Religion als Gnade [Reprint 2020 ed.] 9783111551890, 9783111182421


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Religion als Gnade [Reprint 2020 ed.]
 9783111551890, 9783111182421

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R E L I G I O N ALS GNADE VON

PAUL

NEFF

MIT G E L E I T W O R T VON

RUDOLF OTTO MARBURG

VERLAG VON ALFRED TOPELMANN GIESSEN * 1927

RELIGION IST DER WEHRLOSE AUS* DRÜCK INDIVIDUELLEN ERLEBENS WILHELM H E R R M A N N

Drängt fremder Tiefe Rätsel und Zauber Eigener Tiefe zu — schweige und warte. Wächst aus dem Dunklen, Seele bedrängend. Fragend Befangen — warte und lausche. Blüht aus Befängnis Ahnender Einklang, Ruhe im Widerstreit — lausche und schweige. R.O.

I. Das Transzendente Religion im e i g e n t l i c h e n Sinn ist, im Bilde gesprochen, das Verhältnis der Seele zu Gott. Seele und Gott deuten auf das Transzendente hin, also auf ein Gebiet, das bildlich ausgedrückt, jenseits der Erfahrung, d. h. mathematischer Naturwissenschaft, liegt, das sich demgemäß jeder Untersuchung mit den Mitteln und Methoden der Naturwissenschaft entzieht, das durch den Intellekt in keiner Weise erfaßt werden kann und auf das ebenso die Formen der Anschauung und die Kategorien des Denkens wie die nur im irdischen Bereich herrschenden Ideen von Mittel und Zweck unanwendbar sind. Damit entgeht dem Intellekt jede Möglichkeit, von Transzendentem irgendwelche Aussage zu machen; es ist p r ä d i k a t s l o s ; nicht einmal vom S e i n des Transzendenten darf der Intellekt im Bilde reden; denn räum- und zeitloses Sein können wir uns nicht vorstellen. Aber G n a d e läßt es zu, daß zeitweise die dichten Schleier sich fast unmerklich verschieben und etwas wie ein schwächstes Leuchten sichtbar wird, gleichsam von einem fernen Stern, der sich in tiefster Nacht in stillen Wassern spiegelt. Wenn dieses Wunder geschieht, müht sich der Intellekt heiß und doch vergebens ab, mit Menschenworten von Übermensch-

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Iichem zu stammeln, in irdischen Vorstellungen Überirdisches abzubilden. Besonders begnadeten Seelen ist es vergönnt, in immer neuen Worten und Bildern von dem Wunder Zeugnis abzulegen, und unsere Zeit wartet mit Sehnsucht auf einen Seher, der in bisher unerhörten Lauten und noch nie geschauten Gestaltungen von Transzendentem zeugt. — Die Worte und Bilder werden im Lauf der Jahrtausende intellektuell in der eingehendsten Weise bearbeitet; es werden damit Gedanken- und Bildersysteme aufgebaut und es wird immer mehr vergessen, daß es sich um Bilder, nicht um Wirklichkeiten handelt. In e i n e r Beziehung wird die Unzulänglichkeit der Bilder und Worte ganz besonders fühlbar: wo immer Transzendentes waltet, da herrcht ein Reichtum, eine die Menschenseele fast erdrückende, sie qualvoll ängstigende, überschwängliche M a n n i g f a l t i g k e i t , die allein schon den engen Rahmen des Bildes sprengt und des Symbols spottet. — Da endlich jedes Wort und jedes Bild unzutreffend ist, so erklärt sich daraus leicht die Wahl widersprechender Worte und Bilder für denselben „Gegenstand"; im Gebiet des Transzendenten ist eben jede „Aussage" in gleicher Weise falsch. Dem Gnadenwunder gegenüber, das es andeutend widerspiegeln will, ist Wort und Bild immer entlebt, erstarrt, verknöchert, Schemen- und schattenhaft, immer nur von nebensächlicher, abgeleiteter Bedeutung. Je längere Zeit seit der Offenbarung des Wunders verstrichen ist, je intensiver die intellektuelle Bearbeitung und Umarbeitung der ursprünglichen Worte und Bilder im Laufe der Zeiten vorgenommen worden ist, desto mehr verstärkt sich der Charakter der Entlebung und Erstarrung, desto geringer wird

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die Tauglichkeit der Worte und Bilder, auf das einstige Wunder hinzuweisen. Wir scheiden das Transzendente in zwei B i l d e r g r u p p e n : „Seele", d. h. das Transzendente im Menschen — „Gott", d. h. das Transzendente außer dem Menschen — ein kühnes Unterfangen für den, den die Vorstellung von der Unnahbarkeit des Transzendenten ängstigt und bedrängt, aber unerläßlich, wenn eine Betrachtung überhaupt versucht werden soll.

II. Gott G o t t — die Seele kann hier nur erschauern und verstummen; hier kehren die Worte um. Menschenwahn und Menschennot hat immer neue Bilder von Gott erfunden, immer neue Prädikate für ihn ersonnen. Es darf aber kein Bild, kein Prädikat von ihm künden — si Deus concipi posset, non esset Deus. Nur als Widerspruch gegen dieses Beginnen ist zu sagen, daß Gott nicht gut und nicht böse, nicht gerecht und nicht ungerecht, nicht hier und nicht dort, nicht allwissend, nicht allmächtig, nicht allgegenwärtig, daß er nicht Einheit und nicht Vielheit oder Allheit, nicht Person und nicht Überperson ist, und ganz besonders ist zu betonen, daß auf sein Walten die menschlichen Ideen von Mittel und Zweck völlig unanwendbar sind. Gott ist das — ganz Andere. Da bescheidet sich die Seele in tiefster Demut; dann hat sie keinen Anlaß mehr, Theodizeen zu erklügeln, die nur Ausgeburten menschlicher Anmaßung darstellen; auch

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die Tauglichkeit der Worte und Bilder, auf das einstige Wunder hinzuweisen. Wir scheiden das Transzendente in zwei B i l d e r g r u p p e n : „Seele", d. h. das Transzendente im Menschen — „Gott", d. h. das Transzendente außer dem Menschen — ein kühnes Unterfangen für den, den die Vorstellung von der Unnahbarkeit des Transzendenten ängstigt und bedrängt, aber unerläßlich, wenn eine Betrachtung überhaupt versucht werden soll.

II. Gott G o t t — die Seele kann hier nur erschauern und verstummen; hier kehren die Worte um. Menschenwahn und Menschennot hat immer neue Bilder von Gott erfunden, immer neue Prädikate für ihn ersonnen. Es darf aber kein Bild, kein Prädikat von ihm künden — si Deus concipi posset, non esset Deus. Nur als Widerspruch gegen dieses Beginnen ist zu sagen, daß Gott nicht gut und nicht böse, nicht gerecht und nicht ungerecht, nicht hier und nicht dort, nicht allwissend, nicht allmächtig, nicht allgegenwärtig, daß er nicht Einheit und nicht Vielheit oder Allheit, nicht Person und nicht Überperson ist, und ganz besonders ist zu betonen, daß auf sein Walten die menschlichen Ideen von Mittel und Zweck völlig unanwendbar sind. Gott ist das — ganz Andere. Da bescheidet sich die Seele in tiefster Demut; dann hat sie keinen Anlaß mehr, Theodizeen zu erklügeln, die nur Ausgeburten menschlicher Anmaßung darstellen; auch

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verzichtet sie vollständig darauf, Gott „Heilswege" anzudichten, die nur beschränkte menschliche Gerechtigkeitserwägungen dem Ewigen unterschieben, und sie verlernt, im Weltgeschehen oder im eigenen Schicksal nach Wegen Gottes zu spüren, wodurch nur menschliche Weisheit als göttliche ausgegeben wird.

