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German Pages 196 Year 2008
Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken Neue Formen der Handschriftenpräsentation Andrea Rapp und Michael Embach (Hg.)
Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften Bd. 1
Herausgegeben im Auftrag des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Mainz-Trier von Mechthild Dreyer, Claudine Moulin und Jörg Rogge
Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken Neue Formen der Handschriftenpräsentation Herausgegeben von Andrea Rapp und Michael Embach
Akademie Verlag
Das Projekt wurde gefördert durch das Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum Mainz-Trier
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004320-3 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2008 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck und Bindung: DZA Druckerei zu Altenburg Printed in the Federal Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis
Mechthild Dreyer, Claudine Moulin und Jörg Rogge Vorwort zur Reihe Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften Claudine Moulin Einleitung
VII IX
Michael Embach und Andrea Rapp Neue Tendenzen der Handschriften- und Bibliotheksforschung. Ergebnisse des Trierer Workshops
1
Eef Overgaauw Autographe des Heinrich von Montabaur und Heinrich Kalteisen im Landeshauptarchiv Koblenz
7
Reiner Nolden Zu den Eberhardsklausener Handschriften und Inkunabeln in der Stadtbibliothek Trier
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Marco Brösch Der historische Bibliothekssaal des Augustiner-Chorherren-Klosters Eberhardsklausen aus dem 15. Jahrhundert
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Andreas Lehnardt Hebräische und aramäische Einbandfragmente in Mainz und Trier. Zwischenbericht eines Forschungsprojekts
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Thomas Falmagne Bericht über den Stand der Katalogisierung der Echternacher Handschriften in Luxemburg
65
VI
Inhaltsverzeichnis
Silke Diederich Europa in der Bibliothek. Eine Feldstudie am mittelalterlichen Trier
75
Frank Fürbeth Sachordnungen mittelalterlicher Bibliotheken als Rekonstruktionshilfen
87
Albert Derolez Die Handschriftenbeschreibung und die Bibliotheks- und Buchgeschichte des Mittelalters
105
Eva Effertz Neue Wege der Handschriftenerschließung aus Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft
119
Alessandra Sorbello Staub Integrierte Dienste für die Geschichts- und Altertumswissenschaften: die virtuellen Bibliotheken der Bayerischen Staatsbibliothek München
127
Bärbel Kramer Die Digitalisierung der Trierer Papyri
137
Andrea Rapp und Michael Embach Die Bibliothek der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier – ein europaweites Projekt zur Volltextdigitalisierung und virtuellen Rekonstruktion der Handschriften
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Anhang Ortsregister Personenregister Handschriftenregister Mitarbeiterverzeichnis
173 177 183 185
Vorwort
Die Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften präsentieren Forschungs erträge zu aktuellen Sachthemen sowie zu methodologischen und wissenschaftstheoretischen Fragen der Historischen Kulturwissenschaften. Herausgeber der Reihe ist das im Jahr 2005 gegründete Historisch-Kulturwissenschaftliche Forschungszentrum (HKFZ) Mainz-Trier. Das Zentrum wird von den beiden Universitäten in Mainz und Trier getragen und aus Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz finanziert. Dem Zentrum gehören auch Mitglieder außeruniversitärer wissenschaftlicher Einrichtungen beider Städte an. Hinzu kommen Kooperationspartner aus dem In- und Ausland. Im Forschungszentrum werden – im Gegensatz zur üblichen universitären Struktur mit ihrer Vereinzelung von Fächern und Fachbereichen – fächerübergreifende Fragestellungen der Historischen Kulturwissenschaften behandelt, deren Beantwortung nur inter- und transdisziplinär erfolgen kann. Mit den Beiträgen zu den Historischen Kulturwissenschaften bietet das HKFZ ein Forum für diese historisch und fachübergreifend angelegte Form der Forschung. Zur Diskussion gestellt werden Arbeiten, die sich mit kulturellen Erscheinungsformen und Symbolstrukturen in Sozialformationen in historischer Perspektive beschäftigen und unter Transdisziplinarität nicht eine additive Reihung von Disziplinen, sondern eine integrative Forschungshaltung verstehen. Ein weiteres zentrales Anliegen des HKFZ und dieser Reihe ist es, über die theoretischen Bedingungen und die methodischen Möglichkeiten der Historischen Kulturwissenschaften Rechenschaft abzulegen. Denn nur in der Reflexion auf ihr Tun können sie ihren Gegenstand letztlich einholen und ihre Arbeit entsprechend den wissenschaftlichen Standards argumentativ ausweisen. Mechthild Dreyer Claudine Moulin Jörg Rogge
Einleitung
Der vorliegende Band ist aus der Forschungsarbeit des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Mainz-Trier (HFKZ) erwachsen, das als ersten thematischen Schwerpunkt den Gegenstand Wissensräume behandelt. Der Raum ist ein derzeit aktuelles Thema kulturwissenschaftlicher Forschung. Untersuchungsgegenstand ist nicht nur der Raum im herkömlichen Sinn des Wortes, der Raum als drei dimensionales Gebilde, in dem sich – wie in einem Behältnis – etwas befindet oder mit dem – wie mit einem Behältnis – Handlungen, Techniken und Inhalte verknüpft sind. Insbesondere die gesellschafts- und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen fassen den Raum auch als etwas, das im Zuge menschlicher Vergesellschaftung erst konstituiert und durch sie aufrechterhalten wird. Bereits diese beiden Raumverständnisse zeigen, dass der kulturwissenschaftliche Raumbegriff polysem bestimmt werden muss und die eine Verwendung nicht als die metaphorische Fassung der anderen verstanden werden darf. In diesem Forschungszusammenhang wurde wenig beachtet, dass der kulturelle Umgang mit dem an sich unstofflichen Phänomen des Wissens ein ebenso wichtiges wie traditionsreiches Anwendungsfeld der Raumkategorie bildet, und dies sowohl in der physikalischen als auch in der sozialwissenschaftlichen Lesart des Raumes. Die Verbindung von Wissen und Raum, der Begriff des Wissensraumes, evoziert nicht nur die Vorstellung von Bibliotheken, in denen Wissen in Buchform gesammelt und architektonisch verräumlicht präsentiert wird. Auch die Informationstechnologien fassen in der Konstruktion von Inter- und Intranet Wissen als im virtuellen Raum lokalisiert auf. Ein weiteres Beispiel ist die Forschergruppe, die sich durch ihr spezialisiertes Fachwissen, das sie miteinander erwerben und austauschen, einen ihnen gemeinsamen Wissensraum konstituieren, der alle anderen Personen als Nicht-Fachleute ausgrenzt. Die polyseme Verwendung des Wortes Wissensraum in den genannten Beispielen ist nur ein, wenn auch deutlicher Hinweis dafür, dass der indizierte Sachverhalt zu facettenreich ist, als dass man ihn angemessen monothematisch erfassen könnte. Der thematische Schwerpunkt Wissensräume ist Gegenstand von acht Arbeitsgruppen innherhalb des HKFZ. Diese sind: 1. Konstitutionsbedingungen von Wissensräumen, 2. Raum als Organisationsmodus von Wissen in literarischen Texten,
Einleitung
3. Wissensraum Stadt, 4. Herrschafts- und Wissensraum Byzanz, 5. Medien und Methoden der Konstruktion von Wissensräumen, 6. Technik und Wissensraum, 7. Wissensräume religiöser Gruppen in der frühen Neuzeit, 8. Wissensraum Sprache. Das gewählte Forschungsthema ermöglicht durch sein breites Spektrum an Fragehorizonten eine Vielzahl unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen inter- und transdisziplinär zu vernetzen. Derzeit sind folgende Disziplinen mit Teilprojekten im Forschungszentrum vertreten: Bibliothekswissenschaft, Byzantinische Kunstgeschichte, Byzantinistik, Computer-Philologie, Evangelische und Katholische Theologie, Germanistik, Geschichte, Jiddistik, Klassische Philologie, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Philosophie, Romanistik und Wissenschaftsgeschichte. Ein Teil der Projekte wird mit modernen Digitalisierungstechniken durchgeführt. Damit schlägt das Gesamtforschungsprojekt Wissensräume eine Brücke zwischen aktuellem, systematischem und technischem Umgang mit der Raumstruktur und Raumformung von Wissen, was insbesondere durch die Erforschung von historischen Wissensräumen seine Grundlage erhält. Erste Ergebnisse der Forschungsarbeit der Arbeitsgruppe V Medien und Methoden der Konstruktion von Wissensräumen werden im vorliegenden Band präsentiert. Das von Michael Embach und Andrea Rapp geleitete Vorhaben „Die Handschriften der Abtei Trier – St. Matthias – ein europaweites Projekt zur Volltextdigitalisierung“ ist in vieler Hinsicht innovativ und methodisch richtungsweisend. Der Bestand, oder wenn man will, der Wissensraum dieser bedeutenden Bibliothek ist heute weit über verschiedene Länder verstreut und wird im vorliegenden Projekt virtuell wieder zum Leben erweckt, indem er komplett erschlossen und im Internet zugänglich gemacht wird. Im Projektkontext stand auch die interdisziplinäre Tagung Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken – Neue Formen der Handschriftenerschließung und der Handschriftenpräsentation, deren Beiträge vielfältige methodische und fachspezifische Einblicke in die Rolle der Bibliotheken als zentrale Organisationsform von Wissen im mittelalterlichen Europa ermöglichen. Claudine Moulin
Andrea Rapp und Michael Embach
Neue Tendenzen der Handschriften- und Bibliotheksforschung Ergebnisse des Trierer Workshops Vorbemerkungen Am 28. und 29. April 2006 fand unter dem Dach des HKFZ in Trier ein Workshop statt, der unter dem Thema stand: Rekonstruktion und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken – Neue Formen der Handschriftenerschließung und der Handschriftenpräsentation. Die perspektivische Leitlinie, die unausgesprochen hinter diesem Workshop stand, lautete: „Eine Bibliothek ist ein Mikrokosmos an Raum, der einen Makrokosmos an Wissen in sich birgt“. Folgt man diesem Ansatz, so ergibt sich als permanente Aufgabe der Handschriften- und Bibliothekswissenschaften hieraus, diesen Makrokosmos an Wissen, der wie ein Geist in der Flasche zwischen engen Regalen, staubigen Buchdeckeln und häufig unzureichenden Katalogen eingeschlossen ist, aus seinen historisch gegebenen Komprimationsformen zu befreien und in seiner ganzen Breite und Fülle zur Darstellung zu bringen. Der Trierer Workshop hat sich dieser Aufgabe in einer zweifachen Weise gestellt: in einer historischen sowie in einer technologischen. Zur Sprache kamen sowohl Themen der klassischen Buchkunde als auch Belange der neuen Technologien und Medienformen. Insgesamt wurden während des Workshops 13 Vorträge gehalten. Die Vorträge wurden ergänzt durch Führungen in der Stadtbibliothek Trier sowie in den Bibliotheken von Bernkastel-Kues und Klausen, beide aus dem 15. Jahrhundert stammend und über bedeutende Bestände sowie interessante Bibliotheksräume verfügend.
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Andrea Rapp und Michael Embach
Historische Sektion Innerhalb der historischen Sektion wurden drei aktuelle, entweder noch laufende oder kürzlich abgeschlossene Projekte der Erschließung von Handschriften vorgestellt. Prof. Dr. Eef Overgaauw (Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz) berichtete über die zwei Bände umfassende Neukatalogisierung der Handschriften des Landeshauptarchivs Koblenz. Neben Christina Meckelnborg hat Eef Overgaauw zu diesem Projekt einen der beiden 1998 und 2002 erschienenen Bände beigesteuert. Das Koblenzer Archiv besitzt umfangreiche Bestände säkularisierter Klöster aus dem moselländischen und mittelrheinischen Raum, darunter solche aus der Kartause und dem Dominikanerkloster in Koblenz, dem Franziskaner- und dem Karmeliterkloster in Boppard sowie dem Kollegiatstift St. Martin und Severus in Münstermaifeld. Herr Overgaauw wies auf die zum Teil in Autographen vorliegenden Predigten des spätmittelalterlichen Karmeliters Heinrich de Montabaur (*1439) sowie auf die umfangreichen, noch keineswegs adäquat ausgewerteten Handschriften des Dominikaners, Bischofs und päpstlichen Nuntius Heinrich Kalteisen (*1390–1465) hin. Hier hat die Erschließungsarbeit eine völlig neue Situation im Bereich der historischen Quellenkenntnisse geschaffen. Archivdirektor Dr. Reiner Nolden (Stadtarchiv Trier) stellte die Neukatalogisierung der Handschriften des Augustiner-Chorherrenstifts Eberhardsklausen (heute Klausen) vor. Von den insgesamt ca. 200 in der Stadtbibliothek Trier liegenden Klausener Handschriften sind über ein DFG-Projekt derzeit 85 Kodizes neu katalogisiert, die Erschließung der restlichen 115 Handschriften harrt einer weiteren Förderung durch die DFG. Im Zusammenhang mit den Ausführungen von Herrn Nolden ist ein zwischenzeitlich neu entstandenes HKFZ-Projekt zu erwähnen. Es wird von Herrn Prof. Dr. Andreas Lehnardt (Universität Mainz) betrieben und betrifft die Erfassung hebräischer Einbandfragmente in Inkunabeln der Provenienz Eberhardsklausen. Durch die Auswertung der Fragmente können einige jüdische Texte des Mittelalters erstmalig publiziert werden. In einem zweiten Vortrag, der sich mit Eberhardsklausen beschäftigte, ging Marco Brösch (Universität Trier) der Frage nach, inwieweit der kürzlich restaurierte historische Bibliothekssaal des Chorherrenstifts mit seinem ikonographischen Programm aus dem 15. Jahrhundert zusätzliche Aufschlüsse über die sachliche Aufstellung der Bestände gewähren könne. Spiegelt sich in diesem ikonographischen Programm eine latente Aufstellungssystematik wider? Das dritte Handschriftenprojekt betraf die Echternacher Handschriften in der Nationalbibliothek Luxemburg. Der zuständige Bearbeiter, Dr. Thomas Falmagne (Luxemburg), konnte mitteilen, dass die Katalogisierung abgeschlossen ist und der Band in den Druck gehen kann (geplanter Erscheinungstermin 2007). Die 2001 in Angriff genommene Katalogisierung begann noch nach dem Modell der Tiefener-
Neue Tendenzen der Handschriften- und Bibliotheksforschung
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schließung und nicht nach den Kurzregeln der DFG. Band 1 wird die Echternacher Bestände bis 1628 umfassen, zwei weitere Bände sollen die Handschriften aus Orval sowie die kleineren und unbestimmbaren Provenienzen erschließen. Auch die Echternacher Fragmente und Einbandmakulaturen werden erstmals zusammenhängend beschrieben. Damit ist das Netz dieses Kataloges über ganz Luxemburg (mit Ausnahme der gesondert beschriebenen Handschriften von Clervaux) ausgeworfen. Hier wird also nicht eine einzige örtliche Sammlung erschlossen, vielmehr alle Handschriften, die im Laufe ihrer Geschichte irgendwann einmal zur Bibliothek von Echternach gehört haben (in Bd. 1 insgesamt 86 Kodizes von 155 nachgewiesenen) – es entsteht eine völlig neue Art von Handschriftenkatalog. Thematisch übergreifende Beiträge lieferten Frau PD Dr. Silke Diederich (Universität Trier) mit ihrer Projektskizze Europa in den Bibliotheken: Eine Feldstudie am mittelalterlichen Trier sowie Herr PD Dr. Frank Fürbeth (Universität Frankfurt a. M.) mit einem Beitrag über Sachordnungen mittelalterlicher Bibliotheken. Das Forschungsprojekt von Frau Diederich zielt darauf ab, anhand der überlieferten Bibliotheksbestände zu untersuchen, inwiefern die Stadt Trier als ein kulturgeschichtliches Zentrum (und damit als historischer Wissensraum) inmitten Europas ausgewiesen werden könne. Der Ansatz von Herrn Fürbeth läuft darauf hinaus, die gängige Inventarisierung von Handschriften nach primär formalen Ordnungskriterien (durch das Alphabet der Autoren / Sachtitel) zu ergänzen durch den Einbezug einer inhaltlichen Dimension, jenen der Sachaufstellung vor Ort oder deren Abspiegelung in einem Katalog. Die Materialbasis bietet eine Datenbank, die ca. 900 Buchsammlungen erfasst, von denen ca. 300 Sachordnungen, schwerpunktmäßig aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit stammend, erkennen lassen. Damit treten Bibliotheken als integrale Bestandteile einer umfassenden Wissensgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit in den Blick, die Aufschlüsse allgemein kultur-, bildungs- und geistesgeschichtlichen Inhalts gewähren. Ebenfalls einer übergreifenden Fragestellung gewidmet war der öffentliche Abendvortrag von Prof. Dr. Albert Derolez aus Gent. Der Referent ging der Frage nach, welchen Dienst die Beschreibung von Handschriften im Rahmen einer allgemeinen Buch- und Bibliotheksgeschichte des Mittelalters leisten könne. Dabei plädierte Prof. Derolez dafür, die Handschriftenbeschreibung aus ihrer bloß dienenden Funktion zu befreien und als eigenständige Wissenschaftsdisziplin anzuerkennen. Vom Procedere her würde dies bedeuten, dass Beschreibungen nicht mehr synthetisch von einem einzigen Bearbeiter für sämtliche denkbaren Kategorien einer Handschrift, sondern analytisch von einem Expertenteam, getrennt nach spezifischen Forschungsfeldern, geleistet würden.
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Technologische Sektion Im Kontext einer zeitgenössischen und zukunftsweisenden Erschließung von Handschriften beschrieb zunächst Frau Dr. Eva Effertz (früher Kistemann) Neue Wege der Handschriftendigitalisierung aus der Sicht der DFG. Die grundlegende Richtung der DFG ist in einem Positionspapier festgeschrieben, das eine Förderung entsprechender Projekte bis ins Jahr 2015 beschreibt. Demnach erwartet die DFG, dass sich Wissens einrichtungen „zu einem kohärenten Gesamtsystem der digitalen Informationsversorgung“ zusammenschließen. Auch die Erschließung und Nutzung von Handschriften hat die Erfordernisse der Digitalisierung, der Vernetzung und damit der überregionalen Nutzung zu berücksichtigen. Im Endeffekt soll hierdurch die gesamte kulturelle Überlieferung erschlossen, dokumentiert und in digitaler Form zugänglich gemacht werden. Der in Deutschland vorhandene Bestand an Handschriften soll in der Datendatenbank ‚Manuscripta Mediaevalia‘ erfasst und zugänglich gemacht werden. Das umfassende Ziel der DFG wurde in zwei weiteren (nicht im Berichtsband dokumentierten) Vorträgen aus der Sicht der technischen Anforderungen beleuchtet und konkretisiert. Martin Liebetruth (SUB Göttingen) legte den Stand der Dinge im Bereich der Digitalisierung von Handschriften dar, während Thorsten Schaßan (HAB Wolfenbüttel) den TEI/MASTER-Standard für die Erschließung von Handschriften beschrieb. Sowohl bezüglich der Digitalisierung als auch bezüglich der Erschließung liefert die moderne Technik hoch qualifizierte Möglichkeiten, die für neu geplante Projekte zur Norm erhoben werden sollten. Erfahrungsberichte in der Nutzung digital gespeicherter Wissensinhalte konnten Frau Dr. Alessandra Sorbello-Staub (BSB München, jetzt Württembergische LB Stuttgart) und Frau Prof. Dr. Bärbel Kramer (Universität Trier) vermitteln. Die BSB München hat im Jahre 2004 das Informationsportal ‚Chronicon‘ geöffnet. Es wendet sich an Geschichtswissenschaftler und ermöglicht den Zugang zu 33 fachlich einschlägigen Katalogen, Datenbanken und Sammlungen digitaler Bestände. Ein vergleich bares Portal ist für den Bereich der Altertumswissenschaften geplant. Die Bibliothek wandelt sich hierdurch zu einer Hybridinstitution, die sowohl konventionelle gedruckte, wie auch virtuell verfügbare, digitale Information bereit hält und vermittelt. Frau Prof. Kramer berichtete über die bereits abgeschlossene Digitalisierung einer 637 Objekte umfassenden Sammlung von Papyri der Universität Trier. Die Digitalisierung wurde nach dem Vorbild der amerikanischen Sammlungen von Berkeley, Princeton und Yale sowie durch Förderung der DFG ermöglicht. In Deutschland waren Vorreiter und Beispielgeber die Sammlungen der Universitäten Heidelberg, Köln und Giessen. In Trier wurde die Maßnahme zwischen dem 1. April 2002 und dem 31. März 2005 durchgeführt. Sie umfasste neben der Digitalisierung der Bestände auch deren Katalogisierung sowie weltweite Vernetzung mit den virtuellen Angeboten anderer papyrologischer Institutionen.
Neue Tendenzen der Handschriften- und Bibliotheksforschung
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Schließlich stellten Frau Dr. Andrea Rapp (Universität Trier) und Prof. Dr. Michael Embach (Trier, Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars) ein in der Vorbereitungsphase befindliches Projekt vor, das auf die virtuelle Rekonstruktion und Volltextdigitalisierung der Handschriften von Kloster Trier-St. Matthias abzielt. Anhand der Bestände soll gezeigt werden, dass Bibliothek und Skriptorium von St. Matthias zentrale bildungspolitische und verwaltungsspezifische Aufgaben im Erzbistum Trier erfüllten und in gewisser Weise als Kanzlei des Erzbischofs betrachtet werden können.
Gesamtergebnis Insgesamt zeigte der Trierer Workshop, dass die Beschäftigung mit historischen Biblio theken und deren Beständen nicht mehr nur auf dem Weg der konventionellen Erschließungsmethoden, etwa durch gedruckte Handschriftenkataloge, vonstatten geht. Vielmehr kommt in einer kategorischen Weise das Erfordernis der Digitalisierung von Daten und deren weltweiter Nutzbarmachung im Netz hinzu. Letztendlich wurde klar, dass bei der inhaltlichen Erschließung von Handschriften auch non-skripturale Informationen aus dem Bereich der Bibliotheksarchitektur und Raumikonographie sowie aus der Metaebene von Bibliotheksordnung und Benutzerforschung eine Rolle spielen können. Der konventionelle Ein-Bibliotheken-Katalog kann ebenso überwunden werden (Echternach) wie das herkömmliche Verfahren der Katalogisierung als Ergebnis eines wissenschaftlichen ‚Einzelkämpfertums‘. Insofern zeigt sich, dass die oben angesprochene ‚Dekomprimierung‘ historischer Wissensinhalte in Bibliotheken durch den Einsatz moderner Technik sowie durch die Heranziehung kooperativer Arbeitsmethoden hervorragende Chancen zur Realisierung wissensraumspezifischer Inhalte in sich birgt. Der Begriff des ‚Historischen Wissensraumes‘, so wie ihn das HKFZ verwendet, erhält hierdurch eine konkrete Absicherung und eine dynamische, gegenwarts- und zukunftsbezogene Stoßrichtung.
Eef Overgaauw
Autographe des Heinrich von Montabaur und Heinrich Kalteisen im Landeshauptarchiv Koblenz
Der Mittelrhein und das Moselland gehören zu den reichen und dichtbesiedelten Regionen Deutschlands. Zugleich bilden diese Regionen eine der ältesten Kulturlandschaften Europas. Jeder Trierer Bürger weiß, dass seine Stadt lange vor Rom gegründet wurde und jeder Deutsche mit Abitur kennt die historische Bedeutung von Städten wie Koblenz und Limburg. Über die historische Bedeutung der Klöster am Mittel rhein, über das Erbe dieser Klöster, über ihre Rolle in der Kultur, der Wissenschaft und im geistigen und wirtschaftlichen Leben der Region, wurde bereits viel gesagt und geschrieben.1 Der vorliegende Beitrag, der keine wesentlich neuen Forschungsergebnisse enthält, befasst sich mit den mittelalterlichen Bibliotheken einiger moselländischer und mittelrheinischer Klöster, insbesondere mit den Handschriften aus diesen Bibliotheken, so weit diese heute noch im Landeshauptarchiv Koblenz vorhanden sind. Als die meisten mittelrheinischen Klöster im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert aufgehoben wurden, gelangten die gedruckten Bücher und die Handschriften über kürzere und längere Wege in den Besitz von öffentlichen Bibliotheken, in adlige Biblio theken, zu Sammlern und Buchhändlern. Dabei sind sehr viele Bücher unwiederbringlich verloren gegangen. Die Bibliotheken verschiedener Klöster, Kirchen und Stifte am Mittelrhein und an der Mosel, darunter die des Dominikanerklosters in Koblenz, der Koblenzer Kartause und des Kollegiatstiftes St. Martin und Severus in Münstermaifeld, gelangten im späten 18. Jahrhundert, nach den willkürlich durchgeführten Durchsuchungen und Konfiskationen durch die französischen Revolutionstruppen, zunächst in Depots.2 Die wertvollsten Stücke aus diesen Klosterbibliotheken sollten nach Frankreich überführt werden, doch ist dies aus nicht mehr nachvollzieh1 Zu den Klöstern am Mittelrhein von den Anfängen bis zur Gegenwart s. Peter Brommer, Achim Krümmel, Klöster und Stifte am Mittelrhein. Koblenz 1998 (Wegweiser Mittelrhein, 6). 2 Zur Geschichte der hier genannten mittelrheinischen Stifts- und Klosterbibliotheken s. Christina Meckelnborg, Die nichtarchivischen Handschriften der Signaturengruppe 701 Nr. 1–190, ergänzt durch die im Görres-Gymnasium aufbewahrten Handschriften A, B und C. Wiesbaden 1998 (Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, 1), S. 2–36 (grundlegend).
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Eef Overgaauw
baren Gründen nicht passiert. Die Bestände wurden aufgeteilt, verschleppt, geplündert und teilweise lokalen Buchhändlern zum Verkauf überlassen. Die weniger wertvollen Bücher und Handschriften blieben zunächst in den Klosterbibliotheken zurück. Nachdem die linksrheinischen Gebiete 1797 faktisch Teil der französischen Republik geworden waren, kamen neue Emissäre aus Paris, die überprüfen sollten, was an wertvollen Kunstgegenständen für eine Überführung nach Paris in Betracht kam. Da die Klöster und die dazugehörigen Bibliotheken inzwischen in einem desolaten Zustand waren, konnte eine systematische Erhebung der vorhandenen Bestände kaum noch erfolgen. Die bis dahin weiterhin in den Koblenzer Klöstern verbliebenen Bibliotheken, oder was davon noch übrig war, wurden in den Räumen des ehemaligen Rekollektenkonventes in Koblenz zusammengeführt. Später kamen die Restbestände aus den Bibliotheken der Franziskaner und der Karmeliter in Boppard dazu. Einige Kisten mit wertvollen Büchern wurden 1804 nach Paris befördert, aber die meisten Bibliotheksbestände sollten für eine noch zu gründende öffentliche Bibliothek in Koblenz bleiben. Bereits 1815, kurz nach dem Ende der französischen Besatzung, kam ein größerer Teil der in dem Koblenzer Rekollektenkonvent zusammengeführten Bücher und Hand schriften in die Bibliothek des Königlichen Gymnasiums, des späteren KaiserinAugusta-Gymnasiums, in Koblenz. Dort wurden sie von dem noch sehr jungen, aber energischen und gewissenhaften Gymnasiallehrer Ernst Dronke (1797–1849), der 1821 zum Bibliothekar ernannt wurde, geordnet und nach und nach katalogisiert. Seine Listen und Kataloge sind noch vorhanden. Ebenfalls 1821 wurde ein bedeutender Teil der Druckschriften und Handschriften aus der Koblenzer Gymnasialbibliothek in die Bibliothek der neugegründeten Universität Bonn überführt, wo sie, abgesehen von den Verlusten aus dem Zweiten Weltkrieg, auch heute noch aufbewahrt werden. 1908 wurden die in Koblenz verbliebenen Handschriften aus der Bibliothek des Gymnasiums zwecks besserer Benutzbarkeit und zur Entlastung des regulären Schulbetriebs als Depositum dem damaligen Königlichen Staatsarchiv übergeben. Im Landeshauptarchiv Koblenz, dem Rechtsnachfolger des Königlichen Staatsarchivs, werden diese etwa 200 mittelalterlichen Handschriften bis heute aufbewahrt. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Handschriften, Inkunabeln und Frühdrucke führen in nicht wenigen Archiven, auch in Deutschland, ein Schattendasein. Die Archivare kümmern sich, wie es ihrem Auftrag entspricht, um die eigentlichen Archiv bestände, die ihnen anvertraut wurden, sind aber für die Erschließung von Bibliotheksmaterialien normalerweise nicht ausgebildet. Dies führt dazu, dass solche Materialien in Archiven meist unbeachtet bleiben. Hinzu kommt, dass Urkunden und andere Archivalien, die in Bibliotheken aufbewahrt werden, von Seiten der Bibliothekare auch nicht mit besonderer Rücksicht und Fachkompetenz behandelt werden. Im Landeshauptarchiv Koblenz war die Lage jedoch besser. Ende der 80er Jahre hat der damalige Archivleiter Franz-Josef Heyen bei der DFG Mittel für die sachgerechte Katalogisierung der dort vorhandenen mittelalterlichen Handschriften beantragt. Nachdem diese Mittel bewilligt worden waren, wurde die Altphilologin und
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Mittellateinerin Christina Meckelnborg eingestellt, die bis 1994 in der Staatsbibliothek zu Berlin die erste Hälfte der mittelalterlichen Handschriften des Archivs katalogisierte. Unter der Leitung von Heinz-Günter Borck, dem Nachfolger Heyens, wurde das Katalogprojekt fortgesetzt. Die zweite Hälfte der Erschließungsarbeiten durfte ich von 1994 bis 1998 übernehmen. Zwei umfangreiche Katalogbände, die 1998 und 2002 erschienen, bilden das Ergebnis der Arbeit von Frau Meckelnborg und mir.3 Welche sind nun die wichtigsten Ergebnisse der Katalogisierung der Koblenzer Handschriften? Als erstes Ergebnis muss erwähnt werden, dass eine bis vor wenigen Jahren nahezu unbekannte Sammlung mittelalterlicher Handschriften durch die Katalogisierung angemessen erschlossen worden ist. Jede Bibliothek, jedes Archiv und jedes Museum hat die Aufgabe, ja die Verpflichtung, seine Bestände zu katalogisieren und die Ergebnisse der Katalogisierung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Erschließungsarbeit ist von größter Bedeutung. Das zweite Ergebnis liegt in dem beträchtlichen Gewinn an neuen Erkenntnissen für die Geschichte der Stiftsund Klosterbibliotheken am Mittelrhein und im Moselland. Die meisten der Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz waren bisher völlig unbekannt, jetzt kennen wir ihre Datierung und Lokalisierung und wissen ziemlich genau, welche Texte in diesen Handschriften enthalten sind. Immer dann, wenn eine halbwegs bedeutende Sammlung mittelalterlicher Handschriften katalogisiert wird, werden einige bisher völlig unbekannte mittelalterliche Texte entdeckt und es kommen neue Textzeugen von selten überlieferten Texten ans Licht. Auch bei den Koblenzer Handschriften war dies der Fall. Für die Kunstgeschichte haben die Koblenzer Handschriften dagegen nicht viel zu bieten. Es sind nur wenige Codices mit qualitätvollen Miniaturen vorhanden, wie etwa ein Evangeliar des späten 10. oder des frühen 11. Jahrhunderts aus dem Kloster St. Maria ad Martyres in Trier (Best. 701 Nr. 81), eine Bibel des späten 11. Jahrhunderts aus dem Stift St. Kastor in Koblenz (Best. 701 Nr. 110), das berühmte Breviar des Trierer Erzbischofs Balduin von Luxemburg (1308 –1354) aus dem 2. Viertel des 14. Jahrhunderts (Hs. A) und ein Stundenbuch aus Delft (Hs. C). Dass nicht viel mehr illuminierte Handschriften vorhanden sind, erklärt sich aus der Geschichte der Koblenzer Sammlung. Wir dürfen davon ausgehen, dass die meisten Handschriften dieser Art, die es in den reichen mittelrheinischen Klosterbibliotheken ohne Zweifel gegeben hat, entweder schon in der Zeit vor der Konfiskation durch die Emissäre der französischen Regierung oder während der Lagerung in Koblenz abhanden gekommen sind und nach Entfernung der Eigentumsvermerke über kurz oder lang entweder verloren gegangen oder nach und nach in die Bibliotheken von adligen und bürgerlichen Sammlern gelangt sind. Was nach den Konfiskationen, Zwischenlagerungen
3 Meckelnborg, Handschriften Koblenz 1 (wie Anm. 1); Eef Overgaauw, Die nichtarchivischen Handschriften der Signaturengruppe Best. 701 Nr. 191–992. Wiesbaden 2002 (Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, 2).
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Eef Overgaauw
und Verschleppungen des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts letztendlich im Jahre 1815 in die Bibliothek des Königlichen Gymnasiums nach Koblenz kam, war der weniger kostbare Teil dessen, was einmal in den Klosterbibliotheken vorhanden gewesen war. Die kostbaren Handschriften sind entweder verloren gegangen oder liegen in den nur teilweise bearbeiteten Beständen der wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland oder im Ausland.4 Nun sind kostbare illuminierte Handschriften aus kulturhistorischer Sicht nicht immer interessant. Viele Stundenbücher und die meisten Miniaturenhandschriften mit den kommentierten Büchern des Corpus iuris civilis und des Corpus iuris canonici bieten, abgesehen von den Miniaturen und der mittelalterlichen Provenienz, kaum etwas, was von historischer Bedeutung ist. Bei der Katalogisierung solcher Handschriften kommt meist nur wenig Neues ans Licht. Dagegen sind es gerade die eher schlichten und bisher unbeachteten Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, die einige bedeutende und bisher unbekannte Texte enthalten, welche erst bei der nunmehr abgeschlossenen Katalogisierung entdeckt worden sind. Allein durch die Entdeckung dieser Texte hat sich das von der DFG geförderte Katalogisierungsprojekt gelohnt. Um welche Texte geht es eigentlich? Es geht zunächst um die Autographen von einigen bisher wohl bekannten und von einigen weniger bekannten mittelrheinischen Autoren. Ein Autograph ist die eigenhändige Handschrift eines Verfassers. Von den zahlreichen mittelalterlichen Handschriften, die jetzt noch vorhanden sind, können nur wenige als Autograph, als eigenhändig betrachtet werden. Aus dem Früh- und Hochmittelalter gibt es vermutlich weniger als 200 Autographen, aus dem Spätmittelalter dürfen es vielleicht 400 oder 500 sein. Einige Dutzend spätmittelalterliche Autographen liegen im Landeshauptarchiv Koblenz. Zu den Koblenzer Autographen gehören die des Bopparder Karmeliters Heinrich de Montabaur. Wie viele Angehörige seines Ordens, wurde Montabaur nach der Ausbildung an den ordenseigenen studia an eine Universität geschickt. Ein Universitätsstudium war die Voraussetzung für die Übernahme einer leitenden Stelle innerhalb des Ordens. 1439–1442 studierte Montabaur an der Universität Köln, 1442–1443 in Padua. Später war er Lektor in Trier, 1470–1472 war er Prior des Karmeliterklosters in Speyer.5 Schon während seines Studiums in Köln war er als lector, das heißt als Lehrer für die jüngeren Karmeliter in den Klöstern seines Ordens in Boppard, Köln und Trier tätig, später, ab 1449 auch in Mainz.6 Zu seinen Lebzeiten war Montabaur 4 Gute, wenn auch unvollständige Übersichten über die noch vorhandenen mittelalterlichen Handschriften aus Kirchen-, Stifts- und Klosterbibliotheken in Deutschland bietet Sigrid Krämer Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters. Bd. 1–3. München 1989 (Mittelalterliche Bi bliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband 1). 5 Meckelnborg, Handschriften Koblenz 1 (wie Anm. 1), S. 372. 6 Zur Biographie Montabaurs s. Franz-Bernhard Lickteig, The German Carmelites at the medieval universities. Rom 1981 (Textus et studia historica carmelitana, 13), pp. 67– 69.
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viel unterwegs. Sein Gelöbnis hat er vermutlich im Karmeliterkloster in Boppard abgelegt, aber er hat viele Jahre in anderen Klöstern seines Ordens verbracht. Wie viele Handschriften er während seines Lebens geschrieben und gesammelt hat, wissen wir nicht, aber von den insgesamt 53 Handschriften aus dem Karmeliterkloster Boppard, die jetzt im Landeshauptarchiv Koblenz aufbewahrt werden, enthalten nicht weniger als 18 einen Besitzvermerk Montabaurs.7 In den meisten dieser 18 Handschriften hat er Spuren hinterlassen, entweder in der Form von Abschriften von Werken anderer oder in der Form von Autographen, von eigenhändigen Handschriften seiner eigenen Werke. Die Schrift Montabaurs ist eine schlichte, schmucklose und schnell geschriebene gotische Kursive mit zahlreichen Abkürzungen. Seine Schrift ist ein gutes Beispiel einer Gelehrtenschrift aus dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts.8 Die meisten der als Autograph überlieferten Werke Montabaurs sind Predigten. Viele dieser Predigten lassen sich in der Koblenzer Handschrift Best. 701 Nr. 2509 finden. Diese Handschrift wurde noch im 15. Jahrhundert aus 15 kodikologischen Einheiten zusammengesetzt. 13 dieser 15 Einheiten, die manchmal aus nur einer einzigen Lage bestehen, stammen von der Hand Montabaurs. Weitaus die meisten der in diesen 13 Einheiten enthaltenen Texte sind Sermones de tempore, das sind Predigten für die beweglichen Feste des Kirchenjahres, oder Sermones de sanctis, Predigten für bestimmte, nach dem Kalender angeordnete Heiligenfeste. Zu den Predigten kommen Predigtmaterialien, das sind Exzerpte, Sprüche, Verse und andere kurze Texte, die für die Verwendung in Predigten gesammelt wurden. In einigen der 13 kodikologischen Einheiten finden wir eine Datierung von der Hand des Schreibers, in anderen Einheiten ist eine ziemlich genaue Datierung anhand der identifizierten Wasserzeichen möglich. Auf Bl. 50r, am Anfang einer kleinen Predigtreihe, finden wir den Vermerk 1468. In Goare, auf Bl. 132r den Vermerk Pasche 1455o. Bopardie, auf Bl. 169v und 174v den Jahresvermerk 1456. Die Lokalisierungen (St. Goar, Boppard) verweisen wohl auf die Orte, in denen Monatabaur gepredigt hat, und nicht die Orte, in denen er die Niederschrift dieser Predigten vollendet hat. Ähnliche Vermerke finden wir in Best. 701 Nr. 197, einer aus 14 kodikologischen Einheiten zusammengesetzten Handschrift, die, wie die Nr. 250, überwiegend Predigten und Predigtmaterialien enthält.10 Hier, auf Bl. 10v, finden wir den Vermerk Michaelis 1458. Spire in coventu, was wohl bedeutet, dass Montabaur die hier überlieferte Predigt 1458 am Fest des Heiligen Michael im Kloster seines Ordens in Speyer gehalten hat. Andere Predigten in dieser Handschrift verweisen auf Köln, Boppard, Worms, Kreuznach und wieder auf Speyer.
7 Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 2. 8 Schriftbeispiele in Meckelnborg, Handschriften Koblenz 1 (wie Anm. 1), Abb. 32 u. 33. 9 Zu dieser Handschrift s. Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 259–268. 10 Zu dieser Handschrift s. Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 62–70.
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Nicht wenige der in diesen beiden Handschriften enthaltenen Predigten sind keine Autographe Montabaurs. Diese Predigten stammen nachweislich von anderen Autoren. Montabaur hat sie aus anderen Handschriften abgeschrieben, entweder wortwörtlich, oder für seine Zwecke überarbeitet. Mit Hilfe des großen Repertoriums der lateinischen Predigten des Mittelalters von Johann Baptist Schneyer konnten mehrere Dutzend Predigten von der Hand Montabaurs meist spätmittelalterlichen Autoren zugewiesen werden.11 Wie können wir nun feststellen, ob die in diesen beiden Handschriften enthaltenen Predigten, soweit wir sie nicht dem einen oder anderen Verfasser zuweisen können, wirklich von Montabaur verfasst wurden? Wir können das nicht mit Sicherheit feststellen, aber es gibt Hinweise dafür. So finden sich in Best. 701 Nr. 250 auf Bl. 57v– 68r kurze Abhandlungen von der Hand Montabaurs zu den Lectiones in librum Sapientiae des englischen Dominikaners Robert Holcot.12 Zahlreiche Verweise auf dieses Werk Holcots, das im Mittelalter auch außerhalb Englands häufig verbreitet wurde, lassen sich in den von der Hand Montabaurs überlieferten Predigten der besagten Handschrift finden, zum Beispiel in einer Reihe von 35 kurzen Fastenpredigten (Best. 701 Nr. 250, Bl. 214r–247v). Hier schreibt Montabaur an vielen Stellen sicut dicit Holcot oder secundum Holkoth. Wir dürfen vermuten, dass Montabaur Holcots Lectiones in librum Sapientiae als Grundlage (oder als Materialsammlung) für seine eigenen Predigten verwendet hat. Ein weiterer Beleg für die Annahme, dass Montabaur nicht nur der Schreiber, sondern auch der Verfasser der hier überlieferten Predigten ist, besteht darin, dass nicht wenige Predigten unvollständig sind. Manche Predigten sind nur als Gerüst überliefert; sie wurden nur schematisch, in Umrissen aufgezeichnet. An manchen Stellen hat der Schreiber eine Seite zum Teil unbeschriftet gelassen, um später eine Predigt ausarbeiten zu können, was er dann, aus welchem Grund auch immer, nicht gemacht hat. Des Weiteren finden wir auf vielen Seiten der beiden Handschriften eine Vermischung von Predigten und Predigtmaterialien. Diese Predigtmaterialien beziehen sich unmittelbar auf die vorangehenden oder anschließenden Predigten. Auch in der parallelen Überlieferung von Predigten und Predigtmaterialien sehen wir den Verfasser als Schreiber seiner eigenen Werke. An dieser Stelle müssen wir bedenken, dass die Predigten Montabaurs für die Angehörigen des Karmeliterordens in den mittelrheinischen Klöstern bestimmt waren. Hätte Montabaur nicht selbst an vielen Stellen in seine Handschriften Jahr und Ort seiner Predigten eingetragen, hätten wir aus den zahlreichen Verweisen auf die
11 Johann Baptist Schneyer, Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters, für die Zeit von 1150–1350. Bd. 1–11. Münster 1969–1990 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und der Theologie des Mittelalters, 43, Heft 1–11). 12 Zur handschriftlichen Überlieferung der Lectiones in librum Sapientiae des Robert Holcot s. Thomas Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum Medii Aevi. Bd. 3. Rom 1980, Nr. 3497.
