einem Menschen das Wohlergehen der res publica in Gefahr gebracht werden (§11).181 Wer ›der eine Mensch‹ ist, nämlich Cicero selbst, geht aus dem Zusammenhang hervor:182 Cicero vertritt die Auffassung, daß angesichts der Tatsache, daß Catilina mittlerweile die ganze res publica angreife, es nicht mehr genüge, deren Schutz nur ihm, Cicero, und den Maßnahmen, die er privatim getroffen habe, zu überlassen: Gelänge es Catilina nämlich, Cicero auszuschalten, stünde die res publica gänzlich schutzlos da. Dabei verbindet er die salus rei publicae auf das Engste mit seiner Person: Er hat die res publica in der Vergangen178

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In §8 selbst ist von der Versammlung in der Sichelmacherstraße (inter falcarios) in der domus des M. Laeca die Rede, in §9 kommt Cicero auf dieses Treffen mit der Formulierung fuisti igitur apud Laecam zurück. Daß es sich um ein Privathaus handelt, in dem Catilina seine Beratungen abhält, hatte Cicero bereits in §6 mit der Formulierung privata domus eigens betont. Der dem Prinzip der ›Öffentlichkeit‹ zuwiderlaufende Charakter dieser Versammlung wird durch die in jedem Fall wiederholte Bemerkung, sie habe bei Nacht stattgefunden, zusätzlich unterstrichen (§8: dico te priore nocte venisse inter falcarios … in M. Laecae domum; §9: fuisti igitur apud Laecam illa nocte; §6: quod … exspectes, si neque nox tenebris obscurare coeptus nefarios nec privata domus parietibus continere voces coniurationis potest); vgl. dazu auch S. 116f. Die große Bedeutung dieser Aspekte für das salus-Verständnis dürfte, anders als in frühreren Zeiten, in denen die äußere Unversehrtheit der res publica im Vordergrund gestanden hatte, für die späte Republik durchaus der allgemeinen Auffassung entsprochen haben; gleichwohl dürfte der Anteil Ciceros an dieser Entwicklung erheblich gewesen sein (vgl. Winkler 1995, 30). Magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia, quod hanc tam taetram, tam horribilem tamque infestam rei publicae pestem totiens iam effugimus. – Großer Dank gebührt den unsterblichen Göttern und gerade diesem Iuppiter Stator hier, dem ältesten Hüter dieser Stadt dafür, daß wir dieser so abscheulichen, so entsetzlichen und der res publica so gefährlichen Geißel so oft schon entkommen sind. Non est saepius in uno homine summa salus periclitanda rei publicae. Das genaue Verständnis von summa salus rei publicae bereitet Probleme. Was die Grammatik anbelangt, scheint der Ausdruck zwar unproblematisch zu sein – summa gehört zu salus –, die Bedeutung ›das höchste (bzw. größte) Wohlergehen der res publica‹ erscheint hier aber anders als beispielsweise Cic. Cat. 1,33; Manil. 50 wenig sinnfällig. So mag man überlegen, ob summa im Sinn einer Enallage zu res publica zu ziehen und als Ausdruck zu verstehen ist, der betont, daß tatsächlich die Gesamtheit der res publica betroffen ist. Zu übersetzen wäre dann das Wohlergehen der gesamten res publica. Eine Stütze dieser Überlegung mag man darin sehen, daß der Ausdruck summa res publica in seiner Bedeutung zwischen ›die res publica in ihrer Gesamtheit‹ (so Cic. Cat. 4,13) und ›das Wohlergehen der res publica‹ (so Cic. Cat. 3,13) changiert (weitere Varianten etwa bei Lewis/Short). Gleichwohl ist bei summa salus rei publicae sicherlich mitzuhören, daß es um die salus der res publica in einer gleichsam gesteigerten Form geht. So hat die Übersetzung von Fuhrmann das gesamte Staatswohl, die diese Aspekte zu vereinigen sucht, einiges für sich. Dazu und zur Interpretation des Kontexts vgl. ausführlich S. 141ff.

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heit schon mehrfach vor den Anschlägen Catilinas bewahrt. Dabei hing das Wohlergehen der res publica ganz wesentlich von seinem eigenen Wohlergehen ab – darauf verweist Cicero am Ende von §11 ausdrücklich: sein Verderben wäre mit großem Schaden für die res publica verbunden gewesen.183 Momentan ist gar Ciceros Existenz die einzige Garantie für die salus der res publica. Das Bild der das Wohlergehen der res publica schützenden Einzelperson, deren eigene salus von besonderer Bedeutung für die der res publica ist, ist zumindest in dieser Deutlichkeit, soweit ich sehe, erstmals an dieser Stelle faßbar.184 Dieses Bild ist zukunftsweisend für die salus-Vorstellung der augusteischen Zeit und damit nicht unerheblich für die Herrschaftsideologie des Principats.185 Freilich diente dieses Bild Cicero auch der Kritik der be183

… quotienscumque me petisti, per me tibi obstiti, quamquam videbam perniciem meam cum magna calamitate rei publicae esse coniunctam – … wie oft auch immer du gegen mich ausgeholt hast, habe ich mich dir durch mich (d.h. mit eigenen Mitteln) entgegengestellt, obwohl ich sah, daß mein Verderben mit großem Schaden für die res publica verbunden wäre. Pernicies ist der Gegenbegriff zu salus, so auch in §§8 und 33. 184 Es erinnert an die σωτῆρες der hellenistischen Welt (vgl. zusammenfassend Zimmermann 2001; mit dieser Form der Auszeichnung und mit den damit verbundenen Vorstellungen machte man seit der entsprechenden Ehrung des T. Quinctius Flamininus im Jahr 196 v.Chr. immer häufiger Bekanntschaft: Kasper 1961, 69–74; auch Winkler 1995, 31) und tatsächlich hatte Cicero an anderer Stelle erklärt, soter werde derjenige genannt, der salus gegeben habe (Verr. 2,2,154: is est … soter, qui salutem dedit). Zu diesem Begriff wahrte man in Rom selbst freilich bis in die Zeit Ciceros deutlich Distanz. So stellt Cicero fest, soter sei ein so großer Begriff, daß er sich im Lateinischen nicht mit einem Wort wiedergeben lasse (… ita magnum ut Latine uno verbo exprimi non possit: Verr. l.c.). Diese Äußerung deckt sich mit der Feststellung Winklers, daß man vor der Zeit Ciceros in Rom aller Wahrscheinlichkeit nach niemanden in Anlehnung an die hellenistische σωτήρVorstellung als servator oder conservator rei publicae bezeichnete (Winkler 1995, 32), mit den Begriffen also, die in der Folgezeit der Wiedergabe des griechischen σωτήρ dienen sollten (vgl. Kasper 1961, 90f.). Cicero selbst hat dann freilich alleine schon durch die Häufigkeit, mit der er von sich selbst als servator oder conservator der res publica sprach oder sich als solchen darstellte (Belege bei Kasper 1961, 93f., 96f.), die Einbürgerung dieses Begriffs gefördert (ähnlich Winkler 1995, 32). Daß die Vorstellung vom Retter der res publica aber nicht gänzlich neu war, zeigt nicht zuletzt die Geschichte des Titels parens bzw. pater patriae (Alföldi 1950–1954; vgl. Kasper 1961, 94f.); zu Vorformen dieser Vorstellung allgemein, faßbar insbesondere in Bezug auf Sulla und bei Cicero in der Rede Pro lege Manilia in Bezug auf Pompeius, vgl. Kasper 1961, 114–124 bzw. 130–151, bes. 143. Daß Cicero mit der Art, in der er seine Verdienste um die res publica propagierte, nicht alleine stand, wird etwa durch die Tatsache deutlich, daß Q. Lutatius Catulus ihn im Zusammenhang mit der Aufklärung der Catilinarischen Verschwörung parens patriae nannte, L. Gellius erklärte, die res publica schulde ihm die corona civica (vgl. dazu oben S. 50 mit den Quellen; Winkler 1995, 33 zur Transferierung der corona civica in den politischen Bereich) und man Ciceros Schwur akzeptierte, den er am Ende seiner Amtszeit leistete: die res publica und die Stadt Rom seien einzig durch seine Leistung unversehrt (Cic. Pis. 6: iuravi rem publicam atque hanc urbem mea unius opera esse salvam; dom. 94: opera mea hanc urbem et hanc rem publicam esse salvam). 185 Grob skizziert stellt sich diese Entwicklung folgendermaßen dar: Zunächst sieht Cicero seine eigene salus mit der der res publica verbunden, er ist ihr Retter (daß zuweilen nicht nur er dies so gesehen hat, zeigt eindrucksvoll Cic. dom. 99). Später überträgt er dieses Konzept auf Caesar. Besonders deutlich zu fassen ist dies in der Rede, die er im September 46 v.Chr. anläßlich der Begnadigung des M. Claudius Marcellus durch Caesar gehalten hat: Hier stellt er fest, daß das Wohlergehen Caesars das Wohlergehen eines jeden einschließe, daß von seinem Leben das Leben aller abhänge; er müsse aufrichten, was wegen des Bürgerkriegs darniederliege (§§22f.). In Bezug auf Caesar fällt die Rezeption dieser Vorstellung gleichsam handfester aus: Während es im Fall Ciceros beispiels-

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stehenden Verhältnisse – so an der hier zu diskutierenden Stelle, in der es ihm ja darauf ankommt zu sagen, daß die salus der res publica nicht noch öfter in einem Menschen in Gefahr gebracht werden dürfe.186 Bei aller Kritik, die Cicero mithilfe dieses Bildes übt, ist damit aber doch gesagt: Cicero ist Schützer der res publica – momentan der einzige. Damit reklamiert Cicero nicht nur erneut, in besonderer Weise auf Seiten der res publica zu stehen, vielmehr erfährt seine Rolle, seine Person eine gewisse Überhöhung.187 Noch deutlicher wird dies, bedenkt man, daß diese Stelle direkt an seine Feststellung, den Göttern gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei, anschließt, wodurch Cicero das Einvernehmen der Götter mit seinem Standpunkt reklamiert.188 Unter diesem Blickwinkel gewinnt die Erweiterung der Epiklese des Iuppiter Stator, die Cicero hier vornimmt, indem er ihn als antiquissimus custos huius urbis189 anspricht, besondere Brisanz: Sie legt eine Parallelisierung der Rollen Iuppiters und Ciceros für die res publica nahe. Iuppiter Stator ist ihm hier der älteste Wächter Roms – er schützt Rom auch jetzt, gewissermaßen im Verein mit Cicero, dem aktuellen Wächter Roms.190

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weise dabei geblieben war festzustellen, im gebühre die corona civica, wird sie Caesar tatsächlich ob cives servatos verliehen, außerdem gibt es vota für die salus Caesars. Augustus nahm dieses Konzept nach anfänglicher Zurückhaltung wieder auf und propagierte die salus Augusti, das ›Wohlergehen des Augustus‹, beispielsweise in der Münzprägung; auch vota pro salute Caesaris Augusti wurden veranstaltet. Ausführlicher zu dieser Entwicklung, wie auch zu der der folgenden Zeit, Winkler 1995, 31–35, 42–45 bzw. passim. Auch in der Rede Pro Marcello propagiert Cicero nicht etwa die Figur des Retters als solche, sondern versucht lediglich, Caesar in die Pflicht zu nehmen: Er müsse die Wunden des Krieges heilen, die außer ihm niemand heilen könne (§24). Wenn er nur um seiner selbst willen lebte, könnte man seinen Ausspruch, er habe lange genug gelebt, akzeptieren; da seine Taten aber die salus aller Bürger und die ganze res publica eingeschlossen haben, müsse er das Maß seines Lebens auch nach der salus rei publicae bemessen, nicht nach dem Gleichmut seiner Seele (§25). Vgl. auch §22, wo Cicero feststellt, es schmerze ihn, daß die res publica, obwohl sie doch unsterblich sein müsse, sich auf das Leben eines einzigen Sterblichen gründe (in unius mortalis anima consistere). Vgl. Kasper 1961, 86 in Bezug auf Cic. Cat. 3,1f. So zutreffend es sicherlich ist, daß die Aufdekkung der Catilinarischen Verschwörung durch Cicero für die Übernahme des σωτήρ-Begriffs in Rom von entscheidender Bedeutung gewesen ist – so Kasper 1961, 129 –, erscheint es mir doch wichtig festzuhalten, daß Cicero nicht erst nach erfolgreicher Aufklärung der Verschwörung – Kasper 1961, 85f. betont die Bedeutung der Dritten Catilinarischen Rede für die Entwicklung des conservator-Begriffs – mit ihm verbundene Vorstellungen propagierte, sondern mit ihnen bereits zuvor, im Zuge der Aufklärung der Verschwörung und im Bemühen, seine Sichtweise im Senat durchzusetzen, erfolgreich operieren zu können glaubte. Spricht man seiner Argumentationsweise in der Ersten Catilinarischen Rede nicht die Historizität ab (zur Frage nach dem Grad der Überarbeitung der Reden bei der Verschriftlichung s.o. S. 60f., 87f.), mag man sie als Anzeichen dafür werten, daß die Vorstellung des ›Retters‹ der res publica und das Operieren mit ihr im Senat, wenngleich noch nicht etabliert, so doch zumindest nicht dazu angetan war, kontraproduktiv zu provozieren. Vgl. die Interpretation S. 141ff. Zur Problematik dieser Charakterisierung vgl. S. 145ff., 221ff. Den Begriff custos benutzt Cicero hier zwar nicht in Bezug auf sich selbst, ein Rezipient mag sich aber an §8 erinnern, wo Cicero gesagt hatte, er wache (vigilare) auf die salus der res publica: … intelleges … me vigilare acrius ad salutem quam te ad perniciem rei publicae. Bedenken mag man außerdem, daß wenige Monate zuvor ein augurium salutis nicht zum Erfolg geführt hatte: Die Antwort der Götter auf die Frage, ob man für die salus der res publica beten

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

In den §§11f. entwickelt Cicero die Vorstellung, angesichts der Tatsache, daß Catilina mittlerweile offen die gesamte res publica angreife, genüge es nicht mehr, wenn er, Cicero, gegen diesen defensiv und privatim vorgehe; vielmehr müsse er offensiv und kraft Amtes einschreiten. In diesem Zusammenhang kündigt Cicero an, er werde – da er noch nicht zu tun wage, was eigentlich angebracht sei – das tun, was hinsichtlich der Strenge milder, hinsichtlich der salus communis aber nützlicher sei (§12).191 Mit der salus communis ist die salus der res publica angesprochen;192 religiöse Anklänge sind hier nicht zu finden.193 In den §§14 und 28 ist vom Wohlergehen von Menschen die Rede. So kündigt Cicero in §14 an, nicht mehr von Catilinas privaten Verfehlungen und Kalamitäten sprechen, sondern sich den Dingen zuwenden zu wollen, die die res publica in ihrer Gesamtheit und das Leben und das Wohlergehen aller betreffen;194 in §28 läßt Cicero die res publica sagen, er, Cicero, würde dem populus Romanus schlechten Dank erweisen, wenn er wegen Anfeindung oder aus Furcht vor Gefahr das Wohlergehen seiner Mitbürger vernachlässigen würde.195 Salus meint dabei ganz wesentlich das Wohlergehen der Menschen als Bürger;196 religiöse Anklänge sind hier wieder nicht zu finden. In §33 fordert Cicero Catilina auf, zu einem pflichtvergessenen und ›unerlaubten‹ Krieg aufzubrechen – zum höchsten Wohlergehen der res publica, zu Catilinas und seiner Mitstreiter Verderben.197 Auch an dieser Stelle sind keine religiösen Anklänge dergestalt zu finden, daß Cicero auf die Gottheit Salus Bezug nehmen oder mithilfe dieses Begriffs eine gleichsam religiöse Atmosphäre schaffen würde. Gleichwohl dürfte die Formulierung cum 190

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dürfe, war nicht eindeutig ausgefallen (vgl. S. 80). Bei aller Schwierigkeit einzuschätzen, welche Vorstellungen konkret man mit diesem augurium und seinem Ausgang verband und wie präsent diese in der aktuellen Situation gewesen sind: Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Ciceros Darstellung der Bedeutung seiner Person für die salus der res publica vor diesem Hintergrund besonders eindrucksvoll – und möglicherweise auch provozierend – wirken konnte: Wenn die Götter in Sachen ›künftige salus‹ nicht angesprochen zu werden wünschen – jedenfalls nicht in mit dem augurium verbundener Form –, erscheint ihr menschliches Pendant umso wichtiger. Qua re, quoniam id, quod est primum et quod huius imperi disciplinaeque maiorum proprium est, facere nondum audeo, faciam id quod est ad severitatem lenius, ad communem salutem utilius. – Daher, da ich ja das, was das Erste ist und was dieser (der konsularischen) Befehlsgewalt und den Grundsätzen der Vorfahren entspricht, noch nicht zu tun wage, werde ich das tun, was hinsichtlich der Strenge milder, hinsichtlich des gemeinschaftlichen Wohlergehens nützlicher ist. Was er nicht zu tun wagt, nennt Cicero im folgenden beim Namen: die Hinrichtung Catilinas zu befehlen (si te interfici iussero …); ebenso was er stattdessen – wenngleich nur rhetorisch, nicht faktisch – tut: Catilina zu befehlen, Rom zu verlassen (exire ex urbe iubet consul hostem). Dies geht ganz offensichtlich zum einen daraus hervor, daß es der Angriff auf die res publica ist, dem Cicero einen Riegel vorschieben muß, um so die salus communis zu schützen, zum anderen daraus, daß es für die salus communis nützlicher ist, die ganze Schar der Verschworenen, den Abschaum der res publica aus ihr zu entfernen (… si te interfici iussero, residebit in re publica reliqua coniuratorum manus; sin tu … exieris, exhaurietur ex urbe … sentina rei publicae). Gemeint sind religiöse Anklänge im oben S. 123f. beschriebenen Sinn. Deutlich geht aus dem Zusammenhang freilich hervor, daß es der salus communis insbesondere abträglich wäre, würde Catilina die Tempel der Götter zerstören; vgl. dazu S. 147f. Ad illa venio quae … ad summam rem publicam atque ad omnium nostrum vitam salutemque pertinent. … si propter invidiam aut alicuius periculi metum salutem civium tuorum neglegis. Dies geht nicht nur aus dem Kontext insgesamt hervor, vielmehr sind es in §14 dieselben Dinge, von denen Cicero sprechen will, die die res publica in ihrer Gesamtheit betreffen – und eben auch die salus ›von uns allen‹; in §28 ist es die res publica, die von der salus der cives spricht.

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summa rei publicae salute eine gewisse Überhöhung der Aufforderung proficiscere bewirkt haben, legt sie doch explizit, wie auch durch das ihr innewohnende Pathos198 in suggestiver Weise nahe, den Zusammenhang, in dem die Aufforderung ausgesprochen wird, nicht für irgendeine nachrangige Auseinandersetzung zu halten, sondern für eine Auseinandersetzung von existentieller Bedeutung. Nicht unwahrscheinlich ist freilich, daß auch gleichsam umgekehrt der Kontext, in dem hier von salus rei publicae die Rede ist, einen Beitrag zu deren eigener Überhöhung leistet: Immerhin sucht Cicero sie auch mithilfe einer Verwünschung zu bewirken und macht sie gleichzeitig zum Gegenstand einer Prophezeiung.199

scelus, scelerati, scelerate (§§8; 14; 15; 17; 18; 22; 27; 31; 33 bzw. §23 bzw. §27) Scelus bezeichnet das ›Krumm-Sein‹ in rechtlicher oder in an den mores orientierter Hinsicht – verstanden als Eigenschaft ebenso wie als Handlung – und also den ›krummen‹, d.h. den verbrecherischen Sinn ebenso wie die ›krumme‹, die verbrecherische Tat;200 dabei ist scelus jedoch kein juristischer terminus technicus.201 Außerdem wird scelus in vielfältiger Weise übertragen verwendet: etwa im Sinn von ›Unglück‹ oder, bezogen auf Menschen, als Schimpfwort im Sinn von ›Schurke‹.202 Religiös konnotiert ist der Begriff insofern, als er häufig bezeichnet, was impius, ›pflichtvergessen‹ ist, bzw. was als impietas gewertet werden kann, und die Begriffe impietas respektive pietas ihrerseits religiös konnotiert sind.203 Scelus kann selbst geradezu Gegenbegriff zu pietas sein.204 In der politischen Auseinandersetzung dient der Begriff scelus der Charakterisierung der improbi bzw. derer Handlungen.205 Dabei wird er oft zur Formulierung eines recht unbe197

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… cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt, proficiscere ad impium bellum ac nefarium – … zum höchsten Wohlergehen der res publica, zu deinem Verderben und Unglück und zum Untergang derjenigen, die sich mit dir durch alle Arten von Verbrechen und ›Mord‹ verbunden haben, brich auf zu einem pflichtvergessenen und ›unerlaubten‹ Krieg. Es rührt vor allem von der Metaphorik des Begriffs salus her, die die res publica gleichsam zur Person macht, um deren ›Wohlergehen‹ es geht, wird aber auch durch das Attribut summus und schließlich durch die Sperrung summa … salus bewirkt. Vgl. dazu S. 216ff. Vgl. indoeurop. *squel(e)- ›krümmen, biegen‹; dazu etwa Pokorny 52005, s.v. (s)kel- (Nr. 4); Walde/Hofmann s.v. scelus, weitere Literatur bei Petersmann 1996, 672f.; vgl. auch Rocca 1994. Zur Semantik von scelus vgl. ebenfalls Petersmann 1996, 672f. und auch Rocca 1994; außerdem Reichenbecher 1913, 6–35. Mommsen 1899, 9 Anm. 4; als juristische termini technici, die ›Verbrechen‹ meinen, könnten crimen und delictum gelten. Etwa Plaut. Capt. 3,5,104; Mart. 7,14,1 (›Unglück‹); Belege für scelus als Schimpfwort bei Opelt 1965, passim. Vgl. Achard 1981, 290 Anm. 186; Petersmann 1996, 672f.: scelus dürfte zunächst eine körperliche Deformierung bezeichnet haben, dann auf die religiöse Sphäre als Antonym von pietas ausgedehnt worden sein. Zu impietas und pietas vgl. unten S. 187f.; besonders instruktiv Cic. Verr. 2,5,170 (facinus est vincire civem Romanum, scelus verberare, prope parricidium necare: quid dicam in crucem tollere?) – vgl. auch unten S. 174ff. Besonders deutlich zu fassen bei Cic. Cat. 2,25 (… pugnat … hinc pietas, illinc scelus …). Hellegouarc’h 21972, 278; Achard 1981, 290, 293, 303. Ebenso die Begriffe sceleratus, scelerate, consceleratus (Achard 1981, 290).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

stimmt gehaltenen Vorwurfs benutzt, bezieht sich also oft nicht auf eine konkrete impietas, sondern meint ganz allgemein eine gegen das Etablierte gerichtete Handlung.206 Seine diskreditierende Kraft bezieht der Begriff nicht zuletzt aus der Tatsache, daß er an justiziable Verbrechen denken läßt.207 In der Ersten Catilinarischen Rede verwendet Cicero scelus zehnmal.208 In allen Fällen dient der Begriff der Bezeichnung von Eigenschaften oder Handlungen Catilinas bzw. seiner Mitstreiter – lediglich geplanten wie auch tatsächlich ausgeführten –, die teils in juristischer oder politischer, teils gleichzeitig in beiderlei Hinsicht ›Verbrechen‹ darstellen. So meint scelus in §18 recht allgemein den verbrecherischen Sinn Catilinas,209 in §15 konkreter seinen verbrecherischen Sinn bei dem Plan, die Konsuln des Jahres 65 und die principes civitatis zu ermorden.210 In §14 bezeichnet scelus den Mord an Ehefrau und Sohn, den Cicero Catilina unterstellt.211 In §8 meint der Ausdruck amentia scelusque die coniuratio Catilinas und seiner Mitstreiter.212 In §27 ist es der Begriff scelus allein, der die coniuratio meint, wobei angesichts des Kontexts – die patria tituliert Catilina nicht nur als auctor sceleris, sondern auch als hostis, als dux belli, als imperator – der Ton auf der zu erwartenden militärischen Auseinandersetzung, auf dem Aspekt ›Bürgerkrieg‹ der Verschwörung also liegt.213 Auch in den §§17 und 22, wo Cicero etwas unspezifischer von ›Verbrechen‹ Catili206 207 208

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Achard 1981, 290. Achard 1981, 292. Im Sinn von ›Verbrechen‹ verwendet Cicero den Begriff gleichwohl sehr viel seltener als im Sinn von ›impietas‹: Achard 1981, 338. In den §§8; 14 (zweimal); 15; 17; 18; 22; 27; 31; 33 (zweimal), wobei der Begriff in §14 beide Male im selben Zusammenhang fällt. Zur Diskussion über die Lesung sacrarium oder sacrarium scelerum in §24, wie auch zur Interpretation dieser Stelle vgl. S. 196ff. Cicero läßt die personifizierte patria zu Catilina sagen: Nunc vero me totam esse in metu propter unum te, quicquid increpuerit, Catilinam timeri, nullum videri contra me consilium iniri posse quod a tuo scelere abhorreat non est ferundum. – Jetzt aber, daß ich in meiner Gesamtheit in Furcht bin wegen dir alleine, daß, was auch immer Unruhe verursacht, Catilina gefürchtet wird, daß es scheint, es könne kein Anschlag gegen mich angefangen werden, der deinem verbrecherischen Sinn fremd ist, das ist nicht zu ertragen. … cum scias esse horum neminem qui nesciat te prid(ie) Kal(endas) Ian(uarias) Lepido et Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo, manum consulum et principum civitatis interficiendorum causa paravisse, sceleri ac furori tuo non mentem aliquam aut timorem tuum sed fortunam populi Romani obstitisse? – … da du weißt, daß niemand unter diesen (Senatoren) hier ist, der nicht wüßte, daß du am Tag vor den Kalenden des Januar, als Lepidus und Tullus Konsuln waren, bewaffnet auf dem comitium gestanden bist, daß du (dir) eine Bande angeschafft hast, um die Konsuln und die principes civitatis zu töten, (der nicht wüßte,) daß deinem verbrecherischen Sinn und deiner Raserei nicht irgendeine Einsicht oder deine Furcht, sondern fortuna populi Romani entgegen stand. Nuper cum morte superioris uxoris novis nuptiis domum vacuefecisses, nonne etiam alio incredibili scelere hoc scelus cumulasti? – Unlängst, als du mit dem Tod deiner vorigen Frau das Haus für eine neue Heirat leer gemacht hattest, hast du da nicht auch dieses Verbrechen mit einem anderen unglaublichen Verbrechen überhäuft (›gekrönt‹)? Dico te priore nocte venisse inter falcarios – non agam obscure – in M. Laecae domum; convenisse eodem compluris eiusdem amentiae scelerisque socios. – Ich erkläre, daß du in der vorletzten Nacht in die Sichelmacherstraße gekommen bist – ich will mich nicht dunkel ausdrücken – in das Haus des M. Laeca; daß ebendaselbst ziemlich viele Genossen derselben Verstandlosigkeit und desselben Verbrechens zusammengekommen sind. Diskutieren kann man freilich, ob bei der Formulierung eiusdem amentiae scelusque socii der Ton eher auf der Gemeinsamkeit der socii, was ihren Geisteszustand bzw. ihre Geisteshaltung anbelangt (›Verstandlosigkeit und verbrecherischer Sinn‹), oder was ihr Handeln (›verstandloses Tun und Verbrechen‹) anbelangt, liegt.

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nas spricht, ist letztlich die coniuratio gemeint.214 In §31 ordnet Cicero die aktuelle Verschwörung in eine schon viel länger währende Gefahr ein, die freilich jetzt, in der aktuellen Verschwörung zum Ausbruch gekommen sei.215 Omnia scelera bezieht sich hier ebenso wie vetus furor und audacia zumindest auf frühere Aktivitäten Catilinas und seiner Mitstreiter, möglicherweise sogar auf die politische Richtung insgesamt, in deren Tradition Cicero Catilina sieht.216 In §33 läßt Cicero seinen Rezipienten großen Spielraum, den Begriff scelus mit konkreten Vorstellungen zu verbinden; die Formulierungen sind geradezu phantasieanregend. Zunächst bezeichnet Cicero die Mitstreiter Catilinas als diejenigen, die sich Catilina durch Verbrechen aller Art – und durch ›Mord‹ – verbunden haben.217 Hier kann man an alles denken, was die Verschwörer im Rahmen der coniuratio getan und geplant haben sollen – seien es Dinge, die Cicero ihnen ausdrücklich vorgeworfen hat, sei es anderes, das man ihnen unterstellen will,218 aber auch an Dinge, die sie schon früher verbrochen haben mögen, die sie aber ebenfalls Catilina verbinden,219 schließlich an einen Augenblick der ›Verschwörung‹ – man kann sich das iungere als einen mit Verbrechen und Mord verbundenen Akt ausmalen.220 Wenig später charakterisiert Cicero die Verschwörer 213

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Die personifizierte patria, Italia, die res publica fragen Cicero: Tune eum quem esse hostem comperisti, quem ducem belli futurum vides, quem exspectari imperatorem in castris hostium sentis, auctorem sceleris, principem coniurationis, evocatorem servorum et civium perditorum, exire patiere … – Wirst du zulassen, daß derjenige ausrückt, der, wie du zuverlässig erfahren hast, ein Feind ist, der, wie du siehst, der Anführer des Kriegs sein wird, der, wie dir bewußt ist, im Lager der Feinde als Feldherr erwartet wird – der Urheber des Verbrechens, das Haupt der Verschwörung, der Aufwiegler von Sklaven und verlorenen Bürgern … In §17 fragt Cicero Catilina, ob er – angesichts der Tatsache, daß er, Cicero, wenn er seinen Mitbürgern verdächtig wäre, selbst wenn dies zu Unrecht geschehe, lieber auf ihren Anblick verzichten wolle, als sich von ihnen feindselig ansehen zu lassen – zögere, den Anblick derer zu meiden, deren Denken und Empfinden er kränke – er, der im Bewußtsein seiner scelera zugebe, daß der Haß aller gerechtfertigt sei (… tu cum conscientia scelerum tuorum agnoscas odium omnium iustum et iam diu tibi debitum, dubitas quorum mentis sensusque volneras eorum aspectum praesentiamque vitare). Offensichtlich ist hier von scelera die Rede, die sich gegen die Mitbürger richten, und doch wohl von aktuellen, von der coniuratio also. In §22 meint Cicero, er sehe, ein wie großer Sturm der Anfeindung ihm bevorstehen dürfte, wenn Catilina sich, von seiner Rede erschreckt, ins exilium zu gehen entschlossen haben werde – wenn auch weniger für die Gegenwart, solange die Erinnerung an die scelera Catilinas frisch seien, so doch für spätere Zeit (tametsi video, si mea voce perterritus ire in exsilium animum induxeris, quanta tempestas invidiae nobis, si minus in praesens tempus recenti memoria scelerum tuorum, at in posteritatem impendeat). Hier sind offensichtlich die scelera Catilinas angesprochen, die Cicero zu seiner Forderung, Catilina solle ins Exil gehen, veranlassen, die coniuratio also. Etenim iam diu … in his periculis coniurationis insidiisque versamur, sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit. – Und in der Tat schon lange … befinden wir uns in diesen Gefahren und Anschlägen der Verschwörung, aber – ich weiß nicht wie – die Reife aller Verbrechen und der alten Raserei und Vermessenheit ist (erst) in die Zeit unseres Konsulats ausgebrochen. Vgl. auch S. 100. … qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt. Zum Kontext vgl. S. 216. In dieser Rede hatte Cicero ihnen speziell die Planung von Brandanschlägen (so in den §§3; 9) und die Vorbereitung militärischer Aktionen (so in den §§5; 7f.; 12; 24; 27; 29) vorgeworfen. Einen Eindruck von der Bandbreite der Verbrechen, die man den mit Catilina in irgendeiner Weise Verbundenen vorwerfen konnte, vermittelt Cic. Cat. 2,7f. Vgl. auch dazu Cic. Cat. 2,7f. Vgl. dazu S. 106ff.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

ganz ähnlich als Leute, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander verbunden sind.221 Angesichts der Ambiguität des Genitivs scelerum kann man sich sowohl vorstellen, die Verschwörer hätten sich zum Zweck von Verbrechen durch ein foedus verbunden, als auch, das foedus beruhe auf Verbrechen. Wiederum hat man große Freiheit sich vorzustellen, worin diese scelera konkret bestehen mögen.222 Allen in dieser Rede angesprochenen scelera ist gemeinsam, daß sie gegen das verstoßen, was pietas gebietet.223 – In §14 ist die pietas betroffen, die man Familienmitgliedern schuldet, in allen übrigen Fällen die pietas, die man seinen Mitbürgern (§17), der patria (§18) respektive der res publica und ihrem status (§§8; 22; 27; 31) und ihren Exponenten (§15) gegenüber an den Tag legen sollte. In keinem Fall ist die Bezeichnung scelus überraschend oder ungewöhnlich, vielmehr begegnet der Begriff immer als treffende Bezeichnung, als die Bezeichnung, die sich geradezu aufdrängt. Dafür sorgt in einigen Fällen zudem der Kontext, der nochmals deutlich macht, daß es um den Vorwurf impietas geht.224 – So ist es in §18 die patria selbst, die sich an Catilina wendet; sie fordert pietas ein, macht gleichzeitig aber deutlich, daß Catilina der Inbegriff von impietas ist.225 In §27 ist es erneut die patria, bzw. Italia und die res publica, die sich äußert. Dadurch, daß sie die Rolle Catilinas in der zu erwartenden militärischen Auseinandersetzung thematisiert, hebt sie den Aspekt ›Bürgerkrieg‹ der Verschwörung hervor, den Aspekt also, in dem die impietas der coniuratio am handgreiflichsten ist. In §17 sucht Cicero aus Beispielen von Verhaltensweisen, die von pietas geprägt sind, abzuleiten, wie Catilina handeln müßte, wollte er in der gegenwärtigen Situation selbst pietas an den Tag legen.226 In §22 hatte Cicero deutlich gemacht, daß es prinzipiell nicht der Sinnesart Catilinas entspricht, pietas an den Tag zu legen.227 In §33 macht Cicero nochmals klar, daß es um das Wohlergehen der res publica und ihrer Bürger respektive um den Untergang ihrer Gegner geht; diese sind in vielfältiger Weise als impii charakterisiert.228 221 222 223

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… homines … scelerum foedere inter se … coniunctos. Zum Kontext vgl. S. 218ff. Vgl. auch hierzu S. 106ff. Dies gilt auch für §33. Streng genommen ist natürlich nicht auszuschließen, daß das eine oder andere Verbrechen, das einem hier in den Sinn kommen kann, für sich betrachtet keine impietas darstellt. Nicht zuletzt die Verwendung des Begriffs im bisherigen Verlauf der Rede dürfte aber dafür sorgen, daß man auch hier grundsätzlich an Verbrechen denkt, die impietas darstellen. §§17; 18; 22; 27; 33. – Etwas aus dem Rahmen fällt §15, wo Cicero an den Plan Catilinas erinnert, die Konsuln des Jahres 65 zu ermorden, und meint, nicht eine Einsicht oder die Furcht Catilinas, sondern fortuna populi Romani hätte dessen scelus und furor entgegengestanden: Die Assoziation ›scelus – impietas‹ dürfte hier von dem sehr viel stärkeren Bild überlagert werden, das die Formulierung scelus ac furor aller Wahrscheinlichkeit nach insgesamt entstehen läßt: furor als Strafe der Götter für scelera. Scelus läßt hier also weniger an impietas denken; vielmehr bringt der Begriff eine der religiösen Konnotationen von furor zur Entfaltung. Vgl. S. 97ff. Was auch immer Unruhe verursacht habe, Catilina werde gefürchtet, es scheine, es könne kein Anschlag gegen die patria angefangen werden, der seinem scelus fremd sei. – Catilina hat es also so weit gebracht, daß man ihn in jedem Fall als Hintermann vermutet; darauf gründet die patria ihre Forderung, er solle Rom verlassen und sie von ihrer Furcht befreien. Zu diesen exempla vgl. S. 164ff., 167 mit 171 und 173. Quamquam quid loquor? Te ut ulla res frangat, tu ut umquam te conligas, tu ut ullam fugam meditere, tu ut ullum exsilium cogites? Utinam tibi istam mentem di immortales duint! – Doch was rede ich? Als ob dich irgendeine Sache brechen würde, als ob du dich jemals zusammennehmen würdest, als ob du über irgendeine Flucht nachdenken würdest, als ob du an irgendein Exil denken würdest? Wenn doch die unsterblichen Götter dir diese Sinnesart gäben! Vgl. dazu auch S. 183ff.

scelus, scelerati, scelerate

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So ist es kaum vorstellbar, daß es erst der Begriff scelus gewesen sein könnte, der im jeweiligen Zusammenhang den Aspekt impietas in die Argumentation eingebracht hat. Dies geschah vielmehr durch das jeweils angesprochene Faktum selbst,229 nicht selten außerdem durch den Kontext. So gesehen tritt die im oben beschriebenen Sinn religiöse Konnotation des Begriffs nicht in den Vordergrund.230 Zum Tragen kommt sie aber dennoch: Zum einen stellt sie eine Bestätigung des Offensichtlichen – es geht um impietas – und damit eine Betonung dieses Faktums dar. Zum andern trägt sie dazu bei, die Atmosphäre, die Cicero an der jeweiligen Stelle mit seiner Schilderung schafft, zu erhalten, während ein anderer Begriff – zu denken wäre an crimen oder auch an facinus – vom Thema impietas ablenken und etwa in die juristische Sphäre führen würde.231 Last but not least sorgt die Häufigkeit, mit der Cicero den Begriff verwendet, in der Gesamtschau der Rede dafür, daß scelus zum Etikett des Unterfangens Catilinas wird – zu einem Etikett, das neben der Assoziation ›Verbrechen‹ eben die Assoziation ›impietas‹ provoziert. Entsprechendes kann für die Verwendung des Begriffs scelerati in §23 konstatiert werden. Hier bezeichnet Cicero die Mitstreiter Catilinas auf diese Weise als ›Verbrecher‹ im Sinn von ›durch scelera Befleckte‹. Dies geschieht zu Beginn einer Reihe von Aufforderungen, mit denen er Catilina dazu aufruft, sich von der res publica zu separieren. In dieser Reihe tritt das Element der impietas immer deutlicher hervor, am Ende gar ausgesprochenermaßen: Sie gipfelt in der Aufforderung exsulta impio latrocinio.232 Die Bezeichnung der Mitverschworenen als scelerati erscheint in zweifacher Hinsicht angemessen: Scelerati sind sie offenkundig aufgrund ihrer bisherigen Aktivitäten, sie sind es aber auch angesichts der von ihnen geforderten, will heißen, künftig von ihnen zu befürchtenden Aktivitäten. Es ist 228

229 230

231 232

Nicht nur durch selera aller Art, auch durch parricidium sind sie Catilina verbunden. Sie sollen, will heißen, sie werden zu einem bellum impium aufbrechen. Sie bedrohen die Tempel, die Häuser und Mauern der Stadt, Leben und Vermögen der Bürger, sie sind Feinde der Guten, Feinde der patria, Räuber Italiens; sie sind nicht nur durch ein foedus scelerum, sondern auch durch eine societas nefaria miteinander verbunden. Zur Konnotation ›impietas‹ der Begriffe parricidium und latrocinium, zur pietas erga patriam, zum Zusammenhang von nefas und impietas vgl. S. 174ff., 192f., 169f., 188f. Besonders deutlich ist dies in §14, wo Cicero die Ermordung von Ehefrau und Sohn als scelera bezeichnet. Vgl. S. 174f., 179. In §18 ist allerdings zu überlegen, ob die Verwendung des Begriffs nicht immerhin eine signifikante Betonung der Tatsache darstellt, daß es um pietas bzw. impietas geht. Auffallend ist jedenfalls, daß die termini, mit denen Cicero die früheren Verbrechen Catilinas kennzeichnet (facinus, flagitium), in Sachen ›pietas‹ gleichsam neutral sind, obwohl es auch hier um Handlungen geht, die impietas dokumentieren (multorum civium neces, vexatio direptioque sociorum, neglegere, evertere, perfringere leges et quaestiones; vgl. S. 171). Erst als es um die patria insgesamt geht und die Untaten Catilinas als gänzlich unerträglich für die patria charakterisiert werden sollen, kommt der Begriff scelus, der den Kern des Vorwurfs, impietas, in sich trägt, zum Zug. So trägt er zur Plausibilisierung der Behauptung bei, nun sei die Situation unerträglich geworden. In §33 dürfte sie zudem, neben anderen Faktoren, immerhin einen gewissen Anteil daran haben, daß man tatsächlich primär an scelera denkt, die die pietas tangieren. … egredere cum importuna sceleratorum manu, confer te ad Manlium, concita perditos civis, secerne te a bonis, infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio … – … gehe hinaus mit der rücksichtslosen Schar von Verbrechern, begib dich zu Manlius, biete die verlorenen Bürger auf, sondere dich von den Guten ab, überziehe die patria mit Krieg, erhebe dich durch pflichtvergessene Räuberei … Genaueres zur Bedeutung dieser Aufforderungen s.u. S. 190, 192ff.; Genaueres zu ihrem Kontext s.u. S. 168, 171.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

aber nicht der Begriff scelerati, der den Aspekt impietas in den Gedankengang einbringt. Deutlich wird dies nicht nur, wenn man den weiteren, sondern bereits, wenn man den unmittelbaren Kontext betrachtet: Cicero bezeichnet die Mitstreiter Catilinas nicht einfach als scelerati, sondern als sceleratorum manus; mit der Bezeichnung als ›Schar‹ verleiht er ihnen eine militärische Note und lenkt das Augenmerk auf die physische Bedrohung, die von ihnen ausgeht,233 und damit auf den handgreiflichsten Aspekt ihrer impietas. Die zusätzliche Bezeichnung der manus als importuna, ›unzugänglich‹ im Sinn von ›rücksichtslos, brutal‹, verstärkt diesen Effekt. Wirkungsmächtig ist die Bezeichnung scelerati dennoch: durch das Zusammenspiel ihrer drei sich gegenseitig verstärkenden Elemente gibt die Formulierung importuna sceleratorum manus der Reihe der Aufforderungen zu impietas eindrucksvoll die Linie vor. Noch weiter in den Hintergrund treten die Anklänge an impietas im Fall der Verwendung des Begriffs scelerate in §27. Hier stellt Cicero fest, er habe erreicht, daß das, was Catilina in ›verbrecherischer‹ Weise angefangen habe, eher Räuberei als Krieg genannt werde.234 Offenkundig kann die Formulierung scelerate susceptum zwar daran denken lassen, daß hier ein Unterfangen angesprochen ist, das der pietas zuwiderläuft, zumal das latrocinium Catilinas in §23 explizit als impium charakterisiert worden war. Cicero legt den Ton hier jedoch in dominierender Weise auf strafrechtliche, unter anderem mithilfe der Paronomasie consul/exsul vor allem aber auf staatsrechtliche Aspekte.235 So dürfte man hier in erster Linie hören: Das Unterfangen Catilinas ist scelerate susceptum, sein Krieg nicht bellum, sondern latrocinium, weil ihm das imperium des Konsuls, weil seinem Krieg die rechtliche Grundlage fehlt.

o di immortales! (§9) Nachdem Cicero Catilina aufgefordert hat, seine Pläne, die alle entdeckt seien, aufzugeben (§6), resümiert er die Ereignisse der letzten Wochen (§§7–10). Als er in diesem Zusammenhang auf das Treffen Catilinas mit seinen Mitverschwörern im Haus des M. Porcius Laeca zu sprechen kommt und feststellt, daß einige der Beteiligten im Senat zugegen sind, unterbricht er seinen Bericht, um eindringlich auf den Widersinn der Situation hinzuweisen: Er, der Konsul, beziehe Personen in die Beratung über die Lage der res publica ein, die selbst an der Verschwörung beteiligt seien. Diese digressio leitet Cicero durch eine Anrufung der Götter ein (§9). Da er mit O di immortales! die Götter direkt anspricht,236 scheinen auch die nachfolgenden Fragen Ubinam gentium sumus? Quam rem publicam habemus? In qua urbe 233 234

Vgl. S. 105f. zu manus coniuratorum (§12). Tantum profeci, cum te a consulatu reppuli, ut exsul potius temptare quam consul vexare rem publicam posses atque ut id quod esset a te scelerate susceptum latrocinium potius quam bellum nominaretur. – Soviel habe ich erreicht, als ich dich vom Konsulat abgehalten habe, daß du die res publica eher als exsul attackieren denn als consul erschüttern kannst und daß das, was von dir in verbrecherischer Weise angefangen wurde, eher Räuberei als Krieg genannt wird. 235 Genaueres s.u. S. 195. 236 Oh, ihr unsterblichen Götter! Vgl. Bailly: O dieux immortels!; Berry: Immortal gods! Die Übersetzung von Fuhrmann, Bei den unsterblichen Göttern!, läßt dagegen eher an eine Bekräftigung des Wahrheitsgehalts des Gesagten denken; diejenige von Kasten, Mein Gott!, betont die Empörung Ciceros. Die Vielschichtigkeit der rhetorischen wie inhaltlichen Wirkungsmöglichkeiten von o di immortales! wird so nicht deutlich.

o di immortales!

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vivimus?237 an die Götter gerichtet zu sein. Erst im nachfolgenden Satz wendet Cicero sich mit der Anrede patres conscripti unmittelbar an die Senatoren: in ihrer Versammlung seien Leute, die das Verderben Roms wollen. Durch die Einbeziehung der Götter erweitert Cicero gewissermaßen sein Publikum. So sind die rhetorischen Fragen, die er an die Anrufung anschließt, nicht unmittelbar an seine Zuhörer im Senat gerichtet. Dadurch verringerte Cicero das Risiko, daß diejenigen, die die Lage insgesamt nicht für so gefährlich238 und folglich auch die Situation nicht für so empörend hielten, seine Ausführungen als überzogen und schulmeisterlich empfinden konnten und ihm dann womöglich mit weniger Wohlwollen zugehört hätten. Dieser Kunstgriff ermöglichte es Cicero außerdem, den Stil, in dem er seine Ausführungen vortrug, zu variieren: In die an die Götter gerichteten Fragen konnte er wesentlich mehr Pathos legen als in die Worte, die die Senatoren direkt auf sich beziehen mußten, ohne daß dies unangemessen wirkte. So schuf Cicero sich die Möglichkeit, seine Empörung sehr deutlich auszudrücken, was wiederum dazu beitragen mochte, die Senatoren aufzurütteln und gegen Catilina einzunehmen. Zu überlegen ist freilich, ob die Einbeziehung der Götter mehr als ein rein rhetorisches Mittel ist, ob sich in ihrer Anrufung nicht darüber hinaus ein inhaltliches Argument verbirgt. Cicero setzt voraus, daß die Götter ihm auf seine Fragen in seinem Sinn antworten und ihm bei seiner Einschätzung der Situation folgen würden. Genauer gesagt setzt er voraus, daß sein Publikum dieses Szenario akzeptiert. So ruft Cicero die Götter gewissermaßen als Autorität an239 und reklamiert sie auf diesem Weg gleichzeitig für seine Position. Um ein Mißverständnis zu vermeiden: Hier von einer Instrumentalisierung (im pejorativen Sinn des Worts) zu sprechen oder zumindest Ansätze dazu zu vermuten, wäre m.E. jedoch verfehlt. Dies zeigt der Vergleich mit der Praxis der Götteranrufung in Ciceros privaten Briefen. Hier benutzte er derartige Anrufungen der Götter zuhauf, dies signifikanterweise aber – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen –240 nicht, wenn es um persönliche bzw. emotionale Dinge ging, sondern im Kontext politischer oder militärischer Thematik.241 Offenbar gehörten derartige Anrufungen zum öffentlichen Leben, hatten ihren Platz in der res publica; in politischem und militärischem Zusammenhang hielt man sie für angemessen. 237

238 239 240 241

Wo denn unter den Völkern sind wir? Welche res publica haben wir? In welcher Stadt leben wir? – Zum Verständnis des Interrogativpronomens quis, quae, quid (quam und qua, Akk. bzw. Abl.f.) vgl. Maclardy z.St. Cicero fragt hier nicht nach der Qualität (›was für eine …?‹) und damit nach dem Zustand der res publica und der urbs, sondern gewissermaßen viel fundamentaler und im Gleichklang mit der ersten Frage nach der Sache bzw. dem Ort selbst: ›Wo unter den Völkern sind wir? In welchem Staatswesen? In welcher Stadt?‹ Die intendierte Antwort dürfte sein: ›In Rom? In dieser besonderen res publica? – Das kann nicht sein: In Rom sitzen doch keine Verschwörer im Senat!‹. Vgl. dazu auch S. 46ff., 76f. So gesehen ist die Übersetzung von Fuhrmann (s.o. Anm. 236) treffend. Nennen könnte man etwa Cic. Att. 8,4,1; 14,9,1. Darauf weisen Beard, Crawford 21999, 30f. hin, für die dieser Befund Beleg für den öffentlichen Charakter römischer Religion ist. Die themenspezifische Verwendung dieser Anrufungen zeige auch, daß ihr Gebrauch – so konventionalisiert und unreflektiert er auch sein mochte – nicht beliebig war.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Je nach der ›Konstitution‹ des jeweiligen Zuhörers konnte die Anrufung der Götter verbunden mit den nachfolgenden rhetorischen Fragen an dieser Stelle als rhetorisches Mittel, durch die politische Aussage oder durch den religiösen Zusammenhang wirken. In keinem Fall wirkte die so vermittelte ›Botschaft‹ abstoßend.

sanctissimus (§§9; 29) Sanctus hat im Lauf der Zeit eine breite Bedeutungspalette entwickelt; dabei ist die Semantik des Wortes im Einzelnen ausgesprochen nuancenreich.242 Zunächst sind Sachen, Orte oder Ämter sanctus, die durch eine sanctio abgesichert werden, die also ›garantiert‹ sind. Sanctio meint dabei i.a. Gesetzesklauseln, die die Verwirklichung der betreffenden lex sichern sollen.243 Aus dieser Grundbedeutung geht die zweite Hauptbedeutung hervor: Sanctus bezeichnet ›zu achtende‹ oder ›geachtete‹ Dinge und Personen. Daraus entwickelte sich die dritte Verwendung des Wortes: Sanctus bezeichnet, was ›göttlich‹ oder ›zu einer Gottheit gehörig‹ ist. Auf Menschen bezogen meint sanctus dann beispielsweise eine Begabung göttlichen Ursprungs, einen ›moralischen‹ Lebensstil,244 die Verehrungswürdigkeit. Mit Religion hat der Begriff also in vielen Fällen und, im Detail, in unterschiedlicher Weise zu tun, bei weitem aber nicht in allen. Als Cicero seiner Empörung über die Anwesenheit eines Teils der Verschwörer im Senat Ausdruck verleiht, charakterisiert er den Senat als orbis terrae sanctissimum gravissimumque consilium (§9).245 Für die Bezeichnung des Senats als sanctus kommen grundsätzlich zwei Erklärungen in Frage.246 Sanctus kann der Senat sein, weil seine Versammlungen auch religiösen Charakter haben: So tagt er in einem templum.247 Sanctus ist er aber auch in profaner Hinsicht: In ihm ist die gesamte ›autorité morale‹248 versammelt, in ihm kulminieren die Eigenschaften, die die Römer anstreben und die sie ihrem Selbstverständnis zufolge auszeichnen. Daher 242

243 244

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Grundlegend Fugier 1963, 179–197, 249–292; vgl. Santi 2004, 93–97, 199–213; vgl. auch Link 1910; zusammenfassend Wardle 2001. Vgl. Fugier l.c. und Fugier 1986, 38–53 (mit de Souza 2004, 19f.; Santi 2004, 182–199) auch zur Abgrenzung von den Begriffen sacer und sacrosanctus; de Souza 2004 zum Verhältnis der Begriffe sanctus, sacer und religiosus (bes. 83–87 zu Ciceros Sprachgebrauch); ebenso Santi 2004, 85–97, 175–182, 213–224. Dabei kann ein sakraler Akt, etwa ein Eid, eine Rolle spielen; dies ist aber nicht immer gegeben. Daraus erklärt sich dann schließlich auch die Verwendung des Begriffs für den römischen Kaiser und für die christlichen Heiligen (Wardle 2001, 32). Paradebeispiel des sanctus ist Cato d.J. (Fugier 1963, 259–270); vgl. etwa Val. Max. 2,10,8 … sed omnibus numeris perfecta virtus. Quae quidem effecit ut quisquis sanctum et egregium civem significare velit, sub nomine Catonis definiat. – … aber in jeder Hinsicht vollkommen war seine virtus. Diese nämlich bewirkte, daß, wer einen vorbildlichen und hervorragenden Bürger bezeichnen will, ihn mit dem Namen ›Cato‹ bezeichnet. Hic, hic sunt nostro in numero, patres conscripti, in hoc orbis terrae sanctissimo gravissimoque consilio, qui de nostro omnium interitu, qui de huius urbis atque adeo de orbis terrarum exitio cogitent. – Hier, hier unter uns, patres conscripti, in diesem ehrwürdigsten und würdevollsten Rat der Welt, sind Leute, die auf unser aller Untergang, die auf das Verderben dieser Stadt und sogar der Welt denken. Fugier 1963, 191–193. Als sanctus in einem dritten Sinn, nämlich im Sinn von ›göttlich‹, verstanden als ›Gott seiend‹ (vgl. dazu Fugier 1963, 286–290), begegnet der Senat erst in der kleinasiatischen Münzprägung augusteischer Zeit – hier als ἱερά bzw. θεὸς σύγκλητος (Kienast 1985). Templum verstanden als locus inauguratus; vgl. Cipriano 1983, passim, bes. 25f., 86 (mit Linderski 1986a, 335–340). Fugier 1963, 192.

sanctissimus

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findet das Wort besonders dann Anwendung, wenn es darum geht, die Überlegenheit des römischen gegenüber anderen Völkern zu behaupten oder zu rechtfertigen, oder aber wenn es um die vorbildlichen Verhältnisse im Rom früherer Zeiten geht. Beginnend in der Zeit Ciceros, verstärkt in der Kaiserzeit, entwickelt sich sanctus dann schließlich zum rein schmückenden, konventionellen Epitheton des Senats. Vergleicht man Ciceros Gebrauch der Begriffe sanctitas bzw. sanctus, sancte und ihre Steigerungsformen an anderen Stellen, so fällt auf, daß er sie zwar sehr häufig (insgesamt über zweihundert Mal) benutzt, sie sich, von unserer Stelle abgesehen, aber nur in einem Fall auf den Senat beziehen.249 Offenbar handelt es sich also, zumindest in Ciceros Sprachgebrauch, noch um keine gänzlich konventionelle Bezeichnung.250 Bei der Bezeichnung des Senats als sanctissimum251 consilium kommt an der zu diskutierenden Stelle die religiöse Konnotation des Wortes sanctus m.E. nicht zum Tragen.252 Die Verwendung von sanctissimus wie auch die von gravissimus ist vielmehr dadurch motiviert, daß Cicero hier mit dem Anspruch der Römer arbeitet, sie bzw. ihre res publica überträfen alle anderen,253 ihr Senat sei folglich vor allen anderen Ratsversammlungen ausgezeichnet, er sei der ›ehrwürdigste und würdevollste‹. Diesen Anspruch kontrastiert Cicero damit, daß sich in eben diesem Senat Verschwörer befinden, was eine Pervertierung der Vorstellung vom sanctissimus gravissimusque senatus darstellt. Wenn Cicero den Senat dennoch so 249

250

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Dies wiederum im Zusammenhang der Catilinarischen Verschwörung: Tum fore ut occultos populus sanctusque senatus / cernere conatus posset, si solis ad ortum / conversa inde patrum sedes populique videret. – Dann werde es dazu kommen, daß das Volk und der ehrwürdige Senat die verborgenen Versuche erkennen können, wenn es (das Bild des Iuppiter), zum Aufgang der Sonne gewandt, von dort aus die Sitze der Väter und des Volkes sehe (De consulatu suo, zitiert in div. 1,20); zum Kontext vgl. S. 80f. Man mag außerdem prov. 41 berücksichtigen wollen, wo es immerhin um die mentes der Senatoren in ihrer Gesamtheit geht (excipere fortunam, subire vim atque iniuriam malui, quam aut a vestris [sc. senatorum] sanctissimis mentibus dissidere, aut de meo statu declinare – ich wollte lieber jedes Schicksal auf mich nehmen, Gewalt und Ungerechtigkeit über mich ergehen lassen, als mich von eurer ehrwürdigen Denkart zu entfernen, oder von meinem Standpunkt abzuweichen). Die beiden oben Anm. 249 zitierten Stellen sind Fugier 1963, 193 jedoch Zeichen dafür, daß auch Cicero für die Banalisierung des Wortes – bezogen auf den Senat – mitverantwortlich ist. Und tatsächlich wirkt die Verwendung des Begriffs im ersten Fall inhaltlich unmotiviert, als müsse er nur dafür herhalten, den Hexameter zu vervollständigen, im zweiten Fall dient er vornehmlich der captatio benevolentiae. Der Superlativ deckt, von der Steigerung abgesehen, – soweit ich sehe – im Wesentlichen dasselbe Bedeutungsspektrum ab wie der Positiv; das ist angesichts der Tatsache, daß der Komparativ sanctior auch als Komparativ von sacer dient (Wardle 2001, 31; anders jedoch Benveniste 1969, 444f.), keine ganz triviale Feststellung. Vgl. aber unten Anm. 253. Ähnlich Fugier 1963, 192. Darauf, sich an diesen Anspruch zu erinnern, bereitet Cicero sein Publikum durch die direkt vorausgehenden Fragen Ubinam gentium sumus? Quam rem publicam habemus? In qua urbe vivimus? vor. Explizit formuliert er diesen Anspruch hier nicht, vielmehr evoziert er ihn durch die Bezeichnung des Senats als orbis terrae sanctissimum gravissimumque consilium. Man mag überlegen, ob sanctissimus dadurch, auf einem gedanklichen Umweg, nicht doch einen gewissen religiösen Beiklang gewinnt: In erster Linie sind es ja pietas und religio, worin die Römer nach ihrem eigenen Verständnis alle anderen Völker übertreffen; diese Tatsache gilt ihnen als eigentliche Ursache und Garant ihrer generellen Überlegenheit (so etwa Syll.3 601, 12–15 [193 v.Chr.]; Cic. har.resp. 19; nat.deor. 2,8; vgl. Pol. 6,56,6–8). Daß so der Senat durch das Attribut sanctissimus jedoch gleichsam eine Überhöhung erfährt, erscheint mir kaum vorstellbar.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

bezeichnet, so geht es ihm – vom rhetorischen, Aufmerksamkeit erregenden und Empörung ausdrückenden Effekt abgesehen – wohl auch darum, den Senat ›als solchen‹ von seiner faktischen Zusammensetzung zu unterscheiden. Der Senat als Institution muß unangreifbar sein, auch wenn er unwürdige Mitglieder hat; schließlich muß ja der Anspruch, orbis terrae sanctissimum gravissimumque consilium zu sein, aufrechterhalten werden. Auf diese Weise gestaltet Cicero gleichzeitig eine Art Fürstenspiegel – so sollte der Senat sein – und erhebt implizit die Forderung, man müsse dafür sorgen, daß Anspruch und Wirklichkeit wieder übereinstimmen. In den §§27–29 legt Cicero der mit Italien und der res publica ›vergesellschafteten‹ patria eine Rede in den Mund, in der sie Vorwürfe formuliert, die man gegen Cicero erheben könnte, weil er Catilina dazu bewegen will, Rom zu verlassen, anstatt ihn hinrichten zu lassen.254 In §29 ordnet Cicero diese Rede dann freilich alleine der res publica zu; dabei charakterisiert er ihre Worte als sanctissimae.255 Deutlich ist, daß Cicero patria hier in erster Linie als res publica verstanden wissen, die res publica aber von den Konnotationen der patria profitieren lassen möchte.256 Diese Konnotationen sind insofern auch religiöser Art, als sie mit der Vorstellung verbunden sind, man schulde der patria pietas. Die Wucht der Worte der patria rührt ganz wesentlich daher, daß sie einer in dieser Weise konnotierten Person in den Mund gelegt sind. So gesehen spricht Cicero mit der Charakterisierung dieser Worte als sanctissimae geradezu eine Selbstverständlichkeit aus. Geschuldet ist dieses Vorgehen einerseits sicherlich dem Bemühen, sein eigenes Verhältnis zur res publica ins rechte Licht zu setzen,257 andererseits aber wohl auch dem Bemühen, die Aura des Begriffs patria auf den der res publica zu übertragen, ist die res publica doch – bei aller Personifizierung – weniger emotionsbehaftet.258 Problemlos wird man sanctissimus hier im Sinn von ›ehrwürdig‹, da ›in höchstem Maß zu achten‹, verstehen. Angesichts der Überhöhung der patria ist freilich nicht auszuschließen, daß hier auch die Bedeutung ›ehrwürdig‹, da – in oben beschriebenem Sinn – ›göttlich‹, mit anklingt.

polliceri (§§9; 32) Polliceri – etwas ›versprechen‹, im Sinn von ›etwas zu leisten anbieten‹ – ist in aller Regel frei von religiösen Konnotationen.259 So ist es sicherlich auch in §9, wo Cicero berichtet, bei der Versammlung der Verschwörer im Haus des Laeca hätten sich zwei römische Ritter gefunden, die ›versprachen‹, ihn, Cicero, zu töten.260 254 255 256 257 258 259

Etenim si mecum patria quae mihi vita mea multo est carior, si cuncta Italia, si omnis res publica loquatur … His ego sanctissimis rei publicae vocibus … pauca respondebo. Genaueres dazu, wie auch zum Folgenden vgl. S. 168, 171f. Vgl. auch dazu S. 173f. Zu patria als dem im Vergleich zu res publica pathetischeren, in höherem Maß gefühlsbetonten, emphatischeren Ausdruck: Knoche 1952, bes. 329. Vgl. TLL 10.1, 2545–2556, die Ausnahmen Sp. 2548f. Z. 39–56 bzw. 16–23; vgl. Martín Rodríguez 1996, 657–661. Vgl. Martín Rodríguez auch zum Bedeutungsunterschied zwischen polliceri und den anderen verba promittendi: Während promittere, spondere und vovere die Verpflichtung des Versprechenden in den Ausdruck der Bereitschaft, etwas zu leisten, mit einschließen, ist dies bei polliceri nicht der Fall. Bei polliceri liegt der Ton darauf, daß der Versprechende etwas an-

purgare

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Polliceri kann aber auch benutzt werden, um auszudrücken, daß Orakel und Wahrsager,261 oder auch die Vögel bei den auspicia262 etwas ›versprechen‹, etwas ›verheißen‹. Wenngleich dieser Gebrauch des Begriffs nur in wenigen Fällen belegt ist, ist er möglicherweise aber doch nicht allzu ungewöhnlich gewesen. In diese Richtung weist §32. Hier ›verspricht‹ Cicero den Senatoren, daß bei den Konsuln die Achtsamkeit, beim Senat die auctoritas, bei den Rittern die virtus und bei allen boni die Übereinstimmung so groß sein werde, daß sie durch die Abreise Catilinas alles aufgeklärt und geahndet sehen werden.263 Isoliert betrachtet, ist hier kein Anklang religiöser Art – im eben beschriebenen Sinn – zu entdekken. Im folgenden Satz264 bezieht Cicero sich jedoch auf die Worte, die er eben gesprochen hat, als omina, also als Zeichen, die etwas ›verheißen‹.265 Im Rückblick erweist sich die Wahl des Begriffs polliceri so als besonders passend, und, so gesehen, mochte auch seine religiöse Konnotation aufscheinen.

purgare (§10) In §10 fordert Cicero Catilina auf, Rom zu verlassen. Er solle auch alle seine Leute hinausführen – und, wenn nicht alle, so doch möglichst viele; er solle die Stadt reinigen.266 Purgare bedeutet ›rein machen‹; dies in handwerklichem (›putzen‹) und in medizinischem Sinn, aber auch übertragen im Sinn von ›sich von einer Beschuldigung rein machen‹, d.h. ›sich entschuldigen‹ oder ›sich rechtfertigen‹. In kultischem Zusammenhang wird purgare im Sinn von ›sühnen‹ verwandt.267 Auf den ersten Blick scheint Cicero hier keiner der denkbaren Assoziationen – der handwerklichen, der medizinischen oder der kultischen – deutlich den Vorzug zu geben.268 Pur259

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bietet, bei promittere, spondere und vovere darauf, daß er sich verpflichtet, sein Versprechen einzulösen. (Promittere, spondere und vovere unterscheiden sich ihrerseits dadurch, daß spondere und vovere ein formelles Versprechen meinen, promittere jedoch nicht; anders als bei spondere ist der Adressat des Versprechens im Fall von vovere schließlich eine Gottheit.) Reperti sunt duo equites Romani qui … se … me … interfecturos esse pollicerentur. TLL 10.1, 2549 Z. 16–23. Vgl. Flor. epit. 1,1,7: Sic victor augurio urbem excitat, plenus spei bellatricem fore; id adsuetae sanguine et praeda aves pollicebantur. – So Sieger im augurium, erbaut er (Romulus) die Stadt, voller Hoffnung, sie werde kriegerisch sein; dies ›verhießen‹ die an Blut und Beute gewohnten Vögel. (Bei Livius selbst ist von dieser Hoffnung des Romulus und von dieser Interpretation des Erscheinens der Vögel nicht die Rede.) Flor. epit. 1,1,7 ist im TLL, soweit ich sehe, nicht verzeichnet. Polliceor hoc vobis, patres conscripti, tantam in nobis consulibus fore diligentiam, tantam in vobis auctoritatem, tantam in equitibus Romanis virtutem, tantam in omnibus bonis consensionem ut Catilinae profectione omnia patefacta, inlustrata, oppressa, vindicata esse videatis. Vgl. S. 214f. Hisce ominibus, Catilina, … proficiscere ad … bellum … Ganz ähnlich Maclardy zu videatis und ominibus und noch deutlicher Sternkopf zu tantam in vobis etc., der meint, polliceri (›verheißen‹) nähere sich hier dem Begriff des augurari (›vorausahnend prophezeien‹), weshalb es weiter unten auch heiße: hisce ominibus … proficiscere. Educ tecum etiam omnis tuos, si minus, quam plurimos; purga urbem. Fugier 1963, 351f.; vgl. Riquelme Otálora 1982; Fugier 1986, 70–72; Riquelme Otálora 1987; TLL 10.2, 2689 s.v. purgo I. B.2b. Vgl. Fugier 1963, 331–369; Fugier 1986, 70–77 auch generell zur expiatio und zu dem ›Sühnung‹ beschreibenden Vokabular; Saladino 2004 zusammenfassend zu kultischer Reinigung. Vgl. Dyck z.St.

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gare handwerklich verstehen wird ein Rezipient, wenn er purga urbem mit einer Überlegung in Zusammenhang bringt, die Cicero in §12 anstellt. Hier meint Cicero: Wenn er befehlen würde, Catilina zu töten, würde die übrige Schar der Verschworenen in der res publica zurückbleiben. Wenn Catilina aber die Stadt verlasse, würde das umfangreiche und gefährliche Bilgewasser der res publica, Catilinas Begleiter, aus der Stadt ausgeschöpft werden.269 Purgare mit einem medizinisches Bild assoziieren wird ein Rezipient, wenn er purga urbem mit §31 in Verbindung bringt. Hier vergleicht Cicero den gegenwärtigen Zustand der res publica ausführlich mit der Lage, in der sich ein Kranker befindet: Wie Kranke, wenn sie kaltes Wasser trinken, sich zunächst zu erholen scheinen, nachher aber umso schwerer von ihrer Krankheit heimgesucht werden, so würde die Bestrafung Catilinas, würde nur er alleine beseitigt, die Krankheit (morbus), die in der res publica sei, nur scheinbar und kurzfristig lindern; durch die überlebenden Verschwörer würde sie tatsächlich verschlimmert werden.270 Purgare mit der Vorstellung eines kultischen Vorgangs verbinden, dürfte ein Rezipient, wenn er die Aufforderung purga urbem mit dem Vorwurf der impietas in Zusammenhang bringt, den Cicero auf vielfältige Weise gegen Catilina erhebt.271 Die Basis für all diese Assoziationen legt Cicero freilich erst im Nachhinein.272 Wesentlich dafür, mit welchem Bild – zumindest beim erstmaligen Hören – ein Rezipient purgare verbindet, ist also sicherlich der unmittelbare Kontext. So dürfte ausschlaggebend sein, daß hier die urbs der Gegenstand des purgare ist. Konkret gereinigt wurde ›die Stadt‹ nun freilich kultisch. So ist es nicht ganz unwahrscheinlich, daß man, hört man urbem purgare, tatsächlich primär an einen kultischen Vorgang denkt, etwa an den der lustratio urbis.273 Offenkundig ist, daß die Aufforderung purga urbem, nimmt man die religiöse Konnotation von purgare wahr, nicht nur sarkastisch ist – schließlich wird Catilina selbst zur Reinigung aufgefordert –, sondern einen besonders schweren Vorwurf beinhaltet: Ist eine gleichsam kultische Reinigung erforderlich, bedeutet dies ja auch, daß der Anlaß dieser Reini269

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… si te interfici iussero, residebit in re publica reliqua coniuratorum manus; sin tu … exieris, exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et perniciosa sentina rei publicae. Vgl. Riquelme Otálora 1987, 19, der Cic. Cat. 1,10 – freilich ohne den Kontext zu diskutieren – als Beispiel für den metaphorischen Gebrauch von purgare anführt, wobei er purgare in physischem Sinn versteht. … si … iste unus tolletur, videbimur fortasse ad breve quoddam tempus cura et metu esse relevati, periculum autem residebit et erit inclusum penitus in venis atque in visceribus rei publicae. Ut saepe homines aegri morbo gravi … si aquam gelidam biberunt, primo relevari videntur, deinde multo gravius vehementiusque adflictantur, sic hic morbus, qui est in re publica, relevatus istius poena vehementius reliquis vivis ingravescet. In den §§2; 11 und 30 bezeichnet Cicero Catilina, seine Pläne und die Verschwörung als pestis; die medizinische Konnotation dieses Begriffs wird jedoch erst in dem mit unserer Stelle in Verbindung stehenden §30 geweckt. Ausgangspunkt dieses Gedankens wären folgende Vorstellungen: Da impietas die pax deorum bedroht, betrifft sie nicht nur denjenigen, der ›pflichtvergessen‹ ist – Catilina also –, sondern die Gemeinschaft der Bürger insgesamt, gleichsam die urbs; vgl. dazu S. 187f. Wieder pius zu werden, erfordert ›Sühnung‹ (expiatio). Ein Aspekt der expiatio – streng genommen ein sie vorbereitender Schritt – ist der Akt des ›Reinigens‹ (purgare); vgl. Fugier 1963, 352. Zum Vorwurf der impietas s.u., vor allem S. 174ff., 187ff., aber auch S. 129ff., 167ff., 190ff. Die der handwerklichen in §12, die der medizinischen in §31, die der kultischen ab §17, wo der Vorwurf der impietas in der Bemerkung nunc te patria quae communis est parens omnium nostrum odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare erstmals deutlich zu fassen ist. Vgl. etwa Lucan. 1,592–606, bes. 592–595: Mox iubet (sc. Arruns, ein etruskischer vates aus Luca) et totam pavidis a civibus urbem / ambiri et festo purgantes moenia lustro / longa per extremos pomeria cingere fines / pontifices, sacri quibus est permissa potestas.

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gung, d.h. Catilina und seine Mitstreiter respektive ihr Unterfangen, letztlich ein piaculum darstellen.

magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia (§11) Nachdem Cicero berichtet hat, was er über die Beratung der Verschwörer im Haus des Laeca erfahren und wie er einen Mordanschlag auf seine eigene Person vereitelt hat (§9f.), fordert er Catilina eindringlich auf, seinem – Catilinas – eigenem Plan folgend, die Stadt zu verlassen (§10). Damit ist eines der Hauptziele der Rede formuliert. Zur weiteren Argumentation leitet Cicero mit der Feststellung über, den Göttern, zumal Iuppiter Stator, gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei (§11).274 Zwei Formulierungen, die Cicero in diesem Zusammenhang gewählt hat, sind recht dunkel – oder jedenfalls schillernd.275 Wie man sie versteht, hat Einfluß auf die Interpretation der Stelle unter dem Aspekt der vorliegenden Untersuchung. Daher seien sie etwas eingehender diskutiert. Zum Verständnis von effugimus und in uno homine Zunächst ist zu fragen, wie effugimus zu verstehen ist. Handelt es sich um einen faktischen Plural, will Cicero also sagen, den Göttern gebühre Dank, weil ›wir‹, die Konsuln, die Senatoren, die Stadt Rom, Italien, die ganze Welt Catilina entkommen sind,276 oder handelt es sich um einen pluralis modestiae, gebührt den Göttern also Dank, weil er, Cicero, Catilina entkommen ist?277 Im Fortgang des Textes stößt man auf eine weitere Schwierigkeit. Cicero fordert, man dürfe das Wohlergehen der res publica nicht noch öfter ›in einem Menschen‹ in Gefahr 274

Magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia, quod hanc tam taetram, tam horribilem tamque infestam rei publicae pestem totiens iam effugimus. – Großen Dank wissen muß man den unsterblichen Göttern und gerade diesem Iuppiter Stator hier, dem ältesten Hüter dieser Stadt, weil wir dieser so abscheulichen, so entsetzlichen und der res publica so gefährlichen Geißel so oft schon entkommen sind. Daß mit pestis Catilina (und seine Anhänger), nicht etwa ein grundsätzlicheres in unterschiedlicher Gestalt immer wieder auftretendes Problem der res publica gemeint ist, geht aus dem Kontext deutlich hervor: Zuvor ist in §10, danach in §11 ganz konkret von den Anschlägen Catilinas die Rede. Das Bild der Geißel gibt den Begriff hier wohl am treffendsten wieder, anders in den §§2 und 33, wo mit pestis allgemeiner das Verderben bezeichnet ist, und anders als in §30, wo Cicero das Bild von der Krankheit ›Catilina‹ zu malen beginnt. 275 Dies sicherlich beabsichtigtermaßen: vgl. S. 145. 276 Vgl. etwa §9: … sunt nostro in numero … qui de nostro omnium interitu, qui de huius urbis atque adeo de orbis terrarum exitio cogitent – … unter uns … sind Leute, die auf unser aller Untergang, die auf das Verderben dieser Stadt und sogar der Welt denken. 277 Maclardy erklärt unter Verweis auf die sogenannte Erste Catilinarische Verschwörung und Catilinas fehlgeschlagene Versuche, den Konsulat zu erlangen, nos sei als Subjekt von effugimus zu verstehen. Fuhrmann übersetzt wir. Da seine Wiedergabe von haec tam taetra, tam horribilis tamque infesta rei publicae pestis durch dieses Scheusal, eine derart entsetzliche und derart staatsgefährliche Geißel den Ton deutlich auf die Gefährdung der res publica legt, darf man wohl schließen, auch er halte den faktischen Plural für wahrscheinlicher. Auch Haury tendiert offenbar zum faktischen Plural (vgl. den Kommentar zu in uno homine). Anders jedoch Tabachovitz 1949, 137.