III. Seele Dem grenzenlosen Bereich der „S e e 1 e" zwingen wir, um überhaupt von ihr reden zu können, Grenzen auf, indem wir gleichsam Hilfslinien ziehen und bildweise die Sphären des Gefühls, des Willens, des Intellekts, des Selbstbewußtseins sowie des Ästhetischen, Ethischen und Religiösen unterscheiden. Diese Sphären der Seele haben als dem Transzendenten angehörend ihr „Eigenleben"; aber abgesehen davon wirkt die „Welt", d. h. alles Nicht-Transzendente, Empirische, wozu auch der eigene Leib gehört, auf die einzelnen Sphären unaufhörlich in stärkstem Maße ein. Auch unter den Sphären selbst besteht „Wechselbeeinflussung". Eine Betrachtung der Sphären des Gefühls, des Willens, des Intellekts und des Selbstbewußtseins soll hier nicht unternommen werden; um diese bemüht sich die Psychologie. Dagegen soll versucht werden, die Eigenart der übrigen drei Sphären tastend anzudeuten. Die Sphären des Ästhetischen, Ethischen und Religiösen nehmen nicht nur insofern eine Sonderstellung ein, weil sie einer Beeinflussung durch Willen und Intellekt

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verzichtet sie vollständig darauf, Gott „Heilswege" anzudichten, die nur beschränkte menschliche Gerechtigkeitserwägungen dem Ewigen unterschieben, und sie verlernt, im Weltgeschehen oder im eigenen Schicksal nach Wegen Gottes zu spüren, wodurch nur menschliche Weisheit als göttliche ausgegeben wird.

III. Seele Dem grenzenlosen Bereich der „S e e 1 e" zwingen wir, um überhaupt von ihr reden zu können, Grenzen auf, indem wir gleichsam Hilfslinien ziehen und bildweise die Sphären des Gefühls, des Willens, des Intellekts, des Selbstbewußtseins sowie des Ästhetischen, Ethischen und Religiösen unterscheiden. Diese Sphären der Seele haben als dem Transzendenten angehörend ihr „Eigenleben"; aber abgesehen davon wirkt die „Welt", d. h. alles Nicht-Transzendente, Empirische, wozu auch der eigene Leib gehört, auf die einzelnen Sphären unaufhörlich in stärkstem Maße ein. Auch unter den Sphären selbst besteht „Wechselbeeinflussung". Eine Betrachtung der Sphären des Gefühls, des Willens, des Intellekts und des Selbstbewußtseins soll hier nicht unternommen werden; um diese bemüht sich die Psychologie. Dagegen soll versucht werden, die Eigenart der übrigen drei Sphären tastend anzudeuten. Die Sphären des Ästhetischen, Ethischen und Religiösen nehmen nicht nur insofern eine Sonderstellung ein, weil sie einer Beeinflussung durch Willen und Intellekt

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durchaus entzogen sind, sondern weil die Feststellung des Vorhandenseins von „Vorgängen" in diesen Sphären durch den Intellekt wegen der ganz eigentümlichen Wesensart dieses Geschehens überhaupt ausgeschlossen ist. Besondere G n a d e ist es, wenn „Bewegungen" dieser Sphären den Intellekt treffen dürfen und in diesem die Entstehung von Bildern veranlassen, die das Gnadenwunder widerzuspiegeln versuchen.

A. Die ästhetische Sphäre. In unbeschreiblichen, für das Menschenauge wohl jeder Formung entbehrenden „Bewegungen" der ästhetischen Sphäre der Seele vollzieht sich die Geburt des Kunstwerks. G n a d e ist es, wenn „Ausstrahlungen" dieses Geschehens zum Intellekt dringen dürfen und in diesem wie in blitzartigem Aufleuchten je nach der Eigenart des Künstlers Vorstellungen von Worten, Gedanken, plastischen Gestalten, Tönen und Schauspielszenen zur Entstehung bringen. Gleichzeitig werden in der Gefühlssphäre Empfindungen intensivster Unruhe aber auch unaussprechlicher Seligkeit geweckt. Wenn schon die Vorstellungen, die im Intellekt durch den „Lebensvorgang" in der ästhetischen Sphäre hervorgerufen werden, diesem gegenüber in hohem Maße ungleichartig, entlebt und unangemessen sind, wobei außerdem Individualität, Bildung, Stimmung größten Einfluß haben, so trifft dies in noch viel höherem Maße zu, wenn das vom Intellekt Erschaute dem Zwang von Sprache und Form unterworfen wird, wenn es dem

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Widerstand der Materie in der Bild- und Tonkunst, wenn es der Unzulänglichkeit der persönlichen Eigenschaften in der Schauspielkunst begegnet. Das entscheidende Merkmal eines Kunstwerks ist, daß es g n a d e n weise den „Zauber" besitzt, in der ästhetischen Sphäre anderer Seelen, aber späterhin auch in derjenigen des Künstlers selbst, Bewegungen hervorzurufen, die wiederum g n a d e n weise den Intellekt treffen. Die intellektuelle Schau vollzieht sich dann in der durch das Kunstwerk gewissermaßen vorgeschriebenen Gattung und Form, wobei alle oben schon berührten, in der Persönlichkeit und der Materie liegenden Hemmungen sich wiederum geltend machen; auch die Einwirkung auf die Gefühlssphäre fehlt nicht. Nur auf diesem Wege, bei dem das Kunstwerk durch „Bewegungen" in der ästhetischen Sphäre der anderen Seele gewissermaßen nachgeschaffen wird, kann der Andere zu dem Kunstwerk in „lebendige" Beziehung treten, dieses wahrhaft erfassen; der Intellekt ist dazu völlig außer Stand, da er in Transzendentes nicht eindringen und sich mit dem Kunstwerk nur als gegebener Tatsache nach den Gesetzen der mathematischen Naturwissenschaft beschäftigen kann. Die in der Gefühlssphäre geweckten „Bewegungen" aber vermitteln keine Einsicht in das Kunstwerk, weil sie überhaupt nur von ganz allgemeiner Art sind und keine, Kunsterlebnissen allein vorbehaltenen Formen haben. Als „ k ü n s t l e r i s c h s c h ö n " bezeichnen wir diejenigen m e n s c h l i c h e n Gebilde, die den „Gnadenzauber" besitzen, in der ästhetischen Sphäre anderer Seelen die geschilderten nachschaffenden „Vorgänge" zu bewirken. Auch Gegenständen und Erscheinungen der N a -

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t u r kann dieser „Gnadenzauber" innewohnen; wir nennen diese dann „ n a t ü r l i c h s c h ö n". Die Vorstellungen, die hier im Intellekt auftauchen, sind freier, unbestimmter als bei den durch das Kunstwerk erweckten; auf die Gefühlssphäre aber wirkt das natürlich Schöne besonders stark.