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gelehrte theologische Literatur der christlichen Antike und des Mittelalters ableiten können, dass diese Predigten nicht für ein Laienpublikum gedacht waren. Die Frage, ob Montabaur seine Predigten vor oder nach dem eigentlichen Vortrag, bevor oder nachdem er diese Predigten gehalten hat, niedergeschrieben hat, lässt sich kaum beantworten. Beides scheint möglich. Die Tatsache, dass Montabaur seine Predigten aufgeschrieben hat, belegt, dass er sie aufbewahren wollte, vermutlich mit dem Ziel, sie nochmals verwenden zu können. Eines steht aber fest: In den Koblenzer Handschriften Best. 701 Nr. 197 und Nr. 250 sehen wir einen hoch gebildeten Karmeliter bei der Arbeit. Er hat Predigten von anderen Theologen für seine Zwecke abgeschrieben und überarbeitet. Er hat mit großer Wahrscheinlichkeit zahlreiche Predigten eigenständig konzipiert und redigiert. In seine Predigten hat er eine Vielzahl an Zitaten aus und Verweisen auf die Werke anderer Autoren eingeflochten. Diese Predigten belegen das hohe intellektuelle Niveau des geistigen Lebens in den Karmeliterklöstern am Mittelrhein im 15. Jahrhundert. Während der Karmeliter Heinrich de Montabaur bisher kaum in Erscheinung trat, ist der Dominikaner Heinrich Kalteisen kein unbekannter Theologe und Schriftsteller. Seine Biographie ist ein Beleg für die erstaunliche Mobilität der Dominikaner im Spätmittelalter. Kalteisen wurde um 1390 in Ehrenbreitstein bei Koblenz geboren. Als Adoleszent oder junger Mann ist er in das Koblenzer Dominikanerkloster eingetreten. Bevor er 1415 als Student an der Universität Wien immatrikuliert wurde, hat er einige Jahre in London verbracht, wo er zum Subdiakon geweiht wurde. Ab 1423 ist er als baccalaureus biblicus an der berühmten Dominikanerschule in Köln belegt, was bedeutet, dass er seine jungen Mitbrüder in das wissenschaftliche Studium der Bibel eingeführt hat. Noch vor 1430 hat er in Köln die Magisterwürde erhalten. Zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit in Köln war er als lector cathedralis am Mainzer Dom tätig. In dieser Funktion hat er als Lehrer für die Angehörigen des dortigen Bischofs gearbeitet. Als Vertreter des Bischofs von Mainz hat er 1432–1434 am Basler Konzil teilgenommen. Hier hat er engagiert und erfolgreich gegen die Hussiten agiert und die Autorität des Papstes gegen die Vertreter des Konziliarismus verteidigt. So gewann er die Bekanntschaft, die Freundschaft und die Hochachtung des Papstes Eugen IV. (1431–1447), dem er 1439–1441 als nuntius apostolicus diente. In dieser Zeit war er auch als Inquisitor im Bistum Köln tätig. 1452 wurde er vom Papst zum Erzbischof von Trondheim (Norwegen) ernannt, jedoch hat er diese Funktion wegen der Widerstände vor Ort nie ausüben können. Einige Jahre später wurde seine Ernennung rückgängig gemacht. 1463 zog er sich von seinen offiziellen Funktionen zurück und lebte weiterhin in seinem Kloster in Koblenz, wo er 1465 starb.13
13 Zu Leben, Werk und Wirken Kalteisens s. Bernhard D. Haage, Kalteisen, Heinrich OP, Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Aufl. Hrsg. v. Kurt Ruh u. a. Bd. 4. Berlin / New York
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In theologischen Angelegenheiten war Kalteisen ein hardliner, ein Falke, keine Taube. Während des Baseler Konzils hat er kräftig gegen die Hussiten gewettert. Als päpstlicher Inquisitor ist er gegen diejenigen, die im Verdacht standen, ketzerischen Ideen anzuhängen oder ketzerische Praktiken auszuüben, hart aufgetreten. Viel moderater war er in seinen deutschen Predigten für die Nonnen des Dominikanerklosters An dem Steinen in Basel und in der Trostschrift für seinen Freund und Förderer Papst Eugen IV. zum Tod von dessen Mutter. Gleichwohl behauptet das hochgeschätzte Verfasserlexikon von Heinrich Kalteisen: „K[alteisen]s religiöser Eifer war ein Unglück für viele unschuldige Menschen, ob sie nun Ketzer oder Juden waren.“14 Von eben jenem Kalteisen sind mehrere Dutzend Schriften erhalten geblieben, überwiegend lateinische Schriften, dazu einige deutsche Predigten, Reden, Briefe und andere kurze Werke. Die Autographe von etwa der Hälfte der Schriften Kalteisens finden sich im Landeshauptarchiv Koblenz. Diese Handschriften stammen alle aus der Bibliothek des Koblenzer Dominikanerklosters, also aus dem Kloster, in dem Kalteisen gestorben ist und wo seine Handschriften bis zur Aufhebung des Klosters aufbewahrt wurden. Einige weitere Autographe Kalteisens werden in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und in der Hessischen Landesbibliothek Darmstadt aufbewahrt. Die jetzt in Bonn gelagerten Handschriften gehören vermutlich zu dem Konvolut, das 1821 bei der Gründung der Universität Bonn aus Koblenz nach Bonn übergeben wurde.15 Die in Darmstadt aufbewahrten Handschriften aus dem Koblenzer Dominikanerkloster gelangten teilweise im frühen 19. Jahrhundert aus dem Depot im Koblenzer Rekollektenkonvent über den im französischen Auftrag (aber eher eigenständig) agierenden Regierungskommissar Jean-Baptiste Maugérard (1735– 1815) in die Sammlung des Großherzogs von Hessen-Darmstadt. Weitere Koblenzer Handschriften kamen über andere Wege in dessen Besitz.16 Von historischer und philologischer Bedeutung sind die in Koblenz aufbewahrten Reden und Predigten, die Kalteisen 1432–1434 während des Baseler Konzils gehalten hat (Best. 701 Nr. 220, Bl. 320–369 u. Best. 701 Nr. 245, Bl. 312–322).17 Kalt
1983, Sp. 966 –980 (grundlegend). Zur handschriftlichen Überlieferung seiner Werke s. Thomas Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatoum Medii Aevi. Band 2: G–I. Rom 1975, Nr. 1774– 1813. Die Angaben bei Kaeppeli sind mit Zuweisungen einiger Werke an Kalteisen in den entsprechenden Beschreibungen der Koblenzer Handschriften zu ergänzen. 14 Haage, Kalteisen, Heinrich OP (wie Anm. 13), Sp. 969. 15 Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek, S. 326 u. 327. Beide Sammelhandschriften enthalten Autographe Kalteisens. S. Handschriftenzensus Rheinland. Hrsg. v. Günter Gattermann. Bd. 1. Wiesbaden 1993, Nr. 166–167. 16 Zu den Handschriften aus Koblenzer Klöstern in der Hessischen Landesbibliothek Darmstadt s. Hermann Knaus, Darmstädter Handschriften mittelrheinischer Herkunft, in: ders., Studien zur Handschriftenkunde. Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. v. Gerard Achten, Thomas Knaus und Kurt Hans Staub. München usw. 1992, S. 51–71, hier S. 60–65 (zuerst erschienen in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde n. F. 26 (1958), S. 43–70. 17 Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 156 –157.
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eisen hat seine Reden, in denen er sich mit den von Ulrich von Znaim und anderen Theologen vertretenen hussitischen Positionen auseinandersetzt, unter großem Zeitdruck in Basel geschrieben. Wegen ihrer erheblichen Länge wurden sie über zwei oder drei Sitzungen des Konzils verteilt. Die Koblenzer Autographe der Konzilsreden Kalteisens belegen, dass unser Verfasser beim Schreiben mindestens einer seiner Reden von einem Kollegen, der namentlich nicht genannt wird, unterstützt wurde.18 Einige weitere Konzilsreden stammen voll und ganz aus seiner Feder. Beim Schreiben dieser Reden verfügte Kalteisen über Kopien der Reden, die seine hussitischen Gegner kurz zuvor gehalten hatten. Es ist zu vermuten, dass es ein ‚Sekretariat‘ des Konzils gegeben hat, das für die sofortige Herstellung und Verbreitung von Kopien der Konzilsreden zuständig war. Sollte dies der Fall gewesen sein, dürfen wir annehmen, dass auch die Verteilung der Konzilsreden Kalteisens über dieses Sekretariat gelaufen ist. Ob Kalteisen seine eigenen Autographen diesem Sekretariat zur Verfügung gestellt hat, wissen wir nicht. Es kann auch sein, dass seine eigenen Mitarbeiter zu diesem Zweck eine erste und von Kalteisen freigegebene Kopie der eigenhändigen Handschriften Kalteisens angefertigt haben, die dem Sekretariat zwecks weiterer Verbreitung zur Verfügung gestellt wurde. Über die Entstehung und den Austausch von theologischen Schriften und Handschriften während der Konzile von Konstanz, Basel und Pisa wurde schon viel gesagt und geschrieben. Über die genaueren Umstände, unter welchen die Konzilsreden zu Stande gekommen sind, gibt es dagegen kaum zuverlässige Kenntnisse. In den Koblenzer Handschriften wurde festgestellt, dass eine der Reden Kalteisens teilweise auf Papier mit den gleichen Wasserzeichen geschrieben worden war wie die Reden seines hussitischen Gegners Ulrich von Znaim.19 Die Schrift von einem der sechs Schreiber, die zusammen eine für Kalteisen bestimmte Kopie von zwei Konzilsreden des Ulrich von Znaim geschrieben haben, findet sich auch in Abschriften eines Werkes des Johannes de Podio, von einem anonymen Dialog über die Position der Hussiten und von zwei kirchenrechtlichen Werken von Franciscus de Zabarellis und von Guido Terrena, die alle während des Konzils abgeschrieben und verbreitet wurden.20
18 Eef Overgaauw, Auteur et copiste? – L’autographe du deuxième discours d’Henri Kalteisen O.P. contre les hussites (Bâle, 7–8 avril 1433), in: La collaboration dans la production de l’écrit médiéval. Actes du XIIIe colloque du Comité international de paléographie latine (Weingarten, 22–25 septembre 2000). Hrsg. v. Herrad Spilling. (Matériaux pour l’histoire, publiés par l’École des chartes, 4), S. 315–322. 19 Koblenz, Landeshauptarchiv, Best. 701 Nr. 220, Bl. 340–369 (Kalteisen) u. Bl. 370–423 (Ulrich v. Znaim); vgl. Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 156–158. 20 Koblenz, Landeshauptarchiv, Best. 701 Nr. 220, Bl. 370–423 (Ulrich von Znaim); Koblenz, Landeshauptarchiv, Best. 701 Nr. 183, Bl. 160r–164v, 174v–176v, 188v–198r; vgl. Overgaauw, Handschriften Koblenz 2 (wie Anm. 3), S. 157–158 u. Meckelnborg, Handschriften Koblenz 1 (wie Anm. 1), S. 410 u. 420.
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Gerade wegen des Vorkommens von übereinstimmenden Wasserzeichen und Schreiberhänden in Werken, die während des Konzils von Basel entstanden sind oder verbreitet wurden, liegt es nahe, davon auszugehen, dass es während des Konzils eine Arbeitsstelle gegeben haben muss, die für die Erstellung von Kopien und für die Verteilung dieser Kopien an interessierte Konzilsteilnehmer zuständig war. Es handelt sich dabei nicht nur um Kopien von Werken der Bekämpfer der Hussiten (wie Kalteisen und seine Mitstreiter), sondern auch um Kopien der Reden der Hussiten selbst und von anderen Werken, in denen die hussitischen Positionen vertreten wurden. Die Interpretation der zahlreichen kodikologischen Angaben, die bei der Katalogisierung der Koblenzer Handschriften ermittelt wurden, steht erst am Anfang. Die beiden Bände des Katalogs jener Handschriften bieten eine Fülle von Materialien, die einer Auswertung harren. In diesem Beitrag sind nur wenige dieser Materialien verwendet worden. Im Koblenzer Bestand finden sich nicht nur Autographe Montabaurs und Kalteisens, sondern verschiedene weitere eigenhändige Handschriften von moselländischen und mittelrheinischen Autoren. Zu erwähnen sind die Bopparder Karmeliter Hermann Mesdorp und Johannes Gauwer, die Handschriften des Himmeroder Zisterziensers Johannes Siberch, die des Koblenzer Dekans Winandus de Stega, des Speyerer Weihbischofs Petrus Spitznagel und des Trierer Benediktiners Johannes Rode. Auch diese Autographen verdienen es, weiter erforscht und womöglich ediert zu werden. Die Katalogisierung der Koblenzer Handschriften bildet nur den Anfang einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit einem bedeutenden Teil des geistigen Erbes der spätmittelalterlichen Klöster am Mittelrhein.
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Zu den Eberhardsklausener Handschriften und Inkunabeln in der Stadtbibliothek Trier
Eberhardsklausen, heute amtlich Klausen genannt, liegt ca. 25 km nordöstlich von Trier und 3 km nördlich des Moselorts Piesport. Der Ort wird beherrscht von der sehenswerten Wallfahrtskirche und dem weithin sichtbaren mächtigen Kirchturm. An dieser Stelle erschien Mitte des 15. Jahrhunderts dem einfachen Mann Eberhard die Jungfrau und Muttergottes Maria. Ihr zu Ehren errichtete Eberhard zuerst einen Bildstock. Als dieser innerhalb kurzer Zeit von zahlreichen Pilgern besucht wurde, errichtete man eine Kapelle. Der Trierer Erzbischof Jakob von Sierck übernahm frühzeitig, unterstützt vom päpstlichen Legaten Nikolaus von Kues, die Kontrolle über das Geschehen an dem Ort und gründete 1456 zur Betreuung der stetig wachsenden Pilgerscharen eine Klerikergemeinschaft, die er mit Augustinerchorherren aus Böddeken in Westfalen und aus Niederwerth, einer Insel bei Vallendar im Rhein, besetzte. Diese Gemeinschaft trat 1461 der Windesheimer Kongregation bei. Wie bei den Windesheimern üblich, widmeten sich die Brüder von Eberhardsklausen neben der Betreuung der Pilger in verstärktem Maße dem Abschreiben von Texten, deren Vorlagen sie häufig aus ihren Heimatkonventen bezogen; daneben erwarben sie durch Kauf oder als Geschenke weitere handschriftliche Texte. Auch der zur gleichen Zeit aufblühenden Buchdruckerkunst waren sie nicht abgeneigt und vervollständigten ihre Bibliothek mit zahlreichen Druckwerken. Dabei vernachlässigten sie ihre Schreibertätigkeit jedoch nicht, und es ist eine durch die Zugehörigkeit zu Windesheim bedingte Eberhardsklausener Eigentümlichkeit, dass bis weit in die 30er Jahre des 16. Jahrhunderts das Abschreiben weiter gepflegt wurde. Erst nach dem Tode des langjährigen Priors Gerhard von der Lippe lässt sich ein Abnehmen dieser Tätigkeit feststellen. Nicht nur die im Hause hergestellten Handschriften, sondern auch die von auswärts stammenden, meist ungebundenen Schriften mussten in der hauseigenen Biblio thek gebunden werden, die einen charakteristischen Stil mit immer wiederkehrenden Stempelmotiven entwickelte. Dieser ist zwar ansatzweise von Schwenke-Schunke und auch jetzt wieder für Teilbereiche, auf die unten zurückzukommen sein wird, dargestellt worden, müsste jedoch einmal im Zusammenhang unter Einbeziehung aller Inkunabeln und auch jüngerer Drucke untersucht werden.
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Wie viele Handschriften und Inkunabeln und wie viele jüngere Drucke bis etwa 1540 die Eberhardsklausener Bibliothek besessen hat, ist nicht bekannt, da kein Bibliothekskatalog etwa aus der Mitte des 16. Jahrhunderts oder auch aus jüngerer Zeit existiert. Die Bibliothek jedenfalls wurde bis zum Ende des Alten Reiches in einem eigens über der Sakristei eingerichteten Raum, über den in diesem Band an anderer Stelle berichtet wird, aufbewahrt. Nach der französischen Revolution wurde im Jahre 1794 das Rheinland von französischen Truppen besetzt. Viele religiöse Institutionen versuchten ihre Zimelien, darunter Archivalien, Bücher und metallene Kostbarkeiten, über den Rhein in Sicherheit zu bringen. Aus Eberhardsklausen ist uns eine solche Aktion nicht bekannt. Anfangs konnten die Institutionen – bis auf erzwungene Kontributionen und Steuerzahlungen – ziemlich unbehelligt weiterleben, doch bereits nach wenigen Jahren schickten die Franzosen Kommissare aus, die die wertvollsten Archivalien und Litteralien für ein geplantes Nationalmuseum in Paris requirieren sollten. Im Jahre 1802 wurden die Klöster und Stifte des Rheinlandes säkularisiert, ihre Archiv- und Bibliotheksbestände wurden nochmals von dem berühmt-berüchtigten „Büchermarder“ Maugérard durchkämmt. Aus den Eberhardsklausener Beständen requirierte er 50 den Titeln nach bekannte Bände jeglichen Formats (50 volumina omnius formae). Was übrig blieb, gelangte per Dekret an die damals in Trier existierende öffentliche Bibliothek der Zentralschule, Teile davon wiederum wurden zur Bestreitung der Transportkosten verkauft.
Exkurs: Zur Öffentlichen Bibliothek in Trier Nach der Besetzung der Rheinlande lösten die Franzosen bereits im Jahre 1798 die damals nur noch vor sich hin vegetierende Trierer Universität auf. An ihrer Stelle errichteten sie, wie in den anderen rheinischen Departementshauptstädten, eine Zentralschule. Dieser Schule wiesen sie die Universitätsbibliothek zu, die erst durch die 1773 erfolgte Inkorporation der Jesuitenbibliothek zu größerer Bedeutung gelangt war. Die Schulbibliothek wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht; ihr erster Bibliothekar wurde der Direktor der Schule Johann Hugo Wyttenbach, der im Jahre 1799 mit der Inventarisierung der ihm anvertrauten Buchbestände begann, indem er in jede gebundene Bucheinheit in lateinischer Sprache den neuen Besitzer eintrug (modo bibl. Publ. Trev. 1799). Nach der Säkularisation im Jahre 1802 gelangten auf diese Art und Weise tausende Handschriften, Inkunabeln und jüngere Bücher aus sämtlichen aufgelösten Bibliotheken des gesamten Saardepartements nach Trier, dazu gehörten nicht nur die Bibliotheken der in und um die Stadt liegenden geistlichen Institutionen, sondern neben Eberhardsklausen auch Bücher aus Prüm, Steinfeld, Himmerod, Springiersbach, Tholey und Mettlach, um nur die wichtigsten zu nennen. Obschon die Archivbestän-
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de aus diesen Institutionen in staatlichem Besitz verbleiben sollten, gelangten auch etliche Urkunden, Kopiare und sonstige Archivalien in die damals einzige öffentliche Sammelstelle für Schriftgut in Trier. Im Jahre 1804 wurde die Schulbibliothek in städtische Trägerschaft überführt und fungierte seit dieser Zeit als Stadtbibliothek. In der Folgezeit musste Wyttenbach mehrfach Berichte über die unter seiner Ägide stehenden Bestände machen; aus diesen geht hervor, dass die Bibliothek mehr als 2.000 Handschriften, ebenfalls mehr als 2.000 Inkunabeln und etwa 70.000 jüngere Bücher besaß. In den folgenden Jahren kam weiteres Säkularisationsschriftgut aus den verschiedensten, teils dunklen Quellen und Kanälen hinzu, schließlich Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts das Erbe des Säkularisationssammlers Johann Peter Job Hermes, der insgesamt mehr als 30.000 Schriftstücke seiner Heimatstadt und damit der Stadtbibliothek überließ. In Eberhardsklausen war die Bibliothek des Konvents nach der Wegführung der besagten 50 Bände von zwei französischen Kommissaren inventarisiert worden. Diese schrieben in jede Handschrift, in jede Inkunabel und in nur wenige ausgewählte Postinkunabeln in charakteristischer Schrift ein N und eine bis zu vierstellige Zahl hinein. Daraufhin wurden diese Eberhardsklausener Handschriften und Inkunabeln bis auf drei – wohl übersehene – Ausnahmen nach Trier verbracht. Ob auch jüngere Bücher dabei waren, entzieht sich bislang unserer Kenntnis. Jedenfalls verblieb der jüngere Teil der Bibliothek in Eberhardsklausen, wo er erst in den letzten Jahren der Vergessenheit entrissen und so vor dem drohenden Untergang bewahrt wurde (auch dazu ein Beitrag an anderer Stelle dieses Buches). Nachdem die Bücherzahl der Öffentlichen Bibliothek im Jahre 1802 und in den Folgejahren gewaltig angeschwollen war, nahm Wyttenbach als erstes eine Ordnung der Handschriftenbestände vor. Er folgte dabei durchaus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorgänge(r)n: dem ersten Block der Bibel-Handschriften folgten die Kirchenväter-Handschriften, die Predigten, die Liturgica, die Ascetica, deutschsprachige, historische, juristische und philologische Handschriften. Diese Ordnungsarbeiten wurden in einem 1831 fertig gestellten handschriftlichen Katalog dokumentiert. Nach den Handschriften folgte die Ordnung der Inkunabeln, unter denen man dem Trend der Zeit entsprechend Bücher bis 1530 verstand. Der erste Zettelkatalog dieser Sammlung hat sich noch zu drei Vierteln erhalten. Nach dem Ausscheiden (1846) und dem Tode Wyttenbachs (1848) versank die Stadtbibliothek in eine Art Dornröschenschlaf: Zwar stand bis auf Vakanzen immer ein Bibliothekar an der Spitze des Hauses und es wurden mit den äußerst knappen Geldmitteln auch einzelne Käufe getätigt, die Bestände wurden durch weitere Schenkungen aus der Trierer Bürgerschaft vermehrt (Jahresberichte des Oberbürgermeisters), durchaus spektakuläre Fragmentfunde wurden durch auswärtige Gelehrte und heimische Forscher gemacht (Lex Salica durch Mone, zahlreiche Fragmente durch Schoemann), aber insgesamt vermochte die inzwischen wirklich bedeutende Sammlung mit dem Fortschritt des deutschen und europäischen Bibliothekssystems nicht Schritt zu halten. Hauptgrund dafür war stets die Geldknappheit des Trägers, nämlich
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der Stadt Trier, die sich über Jahrzehnte nicht in der Lage sah, die Bibliothek mit den nötigen Mitteln für Personal und Sachen (sprich: Bücher) auszustatten. Auch die Wyttenbach folgenden Bibliothekare erfüllten aus den unterschiedlichsten Gründen nicht alle in sie gesteckten Erwartungen. Erst Max Keuffer, hauptamtlicher Bibliothekar von 1890–1902, brachte die Erschließung der Handschriften entscheidend vorwärts. Nach dem von Wyttenbach vorgegebenen Schema katalogisierte er die ersten 653 Nummern von den Bibelhandschriften bis zu den Ascetica, die in vier Heften und weiteren periodischen Lieferungen zum fünften Heft im Druck erschienen. Sein Amtsnachfolger Gottfried Kentenich (1903–1934) führte diesen Katalog bis zu Heft 10 weiter, das im Jahre 1931 erschien; damit war nach seiner eigenen Einschätzung die Katalogisierung der Handschriftenbestände der Stadtbibliothek Trier abgeschlossen. Bei diesen Katalogisierungsarbeiten wurden selbstverständlich auch die aus Eberhardsklausen stammenden Handschriften beschrieben und ihre Provenienz festgehalten. Nach den gedruckten Katalogen erfolgten dann die Zusammenstellungen bei Dohms und Krämer; danach ging man von ca. 180 Eberhardsklausener Handschriften in Trier aus. Neue Erkenntnisse erbrachte eine überarbeitete Signaturenkonkordanz mit Provenienzverzeichnis unter Einschluss noch nicht im Druck katalogisierter Handschriften, die der Verfasser in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre unter tatkräftiger Mitwirkung von Dr. Konrad Koppe zusammengestellt hat. Danach besitzt die Stadtbibliothek ca. 200 Handschriften Eberhardsklausener Provenienz; nur bei wenigen von ihnen ist die Herkunft aus Eberhardsklausen nicht eindeutig. Die Eberhardsklausener Handschriften tragen nämlich zum Glück meistens mehrere Merkmale, die ihre Herkunft aus dem Chorherrenstift eindeutig klarmachen. Zum ersten haben die Chorherren einen Eigentumsvermerk, gewöhnlich auf das erste Blatt, geschrieben; zudem haben sich mehrere Konventsmitglieder, Schreiber oder Schenker von Handschriften selbst in Kolophonen oder sonstigen Mitteilungen verewigt (Pilter). Wie schon erwähnt, sind sehr viele der in Eberhardsklausen geschriebenen oder von dort erworbenen Handschriften und Inkunabeln in der konventseigenen Buchbinderei unter Verwendung von durchaus charakteristischen Materialien und Stempeln gebunden worden. Zu den Materialien gehörten dunkel gegerbtes Rindsleder für die Außendeckel und hebräische Fragmente zum Bekleben der Innendeckel. Die Verwendung der letztgenannten hebräischen Fragmente muss bei Handschriften und Inkunabeln der Stadtbibliothek Trier immer den Verdacht aufkommen lassen, dass das Stück aus Eberhardsklausen stammt; nur in wenigen Fällen können andere Argumente dagegen sprechen. Ebenfalls bereits erwähnt wurde die Inventarisierung der Bibliothek nach der Säkularisation des Stifts durch zwei französische Kommissare namens Fourier und Denis (Bushey Abb. 14). Da sie diese Inventarisierungsarbeiten aber auch in anderen religiösen Institutionen der Mittelmosel durchführten, so in Springiersbach, kann dieses Merkmal nicht alleine für Eberhardsklausen in Anspruch genommen werden. Nach der Inventarisierung erfolgte der Abtransport der übriggebliebenen Handschriften und
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Inkunabeln nach Trier. Dort sollten die Transportkosten durch den Verkauf einzelner Bände gedeckt werden, was aber nicht mehr im einzelnen nachvollziehbar ist. Die Stadtbibliothek Trier besitzt heute ca. 200 Handschriften aus Eberhardsklausen. Da sich im Laufe der Jahrzehnte die Ansprüche an die Handschriftenkatalogisierung und auch die Bereitstellung von Hilfsmitteln dazu vermehrt haben, hat sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit den 80er Jahren dazu bereit erklärt, die Neukatalogisierung der Trierer Handschriften finanziell zu unterstützen. In einem ersten Schritt wurden die deutschen Handschriften durch Betty Bushey im Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek Kassel neu beschrieben, davon stammten 16 aus Eberhardsklausen. In einem zweiten Schritt wurden die lateinischen Handschriften in Angriff genommen. Mit dieser Aufgabe wurde in der Staatsbibliothek Berlin Giuliano Staccioli betraut, der die Exemplare aus den gedruckten Katalogen 1 (Bibelhandschriften), 2 (Kirchenväter) und 5 (Asketische Handschriften) beschrieb. Leider behinderten eine schwere Erkrankung und eine Frühpensionierung die Fertigstellung dieses Projekts. Es wurde an Ort und Stelle von Kurt Heydeck zu Ende gebracht. Der Katalog mit 69 Beschreibungen von lateinischen Eberhardsklausener Handschriften ist jetzt fertig gestellt und soll noch in diesem Jahre in Druck gehen. Von den insgesamt 200 Handschriften sind jetzt 85 nach modernsten Richtlinien und Erwartungen katalogisiert. Wir hoffen inständig, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft auch die Mittel für die übriggebliebenen 115 Handschriftenbeschreibungen zur Verfügung stellen kann und wird. Den Antrag dazu werden wir jedenfalls in Kürze stellen.
Literatur Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, herausgegeben von Max Keuffer und Gottfried Kentenich, 10 Bde., 1888–1931. Hubert Schiel, Die Auflösung der Trierer Kloster- und Stiftsbibliotheken und die Entfremdung von Trierer Handschriften durch Maugerard, in: Armaria Trevirensia, Beiträge zur Trierer Bibliotheksgeschichte, Trier 1960, S. 59–81, wiederabgedruckt in: Armaria Trevirensia, 2. Aufl., ed. Gunther Franz, Wiesbaden 1985, S. 92–114. Peter Dohms, Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes Eberhardsklausen von den Anfängen bis zur Auflösung im Jahr 1802 (Rheinisches Archiv 64), Bonn 1968. Richard Laufner, Die Trierer Stadtbibliothek und ihre Bibliothekare im 19. Jahrhundert, in: Kurtrierisches Jahrbuch 10, 1970, S. 155–174, und 11, 1971, S. 112–13, wiederabgedruckt mit Ergänzungen und Berichtigungen in: Armaria Trevirensia, Beiträge zur Trierer Bibliotheksgeschichte, 2. Aufl., ed. Gunther Franz, Wiesbaden 1985, S. 127–166. Paul Hoffmann, Peter Dohms, Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 64), Düsseldorf 1988. Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband 1, Teil 1–3, Teil 3 zusammen mit Michael Bernhard), München 1989–1990.
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Reiner Nolden
Betty Bushey, Die deutschen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier bis 1600, neu beschrieben von B. C. B. (Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, Neue Folge Bd. I), Wiesbaden 1996. Reiner Nolden, Signaturenkonkordanz und Provenienzverzeichnis der mittelalterlichen Handschriften der Stadtbibliothek Trier (bis 1600). Eine vorläufige Bestandsaufnahme, Trier 1998. Jean-Claude Muller, «Faites-moi la grâce de ne pas dédaigner mon envoi»; réquisitions de manu scripts et trafic à incunables à Metz, à Luxembourg et aux pays de Trèves par Jean-Baptiste Maugérard sous le Consulat; édition de sa correspondence avec van Praet (1802–1803) et d’un inventaire complet des manuscripts d’Echternach et d’Orval réquisitionnés à Luxembourg au profit de la Bibliothèque nationale de Paris, in: Hémecht 52, 2000, S. 5–80. Martin Persch, Michael Embach, Peter Dohms, ed. 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 104), Mainz 2003. Falk Eisermann, Schreiben, Stiften, Sterben: Die Bücher des Johannes Pilter in der Bibliothek von Eberhardsklausen, in: Persch, Embach, Dohms (wie oben), S. 383– 418. Peter Dohms, Wiltrud Dohms, Klausen. Geschichte der Wallfahrt und Nachweis der Prozessionen (Schriftenreihe Ortschroniken des Trierer Landes 43), Siegburg 2005. Kurt Heydeck, Giuliano Staccioli, Die lateinischen Handschriften aus dem Augustiner-Chorherrenstift Eberhardsklausen in der Stadtbibliothek Trier (Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek Trier, Neue Folge, Bd. II, Teil 1), Wiesbaden (im Druck).
Marco Brösch1
Der historische Bibliothekssaal des Augustiner-Chorherren-Klosters Eberhardsklausen aus dem 15. Jahrhundert I. Einleitung „Für die Wirksamkeit einer Bibliothek bedeutet der architektonische Rahmen, das Gebäude, weit mehr als ein bloßes Zubehör. Erst das Gebäude und seine zweckmäßige Ausgestattung ermöglicht die Ordnung der Sammlung, erlaubt die bequeme Benutzung, verhindert die Zerstreuung und gewährleistet die Dauer.“2 So schrieb Georg Leyh im 12. Kapitel des ‚Handbuchs der Bibliothekswissenschaften‘ über die Bibliotheksräume und ihre Einrichtung. Und was Leyh allgemein für alle Bibliotheken von der Antike bis zur Neuzeit formuliert hat, gilt ebenso für die historische Bibliothek von Eberhardsklausen, die in einem Artikel von Martina Jammers im ‚Luxemburger Wort‘ vom 09. März 2006 liebevoll als die kleine Schwester der Cusanus-Bibliothek3 bezeichnet wurde und – nach einer grundlegenden Restaurierung – seit Januar 2006 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich ist.4
1 Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um die schriftliche Fassung des Vortrages, der am 29. April 2006 in der Bibliothek des Priesterseminars in Trier gehalten wurde. Eine ausführliche Ausfertigung dieses Beitrags mit allen bibliographischen Nachweisen und einer größeren Anzahl von Fotographien und Graphiken folgt in Kürze als Monographie in der Reihe ‚Klausener Studien‘, herausgegeben im Auftrag des Freundeskreises der alten Klosterbibliothek der Augustiner Chorherren in Klausen e.V. Herrn Christoph Gerhardt (Trier) sei an dieser Stelle bereits aufrichtig für die kritische Durchsicht des vorliegenden Beitrags gedankt. 2 Georg Leyh, Das Haus und seine Einrichtung, ergänzt von Gerhard Liebers. In: Handbuch der Bibliothekswissenschaft, begründet von Fritz Milkau, 2. vermehrte und verbesserte Aufl., hg. von Georg Leyh, 2. Bd.: Bibliotheksverwaltung, bearbeitet von Arthur C. Breycha-Vauthier, u. a., Wiesbaden 1961, S. 845. 3 Martina Jammers, ‚Nicht nutzlos ist das steinige Schiefergebröckel.‘ Weder Trauben noch Menschentrauben, die Mittelmosel, ein Wintermärchen. In: Luxemburger Wort, 09. März 2006, S. 3f. 4 Zur Restauration vgl. Brigitta Enders, Kaiser, Papst und Heilige wachen über den Büchern. Die ehemalige Klosterbibliothek von Klausen. In: Baudenkmäler in Rheinland-Pfalz 59, 2004,
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Das ehemalige Kloster Eberhardsklausen (heute: Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung Klausen, Kreis Bernkastel-Wittlich)5 (Abb. 1) gehörte zu den Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation und war dementsprechend von der geistlichen Bewegung der ‚Devotio Moderna‘ geprägt; also jener niederländischen Reformbewegung, die sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts um Gert Grote formierte, und sich vor allem im 15. Jahrhundert in Deutschland ausbreitete. Die Wurzeln der Bewegung liegen zum einen in der rheinischen und brabantischen Mystik und zum anderen in der Spiritualität der Kartäuser. Grote selbst formulierte bereits in seiner Schrift ‚Conclusa et proposita, non vota‘6 einige Grundgedanken, die für alle späteren Zweige der Bewegung, d. h. vor allem für die Laiengemeinschaften der Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben und die Augustiner-Chorherren und -Chorfrauen der Windesheimer Kongregation ihre Gültigkeit hatten. Zu diesen Grundgedanken gehörte die Abkehr vom weltlichen Leben, eine klosterähnliche Lebensführung nach dem Vorbild der urchristlichen ‚vita communis‘, die Rückkehr zu einer inneren Spiritualität, eine konkrete Frömmigkeit in der Nachfolge Christi, die sich durch Armut, Demut und Askese auszeichnete und besonders das Studium geistlicher Bücher, d. h. vor allem biblischer, patristischer und asketisch-erbaulicher Schriften7. Der Konvent von Eberhardsklausen wurde vermutlich aufgrund einer Empfehlung von Kardinal Nikolaus von Kues nach ersten Verhandlungen unter dem Trierer Erzbischof Jakob von Sierck (1439–1456), nach dessen Tod durch die Vermittlungen des Trierer Domkapitels, der Ministerialen von Esch und mit Zustimmung des neuen Trierer Erzbischofs Johann II. von Baden (1456 –1503) in der Zeit zwischen 1456
S. 61– 63 und Barbara Dilger, Die spätgotischen Wandmalereien in der ehemaligen Klosterbibliothek der Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung in Klausen. Untersuchung und Erstellung eines Konservierungskonzeptes, Diplomarbeit am Fachbereich Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut der Fachhochschule Köln 1998 (ungedruckte Diplom arbeit). 5 Grundlegend zur Geschichte des Klosters Eberhardsklausen: Peter Dohms, Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes Eberhardsklausen an der Mosel von den Anfängen bis zur Auflösung des Klosters im Jahre 1802, Bonn 1964 (Rheinisches Archiv, Bd. 64); ders., Eberhardsklausen. Kloster, Kirche, Wallfahrt – von den Anfängen bis zur Gegenwart, Trier 1985, S. 91–115; Michael Persch, Michael Embach und Peter Dohms (Hgg.), 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, Mainz 2003 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte; Bd. 104) und Michael Embach, Die Eremitage von Eberhardsklausen und ihre Verbindung mit dem Augustinerchorherrenstift. Personen- und bibliotheksgeschichtliche Befunde. In: Annales de l’Est 53, 2003, S. 33– 61. 6 Gert Grote, Conclusa et proposita, non vota. In: Thomas Hemerken a Kempis, Opera omnia, hg. von Michael Joseph Pohl, Bd. 7, Freiburg im Breisgau 1922, S. 87–97. 7 Vgl. Wilhelm Kohl, Die Windesheimer Kongregation. In: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmittelalterlichen Ordenswesen, hg. von Kaspar Elm, Berlin 1989 (Berliner historische Studien, Bd. 14; Ordensstudien, Bd. VI), S. 85.
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und 1461 von Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation aus den Klö stern Böddeken bei Paderborn und Niederwerth bei Koblenz eingerichtet. Die Hauptaufgaben des neuen Augustinerklosters lagen vor allem darin, den um 1440 von einem frommen Tagelöhner namens Eberhard ins Leben gerufenen Marienwallfahrtsort zu betreuen, seine ehemalige Einsiedelei zu übernehmen – daher der Name Eberhardsklausen – und die Ordens- und Kirchenreform im Bistum Trier voranzubringen.8 Aufgrund großzügiger Stiftungen und den Einnahmen aus dem Wallfahrtsbetrieb blühte das Augustiner-Chorherren-Stift auf, was wiederum ab den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts bis 1502 zu einer regen Bautätigkeit und der Errichtung der heutigen spätgotischen Wallfahrtskirche, des Kreuzgangs und weiterer Klostergebäude führte.9
II. Die Lage des Bibliotheksraumes im Klosterkomplex Hinsichtlich der Klosterbibliothek (Abb. 2) war vor allem das Priorat Gerhards von Lippe (1483–1527) von großer Bedeutung, da unter ihm in den Jahren zwischen 1483 und 1491 – an den östlichen Kreuzgang mit einem direkten Durchgang zu Chorraum und Hochaltar – die heutige Sakristei erbaut wurde, in deren Obergeschoss man die Bibliothek des Konvents einrichtete (Abb. 3). Vor allem zur Cusanus-Bibliothek im zwischen 1451 und 1458 errichteten St. Nikolaus-Hospital in BernkastelKues finden sich viele architektonische bzw. bauliche Parallelen, wie z. B. die Lage der Bibliothek im Ostflügel des Hospitals und über der Sakristei, allerdings nördlich und nicht südlich vom Chorraum der dortigen Kapelle. Darüber hinaus gab es ebenso viele Berührungspunkte des St. Nikolaus-Hospitals mit der niederländischen ‚De votio Moderna‘, wie z. B. die Verpflichtung der Hospitalsbewohner, die graue Kleidung des Laienzweiges der Windesheimer Regularkanoniker zu tragen und sich in Bezug auf die Essens-, Schlafens- und Gebetszeiten deren Lebensweise anzupassen. Neben den Kartäusern vom Beatusberg in Koblenz wurden außerdem auch die Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation aus Niederwerth als Visita-
8 Hans-Joachim Schmidt, Die Trierer Erzbischöfe und die Reform von Kloster und Stift im 15. Jahrhundert. In: Elm, Reformbemühungen, 1989 (wie Anm. 7), S. 470–501, bes. S. 487– 492. 9 Zur Baugeschichte und zu den kunsthistorischen Schätzen von Eberhardsklausen, vgl. Bernd Altmann, Die spätgotische Wallfahrts- und Klosterkirche St. Maria in Klausen / Südeifel, Trier 1987 (ungedruckte Magisterarbeit); Winfried Weber, Klausen. Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung. Baugeschichtliche Untersuchungen. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 55, 2003, S. 525–531; ders., Baugeschichtliche Untersuchungen an der Wallfahrtskirche St. Maria in Klausen. In: Persch, Embach, Dohms (Hgg.), 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, 2003 (wie Anm. 5), S. 187– 215, sowie Barbara Daentler, Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Maria. In: Persch, Embach, Dohms (Hgg.), 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, 2003 (wie Anm. 5), S. 161–185.
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toren des Hospitals eingesetzt, eine Aufgabe, die dem Eberhardsklausener Kloster nach der Auflösung des Niederwerther Konventes 1583 übertragen wurde.10 Ansonsten erinnert die Architektur des Hospitals ebenso an eine Klosteranlage der Kartäuser mit zwei Innenhöfen und der Trennung der Gemeinschafts- bzw. Konventsräume von Kreuzgang und Klosterzellen. In Kues stehen die Zellen der Bewohner ebenfalls in einer gewissen Distanz zum Küchen- und Konventstrakt und ebenso zur Wohnung des Rektors. Dies hat natürlich Konsequenzen für den Bibliotheksraum, der entweder über eine Wendeltreppe aus der darunter liegenden Sakristei oder seit dem Anbau des östlichen Moselflügels im 18. Jahrhundert durch die Privatwohnung des Rektors zugänglich war. Die Bewohner des Hospitals hatten keinen direkten Zugang zur Bibliothek, die vermutlich erst 1493/1494 von Rektor Peter Wymar von Erkelenz, dem einstigen Privatsekretär des Nikolaus von Kues, in Gedenken an den Spitalsstifter und vermutlich nach dem Vorbild der bereits 1491 errichteten Bibliothek von Eberhardsklausen in Auftrag gegeben wurde.11 Im Unterschied zur CusanusBibliothek, die ab dem 18. Jahrhundert auch als Privatkapelle der Hospitalsrektoren genutzt wurde, konnte die Klausener Bibliothek allerdings nicht von der darunter liegenden Sakristei betreten werden, sondern vom Obergeschoss des ehemaligen Kreuzgangs aus, wo sich die Klosterzellen der Kanoniker befinden bzw. befunden haben. Heute ist allerdings nur noch der parallel zur Kirche verlaufende Nordflügel des ehemaligen Kreuzgangs erhalten, der noch als Andachts- und Beichtkapelle (heute: Theresien-Kapelle) genutzt wird und in dessen Obergeschoss, dem Vorraum zur Bibliothek, sich heute noch vier alte Klosterzellen befinden. Alle Klausener Chorherren hatten somit von ihrer Zelle aus direkten Zugang zur Bibliothek. Dies liegt nahe, wenn man sich u. a. die Klausener Klosterchronik aus der Feder Wilhelms von Bernkastel näher betrachtet, in der es heißt: ‚opus cellae, hoc est scribere‘, d. h. die Aufgabe in der Zelle ist das Schreiben.12 Anders als die Bewohner des Hospitals hatten die Augustiner-Chorherren täglich die Verpflichtung, bis zu vier Stunden Codices abzuschreiben. Ein eigenes Skriptorium gab es also nicht, die Schreibarbeiten wurden
10 Jacob Marx, Geschichte des Armen-Hospitals zum h. Nikolaus zu Cues, Trier 1907 (Nachdruck Bernkastel-Kues 1976), S. 127. 11 Meike Hensel, Überlegungen zur Datierung des Passionsaltars im St. Nikolaus-Hospital. In: Horizonte. Nikolaus von Kues in seiner Welt. Eine Ausstellung zur 600. Wiederkehr seines Geburtstages. Katalog zur Ausstellung im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums Trier und im St. Nikolaus-Hospital in Bernkastel-Kues, 19. Mai bis 30. September 2001, Trier 2001, S. 215–217. 12 Vgl. Wilhelm von Bernkastel († 1536), Klosterchronik von Eberhardsklausen, Trier: Stadtbibliothek, Hs. 1684/337, Bl. 302r, zitiert nach Max Keuffer, Die Kirchenväter-Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier. No. 113 bis 214 des Handschriften-Katalogs, Trier 1891 (Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, 2. Heft), S. VII–VIII und Dohms, Geschichte, 1968 (wie Anm. 5), S. 74.