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bringen.278 Hier ist zu klären, ob damit gesagt sein soll, daß die res publica in dem Sinn ›in einem Menschen‹ in Gefahr gebracht wird, daß die Gefahr von diesem Menschen ausgeht, oder in dem Sinn, daß die res publica in Gefahr ist, weil nur dieser eine Mensch der Gefahr entgegensteht. Mit diesem Menschen wäre im ersten Fall Catilina, im zweiten Fall Cicero gemeint.279 Zur Klärung dieser Fragen kann m.E. ganz wesentlich die Berücksichtigung des direkten Kontexts der Stellen beitragen.280 Zunächst ist festzuhalten, wovon unmittelbar vor den fraglichen Formulierungen die Rede war, denn dadurch dürfte das Verständnis des Höreres zunächst geprägt sein. Cicero berichtete von dem jüngsten Attentatsversuch auf seine Person und von seinen Gegenmaßnahmen und stellte fest, daß Catilina ihn, Cicero, von Furcht befreien werde, wenn er die Stadt verlasse. Er spricht also von der Gefahr, in der er sich selbst sieht (§10). Daran knüpft Cicero bei der Begründung seiner Feststellung, den Göttern gebühre Dank, sehr deutlich, fast explizit an: Ihnen gebührt Dank, weil ›wir‹ so oft schon (totiens iam) entkommen sind. Totiens iam läßt an konkrete Ereignisse denken; das Ereignis, das gerade genannt wurde, ist aber besagter Anschlag auf Cicero. Dies dürfte zumindest dafür sorgen, daß der Hörer in Erwägung zieht, effugimus für einen pluralis modestiae zu halten.281 In dieser Vermutung wird der Hörer durch die folgenden Sätze bestärkt, in denen erneut von Anschlägen Catilinas auf Cicero die Rede ist. Den eigentlichen Schlüssel zum Verständnis gibt Cicero seinen Hörern dann, zumindest für in uno homine, am Ende von §11 in die Hand. Eingeleitet durch denique bietet Cicero 278

Non est saepius in uno homine summa salus periclitanda rei publicae. – Es darf nicht (noch) öfter in einem Menschen das ganze Wohl der res publica in Gefahr gebracht werden. 279 Man hat versucht, diese Unklarheit durch den Vergleich mit entsprechenden Formulierungen im Griechischen zu klären. So plädiert Sternkopf u.a. unter Hinweis auf Thuk. 2,35 dafür, in uno homine auf Cicero zu beziehen. Tabachovitz 1949, 136f. und Maslowski halten es sogar für möglich, daß genau diese Thukydidesstelle Cicero bei seiner Formulierung als Vorbild vorschwebte. Einen Gräzismus zu bemühen, scheint mir freilich nicht unbedingt nötig zu sein. So findet sich die Formulierung in uno homine auch bei Plin. epist. 1,22,1 (… ut mihi non unus homo, sed litterae ipsae omnesque bonae artes in uno homine summum periculum adire videantur – … so daß mir nicht ein Mensch (der krank ist), sondern die Wissenschaft selbst und alle guten Künste in (diesem) einen Menschen der höchsten Gefahr ausgesetzt zu sein scheinen). Hier paßt in uno homine problemlos in die Logik des Satzes und wirkt durchaus ›lateinisch‹. So hat die Überlegung von Haury z.St. viel für sich, die Unklarheit komme daher, daß Cicero sich der Leidenschaftlichkeit halber so knapp ausgedrückt habe. Vgl. auch Dyck, der meint, die Ähnlichkeit der Formulierungen bei Thukydides und Cicero sei wahrscheinlich zufällig. – Auch Maclardy meint, Cicero spreche von sich selbst und hält auch, wiederum unter Berufung auf Thuk. 2,35, die Formulierung für einen Gräzismus, stützt seine Interpretation aber nicht darauf, sondern auf die Einschätzung, der Satz wäre, bezogen auf Catilina, witzlos und unnötig. Criniti tendiert ebenfalls zu der Auffassung, in uno homine meine Cicero, betont aber, daß die Interpretation dieser Stelle sehr umstritten sei. Fuhrmann freilich übersetzt das gesamte Staatswohl darf nicht noch öfters durch eine Person in Bedrängnis geraten; seiner Auffassung nach ist also wohl Catilina gemeint; vgl. noch deutlicher Bailly, der stark interpretierend non, il ne faut pas que l’existence même de la patrie soit une fois de plus à la merci d’un seul homme übersetzt. Funaioli z.St. erklärt ausdrücklich, Catilina sei gemeint. Auch Haury tendiert zu dieser Auffassung, betont aber die Dunkelheit der Formulierung. 280 So auch Tabachovitz 1949, 137 (mit knapper Argumentation). 281 Man mag einwenden, daß in diesem Zusammenhang doch auch von der Allgemeinheit die Rede sei (nobiscum versari iam diutius non potes – unter uns kannst du jetzt nicht länger weilen), non feram, non patiar, non sinam – ich werde es nicht ertragen, ich werde es nicht dulden, ich werde es nicht gestatten lenkt den Blick aber in eindrücklicher Weise wieder auf Cicero.

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eine Zusammenfassung des zuvor Gesagten: ›Und überhaupt‹, wie oft auch immer Catilina ihn angegriffen habe, habe er sich ihm mit eigenen Mitteln entgegengestellt, obwohl er gesehen habe, daß sein Verderben mit großem Schaden für die res publica verbunden wäre.282 Die so formulierte Quintessenz seiner Ausführungen, in der er explizit eine Verbindung zwischen seinem Wohlergehen und dem der res publica herstellt,283 bildet zusammen mit der fraglichen Formulierung non est saepius in uno homine summa salus periclitanda rei publicae gewissermaßen eine Klammer um die Aufzählung der Anschläge auf seine Person und seiner Gegenmaßnahmen. Dabei betont Cicero den privaten Charakter dieser Maßnahmen.284 Das ermöglicht ein konkretes Verständnis davon, was es heißen soll, per se habe er sich Catilina entgegengestellt und man dürfe nicht noch öfter in uno homine das Wohlergehen der res publica in Gefahr bringen: Momentan schützt nur Cicero die res publica, und zwar privatim; sollte er ausgeschaltet werden, steht sie schutzlos da. Kommen wir auf totiens iam effugimus zurück: Die zweimalige Betonung von Häufigkeit – auf der einen Seite der Häufigkeit, in der ›wir‹ Catilina entkommen sind, auf der anderen Seite der Häufigkeit, in der in einem Menschen das Wohlergehen der res publica in Gefahr gebracht worden sei (was künftig vermieden werden müsse: non est saepius … periclitanda …) – verbindet die beiden fraglichen Stellen miteinander. Zwischen ihnen sollte also ein argumentativer Zusammenhang bestehen. Wenn man es für sicher hält, daß mit dem ›einen Menschen‹ Cicero gemeint ist, untermauert auch diese Überlegung, daß effugimus ein pluralis modestiae ist: Der Gedankengang, Cicero ist, den Göttern sei Dank, Catilina schon oft entkommen, man darf das Wohlergehen des Staates aber nicht noch öfter davon abhängig machen, daß Cicero es verteidigen kann, erscheint deutlich stimmiger als der, wir alle sind, den Göttern sei Dank, Catilina schon oft entkommen, man darf das Wohlergehen des Staates aber nicht noch öfter davon abhängig machen, daß Cicero es verteidigen kann. 282

Denique, quotienscumque me petisti, per me tibi obstiti, quamquam videbam perniciem meam cum magna calamitate rei publicae esse coniunctam. 283 Vgl. dazu auch S. 125ff. 284 Zunächst habe er als privatus (Cicero sagt ›als consul designatus‹), dann als magistratus (Cicero formuliert ›als Konsul‹) gehandelt, in beiden Fällen aber nur private Mittel eingesetzt: Quam diu mihi consuli designato … insidiatus es, non publico me praesidio sed privata diligentia defendi. Cum proximis comitiis consularibus me consulem … interficere voluisti, compressi conatus tuos … amicorum praesidio et copiis nullo tumultu publice concitato. – So lange du … mir, dem consul designatus, nachgestellt hast, habe ich mich nicht durch öffentliche Hilfe, sondern durch private Achtsamkeit geschützt. Als du bei den letzten Konsulwahlen mich, den Konsul, … töten wolltest, habe ich deine … Versuche mit der Hilfe und der Mannschaft meiner Freunde unterdrückt, ohne öffentlich Unruhe zu erregen. (Nullo tumultu publice concitato verstehen Fuhrmann, Sternkopf und Funaioli im Sinne von ohne von Amts wegen zu den Waffen zu rufen. So sehr dieses Verständnis in das Bild ›nicht mit staatlichen, sondern mit privaten Mitteln bin ich, Cicero, gegen Catilina vorgegangen‹ passen würde, der genaue Wortlaut steht dem entgegen: Tumultum concitare wird, soweit ich sehe, lediglich im Sinn von ›Unruhe, Aufruhr erregen‹ oder auch ›Krieg verursachen‹ verwendet – vgl. neben der Recherche in der Bibliotheca Teubneriana Latina die Beispiele TLL 4, 66 Z. 47–49 s.v. concitare –, der Zusatz publice erscheint auch nur bei diesem Verständnis sinnvoll. Auch was von tumultus im Sinn des durch einen äußeren oder auch inneren Feind hervorgerufenen militärischen Notstands und den Maßnahmen, mit denen man ihm begegnete, bekannt ist – vgl. Kunkel, Wittmann 1995, 228f. –, legt es nahe, tumultus hier nichttechnisch zu verstehen. Anders liegt der Fall bei Cic. Sull. 33 ego consul, cum exercitus perditorum civium … exitium patriae comparasset … meis consiliis, meis laboribus, mei capitis periculis sine tumultu, sine dilectu, sine armis, sine exercitu … urbem … cives … Italiam … rem publicam liberavi.)

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Diese Logik wird dadurch, daß Cicero einige Sätze später klarstellt, auf welche Weise das Wohlergehen der res publica von seiner Person abhängt285 – gleichsam in der Rückschau – modifiziert. So kann der Hörer insgesamt den Eindruck gewinnen, den Göttern gebühre Dank, weil Cicero und daher auch ›wir alle‹ Catilina entkommen sind. Eine Bestätigung dieses doppelten Verständnisses von effugimus, wie auch des einfachen von in uno homine, stellt sich im Fortgang der Rede ein. Hier macht Cicero deutlich, weshalb er nicht mehr nur auf privater Basis gegen Catilina vorgehen will. Catilina greife jetzt nämlich die ganze res publica offen an,286 also nicht mehr nur ihn selbst, und so die res publica in versteckter Weise.287 Jetzt geht es direkt um ›uns alle‹: Catilina stürzt die Tempel der unsterblichen Götter, die Häuser der Stadt, das Leben aller Bürger, ganz Italien ins Verderben und in Verödung.288 Analysiert man den Gang der Argumentation in dieser Weise, so wird deutlich, daß die Feststellung, den Göttern gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei, – anders als es auf den ersten Blick scheinen mag – kein in den Lauf der Rede eingeschobener, spontaner, gleichsam losgelöster Ausruf der Erleichterung ist. Indem sie dazu beiträgt, den Bericht dessen, was bisher geschehen ist, mit den Schlußfolgerungen zu verbinden, die Cicero für das künftige Handeln ziehen möchte, gehört sie in eine Kette aufeinander aufbauender Argumentationsschritte. Dabei hat sie nicht nur eine gleichsam technische Funktion, vielmehr ist sie auch ein durch ihren Inhalt wirksames Argument und verleiht außerdem der Schilderung des Geschehens zusätzliche Dramatik: Cicero vermittelt seinem Publikum den Eindruck, daß der Erfolg, den er bei der Abwehr der Anschläge Catilinas gehabt hat, ganz wesentlich dem Schutz der Götter zu verdanken ist; ihre Hilfe scheint also notwendig gewesen zu sein. Die Lage muß tatsächlich problematisch gewesen sein.289 Darüber hinaus birgt die Feststellung, den Göttern gebühre Dank, ein Argument, das nicht nur zur Untermauerung der These beiträgt, private Achtsamkeit genüge jetzt nicht mehr; es hat vielmehr auch eine andere, eigenständige Zielrichtung. Dabei geht es um die Rechtfertigung der Politik Ciceros. Mit der Feststellung, den Göttern gebühre Dank dafür, daß er, Cicero, Catilina bisher entkommen sei, reklamiert Cicero gleichzeitig das Einverständnis der Götter für seine Maßnahmen. Dies geschieht in assoziativer Weise: Cicero ist Catilina entkommen; dafür gebührt den Göttern Dank. – Die Götter haben Cicero ge285 286 287

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… per me tibi (sc. Catilinae) obstiti, quamquam videbam perniciem meam cum magna calamitate rei publicae esse coniunctam. Nunc iam aperte rem publicam universam petis. Anders in §§15f.: Hier zählt Cicero die Anschläge auf seine Person neben der sogenannten Ersten Catilinarischen Verschwörung zu den Aktionen Catilinas, die sich gegen die gesamte res publica richteten: vgl. §14 ad illa venio quae … ad summam rem publicam atque ad omnium nostrum vitam salutemque pertinent – ich komme zu jenen Dingen, die … die ganze res publica und unser aller Leben und Wohl betreffen. Templa deorum immortalium, tecta urbis, vitam omnium civium, Italiam denique totam ad exitium et vastitatem vocas. Nicht übersehen sollte man dabei freilich auch die Wirkung, die von der Stimmung ausgeht, die Cicero durch die Formulierung erzeugt: Daß von den Göttern die Rede ist, hebt schon den Ton, daß sie in einer langen Periode angesprochen werden (magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia), schafft Feierlichkeit, daß das, worum es eigentlich geht – magna gratia – durch Sperrung diese Periode umschließt, steigert den Effekt (vgl. Funaioli z.St., Dyck z.St.).

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schützt, also hat er im Einklang mit ihnen gehandelt. In suggestiver Weise mag diese ›Beweisführung‹ noch weiter wirken und die Erwartung nähren, daß die Götter dann ja wohl auch hinter Ciceros aktueller Forderung stehen dürften.290 Dabei kommt in besonderer Weise zum Tragen, wie Ciceros Publikum den Plural von effugimus aufgefaßt hat. Für diejenigen, die verstanden haben – und, wie oben gezeigt, dürfte dieses Verständnis tatsächlich im Vordergrund gestanden haben – den Götter gebühre Dank, weil er, Cicero, Catilina schon so oft entkommen ist, hat Cicero sehr deutlich formuliert, daß er sich im Einklang mit den Göttern sieht, und hat damit wohl auch zu verstehen gegeben, daß er auch aus dieser Tatsache Autorität für seine Position ableitet. Für diejenigen, die bei effugimus eher das ›wir‹ gehört haben, dürfte der Anspruch, den Cicero hier formulierte, etwas dezenter geklungen haben.291 Am Kern der Aussage änderte dies freilich nichts, kommt man über einen kleinen gedanklichen Umweg – es war Cicero, es waren seine Maßnahmen, die Catilina Einhalt geboten haben – doch zum selben Ergebnis: Die Götter sanktionieren sein Handeln. Aus der Gesamtheit der Götter, denen allen Dank gebühre, hebt Cicero Iuppiter Stator hervor292 – die Gottheit, in deren Tempel der Senat soeben versammelt ist. Weshalb Cicero diesen Tempel als Tagungslokal gewählt hat, ist umstritten. Diskutiert wird, ob sicherheitstechnische Gründe im Vordergrund gestanden haben,293 oder aber, ob Cicero die Senatssitzung so gleichsam unter ein Motto stellen wollte.294 Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, daß der Senat sich in diesem Tempel offenbar nur gelegentlich, möglicherweise sogar einzig bei dieser Gelegenheit versammelt hat,295 ist anzunehmen, daß sich 290 291

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Vgl. die entsprechende Überlegung zu §15 unten S. 157. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Cicero die Formulierung zwar auf sich bezogen verstanden wissen wollte, er, um nicht zu sehr zu provozieren, aber mit aller Absicht keine eindeutigere Formulierung gewählt hat, steht er doch sowieso bereits im Mittelpunkt dieser ganzen Argumentation. Effugimus mag also ein pluralis modestiae in ganz wörtlichem Sinn sein und auch die Formulierung in uno homine mag Cicero unter dem Aspekt, doch etwas Zurückhaltung an den Tag legen zu wollen, gewählt haben. Magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia … So etwa Sternkopf und ähnlich Dyck zu §1 hic munitissimus habendi senatus locus. Dyck vermutet, daß der Tempel erhöht gelegen habe. (In seinem Kommentar zu §11 magna dis immortalibus … effugimus stellt er auch unter Verweis auf §33 freilich fest, der Tempel sei außerdem wegen des rhetorischen Effekts, den er ermöglicht habe, gewählt worden.) Die Stichhaltigkeit dieser Überlegung hängt nicht zuletzt von der tatsächlichen Lage des Tempels ab – diese ist freilich umstritten; vgl. die Literatur oben S. 89 Anm. 3. Vgl. Bonnefond-Coudry 1989, 121–125, bes. 124, die, nachdem auch sie zunächst Sicherheitsaspekte diskutiert – insbesondere die geringe Entfernung des Tempels von Ciceros Wohnhaus in Carinis –, fragt, ob nicht auch Überlegungen psychologischer Art eine wesentliche Rolle gespielt haben dürften; noch deutlicher Vasaly 1993, 41–49, die en détail herauszuarbeiten sucht, welche Bilder dieser Ort in der Vorstellung der Senatoren evoziert haben dürfte. Zu den Motiven, die generell bei der Wahl des einen oder anderen Tagungslokals ausschlaggebend gewesen sein dürften, vgl. zusammenfassend Bonnefond-Coudry 1989, 192–197. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten speziell die Wahl des Concordia-Tempels für die Sitzungen am 3. und 5. Dezember 63 Bonnefond-Coudry 1989, 90–112, bes. 99–102; Döbler 1999, 54–59; Heil 2003, 36; vgl. außerdem Bleicken 1995, 70 zur Problematik der Assoziationen, die gerade dieser Tempel wekken konnte (dazu auch Döbler 1999, 51–53; Marco Simón, Pina Polo 2000b, bes. 269f.); vgl. schließlich Hölkeskamp 2001 allgemein zu »Erinnerungslandschaften«. Vgl. die Literatur oben S. 89 Anm. 3.

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die Senatoren, Catilina und auch die beobachtende Bevölkerung tatsächlich Gedanken darüber gemacht haben, was Cicero zu dieser Wahl bewogen haben könnte, ob und, gegebenenfalls, welche Botschaft er so wohl vermitteln wollte. Folgt man dem bei Livius und Dionysios von Halikarnassos tradierten Aition, ist Iuppiter Stator die Gottheit, die die Standhaftigkeit des Heeres wiederherstellt.296 So erscheint es leicht vorstellbar, daß Cicero mit der Wahl dieses Tempels als Tagungslokal unterstreichen wollte, daß es galt, einen gleichsam feindlichen Angriff auf die res publica abzuwehren297 – und vielleicht auch, daß es galt, einer Flucht – des Senats und der Magistrate aus ihrer Verantwortung,298 wäre wohl zu verstehen – Einhalt zu gebieten. So gesehen liegt es auf der Hand anzunehmen, daß Cicero Iuppiter Stator in §11 nicht lediglich als dem Hausherrn des Tagungslokals Reverenz erweist,299 daß er vielmehr an die Epiklese anknüpft und sie bzw. die so bezeichnete Gottheit in seine Argumentation einbindet. Dies geschieht tatsächlich, allerdings nicht genau in dem nach den oben angestellten Überlegungen zu erwartenden Sinn. Vielmehr modifiziert300 Cicero Iuppiter ›Stator‹ durch die zusätzliche Charakterisierung als antiquissimus custos huius urbis dahingehend, daß man in ihm weniger die Gottheit sieht, die in der akuten Krise die Standhaftigkeit wiederherstellt, als vielmehr die Gottheit, die dauerhaft wacht und schützt. So bettet Cicero Iuppi296

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In der Auseinandersetzung mit den Sabinern gelobt Romulus dem Iuppiter ›Stator‹ einen Tempel für den Fall, daß er die Flucht der Römer aufhält: tu, pater deum hominumque … fugam … siste. Hic ego tibi templum Statori Iovi … voveo (Liv. 1,12,5f.). Das Epitheton Stator wird hier mit sisto, ›stehen machen‹, in Verbindung gebracht. Vgl. Dion. Hal. ant. 2,50,3: Romulus habe Ζεὺς ὀρθώσιος (dem ›aufrichtenden‹ Zeus) sein Gelübde eingelöst, weil dieser das fliehende Heer ›stehen gemacht‹ und gestärkt habe (στῆναίτε καὶ πρὸς ἀλκὴν τραπέσθαι); Plut. Romulus 18,8f.: Romulus habe zu Zeus gebetet, daß er das Heer zum Stehen bringe (στῆσαι) und den Staat (τὰ πράγματα) der Römer aufrichte (ὀρθῶσαι); Στάτωρ könne man als Ἐπιστάσιος übersetzen. Die aedes, in der der Senat am 8. November 63 tagte, ist das 295 v.Chr. im Zuge des Dritten Samnitenkrieges gelobte (Liv. 10,36,11: … consul manus ad caelum attollens voce clara … templum Iovi Statori vovet, si constitisset a fuga Romana acies redintegratoque proelio cecidisset vicissetque legiones Samnitium), 294 v.Chr. auf dem Areal des auf Romulus zurückgeführten templum errichtete Gebäude (vgl. Liv. 10,37,15f.) – nicht zu verwechseln mit einem anderen, 146 v.Chr. von Q. Caecilius Metellus Macedonicus auf dem Marsfeld (vgl. Vitr. 3,2,5) erbauten Tempel des Iuppiter Stator. In der Ersten Catilinarischen Rede bedient sich Cicero denn auch militärischen bzw. militärisch konnotierten Vokabulars, zeichnet das Bild des hostis Catilina, des äußeren Kriegs, des »enemy within« (Vasaly 1993, 52). Vgl. Vasaly 1993, 51–53 und unten S. 242f. Vgl. in der Rede den Vorwurf der Zögerlichkeit und der Untätigkeit – gerichtet an sich selbst bzw. an die Konsuln und an den Senat (§§2–5; 30; vgl. auch §§27f.). Gänzlich konventionelle rhetorische Praxis scheint dies nicht gewesen zu sein; jedenfalls ist, soweit ich sehe, nur für einen weiteren Fall, in dem wir den Ort der Rede kennen (für die Senatsreden vgl. die Listen bei Bonnefond-Coudry 1989, 32–47), überliefert, daß der Redner sich speziell auf den ›Hausherrn‹ bezogen hat. Dabei handelt es sich um Ciceros vor dem Volk gehaltene Rede De lege Manilia. In §70 bezog Cicero gleichsam den genius loci der rostra – daß er von hier aus sprach, geht aus den §§1 und 55 hervor – in seine Versicherung ein, nicht aus Eigennutz, sondern rei publicae causa für die lex Manilia einzutreten: testorque omnis deos et eos maxime qui huic loco temploque praesident … Vgl. Vasaly 1993, 54f., die überlegt, ob sich hier eine Transformation der Bedeutung des Kultnamens ›Stator‹ andeute, die Cicero in §33 dann tatsächlich vornehme (vgl. dazu unten S. 221ff.). Ähnlich Dyck (unter Verweis auf Vasaly) zu §1 hic munitissimus habendi senatus locus und zu §11 huic ipsi Iovi Statori … huius urbis, wo er gar meint, den meisten Römern der späten Republik mochte die ursprüngliche Bedeutung des Kultnamens Stator nicht mehr klar gewesen sein; jedenfalls habe Cicero der Gottheit eine umfassendere Funktion als custos urbis geben wollen.

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ter ›Stator‹ in den Gedankengang ein, den er gerade verfolgt – Dank gebührt den Göttern, weil man Catilina schon so oft entkommen ist. So ermöglicht Cicero es aber auch, im Folgenden Parallelen zwischen Iuppiter, dem antiquissimus custos urbis, und ihm, Cicero, zu ziehen, der sich seinem Publikum als aktueller Wächter Roms präsentiert.301

templum (§§12; 21; 33) Auf templa kommt Cicero an drei Stellen der Rede zu sprechen. In §12 untermauert er, wo er feststellt, Catilina bedrohe mittlerweile die gesamte res publica, diesen Vorwurf mit der Behauptung, Catilina stürze die Tempel der unsterblichen Götter, die Häuser der Stadt Rom, das Leben aller Bürger, ganz Italien ins Verderben und in Verödung.302 Bei erstem Hinsehen scheint der Verweis auf die Bedrohung der Tempel vor allem aus rhetorischen Gründen zu erfolgen und insbesondere der Erregung besonderer Aufmerksamkeit zu dienen.303 Von der Bedrohung von Tempeln ist an dieser Stelle nämlich – anders als von der Bedrohung von Stadtteilen, von Bürgern, von Regionen Italiens – zum ersten Mal und unvermittelt die Rede. Zum Element der Überraschung kommt dabei das der Steigerung: Bislang war nur von der Schädigung von Menschen die Rede, jetzt auch von der Schädigung der unsterblichen Götter.304 Wie mit dem Vorwurf, die gesamte res publica anzugreifen, insgesamt,305 so knüpft Cicero jedoch auch mit dem Aspekt dieser Behauptung, Catilina schade den Tempeln der Götter, direkt an seine vorhergehende Argumentation an. Hatte Cicero in §11 für sich reklamiert, im Einklang mit dem Willen der Götter zu handeln, so spricht er Catilina hier genau dies ab. Freilich geschieht dies nicht einfach dadurch, daß er die Mißerfolge Catilinas auf die Mißbilligung der Götter zurückführt und so ein genaues Gegenbild zu dem entwikkelt, wie er seine eigenen Erfolge mit deren Einverständnis in Zusammenhang gebracht hatte, sondern in gesteigerter und gewissermaßen aggressiverer Form: Catilina handle nicht einfach nur so, daß die Götter mit ihm nicht einverstanden sein können, vielmehr handle er direkt gegen ihre Interessen, er schade ihren Tempeln. Plausibilität gewinnt diese Behauptung durch die Aufzählung, in die sie eingebettet ist. Diese Aufzählung erscheint auf den ersten Blick planlos; in der Aneinanderreihung ist zunächst keine Ordnung erkennbar. Abstrahiert man aber etwas von dem konkret Gesagten, so erkennt man, daß Cicero hier vier der wichtigsten Stützen der res publica anspricht: ne301

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Ähnlich jüngst Gildenhard 2011, 273f. Seiner Auffassung, Cicero betone in §11, es müsse aufhören, daß man sich ausschließlich auf göttliche Hilfe verlasse, vielmehr sei jetzt Handeln der Menschen erforderlich, kann ich mich freilich nicht anschließen. Nunc iam aperte rem publicam universam petis; templa deorum immortalium, tecta urbis, vitam omnium civium, Italiam totam ad exitium et vastitatem vocas. Vgl. Cic. inv. 1,23: Eine Methode, Zuhörer aufmerksam zu machen, bestehe darin zu zeigen, daß das, wovon man sprechen werde, die Götter betreffe. Dies ist eine qualitative Steigerung, die zu der quantitativen hinzukommt (bislang war von Brandstiftung in einzelnen Vierteln, von Mord an einzelnen Personen oder Personengruppen, von Aktionen in einzelnen Regionen Italiens die Rede, jetzt geht es um die ganze Stadt, alle Bürger, ganz Italien). In §11 hatte Cicero deutlich gemacht, daß Catilina bislang nur ihn, Cicero, angegriffen habe – damit zwar auch die res publica, dies jedoch lediglich verdeckt.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

ben dem guten Einvernehmen mit den Göttern den Besitz der Bewohner Roms, die physische Existenz der Bürger, und Italien – die wirtschaftliche und militärische Grundlage des römischen Staates. Die Elemente dieser Aufzählung korrelieren in drei der vier Punkte ganz offensichtlich mit den Dingen, die Cicero Catilina konkret zu planen vorwirft: Brandstiftung in Rom, Mordanschläge, militärische Aktionen in Italien.306 Der Vorwurf, Catilina wolle das Verderben und die Verödung der Tempel, findet jedoch allenfalls dann eine Parallele in einem konkreten Vorwurf, wenn man daran denkt, daß eben auch Tempel durch die Brandstiftung in Gefahr geraten könnten; davon, daß Catilina speziell Tempel ins Visier genommen habe, spricht Cicero jedoch nicht.307 Dennoch erscheint dieser Vorwurf nicht haltlos; er ist vielmehr die Quintessenz aller anderen Vorwürfe: Catilina will Bürger töten, Rom und Italien verwüsten. Zu fürchten sind jedoch nicht nur die Tötung und Verwüstung selbst, sondern auch ihre Folgen.308 Speziell ist es verheerend, wenn die Tempel veröden, d.h. wenn sich niemand mehr dort einfindet, um das gute Einvernehmen mit den Göttern herzustellen. So faßt dieser Vorwurf alle anderen zusammen und führt darüber hinaus die Folgen, die die Pläne Catilinas haben könnten, besonders drastisch und konsequent vor Augen. Dieser Vorwurf ist nicht nur der rhetorisch effektvollste, sondern auch der inhaltlich umfassendste, er ist von der größten Tragweite.309 Cicero hat also den Hauptpunkt seiner Vorwürfe den anderen vorangestellt. Jetzt leuchtet auch die Anordnung des zweiten, dritten und vierten Vorwurfs ein. Sie ist assoziativ und beinhaltet in gewissem Sinn eine Steigerung: Catilina bedroht die Häuser, den Besitz der Römer – mehr noch: direkt ihr Leben – mehr noch als die Stadt und das Leben der Bürger: ganz Italien.310 So wird deutlich, daß die Planlosigkeit bei der Anordnung der Vorwürfe nur scheinbar, tatsächlich aber kunstvoll geplant ist; sie veranschaulicht das Chaos, das Catilina verursachen will und nennt gleichzeitig alle wesentlichen Punkte in einer gleichsam organischen Ordnung.311 306

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Brandstiftung: vgl. §§3; 6; 9; 32f.; Mord: vgl. §§2f.; 6f.; 9; 32f.; militärische Aktionen in Italien: vgl. §§5; 7–9; 24; 33. Dabei überspitzt Cicero hier seine Vorwürfe: Catilina hat nicht geplant, ganz Rom niederzubrennen, alle Bürger zu ermorden, ganz Italien zu verwüsten. So behauptet Cicero insbesondere nicht, Catilina plane, Tempel zu plündern. Cicero stellt hier – anders als dann in Cat. 3,2; 3,22 – auch keinen expliziten Bezug zwischen dem Vorwurf, Brandstiftung zu planen, und der Gefahr her, in der er die Tempel sieht. Zudem ist von den Tempeln – abgesehen von dem abschließenden §33 – nur an dieser Stelle, von Brandstiftung aber mehrfach die Rede. Gleichwohl arbeitet er mit der Vorstellung, violatio templorum und damit piacula seien zu fürchten (zur violatio templi als die pax deorum störendes piaculum vgl. die Literatur S. 152 Anm. 324). Der Begriff vastitas bringt dieses Bedeutungsspektrum zum Ausdruck: er bezeichnet die Verwüstung, besonders aber auch die Verödung, die durch Verwüstung entsteht (vgl. etwa Cic. Verr. 2,4,114; har.resp. 3). Zu der enormen Bedeutung, die man dem Einvernehmen mit den Göttern beimaß, vgl. S. 137 Anm. 253, 187f. Folgt man, wie Maslowski es gestützt auf Alberti 1987, 212 tut, den Handschriftenfamilien β und γ und liest Italiam denique totam, so kann man – je nach Verständnis von denique – darin den Beleg dafür erkennen, daß Cicero die Steigerung hier explizit zum Ausdruck bringen wollte (›und nun gar‹), oder dafür, daß er Italien (damit freilich dann auch große Teile der Bevölkerung Italiens, seit dem Bundesgenossenkrieg ja ebenfalls cives Romani) doch von dem, was Rom im engeren Sinn betrifft, etwas abrücken und als weiteren Punkt anführen wollte (›und außerdem auch‹).

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In ganz ähnlicher Weise wie in §12 ist in §33 von den Tempeln der Götter die Rede. Hier bittet Cicero Iuppiter, Catilina und seine Genossen von den Tempeln – von seinen eigenen, wie auch von denen der übrigen Götter –, von den Häusern der Stadt und von ihren Mauern, vom Leben und vom Vermögen aller Bürger fernzuhalten.312 Diese Aufzählung stimmt, sowohl was ihre Elemente als auch was deren Anordnung anbelangt, im Wesentlichen mit der soeben diskutierten überein. Unterschiede betreffen in erster Linie die Akribie der Aufzählung:313 Während in §12 von templa deorum immortalium, tecta urbis und vita omnium civium die Rede war, unterscheidet Cicero hier zwischen den Tempeln des Iuppiter und denen der übrigen Götter, nennt neben den Häusern auch die Mauern der Stadt, neben dem Leben das Vermögen der Bürger. Diese Spezifizierung mag damit in Zusammenhang stehen, daß Cicero sich hier des Texttypus ›Gebet‹ bedient;314 sicherlich dient sie aber auch dazu, Catilina am Ende der Rede nochmals nachdrücklich als umfassende Bedrohung darzustellen. Der hohe Grad an Übereinstimmung zwischen der Aufzählung der Dinge, die Catilina bedroht und der Aufzählung der Dinge, von denen Iuppiter ihn fernhalten soll – genauer gesagt, die Wiederholung, die diese Übereinstimmung bedeutet –, sorgt dafür, daß sich diese Aufzählungen als Chiffre einprägen: Sie stehen für die Gesamtheit dessen, was durch Catilina in Gefahr gerät – letztlich für ›res publica‹.315 Anders als bei ihrer ersten Erwähnung in §12 stellt die Nennung der templa in §33 keine Überraschung, keine Provokation mehr dar. Es ist auch nicht zu erkennen, daß ihrer Nen311

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Selbst die Aufeinanderfolge ›Tempel – Häuser‹ fügt sich in diese assoziative Reihung ein: Zunächst ist der Besitz der Götter angesprochen, dann der der Menschen. Vergleicht man mit anderen Fällen, in denen Reihungen, die der Aufzählung templa deorum immortalium, tecta urbis, vita omnium civium, Italia tota insofern vergleichbar sind, als sie für die Gesamtheit der Bürger und ihrer Interessen, für die res publica oder die patria stehen (so etwa Cic. Cat. 3,2; 3,22; 4,18; 4,24; Sull. 86; Sest. 53; 84; 144; Pis. 52; Phil. 14,27), so zeigt sich, daß die Kombination tecta und templa gleichsam den Kern dieser Chiffre darstellt (vgl. etwa Cic. Cat. 2,29; Pis. 21; Phil. 1,5 und – besonders instruktiv – Att. 7,13,1: quid est quod ab eo [sc. Caesare] non metuas qui illa templa et tecta non patriam sed praedam putet?). Auch vor diesem Hintergrund gesehen, ist die Aufeinanderfolge ›templa – tecta‹ stimmig. Tu, Iuppiter … hunc et huius socios a tuis ceterisque templis, a tectis urbis ac moenibus, a vita fortunisque civium omnium arcebis … Genaueres zum Kontext dieser Stelle, zum Charakter des Gebets und auch zum Verständnis der futurischen Formulierung s.u. S. 218ff. Weshalb das Element Italia in §33 fehlt, ist offensichtlich: Cicero kann Iuppiter nicht bitten, er möge Catilina von Italien fernhalten, hat er Catilina doch soeben aufgefordert, zu einem Krieg gegen die patria aufzubrechen – zu denken ist, zu einem Krieg, den Catilina von Italia, insbesondere von Etrurien aus führen wird. Sei es, daß sie von ihm bedingt ist, sei es, daß sie dazu dient, ihn zu plausibilisieren: Die Zweigliedrigkeit der Elemente der Aufzählung und ihr paralleler Bau erinnern jedenfalls an den Klang traditioneller Gebete, die Akribie der Aufzählung entspricht zudem der im Gebet geforderten Genauigkeit des Ausdrucks, vgl. etwa Cat. agr. 141,2f.; Fyntikoglou, Voutiras 2005, 160–162. Auch die Art und Weise, in der Cicero die templa spezifiziert, dürfte diesem Gebetscharakter geschuldet sein: Cicero kommt zunächst auf die Belange der Gottheit zu sprechen, die er anruft, dann auf die der übrigen; dies ist sicherlich nicht nur als Reverenz gegenüber dem Hausherrn des Tagungslokals zu verstehen, sondern trifft sich auch mit dem Usus literarischer Gebete, mit dem Eigeninteresse der angerufenen Gottheit zu argumentieren; vgl. Fyntikoglou, Voutiras 2005, 159f. Vgl. oben Anm. 311. Gegenüber dem Begriff res publica hat diese Chiffre den Vorzug der Bildhaftigkeit und damit der Emotionalität. Cicero wird sie – mit Modifikationen – in jeder der Catilinarischen Reden verwenden (vgl. Cat. 2,29; 3,2; 3,22; 4,18; 4,24).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

nung eine derart prominente agumentative Funktion zukommen würde, wie es in §12 der Fall war.316 Eine argumentative Funktion hat sie gleichwohl: Dadurch, daß Cicero die templa in einer Reihe mit den Häusern und Mauern der Stadt, dem Leben und Vermögen der Bürger nennt, verknüpft er das Schicksal der Stadt respektive das der res publica mit dem der Götter. Auch dies geht zwar mit der Logik des Gebets einher, kann man diese Verknüpfung doch mit dem Bemühen erklären, der angerufenen Gottheit einen möglichst überzeugenden Grund für die Erfüllung der an sie gerichteten Bitte zu nennen, diese Verknüpfung steigert aber auch das Pathos und trägt so dazu bei, auch auf emotionale Weise nochmals den Grad der Bedrohung deutlich zu machen, der die Stadt ausgesetzt ist. In ganz anderer Weise als in den §§12 und 33 kommt Cicero in §21 auf ein templum zu sprechen: In den §§20f. geht es ihm darum deutlich zu machen, daß auch der Senat der Meinung ist, Catilina solle ins Exil gehen. Dies versucht er freilich zu erweisen, ohne der Forderung Catilinas nach einer förmlichen Befragung des Senats nachzukommen.317 Die Stille, die auf seinen Ausruf hin herrscht, Catilina solle die Stadt verlassen, er solle – wenn er auf dieses Wort warte – ins Exil gehen, interpretiert Cicero als Ausdruck intensiver Zu316

Daß sie dennoch auch hier die Aufzählung eröffnen, ist mit dem Duktus des Gebets zu erklären: Cicero spricht zuerst an, was Iuppiter am meisten interessieren muß. 317 Der Wortlaut in §20 macht es sehr wahrscheinlich, daß diese Forderung keine rhetorisch bedingte Fiktion ist. Catilina mag die Befragung der Senatoren per Zwischenruf gefordert haben; dafür spricht der erste Teil der Formulierung (›refer‹, inquis, ›ad senatum‹ – ›lege es dem Senat vor‹, sagst du) und die ›Logik‹ der Situation (zu Zwischenrufen im Senat vgl. allgemein Bonnefond-Coudry 1989, 499–514, bes. 504–508). Vorstellbar ist auch, daß dies im Rahmen einer altercatio im Vorfeld der Rede Ciceros geschehen ist. Möglicherweise hatte er sie aber auch schon in den vergangenen Tagen erhoben; dafür spricht der gleichsam erklärende Fortgang der Formulierung (id enim postulas – dies nämlich forderst du) und die Tatsache, daß Catilina seine Forderung offenbar weiter ausgeführt und sehr sorgsam formuliert hatte (et, si hic ordo placere sibi decreverit te ire in exsilium, obtemperaturum te esse dicis – und du sagst, wenn dieser ordo entschieden haben werde, daß es ihm gefalle, daß du ins exsilium gehst, werdest du ihm zu Willen sein). Cicero lehnte das Ansinnen Catilinas ab. Immer wieder (vgl. etwa Nohl, Sternkopf, Dyck zu id quod abhorret a meis moribus) wurde seine Ablehnung damit erklärt, daß Cicero vom Senat nichts Unrechtmäßiges habe fordern wollen; der Senat habe nämlich gar nicht das Recht gehabt, jemanden ins Exil zu schicken. So richtig dies ist, eine Entscheidung in diesem Sinn, ein Urteil gleichsam, hatte Catilina gar nicht gefordert. Das wird deutlich, wenn man den Begriff placere in der Formulierung si hic ordo placere sibi decreverit te ire in exsilium, obtemperaturum te esse dicis nicht im Sinn des terminus technicus ›placet senatui – der Senat beschließt‹ versteht, sondern im wörtlichen Sinn. Dann wird auch deutlich, daß die Formulierung nicht redundant ist – in dem Sinn, daß sie sich auf si hic ordo placuerit oder decreverit te ire in exsilium – wenn dieser ordo beschlossen/entschieden haben werde, daß du ins exsilium gehst, verkürzen läßt –, sondern vielmehr der rechtlichen Sachlage Rechnung trägt: Der Senat kann niemanden zum Exil verurteilen, er kann aber feststellen, daß er der Meinung ist, jemand sollte ins Exil gehen. (Cicero nimmt im Folgenden das Spiel mit den wörtlichen Bedeutungen von termini technici auf: et tamen faciam ut intellegas quid hi de te sentiant – und dennoch werde ich es fertig bringen, daß du erkennst, was diese hier von dir denken, läßt an eine sententia des Senats denken, obwohl es zu einer solchen im vorliegenden Fall ja gerade nicht kommen soll.) Bedenkt man, daß Cicero als Konsul Catilina jederzeit aufgrund magistratischer coercitio hätte relegieren können (Kelly 2006, 65–67), drängt sich der Verdacht auf, daß Catilina durch seine Forderung genau diese Gefahr abwenden wollte. M.E. vermied Cicero die Befragung des Senats, weil er es nicht für sicher hielt, daß sie in seinem Sinn ausfallen würde (ebenso etwa von Ungern-Sternberg 1971, 52f.). Folgt man der Einschätzung, daß die Aufforderung Catilinas nicht fiktiv ist, zeigt allein schon die Tatsache, daß Catilina es gewagt hat, eine Befragung zu fordern, daß Cicero Anlaß zur Vorsicht hatte. Deutlich wird dies aber auch an anderen Stellen der

templum

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stimmung des Senats. Diese Interpretation sucht er durch den Entwurf eines Gegenbildes zu untermauern: Wenn er dieselbe Aufforderung an P. Sestius oder M. Marcellus gerichtet hätte,318 hätte der Senat ganz anders reagiert: Man wäre gegen ihn, den Konsul, handgreiflich geworden, sogar in diesem Tempel – und mit bestem Recht.319 Cicero geht hier von der Auffassung aus, Zustimmung äußere sich in Stille, man schweige, wenn man einverstanden sei;320 Ablehnung äußere sich dagegen in Lärm, man protestiere hörbar, wenn man nicht einverstanden sei. Um zu zeigen, daß die Senatoren seine Aufforderung, Catilina solle Rom verlassen, billigen, konstruiert er eine Situation, die zeigen soll, wie sie anderenfalls reagieren und ihrer Ablehnung Ausdruck verleihen würden. Dieses Beispiel führt Cicero ins Extrem: Die Senatoren würden nicht nur lautstark protestieren, vielmehr würden sie handgreiflich werden. Die Steigerung des Bildes der protestierenden Senatoren treibt Cicero so weit, daß er sie einen erheblichen Normverstoß, ja einen Rechtsbruch begehen läßt. Sie würden ihm, dem Konsul, Gewalt antun, Hand an ihn legen; sie würden also Dinge unternehmen, die man etwa als crimen maiestatis werten könnte.321 Dies würden sie sogar322 in einem Tempel323 tun, was man als pollutio bzw. violatio templi 317

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Rede (vgl. §§2–6; 9 und bes. 30) und im Kontext der Ereignisse (s.o. S. 46ff., 72f.). Zur Unschärfe des Begriffs exilium vgl. Kelly 2006, 5f., 66 und oben S. 45 Anm. 69; zum Verständnis von non referam, id quod abhorret a meis moribus vgl. auch Loutsch 1993. Also an Männer, deren Integrität außer Frage stand; weshalb Cicero gerade sie als Beispiele wählte, ist freilich nicht ersichtlich. – P. Sestius war im Jahr 63 Quästor, Ciceros Kollegen Antonius zugelost; er hielt Cicero über die Vorgänge bei Antonius auf dem Laufenden (Cic. Sest. 8–12, bes. 8). M. Claudius Marcellus (cos. 51) saß im Jahr 63 als quaestorius im Senat; er war einer der Männer, die Crassus begleiteten, als er Cicero in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober anonyme Briefe aushändigte, die vor Mordanschlägen Catilinas warnten (Plut. Cicero 15,1–4). Zu den Diskrepanzen, die zwischen diesem Abschnitt der Rede Ciceros und der Schilderung der entsprechenden Szene bei Diodor (40,5a) bestehen, vgl. Reinach 1904; von Ungern-Sternberg 1971; Primmer 1977, 36–38; Stroh 1986, 11–13. Sie sind für die Interpretation der Stelle unter dem Blickwinkel dieser Untersuchung jedoch nicht relevant. At si hoc idem huic adulescenti optimo, P. Sestio, si fortissimo viro, M. Marcello, dixissem, iam mihi consuli hoc ipso in templo senatus iure optimo vim et manus intulisset. – Dagegen, wenn ich genau dasselbe zu diesem vortrefflichen jungen Mann hier, dem P. Sestius, wenn ich es zu M. Marcellus, einem äußerst tüchtigen Mann, gesagt hätte, hätte soeben der Senat mit bestem Recht mir, dem Konsul, sogar in diesem Tempel hier Gewalt angetan und hätte Hand an mich gelegt. Vgl. dagegen §16: hier interpretiert Cicero das Schweigen, mit dem Catilina im Senat empfangen wird, als vernichtendes Urteil; Cic. Mil. 12: hier drücken, Cicero zufolge, Beifallsbekundungen einen höheren Grad an Zustimmung aus, als stillschweigendes Einverständnis. Zu der unterschiedlichen Semantik von Schweigen vgl. etwa einführend Walde 2001; auch Petrone 2004, 67–69; McNeill 2010. Ein crimen maiestatis begeht u.a. derjenige, der die ›Hoheit‹ der Magistrate verletzt; vgl. etwa Cic. inv. 2,53 (maiestatem minuere est de dignitate aut amplitudine aut potestate populi aut eorum, quibus populus potestatem dedit, aliquid derogare) und Cic. Vatin. 22, wo von der maiestas imperii des Konsuls die Rede ist. Zu maiestas vgl. Kübler 1928, bes. 542–550; Bauman 1967, bes. 1–90; zusammenfassend Gizewski 1999. Cicero nimmt diese Steigerung dadurch, daß er das Intensivpronomen ipse (hoc ipse in templo) verwendet, explizit vor. Zur hervorhebenden Bedeutung von ipse vgl. etwa Menge 22005, §78, bes. (1) und (3). Vaahtera 1993 versteht templum offenbar im technischen Sinn als inaugurierten Ort der Senatssitzung, nicht als Bezeichnung für das Heiligtum des Iuppiter Stator, einen consecrierten Ort also (vgl. Vaahtera 1993, 108 Anm. 64 mit 116 Anm. 106, wo Vaahtera unter Berufung auf Valeton 1892, 342–350 auf die Unverletzlichkeit inaugurierter Orte verweist). Hoc (hoc ipse in templo),

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

und damit als Verletzung der pax deorum, als piaculum auffassen könnte.324 Nochmals gesteigert wird dieses Bild dadurch, daß Cicero diese Verstöße für legitim erklärt: Die Senatoren würden iure optimo, mit bestem Recht, handeln; sie könnten ein Recht in Anspruch nehmen, das die maiestas des Konsuls und die sanctitas des Tempels bricht.325 Cicero arbeitet hier also mit der Relativierung der Verbindlichkeit von Normen, bzw. mit der Vor-

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v.a. aber Ciceros Gebrauch des Begriffs templum in den §§12 und 33 deutet m.E. jedoch darauf hin, daß er den Ton darauf legt, daß das imaginierte Geschehen das Heiligtum des Iuppiter Stator betreffen würde. Juristisch relevant ist dies, folgt man Vaahtera bzw. Valeton, in unserem Zusammenhang jedoch nicht (vgl. auch die Beispiele in der folgenden Anm.). 324 Vgl. etwa Cic. Sest. 79–83, bes. 80: Cicero erinnert bei der Verteidigung des P. Sestius – er war wegen Gewaltanwendung in der Zeit seines Volkstribunats angeklagt worden – daran, daß dieser, als er dem Konsul die Beobachtung eines ungünstigen Zeichens melden wollte, im Tempel des Kastor von der Bande des Clodius angegriffen und schwer verletzt worden war. Cicero ironisiert die Anklage de vi u.a. mit der Frage, ob die Gewaltanwendung des Sestius (sic!) etwa darin bestanden habe, daß er als Volkstribun einen Tempel mit Blut beschmutzt habe (an haec … vis est … quod tribunus plebis templum cruentavit?). Vgl. außerdem Fälle, in denen Magistrate gewaltsam von der Rednerbühne vertrieben wurden: So betont Cic. de orat. 2,197; Sest. 78 durch die Formulierung, sie seien aus einem templum vertrieben worden (statt ›von den rostra‹), daß damit ein inaugurierter Ort verletzt wurde. Bemerkenswert ist, daß jedoch offenbar in keinem Fall überliefert ist, daß die Befleckung eines Tempels durch Gewalt gegen Menschen, gar gegen Magistrate, tatsächlich durch ein piaculum gesühnt wurde (vgl. insbesondere Tromp 1921; außerdem Scheid 1981). Soweit ich sehe, lassen die Quellen auch nicht erkennen, daß die Zweckentfremdung des Mobiliars der Curia Hostilia für den Scheiterhaufen des Clodius und die Zerstörung der Curia im Zuge der Kremation gesühnt worden wäre, ebensowenig die Befleckung der Curia Pompeia durch die Ermordung Caesars (vgl. aber die Kritik an der Wahl dieses Ortes für die Ermordung bei Ov. met. 15,800–802). Daß die expiatio der Curia jedoch eine durchaus gängige Vorstellung gewesen sein dürfte, legt – wenngleich das Zeugnis aus späterer Zeit stammt – Plin. epist. 8,6,5 nahe: Polemisierend wundert Plinius sich darüber, daß keine expiatio der Curia vorgenommen wurde, nachdem dort Ehrungen für einen seiner Meinung nach Unwürdigen beschlossen worden waren. Daß man der Auffassung sein konnte, Gewalt, angewandt an einem bestimmten Ort, könne die pax deorum stören, selbst wenn gegen die Gewaltanwendung an sich nichts einzuwenden ist, zeigt Liv. 2,36: Im Jahr 490 wurden Spiele wiederholt, nachdem Iuppiter zu erkennen gegeben hatte, ihm habe mißfallen, was am Ort der Spiele geschehen war: Kurz vor Beginn der Spiele war ein Sklave von seinem Herrn geschlagen und über den circus gejagt worden. Vgl. auch die Interpretation des Gutachtens der haruspices durch Cicero im Jahr 56: Zu sühnen ist seiner Meinung nach die Befleckung der ludi Megalenses (ludi polluti: Cic. har.resp. 21), die dadurch zustande kam, daß Sklaven, von Clodius animiert, den im Theater, also am Ort der ludi scaenici, versammelten Senat und das Volk bedrängten (har.resp. 21–26); zuzugeben ist freilich, daß in diesem Fall, stärker noch als in dem von Livius dargestellten, die Störung der Spiele, des kultischen Aktes also, als ursächlich für die Störung der pax deorum angesehen wurde, weniger die Beeinträchtigung ihres Ortes. 325 Iure optimo ist in verschiedenen juristischen Zusammenhängen ein feststehender Ausdruck. Optima lege bzw. optimo iure zu sein oder zu handeln, bedeutet allgemein »nach dem besten im Gesetz verliehenen Recht« (vgl. Kübler 1939, 772f.). Personen und Dinge, die optimo iure oder, gleichbedeutend, optima lege sind, sind gänzlich frei von rechtlichen Beschränkungen und Lasten (Berger 1953, 610). Civitas optimo iure meint dann seit der lex Munatia Aemilia des Jahres 42 v.Chr. das mit Steuerfreiheit verbundene römische Bürgerrecht (Link 1995). Iure optimo wird jedoch auch in wörtlichem Sinn verwandt. So von Cicero, außer an der zu diskutierenden Stelle, auch Planc. 88 (P. Mucius habe den Gebrauch von Waffen gegen Ti. Gracchus durch den privatus P. Scipio verteidigt: optimo iure habe er zu den Waffen gegriffen); Att. 15,3,2 (hier fragt Cicero Atticus, ob er Brutus eine Rede zum Thema tyrannus iure optimo caesus in den Mund legen solle); aufschlußreich insbesondere leg.agr. 3,7, wo Cicero die Verwendung dieses terminus technicus im Gesetzesentwurf des Rullus mithilfe seiner nichttechnischen Bedeutung ironisiert.

consulere

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stellung, es könne unter bestimmten Umständen Normen geben, die schwerer wiegen als die im Allgemeinen geltenden. Unter dem Blickwinkel der vorliegenden Untersuchung festzuhalten ist nicht nur, daß Cicero diese Vorstellung auch für eine Norm in Anspruch nimmt, die die Beziehung zu den Göttern betrifft,326 sondern insbesondere auch, daß er dies im Rahmen einer Argumentation tut, die mit Hyperbeln arbeitet und die ganz wesentlich auf die Verblüffung baut, die die Kühnheit der Behauptung und die Absurdität der Situation, die sie imaginiert, ausgelöst haben dürfte. Überspitzt formuliert: Cicero bemüht die Götter für eine Farce, die über sein Problem, für seine Auffassung eine Mehrheit zu finden, hinweghelfen soll.

consulere (§13) Consulere wird unter anderem auch dann gebraucht, wenn es um das Befragen von Göttern, Orakeln oder Priestern geht.327 Hier geht es freilich darum, daß Cicero Catilina empfiehlt, ins Exil zu gehen, wenn dieser ihn ›um Rat fragt‹. Angespielt wird hier auf die Tatsache, daß Catilina, wenn er Cicero fragt, den consul fragt.328 Anklänge religiöser Art kommen hier sichtlich nicht auf.

inlecebra (§13) In §13 will Cicero Catilina zeigen, daß er seinen Ruf unter anderem durch seinen Lebenswandel derart beschädigt hat, daß ihn eigentlich nichts mehr in Rom halten kann. In diesem Zusammenhang sagt Cicero, Catilina habe junge Männer durch die Lockungen des ›Verderbs‹ wie in einem Netz gefangen.329 Inlecebra bezeichnet die (An-)lockung, speziell im Sinn von Verführung, aber auch die magische Anlockung330 – sei es, daß Getreide durch Schadenszauber vom nachbarlichen Feld auf das eigene gelockt werden soll,331 sei es, daß Menschen durch Liebeszauber332 angelockt werden sollen. 326

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Dies ist nicht grundsätzlich außergewöhnlich: vgl. etwa die Beispiele, die zeigen, daß ein piaculum, begangen unter bestimmten zwingenden Umständen, nicht gesühnt werden mußte, bei Tromp 1921, 90. Vgl. TLL 4, 582f. s.v. consulo IID. Dafür, daß man auf diese Absicht des Wortspiels aufmerksam wird, sorgt die dem Satz non iubeo, sed, si me consulis, suadeo vorangestellte Bemerkung interrogas me, num in exsilium?, in der Cicero von einer gleichsam normalen Frage Catilinas spricht, von einer Frage, die in einer Weise gestellt wird (interrogas me), die die spezielle Kompetenz der befragten Person – anders als me consulis – nicht berücksichtigt. Genau auf derartige Nuancen hören dürfte der Rezipient an dieser Stelle ohnehin, ist die Wortwahl bei Quid est, Catilina? Num dubitas id me imperante facere, quod iam tua sponte faciebas? Exire ex urbe iubet consul hostem, in juristischer Hinsicht doch höchst sensibel. Vgl. Dyck zu den Stellen. Cui tu adulescentulo quem corruptelarum inlecebris inretisses non … praetulisti? – Welchem Jüngelchen, das du durch die Lockungen des ›Verderbs‹ wie in einem Netz gefangen hattest, hast Du nicht … vorangetragen? TLL 7.1, 364–366 s.v. illecebra, hier 365. Apul. mag. 47,3 unter Verweis auf ein Gesetz der 12-Tafeln (frugum illecebrae). Apul. met. 3,16–18 (§16: ad exercendas inlecebras magiae); mag. 34,5 (quaesisse … ad illecebras magicas duo haec marina [sc. animalia]).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Nicht ausgeschlossen ist, daß der eine oder andere Rezipient diese Konnotation hier mithört. Anzeichen dafür, daß Cicero dieses Verständnis forciert, finden sich jedoch nicht.333

vitium (§§14; 22) Vitium bezeichnet unter anderem, im Sinn eines terminus technicus, Fehler bei kultischen Handlungen, insbesondere bei den Auspizien.334 Daß diese religiöse Dimension des Begriffs hier mit anklingt, wo von der persönlichen Schmach die Rede ist, die Catilina aus seinen vitia erwachse bzw. wo es um die Tatsache geht, daß Catilina angesichts seines Charakters nicht von seinen vitia erschüttert werde,335 erscheint ausgeschlossen.

spiritus caeli (§15) Bei seinem Versuch, Catilina zu zeigen, daß ihn doch eigentlich nichts mehr in Rom halten könne, fragt Cicero ihn, ob ihm angesichts der Ablehnung, die er erfahre,336 das Licht und die Luft, die ihn hier umgeben, denn noch erfreulich sein könnten.337 Die Verwendung der Demonstrativpronomina haec lux, huius caeli spiritus zeigt, daß Cicero ganz konkret auf das Licht und die Luft verweist, die zum Zeitpunkt seiner Rede in das Tagungslokal des Senats dringen. Im Kontext gesehen – Cicero hatte angekündigt, nun von den Dingen sprechen zu wollen, die die ganze res publica betreffen (§14), er erinnert in diesem Zusammenhang dann an die Verstrickung Catilinas in das Komplott der Jahre 66/ 65338 (§15) – wird deutlich, daß darüber hinaus aber Licht und Luft Roms generell gemeint sind.339 Zu überlegen ist, ob die Formulierung spiritus caeli zudem – zumindest für diejenigen, die es wahrnehmen wollten – eine weitere Bedeutung gehabt hat. Spiritus bezeichnet nämlich nicht nur jede Art von sich in Bewegung befindlicher Luft, speziell den Atem und damit das Leben, sondern auch das »Selbstgefühl« und »ganz allgemein … jeglichen Geist in seiner tätig-wirkenden Gestalt«.340 So mochte spiritus caeli, in stoischem Sinn, an den göttlich durchwalteten Kosmos denken lassen.341

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Vgl. auch Cic. Cat. 2,8; Cael. 12 und Sall. Cat. 14,4, wo Cicero respektive Sallust ebenfalls von den Lockungen Catilinas sprechen, ohne daß sich Hinweise darauf fänden, Catilina würde damit die Anwendung magischer Praktiken unterstellt. Vgl. etwa Cic. nat.deor. 2,11. Ad illa venio quae non ad privatam ignominiam vitiorum tuorum … pertinent (§14); sed tu ut vitiis tuis commoveare … non est postulandum. Neque enim is es, Catilina, ut … (§22). Daß dies mitzuverstehen ist, geht aus §13 (vgl. auch §16) hervor, in dem von Furcht und Haß die Rede ist, mit denen man Catilina begegne. Potestne tibi haec lux, Catilina, aut huius caeli spiritus esse iucundus, cum scias … – Kann dir dieses (Sonnen-/Tages-)Licht, Catilina, oder der (Luft-)Hauch dieses Himmels etwa erfreulich sein, da du weißt, daß … Vgl. dazu S. 155f. Vgl. Haury zu haec lux, der unter Verweis auf Cic. Rab.per. 15; fam. 2,12,2; Cat. 4,16 feststellt, lux und spiritus caeli seien »tous éléments de la patrie«. Büchli 2001, 831. Vgl. Flury 1984.

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Zu überlegen ist ferner, ob die Tatsache, daß man in einem Tempel des Iuppiter tagte, bei der Formulierung haec lux aut huius caeli spiritus nicht auch an Iuppiter, nun freilich verstanden als Himmelsgott, nicht als Stator, denken ließ. Beide Assoziationen mögen – jeweils auf ihre Weise – der Vermutung, Catilina könnten dieses Licht und der Hauch dieses Himmels nicht mehr erfreulich sein, eine zusätzliche Dimension verliehen haben: Catilina paßt, modern gesprochen, nicht nur nicht in die politische Landschaft, vielmehr sind er und gleichsam der ganze römische Kosmos, unter Einschluß seiner göttlichen Komponente, inkompatibel.

fortuna (§§15; 25) In §13 fordert Cicero Catilina erneut auf, Rom zu verlassen. Er versucht, Catilina diesen Gedanken dadurch nahe zu bringen, daß er ihm vor Augen führt, es gebe nichts mehr, was ihn noch in Rom halten könne: Außerhalb seiner coniuratio werde er allgemein gefürchtet und gehaßt, durch seinen Lebenswandel und durch Verbrechen gegen Familienmitglieder habe er seinen Ruf beschädigt, sein finanzieller Ruin stehe unmittelbar bevor (§13f.), man wisse auch von seinen Handlungen, die sich gegen die res publica gerichtet haben. In diesem Zusammenhang erinnert Cicero an den Plan, die Konsuln des Jahres 65 und die principes civitatis zu ermorden. Alle Anwesenden wüßten davon und sie wüßten auch, daß nicht eine Einsicht oder die Furcht Catilinas, sondern fortuna populi Romani seinem scelus und furor entgegengestanden habe (§15).342 Bei dem Mordkomplott, das Cicero hier anspricht, handelt es sich um die sogenannte Erste Catilinarische Verschwörung.343 Der Eindruck, den Cicero hier von den Ereignissen vermittelt, deckt sich im Wesentlichen mit der Darstellung bei Sallust.344 Das Komplott führte, diesem Traditionsstrang zufolge, offenbar vor allem aufgrund von Fehlern der Füh341

Vgl. zu πνεῦμα bzw. spiritus zusammenfassend Verbeke 1974, 157–159, 161f.; Kohlenberger 1974, 169f., 173; Crouzel 1976, 495–499; Flury 1984, 73. Vgl. zu spiritus in Anschluß an die Stoa bei Cicero, etwa nat.deor. 2,19 (vgl. 2,15; 2,22; 2,32); har.resp. 57 (vgl. Tusc. 5,38). 342 … cum scias esse horum neminem qui nesciat te prid(ie) Kal(endas) Ian(uarias) Lepido et Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo, manum consulum et principum civitatis interficiendorum causa paravisse, sceleri ac furori tuo non mentem aliquam aut timorem tuum sed fortunam populi Romani obstitisse – … da du weißt, daß niemand unter diesen (Senatoren) hier ist, der nicht wüßte, daß du am Tag vor den Kalenden des Januar, als Lepidus und Tullus Konsuln waren, bewaffnet auf dem comitium gestanden bist, daß du (dir) eine Bande angeschafft hast, um die Konsuln und die principes civitatis zu töten, (der nicht wüßte,) daß deinem verbrecherischen Sinn und deiner Raserei nicht irgendeine Einsicht oder deine Furcht, sondern fortuna populi Romani entgegen stand. 343 Zu den Hintergründen und zu der Rolle, die Catilina dabei spielte – Catilina war, anders als Cicero es hier darstellt, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht die tragende Figur – vgl. S. 74 Anm. 255. 344 Sallust (Cat. 18) zufolge war geplant, die Konsuln bei ihrem Amtsantritt am 1. Januar auf dem Kapitol zu ermorden. Als dies nicht gelang, wollte man den Anschlag in einer Senatssitzung am 5. Februar wiederholen und bei dieser Gelegenheit außerdem auch viele Senatoren ermorden. Cicero faßt hier offenbar beide Pläne zu einem zusammen. Weshalb Catilina seine Bande, so wie es Cicero schildert, schon am 29. Dezember, also am Tag vor dem Amtsantritt der neuen Konsuln, gesammelt hat und weshalb dies gerade auf dem Comitium geschah, ist unklar. Vielleicht ist ein Zusammenhang mit der contio zu sehen, die die Konsuln des Jahres 66 am letzten Tag ihrer Amtszeit einberufen haben dürften (vgl. Kunkel, Wittmann 1995, 252f.). Deutlich anders ist die Darstellung bei Sueton (Iul. 9), die wiederum auf mindestens fünf z.T. erheblich divergierenden Quellen beruht.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

rung nicht zum Erfolg – sei es, weil es nicht gelang, die Vorbereitungen geheim zu halten, sei es weil Catilina für seine Befehle nicht den richtigen Zeitpunkt abwartete.345 Cicero zufolge spielte fortuna die entscheidende Rolle. Der Begriff fortuna hat ein breites Bedeutungsspektrum: er kann unter anderem das Glück – oder das Unglück, das günstige Los – oder das ungünstige, den Zufall und das (zufällige) Schicksal bezeichnen, außerdem Personifikationen dieser Abstracta – Zufalls-, Schicksals- und auch Schutzgöttinnen.346 In unserem Zusammenhang fragt es sich insbesondere, ob Cicero hier eher an ein gleichsam säkular verstandenes Glück oder Schicksal,347 oder eher an eine Gottheit Fortuna denken lassen wollte.348 Moderne Editionen und Kommentare behandeln diese Frage zumeist im Sinn eines ausschließenden ›Oders‹. So ist Clark offenbar der Auffassung, es sei eine Gottheit gemeint; jedenfalls schreibt er Fortuna groß und weist darauf hin, daß sonst Kleinschreibung üblich sei. Haury schreibt, ohne nähere Erklärung, ebenfalls Fortuna. Sternkopf jedoch notiert zwar Clarks Schreibweise, schließt sich ihm aber nicht an – kommentarlos. Maslowski schreibt, ohne Diskussion, fortuna klein. Fuhrmann schließlich übersetzt fortuna populi Romani mit das gnädige Geschick des römischen Volkes. Anders Maclardy und Funaioli: Sie weisen auf die Ambivalenz des Ausdrucks hin. – Maclardy, indem er erklärt, fortuna »here is almost the personification of chance, viz. the godess Fortuna who had several temples in Rome …«, Funaioli, indem er erklärt, fortuna sei »quasi ›la buona stella‹, la buona sorte, non senza l’idea del divino, chè Roma venerava da tempo la Fortuna publica populi Romani«. M.E. kann die Frage tatsächlich nicht im Sinn des ›Entweder – Oder‹ entschieden werden.349 Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß Cicero die Formulierung absichtlich so ambivalent gestaltet hat.350 So blieb es dem Publikum insbesondere auch selbst überlassen, in welchem Maße es hier eine religiöse Komponente verstehen wollte. Durch die Freiheit, die Cicero seinem Publikum ließ, vermied er es, Ablehnung zu provozieren, sei es bei denjenigen, die hier nur eine säkulare fortuna gelten lassen wollten, sei es bei denjenigen, für die hier eine Gottheit am Werk war. Seine Zurückhaltung galt dabei sicherlich nicht gewissermaßen weltanschaulichen Empfindlichkeiten, sondern rhetorischer und vielleicht auch politischer 345 346 347 348

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Dagegen lag es, beispielsweise Tanusius Geminus (bei Suet. Iul. 9) zufolge, daran, daß Crassus einen Termin aus Reue oder aus Furcht (paenitentia vel metu) nicht einhielt. Vgl. TLL 6, 1175–1195; Kajanto 1972, 182–192; Graf 1998a. Daß nicht der pure Zufall, also fortuna im Sinn von casus gemeint ist, macht der Zusatz populi Romani deutlich. Etwa an Fortuna Publica Populi Romani Quiritium mit ihrem Tempel auf dem Quirinal. Zu ihr, zu Fortuna generell wie auch zu Ciceros Beitrag zu der Entwicklung der Vorstellungen von Fortuna vgl. Champeaux 1982/87; Gildenhard 2011, 40–49; zur Komplexität der Semantik von fortuna bei Cicero vgl. Paolella 1989. Zu fatum bei Cicero vgl. jüngst Begemann 2012. Davor, Derartiges tun zu wollen, warnen Fears 1981, 845 Anm. 69 und Feeney 1998, 87–92 generell: Die trennende Unterscheidung von abstrakter Vorstellung auf der einen und vergöttlichter Personifikation dieses Abstractums auf der anderen Seite werde antikem Denken oftmals nicht gerecht; dieses erlaube vielmehr Doppeldeutigkeit und auch Schattierungen zwischen beiden Polen des Verständnisses. Auffallend ist, daß auch die Verbform obstitisse in gewisser Hinsicht nicht eindeutig ist. Je nachdem, ob man sie auf obsistere oder obstare zurückführt, vermittelt sie vom Wirken der – wie auch immer gearteten – fortuna ein eher statisches oder aber ein deutlich aktives Bild: Steht fortuna den Plänen Catilinas entgegen oder stellt sie sich ihm in den Weg?