B. Die ethische Sphäre. Wann immer im Fühlen, Denken oder Wollen eine Änderung sich vorbereitet oder eintritt, vollzieht sich gleichzeitig mit hemmungsloser, unbeeinflußbarer Schnelligkeit eine „Bewegung" in der ethischen Sphäre der Seele. Diese Bewegung trifft g n a d e n weise den Intellekt und erzwingt in diesem ohne jeden Verzug ganz bestimmte, normartige Vorstellungen. Ungewollt und ungesucht, fast immer unerwünscht wie der Spruch eines unerbittlichen, unfehlbaren und unnahbaren Gerichts offenbart sich dann im Intellekt der e t h i s c h e B e f e h l . Der Mensch hat nun die Wahl, ob er dem Befehl gehorcht oder nicht. Wir nennen „g u t", was der ethische Befehl vorschreibt, „b ö s e" was ihm widerspricht. Den „Willen Gottes" kann im ethischen Befehl nur der erahnen, der nicht davor zurückschreckt, Gott einen „Willen" anzudichten. Der U n g e h o r s a m gegen den ethischen Befehl hat unmittelbar und unverzüglich Einfluß auf die G e f ü h l s S p h ä r e ; er verursacht dort regelmäßig Bewegungen der Unruhe, der Unbefriedigung, der Scham, die je nach der Individualität des Menschen die größte Stärke zu gewinnen und sein ganzes Dasein in Frage zu stellen vermögen. Bei

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andersgearteten Individuen freilich können Abwehrbewegungen derartigen Auswirkungen des Ungehorsams scheinbar vorbeugen; Gefühle wie dumpfe Verstocktheit, bewußte Gleichgültigkeit, höhnender Trotz treten für einige Zeit an deren Stelle; die letzteren sind jedoch nur verdrängt, nicht beseitigt und warten ihrer Stunde. Aus den ethischen Befehlen, die als Vorschrift für den Einzelfall gnadenweise erschaut werden, lassen sich a l l g e m e i n e Normen ableiten. Völlige Aufgabe alles eigenen Wünschens und Wollens zugunsten des Anderen, grenzenlose Hingabe des eigenen Ichs an den Anderen ist die oberste und vornehmste Norm für das Verhältnis der Seele zu anderen Seelen und zur „Welt". Aus diesem Opferund Liebesgebot folgt die Forderung demütiger Unterordnung unter jeden Anderen in innerer und äußerer Beziehung besonders unter den von allen Anderen, gleichgiltig ob mit Recht oder Unrecht, Verachteten, die Forderung des willigen Verzichts auf jeden Anspruch auf Achtung seitens des Anderen, die Forderung der Mißachtung der eigenen Person bis zur Selbstvernichtung zugunsten des Anderen, die Forderung des freudigen Duldens jeder Art von Verachtung und Ungerechtigkeit seitens des Anderen und die Forderung der Vergeltung solchen Tuns mit besonderer Liebe. Aus dem Opfer- und Liebesgebot folgt endlich auch die Forderung der Reinheit, der Armut und Bedürfnislosigkeit. Diese Forderungen erscheinen auf den ersten Blick undurchführbar. Die Schwierigkeit liegt aber nicht in ihnen selbst, sondern darin, daß die Seele diese Forderungen überhaupt nicht hören, geschweige denn befolgen will. Und doch ist ein Zusammenleben der Menschen im

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kleinsten wie im größten Kreise nur auf der Grundlage dieser Forderungen möglich und nur von ihrem Boden aus lassen sich die schweren sozialen, ökonomischen und politischen Krisen lösen, die auf der ganzen Menschheit lasten. Die geistvollsten und scheinbar praktischsten Theorien und Reformen auf sozialem, ökonomischem und politischem Gebiet müssen völlig ergebnislos bleiben, solange die Einzelnen sich nicht unter die Norm des Opfer- und Liebesgebotes willig und rückhaltslos beugen. Denn vom Einzelnen muß jede Reform einer Gemeinschaft ausgehen und jede Gemeinschaftsreform setzt die ethische Reform notwendigerweise voraus; deshalb muß auch jeder Reformer mit der ethischen Reform beginnen und zwar zunächst und am rücksichtslosesten in seiner eigenen Person. Der von der Seele als Norm für den Einzelfall erschaute ethische Befehl kann aber in Widerspruch geraten mit Erlassen von Staaten und anderen Gemeinschaftsgebilden, deren Befolgung von diesen mit äußerer Gewalt erzwungen wird. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß der e t h i s c h e R e f e h l bei diesem Konflikt den Vorrang einnehmen muß. Der Einzelne hat in einem solchen Fall auch die härtesten Maßnahmen dieser Gewaltorganisationen über sich ergehen zu lassen und kann nur der Hoffnung leben, daß mit der fortschreitenden ethischen Entwicklung der Mehrzahl der einzelnen Gemeinschaftsglieder solche Erlasse abgeändert werden. Diese Beurteilung eines solchen Konflikts mag zunächst befremden. Bei einer vorurteilslosen Prüfung des Wesens und des Zwecks dieser Gemeinschaftsgebilde, die hier natürlich nur andeutungsweise geschehen kann, wird dieser Eindruck sich abschwächen. Die wichtigsten

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menschlichen Gemeinschaftsgebilde wie Familie, Gemeinde, Volk, Staat haben nämlich keine Realität; sie sind Gedanken, Gedankenschöpfungen und bestehen in der gedanklichen Zusammenfassung bestimmter Willensrichtungen e i n z e l n e r Menschen. Diese Gedankengebilde haben daher eine „Existenz" nur in dem Intellekt desjenigen, der diese gedankliche Zusammenfassung gerade vollzieht. — Die N o t w e n d i g k e i t , den Kampf um das Dasein durch die Vereinigung der Kräfte einer kleineren oder größeren Anzahl einzelner Menschen auf gleiche Ziele hin zu ermöglichen und zu erleichtern, fordert von diesen Einzelnen ganz bestimmte Richtungen ihres Willens. Gleiche Abstammung, gleicher Wohnsitz, gleiche Sprache und Kultur sind die maßgebenden Gesichtspunkte für die Auswahl und Anzahl der Einzelnen, deren Kräfte auf die gleichen Ziele hingelenkt werden sollen. In Anordnungen, Erlassen, die von e i n z e l n e n dazu Berechtigten ausgehen, und im Gehorsam gegen diese Erlasse seitens a l l e r Glieder der Gemeinschaft bestehen die Richtungen der E i n z e l w i l l e n , die zur E i n h e i t des Gemeinschaftsgebildes gedanklich zusammengefaßt werden; dieses ist also keine außer- oder gar übermenschliche Schöpfung. Daraus folgt ohne weiteres, daß für den Einzelnen, a u c h s o w e i t er als Glied einer Gemeinschaft, sei es anordnend, „Gesetze" erlassend, sei es gehorchend tätig wird, ganz d i e s e l b e n Normen, die für sein sonstiges Handeln maßgebend sind, d. h. die e t h i s c h e n B e f e h l e , gelten müssen; m. a. W . es gibt k e i n e besondere Ethik für Staaten und andere Gemeinschaftsgebilde. Sowenig also der Einzelne als solcher den Mord eines Menschen anordnen oder ausführen darf, sowenig darf der Ein-