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in der Zelle verrichtet und die Bücher direkt in der Bibliothek von den Chorherren ausgeliehen. Sowohl die Bibliotheken in Klausen als auch in Kues befinden sich – wie bereits erwähnt – im Ostflügel der Anlage und im Obergeschoss der Sakristei, was einer sehr traditionellen Bauweise entspricht, wie man sie schon seit dem frühen Mittelalter für viele Klosteranlagen kennt und die noch auf die ursprüngliche Verwendung der Bücher in Klöstern hinweist. So wurden die Bücher bereits in den ersten Benediktinerkonventen, vor allem für die Tischlesung im Refektorium, die schulische Ausbildung, die seelsorgerische und missionarische Tätigkeit und ganz besonders für den täglichen Gottesdienst, gebraucht. Gerade die Verwendung in der Messfeier zeigt, dass das Buch als liturgischer Gegenstand betrachtet wurde, ähnlich dem Kelch und den Messgewändern und gleichsam wie diese zum Klosterschatz gehörte. Es lag daher nahe, die Bücher in unmittelbarer Nähe zum Chor- bzw. Altarraum und zur Sakristei, der Schatzkammer des Klosters, unterzubringen, wo man sie – zumindest teilweise – für die tägliche Messe benötigte. Aufbewahrt wurden die Bücher zunächst in speziellen Wandschränken, den ‚Armarien‘, die sich meist in einer Nische zwischen Kirche, Kreuzgang, Sakristei und Konventsaal befanden. Mit dem Anwachsen der Buchbestände eines Konventes und wahrscheinlich noch vor dem Einrichten eigener Bibliotheksräume wurden die Schriften aufgeteilt und an den Gebrauchsorten bzw. in besonders repräsentativen, geschützten oder kultischen Räumen in ähnlichen Schränken aufgestellt, z. B. im Konventssaal, im Refektorium, im Skriptorium, im Infirmarium (Krankensaal) oder in einer Kapelle.13 Es sind also jene Räume bzw. in der Regel die darüber liegenden Räumlichkeiten, in denen sich typischerweise das ganze Mittelalter hindurch immer wieder die Klosterbibliotheken lokalisieren lassen. Die Unterbringung im Obergeschoss und nicht in den Räumen selbst diente dem Schutz der Bücher vor Feuchtigkeit und Moder, aber auch der Sicherung vor Diebstahl. Selbst die häufige Ausrichtung nach Osten – wie im Falle von Klausen und Kues – ist kein Zufall, sondern orientiert sich zunächst an der Ostausrichtung des Chorraums bzw. des Altares, also an der Richtung, aus der der auferstehende Christus am Jüngsten Gericht zu erwarten ist. Das Bücherstudium wurde also keineswegs zum Selbstzweck betrieben, sondern diente einzig und allein der Verehrung Gottes bzw. Christi und zur Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod. Unabhängig davon gibt es seit der Antike aber auch entsprechende konkrete bauliche Empfehlungen. So schreibt bereits der römische Architektur-Theoretiker Marcus Vitruvius in seinem Werk ‚Decem libri architecturae‘ (6. Buch, 4. Kapitel): […] Bibliotheken müssen gegen Osten gerichtet sein, denn ihre Benutzung erfordert die Morgensonne, und ferner modern dann in den Bibliotheken die Bücher nicht. In Räumen nämlich, die
13 Vgl. Edgar Lehmann, Die Bibliotheksräume der deutschen Klöster im Mittelalter, Berlin 1957 (Schriften zur Kunstgeschichte, Heft 2), S. 2–3.
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nach Süden und Westen liegen, werden die Bücher von Bücherwurm und Feuchtigkeit beschädigt, weil die von dort ankommenden feuchten Winde Bücherwürmer hervorbringen und ihre Fortpflanzung begünstigen, und dadurch, daß sie ihren feuchten Hauch (in die Bücher) eindringen lassen, durch Schimmel die Bücher verderben.14
III. Der Klausener Bibliotheksraum und seine Ausmalung Kommen wir nun zum Klausener Bibliotheksraum selbst,15 der mit 7,58 × 7,82 m und einer Scheitelhöhe von 4,90 m fast quadratisch ist und genau wie die Cusanus-Bibliothek (Größe: 8 × 6,5 m, Scheitelhöhe 4,65 m) nur eine Mittelsäule aufweist, auf der die vier Kreuzgewölbejoche mit einfachsten, in die Säule wie in die Wände verlaufenden Rippenprofilen ruhen. Diese Mittelstütze steht allerdings nicht genau im Zentrum des Raumes, sondern wurde leicht seitlich verschoben, anlog zu einem der beiden Ostfenster, das einem Chorstrebepfeiler ausweichen musste.16 Als letzte Gemeinsamkeit beider Bibliotheksräume in Kues und Klausen ist festzuhalten, dass es sich dabei um sogenannte ‚Magazin-‘ bzw. ‚Schatzkammerbibliotheken‘ handelt, was eben auch die relativ geringe, quadratische Größe nahe legt; d. h. also, die Räume dienten ursprünglich nur zum Aufbewahren der Bücher bzw. im Fall der CusanusBibliothek später als Privatkapelle des Rektors. Die Bände wurden – zumindest in Eberhardsklausen – entlang der Wände aufgestellt, was aufgrund der nicht abgenutzten rötlichen Bodenoberfläche deutlich erkennbar ist und zwar vermutlich in Bücherkästen oder Bücherschränken.
14 Vgl. Übersetzung zitiert nach Vitruvius, De architectura libri decem / Zehn Bücher über Architektur, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Curt Fensterbusch, Darmstadt 1964, S. 280f. und auch Wolfram Hoepfner: Bibliotheken in Wohnhäusern und Palästen. In: Antike Bibliotheken, hg. von Wolfram Hoepfner, Mainz 2002 (Antike Welt; Sonderband; Zaberns Bildbände zur Archäologie), S. 90. 15 Zur Beschreibung des Bibliotheksraums vgl. Paul Clemen, Die gotischen Monumentalmale reien der Rheinlande, Düsseldorf 1930, Text- und Tafelband (Publikation der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde, Bd. 41), Bd.1: S. 434–436 und Bd. 2: Tafel 100–102; Ernst Wackenroder, Die Kunstdenkmäler des Kreises Wittlich, Düsseldorf 1934 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bd. 12, 4), S. 65 und 81f. und Susanne Kern, ‚Nicht zu leerem Ruhm, sondern zu Deiner Erbauung.‘ Die Ausmalung der Bibliothek des ehemaligen Augustinerchorherrenklosters in Klausen. Mit einer Edition der Inschriften von Sebastian Scholz. In: Kurtrierisches Jahrbuch 46, 2006, S. 127–158. 16 Edgar Lehmann, Die Bibliothekräume, (wie Anm. 13), S. 33.
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a) Der Estrichboden der Bibliothek Eine Besonderheit, die sich nur in Klausen findet, ist der dreischichtige, originale Estrichboden der Bibliothek aus dem 15. Jahrhundert, der auf einer lockeren Aufschüttung von Bauschutt aufgetragen wurde. Der Fußboden besteht dementsprechend aus einer 100 mm dicken, lehmigen Tragschicht, einer 50 mm dicken Estrichschicht, zusammengesetzt aus groben, stark variierenden Zuschlägen mit hohem Schieferanteil und einer dünnen, rötlich-braunen Mörtelschicht an der Oberfläche. Von dieser Oberflächenbeschichtung, die vermutlich durch eine bestimmte Behandlung (Schleifen) einen schimmernden Glanz erhielt, sind allerdings nur noch 10 % erhalten, nämlich um die Mittelsäule und an den Wänden, dort, wo ursprünglich Bücherregale bzw. -schränke aufgestellt waren. Der Rest der Oberfläche wurde weitestgehend durch Abnutzung abgetragen.17 Die große Besonderheit dieses Bibliotheksbodens liegt darin, dass offenbar noch im Spätmittelalter in Eberhardsklausen bestimmte antike Bautechniken (‚Opus caementitium‘ oder ‚Opus signinum‘) für die Herstellung des schmuck losen, roten Estrich- bzw. Betonbodens angewandt wurden, weshalb man bei der jüngsten Restaurierung aus konservatorischen Gründen den größten Teil des Bibliotheksbodens zu dessen Schutz mit einem hölzernen Steg überbaut hat.18 Der Vorteil solcher antiken bzw. mittelalterlichen Estrichböden im Vergleich zu unserem modernen Beton lag darin, dass er vermutlich die Feuchtigkeit besser binden konnte, wodurch den klösterlichen Buchbeständen ein gewisser zusätzlicher Schutz zuteil wurde.
17 Zur genauen Zusammenstellung des Bodens, vgl. Ferdinand Lawen, Restaurierungsbericht Pfarrund Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung in Klausen. Innenraum der ehemaligen Klosterbibliothek, Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an den Gewölbe- und Wandmalereien, der Farbfassung und dem Estrich-Fußboden 2002 bis 2004, 2 Ordner, Briedel 2005 (ungedruckt; Bericht im Archiv des LADS Mainz und im Pfarrarchiv der Gemeinde Klausen), S. 89. 18 Für diesen Hinweis möchte ich Frau Brigitta Enders vom Landesamt für Denkmalpflege in Mainz (Mail vom 10. April 2006) herzlich Dank sagen; zur allgemeinen Herstellung antiker Böden vgl. Heinz-Otto Lamprecht, Opus caementitium. Bautechnik der Römer, 2. durchgesehene Auflage, Düsseldorf 1984; Michael Donderer, Die antiken Pavimenttypen und ihre Benennungen. In: Jahrbuch des deutschen archäologischen Instituts 102, 1987, S. 365–377; HeinzOtto Lamprecht, Opus caementitium. In: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 8, Stuttgart / Weimar 2000, Sp. 1274–1276; Aliki Maria Panayides, Pavimentum: Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, hg. von Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Bd. 9, Stuttgart / Weimar 2000, Sp. 452– 453; zu mittelalterlichen Estrichböden vgl. Günther Binding, Estrich. In: LexMa 4, 1989, Sp. 44; eine genauere baugeschichtliche bzw. archäologische Abhandlung zum Klausener Estrichboden liegt nach meiner Kenntnis bislang allerdings noch nicht vor.
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b) Die Malereien an den Bibliothekswänden von Klausen Die wahrscheinlich interessanteste Eigentümlichkeit der Klausener Klosterbibliothek sind die Seccomalereien in den sechs Spitzbogenfeldern der Wandnischen mit 19 Darstellungen von Propheten, Heiligen, Kirchenvätern und anderen kirchengeschichtlichen Persönlichkeiten.19 Über den Künstler gibt es in den Quellen allerdings keinerlei Angaben, ebenso wenig über das Datum, wann die Malereien angefertigt wurden. Die Renaissancekleidung der dargestellten Personen scheint aber auf die erste Dekade des 16. Jahrhunderts hinzuweisen. Jeweils drei und einmal vier Figuren bilden eine Gruppe, die durch den besonders zusammengestellten Inhalt der sie umgebenden lateinischen Spruchbänder in sinnvolle Beziehung zueinander, zum Raum als Bibliothek und zum Generalthema des Lesens gesetzt sind. Aufgrund der starken Verwitterung sind diese Spruchbänder heute nicht mehr lesbar, allerdings gibt es noch Zeichnungen, die anlässlich der Instandsetzungsmaßnahmen um 1910 im Auftrag der Provinzialkommission für die Denkmalpflege im Rheinland von Hans Josef Becker (Bonn) angefertigt und 1930 in den ‚Gotischen Monumentalmalereien‘ von Paul Clemen veröffentlicht wurden.20 Auf dem ersten Feld der Nordwand befindet sich die Darstellung von Moses als Prophet, der entsprechend der ikonographischen Tradition mit Hörnern und den Gesetzestafeln abgebildet ist. Das Spruchband, das ihn umgibt, enthält ein Zitat aus dem Buch Deuteronomium, 8,3: [Non in solo pane vivat] homo, [sed] in [o]mni verbo q(uo)d egredi[tur d]e ore d(omi)ni, deuteronomi(um) VIII (Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund des Herren hervorgeht).21 Daneben steht König David in reicher bürgerlicher Tracht mit Zepter und Harfe, umgeben von einer Textpassage aus dem 118. bzw. 119. Psalm, Vers 1–2: eati in maculati in via qui ambula(n)t [in] lege d(omi)ni, bea[ti qui scrutantur]
19 Barbara Daentler, Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Maria. In: Persch, Embach, Dohms (Hgg.), 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen (wie Anm. 5), S. 181–184. 20 Vgl. Clemen, Monumentalmalereien, 1930 (wie Anm. 15), Tafelband, Tafel 100–102. Eine erste Gesamttranskription sowie eine Übersetzung und eine Identifizierung der Spruchbänder, an denen sich die folgenden Transkriptionen anlehnen, finden sich in: Kern, Scholz, Ausmalung, 2006 (wie Anm. 15), S. 139–144. Die Originale der Bilder befinden sich heute im Landesamt für Denkmalpflege in Rheinland-Pfalz (Mainz), Planarchiv, unter der Inv.-Nr 1322– 1328 (Inv.-Nr. Denkmälerarchiv der Rheinprovinz: 20 416–20 422). 21 Die lateinischen Zitate werden mit allen Fehlern nach den Zeichnungen Beckers abgedruckt. Dabei werden konjekturale Zusätze in spitzen Klammern < >, Ergänzungen von mechanischen Textverlusten in eckigen Klammern [ ] und aufgelöste lateinische Kürzel in runden Klammern ( ) wiedergegeben. Ein genauer Nachweis der Quellen erfolgt in der bereits in Anm. 1 angekündigten ausführlichen Monographie. An dieser Stelle sei Herrn Niels Bohnert (Trier) und den Patres Adalbert Sprinkmeier O. P. und Heribert Hansen (beide Klausen) hier bereits herzlich Dank gesagt.
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testi(m)onia eius in toto corde requiru(n)t eu(m). p(salmu)s CXVIII. (Wohl denen, deren Weg ohne Tadel ist, die leben nach der Weisung des Herrn. Wohl denen, die seine Vorschriften befolgen und ihn suchen von ganzem Herzen.) Den Abschluss dieser ersten Triade bildet der Evangelist Johannes mit dem Evangelistensymbol des Adlers und einem Giftbecher in der Hand, aus dem Schlangen oder Eidechsen hervorkriechen. Das entsprechende Schriftband ist allerdings nicht mehr lesbar. Im zweiten Feld der Nordwand folgt eine Abbildung eines Kaisers (Imperator) mit Reichskrone, Zepter und Reichsapfel, der von einem Zitat aus den ‚Etymologiae‘ Isidors von Sevilla (Lib II, Cap. X,5 bzw. Lib V, Cap. XX) umgeben wird: […] facte su[nt autem leges ut earum metu humana audacia c]oherceat[ur], tutaq(ue) sit [inter inprobos innocen]tia et in ip(s)is i(n)p(ro)bis formid[a]to supplicio refrenetur noce(n)di facultas. (Gesetze wurden also gemacht, damit aus Furcht vor diesen die menschliche Vermessenheit in Zaum gehalten und inmitten der Laster die Unschuld geschützt wird. Und bei den Lasterhaften selbst soll aus Furcht vor Bestrafung, die Veranlagung Verbrechen zu begehen gezügelt werden.) Neben dem Kaiser findet sich die Abbildung des Papstes (Papa) mit Tiara und Doppelkreuz und einem Zitat, das zumindest zum Teil aus dem Markuskommentar von Beda Venerabilis (‚In Marci evangelium expositio‘; Lib. IV, Cap. XIV, 11) zu stammen scheint: [Q]ui caritatis et veritatis iussa spernu(n)t, deu(m) [utique, qui c]aritas (?) e[t] ve[ritas] est [---] ecclesiasticam tra[--]to at nat..a(m). (Wer die Gebote der Liebe und der Wahrheit verachtet, verrät ebenso Gott, der die Liebe und die Wahrheit ist […]) Bei der letzten Figur der nördlichen Wand handelt es sich um Thomas von Aquin, dessen Dominikanerhabit mit schwarzem Mantelumhang, allerdings fälschlicherweise mit Skapulier, also einem tuchartigen Überwurf über Brust und Rücken, ausgestattet wurde.22 Dieser Abschnitt wurde besonders stark beschädigt, so dass das Schriftband bis auf das Wortfragment occul[us] nicht mehr zu entziffern ist. Die Bildserie der Kirchenväter auf der gegenüberliegenden Südseite beginnt zunächst mit Augustinus im Bischofsornat mit goldbrokatenem Chormantel über der Alba und einem brennenden Herzen in der Hand; umgeben von einem Zitat aus seinem Werk ‚De opere monachorum liber unus‘ (Lib. I, XVII, 20): ue est ista p(er)uersitas lec(tio)ni nolle obte(m)p(er)are, du(m) vult et vaca(r)e et du(m) id q(uo)d bonu(m) est diuci(us) legat(ur) (Was ist das für ein Widersinn, wenn einer der Lesung nicht gehorchen will, für die er doch aufnahmebereit sein möchte, und wenn er, um länger vorgelesen zu bekommen, was das Gute ist, nicht das, was vorgelesen wird, in die Tat umsetzen will?). Daneben steht Papst Gregor der Große im Papstornat mit einem Zitat aus seinem 52. Brief (heute: II, 44) ‚Ad Natalem episcopum‘: [---] ad n(ost)ra(m) (con)solac(i)o(n)em sc(ri)ptu(r)a sacra p(ar)ata est ta(n)to magis debem(us) in ea lect(ion)e(?) qu(an)to nos co(n)spicim(us) cotidie tribulacio(n)ib(us) subiacere. ([…] die heilige Schrift ist zu unserem Trost eingerichtet worden und wir 22 Für den Hinweis sei Pater Adalbert Sprinkmeier O. P. (Klausen) herzlich gedankt.
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müssen um so mehr in ihr lesen, je mehr wir erkennen, dass wir täglich Drangsalen unterworfen sind.) Abschließend folgt noch Hieronymus traditionell im roten Kardinalsgewand, ebenfalls mit einem Briefzitat aus dem 107. Brief ‚Ad Laetam‘ und zwar: racioni lectio l(e)c(t)ioni succedat oracio et breue videbit(ur) omne te(m)pus q(uo)d tantis dieru(m) varietatib(us) occupat(ur). (Dem Gebet soll die Lesung folgen, der Lesung das Gebet und die Zeit, die mit so verschiedenen Werken ausgefüllt wird, wird kurz erscheinen.) Im zweiten südlichen Feld (Abb. 4) wird dann der Kreis der westlichen Kirchenväter mit Ambrosius und einem Zitat aus seinem Werk ‚De officiis ministrorum‘ (Lib. I, Caput XLIV, 215) geschlossen: nusquisq(ue) su(u)m ingeniu(m) nouerit et ad id se applicet lege(n)du(m) ad q(uo)d se magis viderit apta(!). (Jeder soll seine Begabung kennen und sich der Lektüre widmen, für die er sich mehr geeignet sieht.) Ihm folgt dann – als Vertreter der östlichen Kirchen – Johannes Chrysostomus, wie Ambrosius im Bischofsgewand und mit einem noch nicht identifizierten Zitat, vermutlich aus einer lateinischen Übersetzung seiner Predigten: [---] est q(uo)d san(c)ta eloquia dei legere sed secu(n)du(m) eloquia dei viue[re]. ([…] die heiligen Worte Gottes zu lesen, sondern gemäß der Worte Gottes zu leben.) Das südliche Spitzbogenfeld schließt dann mit dem Abt Bernhard von Clairvaux mit Abtsstab und einem Buch in der linken Hand. Das Band, das ihn umgibt, enthält einen Ausspruch aus den ‚Sermones in Cantica Canticorum‘ (Sermo 14,8), der da lautet: Quid p(ro)dest tota die saluatoris nome(n) (et) volu(n)tatem in codicib(us) legere et putati(!) [=pietate(m)] in [---] [mo]rib(us) [non] habe[re]. (Was nützt es, den ganzen Tag den Namen des Erlösers und seine Gebote in den Büchern zu lesen, aber keine Frömmigkeit im Verhalten zu zeigen?) Auf der angrenzenden westlichen Wand folgt zunächst eine Abbildung Johannes Gersons mit dem Birett und der Kleidung eines Weltgeistlichen und vermutlich ebenfalls einem Zitat aus seinem Werk, was aber – wie fast alle Schriftbänder der Westwand – noch nicht eindeutig identifiziert werden konnte: [---] ad deuoc(i)o(n)e(m) optine(n)da(m) maxi(m)e valet sacra sc(ri)ptura et s(an)c(t)o(rum) exe(m)pla lecta deuote (et) audita sedule recogitata. ([…] um Demut zu erlangen, ist es am besten, über die heilige Schrift und die Vorbilder der Heiligen nachzudenken, nachdem man sie demütig gelesen und aufmerksam gehört hat.) Neben ihm stehen die beiden Ordensgründer Dominikus im weißen Habit, schwarzem Mantel und wie Thomas von Aquin irrtümlich mit Skapulier ausgestattet und Franziskus im braunen Habit, die beide zusammen in einem Buch lesen, wobei vermutlich Franziskus mit dem folgenden Zitat umgebeben wird: te[..]us simul (et) nullus aduersar(ium[!]) p(re)ualebit qui exe(m)plo (et) doct(ri)na q(ue)rem(us) gl(ori)a(m) dei (et) p(ro)ximi salute(m). ([…] zugleich und kein Feind wird uns besiegen, die wir gemäß dem Vorbild und der Lehre nach der Ehre Gottes und dem Heil des Nächsten streben.) Als Abschluss dieses ersten westlichen Feldes folgt noch Nikolaus von Tolentino, ein italienischer Augustinereremit aus dem 13. Jahrhundert, der vermutlich im schwarzen Ordenskleid eine Lilie oder einen Stern in der Hand hält, was allerdings nicht mehr genau
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zu erkennen ist. Das ihm zugeordnete Schriftband enthält den folgenden Text: In om(n)i studio n(ost)ro (et) doct(ri)na q(ue)ram(us) gl(ori)a(m) dei n(ost)r(um) in p(er)fectu(m) (et) p(ro)ximo(rum) edificatione(m). (In all unseren Bemühungen und durch die Lehre wollen wir danach streben, Gott zu rühmen, um uns zu vervollkommnen und unsere Nächsten zu erbauen.) Die Zitate dieses Feldes stammen vermutlich aus Heiligenviten und sind dementsprechend besonders schwer nachzuweisen. Auf dem letzten Bildfeld (Abb. 5) findet sich dann ungewöhnlicherweise zunächst Josephus Historiographicus, also der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus, in dozierender Haltung mit orientalischem Phantasiegewand dargestellt, der vermutlich von einer freien lateinischen Übersetzung seiner ursprünglichen griechischen ‚Antiquitates Iudaicae‘ (Lib. I,14) umgeben wird: [---] et(?) sit inte(n)cio legenciu(m) historias ut se hos(!) que narra[(n)tur] per scie(n)ciam discant et docea(n)t se et ho(m)i(n)es bene co(n)versa(r)i(?) vnde a d(om)i(n)o spere(n)t et beatitudine(m) consequa(n)tur. ([…] und die Absicht derjenigen, die die Geschichtswerke lesen, soll sein, dass sie die Dinge, die darin erzählt werden, durch das Studium lernen sowie sich selbst zu belehren und dass die Menschen sich zum Guten wenden, so dass sie auf Gott hoffen und die Seligkeit erlangen.) Neben ihm schwebt über der Tür auf einer Mondsichel Maria als apokalyptische Frau in einer ursprünglich roten, nun oxidierten und schwarz erscheinenden Mandorla, also einem Strahlenkranz, mit dem Christuskind auf dem Arm. Das ehemals begleitende Schriftband zeichnete sie u. a. als fons sapientie (Quelle der Weisheit) und thesauru(m) omnis gracie (Schatz aller Gnade) aus. Die letzte Figur, die sich über einem ‚armarium‘, also einem in die Wand eingelassenen Bücherschrank, befindet, stellt als Sinnbild für die ehemaligen Benutzer der Bibliothek einen Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation dar, der im weißen Chorgewand (Albe bzw. Rochette) mit dunklem ‚almucium‘ (Schulterumhang aus Pelz), ein aufgeschlagenes Buch in der rechten Hand hält und dem die folgende Inschrift beigegeben wurde: F(ra)tres p(ru)dentissimi in om(n)i studio n(ost)ro q(u)i seq(ue)mur a(ni)mo(--) [---] studi dice(n)tis [---] dicentis ve[---] (Brüder, die wir als Klügste in unserem ganzen Eifer […] folgen werden […].), während sich die linke auf eine rotumrandete Tafel neben ihm stützt, die eine längere belehrende Textpassage über die rechte Wissenschaft enthält; wiederum aus den Hoheliedpredigten Bernhards von Clairvaux (Sermo 36,3): scie(n)di est vt scias qua(!) ordine quo studio q() fine q(ue)q(ue) sci(r)e oporteat. Quo ordi(n)e ut id p(ri)us q(uo)d maturius ad salute(m). Quo studio ut in(!) arde(n)cius q(uo)d veheme(n)ci(us) ad amore(m). Quo fine vt no(n) ad i(n)anem gl(ori)am aut curiositate(m) aut aliq(uid) si(mi)le sed ta(n)tu(m) ad edificat(i)o(n)em suam(!) vel p(ro)ximi. (Die (richtige) Art des Wissens bedeutet, dass du weißt, in welcher Ordnung, mit welchem Interesse und welchem Ziel man alles wissen soll. In welcher Ordnung: nämlich das früher zu erkennen, was für das Heil dringlicher ist; mit welchem Interesse: nämlich das brennender was für die Liebe leidenschaftlicher ist; und mit welchem Ziel: nämlich nicht aus eitler Ruhmsucht, Neugier oder einem ähnlichen Motiv, sondern nur, um sich oder den Nächsten zu belehren.) Eine letzte, sehr schlecht lesbare Schrifttafel findet
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sich darüber hinaus noch über der Tür, die vermutlich in Anlehnung an eine Passage aus der ‚Moralia in Iob‘ von Gregor dem Großen (Lib. I, Cap. XXIV, 33) die Benutzer der Bibliothek dazu auffordert, das Gelesene umzusetzen, um der Strafe des jüngsten Gerichts zu entgehen: […] in nosmetipsos ergo transformare debemus quod legimus vt iudicii suppli(ci)um evadamus. ([…] wir müssen in uns selbst das umsetzen, was wir lesen, um der Strafe des Gerichts zu entgehen.) Zwischen den beiden Fensteröffnungen der Ostwand befand sich darüber hinaus ursprünglich noch eine Darstellung des gekreuzigten Christus, von der nach einem großflächigen Putzaustausch allerdings nur noch fragmentarische Reste erhalten sind. Zum Schluss sei noch auf die vier Gewölbeschlusssteine, Hochreliefs mit den Darstellungen der vier Kirchenlehrer in Verbindung mit den vier Evangelistensymbolen, hingewiesen, die von üppigen grünen Rankenmalereien mit farbigen Blüten umgeben werden (Abb. 6). Die Rippen des Gewölbes sind in roter Farbe gefasst und mit weißen Fugenstrichen gegliedert und wurden von roten bzw. heute schwarzen Perlschnüren umrandet. Die für die Wand- und Deckenmalereien verwendeten Farben wurden aus denselben Grundsubstanzen hergestellt wie man sie z. T. auch von Buchmalereien kennt; d. h. Calciumcarbonat (Weiß), Blei-Zinn-Gelb (Gelb), Mennige, eisenartige Rotpigmente, Zinnober (Rot), Azurit (Blau), Malachit (Grün) und Rußschwarz. Als Bindemittel diente vermutlich Pflanzengummi oder ein tierischer Leim (Eiklar, Glutinleim, Gelatine).23
c) Die Deutung der Klausener Wandmalereien Betrachtet man nun das Bildprogramm und die zitierten Autoren der Spruchbänder an den Wänden der Klosterbibliothek genauer, so fällt auf, dass diese nicht zufällig ausgewählt wurden, sondern weitestgehend dem Bildungsprogramm der ‚Devotio Moderna‘ entsprachen. Dieses Programm kann bereits auf Gert Grote zurückgeführt werden, der nicht nur sich selbst, sondern auch die säkularisierte Gesellschaft zu einer neuen aufrichtigen Frömmigkeit und inneren Spiritualität nach dem Vorbild der Urkirche zurückführen wollte. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten jedoch erst spezielle pädagogische Techniken entwickelt bzw. wiedereingeführt werden, mit deren Hilfe Gleichgesinnte in der Lage sein sollten, diese innere Spiritualität wiederzuentdecken.24 Und hier spielen die Lektüre und vor allem das Abschreiben von Büchern eine zentrale Rolle. Nicht
23 Ferdinand Lawen, Restaurationsbericht, 2005 (wie Anm. 17), S. 12. 24 Vgl. Nikolaus Staubach, Von Deventer nach Windesheim – Buch und Bibliothek in der Frühzeit der Devotio Moderna. In: Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit. Tagung der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim vom 12. bis zum 14. November 1998 in der Benediktinerinnenabtei
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umsonst wurde in den späteren Statuten sowohl der Laiengemeinschaften als auch der Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation vorgeschrieben, dass die Konventsmitglieder täglich bis zu vier Stunden Bücher abschreiben sollten, über die sie währenddessen zu meditieren hatten. Dementsprechend waren allerdings nicht alle Texte geeignet, die innere Spiritualität zu fördern. So wurden vor allem allzu akademische und wissenschaftliche Texte aus der Philosophie und Theologie abgelehnt, während die biblischen und patristischen, aber auch alle asketisch-erbaulichen Texte besonders empfohlen wurden. Und eine Art Autoren- und Textkanon wurde bereits von Gert Grote, der umfassend gebildet und belesen war, in seinem 57. Brief aufgestellt. Neben Bibel und Kirchenrecht nennt er als Fundament seiner Lehre namentlich die Schriften der folgenden ‚sancti doctores et patres‘: Ambrosius, Augustinus, Gregor, Hieronymus, Chrysostomus, Dionysius, Bernhard, Beda, Isidor sowie die Viktoriner Hugo und Richard.25 Fast die gleichen Autoren werden später wiederum in der Beschreibung der Bibliothek von Windesheim in einer der ersten Fassungen des ‚Chronicon Windeshemense‘ von Johannes Busch genannt, hinzu kommen allerdings noch eine Reihe von exegetischen und erbaulichen Schriften, Werke der Kirchengeschichte bzw. der Chronistik und vor allem Hagiographien, wie die ‚Legenda Aurea‘ des Jakobus de Voragine,26 da man besonders im Leben der Heiligen ein Vorbild für die eigene devote Lebensführung sah. Ein Blick auf die Wandmalereien macht deutlich, dass auch hier fast die gleichen Personen auftauchen, die stellvertretend für ihre Schriften bzw. ‚pars pro toto‘ für bestimmte Textsorten stehen. So verweisen beispielsweise Moses, David und Johannes auf die biblischen Schriften, d. h. das ‚Alte Testament‘, die Psalmen und das ‚Neue Testament‘. Kaiser und Papst repräsentieren die weltliche und geistliche Gesetzgebung, während Thomas von Aquin die scholastische Literatur bzw. die universitären Schriften vertritt. Auf der gegenüberliegenden Seite folgen dann die vier Kirchväter für die westliche Patristik und Chrysostomus entweder für östliche
Mariendonk bei Kempen, hg. von Rainer A. Müller, Paring 2000 (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim, Bd. 2), S. 1–22; hier S. 6 und Georgette EpineyBurgard, Die Wege der Bildung in der Devotio Moderna. In: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Politik – Bildung – Naturkunde – Theologie. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1983 bis 1987, hg. von Hartmut Boockmann, Bernd Moeller und Karl Stackmann, redigiert von Ludger Grenzmann, Göttingen 1989 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, Dritte Folge, Nr. 179), S. 181–200; hier: S. 182. 25 Staubach, Von Deventer nach Windesheim, 2000 (wie Anm. 24), S. 7f. 26 Nikolaus Staubach, Reform aus der Tradition: Die Bedeutung der Kirchenväter für die Devotio Moderna. In: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen – Bewahren – Verändern. Akten des Internationalen Kolloquiums 8.–10. Juni 1995, hg. von Hagen Keller, Christel Meier und Thomas Scharff, München 1999 (Münsterische Mittelalter-Schriften, Bd. 76), S. 171– 201; hier S. 178.
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Patristik oder aber stellvertretend für die Predigtliteratur. Die letzte Person auf dieser Seite, Bernhard von Clairvaux, dürfte dementsprechend nicht nur auf seine eigenen Schriften, sondern auch auf die Werke der Mystik verweisen. Auf der westlichen Seite folgt dann zunächst Johannes Gerson, der evtl. seelsorgerische Schriften bzw. die Schriften der Kirchenreform repräsentiert, während Dominikus, Franziskus und Nikolaus von Tolentino für die hagiographische Literatur stehen. Im letzten Feld dürfte Flavius Josephus Repräsentant der Chronistik, evtl. auch der antiken Literatur sein, während der namenlose Chorherr über dem ‚Armarium‘ vermutlich die darunter aufbewahrten Chorbücher bewachte. Die These, dass die Figuren einem mehr oder weniger gleichen Bildungsprogramm der ‚Devotio Moderna‘ entsprachen, wird durch die Wandmalereien im vermuteten Bibliotheksraum in Böddeken/Westfalen, einem der Mutterklöster von Klausen, noch untermauert, wo sich ebenfalls Reste von Wandmalereien befinden, die zwar im Malstil von den Klausener Seccomalereien abweichen, z. T. aber die gleichen Figuren enthalten, wie z. B. Kaiser, Papst und die vier westlichen Kirchenväter.27 Darauf, inwieweit das Bildungsprogramm der ‚Devotio Moderna‘ der allgemeinen monastischen Tradition entsprach und daran anknüpfte, kann hier nicht eingegangen werden.28 Auch die didaktisch-belehrenden Schriftbänder weisen in Richtung Bildungsprogramm und erinnern sehr stark an Einträge aus einem sogenannten ‚Rapiarium‘, einer Art Florilegium bzw. Zitatensammlung, die sich bei Vertretern der ‚Devotio Moderna‘ großer Beliebtheit erfreute und wahrscheinlich aus dem Schul- und Universitätsbetrieb übernommen wurde.29 So wurden die Augustiner-Chorherren dazu angehalten, beim Abschreiben oder Lesen der Kirchenväter oder anderer erbaulicher Literatur die Sätze in ein solches Rapiarum einzutragen, die sie persönlich ansprechend fanden und über die sie später nochmals meditieren wollten. Umgekehrt gab es aber auch solche Rapiarien, die von Novizenmeistern, Lehrern und besonders vorbildlichen Mitbrüdern angelegt wurden und von den Schülern oder anderen Konventsmitgliedern wieder abgeschrieben wurden. Aus Eberhardsklausen existieren mehrere solcher Rapiarien, die sich heute noch in der Stadtbibliothek Trier befinden. Dabei han-
27 Vgl. Dorothea Kluge: Gotische Wandmalereien in Westfalen 1290–1530, Münster 1959 (Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalen, des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte, des Landeskonservators von Westfalen-Lippe, 12. Sonderheft), S. 97–104. 28 Verwiesen sei diesbezüglich aber auf die ausführlichere Monographie (vgl. Anm. 1). Herrn Frank Fürbeth (Frankfurt am Main) sei an dieser Stelle für den Hinweis allerdings bereits herzlich gedankt. 29 Nikolaus Staubach: ‚Diversa raptim undique collecta‘. Das Rapiarium im geistlichen Reformprogramm der Devotio Moderna. In: Literarische Formen des Mittelalters: Florilegien, Kompilationen, Kollektionen, hg. von Kaspar Elm, Wiesbaden 2000 (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien, Bd. 15), S. 115–147; vgl. auch Kern, Scholz: Ausmalung, 2006 (wie Anm. 15), S. 150f.
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delt es sich z. B. um ein ‚Granarium de tempore‘ (Trier, Stadtbibliothek, Hs. 293/1966 8°)30 und ein ‚Exhortatorium‘ (Trier, Stadtbibliothek, Hs. 225/1391 8°)31, beide aus der Feder des Klausener Klosterchronisten Wilhelm von Bernkastel und ein Abschnitt aus dem ‚Exercitatorium noviciorum‘ (Trier, Stadtbibliothek, Hs. 204/1185 8°, Bl. 144r–156r) vom Novizenmeister Johann von Düsseldorf, das sich in einem Sammelband mit mehreren Lehrtexten befindet (Abb. 7).32
IV. Ausblick Ob sich die Aufstellung der Bücher ebenfalls an den darüber liegenden Wandgemälden orientierte, kann hier nicht mehr diskutiert werden; spätestens mit der Aufhebung des Eberhardsklausener Augustinerklosters im Jahre 1802/03 infolge der Säkularisation und der Überführung der 200 Handschriften und der wertvollsten Drucke in die spätere Stadtbibliothek Trier wäre eine entsprechende Aufstellungssystematik ohnehin zerstört worden.33 Konkretere Aussagen lassen sich hinsichtlich der Aufstellung der Bücher in Eberhardsklausen im Moment allerdings nicht machen, da kein spätmittelalterlicher Bibliothekskatalog erhalten ist, und eine moderne Katalogisierung der lateinischen Klausener Handschriften der Stadtbibliothek Trier im Rahmen eines DFG-Projektes in Berlin noch andauert bzw. kurz vor dem Abschluss steht.34
30 Vgl. Max Keuffer, Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, 3. Heft: Die Predigt-Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier. No. 215–353 des Handschriften-Katalogs, Trier 1894, S. IX und 98f. 31 Vgl. ebd., S. IX und 10–12. 32 Vgl. ders., Handschriften Trier, 2. Heft: Kirchenväter, 1891 (wie Anm. 12), S. 131f. 33 Zur Säkularisation im Bistum Trier und im benachbarten Luxemburg vgl. Hubert Schiel, Die Auflösung der Trierer Kloster- und Stiftsbibliotheken und die Entfremdung von Trierer Handschriften durch Maugérard. In: Armaria Trevirensia. Beiträge zur Trierer Bibliotheksgeschichte, 2., stark erweiterte Auflage zum 75. Deutschen Bibliothekartag in Trier, hg. von Gunther Franz, Wiesbaden 1985 (Bibliotheca Trevirensis, Bd. 1), S. 92–114 und Jean-Claude Muller, ‚faites-moi la grâce de ne pas dédaigner mon envoi‘: Réquisitions de manuscrits et trafic d’incunables à Metz, à Luxembourg et au pays de Trèves par Jean-Baptist Maugérard sous le Consulat. Éditions de sa correspondance avec van Praet (1802–1803) et d’un inventaire complet des manuscrits d’Echternach et d’Orval réquisitionnés à Luxembourg au profit de la Bibliothèque Nationale de Paris. In: Hémecht 52, 2000, S. 5–80. 34 Vgl. den Beitrag von Reiner Nolden in diesem Band und Gunther Franz, 200 Jahre Handschriftenkatalogisierung in der Stadtbibliothek Trier. In: Scrinium Berolinense. Tilo Brandis zum 65. Geburtstag, Bd. I, hg. von Peter Jörg Becker u. a., Berlin 2000, S. 416–421; hier S. 419f.; einen gewissen Überblick über die Klausener Handschriftenbestände bietet Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Teil I: Aachen-Kochel, München 1989 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband I), S. 178–183; Betty
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Darüber hinaus wurden überraschenderweise aber auch viele Bände aus dem ehemaligen Bestand des Klausener Klosterkonvents nach der Auflösung des Klosters im alten Bibliotheksraum zurückgelassen, darunter eine noch nicht näher bestimmte Handschrift mit Predigten des Johannes Chrysostomus aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert (Klausen: Pfarr- und Klosterbibliothek, Nr. 0023 [vorläufige Signatur]), ein ‚Processionale‘ mit Lauretanischer Litanei (Klausen: Pfarr- und Klosterbibliothek, Nr. 0007 [vorläufige Signatur]) (Abb. 8), mehrere Inkunabeln, wie z. B. Antoninus von Florenz: ‚Summa Theologica‘ (Nürnberg: Anton Koberger, 1487), Petrus de Natalibus: ‚Catalogus Sanctorum et gestorum eorum‘ (Vicenza: Henricus de Sancto Ursio, 1493) und ein Inkunabel-Sammelband mit Werken von Johannes de Verdena: ‚Sermones Dormi secure vel Dormi sine cura de tempore‘ und ‚Sermones dominicales cum expo sitionibus evangeliorum per annum‘ (Straßburg: Jordanus, d. i. Georg Husner, 1489) sowie Hugo Ripelins von Straßburg: ‚Compendium theologicae veritatis‘ (Straßburg: Johann Prüss d. Ältere, 1489).35 Über die Gründe hierfür kann man nur spekulieren: Möglicherweise wollte man sie dem letzten Prior und ersten Pastor der neuen Pfarrgemeinde Klausen, Karl Kaspar Lintz (1769 –1819), für die Pfarr- und Wallfahrtsseelsorge überlassen, oder sie wurden einfach vor der Requirierungskommission verborgen. Darüber hinaus wuchs der Bestand der Klausener Bibliothek im 19. Jahrhundert – trotz der Klosterauflösung – weiter an, da viele Klausener Seelsorger, aber auch andere Geistliche aus verschiedenen Eifel- und Moselgemeinden, wie z. B. aus Niederöfflingen, Kinheim, Brauneberg (alle Kreis Bernkastel-Wittlich), ihre Buch-
C. Bushey, Die deutschen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier bis 1600, Wiesbaden 1996 (Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek Trier, Neue Folge, Bd. 1) und Reiner Nolden, Signaturenkonkordanz und Provenienzverzeichnis der mittelalterlichen Handschriften der Stadtbibliothek Trier (bis 1600). Eine vorläufige Bestandsaufnahme, Typoskript, Trier 1998 (ungedruckt); zu den Inkunabeln siehe Ernst Voullième, Die Inkunabeln der öffentlichen Bibliothek und der kleineren Büchersammlungen der Stadt Trier, Trier 1928 (Beiheft zum Zentralblatt für Bibliothekswesen, Heft 28); außerdem siehe auch Dohms, Geschichte, 1968 (wie Anm. 5), S. 74–89 und S. 215–222. 35 In zwei der drei Inkunabeln finden sich darüber hinaus noch einige hebräische Einbandfragmente aus dem 14. Jahrhundert und zwar in der ‚Summa Thologiae‘ des Antonius von Florenz ein Stück aus dem ‚Machsor‘ (Festtagsgebetbuch) und im Legendar des Petrus de Natalibus ein Ausschnitt aus dem ‚Sefer Terumah‘, einem Ritualwerk von Baruch b. Isaak aus Worms. Eine Beschreibung der Inkunabeln und Fragmente findet sich bei Michael Embach, Unbekannte Frühdrucke aus der Bibliothek der Augustiner-Chorherren Eberhardsklausen. In: Persch, Embach, Dohms (Hgg.), 500 Jahre (wie Anm. 5), S. 351–381; hier S. 356–362; Klausen, Pfarrund Klosterbibliothek, Nr. 0013, 0014 und 0015 (vorläufige Signatur). Diese Teilstücke werden zur Zeit zusammen mit anderen hebräischen Fragmenten, vor allem aus Klausener Handschriften und Drucken, die sich in der Stadtbibliothek Trier befinden, von Andreas Lehnardt (Mainz) in Kooperation mit dem Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Mainz-Trier (vgl. www.hkfz.info [letzter Zugriff am 01. 03. 2007]) ausgewertet, siehe auch den Beitrag in diesem Band.
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sammlungen nach dem Tod testamentarisch der Klausener Pfarrei überließen. Anhand der Besitzeinträge lassen sich daher ganze Pfarrbibliotheken vom 18.–20. Jahrhundert rekonstruieren, die wiederum Auskunft geben über Leseverhalten und Geisteshaltung des ländlichen Klerus in den vergangenen drei Jahrhunderten, was in der Buch- und Leserforschung bisher allerdings kaum untersucht wurde. Für den Raum zwischen Eifel und Hunsrück wäre ein solches Forschungsvorhaben sehr lohnenswert, besonders in Hinblick auf den kirchenpolitisch interessanten Zeitraum zwischen Französischer Revolution und Preußischem Kulturkampf. Insgesamt befinden sich zur Zeit noch fast 2.000 Bücher aus dem 15. Jahrhundert bis zum 20. Jahrhundert in der ehemaligen Klosterbibliothek, von denen bisher ca. 650 Bände ehrenamtlich, im Auftrag der Pfarrgemeinde Klausen und dem ‚Freundeskreis der alten Klosterbibliothek der Augustiner-Chorherren in Klausen e.V.‘, einer Klausener Bürgerinitiative zur Rettung und zum Erhalt der Klausener Bibliothek und ihrer Bestände, bibliographisch erfasst wurden.36 In Zusammenarbeit mit dem Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Mainz-Trier soll darüber hinaus die Katalogisierung abgeschlossen und als digitale Datenbank im Internet ver öffentlicht werden. Damit wäre – neben dem bald beendeten Katalog der in der Stadtbibliothek Trier aufbewahrten lateinischen Eberhardsklausener Handschriften und dem Verzeichnis der deutschsprachigen Handschriften aus Klausen – ein weiterer Schritt zur inhaltlichen Rekonstruktion der Klosterbibliothek und der späteren Pfarrbibliothek Klausen erreicht.