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Rücksichtnahme: In den §§9 und 11 hatte er die unsterblichen Götter und besonders Iuppiter Stator bereits für seine Position in der aktuellen Situation in Anspruch genommen351 – in den §§22 und 33 sollte er es wieder tun; so war ihm möglicherweise daran gelegen, diese Art der Argumentation, wenigstens wenn es um Ereignisse der Vergangenheit ging, nicht zu strapazieren.352 Wie auch immer das Publikum die Formulierung genau auffaßte, bewirkte der Hinweis auf fortuna in jedem Fall zweierlei: 1. Durch die Einführung von fortuna ins Geschehen machte Cicero deutlich, daß es sich um einen Eingriff von Außen handelte, der Catilina gestoppt hat. Dem Wüten Catilinas stellte sich nichts entgegen, das in ihm selbst angelegt war – sei es eine Einsicht, sei es Furcht –,353 sondern etwas, das nicht in seiner Person lag. Daß es nicht zum Verbrechen kam, ist also nicht Catilina zu verdanken. Folglich darf man diesen Umstand auch nicht zu seinen Gunsten anrechnen. Cicero legt seinem Publikum geradezu den Gedanken nahe, man müsse so tun, als ob der Anschlag gelungen wäre. 2. Das Geschehen wird überhöht. Cicero erschien offenbar ein reiner Tatsachenbericht der Bedeutung nicht angemessen, die sein Publikum diesem Vorgang beilegen sollte. Catilina scheitert aus übergeordneten Gründen; ein Erfolg Catilinas lag nicht im Schicksal bzw. im Sinn der Fortuna populi Romani. Cicero suggeriert hier möglicherweise auch, daß dies ebenfalls für die Zukunft, d.h. auch für die aktuelle Situation im Jahr 63 gelten sollte.354 Fortuna einzuführen, ermöglichte es Cicero also, sein Publikum nicht nur mit explizit formulierten Argumenten anzusprechen, sondern auch mit gar nicht ausgesprochenen, die aber von dem Hinweis auf fortuna provoziert, in den Köpfen seines Publikums entstehen. In §25 entwickelt Cicero den Gedanken weiter, Catilina werde abreisen und es sei eigentlich gar nicht nötig, ihn dazu einzuladen, indem er Catilina vor Augen führt, er werde dahin gehen, wohin ihn seine zügellose und rasende Begierde schon längst hinreiße. In die-

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Vgl. S. 125ff., 134ff., 141ff. Auffallend ist, daß Cicero im Folgenden bei der Darstellung des – nach den Anschlägen auf frühere consules designati bzw. consules – zweiten Komplexes von Taten Catilinas, die sich gegen die res publica richteten – nämlich den Attentaten auf Cicero, den gleichsam aktuellen consul designatus bzw. consul (§15f.) –, im Ausdruck variiert, als er die Gründe des Scheiterns der Anschläge nennt: Der Dolch wurde Catilina entwunden oder entfiel ihm aus irgendeinem Zufall (excidit casu aliquo). Daß es Cicero hier nun sicherlich um eine Auflockerung ging, zeigt nicht nur das Wortspiel mit excidere – das Wort ist, ebenso wie casus von cadere abgeleitet –, sondern auch sein Wechsel in die Terminologie des Gladiatorenkampfes (so etwa Maclardy und Sternkopf ) bzw. – und angesichts der Beteiligung Ciceros hier wohl zutreffender – des militärischen Kampfes (quot ego tuas petitiones … parva quadam declinatione et, ut aiunt, corpore effugi – wie vielen deiner Angriffe … bin ich gewissermaßen mit einer kleinen Biegung und, wie man sagt, mit dem Körper, entkommen); diesen Wechsel macht Cicero zudem explizit kenntlich (quaedam declinatio bzw. ut aiunt). Zu petitio vgl. TLL 10.1, 1941 s.v. petitio IIA und TLL 10.1, 1932 s.v. peta, zu declinatio vgl. TLL 5.1, 188 s.v. declinatio I, besonders Curt. 4,6,16 (qui [sc. Alexander] exigua corporis declinatione evitato ictu); 7,4,36; 9,7,21, zu corpore vgl. Verg. Aen. 5,437; Curt. 6,1,4. 353 Zu mens aut timor vgl. auch S. 97ff. 354 Vgl. die entsprechende Überlegung zu §11 oben S. 145.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

sem Zusammenhang stellt Cicero fest, zu dieser Verstandlosigkeit habe Catilina die Natur hervorgebracht, der Wille geübt, das Schicksal bewahrt.355 Amentia wird also nicht einfach nur konstatiert, sondern als von drei Faktoren bedingt dargestellt: Natura hat Catilina zum Zweck dieser amentia hervorgebracht – man mag sich vorstellen, sie habe ihn mit den entsprechenden Anlagen (naturae), mit dem passenden Charakter ausgestattet. Voluntas – zu denken ist sicherlich insbesondere an Catilinas eigenen Willen356 – hat ihn trainiert. Fortuna schließlich hat ihn bewahrt – sie hat dafür gesorgt, daß er trotz aller Untaten bislang im Wesentlichen unbehelligt geblieben ist und seine Pläne weiter verfolgen konnte.357 Cicero bringt hier insbesondere mit fortuna einen Faktor ins Spiel, der als von außen auf die Geschehnisse einwirkend gedacht ist. Erneut stellt sich die Frage, ob Cicero die religiöse Konnotation, die fortuna grundsätzlich haben kann, zum Tragen bringen will. Dafür, daß er hier an die Göttin Fortuna denken lassen möchte, gibt es m.E. keine Anzeichen, wenngleich nicht auszuschließen ist, daß das religiöse Ambiente, das sich im Umfeld dieser Stelle findet,358 oder die religiöse Prägung, die der Begriff – je nach Sichtweise – in §15 erfahren hat, das Verständnis beeinflussen konnte. Bei fortuna nicht an die Göttin zu denken,359 bedeutet hier jedoch nicht, fortuna gänzlich säkular aufzufassen: Dadurch, daß sie mit natura und voluntas in eine Trias eingebunden ist, ist es nicht unwahrscheinlich, daß man sie als Schicksal in stoischem Sinn begreift, also nicht als zufälliges Schicksal, sondern als Ausdruck des den Kosmos durchwaltenden Göttlichen.360 Bemerkenswert ist die Rolle, die die fortuna genannten Faktoren – unabhängig davon, was man sich konkret unter ihnen vorstellt – insgesamt spielen: Einerseits bewahrt fortuna die res publica vor Anschlägen Catilinas, namentlich indem sie das Mordkomplott des Jahres 66/65 scheitern läßt, andererseits bewahrt sie aber auch Catilina vor der Verfolgung seiner Untaten. Ihr Ziel ist es, die amentia, die Catilina plant, zum Ausbruch kommen zu lassen; auch sie liegt in ihrem Plan.361 Geht man davon aus, daß Cicero diese fast schon tragisch zu nennende Konstellation mit aller Absicht in dieser Weise gestaltet, so ist zu überlegen, ob man darin mehr zu sehen hat als den Wunsch, dem Rezipienten ein theatralisches 355

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Ad hanc te amentiam natura peperit, voluntas exercuit, fortuna servavit. Haec amentia bezieht sich, ebenso wie haec res im Satz zuvor (vgl. S. 101 Anm. 39), auf das gesamte Unternehmen Catilinas. Zu amentia selbst vgl. S. 96. Vgl. §26: Hier kommt Cicero auf bestimmte Fähigkeiten Catilinas und ihr Training durch Catilina zurück. Damit knüpft Cicero an eine Klage an, die er schon wiederholt vorgebracht hat: Catilina hätte schon längst getötet werden müssen, er lebt aber noch (§§2–4), der Mord an Ehefrau und Sohn wurde nicht geahndet (§14), die Ermordung vieler Bürger, die Mißhandlung und Plünderung von Bundesgenossen ist ungestraft geblieben, er konnte sich über Gesetze und Gerichte hinwegsetzen (§18), er hat sein Leben vielen und gerechten Strafen entrissen (§20). In §24 wurde die Verehrung eines silbernen Adlers durch Catilina thematisiert (vgl. S. 196ff.), in §26 wird sein Treiben mit bacchantischem Schwärmen assoziiert (vgl. S. 204ff.). Ähnlich Maclardy; Funaioli. Hintergrund dieser Assoziation wären Überlegungen der Stoa zum Verhältnis von Schicksal, Naturanlage und Willen (bzw. Willensfreiheit) – oder jedenfalls das Wissen um die Problematik, die die stoischen Überlegungen zu diesem Verhältnis aufwerfen. Vgl. zur ersten Einführung Frede 2001. Vgl. §15f.: Geradezu zwanghaft unternimmt Catilina immer wieder Mordanschläge auf den Konsul, scheitert aber regelmäßig (s.u. S. 159ff.).

sacra, initiare, devovere, defigere

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Vergnügen zu bereiten: den Versuch nämlich zu suggerieren, daß auch sein, Ciceros, eigenes Handeln im Plan der fortuna liegt. Angesichts der Behauptung, fortuna habe Catilina bewahrt, erscheint dann die nur zwei Sätze später erfolgende Feststellung, Catilinas Anhängerschaft setze sich aus von aller fortuna verlassenen Leuten zusammen, zunächst widersprüchlich.362 Da Cicero jedoch klarstellt, daß sie nicht nur von aller fortuna, sondern auch von spes, von Hoffnung, verlassen sind, wird deutlich, daß fortuna hier in nochmals anderer Färbung, nämlich im Sinn von ›Glück‹ zu verstehen ist.363 Die Erwähnung dieser Desperados mag man aber nicht zuletzt als Hinweis darauf nehmen, daß auch Catilina nicht in alle Zukunft von fortuna bewahrt werden dürfte.

sacra, initiare, devovere, defigere (§16) Im Zug der Aufzählung von Handlungen Catilinas, die gegen die res publica gerichtet waren, erinnert Cicero erneut364 an Anschläge, die ihm selbst gegolten haben. Er stellt fest, Catilina lasse nicht davon ab, seine Ermordung zu versuchen und zu wollen – dies, obwohl schon so viele Anschläge mißlungen seien. Daß Catilina meine, es sei unausweichlich, einen Dolch im Körper des Konsuls festzuheften, erklärt Cicero damit, daß Catilina den Dolch ›eingeweiht und gelobt‹ habe (§15f.).365 So offenkundig und unbestreitbar wie bislang noch an keiner Stelle der Rede bringt Cicero hier Religiöses ins Spiel.366 Er verwendet religiöse termini technici – sacra, initiare, devovere –367 und entwickelt eine Szene, die Catilina bei einer kultischen Handlung zeigt.368 362

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Nanctus es ex perditis atque ab omni non modo fortuna verum etiam spe derelictis conflatam improborum manum. – Du hast eine Bande aus (der Gruppe der) schlechten (Leute) gefunden, zusammengewürfelt aus Verlorenen und nicht etwa bloß von allem Glück, sondern auch von Hoffnung gänzlich Verlassenen. Vgl. Fuhrmann, der mit den Begriffen ›Schicksal‹ bzw. ›Schicksalsgunst‹ differenziert. Vice versa kommt hier auch nicht der Gedanke an die Göttin Spes auf. Vgl. §10f. Nihil agis, nihil adsequeris neque tamen conari ac velle desistis. Quotiens iam tibi extorta est ista sica de manibus, quotiens vero excidit casu aliquo et elapsa est! Tamen ea carere diutius non potes. Quae quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio, quod eam necesse putas esse in consulis corpore defigere. – Nichts bewirkst du, nichts erreichst du, und dennoch läßt du nicht ab, es zu versuchen und zu wollen. Wie oft dir schon jener Dolch aus den Händen entwunden worden ist! Wie oft gar er (dir) durch irgendeinen Zufall (aus den Händen) gefallen und entglitten ist! Gleichwohl kannst du dich seiner nicht länger enthalten. In welche sacra er von dir eingeweiht und (mit welchen sacra er von dir) gelobt wurde, weiß ich wirklich nicht, daß du meinst, es sei unausweichlich, ihn im Körper des Konsuls festzuheften. Offenkundig, da nicht etwa ›nur‹ religiös konnotierte Begriffe zum Einsatz kommen, unbestreitbar, da es sich um eine Formulierung handelt, die man beim ›besten‹ Willen nicht für lediglich rhetorisch bedingt oder gar für eine Floskel halten kann. Als sacra werden Kulte bzw. Rituale aller Art bezeichnet (vgl. Wissowa 21912, 398–402; zusammenfassend Rives 2001). Initiare meint ›einweihen‹, d.h. einführen in einen Mysterienkult (vgl. Burkert 2004, 124f.). Devovere bezeichnet – vovere synonym (vgl. TLL 5.1, 881 s.v. devoveo IA; Wissowa 21912, 384 Anm. 2 unter Verweis auf Pernice 1885, 1156 Anm. 1) – das Geloben eines Opfers, eines Votivgegenstandes o.ä., außerdem das ›Hinabweihen‹ der eigenen Person oder eines Stellvertreters an die Götter der Unterwelt (vgl. TLL 5.1, 881f. s.v. devoveo IB; Versnel 1997a), und – belegt jedoch erst in nachciceronischer Zeit – die Verfluchung, zu verstehen als Spielart der defixio, also einer Praktik des Schadenszaubers (vgl. Nep. Alc. 4,5 [wohl zwischen 32 und 27 publi-

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Dabei ruft Cicero die Vorstellung hervor, Catilina führe kultische Handlungen durch, die in mancherlei Hinsicht obskur sind. Diese Vorstellung erweckt Cicero unabhängig davon, wie man die zentrale Formulierung quae (sc. sica) quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio versteht. Im Detail läßt die Syntax aber einen relativ großen Spielraum für das Verständnis des Satzes und damit auch dafür, welchen Vorwurf Ciceros gegen Catilina man hier hören will. Dieser Spielraum kommt ganz wesentlich dadurch zustande, daß man quibus sacris für einen Ablativ, aber auch für einen Dativ halten kann.369 Das Verständnis des Satzes wird außerdem davon beeinflußt, ob man initiata mit devota sit,370 und ob man – und gegebenenfalls wie man – quibus sacris mit devota sit371 verbunden sieht. Je nach dem, welcher Variante man den Vorzug gibt, bewegt sich das Bild, das Cicero hier von Catilina entwirft, zwischen zwei Extremen. Man kann sich vorstellen: Catilina hat einen 367

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ziert]; TLL 5.1, 882 s.v. devoveo IB2; Kropp 2008 [dfx 2.1.2/1 aus Barachín del Hoyo, Datierung unklar, aber vor der Zeitenwende; dfx 5.1.5/8 aus Mainz, 1./2. Jh. n.Chr.]; Graf 1996, 116f.; Graf 2005b). Zu defigere s.u. S. 162. Ähnlich in §24, wo Cicero behauptet, Catilina pflege einen silbernen Adler zu verehren, wenn er sich zum Morden aufmache (vgl. S. 196ff.). Vgl. auch S. 106ff., 204ff. zu Vorstellungen, die man sich vom Zustandekommen der Verschwörung und vom Agieren der Verschwörer aufgrund des Lichts, in dem Cicero die Verschwörung erscheinen ließ, machen konnte. Vgl. dazu etwa Maclardy. Man kann also entweder verstehen, der Dolch sei in sacra eingeweiht worden, oder er sei durch sacra eingeweiht worden. Initiare wird mit dem Dativ konstruiert, wenn es darum geht auszudrücken, wohinein die Einweihung erfolgt; wodurch die Einweihung erfolgt, steht dagegen im Ablativ (TLL 7.1, 1649 Z.79–1650 Z.19); vgl. etwa Cic. leg. 2,37 quibus … sanciendum est, ut … initienturque eo ritu Cereri, quo Romae initiantur – in diesen (Gesetzen) muß … festgeschrieben werden, daß … und sie (die Frauen) durch den Ritus in die (Mysterien der) Ceres einweiht werden sollen, durch den man in Rom (üblicherweise) eingeweiht wird. Ob man also versteht, der Dolch sei eingeweiht und ›geweiht‹ worden – in dem Sinn, daß es sich dabei um einen einzigen Vorgang handelt. Dafür spricht auf den ersten Blick die Verwendung von ac (statt et), da ac eine sehr enge und i.a. inhaltlich begründete Verbindung zwischen zwei Begriffen herstellt. So müßte man initiata ac devota sit als semantische Einheit und ac devota sit gewissermaßen als nähere Erklärung für initiata betrachten. Die Wortstellung – quibus … sacris wird lediglich von abs te initiata gesperrt, nicht aber von abs te initiata ac devota – weckt jedoch Zweifel. Gegen dieses Verständnis spricht jedoch v.a. auch die Tatsache, daß mit initiare und devovere deutlich unterschiedliches Tun bezeichnet wird (vgl. oben Anm. 367; vgl. auch Haury, der meint, die Bedeutung ›consacrer‹ liege nur in devota). Dieses Dilemma (zu einer möglichen Lösung vgl. die folgende Anm.) spiegelt die Handschriftentradition: Auch hier herrscht eine gewisse Unsicherheit über das Verhältnis, in dem initiata und devota zueinander stehen: A hat aut, V ut statt ac. Γ geht aber, ebenso wie a, β und γ, offenbar von ac aus und übersetzt καί. Quibus sacris mit devota sit verbunden zu sehen, muß nicht heißen, daß man versteht, der Dolch sei irgendwelchen sacra gelobt – will heißen für die Verwendung bei diesen sacra versprochen – worden, was ungewöhnlich wäre (vgl. TLL 5.1, 881–883 s.v. devoveo). Es kann auch heißen, der Dolch sei durch sacra gelobt – will heißen in ritueller Form versprochen – worden (TLL 5.1, 881 s.v. devoveo IA1). Mit der grammatikalischen Korrektheit steht dies durchaus in Einklang, faßt man quibus sacris als Zeugma im Verhältnis zu initiata … ac devota sit auf. Genau genommen, hat man es dann – raffinierterweise – mit einem Zeugma in syntaktischer und semantischer Hinsicht zu tun: quibus sacris dient als Dativ für initiata und als Ablativ für devota; in Bezug auf initiare meint sacra einen Kult oder zumindest kultische Handlungen, in Bezug auf devovere – andere – kultische Handlungen. Jetzt läßt sich auch die Verwendung von ac erklären: ac verbindet hier nicht initiare und devovere, also Vorgänge, die eigentlich nicht so eng miteinander verbunden sein können, sondern die Aussagen ›in sacra einweihen‹ und ›durch weitere sacra ›weihen‹‹. Diese verschiedenen sacra gehören, gewissermaßen auf einer höheren semantischen Ebene, aber tatsächlich sehr eng zusammen, dienen sie doch demselben Ziel: dem Mord am Konsul.

sacra, initiare, devovere, defigere

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Dolch ›geweiht‹372 – vielleicht hat er ihn, fast schon in übertragenem Sinn, einer Aufgabe geweiht, vielleicht ganz real in dem Sinn, daß er ihn einer Gottheit als Weihegabe gelobt hat, sollte der Mord gelingen.373 Man kann sich aber auch vorstellen: Catilina hat den Dolch geradezu in sacra, sprich: in eine Art Mysterienkult,374 eingeweiht und dann auch noch mit sacra, gleichsam zweckgebunden, einer Aufgabe und/oder einer Gottheit ›geweiht‹ bzw. als Weihegabe gelobt.375 Auffallend ist, daß Cicero hier Begriffe verwendet, die per se nicht negativ besetzt oder disqualifizierend sind, die vielmehr termini zur Bezeichnung von Einrichtungen bzw. Vorgängen sind, die ihren Platz in der allgemein akzeptierten religio haben.376 Dennoch ist das ganze Szenario ins Negative gewendet. Dies nicht nur durch den Kontext – schließlich geht es um ein Mordwerkzeug377 –, sondern auch dadurch, daß Cicero die termini teils in unüblicher Weise verwendet – initiare bezeichnet normalerweise das Einführen einer Person in einen Kult, nicht eines Gegenstandes378 – und damit suggeriert, Catilina lege unübliches, deviantes kultisches Agieren an den Tag. Ins Negative wendet Cicero dieses Szenario aber 372

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Der deutsche Begriff ›weihen‹, von mhd. wīhen=›heilig machen‹, ist deutlich weniger spezifisch als die lateinischen Begriffe dedicare, consecrare, devovere u.ä., die mit seiner Hilfe wiedergegeben werden. Gerade dadurch eignet er sich aber, die Bandbreite der Verständnismöglichkeiten anzudeuten, die Cicero seinem Publikum an dieser Stelle eröffnet. Vergleichbar wäre Petron. 82,2 dum … nihil aliud quam caedem et sanguinem cogito frequentiusque manum ad capulum, quem devoveram, refero – während ich an nichts anderes als an Mord und Blut denke und ziemlich häufig die Hand an den (Schwert-)Griff lege, den ich – zu verstehen ist: den Rachegöttern o.ä. – gelobt hatte … Initiare lenkt das Verständnis von sacra auf diese Bedeutungsvariante. M.E. ist es aus sprachlichen Gründen sehr wahrscheinlich, daß ein Großteil des Publikums diesem Verständnis folgte. Daß ein derartiges Konstrukt tatsächlich denkbar war, zeigt Tac. ann. 15,53,2. Bei der Schilderung der Pisonischen Verschwörung berichtet er, Flavius Scaevinus habe sich ausbedungen, als erster auf Nero einstechen zu dürfen – Scaevinus, der einen Dolch aus dem Tempel der Salus oder, wie andere überlieferten, aus dem der Fortuna in Ferentinum entwendet hatte und ihn wie zu einem großen Werk geweiht bei sich trug (qui pugionem templo Salutis sive, ut alii tradidere, Fortunae Ferentino in oppido detraxerat gestabatque velut magno operi sacrum). Bei diesem Dolch handelte es sich also um einen tatsächlich einer Gottheit dedizierten bzw. konsekrierten Gegenstand, der dann als einer behandelt wurde, der einer bestimmten Aufgabe ›geweiht‹ war. Dyck gibt unter Verweis auf diese Tacitus-Stelle zu bedenken: »A special dedicated weapon … might be used for an important or risky task«. Zu den Begriffen dedicare und consecrare (›als sacrum erklären‹) vgl. Wissowa 1900, 896–900; zusammenfassend Frateantonio 1997a; Frateantonio 1997b. Dies gilt insbesondere für sacra und auch für initiare, wenngleich Mysterienkulte grundsätzlich mit einer gewissen Skepsis betrachtet wurden (vgl. S. 204ff.), wie auch für devovere, wenngleich sich die Bedeutungsvariante ›verfluchen‹ wohl gerade in der Zeit Ciceros herausgebildet hat (vgl. oben Anm. 367). Bereits die Bezeichnung der Waffe als sica statt als pugio ist tendenziös (vgl. Maclardy, Haury, Dyck z.St.). Während pugio etwa den Dolch der Legionäre bezeichnete, galt die sica, ein Krummdolch, als typische Waffe der Räuber und Mörder; vgl. den Begriff sicarius, ›Mörder‹ (Gross 1975). Vgl. TLL 7.1, 1649–1651. Zu den dem Sachverhalt eher angemessenen termini dedicare und consecrare vgl. oben Anm. 375. In diesem Licht mag man dann auch devovere nicht als gänzlich mit vovere synonym aufgefaßt haben, sondern der Vorsilbe de- Bedeutung beigemessen und zumindest ›hinab-weihen‹ verstanden haben. Sollte dieser Begriff freilich doch schon mit magischen Praktiken verbunden gewesen sein, ist es nicht unwahrscheinlich, daß diese Konnotation zum Tragen kam und man sich folglich überlegt hat, ob Catilina die sica in dem Sinn ›geweiht‹ hat, daß er sie mit einem Schadenszauber in Verbindung brachte.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

auch dadurch, daß er von den sacra sagt, er kenne sie nicht. Mit nescio379 stellt Cicero nicht einfach nur das Factum seiner Unkenntnis fest; in dieser Feststellung liegt vielmehr ein gravierender Vorwurf: Cicero weiß nicht einfach nur nicht, um welche sacra es sich handelt, vielmehr kann er sie überhaupt nicht benennen. So arbeitet Cicero hier nicht nur mit der latenten Skepsis gegenüber Kulten, die mit Initiation und Geheimhaltung verbunden sind, sondern legt den Verdacht nahe, es handle sich um Praktiken, die nicht etwa aus legitimen kultischen Gründen geheim gehalten werden, sondern weil sie überhaupt nicht zu den akzeptierten Formen der religio gehören. Das kultische Handeln, das Cicero Catilina hier unterstellt, entspricht folglich dem Charakter der coniuratio: Es geschieht im Verborgenen, es ist destruktiv, es ist separatistisch, es ist gegen die res publica380 gerichtet. Gleichzeitig verleiht Cicero der coniuratio spätestens hier eine religiöse Komponente. In diesem Zusammenhang verlieren die Begriffe sacra, initiare und devovere gänzlich ihren grundsätzlich positiven Klang.381 Zu überlegen ist, ob Cicero sein Publikum mit dem letzten Wort des Satzes, defigere, in diesem Verständnis bestärken will. Sicam in corpore defigere bedeutet zwar – ganz profan – den Dolch im Körper festheften,382 defigere entwickelte sich aber auch zum terminus technicus für magisches ›Binden‹.383 Sollte defigere im Jahr 63 bereits diese Konnotation gehabt haben, ist es angesichts der Tatsache, daß der Hörer oder Leser durch die Begriffe sacra, initiare und devovere auf eine religiöse Szenerie eingestimmt war und Cicero diese Szenerie bereits verdächtig gemacht hatte, außerdem angesichts des Kontexts – es geht um Mordversuche – nicht unwahrscheinlich, daß sie hier zum Tragen kam.384 Cicero dürfte dabei frei379 380 381 382

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Betont durch quidem: Quidem verstärkt den bitteren Unterton (ähnlich Funaioli). Vgl. die Formulierung in consulis corpore defigere, mit der Cicero von seiner eigenen Person abstrahiert, obwohl er an dieser Stelle von Anschlägen Catilinas spricht, die ihm persönlich galten. Ähnlich sieht dies offenbar auch Fuhrmann; vgl. seine recht intensiv interpretierende Übersetzung Ich weiß nicht, mit welchen Beschwörungen du ihn geweiht und verzaubert hast. Vgl. TLL 5.1 s.v. defigo IA2 zu ähnlicher Verwendung von defigere; Liv. 1,58,11 (cultrum in corde) und auch Rhet.Her. 4,52 (gladium in latere) kommen unserer Stelle am nächsten. In ist hier nicht mit dem Akkusativ verbunden, was gleichsam die Stoßrichtung bzw. das Eindringen des Dolches in den Körper betont hätte, sondern mit dem Ablativ; der Ton liegt also darauf, daß der Dolch sich dann im Körper befindet. Zur Bedeutsamkeit, die dieses Detail für unsere Stelle, in anderem Sinn als für Liv. 1,58,11 und Rhet.Her. 4,52, möglicherweise hat, vgl. unten Anm. 384. Frühester Beleg für die Verwendung von defigere in dieser Bedeutung ist eine Fluchtafel aus Nomentum, die in die 1. Hälfte des 1. Jh. v.Chr. datiert werden kann (Kropp 2008, dfx 1.4.2/2); frühester literarischer Beleg ist Ov. am. 3,7,29 (vgl. TLL 5.1, 342 s.v. defigo IIE). Die Vorstellung des ›Bindens‹, der defixio ist freilich deutlich älter (Graf 1996, 108–157; Graf 2005b; Graf, Fowler, Nagy 2005, 293f.; zusammenfassend Versnel 1997b). Cicero selbst belegt die Existenz dieser Vorstellung für das Jahr 79 v.Chr.: Als C. Scribonius Curio vor Gericht vergessen hatte, was er sagen wollte, suchte er seine Vergeßlichkeit mit veneficia et cantiones der gegnerischen Prozeßseite zu erklären, also damit, daß er durch sie ›gebunden‹ worden sei (Brut. 217; dazu Graf 1996, 56f.). Zudem war Schadenszauber nicht selten mit Riten verbunden, bei denen mit einer Verfluchung beschriftete Täfelchen mit einem Nagel durchbohrt wurden oder bei denen Nadeln oder Nägel in Puppen gestochen wurden, die dann so deponiert wurden (Graf 1996, 121–124; Kropp 2008, 84– 87) – zumal im Fall der Puppen ein Vorgang, den man mit in corpore defigere assoziieren könnte. Anders als für die zuerst genannte Praxis (vgl. Kropp 2008, etwa dfx 1.4.4/8–12 [Rom], dfx 1.4.2/ 1–3 [Nomentum], alle aus dem 1. Jh. v.Chr.) finden sich in Rom selbst und in der näheren Umgebung der Stadt bislang für die zweite Praxis zwar keine archäologischen Zeugnisse (vgl. Graf, Fowler, Nagy 2005, 293f.), literarisch sind Puppen im Schadens- und Liebeszauber jedoch gut bezeugt (vgl. Hor. sat. 1,8,30–33; Ov. am. 3,7,30; 79).

sacra, initiare, devovere, defigere

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lich wohl kaum das Ziel gehabt haben, Catilina ganz konkret einen Bindezauber vorzuwerfen – dazu ist das Bild nicht stimmig genug: Catilina ›weiht‹ nicht das Opfer, sondern die Tatwaffe, die sacra ›binden‹ nicht das Opfer, sondern den Täter – möglicherweise wollte er aber andeuten, daß Catilina die Anwendung magischer385 Praktiken zuzutrauen ist.386 So massiv der Vorwurf ist, den man der Bemerkung Ciceros entnehmen kann – unabhängig davon, ob tatsächlich auch an Magie oder ›nur‹ an obskures Einweihen und Geloben zu denken ist –, so vorsichtig bringt Cicero ihn vor. Genau genommen behauptet Cicero nämlich gar nicht, Catilina führe derartige kultische Handlungen durch. Vielmehr schließt er aus der Tatsache, daß Catilina seine Anschläge trotz ständiger Mißerfolge wiederhole, darauf, daß sacra im Spiel sind.387 In dieser Argumentationsweise mag man einerseits eine Art Rückversicherung Ciceros gegen den Vorwurf der (besonders) üblen Nachrede sehen, sie hat aber auch noch einen weiteren argumentativ wirksamen Effekt: Indem Cicero vorgibt, er könne sich Catilinas unsinnige Mordversuchswiederholungen nur dadurch erklären, daß er selbst durch sacra dafür gesorgt habe, daß er sie ständig wiederholen müsse, stellt Cicero es so dar, als handle Catilina unter Zwang. Verstärkt wird dieser Eindruck durch necesse … esse … defigere, also durch die Behauptung, Catilina meine, es sei unausweichlich, daß er so handle.388 385

Magia wird als terminus technicus der lateinischen Sprache zur Bezeichnung bestimmter kultischer Praktiken erst seit Apuleius verwendet (vgl. TLL 8, 51 s.v. magia). ›Magie‹ im Sinn von Schadenszauber ist aber bereits durch ein Gesetz der 12-Tafeln belegt (Prozesse wegen Zauberei aus der Zeit der Republik freilich nur ein einziger für das Jahr 191 v.Chr.; vgl. Liebs 1997, 149). In der Zeit des Principats wurde die lex Cornelia de sicariis et veneficiis des Jahres 81 v.Chr. zur Grundlage der Bestrafung von ›Magie‹, wobei ›Magie‹ als eine Form des veneficium betrachtet wurde (im Fall von ›Magie‹ erfolgte die Vergiftung nicht durch eine giftige Substanz, sondern durch Schadenszauber). ›Magie‹ stand dabei nicht als solche unter Strafe, vielmehr wurde das Zufügen von materiellem oder körperlichem Schaden durch ›Magie‹ sanktioniert. Vgl. hierzu Graf 1996, 37–57; Liebs 1997; Rives 2006. Zu Magie allgemein etwa Graf 1996; zusammenfassend Graf, Johnston, Thür 1999. Die Begriffe magus und magicus begegnen freilich bereits in augusteischer Zeit in Zusammenhang mit ›magischen‹ Praktiken (vgl. TLL 8, 151f. s.v. magus; 51f. s.v. magicus). 386 Sollten jedoch defigere und auch devovere für das Publikum Ciceros noch frei von magischen Konnotationen gewesen sein, fragt es sich, ob Cicero aufgrund des Zusammenhangs, in dem er die Begriffe hier verwendet, einen Beitrag zu ihrer Bedeutungsentwicklung hin zu termini, die eben auch magische Praktiken bezeichen können, geleistet hat: Immerhin geht es hier um ›Bindung‹, wenn auch nicht um die des Opfers, sondern die des Täters, in suspektem kultischem Zusammenhang. 387 Quae quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio, quod eam necesse putas esse in consulis corpore defigere. – Quod ist hier ein begründendes ›daß‹; der quod-Satz enthält die Tatsache, aus der die voranstehende Annahme abgeleitet wird; vgl. etwa Maclardy; Sternkopf. 388 Hingeführt wird man auf diesen Eindruck bereits durch die ja einer eigenartigen Logik folgende Feststellung, Catilina lasse trotz Mißerfolgen nicht davon ab, die Ermordung Ciceros zu versuchen und zu wollen (nihil agis, nihil adsequeris neque tamen conari ac velle desistis), besonders aber durch die Behauptung, Catilina könne den Dolch ›gleichwohl‹ nicht länger entbehren (tamen ea carere diutius non potes), die Cicero an die Feststellung anschließt, der Dolch sei Catilina schon oft entwunden worden oder entglitten. Manche Herausgeber (so Clark; Sternkopf ) haben diesen Satz allerdings als aus §24 stammend getilgt. Dagegen spricht m.E. nicht nur die gesamte Handschriftentradition (vgl. auch Maslowski z.St.) und die Tatsache, daß die Formulierung keine exakte Dublette der in §24 stehenden – tu ut illa (sc. aquila argentea) carere diutius possis – ist, sondern auch, daß tamen ea carere diutius non potes gewissermaßen als Parallele zu tamen conari ac velle desistis fungiert. Falls es sich aber doch etwa um eine Marginalie handeln sollte, die in den Text geraten ist, so hat auch ihr Autor in dem Handeln, das Cicero Catilina hier unterstellt, Zwanghaftigkeit gesehen und wollte auf die parallele Situation in §24 hinweisen (vgl. dazu unten S. 198). Zur

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Wie auch immer man sich die sacra, die Cicero hier imaginiert, konkret denkt: Cicero erzwingt, daß man sie sich als obskur vorstellt. So gesehen dürfte auch diese Szenerie zu der Atmosphäre beigetragen haben, in der die von Sallust kolportierten Gerüchte, Trinken menschlichen Blutes habe bei der Konstituierung der coniuratio eine Rolle gespielt, entstehen konnten.389

me hercule (§17) In §16 malt Cicero das Bild des isolierten Catilina weiter aus, das er in §13 mit der Behauptung entworfen hat, außerhalb der coniuratio gebe es niemanden, der Catilina nicht fürchte oder hasse: Er erinnert Catilina daran, daß ihn niemand gegrüßt habe, als er zur Senatssitzung gekommen sei – nicht einmal seine Freunde, niemand habe in seiner Nähe sitzen wollen. Cicero möchte erreichen, daß Catilina aus dieser Isolierung die Konsequenz zieht und Rom verläßt. Daß dies die angemessene Reaktion ist, sucht Cicero durch drei argumenta e contrario plausibel zu machen (§17): 1. Wenn seine – Ciceros – Sklaven ihn so fürchteten, wie Catilina von seinen Mitbürgern gefürchtet werde, würde Cicero meinen, sein Haus verlassen zu müssen. 2. Wenn Cicero seinen Mitbürgern in so schwerwiegender Weise verdächtig wäre und man Anstoß an ihm nehmen würde, würde er, selbst wenn er zu Unrecht verdächtigt würde, lieber auf ihren Anblick verzichten wollen, als sich von ihnen feindlich ansehen zu lassen. Daß der Haß, der Catilina entgegengebracht werde, aber gerechtfertigt sei, gebe dieser ja selbst zu. 3. Catilina selbst würde seinen Eltern, wenn sie ihn fürchteten und haßten und er sie nicht besänftigen könnte, vermutlich aus den Augen gehen. Nun hasse und fürchte ihn sogar die patria. Gemessen an der Sphäre, aus der der jeweilige Vergleich genommen ist, und gemessen an der Rolle, die die Akteure in den Vergleichen spielen, sind die argumenta nach steigender Bedeutsamkeit angeordnet. Alle drei thematisieren die Verletzung eines Naheverhältnisses. Im ersten argumentum handelt es sich um das Verhältnis zwischen Herr und Sklave bzw. von einem Menschen zu seinen Mitbürgern, im zweiten um das Verhältnis von einem 388

Zwanghaftigkeit des Handelns Catilinas und zu der Frage, weshalb Cicero es so charakterisiert, vgl. auch unten S. 198, 205, 235f. 389 Vgl. S. 106ff. Ähnlich Funaioli; Dyck. Zu meinen, mit den hier angesprochenen sacra seien genau die Vorgänge gemeint, von denen die Gerüchte sprachen, die Sallust erwähnt – wie dies etwa Criniti tut, wie es etwa Maclardy und Haury in Erwägung ziehen –, scheint mir jedoch nicht sinnvoll zu sein: zu unterschiedlich sind die Vorgänge. Die Gerüchte beziehen sich auf die Art, in der die Verschwörung zustande gekommen sein soll – von einem Eid ist die Rede, von bedingter Selbstverwünschung, von der Stärkung der fides durch ein gemeinschaftlich begangenes Verbrechen. Die sacra, von denen Cicero spricht, beziehen sich jedoch auf die Vorbereitung einer speziellen Tat, Gegenstand der rituellen Handlung ist die Mordwaffe, nur von Catilina ist die Rede, nicht von den Verschwörern insgesamt. In Verbindung bringen könnte man die beiden Vorgänge allenfalls, wenn man annehmen würde, der Dolch, mit dem Cicero ermordet werden sollte, sei derselbe gewesen, mit dessen Hilfe man sich das menschliche Blut verschafft hat, das bei der Eidesleistung eine Rolle gespielt haben soll. Dies hieße aber doch wohl, der Phantasie die Zügel schießen zu lassen. Daß dies gleichwohl geschieht, mag man aber immerhin als Beleg für die assoziative Kraft der Bilder nehmen, mit denen Cicero operiert.

me hercule

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Menschen zu seinen Mitbürgern, wobei dieser Mensch im einen Fall zu Unrecht, im anderen Fall zu Recht verdächtigt wird, etwas gegen seine Mitbürger im Schilde zu führen, im dritten um das Verhältnis eines Menschen zu seinen Eltern bzw. zur patria.390 Zu Beginn des ersten Vergleichs verwendet Cicero die Interjektion me hercule, einen Ausdruck der Beteuerung.391 Mit me hercule beteuert Cicero hier freilich nicht nur den Wahrheitsgehalt der Behauptung, von der sein erster Vergleich ausgeht. Vielmehr betont der Ausdruck dadurch, daß er servi … mei sperrt, zudem servi, den Begriff also, der auch durch seine Stellung am Satzanfang hervorgehoben ist.392 Servi stellt den Ausgangspunkt der gesamten Steigerungskette dar. Sie ist umso wirkungsvoller, je weiter sie den Bogen spannt, profitiert also davon, daß me hercule nicht nur beteuert, Cicero würde ›wahrhaftig‹ meinen, sein Haus verlassen zu müssen, wenn seine Sklaven ihn so fürchteten, sondern auch deutlich macht, daß er dies meinen würde, obwohl es ja ›nur‹ Sklaven sind, während es sich im Fall Catilinas um römische Bürger handelt, auf deren Furcht Rücksicht genommen werden sollte.393 Zu überlegen ist, ob die Beteuerung me hercule darüber hinaus auf den Komplex der argumenta insgesamt abzielt, operiert Cicero doch in jedem der drei Fälle in einer Weise mit Vorstellungen von vorbildlichem Verhalten, die recht gewagt ist. Es muß nicht nur glaubhaft erscheinen, daß Cicero tatsächlich meinen würde, sein Haus verlassen zu müssen, wenn er von seinen Sklaven gefürchtet würde, sondern auch, daß er, wenn er seinen Mitbürgern verdächtig wäre, selbst im Fall, daß dies ungerechtfertigterweise geschähe, lieber auf ihren Anblick verzichten würde. Und schließlich muß man der Vermutung beipflichten, Catilina würde seinen Eltern aus den Augen gehen, wenn sie ihn fürchteten und haßten. Insbesondere das letzte argumentum macht deutlich, daß man zudem akzeptieren muß, daß Catilina letztlich denselben Wertmaßstäbe folgt wie Cicero und alle anderen.394 Die Vorsicht, mit der Cicero formuliert – er sagt nicht, ›ich würde mein Haus verlassen, ich würde auf den Anblick meiner Mitbürger verzichten, Catilina würde seinen Eltern aus den Augen gehen‹, sondern ›ich würde meinen, mein Haus verlassen zu müssen, ich würde lieber wollen, daß ich auf den Anblick meiner Mitbürger verzichte, Catilina würde, wie ich 390

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Es geht also um die für diese Verhältnisse wichtigen virtutes, insbesondere um fides und pietas. Jeder Vergleich stellt, ähnlich wie in §3, Kleineres Größerem gegenüber, wodurch eine Steigerung erzielt wird: Wenn man schon sein Haus verlassen sollte, wenn man von seinen Sklaven derart gefürchtet wird, dann muß man erst recht die Stadt verlassen, wenn einen die Mitbürger fürchten, etc. (vgl. S. 112; vgl. auch Quint. inst. 8,4,10–14). Im Detail sind die argumenta komplex gestaltet und miteinander verwoben. So stellt Cicero sich selbst Catilina als Vorbild vor Augen. Der thematische Rahmen wird von den Sklaven, als Ausgangspunkt des ersten Vergleichs, bis zur patria, dem Bezugspunkt des dritten Vergleichs, gespannt. Catilina erscheint nicht nur auf der gewissermaßen negativen Seite der Vergleiche, sondern in einem Fall auch auf der positiven; so wird er sich selbst – und damit gleichsam zwingend – als Vorbild vorgeführt. Servi me hercule mei si me isto pacto metuerent … – Bei Hercules, wenn meine Sklaven mich auf diese Art fürchten würden … Me hercule ist etwa edepol, ecastor, medius Fidius vergleichbar; vgl. Gagnér 1920; auch Herrera Hermosilla 1994. Vgl. Dyck z.St. Vgl. Quint. inst. 8,4,9f., der diese Stelle, freilich ohne eigens auf me hercule einzugehen, als Beispiel dafür anführt, daß durch die Steigerung dessen, was geringer ist – hier also die Steigerung von cives durch servi –, das gehoben werde, was über diesem stehe – hier die Notwendigkeit das Haus bzw. die Stadt zu verlassen. Eine Vorstellung, die Cicero sonst nach Kräften zu untergraben sucht (vgl. etwa §§12–14; 22; 25f.).

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vermute, seinen Eltern aus den Augen gehen‹395 – sorgt zwar dafür, daß die exempla, die er hier konstruiert, nicht allzu unrealistisch wirken, andererseits weisen diese Klauseln eigens darauf hin, daß man am Realitätsbezug der Behauptungen zweifeln kann. Diesem Zweifel mochte die vorgeschaltete Interjektion me hercule entgegenwirken: Cicero würde wirklich meinen, sein Haus verlassen zu müssen, er würde tatsächlich lieber wollen, daß er auf den Anblick seiner Mitbürger verzichtet, er vermutet ernsthaft, Catilina würde seinen Eltern aus den Augen gehen. Wenn nun me hercule deutlich macht, daß man die Idee, die in den Ausgangspunkten der Vergleiche entwickelt wird, ernst nehmen soll, und wenn es gelingt – und dazu dient das dritte argumentum –, auch Catilina für dieses Ideal in Anspruch zu nehmen, demzufolge man sich zurückziehen soll, wenn man zu große Abneigung erregt, liegt gerade darin, daß die Behauptung, dieses Ideal würde gegebenenfalls auch so gelebt, ans Unrealistische grenzt, eine besondere argumentative Stärke: Wenn Catilina sich für dieses ins Extrem getriebene Idealverhalten vereinnahmen läßt, muß er erst recht bereit sein, in der gegenwärtigen Situation Rom zu verlassen. Auch in Hinblick darauf, daß es Cicero nicht nur darum gehen konnte, Catilina dazu zu bringen, Rom zu verlassen, es ihm vielmehr auch wichtig sein mußte, die Senatoren von der Richtigkeit dieses Anliegens zu überzeugen, erscheint diese Argumentationsweise wirksam. Je strenger der Maßstab ist, an dem die Notwendigkeit gemessen wird, sich der Ablehnung durch die Allgemeinheit zu fügen, desto offensichtlicher wird, daß Catilina sich zurückziehen muß. Me hercule hilft, einen besonders strengen Maßstab zu formulieren. So deutlich der rhetorische Nutzen des Ausdrucks ist, so schwer ist es einzuschätzen, ob sein religiöser Kern – schließlich handelt es sich streng genommen um die Anrufung des Hercules als Schwurgott – zum Tragen kommt. Da der Kontext das wörtliche Verständnis nicht eigens fördert, erscheint dies angesichts der üblichen Verwendung des Ausdrucks – bei Cicero, wie auch allgemein – tatsächlich recht unwahrscheinlich.396

placare (§17) Placare, ›ebenen, beruhigen‹, meint oft ›besänftigen‹ im Sinn von ›dafür sorgen, daß man gefällt‹.397 Der Begriff gehört, wenn er Verhalten den Göttern gegenüber benennt, in den Kontext der expiatio und bezeichnet dabei grundsätzlich einen die eigentliche Sühnung vorbereitenden Schritt.398 In §17 sucht Cicero plausibel zu machen, daß Catilina Rom verlassen müsse.399 In diesem Zusammenhang gibt er zu überlegen: Wenn Catilina von seinen Eltern gefürchtet und gehaßt würde und er sie nicht ›besänftigen‹ könnte, würde er ihnen aus den Augen gehen; ob er nicht entsprechend handeln werde, da ihn die patria hasse und fürchte?400 395 396 397 398 399

… domum meam relinquendam putarem … carere me aspectu civium … mallem … ut opinor, ab eorum oculis aliquo concederes … Vgl. Gagnér 1920, 45–48, der zeigt, daß hercle bereits bei Plautus oft einem einfachen certe, enim, vero o.ä. entspricht. Placare ist Kausativum von placere: Leumann 61977, 550; vgl. Fugier, 1963, 352f. Streng genommen sind placare und piare (und auch propitiare) also nicht synonym: Fugier 1963, 352–354. Vgl. auch TLL 10.1, 2286f. s.v. placo IIA; 2288 s.v. placatus 2a; 2254f. s.v. placatio II. Genaueres zum Kontext s.o. S. 164ff.

patria

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Ohne den Begriff selbst zu benutzen, thematisiert Cicero hier pietas; einerseits pietas den Eltern gegenüber, andererseits pietas der patria gegenüber. Bereits angesichts dieses Kontexts – insbesondere die pietas erga parentes hat eine religiöse Komponente –401 ist es nicht unwahrscheinlich, daß man den religiösen Beiklang von placare mithören sollte. Die Tatsache, daß placare speziell auch in familiärem kultischem Zusammenhang Bedeutung hatte – zu denken ist an den Akt des genium placare bzw. piare402 und an den des deos manes placare403 –, spricht dafür, daß dies auch tatsächlich geschehen ist. Placare charakterisiert hier nun freilich nicht nur das hypothetische Verhalten Catilinas seinen Eltern gegenüber. Vielmehr wird diese Charakterisierung durch den Vergleich, den Cicero zwischen dem Unmut der Eltern und dem der patria anstellt, auf das Verhalten übertragen, das Cicero der patria gegenüber an den Tag zu legen fordert. Übertragen wird so insbesondere auch der religiöse Aspekt, den die Rücksichtnahme den Eltern gegenüber hat, auf die Rücksichtnahme, die man, Cicero zufolge, der patria schuldet.

patria (§§17–19; 23; 27–29; 33) Patria spielt in der Argumentation der Ersten Catilinarischen Rede an vier Stellen eine Rolle, sechsmal fällt der Begriff.404 In §17 sucht Cicero durch verschiedene Überlegungen plausibel zu machen, daß Catilina Rom verlassen müsse.405 Unter anderem meint er, Catilina würde seinen Eltern, wenn sie ihn fürchteten und haßten, und er sie nicht besänftigen könnte, aus den Augen gehen. Nun hasse und fürchte ihn aber die patria, die ihnen allen gemeinsame Mutter; ob er da nicht entsprechend reagieren werde?406 Hieran anschließend läßt Cicero die personifizierte

400

401 402 403 404 405 406

Si te parentes timerent atque odissent tui neque eos ratione ulla placare posses, ut opinor, ab eorum oculis aliquo concederes. Nunc te patria quae communis est parens omnium nostrum odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare: huius tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces? – Wenn dich deine Eltern fürchten und hassen würden und du sie auf keine Weise besänftigen könntest, würdest du, wie ich vermute, dich von ihren Augen (vor ihrem Blick) irgendwohin zurückziehen. Jetzt haßt und fürchtet dich (aber) die patria, die unser aller gemeinsame Mutter ist, und befindet schon lange, daß du auf nichts anderes denkst als auf ihre ›Ermordung‹. Wirst du (da) weder ihre Autorität achten noch ihrem Urteil folge leisten, noch ihre Gewalt fürchten? Vgl. S. 174f., 187 und auch S. 169f. (vgl. dort auch zur Übertragung der familiären pietas auf die staatliche Ebene). Vgl. Hor. ars 210 bzw. epist. 2,1,143f. Vgl. die Quellen TLL 10.1, 2287 s.v. placo IIA2b. §§17–19; 23; 27–29; 33 bzw. 17; 19; 23; 27 (2 mal); 33; in §17 in Kombination mit parens bzw. parentes. Vgl. S. 164ff. Si te parentes timerent atque odissent tui neque eos ratione ulla placare posses, ut opinor, ab eorum oculis aliquo concederes. Nunc te patria quae communis est parens omnium nostrum odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare: huius tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces? – Vgl. Anm. 400.

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patria sich selbst an Catilina wenden und sagen, sie habe jahrelang seine facinora und flagitia ertragen, daß sie jetzt aber in ihrer Gesamtheit wegen ihm alleine in Furcht sei, sei unerträglich; daher solle er sich entfernen und sie von ihrer Furcht befreien, sei sie begründet oder nicht (§18).407 Cicero schließt diese Überlegung mit der Frage ab, ob die patria, wenn sie so zu Catilina spräche, ihr Ziel nicht erreichen müßte, selbst wenn sie keine Gewalt anwenden könnte (§19).408 Auch in §23 fordert Cicero Catilina auf, Rom zu verlassen. Dabei zeigt er Catilina zwei Möglichkeiten auf: Er könne ins Exil gehen und damit Cicero in Schwierigkeiten bringen, er könne aber auch zu Manlius gehen und damit Cicero einen Dienst erweisen, da so offensichtlich würde, daß er nicht, von Cicero hinausgeworfen, zu Fremden, sondern, eingeladen, zu den Seinen gegangen sei. Die Schilderung des Verhaltens Catilinas, das für ihn, Cicero, günstig wäre, gestaltet Cicero als Reihe von Aufrufen. In einem dieser Aufrufe fordert er Catilina dazu auf, die patria mit Krieg zu überziehen.409 In den §§29–32 rechtfertigt Cicero, weshalb er Catilina dazu bewegen will, Rom zu verlassen, anstatt ihn hinzurichten. Diese Rechtfertigung leitet er dadurch ein, daß er in den §§27–29 Vorwürfe aufführt, die man wegen dieses Vorgehens gegen ihn erheben könnte. Diese Vorwürfe legt er der patria, Italien und der res publica in den Mund.410

407

Nullum iam aliquot annis facinus exstitit nisi per te, nullum flagitium sine te. Tibi uni multorum civium neces, tibi vexatio direptioque sociorum impunita fuit ac libera. Tu non solum ad neglegendas leges et quaestiones verum etiam ad evertendas perfringendasque valuisti. Superiora illa, quamquam ferenda non fuerunt, tamen ut potui tuli. Nunc vero me totam esse in metu propter unum te, quicquid increpuerit, Catilinam timeri, nullum videri contra me consilium iniri posse quod a tuo scelere abhorreat non est ferendum. Quam ob rem discede atque hunc mihi timorem eripe; si est verus, ne opprimar, sin falsus, ut tandem aliquando timere desinam. – Schon seit einigen Jahren hat keine Untat stattgefunden, wenn nicht durch dich, keine Schandtat ohne dich. In deinem Fall allein ist die Ermordung vieler Bürger, die Mißhandlung und Plünderung der Bundesgenossen ungestraft und frei geblieben. Du hast es nicht nur vermocht, Gesetze und Gerichte nicht zu achten, sondern auch sie zu verdrehen und zu durchbrechen. Jene früheren Dinge, obwohl sie unerträglich gewesen waren, habe ich dennoch, wie ich es gekonnt habe, ertragen. Jetzt aber, daß ich in meiner Gesamtheit in Furcht bin, wegen dir alleine, daß, was auch immer Unruhe verursacht hat, Catilina gefürchtet wird, daß es scheint, es könne kein Anschlag gegen mich angefangen werden, der deinem verbrecherischen Sinn fremd ist, ist nicht (mehr) zu ertragen. Daher, geh fort und entreiße mir diese Furcht, wenn sie begründet ist, damit ich nicht niedergedrückt werde, wenn sie aber unbegründet ist, damit ich endlich einmal aufhöre, mich zu fürchten. 408 Haec si tecum ita ut dixi patria loquatur, nonne impetrare debeat, etiam si vim adhibere non possit? – Wenn die patria diese Dinge so, wie ich gesagt habe, zu dir sagen würde, müßte sie nicht (ihr Ziel) erreichen, auch wenn sie nicht Gewalt anwenden könnte? 409 … egredere cum importuna sceleratorum manu, confer te ad Manlium, concita perditos civis, secerne te a bonis, infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio … – … gehe hinaus mit der unverschämten Schar von Verbrechern, begib dich zu Manlius, biete die verlorenen Bürger auf, sondere dich von den Guten ab, überziehe die patria mit Krieg, erhebe dich durch pflichtvergessene Räuberei … 410 … quandam prope iustam patriae querimoniam … Etenim si mecum patria quae mihi vita mea multo est carior, si cuncta Italia, si omnis res publica loquatur (§27) … His ego sanctissimis rei publicae vocibus … respondebo … (§29) – … eine beinahe berechtigte Art von Klage der patria … Und in der Tat, wenn die patria, die mir viel teurer ist als mein Leben, wenn ganz Italien, wenn die gesamte res publica so mit mir spräche … Auf diese ehrwürdigen Worte der res publica … werde ich … antworten …

patria

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In §33 wendet Cicero sich, seine Rede abschließend, an Iuppiter. Iuppiter werde die Bürger vor Catilina und seinen Mitstreitern schützen und er werde diese mit ewigen Strafen belegen. Catilina und seine Leute bezeichnet er dabei unter anderem als Feinde der patria.411 Die Rolle der patria in Ciceros Argumentation unter der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung behandeln zu wollen, mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich ist patria keine Gottheit, und auch eine religiöse Konnotation des Begriffs liegt nicht offen zu Tage. Dafür, patria hier dennoch zu berücksichtigen und auch zu den zumindest in weiterem Sinn religiös konnotierten Begriffen zu zählen, spricht jedoch insbesondere, daß das Verhalten, das man der patria gegenüber zeigen sollte, mit demselben Begriff benannt wurde, mit dem auch das ›pflichtgemäße Verhalten‹ gegenüber den Göttern und der Familie, zumal gegenüber den Eltern, bezeichnet wurde: mit pietas – mit einem Begriff also, der seinerseits zweifellos religiös konnotiert ist.412 Dabei handelt es sich nicht um eine rein äußerliche Begriffsgleichheit, vielmehr besteht ein innerer Zusammenhang. Die pietas erga patriam kann geradezu als Übertragung der innerfamiliären pietas auf die staatliche Ebene angesehen werden.413 Der religiöse Aspekt der innerfamiliären pietas hat dabei auf die auf staatlicher Ebene relevante pietas gleichsam abgefärbt.414 Die pietas erga patriam ist außerdem auch mit der pietas erga deos verbunden, gilt die pietas erga deos doch als unabdingbar für 411

Tu, Iuppiter … homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis. – Du Iuppiter … du wirst … die Leute, Feinde der Guten, Feinde der patria, Räuber Italiens, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander und durch eine ›unerlaubte‹ Gemeinschaft verbunden sind, mit ewigen Strafen als Lebende und als Tote belegen. 412 Zu pietas allgemein s.u. S. 187ff. Zu pietas speziell in Bezug auf patria vgl. Fugier 1963, 382f.; Hellegouarc’h 21972, 278; Bonjour 1975, 59–62; Achard 1981, 291–295, 313. Vgl. aber etwa auch Knoche 1952, 331, der zu Cic. leg. 2,5 meint, die patria werde »als oberster Lebenswert und gleichsam als etwas Heiliges hingestellt«. Zur Frage, weshalb Cicero den Begriff pietas selbst jedoch an keiner Stelle der Rede verwendet, s.u. S. 177 Anm. 450. 413 Hellegouarc’h 21972, 277f. (ebenso Hoffmann 1988, 130) geht offenbar von einer Übertragung im Sinn einer historischen Entwicklung aus. Fugier 1963, 380–383, 385 betont dagegen das Gemeinsame der pietas erga parentes und der pietas erga patriam: In beiden Fällen gehe es um die Erfüllung von Pflichten gegenüber Personen, in beiden Fällen – und ebenso im Fall der pietas erga deos – mit dem Ziel, durch den Akt des piare einen positiven Zustand (wieder-)herzustellen und pius zu werden. Wie man sich die gegebenenfalls historischen oder die psychologischen Vorgänge, die dieser Übertragung zugrundeliegen, im Einzelnen vorzustellen hat, kann hier unberücksichtigt bleiben, ebenso die Frage, ob man als Adressat der pietas erga patriam tatsächlich die Gemeinschaft der Bürger, den populus Romanus, ansehen soll (Fugier 1963, 382) oder doch eher deren ›gemeinsame Sache‹, die res publica (vgl. auch die Untersuchung des Vorwurfs, sich Gesetzen und Institutionen gegenüber nicht pflichtgemäß zu verhalten, den besonders Cicero gegenüber den impii immer wieder erhob, bei Achard 1981, 295–305). Daß dieses Erklärungsmodell mit antiken mit patria verbundenen Vorstellungen gleichsam kompatibel ist, geht aus den Quellen jedenfalls deutlich hervor: So ist die personale Vorstellung der patria häufig dokumentiert, ebenso der explizite Vergleich bzw. die Gleichsetzung von patria und parens, samt der Wertung von Vergehen gegen die patria als parricidium. Zur Nähe von pietas erga patriam und pietas erga parentes vgl. außerdem etwa die Definition, die Cic. inv. 2,66 (ähnlich 2,161) gibt (pietatem [sc. apellant] quae erga patriam aut parentes aut alios sanguine coniunctos officium conservare moneant) und Cic. rep. 6,16 (pietatem [sc. cole], quae cum magna in parentibus et propinquis, tum in patria maxima est). 414 Vgl. Hellegouarc’h 21972, 277 der speziell in Bezug auf die Ausdehnung der innerfamiliären pietas auf die politische amicitia feststellt, der Gebrauch des Begriffs pietas habe »une manière de caractériser avec plus de force et d’une façon en quelque sorte religieuse ces relations« und der meint, pietas »exprime une affection qui a comme reçu une sanction religieuse et présente un ca-

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den Erhalt der patria,415 und ist der Besitz der Götter und ihr Kult doch auch direkt mit der terra patria verbunden.416 Besonders deutlich greifbar wird die Bedeutung der aus dem familiären Bereich stammenden Vorstellungen für die staatliche Ebene, wo die patria explizit als parens gesehen und Vergehen gegen sie als parricidium gewertet werden.417 Die gleichsam aus der Sphäre der Menschen herausgehobene Stellung der patria wiederum läßt sich etwa in der Hierarchisierung der Pflichten, die man gegenüber den Götter, der patria, den Eltern und den Übrigen hat, erkennen.418 Darin bestärken, patria zu den für diese Untersuchung relevanten Begriffen zu zählen, mag einen schließlich auch die Tatsache, daß die personifizierte patria eine tragende Rolle bei der Entwicklung der Dea Roma gespielt hat.419 Ingesamt gesehen entsteht sicherlich der Eindruck, Cicero meine, wenn er in der ersten Catilinaria von patria spreche, die res publica. Im Einzelnen betrachtet, wird aber deutlich, daß er mit dem Nuancenreichtum des Begriffs arbeitet.420 414 415 416

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ractère presque sacré«. Zur Frage, woher die religiöse Note der pietas erga parentes rührt, s.u. S. 175 Anm. 437. Vgl. oben S. 137 Anm. 253; vgl. Hellegouarc’h 21972, 278. Vgl. Bonjour 1975, 130–132. Ging es darum zu erklären, was patria im Sinn von ›Geburtsort‹ ausmacht (zum Bedeutungsspektrum von patria vgl. unten Anm. 420), kam der Existenz von an diese patria gebundenen sacra, zu verstehen als private Gentilkulte, geradezu definitorische Bedeutung zu. So meint Cicero, gefragt, weshalb er so gerne in Arpinum sei: quia … haec est mea et huius fratris mei germana patria; hic enim orti stirpe antiquissima sumus, hic sacra, hic genus, hic maiorum multa vestigia (Cic. leg. 2,3; vgl. dazu Krauter 2004, 394f.). Patria als parens u.a. bei Cic. Att. 9,9,2; de orat. 1,196; Varro Men. fr. 235; Ov. trist. 2,155; vgl. Cic. Flacc. 62 (in Bezug auf Athen). Vergehen gegen die patria als parricidium bzw. Personen, die sich gegen die patria vergehen als parricida u.a. bei M. Aemilius Scaurus fr. 9 (Malcovati 166f.); Cic. Sull. 6; dom. 133; Vatin. 35; Planc. 70; Phil. 2,17; 4,5; off. 3,83; vgl. Liv. 28,29,1 (Coriolanum … ad oppugnandam patriam impulit, revocavit tamen a publico parricidio privata pietas). Zu parricidium und parricida allgemein, wie auch besonders zu den religiösen Implikationen des parricidium s.u. S. 174ff. Besonders deutlich: Cic. off. 1,160 (in ipsa autem communitate sunt gradus officiorum ex quibus quid cuique praestet intellegi possit ut prima diis immortalibus secunda patriae tertia parentibus deinceps gradatim reliquis debeantur). Dies zeigt Knoche 1952 deutlich: Während die Personifizierung der res publica und der patria zur Zeit Ciceros längst üblich war, wich die Personifizierung der urbs Roma vom üblichen Sprachgebrauch erheblich ab (S. 330). Cicero näherte Roma und patria einander an (so ist Roma bereits leg.agr. 2,86 communis patria omnium nostrum), um schließlich – bei allen intellektuellen Vorbehalten (vgl. nat.deor. 3,21: auf der Welt gebe es gewiß nichts besseres als die urbs [sc. Roma], aber ratio, cogitatio, mens werde man ihr ja wohl nicht zusprechen) – Pis. 52 »Roma in Person und wie die patria« handeln zu lassen (S. 331f.). Die Annäherung von patria und Roma und die Personifizierung der Roma hat grundlegend dazu beigetragen, daß der Roma-Gedanke in augusteischer Zeit und gleichsam abschließend unter Hadrian mit der Einrichtung des stadtrömischen Roma-Kultes in der römischen Ausprägung der Dea Roma mündete. Vgl. auch die Zustimmung, die die Untersuchung Knoches durch Alföldi 1950–1954, 99f. gefunden hat. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs patria, wie auch zu deren zeitlicher Entwicklung TLL 10.1, 763–772 s.v. patrius II. (patria); Krattinger 1944; Knoche 1952, 329–339; Bonjour 1975; Gasser 1999; Olshausen 2006. Patria konnte die patria terra, das ›Vaterland‹ im Sinn des Geburtsortes bezeichnen, orientiert am Bürgerrecht bzw. politisch verstanden werden und so, je nach Situation, insbesondere die Stadt Rom, Italien, das imperium Romanum bzw. die res publica meinen; patria konnte aber auch die ›Heimat‹ im Sinn des Ortes bezeichnen, an den man sich emotional gebunden fühlte oder an dem man sich wohl fühlte. Locus classicus, der den Nuancenreichtum des Begriffs erkennen läßt, ist Cic. leg. 2,3–6 (dazu Krauter 2004, 387–402, 415– 418).

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In den §§17–19 begegnet die patria personifiziert: Sie haßt und fürchtet, sie erträgt Unrecht, sie hat Autorität, sie urteilt und sie kann Gewalt anwenden – und sie spricht quodam modo.421 Verbunden ist die patria dabei mit der Vorstellung der parens, bedingt durch den Vergleich, den Cicero zwischen dem Verhalten anstellt, das Catilina einerseits seinen Eltern, andererseits der patria gegenüber an den Tag legt, vor allem aber aufgrund der expliziten Erklärung der patria, die Cicero innerhalb dieses Vergleichs gibt: patria quae communis est parens omnium nostrum. Darauf, daß hier in der Figur der patria die res publica Gestalt gewinnen sollte, weist dann in der Rede der patria die Gegenüberstellung der Untaten Catilinas, die sie ertragen hat und dessen, was sie nicht mehr ertragen kann. Was sie ertragen hat, waren Vergehen gegen einzelne Bürger, gegen Gesetze und Gerichte, man könnte sagen, gegen einzelne Aspekte der res publica: gegen ihre Träger, gegen ihre Regeln und Kontrollmechanismen. Was sie nicht mehr ertragen kann, ist unter anderem die Tatsache, daß sie nun in ihrer Gesamtheit in Furcht und also in ihrer Gesamtheit betroffen ist, man könnte sagen, daß alle und ihre gemeinsame Sache, ihre res publica, betroffen sind. Freilich, bei der Aufzählung dessen, was die patria ertragen hat, erwähnt Cicero auch die Mißhandlung und Ausplünderung der Bundesgenossen. Will man dies nicht rein utilitaristisch verstehen, und zwar in dem Sinn, daß zu heftige Mißhandlung und Ausplünderung der Bundesgenossen letztlich auch der res publica der Römer schadet, so scheint hier auch die Bedeutungsvariante patria im Sinn von imperium Romanum auf. In §23 changiert patria zwischen der Bedeutung Rom, res publica und wohl auch Italien, da die Aufforderung, infer patriae bellum in eine Reihe unterschiedlichste Assoziationen auslösender Aufforderungen eingebettet ist: Egredere … confer te ad Manlium, da denkt man an Rom – oft schon hat Cicero Catilina aufgefordert, die Stadt zu verlassen und sich zu Manlius nach Etrurien zu begeben.422 Concita perditos civis, secerne te a bonis führt dann in die Sphäre der res publica,423 genauer gesagt zu der Vorstellung, Catilina löse sich von ihr. Infer patriae bellum kann man nun eher lokal verstehen, im Sinn von trage dann von Etrurien aus Krieg nach Rom hinein, aber auch eher politisch, im Sinn von trage Krieg in die Bürgerschaft, in deren res publica hinein. Exsulta impio latrocinio mag, wenn man diesen Aufruf in Zusammenhang mit dem vorhergehenden sieht, diesen gleichsam schärfen, mag aber auch den Blick weiten und an Italien denken lassen.424 In den §§27–29 tritt die patria wieder personifiziert auf, sie klagt und sie könnte auch sprechen – und sie würde nicht ganz das Richtige treffen, wenn sie tatsächlich so spräche, wie Cicero es zu überlegen gibt. Die Vorstellung der parens kommt hier freilich nicht auf. Im Vordergrund steht die ›Vergesellschaftung‹ der patria mit den ebenfalls personifizierten, da sprachbegabten, Italia und res publica. Auffallend ist, daß die Argumente, die Cicero sich hier entgegenhalten läßt, zunächst so eingeführt werden, daß man denken muß, die patria spräche (ut a me … patriae quaerimoniam detester ac deprecer). Dann wird deutlich, daß nicht nur die patria so sprechen könnte, sondern auch cuncta Italia und omnis res pu421

Zur Ausdruckskraft der προσωποποιία, der fictio personae vgl. Quint. inst. 6,1,25; 9,2,29–32; auch 12,10,61f., dem gerade Cic. Cat. 1,18 und 27f. Paradebeispiele für diese Redefigur sind. 422 Vgl. §§10; 12f.; 17f.; 20–22. 423 Dazu trägt auch die Aufforderung perge in exsilium bei, mit der Cicero Catilina eine Alternative aufzeigt. 424 In §33 wird Cicero das latrocinium Catilinas ausdrücklich mit Italia in Verbindung bringen; anders jedoch in den §§27 und 31. Zu latrocinium vgl. S. 190ff.

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blica; man fragt sich also, ob patria hier nicht doch für Roma steht. Schließlich wird aber festgestellt, was Cicero auf die Worte der res publica – nur von ihr ist noch die Rede – antworten würde. Daß der Gedankengang so von patria zu res publica führt, mag dafür sprechen, die beiden Begriffe in eins zu setzen – zumal in der Rede der patria/res publica, wie auch in der Gegenrede Ciceros auf vieles die Sprache kommt, was eben die res publica betrifft: So ist unter anderem von der Verschwörung, genauer gesagt, von Catilina als dem princeps coniurationis die Rede; er wird unter anderem als evocator civium perditorum bezeichnet. Thematisiert wird, was den Umgang mit der res publica regelt: der mos maiorum und die Gesetze. Vom populus Romanus ist die Rede, der Cicero zum höchsten imperium emporgetragen habe. An zurückliegende politische Ereignisse, verbunden mit Saturninus, den Gracchen und Flacci, wird erinnert. Die Haltung des Senats angesichts der aktuellen Verschwörung wird thematisiert. Catilina wird als pestis der res publica bezeichnet. Der Gedanke, die Verschwörer separierten sich von den Guten, wird wieder aufgenommen. Auffallend ist aber weiterhin, daß die patria in ihrer Rede gleichsam aus der Rolle fällt und von der urbs, von Italia, von der res publica, also gleichsam von sich selbst, in ihrer Ausprägung als Roma/Italia/res publica in der dritten Person spricht. So mag der Ton hier zwar auf der res publica liegen, andere Konnotationen der patria schwingen aber mit. In §33 dürfte patria am engsten mit Roma verbunden sein. Dies legt der unmittelbare Kontext nahe: Catilina und seine Mitstreiter werden bonorum inimici, hostis patriae, latrones Italiae genannt. Bonorum inimici mag auf ihre gewissermaßen zivile Rolle in der politischen Auseinandersetzung um die res publica weisen, hostis patriae auf ihr militärisches, gleichsam von außen kommendes Vorgehen gegen Rom; latrones Italiae steht dagegen ganz offenkundig für die Bedrohung, die sie für Italien darstellen. Patria hier vor allem mit Roma zu verbinden, legt aber auch der etwas weitere Kontext nahe, in dem nicht zuletzt der in militärischem Sinn gewaltsame Aspekt der Verschwörung betont wird und Cicero Iuppiter als Stator der urbs (und des imperium) anruft, der Catilina und seine Mitstreiter von den Tempeln, von den Häusern der Stadt und von ihren Mauern, von Leben und Besitz aller Bürger fernhalten werde. In allen vier Zusammenhängen kommt die im oben beschriebenen Sinn religiöse Konnotation der patria zum Tragen. So rührt die Wucht der Rede der patria in §18 und auch in §§27f. ganz wesentlich daher, daß Cicero sie einer persona in den Mund gelegt hat, die in besonderem Maß pietas fordern kann.425 Dabei leiht sich Cicero gewissermaßen die religiöse Note der patria, um im ersten Fall Catilina mit besonderem Nachdruck dazu aufzufordern, Rom zu verlassen, im zweiten Fall, um eine besonders eindrucksvolle Drohkulisse – anstatt Catilina aus der Stadt zu weisen, sollte er eigentlich hingerichtet werden – aufzubauen. So wird in §23 die Ungeheuerlichkeit, die es darstellen würde, wenn Catilina zu militärischen Mitteln greifen würde, nicht zuletzt dadurch deutlich, daß Cicero diese als gegen 425

Hieran zu denken, nötigt im ersten Fall die Parallelisierung der patria mit den Eltern (vgl. dazu S. 169), die Bezeichnung der geplanten ›Vernichtung‹ der patria durch Catilina als parricidium (vgl. dazu S. 176f.), die Bezeichnung der ›Besänftigung‹ der Eltern mit dem Begriff placare (vgl. dazu S. 166f.), aber auch die Gestaltung der Rede der patria als pervertierter Hymnos (vgl. dazu S. 180ff.); vgl. außerdem S. 114f. zu vereri. Im zweiten Fall leistet dies Ciceros Feststellung, die patria sei ihm teurer als sein Leben, die Bezeichnung ihrer Worte als sanctissimae (vgl. dazu S. 138) und wohl auch die Art und Weise, in der Cicero seine Replik auf die Vorwürfe der patria ankündigt (vgl. dazu S. 207f.).

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die patria gerichtet darstellt – zu denken ist: gegen die patria, der man aber doch pietas schuldet.426 So trägt in §33 die Bezeichnung Catilinas und seiner Leute als hostes patriae in ähnlicher Weise den Vorwurf in sich, sie seien nicht einfach nur hostes, sondern Leute, die in ihrer Feindschaft außerdem gegen das verstoßen, was pietas gebietet.427 Dabei dürfte freilich die Art, in der Cicero die patria präsentierte, gleichsam wie eine Rückkoppelung ihrerseits wiederum dazu beigetragen haben, daß sich deren religiöse, ganz wesentlich von der Verknüpfung mit pietas gespeiste Konnotation verfestigte. Am deutlichsten ist dies in den §§17f., wo Cicero mithilfe des Vergleichs ›parentes – patria‹ pietas gegenüber der patria einfordert, die ›Vernichtung‹ der patria zum parricidium erklärt, nahelegt, Catilina müsse die patria ›besänftigen‹ (placare), und suggeriert, sie sei eines Hymnos würdig. Damit dürfte er nicht nur den Gedanken an pietas aktiviert haben, vielmehr hat die Prägung, die die patria hier erfährt, wegen der Intensität und Einprägsamkeit der verwendeten Bilder sicherlich auf die folgenden Stellen, an denen patria in dieser Rede in Erscheinung tritt, ausgestrahlt, möglicherweise aber auch über den Rahmen der Rede hinaus. Dadurch, daß Cicero die patria als Größe präsentiert, der man mehr noch als den eigenen Eltern pietas schuldet, und Vergehen gegen sie entsprechend mit den Verdikten ›parricidium‹ bzw. ›impius‹, belegt, hebt er die patria – und die hinter ihr stehenden res publica, Roma und Italia – gleichsam aus der allgemeinmenschlichen Sphäre, macht ihr Wohlergehen und ihren Willen zum unverhandelbaren Maßstab, setzt sie absolut und reklamiert unbedingte Beachtung ihrer Forderungen.428 Entsprechend charakterisiert Cicero in den §§27 bzw. 29 seine eigene Einstellung der patria gegenüber: Diese ist ihm viel teurer als sein Leben, und ihre Worte – bzw. die der res publica – sind ihm ›ehrwürdig‹.429 Auffallend ist, wie souverän, ihre Ehrwürdigkeit und Absolutheit fast schon konterkarierend, Cicero mit der so gestalteten patria aber doch umgeht, indem er sie eine Position vertreten läßt, von der er sich dann jedoch distanziert.430 Man mag dies als Reflex der Tatsache nehmen, daß es eben derjenige ist, der mit der patria argumentiert, der definiert, wofür sie 426

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Dafür, daß dieser Gedanke tatsächlich aufkommt, sorgt die Aufforderung exulta impio latrocinio, die Cicero der Aufforderung infer patriae bellum folgen läßt (vgl. dazu S. 188, 190, 192ff.). Auch die vorausgehende Aufforderung egredere cum importuna sceleratorum manu mag zur Aktivierung dieses Gedankens beitragen, ist scelus doch neben impietas einer der Gegenbegriffe zu pietas (vgl. dazu S. 129). Dafür, daß man diesen Vorwurf wahrnimmt, sorgt die Bezeichnung der Leute Catilinas im vorausgehenden Satz als diejenigen, die sich mit Catilina omni scelere parricidioque verbunden haben, ebenso die an Catilina gerichtete Aufforderung proficiscere ad impium bellum ac nefarium (vgl. dazu S. 131f., 177f., 188f.). So kann die patria bzw. der ihr seine Stimme leihende Cicero auch fordern discede atque hunc mihi timorem eripe; si est verus, ne opprimar, sin falsus, ut tandem aliquando timere desinam (§18). – Cicero läßt die patria hier deutlich aussprechen, daß es letztlich gar nicht um die Frage geht, ob Catilina sich tatsächlich etwas hat zuschulden kommen lassen; es geht nur darum, daß er ihrzuwillen ist. … patria quae mihi vita mea multo est carior (§27); … sanctissimis rei publicae vocibus … respondebo (§29). Zur Bezeichnung ihrer voces als sanctissimae vgl. S. 138. §§27–32. Kaum gemildert wird dies dadurch, daß er die Äußerungen der patria als hypothetisch kennzeichnet (si … loquatur), daß er ihre Klage nur eine Art von Klage (quaedam … querimonia) sein läßt, daß er ihr mit Zuvorkommenheit begegnet (patria quae mihi vita mea multo est carior; … sanctissimae … voces; auch ut detester ac deprecer kann man diese Note abgewinnen), daß er ihr nicht in der Sache – Catilina muß hingerichtet werden –, sondern nur in deren Bewertung widerspricht – der res publica dienlicher ist es, dies nicht schon jetzt zu tun.