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/eine als Glied eines Staates in der Eigenschaft als Gesetzgeber für den Kriegsfall einen Mord anordnen und ebensowenig darf der Einzelne als Glied eines Staates auf Grund einer solchen Anordnung im Kriegsfall einen Mord ausführen. Ferner muß auch für die Beziehungen der Gemeinschaftsgebilde untereinander (die „zwischenstaatlichen" Beziehungen) das Opfer- und Liebesgebot oberste Norm sein. Denn diese Gebilde sind ja nur ein Sammelname für die unter dieser Bezeichnung zusammengefaßten Einzelnen; es handelt sich also auch bei den zwischenstaatlichen Beziehungen in Wirklichkeit um Beziehung zwischen Einzelnen. Der S t a a t , dieses Gedankenfabrikat, das l e d i g l i c h dem Daseinskampf seine Entstehung verdankt, das auch als Gedankengebilde n u r in diesem Zweck eine Rechtfertigung findet, ist im Laufe der Jahrtausende mehr noch als andere Gemeinschaftsgebilde in den Vorstellungen der Menschen zum Selbstzweck geworden, zum Erreger leidenschaftlichster Gefühle, zu einem Anlaß für das Aufflammen und Ausleben brutalster, eigensüchtigster Willcnsbestrebungen der Einzelnen, zu einem blut- und machtgierigen Götzen, dem die Einzelnen in völliger, durch Massensuggestion mitverursachter Verblendung nicht nur Leib und Leben, sondern sogar die Seele zum Opfer bringen, zu einer wahren Zuchtrute für das Menschengeschlecht. Es wäre selbstverständlich sinnlos, die unumgängliche Notwendigkeit staatenähnlicher Bildungen für die Menschheit leugnen zu wollen; aber auf der anderen Seite ist es dringendste ethische Forderung, deren Bedeutung für das Seelenleben der Einzelnen auf das richtige Maß zurückzuführen; dies kann und muß aber durch nüch-

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ternste Besinnung auf das Wesen und den Zweck dieser Bildungen geschehen. Übrigens wird r e g e l m ä ß i g der Inhalt der Erlasse der Gemeinschaftsgebilde mit dem vom Einzelnen für den Einzelfall erschauten ethischen Befehl n i c h t in Widerspruch stehen. Die Übereinstimmung bezieht sich dann aber nur auf das ä u ß e r e Tun und Lassen des Menschen und auch auf dieses gewissermaßen nur in seinen rohsten, gröbsten Seiten. Denn nur insoweit kann und will der Erlaß des Gemeinschaftsgebildes (das „Recht", die „Rechtsordnung") auf den Einzelnen einwirken, weil seine Vorschriften überwiegend in massiven Zweckgedanken wurzeln und so geartet sein müssen, daß sie mit Gewaltmaßnahmen erzwungen werden können. Während diese Gemeinschaftsgebilde dem Kampf um das Dasein ihre Entstehung verdanken, schafft eine eigentümliche Art der Beziehungen von Seele zu Seele Verbindungen h ö h e r e r A r t . Wie jede Beziehung von Seele zu Seele so unterliegen auch diese der Herrschaft des Opfer und Liebesgebots; die Besonderheit besteht aber darin, daß g n a d e n weise, der Willensbeeinflussung völlig entzogen, in der G e f ü h l s sphäre „Bewegungen" stattfinden, die sich als lebenskräftigste Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsempfindungen ausweisen. Übrigens ist jede Beziehung von Seele zu Seele eigenartig und einzigartig, sowie in steter Bewegung und Wandlung begriffen; auch hierin zeigt sich die überquellende Mannigfaltigkeit, die allem Transzendenten eignet. Die Bilder, die dadurch im Intellekt angeregt werden, wie Zuneigung, Freundschaft, Liebe sind überaus dürftig, inhaltsleer und unlebendig. Ganz besonders unheilvoll aber ist, daß das Wort „Liebe"

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nicht auf S e e l e n beziehungen beschränkt, sondern im Sprachgebrauch auch auf menschliche G e s c h l e c h t s beziehungen angewandt wird. In den allein als Liebe zu bezeichnenden S e e l e n beziehungen herrscht der das Ich vernichtende O p f e r gedanke; dagegen verkörpert sich geradezu in den G e s c h l e c h t s beziehungen, d. h. in den Beziehungen von Leib zu Leib, die I c h sucht. Eine weltentiefe Kluft gähnt zwischen beiden, die nur scheinbar dadurch überbrückt wird, daß die Seelenbeziehung in besonderen Fällen Geschlechtsbeziehungen wecken k a n n , nicht muß und umgekehrt. Aber niemals ist das Bestehen der Geschlechtsbeziehungen eine Garantie für das Vorhandensein irgendwelcher Seelenbeziehungen. Aus diesen Gründen ist die Verwischung, Abschwächung der Wesensunterschiede zwischen beiden Vorgängen durch Verwendung derselben Bezeichnung für beide höchst beklagenswert.

C. Die religiöse Sphäre. 1. R e l i g i o n i m e i g e n t l i c h e n

Sinn.

Den ausschließlichen Inhalt der religiösen Sphäre der Seele bildet das Verhältnis der Seele zu Gott, d. h. Religion im e i g e n t l i c h e n Sinn. Die Seele, deren Wesen dem Transzendenten angehört, muß schon k r a f t d i e s e s i h r e s W e s e n s zu Gott als dem Transzendenten außer dem Menschen in u n l ö s b a r e r , d a u e r n d e r , l e b e n d i g s t e r und e n g s t e r Beziehung stehen. Aber das Bestehen dieser Beziehung ist dem Intellekt verborgen. Nur G n a d e ist es, wenn „Vorgänge" in der Sphäre des

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Religiösen dem Intellekt sich offenbaren dürfen. Durch solche gnadenweise Offenbarung entsteht b e w u ß t e s r e l i g i ö s e s L e b e n . Kein noch so heißes Sehnen kann dieses Wunder erzwingen; kein noch so erbitterter Widerwille kann sein Erscheinen hintanhalten; es ist r e i n e G n a d e . Auch die Seele des Gottesleugners gehört dem Transzendenten an und deshalb hat auch sie, wenn auch dem Intellekt unbewußt, engste Beziehungen zum Ewigen; mag auch der Intellekt immer neue Beweise für das Nichtsein Gottes ergrübein. Wenn b e w u ß t e s r e l i g i ö s e s L e b e n in der Seele zur Entstehung gelangen darf, wenn die Kräfte der religiösen Sphäre die Schranken durchbrechen und den Intellekt berühren dürfen, dann flammen in diesem Bilder auf, die das Gnadenwunder verkörpern sollen: Sehnsucht nach dem Ewigen, Gotteskindschaft und Gemeinschaft mit Gott, seliges Leben und seliges Sterben und ewige Seligkeit. Gleichzeitig durchwogen Schauer und Wonne das Gefühl. Aber von dem Augenblick an, in dem b e w u ß t e s r e l i g i ö s e s L e b e n entstehen darf, beginnt auch ein enges Verhältnis zwischen der ethischen und religiösen Sphäre sich zu offenbaren. Der U n g e h o r s a m gegen den ethischen Befehl gewinnt stärksten Einfluß auch auf die religiöse Sphäre und verursacht in dieser „Bewegungen" die im Intellekt das Bild der „Sünde", der Verantwortlichkeit, der Verworfenheit vor Gott auslösen und die von Gefühlen der Bedrückung, der Angst und der Verzweiflung begleitet sind. Die Gewalt dieser Gefühle kann so zunehmen, daß sie zum Wahnsinn oder Selbstmord führen. Im weiteren Verlauf der inneren Entwicklung können „Bewegungen" in der religiösen Sphäre folgen, die wiederum