36 Für die Erstellung des Katalogs sind bisher Marco Brösch (Klausen/Trier) und Helga Frankenberger (Piesport) verantwortlich. Nähere Informationen über die Arbeit des Freundeskreises, der 1999 von dem inzwischen verstorbenen Klausener Pastor Heinz-Josef Babiel O. P. in Ko operation mit Herrn Gerhardt Schruff (Klausen) ins Leben gerufen wurde, finden sich unter www.klosterbibliothek-klausen.de (letzter Zugriff am 01.03. 2007).
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Abb. 1: Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Maria in Klausen: Blick auf Hauptschiff, Chorraum und Sakristei mit der darüber liegenden Bibliothek (Foto: Walter Lautwein, Klausen)
Abb. 2: Innenansicht der ehemaligen Kloster bibliothek von Eberhardsklausen (Foto: Walter Lautwein, Klausen)
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Abb. 3: Grundriss der Bibliothek mit Wandmalereien und Schlusssteinen (Grafik: Patrick Mai, Trier; nach einem Grundriss aus: Winfried Weber: Baugeschichtliche Untersuchungen an der Wallfahrtskirche St. Maria in Klausen. In: 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, hg. von Martin Persch, Michael Embach und Peter Dohms, Mainz 2003 [Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchen geschichte, Bd. 104], S. 204.)
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Abb. 4: Südliche Bibliothekswand (2. Feld): Ambrosius, Johannes Chrysostomos und Bernhard von Clairvaux (Nr. 11–13) (Foto: Frank Schmitt, Klausen)
Abb. 5: Westliche Bibliothekswand (2. Feld): Flavius Josephus, Maria als apokalyptische Frau und Augustiner-Chorherr (Nr. 18–20) (Foto: Frank Schmitt, Klausen)
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Abb. 6: Schlussstein: Gregor mit Engel als Symbol für den Evangelisten Matthäus (c) (Foto: Carolin Rößger, Trier)
Abb. 7: Rapiarienauszug aus dem ‚Exercitatorium noviciorum‘ des Eberhardsklausener Novizenmeisters Johannes von Düsseldorf († 1482); Stadtbibliothek Trier, Hs. 204/1185 8°, Bl. 156v–157r (Foto: Hans Albert Frechen, Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier)
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Abb. 8: ‚Processionale‘ mit Lauretanischer Litanei aus dem 17. Jahrhundert im Gebrauch der beiden Augustiner-Chorherren Johann Matthias Schuldgen († 1719) und Johann Heinrich Weyer; Pfarr- und Klosterbibliothek Klausen, Nr. 0007 [vorläufige Signatur] (Foto: Carolin Rößger, Trier)
Andreas Lehnardt
Hebräische und aramäische Einbandfragmente in Mainz und Trier Zwischenbericht eines Forschungsprojekts I. Einleitung Die jüdische Schreibkultur gehört zu den ältesten der Welt, und viele damit verbundene Besonderheiten werden bis heute beachtet.1 So ist es bis in die Gegenwart im Judentum üblich, die hebräische Bibel auf kosheren, den besonderen Reinheitsvorstellungen entsprechenden Pergamenten niederzuschreiben, um sie auf diese Weise für den rituellen Gebrauch zu heiligen. Die Regeln für die Niederschrift solcher Texte werden bereits im Talmud erläutert und sind in einem eigenen kleinen Traktat (Soferim B) festgehalten.2 Die Bewahrung von Manuskripten und der handschriftlichen Schreibkultur insgesamt gehört daher schon seit alters her zu den besonderen Anliegen jüdischer Kultur. Der textgetreuen Überlieferung, vor allem des Pentateuch, aber auch anderer Schriften ist stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden, obgleich sich die Schriftarten, je nach Lebenswelt, im Orient und in Westeuropa änderten und entwickelten.3
1 Vgl. dazu einleitend A. Yardeni, The Book of Hebrew Script. History, Paleography, Script Styles, Calligraphy & Design, Jerusalem 2002. 2 Vgl. Seven Minor Treatises. Sefer Torah; Mezuzah; Tefillin; Zizit; Abadim; Kutim; Gerim and Treatise Soferim II, Edited from Manuscripts with an Introduction, Notes, Variants and Translation, by Michael Higger, New York 1930, Ndr. Jerusalem 1971. – Das Standardwerk zur Schreibkunst unter Juden ist nach wie vor L. Löw, Graphische Requisiten und Erzeugnisse bei den Juden, Leipzig 1870, Ndr. Westmead, Farnborough, Hants. 1969. 3 Vgl. zu den unterschiedlichen paläographischen Merkmalen orientalischer, sefardischer und aschkenazischer Schrift M. Beit-Arié in Collaboration with E. Engel and A. Yardeni, Speciments of Medieval Hebrew Scripts, Volume I: Oriental and Yemenite Scripts, Jerusalem 1987; M. Beit-Arié in Collaboration with E. Engel and A. Yardeni, Speciments of Medieval Hebrew Scripts, Volume II: Sefardic Script, Jerusalem 2002; der dritte Band dieser Reihe, der der aschkenazischen Schrift gewidmet ist, soll in Kürze erscheinen (Hinweis von Dr. Engel, Jerusalem, August 2006). Zur Geschichte der ashkenazischen Handschrift vgl. noch M. Beit-Arié, Unveiled Faces of Medieval Hebrew Books. The Evolution of Manuscript Production – Progression or Regression?, Jerusalem 2003.
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Dass hebräische Handschriften als Einbandmaterial verwendet wurden, ist insofern erst einmal überraschend, gelten hebräische Texte heiliger Schriften traditionell doch als hohes Gut, welches es auf jeden Fall zu erhalten gilt.4 Der Verkauf solcher Manuskripte wurde vermieden, auch wenn er nicht ausdrücklich verboten war. Bereits am Ausgang des Mittelalters ist die Frage, wie mit alten Handschriften umzugehen ist, Gegenstand von Diskussionen und Erörterungen. So warnt im 17. Jahrhundert ein Rabbi Juspa Hahn aus Frankfurt, dass es strikt verboten sei, Manuskripte heiliger Bücher zum Binden zu verwenden. Geschähe es aus Versehen dennoch einmal, dass ein nicht-jüdischer Buchbinder ein Buch mit einem jüdischen Manuskript einbände, so müsse ein jüdischer Käufer dieses Manuskript sofort wieder aus dem Einband herausnehmen.5 Wie es zur sekundären Verwendung jüdischer Manuskripte unterschiedlicher Größe gekommen ist, lässt sich oftmals nur noch erahnen. Weder geben die Einbände selbst noch die gelegentlich rekonstruierbaren Provenienzvermerke noch die Inhalte der Bücher zuverlässige Hinweise auf die Geschehnisse, die hinter den Funden zu vermuten sind. Die beachtliche Zahl von hebräischen Fragmenten in den Bibliotheken und Archiven in Deutschland, insbesondere in den Stadtbibliotheken Trier und Mainz, die gegenwärtig in einem Projekt des Forschungszentrums dokumentiert und erschlossen werden, belegen jedoch, dass die von offensichtlich nicht-jüdischen Buchbindern geübte Praxis, hebräische Texte unbedacht als Binde- und Makulaturmaterial zu verwenden, weit verbreitet war. Dies ist auch deshalb bemerkenswert, weil aus heutiger Perspektive zunächst der Gedanke an Raub und Enteignung von Handschriften naheliegt, wofür es tatsächlich zahlreiche Belege gibt. Erwähnt sei hier nur ein Bericht über den von einem gewissen Vinzenz Fettmilch angeführten Pogrom in Frankfurt im Jahr 1614, in dem es heißt:
4 Vgl. dazu bereits die Mischna, Traktat Megilla, Kapitel 3,1: „Einwohner der Stadt, die den Stadtplatz verkauft haben, dürfen für den Erlös eine Synagoge kaufen. (Haben sie) eine Synagoge (verkauft), dürfen sie (für den Erlös) eine Lade (für die Tora-Rollen) kaufen. (Für den Erlös) einer Lade dürfen sie Tücher (zum Behängen der Rollen bzw. der Lade) kaufen. (Für den Erlös von) Tüchern dürfen sie (heilige) Bücher kaufen. (Für den Erlös von) Büchern dürfen sie Tora(Rollen) kaufen. Wenn sie aber eine Tora(Rolle) verkauft haben, dürfen sie dafür keine (einzelnen) Bücher (der Bibel) kaufen. (Für den Erlös von) Büchern dürfen sie keine Tücher kaufen. (Für den Erlös von) Tüchern dürfen sie keine Lade kaufen. (Für den Erlös) einer Lade dürfen sie keine Synagoge kaufen. (Für den Erlös) einer Lade dürfen sie keinen Stadtplatz kaufen.“ 5 Vgl. dazu Josef Juspa Hahn Nordlingen, Josef Ometz kolel dinim u-minhagim le-khol yemot ha-shana u-frotot minhage Frankfurt al nahar Main we-inyane musar u-middot, Frankfurt am Main 1928, Ndr. Jerusalem 1965, S. 275.
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„Ach Pergemente Sfórim haben sie erobert. Haben sie untereinander thun theilen. Sie seyn gewest Kámme olófim wehrt. Diese Máccos seyn nit zu heilen. Einem Buchbinder verkauft zu schertz. Andere Bücher drein zu binden. Kein Furcht is ihnen gangen zu Hertz. Daß sie sich sollten dran versünden.“6 Auch die gelegentlich belegbare Verwendung von Pergamenten aus Tora-Rollen als Bindematerial deutet auf gewaltsame Vorgänge hin, da man den Verkauf einer gebrauchten Tora für diese Zwecke von Juden an Nichtjuden ausschließen muss. Dennoch scheinen hebräische Handschriften seit dem 13. Jahrhundert gelegentlich auf „normalem“ Wege in die Hände von nicht-jüdischen Buchbindern oder Papierhändlern gelangt zu sein.7 Anscheinend wurden hebräische Handschriften immer wieder einmal schlicht verkauft. Pergament, insbesondere hochwertiges aus Häuten von Rindern, galt als kostbares und seltenes Gut. Buchbinder dürften stets auf der Suche nach geeigneten Materialien gewesen sein. Häufig entsteht der Eindruck, als seien Seiten aus hebräischen Codices unbedacht, ohne Kenntnis der Sprache und der Inhalte herausgeschnitten und einfach nur aus praktischen Gründen „wieder verwendet“ worden zu sein. Möglicherweise gelangten größere Mengen von hebräischen Handschriften aber auch erst nach Einführung des Buchdrucks in christliche Binderwerkstätten. Nachdem die Benutzung von handschriftlichen Exemplaren religiöser Gebrauchsliteratur auch in jüdischen Kreisen aus der Mode gekommen war, sind vielerorts Manuskripte veräußert worden. Einige Handschriften werden des Weiteren in so genannten Genizot, in einer Art Abstellkammer oder in einem Versteck für gebrauchte religiöse Schriften in oder bei einer Synagoge gelandet sein.8 Nach jüdischer Tradition darf der göttliche Name, das Tetragramm, einmal auf ein Stück Pergament, ein Papier oder einen Kultgegenstand geschrieben, nicht profaniert werden. Um den heiligen Namen in einer zerflederten oder beschädigten hebräischen Schrift – z. B. in einer Tora-Rolle oder in einem Gebetbuch – zu schützen, werden heilige Schriften entweder bestattet oder in einem besonderen Stauraum, in einer Geniza, abgelegt. Durch Auffindung solcher Kammern ist bis in die Gegenwart manch alter Handschriftenschatz erhalten geblieben
6 Vgl. R. Ulmer, Turmoil, Trauma and Triumph. The Fettmilch Uprising in Frankfurt am Main (1612–1616) According to Megillas Vintz. A Critical Edition of the Yiddish and Hebrew Text Including an English Translation, Judentum und Umwelt 72, Frankfurt am Main u. a. 2001, S. 128 (§ 33). 7 Vgl. zum Thema den informativen Artikel von S. Emanuel, The „European Genizah“ and its Contribution to Jewish Studies, in: Henoch 19, 1997, S. 313–339. 8 Zu solchen Genizot vgl. etwa F. Wiesemann, Genizah – Verborgenes Erbe der deutschen Landjuden, Wien 1992. Siehe auch A. M. Habermann, Ha-Geniza we-ha-genuzot. Mahutan, inyanan we-hitpathutan, Jerusalem 1971.
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und erst nach Jahrzehnten wieder ans Tageslicht gekommen.9 Auch dies könnte die gehäufte Verwendung von hebräischen Fragmenten in Einbänden in einer Region erklären. Nach der Öffnung einer lange Zeit vergessenen Geniza gelangten oftmals mit einem Schlag größere Mengen an altem Pergament auf den Markt und konnten als Makulatur verwendet werden.
II. Zum Stand der Erforschung hebräischer und aramäischer Einbandfragmente Dass es in deutschen Archiven und Bibliotheken zahlreiche hebräische und aramäische Handschriftenfragmente mit Bibeltexten, Talmud- und Midrash-Fragmenten sowie liturgischen Stücken und halakhischen Werken gibt, ist seit langem bekannt. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts sind gelegentlich Veröffentlichungen über solche Fragmente erschienen und haben auf die Bedeutung dieses speziellen Forschungsgebietes aufmerksam gemacht.10 Insbesondere die Funde durch Dr. Jacob Bassfreund in der Stadtbibliothek Trier haben schon früh für besonderes Aufsehen gesorgt und weitere Nachforschungen an anderen Orten angeregt.11 Der ausführliche Bericht über alle in Trier gefundenen Fragmente, den Bassfreund 1894 ankündigte, ist allerdings nie erschienen.
9 Der berühmteste Fall dieser Art ist die so genannte Kairoer Geniza in Ägypten, in der Tausende von wichtigen Handschriften erhalten geblieben sind. Vgl. dazu St. C. Reif, A Jewish Archive from Old Cairo. The History of Cambridge University’s Genizah Collection, Richmond Surrey 2000. 10 Zu einzelnen Fragmentenfunden in Deutschland vgl. H. Ewald, Über ein Bruchstück Hebräischer Handschrift in Wolfenbüttel, in: Nachrichten von der G.A. Universität und der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 21 (1860), S. 209–223; H. Jolowicz, Bruchstücke aus dem babyl. Talmud, in: Forschungen des wissenschaftlich-talmudischen Vereins 9–10 (Beilage zu Ben Chananja, 9 [1866]), S. 143–144, 163–164; J. Gildemeister, Bruchstücke eines rabbinischen Hiob-Commentars, Bonn 1874; L. Dünner, Die hebräischen HandschriftFragmente im Archiv der Stadt Cöln, in: Zeitschrift für hebräische Bibliographie 8 (1904), S. 84–90, 113–117; S. L. Landauer, Ein Bruchstück aus einer Tosafoth-Hs., in: Zeitschrift für hebräische Bibliographie 22 (1919), S. 27–31; A. Spanier, Das Berliner Baraita-Fragment, Berlin 1931; K. Wilhelm, Ein Jelamdenu-Fragment, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 75 (1931), S. 135–143. 11 Zu Trier und den Anfängen der Aufarbeitung der Funde vgl. J. Bassfreund, Über ein MidraschFragment in der Stadt-Bibliothek zu Trier, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 38 (1894), S. 167–176, 214–219; ders., Hebräische Handschriften-Fragmente in der Stadtbibliothek zu Trier, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 39 (1895), S. 263–271, 295–302, 343–350, 391–398, 492–506; M. Steinschneider, Vorlesungen über die Kunde hebräischer Handschriften, Leipzig 1897, S. 8.
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Der erste Versuch einer vollständigen Katalogisierung und Identifizierung der in Rheinland-Pfalz erhaltenen und verstreut aufbewahrten Fragmente und Makulaturstücke liegt inzwischen über vierzig Jahre zurück. Damals unternahm es Landesrabbiner Ernst Róth für das angesehene Unternehmen des Verzeichnisses der orientalischen Handschriften in Deutschland (VOHD), die bekannten Fragmente und Handschriften zu bestimmen und zu beschreiben.12 Er beschränkte sich dabei allerdings auf die Identifizierung, Datierung und Zuordnung der Handschriftenfragmente, ohne die Provenienzen und Kontexte, in denen die Fragmente überliefert sind, zu berücksichtigen. Seine Arbeit stellt dennoch den wichtigsten Ausgangspunkt für alle weiteren Nachforschungen und auch das gegenwärtig durchgeführte Projekt dar – auch wenn er noch längst nicht alle Möglichkeiten und Methoden zur Suche und Identifizierung von Fragmenten ausschöpfen konnte, die dem heutigen Forscher zur Verfügung stehen. Die Forschungslage im Hinblick auf die hebräischen Einbandfragmente hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch nicht nur aufgrund der Schaffung moderner elektronischer Datenbanken grundlegend gewandelt. Auch die Fortschritte der Einbandforschung hinsichtlich lateinischer und deutscher Texte13 lassen eine erneute Bestandsaufnahme und gründlichere Suche nach neuen hebräischen Fragmenten notwendig erscheinen. Wie die Entwicklung in europäischen Nachbarländern zeigt, sind offensichtlich auch in Deutschland noch längst nicht alle Möglichkeiten der Suche nach hebräischen Fragmenten und deren Identifizierung ausgeschöpft. Mancher bisher nicht identifizierte Schnipsel lässt sich wohl mittlerweile genauer zuordnen, als dies noch zu Zeiten Róths möglich war.14
12 Vgl. E. Róth, Hebräische Handschriften, 2, herausgegeben von H. Striedl, Wiesbaden 1965 (Verzeichnis der Orientalischen Handschriften in Deutschland, Band VI,2). – Zu weiteren Beständen in deutschen Bibliotheken und Archiven vgl. B. Richler, Guide to Hebrew Manuscript Collections, Jerusalem 1994. 13 Für Untersuchungen nicht-jüdischer Handschriften in Einbänden vgl. etwa R. Watson, Medieval Manuscript Fragments, Archives, in: The Journal of the British Records Association 13 (1977), S. 61–73; E. Pellegrin, Fragments et Membra Disiecta, Codicologica 3: Essais Typologiques, hg. von A. Gruys / J. P. Gumbert, Leiden 1980, S. 70–95 ( = idem, Bibliothèques retrouvées: manuscrits, bibliothèques et bibliophiles du Moyen Age et de la Renaissance, Paris 1988, S. 343–364); N. R. Ker, Fragments of Medieval Manuscripts Used as Pastedowns in Oxford Bindings. With a Survey of Oxford Binding c. 1515–1620, Oxford 1954; D. Pearson, Oxford Bookbinding 1500–1640. Including a Supplement to Neil Ker’s Fragments of Medieval Manuscripts Used as Pastedowns in Oxford Bindings, Oxford 2000; siehe nun auch: Außen-An sichten. Bucheinbände aus 1000 Jahren aus den Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek München, Wiesbaden 2006; Lebendiges Büchererbe. Säkularisation, Mediatisierung und die Bayerische Staatsbibliothek, München 2003. 14 Dies hat sich jüngst wieder bei der Untersuchung von Fragmenten im Stadtarchiv Friedberg gezeigt, wo ein bislang unbekannter Kommentar zum Buch Ijob identifiziert werden konnte.
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Vor allem in Italien, aber auch in Spanien und Österreich15 sind durch gezielte Suche nach hebräischen Einbandfragmenten zahlreiche, zum Teil bislang unbekannte hebräische Werke aus dem Mittelalter zutage gefördert worden. Die Erschließung dieser verborgenen Bibliothek des Judentums, im Grunde die einer großen Geniza, gehört mittlerweile zu einem wichtigen Feld der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Judentum in Europa. Besonders die so genannte „Italienische Geniza“ hat in den vergangenen Jahren eine Fülle von Aufsehen erregenden Funden hervorgebracht, deren Aufarbeitung noch andauert.16 Zudem haben aber auch die Funde in
15 Zu den Funden in der Universitätsbibliothek Salzburg vgl. http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/Fragmente (29. 10. 2006). 16 Vgl. dazu M. Perani, Frammenti di manoscritti ebraici nell’Archivio Storico Comunale di Imola, in: Henoch 10 (1988), S. 219–234; N. Pavoncello, Pergamene ebraiche nell’Archivio di Stato di Roma, pubblicazione celebrativa in occasione del matrimonio di G. Nahum e D. Anticoli, Roma, 30 Tisrhì 5750–29 ottobre 1989, S. 1–6; M. Perani, Frammenti di manoscritti ebraici nell’Archivio di Stato di Parma, in: Henoch 11 (1989), S. 103–108; ders., Frammenti di manoscritti ebraici nell’Archivio di Stato di Faenza, in: Henoch 12 (1990), S. 227–229; G. Ben-Ammi Sarfatti, Dappim mi-tokh ketav-yad shel ha-Mishnah mi-‚Genizat Italia‘, in: Italia 9 (1990), S. 7–36 (hebr.); I. Zatelli, Frammenti di manoscritti e altri testi ebraici a Firenze, in: G. Tamani, A. Vivian (Hg.), Manoscritti, frammenti e libri ebraici nell’Italia dei secoli XV–XVI, Atti del VII Congresso dell’AISG, San Miniato 7–9 novembre 1988, AISG testi e studi 7, Roma 1991, S. 227–254; M. Perani, Frammenti di manoscritti e libri ebraici a Nonantola, Archivio Storico Nonantolano 1, Ausilio Editore – Bottega D’Erasmo, Nonantola, Padua 1992; ders., Frammenti di manoscritti ebraici medievali nell’Archivio Storico Comunale di Corinaldo (Ancona), in: Henoch 14 (1992), S. 301–306; ders., Manoscritti ebraici medievali riutilizzati come copertine nell’Archivio Storico Comunale di Pieve di Cento, in Gli ebrei a Pieve di Cento. Testimonianze e memorie storiche, in: Quaderni pievesi 7, Pieve di Cento 1993, S. 65–102; ders., Inventario dei frammenti di manoscritti medievali della Mishnah, della Tosefta e del Talmud rinvenuti negli archivi italiani, in: G. Busi (Hg.), We-Zo’t le-Angelo. Raccolta di studi giudaici in memoria di Angelo Vivian (AISG), Testi e studi 11, Bologna 1993, S. 369–394; ders., Manoscritti e frammenti ebraici copiati o conservati a Cento e Pieve di Cento, in Gli ebrei a Cento e Pieve di Cento fra Medioevo ed Età moderna, Atti del convegno di studi storici, Cento 22 aprile 1993, Cento 1994, S. 93–156; ders., G. Stemberger, Nuove luce sulla tradizione manoscritta della Tosefta: i frammenti rinvenuti a Bologna, in: Henoch 16 (1994), S. 227–252; Sarfatti, G. Ben-Ammi, Dappim nosafim mi-ketav yad shel ha-Mishnah, in: Italia 11 (1994), S. 9–38; S. Emanuel, Genizat Eropa u-terumatah le-madda‘e ha-Yahadut, in: Jewish Studies 35 (1995), S. 5–29; P. F. Fumagalli, B. Richler, Manoscritti e frammenti ebraici nell’Archivio di Stato di Cremona, CRIGI, IV, Roma 1995; A. Grossman, The Early Sages of France, Jerusalem 1995, S. 290–305 (hebr.); M. Kahana, Manuscripts of the Halakhic Midrashim: An Annotated Catalogue, Jerusalem 1995 (hebr.); M. Perani, Un decennio di ricerca dei frammenti di manoscritti ebraici in Italia: rapporto sui rinvenimenti e bibliografia, in: Annali di storia dell’esegesi 12/1 (1995), S. 111–128; ders., La Ghenizàh italiana: migliaia di frammenti ebraici rinvenuti negli archivi italiani, in: Gazette du livre médieval n. 26, Printemps 1995, S. 18–26; ders., Un tesoro ritrovato. Centinaia di manoscritti medievali degli ebrei di Bologna riciclati nel Cinquecento come copertine di registri rinvenuti negli archivi della città, in: Bolognaieri, oggi, domani,
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Trier, Darmstadt und München in den vergangenen Jahren immer wieder einmal Diskussionen ausgelöst – so etwa hinsichtlich der wichtigen und besonders alten Fragmente des Talmud Yerushalmi, des Palästinischen Talmud, der mittlerweile durch Anno V, n. 6 (1996), S. 60–65; ders., Documenti sui processi dell’Inquisizione contro gli ebrei a Bologna e la loro tassazione alla vigilia della prima espulsione (1587–88), in: M. G. Muzzarelli (Hg.), Verso l’epilogo di una convivenza. Gli ebrei a Bologna nel XVI secolo, Florenz 1996, S. 245–284; ders., Un convegno internazionale sui frammenti ebraici rinvenuti negli archivi italiani (la „Ghenizàh italiana“) e sul loro contributo allo studio del giudaismo, Gerusalemme 9 gennaio 1996, in: Rassegna degli Archivi di Stato 56 (1996), S. 104–118; ders., Frammenti del commento perduto di Abraham ibn Ezra o di un suo discepolo a Geremia ed Ezechiele „dalla Genizah“ di Bologna, in: Henoch 18 (1996), S. 283–326; ders., Vestigia della cultura ebraica a Bologna tra Medioevo e Rinascimento nella testimonianza dei manoscritti, in: Italia 12 (1996), S. 89–139; ders., Dieci anni di ricerca dei frammenti di manoscritti ebraici in Italia. Bilancio, prospettive, pubblicazioni in corso, in „Materia giudaica“. Bollettino dell’As sociazione Italiana per lo Studio del Giudaismo, 1996/1, S. 18–21; ders., La „Genizah italiana“. Caratteri generali e rapporto su quindici anni di scoperte, in: Rivista biblica 45 (1997), S. 31– 70; ders., The „Italian Genizah“. An Updated Report on Fifteen Years of Research, in „EAJS newsletter“, European Association for Jewish Studies, Issue 2, October 1996 – February 1997, S. 15–22; ders., Opere sconosciute o perdute dalla „Genizah italiana“, in: Materia giudaica 3 (1997), S. 17–23; A. David, J. Tabory (Hgg.), The Italian Genizah, Proceedings of the Conference Held Under the Auspices of The Israel Academy of Sciences and Humanities and the Jewish National and University Library of the Hebrew University, Jerusalem, January 9, 1996 (17 Teveth 5756), Jerusalem 1998 (hebr. / engl.); dies., Nuove importanti scoperte dalla Genizah italiana nell’ultimo anno (1997), in: Materia giudaica 4 (1998), S. 48–53; G. Tamani, Un frammento di un manoscritto ebraico nella Biblioteca Statale Isontina, in: Studi Goriziani, Rivista della Biblioteca Statale Isontina di Gorizia, 85 (gennaio-giugno 1997), S. 111–116; ders., A New „Genizah“ for the New Century. Hebrew Manuscript Fragments in the European Archives: The New Findings of Girona, in: J. Targarona Borrás, A. Sáenz-Badillos (Hgg.), Jewish Studies at the Turn of the 20th Century, Proceedings of the 6th EAJS Congress, Toledo 1998, Vol. I: Biblical, Rabbinical, and Medieval Studies, Leiden-Boston-Köln 1999, S. 621–626; ders., Un atto di ripudio localizzato e datato a Weinheim nel 1278 in un manoscritto del Sefer Mitzwot Gadol di Mosheh da Coucy, in: Henoch 21 (1999), S. 307–311; ders., Fragments from the „Italian Genizah“. An Exhibition, Jerusalem Jewish National and University Library December 12, 1999 – January 12, 2000. Catalogue edited by Mauro Perani, Crevalcore 1999; ders., Un nuovo importante giacimento nella „Genizah europea“: gli archivi di Girona, in: Materia giudaica 5 (1999), S. 45–49; ders., Il reimpiego dei manoscritti ebraici. I frammenti ebraici rinvenuti presso l’Archivio Storico Comunale di Modena e il loro contributo allo studio del giudaismo, in: F. Bonilauri, E. Maugeri (Hgg.), Le comunità ebraiche a Modena e Carpi, Atti del convegno di Modena e Carpi, 21–22 maggio 1997, Florenz 1999, S. 67–78; M. Perani, S. Campanini, I frammenti ebraici di Modena, Archivio Capitolare – Archivio della Curia, e di Correggio, Archivio Storico Comunale, Inventari dei Manoscritti delle Biblioteche d’Italia, Vol. CXI, Leo S. Olschki Editore, Florenz 1999; P. Radicchi, I. Zolesi, Codicum fragmenta. Sul ritrovamento di antiche pergamene negli Archivi di Stato di Massa e Pontremoli (sec. XII–XV), con la collaborazione di Rav. Hillel M. Sermoneta, Edizioni ETS, Pisa 1999, S. 217–220; E. Engel, I frammenti di Bazzano alla luce della codicologia e paleografia ebraiche, in:
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eine neue wissenschaftliche Textedition und eine kommentierte deutsche Übersetzung besser erschlossen ist.17 Dass die Aufmerksamkeit für hebräische Einbandforschung auch in Deutschland nicht nachlässt, zeigt in jüngster Zeit die Publikation von
M. Perani (Hg.), I frammenti ebraici di Bazzano. Un piccolo tesoro nella „Genizah italiana“, Atti del forum inter-nazionale, Bazzano (Bologna), 25 Maggio 2000, in: Materia giudaica 6 (2001), S. 205–219; A. David, La „Genizah“ di Bazzano: una breve panoramica, ibid., S. 200– 204; ders., I manoscritti ebraici, le loro vicissitudini e la loro „morte“. A proposito dei frammenti di Bazzano, ibid., S. 193–199; ders., G. Stemberger, The Yerushalmi Fragments Discovered in the Diocesan Library of Savona, in: Henoch 23 (2001), S. 267–303; M. Beit-Arié, The Contribution of Medieval Hebrew Manuscript Fragments to Hebrew Codicology, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant. Recupero e studio dei frammenti di manoscritti medievali e rinascimentali riutilizzati in legature, Ravenna 2002, S. 83–88; A. David, Hebrew Documentary Material in the European Genizah: a Preliminary Discussion, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant, S. 121–129; S. Emanuel, The Contribution of Hebrew Manuscripts Fragments to our Knowledge of Italian Jewry, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant, S. 43–50; E. Engel, Evolutionary Stages of Medieval Hebrew Scripts as Reflected in the „European Genizah“, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant, S. 89–119; M. Perani, Codicum hebraicorum fragmenta. I manoscritti ebraici riusati nelle legature in Italia, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant, S. 51–74; B. Richler, The Dispersion of Medieval Hebrew Manuscripts and its Significance for Understanding the Phenomenon of Hebrew Membra Disiecta, in: M. Perani, C. Ruini (Hgg.), Fragmenta ne pereant, S. 75–81; I. Ta-Shma, Qit’e Tosafot Rid mi-Genizat Italia, in: Kovez al Yad 16 (2002), S. 187– 197; M. Perani, Una ketubbah cremonese del 1591 dalla „Genizah italiana“, in: Materia giudaica 8 (2003), S. 209–212; E. Sagradini, I frammenti talmudici della „Genizah italiana“, in: Materia giudaica 8 (2003), S. 139–144; Ch. Marucchi, I registri di prestatori ebrei come fonte storica, in: Materia giudaica 9 (2004), S. 65–72; M. Perani, E. Sagradini, Talmudic and Midrashic Fragments from the „Italian Genizah“: Reunification of the Manuscripts and Catalogue, Giuntina, Florenz 2004 (AISG „Quaderni di Materia Giudaica“ 1); dies., Catalogo dei frammenti di manoscritti ebraici della Biblioteca Civica e dell’Archivio di Stato, in: F. Quaglia (Hg.), I libri ebraici nei fondi storici della Biblioteca Civica di Alessandria, prefazione di Mauro Perani, Città di Alessandria, Assessorato ai beni e alle attività culturali, BCA „Studi e ricerche“ n. 4, Edizioni dell’Orso, Alessandria 2004, S. 51–76; dies., Nuovo inventari dei frammenti di manoscritti medievali della Mishnah, della Tosefta e del Talmud rinvenuti nella „Genizah italiana“, in: M. Perani (Hg.), Una manna buona per Mantova – Man Tov le Man Tovah, Studi i onore di Vittore Colorni per il suo 92° compleanno, Leo S. Olschki Editore, Florenz 2004, S. 333–363; dies., Nuovi frammenti di manoscritti ebraici scoperti a Ravenna presso l’archivio Arcivescovile e la Biblioteca Classense, in: M. Perani (Hg.), L’interculturalità dell’ebraismo, Atti del convegno Ravenna-Bertinoro 26–28 maggio 2003, Longo editore, Ravenna 2004, S. 147–151; M. Perani, I manoscritti ebraici come fonte storica, in Fonti per la storia della società ebraica in Italia dal Tardo-antico al rinascimento: una messa a punto, in: M. Perani (Hg.), Atti del XVII Convegno internazionale dell’AISG, Gabicce mare (PU) 16–18 settembre 2003, in: Materia giudaica 9 (2004), S. 79–101; ders., Maimonides’ Wirkungsgeschichte as Attested by the „Italian Genizah“: Fragments of Mishneh Torah, in: G. Hasselhoff, O. Fraisse (Hgg.), Moses Maimonides (1138–1204) – Aspects of Eight Centuries of a Wirkungsgeschichte in Three Cultural Contexts, Würzburg 2004, S. 137–172; C. Pilocane, Frammenti dei più antichi
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bislang unbekannten Einbandfragmenten jemenitischer Herkunft, womit eindrucksvoll belegt ist, dass die sekundäre Verwendung von Manuskripten kein allein europäisches Phänomen ist.18 Inzwischen hat sich im Sommer 2004 eine internationale Forschergruppe in Jerusalem konstituiert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Erforschung der hebräischen und aramäischen Einbandfragmente in deutschen Bibliotheken und Archiven voranzutreiben. Das unter dem Arbeitstitel „Genizat Germania“ begonnene Projekt bemüht sich derzeit um den Aufbau einer Datenbank, in der in enger Zusammenarbeit mit dem Institute of Microfilmed Hebrew Manuscripts an der National and University Library in Jerusalem19 sämtliche bekannten und neu gefundenen Fragmente verzeichnet werden sollen.20
manoscritti biblici italiani (secc. XI–XII). Analisi ed edizione facsimile, Florenz 2004 (AISG «Quaderni di Materia Giudaica» 2); C. Santandrea, Frammenti di manoscritti ebraici medievali riusati in legature a Rimini e Forli, in: Materia giudaica IX/1–2 (2004), S. 191–202; M. Perani, Yosef ben Shim’on Kara’s lost Commentary to the Psalms (1–17). The Fragment of Imola from the „Italian Genizah“, in: M. Perani (Hg.), The Words of a Wise Mouth are Gracious – Divre Pi-Hakam Hen. FS for Günter Stemberger on the Occasion of His 65th Birthday, Studia Judaica 32, Berlin 2005, S. 395–428; ders., G. Stemberger, A New Early Tanhuma Manuscript from The Italian Genizah. The Fragments of Ravenna and their Textual Tradition, in: Materia giudaica X/2 (2005), S. 241–266; dies., Jewish Studies in the Italian Acadamic World, in: A. van der Heide, I. E. Zwiep (Hgg.), Jewish Studies and the European Academic World. Plenary Lectures at the VIIth Congress of the European Association for Jewish Studies (EAJS), Amsterdam, July 2002, Paris, Louvain, Dudley 2005, S. 45–75, bes. S. 64–66. 17 Zur Bedeutung des Fundes von Fragmenten des im 5. Jh. n. d. Z. redigierten palästinischen Talmud in Trier vgl. Y. Sussmann, Seridei Yerushalmi – Ketav-Yad Ashkenazi, Likrat Pitaron Hidat ‚Sefer Yerushalmi‘, in: Kobez Al Yad 12 [22] (1994), S. 1–120 (hebr.); Th. Kwasman, Untersuchung zu Einbandfragmenten und ihre Beziehung zum Palästinischen Talmud, Heidelberg 1986; dazu siehe auch H.-J. Becker, The Yerushalmi Fragments in Munich, Darmstadt and Trier and their Relationship to the Vatican Manuscript Ebr. 133, in: Jewish Studies Quarterly 2 (1995), S. 329–335; P. Schäfer, H.-J. Becker (Hgg.), Synopse zum Talmud Yerushalmi, Band III Ordnung Nashim, in Zusammenarbeit mit G. Reeg u. a., Tübingen 1998, S. VII–VIII. Für eine forschungsgeschichtliche Einordnung dieser Untersuchungen vgl. auch G. Stemberger, Talmud und Rabbinische Literatur, in: M. Brenner, St. Rohrbacher (Hgg.), Wissenschaft vom Judentum. Annäherungen nach dem Holocaust, Göttingen 2000, S. 121–133, hier S. 126f. 18 Vgl. St. Schreiner, Zwei hebräische Handschriftenfragmente als Buchdeckelverstärker, in: Judaica 62 (2006), S. 246–251; 343–347. 19 Internetseite: http://jnul.huji.ac.il./imhm. 20 Derzeit gehören der Forschergruppe neben dem Verf. folgende Personen an: Prof. Dr. Michael Brocke, Dr. Avraham David, Prof. Dr. Simcha Emanuel, PD Dr. Elisabeth Hollender, Prof. Dr. Yaaqov Sussmann.
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III. Das Projekt zur Erschließung der hebräischen und aramäischen Fragmente in Mainz und Trier Im Rahmen dieses vom HKFZ geförderten Teilprojektes ist die Suche nach Fragmenten zunächst in Mainz aufgenommen worden. Hier fanden sich in der Stadtbibliothek dank der Hilfe von Frau Annelen Ottermann M. A. zahlreiche unidentifizierte hebräische und aramäische Fragmente, die zum größten Teil allerdings aus ihren ursprünglichen Fundorten herausgelöst sind, sodass eine Erschließung der Provenienzen oft nur unzureichend möglich scheint. In einer zweiten Phase des Unternehmens wurde die Suche auf die Stadtbibliothek Trier ausgedehnt, wo ebenfalls eine Anzahl von unidentifizierten Fragmenten gefunden wurde.21 Mittlerweile konnten zusätzliche Fragmente in Bernkastel-Kues22, Koblenz23 und Speyer24 ausfindig gemacht werden, die möglicherweise auf ähnliche Provenienzen zurückzuführen sind wie die Einbände in Trier und Mainz.
21 Nach Auskunft von Prof. Dr. G. Franz, Direktor der Stadtbibliothek Trier, und Frau Prof. Dr. E. Timm, Trier, wurde nach Fragmenten in der Bibliothek bereits mehrere Jahre zuvor gesucht. Einmal von Prof. Dr. Y. Sussmann, dann wieder von Prof. Dr. G. Veltri. Eine Dokumentation dieser Aktionen ist nicht veröffentlicht worden. 22 Vgl. dazu das Faltblatt: Die Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues, o. O. o. J. Einige der in dieser Bibliothek erhaltenen hebräischen Handschriften sind beschrieben in: J. Marx, Verzeichnis der Handschriften-Sammlung des Hospitals zu Cues bei Bernkastel a. Mosel, Trier 1906. 23 Zu den Fragmenten in Koblenz, die einer genaueren Auswertung harren, vgl. E. Overgaauw, Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, Band 2: Die nichtarchivischen Handschriften der Signaturengruppe Best. 701 Nr. 191–992, Koblenz 2002, S. 446, Best. Nr. 759,38: Machsor; Best. 701, 759,5: Fragmente in hebräischer Schrift (beschrieben in Róth, Hebräische Handschriften, S. 171–174); Ch. Meckelnborg, Die nichtarchivarischen Handschriften der Signaturengruppe Best. 701 Nr. 1–190, ergänzt durch die im Görres-Gymnasium Koblenz aufbewahrten Handschriften A, B und C, Wiesbaden 1998, S. 109 (der von Sylvia Powels identifizierte Abklatsch eines Fragments stammt nicht aus „Mischna Menachot 6b – Chulin I, 2a“, sondern aus dem Talmud Bavli, bSan 92b–93a – für den Hinweis danke ich Dr. Yoav Rosenthal, Jerusalem). – Zu dem Archivar in Koblenz, der die meisten hebräischen Hand schriften zusammengetragen hat, vgl. P. Brommer, A. Krümmel, K. Werner, Momentaufnahmen. Burgen am Mittelrhein in alten Zeichnungen und neuen Fotografien, Koblenz [2005?], S. 8f. zu Leopold Otto Joseph Eltester, geb. 1822, Archivdirektor in Koblenz, der als Besitzer auf manchen hebr. Fragmenten eingetragen ist. Für diesen Hinweis danke ich Dr. P. Brommer, Koblenz. 24 Die Fragmente im Landeshauptarchiv Speyer wurden von Dr. A. David identifiziert.
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a) Mainz Die meisten Einbandfragmente in der Stadtbibliothek Mainz fanden sich in Bänden, die im Zuge der Säkularisierung aus den Klosterbibliotheken der Stadt in diese Sammlung gekommen sind25 – darunter solche aus dem Kartäuserkloster, dem Jesuitenkolleg und dem Karmeliterkloster.26 Einige dieser Funde wurde bereits des Öfteren präsentiert, wenn auch eine genaue Beschreibung nicht erfolgte.27 Zu den herausragenden Funden aus der Stadtbibliothek Mainz gehören Fragmente mit Texten aus dem Babylonischen Talmud28 (Abb. 1), liturgische Texte mit mittelalterlichen Dichtungen (Piyyutim) zu den Hohen Feiertagen (Abb. 2)29 und Stücke eines spätantiken Midrash, d. h. eines erzählenden Bibelkommentars, genannt Midrash Tanhuma (Buber) (Abb. 3).30 Auf die Existenz solcher Fragmente hatte E. Róth im VOHD noch nicht hingewiesen.31 25 Zur Geschichte der Stadtbibliothek Mainz vgl. nun A. Ottermann, St. Fliedner (Hgg.), 200 Jahre Stadtbibliothek Mainz, Wiesbaden 2005 (Veröffentlichungen der Bibliotheken der Stadt Mainz 52). – Zur Einband- und Provenienzforschung in Mainz vgl. nun auch K. H. Staub, Der „Nibelungenbinder“. Entdeckungen durch Einbandforschung, in: H. Hinkel (Hg.), Nibelungen Schnipsel. Neues vom alten Epos zwischen Mainz und Worms, Mainz 2004, S. 41–51. 26 Zu den Altbeständen vgl. K. Flasch, Lob der Stadtbibliothek, in: Ottermann, Fliedner (Hgg.), 200 Jahre Stadtbibliothek Mainz, S. 21f. Zu den Handschriften vgl. bislang G. List, G. Powitz, Die Handschriften der Stadtbibliothek Mainz. Bd. 1: Hs 1,1 – Hs I 150, Wiesbaden 1990; Bd. 2: Hs I 151 – Hs I 250, Wiesbaden 1998; Bd. 3: Hs I 251 – Hs I 350, Wiesbaden 2006. Auch in Bd. 2 und 3 finden sich Hinweise auf hebräische Einbandfragmente. 27 Vgl. Juden in Mainz, Katalog zur Ausstellung der Stadt Mainz im Rathaus-Foyer November 1978, bearbeitet von F. Schütz, Mainz 1978, S. 42. 28 Abbildung 1: Es handelt sich um einen Abschnitt aus dem Babylonischen Talmud, Traktat Pesachim. Fol. 69a–b (mit Abweichungen gegenüber dem gedruckten Text). 29 Abbildung 2: Ein Piyyut aus der Festtagsliturgie des Morgengebets am Versöhnungstag, Yom Kippur. Vgl. D. Goldschmidt, Mahzor le-yamim nora’im, Bd. 1, Jerusalem 1970, S. 193. Für eine Übersetzung vgl. Gebetbuch für den Versöhnungstag, hg. von W. Heidenheim, übersetzt von S. Bamberger, Basel 2001, S. 98ff. Die Identifizierung verdanke ich Prof. Dr. Simcha Emanuel. 30 Abbildung 3: Midrash Tanhuma. Ein aggadischer Commentar zum Pentateuco von Rabbi Tanchuma ben Rabbi Abba, zum ersten Mal nach Handschriften aus den Bibliotheken zu Oxford, Rom und München herausgegeben. Kritisch bearbeitet, commentirt und mit einer ausführlichen Einleitung versehen von S. Buber, Wilna 1885, Ndr. Jerusalem o. J., Parashat Noah § 24–27, (27a–28a). Für eine Übersetzung vgl. H. Bietenhard, Midrasch Tanhuma B. R. Tanhuma über die Tora genannt Midrasch Jelammedenu, Bd. 1, Judaica et Christiana 5, Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas 1980, S. 60–62. – Vgl. zur viel diskutierten Textgeschichte dieses Werkes M. Bregman, The Tanhuma-Yelammedenu Literature. Studies in the Evolution of the Versions, Piscataway NJ 2003. Wie mir Marc Bregman, University of North Carolina Greensboro, im Sommer 2006 in Jerusalem mitteilte, stützt das neu aufgefundene Fragment seine These von der ashkenazischen Herkunft des Tanhuma Buber. 31 Vgl. Róth, Hebräische Handschriften, (wie Anm. 12), S. 213f.