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steht. Für einen Fauxpas, eine ungewollte Demaskierung der überhöhten patria braucht man dies dennoch nicht zu halten, vielmehr für eine Methode, mit der Cicero deutlich macht, in wessen Gesellschaft, gleichsam in welcher Sphäre verkehrend er sich sieht: in der der patria. Dadurch, daß Cicero mit ihr diskutiert – annähernd auf Augenhöhe –, wird ihre enge Verbindung deutlicher, als wenn Cicero, vergleichsweise plump, einfach nur die Übereinstimmung ihrer Positionen behaupten würde.431 So gesehen muß man die feierliche Form, in der Cicero die Zurückweisung der Vorwürfe der patria vorwegnimmt,432 nicht als Zeichen der Heftigkeit seines Widerspruchs und damit als Demontage der patria nehmen – entsprechend die nachgestellte Charakterisierung der Worte der patria als sanctissimae voces nicht als Versuch, den Widerspruch dann doch nicht so heftig erscheinen zu lassen –, sondern vielmehr als Mittel, die imaginierte Auseinandersetzung mit der patria in einer gehobenen Atmosphäre stattfinden zu lassen; so gesehen mochte denn auch diese Szene zur Verfestigung der Überhöhung der patria beigetragen haben.

parricidium, parricida (§§17; 33 bzw. §29) Parricidium bezeichnet in juristischem Zusammenhang in der Zeit Ciceros in aller Regel den Mord an Verwandten, parricida den Verwandtenmörder. Deutlich wird dies im allgemeinen Sprachgebrauch,433 in etymologischen Überlegungen,434 aber auch in der juristischen Praxis.435 Daneben wirkt jedoch die ältere Bedeutung von parricidium – vorsätzliche Tötung eines Menschen, unabhängig davon, ob zwischen Täter und Opfer ein Verwandtschaftsverhältnis besteht – weiter.436 Religiöse Implikationen hatte parricidium zum einen insofern, als der Mord an Verwandten, zumal an den Eltern, in eklatantester Weise die Verweigerung von pietas darstell431 432

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Zu den Zielen, die Cicero allgemein mit der prosopopoeia der patria verfolgt, vgl. auch Tzounakas 2006. Nunc, ut a me, patres conscripti, quandam prope iustam patriae querimoniam detester ac deprecer, percipite, quaeso, diligenter quae dicam et ea penitus animis vestris mentibusque mandate. Vgl. dazu auch S. 207f. Vgl. TLL 10.1, 445–448 s.v. parricidium; 439–443 s.v. parricida. Insbesondere suchte man parricidium auf parenticidium oder patricidium zurückzuführen (Plaut. Epid. 349; Cic. dom. 26 arbeiten mit diesen Etymologien; vgl. u.a. auch Cic. S.Rosc. 70 und v.a. Prisc. Inst.gramm. 1,33: … parricida … vel a ›pari‹ componitur vel, ut alii, a ›patre‹ … quibusdam … a ›parente‹ videtur esse compositum …). Dies ist sprachgeschichtlich gesehen zwar inkorrekt (Magdelain 1984, 555), zeigt aber, welche Assoziationen der Begriff weckte. Die tatsächliche Etymologie ist höchst umstritten. Einen Begriff von der Vielfalt der Überlegungen, die angestellt wurden, gibt Magdelain 1984, 551–557. Sie reicht von der Ableitung von *pāsus=πηός, dor. παός und caedo, die wohl nicht haltbar ist, da πηός zunächst nicht den Blutsverwandten, sondern den Verschwägerten meinte, bis zu der mit einiger Wahrscheinlichkeit zutreffenden Ableitung von *parso (=Mensch; vgl. mittelind. posa-, purisa-, purusa) und caedo. So wurde per ›Säckung‹ nicht jeder parricida, d.h. hier, nicht jeder, der mit Absicht getötet hatte, hingerichtet, sondern nur derjenige, der einen Verwandten, zumal einen Aszendenten, getötet hatte (vgl. Magdelain 1984, 550, 558; zu dieser Hinrichtungsart – Geißelung des Täters, Einnähen zusammen mit diversen Tieren in einen Ledersack, ins Wasser Werfen – vgl. die eindrucksvolle Schilderung bei Cic. S.Rosc. 70–72). So faßte schließlich die lex Pompeia de parricidiis lediglich den Mord an ›Verwandten‹ – die entsprechenden Verwandtschaftsverhältnisse werden genau benannt – und den Mord am patronus als parricidium (Dig. 48,9; vgl. Mommsen 1899, 644f.). Diese lex

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te, pietas aber ihrerseits religiöse Implikationen hatte.437 Zum andern konnte dieses Verbrechen mit prodigia in eine Reihe gestellt werden.438 Und, wenngleich kein Fall bekannt ist, in dem parricidium tatsächlich als prodigium publicum anerkannt worden wäre,439 zeigt die Art und Weise, in der zumindest die Hinrichtung des parricida im Sinn des Vater- oder Muttermörders erfolgte, daß dieser Akt tatsächlich eher als piaculum, als Sühne der Gemeinschaft zur Wiederherstellung der pax deorum denn als Bestrafung des Täters zu verstehen ist.440 Parricida bzw. parricidium entwickelte sich darüber hinaus zum politischen Begriff.441 So konnte derjenige, dem man die Ermordung eines Mitbürgers vorwarf, in die Nähe des parricida gerückt werden.442 Parricida konnte aber auch unabhängig von einem konkreten Mordvorwurf genannt werden, wem man gegen die res publica gerichtete Handlungen vorwarf; diese Handlungen wurden entsprechend als parricidium apostrophiert.443 Daß parri435

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Pompeia – sie ist höchst wahrscheinlich in eines der Konsulatsjahre des Pompeius, 70, 55, oder 52 v.Chr. zu datieren – hob dann freilich gerade den Unterschied auf, der zuvor zwischen Verwandtenmördern und ›normalen‹ Mördern gemacht wurde, was die Art der Hinrichtung anbelangte: Sie bestimmte, daß auch parricidium entsprechend der lex Cornelia de sicariis et veneficiis (81 v.Chr.) bestraft werden solle. Den parricida erwartete nun nicht mehr die poena cullei, sondern eine andere Form der Hinrichtung bzw., nach der Flucht ins Exil, die aqua et igni interdictio. (Die von Lassen 1992, 151 erwähnte, Paul. sent. 5,24 tradierte Strafe, Verbrennung bei lebendigem Leib oder Verurteilung ad bestias ist einer Bestimmung späterer, wohl hadrianischer Zeit zuzuordnen.) Zur lex Pompeia vgl. Cloud 1971, 47–66; Thomas 1981, 648–659. So stellen Festus bzw. seine aus augusteischer Zeit stammende Vorlage Verrius Flaccus fest, die parricidii quaestores – Pomponius zufolge, fanden diese bereits in den 12-Tafel-Gesetzen Erwähnung (Dig. 1,2,2,23) – seien generell mit der Untersuchung von Kapitalverbrechen befaßt gewesen, denn parricida sei nicht nur derjenige genannt worden, der ein Elternteil getötet habe, sondern jeder, der einen wie auch immer beschaffenen nicht verurteilten Menschen getötet habe. Daß dies so gewesen sei, zeige der Satz des Numa Pompilius: si qui hominem liberum dolo sciens morti duit, parricidas esto (Paul. Fest. 247,23f. L). Dieser Rechtssatz, der wohl wirklich aus der Zeit vor den 12-Tafeln stammt, legt den Ton tatsächlich nicht auf die Unterscheidung des Verwandtenmords von anderem Mord, sondern scheidet die absichtliche Tötung von der unabsichtlichen. Vgl. dazu etwa Kunkel 1962, 39f.; auch Völkl 2000. Zur Entwicklung des Begriffs parricidium insgesamt vgl. außerdem Cloud 1971; Thomas 1981 (mit Lassen 1992, die insbesondere dessen Zuspitzung des Begriffs auf ›Vatermord‹ korrigiert). Die religiöse Note der pietas erga parentes rührt u.a. von der Verehrung der di parentes (Koch 1941, 1221f.; Thome 2000, Bd. 2, 33; vgl. Hoffmann 1988, 129–131; zu deren lokaler Bindung vgl. Bonjour 1975, 44) her. Zu pietas allgemein s.u. S. 187f.; speziell zu pietas erga patriam s.o. S. 169f. Den besonderen Schrecken eines derartigen Mordes machte sicherlich aus, daß diese absolute Verweigerung von pietas einen Angriff auf die grundlegendsten Prinzipien, auf denen die Familie und damit die Gesellschaft beruhte, darstellte (vgl. Lassen 1992, 158, 161). So meint Cicero, Vatermord geschehe so selten, daß man, wenn man je davon höre, dies für etwas halte, das einem Zeichen der Götter ähnlich sei (quod [sc. maleficium] ita raro exstitit ut, siquando auditum sit, portenti ac prodigii simile numeretur: S.Rosc. 38). An anderer Stelle meint er sogar, es läge das unzweifelhafteste Zeichen der Götter (portentum atque monstrum certissimum) vor, wenn jemand in menschlicher Gestalt die Tiere so sehr an Bestialität übertreffe, daß er diejenigen des Lichts beraube, denen er es selbst verdanke – zu verstehen ist: wenn er Vatermord begehe (S.Rosc. 63). Vgl. Rasmussen 2003, 53–116. Scheid 1981, 147 (mit weiterer Literatur); Magdelain 1984, 549f. Die Tötung des Mörders stand nicht im Vordergrund (vgl. Cic. S.Rosc. 72: ita [sc. eingenäht in einen Ledersack, im Wasser treibend] vivunt, dum possunt). Vielmehr ging es einerseits darum, die Gemeinschaft zu reinigen (so wird der Täter in das reinigende Wasser geworfen – freilich in einem Ledersack, so daß er es

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cida bzw. parricidium zu einem so häufig genutzten Anwurf wurde,444 mochte mit der besonderen Schwere des damit assoziierten Verbrechens im eigentlichen juristischen Sinn zusammenhängen, sicherlich aber auch damit, daß es bei parricidium im juristischen Sinn des Verwandtenmords und bei parricidium im politischen Sinn von ›Hochverrat‹ im Kern ja tatsächlich um dieselbe Sache ging: um die Verletzung dessen, was die pietas gebietet.445 Angeboten hat sich die Verwendung der Begriffe parricida und parricidium in politischem Zusammenhang schließlich auch, weil man, wenn man res publica meinte, immer häufiger von patria sprach, und patria wiederum als parens omnium stilisierte.446 So bewegte man sich innerhalb eines stimmigen Bildes, wenn man dem politischen Gegner parricidium an der parens patria vorwarf und ihn als parricida ansprach, der die pietas erga patriam auf das Gröbste verletze. In der ersten Catilinaria operiert Cicero an zwei Stellen mit dem Begriff parricidium, an einer mit parricida: In §17 meint Cicero im Zusammenhang mit seinem Versuch, plausibel zu machen, daß Catilina Rom verlassen müsse,447 Catilina würde seinen Eltern, wenn sie ihn fürchteten und haßten und er sie nicht besänftigen könnte, aus den Augen gehen. Nun hasse und fürchte ihn aber die patria, die ihnen allen gemeinsame Mutter, und befinde, daß Catilina auf nichts anderes als auf ihre ›Ermordung‹ – parricidium – denke;448 ob er da nicht entsprechend reagieren werde? Parricidium steht hier ganz offensichtlich für die Aufhebung der res publica durch die coniuratio des Catilina.449 Dadurch daß Cicero den Begriff parricidium der personifizierten patria in den Mund legt, die er zudem als Pendant der leiblichen Eltern Catilinas auf staatlicher Ebene präsentiert und ausdrücklich als parens (omnium) bezeichnet, verweist er derart deutlich auf die Quelle dieser Metapher, daß man parricidium hier wohl kaum ausschließlich in übertragenem Sinn verstanden haben kann, d.h. ohne an Verwandten- bzw. Elternmord im eigentlichen Sinn zu denken. 440

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seinerseits nicht beschmutzt; vgl. Cic. S.Rosc. 71), andererseits darum, sich des Zeichens selbst zu entledigen (vergleichbar dem ›Vergraben‹ von Blitzen und besonders der ›Aussetzung‹ von Hermaphroditen, die für die Jahre 207, 200, 186, 142, 133, 122, 119, 104, 98, 97, 95, 90/89 – Quellen bei Rasmussen 2003, 53–116 – belegt ist; an dem Verfahren, das man Liv. 27,37,6f. zufolge dabei im Jahr 207 angewandt hatte – Entfernung des Hermaphroditen aus dem ager Romanus, ohne daß er dabei den Boden berührt, Aussetzen auf dem Meer, lebend in eine Kiste eingeschlossen – orientierte man sich offenbar auch in der Folgezeit). Vgl. TLL 10.1, 446–448 s.v. parricidium IB2, IIB1; 442 s.v. parricida IIA1c; Achard 1981, 292f.; Opelt 1965, 131f. Vgl. etwa Cic. Verr. 2,5,170: facinus est vincire civem Romanum, scelus verberare, prope parricidium necare: quid dicam in crucem tollere? Vgl. etwa Sall. Cat. 51,25: quis reprehendet quod in parricidas rei publicae decretum erit? Vgl. TLL 10.1, 447f. s.v. parricidium IIB1; 442 s.v. parricida IIA1c und die Zahlen bei Achard 1981, 293; Lassen 1992, 153–160. Zur Übertragung der pietas erga parentes auf die staatliche Ebene vgl. S. 169. Zu patria vgl. S. 167ff. Genaueres zum Kontext vgl. S. 164ff. Nunc te patria quae communis est parens omnium nostrum odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare… – Jetzt haßt und fürchtet dich (aber) die patria, die unser aller gemeinsame Mutter ist, und befindet schon lange, daß du auf nichts anderes denkst als auf ihre ›Ermordung‹. Vgl. dazu S. 173.

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So dürfte auch die religiöse Konnotation des parricidium – Verstoß gegen die pietas, die man den Verwandten und ganz besonders den Eltern schuldet – zum Tragen gekommen sein, und der Vorwurf der ›Ermordung‹ der patria also auch eine religiöse Färbung erhalten haben. Nicht zuletzt darauf dürfte es zurückzuführen sein, daß dieser Begriff, eingebettet in den Vergleich zwischen dem präsumtiven Verhalten Catilinas seinen Eltern gegenüber und dem von ihm der patria gegenüber geforderten Verhalten, es Cicero ermöglichte, Catilina in besonders wirkungsmächtiger Weise in einem Atemzug eklatanten Mangel an pietas vorzuwerfen und von ihm zu fordern, nun aber doch der pietas entsprechend zu handeln.450 Nicht ausgeschlossen ist, daß auch der zweite Aspekt der religiösen Konnotation von parricidium, nämlich die Tendenz, in Fällen von realem parricidium prodigia zu sehen, die gesühnt werden müssen, ihre Wirkung entfalten sollte. Zumindest aber waren die Assoziationen, die der Begriff in dieser Hinsicht wecken konnte, alles andere als kontraproduktiv: Das Bestreben, das prodigium, im Fall des parricidium den parricida, gleichsam aus der Welt zu schaffen, geht jedenfalls mit Ciceros Bestreben, Catilina aus Rom zu entfernen, einher.451 In §33 fordert Cicero Catilina gleichsam abschließend auf, zum Wohlergehen der res publica, zu seinem, Catilinas, Verderben und zum Untergang derjenigen, die sich mit ihm durch alle Arten von Verbrechen und durch parricidium verbunden haben, zu einem pflichtvergessenen und ›unerlaubten‹ Krieg aufzubrechen.452 Dem Fall der scelera453 analog läßt Cicero seinen Rezipienten an dieser Stelle erheblichen Spielraum, den Begriff parricidium mit konkreten Vorstellungen zu verknüpfen. Man kann an Morde denken, die die Verschwörer im Rahmen der coniuratio geplant haben sol-

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Dies ohne den Begriff pietas selbst zu benutzen. Man mag überlegen, ob Cicero diesen für sein Anliegen so zentralen Begriff prinzipiell vermeidet, um ihn in keiner Weise, nicht einmal gekleidet in eine Forderung, mit Catilina in Verbindung zu bringen. (Cicero benutzt diesen Begriff auch sonst in den Catilinarischen Reden nicht, abgesehen von einer einzigen Stelle, an der die virtutes derer, die gegen Catilina kämpfen, explizit den vitia der Anhänger Catilinas gegenübergestellt werden: Cic. Cat. 2,25; der Gegenbegriff zu pietas ist dort scelus). 451 Daß es nicht singulär gewesen wäre, einen politischen Gegner als prodigium, portentum oder monstrum abzuqualifizieren, zeigt nicht zuletzt Cic. Cat. 2,1, aber etwa auch Cic. Sest. 38; Pis. 9; fr. 1; Phil. 13,49; Hor. carm. 1,37,12; vgl. auch Corbeill 2008, 244, der feststellt »Ciceronian rhetoric of the prodigy reenacts through verbal performance the recognisable procedure of religious expiation«. Die Bestrebungen Catilinas hatte Cicero schon in seiner Rede In toga candida in die Nähe von prodigia gerückt, als er fragte: Te vero, Catilina, consulatum sperare aut cogitare non prodigium atque portentum est? (Ascon. 89C). 452 … cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt, proficiscere ad impium bellum ac nefarium. Genaueres zum Kontext vgl. S. 216ff. 453 Vgl. dazu S. 131f.

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len,454 an Morde, die sie schon früher versucht oder begangen haben mögen,455 schließlich auch an einen Mord im Augenblick des Zustandekommens der Verschwörung.456 Ebenfalls dem Fall der scelera analog dürfte die Bezeichnung der Morde, an die hier zu denken ist, mit einem Begriff, der in erster Linie Taten bezeichnet, die mit impietas verbunden sind, dafür sorgen, daß man auch hier an Taten dieser Art, an Vater-, Verwandten- und Bürgermord denkt. Dies ist umso mehr anzunehmen, als Cicero Catilina in §29 ausdrücklich als parricida civium bezeichnet hatte und die Verbindung – das Ergebnis des se cum Catilina omni scelere parricidioque iungere also – die gegen die res publica, die gegen die patria, der man doch eigentlich pietas schuldet, gerichtete Verschwörung ist. In den §§29–32 weist Cicero Vorwürfe – er hatte sie der patria, Italien und der res publica in den Mund gelegt – zurück, die man gegen ihn erheben könnte, weil er Catilina dazu bewegen will, Rom zu verlassen, anstatt ihn hinrichten zu lassen. In diesem Zusammenhang meint Cicero, er hätte tatsächlich keine Anfeindungen zu fürchten gehabt, wenn er Catilina, den parricida civium, bereits hätte töten lassen (§29).457 Isoliert betrachtet, könnte die Begründung dieser Behauptung – diejenigen, die Leute wie Saturninus, die Gracchen und Flaccus getötet haben, hätten sich dadurch nicht befleckt, sondern Ehre verschafft – dazu führen, daß man die Bezeichnung Catilinas als parricida civium lediglich metaphorisch versteht und als Synonym für ›Umstürzler, Verschwörer‹ nimmt. Daß man Catilina hier jedoch als Bürgermörder im Wortsinn sehen sollte und sicherlich auch gesehen hat, wird zum einen deutlich, wenn man sich an §3 erinnert. Hier hatte Cicero speziell mit der Unterschiedlichkeit der Bestrebungen des Ti. Gracchus auf der einen und des Catilina auf der anderen Seite argumentiert, und diese insbesondere daran festgemacht, daß Catilina Zerstörung durch Mord und Brand (caede atque incendiis) wünsche, während Gracchus nur eine mäßige Erschütterung verursacht habe.458 Zum andern waren Catilina in den letzten Monaten tatsächlich Mordpläne und Attentatsversuche unterstellt worden; daran hatte Cicero in der ersten Catilinaria bereits mehrfach erinnert.459 454 455 456 457

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Vgl. dazu S. 109. Vgl. Cic. Cat. 2,8: Hier behauptet Cicero, Catilina habe junge Männer zur Ermordung ihrer Eltern angestiftet bzw. sei ihnen dabei behilflich gewesen. Vgl. dazu S. 106ff. Etenim si summi viri et clarissimi cives Saturnini et Gracchorum et Flacci et superiorum complurium sanguine non modo se non contaminarunt sed etiam honestarunt, certe verendum mihi non erat ne quid hoc parricida civium interfecto invidiae in posteritatem redundaret. – Und in der Tat, wenn Männer von höchstem Rang und besonders ausgezeichnete Bürger sich mit dem Blut des Saturninus und der Gracchen und des Flaccus und mehrerer noch Früherer nicht nur nicht befleckt, sondern sogar Ehre verschafft haben, so hätte ich sicherlich nicht befürchten müssen, daß sich – nach Tötung dieses Bürgermörders – in der Zukunft irgendetwas an Anfeindung (über mich) ergießen würde. Vgl. S. 110ff. So war das senatus consultum ultimum vom 21. Oktober, von dem Cicero in §4 spricht, u.a. zustande gekommen, weil anonyme Briefe vor Mordplänen Catilinas gewarnt hatten; von diesen Plänen und weiteren Ankündigungen Catilinas, optimates zu ermorden, spricht Cicero erneut in §7; offenbar hatten in diesem Zusammenhang zahlreiche Optimaten auch tatsächlich versucht, sich außerhalb Roms in Sicherheit zu bringen (vgl. §7). So soll Catilina anläßlich der Konsulwahlen für das Jahr 62 geplant haben, seine Mitbewerber und auch Cicero zu ermorden (§11). Vgl. außerdem §2 (hier behauptet Cicero, Catilina kennzeichne und bestimme mit den Augen zur Ermordung einen jeden der Senatoren) und §16 (hier ist die Rede davon, daß Catilina die ehemaligen Konsuln schon oft zum Tod bestimmt habe), §§9f. (hier berichtet Cicero von dem Mordanschlag, der ihm am

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Erinnert hatte Cicero auch an Mordpläne Catilinas, die sich schon früher, im Zuge der sogenannten Ersten Catilinarischen Verschwörung, gegen Bürger gerichtet haben sollen,460 außerdem hatte er auf Morde angespielt, die Catilina im Zuge der sullanischen Proskriptionen tatsächlich begangen hat.461 Zur Bezeichnung Catilinas dabei den Begriff parricida zu wählen – eine Alternative wäre etwa interfector gewesen – mag sich geradezu aufgedrängt haben, stellte die Ermordung seiner Schwäger M. Marius Gratidianus462 und Q. Caecilius im Zuge der Proskriptionen doch die Tötung von Verwandten dar, wenngleich auch nicht von Verwandten in einem Verwandtschaftsgrad, der den Mord an ihnen in juristischem Sinn463 zum parricidium gemacht hätte. Erinnert haben dürfte die Bezeichnung freilich auch an gleichsam rein private Fälle von parricidium, die Catilina unterstellt wurden: an die Ermordung seiner Ehefrau und seines Sohnes nämlich,464 wobei die Ermordung der Ehefrau auch in juristischem Sinn parricidium gewesen wäre.465 Nicht zuletzt vor diesem ganz wesentlich von der Biographie Catilinas geprägten, im Lauf der Rede allmählich aufgebauten Hintergrund466 erscheint es nicht ausgeschlossen, daß auch an dieser Stelle zumindest die eine der religiösen Konnotationen des Begriffs parricida – abgleitet von der Vorstellung, dem parricida mangle es in höchstem Maß an pietas – zum Tragen gekommen ist. Deutlich wird außerdem, daß es letztlich der von Cicero konstatierte, im Vorwurf des parricidium civium gleichsam codierte Mangel an pietas ist, aus dem er die Berechtigung ableitet, Catilina hinrichten lassen zu können; dies unabhängig davon, wie ›religiös‹ pietas genau zu denken ist.

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7. November gegolten hatte), §§15f. (hier ist von früheren Mordanschläge auf Cicero die Rede) und nicht zuletzt §12 (hier behauptet Cicero, Catilina greife das Leben aller Bürger an). Daß keines der Attentate gelungen war, hätte dem Vorwurf des Mordes auch juristisch keinen Abbruch getan, da versuchter und vollendeter Mord grundsätzlich gleich behandelt wurden (vgl. die Quellen bei Mommsen 1899, 627, außerdem zur lex Cornelia de sicariis et veneficiis Crawford 1996, 749– 753). Vgl. §15. Vgl. §18: bei Catilina allein sei der Mord an vielen Bürgern – multorum civium neces – ungestraft geblieben. Möglicherweise bezieht sich auch §24 u.a. auf diese Morde: Catilina habe sich schon oft vom Altar des von ihm verehrten Adlers zum Mord an Bürgern – ad necem civium – gewandt. Wegen Morden in der Zeit der sullanischen Proskriptionen war Catilina tatsächlich vor Gericht gezogen, dann allerdings freigesprochen worden (s.o. S. 75). Vgl. auch S. 109 Anm. 93. Gemessen an der lex Pompeia de parricidiis. Sie ist u.U. zwar erst in die Zeit nach 63 zu datieren, stellte aller Wahrscheinlichkeit nach aber nur hinsichtlich des Strafmaßes, nicht aber hinsichtlich der Definition des Straftatbestandes eine Neuerung dar (vgl. die Literatur S. 174 Anm. 435). Davon hatte Cicero in §14 gesprochen. Wiederum gemessen an der lex Pompeia de parricidiis. (Die Tötung der eigenen Kinder durch den Vater stellte kein parricidium dar, da sie der patria potestas unterworfen waren.) Zu überlegen ist, ob es nicht überhaupt gerade der persönliche Hintergrund Catilinas war, der für die Etablierung der Metapher des parricida bzw. des parricidium im Wortschatz der politischen Auseinandersetzung ausschlaggebend war. Angesichts der vergleichsweise geringen Zahl von vorciceronischen Zeugnissen politischer Rede ist es freilich schwer einzuschätzen, was es bedeutet, daß diese Begrifflichkeit hier nur in einem Fall belegt ist (M. Aemilius Scaurus fr. 9 [Malcovati 166f.]: nefarius vulturius, patriae parricida).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

›Hymnos‹ (§18) In §18 legt Cicero der personifizierten patria eine an Catilina gerichtete Rede in den Mund. Sie ist Teil des Bemühens, deutlich zu machen, daß Catilina Rom verlassen müsse.467 Christine Ratkowitsch hat gezeigt, daß diese Rede ihrer Form und ihrer Stilistik nach ein Hymnos ist – angesichts ihres Aussagegehalts freilich ein pervertierter.468 So folgt auf die – allerdings aus der Rede der patria ausgelagerte – invocatio eine Aretalogie, auf die Aretalogie eine Bitte.469 So ist die Prädikation der ›Gottheit‹ Catilina mithilfe von Stilfiguren in großer Dichte gestaltet,470 so wird auf ihre Allmacht verwiesen,471 so enthält ihre Aretalogie außerdem den Verweis auf Früheres,472 thematisiert den Schrecken, den sie erregt,473 und auch ihre Machtbereiche werden genannt.474 Pervertiert ist der Hymnos in mehrfacher Hinsicht.475 Zum einen seinen Inhalten nach: Er gilt einer ›Gottheit‹, deren Aretalogie nicht zu preisende, sondern zu verurteilende Taten nennt, einer ›Gottheit‹, die ihre Macht nicht zum Guten, sondern zum Schlechten nutzt. Der Verweis auf ihre früheren Leistungen erinnert nicht an Hilfe, die sie gewährt hat, sondern an Verbrechen, die sie begangen hat; daher folgt auf diesen Verweis auch nicht die Bitte um neuerliche Hilfe, sondern die Feststellung, der gegenwärtige Zustand sei unerträglich. Auch das Furcht-Motiv ist verkehrt: Es fürchtet sich nicht eine unzulängliche Person vor der ›guten‹ Gottheit, vielmehr fürchtet sich die ›gute‹ patria vor dem verbrecherischen Adressaten des Hymnos. Zum anderen ist der Hymnos seiner Intention nach pervertiert: 467

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Cicero läßt die patria erklären, sie habe bislang Catilinas Untaten ertragen. Jetzt sei sie aber in ihrer Gesamtheit wegen ihm alleine in Furcht; dies sei unerträglich. Catilina solle sich entfernen und sie von ihrer Furcht befreien. Genaueres zum Kontext s.o. S. 164ff., 167f. Ratkowitsch 1981; vgl. La Bua 1998, 134–136. Zum Hymnos, seiner Form und Sprache, seinem Ort in Kult und Literatur, seiner Rezeption in Rom vgl. etwa Norden 1913, 143–176; Wünsch 1914; Bremer 1981; Burkert 1994; Thraede 1994; Feeney 1998, 38–44; La Bua 1999; auch Lattke 1991, 13–90; Chapot, Laurot 2001; zusammenfassend: Furley 1998; Fuhrer 1998. Die invocatio übernimmt Cicero gleichsam von der patria, indem er Catilina in einem die Rede der patria einleitenden Satz direkt anspricht: quae (sc. patria) tecum, Catilina, sic agit et … loquitur. Die Aretalogie reicht bis non est ferendum, die Bitte – in für Hymnen nicht unüblicher Manier versehen mit einer Begründung (ne opprimar; ut … timere desinam) – von quam ob rem bis desinam. Ratkowitsch 1981, 164f. Vgl. die Anaphern nullum … nullum, tibi … tibi, das Polyptoton te … tibi … tu, die Epiphora in nisi per te … sine te (Ratkowitsch 1981, 157–160) und den Du-Stil (La Bua 1998, 134). Dies mithilfe der epiphorischen Aussage nisi per te … sine te, dem Polyptoton des Personalpronomens tu, der Betonung des ›Einen‹ (propter unum te) und, mit valuisti, auch expressis verbis. Ratkowitsch 1981, 156–162. … superiora illa … tuli. Ratkowitsch 1981, 162f. … me … esse in metu propter … te, … Catilinam timeri und auch nullum videri contra me consilium iniri posse quod a tuo scelere abhorreat. Verbunden ist dies – in Anlehnung an in Hymnen übliche Schilderungen von Göttererscheinungen – mit einer Art Epiphanie: quicquid increpuerit Catilinam timeri, nullum videri contra me consilium iniri posse quod a tuo scelere abhorreat: Bei jeder Beunruhigung ›erscheint‹ Catilina gleichsam dem geistigen Auge derer, die sich fürchten. Vgl. Ratkowitsch 1981, 162f. Facinora, flagitia, multorum civium neces, vexatio direptioque sociorum, neglegere, evertere, perfringere leges et quaestiones. Dies mag man noch deutlicher erwähnen wollen, als Ratkowitsch 1981 dies tut. Vgl. Ratkowitsch 1981, passim, bes. 162f., 165.

›Hymnos‹

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Die ›Gottheit‹ wird nicht um Präsenz und Hilfe gebeten, sondern darum, daß sie sich entfernt und so von Furcht befreit. Zum dritten ist der Hymnos auf einer anderen Ebene, gleichsam der der Gattung, pervertiert: Anstatt dem Lobpreis zu dienen, ist er Instrument der Ironie476 und dient so der Diskreditierung seines Adressaten. Dadurch daß Cicero der Rede der patria die Form eines Hymnos gibt, eines Kommunikationsmittels also, das primär im Verkehr der Menschen mit den Göttern eine Rolle spielt, verweist er auf den Ort dieser Kommunikation, den Kult.477 So versetzt er den Rezipienten gleichsam aus dem Kommunikationsraum ›Senat‹ in den Kommunikationsraum ›Kult‹ und macht sich so die Atmosphäre dieses Kommunikationsraumes zunutze: Durch die Feierlichkeit, die der Kommunikation mit den Göttern anhaftet, und wohl auch durch die Bedeutungsschwere, die diese Kommunikation grundsätzlich hat, gewinnt die Rede der patria an Gewicht. Diese Atmosphäre läßt die Pervertiertheit des Hymnos umso deutlicher hervortreten.478 Die Diskrepanz, die so entsteht, läßt wiederum die Vorwürfe, die die patria vorbringt, umso gravierender, ihre Forderung umso berechtigter und die Ironie, die der Hymnos darstellt, umso heftiger erscheinen. Diese Diskrepanz wie auch die Pervertiertheit des Hymnos selbst verweisen aber auch auf das ›Perverse‹ der Situation insgesamt: Vertauscht sind die Rollen der Akteure. Die patria, der man in besonderem Maße pietas schuldet,479 wendet sich in hymnischer Form an den verbrecherischen, ihr pietas verweigernden Catilina; angebracht wäre jedoch, daß Catilina der patria Reverenz erweist, sie zu ›besänftigen‹ sucht – man ist versucht zu denken, mithilfe eines Hymnos etwa.480 So gesehen spiegelt diese Szenerie die Überlegung, mit der Cicero die Rede der patria eingeleitet hat (§17): Wenn Catilina von seinen Eltern gefürchtet und gehaßt würde und er sie nicht ›besänftigen‹ könnte, würde er ihnen aus den Augen gehen; ob er nicht entsprechend handeln werde, da ihn die patria hasse und fürchte?481 476 477

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Vgl. Ratkowitsch 1981, 166. Dies gilt sicherlich, obwohl der Hymnos Element des griechischen Kults ist, römische Kultlieder andere Formen haben (vgl. etwa Danielewicz 1991; Flores 1991) und obwohl Hymnen nicht nur im Kult, sondern auch in der Literatur – der griechischen, wie der lateinischen – beheimatet sind: Vgl. etwa die zahlreichen Hymnenparodien, zumindest seit Plautus (Kleinknecht 1937, 157–206); ihre Wirkung basiert auf dem kultischen Hintergrund des Hymnos, und sie leben davon, daß der Rezipient dies ganz selbstverständlich erkennt. Vgl. auch die Tatsache, daß literarische Hymnen grundsätzlich den religiösen Hintergrund des Hymnos erkennen lassen (Burkert 1994, 11, 13f.; vgl. Thraede 1994, 922–924, 927f., 930–933). Daß man an einer derartigen Konstellation grundsätzlich keinen Anstoß genommen hat, zeigt die Vielzahl der Gebets- bzw. Hymnenparodien – in vorciceronischer bzw. ciceronischer Zeit besonders bei Plautus und Catull; vgl. dazu etwa Kleinknecht 1937, bes. 157–179; Munzi 1991; auch Fuhrer 1998, 794. Dies ist der zentrale Aspekt der §§17–19, in dessen Kontext die Rede der patria zu sehen ist; vgl. dazu S. 166f. (zu placare), 176f. (zu parricidium), 167f., 171, 173 (zu patria). Eine wesentliche Aufgabe des Hymnos im Kult ist es, die Gottheit freundlich zu stimmen, sie zu ›besänftigen‹ – lateinisch gesprochen also das placare (vgl. etwa Burkert 1994, 14; Furley 1998, 789). Selbstredend sollte es im Fall Catilinas nicht beim placare bleiben, soll er doch Rom verlassen. Si te parentes timerent atque odissent tui neque eos ratione ulla placare posses, ut opinor, ab eorum oculis aliquo concederes. Nunc te patria quae communis est parens omnium nostrum odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare: huius tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces?

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Unter der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung bemerkenswert ist außerdem, daß Cicero in dieser Szene nicht einfach nur mit gängigen Konnotationen der patria arbeitet. Vielmehr gestaltet er die patria weiter: Dadurch, daß Cicero sie als eine eines Hymnos wahrhaft würdige Person präsentiert, trägt er – in eventuell sogar über den Rahmen der Rede hinauswirkender Weise – zu ihrer Überhöhung bei: Sie ist aus der menschlichen Sphäre herausgehoben, eher bei den Göttern als bei den Menschen zu suchen. Von dieser Überhöhung profitiert wiederum Cicero selbst, bzw. die von ihm verfochtene Position: Wie sehr er mit der patria in Einklang steht, hatte er geradezu handgreiflich faßbar gemacht, als er die Aufgabe, die invocatio zu sprechen, gleichsam von der patria übernommen hatte und dadurch mit ihr zur Einheit482 geworden war.

responsum (§19) Als responsum wird unter anderem auch die ›Antwort‹ des Orakels bezeichnet.483 Hier geht es um die abschlägige Antwort, die Cicero Catilina gab, als dieser ihn gebeten hatte, ihn in custodiam zu nehmen.484 Daß dabei der Gedanke an die Antwort eines Orakels aufkommen konnte oder sollte, erscheint kaum vorstellbar, obwohl zuzugeben ist, daß Catilina eine positive Antwort Ciceros als günstiges Zeichen für den Ausgang des Prozesses hätte nehmen können: Eine positive Antwort Ciceros wäre aber wohl eher als ein für Catilina günstiges politisches bzw. juristisches Signal genommen worden.485

sodalis (§19) In §19 kommt Cicero darauf zu sprechen, daß Catilina sich freiwillig in Gewahrsam begeben habe.486 Nachdem er von M’. Lepidus, von Cicero selbst und von Q. Metellus abgewiesen worden war, habe er schließlich bei M. Metellus Aufnahme gefunden.487 Ihn bezeichnet Cicero als sodalis des Catilina und – ironisch – als einen vortrefflichen Mann, von dem Catilina natürlich meine, er werde im Bewachen besonders aufmerksam, im Argwöhnen besonders schafsinnig, im Bestrafen besonders energisch sein.488 Sodalis bezeichnet generell den Kameraden, den Gefährten, den guten Freund, insbesondere das Mitglied einer Verbindung, sei es, im grundsätzlich guten Sinn, das Mitglied eines collegium, sei es, im üblen Sinn, das Mitglied einer Verbindung zum Stimmenkauf etwa.489 Daß sodalis an dieser Stelle abwertend gemeint ist, ist offensichtlich.490 482 483 484 485 486 487

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Hierauf hat bereits Ratkowitsch 1981, 164 aufmerksam gemacht. Milani 1993, 40. Hintergrund ist die Anklage Catilinas nach der lex Plautia de vi durch L. Aemilius Paullus; vgl. S. 48. So erscheint es noch eher vorstellbar, daß hier die juristische Konnotation des Begriffs – responsum bezeichnet speziell auch den Bescheid eines Rechtsgelehrten – aufscheint. Vgl. oben Anm. 484. Catilina wollte so den Verdächtigungen entgegenwirken. M’. Aemilius Lepidus war einer der Konsuln des Jahrs 66, Q. Caecilius Metellus Celer ist einer der Praetoren des Jahres 63. Um wen es sich bei M. Metellus handelt, ist unklar. In einem Teil der Hss. findet sich auch die Schreibweise M. Marcellus; Quint. inst. 9,2,45 hat jedoch Metellus (vgl. Maslowski z.St.; Sternkopf z.St.; Dyck z.St.). …ad sodalem tuum, virum optimum, M. Metellum, demigrasti quem tu videlicet et ad custodiendum te diligentissimum et ad suspicandum sagacissimum et ad vindicandum fortissimum fore putasti.

utinam tibi istam mentem di immortales duint!

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Es ist nicht ausgeschlossen, daß hier – und dies muß im Sinn der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung interessieren – Anklänge an den religiösen Hintergrund von collegia bzw. sodalitates zum Tragen kommen. Über die Bezeichnung sodalis mögen sich Vorstellungen, die man sich von einem collegium bzw. einer sodalitas machte, auf das Bild, das man sich von der coniuratio machen sollte, übertragen haben. Im Vordergrund steht an dieser Stelle aber ein anderer Aspekt: Es geht um das Verhältnis ›Bewacher – Bewachter‹, das Cicero im Fall ›Metellus – Catilina‹ lächerlich machen möchte. Auch die Bezeichnung sodalis mag er, statt amicus, comes oder socius etwa, gewählt haben, um die Vorstellung, Metellus könne ernsthaft gegen Catilina einschreiten, ad absurdum zu führen. Sodales standen nämlich in einem verwandtschaftsähnlichen Naheverhältnis zueinander; schlecht angesehen war es insbesondere, wenn sie juristisch gegeneinander vorgingen.491

utinam tibi istam mentem di immortales duint! (§22) In §22 bricht Cicero seine Versuche, Catilina davon zu überzeugen, daß er ins Exil gehen sollte, als nicht erfolgversprechend ab. Die Einsicht in die Vergeblichkeit dieses Unterfangens kleidet Cicero in rhetorische Fragen, die u.a. die Denkungsart Catilinas thematisieren. An diese Fragen schließt Cicero den stoßgebetsartigen Ausruf utinam tibi istam mentem di immortales duint! an. 489

Zu Bedeutungsunterschieden wie auch zu Bedeutungsüberschneidungen der Begriffe collegium, sodalitas und sodalicium vgl. Hellegouarc’h 21972, 109f.: Collegium ist, verglichen mit sodalitas, der allgemeinere Begriff; sodalitas bezeichnet eher eine Verbindung, bei der der religiöse Zweck im Vordergrund steht (beispielsweise das Priesterkollegium der Luperci), sodalicium eher eine Verbindung im Rahmen des ambitus. Sodalis bezeichnet das Mitglied in jeder derartigen Verbindung. Zur Bandbreite der collegia, die von berufsspezifischen Vereinigungen über Vereinigungen, die sich vorwiegend um die korrekte Bestattung ihrer Mitglieder kümmerten, bis hin zu Vereinigungen, in deren Zentrum ein Kult stand, vgl. zusammenfassend Herz 1997 und Herz 2002 (mit Literatur). Allen collegia ist gemeinsam, daß sie gewissermaßen ein Abbild der res publica sind, etwa über eine feste Struktur mit Funktionsträgern und Kasse verfügen und einen kultischen Kern haben; der Anteil des Kults an der Zweckbestimmung des collegiums kann aber erheblich variieren (vgl. etwa Egelhaaf-Gaiser, Schäfer [Hg.] 2002). 490 Man mag mit Kumpan oder Spießgeselle übersetzen. Angesichts der Tatsache, daß wir über M. Metellus ansonsten nichts wissen, bleibt unklar, ob seine Bezeichnung als sodalis einen konkreten Hintergrund hat, sei es, daß er Catilina etwa bei Bestechungen behilflich war, sei es, daß die beiden tatsächlich Mitglieder einer religiösen sodalitas gewesen sind (davon geht Dyck aus), oder ob Cicero den Begriff einfach aufgrund der Möglichkeit, ihn pejorativ zu benutzen, gewählt hat, um M. Metellus verdächtig zu machen – die negative Konnotation kommt angesichts des Kontexts unweigerlich zum Tragen. Hellhörig dürfte man bei der Bezeichnung sodalis im Jahr 63 im Übrigen grundsätzlich geworden sein, waren doch ein Jahr zuvor bestimmte collegia – sie waren mit der Vorbereitung des Fests der Compitalia befaßt – angesichts ihrer problematischen Politisierung verboten worden (vgl. Flambard 1981, bes. 162f.; Nippel 1995, 72f.; Cotter 1996, 75f.; Marco Simón, Pina Polo 2000a, 161–163; Cosi 1999 – zur Rolle von sodalitates in der Politik allgemein). Daß man collegia bzw. collegium-ähnliche Vereinigungen auch schon früher insbesondere in ordnungspolitischer Hinsicht für problematisch hielt, zeigt etwa das senatus consultum de bacchanalibus (s. u. S. 206 Anm. 612). 491 Vgl. Q.Cic. comm.pet. 16; Cic. har.resp. 45; CIL 12, 583 Z. 9f; 20; 22 (Crawford 1996, Bd. 1, Nr. 1); Cic. Mur. 56; Cic. Cael. 26. Vgl. auch Hellegouarc’h 21972, 109f. (allerdings mit teilweise problematischen Belegen).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Auf den ersten Blick wirkt dieser Ausruf wie der Schlußpunkt des Eingeständnisses, seine Argumentation habe keinerlei Aussicht auf Erfolg; er scheint geradezu dazu zu dienen, die Vergeblichkeit der Bemühungen Ciceros zu betonen. Folglich scheint auch nicht so sehr der Wunsch, die Götter mögen die mens Catilinas beeinflussen, im Vordergrund zu stehen, als vielmehr die Absicht auszudrücken, daß es höchst unwahrscheinlich ist, daß Catilina seinen Sinn doch noch ändern werde. Der Fortgang der Überlegungen Ciceros zeigt dann aber, daß dieser Ausruf zunächst ganz wörtlich verstanden werden soll. Die Dramaturgie Ciceros legt dem Hörer folgenden Gedankengang nahe: 1. Quamquam quid loquor? – Doch was rede ich? Cicero hat offenbar Zweifel an seinem Tun. Welcher Art sind diese Zweifel wohl? 2. Te ut ulla res frangat, tu ut umquam te conligas, tu ut ullam fugam meditere, tu ut ullum exsilium cogites? – Als ob492 dich irgendeine Sache brechen würde, als ob du dich jemals zusammennehmen würdest,493 als ob du über irgendeine Flucht nachdenken würdest, als ob du an irgendein Exil denken würdest! Jetzt wird klar, weshalb Cicero Zweifel hat: Die Argumente, die er vorgebracht hat, könnten nur dann Erfolg haben, wenn Catilina sich erweichen ließe, wenn er zur Besinnung käme, wenn Flucht und Exil in seiner Gedankenwelt eine Rolle spielten. Das ist aber keineswegs der Fall. 3. Utinam tibi istam mentem di immortales duint!494 – Wenn doch die unsterblichen Götter dir diese Sinnesart gäben! Das Problem kann man mit einem Begriff benennen. Es 492

Mit m.E. guten Gründen herrscht weitgehend Konsens – vgl. Sternkopf, Haury, Funaioli, auch Georges, s.v. ut IIA2e – darüber, daß Cicero hier ut elliptisch verwendet und damit den Unwillen deutlich macht, der in seinen rhetorischen Fragen liegt. Gedanklich zu ergänzen ist etwa ein Prädikat, das eine Forderung zum Ausdruck bringt, dürften die Fragen doch gewissermaßen abgeleitet sein von einer Aussage nach dem Muster sed tu ut vitiis tuis commoveare … non est postulandum (ebenfalls §22). In der Übersetzung trifft man m.E. den Ton der Fragen besser, wenn man sie in einen Ausruf, gleichsam in eine Antwort, eingeleitet mit ›als ob‹, umwandelt (vgl. mit der einzigen gleichartigen Verwendung von ut in den Reden Ciceros in Cat. 1,24 tu ut illa [sc. aquila] carere diutius possis …? – als ob du dich jenes [sc. Adlers] länger enthalten könntest …, mit Plaut. Truc. 441; Ter. Andr. 618; Hor. sat. 2,5,18; zur Seltenheit der Konstruktion: Haury). Vgl. auch Maclardy, der weitere Versuche, diese ut-Konstruktion zu erklären, diskutiert. Die Erklärung, die sich auf den ersten Blick möglicherweise aufdrängt, nämlich ut final zu verstehen (te ut ulla res frangat …? – [etwa] damit dich irgendeine Sache bricht …?), hat m.E. aus sprachlichen (da umquam – vgl. Menge 22005, §156e – meist nur in negativen Sätzen oder in Fragesätzen vorkommt, wäre in diesem Fall statt umquam eher aliquando zu erwarten; die erste Frage, damit dich irgendeine Sache bricht?, erschiene ausgesprochen kryptisch), v.a. aber aus inhaltlichen Gründen wenig für sich: Die Fragen erschienen, in auffallendem Gegensatz zu ihrer Konstruktion, ziemlich platt, der Fortgang utinam tibi istam mentem di immortales duint! erschiene insgesamt wie auch im Detail recht überraschend. Insbesondere ista mens würde gewissermaßen in der Luft hängen. 493 Die Übersetzung du könntest je dich bessern? von Fuhrmann basiert auf der Variante te corrigas, die sich zwar in einigen Handschriften findet, die aber wohl abzulehnen ist (vgl. Maslowski z.St.). 494 Die Variante duint findet sich in der Handschrift C; a hat duent, h dent, A und V haben donent, β und γ donarent. Duint wird allgemein der Vorzug gegeben (so von Clark, Sternkopf, Haury, Dyck, Maslowski). Duint ist eine archaische Form des Konjunktiv Präsens von do (vgl. Maclardy; Dyck; zur Ableitung der Form etwa Leumann 61977, 528), entspricht dent. Duint kommt fast ausnahmslos in der Formulierung di duint vor: außer bei Cicero (neben Cat. 1,22: Phil. 10,13 – vorausgesetzt man akzeptiert dort die Konjektur) bei Plautus (Most. 655; Pseud. 937; Trin. 436), bei Terentius (Andr. 665; Phorm. 519; 1005) und bei Tacitus. Bei Tacitus ist die Formulierung

utinam tibi istam mentem di immortales duint!

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besteht in der mens, im Charakter495 Catilinas. Seine mens ist so geartet, daß Cicero keinen Erfolg haben kann; es liegt also nicht an seinen Argumenten, sondern daran, daß diese bei Catilina nicht auf fruchtbaren Boden fallen können. Die mens Catilinas können aber nur die Götter beeinflussen. Cicero wünscht, daß sie es tun. Hält er es wohl für wahrscheinlich? 4. Tametsi video, si mea voce perterritus ire in exsilium animum induxeris … (impendeat) – Jedoch, ich sehe: Wenn du dich, von meiner Rede sehr erschreckt, ins exilium zu gehen entschlossen haben wirst … Cicero überlegt, welche Folgen es haben wird, wenn Catilina ins Exil geht. Offenbar geht er also davon aus, daß dies geschehen wird. Dem zuvor entwickelten Szenario zufolge bedeutet dies: Cicero geht davon aus, daß die Götter Catilina die entsprechende mens geben werden. So gesehen dient der Ausruf, anders als es auf den ersten Blick scheinen mochte, nicht dazu zu zeigen, daß es höchst unwahrscheinlich oder gar unmöglich ist, daß sich die Dinge in der gewünschten Weise entwickeln. Vielmehr scheint der Ausruf ganz wörtlich gemeint, der darin formulierte Wunsch zudem durchaus als erfüllbar gedacht zu sein. Die Überlegung, welche Folgen ein Exil Catilinas für Cicero haben dürfte,496 nutzt Cicero dann für einen Vergleich: Anders als er selbst ist Catilina nicht bereit, der res publica Opfer zu bringen. In diesem Zusammenhang kommt Cicero erneut auf die Fehler Catilinas zu sprechen.497 Diese Fehler und eben die Tatsache, daß er sich anders verhält, als Cicero sich 494

innerhalb einer Rede des Tiberius in einen gebetsartigen Textabschnitt eingebettet (ann. 4,38,3 proinde socios cives et deos ipsos precor, hos ut mihi ad finem usque vitae quietam et intellegentem humani divinique iuris mentem duint, illos ut, quandoque concessero, cum laude et bonis recordationibus facta atque famam nominis mei prosequantur), bei Plautus, Terentius und Cicero handelt es sich um Wünsche oder stoßgebetartige Ausrufe. Plautus verwendet di dent deutlich häufiger (Asin. 44; Epid. 6; Mil. 1038; Persa 483; Poen. 208; 667; 687; 1055; Stich. 469; Trin. 1152), Terentius, Cicero und Tacitus gar nicht. Als gleichsam kanonisch kann die Form di duint also nicht gelten, wenngleich sie wohl den grundsätzlich sehr konservativen Umgang mit Sprache in kultischem Zusammenhang spiegelt (vgl. etwa Fyntikoglou, Voutiras 2005, 162). Daß ihr eine besondere Feierlichkeit angehaftet haben dürfte, ist angesichts der Existenz der alternativen Form di dent offensichtlich. Wie auffallend sie zur Zeit Ciceros gewesen ist, ist angesichts der Seltenheit der Belege für beide Formen in seiner Zeit jedoch schwer einzuschätzen. (Einen gewissen Hinweis darauf, daß die Verwendung der archaischen Form nicht allzu auffällig gewesen sein dürfte, mag die Tatsache darstellen, daß Cicero die Formulierung di perduint zweimal – Deiot. 21; Att. 15,4,3 – verwendet, di perdant bei ihm jedoch nicht belegt ist.) Zur Verwendung der Formen duint bzw. perduint vgl. auch TLL 5.1, 1660 (s.v. do), X.1, 1261 (s.v. perdo). 495 Mit diesem Begriff mag man fassen, was Cicero teils unter dem Begriff mens und unter der Formulierung neque is es subsummiert (Te ut ulla res frangat, tu ut umquam te conligas, tu ut ullam fugam meditere, tu ut ullum exsilium cogites? Utinam tibi istam mentem di immortales duint! bzw. Neque enim is es, Catilina, ut te aut pudor a turpitudine aut metus a periculo aut ratio a furore revocarit.), teils durch die Aufzählung von einzelnen Aspekten des Wesens und Verhaltens Catilinas ausdrückt (Sed tu ut vitiis tuis commoveare, ut legum poenas pertimescas, ut temporibus rei publicae cedas non est postulandum.) 496 … quanta tempestas invidiae nobis, si minus in praesens tempus recenti memoria scelerum tuorum, at in posteritatem impendeat – … ein wie großer Sturm der Mißgunst dürfte uns bevorstehen, wenn (auch) weniger für die Gegenwart, solange die Erinnerung an deine scelera frisch ist, aber (doch) für spätere Zeit. 497 Sed tu ut vitiis tuis commoveare, ut legum poenas pertimescas, ut temporibus rei publicae cedas non est postulandum. – Aber du, daß du von deinen Fehlern (intensiv) bewegt würdest, daß du die Strafen

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verhalten würde, erklärt Cicero dann erneut mit Catilinas Charakter.498 Damit fällt Cicero gleichsam hinter den Stand der Dinge zurück, der in Gedanken durch das Eingreifen der Götter erreicht war.499 Im Nachhinein wird so das Szenario ›die Götter werden die mens Catilinas ändern, so wird Ciceros Rede Erfolg haben‹ als realitätsfernes Wunschdenken gekennzeichnet. Der Ausruf utinam tibi istam mentem di immortales duint! steht, betrachtet man ihn in diesem Kontext, also doch in Zusammenhang damit, die Vergeblichkeit der Bemühungen Ciceros zu erweisen. Allerdings liegt nicht in ihm selbst die Aussage ›es ist nicht möglich‹. So wirkt seine Verwendung bei weitem nicht so ›uneigentlich‹, so profaniert wie es anfangs den Anschein hatte. Fragt man nach der Funktion dieses Ausrufs in der Argumentation Ciceros, so ist festzustellen, daß er eine Doppelfunktion erfüllt: Zunächst schafft er die Grundlage dafür, daß die Überlegung ›was wäre, wenn Catilina ins Exil ginge‹, nicht rein hypothetisch erscheint und der Vergleich ›Cicero – Catilina‹ überhaupt angestellt werden kann. Dann aber wechselt er gewissermaßen die Vorzeichen und trägt dazu bei zu zeigen, daß Cicero sich eben doch vergeblich bemüht. Fragt man gewissermaßen nach der Funktionsweise dieses Ausrufs, so wird deutlich, daß Cicero davon ausgeht, daß seine Zuhörer ihn nicht von vornherein als Synonym für die Behauptung ›etwas ist höchst unwahrscheinlich‹ oder gar ›etwas ist unmöglich‹ begreifen, daß es aber auch nicht kontraproduktiv ist, ihn zum Entwurf eines als unrealistisch gekennzeichneten Szenarios zu verwenden.500 Angefügt sei eine weitere Beobachtung zu der Überlegung si mea voce perterritus ire in exsilium animum induxeris …: Obwohl sie, eingeleitet von tametsi video, direkt an den Ausruf utinam tibi istam mentem di immortales duint! anschließt, ist von den Göttern hier nicht mehr die Rede, vielmehr davon, daß Catilina, von Ciceros Rede erschreckt, ins Exil gehen werde. So kann der Eindruck entstehen, zwischen den Göttern und Cicero bestehe eine Art Arbeitsteilung: Die Götter schaffen die Grundlage dafür, daß Ciceros Argumente wirksam werden können, Cicero erzielt durch seine Rede dann die gewünschte Wirkung. So suggeriert Cicero erneut, daß die Götter mit seiner Position und mit seiner Handlungsweise einverstanden sind.501 497

der Gesetze sehr fürchten würdest, daß du der (schwierigen) Lage der res publica nachgeben würdest, kann man nicht fordern. 498 Neque enim is es, Catilina, ut te aut pudor turpitudine aut metus a periculo aut ratio a furore revocarit. – Du bist nämlich nicht so geartet, Catilina, daß dich Scham von Schändlichkeit oder Furcht von Gefahr oder Vernunft von Raserei zurückhalten würde. 499 Eine Bestätigung findet diese Interpretation im Fortgang der Argumentation: Mit quam ob rem … (§23) kündigt Cicero an, den Schluß aus der Feststellung, daß Catilinas Charakter nun einmal so ist, ziehen zu wollen. Die Aufforderung proficiscere, die dann aber als Schluß erscheint, wirkt nach dem zuvor Gesagten zunächst überraschend, geradezu unlogisch. Sie leitet jedoch zu einem neuerlichen Versuch über, Catilina das Exil schmackhaft zu machen: Wenn er ins Exil ginge, würde dies Cicero schaden. So ist eine Motivation gefunden, die Catilinas Charakter entspricht. 500 Vgl. zum recht freien Umgang mit Gebeten in verschiedenen Gattungen der Literatur allgemein etwa Kleinknecht 1937; auch Rüpke 1998. Zum Einsatz eines pervertierten Hymnos in dieser Rede vgl. Ratkowitsch 1981 und oben S. 180ff. Der ›uneigentliche‹ Gebrauch von di duint/di dent ist, soweit ich sehe, von unserer Stelle abgesehen, freilich nicht belegt – weder in der politischen Rede noch in einer anderen Gattung.

commovere

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commovere (§22) Commovere ist insofern religiös konnotiert, als eine spezielle Bedeutung des Begriffs meint, sacra im Kult, insbesondere bei dionysischen Riten, zu ›bewegen‹.502 Angesichts der Tatsache, daß es hier jedoch um Fehler Catilinas geht, von denen dieser aufgrund seines Charakters nicht ›bewegt‹ werde,503 erscheint es ausgeschlossen, daß man die religiöse Konnotation des Begriffs hier mithören sollte bzw. mitgehört hat.

impius (§§23; 24; 33) Mit dem Attribut impius versieht Cicero das latrocinium und das bellum des Catilina (§§23 bzw. 33); auch dessen rechte Hand bezeichnet er so (§24). Damit charakterisiert er sie als pietas zuwiderlaufend. – Pietas meint das ›pflichtgemäße Verhalten‹ – sei es gegenüber Göttern, sei es gegenüber Menschen, insbesondere gegenüber den Eltern, sei es gegenüber der patria.504 In jedem Fall hat pietas eine wenn auch in unterschiedlicher Weise und Deutlichkeit zutagetretende religiöse Note; dies in doppelter Hinsicht: Zum einen bezeichnet pietas das – gegebenenfalls kultische – Verhalten, das man Göttern und Menschen gegenüber an den Tag legen sollte, geht es einem darum, ein positives Verhältnis zu diesen herzustellen (piare) und also pius zu sein.505 Dabei rührt die religiöse Note der pietas erga parentes wohl von der Verehrung der di parentes her,506 die der pietas erga patriam von der Ausdehnung der innerfamiliären pietas auf die staatliche Ebene.507 Zum andern wurde pietas personifiziert und hatte zumindest seit dem frühen 2. Jh. v.Chr. einen Kult.508 Impius ist, wer nicht pflichtgemäß handelt, bzw., was pflichtwidrigem Verhalten entspringt.509 Grundsätzlich ist impietas nicht ein rein persönlicher Mangel desjenigen, der ›pflichtvergessen‹ ist, vielmehr betrifft sie die Gemeinschaft der Bürger insgesamt, 501

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Dieser Gedanke mochte zum Zeitpunkt der schriftlichen Publikation der Rede besonders zum Tragen kommen, hatte Catilina Rom doch tatsächlich verlassen – wenn auch nicht, um ins Exil zu gehen. TLL 3, 1943 s.v. commoveo IB1c; Bocciolini Palagi 2003, 122. Sed tu ut vitiis tuis commoveare … non est postulandum. Neque enim is es, Catilina, ut … – Aber du, daß du von deinen Fehlern erschüttert würdest … kann man nicht fordern. Du, Catilina bist nämlich nicht so geartet, daß … Teils meint pietas außerdem die diesem Verhalten zugrundeliegende Haltung, das ›Pflichtbewußtsein‹. Darüber hinaus beinhaltet pietas den Aspekt der Wechselseitigkeit ›pflichtgemäßen Verhaltens‹; so kann auch von der pietas der Götter gegenüber den Menschen, der Eltern gegenüber ihren Kindern, der Bürger untereinander die Rede sein. Vgl. TLL 10.1, 2086–2101 s.v. pietas, außerdem 2229–2246 s.v. pius, 2246–2248 s.v. pie; Wagenvoort 1924; Liegle 1932; Koch 1941; Fugier 1963, 331–416, bes. 371–416; Hellegouarc’h 21972, 276–279; Weinstock 1971, 248–259; Fugier 1986, 57–65, bes. 57–60; Hoffmann 1988; Saller 1994, 105–114; Köves-Zulauf 2000; Thome 2000, Bd. 2, 29–49; zusammenfassend Maharam 2000. Vgl. S. 169 mit Literatur. Vgl. S. 175 Anm. 437 mit Literatur. Vgl. S. 169 mit Literatur. Personifiziert begegnet sie bei Plautus; 181 v.Chr. erhielt sie einen Tempel (191 v.Chr. gelobt): Clark 2007, 29f., 69–71, 88–98. Vgl. TLL 7.1, 620–625 s.v. impius, 625f. s.v. impie, außerdem 612–614 s.v. impietas. Im Deutschen kann impius mit ›pflichtwidrig‹, ›pflichtvergessen‹ oder ›verrucht‹ (vgl. mhd. verruochet=›der aufgehört hat, sich um etwas zu kümmern‹: Kluge 242002, 955) widergeben werden.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

ist pietas doch eines der Fundamente der pax deorum und damit der salus des populus Romanus.510 Daß pietas und impietas bzw. pius und impius zu zentralen Schlagwörtern der politischen Auseinandersetzung wurden,511 dürfte nicht zuletzt in diesem Sachverhalt seine Wurzeln haben. In §23 fordert Cicero Catilina unter anderem auf, sich durch impium latrocinium zu erheben.512 Diese Aufforderung steht mit der hier neuerlich vorgebrachten Forderung, Catilina solle Rom verlassen und der Feststellung, für ihn, Cicero, wäre es günstiger, würde sich Catilina dann nicht für das Exil, sondern für die offene Rebellion entscheiden, in Zusammenhang.513 Impius kann Cicero das latrocinium Catilinas nennen, weil es gegen die patria gerichtet ist. Daß er es expressis verbis so charakterisiert, mag sowohl dem Bemühen, die Verwendung des Begriffs latrocinium zu rechtfertigen, geschuldet sein, als auch dem Bestreben, daran zu erinnern, daß Catilina in eklatanter Weise gegen das verstoßen würde, was die pietas erga patriam gebietet, ginge er militärisch vor. So gesehen kennzeichnet die Charakterisierung des latrocinium als impium das Unterfangen Catilinas als gleichsam pervertiert-religiös. Außerdem dürfte das Attribut impius dazu beigetragen haben, Assoziationen zu wecken, die man mit dem Begriff latrocinium, auch für sich genommen, verbinden konnte – Assoziationen, die wiederum die Vorstellung, das Unterfangen Catilinas habe eine pervertiert-religiöse Note, verstärkt haben dürften.514 In §33 appelliert Cicero neuerlich an Catilina, er möge Rom verlassen. Gestaltet ist dieser Appell als Aufforderung, zu bellum impium ac nefarium aufzubrechen – zum Wohlergehen der res publica, zu Catilinas eigenem Verderben.515 Aus ganz ähnlichem Grund wie in §23 das latrocinium kann Cicero das bellum Catilinas impium nennen: Es handelt sich um einen Krieg, der gegen das verstößt, was die pietas gebietet, die man seinen Mitbürgern gegenüber an den Tag legen sollte, um einen Bürgerkrieg. Mit der Bezeichnung als nefarius nimmt Cicero die in §25 gewählte Terminologie auf und schließt wohl auch an die dort geweckten Assoziationen an, fordert er Catilina nun doch zu einem Krieg von genau der Art auf, die dieser, §25 zufolge, schon immer gewünscht hat: zu einem gegen die Ordnung der res publica gerichteten Krieg – zu einem Bürgerkrieg.516 510 511

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Vgl. Scheid 1981; vgl. auch oben S. 137 Anm. 253, 169f., 175. Höhepunkt dieser Entwicklung, an der Cicero ganz erheblichen Anteil hatte, ist in republikanischer Zeit die Berufung der Bürgerkriegsparteien Caesars auf der einen, der Söhne des Pompeius auf der anderen, dann des nachmaligen Augustus auf der einen, des Antonius auf der anderen Seite: Thome 2000, Bd. 2, 37, 42–44. Speziell zu impietas als Vorwurf in der politischen Auseinandersetzung: Achard 1981, 289–316. … egredere cum importuna sceleratorum manu, confer te ad Manlium, concita perditos civis, secerne te a bonis, infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio … – … gehe hinaus mit der unverschämten Schar von Verbrechern, begib dich zu Manlius, biete die verlorenen Bürger auf, sondere dich von den Guten ab, überziehe die patria mit Krieg, erhebe dich durch pflichtvergessene Räuberei … Genaueres zum Kontext s.o. S. 168. Vgl. die ausführliche Argumentation S. 192ff. … cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt, proficiscere ad impium bellum ac nefarium – … zum höchsten Wohlergehen der res publica, zu deinem Verderben und Unglück und zum Untergang derjenigen, die sich mit dir durch alle Arten von Verbrechen und ›Mord‹ verbunden haben, brich auf zu einem pflichtvergessenen und ›unerlaubten‹ Krieg. Genaueres zum Kontext s.u. S. 216ff.

impius

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Die explizite Bezeichnung des Kriegs als impius bzw. als nefarius betont, deutlicher als dies die Bezeichnung bellum civile leisten könnte, daß dieser Krieg die pietas mißachtet, mit der man seinen Mitbürgern begegnen sollte, bzw., daß diese Art von Krieg ›nicht erlaubt‹ ist. Außerdem ermöglicht sie die Kombination der Attribute impius und nefarius. Daß auch der Gedanke mitschwingt, ›diese Art von Krieg ist nicht erlaubt, da sie dem Willen der Göttern zuwiderläuft‹, erscheint angesichts des religiösen Ambientes dieser Stelle fast schon unausweichlich.517 Insgesamt betrachtet, beleuchtet die Formulierung impium ac nefarium das bellum aus zwei Perspektiven: Nefarium ist es, gemessen an der ›Norm‹, impium, gemessen am Verhalten angesichts der ›Norm‹.518 So gesehen erscheint es nicht ausgeschlossen, daß das Verständnis von nefarius hier auf das Verständnis von impius gleichsam abfärbt und folglich ein Rezipient, der bei der Charakterisierung des bellum als nefarium mithört, dieses bellum sei aufgrund des Willens der Götter ›nicht erlaubt‹, nicht nur versteht, es laufe der pietas, die man seinen Mitbürgern, sondern auch der pietas, die man den Göttern schuldet, zuwider. In §24 führt Cicero als Anzeichen dafür, daß Catilinas Abreise bereits in die Wege geleitet sei, an, daß Catilina einen silbernen Adler vorausgeschickt habe. Cicero meint, ohne diesen Adler, zu dem Catilina zu beten pflege, wenn er sich zum Morden aufmache und von dessen Altar er oft seine impia dextera zum Mord an Bürgern gewandt habe, könne Catilina es ja wohl nicht länger aushalten.519 Auch hier ist offensichtlich, weshalb Cicero Catilinas Hand als impia bezeichnen kann: Nex civium widerspricht in eklatanter Weise der pietas, mit der man seinen Mitbürgern begegnen sollte.520 Daß diese Charakterisierung jedoch mehr ist als eine explizite Formulierung des Offenkundigen, wird deutlich, betrachtet man den Kontext. Als ›pflichtvergessen‹ bezeichnet Cicero hier nämlich nicht nur die Hand Catilinas, sondern auch das latrocinium, zu dem er ihn auffordert521 – das Unterfangen also, zu dem aufzubrechen die Voraussendung des Adlers Anzeichen sein soll. So sorgt die Betonung des Aspekts ›impietas‹ der Morde dafür, daß sich gleichsam der Kreis schließt: Daß Catilina den Adler verehrt hat, wenn er Untaten im Sinn hatte, die von Mangel an pietas den Mitbürgern gegenüber zeu516 517

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Numquam tu non modo otium sed ne bellum quidem nisi nefarium concupisti. Vgl. dazu S. 122f. Die Aufforderung hat sowohl den Charakter einer Prophezeiung als auch Qualitäten einer Verwünschung, ihr gehen Worte voran, die Cicero als omina wertet, es folgen Worte, die an ein Gebet gemahnen; vgl. dazu S. 214f., 216ff., 218ff. Genaueres zum normativen Charakter von fas respektive nefas s.o. S. 116. Streng genommen ist diese Stelle, anders als Achard 1981, 294 meint, kein Beleg dafür, daß die Begriffe impius und nefarius unterschiedslos gebraucht werden. Zuzugeben ist freilich, daß sie gewissermaßen zwei Seiten derselben Medaille darstellen: Tut man etwas ›Unerlaubtes‹, ist man ›pflichtvergessen‹. Zum Zusammenhang von pietas und fas vgl. Fugier 1963, 375f.; auch Peeters 1945, 20–25, 166 (allerdings mit Fugier 1963, 376 Anm. 21). Tu ut illa (sc. aquila) carere diutius possis quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti? Genaueres zum Kontext s.u. S. 196ff. Vgl. Genaueres dazu S. 174ff. Nicht ausgeschlossen ist, daß die Charakterisierung der Rechten Catilinas als impia aber auch die Auffassung spiegelt, sein Handeln – genauer gesagt, sein kultisches Handeln – laufe der pietas zuwider, mit der er den Göttern begegnen sollte, da es in unlauterer Absicht erfolge; vgl. dazu S. 201 Anm. 588. §23; vgl. auch oben S. 188.

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gen, läßt es plausibel erscheinen, daß dessen Voraussendung Anzeichen dafür ist, daß Catilina erneut Derartiges plant. So gesehen macht die explizite Charakterisierung sowohl des latrocinium als auch der dextera aus dem Anzeichen für die Abreise Catilinas ein Anzeichen dafür, daß erneut impietas bevorsteht.

latrocinium, latrones (§§23; 27; 31 bzw. §33) Die Begriffe latrocinium bzw. latro verwendet Cicero in der ersten Catilinaria an vier Stellen. In §23 fordert er Catilina erneut auf, Rom zu verlassen. Dabei kommt er auch darauf zu sprechen, daß es für ihn, Cicero, günstiger wäre, würde sich Catilina nicht für das Exil, sondern für die offene Rebellion entscheiden. Die Schilderung des für ihn günstigeren Verhaltens Catilinas gestaltet Cicero als Reihe von Aufforderungen, deren letzte Catilina dazu aufruft, sich durch impium latrocinium zu erheben.522 In §27 stellt Cicero fest, er habe erreicht, daß das, was Catilina in verbrecherischer Weise angefangen habe, eher latrocinium als bellum genannt werde.523 In §31 meint Cicero, daß es angesichts der Tatsache, daß die aktuellen Aktivitäten Catilinas und seiner Anhänger in weiterreichenden Zusammenhängen stehen, nicht sinnvoll sei, aus dem so großen latrocinium einzig Catilina herauszugreifen und zu beseitigen.524 In §33 wendet Cicero sich an Iuppiter, der die Bürger schützen, Catilina und seine Mitstreiter jedoch strafen werde. Catilina und seine Leute bezeichnet Cicero dabei unter anderem als latrones Italiae.525 Mehr noch als im Fall ›patria‹ mag es überraschen, Ciceros Verwendung der Begriffe latrocinium und latro unter der Fragestellung der vorliegenden Untersuchung behandeln zu wollen: Weder sind diese Begriffe religiös konnotiert in dem Sinn, daß sie regelrecht eine 522

… egredere cum importuna sceleratorum manu, confer te ad Manlium, concita perditos civis, secerne te a bonis, infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio … – … gehe hinaus mit der unverschämten Schar von Verbrechern, begib dich zu Manlius, biete die verlorenen Bürger auf, sondere dich von den Guten ab, überziehe die patria mit Krieg, erhebe dich durch pflichtvergessene Räuberei … Genaueres zum Kontext s.o. S. 168. 523 Tantum profeci, cum te a consulatu reppuli, ut exsul potius temptare quam consul vexare rem publicam posses atque ut id quod esset a te scelerate susceptum latrocinium potius quam bellum nominaretur. – Soviel habe ich erreicht, als ich dich vom Konsulat abgehalten habe, daß du die res publica eher als exsul attackieren denn als consul erschüttern kannst und daß das, was von dir in verbrecherischer Weise angefangen wurde, eher Räuberei als Krieg genannt wird. 524 Etenim iam diu … in his periculis coniurationis insidiisque versamur, sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit. Hic si ex tanto latrocinio iste unus tolletur, videbimur fortasse ad breve quoddam tempus cura et metu esse relevati, periculum autem residebit et erit inclusum penitus in venis atque in visceribus rei publicae. – Und in der Tat schon lange … befinden wir uns in diesen Gefahren und Anschlägen der Verschwörung, aber, ich weiß nicht wie, die Reife aller Verbrechen und der alten Raserei und Vermessenheit ist (erst) in der Zeit unseres Konsulats (erreicht worden und) ausgebrochen. Unter diesen Umständen, wenn aus dem so großen latrocinium dieser da allein beseitigt wird, werden wir vielleicht für gewisse kurze Zeit scheinbar von Sorge und Furcht befreit sein; die Gefahr aber wird zurückbleiben und tief in den Adern und in den Eingeweiden der res publica eingeschlossen sein. Hic ist hier pronominales Adverb (vgl. Kühner, Holzweissig 21912, 1020). Zum Verständnis von iam diu … in his periculis coniurationis insidiisque versamur und von omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas wie auch zum genaueren Kontext s.o. S. 105 bzw. 99f.

latrocinium, latrones

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religiöse Nebenbedeutung hätten, noch stehen sie mit einem religiös konnotierten Begriff in so enger Verbindung, wie dies bei patria in Bezug auf pietas der Fall ist. Da man mit latrones jedoch nicht selten die Vorstellung devianter religio verband, seien die entsprechenden Stellen hier diskutiert.526 Latrocinium bzw. latro sind zum einen juristische termini technici, zum andern Begriffe, die außerhalb der juristischen Fachsprache eine breite Bedeutungspalette entwickelt haben.527 Im römischen Recht werden diejenigen als latrones bezeichnet, die bandenmäßig organisierten Raub begehen.528 Latro bzw. praedo ist – im Unterschied zum hostis – aber auch derjenige, der ohne von Rom akzeptierten Rechtstitel Krieg führt; dieser Krieg wird dann nicht als bellum, sondern als latrocinium bezeichnet.529 Neben ›Räubern‹ im juristischen Sinn, werden mit dem Begriff latro Rebellen bezeichnet, so Viriatus, der von 147 bis 139 v.Chr. den Widerstand der Lusitani gegen die römische Herrschaft anführte, Anführer von Sklavenaufständen, so Spartacus, der in den Jahren 73 bis 71 v.Chr. eine Sklavenbewegung in Italien leitete, und lokale Dynasten, deren Interessen mit denen Roms kollidierten, so Zeniketes, ein lykischer ›Pirat‹, der 77 v.Chr. von P. Servilius Vatia (Isauricus) besiegt wurde.530 Dies ist – in groben Zügen – die Bandbreite der Gruppierungen, die man bis zum Jahr 63 offenbar als latrones zu bezeichnen gewohnt war.531 Gemeinsam war diesen latrones zum einen, daß sie Macht ausübten, die in Konkurrenz zu der als legitim begriffenen Macht stand, zum andern, daß sie dabei in gewisser Weise Gemeinwesen bildeten. Diese Konstellation machte es möglich, Bezeichnungen für Räuber und Räuberei schließlich auch als

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Tu, Iuppiter … homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis. – Du Iuppiter … du wirst … die Leute, Feinde der Guten, Feinde der patria, Räuber Italiens, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander und durch eine ›unerlaubte‹ Gemeinschaft verbunden sind, mit ewigen Strafen als Lebende und als Tote belegen. Vgl. auch Habinek 1998, 69–87, der latrocinium und religio – fraglos – miteinander in Beziehung stehend sieht, speziell in den Catilinarischen Reden. Vgl. etwa Milan 1979/80; Burian 1984; Grünewald 1999; Shaw 2001; auch Hoben 1978, 17–21, 40–43; Lapeña Marchena 2005, 148–158. Vgl. bes. Dig. 48,19,11,2. Latrones sind also keine einfachen Räuber, latrocinium ist kein einfacher Raub (rapina), wobei als Raub Diebstahl unter Anwendung von Gewalt gilt, vielmehr ist insbesondere die Organisation in einer Bande (factio) konstitutiv (Grünewald 1999, 22–24; vgl. auch Ebner 1999; Ebner 2001; Schiemann 2001; Shaw 2001, 758f.). Vgl. bes. Dig. 50,16,118; Grünewald 1999, 24f. Grünewald 1999, 49–81 (speziell zu Viriatus: 50–68), 82–103 (speziell zu Spartacus: 93–99), 110–116 (speziell zu Zeniketes: 110f.). Wenngleich latro grundsätzlich einen Menschen bezeichnet, den man ablehnt, kann der Begriff auch in nicht-diffamierender Weise gebraucht werden, so etwa im Fall des Viriatus, der in der antiken Geschichtsschreibung als ›edler Räuber‹ perfiden römischen Feldherren entgegengestellt wird. Ob jemand als latro oder als hostis, sein Tun als latrocinium oder als bellum eingeschätzt wird, hängt nicht selten weniger vom juristischen Sachverhalt ab, als vielmehr vom Ausmaß der Bedrohung, die von der jeweiligen Bewegung ausging, und von dem Maß an Respekt, das man der militärischen Kompetenz des gegnerischen Anführers zollen mußte (Grünewald 1999, 59–61). Die Quellen, über die dies zu erschließen ist – sie sind etwa über Grünewald 1999 leicht zugänglich – datieren, soweit ich sehe, freilich fast ausnahmslos aus späterer Zeit.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Schlagwörter in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu verwenden.532 Erstmals sicher faßbar, möglicherweise auch tatsächlich durch ihn initiiert, ist dies bei Cicero.533 Catilina ist der erste in der Reihe dieser neuen latrones.534 So sehr es sich anbot, ihn als latro zu diffamieren,535 dürfte der Begriff latrocinium an der hier zu diskutierenden Stelle jedoch nicht nur ungewohnt, sondern geradezu provozierend geklungen haben: Soweit die Quellen dies erkennen lassen, hat Cicero ihn hier erstmals im Zuge einer Auseinandersetzung innerhalb der politischen Elite benutzt. Ungewöhnlich und damit Aufmerksamkeit erregend ist auch die Qualifizierung des latrocinium als impium (§23).536 Weshalb Cicero es so nennen kann, ist angesichts des Kontexts offenkundig: Das latrocinium des Catilina ist gegen die patria gerichtet.537 Daß Cicero es expressis verbis als impium charakterisiert, mag einerseits dem Bemühen geschuldet sein, die Verwendung des Begriffs latrocinium in diesem innenpolitischen Zusammenhang zu 532 533 534

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Shaw 2001, 762. Grünewald 1999, 104–110; vgl. Opelt 1965, 132f. Sallust läßt freilich bereits L. Marcius Philippus 77 v.Chr. M. Aemilius Lepidus latro nennen (hist. 1,77,7). Außerdem werden von Cicero dann Clodius, die Konsuln des Jahres 58 (A. Gabinius und L. Calpurnius Piso Caesoninus) und M. und L. Antonius mit diesem Begriff bedacht. Caesar wurde etwa von L. Cornelius Lentulus Crus (cos 49) so genannt, Sextus Pompeius vom nachmaligen Augustus als praedo bezeichnet. Auch Verres war von Cicero schon latro genannt worden. Angesichts der Tatsache, daß Verres aber in einem Repetundenprozeß vor Gericht stand und der Vorwurf, er habe latrocinium begangen, im Prinzip wörtlich gemeint war, wird deutlich, daß die Verwendung des Begriffs in seinem Fall einen ganz anderen Hintergrund hat als etwa in dem des Catilina (vgl. Milan 1979/80, 183f.). Catilina wollte Macht gewinnen; er hatte eine factio hinter sich. Er wollte sich der Schuldenproblematik annehmen und also auf Besitzverhältnisse einwirken. Er konnte mit Manlius in Verbindung gebracht werden, der tatsächlich bewaffnete Banden gebildet hatte, in denen Sall. Cat. 28,4 zufolge zudem latrones, in juristischem Sinn verstanden, eine Rolle spielten; er soll sich mit seinen Anhängern überhaupt auf die Anwendung von Gewalt verständigt haben. Vorstellbar erschien, daß er auch Sklaven rekrutieren könnte: Cicero schimpft ihn in §27 jedenfalls evocator servorum, in §29 gladiator. Tatsächlich hatte man schon Ende Oktober von Sklavenaufständen in Apulien gehört und Gegenmaßnahmen ergriffen, auch hatte man Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Gladiatoren eingeleitet (Sall. Cat. 30); und tatsächlich sollten in Etrurien denn auch entlaufene Sklaven versuchen, sich Catilina anzuschließen, was dieser freilich – anders Lentulus etwa – ablehnte (Sall. Cat. 56,5; Cic. Cat. 3,8). Zu tatsächlichen und zu wohl lediglich postulierten Verbindungen zwischen Sklaven und Catilina bzw. seinen Mitstreitern vgl. etwa Annequin 1972; Havas 1974/75; Bradley 1978; Łoposzko 1988. Diese explizite Bezeichnung eines latrocinium als impium ist, soweit ich sehe, singulär. Zu pietas bzw. impietas vgl. S. 187f. So etwa Maclardy, Sternkopf, Haury, Funaioli, ähnlich Dyck. Sieht man die Aufforderung exsulta impio latrocinio in ihrem Kontext, wird zudem deutlich, daß sie eine Präzisierung (anders Dyck: diese erfolge erst in §27) und damit auch eine Verschärfung der voranstehenden Aufforderung infer patriae bellum darstellt: Catilinas Krieg hat keine rechtlich Grundlage, ist also kein bellum, sondern ein latrocinium. – Vgl. §27 Tantum profeci, cum te a consulatu reppuli, ut exsul potius temptare quam consul vexare rem publicam posses atque ut id quod esset a te scelerate susceptum latrocinium potius quam bellum nominaretur: Hier spielt Cicero darauf an, daß Catilina als consul imperium gehabt und ein bellum hätte führen können (Maclardy z.St.). Daß Cicero an anderer Stelle dennoch von bellum spricht, das Catilina führen werde (§§27; 29; 33), Catilina nicht nur als latro, sondern auch als imperator (§§5; 10; 27) oder hostis (§§13; 27) tituliert, ist damit zu erklären, daß es Cicero an diesen Stellen auf anderes ankommt: etwa darauf, die Dimension und den militärischen Aspekt der Gefahr, die von Catilina ausgeht, zu betonen, oder darauf, implizit mit der hostis-Erklärung zu drohen.