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nur g n a d e n weise dem Intellekt sich eröffnen dürfen und dann Bilder und Gefühle wie Reue, Buße, Nichtigkeit der Kreatur dem Ewigen gegenüber, Aufgabe alles eigenen Wünschens und Wollens, Sehnsucht nach Verzeihung, Hingabe der Seele an die Gnade, Vergebung der Sünde, Friede in Gott erwecken. Denken, Fühlen und Wollen, also „ S e e l e n Vorgänge", sind Hauptursachen für menschliche Handlungen und Unterlassungen; diese Wirkungen von Seelen Vorgängen gehören der Erfahrungswelt an, machen sich in dieser nach den Causalgesetzen weiter geltend und beeinflussen in stärkstem Maße natürlich auch a n d e r e Seelen, wenn auch nur m i t t e l b a r (d. h. durch Vermittlung der Sinne). Denken, Fühlen und Wollen sind aber nicht nur in der Welt der Erfahrung von weitestgehenden Wirkungen begleitet, sondern auch in dem Gebiet des Transzendenten. Denn j e d e r Gedanke, j e d e s Gefühl, j e d e Wollung bedeutet hier eine geheimnisvolle „E n e r g i e". Darauf beruht zunächst die schon früher erwähnte „Wechselbeeinflussung" unter den verschiedenen Sphären derjenigen Seele, der diese „Energien" entstammen. Aber darauf beschränkt sich die „Betätigung" dieser „Energien" nicht; sie überschreiten vielmehr die Schranke der Einzelseele, in der sie ihren Ursprung haben, durchdringen die Welt des Transzendenten und nehmen u n m i t t e l b a r (d. h. ohne Vermittlung der Sinne, für die sie ja gänzlich unfaßbar sind) in mannigfaltigster Weise Einfluß auf a n d e r e Seelen, o h n e daß diesen oder dem Urheber der „Energien" eine solche Beeinflussung irgendwie bewußt wird. „Dauer" und „Wirkungskreis" dieser „Energien" sind unbegrenzt.

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Soweit die einzelnen Gedanken, Gefühle und Wollungen dem ethischen Befehl widersprechen, also b ö s e sind, werden die „Energien", die von ihnen ausgehen, in der Seele ihrer „Urheber" ebenso wie in den a n d e r e n Seelen, auf die sie Einfluß gewinnen, wiederum überwiegend b ö s e Gedanken, Gefühle und Wollungen wecken, die selbst wieder „Energien" mit überwiegend b ö s e n Wirkungeil bedeuten. Auf diese Weise wird aus j e d e m bösen Gedanken, aus j e d e m bösen Gefühl, aus j e d e r bösen Wollung in der Welt des Transzendenten eine M a c h t d e s B ö s e n geschaffen, deren Stärke und Dauer keine Schranke kennt. In jeder Seele aber, in der b e w u ß t e s relig i ö s e s L e b e n herrscht, muß j e d e r böse Gedanke, j e d e s böse Gefühl, j e d e böse Wollung unentrinnbar die Vorstellung der S ü n d e zur Folge haben, wobei es ganz gleichgiltig ist, ob dieser Seelenvorgang, der eben als solcher böse ist, auch noch böse Handlungen oder Unterlassungen in der Erfahrungswelt verursacht. Ferner muß eine solche Seele im Bewußtsein der zahllosen Fälle, in denen böse „Energien" von ihr ausgegangen sind, sich als m i t schuldig und m i t verantwortlich erkennen für a l l e s Böse in der Welt. Denn mag auch der Einfluß der von ihr entstammenden bösen „Energien" sich zunächst auf die Seelen ihrer näheren Umgebung erstrecken, so können doch d e r M ö g l i c h k e i t n a c h die Seelen a l l e r Menschen davon erfaßt werden. So fällt auf j e d e n Sünder die Sünde der ganzen W e l t . — In solchen Verhältnissen liegen die letzten Gründe für die ethische Norm der Mißachtung der eigenen Person gegenüber jedem Anderen und der Unterordnung der eignen Person unter jeden Ande-

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ren, mag auch dieser wegen etwaiger Verbrechen von der ganzen Menschheit ausgestoßen sein. Denn s e i n e Schuld ist m e i n e Schuld, da auch ich Maschen am Netze des Bösen, in dem diese Menschenseele sich verfangen hat, wenn auch mir unbewußt, mitgeknüpft haben kann. Endlich erscheint es von diesem Standpunkt aus als selbstverständlich, daß heiße Scham j e d e s Richten, j e d e s Urteilen über Andere schon im Keime ersticken muß. Diese Vorgänge in der religiösen Sphäre rufen, anscheinend mit Notwendigkeit, weiterhin gewisse „Bewegungen" dieser Sphäre hervor, denen im Intellekt das Bild des G e b e t e s , eines Redens mit Gott — meist in der Form von Bitten — entspricht. Nur wenn und nur soweit das Gebet in solchen Bewegungen der religiösen Sphäre seinen Ursprung und seine Stütze findet, liegt ein Gebet im religiösen Sinne vor. Gebet ist G n a d e wie alles religiöse Leben. Daraus ergibt sich weiter, daß der Inhalt eines solchen echten Gebets sich n u r auf das Verhältnis der Seele zu Gott beziehen kann. Denn allein dieses Verhältnis macht den „Inhalt" der religiösen Sphäre aus; es allein muß die einzige und vornehmste Sorge der Seele sein, der Mittelpunkt, um den alle Bewegungen der Seele kreisen. Jeder andere Gegenstand liegt außerhalb des Bereichs des echten Gebets, entspricht einem Akt des Intellekts und des Willens, bildet keinen Teil des religiösen Lebens; ein solches unechtes Gebet versucht, einen als vorhanden angenommenen „Willen Gottes" zu beeinflussen. Bewußtes religiöses Leben ist Seele; es ruht n u r auf G n a d e . schwindet, breitet sich für den Dunkel über das Verhältnis seiner

kein sicherer Besitz der Wenn diese Gnade entMenschen wieder tiefes Seele zu Gott. Verzweif-

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lung und Ratlosigkeit herrschen dann im ganzen Seelenbereich. Denn es fehlt auch die Möglichkeit des echten Gebetes, weil dessen Grundvoraussetzung, bewußtes religiöses Leben, weggefallen ist. So scheinen die Wege nach dem Ewigen hin verschlossen; es bleibt der Seele nur übrig, in voller Demut still und ergeben des Wiedererscheinens der Gnade zu warten. Anmaßend ist es aber, nach einem Grund für die Entziehung der Gnade zu fragen, und etwa die Sünde als solchen zu bezeichnen; für Vorgänge im Gebiet des Ewigen gibt es keine dem Menschen einsichtigen Gründe; Erwägungen aber, die etwa irdischer Gerechtigkeit entsprächen, gehen völlig fehl. Bewußtes religiöses Leben hat übrigens nicht nur auf das Gefühl sondern auch auf die ästhetische Sphäre Einfluß; es kann in dieser Bewegungen veranlassen, in denen die höchsten Kunstwerke ihren Ursprung haben. Schwieriger ist es, den Einfluß religiösen Lebens auf die ethische Sphäre anzudeuten. Denn die „Bewegungen" in dieser vollziehen sich u n a b h ä n g i g davon, ob im Einzelfall „bewußtes religiöses Leben" besteht oder nicht. Aus der Tatsache jedoch, daß jeder Ungehorsam gegen den ethischen Befehl in allen Fällen, wo religiöses Leben vorhanden ist, als Sünde erkannt wird, folgt, daß jeder ethische Befehl von vornherein einen Inhalt haben muß, der den Normen entspricht, die den Bewegungen der religiösen Sphäre zu Grunde liegen, daß er also mit der religiösen Sphäre in engstem Zusammenhang steht und von dieser entscheidend beeinflußt wird. Damit fallen aber Religion und Ethik auch begrifflich nicht zusammen. Denn Religion hat das Verhältnis der Seele zu Gott, Ethik dasjenige zu anderen Seelen und zur „Welt" zum Inhalt.