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Weitere Funde von Einbandfragmenten im Mainzer Gutenberg-Museum konnten dank der freundlichen Hinweise von Dr. K. H. Staub gemacht werden.32 Es fanden sich bisher liturgische Stücke (Abb. 4)33 und Bibeltexte mit aramäischen Übersetzungen, wie es in ashkenazischen Bibelausgaben bis ins 14. Jahrhundert üblich gewesen zu sein scheint. Auch in der Martinus-Bibliothek, der wissenschaftlichen Diözesanbibliothek Mainz, konnte inzwischen ein Fragment, vermutlich aus den Beständen des Jesuitenkollegs, identifiziert werden.34 Zusätzliche Fragmente mit Mainzer Provenienz wurden noch im Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden lokalisiert. Wenigstens eines der dort neu aufgefundenen Fragmente stammt aus dem Altmünsterkloster in Mainz.35 Ein besonders bemerkenswertes Einbandfragment aus Mainz wurde in der alten Jüdischen Gemeindebibliothek im Seminar für Judaistik an der Johannes GutenbergUniversität Mainz gefunden (Abb. 5).36 Dieses Stück enthält den Schluss der bekannten liturgischen Dichtung für den Musaf-Gottesdienst des ersten Neujahrstages, Rosh ha-Shana, „Ansikha malkhi“, „ich huldige meinem König“.37 Das Gedicht wird dem berühmten Dichter Rabbi El’azar ha-Qallir (frühes 7. Jh. n. d. Z.) zugeschrieben und findet sich bis heute in allen orthodoxen Gebetbüchern (Mahzorim) des ashkenazischen Ritus für die Hohen Feiertage. Interessanterweise ist dieser Fund ein seltener Beleg dafür, dass auch hebräische Bücher in hebräische Pergamente eingebunden werden konnten.38 32 Die Suche und Auswertung der Fragmente im Gutenberg-Museum ist noch nicht abgeschlossen. 33 Abgebildet ist ein Abschnitt aus „Ezrakhi me-ever ha-yarden“, eine anonyme undatierte Seliha, die vierte in der askenazischen Selihot-Folge für die 10 Bußtage (vgl. I. Davidson, Thesaurus of the Medieval Hebrew Poetry, Bd. 1, New York 1970, # Aleph 2375). 34 Auf dieses Fragment hat mich Dr. H. Hinkel aufmerksam gemacht, dem ich hierfür danken möchte. Es handelt sich um das Fragment eines Codex mit den Büchern Jesaja, Zwölfprophetenbuch, Kohelet und den Klageliedern Jeremias. Für die genaue Identifizierung danke ich Prof. Dr. S. Emanuel, Jerusalem. 35 Für den Hinweis danke ich Dr. Hartmut Heinemann, Wiesbaden. 36 Vgl. dazu A. Lehnardt, Magenza hebt seinen Schatz. Die gerettete Jüdische Bibliothek in der Johannes Gutenberg-Universität wird erschlossen und restauriert, in: Kalonymos 9 (2006), S. 3–5. 37 Für eine wissenschaftliche Edition vgl. D. Goldschmidt, Mahzor le-yamim nora’im, Bd. I, Jerusalem 1970, S. 233ff. Der Text des in der Abbildung wiedergegebenen Textes beginnt Seite 236f. Für eine Übersetzung vgl. Gebetbuch für das Neujahrsfest, hg. von Wolf Heidenheim, übersetzt von Selig Bamberger, Basel 2001, S. 120ff, der Text auf S. 125f. 38 Dabei ist zu beachten, dass das Buch, eine Ausgabe von Avraham Seva, Tzror ha-mor, Venedig 1523, ist, die sich laut einer lateinischen Notiz im Besitz des berüchtigten Wegbereiters des modernen Antisemitismus, Andreas Eisenmenger aus Mannheim, befand. Später scheint das Buch nach Mainz in den Besitz der Familie Schlössinger, Große Bleiche, gelangt zu sein. – Zu dem Buch vgl. Y. Vinograd, Thesaurus of the Hebrew Book, Bd. II: Places of Print, Jerusalem 1993, S. 244 – Venedig # 86 (hebr.).
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Die im Verzeichnis von Róth aufgeführten Fragmente in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz befinden sich heute in der Staatsbibliothek in München. Sämtliche Handschriften dieser Sammlung stammen aus dem Erbe von H. M. Schlobies und sind 1966 für eine symbolische Abgeltung von 1000,- DM an die Bayerische Staatsbibliothek übergeben worden. Bei einer ersten Durchsicht der Einbandfragmente in München hat sich gezeigt, dass sie zu den aus Mainz stammenden Fragmenten zu zählen sind. Die wichtige Handschrift Mainz Akademie der Wissenschaften und der Literatur Nr. 101 ist heute Handschrift München Bayerische Staatsbibliothek Cod. hebr. 454 – ein längeres Fragment des „Siddur Rashi“ in ashkenazischer Schrift, welches aus dem 14. Jahrhundert stammen dürfte.39
b) Trier Die Anzahl der Fragmente in der Stadtbibliothek Trier40 übersteigt die der in Mainz um ein Vielfaches. Eine einfache Erklärung für diesen Befund gibt es nicht, doch dürfte der Hauptgrund hierfür darin zu suchen sein, dass ein Großteil der bisher gefundenen Trierer Fragmente aus der Bibliothek des Augustinerchorherrenklosters Eberhardsklausen (heute Kreis Bernkastel-Wittlich) stammt, einer abgeschlossenen Sammlung mit eigener Geschichte etwas außerhalb von Trier. Die Entstehung und Zusammensetzung dieser Bibliothek ist zurzeit Gegenstand gründlicher Forschungen.41 Allerdings ist es wohl einer noch näher zu untersuchenden Konstellation von Zufällen zu verdanken, dass so viele hebräische und aramäische Handschriften,
39 Das Fragment ist beschrieben in Róth, Hebräische Handschriften, (wie Anm. 12), S. 181. Es wird zusammen mit einem Kommentar veröffentlicht in: A. Lehnardt, „Siddur Rashi“ und die Halakha-Kompendien aus der Schule Rashis, in: H. Liss, D. Krochmalnik (Hgg.), Raschi: 1105–2005, Heidelberg 2007 (Schriften der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg) (im Druck). 40 Zur Geschichte der Stadtbibliothek Trier vgl. etwa R. Nolden, Zur Gründung der Bibliotheca publica Treverensis, in: Unter der Trikolore. Sous le drapeau tricolore. 1794–1814, hg. von E. Dühr, Ch. Lehnert-Leven, Bd. 1, Trier 2004, S. 497–499. 41 Zur ehemaligen Klosterbibliothek in Eberhardsklausen vgl. den Beitrag von M. Brösch in diesem Band mit der dort genannten Literatur. Vgl. auch die Broschüre von G. Schruff, M. Brösch, Die alte Klosterbibliothek der Augustiner-Chorherren in der Wallfahrtskirche in Klausen, hg. vom Freundeskreis der alten Klosterbibliothek der Augustiner-Chorherren e. V., Wittlich o. J. Siehe auch P. Dohms, Die Geschichte des Klosters und Wallfahrtsortes Eberhardsklausen an der Mosel, von den Anfängen bis zur Auflösung des Klosters 1802, Bonn 1968 (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 104); dann auch H. Finger, Zur Geschichte von Ordens- und Klosterbibliotheken, in: Analecta Coloniensia 4 (2004), S. 35–94, S. 85f. – Für zahlreiche Hinweise auf Eberhardsklausen und die Bibliothek sowie eine Führung durch die Räumlichkeiten danke ich Herrn Brösch.
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ca. 20 zusammenhängende Manuskripte, in der Klausener Bibliothek in Einbänden bewahrt worden sind.42 Als weitere Trierer Provenienzen konnten bislang St. Maximin, St. Matthias und St. Alban identifiziert werden. Dieses Ergebnis wird durch die Auswertung des Katalogs der deutschen und niederländischen Handschriften in der Stadtbibliothek Trier, der Signaturenkonkordanz der mittelalterlichen Handschriften der Stadtbibliothek Trier von Reiner Nolden (Trier 1998) und der Signaturenkonkordanz der Inkunabelsammlung von Ernst Vouilleme (1910) gestützt.43 Auch die Verfolgung von dislozierten Bänden anhand der Liste von S. Krämer über Eberhardsklausen ergibt kein anderes Bild.44 Selbst die wenigen Fragmente, die bislang in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier gefunden wurden, kommen ursprünglich wohl alle aus Eberhardsklausener Einbänden.45 Einige Fragmente im Landeshauptarchiv Koblenz, die in Bänden aus dem Augustiner-Chorherrenstift Niederwerth entdeckt wurden, könnten aufgrund der Verbindungen mit Klausen ebenfalls aus der Klausener Bibliothek stammen.46 Unter den mittlerweile neu aufgefundenen Fragmenten in der Trierer Stadtbibliothek sind wiederum einige Fragmente Talmud Bavli (Abb. 6)47 zu finden; ebenso fand sich dort das bekannte Stück des bereits von Bassfreund publizierten Midrash Tan-
42 Dabei deutet bislang nichts darauf hin, dass in Klausen je Juden gelebt haben oder besondere antijüdische Tendenzen in der Theologie der Augustiner-Chorherren zu einer verstärkten Verwendung von hebräischen Einbandmaterialen beigetragen hätten. Zwar finden sich unter den Eberhardsklausener Handschriften Beispiele für antijüdische Predigten (vgl. etwa Hs. 1289/561 8°; Bushey [wie Anm. 43], S. 212, S. 215), doch lassen sich daraus keine Rückschlüsse auf eine speziell antijüdische Haltung ziehen, die auch die vermehrte Verwendung von hebräischen Handschriften erklären würde. 43 Vgl. B. C. Bushey, Die deutschen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier bis 1600, Wiesbaden 1996, S. 435 (Personen-, Orts- und Sachregister s. v. „Hebräische Texte“). 44 Siehe S. Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, Teil 1 Aachen – Kochel, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband I, München 1989, S. 178ff. 45 Vgl. M. Embach, Unbekannte Frühdrucke aus der Bibliothek der Augustiner-Chorherren Eber hardsklausen, in: 500 Jahre Wallfahrtskirche Klausen, hg. von M. Persch, M. Embach, P. Dohms, Mainz: Selbstverlag der Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte 2003, S. 351– 381. [Mit Farbfotos der Fragmente des Sefer Teruma und Fragmente des Targum Onkelos zu Lev 17–20 in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier, die ursprünglich aus Klausen stammen]. 46 Vgl. S. Krämer, Handschriftenerbe (wie Anm. 44), S. 179; dann auch Ch. Meckelnborg, Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz (wie Anm. 23). 47 Die Seite zeigt einen Abschnitt aus einem vier Seiten umfassenden Fragment des Babylonischen Talmud, Traktat Ketuvot, Folio 50a–54b.
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huma (Abb. 7).48 Einen bedeutenden Anteil unter den Fragmenten in Trier nehmen wiederum die liturgischen Dichtungen (Piyyutim) ein. Bemerkenswert ist das in mehreren Blättern erhaltene Manuskript eines Sefer Teruma, verfasst von Barukh ben Yizthaq von Worms (gest. 1211)49, von dem bei der andauernden Suche mit den Hilfskräften50 weitere Blätter und Abklatsche einiger bereits herausgelöster, aber schlecht lesbarer Fragmente gefunden werden konnten.51 In Klausen selbst, wo sich nur noch wenige Bücher der einst viel umfangreicheren Bibliothek finden52, konnten bei einer ersten Suche ebenfalls Fragmente aus demselben Manuskript des Sefer ha-Teruma, des „Buches der Weihegabe“, gefunden werden. Nach Auskunft von M. Brösch ist jedoch in Klausen darüber hinaus mit keinen nennenswerten neuen Funden mehr zu rechnen, da die jetzt noch dort befindlichen, nicht erschlossenen und restaurierten Bücher aus späterer Zeit als der infrage kommenden stammen, in der Bücher in Handschriften eingebunden wurden, also zwischen dem 13.–17. Jahrhundert.
IV. Ausblick Aus dieser vorläufigen Bestandaufnahme ergeben sich weiterführende Fragen für die Erforschung der hebräischen und aramäischen Einbandfragmente in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus. Zunächst muss die Sammlung und Katalogisierung der Fragmente vorangetrieben und abgeschlossen werden. Im Zuge der Erfassung soll dabei stärker als bisher berücksichtigt werden, in welchen Kontexten die Fragmente erhalten geblieben sind. Was bei der bisherigen Katalogisierung von Fragmenten nicht berücksichtigt wurde, nämlich die Provenienz zu erfassen, könnte weitere Aufschlüsse darüber geben, woher die hebräischen Handschriften kamen, von wem sie angefertigt wurden und wer sie schließlich nicht-jüdischen Besitzern, auf welchem Weg auch immer, überlassen musste. Auf diese Weise könnten sich die eben nur scheinbar so
48 Vgl. Bassfreund, Über ein Midrash-Fragment, S. 174f., wo dieses Stück als Fragment B. Spalte 1–2 aus Midrash Tanhuma, ed. Buber, S. 10b –11a (parashat wa-ere § 6–7) publiziert ist. 49 Zum Autor dieses Werkes vgl. S. Emanuel, Biographical Data on R. Baruch b. Isaac, in: Tarbiz 69 (1990), S. 423– 440 (hebr.) – demnach kann nicht mehr als gesichert gelten, dass Rabbi Barukh bar Yitzhaq je in Worms gewirkt hat. Die sefardische Tradition weiß nur etwas von seinem Aufenthalt in Frankreich, hauptsächlich in Paris. 50 An dieser Stelle danke ich für ihre Hilfe bei der staubigen Suche Frau Marina Shcherbakova und Herrn Dominic Harion. Herrn Dr. Nolden danke ich für zahlreiche Suchtipps und Hinweise zu Provenienzen. 51 Zur hohen Qualität des Trierer Sefer Teruma im Vergleich zum Druck Venedig 1523 siehe bereits Róth, Hebräische Handschriften (wie Anm. 12), S. 391. Eine genauere Analyse dieser Handschrift ist ein Desiderat. 52 Vgl. dazu etwa Brösch, Der historische Bibliothekssaal, in diesem Band.
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unwichtigen Schnipsel und Makulaturen als interessante Quelle für die Rekonstruktion der alten und reichen jüdischen Schriftkultur in der Rhein-Mosel-Region herausstellen. Die Fragmentenforschung könnte somit auch einen wichtigen Beitrag zur hebräischen Paläographie leisten, die in den vergangenen Jahren durch umfassende Projekte wichtige Anstöße erhalten hat.
Abb. 1: Babylonischer Talmud, Traktat Pesachim, Fol. 69a–b.
Hebräische und aramäische Einbandfragmente in Mainz und Trier
Abb. 2: Piyyutim aus der Festtagsliturgie des Morgengebets am Versöhnungstag, Yom Kippur. Vgl. D. Goldschmidt, Mahzor le-Yamim Nora=im, Bd. 1, Jerusalem 1970, S. 193.
Abb. 3: Midrash Tanhuma, ed. S. Buber, Warschau 1885, S. 27a–28a (Parashat Noah § 24-27).
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Abb. 4: „Ezrakhi me-ever ha-yarden“, eine anonyme undatierte Seliha, die 4. in der ashkenazischen Selihot-Folge für die zehn Bußtage.
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Abb. 5: „Ansikha malki“, ein Piyyut zu Rosh ha-Shana. Vgl. D. Goldschmidt, Machsor le-Yamim Nora`im, Bd. 1, Jerusalem 1970, S. 237.
Abb. 6: Babylonischer Talmud, Traktat Ketuvot, Fol. 50a–54b.
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Abb. 7: Midrash Tanhuma, ed. S. Buber, Warschau 1885, S. 10b–11a (Parashat Wa-ere § 6–7).
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Bericht über den Stand der Katalogisierung der Echternacher Handschriften in Luxemburg
Der Plan einer Reihe ‚Die mittelalterlichen Handschriften des Großherzogtums Luxembourg‘ Für das Jahr 2007 ist im Harrassowitz Verlag Wiesbaden die Veröffentlichung des Katalogs der Handschriften vorgesehen, die zum Bestand der früheren Abtei Echternach gehörten und heute in der Bibliothèque Nationale von Luxemburg (BnL) aufbewahrt werden. Die Beschreibung dieser Handschriften wurde im Herbst 2001 im DFG-Handschriftenzentrum in Frankfurt begonnen. Ich muss hier nicht auf die allgemeinen Prinzipien eingehen, nach denen die deutschen Kataloge seit einem halben Jahrhundert hergestellt werden und die auch für die unter Federführung der BnL be schriebenen Luxemburger Handschriften gelten. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass das Luxemburger Projekt nach der Methode der Tiefenerschließung begonnen wurde und noch nicht den neuerdings angewendeten Kriterien der Kurzkataloge unterliegt. Die geplante Reihe lehnt sich an die Geschichte der Luxemburger Bestände an, die im Großen und Ganzen auf die Säkularisation des Régime Français zurückgehen. Der Arbeitstitel des ersten Bandes lautet: ‚Die Echternacher Handschriften bis zum Jahr 1628, einschließlich der Echternacher Bestände in den Bibliotheken der Archives Nationales, der Section historique de l’Institut Grand-Ducal und des Séminaire de Luxembourg‘. Zwei weitere Bände sind vorgesehen, von denen der erste den Handschriften aus der früheren Abtei Orval gewidmet sein und der zweite die kleinen und unbestimmbaren Provenienzen zum Inhalt haben wird. Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens wurde beschlossen, sich an dem Datum der jüngsten Echternacher Handschrift, die sich noch in der BnL befindet, zu orientieren. Diese Handschrift stammt aus der Amtszeit von Abt Petrus Richardotus (1609–1628)1, einer Periode, die in der Geschichte der Abtei mit dem Ende des kulturellen Einflusses der spanischen Niederlande zusammenfällt. Somit wurde das Jahr 1628 als Endpunkt für die gesamte Sammlung bestimmt. Bezüglich des zweiten Bandes entspricht 1 BnL, Ms 230 und Ms 232.
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das Jahr 1628 dem Todesjahr von Bernard von Montgaillard, einem der herausragendsten Äbte in der Geschichte der Abtei Orval. Im übrigen stammt das jüngste Manuskript aus Orval in der BnL etwa aus dem Jahr 16232. Der dritte Band wird, wie schon erwähnt, die kleinen Provenienzen enthalten. Hierunter sind vier Bestände besonders hervorzuheben, die entweder vollständige Handschriften oder aber eine große Zahl gedruckter Werke mit Handschriftenmakulaturen enthalten. Es handelt sich um die Benediktinerabtei Münster, die 1543 vollständig verbrannte, sowie um die Luxemburger Niederlassungen der Dominikaner, Franziskaner und Jesuiten. Keiner dieser Bestände weist einen zusammenhängenden mittelalterlichen Kern auf. Auch in diesem Fall scheint eine Zäsur, die im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts ein setzt, in der Sache begründet zu sein. So stirbt etwa Petrus Roberti, der für die Abtei sehr bedeutend war, im Jahr 1633 – zur gleichen Zeit, in der Christophe Wiltheim die Stipendien des Jesuitenkollegs zur Verfügung stellte. Der ursprüngliche Plan, nach dem üblichen Vorgehen der DFG nur die Bestände einer einzelnen Bibliothek, nämlich der BnL, zu beschreiben, wurde bald aufgegeben und das Netz über ganz Luxemburg ausgeworfen – mit Ausnahme der Bibliothek der Benediktinerabtei Clervaux, deren Handschriftenkatalog noch in diesem Jahr erscheinen soll3. Außer in der BnL sind in Luxemburg noch in drei anderen Sammlungen Echternacher Handschriften vorhanden: in den Archives Nationales, in der Section historique de l’Institut historique de l’Institut Grand-Ducal und im Séminaire de Luxembourg. Als singulärer Bestand findet sich in den Archiven der früheren Pfarrkirche von Echternach ein Fragment eines Missale aus dem 14. Jahrhundert. Es diente als Einband für ein Register. Ausschlaggebend für die Berücksichtigung im Katalog war das Kriterium, ob ein Band oder ein Fragment irgendwann im Laufe seiner Geschichte, wenn auch nur kurz, in der Bibliothek von Echternach nachgewiesen war. Das zweite Kriterium für die Aufnahme einer vor 1628 entstandenen Handschrift betraf die Entscheidung, ob es sich um Bibliotheksgut oder Archivmaterial handelte. Die 750 Echternacher Urkunden und Abschriften sowie etwa 40 Urkundenbücher und weiteren Sammlungen sind nicht aufgenommen worden, mit Ausnahme von zehn Bänden, die einen gemischten Inhalt besitzen. Die Forschungsliteratur zu den Echternacher Quellen fließt sehr reichhaltig für die früheste Zeit, jedoch sehr unvollständig für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit. Es fehlt eine übersichtliche bibliographische Darstellung der Quellen, wie sie dem Historiker z. B. in der ‚Germania Benedictina‘ oder dem ‚Monasticon belge‘ zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde habe ich beschlossen, einleitend zum Katalog ein Quellenverzeichnis vorauszuschicken, in dem die verschiedenen Texte nach ihren
2 BnL, Ms 173. 3 J. Mallet, A. Thibaut, Catalogue des manuscrits de l’abbaye de Clervaux (Bibliotheca manuscripta monas-teriorum Belgii 2), Turnhout 2006.
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Gattungen aufgelistet sind, wie sie bis zum Ende der Amtszeit von Abt Petrus Richardotus vorhanden waren. Dieses Verzeichnis listet zunächst die prosopographischen Quellen auf, d. h. die Abtslisten, Obituarien, die Liste der Mönche sowie Verbrüderungsverzeichnisse. Eine zweite Kategorie benennt die historischen Quellen. Hierauf folgen Listen von Gütern, namentlich von Nachlassinventaren, Reliquien und Bücherverzeichnissen sowie wissenschaftlichen Reisen. Die jeweiligen Quelle wurde nur dann genannt, wenn ein direkter Zusammenhang mit der Nennung einer Handschriften erkennbar war. Die dritte Kategorie, die Auflistung der Urkundenbücher, ist etwas origineller in der Darstellung. Sie enthält die erst kürzlich zusammengestellte Konkordanz der mittelalterlichen ‚Liber 1‘ bis ‚Liber 36‘ mit den heutigen Signaturen. Die Aufstellung dieser Konkordanz war nur möglich auf Grund eines bis heute unbearbeiteten Registers, das der Archivar Petrus Zandt 1670 zusammengestellt hatte; wobei entscheidend ist, dass Zandt nicht nach den Originalen, sondern nach den Urkundenbüchern gearbeitet hatte4. Das Werk von Petrus Zandt ermöglicht es, zehn Urkundenbücher zu rekonstruieren, die bis heute nicht aufzufinden sind. Eine letzte Kategorie der einleitenden Übersicht beinhaltet die Einnahmen- und Ausgabenverzeichnisse, sofern diese sich auf den Kauf von Handschriften oder von Büchern beziehen. Alles in allem wird der Katalog Beschreibungen von 87 Handschriften (60 aus der BnL, 12 aus den Archives Nationales, 12 aus der Section historique de l’Institut Grand-Ducal und drei aus dem Séminaire de Luxembourg) und 16 handschriftlichen Notaten in gedruckten Büchern, etwa Widmungsbriefe oder andere handschriftliche Glossen, enthalten. Die Frage nach den 148 Fragmenten war schwerer zu klären. Mit Hilfe von JeanLouis Alexandre, einem Experten, der an mehreren Katalogen mittelalterlicher Einbände in französischen Bibliotheken mitgearbeitet hat, war es möglich festzustellen, welche Einbände in Echternach selbst hergestellt worden waren. Dadurch konnte die Frage geklärt werden, ob die in diesen Einbänden enthaltenen Handschriftenmakulaturen irgendwann einmal zur alten Klosterbibliothek gehört hatten. Es versteht sich von selbst, dass von einem methodologischen Standpunkt aus die 45 in dem Archivmaterial oder in den Echternacher Handschriften verwendeten Fragmente eine ausschlaggebende Rolle für die Zuschreibung der Einbände an verschiedene Echternacher Werkstätten spielten. Ein weiteres Kriterium für das Auseinanderlösen einer mittelalterlichen Handschrift zum Zweck einer weiteren Verwendung in Echternach bestand in der Zusammenfügung von membra disjecta, die in Dokumenten verschiedener Zeiten enthalten waren. Viele Fragmente konnten auf diese Weise Echternach zugewiesen werden; sie werden in einem zweiten Teil des Kataloges beschrieben. Diese Fragmente sind thematisch angeordnet und nicht, wie im ersten Teil, nach Standsignaturen aufgeführt. Letztendlich werden alle Fragmente, die nicht der Echternacher Werkstatt zugeordnet werden können, in einem eigenen Eintrag behandelt. 4 Archives Nationales, A-XXIX-28a.
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Die Geschichte der Säkularisation der Echternacher Bestände fällt für die Handschriften und für die gedruckten Werke unterschiedlich aus. Da sich der Katalog mit den Überlieferungen beider Textgruppen auseinandersetzt, scheint es sinnvoll, sie unterschiedlich zu beschreiben. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert steigt die Zahl der Handschriften – im Gegensatz zu den gedruckten Werken – kaum an. Der Katalog von 1756 führt 155 Handschriften und etwa 4.400 Druckwerke auf, wobei die liturgischen und die medizinischen Bücher in diesen Zahlen nicht enthalten sind. Dem steht entgegen, dass während der Säkularisation kaum Handschriften verloren gingen. Ihre Zahl beläuft sich auf 19. Demgegenüber erhielten die Echternacher Mönche, als sie 1794 für kurze Zeit in die Abtei zurückkehrten, lediglich 1.500 gedruckte Werke zurück. Von diesen 1.500 Büchern ist heute noch etwa die Hälfte erhalten. So gesehen entsprechen die beschriebenen Fragmente bestenfalls einem Sechstel dessen, was in Echternach vorhanden gewesen sein muss.
Geschichte der Echternacher Bestände Die Bibliothek bis zum 18. Jahrhundert Es existiert kein mittelalterlicher Bibliothekskatalog von Echternach. Auf Grund dieser Tatsache ist es sehr schwierig, Genaueres über die Entwicklung der Sammlung im Mittelalter auszusagen. Im Gegensatz zu der von Camille Wampach vertretenen Auffassung ist man heute der Meinung, dass die Abtei Echternach von den Plünderungen durch die Wikinger unberührt blieb, ein Befund, der sich hauptsächlich auf Grund der im Vergleich zu St. Maximin höheren Zahl vorkarolingischer und karolingischer Handschriften einstellt. Wenn man von den Schenkungsvermerken, die keine spezifisch bibliothekarische Absicht verraten, absieht, gibt es nur wenige frühe Besitzeinträge. Zu ihnen gehören etwa die im 12. und 13. Jahrhundert üblichen Fluchformeln. Zwischen dem 12. und dem Beginn des 16. Jahrhunderts lässt sich zudem keine Fluktuation von Büchern oder Archivaliensammlungen feststellen. Erst durch die Einfügung der so genannten ‚Continet-Einträge‘ gerät die Echternacher Bibliotheksgeschichte auf eine sicherere Grundlage5. Eine möglichst vollständige Konkordanz dieser Einträge wird am Ende der Einleitung eingefügt. Es handelt sich um den üblichen Besitzvermerk ‚Liber monasterii sancti Willibrordi in Epternaco‘, der von einer Formel begleitet wird, die mit dem Wort ‚Continet‘ beginnt und eine kurze Inhaltsbeschreibung enthält. An dritter Stelle steht eine alpha-numerische Signatur. Dieses aus drei Teilen bestehende Ganze
5 R. Nolden, Zu den Continet-Einträgen in den Echternacher Handschriften in Trier, in: Analecta Epternacensia. Beiträge zur Bibliotheksgeschichte der Abtei Echternach, hg. von L. Deitz und R. Nolden, Luxemburg 2000, S. 71– 82.
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erscheint, abgesehen von einigen seltenen Ausnahmen, entweder auf dem Vorsatzblatt oder auf dem ersten Blatt einer jeden Handschrift oder eines jeden zwischen 1506 und 1508 gedruckten Werkes. Ab dem Jahr 1507 scheint der ‚Continet-Eintrag‘ von einer anderen Hand geschrieben worden zu sein. Ab 1509 ist wahrscheinlich das Interesse des Bibliothekars an Inhaltsangabe und Signaturen geschwunden. Ich werde in der Einleitung genau darlegen, auf welche Weise der Echternacher Bibliothekar um 1511 oder 1514 die Signaturen eines Teils der Sammlung geändert hat. Die Ordnung der Archive fand etwa 20 Jahre nach der Errichtung der Bibliothek statt. Man verbindet den Namen Willibrod Schram, dessen Hand zwischen 1529 und 1543 auftaucht, mit einem Register, das alle Originalakten nach einem ebenfalls alpha-numerischen System anordnet, wobei jeder Buchstabe von ‚A‘ bis ‚P1‘ und ‚P2‘ entweder einer systematischen oder geographischen Gruppe zugeschlagen wird6. Man kann allerdings nicht mit Sicherheit behaupten, dass Willibrord Schram der Urheber dieses Systems ist, da die erste Fassung des Registers um 1524/25 entstanden ist7. Schram war auch derjenige, der alle so zusammengestellten Archivalien in Urkundenbücher übertragen hat. Hier lässt sich davon ausgehen, dass die Rückensignaturen, die sich auf den Originalen befinden, von seiner Hand stammen. Doch ist Willibrord Schram nicht der Urheber der Signaturen der Echternacher Urkundenbücher ‚Liber 1‘ usw., da dieser Schritt erst am Ende des 16. Jahrhunderts, wahrscheinlich vom Archivar Matthias Dron, vorgenommen wurde. Zwischen Robert von Monreal im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und dem Zeitpunkt, als der erste vollständig erhaltene Katalog der Handschriften und gedruckten Werke im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zusammengestellt wurde, scheint es keinerlei bibliothekarische Interessen gegeben zu haben. Obwohl der Reichtum der Handschriftensammlung so außergewöhnlich groß war, haben nur wenige Gelehrte uns einen Bericht von einem Besuch in der Abteibibliothek hinterlassen. Diese Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert entspricht zweifellos dem Niedergang der Handschriftenbibliothek, und man muss davon ausgehen, dass die meisten Verluste während dieser Zeit und nicht während der französischen Revolution eintraten. Die 127 handschriftlichen Teile, die einen ‚Continet-Eintrag‘ besitzen und zwischen 1506 und 1508 eine Signatur hätten erhalten haben können, sind weit davon entfernt, die Gesamtheit einer Bibliothek abzudecken, deren Regale A bis I und K beweisen, dass sie jeweils 25 bis 30 Bände beherbergen konnten. Für 12 Regale musste man demnach mit 300 bis 360 Bänden rechnen, wenn jedes Regal eine vergleichbare Zahl an Büchern trug. Selbst wenn man davon ausgehen kann, dass eine große Mehrzahl davon aus Handschriften bestand, wäre die Angabe einer genauen Zahl pure Speku-
6 Anonyme Ausgabe in: Publications de la Section Historique 52/1911, S. 412–478. 7 Trier StB 1730/442, Bl. 1r, 2r–4v, 8r–9v, 10r–16v, nach dem 31.03.1524 und vor dem 13. 07. 1525, s. R. Nolden, Kodikologische Beschreibung der Echternacher Handschriften in Trier, in: Ana lecta Epternacensia, S. 64–65.
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lation, zumindest gemessen an der statistisch hohen Zahl verlorener Druckwerke, die sich auf etwa fünf Sechstel der im Jahr 1756 beschriebenen Bücher beläuft.
Die Bibliothek um 1756 Der erste Katalog der Echternacher Handschriften und gedruckten Werke wurde kurz vor 1756 verfasst.8 Hierbei fällt auf, dass der Bibliothekskatalog etwa zeitgleich mit dem Archivalienkatalog von 1767 entstanden ist, in dem alle Originalurkunden ebenfalls nach ‚loculumenta‘ angeordnet sind9. Ein Anhang zu dem Bibliothekskatalog bietet eine weitgehende Wiederherstellung der Bibliothek gemäß der Anordnung in fünf ‚loculumenta‘, Regalen mit jeweils 25, 27, 26, 34 und 32 Bänden und einer Ordnungszahl, nicht aber einer individuellen Bandsignatur. Elf weitere Bände werden keinem ‚loculumentum‘ zugeordnet. So kommt man auf eine Gesamtsumme von 155 Handschriften. Die gesamte Bibliothek, sowohl die 4.400 Drucke als auch die 155 Handschriften, folgte diesem Ordnungssystem, wobei jede der 18 thematischen Kategorien, von denen die Manuscripta jeweils nur einen Teil darstellten, einem einzelnen Schrank mit elf Regalen entsprach. Von den 155 Handschriften sind bis heute 19 nicht wieder auffindbar, was darauf hindeutet, dass nicht viele neue Entdeckungen zu erwarten sind. Es bleiben allerdings vier Gesichtspunkte, die man nicht aus den Augen verlieren darf und auf die ich im Folgenden kurz eingehen möchte.
A. Bände, die bereits vor 1756 nicht mehr in der Bibliothek waren: Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurden die Wiegendrucke und die Postinkunabeln, die einen ‚Continet-Eintrag‘ trugen, zu den anderen Druckwerken gestellt. Gleichwohl fehlt ein Band mit dem ‚Continet‘ aus den Jahren 1506–1508 in der Bibliothek von 1761. Es handelt sich um eine Handschrift des Regino von Prüm, die der Abtei ausgeliehen worden war und im 16. Jahrhundert wieder nach Prüm zurückkehrte.10 Die karolingische Summe medizinischen Inhalts, durch deren Textverlust das ‚Continet‘ für uns verloren ist, verschwand zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem Besuch von Martène und Durand in den Jahren 1724 und 1756, da sie im Katalog nicht aufgeführt wird.11
8 Luxemburg, Section historique de l’Institut Grand-Ducal, Abt. 15 Ms 279. Ausg. der Rubrik ‚Manuscripta‘ (Bl. 7r–12v) bei Schroeder, Bibliothek und Schule der Abtei Echternach um die Jahrtausendwende (PSH 91), Luxembourg 1977, S. 360–367. 9 Luxemburg, Archives Nationales, A-XXIX-29, 2 Bde. 10 Trier StB 1286/43, s. Nolden, Zu den Continet-Einträgen (wie Anm. 5), S. 81–82. 11 Paris, BnF lat. 11219.
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B. Bände, die in den Archiven aufbewahrt wurden: Bereits im 16. Jahrhundert wurde der ‚Liber aureus‘ von den Bibliotheksregalen herunter genommen und mit einer Archivsignatur, nämlich ‚Liber 2‘, versehen.12 Mithin ist diese Handschrift im Katalog von 1756 nicht mehr enthalten. Kein anderes der 36 Libri, die Petrus Zandt um 1670 erwähnt, scheint in die Bibliothek des Ancien Régime überführt worden zu sein. Ein Beispiel für eine spätere überführung ist die Handschrift A-XXIX-24b der Archives Nationales, die sich zumindest während der Zeit der Revolution im Bestand der Archivaliensammlung befand.
C. Bände, die mit den Druckwerken aufbewahrt wurden: Der ungewöhnlichste Fall befindet sich in der Seminarbibliothek in Luxemburg. Es handelt sich um eine Handschrift, die zum Teil von Johannes Bertels und einem Mitarbeiter geschrieben wurde und den ‚Tractatus de origine et processu et constitutione Treveris‘ enthält.
D. Lücken des Katalogs von 1756: Die Lücken im Katalog von 1756 können mit Hilfe der Auflistung von 1798/1799 gefüllt werden, die sich im Anhang zu dem ersten noch unveröffentlichten Katalog der Ecole centrale de Luxembourg befindet13. Diese Liste erlaubt es, den durch den Katalog von 1756 bekannten Handschriften weitere 19 Handschriften hinzuzufügen. Diese Aufstellung enthält, im Gegensatz zu der aus dem Jahr 1756, auch die liturgischen Bücher und die Prachthandschriften und ist deshalb von grundlegender Bedeutung für alle Bände des 16. bis 18. Jahrhunderts.
12 Gotha ForschungsB Membr. I 71, Bl. 4r–125v, Haupthände um 1200. Beschreibung von Wampach, Grundherrschaft, Bd. 1, S. 67–79. 13 Luxemburg, Section historique de l’Institut Grand-Ducal, Abt. 15 Ms 213.
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Die Bibliothek am Ende des 18. Jahrhunderts Vor der Zeit von 1798/1799 traten sehr große Verluste ein. Im Jahre 1796 etwa ließen die Mönche mehrere Handschriften im Stift St. Peter zu Erfurt zurück, wo sie sich im Exil aufhielten. Maugérard machte Herzog Ernst II von Niedersachsen den Vorschlag, diese Handschriften zu erwerben14. Auf diese Weise gelangte eine Reihe von Handschriften, von denen die drei kostbarsten nicht im Katalog von 1756 enthalten sind, nach Gotha. Es sind dies: der ‚Liber aureus‘15, der als Archivband galt, der ‚Codex aureus‘16, und der ‚Thiotfrid-Codex‘17. Letztere waren zweifellos in einer gesonderten Schatzkammer aufbewahrt worden. Maugérard spielte auch eine tragende Rolle beim Verkauf des ‚Evangeliars von Augsburg‘, eine Transaktion, die zu einem unbestimmten Zeitpunkt zwischen 1785 und 1790 stattfand.18 Auch Franz Joseph Müller kommt eine wichtige Funktion bei der Zerstreuung der Echternacher Handschriften und Archivalien auf einem einheimischen Markt zu.19 Demgegenüber weiß man nicht genau, wie der Trierer Sammler Hermes seine Echternacher Handschriften erwarb.20 Der ‚Stuttgarter Psalter‘ schließlich, der im Katalog von 1756 nicht beschrieben worden war, wurde von dem Antiquar Graasch an Baron Hüpsch verkauft.21 Zwei Handschriften sind auf unbekanntem Weg nach London und Trier gelangt.22 Der
14 L. Traube, R. Ehwald, Jean Baptiste Maugérard. Ein Beitrag zur Bibliotheksgeschichte, in: L. Traube, Palaeographische Forschungen, Bd. 3 (Abhandlungen d. Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss. Hist. Klasse, 32/2), München 1904, S. 303–387. 15 Gotha ForschungsB Membr. I 71. 16 Nürnberg GNM 156142, früher I 19 von Gotha, s. R. Kahsnitz, Das goldene Evangelienbuch von Echternach. Codex Aureus Epternacensis Hs. 156142 aus dem Germanischen Museum Nürnberg, Kommentarband, Frankfurt 1982. 17 Gotha ForschungsB Membr. I 70. 18 Augsburg UB I.2.4°2 und St. Peter im Schwarzwald, Erzbischöfliches Priesterseminar Ms 25, Faksimile bei O’Cróinín, Evangeliarium Epternacense (Universitätsbibl. Augsburg, Cod. I.2.4° 2), Evangelistarium (Erzbischöfliches Priesterseminar St. Peter, Cod. ms. 25) (Codices illuminati medii aevi 9), München 1988. 19 Trier Dombibl. Nr. 257 und Trier StB 64/1679. 20 Trier StB 843/120, Trier StB 1378/103, Trier StB 1093/1694. Biographie von Hermes in: Neuer Nekrolog der Deutschen, 11/1833, S. 142–146. über die Vermittlung von Michael Klotten, s. H. Schiel, Die Auflösung der Trierer Klöster- und Stiftsbibliotheken und die Entfremdung von Trierer Handschriften durch Maugérard, in: Armaria Trevirensia, Wiesbaden 1985, S. 92–114 (hier S. 97). 21 Stuttgart LB Bibl. Fol. 12a–c, s. A. Dold, Lichtbildausgabe des Stuttgarter altlateinischen Unzialpsalters, Beuron 1936. 22 London, BL Add. 18700 und Trier Priestersem. 224.
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Zeitpunkt, an dem das Sakramentar von Darmstadt Echternach23 verließ, mag in spätere Zeit als die Jahre 1798/1799 fallen. Die Auflistung von 1798/1799 zeigt ex silentio, dass diese Handschriften nicht mehr Teilbestand jener Sammlung waren, die seit 1798 in der ‚Ecole Centrale‘, im späteren ‚Athénée de Luxembourg‘, aufbewahrt wurde. Diese Sammlung erlitt ihren größten Verlust 1802 wiederum durch Jean-Baptiste Maugérard. Die französische Regierung hatte Maugérard zum Commissaire du Gouvernement pour la recherche des sciences et des arts in den vier ‚Départements de la rive gauche du Rhin‘ ernannt. In dieser Funktion wählte Maugérard 84 Handschriften in Luxemburg aus, um sie nach Paris zu transferieren; von ihnen stammten 81 aus Echternach und 3 aus Orval.24 In diesem Zusammenhang hat man bis heute nicht beachtet, dass die Verzeichnung von 1798/1799 einige Handschriften, die nach Paris verlegt werden sollten, mit dem Vermerk ‚pris‘ versehen hatte. Nun ist dieses Dokument vor dem Abtransport der Handschriften nach Paris entstanden. Der Vermerk ‚pris‘ bezieht sich nicht auf alle ‚Pariser‘ Handschriften, so dass man den Eindruck gewinnt, dass die Auswahl willkürlich getroffen wurde. Andererseits gibt es zehn ‚Pariser‘ Handschriften, und man weiß nicht, warum gerade diese und nicht andere, die bereits nicht mehr in der Sammlung enthalten waren, mit dem Vermerk versehen wurden. Das Zögern scheint im Übrigen bis zum Ende angehalten zu haben. So sieht man, wenn man beide Fassungen der Quittung, die H. Degering herausgegeben hat,25 miteinander vergleicht, dass ursprünglich der Band mit den ‚Enarrationes in psalmos‘, heute Ms 109, an Stelle der heutigen Paris BNF lat. 9533 ausgewählt werden sollte. Zwischen 1802 und der knappen Liste, die N. Clasen im Jahr 1846 veröffentlicht hat,26 kann die Geschichte der Handschriftensammlung nur mit Hilfe solcher Statistiken beschrieben werden, wie sie Bibliographen zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufzustellen pflegten. Zwischen 1846 und dem ersten wissenschaftlichen Katalog der Luxemburger Handschriften von N. Van Werveke im Jahr 189627 hat man den Verlust von fünf Luxemburger Handschriften zu beklagen. Hierunter befanden sich zwei
23 Darmstadt LB 1946, Faksimile bei K. H. Staub, P. Ulveling, F. Unterkircher, Echternacher Sakramentar und Antiphonar. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Original-Format der Hs. 1946 aus dem Besitz der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, 2 Bde., Graz – Luxemburg, 1982. 24 Lit. bei J.-C. Muller, ‚faites-moi la grâce de ne pas dédaigner mon envoi‘: Réquisitions de manuscrits et trafic d’incunables à Metz, à Luxembourg et au pays de Trèves par Jean-Baptiste Maugérard sous le Consulat, in: Hémecht, 52/2000, S. 5–80. 25 H. Degering, Handschriften aus Echternach und Orval in Paris, in: Aufsätze Fritz Milkau gewidmet, Leipzig 1921, S. 48–85. 26 N. Clasen, Catalogue des livres et des manuscrits de la bibliothèque de Luxembourg par ordre alphabétique des matières, Luxembourg 1846, S. 254–256. 27 N. Van Werveke, Catalogue descriptif des manuscrits de la bibliothèque de Luxembourg, Lu xembourg 1894.