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rechtfertigen, andererseits dem Bestreben, deutlich zu machen, worin die Ungeheuerlichkeit bestünde, würde Catilina tatsächlich zu militärischen Mitteln greifen: Impius charakterisiert nicht nur das latrocinium, sondern erinnert daran, daß bellum patriae inferre in eklatanter Weise gegen das verstößt, was die pietas erga patriam gebietet.538 So gesehen mochte diese Charakterisierung dem latrocinium des Catilina eine religiöse, genauer gesagt, eine pervertiert-religiöse Note verliehen haben: Seine Gruppierung zeichnet sich, anders als die Gemeinschaft der ›guten‹ römischen Bürger, nicht durch pietas, sondern durch impietas aus.539 Nicht unwahrscheinlich ist, daß das Attribut impius zudem dazu beitrug, Assoziationen zu wecken, die man mit dem Begriff latrocinium, auch für sich genommen, verbinden konnte – Assoziationen, die ebenfalls mit Religion bzw. mit pervertierter Religion540 zu tun haben: Latrones bildeten eine factio, eine Art Gemeinwesen; konstitutiv für Gemeinwesen war Religion – faktisch ebenso wie in der Vorstellung der Zeitgenossen.541 So gesehen ist es nicht überraschend, daß in den Quellen von kultischen Praktiken unterschiedlicher als latrones bezeichneter Gruppierungen die Rede ist.542 Offenkundig dienten die Vorstellungen, die man sich von der religio der latrones machte – sie gilt oftmals als ›anders‹, fremdartig, inakzeptabel – dazu, sich von ihnen abzugrenzen und ihre generelle Inakzeptabilität zu erweisen. Den kilikischen Seeräubern etwa wurde ein deviantes religiöses Verhalten attestiert: Heilige Stätten, die bisher als unverletzlich und unbetretbar galten, überfielen sie und plünderten sie aus, sie feierten fremdartige Opferfeste und übten Geheimkulte aus, die zumindest zum Teil auch noch neuartig waren.543 In der Bewegung des Spartacus soll Religion eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben: Die Frau des Spartacus sei μαντική gewesen, sie habe ihrem Mann ein günstiges Schicksal vorausgesagt, außerdem sei sie in Mysterien des Dionysos eingeweiht gewesen; im Rahmen von Bestattungsfeierlichkeiten sollen Gladiatorenkämpfe veranstaltet worden sein, die Hinrichtung von Gefangenen weist Züge von Menschenopfern auf.544 Auch unter diesem Aspekt gesehen eignete sich das Schlagwort latrocinium also auszumalen, wie es sich erweisen würde, daß diejenigen, die sich Ciceros Meinung nach aus der res publica gelöst haben, sich gänzlich von ihr trennen und so deutlich würde, daß seine 538 539

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Vgl. auch S. 168, 171, 172. Vgl. Cic. Cat. 2,25, wo Cicero im Zuge eines umfangreichen Vergleichs der Eigenschaften derer, die gegen Catilina vorgehen, und derer, die seine Anhänger sind, pietas und scelus einander gegenüberstellt (hinc pietas, illinc scelus); zur Nähe von impietas und scelus vgl. S. 129. Cicero selbst spricht an anderer Stelle von perversa atque impia religio: Sull. 70 charakterisiert er so die religio des Lentulus (zu den Hintergründen vgl. S. 82ff.). Lentulus wiederum führt er als Beispiel eines Menschen an, dessen Teilnahme an der Verschwörung eigentlich schon durch seinen Charakter, der sich u.a. eben in seiner religio zeige, bewiesen sei (zu dieser Argumentationsweise vgl. Sull. 69–71 insgesamt). Im gleichen Zusammenhang stellt Cicero fest, von Catilina hätten alle von jeher gemeint, er sei zu civile latrocinium geboren gewesen. Wenngleich sich perversa atque impia religio hier nicht direkt auf latrocinium bezieht, steht beides doch insofern in Verbindung, als es diejenigen gleichsam zur coniuratio prädestiniert, die dazu neigen – sei es zum einen oder zum anderen. Vgl. S. 13ff. Vgl. etwa die Funktion von Religion in den ›Staaten‹ des Eunous, des Salvius und des Spartacus (dazu Christ 1982, 77–80; Foraboschi 1990, 719f.; Grünewald 1999, 87f., 89, 96f.). Plut. Pompeius 24,5. Vgl. die Quellen bei Grünewald 1999, 96f.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Einschätzung ihrer Bestrebungen und der Gefahr, die von ihnen ausging, zutreffend war: Exsulta impio latrocinio ist die am weitesten gehende Aufforderung, sich von der res publica zu separieren; sie schließt – neben anderem wie der Aufforderung zu rechtswidriger Gewaltanwendung – die Aufforderung zur Bildung eines eigenen Gemeinwesens ein – samt zugehöriger Religion. Sie bildet gleichsam den Höhepunkt der Reihe egredere cum importuna sceleratorum manu545 – das ist die Aufforderung, sich physisch aus Rom entfernen, confer te ad Manlium – mit denjenigen, die sich in Italien aus der res publica verabschiedet haben, eine Gruppe zu bilden, concita perditos civis – auch alle anderen, die für die Bürgerschaft verloren sind, an sich zu ziehen, secerne te a bonis – sich von den Guten, d.h. von denjenigen, die der res publica gegenüber die rechte Einstellung haben, abzusondern, infer patriae bellum – gewaltsam gegen die patria vorzugehen. Ohne ihr über Gebühr Gewicht geben zu wollen, sei eine weitere Überlegung notiert. Cicero benutzt exsultare außer in der Aufforderung exsulta impio latrocinio in dieser Rede ein weiteres Mal. In §26 malt er Catilina aus, was ihn erwarte, wenn er Rom verlassen haben und bei den Seinen sein werde. Er werde vor Freuden aufspringen und in großem Vergnügen rasen.546 ›Vor Freude aufspringen‹ steht hier in enger gedanklicher Verbindung zu ›bacchantisch rasen‹. Auch in anderen Zusammenhängen sollte Cicero das Bild des Aufspringens mit dem des Rasens verbinden – so bezeichnete er Clodius als homo furens exsultansque und Antonius als exsultans, dessen furor Brutus bei Mutina Zügel angelegt habe.547 Es hieße wohl, die Kraft der Assoziation überstrapazieren, würde man vermuten, daß das Bild des Aufspringens so eng mit dem des Rasens verbunden ist, daß die Formulierung exsulta … latrocinio bereits an furor denken ließ. Jedoch ist es vorstellbar, daß gleichsam in der Rückschau auf die gesamte Rede die zweifache Verwendung des Bildes des Sich-Erhebens, des Aufspringens dazu beitragen konnte, daß sich die Vorstellung des latrocinium mit der des (bacchantischen) furor verband, das latrocinium Catilinas folglich auf diesem Weg eine ganz spezifische religiöse Note erhielt.548 Anders als in §23 scheint die im oben beschriebenen Sinn religiöse Note der Begriffe latrocinium bzw. latro in den §§27, 31 und 33 nicht auf. Am offensichtlichsten ist dies in §31. Hier liegt der Ton ganz auf Politischem: Es geht um die politischen Zusammenhänge, in denen Catilina und seine Aktivitäten zu sehen sind. Latrocinium ist entsprechend, ebenso wie coniuratio und furor, als politischer Begriff aufzufassen; latrocinium meint hier die Verschwörung, genauer gesagt, die an ihr Beteiligten.549 Die religiöse Konnotation des Begriffs spielt dabei, ebenso wie die der Begriffe coniuratio und furor, keine Rolle.550 545 546 547 548

Vgl. dazu S. 133f. Hic tu … quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere. Har.resp. 1 bzw. Phil. 13,20 (… Mutinamque illi exsultanti tamquam frenos furoris iniecit). Zu furor, zu bacchari, zum Zusammenhang zwischen furor und bacchantischem Rasen vgl. S. 96ff. (bes. S. 101), 204ff., zum Gesamtbild der coniuratio vgl. auch S. 235f. 549 Das Abstractum latrocinium steht hier für das Concretum latrones, tantum latrocinium meint die große Zahl der Beteiligten. So etwa Dyck und Maclardy, der ex tanto latrocinio mit ex tot latronibus bzw. ex tot latronum numero erklärt. Möglicherweise ist die Variation im Ausdruck – coniuratio bzw. latrocinium – nicht nur stilistisch begründet: Sie ist auch geeignet, neue Aspekte der Verschwörung zu betonen, etwa die größere Gewaltbereitschaft. 550 Vgl. S. 99f., 105.

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Was die Assoziationen betrifft, die latrocinium in §27 wecken könnte, ist zwar in Rechnung zu stellen, daß die Formulierung scelerate susceptum an die Charakterisierung des latrocinium Catilinas als impium erinnert551 und die Aktivierung der religiösen Anklänge des Begriffs in §23 noch nachwirken kann, zum Tragen kommen diese hier jedoch wohl kaum. Zu deutlich steht ein anderer Aspekt des Begriffs, der staatsrechtliche, im Vordergrund.552 Dafür sorgt Cicero explizit und implizit. Explizit durch die Aussage, er habe, als er Catilina vom Konsulat abgehalten habe, erreicht, daß dieser die res publica nicht als Konsul erschüttern, sondern ›nur‹ als Exulant attackieren könne. Implizit durch die Wortwahl: Von der res publica ist die Rede, nicht etwa von der patria, repellere erinnert an die repulsa, die Catilina erfahren hatte, als er bei den Konsulwahlen durchgefallen war, vor allem aber lenkt die Paronomasie consul/exsul die Aufmerksamkeit in diese Richtung. So wird deutlich, weshalb das Unterfangen Catilinas scelerate susceptum ist, weshalb sein Krieg nicht bellum, sondern latrocinium genannt wird: Catilina fehlt das imperium,553 seinem Krieg also jegliche rechtliche Grundlage. In §33 schließlich ist die Atmosphäre zwar intensiv religiös aufgeladen,554 auch klingt die Beschreibung Leute, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander und durch eine ›unerlaubte‹ Gemeinschaft verbunden sind wie eine Definition von latrones, eine Definition, die auch die religiöse Komponente des latrocinium einbezieht;555 dennoch ist an dieser Stelle der Ausdruck latrones Italiae lediglich ein Element der Aufzählung Feinde der Guten, Feinde der patria, Räuber Italiens, die der Erklärung der homines … scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos dient. Die Bezeichnung latrones selbst läßt in diesem Zusammenhang nicht an das religiöse Element des latrocinium denken. Dies liegt nicht zuletzt an der Konkretisierung der latrones als latrones Italiae: Der Zusatz Italiae sorgt in der Reihe bonorum inimici, hostis patriae, latrones Italiae dafür, daß man nicht nur an die gewissermaßen zivile Rolle der Verschwörer in der politischen Auseinandersetzung (bonorum inimici) und ihr gleichsam von außen kommendes Vorgehen gegen Rom (hostis patriae) denkt, sondern auch an die Bedrohung, die sie für Italien darstellen, nicht aber an latrones als eigenständige Gemeinschaft mit eigener religio.556 551 552

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Zur Nähe von scelus und impietas vgl. S. 129. Daneben spielt Cicero auch mit dem strafrechtlichen Aspekt des Begriffs. Auf ihn verweist – bei aller Ironie, die in der Ausmalung der entsprechenden Szenen liegt – die Schilderung des ›Trainings‹, das Catilina in Vorbereitung seiner künftigen Lebensweise absolviert habe: Ad huius vitae studium meditati illi sunt qui feruntur labores tui, iacere humi non solum ad obsidendum stuprum, verum etiam ad facinus obeundum, vigilare non solum insidiantem somno maritorum verum etiam bonis otiosorum. Habes ubi ostentes tuam illam praeclaram patientiam famis, frigoris, inopiae rerum omnium … (§26). – Dieses Training beruhte auf der Einübung militärischer Tugenden, freilich militärischer Tugenden in Perversion. Catilina hat sich nicht aus militärischen Gründen darin geübt, auf dem Boden zu liegen, zu wachen, Hunger, Kälte, Mangel an allen Dingen zu ertragen, ja nicht einmal, um auf Unzucht zu lauern oder dem Schlaf von Ehemännern nachzustellen, sondern um Untaten zu begehen und dem Vermögen friedlicher Leute nachzustellen. Zu denken ist: Catilina ging es ganz bestimmt nicht darum, bellum, nicht einmal darum, private Vergehen, sondern darum, latrocinium vorzubereiten. Vgl. Maclardy z.St. Vgl. S. 216ff., 218ff. Vgl. S. 107f. Vgl. S. 172f.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

sacrarium, venerari, altaria (§24) Um zu erweisen, daß es eigentlich überflüssig ist, Catilina ›einzuladen‹, zu den Seinen zu gehen, führt Cicero Anzeichen an, die darauf schließen lassen, daß Catilina seine Abreise sowieso schon längst in die Wege geleitet hat. Zu diesen Anzeichen gehört, daß er einen silbernen Adler vorausgeschickt hat. Dieses Element der Vorbereitungen Catilinas führt Cicero am weitesten aus und nennt es als drittes und letztes nach den sich in ihrer Deutlichkeit steigernden Feststellungen, Catilina habe Bewaffnete vorausgeschickt und er habe mit Manlius einen Termin vereinbart. So erweckt Cicero allein durch die formale Gestaltung den Eindruck, daß das Vorausschikken des Adlers das deutlichste Anzeichen für die baldige Abreise Catilinas sei. Aber auch die inhaltliche Gestaltung dieses Hinweises lenkt das Publikum in diese Richtung: Catilina könne ja wohl nicht länger ohne den Adler sein, zu dem er zu beten pflegte, wenn er sich zum Morden aufgemacht habe und von dessen Altar er oft seine pflichtvergessene Rechte zum Mord an Bürgern gewandt habe.557 Er überbietet gewissermaßen das zweite Anzeichen, das rein ›sachlich‹ gesehen genügen würde, seine Hörer davon zu überzeugen, daß Catilina tatsächlich plant, die Stadt zu verlassen. Auffallend ist, daß Cicero den Adler und besonders das Ambiente, in dem er zu sehen ist bzw. in dem er gesehen werden soll, zwar ausführlich charakterisiert, auf eine tatsächlich klärende Bezeichnung aber doch verzichtet. So erfährt man zwar, aus welchem Material der Adler ist, daß für ihn im Haus des Catilina ein sacrarium samt Altar eingerichtet gewesen ist, daß er von Catilina verehrt wird, dies schon seit längerer Zeit und namentlich dann, wenn er einen Mord, speziell den Mord an einem Bürger, vorbereitet, daß Catilina nicht lange ohne ihn sein kann, daß er aber, Ciceros Überzeugung zufolge, Catilina und seinen Anhängern letzten Endes Unheil bringen wird.558 Offen bleibt dagegen, um was es sich bei dem Adler konkret handelt und welchen Hintergrund seine Verehrung durch Catilina hat. Dabei kann freilich manches, was aus heutiger Sicht dunkel erscheint, für die Zeitgenossen offenkundig gewesen sein. Die Nachstellung des Demonstrativpronomens illa in der Formulierung aquila illa weist in diese Richtung: Es geht nicht um illa aquila quae …, um jenen Adler, der …, sondern um aquila illa quae …, um jenen ›bekannten‹ Adler, der ….559 Ein noch deutlicheres Anzeichen dafür, daß Cicero von allgemein Bekanntem spricht, findet sich in der zweiten Catilinaria. Hier äußert sich Cicero in Bezug auf den Adler noch viel knapper als im Senat; er kann offenbar davon ausgehen, daß auch das Publikum der contio weiß, wovon er spricht.560 Zur Klärung des Sachverhalts, wie auch zur Erklärung dafür, daß 557

Tu ut illa (sc. aquila) carere diutius possis quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti? 558 … a quo etiam aquilam illam argenteam quam tibi (sc. Catilina) ac tuis omnibus confido perniciosam ac funestam futuram, cui domi tuae sacrarium constitutum fuit, sciam esse praemissam? Tu ut illa carere diutius possis quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti? – … von dem auch, wie ich weiß, jener silberne Adler vorausgeschickt worden ist, der dir und den Deinen allen, wovon ich fest überzeugt bin, verderblich und unheilbringend sein wird, dem in deinem Haus ein Heiligtum eingerichtet gewesen ist? Als ob du dich jenes (Adlers) länger enthalten könntest, zu dem du zu beten pflegtest, wenn du dich zum Morden aufgemacht hast, von dessen Altar du oft jene pflichtvergessene Rechte zum Mord an Bürgern gewandt hast? 559 Maclardy z.St.; Menge 22005, §73.1(b) und 2.

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dieser allgemein bekannt ist, darf man wohl eine Bemerkung des Sallust heranziehen. Bei der Schilderung der Vorbereitungen, die die gegnerischen Feldherren Catilina und M. Petreius für eine Schlacht treffen – es handelt sich um die letztendlich entscheidende bei Pistoriae –, ist die Rede davon, daß Catilina sich selbst mit einem Teil seiner Truppen bei einem Adler aufgestellt habe, von dem gesagt wurde, daß Marius ihn im Krieg gegen die Cimbri in seinem Heer gehabt habe.561 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das derselbe Adler, von dem auch Cicero spricht. So skeptisch Sallust ist, was die tatsächliche Herkunft des Adlers anbelangt, so geht aus seiner Formulierung doch deutlich hervor, daß er hier auf ein populäres Gerücht verweist. Wenn Catilina, einstmals Sullaner, tatsächlich versucht haben sollte, sich über die Verehrung eines Symbols562 des Marius in gewisser Weise in dessen Tradition zu stellen,563 ist es verständlich, daß Cicero dies hier nicht weiter anspricht: Marius erlebte gerade um das Jahr 63 eine Art Renaissance; sie wurde von popularen Kreisen, namentlich von Caesar, betrieben.564 Freilich schätzte auch Cicero selbst Marius.565 Direkt anzusprechen, daß Catilina sich auf Marius beruft, dessen Name für viele einen positiven Klang hatte, und damit außerdem daran zu erinnern, daß Catilina zumindest in dieser Angelegenheit in Einklang mit Caesar und merkwürdigerweise auch mit ihm selbst, Cicero, steht, hätte ein Sympathie weckendes Element in die Szenerie gebracht, die Konturen zwischen Gut und Böse, die Cicero ansonsten klar zu ziehen bemüht ist, verwischt und insgesamt den Eindruck konterkariert, den Cicero hier erwecken will, nämlich Catilina als jemanden erscheinen zu lassen, der sich selbst außerhalb des Bürgerverbandes stellt.566 Wie Cicero dem Bild, das er hier von Catilina zeichnet, eine negative Note verleiht, ist am deutlichsten faßbar, wo er von den Anlässen spricht, aus denen Catilina den Adler ver560

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Cat. 2,13: … quaesivi quid dubitaret proficisci eo quo iam pridem pararet … cum aquilam illam argenteam cui ille etiam sacrarium domi suae fecerat scirem esse praemissam – … ich habe ihn gefragt, was er zögere, dorthin aufzubrechen, wohin aufzubrechen er schon längst vorbereitet habe, da, wie ich wisse … (und) jener ›bekannte‹ Silberadler, dem er sogar ein Heiligtum in seinem Haus gemacht habe, vorausgeschickt worden seien. Sall. Cat. 59,3: Ipse cum libertis et colonis propter aquilam adsistit, quam bello Cimbrico C. Marius in exercitu habuisse dicebatur – Er selbst stellte sich mit seinen Freigelassenen und Pächtern nahe bei dem Adler auf, den, wie man sagte, C. Marius im Kimbernkrieg in seinem Heer gehabt habe. Wie weitreichend die Bedeutung derartiger Symbole sein konnte, zeigen, wenngleich in spätere Zeit datierend, die Vorgänge um einen im Marstempel der Colonia Claudia Ara Agrippinensium/ Köln verehrten gladius Caesars anläßlich der Akklamation des Vitellius zum Imperator; vgl. dazu Spickermann 2008, 36–44. Man ist versucht, von einer Reliquie zu sprechen – so auch Spickermann 2008, 41 (vgl. 39) in Bezug auf das Schwert Caesars. Zum Begriff ›Reliquie‹ und zum Spannungsfeld ›Relikt – Reliquie‹ vgl. Hartmann 2010, 11–30, 47–51; vgl. auch Hoheisel 1998. Vgl. Gelzer 1923, 1708. Daß es Catilina gelungen ist, Anhänger in beiden Lagern zu finden, steht außer Frage; s.o. S. 74. So hatte Caesar während seiner Ädilität im Jahr 65 die Tropaea des Marius, die auf Veranlassung Sullas zerstört worden waren, wiederherstellen lassen (Spannagel 2003 mit den Quellen). Zu verschiedenen Aspekten und Nuancen dieser Wertschätzung vgl. Gnauk 1936; Benario 1957; Carney 1960; Matthews 1961, 79–173; Mitchell 1979, 6–9, 45–51; Santangelo 2008. U.a. pries Cicero das Vorgehen des Marius gegen L. Saturninus als vorbildlich – so in §4. Vgl. Rab.perd. 27–30; zu den Hintergründen und zur politischen Brisanz dieses Lobs s.o. S. 42f., 110ff. Die Bemerkung, er, Cicero sei der festen Überzeugung, der Adler werde Catilina verderblich sein, und die Tatsache, daß sie am Anfang der Ausführungen über den Adler steht, mag dem Bemühen geschuldet sein klarzustellen, in welchem Licht man diese Szene sehen soll.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

ehrt: Er tut es dann, wenn er Mord, wenn er den Mord an Bürgern plant, also in verwerflichem und destruktivem Zusammenhang.567 Aber auch die Schilderung des Ortes der Verehrung trägt zu dieser negativen Note bei: Mit der Bemerkung, dem Adler sei im Haus des Catilina ein sacrarium eingerichtet gewesen, weist Cicero darauf hin, daß hier etwas unter Ausschluß der Öffentlichkeit, gleichsam hinter verschlossenen Türen, außerhalb der res publica geschehen ist.568 Allein dies konnte schon die Einrichtung des sacrarium ebenso wie alles, was hier geschehen sein mochte, suspekt erscheinen lassen.569 Die Frage tu ut illa carere diutius possis weist dann in dieselbe Richtung: Dadurch daß Cicero bezweifelt, daß Catilina den Adler länger entbehren könne, weckt er die Vorstellung, die Verehrung des Adlers geschehe in übersteigerter, d.h. in superstitiöser und damit in von der Norm abweichender Weise.570 Außerdem stellt Cicero Catilina so erneut571 als geradezu zwanghaft Handelnden dar; erneut steht die Zwanghaftigkeit seiner Handlungsweise mit religiösen Praktiken in Verbindung. Anders als in §16572 resultiert hier die zwanghafte Handlungsweise – nämlich abzureisen – jedoch nicht aus einem kultischen Akt, sondern aus der besonders intensiven Bindung an den Gegenstand der Verehrung – den Adler. Mit der Behauptung, Catilina handle zwanghaft, suggeriert Cicero hier, daß zweierlei als Tatsache feststehe: Catilina habe gemordet, er werde in Zukunft wieder morden.573 Nicht ausgeschlossen ist, daß man außerdem die Verehrung an sich, genauer gesagt, den Gegenstand der Verehrung, für suspekt halten konnte oder halten sollte. Hier kommt die Frage zum Tragen, um was es sich bei dem Adler gehandelt hat bzw. was man glaubte, um was es sich handelte. Hält man den Adler für den bei Sallust erwähnten Adler des Marius, so drängt sich zumindest aus moderner Sicht der Gedanke auf, es habe sich um ein Feldzeichen, um einen Legionsadler gehandelt,574 ist Marius doch in besonderer Weise mit Adlern als Feldzeichen verbunden: In seinem zweiten Konsulat (104 v.Chr.), also zu Beginn seines Kommandos gegen die Cimbri (104–101), hat er den Adler als Feldzeichen einer jeden Legion eingeführt; zuvor war der Adler eines der Zeichen des ganzen Heeres gewesen.575 Zu 567 568 569

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In der sich steigernden Wiederholung quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti liegt eine besondere Betonung. Damit steht es mit dem in den §§6 und 8f. Geschilderten in einer Reihe (Treffen in einem Privathaus, Catilina verfügt über die res publica wie über eine Privatsache, vgl. S. 116f., 124f.). Dies soll nicht heißen, daß häusliche Kulte nicht eine Selbstverständlichkeit gewesen wären und daß es dabei, was den Kultgegenstand betrifft, wie auch die Formen seiner Verehrung, nicht auch individuelle Spielräume gegeben hätte. Die Akzeptabilität kannte aber Grenzen, insbesondere dann, wenn das Kultgeschehen oder seine Begleiterscheinungen die Öffentlichkeit tangierten. Zu sacra privata vgl. einführend Beard, North, Price 1998, 48–54; Rüpke 22006, 36f.; außerdem Wissowa 21912, 398–404; Paradigma der Grenzen der Toleranz ist der sogenannte Bacchanalienskandal des Jahres 186 v.Chr. (s.u. S. 205f.). Ähnlich Sternkopf zu a cuius altaribus: »Übrigens sieht man, daß Cicero den Catilina mit dem Adler abgöttische Verehrung treiben läßt: das aus der Marianischen Zeit überkommene Symbol muß den Ruchlosen zu seinen blutigen Taten inspirieren …« Vgl. §16 (dazu oben S. 163). Quae (sc. sica) quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio, quod eam necesse putas esse in consulis corpore defigere. Zu weitergehenden Motiven, aus denen Cicero möglicherweise Catilinas Handeln als zwanghaft charakterisiert, vgl. S. 235f. Vgl. etwa Maclardy z.St.; Fuhrmann, Anm. z.St.; Stockton 1971, 119; Marshall 1985, 129; auch Harmand 1967, 238; Watson 1969, 129 mit 207 Anm. 427. Plin. nat. 10,16; vgl. Harmand 1967, 237f.

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bedenken ist freilich, daß Sallust den Adler des Marius weder als Legionsadler noch überhaupt als Feldzeichen bezeichnet, vielmehr eine Formulierung wählt, die es auch denkbar erscheinen läßt, daß es sich um einen Adler gehandelt hat, der für Marius anderweitig von Bedeutung war.576 Möglicherweise hat er das Vorbild für die Legionsadler abgegeben, sei es, daß es sich um das ehemalige Feldzeichen gehandelt hat, sei es, daß er ihn als Symbol des Iuppiter gesehen hat.577 Daß ein Adler Gegenstand von Verehrung war, mochte angehen, wenn es sich um ein Feldzeichen,578 unter Umständen auch, wenn es sich um ein in anderem Zusammenhang stehendes Symbol des Iuppiter handelte. Dadurch, daß Cicero den Adler nicht näher bezeichnet, verbunden damit, daß er den Ort, die Art und den Zweck der Verehrung suspekt erscheinen läßt, erlaubt Cicero aber auch ein ganz wörtliches Verständnis des Gesagten: Catilina verehrt einen silbernen Adler – sei es, daß ihm dieser als Kultbild dient, sei es, daß dieser selbst Adressat der Verehrung579 ist. Zu überlegen ist, ob Cicero damit an Vorbehalte gegen theriomorphe Gottheiten anknüpft,580 bzw. gleichsam den Vorwurf des Fetischismus erhebt.581 576

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… aquilam … quam bello Cimbrico C. Marius in exercitu habuisse dicebatur (Cat. 59,3). Vgl. auch Cic. Cat. 2,13 (… cum arma, cum securis, cum fascis, cum tubas, cum signa militaria, cum aquilam illam argenteam cui ille etiam sacrarium domi suae fecerat scirem esse praemissam): Hier ist von signa militaria gesondert die Rede; allerdings findet der Adler in einer Reihe usurpierter Herrschaftssymbole, darunter die signa militaria, Erwähnung. Sollte der Adler tatsächlich aus dem Umkreis des Marius stammen, so fragt es sich in jedem Fall, wie Catilina in seinen Besitz gekommen ist. Als Feldzeichen wäre der Adler in Friedenszeiten von den Quaestoren im Aerarium aufbewahrt worden (vgl. Liv. 3,69,8; 4,22,2; 7,23,3; Liebenam 1909, 2155); sollte Catilina ihn von dort entwendet haben, hätte sich Cicero dies kaum entgehen lassen. Stammte er aus Privatbesitz, erscheint es schwer vorstellbar, daß es sich um ein reguläres Feldzeichen gehandelt hat. In diesem Fall mochte Catilina im Zuge der Proskriptionen (vgl. McGushin 1977, 284) bzw. über familiäre Verbindungen an ihn gekommen sein, war er in erster Ehe doch mit Gratidia, der Schwester des in die Familie der Marii adoptierten M. Marius Gratidianus, verheiratet (vgl. Syme 1964, 85f. mit den Quellen; Stockton 1971, 119; Marshall 1985, 129). Daß Cicero hiervon schweigt, wäre erklärlich: Sei es, daß er erneut auf Catulus Rücksicht nehmen wollte (vgl. oben S. 109 Anm. 93), sei es, daß er es vermeiden wollte, den Verdacht aufkommen zu lassen, er verfolge Catilina auch aus persönlichen Gründen: immerhin war auch Cicero mit Gratidianus verwandt (vgl. Gnauk 1936, 14; Syme 1964, 85; Mitchell 1979, 6f.). Nachweisbar seit der frühen Kaiserzeit genossen Feldzeichen Verehrung in kultischem Sinn; so erhielten sie Opfer und Weihungen und wurden gesalbt (Quellen bei von Domaszewski 1895, 12f.; Liebenam 1909, 2155f.; Kubitschek 1923, 2343f.; Watson 1969, 127–131, 206–208; Herz 1975). Dion. Hal. ant. 6,45,2 τὰ σημεῖα· τιμιώτατα γὰρ Ῥωμαίοις ταῦτ’ ἐπὶ στρατείας καὶ ὥσπερ ἱδρύματα θεῶν ἱερὰ νομίζονται – die Feldzeichen stehen bei den Römern im Felde in höchster Ehre und werden wie Götterbilder heilig gehalten, gesagt in Bezug auf Ereignisse des Jahres 494 v.Chr., mag man als Hinweis auf republikanische Wurzeln dieser Praxis nehmen. Vgl. Achard 1981, 307 (»Catilina idolâtre son aigle«); Dyck z.St. (»a kind of talisman«). Die Existenz derartiger Vorbehalte spiegelt etwa Cic. nat. 1,101 (… qui inridentur Aegyptii … – … die Aegypter, die verlacht werden …) und besonders leg. 1,32: Hier geht es Cicero darum festzustellen, daß dem gesamten genus hominum dieselben grundlegenden Affekte gemeinsam sind. Offenbar in dem Bestreben, den Bogen dieser Behauptung möglichst weit zu spannen, stellt er fest, daß auch diejenigen, die Hund und Katze als Götter verehren, mit keiner anderen superstitio zu kämpfen haben als die übrigen Völker (… nec … qui canem et felem ut deos colunt, non eadem superstitione, qua ceterae gentes, conflictantur; zur grammatikalischen Konstruktion vgl. Dyck 2004, z.St.). Fetischismus verstanden als die kultische Verehrung eines Gegenstandes, dem übernatürliche Kräfte zugesprochen werden. Zur grundsätzlichen Problematik dieses neuzeitlichen, zunächst in

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Man mag einwenden, diese Interpretation sei zu weitgehend, da die Ausdrücke sacrarium constituere, venerari, ab altaribus dexteram transferre nicht notwendigerweise so wörtlich zu nehmen seien. Wenngleich es nicht gänzlich ausgeschlossen ist, daß man sich angesichts dieser Schilderung einfach nur vorstellte, Catilina besitze einen silbernen Adler, den er in Ehren halte, seine Verehrung sei aber nicht kultischer Art, ist doch festzuhalten, daß Cicero alles dafür getan hat, daß man seine Formulierungen eben nicht metaphorisch, sondern wörtlich versteht. Das zeigt sich in der Geschlossenheit des Bildes, das er entwickelt (Ort, Faktum und Zweck der Verehrung werden angesprochen), samt der Konkretisierung der Verehrung (Einrichten eines sacrarium, Gebete, Aufstellen von altaria, Vollziehen von Opferhandlungen – dafür steht neben den altaria auch die dextera), und nicht zuletzt in der Terminologie selbst: So wurden als sacraria zum einen Räume bezeichnet, in denen sakrale Gerätschaften aufbewahrt wurden, sei es in öffentlichen, sei es in privaten Gebäuden – sie mußten nicht konsekriert sein –, zum andern aber auch – in aller Regel nicht konsekrierte – Kultstätten.582 Venerari, ›verehren, anbeten, bitten‹, meinte insbesondere den Versuch, das Wohlwollen einer Gottheit zu erlangen, das Bitten um eine Wohltat.583 Altaria bezeichnete oft – und so sicherlich auch hier – ohne Unterschied zu ara den Altar.584 In übertragenem Sinn wurde der Begriff sacrarium dagegen nur selten angewandt.585 Venerari gar wurde in republikanischer Zeit ausschließlich in Bezug auf Gottheiten verwendet,586 und auch für altaria ist der Gebrauch in übertragenem Sinn erst für spätere Zeit belegt.587 581 582

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christlicher Polemik gegen mißverstandene kultische Praktiken westafrikanischer Traditionen entstandenen Begriffs vgl. einführend Guzy 1999. Ein sacrarium ist also insbesondere von einem sacellum, einem ›kleinen Heiligtum‹, einer – öffentlichen oder privaten – konsekrierten Kultstätte zu unterscheiden. So war der Begriff sacrarium gleichsam dazu prädestiniert, auch die Kultstätten von privaten Mysterienkulten zu bezeichnen (vgl. etwa Liv. 39,9,4; 39,10,5; 39,15,13; 39,16,2); negativ konnotiert wurde der Begriff dadurch jedoch nicht. Vgl. van Doren 1958; Dubourdieu, Scheid 2000, 75–77 (jeweils mit Quellen); Torelli 2005; auch Castagnoli 1984, 6; Fridh 1990; Santi 2004, 60; de Souza 2004, 91f.; zusammenfassend Egelhaaf-Gaiser 1998; Siebert 2001. Schilling 1954, 36f. (mit Čupr 1962; Szantyr 1971, 26–46). Anders als andere Begriffe, die ›Beten‹ bezeichnen, setzt venerari ein emotionales Verhältnis zwischen Betendem und Gottheit voraus (Schilling 1954, 36; Fyntikoglou, Voutiras 2005, 154), mochte also, ohne selbst negativ konnotiert zu sein, das Beten Catilinas angesichts seiner als übersteigert gekennzeichneten Bindung an den Adler besonders treffend charakterisieren. Die ebenfalls belegte speziellere Verwendung des Begriffs altaria zur Bezeichnung eines Aufsatzes auf einer ara, der der Aufnahme von Opfergaben diente, oder die Verwendung des Begriffs besonders in Bezug auf Altäre der himmlischen Gottheiten, die sich durch eine besondere Höhe auszeichneten, mag gleichwohl die Vorstellungen, die man sich von dem Kult gemacht hat, den Catilina betrieben haben soll, in konkretere Bahnen gelenkt haben. Zur Schwierigkeit, die Begriffe altaria und ara zu scheiden und mit konkreten Formen zu verbinden: Menichetti 2005, 174; vgl. Marquardt 21885, 161–164; Reisch 1894; Reisch 1895. In ca. 5% der Fälle, die von den Texten der Bibliotheca Teubneriana Latina abgedeckt werden: Cic. Mur. 84 bezeichnet die curia als sacrarium rei publicae; Liv. 7,20,7 die Stadt Caere, die während der Angriffe der Gallier 387 Priester und sacra Roms aufgenommen hatte, als sacrarium populi Romani; Val. Max. 6,5,4 vergleicht das Volkstribunat mit einem sacrarium; Tac. dial. 20,5 spricht, wo es um den dichterischen Schmuck der Rede geht, vom sacrarium des Horaz, des Vergil und des Lucan; Plin. nat. 33,25 berichtet von Leuten, die meinen, ihr Siegelring dürfe nicht wie ein normaler Ring getragen werden, und die ihn bei Bedarf dann wie aus einem sacrarium hervorholen. Schilling 1954, 33, 36f. Und wenn in späterer Zeit die Verwendung des Begriffs auch ausgeweitet wurde, so blieb er doch Ausdruck höchsten Respekts (Schillig 1954, 37).

sacrarium, venerari, altaria

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So relevant die Schilderung des Ortes und der Praxis der Verehrung und die Frage nach der Legitimität der Verehrung an sich für das Bild sein mögen, das Cicero hier entwickelt, so ist doch offenkundig, daß den Hauptanteil an der Wertung, die Cicero vornimmt, die Schilderung der Intention der Verehrung hat. Dies ist ein durchaus bemerkenswerter Befund, stellt Cicero hier – grob gesprochen – doch eine Verbindung zwischen Moral und Religion her.588 Angeschlossen sei eine Überlegung zur Textgestaltung. Umstritten ist, ob tatsächlich lediglich cui domi tuae sacrarium constitutum fuit zu lesen ist, wie es Nohl vorgeschlagen hat, oder aber cui domi tuae sacrarium scelerum constitutum fuit, wie es die Handschriftenfamilie α bietet (β und γ haben gar sacrarium scelerum tuorum).589 Wegen seiner Fragmentiertheit kann hier auch der Papyrus Barcinonensis keine Klarheit schaffen: Während

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Vgl. TLL 1, 1725–1727 s.v. altaria. Ara dagegen wurde auch in republikanischer Zeit in übertragenem Sinn verwendet, insbesondere zur Bezeichnung des Ortes, an dem man Schutz genießt, oder in sepulkralem Zusammenhang für den Scheiterhaufen oder das Grabmal, nie jedoch in gleichsam frivoler Weise (vgl. TLL 2, 388f. s.v. ara IB). 588 Der Gedanke, es bestehe zwischen persönlicher Moral und ritueller Korrektheit ein Zusammenhang, gilt erst für augusteische Zeit als voll ausgebildet (Tatum 1993, 19 unter Berufung auf Liebeschuetz 1979, 39–54). Tatum 1993, 17–20 hat jedoch gezeigt, daß Cicero bereits in der Rede De domo sua (57 v.Chr.) einen Zusammenhang zwischen Charakter und Intention des kultisch Handelnden auf der einen und der Wirksamkeit seiner kultischen Handlungen auf der anderen Seite hergestellt und diese Überlegung zu einer tragenden Säule seiner Argumentation gemacht hat. Die Wertung der Verehrung des Adlers, die Cicero an der hier zu diskutierenden Stelle vornimmt, fügt sich in diese Entwicklungslinie ein; ihren Anfang stellt sie freilich nicht dar: vgl. besonders die Rede für Cluentius (66 v.Chr.), wo Cicero meint, die Götter könnten nur durch gerechte Bitten, nicht aber durch Opfer besänftigt werden, die wegen der Ausführung eines Verbrechens gebracht werden (Quin etiam nocturna sacrificia quae putat occultiora esse sceleratasque eius preces et nefaria vota cognovimus; quibus illa etiam deos immortales de suo scelere testatur neque intellegit pietate et religione et iustis precibus deorum mentes, non contaminata superstitione neque ad scelus perficiendum caesis hostiis posse placari. Cuius ego furorem atque crudelitatem deos immortales a suis aris atque templis aspernatos esse confido. – Ja sogar die nächtlichen Opfer, die sie [sc. Sassia, die Mutter des Angeklagten, die Drahtzieherin der Anklage] für ziemlich geheim hält, und ihre ›verbrecherischen‹ Gebete und ›unerlaubten‹ Gelübde kennen wir; mit ihnen nimmt jene da sogar die unsterblichen Götter zu Zeugen ihres Verbrechens und erkennt nicht, daß der Sinn der Götter durch ›pflichtgemäßes Verhalten und gewissenhafte Berücksichtigung ihrer Interessen‹ und gerechte Bitten, nicht aber durch befleckten ›Aberglauben‹ und auch nicht durch Opfertiere, die für den Erfolg eines Verbrechens geschlachtet werden, besänftigt wird. Ich vertraue fest darauf, daß die unsterblichen Götter ihre ›Raserei‹ und Grausamkeit von ihren Altären und Tempeln abgewiesen haben. [§194]). Zum Thema ›Moral und Religion‹ in Ciceros späteren Schriften vgl. einführend etwa Mitchell 1991, 58f. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die Charakterisierung der dextera des Catilina als impia nicht nur betont, daß die Morde, die er mit ihr verübt, impietas gegenüber den Mitbürgern darstellen (vgl. dazu oben S. 187f.), sondern auch die Auffassung spiegelt, Catilinas kultisches Handeln stelle den Göttern gegenüber impietas dar, da es unlauteren Motiven entspringe. 589 Nohl 1886. Bereits Halm hatte scelerum tuorum eingeklammert (1. Aufl.), da der cod. Mon. Lat. 8709 diese Wörter durch Punkte ausscheidet, entschied sich dann jedoch dafür, diese Markierung wegzulassen. Dyck 2008 folgt der Lesung Nohls und meint »no further limitation is wanted«. Für die Lesung sacrarium scelerum plädieren dagegen Maclardy 1899 und Sternkopf 1916. Von der Vorgabe der Handschriften gelöst haben sich etwa Clark 1905 und ihm folgend Bornecque 1926 und Haury 1969 (sacrarium sceleratum) und Vretska 1959, 196 (sacrarium secretum); zu ihren Vorschlägen s.u. Anm. 592.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

Roca-Puig s|a[crarium scelerum ergänzt, plädiert Maslowski dafür, nur s|a[crarium wiederherzustellen.590 Zu erwägen ist, ob sich aus der oben vorgeschlagenen Interpretation der Textstelle Argumente für diese Diskussion gewinnen lassen. Zunächst kann sicherlich festgehalten werden, daß der Text in der Variante cui domi tuae sacrarium constitutum fuit dem üblichen Sprachgebrauch entspricht, gut verständlich und für sich genommen wie auch im Kontext gesehen stimmig ist. Die Lesung cui domi tuae sacrarium scelerum constitutum fuit enthält mit sacrarium scelerum dagegen eine Formulierung, die sowohl sprachlich als auch von ihrem Aussagegehalt her ungewöhnlich,591 sogar dunkel ist und daher geradezu einen Stolperstein in der Gedankenführung darstellt: Was man sich unter einem ›Heiligtum der‹ bzw. ›für Verbrechen‹ überhaupt vorstellen soll, ist nicht offensichtlich, ob an ein real existierendes sacrarium zu denken ist, wird zweifelhaft, ob man sich vorstellen soll, daß hier Verbrechen begangen bzw. geplant oder aber kultisch unterstützt worden sind, ist unklar.592 Zudem ist zu überlegen, ob die Wertung, die in scelerum liegt, die Wirkung der Szenerie, die Cicero hier entwickelt, nicht stören würde. Diese Wirkung beruht m.E. ganz wesentlich auf der Spannung, die Cicero dadurch aufbaut, daß er einerseits klarstellt, der Adler werde Catilina verderblich sein und als Anlaß, aus dem er ihn verehre, Mordanschläge ausmacht, andererseits aber die Einrichtung des Heiligtums in Catilinas Haus gleichsam unkommentiert 590

Roca-Puig 1977; Maslowski 2003. Die Argumente, die Maslowski ins Feld führt, sind zwar gewichtig, aber letztlich nicht zwingend: Zum einen weist er darauf hin, daß die geringe Zahl von Buchstaben, die Zeile 12 der 17. Kolumne hat, wenn man statt sacrarium scelerum nur sacrarium ergänzt, nicht gegen diese Lesung spricht. Dem Schreiber des Papyrus sei es nämlich auch im Fall von Zeile 18 derselben Kolumne, die mit Sicherheit deutlich weniger Buchstaben beeinhalte als die übrigen Zeilen, gelungen, diese so anzuordnen, daß die Zeile doch gleichsam rechtsbündig mit den anderen abschließe. Zum andern weist Maslowski darauf hin, daß der Autor der Glossae Latinograecae (Ps.-Philoxenos), der die ersten beiden Catilinarien intensiv ausgewertet habe, zwar das Wort sacrarium dreimal aufgenommen habe, jedoch – entgegen seiner üblichen Praxis – nicht auch den zusammengesetzten Ausdruck sacrarium scelerum. Maslowski meint, es sei unwahrscheinlich, daß der Autor auf die Aufnahme gerade dieses Ausdrucks verzichtet habe; viel wahrscheinlicher sei, daß der Text der ihm vorgelegen habe, das Wort scelerum gar nicht enthalten habe. 591 So wird ein sacrarium im Allgemeinen nicht näher bezeichnet; in Fällen, in denen dies doch geschieht, wird der Begriff sacrarium mit dem Namen der Gottheit, für die es eingerichtet ist, im Genitiv verbunden. Die Bezeichnung durch eine Sache bzw. einen Nutzungszweck ist, soweit ich sehe, nicht belegt. Eine Wertung (sieht man von Charakterisierungen in der Art sacrarium magna cum dignitate … a maioribus traditum perantiquom [Cic. Verr. 2,4,4 4] ab), zumal mit negativem Vorzeichen, ist nur in einem Fall belegt (Liv. 39,15,13 läßt den Konsul anläßlich der Bacchanalienaffäre des Jahres 186 v.Chr. von einem bacchanal als von einem obscenum sacrarium sprechen). Zur Seltenheit der metaphorischen Verwendung s.o. Anm. 585; auch in diesen Fällen ist sacrarium wieder durchweg positiv konnotiert. Die bei Georges, s.v. sacrarium verzeichnete, Cicero zugeordnete Formulierung sacrarium libidinum tuarum, läßt sich, soweit ich sehe, nicht verifizieren. 592 Halm 31856 versucht denn auch sacrarium scelerum als abgeschiedenen Ort, als secessus scelerum, zu erklären. Wohl ähnliche Überlegungen haben Vretska – er stellt fest bzw. fragt »Dass sacrarium scelerum einen Ort bezeichnen kann, in dem Catilina seine Pläne ausgebrütet hat, ist natürlich klar, aber was soll dieser Raum mit dem Adler des Marius zu tun haben?« – veranlaßt vorzuschlagen, sacrarium secretum statt sacrarium scelerum zu lesen (Vretska 1959, 196). Auch die Konjektur sacrarium sceleratum, die Clark unter Verweis auf Liv. 39,15,13 (obscenum sacrarium) vorgenommen hat – Fuhrmann übersetzt verruchtes Heiligtum – ist sicherlich dem Versuch geschuldet, diese dunkle Formulierung gleichsam aufzuhellen. Vgl. außerdem Sternkopf, der die Formulierung als eine »Art Oxymoron« zu erklären sucht.

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und ungewertet einflicht. Der positive Klang, den die Aussage sacrarium constitutum fuit für sich genommen hat, steht so in Kontrast zu dem als verwerflich gekennzeichneten Kontext dieses Faktums. Dieser Kontrast führt das Absonderliche der Handlungsweise Catilinas plastisch vor Augen und löst so beim Rezipienten größere Empörung über Catilina aus, als es ein ausgesprochenes Verdikt über das sacrarium hätte tun können. Vorstellbar ist es m.E., daß die Tatsache, daß scelerum – über eine Marginalie etwa – in die Tradition des Texts geraten ist, gerade diese Wirkungsweise und den Erfolg der Argumentation Ciceros spiegelt. Die Variante scelerum tuorum wiederum könnte der Versuch sein, den ›scharfsinnigen Unsinn‹593 zu erklären, der in der Formulierung sacrarium scelerum constitutum fuit liegt, wenn sie sich erst einmal im Text findet und nicht mehr nur als Erkenntnis ›dann ist aber doch auch das Heiligtum eingerichtet gewesen, um Verbrechen zum Erfolg zu führen!‹ im Kopf des Rezipienten entsteht. Zuzugeben ist, daß auch diese Überlegungen letztlich jedoch lediglich Indizien darstellen und die Richtigkeit der etwa von Nohl, Maslowski und Dyck verfochtenen Lesung nur untermauern, nicht aber beweisen. So muß schließlich auch festgehalten werden, daß die Interpretation der Stelle, sollte die Formulierung sacrarium scelerum doch auf Cicero zurückgehen,594 insofern zu modifizieren wäre, als diese Formulierung einen deutlich freieren Umgang Ciceros mit den Vorstellungen dokumentieren würde, die sich mit sacrarium constitutum fuit verbinden, hätte er in diesem Fall von seinem Publikum doch verlangt, reales und metaphorisches Verständnis von Heiligtum, Gebet und Opfer miteinander zu verbinden.

dextera (§24) Die dextera, die rechte Hand, ist auf das Engste mit fides verbunden, einem Begriff, der seinerseits religiöse Implikationen hat.595 Hier dürfte Cicero den Begriff dextera jedoch statt des unspezifischeren Begriffs manus gewählt haben, um das Augenmerk emphatisch auf die »Aktionshand«596 Catilinas zu lenken: Sie ist im Kult des Adlers, wie auch beim Mord aktiv.597 Die dextera läßt hier nicht an fides respektive an fraudatio598 denken, vielmehr führt sie den Zusammenhang von Kult und Mord plastisch vor Augen.

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Vgl. Sternkopf. Einzuräumen ist ja, daß der ›scharfsinnige Unsinn‹ sacrarium scelerum bei aller Problematik einen besonderen Reiz hätte: Catilina hat etwas getan, das grundsätzlich Ausdruck von pietas ist: Er hat ein sacrarium eingerichtet. Er hat dies jedoch – perverserweise – aus Gründen der impietas ›für Verbrechen‹ getan. (Zur Nähe von scelus und impietas vgl. S. 129). Fides, ›Wahrhaftigkeit, Treue‹, regelt in erster Linie Loyalitätsverhältnisse im Sinn von Abhängigkeitsverhältnissen, und hier besonders die Beziehung ›von oben nach unten‹. Zur Semantik von fides und zu ihren religiösen Implikationen vgl. etwa Prescendi, Schiemann 1998; Thome 2000, Bd. 2, 50–84 (jeweils mit Literatur). Die dextrarum iunctio ist Gestus der Loyalität. Zu Aspekten der rechten Hand vgl. umfassend Wirth 2010, 117–152. Thome 2000, Bd. 2, 53. … a cuius (sc. aquilae) altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti … Vgl. Cic. Cat. 2,25 hinc fides, illinc fraudatio.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

bacchari (§26) In §25f. entwickelt Cicero den Gedanken, Catilina werde abreisen und es sei eigentlich gar nicht nötig, ihn dazu einzuladen, durch ein Szenario weiter, in dem er Catilina ausmalt, was ihn erwarte, wenn er, ungestört von guten Menschen, bei den Seinen sein werde. Er werde große Fröhlichkeit und Freuden erleben und in großem Vergnügen bacchantisch rasen.599 Auch wenn bacchari in übertragenem Sinn verwendet werden und profane Bedeutung haben kann,600 ist die religiöse Konnotation des Wortes – zumal angesichts des spannungsreichen Verhältnisses der Römer zu Bacchantischem601 – sicherlich nicht zu überhören.602 In seiner ursprünglichen Bedeutung meint das Verbum in Entsprechung des griechischen βακχεύειν ›das Bacchusfest begehen‹, insbesondere das ekstatische Rasen der Bacchanten.603 Ciceros Publikum dürfte mit bacchari derartige Vorstellungen verbunden und folglich auch wildes, in gewisser Weise unkontrolliertes und gefährliches Agieren assoziiert haben604 – unabhängig davon, wie die Kulte des Dionysos bzw. des Liber Pater in seinem Erfahrungshorizont tatsächlich gefeiert wurden, und unabhängig davon, welche Vorstellungen man mit diesen Gottheiten generell verbinden konnte.605 599

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Hic tu qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exsultabis, quanta in voluptate bacchabere … – An welcher Fröhlichkeit wirst du dich hier (d.h. dort, bei den Deinen) erquicken, vor welchen Freuden wirst du aufspringen, in wie großem Vergnügen bacchantisch rasen … So Cic. Brut. 276 in Bezug auf Redner, die in zu erhabenem Stil und zu feurig sprechen; Verg. Aen. 4,665 von der durch die Stadt rasenden Nachricht vom Tod der Dido; Hor. carm. 1,25,11 und Ov. trist. 1,2,29 vom Wind; vgl. außerdem TLL 2, 1663f. Vgl. etwa Pailler 1988, passim; auch North 1979; Cancik-Lindemaier 1996; differenzierend Wiseman 2000, 265–267, 286–291, der betont, daß die Ablehnung insbesondere ein Spezifikum bestimmter Senatskreise war, die ihre auctoritas durch die mit dem Liber- bzw. Dionysoskult verbundene libertas herausgefordert sahen. Zudem dürfte der metaphorische Gebrauch von bacchari bis in die Mitte des 1. Jh. v.Chr. nicht allzu üblich gewesen sein; jedenfalls ist die hier zu diskutierende Stelle – neben Cic. Cat. 4,11– der früheste Beleg (Dyck 2008, 17). Daß Cicero Catilina durch den Gebrauch von bacchari lediglich als rasend Tanzenden imaginiert, als einen, der keine Kontrolle über seine Bewegungen hat, um über die Feststellung eines körperlichen Anzeichens von furor diesen zu behaupten, wovon Achard 1981, 246 offenbar ausgeht, scheint mir angesichts der assoziativen Wirkungsmacht des Begriffs unwahrscheinlich zu sein. Vgl. Bocciolini Palagi 2003, passim, die S. 114 feststellt, bacchari »appartiene ad una categoria di termini potentemente evocativi, la cui menzione basta da sola a richiamare una serie di immagini e di comportamenti caratteristici di chi è in preda a frenesia bacchica«. In der Übersetzung von Fuhrmann – taumeln – geht diese Konnotation verloren. Vgl. etwa Plaut. Amph. 703; Cic. ac. 1, fr. 20; die eindrucksvolle Schilderung bacchantischer Raserei bei Catull. 64,254–264. Dodds 1951, 270–282, bes. 270f. zeigt, daß das Mänadentum zumindest in der griechischen Welt historische Realität war, nicht nur mythisches oder literarisches Motiv (vgl. auch Versnel 1990, 131–155; Osborne, 1997; Jaccottet 2003, Bd. 1, 138–142). Sei es, weil man aggressives Verhalten von Bacchantinnen – Zerreißen von Tieren und auch Menschen etwa – aus der Literatur kannte (so Eur. Bacch. 1170–1331; zu dem Bacchanten-Bild des Plautus, des Naevius, Ennius, Pacuvius und Accius vgl. Flower 2000, 25–30; vgl. auch Catull. 64,257), sei es weil man entsprechende kultische Praktiken für superstitiös oder in Erinnerung an die Bacchanalienaffäre des Jahres 186 v.Chr. für geradezu verboten hielt. Zu der in aller Regel negativen Konnotation von bacchari vgl. auch Bocciolini Palagi 2003, bes. 117, 121, 134f. Einen Überblick über die enorme Bandbreite der mit Liber Pater und Dionysos verbundenen Kulte und Vorstellungen, wie auch Hinweise auf die generelle Verbreitung (und Beliebtheit) dionysischer Motive, speziell auch im 1. Jh. v.Chr. – zu denken ist etwa an die Wandmalerei in der sogenannten Villa dei Misteri bei Pompeii (um 60 v.Chr.), an die Stuckdecke der Villa bei der Farnesina

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So charakterisiert Cicero das Vergnügen Catilinas als außerhalb jeder normalen Empfindung und Erfahrung stehend und weckt die Vorstellung, es werde sich in einer Weise äußern, die für andere eine Bedrohung darstellt. Vorbereitet ist diese Assoziation dadurch, daß Cicero in den vorhergehenden Sätzen behauptet hat, Catilina wünsche Krieg, genauer gesagt, ein bellum nefarium, und er habe eine Bande aus lauter schlechten Leuten um sich. Gefestigt wird sie im Folgenden durch die Schilderung des Trainings, das Catilina absolviert habe – ein Training, das auf der Perversion militärischer Tugenden beruht. Cicero aktiviert hier – mit Hilfe eines einzigen Wortes – Bilder aus Mythos und Kultgeschehen und Vorbehalte gegen bestimmte kultische Praktiken. Damit bringt er Catilina erneut mit devianten religiösen Praktiken in Verbindung606 und verstärkt außerdem die Vorstellung, Catilina handle unter Zwang. Zumindest stellt Cicero Catilina hier dar als einen – oder zumindest wie einen – in kultischer Raserei Handelnden. Das läßt ihn einerseits verblendet, andererseits unheimlich erscheinen.607 Cicero aktiviert hier möglicherweise aber auch die Erinnerung daran, daß der Senat – ›schon einmal‹ wäre die Suggestion – bacchantische Aktivitäten reglementiert hat. Diese gewissermaßen historische und auch politische Dimension des Begriffs bacchari einzuschätzen, überhaupt zu klären, ob bacchari die Erinnerung an die Vorgänge des Jahres 186 wecken konnte, ob gar bacchari nicht so sehr aufgrund seiner religiösen Konnotation als vielmehr als Transportmittel eines politischen Inhalts wirkte, ist freilich schwierig.608 Dies liegt nicht zuletzt daran, daß recht unklar ist, wie präsent die Bacchanalienaffäre des Jahres 186 im Jahr 63 überhaupt gewesen ist. Man mochte ihr in annalistischen Darstellungen begegnen;609 ein insbesondere auch in aktuellem politischem Zusammenhang prominentes exemplum ist sie offenbar aber nicht gewesen.610 Attraktiv scheint sie, im Klima der Sitten605 606 607

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in Rom (um 20 v.Chr.) – bietet Simon 21998, 126–134; Quellen bei Bruhl 1953, 119–132; vgl. auch Jaccottet 2003, passim. Hier allerdings anders als in den §§16 und 24 (vgl. S. 159ff., 196ff.) ohne zu suggerieren, Catilina führe tatsächlich kultische Handlungen durch. Darin, daß Bacchanten in aller Regel Frauen sind und das Bild bacchantischer Raserei besonders gerne verwendet wird, um wie auch immer gearteten furor von Frauen plastisch werden zu lassen (vgl. etwa Bocciolini Palagi 2003, 116, 123), mag man einen weiteren Aspekt der Invective erkennen, zumal Cicero hier im Zusammenhang mit bacchari mit Begriffen operiert – cupiditas, gaudium und besonders voluptas –, und an Verfehlungen Catilinas erinnert – obsidere stuprum, insidiari somno maritorum (so in §26) –, die sexuelle Konnotation haben oder überhaupt Sexuelles ansprechen. Zu den politischen Konnotationen, die bacchari haben konnte, vgl. auch Wiseman 2000, der die Bekämpfung ›bacchantischer‹ Erscheinungen in die Auseinandersetzung zwischen dem Senat, der seine Autorität verteidigt, und dem Volk, bzw. popularen Politikern, denen es um libertas geht – sie wird vom Senat freilich als licentia erklärt –, einordnet. Bei A. Postumius Albinus (cos 151), einem Verwandten eines der Konsuln von 186 etwa (vgl. Pailler 1988, 597–617). Vgl. Rasmussen 2001, 109–112, 703–711. Cicero selbst erwähnt sie lediglich an einer Stelle explizit: leg. 2,37 (mit 2,21) – hier geht es ihm um den Ruf der Frauen, genauer gesagt um die Frage, ob sie an nächtlichen Feiern beteiligt sein sollen, und um die Frage, nach welchem Ritus sie in die Mysterien der Ceres eingeweiht werden sollen. Die weitere Rezeption des senatusconsultum beschränkte sich unserer Kenntnis nach auf Varro ant.rer.div. fr. 45C; 93C. Vgl. dazu Cancik-Lindemaier 1996, 95f. – Vgl. andererseits aber das generelle Fortleben der mit Dionysos verbundenen Vorstellungen und ihrer politischen Bedeutung, die nicht zuletzt in der Auseinandersetzung

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

und Religionspolitik des Augustus, erst wieder für Livius geworden zu sein.611 Davor, bacchari bei Cicero zu eng mit dem Bild der livianischen Bacchanalienaffäre zu verbinden, warnt außerdem die Tatsache, daß das Bild, das Livius entwirft, in nicht unerheblichen Aspekten von dem Bild abweicht, das das senatusconsultum des Jahres 186 vermittelt – sein Wortlaut ist durch eine zeitgenössische Inschrift im Wesentlichen bekannt.612 Dennoch mögen die frappierenden Ähnlichkeiten zwischen dem Bild, das Cicero von der coniuratio des Catilina entwirft, und der Darstellung der Bacchanalienaffäre durch Livius613 zu einem gewissen Grad darauf zurückzuführen sein, daß Cicero sich des Bildes bediente, das man sich seinerzeit von der Bacchanalienaffäre gemacht hat. Teilweise mögen diese Ähnlichkeiten jedoch einfach in der Sachlage ihre Ursache haben und – so gesehen – schierer Zufall sein. Zu bedenken ist außerdem, daß sich bestimmte Topoi immer wieder als erfolgreich erweisen, wenn es darum geht, eine Gruppierung oder Bewegung als gefährlich und feindlich zu charakterisieren, und diese Topoi daher stereotyp wiederkehren, ohne daß damit erwiesen wäre, daß man dabei jeweils notwendigerweise bewußt an ein Vorbild anknüpfte.614 Schließlich können im Fall des Cicero bzw. des Livius manche Ähnlichkeiten auch darauf zurückzuführen sein, daß Livius sich für seine Darstellung der Bacchanalienaffäre möglicherweise von Cicero inspirieren ließ.615 610

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zwischen Antonius und dem nachmaligen Augustus zum Tragen kommen sollte; vgl. dazu Zanker 21990, 52–73; Wiseman 2000, 290–295; Rasmussen 2001, bes. 384–392, 412–424, 543–548, 686f. Cancik-Lindemaier 1996, bes. 93; Rasmussen 2001, bes. 662. CIL I2 581. So machen die Bestimmungen des senatusconsultum es unmöglich, ein collegium, das sich dem Dionysoskult widmet, zu gründen. In diesem Zusammenhang wird u.a. verboten, daß man sich durch Eid verbindet (coniurare); so gesehen greift Hellegouarc’h 21972, 96, der diese Stelle für die politische Verwendung von coniurare in Anspruch nimmt, hier etwas zu kurz. Anders als bei Livius ist damit nicht gesagt, daß die Bacchanalia als coniuratio im Sinn eines Komplotts gegen die res publica betrachtet wurden. Hierzu und zu weiteren Unterschieden Cancik-Lindemaier 1996. Liv. 39,8–19. Ähnlichkeiten bzw. Übereinstimmungen betreffen etwa die Bezeichnung als coniuratio (so 39,8,1; 8,3; 14,4; 15,10; 16,3; 17,6; 18,3), daß von geheimen und nächtlichen Treffen die Rede ist (so 39,8,3; 12,3; 13,10; 14; 15), von sexuellen Exzessen (so 39,8,6f.; 10,7; 13,10f.; 15,12–14) und Verbrechen aller Art (so 39,8,7; 18,4), daß man Brandstiftung befürchtet (39,14,10), daß der Vorwurf der religio prava, der ›verkehrten‹ religio erhoben wird (von Livius 39,15,2; 16,6 expressis verbis, von Cicero implizit: s.o. S. 100ff., 159ff., 196ff.; vgl. auch S. 235), daß das Bild vom zweiten Volk bzw. Staat gezeichnet wird (von Livius 39,3,14 wiederum expressis verbis – vgl. dazu auch Nippel 1997, 72f. –, von Cicero implizit: s.o. S. 102ff., 182f., 190ff.; vgl. auch S. 236), daß die Bewegung als gegen die ganze res publica gerichtet dargestellt wird (39,16,3). Vgl. zu diesen Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen Rasmussen 2001, passim. Daß die Aufklärung der Affäre – ähnlich wie im Fall der bacchanalia – mit einer Liebesgeschichte verknüpft und eine Frau tragende Figur der Aufklärung ist, spielt in der Darstellung durch Cicero keine Rolle; dieses Element wird erst in der Darstellung des Sallust wichtig. Man vergleiche etwa den Vorwurf des Ritualmordes (z.T. gesteigert zur Anthropophagie), der sich nicht nur in Zusammenhang mit der Bacchanalienaffäre (vgl. Liv. 39,8,8; 13,11; 13,13) und der Verschwörung des Catilina (Cass. Dio 37,30,3; Plut. Cicero 10,4; Iohannes von Antiocheia 149 [Roberto]=FHG 4, 563; vgl. auch Sall. Cat. 22; Flor. epit. 2,12,4; Min. Fel. 30,5; zu Cicero und Sallust s.o. S. 102ff., bes. 106ff.) findet, sondern beispielsweise auch in der Erzählung von der Verschwörung gegen die ersten Konsuln (Plut. Poplicola 4,1), v.a. aber in der gegen Juden und Christen, dann auch gegen Gnostiker gerichteten Polemik (vgl. etwa Henrichs 1970; Nagy 2001); vgl. ebenso den etwa gegen Christen erhobenen Vorwurf der Promiskuität, der Verbrechen, insbe-

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detestari, deprecari, quaesere (§27) In den §§27–32 rechtfertigt Cicero, weshalb er Catilina dazu bewegen will, sich aus Rom zu entfernen, anstatt ihn hinrichten zu lassen. Die Vorwürfe, die man deswegen gegen ihn erheben könnte, legt er der patria in den Mund (§§27–29). Seine Replik (§§29–32) kündigt er in §27 an, indem er die Senatoren bittet, ihm aufmerksam zuzuhören, damit er eine Art von Klage der patria abweisen könne.616 Wie hier ut a me … detester ac deprecer grundsätzlich zu verstehen ist, ist offensichtlich: Cicero möchte die Klage der patria abweisen. Ob, und gegebenenfalls, in welchem Sinn die religiöse Konnotation eines oder beider Begriffe dabei mitschwingt, ist die Frage. – Detestari kann in der Bedeutung ›(bittend) abzuwenden suchen‹ und in der Bedeutung ›verwünschen‹ gebraucht werden; jeweils unter Bezugnahme auf die Götter oder aber in übertragenem Sinn von ›sich verwahren‹ bzw. von ›verabscheuen‹.617 Deprecari kann – detestari synonym – ›wegbitten, durch Bitten abzuwenden suchen‹ bedeuten, ›inständig bitten‹ aber 614

sondere der Brandstiftung (Tac. ann. 15,44,2–5; Plin. epist. 10,96,7). Vgl. dazu Marasco 1981; Pailler 1988, 797–805; Rives 1995 und Spencer 2001, der zu erweisen sucht, daß römischen »conspiracy narratives« ein gemeinsames Muster zugrundeliegt. Explizit sollte Cicero selbst im Jahr 56 Vatinius gegenüber mit dem Vorwurf des Ritualmords operieren (Vatin. 14: cum puerorum extis deos manis mactare soleas). Zu realen Fällen von auf einem gemeinsam begangenen Verbrechen basierenden Treuebündnissen in der griechischen Welt, aber auch im römischen Ägypten Burkert 2004, 116; vgl. außerdem die literarische Verarbeitung dieser Thematik in den Phoinikika des Lollianos (fr. B1 recto; dazu Henrichs 1972). 615 So auch Spencer 2001, 38. Auffallend zahlreich sind die weitgehend übereinstimmenden Formulierungen und Argumentationsmuster. So spielt auch in der Darstellung des Livius Wahnsinn eine Rolle (vgl. etwa Liv. 39,15,3; 16,6). So wehrt Cicero nullo tumultu bzw. sine ullo tumultu Gefahren ab (Cic. Cat. 1,11; 2,26; 2,28), bei Livius dankt der Senat dem Konsul dafür, daß er alles sine ullo tumultu aufgeklärt habe (Liv. 39,14,5). Cicero behauptet, seit Jahren habe keine Untat stattgefunden, wenn nicht durch Catilina, keine Schandtat ohne ihn (Cic. Cat. 1,18), bei Livius meint der Konsul, was in den letzten Jahren aus Begierde, Bosheit und verbrecherischem Sinn an Verfehlungen begangen worden sei, habe alles in jenem Heiligtum, gemeint ist das bacchanal, seinen Ursprung (Liv. 39,16,2). Zu obscenum sacrarium (Liv. 39,15,13) s.o. S. 202 Anm. 591. Vgl. auch Rasmussen 2001, bes. 63–294, 698–713; Spencer 2001, bes. 46–59, 67–75. Zu der Schwierigkeit, derartige Ähnlichkeiten zu interpretieren, vgl. Pailler 1988, 759–770, der den Parallelen zwischen Liv. 39,8–19 und Plin. epist. 10,96 (zu diesen jüngst auch Freyburger 2010) und der modernen Diskussion darüber nachgeht. Für den Vergleich von Sallust und Livius gilt grundsätzlich Entsprechendes; dieser Vergleich ist in modernen Untersuchungen jedoch üblicher (vgl. etwa Pailler 1988, 801; Pagán 2004). Auch Dionysios von Halikarnassos bediente sich für die Schilderung früherer Ereignisse (Verschwörungen in den Jahren 501/500; Dion. Hal. ant. 5,51,3; 5,52,1–5,57,5) der Vorgänge des Jahres 63; vgl. dazu Wiseman 1992, 276f. (mit älterer Literatur). Zu einem anderen Fall frappierender Ähnlichkeit zwischen Cicero und Livius, was Formulierungen, aber auch Ideen anbelangt – hier geht es um die Figur des consul togatus – vgl. Nicolet 1960. 616 Nunc, ut a me, patres conscripti, quandam prope iustam patriae querimoniam detester ac deprecer, percipite, quaeso, diligenter quae dicam et ea penitus animis vestris mentibusque mandate. – Jetzt, damit ich, patres conscripti, eine beinahe berechtigte Art von Klage der patria von mir abweisen und von mir ›wegbitten‹ kann, hört, bitte, aufmerksam, was ich sagen werde und prägt dies eurem Gemüt und eurem Verstand tief ein. 617 Vgl. TLL 5.1, 809f. s.v. detestor. (Als juristischer terminus technicus ist detestari erst für das 2. Jh. n.Chr. belegt.)