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Auf Grund der „Bewegungen" in der ästhetischen, ethischen und religiösen Sphäre der Seele erschaut der Intellekt Bilder, aus denen mit voller Klarheit das Bestehen einer Beziehung des Transzendenten außer dem Menschen, d. h. Gottes, zu dem Transzendenten im Menschen, d. h. der S e e l e , sich ergibt. Gott steht zu jedem Gedanken, jedem Gefühl, jedem Wollen ebenso wie zu jeder „Bewegung" in der ästhetischen, ethischen und religiösen Sphäre der Seele i n B e z i e h u n g . Aber für die A r t u n d W e i s e dieser Beziehung vermag der Intellekt k e i n Bild zu finden. Wenn er für gewisse Beziehungen das B i l d der „ G n a d e" prägt und wenn auch dieses unentbehrlich und unvermeidbar ist, so wird damit über die A r t u n d W e i s e dieser Beziehungen in Wirklichkeit doch nichts ausgesagt. Denn Gnade ist hier, soweit die gnadenspendende Macht in Frage kommt, lediglich ein Rätsel-, ein Z a u b e r w o r t , das auf Unaussprechliches, Unbegreifliches hindeuten soll. Mit einem irdischen Gnadenakt hat diese transzendente Gnade nichts gemein, da ersterer losgelöst von den Ideen von Mittel und Zweck gar nicht gedacht werden kann. Auf Unberechenbarkeit, völlige Willkür, fast möchte man sagen Zufälligkeit der Gnade soll durch dieses Wort von ferne hingezeigt werden. Auch hat alles menschliche Klügeln der Tatsache gegenüber zu verstummen, daß im Einzelfall der Intellekt von den Bewegungen der ethischen oder religiösen Sphäre eben n i c h t berührt wird, so daß der ethische Befehl fehlt, daß bewußtes religiöses Leben mangelt. Wir haben darüber mit dem Ewigen nicht zu rechten, sondern uns in Demut zu beugen und voller Scham uns daran zu erinnern, daß auch wir völlig unwürdig sind, wenn uns die Gnade gewährt wird,

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den ethischen Befehl zu schauen und bewußten religiösen Lebens teilhaftig zu werden; ja wir müssen einsehen lernen, daß überhaupt schon der Gedanke und das Schauen der „Gnade" unverdiente Gnadenerweisung ist. Bewegungen der religiösen Sphäre der Seele rufen aber im Intellekt auch das B i l d einer Beziehung Gottes zu allem Nicht-Transzendenten, d. h. zur „W e 11", hervor. Danach steht Gott zu allem Weltgeschehen, sei es nach menschlicher Auffassung das unbedeutendste oder das gewaltigste, i n B e z i e h u n g ; die A r t u n d W e i s e auch dieser Beziehung aber vermag der Intellekt nicht einmal in einem Rätselwort abzubilden. Vor allen anderen ist das Bild des Weltschöpfers und -Lenkers dazu ganz untauglich, weil dieses die rein menschlichen Ideen von Mittel und Zweck zur Voraussetzung hat und diese Ideen damit dem Ewigen als auch für diesen maßgebend unterschiebt. Auch das Bild von Zeichen und Wundern Gottes setzt Mittel- und Zweckidee voraus und ist daher unverwendbar; außerdem ist niemals ein Schluß von empirischen Ereignissen auf Transzendentes irgendwie zulässig oder gar zwingend. Da bescheidet sich die Seele in Demut und gibt unter Verzicht auf jedes Verstehen und jedes eigene Wünschen und Wollen ihr irdisches und nichtirdisches Dasein wie ein Kind, das dem Vater grenzen- und bedingungslos vertraut, in die Hände des Ewigen. Die Seele ist sich aber sehr wohl bewußt, daß auch die Möglichkeit solchen „Entwerdens" lediglich Gnade ist. 2. R e l i g i o n i m ü b e r t r a g e n e n

Sinn.

Unübersehbar ist die Fülle der Vorstellungen und Gestaltungen, zu denen auch K u l t u s einrichtungen gehören,

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die b e w u ß t e s r e l i g i ö s e s L e b e n im Laufe der Jahrtausende zur Entstehung gebracht hat. Jede dieser Vorstellungen und Gestaltungen ist Religion im ü b e r t r a g e n e n , uneigentlichen, abgeleiteten Sinne; von dem entlebten Charakter dieser Vorstellungen gegenüber dem Vorgang in der religiösen Sphäre, den diese abbilden wollen, ist schon früher gesprochen worden. Aber trotzdem kommt der Religion im übertragenen Sinn eine ganz außerordentliche, gar nicht hoch genug zu wertende Bedeutung zu. Denn diesen Vorstellungen und Gestaltungen wohnt der „ Z a u b e r " inne, religiöses Leben in den Seelen v o r z u b e r e i t e n und vorhandenes zu s t ä r k e n . Das massive, grobe Bild des „Zaubers" ist gewählt, um auf diesen Gesichtspunkt besonders eindringlich hinzuweisen. Die E n t s t e h u n g des religiösen Lebens selbst ist freilich nicht eine Wirkung der Religion im übertragenen Sinn, sondern hängt letzten Endes nur von der Frage ab, ob eben einer bestimmten Seele die G n a d e bewußten religiösen Lebens zu Teil werden soll; dieser Gnadenakt tritt ganz unabhängig davon ein, ob und welche Vorstellungen und Gestaltungen der Religion im übertragenen Sinn vorher auf diese Seele Einfluß genommen hatten. Diese Z a u b e r kraft, die zum Wesen der Religion im übertragenen Sinn gehört und ihr wichtigstes, ja geradezu entscheidendes Merkmal bildet, wird n i c h t von dem wirklichen oder angeblichen Urheber der einzelnen Vorstellung oder Gestaltung bewußt oder unbewußt erzeugt, sondern stammt aus der Welt des Transzendenten; die einzelne Vorstellung und Gestaltung ist nur g n a d e n weise damit „belehnt". Mit dieser Zauberkraft kann die einzelne Vorstellung oder Gestaltung der Religion im übertragenen