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Echternacher Handschriften, von denen eine 175628 und die andere 179929 erwähnt wird. Eine Handschrift stammt aus der Bibliothek von Orval; sie liegt heute in Durham30. Die Provenienz der beiden verbleibenden Handschriften kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden31.
Geschichte der Echternacher Druckbestände Wie bereits erwähnt, ist ein großer Teil der um 1756 erwähnten 4.400 Druckwerke endgültig verloren gegangen, da Franz Joseph Müller 1794, als die Mönche für kurze Zeit in die Abtei zurückkehrten, ihnen nur 1.500 Bände zurückerstattete, wobei er sich auf die Auswahl derjenigen Titel beschränkte, die in seinen Augen die kostbarsten waren.32 Des Weiteren ist festzustellen, dass während der ersten Jahre der ‚Bibliothèque de l’Athénée de Luxembourg‘, einer Institution, die die im Jahre 1756 säkularisierten Bestände geerbt hatte, das Interesse an Theologie und Ordensgeschichte eher gering war. Auf Grund der hohen Verluste ist unmittelbar einleuchtend, dass die 80 Fragmente, die im Katalog beschrieben werden, nur ein Bruchteil jener Fragmente darstellen, die mit der Echternacher Buchbinderwerkstatt in Verbindung gebracht werden können.
28 ‚Porphyrii Isagoge in cathegorias Aristotelis. Man. sur vélin, du 14e siècle. 1 vol. in-8o‘, s. Clasen (wie Anm. 26), S. 260. 29 ‚Antiphonale. Man. sur vélin, du 13e siècle. 1 vol. in-12o‘, s. Clasen (wie Anm. 26), S. 255. 30 Durham, Cath. B.III.33. 31 ‚Lectiones in vetus et novum testamentum. Man. sur vélin, du 13e siècle. 1 vol. in-4o‘ und ‚Clementis XII. Revocatio diversarum facultatum romanis pontificibus per eorum vivae vocis oraculum, vel rescripta concessarum, Romae 1732. 1 vol. in-4o‘, s. Clasen (wie Anm. 26), S. 259 und S. 262. 32 Trier Priestersem. Ms. 40/10 Abt. 95, Nr. 340, Bl. 352–376.
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Europa in der Bibliothek Eine Feldstudie am mittelalterlichen Trier
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In dieser Projektskizze soll durchgespielt werden, welche kulturgeschichtlichen Fragestellungen an die Trierer mittelalterlichen Bibliotheksbestände relevant sind, speziell auch unter dem Aspekt „Wissensräume“, der das Thema des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Mainz-Trier (HKFZ) bildet. Trier, die älteste Stadt Deutschlands, war schon in der Antike ein geistiges und geistliches Zentrum,2 zeitweise sogar Kaiserresidenz. Noch in den um 1101 entstandenen Gesta Trevirorum feierte man sich als ein zweites Rom, wenn man auch de facto seit der Reichsteilung von Verdun zunehmend in eine Randlage abdriftete. Es ist zu erwarten, dass sich diese spezielle politisch-geographische Lage in ihrem Wandel auch im geistigen Leben der jeweiligen Epoche niederschlägt, das wiederum ablesbar ist in Triers mittelalterlichen Bibliotheken, dem Untersuchungsgegenstand dieses Projektes. Dabei stehen wir vor einem Problem: Keine der alten Trierer Bibliotheken ist uns heute auch nur einigermaßen vollständig erhalten. Vor allem Revolutionskriege und Säkularisation haben ihnen den Garaus gemacht. Glücklicherweise ist aber die Rekonstruktion der mittelalterlichen Bestände bereits recht weit fortgeschritten, so dass immerhin eine solide Arbeitsgrundlage gegeben ist. Teile der erhaltenen Handschriften werden zur Zeit digitalisiert und so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht (s. dazu den Beitrag von Michael Embach und Andrea Rapp in diesem Band).
1 Den Kongressteilnehmern sei herzlich gedankt für ihre konstruktiven Anregungen. 2 Kaiser Gratian förderte Trier als Zentrum von Wissen und Lehre im Dekret von 376 n. Chr. durch besondere finanzielle Anreize für die dort tätigen Professoren, s. Jürgensmeier 1999, S. 18.
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Kurzer Überblick über den Gegenstand der Untersuchung Im Mittelpunkt der Untersuchung werden die beiden bedeutendsten Trierer Bibliotheken im Mittelalter stehen, nämlich die der Benediktiner-Abteien St. Maximin, aus der 221 Schriften identifiziert sind,3 und die der Benediktiner-Abtei St. Eucharius, später St. Matthias, aus deren Beständen rund 400 Hss. nachgewiesen werden können.4 Beide Klosterbibliotheken verfügten über eigene Skriptorien. Ferner werden einbezogen: Das Stift St. Simeon, aus dem uns immerhin noch 110 Hss. in der Stadtbibliothek erhalten sind, und die Benediktinerabtei St. Maria ad Martyres mit 80 nachgewiesenen Hss. Bereits am Rande des Beobachtungszeitraumes liegt die 1330 erbaute Kartause St. Alban. Die Benediktinerabtei St. Martin hat nur wenige Reste hinterlassen. Auch zwei Frauenklöster sind für uns noch greifbar, vor allem das selbstbewusste und streitbare Nonnenstift St. Irminen, das mit einem eigenen Skriptorium ausgestattet war, ferner in vereinzelten Spuren die Bibliothek der Augustinerchorfrauen von St. Agneten. Ein Vergleich dieser Klosterbibliotheken mit der Trierer Dombibliothek im Hinblick auf ihre andersgelagerte Funktion wäre sehr interessant. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass wir von der alten Dombibliothek vor 1792 nur wenig wissen.5 Rekonstruktionsversuche existieren erst in Ansätzen (von Paul Lehmann). Um schließlich ermessen zu können, wie sich das intellektuelle Niveau Triers im überregionalen Vergleich bestimmen lässt, sollen weitere Bibliotheken außerhalb des Beobachtungsfeldes herangezogen, z. B. die Kölner Dombibliothek und die Hofbibliothek Karls d. Gr. Soweit zu den zu untersuchenden Bibliotheken. Im Folgenden werden die Problemkreise und Fragestellungen skizziert werden, unter denen die mittelalterlichen Bibliotheksbestände untersucht werden. Dazu eine kurze Vorüberlegung: Mittelalterliche Klosterbibliotheken stehen in einem permanenten Spannungsverhältnis: Wie definiert man den eigenen Wissenshorizont? Konkret: Beschränkt man sich auf den geistlichen Bereich oder bezieht man die säkularen Wissenschaften ein, und wenn ja, wie weit kann man darin gehen?
3 Ermittelt von Isabel Knoblich. 67 davon befinden sich z. Zt. in der Stadtbibliothek Trier. Außerdem sind Kataloge aus den Jahren 1125 und 1593 überliefert, die allerdings unvollständig sind. 4 Nachgewiesen von Petrus Becker. Ein Katalog ist erhalten aus der Zeit um 1530. 5 Die Domschatzverzeichnisse von 1238 und 1429 vermerken nur einige wenige, besonders wertvolle Bücher.
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Denn die Klöster nahmen vielfältige Aufgaben wahr: Neben Liturgie und Kontemplation auch Mission und Seelsorge, Armen- und Krankenpflege; sie waren aber auch oft florierende Wirtschaftsunternehmen und zudem wichtige Träger der politisch-sozialen Struktur.6 Eine solche Verflechtung mit dem Saeculum bedeutet eine unschätzbare Chance für die Klöster, christliche Ideen in großem Stil zu verbreiten und zugleich auch den eigenen Horizont zu erweitern, was auch der Theologie zugute kam. Sie birgt aber auch die Gefahr der politischen Vereinnahmung, der sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten, welche die Authentizität der christlichen Botschaft bedrohen und damit die eigene Identität verwässern können. Hinzu kommen die zwangsläufigen sozialen Implikationen von „Wissensräumen“ überhaupt: Wissen verbindet eine Bildungsgemeinschaft etwa mittels normativer und formativer Texte, die einen einheitlichen Wissens-, Werte- und Sinnhorizont konstituieren. Dieser kann über Ländergrenzen hinweg eine geistige Heimat bilden, was vor allem in Zeiten des Umbruchs für die Identität einer Gemeinschaft existentiell wichtig werden kann. Die Kehrseite ist aber die Ausgrenzung „der Anderen“, die am Wissensschatz nicht teilhaben, entweder unfreiwillig, wie die illiterati und Angehörige fremder Kulturen, oder auch freiwillig, wie die Verfechter alternativer Bildungskonzepte (etwa in der querelle) und diejenigen, die Bildung sogar ganz verwerfen (wie manche streng asketische Orden). So produziert jede Wissensgesellschaft zwangsläufig Ausgrenzungen und Alteri täten. Das aber gerät in Kollision mit dem christlichen Egalitätsgrundsatz. In diesen Spannungsverhältnissen zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre, zwischen humilitas und Elitarismus sind die zu untersuchenden Bibliotheken situiert. Dementsprechend formierten sich, in Fortsetzung antiker Diskurse, zwei Richtungen. Beide plädierten für eine Unterordnung aller Studien unter die Bibelexegese. Aber die Auslegungen, wie weit diese Erfordernisse denn zu fassen seien, divergierten beträchtlich: Auf der einen Seite steht ein möglichst weiter Bildungsbegriff, vertreten etwa von Johannes Trithemius. Auf der anderen Seite eine asketische Richtung, die eine Beschränkung auf das Nötigste propagiert, z. B. wohl in St. Maximin um 1100 laut dem ältesten Katalog.7 Zwischen diesen beiden Polen oszillieren die hier untersuchten Bibliotheken. Das soll bei den folgenden zu behandelnden Fragestellungen und Problemkreisen berücksichtigt werden (die natürlich eng miteinander verflochten sind):
6 S. Jürgensmeier, 1999, S. 26. 7 S. Laufner, 1985, S. 39. Allerdings waren bei der Beschränkung des Leseangebotes nicht immer dogmatische Erwägungen im Spiel, sondern oft war es auch schlicht wirtschaftlicher Mangel oder das Anstehen dringenderer Probleme.
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A Wissensselektion und -organisation: Die Binnenstrukturierung des Wissensraums Bibliothek B Wissensinhalte C Wissenstransfer und Vernetzung D Wissensraum und Gesellschaft E Interkulturelle Auseinandersetzungs- und Verschmelzungsprozesse in der Bibliothek
A Wissensselektion und -organisation: Die Binnenstrukturierung des Wissensraums Bibliothek Bereits bei der Einrichtung und Organisation einer Bibliothek werden Entscheidungen getroffen, die dem intellektuellen Leben der Gemeinschaft seine Richtung geben. So ist es zunächst wichtig zu fragen, welchen Stellenwert Wissen und Bücher in der jeweiligen Klostergemeinschaft überhaupt genießen. Aussagekräftig dafür sind Quellenberichte, wie z. B. in den Gesta Henrici aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert,8 denen zufolge die Mönche von St. Matthias Bücher, Ornate und Reliquien (man beachte die Reihenfolge!) für kostbarer erachteten als äußeren Besitz und diese daher im Ernstfall als erstes in Sicherheit brachten.9 Rückschlüsse auf den Stellenwert des Wissens lassen sich auch indirekt ziehen, etwa aus dem Ort der Aufbewahrung (eventuell sogar in einem eigenen Bibliotheksgebäude),10 aus der Höhe der Budgetierung und der Bereitstellung von eigenem Bibliothekspersonal11. Dann stellt sich die Frage nach der Anschaffung: Welche Literatur rezipiert und abgeschrieben, welche dagegen nicht angeschafft oder sogar verboten wird (bzw. auf welchen Wegen man solche Verbote umgeht), welche man eventuell sogar vernichtet; oder auch welche Bände man aus welchen Gründen verkauft oder verschenkt,12 als veraltet ausmustert, palimpsiert, zu Deckeln für neue Bücher verarbeitet usw. Auch wie sich der Medienwechsel von Pergament zu preiswerterem Papier auf die Neuanschaffung von Büchern auswirkt, wird zu beachten sein. Natürlich ist auch nicht zu vergessen, welche Persönlichkeiten Büchereien und Skriptorien gründen oder fördern, und aus welchen Motiven dies geschieht. Denn dies ist ein deutliches Indiz für deren Autonomie oder Abhängigkeit. 8 Gesta Trevirorum c. 131. 9 Siehe zu dieser Frage auch die Querela magistri Treverensis (das sog. Carmen Winrici), Mitte d. 11. Jahrhunderts. 10 Z. B. in St. Eucharius-Matthias mit dem Rodeschen Humanismus im späten 15. Jahrhundert (s. Becker, 1996, S. 58). 11 In St. Matthias z. B. bestimmen die Rodeschen Consuetudines von 1435 erstmals einen eigenen Bibliotheksleiter (s. Becker, 1996, S. 86). 12 Z. B. die Hss. aus dem 9. Jahrhundert, die Nikolaus von Kues erwarb, offenbar, weil die Mönche von St. Matthias diese Bücher als veraltet empfanden (s. Becker, 1985b, S. 60).
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Schrifttum muss nicht nur angeschafft, sondern auch geordnet und zugänglich gemacht werden. Art und Umfang, in dem dies geschieht, die unterschiedlichen Kriterien, die dabei walten, werfen Licht auf die intellektuelle Struktur einer Gemeinschaft: Bereits die Ordnungsprinzipien der Bibliotheken, soweit sie sich noch rekonstru ieren lassen, geben hier Aufschluss etwa ob nach Inhalt, Autoren, Verwendungszweck oder Sachgruppen geordnet wird. Dies lässt Rückschlüsse auf den primären Zweck der Bibliothek und die Art ihrer Nutzung zu (eher als ein kontemplativer Ort zurückgezogener Studien und stiller Erbauung oder mehr als ein praxisnahes Informationsreservoir für Seelsorge bzw. politisches Wirken, ökonomisches Planen und juristische Auseinandersetzung). Hier ist neben der Hauptbibliothek immer auch mit anderen Aufbewahrungsorten für Schriften, die dann oftmals nicht in den erhaltenen Katalogen erscheinen,13 zu rechnen. Das ist bei Neuanschaffungen oft der Fall;14 zu rechnen ist ferner mit Handapparaten einzelner Mitglieder und mit mitgebrachten persönlichen Bibliotheken,15 mit Sammlungen von Liturgica in der Sakristei,16 mit einer speziellen Textsammlung für die Tischlesung im Refektorium, mit einer eigenen Schülerbibliothek, etwa im Schul- oder Novizenraum,17 mit volkssprachlichen Sammlungen, mit medizinischen und pharmakologischen Schriften in den angeschlossenen Hospitälern, mit agrartechnischen Schriften in den betreffenden ökonomischen Verwaltungsgebäuden und mit ausgelagerten Bücherbeständen in Zweigstellen. Es wird in den schriftlichen und archäologischen Quellen nach diesbezüglichen Hinweisen und Nachrichten zu fahnden sein. Hier ist auch zu fragen, inwieweit die Lektüre eine Hierarchie markiert oder gar konstituiert: Welche Bücher sind für welche Leser vorgesehen?18 Welche Rollen spielen Ausbildungsstand, sozialer Rang, Alter und Geschlecht für den Zugang zum Wissen? Für letzteres verspricht ein Vergleich mit den Frauenklöstern (bes. St. Irminen) Aufschluss. Auch ist zu untersuchen, welches Wissen einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, z. B. in Form von Volkspredigten oder dann ab 1493 durch Einrichtung einer öffentlichen Bibliothek (vom Stift St. Simeon). In diesem Zusammenhang sind besonders die volkssprachlichen Texte zu beachten. Rückschlüsse auf das Lektüreverhalten der Benutzer lassen Sammelkodizes mit ihren verschiedenen Umbindungen zu.19 Sie zeigen, welche Werke als zusammengehö-
13 S. Knoblich, 1996, S. 112. 14 S. Becker, 1985, S. 2. 15 So z. B. nachgewiesen für St. Matthias im 15. Jahrhundert (s. Becker, 1996, S. 465). 16 Eine Aufzählung für St. Eucharius-Matthias gibt Becker, 1996, S. 66ff. 17 Z. B. von Knoblich, 1996, S. 112ff. für St. Maximin nachgewiesen. 18 Z. B. warnt Johannes Trithemius in De laude scriptorum 10 davor, die infirmi fratres Inhalte abschreiben zu lassen, die sie verunsicheren könnten: Non enim expedit omnes materias legere omnibus. 19 In den Katalogen ist dann zuweilen nur der erste oder der wichtigste Titel registriert, Beispiele etwa bei Knoblich, 1996, S. 110f.
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rig empfunden wurden, und möglicherweise auch, in welcher Reihenfolge sie gelesen wurden. Benutzerspuren jeder Art (z. B. Randbemerkungen, Unterstreichungen) lassen Rückschlüsse darauf zu, ob die angeschafften Bücher überhaupt gelesen wurden, oder ob es sich um reine Repräsentationsobjekte gehandelt hat.
B Wissensinhalte Den eingangs erwähnten Polen, geistliche Sphäre – säkulare Sphäre, entsprechen die Sektoren Theologisches Wissen – weltliche Wissenschaften. Dabei gibt es natürlich auch Zwischenformen (z. B. Peregrinarien), die noch gesondert betrachtet werden müssen. Die einzelnen Bibliotheken lassen sich dadurch charakterisieren, wie sie zwischen diesen beiden Polen situiert sind:20
1. Geistliches Wissen a) Bindung an die Tradition: Das theologische Profil einer Klostergemeinschaft ergibt sich nicht zuletzt daraus, welche Kirchenväter bevorzugt gelesen werden, und welche von ihnen als zentrale, identitätstiftende Autoritäten für ein Kloster oder auch für die Region Trier gelten. b) Offenheit für aktuelle theologische Strömungen: Die intellektuelle Dynamik ist u. a. daran ablesbar, welche aktuellen theologischen Gedanken aufgegriffen und diskutiert, welche ignoriert oder abgelehnt werden.21 Insbesondere die verschiedenen geistlichen Reformbewegungen sind hier zu berücksichtigen, wie die gorzisch-lothringische des 10. Jahrhunderts,22 die hirsauische im frühen 12. Jahrhundert23 und die cluniazensische.24 Interessant ist auch die Art, wie man auf gerade virulente Häresien reagiert (z. B. besaß das Stift St. Simeon eine Sammlung von Streitschriften gegen Hus und Wiclif)25 und auf parainstitutionelle Randströmungen (so ist in Trier eine starke Hildegard von Bingen-Rezeption nachweisbar). 20 Dazu neuerdings Raban von Haehling, Das Verhältnis frühchristlicher Theologen zu den Naturwissenschaften, in: Jürgen Dummer, Meinolf Vielberg (Hgg.), Leitbild Wissenschaft?, Stuttgart 2003 (Altertumswissenschaftliches Kolloquium 8), S. 77–103. 21 In diesem Zusammenhang ist auch nach der Fähigkeit zu innerkirchlicher Kritik zu fragen. Z. B. findet sich aus dem 15. Jahrhundert eine Klagerede gegen sittenlose Geistliche und nachlässige Prälaten in St. Eucharius/Matthias. 22 St. Maximin war eines der Zentren, s. dazu etwa Becker, 1985, S. 5; Laufner, 1985, S. 20. 23 St. Eucharius-Matthias hatte sich hier angeschlossen, s. Becker, 1999, S. 905. 24 Frühe Textzeugen von Schriften Bernhards von Clairvaux befanden sich in St. Eucharius-Matthias (s. Becker, 1996, S. 468). 25 S. Heyen, 2002, S. 258. In St. Eucharius-Matthias gab es eine Andachtsübung zum Hussitenkreuzzug.
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2. Weltliches Wissen Bei der Frage, welchen Raum weltliches Wissen in der Bibliothek einnimmt, wäre insbesondere zu schauen nach Werken aus den Bereichen Philosophie, Naturkunde und artes mechanicae,26 gegen die seit der paganen Antike gewisse Vorbehalte bestanden, die aber seit dem 12. Jahrhundert allmählich aufgewertet werden, etwa nach komputistischer, erdkundlich-kosmologischer,27 landwirtschaftlicher und bautechnischer Literatur, insbesondere auch nach Schriften zu Medizin und Pharmakologie, denn einige der zu untersuchenden Klöster unterhielten eigene Hospitäler.28 Auch die verpönten artes magicae (Nekromanzie, Astromedizin, Fluchformeln u. a.) sind vertreten (z. B. in St. Mat thias). Einen Schwerpunkt soll der Umgang mit der antiken paganen Kultur bilden. Denn dieser stellt seit den spätantiken Kirchenvätern das Paradigma dar für die Begegnung mit säkularen Wissensräumen in der fruchtbaren Spannung zwischen Skepsis und Aneignung. Der Prozess der geistigen Auseinandersetzung wird insbesondere ablesbar an allen Arten von Benutzerzusätzen, wie Kommentierungen und Glossierungen, Unterstreichungen und Gliederungen. Es ist zu untersuchen, ob sich fachliche oder thematische Spezialisierungen oder Schwerpunktbildungen29 der einzelnen Abteien und Ordensgemeinschaften erkennen lassen, und welche Rolle die Konkurrenz zwischen einzelnen Klosterbibliotheken spielt (z. B. zwischen St. Maximin und St. Matthias).30 Die Quellenlage lässt es auch zu, hier den diachronischen Wandel des Wissenshorizontes zu untersuchen. Dabei wird zu verfolgen sein, wie sich die Einflüsse der verschiedenen „Renaissancen“ (der karolingischen, der ottonischen, der des 12. Jahrhunderts) in den Trierer Bibliotheken niederschlagen.31
26 In St. Matthias z. B. befanden sich Schriften von Seneca, Aristoteles, Albertus Magnus, Beda, Plinius, Hildegard von Bingen; ein stark steigendes Interesse manifestiert sich um 1500 (s. Becker, 1996, S. 95). 27 Interesse in St. Eucharius nachweisbar seit dem 10. Jahrhundert (s. Becker, 1996, S. 95). 28 Z. B. St. Eucharius-Matthias, St. Irminen und St. Martin. 29 Z. B. Augustinus, Beda und Haimo in St. Maximin (s. Laufner, 1985, S. 38; Knoblich, 1996, S. 111). 30 Z. B. zwischen St. Matthias und St. Maximin in Trier, s. Jürgensmeier, 1999, S. 19. 31 Auch den Einflüssen modischer Literaturgeschichten ist nachzugehen, wie Hugos von Trimberg Registrum multorum auctorum oder Vinzenz von Beauvais Speculum historiale.
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C Wissenstransfer und Vernetzung Die einzelnen Bibliotheken stehen in verschiedenartigen Austauschbeziehungen zu anderen Bibliotheken. Diese Beziehungen sollen soweit als möglich nachvollzogen werden mit Hilfe der erhaltenen Besitzervermerke und Kolophone in den Codizes, der Briefe, Viten, Chroniken, Memorien, Nekrologen, Urkunden, Testamente, Rechnungsbücher, Inventarlisten usw. Dabei sind zunächst die Formen, in denen der Austausch erfolgt, von Interesse: Wird Wissen vorzugsweise persönlich übermittelt durch Briefwechsel oder durch mündliche Unterweisung (Gespräch, Unterricht) im Rahmen eines Personaltransfers32 oder durch Studienaufenthalte von Mönchen? Oder wird es vor allem durch das Medium Buch verbreitet, etwa durch Kauf, Tausch, Legat, Leihe oder Schenkung, durch Mitnahme im Zuge von Reisen, Studienaufenthalten oder Klosterwechsel, später auch durch Studenten der Universitäten? Zu untersuchen wäre auch, wie sich Personalunionen mehrerer Klöster unter einem Abt auswirken. Möglicherweise lassen sich bereits früh regelrechte Austauschdienste unter Bibliotheken feststellen, die in England schon im 14. Jahrhundert nachweisbar sind,33 und wie sie im 15. Jahrhundert auf dem Kontinent mit dem Gaesdoncker Register (1483), dem Martinstaler Katalog (1486 und 1487) und vor allem mit dem Rooklooster-Register bestanden.34 Hier wäre besonders im benediktinischen Bereich zu fahnden, etwa im Kontext der weitreichenden Netzwerke, die während der gorzisch-lothringischen Reformen geknüpft wurden.35 Hier sind die topographischen Dimensionen solcher Wissenstransfers abzustecken, also die räumlichen Distanzen, die beim Informationsaustausch überbrückt werden (können), und die Kreise, die neues Wissen zieht.36 Aber auch die zeitliche Dimension ist interessant: Wie schnell verbreitet sich neues Schriftgut, und von welchen äußeren und inneren Bedingungen hängt die Verbreitungsgeschwindigkeit ab?37 32 So stellt Becker, 1996, S. 464 für St. Eucharius im 10. und frühen 11. Jahrhundert fest, dass offenbar der Austausch von Personen von Kloster zu Kloster trotz der gebotenen stabilitas in congregatione erwünscht war. 33 Hier hatten Franziskaner im Registrum Anglie de libris doctorum et auctorum veterum und in den Tabulae septem custodiarum die Bestände von 160 Bibliotheken erfasst (s. Lehmann, 1941, S. 110f.). 34 S. dazu Kock, ²2002, S. 225ff. 35 S. Becker, 1985, S. 7. 36 Welche Kreise das Wissen durch Personaltransfer ziehen kann, zeigt das Beispiel des Professes Adalbert aus St. Maximin zur Zeit der lothringischen Reformbewegung: Er wird Notar der königlichen Kanzlei, Missionar bei den Russen, nach seinem Scheitern arbeitet er wieder in der Kanzlei, dann wird er Abt von Weißenburg und 968 der erste Erzbischof von Magdeburg, s. Kölzer bei Jürgensmeier (Hg.), 1999, S. 1018. 37 Z. B. seit dem 12. Jahrhundert in der Beziehung zu den französischen Kathedralschulen mit ihrer neuen Methodik und seit dem 13. Jahrhundert zu den Universitäten.
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D Wissensraum und Gesellschaft Mittelalterliche Bibliotheken sind fest mit ihren soziopolitischen Rahmenbedingungen verflochten: So ist zu berücksichtigen, welchen Einfluss der rechtliche Status einer Gemeinschaft auf die intellektuelle Ausrichtung seiner Bibliothek hat (Klerikerkollegium, Stift, Basilikalkloster mit Klerikerkonvent, bischöfliches, Königs- oder Eigenkloster, unter einem geistlichen Abt oder einem Laien). Auch die soziale Zusammensetzung ist von Bedeutung: Adlige Klöster mit weitreichenden Beziehungen, wie z. B. Oeren/St. Irminen, sind finanziell gut ausgestattet und erhalten auch öfters großzügige Bücherschenkungen. Andererseits wächst im Verlauf des Mittelalters das Selbstbewusstsein und der Bildungseifer der Klosterleute bürgerlicher Herkunft.38 Die Trierer Bibliotheken stehen inmitten einer komplexen politischen Struktur, die Simmel39 als Polyzentrie bezeichnet hat. Denn die Bibliotheken stehen gleichsam in der Schnittmenge verschiedener sozialer Räume, die sich um jeweils unterschiedliche Zentren (in Simmels Terminologie: Drehpunkte) gruppieren: Das wären z. B. der örtliche Bischof, die übergreifende Ordensgemeinschaft (z. B. der Benediktinerorden), das Reich mit dem Kaiser im Zentrum und natürlich die Weltkirche mit dem Papst (bzw. zur Zeit der Schismen: mit den Päpsten). Es liegt auf der Hand, dass es bei dieser Konstellation zu Konflikten kommen muss, spätestens wenn diese verschiedenen politischen Räume in Kollision miteinander geraten. Und diese Konflikte zeigen auch ihren Niederschlag in der intellektuellen Betätigung innerhalb der Bibliotheken und ihrer Skriptorien: Z. B. schlagen sich während des Investiturstreits im späten 11. Jahrhundert Trierer Klöster auf der Seite des Kaisers. Das Bischofskloster St. Eucharius-St. Matthias wird geradezu eine „literarische Rüstkammer“ der antigregorianischen Propaganda.40 Auch lokale, beständig schwelende Konfliktherde lodern immer wieder einmal auf, etwa zwischen Gegenbischöfen, in welche die Klöster einbezogen werden, aber auch zwischen Kloster und Erzbischof mit seinen Hegemonialbestrebungen oder zwischen Kloster und Adligen mit ihren Annexionsversuchen an Abteibesitz, seltener zwischen Kloster und Trierer Bürgerschaft, welche die Rechte der Abteien einzuschränken trach-
38 Z. B. im Zuge der Reformbewegung der Bursfelder Kongregation im 15. Jahrhundert Natürlich sind auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein maßgeblicher Faktor: Verarmung oder Besitzzuwachs wirken sich oft direkt auf die Anschaffungsrate neuer Bücher aus. Z. B. geht die wirtschaftliche Konsolidierung von St. Maximin im 10. und der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts mit eine Blütezeit des Skriptoriums einher, s. Kölzer, in: Jürgensmeier (Hg.), 1999, S. 1019. 39 Georg Simmel, Soziologie des Raumes, in: Aufsätze und Abhandlungen 1901–1908, Bd. 1, hg. v. Rüdiger Kramme u. a. (Georg Simmel Gesamtausgabe Bd. 7), Stuttgart 1995. 40 S. Becker, 1985, S. 8.
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tete.41 Im Zuge dieser Streitigkeiten werden Klosterbibliotheken und Skriptorien zuweilen zu regelrechten Fälscherwerkstätten umfunktioniert, in denen man zwecks Legitimierung eigener Rechts- und Besitzansprüche historische Urkunden fingierte.42
E Interkulturelle Auseinandersetzungs- und Verschmelzungsprozesse in der Bibliothek Mittelalterliche Bibliotheken sind schon an sich eine Welt im Kleinen. Dort treffen sich Schriften aus ganz Europa mit Werken aus Afrika (Augustinus, Fulgentius) und Asien (Basileios, Ephraem). Damit sind sie die Orte für kulturelle Verschmelzungsprozesse und für die produktive Auseinandersetzung mit dem Anderen schlechthin. Unter diesem Aspekt sind insbesondere interessant: 1) Schriftgut der Ostkirchen43 2) jüdische und antijüdische Literatur 44 3) islamische und antiislamische Literatur 45
41 Gegen solche Übergriffe formierte sich etwa der Bund der sieben Trierer Kirchen seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, an dem die meisten der untersuchten Klöster beteiligt waren, s. Heyen, 2002, S. 460ff. 42 So in den Skriptorien von St. Maximin im 10. und 11. Jahrhundert, 11. und 12. Jahrhundert von St. Irminen oder von St. Maria ad martyres im 12. Jahrhundert, s. dazu Kölzer, 1989. 43 Insbesondere nach dem Bruch mit der Westkirche i. J. 1054 und nach der Eroberung von Konstantinopel 1204. 44 Hier ist vor allem die Zeit der frühen Kreuzzugsbewegung um 1096 relevant, als der Bischof versuchte, die Juden vor Kreuzfahrern zu schützen (s. Heyen, 2002, S. 266), sowie die Zeit um die große Verfolgung von 1349 und die Vertreibung von 1418 (s. Alfred Haverkamp, Die Juden in der spätmittelalterlichen Stadt Trier, in: Verführung zur Geschichte, hg. v. Georg Droege u. a., Trier 1973, S. 90–130). Aus dem 15. Jahrhundert ist z. B. eine anonyme judenfeindliche Schrift (H. 9) im Besitz von St. Martin nachweisbar (s. Becker, 1985, S. 3 und S. 12, Anm. 8). Zur selben Zeit mehren sich die Widerlegungsschriften gegen die jüdische Lehre in St. Maximin und St. Eucharius-St. Matthias. 45 Auch hier ist natürlich vor allem die Zeit der Kreuzzüge (1096–1270) interessant. Z. B. existiert ein Bericht des Adelphus (?) über die Anfänge Mohammeds aus dem 12. Jahrhundert in St. Eucharius-St. Matthias. Auch die Zeit der Scholastik und des Averroismus ist besonders relevant. Ein verstärktes Interesse scheint aber vor allem im 14./15. Jahrhundert erwacht zu sein. Z. B. besaß St. Eucharius-St. Matthias Exemplare von Rasis De simplicibus ad Almansorem und Liber de aquis? Albumasar Ysagoga minor (in der Übersetzung von Adelard von Bath) und lt. Katalog von 1530 eine medizinische Avicenna-Übersetzungen von Gerhard von Cremona und Peter Virsen.
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Zu fragen ist, in welcher Form diese Literatur rezipiert wird: ob im Original oder in bilingualer Ausgabe, in Übersetzung, Exzerpt, Zusammenfassung, Florilegium u. a.46 Das alles lässt Rückschlüsse darauf zu, in welcher Form die Auseinandersetzung mit den fremden Wissensräumen erfolgt: Als rigorose Konfrontation oder als vorsichtige Annäherung und Adaption.
Auswahlbibliographie: Armaria Trevirensia, Beiträge zur Trierer Bibliotheksgeschichte, 2., stark erw. Aufl. hrsg. v. Gunther Franz, Wiesbaden 1985 (Bibliotheca Trevirensis, Bd. 1). Petrus Becker, Die Trierer kirchlichen Bibliotheken, in: Armaria Trevirensia (1985, s. o.), S. 1–14. –, Notizen zur Bibliotheksgeschichte der Abtei St. Eucharius-St. Matthias, in: Armaria Trevirensia (1985, s. o.), S. 44–63. –, Die Benediktinerabtei St. Eucharius-St. Matthias vor Trier, Berlin – New York 1996 (Germania Sacra N. F. 34,8). –, Trier, St. Eucharius-St. Matthias, in: Jürgensmeier (Hg., s. u.) 1999, S. 902–937. Michael Embach, Art. „Trier, Bibliotheken“, in: Lexikon des Allgemeinen Buchwesens. 2. Aufl., Bd. 7, Stuttgart 2007, S. 493–500. Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, hg. v. Berndt Dugall, Bd. 6, Hildesheim 1993, S. 232–268. Alfred Heit, Trier, St. Maximin, in: Jürgensmeier (Hg., s. u.) 1999, S. 980–1009. Franz-Josef Heyen, Das Stift St. Simeon in Trier, Berlin – New York 2002 (Germania Sacra N. F. 41,9). Franz-Josef Heyen, Isabel Knoblich, Theo Kölzer, Adolf Neyses, Reiner Nolden, Winfried Weber, Therese Zimmer, Trier, St. Maximin, in: Jürgensmeier (Hg., s. u.) 1999, S. 1010–1088. Friedhelm Jürgensmeier (Hg.), Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in RheinlandPfalz und Saarland, St. Ottilien 1999 (Germania Benedicta 9). Max Keuffer, Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, Heft 1– 7, Trier S. 1888ff. Martina Knichel, Trier (-Oeren), St. Irminen, in: Jürgensmeier (Hg., s. o.) 1999, S. 938–968. Isabel Knoblich, Die Bibliothek des Klosters St. Maximin bei Trier bis zum 12. Jahrhundert, Diss. Bonn 1994, Trier 1996. Thomas Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna. Handschriftenproduktion, Literaturversorgung und Bibliotheksaufbau im Zeitalter des Medienwechsels, Frankfurt a. M. u. a. ²2002 (= Tra dition – Reform – Innovation 2). Theo Kölzer, Studien zu den Urkundenfälschungen des Klosters St. Maximin vor Trier (10.–12. Jh.), Sigmaringen 1989 (= Vorträge und Forschungen, Sonderband 36) Richard Laufner, Die Bibliothek von St. Agneten an der Weberbach in Trier im 15. und 16. Jahrhundert, in: Kurtrierisches Jahrbuch 9 (1969), S. 121–128. –, Vom Bereich der Trierer Klosterbibliothek St. Maximin im Hochmittelalter, in: Armaria Trevirensia 1985 (s. o.), S. 15–43.
46 Möglicherweise existieren Glossare, Kommentare, Grammatiken oder andere Hilfsmittel zur Texterschließung.
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Paul Lehmann, Nachrichten von der alten Trierer Dombibliothek, in: id.: Erforschung des Mittelalters. Bd. 1 Leipzig 1941, S. 231–253 (Ersterscheinung: Trierisches Archiv 24/25 [1916], S. 303–228). Josef Montebaur, Studien zur Geschichte der Bibliothek der Abtei St. Eucharius-Matthias zu Trier, Freiburg i. Br. 1931 (Röm. Quartalschrift, Suppl. Band 26). H. Schneider, Untersuchungen zu den mariologischen Handschriften der ehemaligen Kartause St. Alban zu Trier, Typoskript Trier 1957. Johannes Simmert, Trier, St. Maria ad Martyres, in: Jürgensmeier (Hg., s. o.) 1999, S. 869–979. Johannes Simmert, Petrus Becker, Eine Anregung zur Einrichtung einer Universitätsbibliothek im Testament des Trierer Magisters Dr. theol. Joh. Leyendecker († 1494), in: Georg Droege u. a. (Hgg.): Verführung zur Geschichte. Festschrift zum 500. Jahrestag der Eröffnung einer Universität Trier, Trier 1973, S. 150–163.
Frank Fürbeth
Sachordnungen mittelalterlicher Bibliotheken als Rekonstruktionshilfen
Bei der Rekonstruktion mittelalterlicher Bibliotheken liegt gewöhnlich eine von zwei grundlegenden Ausgangssituationen vor: entweder wir haben einen – oft verstreuten – Teil des ehemaligen Bestandes und versuchen diesen zu komplettieren und in eine sinnvolle Ordnung zu bringen,1 oder wir haben Nachrichten verschiedenster Art über den ehemaligen Bestand wie Erwerbslisten, Schenkungsverzeichnisse oder Inventare und Kataloge und versuchen, die dort genannten Titel zu identifizieren und so die Bibliothek zumindest virtuell wieder entstehen zu lassen.2 Beide Rekonstruktionsarten haben ihre je eigenen Problematiken: bei der zweiten ist die Titelformulierung oft so ungenau oder uneindeutig, dass die Bestandsbeschreibung oft im Allgemeinen bleiben muss, und bei der ersten sagt uns oft die bloße Existenz einer erhaltenen Handschrift oder Inkunabel noch nichts über ihren Stellenwert in der ehemaligen Bibliothek, deren Teil sie einmal war. Von diesem zweiten Problem möchte ich im Folgenden ausgehen und den Ansatz des hier vorgestellten Projektes „Sachordnungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Bibliothekskataloge“ beschreiben. Die heute selbstverständliche Prämisse ist dabei, dass die Rekonstruktion einer mittelalterlichen Bibliothek sich nicht mit einer Auflistung des ehemaligen Bestandes begnügen sollte, wie es in den Arbeiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts oftmals gemacht wurde,3 sondern dass unter einer kulturwissenschaftlichen Perspektive eine solche Rekonstruktion weiterführende Fragen stellen sollte: nach dem Bildungs- und Literaturinteresse des Besitzers bzw. der besitzenden Institution, damit zusammenhängend nach der Archiv- und Vermittlungsfunktion der Bibliothek und – übergreifend auf den historischen, bildungs- und geis-
1 In einem umfassenden Ansatz Sigrid Kämer u. Michael Bernhard, Handschriftenerbe des Deutschen Mittelalters, 3 Bde. (Mittelalterliche Bibilothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Ergänzungsband I, 1–3), München 1989–1991. 2 Vgl. etwa jüngst vorbildhaft Hans-Jörg Künast u. Helmut Zäh, Die Bibliothek Konrad Peutingers. Edition der historischen Kataloge und Rekonstruktion der Bestände, Tübingen 2003. 3 Als Beispiel etwa die Publikationen von Anton Dörrer, Mittelalterliche Bücherlisten aus Tirol, Zentralblatt für Bibliothekswesen 51 (1934), S. 245–263.
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tesgeschichtlichen Kontext – nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Besitzerinteresse und Bibliotheksfunktion auf der einen Seite und Wissensbeständen und Wissensinteresse der Zeit auf der anderen Seite.4 Eine Möglichkeit, die Kern des Projektes sein soll, ist nun, auf den zu rekonstruierenden Bibliotheksbestand die Folie einer Sachordnung zu legen, die nach Maßgabe der zu gewinnenden Erkenntnisse typisch für die jeweilige Bibliothek gewesen wäre. Es geht also darum, die Sachordnungen mittelalterlicher und neuzeitlicher Biblio theken dafür zu nutzen, die Interessensperspektive der Sammler und Benutzer auf einzelne Texte mittels der in diesen Sachordnungen verwendeten Ordnungskatego rien näher bestimmen zu können. Um hier nicht durch unrepräsentative Auswahl zu falschen Ergebnissen zu kommen, muss zuerst ein möglichst vollständiger Überblick über die Sachordnungen selbst und die den verwendeten Kategorien zugrundeliegenden Begriffe gegeben werden. Letzteres soll dadurch erreicht werden, dass die Sachordnungen mit den zeitgenössischen Wissensordnungen verglichen werden. Dazu sind folgende Schritte geplant: 1. Die Sachordnungen manifestieren sich entweder in der materiellen Bibliotheks aufstellung oder, wenn die Bibliotheken selbst nicht mehr erhalten sind, in den Bibliothekskatalogen, die bis in die frühe Neuzeit in den meisten Fällen der Aufstellung und damit der Sachordnung folgen.5 Es müssen also zuerst alle sachgeordneten Kataloge des Mittelalters und der frühen Neuzeit gesichtet werden. 2. Die Gesamtmenge der Sachordnungen muss daraufhin untersucht werden, ob sie bestimmten Typen folgen, welche Veränderungen diese im Lauf der Jahrhunderte erfahren, ob bestimmte Typen bestimmten Typen von institutionellen oder privaten Sammlern zuzuweisen sind und ob es einzelne signifikante Abweichungen gibt. 3. Die einzelnen Typen müssen mit den jeweiligen Wissensordnungen korreliert werden, wobei hier auch wieder zu berücksichtigen ist, dass, ebenso wie die Sach ordnungen der Bibliotheken, die Wissensordnungen abhängig sind von ihren Trägern bzw. von den Diskursen, innerhalb derer sie etabliert werden.6 4. Um nicht bei einer relativ abstrakten Diskussion dieser Korrelation stehen zu bleiben, müsste in einem letzten Schritt der typische Bestand einer solchen Sach-
4 Paradigmatisch für die Fragestellung s. die Arbeit von Gerhardt Powitz, Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Frankfurt am Main. Kirchliches und städtisches Bibliothekswesen im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (Frankfurter Bibliotheksschriften 5), Frankfurt a. M. 1997. 5 Ladislaus Buzas, Deutsche Bibliotheksgeschichte des Mittelalters (Elemente des Buch- und Bibliothekswesens 1), Wiesbaden 1975, S. 146f. 6 Der Projektansatz ist hier der Arbeit von Franz-Josef Worstbrock (Hartmann Schedels Index librorum. Wissenschaftssystem und Humanismus um 1500. In: Johannes Helmrath u. a. [Hgg.], Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, München 1994, S. 697–715) verpflichtet, der dies vorbildlich in der Untersuchung der Schedelschen Humanistenbibliothek durchgeführt hat.
Sachordnungen mittelalterlicher Bibliotheken als Rekonstruktionshilfe
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ordnung erhoben werden. Da dies für jeden Sachordnungstyp zu geschehen hat, ergibt sich zum Schluss eine Matrix, auf der alle Sachordnungstypen erscheinen müssten, wobei diese Typen jeweils den drei Kategorien Besitzer, Datum und Wissensordnung zugeordnet werden sollen, und außerdem jeder Typus noch mit einem für ihn wesentlichen Bestand beschrieben werden müsste. Es soll hier nur in aller Kürze versucht werden, die einzelnen Punkte jeweils genauer zu skizzieren.