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

auch ›verwünschen‹; das Bitten kann an die Götter gerichtet sein, in positivem Sinn wie auch im Sinn des Verwünschens.618 Da sich Cicero an der zu diskutierenden Stelle mit Vorwürfen auseinandersetzt, mag man hier vor allem sein Bemühen wahrnehmen, sich von diesen zu distanzieren und detestari folglich im Sinn von ›ab-weisen‹, deprecari im Sinn von ›weg-bitten‹ verstehen. Da die Vorwürfe, von denen er sich zu distanzieren hat, gravierender Art sind, mag man auch die Intensität des Bemühens hören – dies sowohl bei deprecari, verstanden als Intensivum von precari, als auch bei dem Ausdruck detestari ac deprecari insgesamt, aufgefaßt als Hendiadyoin. Nicht ausgeschlossen ist, daß man aufgrund der Nähe zu quaesere, in der deprecari hier steht,619 außerdem auf den Wortbestandteil precari in seiner Bedeutung ›die Götter bitten, beten‹ und damit auf die religiöse Konnotation von deprecari und in der Folge von detestari aufmerksam wurde: Hörte man (de)precari und quaesere in einem Atemzug, mochte dies an die Formulierung precor quaesoque und den Kontext, in dem sie üblicherweise stand, erinnern: an das Gebet.620 Schwer einschätzbar ist, ob auch die Tatsache, daß es die religiös konnotierte patria ist,621 die die Vorwürfe erhebt, dieses Verständnis von deprecari und auch von detestari unterstützt, oder ob es nicht viel eher umgekehrt die Verwendung von deprecari in der Verbindung mit quaesere ist, die eine gewisse Überhöhung der patria bewirkt – dies so zu verstehen, daß Cicero mit dieser Wortwahl deutlich macht, daß man Vorwürfe der patria nicht ›irgendwie‹ zurückweist, sondern in einer an Gebet, an Usancen der Kommunikation mit Göttern gemahnenden Weise. Ungeachtet der genauen Kausalität sorgt jedoch das Zusammenspiel der Formulierungen und der von Cicero eingesetzten Stilmittel dafür,622 daß die imaginierte Szene Feierlichkeit ausstrahlt. 618 619 620

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Vgl. TLL 5.1, 598–602 s.v. deprecor (mit Moussy 1991, 76–85, der die semantischen Varianten erheblich feiner differenziert). Cicero ›bittet‹ die Senatoren, aufmerksam zu hören, was er sagt, damit er die Klage der patria von sich ›wegbitten‹ kann (… ut … detester ac deprecer, percipite, quaeso … quae dicam …). Dies erscheint vorstellbar (vgl. auch Dyck z.St., der auf die Bedeutung ›avert by prayer‹ verweist), selbst wenn deprecari in der Zeit Ciceros noch nicht precari gänzlich synonym gebraucht worden sein sollte (vgl. Moussy 1991, 77; der früheste Beleg für synonymen Gebrauch ist Petron. 133,2) und obwohl deprecari und quaesere hier nicht zu einem Ausdruck verbunden sind, streng genommen sogar verschiedene Adressaten haben (die in ut detester ac deprecer enthaltene ›Bitte‹ richtet sich an die patria, quaeso an die Senatoren). – Precari und quaesere sind termini technici der Gebetssprache; beide Begriffe können geradezu formelhaft zusammengehören, wobei precor quaesoque dann keine Tautologie darstellt, precari vielmehr das rein verbale Bitten, quaesere dagegen das Bitten mit Unterstützung materieller Dinge, etwa eines Opfers, benennt: Benveniste 1969, 413– 421, bes. 419f.; Guittard 1995, 134–138; Guittard 2001, 178; Fyntikoglou, Voutiras 2005; vgl. auch TLL 10.2, 1152–1159 s.v. precor (bes. 1153 Z. 31–34). Angesichts des Bildes, das Cicero grundsätzlich, wie auch in dieser Rede (s.o. S. 167ff.) von der patria zeichnet, erscheint es dagegen ausgesprochen unwahrscheinlich, daß die Inversion, die die Vorsilbe de- ebenfalls ausdrücken kann, hier zum Tragen kommt, man also bei ›abweisen‹, bzw. ›wegbitten‹ jeweils ›verwünschen‹ mithört, was im Kern ja ›beten um Schaden‹ meinen würde. Vgl. S. 172f. Vgl. neben dem bereits Genannten den percipite diligenter betonenden Einschub von quaeso, den Chiasmus percipite … diligenter …. penitus … mandate, der den Parallelismus des Hörens und Einprägens verstärkt, die Alliteration mentibusque mandate, die verbunden mit einer Rhythmisierung (Creticus und Trochaeus) den Satz eindrucksvoll enden läßt (Dyck z.St.).

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mactare (§§27; 33) Die Bedeutung von mactare erstreckt sich auf drei Bereiche: Zum einen meint mactare – aller Wahrscheinlichkeit nach – ›groß machen, mehren, erhöhen‹ und ›ehren‹, zum andern ›opfern, schlachten‹ im Sinn einer kultischen Handlung, zum dritten ›opfern, schlachten‹ in übertragenem Sinn, d.h. ›töten‹ und auch ›mit Übeln heimsuchen, strafen‹.623 Offensichtlich ist, daß Cicero mactare sowohl in §27 als auch in §33 im Sinn von ›strafen‹ verwendet: In §27 läßt er die patria fragen, ob er, Cicero, nicht befehlen werde, Catilina hinzurichten,624 in §33 bittet er Iuppiter, Catilina und seine Leute mit ewig dauernden Martern zu belegen.625 Zu überlegen ist, ob dabei die religiöse Konnotation von mactare, insbesondere die Bedeutung ›opfern – in kultischem Sinn‹ mit anklingt.626 Davor, dies selbstredend, d.h. lediglich unter Verweis auf die Metaphorik des Begriffs anzunehmen, warnt zum einen der Sprachgebrauch, der zeigt, daß mactare auch in einer Weise gebraucht werden kann, die nicht an kultisches Opfern denken läßt,627 zum andern die Tatsache, daß Strafe – hier interessiert speziell die Todesstrafe – und Opfer aufgrund ihrer konzeptionellen Unterschiedlichkeit zwei Phänomene darstellen, die sich zwar berühren können, die aber grundsätzlich zu trennen sind.628 Außer Frage steht freilich, daß der Vollzug der Todesstrafe, trotz dieser Unterschiedlichkeit, an den Vorgang des Opferns denken lassen kann. Dies zeigen zum einen Fälle, in denen antike Autoren explizit auf Ähnlich-

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Die Bedeutungsvarianten ›opfern‹ respektive ›töten‹ haben sich höchst wahrscheinlich aus der Bedeutung ›groß machen, mehren‹ heraus entwickelt. Hintergrund dürfte die Vorstellung sein, die Gottheit bedürfe der Mehrung ihrer Kraft durch das Opfer, da sich ihre Kraft durch ihr Wirken verbrauche. Die Formel macte bzw. mactus esto, die sich regelmäßig in Opfergebeten findet (vgl. etwa Cat. agr. 134,3 Iupiter, macte isto ferto esto, macte vino inferio esto; Fyntikoglou, Voutiras 2005, 166), ist wohl Relikt dieser Vorstellung und ursprünglich im Sinn von ›mehre dich, sei (durch die Opfergabe) gestärkt‹ zu verstehen. Zur im Detail wohl noch nicht mit letzter Sicherheit geklärten Etymologie und Semantik von mactare vgl. etwa Latte 1960, 45f., Benveniste 1969, 471f.; Risch 1979, 47–49; Moussy 1994; Guittard 1995, 165–172; Pokorny 52005, 708. Nonne hunc in vincla duci, non ad mortem rapi, non summo supplicio mactari imperabis? – Wirst du nicht befehlen, daß dieser hier ins Gefängnis geführt, zum Tod geschleppt, mit der äußersten Strafe belegt wird? Tu, Iuppiter … aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis. – Iuppiter, du wirst … mit ewig dauernden Martern als Lebende und als Gestorbene belegen. Für §27 geben dies etwa Funaioli (»è voce sacrale, quasi ›sull’altare della Patria‹«) und Criniti (»è verbo tecnico dei sacrifici religiosi«) zu bedenken, für §33 Funaioli (»colpire, tormentare, ma il verbo ha del suo carattere religioso, mactare hostiam, victimam«), Criniti (»li offriranno in sacrificio (›mactare‹) allo Stato«) und Haury (»terme religieux«). Vgl. etwa Cic. rep. 1,67 eos … qui … ferunt laudibus, [et] mactant honoribus – diejenigen, die … tragen (d.h. hier: erheben) sie durch Lob und mehren sie durch (d.h. hier: überschütten sie mit) Ehren; Att. 15,29,3 macte! ist hier eine Beifallsäußerung im Sinn von bravo!, recht so!; Flacc. 52 huic … L. Flaccum mactandum civitatis testimonio tradidissent? – diesem (Mann) … hätten sie L. Flaccus ausgeliefert, ihn durch das Zeugnis der Bürgerschaft zu ›schlachten‹ (d.h. zu Fall zu bringen). Vgl. dazu Prescendi 2007, 224–251, bes. 230f. mit Anm. 819 (zu älteren, divergierenden Auffassungen), 233f., 240f., 250f. Die grundsätzliche Unterschiedlichkeit äußert sich – bei aller Übereinstimmung einzelner Details – in signifikanten Unterschieden des Straf- respektive des Opfervollzugs, insbesondere aber darin, daß ein Delinquent nicht als Gabe gilt, die den Göttern übereignet wird – woraus etwa auch hervorgeht, daß der Strafvollzug anders als das Opfer nicht der Kommunikation mit den Göttern dient.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

keiten von Straf- und Opferhandlungen hinweisen,629 zum anderen Fälle, in denen sich die Phänomene ›Opfer‹ und ›Strafe‹ überlagern.630 So gesehen erscheint es durchaus möglich, daß die Bedeutung ›opfern – in kultischem Sinn‹ an den hier zu diskutierenden Stellen mit anklingt.631 Ob dies jedoch tatsächlich geschieht, ist schwer auszumachen, da der Kontext in beiden Fällen nicht nur Aspekte beinhaltet, die dem förderlich sind, sondern auch solche, die dem entgegenstehen. So führt Cicero in §27 Aspekte einer Hinrichtung vor Augen, die sich nicht mit Aspekten einer Opferung decken, die folglich nicht an ein Opfer, sondern an den konkreten Ablauf der Bestrafung denken lassen.632 In §33 irritiert, daß – genau genommen – nicht von einer Hinrichtung, sondern von ewig dauernden Martern die Rede ist, zudem, daß es Iuppiter ist, der die Verschwörer strafen soll, den man, wollte man an ein Opfer denken, also in der Rolle des Opfernden sehen müßte. Indessen ist zu bedenken, daß Cicero mactare sowohl in §27 als auch in §33 zusammen mit dem Begriff supplicium verwendet, die Konnotationen beider Begriffe sich wechselseitig beeinflussen und sich in ihrem Zusammenspiel auf den Klang des Ausdrucks insgesamt 629

So etwa Val. Max. 2,7,6 in modum hostiae mactari; Sen. contr. 2,3,19 carnifex … dicat ›agon?‹ (quod fieri solet victimis); dazu Prescendi 2007, 229–231. 630 Dies ist insbesondere zu beobachten, wenn persönliche, politische oder militärische Gegner getötet werden – vordergründig aus Rache, offenkundig aber auch, um die Toten zu besänftigen, deren Tod gerächt wird; dazu Prescendi 2007, 242–244 mit vielen Beispielen, auch dem des M. Marius Gratidianus (vgl. dazu auch oben S. 109 Anm. 93) oder dem der 300 Senatoren und Ritter, die der nachmaligen Augustus an einem Altar des Divus Iulius nach der Eroberung von Perusia 40 v.Chr. hinrichten ließ (Suet. Aug. 15,2: scribunt quidam trecentos ex dediticiis electos utriusque ordinis ad aram Divo Iulio extructam Idibus Martiis hostiarum more mactatos). Zu weiteren Spielarten von Tötungen, bei denen die Grenze zwischen Bestrafung und Opferung verschwimmt: Prescendi 2007, 244–250. 631 Wie intensiv Cicero selbst – und gerade unter Verwendung des Begriffs mactare – an anderen als an den hier zu diskutierenden Stellen einen Zusammenhang zwischen ›Strafe‹ und ›Opfer‹ herstellt, zeigen Flacc. 95f. und Pis. 16. In der Rede für Flaccus berichtet Cicero davon, daß gewisse Leute nach der Verurteilung des Antonius (seines Kollegen im Konsulat) das Grab des Catilina mit Blumen geschmückt und sich dort zu einem Festmahl (epulum) versammelt haben. Er meint, nun würden diese Leute die Verurteilung des Flaccus und damit Genugtuung (poena) für (den im Jahr 63 hingerichteten) Lentulus erwarten. Cicero fragt die Richter, ob sie dem Lentulus ein willkommeneres Opfer bringen (mactare victimam gratiorem) könnten, als wenn sie mit dem Blut des Flaccus seinen Haß stillten (saturare), und fährt mit sarkastischem Unterton fort laßt uns also dem Lentulus opfern (litare), dem Cethegus (einem weiteren hingerichteten Verschwörer) ein Totenopfer bringen (parentare) … und, wenn dies genehm ist, Strafe auf uns nehmen (poenas sufferre). In der Pisoniana meint Cicero, man habe von ihm selbst Genugtuung verlangt, um die Manen der Verschwörer zu besänftigen (a me quidem etiam poenas expetistis quibus coniuratorum manes mortuorum expiaretis); wenn er nicht (ins Exil) ausgewichen wäre, hätte man ihn (Cicero) auf dem Grab Catilinas ›geopfert‹ (in Catilinae busto … mactatus essem). Zuzugeben ist freilich, daß beide Stellen Beispiele für den Sonderfall ›Rache verbunden mit Besänftigung der Toten‹ darstellen. (Merkwürdigerweise weist Prescendi 2007 nicht auf diese Stellen hin.) 632 Auch wenn die Ausdrücke des Trikolon in vincla duci, ad mortem rapi, summo supplicio mactari in letzter Konsequenz tautologisch sind, bezeichnen sie wörtlich genommen einzelne Etappen einer Hinrichtung (vgl. Dyck z.St.): Zuerst wird der Delinquent ins Gefängnis geführt, dann zur eigentlichen Hinrichtung geschleppt, dann getötet. – Bei einem Opfer findet sich zu in vincla ducere selbstredend keine Parallele; die Gewaltsamkeit, die die Formulierung ad mortem rapere ausdrückt, widerspricht der Gewaltfreiheit, die – vom eigentlichen Tötungsakt abgesehen – den Umgang mit dem Opfertier charakterisiert (vgl. etwa Prescendi 2007, 233).

mactare

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auswirken können.633 – Supplicium meint im klassischen Latein in aller Regel, und so auch hier, ›Strafe‹, besonders ›Todesstrafe‹, beziehungsweise ›Marter‹.634 Die lautliche Nähe zu den etymologisch eng verwandten Begriffen supplicatio und auch supplicare, deren Bedeutungen in erster Linie in der kultischen Sphäre des Betens und Opferns angesiedelt sind, wie auch die Tatsache, daß supplicium hin und wieder selbst in der Bedeutung ›Bitte, Gebet‹ verwendet wurde,635 mochten dafür sorgen, daß man in einem entsprechenden Kontext supplicium, wenn auch nicht im Sinn von ›Opfer‹ verstand, so doch im Sinn von ›Strafe, die Besänftigung bewirken, die eine Kompensation darstellen soll‹ – und die, so gesehen, einem Opfer verwandt ist.636 In der Nähe zur Sphäre des Opferns trifft sich der Begriff supplicium mit mactare. So ist es nicht unwahrscheinlich, daß Cicero mit den Formulierungen (summo) supplicio beziehungsweise supplicis mactare suggerieren konnte, daß es bei der Bestrafung der Verschwörer auch um die Besänftigung der patria637 beziehungsweise der Götter, insbesondere des Iuppiter, gehe. Daß die religiöse Konnotation von mactare dadurch in dem Sinn zum Tragen kommt, daß man die geforderte Bestrafung regelrecht mit einer Opferhandlung assoziiert, ist damit freilich nicht gesagt. Anders als in §27 ist für mactare in §33 ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Den Wunsch, Iuppiter möge die Verschwörer mit Martern belegen, bringt Cicero in einer deutlich an ein Bittgebet gemahnenden Weise vor.638 Mactare ist aber ein Begriff, der in einer anderen Art von Gebeten, in Opfergebeten nämlich, regelmäßig Verwendung findet und besondere Bedeutung hat.639 So ist es kaum vorstellbar, daß die Verwendung von mactare hier nicht als gleichsam sachfremd auffallen und in der Folge nicht an den Kontext, in dem man den Begriff üblicherweise erwarten würde, denken lassen sollte. Ohne daß die Bestrafung der Verschwörer in platter Weise mit einem Opfer assoziiert wird, profitiert der Ausdruck suppliciis mactare so von der religiösen Konnotation seiner Komponente mactare. 633

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Daß hier mit einer wechselseitigen Einwirkung zu rechnen ist, ist umso wahrscheinlicher, als die Formulierungen (summo) supplicio beziehungsweise supplicis mactare offenbar nicht allzu häufig verwendet wurden und, wenn dies dann doch geschah, wohl einige Aufmerksamkeit erregt und für Bemühen um das rechte Verständnis gesorgt haben dürften. Soweit ich sehe, ist nur Cic. Verr. 2,4,26 ius civitatis illo supplicio … mactatum – das Bürgerrecht … mit jenen Martern (gemeint ist die Hinrichtung am Kreuz) ›geschlachtet‹ vergleichbar. Recherchen mithilfe der Bibliotheca Teubneriana Latina zeigen, daß andere Ausdrücke, die ›hinrichten‹ bedeuten, wie etwa ad mortem rapere oder gar morte multare dagegen sehr viel häufiger belegt sind. Ebenso in den §§3; 20; 28. Vgl. Heinze 1908, bes. 101–103; Benveniste 1969, 493. So Sall. Cat. 52,29 (non votis neque suppliciis muliebribus auxilia deorum parantur); weitere Belege bei Heinze 1908, 105. Zur Etymologie und zur recht komplizierten Entwicklung der Semantik von supplicium vgl. Benveniste 1969, 492–495, der folgendes Szenario entwickelt: Supplicium dürfte ursprünglich die Opfergabe bezeichnet haben. In dieser Bedeutung stand der Begriff mit den Bedeutungen von supplicare und supplicatio in Einklang, geht es doch in allen drei Fällen um den Gedanken ›die Gottheit milde stimmen‹. Als diese Begriffe auch auf zwischenmenschliche Angelegenheiten angewandt wurden, entwickelte supplicium seine spezielle Bedeutung und meinte nun ›Kompensation durch Körperstrafe‹, schließlich überhaupt ›Strafe‹. Diesen Gedanken hat Cicero bereits in §17 aufgebracht, wo er Catilina fragt, wie er sich der ihn hassenden und fürchtenden patria gegenüber zu verhalten gedenke, wenn er doch seinen Eltern aus den Augen gehen würde, sollte er sie nicht besänftigen (placare) können; vgl. S. 166f., 167f., 171, 173. Vgl. S. 218ff. Vgl. oben Anm. 623.

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Angefügt sei eine Überlegung, die auf den ersten Blick zugegebenermaßen etwas ›sophistisch‹ erscheinen mag, die m.E. aber doch einiges für sich hat. Verweisen antike Autoren auf die Ähnlichkeit einer Hinrichtung mit einer Opferung, so geschieht dies nicht selten, wenn es ihnen darum geht auszudrücken, daß der Strafende als Vater dank seiner patria potestas oder aber als Magistrat dank seines imperium absolute Macht hat.640 Berichten sie von Fällen, in denen sich Strafe und Opfer überlagern, geschieht dies meist mit polemischem Unterton; die Kritik bezieht sich dabei in der Regel darauf, daß der Strafende mit der Art, in der er straft, uneingeschränkte Macht über das ›Opfer‹ reklamiert,641 beziehungsweise denjenigen, der ›geopfert‹ wird, in der Hierarchie ›Götter – Menschen – Opfer(tiere)‹ vom ›Mensch‹ zum ›Opfer‹ degradiert.642 Vor diesem Hintergrund sollte man annehmen, daß es Cicero darum zu tun gewesen sein sollte, auch nur den leisesten Anklang an eine Opferung zu vermeiden, würde er sich anderenfalls doch dem Vorwurf tyrannischen Gebarens aussetzen. Man kann diese mit dem Begriff mactare verbundene Problematik freilich auch gerade umgekehrt für eine besondere Stärke des Begriffs halten, enthält die Formulierung suppliciis mactare so doch eine besonders heftige Drohung, die Drohung nämlich, dazu bereit zu sein, ohne Rücksicht auf den eigenen Ruf, gestützt auf die coercitio, notfalls unter Hintansetzung von deren bürgerlichen Rechten gegen die Verschwörer vorzugehen.643 Folgt man dieser Überlegung, muß man in ihr freilich ein weiteres Indiz dafür sehen, daß Cicero zumindest an dieser Stelle wohl doch in recht direkter Weise mit der religiösen Konnotation des Begriffs operiert. Daß er ihn mit besonderem Bedacht gewählt hat, steht außer Frage: mactabis ist das letzte Wort der Rede. Womit auch immer ein Rezipient diesen Begriff verbindet: Er ist es, der im Raum stehen bleibt, der nachhallt und so von besonderer Wirksamkeit ist.

gladiator (§29) In den §§29–32 rechtfertigt Cicero, weshalb er Catilina nicht hinrichten läßt. Diese Rechtfertigung leitet er mit der Feststellung ein, er hätte diesem gladiator – gemeint ist Catilina – nicht den Genuß einer einzigen Stunde zum Leben gegeben, wenn er es für das Beste, was zu tun ist, hielte, daß dieser mit dem Tod bestraft werde.644 Der Begriff gladiator ist hier so pejorativ gebraucht, daß der Gedanke an den religiösen Kern des Begriffs – Gladiatorenkämpfe stehen mit dem Totenkult in Verbindung – sicher640 641 642 643

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Prescendi 2007, 234. Verglichen mit dem Beschuldigten in einem zivilen Strafverfahren hat das präsumtive ›Opfer‹, ist es dieser Macht unterworfen, keine Verteidigungsmöglichkeit. Prescendi 2007, 243, 247. Deutlich auch in den oben zitierten Fällen Cic. Flacc. 95f.; Pis. 16. Prescendi 2007, 251. So gesehen läge hier in der Formulierung suppliciis mactare dieselbe Drohung, die Cicero in den §§27f. die patria – im Übrigen angeschlossen an die Frage non summo supplicio mactari imperabis? – geradezu explizit hatte aussprechen lassen: Quid tandem te impedit? Mosne maiorum? At persaepe etiam privati in hac re publica perniciosos civis morte multarunt. An leges quae de civium Romanorum supplicio rogatae sunt? At numquam in hac urbe qui a re publica defecerunt civium iura tenuerunt. An invidiam posteritatis times? … Vgl. auch die ganz ähnliche Art zu drohen in §3; dazu S. 112 Anm. 107. … si hoc optimum factu iudicarem … Catilinam morte multari, unius usuram horae gladiatori isti ad vivendum non dedissem.

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lich nicht aufkommt.645 Viel eher läßt der Begriff dadurch, daß er Catilina mit denjenigen gleichsetzt, zu denen enge Verbindungen zu unterhalten ihm nachgesagt wurde, an die Sicherungsmaßnahmen denken, die der Senat gegen Gladiatoren angeordnet hatte, kurz nachdem am 27. Oktober der Aufstand des Manlius in Etrurien manifest geworden war.646

sanguine se non contaminare (§29) Im Zug der Rechtfertigung seiner Strategie, Catilina dazu zu bewegen, Rom zu verlassen, anstatt ihn hinrichten zu lassen (§§29–32), weist Cicero zunächst darauf hin, daß er Catilina bereits mit dem Tod hätte bestrafen lassen, wenn er dies für das Beste hielte. Zur Bekräftigung verweist Cicero darauf, daß er im Fall der Tötung Catilinas sicherlich keine Anfeindungen zu befürchten gehabt hätte, da diejenigen, die etwa Saturninus, die Gracchen oder Flaccus getötet haben, sich mit deren Blut nicht nur nicht befleckt, sondern sogar Ehre verschafft hätten.647 Die Ausdruckskraft dieser frappierenden Behauptung beruht, von ihren juristischen und politischen Implikationen abgesehen, ganz wesentlich auf der Eindringlichkeit und der Bildhaftigkeit des Ausdrucks sanguine se contaminare648 und insbesondere auf den Assoziationen, die dieser Ausdruck geweckt haben dürfte. Kontakt mit Blut, insbesondere mit gewaltsam oder gar mit zu Unrecht vergossenem, konnte als über das Physische hinausgehende Verunreinigung aufgefaßt werden, als Verunreinigung, die – und dies ist im Rahmen der Fragestellung dieser Untersuchung von besonderem Interesse – wenn wohl auch nicht im eigentlichen Sinn kultisch, so doch in einem weiteren Sinn religiös relevant ist.649 645 646

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Zum religiösen Kern des Begriffs vgl. etwa Schneider 1918, 760–764; Hönle 2000, 487–489; Prescendi 2007, 244–246. Vgl. etwa Cic. Cat. 2,9; 2,26 (enge Verbindungen); Sall. Cat. 30 (Sicherungsmaßnahmen). Zur Instrumentalisierung von Gladiatorentrupps durch politische Akteure im Zug innerrömischer Auseinandersetzungen allgemein vgl. etwa Nowak 1973, passim. Etenim si summi viri et clarissimi cives Saturnini et Gracchorum et Flacci et superiorum complurium sanguine non modo se non contaminarunt sed etiam honestarunt, certe verendum mihi non erat ne quid hoc parricida civium interfecto invidiae mihi in posteritatem redundaret. – Und in der Tat, wenn Männer von höchstem Rang und besonders ausgezeichnete Bürger sich mit dem Blut des Saturninus und der Gracchen und des Flaccus und mehrerer noch Früherer nicht nur nicht befleckt, sondern sogar Ehre verschafft haben, so hätte ich sicherlich nicht befürchten müssen, daß sich – nach Tötung dieses Bürgermörders – in der Zukunft irgendetwas an Anfeindung über mich ergießen würde. Damit nimmt Cicero eine ausgesprochen umstrittene optimatische Position auf (vgl. §§2–4; 28); diese Provokation birgt selbstredend neuerlich eine massive Drohung. Dazu, wie auch zu den exempla selbst, vgl. S. 42f., 110ff. Dessen Eindringlichkeit wiederum beruht nicht nur darauf, daß es um ›Befleckung‹ mit menschlichem Blut geht, sondern auch auf dem Begriff contaminare selbst. Contaminare meint, etwas mit Fremdartigem oder mit Unreinem in Berührung bringen und folglich ›verderben‹ bzw. ›beflecken‹. ›Beflecken‹ kann dabei sowohl in physischem als auch in übertragenem Sinn gemeint sein. Vgl. TLL 4, 629–631 s.v. contamino; Ernout, Meillet 41959 s.v. contamino; Georges s.v. contamino. Offenbar war man durch die Verunreinigung mit Blut zwar nicht in einer Weise disqualifiziert, die eine kultische Reinigung erfordert hätte – jedenfalls ist für Rom, anders als für Griechenland, kein speziell diese Verunreinigung beseitigender Ritus historisch belegt; daß eine derartige Verunreinigung aber dennoch speziell für den Verkehr mit den Göttern als Makel empfunden wurde, spiegeln etwa Verg. Aen. 2,717; Paul. Fest. 104,23L; Plut. Sull. 32,2; auch Cic. Sest. 80 (vgl. S. 152 Anm. 324).

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So gesehen arbeitet Cicero bei seiner Behauptung, diejenigen, die Saturninus, die Gracchen und Flaccus getötet haben, hätten sich mit deren Blut nicht befleckt, in ähnlicher Weise wie in §21650 mit der Vorstellung, Normen – und eben auch religiöse Normen – könnten unter bestimmten Umständen außer Kraft gesetzt sein. Festzustellen ist außerdem, daß Cicero mit dieser Relativierung, wiederum in ähnlicher Weise wie in §21, im Zug einer Argumentation operiert, die nicht zuletzt auf die Verblüffung baut, die die Kühnheit seiner Behauptung ausgelöst haben dürfte.

omina (§33) In §33 fordert Cicero Catilina ein letztes Mal auf, Rom zu verlassen: er soll aufbrechen unter diesen omina da.651 Hisce ominibus bezieht sich auf das zuvor Gesagte, auf Ciceros Versprechen, bei Konsuln, Senat, Rittern und allen boni werde Achtsamkeit bzw. auctoritas, virtus und Übereinstimmung so groß sein, daß der Senat durch die Abreise Catilinas alles aufgeklärt und geahndet sehen werde.652 Mit der Bezeichnung als omina wertet Cicero seine Worte als Vorzeichen.653 Er rekurriert dabei auf die Vorstellung, in einer zufälligen Äußerung könne Information über eine künftige Entwicklung liegen.654 Sicherlich steigert Cicero mit dieser Wertung die Aufmerksamkeit, die sein Versprechen bereits aufgrund seiner Kühnheit erregen dürfte, und erhöht die Spannung, mit der man auf die sich anschließenden Worte hört.655 Außerdem trägt diese Wertung zum Pathos der

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Vgl. Mencacci 1986, 71; auch Saladino 2004, 74f.; Dyck z.St; zu griechischen Vorstellungen und Praktiken etwa Parker 1983, 104–143, 366–392. Vgl. S. 150ff. Hisce ominibus, Catilina, cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt, proficiscere ad impium bellum ac nefarium. Polliceor hoc vobis, patres conscripti, tantam in nobis consulibus fore diligentiam, tantam in vobis auctoritatem, tantam in equitibus Romanis virtutem, tantam in omnibus bonis consensionem ut Catilinae profectione omnia patefacta, inlustrata, oppressa, vindicata esse videatis (§32). Zu diesem ›Versprechen‹ vgl. auch S. 139. Zum Begriff omen, wie auch zu der teils problematischen Abgrenzung von anderen Vorzeichen vgl. Rosenberger 1998, 8f., 11f., 30f.; Engels 2007, 279–282; zusammenfassend Rosenberger 2000 (dort jeweils auch ältere Literatur). Omina ereignen sich zufällig; darin sind sie prodigia gleich, die, anders als etwa die aus Opfer- oder Vogelschau gewonnenen Zeichen, ebenfalls ohne den Einsatz von Divinationstechniken erlangt werden. Anders als prodigia zeigen omina jedoch nicht die Störung der pax deorum an, sondern stellen eine Vorhersage künftiger Entwicklungen dar; dabei können sie auf Positives wie auf Negatives weisen. Omina ereignen sich zumeist direkt vor dem Ereignis, auf das sie sich beziehen. Sie gelten in aller Regel nicht der res publica, überhaupt nur selten Personengruppen, vielmehr Einzelpersonen; entsprechend sind sie ein Phänomen, das erst in der späten Republik politische Bedeutung gewinnt. Meist sind es gesprochene Worte, seltener Geschehnisse, die als omina gewertet werden. Dem liegt die Vorstellung »vom numinosen Gesamtzusammenhang aller Phänomene« (Rosenberger 2000) zugrunde. Daß mit der profectio Catilinas – will heißen, Catilinas und seiner Mitstreiter – alles entdeckt und erhellt (omnia patefacta, inlustrata) sein werde, leuchtet ein, folgt man Ciceros Vorstellung, boni und improbi seien voneinander separiert, wenn nur Catilina alle seine Anhänger an einem Ort außerhalb der Stadtmauern zusammengezogen haben wird (§32). Daß damit freilich auch schon alles

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Situation bei,656 suggeriert sie dem Rezipienten doch, daß er nicht nur Zeuge der Rede Ciceros ist, sondern Zeuge eines Ereignisses – eines Ereignisses, das zudem mit der göttlichen Sphäre in Verbindung steht.657 Die Gehobenheit der Stimmung, die Cicero so erzeugt, läßt seine Äußerungen besonders bedeutungsvoll erscheinen. An Gewicht gewinnen sie freilich aber auch dadurch, daß Cicero mit den omina gleichsam eine höhere Instanz ins Spiel bringt, die seine Sicht der Dinge bestätigt. So gewinnt sein Versprechen an Glaubwürdigkeit, seine Aufforderung – vielmehr, die mit ihr verbundene Verwünschung658 – an Bedrohlichkeit, wird sie doch geradezu zur Prophezeiung. Nicht unwahrscheinlich ist es freilich, daß man die Wertung der Worte Ciceros als omina – bei Licht besehen – hätte in Zweifel ziehen können. Insbesondere hätte man wohl ins Feld führen können, seine Worte seien nicht in dem für ein omen üblichen Sinn zufällig gewesen, sondern mit Bedacht gewählt.659 Offenkundig sah Cicero jedoch keinen Grund zu befürchten, daß es die argumentative Wirksamkeit seiner Wertung beeinträchtigen würde, sollte man sie für eine rhetorisch bedingte Fiktion halten. Anderenfalls hätte er sie kaum an dieser für den Erfolg der Rede insgesamt so wichtigen Stelle, dem Übergang zur peroratio, riskiert.660 Daß der Begriff omen offenbar also für ebenso oder zumindest für fast ebenso wirksam wie ein für ›echt‹ befundenes omen gelten konnte, mag man als Zeichen für die tiefe Verwurzelung und die Wirkungsmacht der Vorstellung »vom numinosen Gesamtzusammenhang aller Phänomene«661 nehmen.

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unterdrückt und geahndet (oppressa, vindicata) sein werde, erscheint selbst dieser Logik folgend weit gegriffen. – Zur Eignung von Religiösem als Mittel der Steigerung vgl. Cic. part. 56 (explizit ist hier von caelestia und divina die Rede), als Instrument, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu wekken Cic. inv. 1,23 (man könne z.B. sagen, der Fall betreffe die Götter), als Mittel, die Spannung zu erhöhen und damit auch ein gewisses Vergnügen zu bereiten Cic. part. 73 (explizit ist hier u.a. von monstra, prodigia und oracula die Rede). Daß Cicero hier in hohem Maß auf Pathos setzt, zeigt bereits die sprachliche Gestaltung der Worte, die er als omina wertet: Vgl. die emphatische Voranstellung von hoc vor den Vokativ vobis (sie findet sich freilich nicht in allen Hss.; dazu Dyck), die Feierlichkeit der Klausel esse videatis, die Klimax patefacta, inlustrata, oppressa, vindicata und deren asyndetische Gestaltung und nicht zuletzt die zweimalige Verwendung einer viergliedrigen Aufzählung: tantam in nobis consulibus fore diligentiam, tantam in vobis auctoritatem, tantam in equitibus Romanis virtutem, tantam in omnibus bonis consensionem – omnia patefacta, inlustrata, oppressa, vindicata esse. Dies insofern, als Wissen um Künftiges Eigenschaft der Götter ist und omina für Menschen einen Weg darstellen, Anteil an diesem Wissen zu erlangen (vgl. Briquel 1997, 714). Vgl. dazu S. 216ff. Zumindest jedenfalls im selben Zusammenhang gesprochen. Ein Beispiel eines Omens, bei dem der Aspekt der Zufälligkeit geradezu paradigmatisch erkennbar ist, findet sich bei Liv. 5,55,1f. Folgt man der Wertung der Worte seines Versprechens als omina, so führt dies einen Stimmungswechsel herbei. Während zuvor die Schilderung der Gefahr und der Versuch, die Notwendigkeit der Trennung von ›Gut‹ und ›Böse‹ zu erweisen, im Vordergrund stand, gewinnt jetzt Siegeszuversicht, geradezu Siegesgewißheit die Oberhand. Dies wirkt sowohl mitreißend als auch bedrohlich und zielt einerseits insbesondere auf den zaudernden Teil der Senatoren, andererseits aber wiederum auf Catilina und seine Leute. Rosenberger 2000.

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›Prophezeiung‹ und ›Verwünschung‹ (§33) In §33 fordert Cicero Catilina auf, zu einem pflichtvergessenen und ›unerlaubten‹ Krieg aufzubrechen.662 Daß diese Aufforderung mehr ist als eine neuerliche Variation des Appells, Rom zu verlassen,663 wird zum einen durch die einleitenden Worte deutlich – Catilina solle unter diesen für ihn negativen omina da aufbrechen –,664 zum andern durch die Zweckbestimmung, mit der Cicero die Aufforderung versieht – Catilina soll zum höchsten Wohlergehen der res publica, zu seinem Verderben und Unglück und zum Untergang derjenigen, die sich mit ihm durch alle Arten von Verbrechen und ›Mord‹ verbunden haben,665 aufbrechen. Dadurch daß Cicero den präsumtiven Aufbruch Catilinas mit omina verbindet, gewinnt die Aufforderung den Charakter einer Prophezeiung,666 durch die Zweckbestimmung aber auch Qualitäten einer Verwünschung.667 Nicht leicht einzuschätzen ist, ob man die so gestaltete Aufforderung geradezu als dirae im technischen Sinn des Wortes anzusehen hat, also als ›richtigen‹ Fluch – will heißen, als »gesprochenen Ritus«.668 In diese Richtung weist, daß es sich um einen »vehement vorgebrachte(n) Wunsch, daß Übel … einen anderen befallen mögen«669 handelt, außerdem, daß die Situation, in der Cicero die Verwünschung ausspricht, Situationen ähnlich ist, in denen man sich üblicherweise Flüchen bediente – seien es Situationen, in denen man sich auf keine andere Art Recht zu verschaffen wußte,670 seien es Situationen, in denen es darum ging, die Strafe für den Übeltäter möglichst drastisch zu gestalten,671 seien es insbesondere aber auch Situationen, in denen es darauf ankam zu betonen, daß ein Vergehen als besonders ungeheuerlich oder widernatürlich anzusehen sei.672 Auch einzelne Elemente der von Cicero ausgesprochenen Verwünschung entsprechen dem Muster vieler Flüche; so der 662 663 664 665 666 667 668 669 670

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… proficiscere ad impium bellum ac nefarium. Vgl. §§10; 12f.; 17f.; 20–23. Hisce ominibus, Catilina … profiscere … Als omen gilt Cicero sein Versprechen, der Senat werde durch die Abreise Catilinas alles aufgeklärt und geahndet sehen (§32). … cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt … Vgl. dazu S. 214f. Vgl. Sternkopf (»Verwünschung«); Dyck (»curse«). Graf 2005b, 247. Zu Flüchen allgemein Speyer 1969; Graf 2005b; zusammenfassend Graf 1998b. Graf 1998b, 573. Zu denken ist an Situationen, in denen der Gegner übermächtig war oder in denen sich keine menschliche Instanz fand, die Recht durchsetzen konnte (vgl. Graf 2005b, 247f.). – Cicero hält es einerseits angesichts des Rückhalts, den Catilina noch immer im Senat hat (vgl. §§6; 8f.), außerdem angesichts der Beschwichtigungsversuche weiterer Senatskreise (vgl. §30), anderseits angesichts der Überlegung, man bekomme nur dann alle Verschwörer zu fassen, wenn sie sich aus Rom entfernen und dadurch zu erkennen geben (vgl. §§12; 30f.), nicht für opportun, schon jetzt handgreiflich gegen Catilina vorzugehen. Zu der Labilität seines Rückhalts im Senat, mit der Cicero bei seinem Vorgehen gegen Catilina zu rechnen hatte, außerdem zu dem Mangel an stichhaltigen Beweisen gegen Catilina vgl. auch oben S. 46ff., 50f., 91f. Vgl. Graf 2005b, 248 mit 254f. (Nr. 32). – Cicero setzt darauf, Catilina nicht zuletzt durch Einschüchterung dazu zu bewegen, Rom zu verlassen. Besonders deutlich ist dies, wo er mehr oder minder offen mit Gewaltanwendung (§21) bzw. mit Hinrichtung (§§2–5; 27–29) droht. Dies gilt insbesondere für Vergehen im familiären Bereich (vgl. Graf 2005b, 253f., bes. Nr. 32). So soll einem Gesetz des Servius Tullius zufolge (Paul. Fest. 260,9–11L) der Sohn, der seinen Vater so heftig schlägt, daß dieser um Hilfe ruft, den Göttern der Eltern verfallen (divis parentum sacer esto).

›Prophezeiung‹ und ›Verwünschung‹

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hohe Grad an rhetorischer Stilisierung673 und die in dem Wunsch enthaltene Schadensumkehr.674 Gegen eine Einschätzung als ›richtiger‹ Fluch mag man anführen, daß der von Cicero ausgesprochenen Verwünschung andere Charakteristika ritueller Flüche fehlen, so das performative Element ›ich verfluche‹,675 weitgehend auch der Gebetscharakter.676 Angesichts der Unterschiedlichkeit, in der Flüche im Einzelfall jedoch formuliert wurden,677 aber auch angesichts der weit verbreiteten Auffassung, Worten sei eine eigenständige Wirkungsmacht eigen,678 wird freilich deutlich, daß die Frage nach der ›Echtheit‹ der Verwünschung allein orientiert an Fragen der formalen Gestaltung nicht beantwortet werden kann, kommt es doch auch auf die Absicht des Sprechenden und auf das Verständnis des Rezipierenden an. Daß Cicero die Verwünschung in eine Prophezeiung integrierte und damit Praktiken ganz unterschiedlicher Zielsetzung, die in der Realität ritueller Handlung grundsätzlich nicht in direktem Zusammenhang standen, gedanklich miteinander verband, mag man als Indiz dafür werten, daß er tatsächlich weniger eine Verwünschung im technischen Sinn beabsichtigte, als vielmehr auf die rhetorische Wirksamkeit seiner Formulierung baute, d.h. darauf, daß sie, ohne Fluch zu sein, in deutlicher Weise an einen Fluch erinnerte, in der Fol672 673 674

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– Catilina handelt, Cicero zufolge, der pietas, die man der patria, der parens omnium (§17) schuldet, in gröbster Weise zuwider. Vgl. oben S. 167ff.,174ff., 187ff., 190ff. Vgl. Graf 2005b, 258. – Hier etwa die Dreigliedrigkeit des Wunsches (cum … cum … cumque), die Sperrung von summa und salute, das alliterative Hendiadyoin peste ac pernicie. Vgl. etwa die bei Graf 2005b, 254–256 aufgeführten Strafflüche: Derjenige, der Schaden verursacht hat, soll nun selbst von Schaden getroffen werden. – Catilina und seine Mitstreiter, die die salus der res publica bedrohen (vgl. besonders §§8; 11), die eine pestis darstellen (§§11; 30) und das exitium der res publica betreiben (vgl. besonders §§9; 12), sollen mit ihrem Aufbruch ad impium bellum ac nefarium ihrer Intention entgegen zum Wohlergehen der res publica, zu ihrem eigenen Untergang handeln. Damit knüpft Cicero an einen Gedanken an, den er in §2 entwickelt hatte (so auch Dyck zu cum tua peste ac pernicie): Catilina hätte schon längst getötet werden müssen, gegen ihn hätte jenes Verderben gewendet werden müssen, das er schon lange gegen ›uns alle‹ erdacht habe. Daß dieser Gedanke in §2 an devotiones erinnern konnte (s.o. S. 110), hier aber im Kontext einer Verwünschung zu diskutieren ist, muß angesichts der Berührungspunkte von devotio und Fluch (dazu Graf 2005b, 262) nicht überraschen. Vgl. Graf 2005b, 247. Zur formalen Nähe von Fluch und Gebet Graf 2005b, 248f., 254. – Legitimierende Erzählung (pars epica) und Wunsch (preces) sind hier gleichsam indirekt formuliert: Legitimierend wirkt die Charakterisierung der Verschwörer als qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt und die Charakterisierung ihres präsumtiven Handelns als impium bellum ac nefarium. Der Wunsch ist in der Zweckbestimmung der Aufforderung, zu impium bellum ac nefarium aufzubrechen, enthalten (cum summa rei publicae salute cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio qui …). Cicero ruft im Rahmen der Verwünschung keine Gottheit an. In Rechnung zu stellen ist freilich, daß die Anrufung Iuppiters zu Beginn des folgenden Satzes, betrachtet man den Gesamteindruck, den §33 hinterläßt, wie eine, wenn auch sehr frei gestaltete Ergänzung des Gebets- respektive Fluchformulars wirken kann. Zu dieser Anrufung, wie auch zur Gestalt von Gebeten allgemein s.u. S. 218ff. Einen Eindruck davon vermitteln die von Graf 2005b zitierten Beispiele. Sie machen auch deutlich, daß das performative Element und die Anrufung von Göttern zwar charakteristisch, nicht aber unabdingbar sind. Dies erklärt auch die Existenz von Flüchen, die ohne Götteranrufung auskommen; vgl. dazu Graf 2005b, 257f. Locus classicus für die Reflexion über die Wirkungsmacht des Wortes ist Plin. nat. 28,10–29; dazu Bäumer 1984. Vgl. außerdem, daß »seit Gorgias … die Macht des rhetorisch gestalteten Wortes nicht scharf getrennt (ist) von derjenigen des rituellen Spruchs« (Graf 2005b, 258 speziell unter Verweis auf Gorg. Helena 10=Diels/Kranz 82 B11 [10]).

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

ge im Prinzip dieselben Assoziationen auslöste, die auch ein ›richtiger‹ Fluch ausgelöst hätte679 und also in suggestiver Weise auch stigmatisierend wirkte.680 Gesteigert wird dieser Effekt dadurch, daß Cicero die Verwünschung durch ihre Verbindung mit omina zur Prophezeiung werden läßt: Eine Verwünschung, deren Erfolg garantiert ist, grenzt den Betroffenen in noch stärkerem Maß aus. Ins Auge fallend ist die Dichte der religiös konnotierten Begriffe innerhalb der so gestalteten Aufforderung, Rom zu verlassen. Impius und nefarius finden sich in der eigentlichen Aufforderung proficiscere ad impium bellum ac nefarium, scelus und parricidium innerhalb der Zweckbestimmung bei der Benennung der Verschwörer als qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt.681 Allesamt tragen sie zur Begründung der Aufforderung bei – und insbesondere auch dazu, daß der verwünschende Charakter der Aufforderung gerechtfertigt erscheint: Scelere parricidioque charakterisiert die Art, in der die Verschwörung zustande gekommen ist, impium ac nefarium welcher Art das Unterfangen künftig sein wird.682 Dabei liegt in den Begriffen scelus, parricidium, in gewisser Weise auch in nefarius eine implizite, in impius die explizite Wiederholung des Kernvorwurfs, den Cicero gegen Catilina erhebt: impietas. Verstärkt durch ihre Massierung – verbunden mit ihrer stilistische Gestaltung –,683 tragen sie aber auch zur Feierlichkeit der Aufforderung bei, die diese aufgrund ihres verwünschenden und prophezeienden Charakters ausstrahlt, und damit zum Pathos der Situation.684

›Gebet‹ (§33) Seine Rede abschließend wendet Cicero sich an Iuppiter. Die Art und Weise in der er dies tut, erinnert zweifellos an ein Bittgebet:685 Auf die Anrede tu, Iuppiter folgt zunächst eine nähere Charakterisierung Iuppiters als desjenigen, der isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es(t) constitutus, quem Statorem huius urbis atque imperi vere nominamus,686 dann die Bitte hunc et huius socios a tuis ceterisque templis, a tectis urbis ac moenibus, a vita fortunisque civium omnium arcebis et homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones

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Assoziationen folgender Art: Catilina hat ein besonders ungeheuerliches Verbrechen begangen, er nötigt dazu, zum äußersten Mittel der Strafverfolgung, dem Fluch, zu greifen, er hat eine besonders grauenvolle Strafe zu erwarten, die Götter sind mit seiner Bestrafung betraut (vgl. oben Anm. 670). Sollte Cicero tatsächlich bereits von der Imaginierung eines Fluchs derartige Wirkung erwartet haben, könnte man dies als Zeichen für die Wirkungsmacht der mit Flüchen verbundenen Vorstellungen nehmen; vgl. den ganz ähnlichen Befund im Fall der omina oben S. 215. Sollte ein Rezipient die Worte Ciceros aber doch als ›richtigen‹ Fluch aufgefaßt haben – nicht ausgeschlossen ist, daß Cicero seine Formulierung so ambivalent gestaltet hat, um entsprechend ›konstituierten‹ Hörern diese Möglichkeit zu eröffnen –, gilt dies in noch höherem Maß. Grundsätzlich ist auch salus (in der Formulierung der Zweckbestimmung cum summa rei publicae salute …) zu diesen religiös konnotierten Begriffen zu zählen. Allerdings kommt die religiöse Konnotation hier nicht zum Tragen; vgl. S. 128f. Außerdem benennt salus (rei publicae) das Ziel der Verwünschung und überhöht es – wenngleich nicht aufgrund der religiösen Konnotation des Begriffs. Vgl. S. 128f., 132, 177f., 188f. Vgl. die – im Fall von impius … ac nefarius noch stärker als im Fall von scelus parricidiumque – an ein Hendiadyoin erinnernde Paarbildung. Vgl. dazu auch S. 214f.

›Gebet‹

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Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis.687 Im Detail weicht Cicero jedoch vom Usus des Gebets ab. Insbesondere nutzt er zur Formulierung der eigentlichen Bitte weder einen performativen Ausdruck688 noch einen auffordernden Imperativ, vielmehr drückt er sie in für Gebete, soweit ich sehe, singulärer, zumindest aber höchst ungewöhnlicher Form futurisch aus. Dies hat Folgen für den Tenor seiner Worte, die so zum Ausdruck sicherer Erwartung werden.689 Ob dies – zumal im Verein mit weiteren Zügen seiner Bitte, die man strenggenommen für gebetsunty-

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Im Bittgebet sucht man zunächst die Aufmerksamkeit der Gottheit zu erregen, indem man sie anruft. Um sicherzustellen, daß sich die richtige Gottheit angesprochen fühlt, kann diese invocatio, durch einen Relativsatz erweitert, Epiklesen und Charakteristika der Gottheit nennen. Darauf folgt die Bitte (preces). In literarischen Gebeten kann den preces, in Anlehnung an Gepflogenheiten der griechischen Welt, ein argumentierender Teil vorausgehen, seltener folgen; diese pars epica rechtfertigt die Bitte, indem sie etwa auf frühere Wohltaten der Gottheit verweist. Zum römischen Gebet vgl. etwa Guittard 1995; Champeaux 2001; Fyntikoglou, Voutiras 2005; Guittard 2007; Hickson Hahn 2007 (einführend); Freyburger 2006 (Forschungsstand); zusammenfassend Severus 1972; Graf 1998c; die Corpora bei Appel 1909; Chapot, Laurot 2001. Speziell zur formalen und sprachlichen Gestaltung Fyntikoglou, Voutiras 2005, 158–162; Guittard 2007. Da die Bitte im vorliegenden Fall auf Schadensabwehr und, angesichts der Bitte um Strafe für die Übeltäter, in gewisser Weise auch auf Schadensumlenkung zielt, kann man dieses Bittgebet genauer als precatio depulsoria ansprechen; zu precationes depulsoriae vgl. Fyntikoglou, Voutiras 2005, 157. … qui isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es constitutus, quem Statorem huius urbis atque imperi vere nominamus – der du unter denselben auspicia von Romulus ›eingesetzt‹ worden bist, unter denen diese Stadt gegründet wurde, den wir der Wahrheit gemäß Stator dieser Stadt und des Reichs nennen. … du wirst diesen da und seine Genossen von deinen und von den übrigen Tempeln, von den Häusern der Stadt und von den Mauern, vom Leben und vom Vermögen aller Bürger fernhalten und die den Guten feindlichen Leute, die Feinde der patria, die Räuber Italiens, die durch ein Bündnis der Verbrechen untereinander und durch eine ›unerlaubte‹ Gemeinschaft verbunden sind, mit ewig dauernden Martern als Lebende und als Gestorbene belegen. Auch in der sprachlichen Gestaltung nimmt Cicero Konventionen des Gebets auf. So erfolgt die nähere Charakterisierung Iuppiters in einem Relativsatz. Die Charakterisierung der Verschwörer ist redundant; die Redundanz dient aber doch der Genauigkeit der Bezeichnung. Mit arcere und mactare verwendet Cicero Begriffe, die in bestimmten Gebeten – in precationes depulsoriae bzw. in Opfergebeten – häufig Verwendung finden (vgl. dazu S. 223 bzw. S. 211). D.h. einen Begriff wie etwa precor oder obsecro, bei dessen Gebrauch der Vorgang, den der Begriff beschreibt, und der Vorgang selbst zusammenfallen: Sagt man ›ich bitte‹, so vollzieht man damit den Akt der Bitte. Zur Performanz von Gebeten vgl. Graf 2005b, 247; Hickson Hahn 2007, 236f. Zu dieser Semantik des Futur vgl. Hofmann 21972, §174 bα; Kühner, Stegmann 51976, §36.4; Menge 22005, §133 (5). Der Charakter der Bitte geht dadurch nicht verloren. Verglichen mit einer performativ vorgebrachten Bitte ist sie aber weniger emphatisch, verglichen mit einer mithilfe eines Imperativs vorgebrachten weniger fordernd. Vielmehr strahlt sie Zuversicht aus: Die Bitte wird in sicherer Erwartung ihrer Erfüllung geäußert. Ähnlich Criniti, der arcebis und mactabis als »futuri con valore esortativo-imperativo« erklärt. Anders Funaioli, der meint, die Futurformen drückten eine »umile domanda« aus. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund wird m.E. deutlich, daß die Sicht Gildenhards, der den Worten Ciceros den Charakter des Gebets gänzlich abspricht und sie ausschließlich als Voraussage auffaßt, zu kategorisch ist und seine Auffassung, Cicero verwandle sich hier in »a vates of sorts, a charismatic seer who has special access to divine plans of the future« (Gildenhard 2011, 277), zumindest etwas zu weit geht.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

pisch halten kann –690 seinen Worten den Charakter eines ›echten‹ Gebets nimmt, ist schwer einzuschätzen.691 Offenkundig ist dagegen, daß Cicero sich die Wirkungsmacht des Texttypus ›Gebet‹, d.h. letztlich, die Wirkungsmacht von Gebeten als Medien zwischenmenschlicher Kommunikation zunutze macht: Eine Gottheit anzusprechen, sie um Hilfe zu bitten und damit in menschliche Angelegenheiten zu involvieren, signalisiert, daß man der fraglichen Angelegenheit besondere Bedeutung beimißt, was wiederum die Aufmerksamkeit des Publikums steigert. Gleichzeitig suggeriert das Gebet die Glaubwürdigkeit des in ihm Ausgesagten und erhöht – nicht zuletzt – das Pathos, indem es dafür sorgt, daß man sich in einer Situation wähnt, der besondere Feierlichkeit angemessen ist.692

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So passen eher zu einem literarischen als zu einem ›echten‹ Gebet: zum einen der Hinweis auf frühere Wohltaten des Gottes (quem Statorem huius urbis atque imperi v er e nominamus) – er ist im Übrigen aus der nicht weiter ausgeführten pars epica in die invocatio verlagert, zum andern der hohe Grad an rhetorischer Stilisierung – auffallend ist die elliptische Formulierung qui isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es constitutus und die Änderung der üblichen Wortstellung constitutus es zugunsten der doppeltrochäischen Klausel (Dyck z.St.), zum dritten die nicht ganz konventionelle Art, in der Cicero die Epiklese des Gottes verstanden wissen will – man fragt sich, wie es da um die für das Gebet unabdingbare Eindeutigkeit seiner Adressierung (vgl. zu ihr Guittard 2005; Fyntikoglou, Voutiras 2005, 158f.) bestellt ist. 691 Die Freiheit, die sich Cicero in der formalen und stilistischen, außerdem in der inhaltlichen Gestaltung nimmt, könnte man immerhin auch damit zu erklären suchen, daß es sich hier um ein in einem speziellen Fall formuliertes, nicht um ein traditionelles Gebet handelt, außerdem um eines, das vielleicht erst im Zug der schriftlichen Fixierung der Rede derart literarisiert wurde. – Diese Unsicherheit der Einschätzung hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß wir nicht wissen, mit welchen Gesten Cicero seine Worte verband. Sollte er beispielsweise seine Worte mit einer Körperdrehung abgeschlossen haben (vgl. Fyntikoglou, Voutiras 2005, 163), könnte dies – vielleicht noch deutlicher als das Erheben der Hände zu Iuppiter, respektive zu seiner Statue – als Indiz für die ›Echtheit‹ des Gebets gelten. Dieser Unsicherheit entsprechend, fallen die Einschätzungen in der modernen Literatur höchst unterschiedlich aus. Sternkopf und Funaioli etwa sprechen Ciceros Worte ausdrücklich als Gebet an, Criniti tendiert offenbar auch in diese Richtung, Chapot, Laurot 2001, 266 führen sie in ihrem Corpus als Beispiel dafür an, daß es Tradition gehabt habe, eine Rede mit einem Gebet abzuschließen. Anders Dyck, der in Bezug auf arcebis und mactabis meint, anstelle eines abschließenden Gebets spreche Cicero zwei Prophezeiungen aus; ähnlich Batstone 1994, 259. Vgl. auch Appel 1909, der es nicht in sein Gebetscorpus aufgenommen hat. Die Einschätzung Gildenhards »Cicero’s address to Jupiter lacks any of the formal characteristics that would allow us to identify it as a prayer« (Gildenhard 2011, 275) trifft in dieser Rigorosität m.E. nicht das Richtige. Vgl. auch Fyntikoglou, Voutiras 2005, 153 zu der prinzipiellen Schwierigkeit, die Realitätsnähe literarischer und auch literarisch tradierter Gebete einzuschätzen. Vgl. außerdem den Befund oben S. 215 und 216ff. Vgl. last but not least Feeney 1998, 32–44, der am Beispiel von Hymnen die Frage nach der ›Echtheit‹ religiöser Texte selbst problematisiert. 692 Zudem kann ein Gebet das Wohlwollen des Publikums gegenüber dem Redner und seiner Position fördern (vgl. etwa Cic. inv. 1,22; de orat. 2,196) oder aber Abneigung gegenüber der gegnerischen Seite schüren (vgl. Cic. inv. 1,101: Topos der indignatio ist es, Autoritäten anzuführen; an erster Stelle nennt Cicero die Götter). So gesehen eignen sich Gebete grundsätzlich dazu, Reden abzuschließen, hat die peroratio neben der Aufgabe, die wichtigsten Argumente noch einmal in aller Kürze zu rekapitulieren, doch gerade die Funktion, Affekte zu erregen und zu steuern. Zur peroratio vgl. etwa Männlein-Robert 2003, 778–782; Winterbottom 2004. Cicero nutzte denn auch nicht nur am Ende der Ersten Catilinarischen Rede diesen Texttypus, sondern auch in den perorationes der zweiten Rede gegen Verres (5,184–189) und der Rede De domo sua (144f.). Vgl. auch den Abschluß der Zweiten und der Dritten Catilinarischen Rede: Hier empfiehlt Cicero den Quiri-

›Gebet‹

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Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie signifikant die Modifikation ist, die Cicero gegenüber dem üblichen Muster von Gebeten dadurch vornimmt, daß er die preces futurisch und damit als Ausdruck der sicheren Erwartung formuliert: Die Wirkungsmacht des Texttypus ›Gebet‹, genauer gesagt die Wirkungsmacht der Assoziationen, die er weckt, sorgt dafür, daß die Sicherheit, mit der Cicero die Erfüllung seiner Bitte erwartet, eindrucksvoll zur Geltung kommt und so – je nach Standpunkt des Rezipienten – entweder auch bei diesem Zuversicht weckt oder aber ausgesprochen bedrohlich wirkt.693 Dadurch, daß Cicero deutlich macht, er erwarte die Erfüllung seiner Bitte mit Sicherheit, erweckt er zudem den Eindruck, er pflege vertrauten, geradezu familiären Umgang mit Iuppiter.694 So reklamiert er besondere Nähe zu der angerufenen Gottheit und suggeriert, deren Haltung gegenüber Catilina stimme mit seiner eigenen überein. Selbstredend ist es jedoch nicht nur das Gebet in seiner Gesamtheit, das Botschaften transportiert, vielmehr geschieht dies auch durch die in ihm enthaltenen Einzelaussagen. Ausführlich gestaltet Cicero die invocatio: Er präzisiert die Anrufung Iuppiter nicht nur mit Hilfe einer Epiklese – der Epiklese Stator des Hausherrn des Tagungslokals nämlich –, sondern charakterisiert den angerufenen Gott als denjenigen, qui isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es(t) constitutus, quem Statorem huius urbis atque imperi vere nominamus. Mit der Erweiterung der – im Sinn des Kults – korrekten Epiklese Stator zur Epiklese Stator huius urbis schließt Cicero an die Charakterisierung des Gottes als antiquissimus custos huius urbis an, die er in §11 vorgenommen hat,695 und macht so erneut deutlich, daß er ihn weniger als Gottheit verstanden wissen will, die in einer akuten Krise die Standhaftigkeit der Verteidiger Roms wiederherstellt, als vielmehr als Gottheit, die für den ›festen Stand‹, die dauerhafte Stabilität der Stadt sorgt.696 Mit der Fortsetzung der Epiklese Stator huius urbis atque imperi führt Cicero diese Modifikation noch weiter: Aus dem Wächter und Beschützer der Stadt wird der Wächter und Beschützer der Stadt und ihres Herrschaftsbereichs.697 Folgt man dem Verständnis des Iuppiter Stator als custos urbis, ist auch die Aussage stimmig, Iuppiter sei isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo … constitutus, die – orientiert an dem etwa bei Livius und Dionysios von Halikarnassos tradierten Aition des Iuppiter Stator bzw. seines Heiligtums – kaum erklärbar wäre. Nun kann man nämlich verstehen, Iuppiter Stator sei von Romulus unter denselben Auspizien als custos urbis (atque im692

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ten zu beten (jeweils §29), wobei er im Fall der zweiten Catilinaria das Gebet gleichsam vorformuliert. Zu gebetsartigen Passagen in Reden allgemein vgl. auch Kuettler 1909; Chapot, Laurot 2001, 264–267. Vgl. auch hier den Befund S. 215. Ähnlich Criniti, der von »uso proprio del linguaggio familiare« spricht. Tatsächlich ist die futurische Formulierung einer Aufforderung nicht selten in, im wörtlichen Sinn, familiärem Umfeld angesiedelt und hat zuweilen auch umgangssprachlichen Charakter; vgl. die Beispiele bei Hofmann 21972, §174 bα und Kühner, Stegmann 51976, §36.4. Vgl. S. 145ff. Vgl. Vasaly 1993, 55. Auch wenn imperium hier territorial im Sinn von ›Römisches Reich‹ zu verstehen ist, bedeutet dies nicht, daß Cicero Iuppiter hier gleichsam zum Reichsgott macht; vielmehr ist Iuppiter custos der Stadt, also auch ihrer Herrschaft und, so gesehen, ihres Herrschaftsbereichs.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

peri) ›eingesetzt‹ worden, unter denen er auch die Stadt ›gegründet‹ habe,698 und muß nicht verstehen, Romulus habe Iuppiter Stator unter denselben Auspizien, unter denen er auch die Stadt gegründet habe, insofern eingesetzt, als er ihm Heiligtum und Kult als Stator im Sinn des Aition eingerichtet habe, was im Widerspruch zur Chronologie eben dieses Aition stünde.699 So unkonventionell, wie es vor dem Hintergrund der wirkungsmächtigen Bilder, die Livius und Dionysios von Halikarnassos zeichnen, aus heutiger Sicht zunächst den Anschein hat, ist die Charakterisierung des Iuppiter Stator als custos urbis (atque imperi) mit einiger Wahrscheinlichkeit jedoch nicht gewesen,700 dürfte folglich auch für die Rezipienten der Rede keine derart große Herausforderung dargestellt haben,701 wie man zunächst meinen könnte. Abgesehen von der grundsätzlichen Überlegung, daß es doch sehr überraschend wäre, wenn Cicero in der peroratio, d.h. an einer für den Erfolg der Rede insgesamt entscheidenden Stelle, auf eine Vorstellung bauen würde, die irritieren könnte,702 weisen auch folgende Indizien in diese Richtung: 1. Etymologische Überlegungen machen es wahrscheinlich, daß Ciceros Interpretation des Epithetons Stator, jedenfalls aus sprachgeschichtlicher Sicht, treffend ist.703 698

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Konkret soll man sich offenbar vorstellen, Romulus habe aufgrund derselben Auspizien, die zur Gründung der Stadt führten, die Gottheit, die ihm den Gründungsakt zugesprochen hat, als Schutzgottheit seiner Gründung betrachtet; ähnlich Vasaly 1993, 56. Zur Verbindung von constituere mit einem persönlichen Objekt vgl. etwa TLL 4, 510f. bzw. 514 s.v. constituo IA2 bzw. IIA1; speziell zur Vorstellung des deum constituere vgl. Cic. nat.deor. 2,62 utilitatum igitur magnitudine constituti sunt ei di qui utilitates quasque gignebant – auf Grund der Größe ihrer Nützlichkeiten sind diejenigen Götter ›eingesetzt‹ worden, die die Nützlichkeiten jeweils verursachten. Nicht nachvollziehbar erscheint mir die Kritik von Dyck 1994 an Vasaly: Warum sollte gelten »it is hard to see how Jupiter could be ›established‹ in either of these ways« – gemeint sind OLD Nr. 5 (establish [a person], make) und Nr. 8 (appoint [a person])? Letztlich muß man constitutus es(t) ja auch, wenn man diese Formulierung – so wie Dyck – als Referenz auf die Einrichtung des Kults verstehen will, so auffassen: Iuppiter wird in den Besitz des Tempels, in seine Rechte als Empfänger eines Kults eingesetzt. Das Heiligtum wurde auf ein Gelübde des Romulus zurückgeführt, das dieser im Zug der Auseinandersetzung mit den Sabinern geleistet habe, und damit zeitlich deutlich von der Gründung der Stadt abgerückt. Ebenso Vasaly 1993, 55f. – Im Bestreben, diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen, muß man isdem auspiciis also weder als rhetorische Übertreibung (Sternkopf ) noch als »écart chronologique insignifiant« (Haury) zu erklären suchen, noch Zuflucht zu der Erklärung nehmen, isdem auspiciis sei nicht technisch, sondern im Sinn von ›unter derselben Herrschaft‹ zu verstehen (Dyck). So aber Vasaly 1993, 57, die meint, es sei unwahrscheinlich, daß die Interpretation des Kultnamens, die Cicero hier vornehme, im allgemeinen Bewußtsein gewesen sei, und jüngst Gildenhard 2011, 274f., der diese Interpretation als »unorthodox piece of theology« wertet. Zu denken ist nicht nur an die Herausforderung, während der Rede augenblicklich die Charakterisierung qui isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es(t) constitutus, quem Statorem huius urbis atque imperi vere nominamus zu verstehen, sondern vor allem daran, sie – zumal im tendenziell konservativen Kontext eines Gebets (vgl. dazu etwa Fyntikoglou, Voutiras 2005, passim, bes. 160–162) – zu akzeptieren und dann dem Gedankengang in Ciceros Sinn zu folgen. Ebenso Dyck 1994. Pariente 1974: Das Epitheton Stator sei nicht auf sistere, sondern auf stare zurückzuführen, habe also auch nicht transitiven Sinn, sondern meine ursprünglich tatsächlich den custos bzw. den conservator der urbs – so, wie es im Übrigen die Aufgaben des militärischen stator spiegeln, der Bote, Leibwächter oder in einer Eskorte Diensttuender ist.

›Gebet‹

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2. Der Gedanke, Romulus habe die Gottheit, die ihm den Gründungsakt zugesprochen hat, als Schutzgott seiner Gründung angesehen, ist letztlich auch Livius nicht fremd: Bei seinem votum, Iuppiter als Stator einen Tempel zu weihen, wendet sich Romulus unter Verweis darauf an den Gott, daß er die Stadt auf Geheiß der von ihm, Iuppiter, gesandten Vögel gegründet habe. Damit stellt auch Romulus respektive Livius einen Konnex zwischen der Gründung der Stadt und der aktuellen Bitte um Hilfe her.704 3. In späterer Zeit sollte man die Epiklese Stator in einer Weise erklären, die der Interpretation, die Cicero hier vornimmt, recht nahe kommt: Seneca wandte sich ausdrücklich gegen die Erklärung, der Name des Iuppiter Stator rühre daher, daß er ein fliehendes Heer zum Stehen gebracht habe; ›festen Stand gebender‹ (stator) und ›den festen Stand erhaltender‹ (stabilitor) sei er vielmehr, weil alle Dinge aufgrund seiner Wohltat ›festen Stand haben‹ (stant).705 Die Charakterisierung des Iuppiter als der Gottheit, die sowohl die Gründung der Stadt veranlaßt, als auch für ihren Fortbestand gesorgt hat, die also auf zweifache Weise mit ihrer Existenz verbunden ist, bewirkt zweierlei: Zum einen signalisiert ihre Anrufung noch deutlicher, Rom sei einer existentiellen Gefahr ausgesetzt, als dies der Fall wäre, würde Cicero es seinem Publikum erlauben, an Iuppiter Stator lediglich als an denjenigen zu denken, der Fliehende dazu bringt, sich doch dem Kampf zu stellen. Zum andern sorgt sie dafür, daß man Cicero erneut als menschliches Pendant des custos Iuppiter wahrnimmt: Wiederholt – zuletzt und ausführlich in den §§27–32– hatte er sich selbst als derjenige präsentiert, der über das Wohlergehen der Stadt wacht.706 Im ersten Teil der zweigliedrigen preces bittet Cicero Iuppiter, Catilina und seine Genossen von den Tempeln, von den Häusern und Mauern der Stadt, vom Leben und Vermögen der Bürger fernzuhalten. Dabei wählt Cicero mit arcere einen für precationes depulsoriae typischen Begriff: Arcere kann geradezu als Formelverb angesprochen werden.707 So gesehen könnte man die Übereinstimmung, die hier zwischen seinem Gebet und dem votum besteht, das Livius anläßlich der Schilderung der Auseinandersetzung zwischen Römern und Sabinern Romulus in den Mund legt,708 für schieren Zufall halten, will heißen, für eine rein 704

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Liv. 1,12,4–6: ›Iuppiter, tuis‹ inquit ›iussus avibus hic in Palatio prima urbi fundamenta ieci … At tu, pater deum hominumque, hinc saltem arce hostes, deme terrorem Romanis fugamque foedam siste. Hic ego tibi templum Statori Iovi, quod monumentum sit posteris tua praesenti ope servatam urbem esse, voveo.‹ Gleichsam in Reinform begegnet Iuppiter Stator jedoch in der Formulierung des Gelübdes, auf das der Bau der aedes im Jahr 294 v.Chr. (vgl. S. 146 Anm. 296) zurückzuführen ist: consul manus ad caelum attollens voce clara … templum Iovi Statori vovet, si constitisset a fuga Romana acies redintegratoque proelio cecidisset vicissetque legiones Samnitium (Liv. 10,36,11). Benef. 4,7,1: Iovem illum optimum ac maximum rite dices et tonantem et statorem, qui – non, ut historici tradiderunt, ex eo, quod post votum susceptum acies Romanorum fugientium stetit, sed quod stant beneficio eius omnia –, stator stabilitorque est. Diese Parallelisierung der Rollen, die einerseits Iuppiter, andererseits Cicero für die Stadt spielen, findet in gewisser Weise in der familiären Art ihre Fortsetzung, in der Cicero im Folgenden seine an Iuppiter gerichtete Bitte formuliert; vgl. dazu S. 221. So Fyntikoglou, Voutiras 2005, 157; anders Hickson 1993, 84f., deren Überlegungen allerdings mit Ogilvie 1965, 78 verbunden sind (s.u. Anm. 711). Romulus fordert Liv. 1,12,5 von Iuppiter nicht nur deme terrorem Romanis fugamque foedam siste – nimm den Römern den Schrecken und bringe die schimpfliche Flucht zum Stehen, sondern auch hinc saltem arce hostes – von hier wenigstens halte die Feinde fern.