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Sinne bald stärker bald schwächer begabt sein; zu Zeiten wird eine große Anzahl Seelen von ihr ergriffen, zu anderen Zeiten nur wenige oder gar keine; auch dem Urheber der einzelnen Vorstellung oder Gestaltung gegenüber kann der Zauber wirksam werden. Selbstverständlich ist auch die Richtung, Bewegung, Eigenart der einzelnen Seele, die einer solchen Vorstellung oder Gestaltung begegnet, für die Möglichkeit einer Wirkung des Zaubers von großer Bedeutung. Dieser religiöse Zauber ist aber nicht nur mit menschlichen Vorstellungen und Gestaltungen verbunden, sondern kann g n a d e n weise auch mit Gegenständen und Ereignissen der belebten und unbelebten N a t u r , insbesondere mit gewissen ö r t l i c h k e i t e n , verknüpft sein. Auch hier ist Stärke und Wirksamkeit des Zaubers nach Zeit und Umfang von der größten Verschiedenheit. Wie die Zaubereigenschaft unabhängig ist von dem Willen des wirklichen oder angeblichen Urhebers der Vorstellungen und Gestaltungen, so ist sie auch unabhängig von deren W a h r h e i t , ja sogar von deren logischer Faßbarkeit und Richtigkeit. Einer sinnlosen Aneinanderreihung von Lauten oder Worten, ja selbst scheinbar einfältigsten Handlungen und gewöhnlichsten Gegenständen und Naturvorgängen kann erhebliche Zauberwirkung beigelegt sein. Weil die Vorstellungen und Gestaltungen der Religion im übertragenen Sinn, die freilich lediglich T r ä g e r des religiösen Zaubers darstellen, der Welt der Erfahrung angehören, so sind sie auch w i s s e n s c h a f t l i c h e r Bearbeitung und Untersuchung zugänglich. Der Zauber freilich, dem sie als Grundlage dienen, scheidet als im Transzendenten wurzelnd für die wissenschaftliche Behandlung völlig

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aus. Da aber die r e l i g i ö s e Wirksamkeit dieser Vorstellungen und Gestaltungen n i c h t auf deren wissenschaftlich feststellbarer Wahrheit, logischer Faßbarkeit und Richtigkeit sondern allein auf dem Gnadenzauber beruht, so haben die Ergebnisse h i s t o r i s c h e r und l i t e r a r i s c h e r K r i t i k auch keinerlei fördernde Bedeutung für diese religiöse Wirksamkeit; vielmehr ist der W i s s e n s c h a f t s betrieb auf dem Gebiet der Religion im übertragenen Sinn für das r e l i g i ö s e Leben nur hemmend und schädigend. Denn auf der einen Seite kann er sich nur mit unwesentlichen, zufälligen, nebensächlichen Seiten des Religiösen im übertragenen Sinn, gewissermaßen nur mit der Schale nicht mit dem Kern beschäftigen, wodurch diese zur scheinbaren Hauptsache gemacht werden; auf der anderen Seite schafft er einer suchenden Seele Zweifel und Unruhe, ohne die Kraft zu besitzen, irgendwie eine Lösung zu vermitteln. Ob im Einzelfall Religion im übertragenen Sinn vorliegt, ob also mit einer menschlichen Vorstellung und Gestaltung, ob mit einem Naturgegenstand oder Naturereignis der Gnadenzauber verbunden ist, kann objektiv nicht festgesetzt werden. Nur auf Grund eigener oder fremder Erfahrung über Wirkung des Zaubers im eigenen oder fremden religiösen Leben ist in dieser Richtung eine Aussage möglich. Aber nicht nur aus wissenschaftlichem, sondern vor allem auch aus r e l i g i ö s e m Interesse hat sich der Intellekt von jeher mit rastlosem Eifer des ungeheuren Stoffes bemächtigt, der zur Religion im übertragenen Sinne gehört. Hier war schrankenlose Möglichkeit zu Untersuchungen, Verbindungen und Weiterbildungen gegeben; der religiöse

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Zauber selbst freilich war auch solcher Bearbeitung gegenüber völlig unzugänglich. So entstanden die großen S y s t e m e auf dem Gebiet der Religion im übertragenen Sinn. Die Zauberkraft, die dem verarbeiteten ursprünglichen Material innewohnte, konnte auch auf das Resultat der Bearbeitung bald in geringerem, bald in stärkerem Maße übergehen. Wenn in einer solchen Bearbeitung neues religiöses Schauen sich kundgab, so konnten sich daran neue Zauberkräfte gnadenweise heften und auf neue weite Kreise von Seelen Einfluß gewinnen. Bewußtes religiöses Leben in dem hier gebrauchten Sinne als gnadenweises Bewußtwerden der Bewegungen in der religiösen Sphäre der Seele ist daher seiner E n t s t e h u n g nach g r u n d s ä t z l i c h unabhängig von den Vorstellungen und Gestaltungen der Religion im übertragenen Sinn, so wichtig deren Rolle auch für ein vorbereitendes Stadium sein mag. Auch im Laufe der Weiterentwicklung des einmal zur Entstehung gelangten religiösen Lebens bleibt diese g r u n d s ä t z l i c h e Unabhängigkeit bestehen. Regelmäßig aber werden die meisten Seelen dankbar und mit Erfolg zu den überlieferten Bildersystemen der Religion im übertragenen Sinne greifen, um für die Bewegungen in ihrer eigenen religiösen Sphäre, die ihren Intellekt treffen dürfen, einen Ausdruck zu finden; auch werden sie in Zeiten innerer Not und Dürre immer wieder zu dem überlieferten und erprobten Schatz der Religion im übertragenen Sinne ihre Zuflucht nehmen. Aber nicht allzu selten tritt der Fall ein, daß die Bilder der Religion im übertragenen Sinn diese Tauglichkeit als Ausdrucksmittel für die einzelne Seele verlieren, daß der Intellekt von Bewegungen der religiösen Sphäre getroffen wird, die sich

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in die überlieferten Bilderreihen nicht einfügen lassen. Es ist leicht einzusehen, daß ein solches Ereignis die Seele im Tiefsten aufwühlt und quält, und die Geschichte weiß genug Tragödien des Glaubenszweifels und der Verzweiflung am Glauben zu berichten. Aber nicht das Verhältnis der Seele zu Gott ist hier bedroht, sondern nur dasjenige zur überlieferten Religion im übertragenen Sinn. Es hilft einer solchen Seele auch nichts, wenn sie mit Gewalt den neuen Wein in die alten Schläuche zwingen will; denn auf dem Gebiet des religiösen Lebens erreichen Gewalt und Zwang nur das Gegenteil von dem was erstrebt wird. Vielmehr bleibt ihr nur der Weg demütiger Geduld offen; sie muß im Gebet auf die G n a d e n stunde harren, die sie die neuen Bilder finden läßt, die ihre Zunge löst. Dann aber soll sie den Dank für diese Gnade dadurch beweisen, daß sie mutig und ohne Zagen Zeugnis ablegt von dem Heil, das ihr widerfahren ist, aus Liebe zu anderen Seelen, die sich in der gleichen Not befinden. Wenn so schon innerer Zwang auf dem Gebiet des religiösen Lebens nur Schaden bringen kann, so gilt dies in höchstem Maße von aller ä u ß e r e n Gewaltanwendung: Religionsgesetze und Religionsgerichte sind ein Widerspruch in sich selbst und Hohn und Spott auf alle Religion. Wie alle Gleichartigkeit in Anschauungen und Bestrebungen einer Mehrheit von Menschen g e m e i n s c h a f t s bildend wirkt, so trifft dies auch für die gleiche Haltung der Seelen zur Religion im übertragenen Sinn zu. Die Geschichte zeigt die mannigfachsten Gemeinschaftsgebilde vom Konventikel engster Kreise bis zur weltumspannenden Organisation. Vorteile und Nachteile solcher Bildungen

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liegen auf der Hand. Gewiß bieten sie, vor allem in ihren Kulteinrichtungen, die ja selbst der Religion im übertragenen Sinn angehören, der suchenden Seele Leitung, der schwankenden Anlehnung. Aber jede Organisation fordert Normen zur Aufrechterhaltung ihres Bestehens, zur Abgrenzung ihres Bereiches; auch die kleinste religiöse Gemeinschaft kann des Dogmas nicht entraten. Damit ist aber die ungeheure Gefahr eines äußeren Zwanges auf dem Gebiet religiösen Lebens gegeben, eine Gefahr, die gar nicht überschätzt werden kann.