1. Zahl der Sachordnungen Im Rahmen verschiedener anderer Projekte zur Literaturrezeption im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist bislang eine Datenbank mit Datensätzen zu mehr als 500 Buchsammlungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit erstellt worden; in den Daten sätzen sind Publikationen und Editionen von Katalogen, Inventaren, Schenkungsverzeichnissen oder Bibliotheksrekonstruktionen erfasst worden. Zusammen mit den Editionen der Mittelalterlichen Bibliothekskataloge Deutschlands, der Schweiz und Österreichs7 können so etwa 900 einzelne Buchsammlungen nachgewiesen werden, wobei die Gesamtzahl der Buchsammlungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit, zu denen Dokumente publiziert worden sind, noch wesentlich höher anzusetzen ist; mittelfristiges Ziel ist eine Datenbank, die nach den Vorbildern von Gustav Becker8 und Theodor Gottlieb9 einen bibliographischen Nachweis von veröffentlichten Bi bliotheksdokumenten leisten soll. Die Zahl der Dokumente zu den einzelnen Buchsammlungen ist dabei natürlich noch um einiges höher als die Zahl der Buchsammlungen selbst, da zu zahlreichen Sammlungen mehrere Kataloge, Inventare und sonstige Nachrichten bekannt und publiziert sind; hier sind zur Zeit etwa 1.200 publizierte Dokumente erfasst. In dem engeren Projektzusammenhang interessieren mich allerdings nur jene Dokumente, die eine Sachordnung enthalten können, in der Regel also Inventare und Kataloge. Hier ist die Zahl wesentlich geringer und beläuft sich zur Zeit auf etwa 300. Aufschlussreich ist dabei die Verteilung auf die Jahrhunderte: Wie nicht anders zu erwarten, steigen die Zahlen im Spätmittelalter überproportional stark an.10 Aller 7 Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Bearb. v. Paul Lehmann u. a. Bd. Iff., München 1918ff.; Mittelalterliche Bibliothekskataloge Österreichs. Bearb. v. Theodor Gottlieb u. a. Bd. Iff., Wien u. a. 1915ff. 8 Gustav Becker, Catalogi Bibliothecarum Antiqui, Bonn 1885, Nachdruck, zusammen mit den Rezensionen und den Nachträgen aus dem Centralblatt für Bibliothekswesen 1885 und 1887, Hildesheim 2003. 9 Theodor Gottlieb, Über mittelalterliche Bibliotheken, Leipzig 1890. 10 Vorläufige Zahl der Inventare und Kataloge nach den Jahrhunderten: 9. Jh.: 8; 10. Jh.: 1; 11. Jh.: 12; 12. Jh.: 22; 13. Jh.: 22; 14. Jh.: 23; 15. Jh.: 132; 16. Jh.: 96.
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dings steigt die Zahl der Dokumente insgesamt noch stärker an als die der Inventare und Kataloge; die Gründe liegen insbesondere in der besseren Dokumentation der nun häufiger vorkommenden Privatbibliotheken, von denen wir allerdings hauptsächlich nur durch Testamente oder Schenkungen wissen, die wiederum nur in den seltensten Fällen eine Sachordnung aufweisen. Für den Projektansatz sind demnach zwei Ergebnisse wichtig: 1. Nur etwa ein Viertel aller Dokumente (bislang etwas mehr als 300) sind Inventare und Kataloge und damit auswertbar. 2. Der Großteil der Inventare und Kataloge findet sich im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit; damit können differenziertere Aussagen eigentlich nur für diesen Zeitraum gemacht werden.
2. Einzelne Typen Die Forschung11 geht von zwei Grundtypen mittelalterlicher Sachordnungen aus: zum einen die der Klosterbibliothek, die ihre Bestände hierarchisch mit Bibel, Bibelkommentaren, Kirchenvätern usw. zu Anfang und mit nichttheologischen, besonders für den Unterricht benötigten Werken mit dem Kern der Artes liberales am Ende gliedere, und zum anderen, ab dem 13. Jahrhundert und mit der ersten Ordnung konkurrierend, die der Universitätsbibliothek, die nach dem Schema der vier Fakultäten in Philosophie, Medizin, Jura und Theologie ordnet; dazu kommen die Privatbibliotheken, deren Ordnung sich sehr stark von den beiden anderen Typen unterscheide,12 und
11 Die Sachordnungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Buchsammlungen sind bislang noch nicht in ihrer Gesamtheit untersucht. Neben dem grundlegenden Werk von E. I. Šamurin, Geschichte der bibliothekarisch-bibliographischen Klassifikation, Bd. 1 (Bibliothekswissenschaftliche Arbeiten aus der Sowjetunion und den Ländern der Volksdemokratie in deutscher Übersetzung A, 3, 1), Leipzig 1964, sind es vor allem Handbuchartikel, die in das Thema einführen (Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Bd. 3, Geschichte der Bibliotheken, Wiesbaden 1955, S. 271f.; LGB2, Bd I., Stuttgart 1987, S. 406). Eingehendere Informationen sind zu finden bei Albert Derolez, Les Catalogues des Bibliothèques (Typologie des Sources du Moyen Age Occidental 31), Turnhout 1979, S. 30–35; Donatella Nebbiai-Dalla Guarda, Classifications et classements. In: André Vernet (Hg.), Histoire des bibliothèques françaises. Les bibliothèques médiévales du Ve siècle à 1530, Paris 1989, S. 373–393; Wolfgang Milde, Über Anordnung und Verzeichnung von Büchern in mittelalterlichen Bibliothekskatalogen. In: Scriptorium 50 (1996), S. 269–278. Die Arbeit von Alain Besson, Medieval classification and cataloguing. Classification practices and cataloguing methods in France from the 12th to the 15th centuries (Library History Series 4), Biggleswade 1980 [M.A. Thesis London 1977], beschränkt sich dagegen auf die kurze exemplarische Analyse von sechs Sachordnungen. 12 Das „classement … est très différent de celui des grandes bibliothèques ecclésiastiques et universitaires“; Derolez (Anm. 11), S. 34.
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schließlich noch im 15. Jahrhundert die Ordnungen der humanistischen Bibliotheken, die sich an den „humanistischen Prinzipien“ orientiere.13 Eine solche Typologie ergibt sich für den deutschsprachigen Raum schon allein daraus, dass bis zum 12. Jahrhundert überhaupt nur Inventare und Kataloge von klösterlichen und kirchlichen Buchsammlungen überliefert sind. Erst im 13. und 14. Jahrhundert kommen einige wenige private und adelige Inventare hinzu,14 und erst ab dem 15. Jahrhundert beginnen sich die Gewichte signifikant zu verschieben: während der Anteil der kirchlich-klösterlichen Besitzer an den inventarisierten Buchsammlungen auf 68 % im 15. und auf 44 % im 16. Jahrhundert fällt, steigt der Anteil der öffentlichen Bibliotheken (Universitäts-, Rats- und Schulbibliotheken) auf erst 3 % und dann 8 % und der Anteil der privaten Buchsammlungen auf 27 % und dann 47 %. Für unsere Fragestellung hieße das wiederum, dass differenzierte Aussagen über Änderungen in den Sachordnungen und daraus sich ergebend über den Zusammenhang von Sachordnung und Wissensordnung erst ab dem späten Mittelalter zu machen sind. Die Schlussfolgerung gilt aber nur, wenn die klösterlichen und kirchlichen Sachordnungen einerseits über die Jahrhunderte gleich strukturiert bleiben und keinen Veränderungen von außen unterliegen, und andererseits, wenn universitäre und private Büchersammlungen tatsächlich typologisch von den klösterlich-kirchlichen zu unterscheiden sind. Ich will dies hier an einigen Beispielen überprüfen und beginne mit einem der ältesten Kataloge, nämlich dem oft behandelten Bibliothekskatalog von St. Gallen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts.15 Die Ordnung beginnt mit der Bibel, den Kirchenvätern, es folgen Regeln, Leben und Leidensgeschichten der Heiligen, Rechtssammlungen, Glossen, Homilien und liturgische Vorschriften, bevor eine letzte Gruppe anschließt, die man mit Mathematik, Astronomie, Orthographie, Metrik und Grammatik als Teil der Artes liberales verstehen könnte und die von einem Unterpunkt „Varia“ beschlossen wird. Der 600 Jahre später im Jahr 1461 erstellte Katalog derselben Bibliothek,16 der aus Anlass einer Neuordnung der Bücher entstan13 Derolez (Anm. 11) spricht von „principes humanistes“. Vgl. auch Wolfgang Milde, Über Bücherverzeichnisse der Humanistenzeit (Petrarca, Tommaso Parentucelli, Hartmann Schedel). In: Bücherkataloge als buchgeschichtliche Quellen in der frühen Neuzeit (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 10), Wiesbaden 1984, S. 19–13; gegen den Ansatz von Milde vgl. Worstbrock, Hartmann Schedels Index librorum (Anm. 6). 14 1246: Bücherverzeichnis und Testament des Domdekans Albert Behaim, Passau (MBKD IV, S. 35–38); 1322: Bücherverzeichnis des Werner de Woleshofen, Beromünster (MBKD I, S. 2–5); 1355: Testament des Johannes Hyndbeke, Bremen (Serapeum 10 [1849], S. 49–62); 1368: Familie von Burghausen, Bücherverzeichnis, Salzburg (MBKÖ IV, S. 8f.); 1376: Inventar des Ritters Erhard Rainer von Schambach (MBKD IV, S. 492f.); 1399: Testament des Johannes von Kirchhoff, Heidelberg (F. I. Mone, Zur Geschichte der Heidelberger Bibliotheken. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 14 [1862], S. 142–148). 15 Ed. MBKD I, S. 66–82. 16 Ed. MBKD I, S. 101–118.
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den war, „so vormals auf den haufend lagen“,17 fällt nun tatsächlich durch seine Veränderungen gegenüber dem ersten auf: Abgesehen davon, dass Kirchenväter und Heiligenleben untereinander und als Gruppen umgeordnet wurden, ist eine neue Sachgruppe libri hystoriales eingeführt worden, die juristischen Bücher werden in kanonisches und weltliches Recht geschieden, die Medicinalia erhalten eine eigene Gruppe, und die Gruppe der Artes liberales wird mit Libri liberalium artium auch als solche benannt. Als letztes kommt noch eine Kategorie Libri in poesi hinzu. Vergleicht man dies nun mit dem 50 Jahre später entstandenen Katalog des Erfurter Collegium universitatis,18 so findet man das gleiche Grundordnungsprinzip wieder19 (hier allerdings etwas dadurch gestört, dass die Bibliothek seit 1486 in zwei Räumen aufgestellt war,20 was anscheinend zu Doppelungen geführt hat). Insgesamt sind die einzelnen Sachgruppen wesentlich differenzierter, was insbesondere auch bei den als solche nicht mehr benannten Artes liberales zu erkennen ist: ein Teil der Kernfächer der Artes ist mit Mathematicalia, Textualia veteris et nove loyce, Ars orathorie und Grammaticalia vorhanden, während Astronomie, Geometrie und Musik zumindest als Sachgruppen fehlen;21 neu hinzugekommen sind Textus methaphisice, Textualia moralis philosophie, Textus phisicorum, Textus de anima, de celo et mundo etc. und Questiones super libros phisice. Betrachtet man wiederum den etwa 20 Jahre älteren Katalog der Ingolstädter Artistenfakultät,22 erkennt man wieder das gleiche Grundprinzip, wobei allerdings zwei wesentliche Differenzen festzustellen sind: die textus phisicorum, hier als philosophia naturalis bezeichnet, metaphisica, philozophia moralis, logica und grammatica sind in einer Großgruppe in artibus vereinigt und entsprechen damit, bis auf die unterschiedliche Reihung von Physik, Metaphysik und Ethik, den Subspecies in Erfurt; ganz weggefallen ist hier aber zusätzlich auch die Mathematik, so dass von dem Quadrivium der klassischen Artes liberales kein einziges Fach mehr in der Bibliothek der Artisten vorhanden ist. Stattdessen ist neben Logik und Grammtik als weiterhin eigenständige Untergruppen des Triviums die Ars oratorie zu einer neuen Gruppe oratoria, poesia et historiae erweitert. Im letzten Beispiel, dem Inventar der Büchersammlung Kaiser Maximilians aus dem Jahr 1525,23 sieht man ebenfalls wieder die bekannte Grundstruktur mit Bibel, 17 MBKD I, S. 59. 18 Ed. MBKD II, S. 179–220. 19 Auf die Großgruppe der Theologica folgen geistliches und weltliches Recht, Medizin sowie eine Reihe von Gruppen, welche die Texte des artistischen Studiums enthalten. 20 MBKD II, S. 103. 21 Astronomische Werke sind allerdings vorhanden, werden jedoch den Mathematicalia zugeordnet. 22 Ed. MBKD III, S. 233–256. 23 Ed. Theodor Gottlieb, Büchersammlung Kaiser Maximilians I. Mit einer Einleitung über älteren Bücherbesitz im Hause Habsburg, Leipzig 1900, S. 90–109.
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Theologie, Jura, Arznei und Artes liberales. Auch hier sind aber wieder zwei wesentliche Differenzen festzustellen: Die Gruppe ‚Arznei‘ ist erweitert auf Nigromantia vnd Arzney, und die Artes erscheinen nicht mehr als Oberbegriff und sind im Bestand reduziert worden auf die letzte Subkategorie oratoria, poesia et historiae des Ingolstädter Katalogs, die jetzt als zwei selbständige Gruppen Historien und Litere humaniores erscheint, wobei letztere neben Fachtexten der Jagd- und Kriegskunst vor allem kosmographische, moralphilosophische, grammatische und rhetorische Werke enthält. Dieser kurze Überblick zeigt also, 1. dass Grundtypen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Sachordnung quer zu den institutionellen Typen verlaufen, man also vielleicht gar nicht von klösterlichem vs. universitärem vs. privatem Bibliothekstyp sprechen sollte, zumindest soweit es um das Prinzip der sachlichen Ordnung geht, und 2. dass die Differenzen innerhalb dieser Grundtypen durch Umgruppierung, Entfernung und Hinzufügung einzelner Sachgruppen entstehen. Beide Ergebnisse lassen vermuten, dass es nicht die Institution selbst ist, die einen für sie typischen Bibliotheksordnungstyp herausbildet, sondern Vorstellungen von Wissen, und zwar in Bezug auf die Hierarchie und Bewertung des Wissens einerseits und in Bezug auf die Einordnung einzelner Wissensstoffe in größere Wissenszusammenhänge andererseits.
3. Wissensordnungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit Über die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorstellungen von Umfang, Bestand und Ordnung des Wissens geben unterschiedlichste Quellen Auskunft: Enzyklopädien,24 wissenstheoretische Schriften (‚Divisones philosophiae‘),25 universitäre und
24 Vgl. Christel Meier, Grundzüge der mittelalterlichen Enzyklopädik. Zu Inhalten, Formen und Funktionen einer problematischen Gattung. In: Ludger Grenzmann u. Karl Stackmann (Hgg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit (Germanische Symposien, Berichtsbände V), Stuttgart 1984, S. 467–500; dies., Enzyklopädie. In: 3Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 1 (1997), S. 450–453 (mit weiterer Literatur). 25 Vgl. Ludwig Baur, Dominicus Gundissalinus, De Divisione Philosophiae. Nebst einer Geschichte der philosophischen Einleitung bis zum Ende der Scholastik (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters IV, 2–3), Münster 1903; James A. Weisheipl, Classification of the sciences in medieval thought, Medieval Studies 27 (1965), S. 54–90; Christel Hein, Definition und Einteilung der Philosophie. Von der spätantiken Einleitungsliteratur zur arabischen Enzyklopädie (Europäische Hochschulschriften XX, 177), Frankfurt a. M. u. a. 1985; Ruedi Imbach, Einführungen in die Philosophie aus dem XIII. Jahrhundert. Marginalien, Materialien und Hinweise im Zusammenhang mit einer Studie von Claude Lafleur, Freiburger Zeitschrift
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schulische Lehrpläne,26 Literaturlisten (‚Accessus ad Auctores‘)27 und anderes. Mit der Rezeption der arabischen Philosophie und Wissenschaft ab dem 12. Jahrhundert und der damit einhergehenden Entwicklung der Universitäten einerseits28 und der programmatischen Rückkehr der Humanisten zu den antiken studia humanitatis ab dem 14. Jahrhundert andererseits29 sind zwei wesentliche Zäsuren in der Wissensentwicklung und ihrer wissenstheoretischen Reflexion festzustellen, so dass nach dem Projektansatz davon auszugehen ist, dass die dadurch hervorgerufenen Veränderungen in der Auffassung von Wissen sich auch in den Sachordnungen der Bibliotheken niederschlagen. Dies soll hier exemplarisch an den oben behandelten Katalogen überprüft werden. Die erste Einteilung der Wissenschaften, die dem arabischen Ordnungsmodell folgt, stammt von Dominicus Gundissalinus,30 der die Einleitungsschrift des Al-Farabi zur Grundlage genommen hatte. Gundissalinus folgt in seiner um 1150 in Toledo verfassten ‚Divisio philosophiae‘ der aristotelisch-arabischen Zweiteilung der Philosophie in praktische und theoretische Philosophie; die Logik ist für ihn zugleich Teil und Instrument der Philosophie. Interessant ist, dass er die antiken Artes liberales einmal mit dem Rest des Triviums unter die Politica subsumiert, und das Quadrivium
für Philosophie und Theologie 38 (1991), S. 471-493; Helmut J. Jacobs, Divisiones philosophiae. Spanische Klassifikationen der Künste und Wissenschaften im Mittelalter und Siglo de Oro (Editionen der Iberoamericana A, 10), Frankfurt a. M. 1996. 26 Vgl. Jacqueline Hamesse (Hg.), Manuels, programmes de cours et techniques d’enseignement dans les universités médiévales (Publications de l’Institut d’Etudes Médiévales 16), Louvainla-Neuve 1994. 27 Vgl. E. A. Quain, The medieval Accessus ad Auctores, Traditio 3 (1945), S. 215–264. 28 Vgl. Fernand van Steenberghen, L’organisation des études au moyen âge et ses répercussions sur le mouvement philosophique, Revue philosophique de Louvain 52 (1954), S. 572–592; Richard McKeon, The organization of sciences and the relations of cultures in the twelfth and thirteenth centuries. In: John Emery Murdoch and Edith Dudley Sylla (Hgg.), The cultural context of medieval learning. Proceedings of the first international colloquium on philosophy, science, and theology in the middle ages – September 1973, Dordrecht, Boston 1975 (Synthes Library 76), S. 151–184; Rainer Berndt (Hg.), Wissenstheorie und Wissenschaftspraxis im 12. und 13. Jahrhundert (Erudiri sapientia 3), Berlin 2002. 29 Vgl. George Sarton, The appreciation of ancient and medieval science during the renaissance 1450–1600, Philadelphia 1955; Tore Frängsmyr (Hg.), The structure of knowledge. Classifications of science and learning since the renaissance (Berkeley papers in history of science 19), Berkeley 2001. 30 Ed. Baur (Anm. 25). Zur arabischen Vorlage vgl. Mushin Mahdi, Science, philosophy, and religion in Alfarabi’s Enumeration of the Sciencies. In: John Emery Murdoch and Edith Dudley Sylla (Hgg.) (Anm. 28), S. 113–146; zu Gundissalinus jetzt Alexander Fidora, Die Wissenschaftstheorie des Dominicus Gundissalinus – Voraussetzungen und Konsequenzen des zweiten Anfangs der aristotelischen Philosophie im 12. Jahrhundert, Berlin 2003.
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unter die sciencia mathematica, zu der aber auch weitere astronomisch-astrologische scienciae gehören. Zu der sciencia naturalis, also der Naturwissenschaft, rechnet er neben Medizin und einem Teil der Artes mechanicae Hugos von St. Viktor auch die jetzt aus dem Arabischen übersetzten mantisch-astrologischen Künste.31 Dieses System wird schnell auch an den Kathedralschulen rezipiert, wie man an der berühmten „Biblionomia“ Richards von Fournival sehen kann.32 Allerdings verdrängt es ältere Wissenssysteme nicht, sondern geht mit ihnen eine Mischung ein und ergänzt sie. In der „Biblionomia“ sind es die beiden Teile der Philosophie, die jetzt zwischen den Artes liberales einerseits und den gewinnbringenden Wissenschaften und der Theologie andererseits eingeordnet werden.33 In den universitären Lehrplänen werden sie den Artes liberales zugeschlagen und bilden mit diesen die philosophische Fakultät: Deutlich sieht man dies an dem Erfurter Universitätskatalog, wo der Kanon der Artes liberales tatsächlich aufgelöst worden ist und die einzelnen Fächer dem Modell der Philosophie folgen, wie es seit der Systematik des Gundissalinus paradigmatisch geworden ist.34 Noch deutlicher ist dies an dem Katalog der Ingolstädter Artistenfakultät zu erkennen, wo von den Artes liberales nur noch die Logik als relativ eigenständiges Fach, eben als instrumentum philosophiae, und die Grammatik übrig geblieben sind. Den Schwerpunkt der philosophischen Fakultät bilden auch hier die Studien von theoretischer und praktischer Philosophie. Neu hinzugekommen sind aber die Bücher in oratoria, poesi et historiis. Dies liegt daran, dass an der Ingolstädter Universität gleich zu ihrer Gründung im Jahr 1472 ein Lehrstuhl der studia humanitatis eingerichtet und damit auch das Wissensmodell des Humanismus übernommen worden
31 Vgl. dazu F. Fürbeth, Die Stellung der Artes magicae in den hochmittelalterlichen ‚divisiones philosophiae‘. In: Artes im Mittelalter, hg. von Ursula Schaefer, Berlin 1999, S. 249–262. 32 Ed. H. J. de Vleeschauwer, La Biblionomia de Richard de Fournival du Manuscrit 636 de la Bibliothèque de la Sorbonne. Texte en facsimilé avec la transcription de Léopold Delisle, Pretoria 1965. 33 Vleeschauwer (Anm. 32), S. 522. Richard untergliedert die Philosophie in elf tabulae, wobei die ersten fünf tabulae Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Musik und Astrologie, also die septem artes liberales enthalten, die tabulae sechs und sieben Physik, Metaphysik und Ethik, also zwei Teile der theoretischen Philosophie bei Gundissalinus (der dritte Teil, die Mathematik, wird noch den Artes zugeschlagen) und mit der Ethik einen Teil der praktischen Philosophie bei Gundissalinus. Achter und neunter Teil der Philosophie bei Richard sind den philosophis vagis gewidmet, zehnter und elfter Teil den operibus poetarum. 34 Der Erfurter Katalog folgt mit seiner Anordnung von Metaphysik, Moralphilosophie, Physik und Mathematik nicht genau dem Paradigma der ‚Divisiones philosophiae‘, weil die Moralphilosophie als Teil der praktischen Philosophie hier zwischen den drei Teilen der theoretischen Philosophie steht. Dass mit den textualia moralis philosophie hier allerdings nicht nur die Ethik, sondern mit Ökonomie und Politik alle drei Teile der praktischen Philosophie gemeint sind, zeigen die in der Sachgruppe der Moralphilosophie aufgenommenen Sammelbände mit textus politicorum et yconomicorum (MBKD II, S. 213).
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war. Man erkennt dieses Modell sehr schön in der Liste von Petrarcas Lieblingsbüchern, in der, neben eigenen Sachgruppen für seine bevorzugten Autoren Cicero, Seneca, Augustinus und Boethius, und der, einzig aus dem Quadrivium noch übrig gebliebenen Astrologia, jetzt die eigentlichen humanistischen Studien Retthorica, ystoria und Poetica erscheinen.35 Das Trivium ist so einerseits erhöht, andererseits mit der auch räumlich zu sehenden Abseitsstellung der Grammatik und der Dialektik marginalisiert. Neben dem Katalog der Ingolstädter Artisten erscheinen diese drei Fächer der studia humanitatis auch in dem Inventar Maximilians, wobei hier die Historien von der Anzahl der unter diese Kategorie subsumierten Bücher den Schwerpunkt bilden und unter den Litere humaniores wieder die alten Artes liberales zu finden sind. Das Rahmengerüst dieser Bibliothek bildet die traditionelle Gliederung in die vier Hauptfächer, wobei die Theologie die klösterliche Hierarchisierung in Bibel, Theologie und Seelsorge übernimmt. Allerdings haben Historia und Humaniora hier vollkommen die Philosophie ersetzt, mit einer Ausnahme: Die Medizin, die traditionellerweise zwischen Theologie und Jura einerseits und Artes liberales bzw. Philosophie andererseits gruppiert wird, nimmt im Inventar Maximilians zwar genau diese Stellen ein, ist aber durch die Nigromantia erweitert worden. Dies wiederum weist auf die ‚Divisio philosophiae‘ des Gundissalinus, wo eben Nigromantie und Medizin als die ersten Teile der sciencia naturalis und damit wieder als Teil der philosophia theorica aufgeführt werden; das Inventar Maximilians bietet an dieser Stelle also eine Mischform aus Viererschema, der Ordnung der ‚Divisiones philosophiae‘ und humanistischem Dreifach.
4. Bestand der Sachordnungen Zuletzt soll noch an einer ausgewählten Sachgruppe der oben behandelten Kataloge überprüft werden, ob es einen typischen Bestand gibt bzw. inwieweit der Bestand innerhalb derselben Kategorie in unterschiedlichen Buchsammlungen variieren kann. Ich wähle dazu die Gruppe der ‚Historiae‘. Der älteste St. Gallner Katalog kennt diese Gruppe noch nicht; im Katalog von 1461 folgt sie als letzte Gruppe den Theolo gica vor den juristischen Büchern.36 Hier enthält sie vor allem Kirchengeschichten, außerdem diverse Gesta und Chroniken; insgesamt ist das heilsgeschichtliche Verständnis mittelalterlicher Historiographie an dieser Auswahl deutlich zu sehen, was auch die Stellung der Sachgruppe nahe bei den Theologica erklärt. Im Katalog des
35 Ed. Wolfgang Milde, „Keine Gesellschaft lässt sich angenehmer und beglückender erdenken“: das Verzeichnis der Lieblingsbücher des Francesco Petrarca und die Rangordnung der Bücher (Jahresgabe des Berliner Bibliophilen Abends), Berlin 2001, S. 10. 36 MBKD I, S. 116f.
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Erfurter Collegium Universitatis stehen die ‚Historialia‘ immer noch in Zusammenhang mit den Theologica,37 ihr Bestand ist allerdings ein anderer; nun findet man keine Kirchengeschichten mehr, dafür aber das ‚Speculum historiale‘ des Vincenz von Beauvais, vor allem aber vermehrt antike und humanistische Geschichtswerke wie Plinius, Sallust, Plutarch, aber auch die ‚Genealogia deorum‘ Boccaccios. Erklärt werden kann dieser humanistische Einfluss dadurch, dass es sich bei diesen Werken um Schenkungen verschiedener Magister handelt, während das ‚Speculum‘ noch de pecunia facultatis abgeschrieben wurde. Das Bild ähnelt dem der Ingolstädter Artistenfakultät, wobei allerdings zwei wesentliche Änderungen festzustellen sind. Zum einen sind die ‚Historiae‘ jetzt verschoben in das humanistische Dreifach in oratoria, poesi et historiis, und zum anderen überwiegen jetzt endgültig die antiken und humanistischen Schriftsteller, wobei insbesondere auch die ‚modernen‘ humanistischen Historiographen wie Flavio Biondo, Lorenzo Valla oder Leonardo Aretino vorhanden sind.38 Wieder anders sieht das Bild im Inventar Kaiser Maximilians aus: Zwar finden sich auch hier zahlreiche historiographische Werke der Zeitgenossen, etwa von Albrecht Bonstetten, Thomas Ebendorfer oder Enea Silvio Piccolomini neben hochmittelalterlichen Werken wie dem ‚Speculum historiale‘; ein weiterer deutlicher Schwerpunkt liegt aber auf den hier so genannten helden buechern, worunter verschiedene Werke der mittelhochdeutschen höfischen Epik und der Heldenepik verstanden werden.39 Es ist hier nicht der Ort, auf die dadurch zu erschließende Rezeptionsperspektive mittelalterlicher Literatur einzugehen,40 deutlich wird aber nicht zuletzt am Inventar Kaiser Maximilians, dass Aussagen über Sachordnungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Buchsammlungen und ihre einzelnen Sachgruppen korreliert werden müssen mit Untersuchungen des jeweiligen Bestandes. Wie an den angeführten Beispielen zu sehen ist, erfolgen Umgruppierungen und die Einführung von neuen Kategorien in den Sachordnungen nicht zeitgleich mit Änderungen im Bestand; insbesondere der Erfurter Katalog zeigt, dass die Sachordnungen träger in Bezug auf Veränderungen sind als der Bestand selbst. Am Inventar Maximilians wiederum ist zu erkennen, dass die Kategorien ein-
37 MBKD II, S. 186. 38 MBKD III, S. 251–253. 39 Gottlieb (Anm. 23), S. 101–105. Das Inventar nennt Hochdietrichs histori (‚Hugdietrich‘), ain pergamene geschriben heldenbuech (Gottfried identifiziert dies mit Wolframs von Eschenbach ‚Willehalm‘), ain Titturel helden buech (Albrecht von Scharfenberg, ‚Jüngerer Titurel‘, im Mittelalter Wolfram von Eschenbach zugeschrieben), noch ain Titturel, ain gereimbter alter Trisstram (Gottfried von Straßburg, ‚Tristan‘), noch ain solicher, ain gedruckter Tristram, das helden buech Gamereth (sc. Gahmuret, der Vater Parzivals; Wolfram von Eschenbach, ‚Parzival‘). 40 Vgl. dazu demnächst F. Fürbeth, Mittelalterliche Bibliothekskataloge als Quelle der Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte. Am Beispiel des ‚Ehrenbriefs‘ Püterichs von Reichertshausen (in Vorbereitung).
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zelner Sachgruppen entweder zu diffus sind, um Werke verwandten, aber differenten Inhalts angemessen einzuordnen, oder im Gegenteil, dass unter der Annahme angemessener Eingruppierung unsere Auffassung von der Rezeption der Werke durch die Zeitgenossen zu überprüfen ist. Beide Möglichkeiten wären anhand einer umfassenden Untersuchung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Sachordnungen, wie es das Ziel des Projekts ist, zu verifizieren.
Ausblick Ich komme zum Schluss und damit wieder zum Ausgangspunkt meiner Ausführungen. In der Hoffnung, dass am Ende des Projekts eine Typologie der Sachordnungen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Bibliotheken zur Verfügung steht, welche die Sachordnungen selbst mit den zugrunde liegenden Wissenssystematiken, der sozialen und institutionellen Differenzierung der Besitzer wie auch mit den jeweiligen Beständen korreliert, kann eine solche Typologie genutzt werden, um die bei der Rekonstruktion von Bibliotheken zentrale Frage nach dem Gebrauchs- und Rezep tionsinteresse der Benutzer zumindest unterstützend zu beantworten. Auch hier soll ein Beispiel genügen: Bei der Rekonstruktion der spätmittelalterlichen Privatbibliothek des Südtiroler Adeligen Anton von Annenberg mussten einige Aspekte offen bleiben;41 insbesondere war dies die Frage, wie innerhalb eines Bestandes von überwiegend paränetisch-erbaulichen, pragmatisch-wissensvermittelnden, historiographi schen und juristischen Werken die wenigen Handschriften mit deutschsprachiger Literatur des Hochmittelalters erklärt werden können. Es handelt sich dabei um das ‚Nibelungenlied‘ und um den ‚Jüngeren Titurel‘ Albrechts von Scharfenberg; wirft man nun einen Blick auf das genannte Inventar Maximilians I., so findet man dort ebenfalls den ‚Jüngeren Titurel‘ und den dem ‚Nibelungenlied‘ zumindest der Gattung nach verwandten ‚Hugdietrich‘. Beide sind dort als ‚Heldenbuch‘ in der Sachgruppe der ‚Historia‘ verzeichnet; würde diese Einordnung innerhalb der angestrebten Typologie etwa durch einen Typus ‚spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Adelsbibliothek‘ verifiziert, so ergäbe sich der Schluss, dass zu dieser Zeit von diesen Benutzern deutsche Heldenepik und höfische Epik gleichermaßen unter historiographischem Aspekt gelesen wurde, was wiederum neuere Forschungsergebnisse der Germanistik aus bibliotheksgeschichtlicher Perspektive bestätigen würde. Ich möchte diesen möglichen Beitrag der Typologie zu einer Rezeptionsgeschichte vorläufig noch als einen Überschussertrag bezeichnen; primäres Ziel ist die Erstel-
41 F. Fürbeth, Die spätmittelalterliche Adelsbibliothek des Anton von Annenberg: ihr Signaturensystem als Rekonstruktionshilfe. In: Jost M. M. Hermans, M. Hoogvliet u. Rita Schlusemann (Hgg.), Sources for the History of Medieval Books and Libraries (Boekhistorische Reeks II). Groningen 2000, S. 61–78.
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lung der Typologie selbst. Auch diese versteht sich allerdings nicht nur als Teil der traditionellen Bibliotheksgeschichte, sondern einer umgreifenderen Wissensgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, innerhalb derer die Bibliotheken noch nicht die ihnen gebührende Berücksichtung als zentrale Wissensspeicher und -vermittler gefunden haben.
Anhang St. Gallen, Bibliothekskatalog, Mitte 9. Jh. (ed. MBKD I, S. 71–82) De libris ueteris testamenti De libris noui testamenti De libris Beati Gregorii pape De libris Hieronimi presbiteri De libris Sancti Augustini episcopi De libris Sancti Ambrosii episcopi De libris Prosperi episcopi De libris Bedae presbiteri De libris Ysydori episcopi Tractatus Origenis De libris Cassiodori De libris Eusebii De libris diuersorum auctorum De libris Alchuuini De regulis sanctorum patrum De uita sanctorum patrum De uirtutibus seu passionibus sanctorum apostolorum uel martirum De legibus Libri glosarum Omelie Maximi etc. Ordo Romanus Liber astrologie et compotus Rabani Orthographia De metris De libris grammaticae artis [Ohne Überschrift] Solini polihistoris. Mappa mundi [...] Libri medicinalis artis […] Expositio Servii in Virgilium. […] Exzerptum Justini de Pompeio hystorigrapho
100 St. Gallen, Bibliothekskatalog, 1461 (ed. MBKD I, S. 101–118) Libri textuales veteris ac novi testamentorum Libri Gregorii Libri beati Augustini Ambrosii libri Libri Jeronimi presbiteri Origines Venerabilis Bede Omeliaria diversorum doctorum Passionalia sanctorum Boecius Cassiodorus Prosper Domini Effrem Libri Ysidori episcopi Cassianus Innocencius Nicolaus de Lira Soltonus Hylarius […] Regule sanctorum patrum Exposiciones super vetus testamentum Super novum testamentum Orosius, cronice et libri hystoriales Josephi libri Justinus Sarcholfus Fernandus Beda Libri iuris canonici Juris civilis Medicinalia Libri liberalium artium Libri in poesi
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Erfurt, Collegium Universitatis, Standortregister von etwa 1510 (ed. MBKD 2, S. 179–220) A. Textualia veteris et novi testamenti cum glosa ordinaria [...] AA. Historia veteris et novi testamenti cum exposicionibus psalterii […] B. Postille Gorre et quorundam aliorum doctorum super novo testamento BB. Diversa scripta originalium doctroum Augustini, Jeronimi et aliorum C. Historialia Plinii, Josephia, Vincencii et aliorum CC. Summe doctorum D. Varie exposiciones super officio misse […] DD. Textus librorum sentenciarum cum lecturis et questionibus doctorum vie moderne E. Questiones Bonaventure circa sentencias F. Summe, questiones et opere Thome FF. Sermones diversorum doctorum […] G. Acta consiliorum et precipue Basiliensis [...] GG. Decretum, decretales [...] H. Speculum Wilhelmi Duranti cum addicionibus; repertorium Brixensis, […] HH. Sextus et Chementine [ !] […] J. Digesta […] JJ. Parvum volumen cum lecturis institutorum […] K. In medicina […] KK. Opera Mesue […] L. Pandecta aggregatoris […] LL. Conciliator […] M. Arestotelis libri cum comento Alberti Mangni; opera Tulii; questiones ethicorum; sophologium; Lactancius, Quintilianus cum ceteris MM. Bartholomeus de proprietatibus rerum […] ; Franciscus Petrarcha […] Pulpetum angulare circa supremum pulpetum liberarie inferioris Vocabularii […] Superior liberaria in theologia N. Textus biblie NN. Postille Nicolai de Lyra […] O. Textus sentenciarum […] OO. Distinctiones Grueningen et sermones quidam P. Decretum, decretales cum quibusdam lecturis super eisdem PP. Instituta, codices, textus decretalium et varia collecta in jure Q. In medicina
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QQ. Textus methaphisice […] R. Textualia moralis philosophie cum lecturis et questionibus RR. Textus phisicorum cum lecturis et questionibus S. Textus de anima de celo et mundo etc. […] SS. Questiones super libros phisice T. Mathematicalia TT. Textualia veteris loyce […] V. Textualia nove loyce […] VV. Summe loycales Occan, Buridani et Petri Hispani X. Ars orathorie XX. Grammaticalia Ingolstadt, Artistenfakultät, Bücherkatalog, 1492 (ed. MBKD III, S. 233–256) In theologia In theologia scolastica In utroque iure In medicinis In artibus et primo in philosophia naturali atque metaphizica In philozophia morali In logica In grammatica In oratoria, poesi et historiis Innsbruck, Büchersammlung Kaiser Maximilians, Nachlassinventar, um 1525 (ed. Gottlieb, 1900, S. 91–109) Hailig schrifft Theologia Mess vnd pett buecher JVRA Nigromantia vnd Arzney Historien Litere humaniores Dominicus Gundissalinus, De divisione philosophiae, um 1150 (ed. Baur, 1903) Philosophia I. Philosophia practica 1. ethica 2. oeconomica 3. politica II. Philosophia theorica 1. philosophia naturalis
Sachordnungen mittelalterlicher Bibliotheken als Rekonstruktionshilfe
medicina sciencia de indiciis nigromantia sciencia de ymaginibus agricultura navigatio sciencia de speculis alquimia 2. mathematica arismetica musica geometria astrologia 3. metaphysica sive sciencia divina III. Logica
Petrarca, Verzeichnis seiner Lieblingsbücher, 1333/43 (ed. Milde, 2001) Morales. M. Tullij. [libri] Senecae [libri] Retthorica Ystoria Poetica Exempla Grammatica Dyalectica Astrologia
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Die Handschriftenbeschreibung und die Bibliotheks- und Buchgeschichte des Mittelalters
In einer Zeit, in der die elektronische Datenverarbeitung (EDV) auch im Bereich der humanistischen Studien immer mehr um sich greift und Beschreibungen von Handschriften nur noch in Ausnahmefällen ohne Bindung an die wunderbaren Hilfsmittel dieser Technologie zustande kommen, können die nachfolgenden Gedanken nur unzeitgemäß erscheinen. Trotzdem hoffe ich, dass sie nicht inopportun wirken. Im Folgenden seien zunächst die Handschriftenbeschreibung im Dienste der Bibliotheks geschichte und daran anschließend die Handschriftenbeschreibung im Dienste der Buchgeschichte dargestellt.
Die Handschriftenbeschreibung im Dienste der Bibliotheksgeschichte In diesem Kapitel stehen Schicksal, Benutzung und Wirkung von mittelalterlichen Handschriften im Mittelpunkt, nachdem sie die Schreiberwerkstatt verlassen haben. Zwei Quellen sind es, die uns zur Verfügung stehen: die alten Bibliothekskataloge und die erhaltenen Bücher. Wie bekannt, sind mittelalterliche und frühneuzeitliche Kataloge und Inventare recht unterschiedlich geartet, zudem sehr ungleichmäßig erhalten und schwer zu deuten.1 Auch die Editionen dieser wichtigen Nachschlagewerke präsentieren sich uneinheitlich. Es gibt nur wenige Länder, die zusammenhängende Reihen begründet haben, in denen sie erscheinen konnten. Es sind dies: Deutschland, die Schweiz, Österreich, England und Belgien. Was die erhaltenen Handschriften, die uns an dieser Stelle besonders interessieren, angeht, so lassen sich für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verschiedene nationale Repertorien nachweisen. So ist Neil Kers Publikation Medieval Libraries 1 Zur Bedeutung und Kritik von Handschriftenkatalogen vgl. Albert Derolez, Les catalogues de bibliothèques (Typologie des sources du Moyen Age occidental, Bd. 31), Turnhout 1979. D. Nebbiai-Dalla Guarda, I documenti per la storia delle biblioteche medievali (secoli IX–XV) (Materiali e Ricerche, N. R., Bd. 15), Rom 1992.
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of Great Britain, in erster Auflage 1941 erschienen, alphabetisch nach den Ortsnamen der besitzenden Bibliotheken geordnet.2 Sie enthält für jede wichtige mittelalterliche Bibliothek eine kurze Einführung, der eine Auflistung der erhaltenen Handschriften nach den heutigen Aufbewahrungsorten folgt. Ansonsten ist Kers Werk mit äußerst knapp gehaltenen Inhaltsangaben und Datierungshinweisen ausgestattet. Es gibt Kriterien an die Hand, auf welchen Merkmalen die Festlegung der Provenienz einer Handschrift beruht (Besitzvermerk, Schenkungseintrag, Liturgie, Einband etc.). Auch Inkunabeln sind aufgenommen. Am Ende des Buches erscheint ein Verzeichnis der Schenker, Kopisten und sonstigen an der Herstellung der Werke beteiligten Personen. Als Sigrid Krämer ihr Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters in Angriff nahm, sah sie sich mit einer ungleich größeren Zahl von Handschriften konfrontiert als ihr englisches Vorbild.3 Aus diesem Grunde umfasst ihre Arbeit zwei stattliche Bände mit einem Registerband. Außerdem musste die Autorin sich bisweilen mit einer Art ‚Kurzverfahren‘ begnügen, etwa wenn ein kompletter Fonds mittelalterlicher Handschriften mit derselben Provenienz in einer modernen Bibliothek auf bewahrt wird. Diese Entscheidung war zweifellos unvermeidlich, doch ist sie für die Nutzung des Werkes von Nachteil. Auch hat Krämer im Gegensatz zu Ker auf Informationen darüber verzichtet, auf welchen Kriterien die Bestimmung der Provenienzen basiert. Im Übrigen verfolgt sie denselben Ablauf wie Ker: sehr knappe Beschreibung des Inhalts, Angaben zur Datierung, dem oder den Kopisten und den eventuellen Vorbesitzern. Weder Italien noch Spanien – Länder mit riesigen Beständen mittelalterlicher Handschriften – haben vergleichbare Unternehmen angestoßen. In Frankreich, wo ähnlich schwierige Bedingungen herrschen, ist es wenigstens zu Teilunternehmungen gekommen.4 In Belgien hatten bereits 1972 Emile van Balberghe und Guy Zélis das Vorbild Großbritanniens nachgeahmt und in der Zeitschrift Scriptorium eine gleichartige Reihe von Beschreibungen gestartet. Sie stand unter dem Titel Medieval Libraries of Belgium. Nach einem einführenden Aufsatz und zwei Lieferungen wurde die Reihe aber leider wieder eingestellt.5 In den erschienenen Teilen verfolgten die Bearbeiter den guten Gedanken, eine erweiterte Kodifizierung der von Ker gebrauchten Provenienzkriterien einzuführen, wobei sie einen Unterschied machten zwischen mittelalterlichen und neuzeitlichen Provenienzvermerken. Vor nicht allzu langer Zeit 2 Neil R. Ker, Medieval Libraries of Great Britain. A List of Surviving Books, 2. Aufl., London 1964. Hierzu existiert ein Supplement von A. Watson, London 1987. 3 Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters, 2 Bde. und Registerband (Sonderreihe der Mittelalterlichen Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz), München 1989/90. 4 A. Bondéelle-Souchier, Bibliothèques cisterciennes dans la France médiévale. Répertoire des abbayes d’hommes, Paris 1991. Dies., Bibliothèques de l’Ordre de Prémontré dans la France d’Ancien Régime, Paris 2000. 5 Scriptorium 26 (1972), S. 348–357; 27 (1973), S. 102–106; 28 (1974), S. 103–109.