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IV. Religiöses in der Ersten Catilinarischen Rede

terminologische Parallele.709 Die Tatsache, daß Cicero seine Bitte jedoch in eben jenem Heiligtum formuliert, das auf dieses votum des Romulus zurückgeführt wurde, Cicero die angerufene Gottheit zudem in der invocatio ausdrücklich mit Romulus in Verbindung gebracht hat, macht es wahrscheinlich, daß Cicero mit seiner Wortwahl an dieser Stelle des Gebets an das landläufige Aition des Tempels und damit an Iuppiter Stator im Sinn der Epiklese des Gottes im Kult denken lassen wollte.710 Hat Cicero in der invocatio mit der Erweiterung des Wirkungsbereichs des Iuppiter Stator operiert, so führt er diesen in den preces mit der Formulierung hunc et huius socios … arcebis wieder auf den Aspekt des Gottes zurück, dem der Kult gilt.711 Für Cicero selbst bedeutet diese Fokusierung gleichsam einen Rollenwechsel innerhalb des Szenario. Konnte man ihn zunächst als Pendant des Iuppiter Stator, will heißen ›Custos‹ wahrnehmen, so nun als Pendant des Romulus: Wie einst Romulus,712 so bittet nun Cicero den Gott, die Feinde fernzuhalten. Daß auch in dieser Parallelisierung eine Überhöhung seines Handelns und letztlich auch eine Überhöhung seiner Person liegt, ist offenkundig.713 709

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Vgl. beispielsweise auch Liv. 5,18,11f. … obsecrationes in templis factae precibusque ab dis petitum, ut exitium ab urbis tectis templisque ac moenibus Romanis arcerent Veiosque eum averterent terrorem … Sollte die Bitte arce hostes bereits in der Zeit Ciceros nicht nur dem Sinn, sondern auch dem Wortlaut nach Bestandteil dessen gewesen sein, wie man sich das Gebet des Romulus vorstellte, dürfte dieser Gedanke mit umso größerer Sicherheit aufgekommen sein. Anders Vasaly 1993, 57, deren auf Ogilvie 1965, 78 (»arceo is used, here [sc. Liv. 1,12,5] as elsewhere, as a technical form of keeping profani at a distance«) gestützte Argumentation zur Aussagekraft von arcere in Ciceros Gebet mir aber nicht nachvollziehbar erscheint. Darauf, daß man die Doppelrolle – in einer solchen sieht auch Vasaly Iuppiter Stator –, die Cicero den Gott in seinem Gebet spielen läßt, aufzunehmen wußte, weist Vasaly 1993, 58f. hin: Der Autor der wohl aus der ersten Hälfte des 2. Jh. n.Chr. stammenden pseudociceronischen Oratio pridie quam in exilium iret imitiert in §24 (de Marco) zunächst Ciceros Modifikation der Epiklese des Gottes, kombiniert sie dann aber mit einem deutlichen Hinweis auf das Aition des Tempels und erinnert damit noch innerhalb der invocatio an das landläufige Verständnis der Epiklese: … teque, Iuppiter Stator, quem vere huius imperii statorem maiores nostri nominaverunt, cuius in templo hostilem impetum Catilinae reppuli a muris, cuius templum a Romulo, victis Sabinis, in Palati radice cum Victoriae est conlocatum, oro atque opsecro … (Maria de Marco, M. Tulli Ciceronis oriationes spuriae. Pars prior, Mailand 1991). Vgl. Vasaly 1993, 53f.; Beard, North, Price 1998, 138f. Tatsächlich ist hier der Beginn der Selbststilisierung Ciceros als Romulus alter zu sehen, wenngleich Cicero an dieser Stelle – verglichen etwa mit Cat. 3,2 – geradezu subtil vorgeht. Diese Stilisierung sollte dann freilich denjenigen in die Hände spielen, die Cicero maßlose Selbstüberschätzung oder aber tyrannisches Gebaren vorwerfen wollten. So bot sie beispielsweise dem Autor der Invectiva in Ciceronem den Ansatzpunkt zu seiner sarkastischen Frage oro te, Romule Arpinas, qui egregia tua virtute omnis Paulos, Fabios, Scipiones superasti, quem tandem locum in civitate obtines? (§7). Zu den widersprüchlichen Assoziationen, die die Figur des Romulus wecken konnte – Gründer Roms, aber auch rex im negativen Sinn des Wortes – und entsprechend zu ihrer propagandistischen Nutzung unter völlig gegensätzlichen Vorzeichen, gerade in den letzten Jahren der Republik und zu Beginn des Principats, vgl. etwa Alföldi 1950–1954, 14–39; Schilling 1960; Classen 1962; Weinstock 1971, 177–184; von Ungern-Sternberg 1993; von Ungern-Sternberg 1998b; von Ungern-Sternberg 2000, 43–47; Fraschetti 2002, 85–112. Zur Gestaltung und Funktion der Figur des Romulus bei Cicero allgemein vgl. etwa Klein 1962; Krämer 1965, 358– 362; Knoche 1966; Borzsák 1975; Samotta 2008, 59–85. Zur Selbststilisierung Ciceros als Romulus und den Angriffsflächen, die er seinen Gegnern damit bot, vgl. etwa Jocelyn 1984, 43f.;

›Gebet‹

225

Im zweiten Teil der preces bittet Cicero Iuppiter, die Verschwörer zu strafen. Dabei bezeichnet er diese unter anderem als hostes patriae und als latrones Italiae, außerdem als scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniuncti. Mit diesen Bezeichnungen greift Cicero zentrale Vorwürfe auf, die er im Lauf der Rede gegen Catilina und seine Mitstreiter entwikkelt hat: so den Vorwurf der impietas und den der Separation714 – Vorwürfe, die nicht zuletzt auch religiöse Implikationen haben.715 Dank ihrer Einbettung in das Gebet kommen diese Vorwürfe am Ende der Rede noch einmal besonders eindrucksvoll zur Geltung. Zudem suggeriert diese Einbettung, an der Berechtigung der Vorwürfe sei nicht zu zweifeln.716 Verstärkt wird diese Suggestion dadurch, daß Cicero Iuppiter mit der Formulierung tu Iuppiter … aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis als strafenden Gott anruft: Geht es um Bestrafung, so ist offenbar erwiesen, daß die Vorwürfe zu Recht vorgebracht werden. Kaum zu überhören ist die – faktisch ganz auf das Jetzt zielende – Drohung, die in der Bitte liegt, Iuppiter möge die Verschwörer als Lebende und als Gestorbene mit ewig dauernden Martern belegen: Deutlich genug hat Cicero zuvor die Rolle, in der er sich sieht, mit der Rolle Iuppiters als custos urbis parallelisiert. Deutlich genug verweist der Gebrauch des Ausdrucks suppliciis mactare im vorliegenden Zusammenhang auf Ciceros Bereitschaft, notfalls gestützt auf die coercitio unter Hintansetzung der bürgerlichen Rechte gegen die Verschwörer vorzugehen.717 Daß die Vorstellung, man habe auch nach dem Tod Strafe zu gewärtigen, mit der Cicero bei der Formulierung seiner Bitte operiert, nicht etwa unumstritten war,718 tut der Wirkungsmacht des Bildes der aeterna supplicia und damit Ciceros Psychagogie keinen Abbruch: Hier geht es nicht um die Frage, was die Menschen im Jenseits tatsächlich zu erwarten haben, sondern allenfalls darum, was Cicero im Fall Catilinas und seiner Mitstreiter für wünschenswert hält. Insbesondere geht es aber darum, mactare, dem letzten Wort der Rede, und damit der Drohung Ciceros einen möglichst effektvollen Nachhall zu verschaffen. 713

714 715 716 717 718

Habicht 1990, 46f.; auch Havas 2000, wenngleich manche seiner Einschätzungen zu prononciert, im Detail zum Teil auch nicht nachvollziehbar sind, so beispielsweise die Auffassung, Cicero habe bereits mit der Wahl des Tagungslokals eine Parallele zwischen seiner Person und der des Romulus suggerieren wollen (S. 74), oder die Behauptung, von der Parallelisierung ›Cicero – Romulus‹ finde sich in der tradierten Version der Catilinarischen Reden keine eindeutige Spur (S. 73). Vgl. auch Buchheit 1969, der – insbesondere die dritte Catilinaria analysierend – mit guten Gründen zu überlegen gibt, daß sich Cicero tatsächlich nicht als Romulus alter, vielmehr »in entschiedener Steigerung als … Vollender dessen, was Romulus begonnen hat« (S. 235) präsentiert. Impietas: vgl. S. 235; Separation: vgl. S. 236. Vgl. wiederum S. 235f. (mit den entsprechenden Verweisen). Anders der in der Bezeichnung der Verschwörer als bonorum inimici enthaltene gleichsam rein politische Vorwurf. Vgl. dazu S. 220. Vgl. dazu S. 212. Vgl. Cic. Cat. 4,8; Sall. Cat. 51,20; 52,13: In der Auseinandersetzung um die Frage, ob die in Rom verbliebenen führenden Catilinarier hingerichtet werden sollen, argumentierte Caesar offenbar unter anderem damit, daß man in der Unterwelt keine Strafe zu erwarten habe. Vgl. außerdem etwa Cic. Cluent. 171 (Strafen in der Unterwelt: das sind ineptiae ac fabulae und falsa); Cic. Tusc. 1,10f.; anders aber etwa Cic. Phil. 14,32. Weitere Belege für beide Positionen bei Cumont 1922, 83–90. Allgemein zu Jenseitsvorstellungen etwa Cumont 1922; Gladigow 1980; Bernstein 1993, 21–129; Habermehl 1996.

Kapitel V

Ergebnisse und Ausblick

1. Sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem Fragt man, welche sprachliche Basis die Präsenz von Religion in der Ersten Catilinarischen Rede hat, so ist zunächst folgendes festzustellen: 1. Cicero verwendet sprachliche Gebilde, die, grob gesprochen, per se ›mit Religion zu tun haben‹ oder jedenfalls ›mit Religion zu tun haben‹ können.1 Diese sprachlichen Gebilde sind von unterschiedlicher Komplexität. Größtenteils handelt es sich um einzelne Begriffe,2 daneben um zusammengesetzte Ausdrücke,3 um feststehende Wendungen,4 aber auch um vielschichtige Texte.5 Mit ›Religion zu tun‹ haben sie in unterschiedlicher Weise: Teils sind sie Bezeichnungen für Elemente des Kults oder für Dinge, die zumindest in weiterem Sinn Religion zugeordnet werden können, teils entstammen diese sprachlichen Gebilde selbst der religiösen Kommunikation. Bei den Bezeichnungen für Elemente des Kults handelt es sich um Verba und Substantiva, die kultisches6 und divinatorisches7 Handeln 1

2

3 4 5 6

7

In der folgenden Aufstellung sind alle sprachlichen Gebilde berücksichtigt, bei denen dies der Fall ist – zunächst unabhängig davon, ob der Bezug auf Religion an jeder Stelle des Auftretens des jeweiligen Gebildes, nur an einem Teil der Stellen oder aber gar nicht zum Tragen kommt, außerdem zunächst unabhängig davon, mit wie großer Sicherheit dieses Zum-Tragen-Kommen jeweils feststellbar ist. Zu Differenzierungen vgl. S. 229ff. Um das Gesamtbild, das so von der thematischen Vielfalt, aber auch von der quantitativen Dimension der Bezüge auf Religion in dieser Rede entsteht, nicht zu verfälschen, sind die sprachlichen Gebilde, bei denen der Bezug auf Religion mit größter Wahrscheinlichkeit überhaupt nicht zum Tragen kommt, jedoch in eckige Klammern gesetzt. Zum metasprachlichen Begriff ›Religion‹ selbst vgl. S. 31f. Altaria, amplissimus, auspicia, bacchari, caedes, [commovere], coniurati, coniuratio, [consulere], defigere, deprecari, detestari, devovere, [dextera], foedus, fortuna, furiosus, furor, [gladiator], impius, initiare, [inlecebra], mactare, nefarius, omina, parricida, parricidium, patria, placare, polliceri, purgare, quaesere, [responsum], sacra, sacrarium, [salus], sanctissimus, scelerate, scelerati, scelus, sodalis, supplicium, templum, venerari, vereri, [vitium]. Letztlich sind hier auch die Begriffe latrocinium bzw. latrones zu nennen. Fortuna populi Romani, Iuppiter Stator, pontifex maximus, spiritus caeli. O di immortales!, [me hercule]. Stoßgebet, Gebet, Hymnos, Verwünschung. Bacchari, [commovere], defigere, deprecari, detestari, devovere, initiare, mactare, placare, purgare, quaesere, venerari. – Caedes, furor (verstanden als Raserei des Thiasos des Dionysos), [inlecebra], supplicium. [Consulere], polliceri. – Auspicia, omina, [responsum].

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V. Ergebnisse und Ausblick

– oder Aspekte davon – bezeichnen, um Begriffe, die Realia des Kults,8 Kult an sich9 und Adressaten kultischer Verehrung10 benennen. Begriffe, die Dinge bezeichnen, die zumindest in weiterem Sinn Religion zugeordnet werden können, benennen Eigenschaften und Haltungen,11 Abstracta, Personifikationen und Vorstellungen,12 Personen und Verbindungen von Personen in bestimmter Funktion oder Rolle.13 Bei den sprachlichen Gebilden, die religiöser Kommunikation entstammen, handelt es sich um eine Anrufung der Götter,14 um einen Ausdruck der Beteuerung,15 um an Stoßgebete,16 Gebete,17 Hymnen18 und Verwünschungen19 gemahnende Äußerungen. Außerdem finden sich Begriffe, die Dinge bezeichnen, die gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen ›mit Religion zu tun‹ haben: Handlungsweisen, die zu korrektem religiösem Verhalten in Widerspruch stehen, Eigenschaften, die aus derartigen Handlungen erwachsen, Personen, die so handeln.20 Die Begriffe, die ›mit Religion zu tun haben‹, sind teils spezifisch religiöse termini technici,21 teils – und dies in deutlich größerer Zahl – religiös konnotierte22 Begriffe. Die Bandbreite der religiös konnotierten Begriffe umfaßt dabei termini, die, neben anderen Funktionen, die sie haben, auch religiöse termini technici sind,23 Begriffe, die – ohne dabei regelrecht Fachbegriffe zu sein – unter anderem eben auch in religiösem Zusammenhang benutzt werden,24 Begriffe, die etwas bezeichnen oder für etwas stehen, das einen religiösen Kern hat oder zumindest zuzeiten hatte,25 Begriffe, die Dinge bezeichnen, die gleichsam aus der normalmenschlichen Sphäre herausgehoben sind – bis hin zu Abstracta, deren Personifikationen kultisch verehrt wurden,26 Be8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Altaria, sacrarium, templum. Sacra. Iuppiter Stator, Fortuna populi Romani. Amplissimus, sanctissimus. – Vereri. Fortuna, [salus]. – Patria. – Furor (verstanden als Wahnsinn, der eine Bestrafung durch die Götter darstellt), spiritus caeli, die Vorstellung, im Jenseits drohe Strafe. Pontifex maximus; coniurati, sodalis. – Coniuratio, foedus. O di immortales! [Me hercule]. Utinam tibi istam mentem di immortales duint! Vgl. §33. Vgl. §18. Vgl. §33. Scelerate (suscipere). – Parricidium, scelus, [vitium]. – Impius, nefarius. – Parricida, scelerati. Auch die Begriffe latrocinium bzw. latrones sind hier zu nennen. Altaria, auspicia, devovere, impius, initiare, omina, pontifex maximus, sacra, sacrarium, templum, venerari. Zum Begriff der Konnotation vgl. S. 28 Anm. 72. Bacchari, defigere, furor (verstanden als Raserei des Thiasos des Dionysos), [inlecebra], mactare, nefarius, placare, purgare, quaesere, sodalis, [vitium]. Amplissimus, caedes, [commovere, consulere], deprecari, detestari, furor (verstanden als Wahnsinn, der eine Bestrafung durch die Götter darstellt), polliceri, [responsum], supplicium. Coniurati, coniuratio, [dextera, gladiator], foedus. Furiosus und letztlich auch latrocinium bzw. latrones mag man ebenfalls zu diesen Begriffen zählen. Patria . – Fortuna, [salus].

1. Sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem

229

griffe, die Eigenschaften bezeichnen, die besonders auch Götter auszeichnen,27 Begriffe, die mit der Charakterisierung des Verhaltens von Menschen den Göttern oder anderen ähnlich übergeordneten ›Wesen‹ gegenüber in Verbindung stehen.28 2. Cicero gestaltet beschreibend Szenen, die ›mit Religion zu tun haben‹, indem er in seiner Rede mit der Schilderung bzw. mit der Imaginierung religiöser29 bzw. religiös konnotierter30 Handlungen operiert, außerdem mit der Schilderung von Handlungen, die so geartet sind, daß sie an religiöses Handeln denken lassen.31 So evoziert Cicero mit der Feststellung, er wisse nicht, in welche bzw. mit welchen sacra Catilina den Dolch ›eingeweiht und gelobt‹ habe, mit dem er ihn zu ermorden versuche, eine Szene, die Catilina bei kultischen Handlungen – bei einer Einweihung bzw. bei einem Gelübde – zeigt. Mit den Behauptungen, Catilina pflege zu einem silbernen Adler, dem in seinem Haus ein Heiligtum eingerichtet gewesen sei, zu beten, wenn er sich zum Morden aufmache, und Catilina habe seine rechte Hand oft vom Altar des Adlers zum Mord an Bürgern gewandt, stellt Cicero Catilina als in zweifacher Hinsicht kultisch Handelnden vor: Er hat einen Kult samt Altar, Kultbild und Kultstätte installiert, er ist in diesem Kult mit Opfern und Gebeten aktiv. Die Feststellung, das Verderben, das Catilina gegen ›uns alle‹ erdacht habe, hätte schon längst gegen diesen gewendet werden müssen, beinhaltet die Schilderung einer Handlung – Verderben von sich auf den Gegner lenken –, die in anderen Fällen mit Handlungen kultischer Art, einer devotio etwa, assoziiert ist. Mit der Behauptung, Catilina stürze die Tempel der unsterblichen Götter ins Verderben und in Verödung, gestaltet Cicero eine Szene, die gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen ›mit Religion zu tun hat‹ und Handlungen Catilinas imaginiert, die den Interessen der Götter zuwiderlaufen. 3. Cicero gestaltet handelnd Szenen, die ›mit Religion zu tun haben‹, indem er in seiner Rede mit religiösen bzw. religiös konnotierten Sprechakten operiert. Dies geschieht, wo er sprachliche Gebilde verwendet, die der religiösen Kommunikation entstammen;32 dies geschieht aber auch, wo er seine eigenen Worte als omina bezeichnet und damit als Vorzeichen wertet.33 Während es im Fall der spezifisch religiösen termini technici, der sprachlichen Gebilde, die religiöser Kommunikation entstammen, und der oben angesprochenen Szenen, die Cicero 27 28 29 30 31 32 33

Sanctissimus. Vereri, aber auch parricidium, parricida, scelus, scelerate, scelerati. Quae (sc. sica) quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio; aquila … cui … sacrarium constitutum fuit … quam venerari … solebas, a cuius altaribus … Templa deorum immortalium … ad exitium et vastitatem vocas. Auch sanguine se … contaminare kann man hier anführen. … oportebat, in te conferri pestem istam quam tu in nos omnis iam diu machinaris. Vgl. oben S. 228: Anrufung der Götter, [Ausdruck der Beteuerung], Stoßgebet, Gebet, Hymnos, Verwünschung. Eine Spielart dieser Gestaltung von Szenen, die ›mit Religion zu tun haben‹, stellt die Feststellung dar, den Göttern, zumal Iuppiter Stator, gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei (magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori … gratia). Hier führt Cicero zwar nicht eine Situation herbei, in der man sich tatsächlich an die Götter wendet oder sich zumindest sprachlicher Formen bedient, die an einen derartigen Akt gemahnen; Cicero führt seinen Rezipienten gleichwohl die Szene eines Dankgebets vor Augen – eine Szene, an der man als Rezipient gleichsam selbst beteiligt ist.

230

V. Ergebnisse und Ausblick

verbal schildernd oder durch Sprechakte inszenierend gestaltet, offenkundig ist, daß diese ›mit Religion zu tun‹ haben,34 ist dies bei religiös konnotierten Begriffen nicht a priori erkennbar. In ihrem Fall kann man die Frage ›ist hier ein Begriff verwendet, der etwas ›mit Religion zu tun hat‹?‹ nicht von der Frage ›kommt es in der Argumentation auf dieses Religiöse an?‹ trennen. Ob der Begriff an der jeweiligen Stelle tatsächlich etwas ›mit Religion zu tun‹ hat, hängt vielmehr davon ab, ob seine religiöse Konnotation zum Tragen kommt; dies wird wiederum ganz wesentlich vom Kontext bestimmt. Mit einiger Sicherheit kommt in der Ersten Catilinarischen Rede die religiöse Konnotation folgender Begriffe zum Tragen:35 bacchari, deprecari, detestari, foedus, fortuna, furor und furiosus, latrocinium, mactare, nefarius, parricidium und parricida, patria, placare, purgare, quaesere, scelus und scelerati, spiritus caeli, vereri; nicht ausgeschlossen ist dies außerdem bei amplissimus, caedes, coniuratio und coniurati, polliceri, sanctissimus, scelerate, sodalis und supplicium.36 Dabei kommt die religiöse Konnotation des jeweiligen Begriffs, setzt Cicero ihn mehrfach ein, jedoch nicht notwendigerweise an jeder Stelle seiner Verwendung zum Tragen; dies ist bei latrocinium respektive latrones, nefarius, fortuna, furor, vereri und wohl auch bei polliceri, sanctissimus und supplicium zu beobachten.37 Daß die religiöse Konnotation des jeweiligen Begriffs mit großer Sicherheit nicht zum Tragen kommt, ist dagegen bei commovere, consulere, dextera, gladiator, inlecebra, responsum, salus38 und bei vitium der Fall. In einigen Fällen sorgt dabei nicht – ganz allgemein – der Kontext dafür, daß die religiöse Konnotation eines Begriffs zum Tragen kommt, vielmehr bewirkt dies – ganz speziell – 34

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Daß das ›Zu-tun-haben-mit-Religion‹ in diesen Fällen gleichsam automatisch argumentativ wirksam wird, ist damit jedoch nicht gesagt. Dies zeigt insbesondere das Beispiel ›me hercule‹. Dies zeigt sich aber auch am Beispiel des terminus technicus ›pontifex maximus‹. Diesen terminus setzt Cicero argumentativ ein, nicht damit er durch seinen religiösen Inhalt wirkt, indem er an die religiöse Komponente erinnert, die das Handeln des pontifex maximus Scipio gehabt hatte, sondern damit er ein politisch-gesellschaftliches Argument transportiert: Die Erwähnung des Priesteramts soll die gesellschaftliche und politische Akzeptabilität seines Trägers erweisen. Schließlich ist es auch bei ›bacchari‹ vorstellbar, daß der Begriff nicht so sehr oder jedenfalls nicht ausschließlich aufgrund seiner religiösen Konnotation, sondern, in Erinnerung an die Vorgänge des Jahres 186 v.Chr., auch als Transportmittel eines politischen Inhalts wirkte. Im Rahmen dieser Zusammenstellung genauer zu differenzieren und etwa Fälle, in denen die religiöse Konnotation mit großer Sicherheit zum Tragen kommt, von solchen zu scheiden, in denen dies nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Fall ist, ist m.E. nicht sinnvoll: Zu groß ist die Bandbreite der Nuancen; sie stärker zu kategorisieren, hieße, sie gewaltsam in ein Schema zu pressen. So sei hier auf die Interpretation der einzelnen Stellen in Kapitel IV zurückverwiesen. Darüber hinaus ist dies bei defigere anzunehmen, sollte der Begriff im Jahr 63 schon seine religiöse Konnotation gehabt haben. Latrocinium, latrones: mit einiger Sicherheit kommt die religiöse Konnotation in §23 zum Tragen (›ja‹), nicht jedoch (›nein‹) in den §§27; 31; 33. Nefarius: §§11; 25; 33 ›ja‹, §6 ›nein‹ (allenfalls spielt die religiöse Konnotation hier eine ganz untergeordnete Rolle). Fortuna: in §15 und beim ersten Auftreten in §25 ›ja‹, beim zweiten Auftreten in §25 ›nein‹. Furor: §15 ›ja‹, §§1; 2; 22; 31 ›nein‹. Vereri: §17 ›ja‹, §§5; 29 ›nein‹. Polliceri: §32 ›ja‹, §9 ›nein‹. Sanctissimus: §29 ›ja‹, §9 ›nein‹. Supplicium: §§27; 33 ›ja‹, §§3; 20; 28 ›nein‹. Im Fall von parricidium, patria und scelus und wohl auch von mactare kommt die religiöse Konnotation des Begriffs dagegen an jeder Stelle seiner Verwendung zum Tragen. Caedes und coniuratio entziehen sich dieser Kategorisierung, da die religiöse Konnotation dieser Begriffe erst unter dem Gesamteindruck der Rede geweckt wird. Vgl. aber S. 234, 246.

1. Sprachliche Basis der Argumentation mit Religiösem

231

ein anderer religiös konnotierter Begriff. So wird die religiöse Konnotation von furor – verstanden als Wahnsinn, der von den Göttern verhängten Strafe – durch die Zusammenstellung mit scelus geweckt (§15), die von latrocinium durch die Charakterisierung als impium (§23), die von furiosus durch die Verflechtung mit bacchari (§§25f.), die von parricidium und patria wechselseitig durch den jeweils anderen Begriff – unter dem Eindruck der Parallelisierung der patria mit parentes (§17).39 Im Fall von mactare (§§27; 33) ist es ganz wesentlich die Kombination mit supplicium, die dafür sorgt, daß man – mit einiger Wahrscheinlichkeit – die religiöse Konnotation des Begriffs hört. In anderen Fällen sorgt bemerkenswerterweise nicht etwa der unmittelbare Zusammenhang, in dem ein Begriff Verwendung findet, dafür, daß dessen religiöse Konnotation zum Tragen kommt, vielmehr bewirkt dies erst der weitere Kontext.40 So sorgt dafür, daß in §29 die religiöse Konnotation von parricida aufscheint, die persönliche Geschichte Catilinas, die Cicero im Lauf der Rede immer wieder angesprochen hat; dafür, daß wohl auch diejenige von sanctissimus zum Tragen kommt (§29), die Überhöhung, die die patria erfahren hat. Auf das Verständnis von nefarius dürfte im Lauf der Rede immer deutlicher Einfluß nehmen, was Cicero auch an nicht mit der Verwendung dieses Begriffs in Verbindung stehenden Stellen deutlich macht: Die coniuratio steht dem Interesse und dem Willen der Götter entgegen. Nicht unwahrscheinlich ist, daß Cicero dadurch, daß er im Lauf der Rede der coniuratio (pervertiert-)religiöse Züge verlieh, den Gedanken nahelegte, sie basiere tatsächlich auf einem Eid, und so den religiösen Kern des Begriffs – wie auch den des Begriffs coniurati – aktivierte. Die Bezeichnung der Verschwörer als Menschen, die durch ein foedus miteinander verbunden sind (§33), dürfte in dieselbe Richtung gewirkt haben, da der Begriff foedus – zumal eingebettet in die Formulierung homines… scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniuncti – seinerseits mit einiger Wahrscheinlichkeit an eine Eidesleistung denken ließ. Angesichts des Bildes, das Cicero im Lauf der Rede insgesamt von Catilina und der coniuratio entwirft, ist es nicht unwahrscheinlich, daß seine Opfer auch als Opfer eines bacchantisch – und damit religiös – angehauchten furor erscheinen. So ist es auch nicht ausgeschlossen, daß der Begriff caedes, gleichsam rückwirkend, seinen religiösen Beiklang entfaltet, obwohl dieser an keiner der Stellen, an denen Cicero ihn verwendet (§§2; 3; 6; 7; 16; 24), aufscheint, betrachtet man diese isoliert. Die zweite religiöse Konnota39

40

Vgl. auch die Wirkung des terminus technicus ›omina‹: Er verleiht einer Aufforderung den Charakter einer Prophezeiung (§33) und läßt möglicherweise auch – rückwirkend – die religiöse Konnotation von polliceri (§32) aufscheinen. Vgl. außerdem die modifizierende Wirkung, die wohl von nefarius in §33 ausgeht: Bei der Bezeichnung des bellum als impium ac nefarium sorgt die Charakterisierung als nefarium dafür, daß man nicht nur versteht, das bellum laufe der pietas, die man seinen Mitbürgern, sondern auch der pietas, die man den Göttern schuldet, zuwider. Ein ähnliches Phänomen ist im Zusammenhang mit exsultare (§§23 bzw. 26) zu beobachten: Der Begriff sorgt mit einiger Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich die Vorstellungen von latrocinium und bacchantischem furor verbinden. Allgemein dazu, daß die einzelnen Elemente einer Rede grundsätzlich in deren Gesamtzusammenhang zu sehen sind, und nicht selten das Gesagte zunächst unmotiviert erscheint, tatsächlich aber der Vorbereitung der weiteren Argumentation dient, vgl. eindrucksvoll Quint. inst. 10,1,20f.: … legendus est … nec per partes modo scrutanda omnia, sed perlectus liber utique ex integro resumendus, praecipueque oratio, cuius virtutes frequenter ex industria quoque occultantur. Saepe enim praeparat, dissimulat, insidiatur orator, eaque in prima parte actionis dicit, quae sunt in summa profutura. Itaque suo loco minus placent, adhuc nobis quare dicta sint ignorantibus, ideoque erunt cognitis omnibus repetenda. Vgl. dazu auch Vielberg 1995, bes. 52.

232

V. Ergebnisse und Ausblick

tion des Begriffs furor – verstanden als Raserei des Thiasos des Dionysos – dürfte ihrerseits im Lauf der Rede durch den weiteren Kontext, die Assoziierung Catilinas mit einem bacchantisch Rasenden, aktiviert worden sein.

2. Religiöse Inhalte Cicero rekurriert in der Ersten Catilinarischen Rede im Wesentlichen auf folgende Aspekte von Religion: 1. Auf Götter: Sowohl auf einzelne Gottheiten41 als auch auf die Götter in ihrer Gesamtheit.42 – Cicero präsentiert sie als Kommunikationspartner43 und als Autorität,44 er spielt auf ihren Willen an,45 außerdem darauf, daß sie in die menschlichen Verhältnisse eingreifen – insbesondere schützend und strafend –, oder zumindest die Möglichkeit dazu besteht.46 2. Auf Kult und Divination: Cicero erwähnt einzelne Realia des Kults,47 spielt auf divinatorisches Handeln,48 vor allem aber auf kultische Praktiken an – auf Bitte respektive Gebet,49 auf Opfer,50 Besänftigung,51 Reinigung,52 Weihung,53 Einweihung,54 bacchantisches Rasen,55 möglicherweise auch auf magisches ›Binden‹56 – und operiert mit Elementen religiöser Kommunikation.57 3. Auf Vorstellungen, die Religion zugeordnet werden können: So spielt er auf die Auffassung an, das gute Einvernehmen mit den Göttern sei Grundlage der Existenz Roms.58 41

42 43 44 45 46

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Auf Iuppiter Stator und wohl auch auf Fortuna populi Romani, möglicherweise außerdem auf Iuppiter, verstanden als Himmelsgott, und auf den in stoischem Sinn göttlich durchwalteten Kosmos (vgl. S. 154f., 158). Vgl. o di immortales!; magna dis immortalibus habenda est … gratia; utinam … di immortales duint! So ruft er sie an: Vgl. o di immortales!, den stoßgebetartigen Wunsch utinam … di immortales duint!, das ›Gebet‹ in §33. Vgl. wiederum o di immortales!, magna dis immortalibus habenda est … gratia, das ›Gebet‹ in §33. Vgl. S. 115ff. s.v. nefarius; vgl. erneut auch o di immortales!, magna dis immortalibus habenda est … gratia, das ›Gebet‹ in §33. So bringt Cicero die Götter damit in Verbindung, daß man Catilina schon so oft entkommen sei (§11; vgl. auch das Wirken von fortuna in §15). So operiert er mit dem Gedanken, die Götter könnten auf die Sinnesart Catilinas Einfluß nehmen und ihn veranlassen, ins Exil zu gehen (§22). So bittet er Iuppiter darum, Catilina und seine Leute fernzuhalten und sie zu strafen (§33). Und so spielt er auf Wahnsinn als von den Göttern bewirkte Strafe an (vgl. S. 96ff. s.v. furor). Altaria, sacrarium, templum. Vgl. S. 138f. s.v. polliceri; 214f. s.v. omina; 216ff. s.v. ›Prophezeiung‹ und ›Verwünschung‹. Vgl. S. 196ff. s.v. sacrarium, venerari, altaria; 207f. s.v. detestari, deprecari, quaesere. Vgl. S. 209ff. s.v. mactare; vgl. auch S. 109f. s.v. caedes. Vgl. S. 166f. s.v. placare; 209ff. supplicium s.v. mactare. Vgl. S. 139ff. s.v. purgare. Vgl. S. 159ff. devovere s.v. sacra, initiare, devovere, defigere. Vgl. S. 159ff. initiare s.v. sacra, initiare, devovere, defigere. Vgl. S. 96ff. s.v. furor, furiosus; 204ff. s.v. bacchari. Vgl. S. 159ff. defigere s.v. sacra, initiare, devovere, defigere. So ruft er die Götter an (§9; vgl. auch S. 166), will seine eigenen Worte als omina aufgefaßt sehen (§33; vgl. auch S. 216ff.), verwendet an Stoßgebete (§22), Gebete (§33), Hymnen (§18) und an Verwünschungen (§33) gemahnende Äußerungen. Vgl. S. 147ff. s.v. templum.

3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem

233

Vor allem aber operiert Cicero mit der Überzeugung, man habe übergeordneten ›Wesen‹ gegenüber pietas, ›pflichtgemäßes Verhalten‹, an den Tag zu legen.59 4. Auf Handlungsweisen, die gleichsam unter umgekehrten Vorzeichen ›mit Religion zu tun‹ haben, da sie zu korrektem religiösem Verhalten in Widerspruch stehen: So spielt Cicero auf violatio templorum an,60 auf deviante religiöse Praktiken,61 auf impietas, ›pflichtvergessenes Verhalten‹62 und auf Verhalten, das den Willen der Götter mißachtet.63 5. Auf Religion als konstitutives Element menschlicher Gemeinschaften: So spricht Cicero von religiösen Aktivitäten Catilinas64 und spielt auf die Vorstellung an, die Verschwörung habe ein religiöses Fundament – sei es, daß ihr eine Eidesleistung zugrunde liegt,65 sei es, daß sie in der Art eines collegium organisiert ist –,66 bzw. ihr sei eine deviante religio eigen.67

3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem Fragt man, weshalb Cicero in der Ersten Catilinarischen Rede mit Religiösem argumentiert, so ist zunächst festzuhalten, daß dies nicht in dem Sinn mit sachlicher Notwendigkeit erklärt werden kann, als die Thematik, der die Rede insgesamt oder in Teilen gilt, per se ›mit Religion zu tun‹ hätte.68 Dennoch lassen sich dafür, daß Cicero Religion ins Spiel bringt, vor allem Beweggründe sachlicher Art ausmachen – so paradox dies erst einmal klingen mag: Sachlich sind sie jedoch gemessen am Ziel der Rede, das einerseits darin besteht, Catilina dazu zu bewegen, Rom zu verlassen, andererseits darin, die Senatoren gegen Catilina aufzubringen und damit für den Standpunkt Ciceros einzunehmen. So dienen Cicero Bezüge auf Religion im Wesentlichen dazu, zum einen seinen eigenen Standpunkt und sein eigenes Handeln zu legitimieren, zum anderen Catilina und seine Mitstreiter auszugrenzen bzw. zu erweisen, daß sie sich selbst von der Gemeinschaft der römischen Bürger und von der res publica separieren. Ciceros Bestreben, seinen eigenen Standpunkt und sein eigenes Handeln zu legitimieren, zielt dabei in erster Linie darauf, die Senatoren respektive überhaupt den Kreis der Rezipienten der Rede zu gewinnen. Da diese 59

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Vgl. S. 114f. s.v. vereri; 129ff. s.v. scelus, scelerati, scelerate; 166f. s.v. placare; 167ff. s.v. patria; 174ff. s.v. parricidium, parricida; 180ff. s.v. ›Hymnos‹; 187ff. s.v. impius. Zu weiteren Vorstellungen, die Religion zugeordnet werden können, vgl. S. 227ff. Vgl. S. 150ff. Vgl. S. 159ff., 196ff. mit 203 s.v. dextera, 204ff. mit 96ff. s.v. furor, furiosus. Vgl. S. 129ff. s.v. scelus, scelerati, scelerate; 167ff. s.v. patria; 174ff. s.v. parricidium, parricida; 187ff. s.v. impius; 190ff. s.v. latrocinium, latrones. Vgl. S. 115ff. s.v. nefarius; 134ff. s.v. o di immortales!; 141ff. s.v. magna dis immortalibus habenda est … gratia. Aquila … cui … sacrarium constitutum fuit … quam venerari … solebas, a cuius altaribus …; quae (sc. sica) quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio. Vgl. S. 102ff. s.v. coniuratio, coniurati, foedus. Vgl. S. 182f. s.v. sodalis. Vgl. S. 190ff. s.v. latrocinium, latrones; 96ff. s.v. furor, furiosus; 204ff. s.v. bacchari; 159ff. defigere s.v. sacra, initiare, devovere, defigere. So geht es beispielsweise anders als in der Rede De domo sua nicht um die Gültigkeit einer consecratio, anders als in der Rede De haruspicum responso nicht um die Interpretation eines Gutachtens der haruspices.

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V. Ergebnisse und Ausblick

Legitimierung freilich im Verein mit der Ausgrenzung Catilinas eine Drohung darstellt – sie liegt darin, daß Cicero sich offenbar dazu berechtigt sieht, Catilina letztlich als Fremden, genauer gesagt, als feindlichen Fremden zu behandeln –, zielt sie doch auch auf Catilina. Das Bestreben, Catilina auszugrenzen, zielt dagegen gleichermaßen auf Catilina selbst und auf den Senat – und letztlich auch auf die Rezipienten der schriftlich publizierten Rede: Fühlt Catilina sich marginalisiert, so ist zu erwarten, daß dies dazu beiträgt, ihn dazu zu bewegen, Rom zu verlassen; Catilina auszugrenzen, sollte aber auch dazu beitragen können, die Senatoren gegen Catilina aufzubringen.69 Im Einzelnen wirkt etwa der Ausruf o di immortales!, mit dem Cicero die Götter als Autorität anruft, legitimierend.70 Ähnlichen Effekt hat die Feststellung, den Göttern gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei:71 Mit dieser Feststellung reklamiert Cicero in assoziativer Weise das Einverständnis der Götter mit den Maßnahmen, mit denen er Catilina entgegengetreten ist. Daß Cicero fortuna – wie auch immer man sie sich genau zu denken hat – für das Scheitern der Bestrebungen Catilinas in der Vergangenheit wie auch für die Konstellationen der gegenwärtigen Situation verantwortlich macht, wirkt in dieselbe Richtung: Ciceros Beurteilung Catilinas findet im Wirken der fortuna ihre Bestätigung.72 Auch mit der Wertung seines Versprechens, man werde durch die Abreise Catilinas alles aufgeklärt und geahndet sehen, als omen, bringt Cicero gleichsam eine höhere Instanz ins Spiel, die seine Sicht der Dinge bestätigt.73 Eine Steigerung erfährt die Behauptung, die Götter seien mit seinem Standpunkt und seinem Handeln einverstanden, wo Cicero sich geradezu im Verein mit den Göttern handelnd präsentiert: Am deutlichsten ist dies, wo Cicero die Rolle, die Iuppiter als custos urbis spielt, mit der Rolle, in der er sich selbst sieht, parallelisiert74 und wo er den Eindruck erweckt, er pflege geradezu vertrauten Umgang mit dem Gott.75 Deutlich wird dies aber auch, wo Cicero seinem Publikum den Gedanken nahelegt, die Götter könnten die Grundlage dafür schaffen, daß seine, Ciceros, Argumente schließlich bei Catilina die gewünschte Wirkung erzielen: In diesem Fall fände nämlich eine Art Arbeitsteilung zwischen Cicero und den Göttern statt.76 Legitimierende Wirkung hat außerdem die Überhöhung seiner, Ciceros, eigener Person und die Überhöhung der res publica – dessen also, wofür er sich einsetzt. Die Überhöhung seiner eigenen Person erzielt Cicero – abgesehen davon, daß er seine Parallelisierung mit Iuppiter und auch mit Romulus77 betreibt und abgesehen davon, daß er sich als im Verbund mit den Göttern gegen Catilina vorgehend imaginiert – etwa dadurch, daß er die salus der res publica als auf das Engste mit seiner eigenen salus verknüpft darstellt.78 Diese Überhöhung bewirkt er aber auch dadurch, daß er seine besondere Nähe zur patria demon69

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Darüber hinaus kann man das Bestreben Ciceros zu suggerieren, Catilina und seine Mitstreiter separierten sich selbst von der Gemeinschaft der römischen Bürger und von der res publica, geradezu als Versuch verstehen, gleichsam einen Beweis für die Existenz der Verschwörung zu erbringen. §9. §11. §§15 bzw. 25. §33. §11; 33; vgl. S. 125ff. s.v. salus. §33; vgl. S. 221 s.v. ›Gebet‹. §22; vgl. S. 186 s.v. utinam tibi istam mentem di immortales duint! §33. §11.

3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem

235

striert, indem er mit ihr annähernd auf Augenhöhe diskutiert,79 an anderer Stelle geradezu mit ihr verschmilzt.80 Durch diese Überhöhung leiht Cicero sich gewissermaßen die Autorität der Götter und die der res publica, bzw. die der patria. Die Überhöhung der res publica ihrerseits erzielt Cicero dadurch, daß er sie als patria Gestalt annehmen und als solche eine Art Sakralisierung erfahren läßt; dies so verstanden, daß sie zu einer aus der allgemein menschlichen Sphäre herausgehobenen persona wird, die in besonderem Maß pietas einfordern kann und deren Wohlergehen und Wille unverhandelbar ist.81 Ausgrenzend wirkt dagegen die Charakterisierung Catilinas und seiner Mitstreiter als Personen, die es in eklatanter Weise an pietas fehlen lassen, sei es an pietas den Mitbürgern, sei es an pietas der patria gegenüber,82 als Personen gar, die gegen das Interesse83 und gegen den Willen84 der Götter handeln. Noch deutlicher grenzt Cicero Catilina aus, wo er ihn obskurer bzw. devianter kultischer Praktiken verdächtigt,85 wo er ihn als gleichsam in kultischer Begeisterung – und damit in zweifelhafter Weise – agierend imaginiert,86 oder wo er der Vorstellung Nahrung gibt, der coniuratio liege eine Eidesleistung, gar ein ›blutiger‹ Eid, zugrunde.87 Geradezu stigmatisierende Wirkung dürfte schließlich die ›Verwünschung‹ gehabt haben, die Cicero gegen Ende der Rede ausspricht, ähnlich das ›Gebet‹, in dem er Iuppiter bittet, er möge Catilina und seine Mitstreiter fernhalten und mit ewig andauernden Martern strafen.88 Sollte man die Assoziierung Catilinas mit einem piaculum wahrgenommen haben, wirkte außerdem auch sie ausgrenzend.89 Selbstredend gilt dies auch für die Vorstellung, Catilina und der römische Kosmos, unter Einschluß seiner göttlichen Komponente, seien inkompatibel, sollte sie tatsächlich aufgekommen sein.90 Ebenfalls Catilina ausgrenzend, gleichzeitig aber in gewisser Weise Cicero legitimierend wirkt darüber hinaus die Charakterisierung Catilinas als geradezu zwanghaft Handelnden.91 Ausgrenzend wirken dabei – neben der Unterstellung, Catilina unterliege einem 79 80 81

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§§27–29. §18; vgl. S. 182 s.v. ›Hymnos‹. Am deutlichsten wird dies in §§17f. Vgl. aber insgesamt S. 129ff. s.v. scelus, scelerati, scelerate; 166f. s.v. placare; 167ff. s.v. patria; 174ff. s.v. parricidium, parricida; 180ff. s.v. ›Hymnos‹; 187ff. s.v. impius und auch S. 207f. s.v. detestari, deprecari, quaesere. Der Vorwurf, Catilina mangele es an pietas gegenüber den Mitbürgern bzw. gegenüber der patria, tritt in den §§17; 24; 29; 33 bzw. 17f.; 23 besonders deutlich zu Tage; vgl. aber insgesamt S. 129ff. s.v. scelus, scelerati, scelerate; 167ff. s.v. patria; 174ff. s.v. parricidium, parricida; 187ff. s.v. impius und auch S. 190ff. s.v. latrocinium, latrones. §12; vgl. auch §33; vgl. S. 147ff. s.v. templum. §§9; 11; vgl. S. 115ff. s.v. nefarius; 134ff. s.v. o di immortales!; 141ff. s.v. magna dis immortalibus habenda est … gratia. Am deutlichsten in den §§16 (quae [sc. sica] quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio, quod eam necesse putas esse … defigere) und 24 (cui [sc. aquila] domi tuae sacrarium constitutum fuit … quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti); vgl. S. 159ff. bzw. 196ff. Vgl. auch §23 (exsulta impio latrocinio); dazu S. 192ff. Am deutlichsten in den §§25f.; vgl. S. 100ff. s.v. furor, furiosus; 204ff. s.v. bacchari. §33; vgl. S. 106ff. §33; vgl. S. 216ff., 218ff. Vgl. S. 139ff. s.v. purgare; 174ff. s.v. parricidium, parricida. Vgl. S. 154f. s.v. spiritus caeli. Vgl. S. 163 s.v. sacra, initiare, devovere, defigere; 198 s.v. sacrarium, venerari, altaria; 205 s.v. bacchari.

236

V. Ergebnisse und Ausblick

Zwang, an sich – insbesondere die Erklärungen, die Cicero für die Zwanghaftigkeit gibt: deviante kultische Praktiken und die superstitiöse Bindung Catilinas an den Gegenstand, dem seine Verehrung gilt. Legitimierend wirkt diese Charakterisierung insofern, als sie den Eindruck vermittelt, es bedürfe gerade keiner weiteren Legitimation für das Vorgehen gegen Catilina. Den Eindruck, Catilina und seine Mitstreiter separierten sich selbst von der Gemeinschaft der römischen Bürger und der res publica, erzielt Cicero nicht zuletzt dadurch, daß er von den Verschwörern das Bild einer Gemeinschaft zeichnet, der eine eigene und dabei deviante religio eigen ist:92 Dafür, daß man sich die Verschwörung geradezu als Gemeinwesen vorstellt, sorgt insbesondere die Titulierung als latrocinium;93 dafür, daß man sich dieses Gemeinwesen eben auch religiös fundiert vorstellt, sorgt, neben dieser Titulierung selbst, die Anspielung darauf, daß ihm eine Eidesleistung zugrunde liegt.94 Dafür schließlich, daß man sich vorstellt, diesem Gemeinwesen sei eine deviante religio eigen, sorgt erneut die Titulierung als latrocinium, außerdem die Anspielung auf die Art und Weise, in der die coniuratio konstituiert wurde, besonders aber, daß Cicero die kultischen Aktivitäten Catilinas verdächtig macht.95 Neben diesen im oben beschriebenen Sinn sachlichen Beweggründen, mit Religiösem zu operieren, nimmt Cicero auch aus technischen – also aus im landläufigen Sinn rhetorischen – Gründen auf Religion Bezug.96 So sucht er auf diesem Weg Argumentationsschritte miteinander zu verbinden, gleichsam sein Publikum umzugestalten, Unwahrscheinliches nicht gänzlich hypothetisch erscheinen zu lassen, besondere Aufmerksamkeit zu erregen und Verblüffung zu verursachen.97 Außerdem sucht er so Pathos98 zu generieren – Pathos, das 92

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Vgl. Rives 1995, 73: »The effect … (sc. of Catiline’s perversions of religion [Anm. 43]) was to ›barbarize‹ a Roman, to put the Catilinarian conspirators outside the pale of civilization as everyone in Rome, of whatever political inclinations, would define it.«; vgl. auch Cape 1991, 52–53, der immerhin meint: »To complement the image of Catiline as anti-Roman Cicero’s remarks about Catiline’s perverted religious practices mark him as a criminal and an active subverter of traditional religion …« (S.52). Vgl. auch die Tatsache, daß Nichtzugehörigkeit zum staatlichen Kultverband in der antiken Welt generell oftmals zu Marginalisierung führte (Graßl 2001, 769). Allgemein zu Faktoren, die Randständigkeit bewirken können, vgl. etwa Weiler 1985; Weiler (Hg.) 1988. Außerdem auch die Titulierung eines M. Metellus als sodalis, nimmt man sie als Anspielung darauf, daß die Verschwörer in der Art eines collegium organisiert sind; vgl. S. 182f. Vgl. S. 190ff. bzw. 106ff. Vgl. die Verweise oben Anm. 85–87. Um jede Mißverständlichkeit auszuschließen: Hier geht es nicht etwa um eine – gleichsam absolute – Trennung von Sachargumenten auf der einen und rhetorischen Mitteln auf der anderen Seite, um ein Entweder-Oder. (Eine derartige Trennung wäre im Übrigen völlig beliebig; vgl. dazu etwa auch Beard, Crawford 21999, 32, die davor warnen, die Behauptung, man kooperiere mit den Göttern, der politische Gegner sei dagegen deren Feind, als rhetorische Konvention, als Gemeinplatz abzutun, ohne zu bedenken, daß Gemeinplätze nicht aus Zufall ›konventionell‹ sind, sondern weil sie auf Größen basieren, auf die eine Gesellschaft besonderen Wert legt.) Hier geht es vielmehr darum festzuhalten, daß Cicero mit Religiösem operiert sowohl, weil er sich davon sachliche, als auch weil er sich davon rhetorische Wirksamkeit verspricht. Es gilt freilich, für jeden Einzelfall das ›Mischungsverhältnis‹ beider Motive festzustellen. Argumentationsschritte verbinden: §11; Publikum umgestalten: §9; Unwahrscheinliches nicht gänzlich hypothetisch erscheinen lassen: §22; Aufmerksamkeit erregen bzw. Verblüffung verursachen: §§12; 33 bzw. 21.

3. Beweggründe für die Argumentation mit Religiösem

237

ihm etwa dazu dient, seiner Empörung Ausdruck zu verleihen,99 der Schilderung von Geschehnissen Dramatik zu verleihen und zu suggerieren, das Geschilderte habe besondere Bedeutsamkeit,100 seinen Worten besonderes Gewicht zu verleihen101 und die Bedeutung der aktuellen Situation zu unterstreichen.102 Daß Cicero ganz wesentlich – man ist geneigt zu sagen: ausschließlich – aus rhetorischen Gründen auf Religion Bezug nimmt, ist freilich nur in einem Fall festzustellen. In §21 erklärt er eine Handlungsweise, die eigentlich eine violatio templi darstellt, für legitim.103 Dies geschieht in der Absicht, eine möglichst absurde Situation zu imaginieren, was wiederum Verblüffung auslösen und dadurch Cicero über einen kritischen Moment seiner Rede hinweghelfen soll, nicht aber etwa in der Absicht, tatsächlich die Verbindlichkeit einer Norm, die die Beziehung zu den Göttern betrifft, zu relativieren. Der sachliche Beweggrund, hier auf Religiöses Bezug zu nehmen, ist eher ein ›sächlicher‹: Die Tatsache, daß der Senat gerade im Tempel des Iuppiter Stator tagte, bot Cicero einen effektvollen Anknüpfungspunkt.104 In allen anderen Fällen, in denen die Bezugnahme auf Religion technische Funktion hat, ist dagegen festzustellen, daß neben den rhetorischen, gleichzeitig ganz wesentlich sachliche Beweggründe Cicero dazu geführt haben, so zu argumentieren. In §9 etwa bezieht Cicero mit der Anrufung o di immortales! die Götter gleichsam in sein Publikum mit ein. Der rhetorische Beweggrund, die Götter anzurufen, besteht darin, so in einer Weise sprechen und Dinge sagen zu können, die unangemessen wirken würden, müßten die Senatoren Ciceros Worte alleine auf sich selbst beziehen. Mit dieser Anrufung bringt Cicero, wie gesehen,105 die Götter aber auch als Autorität ins Spiel und reklamiert sie für seine Position – hierin liegt der sachliche Beweggrund. In §11 meint Cicero, den Göttern gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei.106 Diese Feststellung hat einerseits rhetorische Funktion: Sie trägt dazu bei, den Bericht Ciceros über die jüngsten mit der Verschwörung in Verbindung stehenden Geschehnisse mit den Schlußfolgerungen zu verbinden, die er daraus für den künftigen Umgang mit Catilina ziehen möchte, außerdem trägt sie dazu bei, den Eindruck zu erwecken, das Geschilderte habe besondere Bedeutsamkeit. 98

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Pathos im Sinn von Emotionsbetontheit. Insbesondere schafft Cicero so wiederholt eine gehobene, feierliche Atmosphäre. Besonders deutlich ist dies in den §§9 (o di immortales!); 11 (magna dis immortalibus habenda est … gratia); 18 (›Hymnos‹); 27 (detestari, deprecari, quaesere); 33 (omina; ›Verwünschung‹ und ›Prophezeiung‹; ›Gebet‹). So in §9 (o di immortales!). So in §11 (magna dis immortalibus habenda est … gratia). So in §18 (›Hymnos‹), vgl. auch §§27f. (zweite Rede der patria); §33 (omina). §33 (›Verwünschung‹ und ›Prophezeiung‹, ›Gebet‹). Vgl. S. 151ff. In §17 trägt der beteuernde Ausdruck me hercule dazu bei, ein Szenario zu entwickeln, das seine argumentative Stärke aus einer ans Unrealistische grenzenden Idealisierung von Verhaltensweisen bezieht, die für den Moment aber als real imaginiert werden. Da der religiöse Kern dieses Ausdrucks – streng genommen handelt es sich um die Anrufung des Hercules als Schwurgott – hier mit großer Wahrscheinlichkeit aber gar nicht zum Tragen kommt, kann man an dieser Stelle wohl nicht davon sprechen, Cicero nehme auf Religion Bezug. So gesehen kann man diese Stelle auch nicht als zweiten Fall von Argumentation mit Religiösem aus ausschließlich rhetorischen Gründen anführen. Vgl. S. 234. Vgl. S. 141ff.

238

V. Ergebnisse und Ausblick

Andererseits birgt diese Feststellung aber auch ein sachliches Argument, reklamiert Cicero so doch das Einverständnis der Götter mit seinen Maßnahmen. In §12 dient die Behauptung, Catilina stürze die Tempel der Götter ins Verderben, sicherlich dazu, besondere Aufmerksamkeit zu erregen, sie charakterisiert Catilina aber auch als Person, die gegen das Interesse der Götter und damit in fundamentaler Weise gegen die res publica handelt.107 In §18 verleiht Cicero den Worten, die er der patria in den Mund legt, dadurch besonderes Gewicht, daß er ihnen die Form eines Hymnos gibt und sich so die Feierlichkeit des Kommunikationsraumes ›Kult‹ zunutze macht. Gleichzeitig dient diese Form der Rede der patria jedoch dazu, plastisch zu machen, welches Verhalten ihr gegenüber angemessen wäre, außerdem dazu, sie zu überhöhen. In §22 trägt der Ausruf utinam… di immortales duint! zunächst vor allem dazu bei, eine bestimmte Überlegung nicht gänzlich hypothetisch erscheinen zu lassen. Dann dient er jedoch dazu, eine Art Arbeitsteilung zwischen Cicero und den Göttern zu imaginieren und zu suggerieren, sie seien mit seinem Standpunkt und mit seiner Handlungsweise einverstanden. In §33 bezeichnet Cicero zunächst seine eigenen Worte als omina und wertet sie damit als Vorzeichen. Damit steigert er einerseits die Aufmerksamkeit und sorgt für eine gehobene Stimmung, um seine Äußerungen so besonders bedeutungsvoll erscheinen zu lassen. Andererseits bringt Cicero mit den omina gleichsam eine höhere Instanz ins Spiel, die seine Sicht der Dinge bestätigt. Die anschließende ›Verwünschung‹ trägt weiter zum Pathos der Situation bei und unterstreicht so deren Bedeutsamkeit, gleichzeitig ist die ›Verwünschung‹ jedoch stigmatisierend. Das die Rede abschließende ›Gebet‹ steigert das Pathos ein weiteres Mal und bietet Cicero einen eindrucksvollen Rahmen dafür, zentrale Aspekte seiner Rede zu rekapitulieren. Gleichzeitig dient das ›Gebet‹ aber auch nochmals der Legitimierung Ciceros und, angesichts seiner Zielrichtung, der Ausgrenzung Catilinas und seiner Mitstreiter.

4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem In der Ersten Catilinarischen Rede verwendet Cicero elf spezifisch religiöse termini technici und 38 religiös konnotierte Begriffe,108 wobei die religiöse Konnotation dieser 38 Begriffe an 42 Stellen mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Tragen kommt.109 Zudem gestaltet Cicero elf Szenen, ›die mit Religion zu tun haben‹.110 Betrachtet man alleine die Verteilung der Stellen innerhalb der Rede, an denen der Bezug auf Religion, den ein Begriff oder Ausdruck haben kann, tatsächlich mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Tragen kommt, so zeigt sich, daß deren Dichte im Lauf der Rede in si107 108

Vgl. S. 147ff. Zwei der termini technici werden an jeweils drei Stellen verwendet. Die religiös konnotierten Begriffe kommen insgesamt 100 mal zum Einsatz. Bei acht von ihnen kommt die religiöse Konnotation freilich an keiner einzigen Stelle ihrer Verwendung – insgesamt sind es 14 – zum Tragen. Vgl. S. 230 und die Übersichten S. 250ff. 109 An sechs weiteren Stellen ist dies immerhin nicht ausgeschlossen; vgl. S. 230 und die Übersichten S. 250ff. Orientiert an der Edition von Maslowski stößt man im Durchschnitt also alle sechs oder sieben Druckzeilen auf einen religiösen terminus technicus oder auf einen Begriff, dessen religiöse Konnotation an der betreffenden Stelle zum Tragen kommt. 110 Vgl. S. 229. Sie haben insgesamt einen Umfang von knapp 40 Druckzeilen; dies entspricht 10% des Textes.

4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem

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gnifikanter Weise zunimmt.111 Diese Zunahme ist nicht stetig, vielmehr häufen sich die Stellen;112 diese Häufungen wiederum konzentrieren sich auf die Mitte der Rede, den Übergang von ihrem dritten in ihr viertes Viertel und auf ihr Ende.113 Diese auf das Quantitative gerichteten Beobachtungen zeigen – bei aller gebotenen Vorsicht –,114 daß Cicero zum einen in signifikanter Weise mit Religiösem argumentiert, zum anderen, daß er dies vorzugsweise an bestimmten Stellen der Rede tut, und zum dritten, daß er im Lauf der Rede in verstärktem Maß auf Bezüge auf Religion setzt. Daß diese Beobachtungen tatsächlich nicht Ergebnis von Zufälligkeiten sind, wird deutlich, berücksichtigt man die Inhalte und den Kontext der in Frage stehenden Stellen. So sind Argumente, die mit Religiösem operieren, im Lauf der Rede sowohl miteinander als auch mit anders ausgerichteten Argumenten verflochten.115 So sind die Häufungen der Stellen, an denen der Bezug auf Religion mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Tragen kommt, nicht rein statistischer Art, vielmehr gehen sie mit thematischen Zusammenhängen einher.116 So deckt sich die Positionierung dieser Häufungen im Wesentlichen mit der 111

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Drei Stellen im ersten Viertel der Rede stehen 13 im zweiten, 21 im dritten und 23 im vierten Viertel gegenüber; die Häufigkeit innerhalb der Viertel steht also ungefähr im Verhältnis 1:4:7:8. Vgl. Übersicht 1 auf S. 250f. Jeweils drei in den Zeilen 169–171 und 180, vier in den Zeilen 202–206, 12 in den Zeilen 276–296, fünf in den Zeilen 310–312, 13 in den Zeilen 384–394. Vgl. auch Übersicht 1 auf S. 250f. 13 Stellen in den Zeilen 167–227, 19 Stellen in den Zeilen 265–325, 13 Stellen alleine in den letzten 11 Zeilen der Rede. Vgl. erneut Übersicht 1 auf S. 250f. Zu bedenken ist insbesondere, daß die Deutlichkeit, mit der Cicero an den betreffenden Stellen auf Religion Bezug nimmt, erheblich schwankt: vgl. etwa die mit der expliziten Bezugnahme auf die di immortales fast schon zurückhaltende Bezugnahme auf die Götter, die in der Charakterisierung nefarius liegt. Entsprechendes gilt für den Stellenwert, den die Bezüge auf Religion innerhalb der Argumentation haben: vgl. etwa die Strahlkraft, die die Anspielungen auf deviante religiöse Praktiken Catilinas haben mit der vergleichsweise geringen Wirkung, die von der Bezeichnung von Handlungen Catilinas bzw. seiner Mitstreiter als scelera ausgeht. Wie sehr Argumente, die mit Religiösem operieren, miteinander verflochten sind, wird besonders deutlich, wenn man sich die religiöse Seite des Gesamtbildes vor Augen führt, das Cicero mit ihnen von der Verschwörung und von ihrer Bekämpfung zeichnet. Holzschnittartig stellt es sich folgendermaßen dar: Die Verschwörer bilden eine Gemeinschaft (coniuratio, foedus, latrocinium), der es an pietas fehlt, der sogar eine deviante religio eigen ist. Cicero stellt sich ihnen im Interesse der patria im Einverständnis und im Verein mit den Göttern entgegen. Die Verflechtung von mit Religiösem operierenden mit anders gearteten Argumenten, etwa mit militärischen, juristischen und gesellschaftlich-politischen, ist besonders deutlich, wo Cicero mit Begriffen wie furor, foedus, impius, latrocinium, nefarius oder parricidium arbeitet, die sowohl religiös als auch militärisch, juristisch oder gesellschaftlich-politisch konnotiert sind. Vgl. außerdem S. 245. Die Bezüge auf Religion, die sich in den Zeilen 169–171 häufen, stehen mit der Behauptung in Zusammenhang, den Bestrebungen Catilinas habe fortuna entgegengestanden, die Bezüge in Zeile 180 mit der Feststellung Ciceros, er wisse nicht, in welche sacra Catilina einen Dolch eingeweiht und mit welchen sacra er ihn gelobt habe, sodaß er meine, es sei unausweichlich, ihn im Körper des Konsuls festzuheften, die Bezüge in den Zeilen 202–206 mit dem Versuch Ciceros, mithilfe des Vergleichs ›parentes – patria‹ von Catilina pietas gegenüber der patria einzufordern. Die Häufung in den Zeilen 276–296 wird dadurch verursacht, daß Cicero hier den Bogen schlägt von der Aufforderung, Catilina solle die patria mit Krieg überziehen und sich durch pflichtvergessene Räuberei erheben, über die Feststellung, diese Aufforderung sei eigentlich nicht zuletzt deshalb überflüssig, weil Catilina nicht länger ohne den silbernen Adler sein könne, dem in seinem Haus ein Heiligtum eingerichtet gewesen sei, den er aber bereits vorausgeschickt habe, bis hin zu der Behauptung, Ca-

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V. Ergebnisse und Ausblick

Positionierung der Stellen, an denen Cicero besonders deutlich, teilweise sogar explizit, auf Religion Bezug nimmt.117 So finden sich diese Häufungen sowohl an Stellen, die für die Argumentation im Einzelnen, wie auch für den Gang der Rede insgesamt besonders wichtig sind.118 Welches Gewicht die religiösen Argumente in der ersten Catilinaria haben, ist selbstredend nur im Vergleich mit dem Gewicht auszumachen, das Argumenten anderer Provenienz zukommt. Hier stößt die vorliegende Untersuchung freilich an Grenzen, wären für einen ausgewogenen Vergleich letztlich doch für sämtliche Bereiche, aus denen Cicero Argumente schöpft, Untersuchungen notwendig, die der vorliegenden für den Bereich ›Religion‹ entsprechen. Insbesondere bedeutet dies, daß wiederum eine Vielzahl von Begriffen daraufhin untersucht werden müßte, ob an der jeweiligen Stelle ihres Einsatzes ihre dem in Frage stehenden Bereich entsprechende Konnotation zum Tragen kommt. Welche Dimension die Argumentation mit Religiösem hat, wenigstens der Größenordnung nach einzuschätzen, ist m.E. dennoch möglich; dazu tragen die folgenden Beobachtungen bei. Außer mit Bezügen auf Religion arbeitet Cicero in größerem Umfang mit Bezügen auf die Sphäre des Juristischen, des Militärischen und des Gesellschaftlich-Politischen.119

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tilina werde dahin gehen, wohin ihn seine rasende Begierde schon längst hinreiße, und er werde dann in großem Vergnügen bacchantisch rasen. Die Bezüge auf Religion, die sich in den Zeilen 310–312 häufen, stehen mit der Auseinandersetzung Ciceros mit Vorwürfen, die die patria gegen ihn selbst erheben könnte, in Zusammenhang, die Bezüge in den Zeilen 384–394 schließlich ganz wesentlich damit, daß Cicero hier nochmals auf den Mangel der Verschwörer an pietas abhebt. 117 Sei es, daß er sich in an Prophezeiungen bzw. Verwünschungen und in an Gebete gemahnender Weise äußert (Zeilen 384–394), sei es, daß er Catilina als religiös deviant imaginiert (Zeilen 180, 276–296). 118 Die Bezüge auf Religion, die sich in den Zeilen 169–171 (§15) und 180 (§16) häufen, stehen mit dem Bestreben Ciceros in Zusammenhang, die völlige Erfolglosigkeit der bisherigen Unterfangen Catilinas deutlich zu machen, die Bezüge in den Zeilen 276–296 (§§23–26) mit der Imaginierung des künftigen Verhaltens Catilinas. Die Bezüge auf Religion, die sich in den Zeilen 202–206 häufen (§17), stehen mit der Einführung der patria in die Argumentation in Verbindung; sie finden sich am Übergang eines eher berichtenden Redeabschnitts zu einem fordernden. (In den §§11–16 hatte Cicero an Untaten Catilinas erinnert und Vorfälle rekapituliert, die zeigen sollten, daß nichts Catilina mehr in Rom halten könne. In §18 läßt Cicero dann die patria Catilina dazu auffordern, Rom zu verlassen; in den folgenden §§19–26 kommt Cicero auf diese Forderung immer wieder zurück.) Auch die Bezüge, die sich in den Zeilen 310–312 häufen (§27), stehen mit der Einbindung der patria in Zusammenhang; auch sie finden sich am Beginn eines neuen Redeabschnitts. (In den §§27– 32 rechtfertigt Cicero, weshalb er Catilina nicht hinrichten läßt, er ihn statt dessen aus Rom entfernt sehen will.) Die Bezüge auf Religion schließlich, die sich in den Zeilen 384–394 (§33) häufen, sind gleichsam mit der peroratio deckungsgleich. Daß sich Religiöses sowohl an für die Argumentation im Einzelnen, wie auch an für den Gang der Rede insgesamt besonders relevanten Stellen findet, gilt im Übrigen auch für Stellen, an denen Bezüge auf Religion wenn auch nicht gleichsam quantitativ so doch qualitativ deutlich hervortreten. So leitet in §9 die Anrufung der Götter (o di immortales) eine digressio ein. Mit ihr unterbricht Cicero sein Resümee der Ereignisse der letzten Wochen (§§7–10), um auf den Widersinn der gegenwärtigen Situation aufmerksam zu machen: Personen, die selbst an der Verschwörung beteiligt seien, nehmen im Senat an der Beratung über die Lage der res publica teil. So trägt in §11 die Feststellung, den Göttern, zumal Iuppiter Stator gebühre Dank dafür, daß man Catilina schon so oft entkommen sei, dazu bei, Ciceros Bericht dessen, was bisher geschehen ist, mit den Schlußfolgerungen zu verbinden, die er für das künftige Handeln ziehen möchte.

4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem

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Auf Juristisches120 bezieht Cicero sich im Wesentlichen zum einen, wo er mit Argumenten staatsrechtlicher Art operiert. So verweist er auf die Amtsgewalt des Konsuls121 und auf das senatus consultum ultimum vom 21. Oktober respektive auf die auctoritas des Senats122 und behauptet, die Provocationsgesetze würden für Bürger, die sich von der res publica losgesagt haben, nicht gelten.123 Zum andern bezieht Cicero sich auf Juristisches, wo er auf strafrechtlich Relevantes rekurriert. So wirft er Catilina sowohl vor, in der Vergangenheit Justiziables geplant und getan zu haben,124 als auch jetzt wieder justiziable Verbrechen vorzubereiten.125 So zeichnet er von Catilina und seinen Mitstreitern das Bild einer auf Verbrechen basierenden und zum Zweck von Verbrechen gegründeten Gemeinschaft126 und stuft ihr Unterfangen als latrocinium ein.127 Schließlich verweist er darauf, daß Catilina eigentlich die Strafe von Gesetzen fürchten müßte.128 Auf Juristisches bezieht Cicero sich zum dritten, indem er die Atmosphäre einer Gerichtsverhandlung in den Senat transferiert. Dies erreicht er etwa dadurch, daß er Begriffe und Ausdrucksweisen verwendet, die vor Gericht bzw. in der juristischen Sprache spezielle Bedeutung oder Funktion haben129 und dadurch, daß er seinem Publikum Catilina in einer Weise vorführt, die in hohem Maß daran 119

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In deutlich geringerem Umfang nimmt Cicero beispielsweise auf die Sphären der Medizin und der Philosophie Bezug: So vergleicht er die Bekämpfung des latrocinium des Catilina mit der Bekämpfung einer fiebrigen Krankheit (§31); vgl. auch die Verwendung des Begriffs pestis in den §§2; 11; 30; 33. So rekurriert er, wo er Catilina statt in die Familie und die Bürgerschaft in ein foedus eingebunden präsentiert, auch auf stoische Vorstellungen von natürlichem bzw. widernatürlichem Verhalten (vgl. Lévy 1998, bes. 139, 148f., 151). Möglicherweise bezieht er sich außerdem auf die stoische Vorstellung des göttlich durchwalteten Kosmos (s.o. S. 154, 158). Vgl. etwa auch Cape 1991, 34–77, bes. 42f., 77. In §2 meint Cicero, Catilina hätte schon längst iussu consulis getötet werden müssen. In §5, ähnlich in §12, überlegt er, was geschehen würde, si te … comprehendi, si interficere iussero. In §12 meint er, er wage noch nicht zu tun, was seiner konsularischen Befehlsgewalt (imperium) eigentümlich sei – nämlich Catilina töten zu lassen. In §13 spricht er von dem Befehl des Konsuls, Catilina solle Rom verlassen (num dubitas id me imperante facere quod … Exire ex urbe iubet consul hostem … in exilium? Non iubeo, sed …), in §23 vom Befehl des Konsuls, Catilina solle ins Exil gehen (si in exilium iussu consulis ieris …). In §27 läßt er die patria fragen, warum er nicht befehle (imperare), Catilina hinrichten zu lassen. Vgl. auch den Verweis auf die vis der patria in den §§17 und 19. §§3; 4. §28. Insbesondere Mordversuche und Mord (§§7; 9; 11; 14; 15; 16; 18; 24; 29; 32), Gewaltanwendung (§§15; 32), Mißhandlung und Plünderung von Bundesgenossen (§18), Mißachtung von Gesetzen und Gerichten (§18). Insbesondere Mord und Brandstiftung (§§6; 24; 32). Besonders deutlich wird dies in §33 (vgl. dazu S. 107f. s.v. coniuratio, coniurati, foedus; 131f. s.v. scelus, scelerati, scelerate). Vgl. auch die Häufigkeit, mit der Cicero die Begriffe scelus (§§8; 14 [2 mal]; 15; 17; 18; 22; 27; 31; 33 [2 mal]) bzw. scelerati (§23) und scelerate (§27) verwendet. §27; vgl. §§23; 33. §22. Vgl. insbesondere ad mortem ducere (§2); arbitrari (§17); convincere (§8); decernere (§20); defendere (§6); infitari (§7); iudicare (§§17; 29); iudicium (§§16; 17); morte multare (§§28; 29); parricidium (§17; 33); parricida (§29); poena (§§22; 31); postulare (§20); supplicium (§§3; 20; 28; 33); summo supplicio mactare (§27); vindicare (§§14; 32). Vgl. außerdem die Verwendung des Demonstrativpronomens iste, mit dem man vor Gericht den Angeklagten bezeichnet (Menge 22005, §72 [2]), mit dem Cicero hier aber Catilina oder auch Dinge, die ihm zuzuordnen sind, fast durchweg benennt; besonders deutlich ist dieser Anklang in den §§2; 30; 31 (vgl. dazu etwa auch Maclardy zu den Stellen).

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V. Ergebnisse und Ausblick

erinnert, wie man vor Gericht den Gegner herabzusetzen sucht.130 So erscheint Catilina als Angeklagter und die Aufforderung, Rom zu verlassen, changiert zwischen Urteilsverkündung – tatsächlich läßt Cicero die patria gleichsam als Richterin auftreten –131 und Rat, sich einem Urteil durch Flucht ins Exil zu entziehen.132 Offenkundig geht es Cicero, bezieht er sich auf Juristisches, zum einen darum, Catilina mit auf die coercitio des Konsuls gestützten Maßnahmen zu drohen, zum anderen darum, Catilina und seine Mitstreiter als Kriminelle zu diskreditieren und auszugrenzen, zum dritten darum, seinen eigenen Standpunkt dadurch zu legitimieren, daß er Catilina in die Rolle des Angeklagten bzw. des Verurteilten drängt. Auffallend ist, daß Cicero, so häufig er in seiner Argumentation Juristisches nutzt, dies jedoch bei Weitem nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit tut, und insbesondere, was die Verwendung von termini technici, die Delikte bezeichnen, anbelangt, recht zurückhaltend ist. So berichtet er zwar von Versuchen Catilinas, den Konsul zu ermorden, spricht jedoch nicht von einem crimen maiestatis. So ist von coniuratio die Rede, nicht jedoch von perduellio. So spricht er überhaupt zwar von scelera und facinora, nicht jedoch von crimina. Diese Zurückhaltung hängt sicherlich damit zusammen, daß Cicero politisch, nicht aber juristisch gegen Catilina vorgehen wollte.133 Auf Militärisches134 kommt Cicero im Wesentlichen zu sprechen, wo es ihm darum geht, die eigene Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit zu demonstrieren. So verweist er darauf, daß Praeneste, die gesamte Stadt Rom, der Palatin, das aktuelle Tagungslokal des Senats, sein eigenes Haus, er selbst, aber auch Catilina bewacht werden135 und darauf, daß diejenigen, die das Tagungslokal umstehen, wehrhaft sind.136 So vergleicht er das senatus consultum ultimum vom 21. Oktober mit einem Schwert137 und verweist immer wieder auf die Stadtmauern, auf den Schutz, den sie bieten könnten, befänden sich Catilina und seine Leu130

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So diskreditiert Cicero Catilinas Charakter und Vorleben (§§13–15; 18; 22; 26). Auch der Verweis darauf, daß Catilina sich in custodiam begeben habe (§19), erinnert an die Usancen eines Gerichtsverfahrens – und außerdem daran, daß Catilina von L. Aemilius Paullus nach der lex Plautia de vi angeklagt ist; vgl. S. 48. §17: patria … iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare: huius tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces? Vgl. außerdem das Schweigen der Senatoren in §16 (iudicium taciturnitatis) und auch in den §§20f. (voluntas tacitorum), das Cicero zufolge eine Verurteilung Catilinas darstellt. Vgl. §§20; 22: Hier operiert Cicero mit dem Faktum, daß exilium im Kern Flucht vor Strafe darstellt. Vgl. S. 48, 119. Vgl. Vasaly 1993, 51–53. Praeneste: coloniam … praesidiis, custodiis, vigiliis esse munitam (§8); Rom: urbis vigiliae (§1); Palatin: nocturnum praesidium (§1); Tagungslokal: munitissimus habendi senatus locus (§1); Haus: praesidiis munivi atque firmavi (§10); Cicero: non publico … praesidio sed … (§11); amicorum praesidio et copiis (ebenfalls §11); Catilina: praesidiis obsessus (§6), vgl. praesidiis … circumclusum (§7). Besonders deutlich auf die Sphäre des Militärs verweist der Begriff praesidium, der geradezu militärischer terminus technicus ist. Quorum ego vix abs te iam diu manus ac tela contineo … (§21). Freilich mit einem Schwert, das, da es in der Auseinandersetzung mit Catilina noch nicht benutzt wird, gleichsam in die Scheide zurückgesteckt ist und stumpf wird (§4: … patimur hebescere aciem horum auctoritatis. Habemus … senatus consultum … tamquam in vaginam reconditum …). Zu diesem senatus consultum vgl. S. 47 Anm. 89.