IY. Schlußwort Der ganze Aufsatz enthält zwischen den Zeilen die Antwort auf die Frage nach seinen Quellen. Keine andei* Quelle kann genannt werden als das eigene innere Leben. Denn n u r in den Tiefen der E i n z e l seele offenbart sich das Ewige und in jeder Einzelseele wieder v o n n e u e m und in einer dieser angemessenen e i g e n t ü m l i c h e n Art und Weise. Kein menschliches O h r hat jemals die Stimme des Ewigen gehört, kein menschliches A u g e hat jemals seine Erscheinung geschaut und kein S t e i n und kein B u c h erschließt und verschließt eine Offenbarung des Ewigen. Alles „bewußte religiöse Leben" ist nur schwacher Widerschein und fahler Abglanz solcher Offenbarung, die die nächtigen Abgründe der Seele wie ein Wetterstrahl erhellt, so daß diese geblendet vom Lichte der Ewigkeit in schauerndem Beben fast vergeht. Was man im landläufigen Sinn „Offenbarung" nennt, sind Bilder-

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liegen auf der Hand. Gewiß bieten sie, vor allem in ihren Kulteinrichtungen, die ja selbst der Religion im übertragenen Sinn angehören, der suchenden Seele Leitung, der schwankenden Anlehnung. Aber jede Organisation fordert Normen zur Aufrechterhaltung ihres Bestehens, zur Abgrenzung ihres Bereiches; auch die kleinste religiöse Gemeinschaft kann des Dogmas nicht entraten. Damit ist aber die ungeheure Gefahr eines äußeren Zwanges auf dem Gebiet religiösen Lebens gegeben, eine Gefahr, die gar nicht überschätzt werden kann.

IY. Schlußwort Der ganze Aufsatz enthält zwischen den Zeilen die Antwort auf die Frage nach seinen Quellen. Keine andei* Quelle kann genannt werden als das eigene innere Leben. Denn n u r in den Tiefen der E i n z e l seele offenbart sich das Ewige und in jeder Einzelseele wieder v o n n e u e m und in einer dieser angemessenen e i g e n t ü m l i c h e n Art und Weise. Kein menschliches O h r hat jemals die Stimme des Ewigen gehört, kein menschliches A u g e hat jemals seine Erscheinung geschaut und kein S t e i n und kein B u c h erschließt und verschließt eine Offenbarung des Ewigen. Alles „bewußte religiöse Leben" ist nur schwacher Widerschein und fahler Abglanz solcher Offenbarung, die die nächtigen Abgründe der Seele wie ein Wetterstrahl erhellt, so daß diese geblendet vom Lichte der Ewigkeit in schauerndem Beben fast vergeht. Was man im landläufigen Sinn „Offenbarung" nennt, sind Bilder-

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reihen, die durch Bewegungen der religiösen Sphäre der Seele gleichzeitig mit der Vorstellung bewußten religiösen Lebens im Intellekt ausgelöst werden; eine solche „Offenbarung" gehört also lediglich dem Gebiet der Religion im übertragenen Sinn an. — In unzulänglichster Weise ist hier versucht worden, in Worte und Bilder zu fassen, was laut- und formlos in den Tiefen der Seele wogt und g n a d e n weise den Intellekt berühren darf. Für eine solche Darstellung gibt es kein Autorrecht; sie ist lediglich eine Kopie, die auch n u r für den Kopisten Gültigkeit hat und auch für diesen n u r soweit, als sie das Original wenigstens in den gröbsten Umrissen einigermaßen erahnen läßt. Für eine solche Darstellung gilt nur e i n e Norm und nur e i n Kriterium: innere Wahrhaftigkeit und Treue.

M a r b u r g ( B e z . C a s s e l ) , U f e r s t r a ß e 13, A u g u s t 1 9 2 6 Paul N e f f

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Schriften von R u d o l f O t t o ,

Marburg

in Leopold Klotz Verlag in Gotha

DAS HEILIGE. Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen. Fünfzehnte Auflage 1927. — In Pappband fünf Mark.

AUFSATZE. DAS NUMINOSE BETREFFEND.

2. Tausend.

Fünf Mark. — Ergänzungsband zu R. Otto „Das Heilige".

W E S T - Ö S T L I C H E MYSTIK. »26. 9 M„ geb. 12 M. GOETHE UND DARWIN, DARWINISMUS UND RELIGION (Bücherei der Christlichen Welt). Zweite Auflage in Vorbereitung. in Eugen Diederichs Verlag in Jena

V I S C H N U - N A R Ä Y A N A . Texte zur indischen Gottesmystik. Zweite Auflage. 1923 — Aus dem Sanskrit. 4,50 M „ geb. 6 M.

bei J. C. B. Mohr (Paul Siebedi) in Tübingen

SIDDHÄNTA DES RÄMÄNUJA. Ein Text zur indischen Gottesmystik.

Aus dem Sanskrit. — Zweite Auflage. 1923 . 3,50 M.

DTPIKÄ DES NIVÄSA. Eine indische Heilslehre. Aus

dem Sanskrit. Aus der Sammlung gemeinverständlicher Vorträge. Nr. 80. 1916. 1,20 M.

NATURALISTISCHE U N D RELIGIÖSE WELTANSICHT. Zweite Auflage. 1909. Vergriffen.

KANTISCH-FRIES'SCHE RELIGIONSPHILOSOPHIE 1909. Neudruck 1921. 2,70 M., geb. 3,50 M.

bei Vandenhoeck & Rupredit in Göttingen

FRIEDRICH SCHLEIERMACHER: ÜBER DIE RELIGION Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Mit fortlaufender Übersicht des Gedankenganges, zwei Bildnissen Schleiermachers und einem Sachregister neu heraus* gegeben von R. tto. 5. Aufl. 1926. 2,60 M., geb. 3,60 M.

DIE ANSCHAUUNG VOM HEILIGEN GEIST BEI LUTHER Eine historisch-dogmatische Untersuchung. 1898. 2,80 M.

bei Alfred Töpelmann in Gießen

ZUR E R N E U E R U N G U N D A U S G E S T A L T U N G D E S G O T T E S D I E N S T E S . 1925. Geheftet 3,50 M. C H O R G E B E T E für Kirche, Schule und Haus, insonderheit auch für Jugendfeiern. Zusammengestellt von Rudolf Otto und Gustav Mensching. 1925. Gebunden 1,50 M.

bei Otto Hendel in Berlin W 9

E. FR. APELT: METAPHYSIK.

Neu herausgegeben und eingeleitet

VOL

R. Otto. 4,80 M., geb. 6,40 M.

HEINRICH SCHMID: VORLESUNGEN ÜBER DAS WESEN DER PHILOSOPHIE. Neu herausgegeben von R. Otto. 2,40 M „ geb. 3,60 M.