4. Stellenwert der Argumentation mit Religiösem

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te nur außerhalb.138 Zum anderen bezieht Cicero sich auf Militärisches, wo es ihm darum geht zu erweisen, daß das Unterfangen Catilinas und die Auseinandersetzung mit ihm nicht zuletzt auch eine militärische Seite hat. So verweist er auf den Plan der Verschwörer, Praeneste zu besetzen und auf Aktivitäten des Manlius in Etrurien. Dabei spricht er von ›Angriff‹, von ›einnehmen‹ und vom ›Lager‹ des Manlius und bezeichnet dessen Anhänger als ›Feinde‹, die ›unter Waffen‹ stehen.139 Catilina selbst bezeichnet er als Befehlshaber dieses Lagers,140 als Anführer der Feinde und des Krieges141 und als Feind.142 Spricht Cicero von den Anhängern Catilinas oder von Handlungen Catilinas und seiner Mitstreiter, so benutzt er nicht selten termini, die insbesondere auch in militärischem Zusammenhang Verwendung finden.143 Mit dem Begriff bellum selbst operiert Cicero etwa, wo er Catilina zu offensichtlich feindlichem Verhalten auffordert144 und wo er die patria Kriegsvorbereitungen Catilinas bzw. die Folgen, die dieser Krieg haben wird, imaginieren läßt.145 Auf Gesellschaftlich-Politisches bezieht Cicero sich im Wesentlichen zum einen, wo er auf Eigenschaften rekurriert, die allgemein als virtutes oder aber als vitia gelten146 und wo er die res publica respektive die patria als Größe präsentiert, an der man seine Handlungen

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In §5 spricht Cicero davon, daß Catilina, der imperator castrorum und dux hostium, sich intra moenia befinde. In §10 meint er, er werde von großer Furcht befreit sein, wenn nur der murus zwischen ihm und Catilina liege. In §19 spricht er die Gefahr an, in der er sich sieht, weil Catilina und er von denselben moenia umschlossen werden. In §32 wünscht er, die Schlechten sollen von den Guten durch den murus getrennt sein, in §33 schließlich, Iuppiter möge Catilina und seine Leute von den moenia fernhalten. Impetus (§8); occupare (§8); castra (§5); hostes (§5); in armis (§§5; 7); vgl. §24: Bewaffnete (armati) stünden in Forum Aurelium bereit. Imperator castrorum (§5; vgl. §§10; 30 und auch §27: Catilina werde im Lager der Feinde als imperator erwartet). Dux hostium (§5); dux belli (§27). Hostis (§§13; 27; 33). Anhänger: manus (§§12; 15; 23; 25). Handlungen – befürchtete wie erhoffte: commovere (›sich bewegen‹, aber auch ›anrücken, ausrücken‹ §§6; 7); deligere (›auswählen‹, aber auch ›ausheben‹ §9); dimittere (›entlassen‹ §10); discedere bzw. discessus (›weggehen‹, aber auch ›abmarschieren‹ §§18 bzw. 7); educere (›herausführen‹, aber auch ›abmarschieren lassen‹ §§9; 10; 30); egredi bzw. exire (›herausgehen‹, aber auch ›abrücken‹ §§10; 20; 23 bzw. 9; 12; 13; 27); petere (›angreifen‹ §§11; 12); proficisci bzw. profectio (›aufbrechen‹, aber auch ›abmarschieren‹ §§9; 10; 20; 23; 33 bzw. 32). Vgl. auch die Bezeichnung von Waffen als tela in den §§2; 15 (im Gegensatz zu sica, der Waffe des Mörders in §16). Vgl. außerdem die Terminologie des Kampfes in Ciceros Ausruf in §15: Wie vielen deiner Angriffe (petitiones) … bin ich gewissermaßen mit einer kleinen Biegung (declinatio) und, wie man sagt, mit dem Körper, entkommen (et, ut aiunt, corpore effugi). Infer patriae bellum (§23); proficiscere ad impium bellum ac nefarium (§33). Tune eum quem esse hostem comperisti, quem ducem belli futurum vides, quem exspectari imperatorem in castris hostium sentis … exire patiere, ut abs te non emissus ex urbe, sed immissus in urbem esse videatur? (§27); cum bello vastabitur Italia … (§29). So auf clementia (§4: clemens), fortitudo (§29, dazu §§3; 21 und ironisch in den §§2; 19: fortis bzw. fortissimus), gravitas (§9: gravissimus), honestas (§21: honestissimus), pudor (§22), ratio (§22), severitas (§29) und virtus (§3; vgl. auch §§29; 32). Vgl. auch die Charakterisierungen als amplissimus (§3), clarissimus (§29), optimus (§21 und ironisch in §19), sanctissimus (§§9; 29) und summus (§§10; 29). Auf der anderen Seite etwa auf cupiditas (§25), libido (§13), turpitudo (§§13; 14; 22), voluptas (§§25; 26), die Perversion militärischer virtutes (§26) und insbesondere auf impietas (vgl. S. 166f. s.v. placare; 167ff. s.v. patria; 174ff. s.v. parricidium, parricida; 180ff. s.v. ›Hymnos‹; 187ff. s.v. impius; 190ff. s.v. latrocinium, latrones).

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V. Ergebnisse und Ausblick

auszurichten hat,147 zum andern, wo er auf exempla148 und auf den mos maiorum149 verweist. Außerdem bezieht Cicero sich auf Gesellschaftlich-Politisches, wo er deutlich macht, wie weitgehend Catilina bereits in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht geächtet ist,150 und mithilfe politischer Schlagwörter Catilina und seine Mitstreiter als Populare151 und auch als Separatisten152 kennzeichnet und diskreditiert, aber auch, wo er die Geschlossenheit ›aller‹ in ihrer Gegnerschaft zu Catilina betont153 und deutlich zu machen sucht, daß letztlich allen von Catilina Gefahr drohe.154 Mit Bezügen auf Gesellschaftlich-Politisches operiert Cicero also zum einen, um Maßstäbe zu formulieren, an denen sich gesellschaftliches und vor allem politisches Handeln orientieren soll und um derartiges Handeln zu werten, zum anderen, um seinen Standpunkt zu legitimieren und dabei gleichzeitig Catilina zu drohen, außerdem, um Catilina und seine Mitstreiter auszugrenzen, bei allen anderen aber ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen. Offenkundig dienen Cicero Bezüge auf Juristisches, auf Militärisches und auf PolitischGesellschaftliches also vornehmlich denselben Zielen, aus denen er auch auf Religion Bezug nimmt: dazu, seinen eigenen Standpunkt und sein eigenes Handeln zu legitimieren, und dazu, Catilina und seine Mitstreiter auszugrenzen bzw. zu erweisen, daß sie sich selbst se147

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Passim; besonders deutlich in den §§11; 27; 33 und insbesondere in den §§17f. Nicht selten bezieht sich Cicero außerdem auf das Wohlergehen der Allgemeinheit bzw. der Bürger (so in den §§11f.; 14; 28f.; vgl. auch 17f.). So sucht er unter Verweis auf das Beispiel des P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, der Ti. Sempronius Gracchus getötet habe, auf das des C. Servilius Ahala, der Sp. Maelius und auf das des L. Opimius, der C. Sempronius Gracchus, M. Fulvius Flaccus und dessen Söhne getötet habe, außerdem auf das des C. Marius und des L. Valerius Flaccus, die gegen L. Appuleius Saturninus und C. Servilius Glaucia vorgegangen seien, zu zeigen, daß Catilina eigentlich schon längst hätte getötet werden müssen (§§3f.). Das Beispiel der Tötung des Saturninus, der Gracchen und des Flaccus und mehrer noch Früherer greift er außerdem auf, um zu erweisen, daß er selbst keine Anfeindungen zu befürchten gehabt hätte, wenn er sich dazu entschlossen hätte, Catilina töten zu lassen (§29). §§2; 12; 28. Der Verweis auf die disciplina maiorum in §12 bzw. auf den mos maiorum in §28 dient Cicero ebenfalls dazu, seine Behauptung zu untermauern, eigentlich müsse er Catilina töten lassen. Der vorwurfsvolle Ausruf o tempora, o mores! in §2, der gleichfalls auf die vorbildlichen mores der maiores verweist, zielt in dieselbe Richtung: Catilina müßte eigentlich getötet werden. Besonders plastisch in den §§13 (außerhalb der Verschwörung gebe es in Rom niemanden, der Catilina nicht fürchte, niemanden, der ihn nicht hasse); 16 (als Catilina in den Senat gekommen sei, habe ihn niemand gegrüßt, nicht einmal seine politischen Freunde [amici ac necessarii], und niemand habe sich in seine Nähe gesetzt); 19 (abgesehen von einem seiner Spießgesellen sei niemand bereit gewesen, ihn in custodiam zu nehmen); 21 (niemand, kein Senator, kein Ritter, kein Bürger, erhebt Einspruch, als Cicero Catilina auffordert, die Stadt zu verlassen). So etwa amentia (§§8; 25), audacia (§§1; 4; 7; 13; 31), furor (vgl. S. 96ff.), improbi (§§25; 32; vgl. auch §§5; 30), perditus bzw. perditi (§§13; 23; 25; 27; vgl. auch §5), scelus (vgl. S. 129ff.). Auf der anderen Seite stehen dagegen die boni (§§1; 5; 23; 26; 32; 33) bzw. optimates (§7). Zu dieser Terminologie vgl. umfassend Hellegouarc’h 21972; Achard 1981. So insbesondere coniuratio und latrocinium (vgl. S. 102ff., 190ff.); vgl. aber auch die das Bild einer secessio zeichnenden Formulierungen secerne te a bonis (§23) und secedant improbi, secernant se a bonis (§32). Besonders eindrucksvoll in der Reihung ›Senat – Ritter – Bürger‹ bzw. ›Konsuln – Senat – Ritter – Bürger‹ in den §§21 bzw. 32. Vgl. auch die mit Formulierungen wie quem nostrum ignorare arbitraris? (§1) und cum scias esse horum neminem qui nesciat … (§15) suggerierte Geschlossenheit des Senats. Besonders deutlich in §12; vgl. aber auch §§2; 7; 9; 14; 32f.

5. ›Eingebettete‹ Religion

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parieren.155 Dabei sind Bezüge auf Gesellschaftlich-Politisches und Bezüge auf Religion auf das Engste miteinander verknüpft, wo es um die res publica bzw. die patria als Orientierungsgröße und damit um Fragen der pietas geht. Der Bezug auf Religion und der Bezug auf Militärisches wiederum sind auf das Deutlichste verknüpft, wo Cicero mit Iuppiter Stator eine Gottheit ins Spiel bringt, die insbesondere in der Schlacht ihre Wirkung entfalten kann: Das militärische Szenario, das Cicero für in der Vergangenheit Geschehenes entwikkelt, kulminiert in der Feststellung, den Göttern und besonders Iuppiter Stator gebühre Dank, weil man Catilina so oft schon entkommen sei; das Szenario, das Cicero für die Zukunft entwickelt, gipfelt in der Bitte, Iuppiter Stator möge Catilina und seine Leute von den Tempeln, von den Häusern der Stadt und von ihren Mauern fernhalten.156 Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß in der Ersten Catilinarischen Rede Argumente, die nicht religiöser Provenienz sind, – wie es ja auch gar nicht anders zu vermuten ist – eine erhebliche Rolle spielen. Mit einiger Deutlichkeit geht aus diesen Beobachtungen m.E. jedoch auch hervor, daß die Bedeutung der Argumentation mit Religiösem sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht mit der Bedeutung, die die Argumentation mit Juristischem, Militärischem oder Gesellschaftlich-Politischem hat, zumindest der Größenordnung nach vergleichbar ist.

5. ›Eingebettete‹ Religion Der vorliegenden Analyse zufolge ist Religion nicht nur substantieller Bestandteil der Sprache,157 sondern auch der Argumentation der Ersten Catilinarischen Rede. Religion erweist sich hier als geradezu ›eingebettet‹158 in Ciceros Überzeugungstechniken und -strategien, insbesondere auch in seine Psychagogie.159 Soweit man dies aus eben der Rhetorik, die Cicero hier praktiziert, außerdem aus seiner Einschätzung der Rede als vorbildlich und aus dem Erfolg, der ihr allgemein zugeschrieben wurde, schließen kann, war Religion aber auch in gleichsam komplementärer Weise in die Vorstellungswelt der Rezipienten dieser Rhetorik ›eingebettet‹. So erweist sich Religion in dieser Rede als wesentlicher Bestandteil gleichsam alltäglicher verbaler politischer Kommunikation. Angesichts der über den unmittelbaren politischen Kontext hinausgehenden, gewissermaßen größeren Zusammenhänge, in denen die Rede zu sehen ist,160 erweist sich Religion hier insbesondere aber auch als ›eingebettet‹ in die politische Selbstauffassung respektive Selbstdarstellung Ciceros in seinem Be155

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Das Element der Drohung, das bei einem Teil der Bezüge auf Juristisches und auf GesellschaftlichPolitisches so deutlich ist, spielt, wo Cicero Bezüge auf Religion nutzt, dagegen meist nur eine untergeordnete Rolle (vgl. aber insbesondere S. 212 s.v. mactare, 225 s.v. ›Gebet‹). §§11; 33. Religiöses und Juristisches berühren sich immerhin etwa im Begriff parricidium. Zu weiteren Verflechtungen der verschiedenen Sphären, aus denen Cicero bei seiner Argumentation schöpft, vgl. auch S. 239 Anm. 115. Aus sprachgeschichtlichen Gründen etwa. – Zu denken ist insbesondere an die Existenz religiös konnotierter Begriffe. Zu diesem Begriff vgl. S. 13ff. Zum Begriff ›Psychagogie‹ vgl. etwa Stauffer 2005, 406–408; speziell zur affektiven Seite der Psychagogie Solmsen 1938; Vogt-Spira 2008; auch Wisse 1992. Zur Psychagogie Ciceros in der ersten Catilinaria besonders Primmer 1977. Vgl. dazu ausführlich Kap. II (bes. S. 39ff., 54ff., 66ff., 77ff.) und III.

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V. Ergebnisse und Ausblick

streben, sich allgemein in der Nobilität zu etablieren, speziell sich Pompeius gegenüber zu positionieren. Wie vital Religion dabei war, zeigt sich besonders deutlich, wo Cicero mit seiner Argumentation gleichsam beiläufig auf die Verfestigung, teils aber auch geradezu innovativ auf die Herausbildung von Vorstellungen und letztlich von Traditionen Einfluß genommen hat, die ›mit Religion zu tun haben‹.161 So hat seine Präsentation des Unterfangens Catilinas als latrocinium ganz wesentlich dazu beigetragen, den Begriff latrocinium als Schlagwort in der innenpolitischen Auseinandersetzung zu etablieren, damit aber auch Vorstellungen, die mit diesem Begriff verbunden waren – unter Einschluß ihrer religiösen Komponente.162 So hat Cicero dadurch, daß er zumindest dazu beigetragen hat, die Stimmung zu schaffen, in der die von Sallust kolportierten Gerüchte gedeihen konnten, Catilina habe den Verschwörern menschliches Blut zu trinken gegeben, Anteil an der Entstehung bzw. an der Festigung der stereotypen Vorstellung, Verschwörer praktizierten Menschenopfer.163 So ist das Bild, das Cicero von der das Wohlergehen der res publica schützenden Einzelperson entwickelt, deren eigene salus von besonderer Bedeutung für die der res publica ist, zukunftsweisend für die salus-Vorstellung der augusteischen Zeit.164 So stellt Cicero mit der Schilderung der Intention, aus der Catilina einen silbernen Adler verehre, in für das Jahr 63 v.Chr. sicherlich noch nicht allgemein üblicher Weise eine Verbindung zwischen Moral und Religion her.165 So dürfte Cicero dadurch, wie er in dieser Rede die patria präsentierte, einen Beitrag zu ihrer Überhöhung geleistet haben.166 Nicht ausgeschlossen ist außerdem, daß Cicero durch den Zusammenhang, in dem er devovere und defigere hier verwendet, einen Beitrag zur Entwicklung dieser Begriffe hin zu termini, die auch magische Praktiken bezeichen können, geleistet hat.167 Schließlich mag man auch die zuweilen recht ›souveräne‹ Art, in der Cicero in seiner Argumentation Bezüge auf Religion einsetzt, als Aspekt der Vitalität von Religion betrachten.168

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Zu Innovativem in Ciceros Reden vgl. jüngst Gildenhard 2011; speziell zu Ciceros Kreativität in Bezug auf Vorstellungen, die ›mit Religion zu tun haben‹, 246–384. Vgl. S. 192. Vgl. S. 107f. Überhaupt dürfte Ciceros Darstellung der Catilinarischen Verschwörung Einfluß auf die Darstellung auch von anderen Verschwörungen durch spätere Autoren gehabt haben. Vgl. speziell zur Darstellung der Bacchanalien-›Verschwörung‹ durch Livius S. 206. Vgl. S. 126. Vgl. S. 201. Vgl. S. 166f., 167ff. (bes. S. 167f., 171, 173 zu §17f.), 174ff., 180ff. Vgl. S. 163 Anm. 386. Vgl. etwa die Tatsache, daß Cicero den Wunsch utinam tibi istam mentem di immortales duint (vgl. S. 183ff.) äußert, wo er zeigen will, daß etwas höchst unwahrscheinlich ist. Vgl. auch die Relativierung von Normen, wo er imaginiert, die Senatoren könnten unter Umständen zu Recht im Tempel gegen den Konsul Gewalt anwenden (vgl. S. 150ff.), und wo er behauptet, diejenigen, die Saturninus, die Gracchen und Flaccus getötet haben, hätten sich mit deren Blut nicht befleckt (vgl. S. 213f.). Vgl. außerdem seine Charakterisierung des Iuppiter Stator, die die Epiklese des Gottes recht frei interpretiert (vgl. S. 145ff., 221ff.). Diese ›souveräne‹ Art, mit Religiösem zu argumentieren, spiegelt sich in gewisser Weise in der ebenfalls ›souveränen‹ Manier, in der Cicero am 29. Dezember den Schwur modifizierte, den die Konsuln zu Ende ihrer Amtszeit üblicherweise leisteten (vgl. Cic. Pis. 6; dom. 94; zum historischen Kontext vgl. S. 52f., 126 Anm. 184).

6. Ausblick

247

6. Ausblick Aufgrund der Art und Weise, in der Religion in die Erste Catilinarische Rede ›eingebettet‹ ist, kann man vermuten, daß es sich dabei nicht etwa um ein singuläres Beispiel der Gestaltung politischer Argumentation handelt. So argumentiert Cicero etwa auch in der Zweiten Catilinarischen Rede in signifikanter Weise mit Bezügen auf Religion. Der Stellenwert, den die Argumentation mit Religiösem hier hat, dürfte insgesamt jedoch geringer zu veranschlagen sein als im Fall der ersten Rede. Besonders auffallend ist, daß Cicero in der zweiten Rede darauf verzichtet, Catilina und seine Mitstreiter obskurer kultischer Praktiken zu bezichtigen und den Eindruck zu erwecken, der coniuratio sei eine deviante religio eigen.169 Ebenso verzichtet Cicero darauf, die impietas Catilinas unter Bezugnahme auf eine überhöhte patria deutlich zu machen.170 Auffallend ist auch, daß Cicero, wenngleich er auch in dieser Rede sein Vorgehen mit Bezügen auf

169

So trägt Cicero hier an keiner Stelle dazu bei, eine Stimmung aufkommen zu lassen, die dem Verdacht Vorschub leisten könnte, das Zustandekommen der Verschwörung sei mit Blutkonsumation verbunden gewesen. Insbesondere ist hier auch die Bezeichnung der Verschwörung als sceleris foedus (§8) gleichsam unverdächtig, da sie durch eine ausführliche Aufzählung konkreter ›Verbrechens‹- bzw. ›Verbrecher‹-Typen vorbereitet wird, die Cicero zufolge mit der Verschwörung in Verbindung stehen (§7f.). So finden sich keine Anklänge an bacchantische Raserei der Verschwörer. So ist nicht von sacra die Rede, in die der Dolch, mit dem der Konsul ermordet werden soll, ›eingeweiht‹ bzw. mit denen er ›gelobt‹ worden sein soll. So erwähnt Cicero zwar, daß Catilina für einen silbernen Adler in seinem Haus ein sacrarium eingerichtet habe (§13), von einer superstitiösen Bindung Catilinas an den Adler ist jedoch nicht die Rede, ebensowenig von dessen Verehrung aus verwerflichen Gründen (… quaesivi quid dubitaret proficisci eo quo iam pridem pararet, cum arma, cum securis, cum fascis, cum tubas, cum signa militaria, cum aquilam illam argenteam cui ille etiam sacrarium domi suae fecerat scirem esse praemissam – … ich habe ihn gefragt, was er zögere, dorthin aufzubrechen, wohin aufzubrechen er schon längst vorbereitet habe, da, wie ich wisse, Waffen, Beile, fasces, Trompeten, Feldzeichen, jener ›bekannte‹ Silberadler, dem er sogar ein Heiligtum in seinem Haus gemacht habe, vorausgeschickt worden seien). Dies ist umso bemerkenswerter, als Cicero in §13 referiert, was er im Senat gesagt haben will. Während ihm in seiner Rede vor dem Senat jedoch ganz wesentlich die superstitiöse Bindung Catilinas an den Adler auf dessen baldige Abreise wies, ist es in seinem Referat vor der contio schlicht die Tatsache, daß Catilina Waffen und Herrschaftssymbole vorausgesandt hat. Durch die Anreihung des Adlers an die Aufzählung arma, securis, fasces, tubae, signa militaria stellt Cicero den Adler zum einen in militärischen Kontext, zum andern liegt der Ton auf dem Vorwurf der Anmaßung von Herrschaftssymbolen. Die Bemerkung, Catilina habe dem Adler in seinem Haus ein sacrarium eingerichtet, ist in diesem Zusammenhang eher eine Nebenbemerkung – eine Nebenbemerkung, die freilich deutlich macht, wie weit Catilina bei der Usurpation von Herrschaft bereits gegangen ist; zu diesem Zweck weckt sie die Assoziation, Catilina habe in seinem Haus gleichsam das sacellum eines Militärlagers simuliert. 170 In den §§1 und 27f. bezieht Cicero sich zwar auf die patria bzw. spricht von ihrer Bedrohung durch Catilina. Er tituliert sie aber weder als parens, noch bezeichnet er gegen sie gerichtete Verbrechen als parricidium. Überhaupt spielt das Thema ›impietas‹ bei weitem nicht eine so prominente Rolle, wie es in der ersten Rede der Fall war: So findet das Attribut impius in der zweiten Catilinaria überhaupt keine Verwendung; das Verdikt parricida fällt zwar an zwei Stellen (§§7; 22), in beiden Fällen ist es jedoch ›nur‹ Element in einer Aufzählung von Verbrechern, die sich Catilina angeschlossen haben, ohne daß es Cicero an der jeweiligen Stelle darum ginge, in besonders deutlicher Weise darauf hinzuweisen, daß es Catilinas Leuten an pietas mangle.

248

V. Ergebnisse und Ausblick

die Götter zu legitimieren sucht,171 er dies auf viel zurückhaltendere Weise tut und insbesondere die Rolle, in der er sich selbst sieht, nicht mit der Rolle parallelisiert, die Iuppiter Stator für die res publica spielt.172 Auffallend ist außerdem, daß im Fall von Begriffen, deren religiöse Konnotation in der ersten Catilinaria zum Tragen gekommen war, dies in der zweiten nicht immer gleichfalls geschieht.173 Einerseits spielen Elemente der Argumentation mit Religiösem, die in der ersten Rede eine tragende Funktion hatten, in der zweiten Rede also keine Rolle mehr – oder jedenfalls nur noch eine geringe. Andererseits bringt Cicero jedoch neue Motive ins Spiel. Ebenso wie in der ersten Rede geschieht dies teils über die Verwendung religiös konnotierter Begriffe,174 teils über explizite Bezüge auf Religion. Das Motiv, das dabei am deutlichsten zum Einsatz kommt, ist das hilfreiche Wirken der Götter respektive das Vertrauen darauf.175 In diesem Zusammenhang scheint auch das Motiv auf, das in der Dritten Catilinarischen Rede dann eine zentrale Rolle spielt: Die Götter äußern sich durch Zeichen und greifen so lenkend, helfend und schützend in das Geschehen ein.176

171

172

173

174 175

176

Vgl. besonders §19: Hier stellt Cicero sein Bemühen als im Gleichklang mit dem der loyalen Bürger und mit dem der Götter stehend dar: Außer auf seine Wachsamkeit, sein Zur-Stelle-Sein und seine für die res publica Sorge tragende Voraussicht verweist er zum einen auf die Einstellung der boni und eines Großteils der Menge (und auch auf die Existenz der Truppen), zum andern auf die Hilfe, die die Götter leisten werden (me ipsum vigilare, adesse, providere rei publicae … deos … immortalis … praesentis auxilium esse laturos). Überhaupt findet Iuppiter Stator nur vergleichsweise beiläufig Erwähnung, wo Cicero berichtet, er habe am Vortag den Senat in den Tempel des Iuppiter Stator einberufen (… hesterno die … cum domi meae paene interfectus essem, senatum in aedem Iovis Statoris convocavi, rem omnem ad patres conscriptos detuli; §12). So scheint an den Stellen, an denen Cicero in der zweiten Catilinaria die Begriffe furor (§§19; 25) bzw. furens (§1) und furere (§20) benutzt, keine ihrer denkbaren religiösen Konnotationen – Wahnsinn als Strafe der Götter oder aber bacchantische Raserei – auf. So findet, wo es darum geht festzustellen, Catilina hätte eigentlich schon längst hingerichtet werden müssen, zwar der Begriff supplicium Verwendung, freilich nicht in Kombination mit mactare (§3: interfectum esse L. Catilinam et gravissimo supplicio adfectum iam pridem oportebat). So liegt, wenn die Begriffe latro (§§7; 22), latrocinium (§§1; 22) und latrocinari (§16) fallen, der Ton so deutlich auf dem Kriminellen bzw. Gewaltsam-Aufrührerischen, daß sie hier wohl kaum an eine wesentlich durch eine eigene religio gekennzeichnete Alternativgesellschaft denken lassen. Zu diskutieren ist dies etwa bei monstrum … atque prodigium (§1), fatum und saecula (§11) und bei sacrosanctus (§18). So meint Cicero in §19, die Götter werden gegen eine so große Gewalt des Verbrechens Hilfe leisten (deos … immortalis … contra tantam vim sceleris praesentis auxilium esse laturos). In §25 fragt er, ob die Götter es nicht erzwingen würden, daß die vitia von den virtutes überwunden werden, sollte im Kampf der virtutes gegen die vitia der Eifer der Menschen schwinden (in eius modi certamine ac proelio nonne, etiam si hominum studia deficiant, di ipsi immortales cogant ab his praeclarissimis virtutibus tot et tanta vitia superari?). In §29 verweist Cicero darauf, daß die Götter ihre Tempel und die Häuser der Stadt schützen (qui [sc. di immortales] … praesentes suo numine atque auxilio sua templa atque urbis tecta defendunt) und fordert in der Folge die Quiriten dazu auf, die Götter anzuflehen, sie mögen die Stadt auch jetzt verteidigen. §29. Vgl. Cat. 3,18–22; vgl. dazu auch S. 78f., 80f.

6. Ausblick

249

Bereits diese wenigen Beobachtungen an der zweiten Catilinaria, an der Rede also, die der Ersten Catilinarischen Rede am engsten verbunden ist,177 lassen erkennen, wie reich, gleichzeitig aber, wie differenziert das Bild ist, das sich ergibt, stellt man vergleichende Untersuchungen an. Der Vermutung, daß die ›Einbettung‹ von Religion, wie sie in der Ersten Catilinarischen Rede zu beobachten ist, nicht ein singuläres Phänomen der Gestaltung politischer Argumentation darstellt, im Detail nachzugehen, muß freilich weiteren Studien vorbehalten bleiben.

177

Bei aller Unterschiedlichkeit, was etwa das Publikum und die genaue Redesituation anbelangt – insbesondere hielt Cicero die zweite Rede nicht vor dem Senat, sondern in einer contio, Catilina und ein Teil seiner Mitstreiter hatten Rom mittlerweile verlassen –, verbindet beide Reden beispielsweise, daß es Cicero auch in der zweiten darum gehen mußte, sein Publikum gegen die Verschwörer einzunehmen und die Haltung, die er diesen gegenüber an den Tag legte, zu legitimieren; auch auf an der Verschwörung Beteiligte bzw. mit ihr Sympathisierende galt es nach wie vor einzuwirken. Außer durch Aspekte der Zielsetzung sind die erste und die zweite Catilinaria selbstredend auch durch den Gang der Ereignisse miteineinander verbunden, war die Situation, in der sich Cicero an die contio wandte, doch gleichsam Ergebnis des vergangenen Tags und der Rede, die er im Senat gehalten hatte: der ersten Catilinaria.

250

V. Ergebnisse und Ausblick

Anhang In Übersicht 1 finden sich die Stellen, an denen mit einiger Wahrscheinlichkeit der Bezug auf Religion zum Tragen kommt, den der an der betreffenden Stelle verwendete Begriff oder Ausdruck haben kann. In Übersicht 2 finden sich Stellen, – an denen es immerhin nicht ausgeschlossen ist, daß der Bezug auf Religion zum Tragen kommt (mit ›+‹ gekennzeichnet) – an denen es denkbar ist, daß der Bezug auf Religion im Nachhinein zum Tragen kommt (mit ›(+)‹ gekennzeichnet) – an denen der Bezug auf Religion an der betreffenden Stelle nicht zum Tragen kommt (mit ›–‹ gekennzeichnet) – an denen dies in der ersten Catilinaria grundsätzlich nicht der Fall ist (mit ›––‹ gekennzeichnet). Die Zeilenangaben (›Z.‹) beziehen sich auf die Edition von Maslowski; ›V.‹ bedeutet ›Rede-Viertel‹.

Übersicht 1 V. 1

2

§ 2

Z. 17

8 9 10 11

91 94 117 121 122 129 134

12 14 15

16

3

17

18

157 166 169 170 171 180

Begriff o.ä. in te conferri pestem … scelus di immortales purgare di immortales Iuppiter Stator nefarius templa deorum immortalium scelus (2×) spiritus caeli scelus furor fortuna initiare, sacra, devovere

198 202 203 205 206

scelus placare patria parricidium vereri

216

scelus

inhaltl. Zusammenhang bei Häufungen

magna dis immortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori ... gratia

sceleri ac furori tuo non mentem aliquam aut timorem tuum sed fortuna populi Romani obstitisse quae quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit nescio, quod eam necesse putas esse in consulis corpore defigere si te parentes timerent … neque eos ratione ulla placare posses … Nunc te patriam … odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare: huius tu neque auctoritatem verebere nec …

Anhang

V. 3

§ 19 21 22

24

284 286 287

Begriff o.ä. patria templum di immortales scelus scelerati patria impius, latrocinium sacrarium venerari, altaria impius

25

26

289 291 293 296

furiosus fortuna nefarius bacchari

27

310

29

312 317 320 341

patria, detestari, deprecari, quaesere patria scelus supplicio mactare sanguine se contaminare parricida scelus omina ›Prophezeiung‹ und ›Verwünschung‹ scelus, parricidium impius, nefarius Iuppiter, Stator, ›Gebet‹ auspicia templa patria, scelus, foedus nefarius suppliciis mactare

23

4

31 33

Z. 220 248 261 264 276 277 278

343 363 384 386 387 388 390 392 393 394

251

inhaltl. Zusammenhang bei Häufungen

sin autem servire meae laudi et gloriae mavis, egredere cum importuna sceleratorum manu … infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio … … aquilam illam argenteam … qui domi tuae sacrarium constitutum fuit … quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti ibis … quo te … tua ista cupiditas effrenata ac furiosa rapiebat … Ad hanc te amentiam … fortuna servavit … Numquam tu non modo otium sed ne bellum quidem nisi nefarium concupisti … Hic tu … quanta in voluptate bacchabere … nunc, ut a me … quandam prope iustam patriae querimoniam detester ac deprecer, percipite, quaeso, diligenter quae dicam … Etenim si mecum patria … loquatur …

252

V. Ergebnisse und Ausblick

Übersicht 2 V.

§

Z.

1

1

2 8 13 15 18

2 3

5 6

7 8 9 2 11 12 13

14 16 17

20 25 52 64 65 67 76 81 88 96 108 125 139 140 146 148 154 162 165 181 190 193

Begriff o.ä.

kommt der Bezug auf Religion zum Tragen? furor – coniuratio (+) caedes (+) furor – amplissimus + pontifex maximus + caedes (+) supplicium – vereri – nefarius – coniuratio (+) caedes (+) caedes (+) caedes (+) salus –– sanctissimus – polliceri – salus –– salus –– coniurati (+) consulere –– coniuratio (+) inlecebra –– vitium –– salus –– defigere + caedes (+) me hercule ––

Anhang

V.

§

Z.

Begriff o.ä.

3

19

225 228 236 267

responsum sodalis supplicium vitium commovere furor caedes dextera fortuna scelerate latrocinium coniuratio supplicium salus sanctissimus gladiator vereri coniuratio coniuratio coniuratio furor latrocinium polliceri salus latrones

20 22

24

4

25 27

28 29

30 31

32 33

270 286 287 294 307 317 323 330 335 338 242 348 354 362 363 364 379 384 392

kommt der Bezug auf Religion zum Tragen? –– + – –– –– – (+) –– – + – (+) – –– + –– – (+) (+) (+) – – + –– –

253

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Register

›Sachen‹, die in Kapitel II ›Historischer Kontext‹ Erwähnung finden, wurden nur in den Fällen aufgenommen, in denen man sie nicht mithilfe der Zwischenüberschriften findet. Verzichtet wurde auf die Aufnahme von Quellenstellen, die lediglich als Beleg für Ereignisse dienen, die mit der Catilinarischen Verschwörung, ihrem weiteren historischen Kontext oder mit der Vita von Personen in Zusammenhang stehen, nicht aber näher diskutiert werden.

Personen- und Sachregister

Adler 101, 109, 158, 160, 179, 189, 196–203, 229, 239, 246f. Aemilius Lepidus, M’. 182 Aemilius Lepidus, M. (cos 78) 192 Aemilius Lepidus, M. (Triumvir) 44, 46 Aemilius Paullus, L. 48, 182, 242 Aemilius Scaurus, M. 69 Allobroger 49f., 74, 80, 82, 84f. Altar, altaria 109, 196, 200f., 227–229, 232f., 235 amentia 96f., 122, 130, 158, 244 Ampius, T. 44 amplissimus 112f., 227f., 230, 243 amplissima collegia 43, 113 Annius Chilo, Q. 47 annus fatalis 84f. Anthropophagie 108, 206 Antonius, C. 46f., 71, 76, 151, 211 Antonius, L. 192 Antonius, M. (cos 99) 41 Antonius, M. (Triumvir) 29, 188, 192, 194, 206 Apollodoros 107 Appuleius Saturninus, L. 42, 111, 172, 178, 197, 213f., 244, 246 ara 200f. arcere 219, 223f. Archias 56, 59, 69 Asinius Pollio, C. 59 Atticus → Pomponius audacia 96f., 99f., 118, 131, 244 augurium salutis 80, 127f. Augustus 21, 29, 46, 127, 188, 192, 206, 210 Aurelius Cotta, L. 74 auspicia 120f., 139, 154, 221f., 227f. Autronius Paetus, P. 47, 74 Bacchanalienaffäre 118, 198, 202, 204–206, 230, 246 Bacchantinnen, Bacchanten 101, 204f., 232 bacchari 100–102, 204–206, 227f., 230–232, 240 Bellona 108 bellum 77, 122f., 133f., 171, 187–195, 205, 231, 239, 243 Blut 103, 106–108, 152, 164, 210, 213f., 229, 235, 246f. Bona Dea 37, 65, 79, 102 Bürgerkrieg 80, 84, → bellum

Caecilius, Q. 179 Caecilius Metellus Celer, Q. 37, 43, 47, 182 Caecilius Metellus Creticus, Q. 37, 44 Caecilius Metellus Nepos, Q. 35, 48f., 51–53, 66, 68f., 81 caedes 77, 109f., 227f., 230–232 Caesar → Iulius Calpurnius Bestia, L. 47, 52 Calpurnius Piso, C. 36f., 42, 51, 68 Calpurnius Piso Caesoninus, L. 108, 192 Campus Martius 45, 120 Cassius Longinus, L. 47 Catilina passim Catilinarische Verschwörung Erste 22, 37, 74, 82, 97, 144, 154–156, 158, 179 Zweite passim Cato → Porcius Cicero → Tullius Cinna → Cornelius Claudius, App. 80 Claudius Marcellus, M. 126, 151 Claudius Nero, T. 51 Clodius Pulcher, C. 46, 58, 63–67, 71, 75, 102, 108, 152, 192, 194 coercitio 45, 92, 150, 212, 225, 242 coitio 102f. collegium 41, 182f., 206, 233, 236 commovere 187, 227f., 230, 243 concordia ordinum 39, 41, 64, 70 coniurare 206 coniurati 103, 105f., 227f., 230f. coniuratio passim, bes. 102–108, 162, 183, 206, 227f., 230f., 236, 239, 242, 244 consecratio, consecratus 120f., 151, 161, 233 consecratio capitis 113 conservator 126f., 222 conspiratio 102f. consulere 153, 227f., 230 contaminare 213f., 229 Cornelius Cethegus, C. 47, 83, 110, 210 Cornelius Cinna, L. 82f. Cornelius Lentulus Crus, L. 192 Cornelius Lentulus Sura, P. 48, 52, 80, 82–85, 192f., 210 Cornelius Scipio Africanus, P. 69

Personen- und Sachregister Cornelius Scipio Nasica Serapio, P. 111–114, 154, 230, 244 Cornelius Sulla, P. 47, 67, 74 Cornelius Sulla, Serv. 47 Cornelius Sulla Felix, L. 21, 34–36, 40, 43, 47, 69, 73–75, 82f., 105, 109, 122, 126, 179, 197 corona civica 50, 126f. Crassus → Licinius crimen maiestatis → maiestas cupiditas 100f., 205, 243, 245 Curia 111, 120f., 152, 200 Curius, Q. 47 custos 127, 146f., 221–225, 234 Decius Mus, P. 110 dedicare 161 defigere 159, 162f., 227f., 230, 232, 246 defixio 159, 162 deprecari 207f., 227f., 230, 232, 237 detestari 207f., 227f., 230, 232, 237 devotio 110, 217, 229 devovere 159–164, 227f., 232, 246 dextera 187, 189f., 196, 200f., 203, 227–230 Dionysos 101, 193, 204–206 dirae → Verfluchung Dolch 157, 159–164, 229, 239, 243, 247 Drohung 112, 172, 192, 212–216, 221, 225, 234, 242, 244f. Eid 102–108, 126, 164, 206, 231, 233, 235f., 246 Eltern → parens, parentes Eunous 193 evocati, evocatio, evocator 103–105, 172, 192 Exil 45, 77, 90–92, 99, 131, 150, 153, 168, 175, 183–186, 188, 190, 242 expiatio 81, 139f., 152, 166 exsultare 194, 231 Fabia 85 factio 102, 191–193 fas 115f., 118 fastus 116 fatum 83, 156, 248, → annus fatalis, Schicksal Feldzeichen 198f., 247 Fetischismus 199 fides 103, 106, 164f., 203 Flavius, L. 71 Flavius Scaevinus 161 Fluch → Verfluchung foedus 107f., 132f., 227f., 230f., 239, 241, 247 fortuna, Fortuna 98f., 155–159, 227f., 230, 232, 234, 239 Fulvius Flaccus, M. 111, 172, 178, 210, 213f., 244, 246 furens 96, 194, 248 furere 96, 101f., 248 Furiae 98, 101f.

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furiosus 96, 100–102, 227f., 230–232 furor 96–102, 109f., 118f., 131f., 155, 194, 204f., 227f., 230–232, 239, 244, 247f. Gabinius, A. 108, 192 Gebet 17, 107, 149f., 181, 183–186, 189, 200f., 203, 208f., 211, 217–225, 227–229, 232, 235, 238, 240 Gellius, L. 50, 126 Gesellschaftlich-Politisches 239f., 243–245 gladiator 103, 106, 123, 157, 192f., 212f., 227f., 230 Götter 17, 22, 24–28, 32, 77–82, 98f., 101, 104, 106f., 115f., 119, 121–123, 127, 134–136, 141, 144f., 147–150, 153, 170, 181, 183–187, 189, 201, 209, 211, 215, 227–229, 231–235, 237– 240, 245, 248 Gratidia 199 Hand → dextera Handlung, religiöse passim, bes. 18, 23, 227–229, 232f. haruspices 20, 80, 82, 84f., 152, 233 Hercules 166, 227f., 237 Hermaphrodit 176 Hortensius Hortalus, Q. 37, 43, 50, 67 hostis 29, 48, 77, 90, 92, 103, 110, 130, 146, 172f., 191f., 195, 224f., 243 Hymnos 180–182, 227–229, 232, 238 impietas 104, 129f., 132–134, 140, 173, 178, 187– 190, 193, 201, 203, 218, 225, 233, 243, 247, → pietas impius 127, 129, 132, 169, 173, 187–190, 193, 218, 227f., 231, 239, 247 inauguratio, inauguriert 121, 136, 151f. initiare 159–164, 227f., 232 inlecebra 153f., 227f., 230 Iulius Caesar, C. 22, 27, 35–40, 42–44, 46, 50–52, 55, 59, 63–68, 71f., 75, 82, 114, 126f., 152, 188, 192, 197, 225 Iunius Silanus, D. 46, 51 Iuppiter 80f., 107f., 149, 152, 155, 199, 210f., 218f., 225, 232, 234 Stator 121, 127, 141, 145f., 172, 221–224, 227– 229, 232, 237, 240, 245f., 248 Statue 80f., 83 Tempel → templum iure optimo 152 ius 116, 118 Juristisches 239–242, 244f. Kommunikation 30, 59, 87, 245, → Religion Konnotation 28, 30 religiöse passim, bes. 95, 228–232, 238, 245, 248 Kosmos 154f., 158, 232, 235, 241 Krankheit 96–100, 140f., 241, → pestis, Wahnsinn

290

Register

Labienus, T. 42–44 Laelius, C. 69 latrocinari 248 latrocinium, latrones 190–195, 227f., 230f., 236, 239, 241, 244, 246, 248 Lentulus → Cornelius Liber Pater → Dionysos Licinia 85 Licinius Crassus, L. 41 Licinius Crassus, M. 35–40, 50–52, 56, 61f., 64, 66, 68, 74f., 82, 85, 108, 151, 156 Licinius Lucullus, L. 37, 44f., 59, 68f. Licinius Murena, L. 44–46, 49f. lustratio 140 Lutatius Catulus, Q. (cos 102) 69 Lutatius Catulus, Q. (cos 78) 37, 46, 50f., 73, 109, 126, 199 Ma 108 mactare 209–212, 219, 225, 227f., 230–232, 241, 248 Maelius, Sp. 111, 244 Mänaden → Bacchantinnen, Bacchanten Magie 14, 17, 153f., 159, 161–163, 232, 246 maiestas 52, 151f., 242 Manlius, C. 47f., 77, 91, 101, 103, 105, 118, 168, 171, 192, 196, 213, 243 Manlius Torquatus, L. 67, 74 manus 103, 105f., 134, 243 Marcius Philippus, L. 192 Marius, C. 21, 111, 197–199, 202, 244 Marius Gratidianus, M. 109, 179, 199, 210 Memmius, C. 44 mens 98f., 157, 184–186 Menschenopfer 108, 193, 246, → Ritualmord Metellus, M. 182 metuere, metus 99, 114f., 156 Militärisches 239f., 242–245 Minucius Thermus, Q. 66 Mithradates VI. 34f., 40, 44, 68, 78 monstrum 175, 177, 248 Mord → caedes, parricidium mos maiorum 26, 114, 118f., 172, 244 Mucius Scaevola ›Augur‹, Q. 41 Mucius Scaevola ›Pontifex‹, Q. 41 Mysterien 159, 161, 193, 200 Nacht 47, 88, 104, 116f., 125, 201, 205f. natura 116, 158 nefarius 104, 107, 115–123, 188f., 205, 217f., 225, 227f., 230–232, 239 nefas 115f. nefastus 116

Norm 96, 102, 116, 118, 122, 151–153, 189, 198, 214, 237, 246 nutus 78, 80f. omen, omina 139, 214–216, 218, 227–229, 231f., 234, 237f. Opfer 17, 108–110, 159, 163, 199–201, 203, 208– 212, 219, 229, 231f., → Menschenopfer Opimius, L. 111 parens, parentes, Eltern 24, 115, 164–167, 169– 171, 173, 175–178, 181, 187, 216f., 231, 239, 247 parens patriae 50, 126 parricida, parricidium 92, 103, 107, 109, 133, 169f., 172–179, 218, 227–231, 239, 241, 245, 247 Pathos 129, 135, 138, 150, 214f., 218, 220, 236–238 patria 24, 104, 106f., 114f., 132f., 138, 149, 164– 174, 176–178, 180–182, 187f., 192–194, 207– 209, 211, 225, 227f., 230f., 234f., 238–240, 242f., 245–247 pax deorum 78, 82, 140, 148, 152, 175, 188, 214 Performanz 17, 217, 219, → Handlung, Sprechakt pertimescere 115 pestis 99f., 110, 140f., 172, 217, 241 petere, petitio 106, 157, 243 Petreius, M. 66, 197 piaculum 110, 141, 148, 152f., 175, 235 piare 166f., 169, 187 pietas 116, 129, 132f., 137f., 165, 167, 169, 171, 173, 175–179, 181, 187f., 193, 203, 233, 235, 239, 245, → impietas pius 140, 169, 187f. placare 166f., 172f., 181, 211, 227f., 230, 232 poena cullei 174f. polliceri 138f., 227f., 230–232 pollutio templi → violatio templi Pompeia 65 Pompeius Magnus, Cn. 34–40, 42, 44, 48–51, 53, 56, 59, 61–64, 66–71, 74, 76, 78, 81, 126, 175, 246 Pompeius Magnus, Sex. 192 Pomponius Atticus, T. 54–57, 61–65, 67, 71, 87, 152 commentarius 56, 62 pontifex maximus 21f., 36, 46, 73, 110–114, 227f., 230 Porcius Cato, M. 35–37, 44–46, 48–52, 62, 64, 66, 68, 70, 75, 136 Porcius Laeca, M. 47, 88f., 91, 104, 117f., 125, 134, 138, 141 portentum 175, 177 Poseidonios von Apameia 56f., 59, 62f.

Personen- und Sachregister precari 208 princeps 70 privat, privatus 16, 45, 79, 83f., 104, 111–114, 117, 119f., 124f., 128, 135, 143f., 152, 170, 198, 200 prodigium, prodigia 17f., 20f., 24, 77, 84, 175, 177, 214f., 248 des Jahres 65 v.Chr. 78, 80–83 des Jahres 63 v.Chr. 78f., 81f. publica 81f., 175 promittere 138f. Prophezeiung 21, 77, 80, 82–84, 129, 139, 189, 215–218, 220, 231f., 240 propitiare 166 Psychagogie 77, 93, 225, 245 purgare 139–141, 227f., 230, 232 quaesere 207f., 227f., 230, 232, 237 Quinctius Flamininus, T. 126 Quintilianus 57f., 60, 112 Rabirius, C. 21, 42f., 73, 111 ratio 96, 99, 243 religio 31, 52, 64, 82, 137, 161f., 191, 193, 195, 201, 233, 236 prava 206 Religion Begriff 31f., 95 deviante 161, 191, 193, 205, 233, 235f., 239f., 247 ›eingebettete‹ 13–18, 24, 245–248 pervertierte 83, 106, 188, 193, 203, 231, 236 Polis-Religion 13–16, 24 und Ausgrenzung 233–236, 238, 244 und Kommunikation 16–18, 23f., 32, 82, 181, 208f., 220, 227–229, 232, 238, 245 und Legitimierung 233–236, 238, 244, 248 und Moral 16, 201, 246 sprachliche Basis in der ersten Catilinaria 227– 232 ›Verfall‹ 20–24 religiosus 31, 136 Reliquie 197 responsum 182, 227f., 230 Rhetorik 236–238 Ritualmord 108f., 206f. Roma, Dea 32, 170 Romulus 146, 221–225, 234 Roscius Otho, L. 42 rostra 146, 152 Rutilius Rufus, P. 69 sacellum 200, 247 sacer 113, 136f. sacra 15–17, 159–164, 170, 198, 227–229, 239, 247 privata 16, 198 sacrarium 196, 198, 200–203, 227f., 232f., 235, 247 sacrosanctus 136, 248

291

saeculum 248 saepta 120f. Sakralisierung 121, 235 Sallustius Crispus, C. 22, 72, 77, 92, 103, 106–108, 163f., 192, 197–199, 206f., 246 salus 80, 123–129, 188, 218, 227f., 230, 234, 246 Salvius 193 sanctissimus 136–138, 172–174, 227–231, 243 sanctus 136f. Saturninus → Appuleius scelerate 134, 195, 227–230, 241 scelerati 133f., 194, 227–230, 241 scelus 98–100, 103–107, 129–134, 173, 177f., 193, 195, 201–203, 217f., 225, 227–231, 239, 241f., 244, 247 Schadensumkehr 110 Schicksal 83, 85, 193, → fortuna, Zufall Schweigen 151, 242 Schwur → Eid Schwurgott 103, 166 Scipio → Cornelius Scribonius Curio, C. 162 Sempronius Gracchus, C. 43, 111, 172, 178, 213f., 244, 246 Sempronius Gracchus, Ti. 111–113, 118, 154, 172, 178, 213f., 244, 246 senatus consultum ultimum 43, 47f., 66, 89, 111f., 178, 241f. Sergius Catilina, L. passim servator → conservator Servilius Ahala, C. 111, 244 Servilius Glaucia, C. 111, 244 Servilius Rullus, P. 36, 38f., 68, 73 Servilius Vatia Isauricus, P. 46 Sestius, P. 52, 151f. Sibyllinische Bücher 20, 82–84 Silanus → Iunius societas 102f., 107f., 123, 133 socius 103, 108, 130, 183 sodalis, sodalitas 103, 182f., 227f., 230, 236 soter 126f. Spartacus 34, 66, 105, 191, 193 spes, Spes 159 spiritus caeli 90, 154f., 227f., 230, 235 spondere 138f. Sprechakt, religiöser 229f. Stoa 154f., 158, 232, 241 Strafe durch Götter 98–102, 107, 132, 169, 210, 219, 225, 232, 235 durch Menschen 175, 209–213, 216–218 in der Unterwelt 225, 228 Sulla → Cornelius Sulpicius Rufus, Ser. 49f. superstitio 106, 198f., 201, 204, 236, 247

292

Register

supplicatio 211 Cicero 50, 77f., 82 Pompeius 44, 68, 78 supplicium 210f., 225, 227f., 230–232, 241, 248 Tarquinius, L. 50 Tempel Cicero 63 Concordia 145 Iuppiter Stator 88–90, 145f., 151f., 155, 221– 224, 237, 242, 248 templum 121, 136, 147–153, 227–229, 232, 238, 246, 248 Terentia 65, 85 Terentius Varro Lucullus, M. 37 Terentius Varro (Reatinus), M. 22, 69 terminus technicus, religiöser passim, bes. 28, 228f., 238 Theophanes von Mytilene 63, 69 Thyillos 56 timor 98–100, 157 tribunal 121 Tullius Cicero, M. passim commentarii 56f., 62 De consiliis suis 75 De consulatu suo 56, 67, 69, 78f., 81, 83 Tullius Cicero, Q. 40f., 63, 65, 79f. tumultus 47, 114, 143, 207 tyche 99

Überhöhung 110, 124, 127, 129, 138, 157, 174, 182, 208, 218, 224, 234f., 238, 246f. Urania 79, 81 Valerius Flaccus, L. 111, 244 valvis apertis 90 Vargunteius, L. 47 vates 83–85, 141, 219 Vatinius, P. 207 venerari 196, 200, 227–229, 232f., 235 vereri 114f., 227f., 230 Verfluchung, Verwünschung 106, 108, 129, 159, 161f., 164, 189, 207f., 215–218, 227–229, 232, 235, 237f., 240 Verres, C. 40, 192 Vestalinnen 65, 74, 79, 85 violatio templi 148, 151, 233, 237 Viriatus 191 vitium 154, 227f., 230, 243, 248 Volcacius Tullus, L. 75 Vorstellung, religiöse 232f., 246 vota 127 vovere 138f., 159, 161 Wahnsinn 96, 98, 100, 207, 231, 248 Zauber → Magie Zeniketes 191 Zufall 156f. Zwang 163f., 198, 205, 235f.

Stellenregister

Literarische Quellen Aemilius Scaurus, M. fr. 9 (Malcovati 166f.) App. civ. 1,68–70

113

Apul. mag. 34,5 47,3

153 153

Apul. met. 3,16–18

153

Ascon. 89C

177

170, 179

Augustus RGDA 9 113 10 46 Cass. Dio 37,9,1f. 37,24f. 37,30,3 37,34,3f. 37,35,3f. 44,5,3

80 80 108, 206 80 79 46

Cat. agr. 134,3 141,2f.

209 149

Catull. 64,254f. 64,254–264

101 204

Cic. ac. 1,9 1, fr. 20

22 204

Cic. Att. 1,14,3f. 1,19,10 1,20,6 2,1,1f. 2,1,3 2,1,4–10

54, 56, 62, 77 62 62 57, 62 54f., 77, 92 56

7,13,1 8,4,1 9,9,2 9,9,4 14,9,1 15,3,2 15,4,3 15,29,3

149 135 170 122 135 152 185 209

Cic. Brut. 107 185 212 217 276 279

114 26 114 162 24, 26, 101, 204 24

Cic. Caecin. 43

122

Cic. Cael. 12 26

154 183

Cic. Cat. 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14

96f., 102, 104, 145, 242, 244 97, 109, 141, 146, 217, 241, 243f. 78, 109–114, 146, 165, 211f., 241, 243f. 111, 146, 241–244 114, 146, 241, 243f. 78, 102, 104, 109, 115–120, 125, 241–243 109, 241–244 108, 124–127, 130, 132, 241–244 124f., 134–138, 157, 232, 234–237, 240f., 243f. 139–141, 242f. 89, 115, 119–122, 124–128, 141–147, 157, 207, 221, 232, 234–237, 240–245 105f., 124, 128, 140, 147–150, 152, 235f., 241, 243f. 102, 104, 153f., 241–244 124, 128, 130, 132f., 154, 241–244

294 1,15 1,16 1,17 1,18 1,19 1,20 1,21 1,22 1,23 1,24 1,25 1,26 1,27 1,28 1,29 1,30 1,31 1,32 1,33

2,1 2,3 2,6 2,7 2,8 2,10 2,11 2,12 2,13 2,15 2,16 2,18–20 2,22 2,25 2,26

Register 97–100, 130, 132, 144, 154–157, 234, 240–244 109, 144, 151, 157, 159–164, 198, 205, 235, 240–244 115, 130–132, 140, 164–168, 171, 173, 176f., 181, 211, 235, 237, 240–242, 244 130, 132f., 168, 171–173, 180–182, 207, 228, 235, 237, 241–244 168, 171, 182f., 241–244 61, 91, 150, 211, 241–243 61, 91, 150–153, 236f., 242–244 99, 130–132, 154, 157, 183–187, 232, 234, 236, 241–243 78, 106, 133f., 168, 171, 173, 186–188, 190, 192–194, 235, 240f., 243f. 101, 109, 163, 179, 184, 187, 189f., 196–203, 205, 235, 240f., 243 100–102, 106, 115, 122f., 157–159, 188, 234f., 240, 243f. 194f., 204–206, 235, 240, 242–244 102, 104f., 130, 132, 134, 146, 167, 171–173, 190, 192, 195, 207–212, 235, 237, 240f., 243f. 114, 124, 128, 146, 167, 171–173, 211f., 235, 237, 241, 244 138, 167, 171–173, 178f., 212–214, 235, 241, 243f. 100, 102, 105, 141, 146, 173, 241, 243f. 99f., 102, 105, 131f., 140, 173, 190, 194, 241, 244 173, 241, 243f. 78, 89, 107f., 115, 123–126, 128f., 131–133, 141, 146, 148–150, 152, 157, 169, 172f., 177f., 187–190, 195, 209–212, 214–225, 228, 232, 234–237, 240f., 243–245 78, 92, 177, 247f. 248 78, 92 131, 247f. 131, 154, 178, 247 78 248 89, 248 197, 199, 247 78 248 248 247f. 129, 177, 193, 203, 248 207

2,27 2,28 2,29 3,1 3,2 3,3 3,9 3,13 3,15 3,18 3,19f. 3,21 3,22 3,23 3,29 4,2 4,5 4,8 4,10 4,11 4,12 4,13 4,18 4,20 4,24

247 78, 207, 247 149, 220f., 248 79, 127 127, 148f., 224 92 82, 84 125 50, 77f. 78, 81, 248 80, 248 80f., 248 81, 98, 148f., 248 50, 77f. 220f. 83, 120 50, 77f. 225 77 101, 110, 204 83 125 149 78 149

Cic. Cluent. 171 194

225 201

Cic. de orat. 1,17 1,60 1,196 2,115 2,121 2,128 2,178 2,196 2,197 2,310

24 24 170 24 24 24 24 24, 220 152 24

Cic. Deiot. 21

185

Cic. div. 1,18 1,19 1,20 1,21 1,28 1,81 1,105 2,45–47

78f. 80 80, 83, 137 80 22 122 80 80f.

295

Stellenregister Cic. dom. 22f. 26 91 94 99 133 141 144f.

126 174 114 126, 246 126 170 98 220

Cic. fam. 2,16,2 3,6,5 3,10,9 5,8,5 14,1,5 15,4,3 15,4,11

122 105 113 108 123 105 78

Cic. Flacc. 52 62 95f.

209 170 210f.

Cic. har.resp. 1 19 21 37f. 39 45

194 137 152 102 98, 101f. 183

Cic. inv. 1,22 1,23 1,101 2,53 2,66 2,161

220 147, 215 24, 220 151 169 169

Cic. leg. 1,32 1,40 2,3 2,4 2,5 2,6 2,33 2,37 3,8 3,22

199 98 170f. 171 169, 171 171 22 160, 205 124 96

Cic. leg.agr. 2,9 2,86 3,7

122 170 152

Cic. Manil. 50 70

125 146

Cic. Marc. 22 24f.

127 127

Cic. Mil. 12 39 84 86 88

151 123 200 98 98

Cic. Mur. 1 56 81 83 86 90

120 183 100 122 122 122

Cic. nat.deor. 1,101 2,8 2,9 2,11 2,62 3,21 3,46

199 137 22 154 222 170 98

Cic. off. 1,76 1,160 3,83

114 170 170

Cic. orat. 69 128f.

26 24

Cic. parad. 2,18

98

Cic. part. 22 56 73 129

24 24, 215 24, 215 116

Cic. Phil. 1,5 2,2 2,12 2,13 2,17 2,24

149 78 50 78 170 122

296

Register

3,3 3,17 4,5 6,2 9,15 10,13 13,20 13,39 13,49 14,24 14,27 14,32

122 96 170 122 122 184 194 122 177 78 149 225

Cic. Pis. fr.1 fr.3 6 9 16 21 28 46 50 52 84f.

177 98 50, 78, 126, 246 177 210f. 149 108 98 98 149, 170 122

Cic. Planc. 29 70 79 88

114 170 123 114, 152

Cic. p.red. ad Quir. 13 108 Cic. prov. 41

137

Cic. Rab.perd. 4 96 Cic. rep. 1,67 6,16

209 169

Cic. S.Rosc. 38 63 66f. 70 71 72

175 175 98 174 174, 176 174f.

Cic. Scaur. 38 40

103 103

Cic. Sest. 24f. 38 53 78f. 80 81–83 84 121 144

108 177 149 152 152, 213 152 149 50 149

Cic. Sull. 6 33 58 69 70 71 76 85 86

170 143 122 193 83, 193 193 98 78 149

Cic. Tusc. 1,10f. 4,51

225 114

Cic. Vatin. 14 22 35

207 151 170

Cic. Verr. 2,1,6f. 2,2,154 2,4,26 2,4,108 2,5,85 2,5,113 2,5,170 2,5,184–189

98 126 211 113 96 98 129, 176 220

Curt. 4,1,16 6,1,4 7,4,36 9,7,21

157 157 157 157

Decl. in Cat. 65 (Kristoferson)

117

297

Stellenregister Demosth. or. 4,45

99

Eur. Bacch. 1170–1331

204

Eur. Phoen. 1202

99

Flor. epit. 1,1,7 2,12,4

139 108, 206

Gorg. Helena 10

217

Liv. 1,12,4 1,12,5 1,12,6 1,58,11 2,28,1–4 2,36 3,20,5 3,69,8 4,22,2 5,18,11f. 5,55,1f. 7,20,7 7,23,3 8,9,10 10,36,11 10,37,15f. 27,37,6f. 28,29,1 39,3,14 39,8f. 39,9,4 39,10 39,10,5 39,11–13 39,14f. 39,15,13 39,16 39,17–19 39,37,17 43,13,1

Dig. 1,2,2,23 48,9 48,19,11,2 50,16,118

175 174 191 191

Diod. 22,5,1 40,5a

107 61, 151

Dion.Hal. ant. 2,50,3 5,51,3 5,52,1–5,57,5 6,45,2

146 207 207 199

167

Lollianos, Phoinikika fr. B1 recto 207

Don. Ter.Eun. 772 105

Hor. ars 210 Hor. carm. 1,25,22 1,37,12 3,6,1–15

204 177 22

Hor. epist. 2,1,143f.

167

Hor. sat. 1,8,30–33 2,3,295 2,5,18

162 98 184

Invectiva in Ciceronem 7 224 Iohannes von Antiocheia 149 (Roberto)=FHG 4, 563 Isidorus, Etymologiae 9,3,52–55 105

108, 206

223 146, 223f. 146, 223 162 118 152 22 199 199 224 215 200 199 110 146, 223 146 176 170 206 206f. 200 206f. 200 206f. 118, 206f. 200, 202 118, 206f. 206f. 114 22

Lucan. 1,592–606

140

Lucr. 5,1222

98

Mart. 7,14,1

129

Min. Fel. 30,5

108, 206

Nep. Alc. 4,5

159

Ov. am. 3,7,29f. 3,7,79

162 162

Ov. met. 15,800–802

152

298

Register

Ov. trist. 1,2,29 2,155

204 170

Paul. Fest. 104,23L 247,23f.L 260,9–11L

213 175 216

Petron. 82,2 133,2

161 208

Plaut. Amph. 703

204

Plaut. Asin. 44

Plut. Pompeius 24,5 193

185

Plaut. Capt. 3,5,104

Plut. Romulus 18,8f. 146

129

Plaut. Epid. 6 349

Plut. Sulla 32,2

185 174

Plut. Ti. Gracchus 19 113

Plaut. Mil. 1038

185

Pol. 6,56,6–8

Plaut. Most. 655

184

Prisc. Inst.gramm. 1,33 174

185

Ps.-Cic., Oratio pridie quam in exilium iret 24 (de Marco) 224

Plaut. Persa 483 Plaut. Poen. 208 667 687 1055

185 185 185 185

Plaut. Pseud. 937

184

Plaut. Stich. 469

185

Plaut. Trin. 436 1152

184 185

Plaut. Truc. 441

184

Plin. nat. 10,16 28,10–29 33,25

198 217 200

Plin. epist. 1,22,1 8,6,5 10,96

142 152 207

Plut. Cicero 10,4 16,3 17,5 19f.

108, 206 89 83 65, 79

Plut. Poblicola 4,1 206

213

137

Q.Cic. comm.pet. 16 183 Quint. inst. 6,1,25 8,4,9–12 8,4,13f. 9,2,29–32 9,2,45 9,3,46 10,1,20f. 12,10,61f.

171 165 112, 165 171 182 57 231 171

Rhet.Her. 4,52 4,68

162 113

Sall. Cat. 10,4 11,6 12,3f. 14,4 22

22 22 22 154 103, 106f., 206

299

Stellenregister 30 31,6 31,7–32,1 47,2f. 51,20 51,25 52,13 52,29 59,3

82 54, 77, 92 92 84 225 176 225 211 197, 199

Sall. hist. 1,77,7

192

Sen. contr. 2,3,19

210

Sen. suas. 7,14

92

Sen. benef. 4,7,1

223

Serv. Aen. 2,157 7,614 8,1

105 105 105, 114

Serv. ecl. 8,105f.

79

Serv. georg. 1,269

116

15,44,2–5 15,53,2

207 161

Tac. dial. 20,5

200

Ter. Andr. 618 665

184 184

Ter. Phorm. 519 1005

184 184

Thuk. 2,35

142

Val. Max. 2,7,6 2,10,8 6,5,4

210 136 200

Varro ant.rer.div. (Cardauns) fr. 2a 22 fr. 12 22 fr. 45 205 fr. 93 205 Varro Men. fr. 235

170

Verg. Aen.

Suet. Aug. 15,2

210

Tac. ann. 4,38,3

185

2,717 4,665 5,437 7,341–405

213 204 157 102

Kropp 2008 dfx 1.4.2/1–3 dfx 1.4.4/8–12 dfx 2.1.2/1 dfx 5.1.5/8

162 162 160 160

Inschriften CIL 12 581 12 583

206 183

Syll.3 601, 12–15

137

p o t s da m e r a lt e rt u m s w i s s e n s c h a f t l i c h e b e i t r äg e

Herausgegeben von Pedro Barceló, Peter Riemer, Jörg Rüpke und John Scheid.

Franz Steiner Verlag

1.

2. 3. 4. 5.

6.

7.

ISSN 1437–6032

Christoph Batsch / Ulrike Egelhaaf-Gaiser / Ruth Stepper (Hg.) Zwischen Krise und Alltag / Conflit et normalité Antike Religionen im Mittelmeerraum / Religions anciennes dans l’espace ­méditerranéen 1999. 287 S. mit 18 Abb., kt. ISBN 978-3-515-07513-8 Ulrike Egelhaaf-Gaiser Kulträume im römischen Alltag Das Isisbuch des Apuleius und der Ort von Religion im kaiserzeitlichen Rom 2000. 668 S., 20 Taf., geb. ISBN 978-3-515-07766-8 Christiane Kunst / Ulrike Riemer (Hg.) Grenzen der Macht Zur Rolle der römischen Kaiserfrauen 2000. X, 174 S., kt. ISBN 978-3-515-07819-1 Jörg Rüpke (Hg.) Von Göttern und Menschen ­erzählen Formkonstanzen und Funktionswandel vormoderner Epik 2001. 200 S., kt. ISBN 978-3-515-07851-1 Silke Knippschild „Drum bietet zum Bunde die Hände“ Rechtssymbolische Akte in zwischen­ staatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum 2002. 223 S. mit 23 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08079-8 Christoph Auffarth / Jörg Rüpke (Hg.) ∆Epitomhv th`~ oijkoumevnh~ Studien zur römischen Religion in Antike und Neuzeit. Für Hubert Cancik und ­Hildegard Cancik-Lindemaier 2002. 284 S. mit 11 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08210-5 Ulrike Riemer / Peter Riemer (Hg.) Xenophobie – Philoxenie Vom Umgang mit Fremden in der Antike 2005. XI, 276 S., geb.

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ISBN 978-3-515-08195-5 Patricia Just Imperator et Episcopus Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischen dem 1. Konzil von Nicaea (325) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381) 2003. 251 S., kt. ISBN 978-3-515-08247-1 9. Ruth Stepper Augustus et sacerdos Untersuchungen zum römischen Kaiser als Priester 2003. 275 S., kt. ISBN 978-3-515-08445-1 10. Alessandro Barchiesi / Jörg Rüpke / Susan Stephens (Hg.) Rituals in Ink A Conference on Religion and Literary ­Production in Ancient Rome held at Stanford University in February 2002 2004. VIII, 182 S., kt. ISBN 978-3-515-08526-7 11. Dirk Steuernagel Kult und Alltag in römischen ­Hafenstädten Soziale Prozesse in archäologischer ­Perspektive 2004. 312 S. mit 6 Abb., 26 Plänen und 12 Taf., kt. ISBN 978-3-515-08364-5 12. Jörg Rüpke Fasti sacerdotum Die Mitglieder der Priesterschaften und das sakrale Funktionspersonal römischer, griechischer, orientalischer und jüdischchristlicher Kulte in der Stadt Rom von 300 v. Chr. bis 499 n. Chr. Teil 1: Jahres- und Kollegienlisten Teil 2: Biographien Teil 3: Beiträge zur Quellenkunde und Organisationsgeschichte / ­Bibliographie / Register 2005. 3 Bde. mit insg. 1860 S. und CD-ROM, geb. ISBN 978-3-515-07456-8

13. erscheint nicht 14. Dorothee Elm von der Osten / Jörg Rüpke / Katharina Waldner (Hg.) Texte als Medium und Reflexion von Religion im römischen Reich 2006. 260 S., kt. ISBN 978-3-515-08641-7 15. Clifford Ando / Jörg Rüpke (Hg.) Religion and Law in Classical and Christian Rome 2006. 176 S., kt. ISBN 978-3-515-08854-1 16. Corinne Bonnet / Jörg Rüpke / Paolo Scarpi (Hg.) Religions orientales – culti misterici Neue Perspektiven – nouvelles perspectives – prospettive nuove 2006. 269 S. mit 26 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08871-8 17. Andreas Bendlin / Jörg Rüpke (Hg.) Römische Religion im historischen Wandel Diskursentwicklung von Plautus bis Ovid 2009. 199 S., kt. ISBN 978-3-515-08828-2 18. Virgilio Masciadri Eine Insel im Meer der Geschichten Untersuchungen zu Mythen aus Lemnos 2007. 412 S. mit 6 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08818-3 19. Francesca Prescendi Décrire et comprendre le sacrifice Les réflexions des Romains sur leur propre religion à partir de la littérature antiquaire 2007. 284 S., kt. ISBN 978-3-515-08888-6 20. Dorothee Elm von der Osten Liebe als Wahnsinn Die Konzeption der Göttin Venus in den Argonautica des Valerius Flaccus 2007. 204 S., kt. ISBN 978-3-515-08958-6 21. Frederick E. Brenk With Unperfumed Voice Studies in Plutarch, in Greek Literature, ­Religion and Philosophy, and in the New Testament Background 2007. 543 S. mit 39 Abb., kt. ISBN 978-3-515-08929-6 22. David Engels Das römische Vorzeichenwesen (753–27 v. Chr.) Quellen, Terminologie, Kommentar, ­historische Entwicklung

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2007. 877 S., geb. ISBN 978-3-515-09027-8 Ilinca Tanaseanu-Döbler Konversion zur Philosophie in der Spätantike Kaiser Julian und Synesios von Kyrene 2008. 309 S., kt. ISBN 978-3-515-09092-6 Günther Schörner / Darja Šterbenc Erker (Hg.) Medien religiöser Kommunikation im Imperium Romanum 2008. 148 S. mit 15 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09188-6 Helmut Krasser / Dennis Pausch / Ivana Petrovic (Hg.) Triplici invectus triumpho Der römische Triumph in augusteischer Zeit 2008. 327 S. mit 25 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09249-4 Attilio Mastrocinque Des Mystères de Mithra aux Mystères de Jésus 2008. 128 S. und 7 Taf. mit 15 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09250-0 Jörg Rüpke / John Scheid (Hg.) Bestattungsrituale und Totenkult in der römischen Kaiserzeit / Rites funéraires et culte des morts aux temps impériales 2010. 298 S. mit 64 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09190-9 Christoph Auffarth (Hg.) Religion auf dem Lande Entstehung und Veränderung von Sakrallandschaften unter römischer Herrschaft 2009. 271 S. mit 65 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09347-7 Pedro Barceló (Hg.) Religiöser Fundamentalismus in der römischen Kaiserzeit 2010. 250 S. mit 26 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09444-3 Christa Frateantonio / Helmut Krasser (Hg.) Religion und Bildung Medien und Funktionen religiösen Wissens in der Kaiserzeit 2010. 239 S. mit 8 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09690-4 Philippe Bornet Rites et pratiques de l’hospitalité Mondes juifs et indiens anciens

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2010. 301 S., kt. ISBN 978-3-515-09689-8 Giorgio Ferri Tutela urbis Il significato e la concezione della divinità tutelare cittadina nella religione romana 2010. 266 S., kt. ISBN 978-3-515-09785-7 James H. Richardson / Federico Santangelo (Hg.) Priests and State in the Roman World 2011. 643 S. mit 24 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09817-5 Peter Eich Gottesbild und Wahrnehmung Studien zu Ambivalenzen früher ­griechischer Götterdarstellungen (ca. 800 v.Chr. – ca. 400 v.Chr.) 2011. 532 S., kt. ISBN 978-3-515-09855-7 Mihály Loránd Dészpa Peripherie-Denken Transformation und Adaption des Gottes Silvanus in den Donauprovinzen (1.–4. Jahrhundert n. Chr.) 2012. X, 312 S. und 13 Taf. mit 35 Abb., kt. ISBN 978-3-515-09945-5 Attilio Mastrocinque / Concetta Giuffrè Scibona (Hg.) Demeter, Isis, Vesta, and Cybele Studies in Greek and Roman Religion in Honour of Giulia Sfameni Gasparro

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2012. 248 S. mit 48 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10075-5 Elisabeth Begemann Schicksal als Argument Ciceros Rede vom „fatum“ in der späten Republik 2012. 397 S., kt. ISBN 978-3-515-10109-7 Christiane Nasse Erdichtete Rituale Die Eingeweideschau in der lateinischen Epik und Tragödie 2012. 408 S., kt. ISBN 978-3-515-10133-2 Michaela Stark Göttliche Kinder Ikonographische Untersuchung zu den ­Darstellungskonzeptionen von Gott und Kind bzw. Gott und Mensch in der ­griechischen Kunst 2012. 360 S. und 32 Taf. mit 55 Abb. ISBN 978-3-515-10139-4 Charalampos Tsochos Die Religion in der römischen ­Provinz Makedonien 2012. 278 S. und 44 Taf. m. 58 Abb., 5 Ktn. u. 3 Plänen, kt. ISBN 978-3-515-09448-1 Ioanna Patera Offrir en Grèce ancienne Gestes et contextes 2012. 292 S. mit 22 Abb., kt. ISBN 978-3-515-10188-2

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PAwB -42 PAwB

Religiöses in der ­ politischen Argumen­ tation der späten ­römischen ­Republik Ciceros Erste Catilinarische Rede – eine Fallstudie

Alte Geschichte Franz Steiner Verlag

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ISBN 978-3-515-10302-2

Vera Sauer

Religiöses in der politischen Argumentation der späten römischen Republik

sem in dieser Rede hat, sie untersucht die Beweggründe, die Cicero dazu geführt haben, in seiner Argumentation auf Religion Bezug zu nehmen, sie fragt nach dem Inhalt und nach dem Stellenwert der religiösen Argumente. Darüber hinaus trägt diese Studie zur Untersuchung so unterschiedlicher Fragen bei wie der nach dem Stil der politischen Auseinandersetzung oder der nach dem Grad und der Art und Weise der Verwurzelung von Religion in Politik und Gesellschaft der späten römischen Republik. Schließlich leistet sie einen Beitrag zum Verständnis der Ersten Catilinarischen Rede selbst.

Vera Sauer

Religion spielte in Rom in vielen Zusammenhängen eine Rolle. Die ‚Einbettung‘ von Religion in verschiedene, beispielsweise soziale, politische, ökonomische oder kulturelle Kontexte wurde in den letzten Jahren aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchtet; alltägliches und vor allem beiläufiges Argumentieren mit Religiösem wurde bislang jedoch nur am Rande untersucht. Die vorliegende Untersuchung ist eine Fallstudie und befaßt sich mit der Ersten Catilinarischen Rede Ciceros. Die Studie gibt Aufschluß darüber, welche sprachliche Basis die Argumentation mit Religiö-

Potsdamer Altertums­wissenschaftliche Beiträge – 42