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wurde dieses Projekt im Rahmen des Corpus Catalogorum Belgii wieder aufgenommen.6 Es ist beabsichtigt, den ursprünglichen Plan von Balberghe und Zélis mit Band 7 der Reihe wieder aufzunehmen, wenn auch in Buchform und ausgestattet mit einigen Neuerungen. Dieser Band steht unter dem Titel The Surviving Manuscripts and Incunables from Medieval Belgian Libraries. Er berücksichtigt nunmehr nicht nur Handschriften, sondern auch Inkunabeln. Außerdem sind die Beschreibungen der einzelnen Titel ausführlicher gestaltet. Sie beinhalten die wichtigsten Autoren und Texte, das Material (Pergament / Papier), die Blatthöhe in Millimetern, alte Bibliothekssignaturen, eventuelle Vorbesitzer sowie vereinzelt die ein oder andere kritische Bemerkung. Im Gegensatz dazu wird die Bibliographie zu den mittelalterlichen Bibliotheken sehr knapp gehalten. Nach dieser kurzen Übersicht über einige wichtige Quellenwerke, die Kurzbeschreibungen der erhaltenen Handschriften enthalten, soll ein Wort zur Handschriftenbeschreibung in bibliothekshistorischen Einzeldarstellungen gesagt werden. Der klassische Titel für derartige Arbeiten lautet: „Skriptorium und Bibliothek von Kloster X oder Y“. Eine solche Kombination zweier im Wesen verschiedenartiger Aktivitäten – hier die Produktion, da die Aufbewahrung und Benutzung von Handschriften – in ein und derselben Untersuchung liegt gleichwohl nicht auf der Hand. Sie ist im Grunde genommen nur berechtigt für Klöster des 9. bis 13. Jahrhunderts. In ihnen arbeitete das Skriptorium nahezu exklusiv für die eigene Bibliothek. Sehr viel weniger berechtigt ist diese Verknüpfung für spätere Perioden sowie generell für Kirchen und Kollegiatsstifte. Einige Beispiele für solche Handschriftenbeschreibungen mögen im Folgenden kurz besprochen werden. Karin Dengler veröffentlichte im Jahre 1979 eine Arbeit mit dem Titel Skriptorium und Bibliothek des Klosters Michelsberg in Bamberg.7 Die Autorin vermittelt zunächst eine Auswertung der erhaltenen Bücherlisten des 12. Jahrhunderts und deren Bedeutung für die geistigen Interessen des Michelsberges. Hinzu kommen eine Geschichte des Skriptoriums, zumeist basierend auf paläographischen Beobachtungen und dem Stil der Überschriften und Initialen, sowie eine ausführliche Beschreibung der Handschriften. Diese Aufgabe wurde sehr erleichtert durch die Tatsache, dass die weitaus meisten Handschriften von Kloster Michelsberg in der Staatsbi bliothek Bamberg aufbewahrt werden.
6 Albert Derolez, B. Victor, W. Bracke (Hgg.), Corpus Catalogorum Belgii. The Medieval Booklists of the Southern Low Countries. In dieser Reihe sind bislang erschienen: Bd. 1: Province of West Flanders, 2. Aufl., Brüssel 1997; Bd. 2, unter Mitarbeit von L. Reynhout, Provinces of Liège, Luxembourg and Namur, Brüssel 1994; Bd. 3, unter Mitarbeit von M. Oosterbosch und J. W. Klein, Counts of Flanders, Provinces of East Flanders, Antwerp and Limburg, Brüssel 1999; Bd. 4, unter Mitarbeit von J. W. Klein, Provinces of Brabant and Hainault, Brüssel 2001. 7 Karin Dengler, Skriptorium und Bibliothek des Klosters Michelsberg in Bamberg (Studien zur Bibliotheksgeschichte, Bd. 2), Graz 1979.
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Mit dem Spätmittelalter befasst sich die unter dem Titel Geschichte der Dominikanerbibliothek in Wimpfen am Neckar (ca. 1460 –1803) stehende Arbeit von Kurt Hans Staub.8 Auch dieser Autor konnte sich auf den Bestand einer einzigen großen Bibliothek beschränken, desjenigen der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Wiesbaden. Richtig war die Entscheidung Staubs, im Rahmen einer bibliothekshistorischen Arbeit die äußerlichen Merkmale einer Handschrift (Material, Blätter, Ausmaße, Datierung) nur kurz zu beschreiben, den Inhalt hingegen vollständig. Lobenswert ist auch der Entschluss, neben den Handschriften auch die Inkunabeln mit aufzunehmen, von denen der Autor nicht weniger als 435 Nummern verzeichnet. Nicht ganz so angemessen scheint mir dagegen der Entschluss, die Inkunabeln, der Tradition der Inkunabelkataloge folgend, alphabetisch nach Autoren und Titel anzuordnen. Ein solches Verfahren vertieft zu Unrecht den Unterschied zwischen Handschrift und Druck und vernachlässigt zudem die individuelle Exemplarbeschreibung. Im ersten Teil ihrer Riesenarbeit über die Bibliothek der Abtei Clairvaux haben André Vernet und seine Mitarbeiter in mustergültiger Weise die alten Kataloge ediert. Der zweite Teil nimmt mit den biblischen, patristischen und theologischen Handschriften die Beschreibung der erhaltenen Bestände in Angriff.9 Genauso ausführlich wie in diesem Werk sind die Handschriftenbeschreibungen in einer anderen großen bibliothekshistorischen Studie: dem von Willem Lourdaux und Marcel Haverals stammenden Werk Bibliotheca Vallis Sancti Martini in Lovanio.10 Der Katalog berücksichtigt 190 erhaltene Handschriften und umfasst nicht weniger als 855 Seiten. Er beschreibt das Äußere und Innere der Handschriften möglichst vollständig. Wie für Clairvaux der Katalog von Vernet, so ist dies für Sankt Martin in Löwen eine wunderbare Arbeit, wenn auch ein solches Verzeichnis im Grunde genommen sehr viel mehr an Informationen enthält als für ein Studium des intellektuellen Lebens im Mittelalter eigentlich notwendig wäre. Andererseits kann man nur bedauern, dass die erhaltenen Inkunabeln außer Acht gelassen wurden. Für die Zeitgenossen waren sie den handschriftlichen Werken gleichberechtigt.
8 Der Untertitel der Publikation von Staub lautet: Untersuchungen an Hand der in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt erhaltenen Bestände (Studien zur Bibliotheksgeschichte, Bd. 3), Graz 1980. 9 André Vernet unter Mitarbeit von J.-F. Genest und des Institut de Recherche et d’Histoire de Textes, La bibliothèque de l’abbaye de Clairvaux du XIIe au XVIIIe siècle, Bd. II, Les manuscrits conservés, Lieferung 1: Manuscrits bibliques, patristiques et théologiques, Paris 1997. 10 Willem Lourdaux und Marcel Haverals, Bibliotheca Vallis Sancti Martini in Lovanio. Bijdrage tot de studie van het geestesleven in de Nederlanden (15de–18de eeuw). A Contribution to the Study of the Intellectual Life in the Netherlands (15th–18th C.); Bd. 1: De bewaarde handschriften. The surviving manuscripts (Symbolae Facultatis Litterarum et Philosophiae Lovaniensis, Series A, vol. 8), Löwen 1978. Der zweite Band erschien 1982: De geschiedenes van de bibliotheek en de evolutie van haar inhoud. The History of the Library and of its Contents.
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Die Handschriftenbeschreibung im Allgemeinen Bevor wir uns der Handschriftenbeschreibung im Dienste der Buchgeschichte zuwenden, sollen noch einige Beobachtungen zur Handschriftenbeschreibung im Allgemeinen vorausgeschickt werden. Seit etwa einem halben Jahrhundert bietet dieser Bereich Anlass zur Sorge, wie aus einem sehr unvollständigen Verzeichnis der einschlägigen Literatur hervorgeht. Nachdem W. J. Wilson 1956 seinen Epoche machenden Aufsatz Manuscript Cataloging11 publiziert hatte, verteidigte Jean Porcher 1960 die klassische Methode der Handschriftenbeschreibung12, worauf wiederum sein Landsmann Gilbert Ouy ein Jahr später mit seinem Projet d’un catalogue de manuscrits médiévaux adapté aux exigences de la recherche moderne reagierte.13 Seit dieser Zeit hat Gilbert Ouy nicht aufgehört, seine revolutionären Auffassungen zu vertreten, am ausführlichsten in einem 1978 erschienenen Beitrag zu Band 4 der Reihe Codicologica.14 Darüber hinaus hatte bereits im Jahre 1963 der Belgier François Masai, Begründer der Zeitschrift Scriptorium, seine Gedanken zu diesem Thema niedergeschrieben, und viele andere Handschriftenspezialisten sind ihm seit dieser Zeit nachgefolgt.15 Die Krönung all dieser theoretischen Darlegungen bildet zweifellos das 1984 in erster Auflage erschienene Werk Armando Petruccis La descrizione del manoscritto.16 Maria Luisa Agati hat dieses Buch als die „utilissima, insostituibile e intramontabile Descrizione“ bezeichnet.17 Generell gilt: an praktischen Richtlinien hat es nicht gefehlt. Dabei wurden möglichst vollständige Beschreibungen empfohlen in der vom Institut de Recherche et d’Histoire des Textes zu Paris herausgegebenen Publikation Guide pour l’élaboration d’une notice de manuscrit.18 Diesem Unternehmen vergleichbar ist das niederländische Projekt Codigrafie en Computer.19 Zwar haben die meisten Richtlinien in Wer11 W. J. Wilson, Manuscript Cataloging. In: Traditio 12 (1956), S. 457–555. 12 Jean Porcher, A propos des catalogues de manuscrits. In: Bulletin des bibliothèques de France 5 (1960), S. 79–82. 13 Gilbert Ouy, Projet d’un catalogue de manuscrits médiévaux adapté aux exigences de la recherche moderne. In: Bulletin des bibliothèques de France 6 (1961), S. 319–335. 14 Gilbert Ouy, Comment rendre les manuscrits médiévaux accessibles aux chercheurs. In: Codicologica. Bd 4: Essais méthodologiques (Litterae Textuales), Leiden 1978, S. 9–58. 15 François Masai, Le problème des catalogues de manuscrits médiévaux. In: Bulletin des bibliothèques de France 8 (1963), S. 1–10. 16 Armando Petrucci, La descrizione del manoscritto. Storia, problemi, modelli (Aggiornamenti, Bd. 45), Rom 1984, 2. Aufl., Rom 2001. 17 Maria Luisa Agati, Il libro manuscritto. Introduzione alla codicologia (Studia archeologica, Bd. 124), Rom 2003, S. 398. 18 Guide pour l’élaboration d’une notice de manuscrit, Paris 1977. 19 A. J. Geurts, A. Gruijs, J. van Krieken, Codicografie en computer. Proeve van een leidraad voor het beschrijven van handschriften (PCC-project) (Nijmeegse Codicologische Cahiers, 1), Nijmegen 1983.
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ken dieser Art eine wissenschaftliche Beschreibung zum Ziel, doch richten sie sich insbesondere an Mitarbeiter eines bestimmten Katalogisierungsunternehmens. Sie versuchen nicht nur, die Beschreibungen zu vereinheitlichen, sondern auch, sie in einer solchen Weise zu gestalten und zu beschränken, dass sich die Katalogisierungsund Druckkosten in Grenzen halten. Bekannt geworden sind vor allem die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft hergestellten Richtlinien Handschriftenkatalogisierung.20 Die erste Auflage dieser Publikation erschien im Jahre 1973. Sie war ihrerseits vorbereitet durch eine zehn Jahre ältere Veröffentlichung mit dem Titel Zur Katalogisierung mittelalterlicher und neuerer Handschriften.21 Daran anknüpfend veranstaltet die deutsche Forschungsgemeinschaft in regelmäßigen Abständen Internationale Handschriftenbearbeitertagungen, auf denen die Beschreibungsproblematik vertieft wird. In Italien hat das Istituto per il Catalogo Unico delle Biblioteche Italiane im Jahre 1984 ebenfalls einen Guida ad una descrizione catalografica uniforme del manoscritto herausgegeben.22 Die allgemeine Tendenz der meisten heutigen Publikationen ist folgende: Der traditionelle Handschriftenkatalog ist überholt. Seine Unzulänglichkeiten sind: 1. Ein viel zu langsamer Fortgang der Erschließungsarbeiten. Er bewirkt, dass es Jahrhunderte dauern wird, bevor der Handschriftenbesitz größerer Bibliotheken erschlossen ist. 2. Ein schnelles Veralten der Beschreibungen. Ein gedruckter Katalog ist schon beim Augenblick seines Erscheinens veraltet. 3. Die schwierige Benutzung, selbst dann, wenn gute Register vorhanden sind. Es stellt sich die Frage, auf welche Weise diese Nachteile beseitigt werden können. Hier gilt, dass meines Erachtens der Kurzkatalog nicht die richtige Lösung darstellt. Wenn ein solcher Katalog wissenschaftlich akzeptabel sein soll, dann muss er im Grunde genommen die komprimierte Fassung eines regulären Vollkataloges sein. Hier wird aber dann nichts gewonnen außer den Druckkosten, während im Gegenteil vieles andere verloren geht. Dies gilt allerdings nicht für ein Unternehmen wie Peter Gumberts Illustrated Inventory of Medieval Manuscripts, das keinen allgemeinen Handschriftenkatalog enthält, sondern einen paläographisch-kodikologischen Katalog mit minimaler Beschreibung der Handschrifteninhalte.23 Für allgemeine Zwecke
20 Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. 5., erw. Aufl. DFG, Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung, Bonn 1992. 21 Zur Katalogisierung mittelalterlicher und neuerer Handschriften, hg. von Clemens Köttelwesch (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderheft 1), Frankfurt a. M. 1963. 22 V. Jemolo, M. Morelli, Guida ad una descrizione catalografica uniforme del manoscritto, Rom 1984. 23 J. Peter Gumbert, I. I. M. M. Illustrated Inventory of Medieval Manuscripts. Inventaire illustré de manuscrits médiévaux. Illustriertes Inventar mittelalterlicher Manuskripte, Leiden 1984f.
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bleibt der wissenschaftliche Katalog die einzige Wahl, während das Inventar, das nur sehr summarische Daten verzeichnet, als ein vorläufiges Arbeitsinstrument von Bedeutung ist. In einem neueren Aufsatz hat sich der französische Musikwissenschaftler Huglo für eine möglichst vollständige Beschreibung von Handschriften in entsprechenden Katalogen ausgesprochen.24 Huglo zufolge entspricht der von Lilian Randall verfasste Katalog der im Walters Art Museum aufbewahrten Handschriften am besten den Erwartungen der heutigen Benutzer. Das Werk sei sehr gelehrt und vernachlässige keinen einzigen Aspekt.25 Meines Erachtens trifft diese Aussage nicht zu, denn in dieser Sichtweise würden auch der Katalog der Handschriftensammlung Ludwig26 oder die Antiquariatskataloge Leuchtendes Mittelalter 27 den gleichen Beifall verdienen. All diese Kataloge sind zwar wissenschaftlich auf einem ausgezeichneten Niveau und noch dazu meist vollständig illustriert (was immer dankbar angenommen wird); doch sind Einzeldarstellungen von Handschriften in ihnen ungeeignet für eine schnelle Kenntnisnahme und für vergleichende Untersuchungen. Heute wird in immer stärkerem Ausmaß auf eine totale Umgestaltung der Arbeitsweise bei der Katalogisierung von Handschriften gedrängt. Am nachhaltigsten wird diese Option von dem bereits genannten Wissenschaftler Gilbert Ouy vertreten. „Im Zeitalter der Informatik soll man die Arbeit an den Handschriften nicht länger vertikal, man soll sie horizontal aufteilen“. Dies bedeutet, dass man nicht zuerst die Handschriften 1 bis 100 und dann 101 bis 200 usw. beschreiben, sondern vielmehr die verschiedenen Teile der einzelnen Beschreibungen für die gesamte Sammlung gesondert bearbeiten soll. Die verschiedenen ‚tranches‘ müssten dabei nicht das gleiche Niveau besitzen und auch nicht zu gleicher Zeit abgeschlossen sein. Ein solches Verfahren ist natürlich nicht möglich, wenn ein gedruckter Katalog erscheinen soll, wohl aber, wenn eine Datenbank geplant ist. Eine kleine Gruppe von Spezialisten sollte ‚ohne Mühe‘ einen ausgezeichneten ‚code descriptif‘ zusammenstellen können, Richtlinien für eine normalisierte Beschreibung, die dann international anerkannt und künftig überall zur Anwendung gelangen könnten.28 Ganz sicher ist dies ein frommer Wunsch, aber ist ein solcher Plan auch realistisch?
24 M. Huglo, Catalogue détaillé ou inventaire sommaire? Réflexions sur le catalogage des manuscrits de la Bibliothèque Nationale de France. In: Gazette du Livre médiéval 46 (2005), S. 49– 56. 25 L. C. Randall, Medieval and Renaissance Manuscripts in the Walters Art Gallery, Baltimore / London 1989f. 26 Anton von Euw, Joachim M. Plotzek, Die Handschriften der Sammlung Ludwig, 4 Bde., Köln 1979/85. 27 Eberhard König, Leuchtendes Mittelalter. Katalog Antiquariat Herbert Tenschert, Rotthalmünster Bd. 1 (1989) – Bd. 6 (1996): N. F. 1 (1997) f. 28 Gilbert Ouy, Vers des bases de données sur les manuscrits médiévaux: Pour un code déscriptif normalisé à plusieurs niveaux. In: Gazette du livre médiéval 20 (1992), S. 1–7.
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Ein Online-Katalog besitzt immense Vorteile: – das schnelle Auffinden einer Handschriftenbeschreibung, ohne den Arbeitsplatz verlassen zu müssen, – die schnellere Fertigstellung, – den Charakter des Nicht-Abgeschlossenen, immer zu Vervollkommnenden, – das Phänomen der Zusammenarbeit von Handschriftenspezialisten und Benutzern: Jeder Benutzer kann durch interaktives Zutun einen eigenen Beitrag zum Katalog leisten. Es ist also nicht verwunderlich, dass in den letzten Dezennien viele Projekte zu und Aufsätze über einen solchen neuartigen Katalog geschrieben worden sind.29 Doch hat der EDV-Katalog meines Erachtens auch Nachteile, die seine Realisierung bedrohen: Erstens ist eine dauerhafte Zusammenarbeit, vor allem in dem von Ouy vorgeschlagenen internationalen Institut, nicht realisierbar, wenn nicht ständig Gelder und tüchtige Mitarbeiter vorhanden sind. Hinzu kommt die Verpflichtung, sich auf ewig an die gleichen Richtlinien halten zu müssen. Wenn wir Heutigen nicht mehr mit den im 19. Jahrhundert geltenden Formen der Handschriftenbeschreibung zufrieden sind, dürfen wir dann erwarten, dass unsere Nachkommen mit unseren Methoden einverstanden sein werden? Wahrscheinlich ist es auch zweifelhaft, ob die heute vorhandenen Maschinen und Programme in 50 Jahren noch gebraucht werden können. Auch bleibt anzumerken, dass es relativ einfach und wissenschaftlich interessant erscheint, Richtlinien abzufassen. Sie aber über ein ganzes Menschenleben unverändert anzuwenden, ist eine andere Sache. Vor allem aber hat Professor Dr. Eef Overgaauw Recht, wenn er über neuere Entwicklungen auf dem Felde der Handschriftenbeschreibungen bemerkt: „Die DFG setzt auch im Bereich der Geisteswissenschaften auf kurzlaufende, innovative Fördermaßnahmen, in denen die Ergebnisse der Forschung über das Internet verbreitet werden. … Die mehreren Hundert philologischen, buchhistorischen und kodikologischen Aspekte, die in einer ergiebigen Beschreibung einer inhaltlich und kodikologisch komplexen Handschrift enthalten sind, lassen sich kaum in das Formular einer Datenbank übertragen. Trotz der unverkennbaren Vorteile der direkten Erfassung in eine Datenbank zeichnet sich ab, dass die Erstellung von längeren Beschreibungen nach wie vor mit Hilfe eines Textverarbeitungsprogramms durchgeführt wird und dass diese Beschreibungen in gedruckten Katalogen veröffentlicht werden. Die Re-
29 Zwei Berichte aus neuerer Zeit seien genannt: Paolo Eleuteri, Barbara Vanin, Il catalogo on line dei manoscritti delle biblioteche del Veneto. In: Gazette du livre médiéval 47 (2005), S. 31–38. C. Bracht, Manuscripta mediaevalia. Ergebnisse der Handschriftenkatalogisierung im Internet. In: Ebd., S. 39– 42.
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gistereinträge dieser Kataloge können anschließend in [eine] … Handschriftendatenbank … eingegeben werden.“30 Bereits Jahre zuvor hat ein anderer hervorragender deutscher Kenner der mittelalterlichen Kodizes, Dr. Gerhard Powitz, gewarnt: „Die Tendenz zur Normierung, die von der EDV ausgeht, wird bei den Registern nicht haltmachen, sondern zugleich auf den Text der Beschreibung einwirken. Die freie Formulierung wird unter den Druck der Notwendigkeit geraten, möglichst formelhaft, gestanzt von den Befunden der Handschrift zu sprechen … Aber bei allem Verständnis für die Bedürfnisse der EDV wird man darauf achten müssen, dass die freie, dem individuellen Sachverhalt geschmeidig angepasste Ausdrucksweise nicht beeinträchtigt wird. Der Segen könnte sonst leicht zum Fluch werden.“31
Die traditionelle Handschriftenbeschreibung in neuer Sicht Der Handschriftenkatalog, so wie wir ihn kennen, braucht meines Erachtens nicht abgelehnt, er muss nur umgestaltet werden, und dies auch mit Blick auf die Buchgeschichte. Zur Einführung möge hier der Aufsatz Paläographie und Kodikologie in Deutschland. Philologen, Historiker und Bibliothekare von Eef Overgaauw zitiert werden: „[Die Forschungen über mittelalterliche Handschriften] blühen in Deutschland wohl nicht so üppig wie in Frankreich oder Italien. … Anders als in diesen Ländern sind es in Deutschland nicht Paläographen oder Kodikologen, die sie betreiben, sondern Philologen, Historiker und Bibliothekare. … Seit 1959 sind in Deutschland mehr als 150 Katalogbände erschienen, weit mehr als in jedem andern Land Europas. … Viel häufiger als etwa in Frankreich oder Italien erscheinen hier Veröffentlichungen über die Handschriften aus dieser oder jener Kloster- oder Privatbibliothek oder über die Schreibtätigkeit in bestimmten Skriptorien.“32 Diese Aussage fügt sich an eine Bemerkung an, die weiter oben getroffen wurde. Professor Overgaauw merkt jedoch einige Punkte an, die heute in Deutschland entweder vernachlässigt oder kaum noch berücksichtigt werden: die Geschichte der Buchschrift im Mittelalter, kodikologische Studien und insbesondere die so genannte ‚codicologie quantitative‘. Doch sollen an dieser Stelle zwei Ausnahmen genannt werden: Frank Bischoff und Uwe Neddermeyer, deutsche Gelehrte, die auf diesem Gebiet durch namhafte Studien
30 Eef A. Overgaauw, Neue Konzepte der Handschriftenerschließung in Deutschland. In: Gazette du livre médiéval 38 (2001), S. 50–54 [Zitate S. 50 und 52]. 31 Gerhard Powitz, Katalogregister im Wandel. In: Gazette du livre médiéval 12 (1988), S. 1–3 [Zitat S. 3]. 32 Eef A. Overgaauw, Paläographie und Kodikologie in Deutschland. Philologen, Historiker und Bibliothekare. In: Gazette du livre médiéval 35 (1999), S. 46–52 [Zitate S. 46, 47, 49].
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h ervorgetreten sind. Die Gebiete der Schriftlichkeit und der Verschriftlichung betrachtet Eef Overgaauw zu Recht als „am Rande der Bereiche“ von Paläographie und Kodikologie liegend.33 Vielleicht lohnt es sich an dieser Stelle, die Ziele eines Handschriftenkataloges noch einmal zu bedenken, um herauszufinden, auf welche Weise der traditionelle Katalog verbessert werden kann. 1. Allgemein wird anerkannt, dass das höchste und wichtigste Ziel darin besteht, die in den Handschriften vorkommenden Texte (und Bilder) bekannt zu machen. Diese ‚innere Beschreibung‘ der vorhandenen Texte wird dementsprechend oft in größeren Buchstaben gedruckt. Als vornehmste Zielgruppe eines Handschriftenkataloges werden die Philologen und Historiker angesehen – und dies zu Recht, insofern die Texte Grund und Ursache für die Existenz der Handschriften darstellen. In eben diesem Sinn hat Paul Oskar Kristeller die Handschriftenkunde (manuscript research) als das Aufsuchen unbekannter Texte definiert.34 Doch würde diese Definition bedeuten, dass die Handschriftenkunde zu ihrem Ende käme, wenn der Inhalt aller auf der Welt vorhandenen Handschriften erschlossen sein wird. Man wird daher einer solchen Definition schwerlich zustimmen können. Im Gegenteil sollte auf die relative Bedeutung vieler in den Handschriften vorkommender Texte für Neueditionen verwiesen werden. Inwieweit tragen neue Handschriftenbeschreibungen bei zu unserer Kenntnis etwa von Augustins Ennarationes in Psalmos, Gregors des Großen Moralia in Job, Juvenals Satiren oder Petrus Lombardus’ Sentenzen? Gewiss nur sehr wenig. 2. Dagegen sind sämtliche Beschreibungen eines einzelnen Textes wichtig für die Geschichte der Textüberlieferung. Hier kommt es nicht mehr auf den Text an, wie der Autor ihn geschrieben hat, sondern auf den Text, wie die Nachwelt ihn gelesen, geschätzt, kommentiert, abgeändert usw. hat, mithin wie der Text innerhalb der unabgeschlossenen Reihe Catalogus Translationum et Commentariorum studiert wird.35 3. Also besitzt die Geschichte der Handschriften eine Bedeutung um ihrer selbst willen. Es werden innerhalb der mittelalterlichen Bibliotheksgeschichte Ent stehungsort und -zeit, Provenienzen, Gebrauch, Funktion und Wirkung von Handschriften erforscht, ein gerade in Deutschland intensiv gepflegtes Fachgebiet.
33 Ebd., S. 50f. 34 Paul Oskar Kristeller, Aufgaben und Probleme der Handschriftenforschung. In: Wort und Text. Festschrift für Fritz Schalk, Frankfurt a. M. 1963, S. 1–13 (englische Übersetzung: Tasks and Problems of Manuscript Research. In: A. Gruijs, J. P. Gumbert [Hgg.], Codicologica, Bd. 1: Théories et principes, Leiden 1976, S. 84–90). 35 F. E. Cranz, Paul Oskar Kristeller, Catalogus Translationum et Commentariorum. Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries, Washington D. C. 1960.
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4. Die Handschriftenbeschreibung soll aber auch Elemente liefern für ein Studium der mittelalterlichen Buchherstellung. Aus diesem Grunde soll insbesondere die kodikologische Beschreibung auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Zu Unrecht ist die Kodikologie in Deutschland ein nicht sehr beliebtes Fach. Die Erklärung für diesen Sachverhalt liegt möglicherweise in der Tatsache begründet, dass der deutsche Idealismus eine Abneigung gegen das Studium der Handschrift als eines materiellen Objektes hegte, vielleicht aber noch mehr im Vorhandensein wenig überzeugender Beispiele kodikologischer Studien mit falscher Fragestellung. Kodikologie ist jedoch in einem doppelten Sinne notwendig für das Studium der Buchherstellung.36 Die Entstehungsgeschichte der einzelnen Handschriften basiert nicht nur auf der Schrift, sondern auch auf Buchmaterialien, Lagenstruktur, Liniierung, Dekoration oder Einband, dies alles im Zusammenhang mit dem Text. Das globale Studium der Handschrift ist in der Tat das prägende Merkmal der kodikologischen Methode. Ganz in diesem Sinne hat der große belgische Kodikologe Léon M. J. Delaissé die Kodikologie als das Studium aller materiellen Merkmale einer Handschrift im Zusammenhang mit dem Text definiert.37 Zwar enthalten alle Handschriftenkataloge Beschreibungen dieser materiellen Merkmale, doch sind dies in der Regel analytische Beschreibungen. Sie führen zu einer Zersplitterung der zugrunde liegenden Einheit und lassen die wesentlichen Aufgaben einer solchen Beschreibung außer Acht. Denken wir nur an eine Bemerkung Karl Löfflers in seiner für die damalige Zeit vortrefflichen Einführung in die Handschriftenkunde. Demnach sei auch die Angabe der Zeilenzahl nützlich, um womöglich verloren gegangene Blätter einer Handschrift aufzufinden.38 Auf der anderen Seite soll die Handschriftenbeschreibung auch einen Beitrag leisten zum Studium der Handschrift als Teil einer Gruppe. Hier tritt der Begriff der ‚codicologie quantitative‘ in den Vordergrund, eine Disziplin, die scheinbar im Widerspruch steht zu dem Gedanken, dass jede Handschrift ein Unikat darstellt. Bernhard Bischoffs diesbezügliche Bemerkung wird mittlerweile ständig zitiert: „Mit technischen Mitteln ist die Paläographie, die eine Kunst des Sehens und der Einfühlung ist, auf dem Wege eine Kunst des Messens zu werden.“39 Doch scheint mir diese Aussage auf einem Missverständnis zu beruhen: Das Messen bildet nur ein Hilfsmittel für das Gedächtnis, auf dem die Wissenschaft Bischoffs und anderer For36 Albert Derolez, Catalogues codicologiques. In: Gazette du livre médiéval 12 (1988), S. 4–6. 37 Léon M. J. Delaissé, Le manuscrit autographe de Thomas a Kempis et l’Imitation de JésusChrist. Examen archéologique et édition diplomatique du Bruxellensis 5855– 61, Brüssel 1956; hier Bd. 1, S. 2. 38 Karl Löffler, Einführung in die Handschriftenkunde, Leipzig 1929 [neue Aufl. hrsg. von Wolfgang Milde (Bibliothek des Buchwesens, Bd. 11), Stuttgart 1997], S. 74. 39 Bernhard Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik, Bd. 1), Berlin 1979, S. 17.
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scher, die sich hauptsächlich mit dem frühen Mittelalter beschäftigten, basiert. Die große Masse an Handschriften, mit der der Spezialist des Spätmittelalters umgehen muss, macht es einfach unmöglich, sämtliche Daten im Kopf zu behalten. Stattdessen sind statistische Hilfsmittel notwendig. Alle Forscher erkennen schließlich zumindest implizit an, dass eine Handschrift nicht nur ein Unikat darstellt, sondern auch einer Gruppe zugehört. Sonst wäre jede Entscheidung über Datierung und Ort der Entstehung einer Handschrift unmöglich.
Praktische Auswirkungen Paul Gerhard Schmidt zufolge soll ein Handschriftenkatalog „kurz, knapp, klar und asketisch“ sein.40 Obwohl diese Wünsche nicht immer realisierbar sind, müssen sie doch im Auge behalten werden. Hier geht es vornehmlich darum, die Nachteile eines traditionellen Kataloges möglichst umfassend zu beseitigen. Dies kann meines Erachtens auf folgendem Weg erreicht werden: 1. Durch Aufgabe der Vorstellung der Perfektion. Der Handschriftenkatalog repräsentiert zwar eine wissenschaftliche Arbeit, er bleibt aber ein Instrument der Wissenschaft und bildet kein Ziel in sich selbst. 2. Der Handschriftenbearbeiter ist ein Spezialist für die Handschrift. Er allein hat sie in Händen und kennt ihre Problematik. Doch soll der Handschriftenbearbeiter nicht versuchen, dem Philologen und dem Textspezialisten Konkurrenz zu machen: beide werden ihm immer überlegen sein. Vielmehr soll er bemüht sein, eine vollständige Inhaltsangabe zu liefern, soweit dies in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist. Diese Inhaltsangabe soll folgende Elemente umfassen: Incipit und Explizit, Autor, Titel, womöglich die Nummer eines Repertoriums wie des Clavis Patrum Latinorum (mit Verzicht der Angabe von Editionen), oder, wenn kein zugängliches Verzeichnis greifbar ist, mit Verweis auf entsprechende Editionsreihen wie die Patrologia Latina, das Corpus Christianorum, das Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum und ähnliches. Einzelheiten zu den Texten sollten in der Regel unterdrückt werden. Auch weiterführende Identifikationen von Personen und Orten sind in einem Zeitalter, in dem die verschiedensten elektronischen Datenbanken bequem zur Verfügung stehen, oft überflüssig. Bibliographische Angaben, die häufig sofort veralten, sollten möglichst vermieden oder in ihrem Umfang beschränkt werden. So macht es beispielsweise bei Handschriften aus dem römischen Recht wenig Sinn, auf Dolezalek zu verweisen, da dieser
40 Paul Gerhard Schmidt, Der Handschriftenkatalog: Kurz, knapp, klar und asketisch. Vortrag gehalten am Ende der Internationalen Handschriftenbearbeitertagung, organisiert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in der Universität Münster vom 23. bis 25. September 1996, gedruckt in den Referaten und Protokollen dieser Tagung.
Bibliotheks- und Buchgeschichte des Mittelalters
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seinerseits auf gedruckten Katalogen, verschiedentlich unzuverlässigen Handschriftenbeschreibungen und anderen Quellen dieser Art basiert.41 3. Die kodikologischen Einzelheiten jeder Handschrift sollen im Licht der heutigen Kenntnisse vollständig beschrieben werden. Hierzu gehören etwa Liniierungstechniken mit Unterscheidung in Blindliniierung, Blei-, Tinten-, Kamm- und Brettliniierung. Eine solche Beschreibung kann am ehesten auf quantitative Angaben und eine normalisierte Terminologie zurückgreifen sowie eine qualitative Beschreibung vermeiden. Es gibt heutzutage Kodifizierungssysteme für Liniierungstypen (d. h. Zusammenstellungen vertikaler und horizontaler Linien, die auf einer Seite gezogen wurden), und es gibt eine mehr oder weniger feste Terminologie der Schrifttypen. Sogar eine Kodifizierung der Dekorationselemente ist möglich, insbesondere bei den gotischen Initialen und Bordüren, die meistens einer Hierarchie und damit einem bestimmten System entsprechen. Kodifizierung und normalisierte Terminologie besitzen große Vorteile im Hinblick auf Kürze und Vergleichbarkeit der Daten.42 4. Eine ausführliche Illustration (ideal ist ein Bild pro Handschrift) kann sofort Einblick gewähren in das Erscheinungsbild des beschriebenen Objekts, selbst wenn nur eine Seite oder gar ein Teil einer Seite reproduziert wird. 5. Der Katalogtext soll lesbar bleiben und es soll ihm eine Liste der beschriebenen Handschriften mit ihren Hauptdaten beigegeben werden. Der ideale Zugang zu einem Katalog ist nicht für jedermann das Register, wie wichtig dieser Teil auch sein mag. Vieles an Information wird einfach durch das Blättern im Band aufgefunden. 6. Für jede Handschrift ist im Anschluss an die Analyse eine Synthese zu empfehlen, die oft nicht mehr als einen Satz oder einen Paragraphen beinhalten muss. Sie soll die Konklusionen zu der betreffenden Handschrift zusammenfassen. Zum Schluss ein letztes Wort: Ein Handschriftenkatalog wie der hier skizzierte macht sich frei von dem Gedanken, die Handschriftenkunde, inklusive der Handschriftenbeschreibung, besitze nur eine dienende Funktion. Vielmehr kommt ihr auch als eigenständige Disziplin eine wichtige Aufgabe zu.
41 Gero Dolezalek, Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600. Materialsammlung, System und Programm für elektronische Datenverarbeitung, 4 Bde., Frankfurt a. M. 1972. 42 Einen Vorschlag für eine normalisierte paläographische Terminologie des späten Mittelalters bietet Albert Derolez, The Palaeography of Gothic Manuscript Books. From the Twelfth to the Early Sixteenth Century (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology, Bd. 9), Cambridge 2003. S. 33–43 ist einiges gesagt zur Klassifikation und zur Terminologie von Liniierung und Dekoration von Handschriften dieser Zeit.
Eva Effertz1
Neue Wege der Handschriftenerschließung aus Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Förderung von Informationssystemen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist die zentrale Selbstverwaltungs einrichtung der Wissenschaft zur Förderung der Forschung an Hochschulen und öffentlich finanzierten Forschungsinstitutionen in Deutschland. Die DFG dient der Wissenschaft in allen ihren Zweigen durch die finanzielle Unterstützung von Forschungsvorhaben und durch die Förderung der Zusammenarbeit unter den Forschern. Zu ihren Handlungsbereichen gehört auch die Förderung von Informations-Infrastrukturen. Schon seit über 50 Jahren werden wissenschaftliche Bibliotheken, seit 35 Jahren auch wissenschaftliche Archive, unterstützt. Die Erweiterung und Umbenennung des Förderbereichs mit dem heutigen Namen Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (LIS) war eine logische Konsequenz aus den Entwicklungen im Informations- und Bibliothekssektor. Wissenschaft und Forschung brauchen leistungsfähige Infrastrukturen zur Bereitstellung und Verbreitung von Publikationen und Informationen sowie für neue wirtschaftliche Kommunikationsformen und kollaborative Arbeitsweisen. Das DFG-Positionspapier „Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informa tionssysteme: Schwerpunkte der Förderung bis 2015“ beschreibt die aktuelle Situation: „Für Forschung und Lehre in Deutschland stellen die wachsende Vernetzung digitaler Informationssysteme, der veränderte Rahmen des wissenschaftlichen Publizierens und Kommunizierens sowie strukturelle Neuausrichtungen im Hochschulbereich wesentliche Faktoren der Umgestaltung dar. Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Hochschul- und Forschungssystems werden sich auch die Informationseinrich tungen in unterschiedlicher Weise neu positionieren: Wissenschaftler und Hochschullehrer erwarten von den Informationseinrichtungen qualifizierte Unterstützung beim digitalen Zugang zu Publikationen, bei der fachlichen Erschließung von Informations
1 Der Vortrag wurde unter dem damaligen Namen Dr. Eva Kistemann gehalten.
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räumen sowie der Verwaltung und Vernetzung von Forschungsdaten und elektronischen Lehrmodulen. Als Antwort auf veränderte Anforderungen müssen sich die heute noch weitgehend getrennt operierenden Bibliotheken, Archive und Fachinforma tionseinrichtungen mit überregionaler Ausstrahlung zu einem kohärenten Gesamtsystem der digitalen Informationsversorgung für die Wissenschaft vernetzen.“2
Das DFG-Förderprogramm Kulturelle Überlieferung Im Rahmen dieser allgemeinen Entwicklung der Informations-Infrastruktur sind auch die Erschließung und die digitale Bereitstellung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften zu sehen. Zum übergeordneten strategischen Ziel äußert sich das LIS-Förderprogramm „Kulturelle Überlieferung“3 folgendermaßen: „Die gemeinfreie nationale kulturelle Überlieferung sollte in ihrer Gesamtheit erschlossen, dokumentiert und digital zur Verfügung gestellt werden.“ Deshalb werden Vorhaben in drei relevanten thematischen Schwerpunkten gefördert. Neben der Erschließung von Handschriften, Nachlässen, Archivgut und Spezialbeständen können historische Bestände insbesondere durch Digitalisierung gesichert und bereitgestellt, und auf dieser Grundlage kann der Aufbau überregionaler Nachweis- und Zugriffs-Systeme speziell materialspezifischer Portale sowie deren Integration vorangetrieben werden. Innerhalb des Etats der DFG-Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (LIS) in Höhe von 34,3 Mio. Euro im Jahr 2005 standen für den Förderbereich Kulturelle Überlieferung 9,5 Mio. Euro zur Verfügung. Auf Informationssysteme für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit, im Wesentlichen die Handschrifenerschließung, entfielen davon in diesem Zeitraum etwa 1,3 Mio. Euro.
DFG-Förderung der Erschließung von Handschriften Die DFG fördert die Erstellung von Handschriftenkatalogen zu mittelalterlichen Handschriften bereits seit 1960. Seitdem sind über 200 Kataloge zu thematisch, zeitlich und regional sehr unterschiedlich charakterisierten Beständen erarbeitet worden. Derzeit werden rund 30 Projekte mit etwa ebenso vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefördert. Sie sind im Wesentlichen in sechs Handschriftenzentren an der 2 DFG-Positionspapier: Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme. Erarbeitet im Rahmen der Klausurtagung des DFG-Ausschusses für Wissenschaftliche Biblio theken und Informationssysteme am 11. und 12. Oktober 2005, beschlossen am 29. 05. 2006. http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/positionspapier.pdf 3 Positionspapier „Kulturelle Überlieferung“: http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/pos_papier_kulturelle_ueberlieferung_0511.pdf
Neue Wege der Handschriftenerschließung aus Sicht der DFG
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Staatsbibliothek Berlin, der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt, der Universitätsbibliothek Leipzig, der Bayerischen Staatsbibliothek München, der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel durchgeführt worden oder sind dort aktuell angesiedelt.4 Seit 1992 wurden diese Beschreibungen auch maschinenlesbar erarbeitet, und ein großer Anteil ist heute im Internet beim Handschriftenportal Manuscripta Mediaevalia entgeltfrei recherchierbar.5 Die langjährige, stetige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat mit dazu beigetragen, dass die deutschen Bibliotheken bei der Erschließung von mittelalterlichen Handschriftenbeständen im internationalen Vergleich eine Spitzenstellung erlangen konnten. Von der hohen Zahl der rund 60.000 in Deutschland vorhandenen abendländischen mittelalterlichen Handschriften galten Ende der 1990er Jahre zwei Drittel als erschlossen. Das bedeutete, weitere 20.000 Handschriften waren für die wissenschaftliche Forschung noch zu erschließen. Gemäß den „DFG-Richtlinien zur Handschriftenkatalogisierung“, die auch außerhalb DFG-geförderter Projekte als Norm akzeptiert werden, kann ein guter, erfahrener Handschriftenbibliothekar im Laufe von zwei Jahren rund 50 Katalogisate anfertigen; für diese Zeit fallen Personalkosten von rund 117.000 Euro an. Sollten diese Bestände also in den kommenden zwanzig Jahren nach den bewährten Standards bearbeitet werden, hätten über 46 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden müssen, um 40 Handschriftenbearbeiter mit dieser Aufgabe zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund publizierte die DFG im Jahr 2001 ein Positionspapier zu „Neuen Konzepten der Handschriftenerschließung“ mit dem Ziel der beschleunigten, nutzerfreundlichen und internetfähigen Bestandserschließung bei effektivem Mitteleinsatz. Gleichzeitig mit dieser von finanziellen Erfordernissen bewogenen Akzentverschiebung reformierte die für die Bibliotheksförderung zuständige Gruppe der DFG ihr Ausschusswesen. Ursprünglich gab es neben dem zentralen Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheks- und Informationssysteme (AWBI) nahezu für jedes Förderungsprogramm einen eigenen Unterausschuss. Bereits 1999 waren 13 Ausschüsse durch Zusammenlegung auf acht, im darauf folgenden Jahr auf vier strategische Unterausschüsse reduziert worden. Der ehemalige Unterausschuss Handschriftenkatalogisierung sollte jedoch nicht ersatzlos gestrichen werden. Vielmehr fasste der AWBI in der Herbst-Sitzung 2001 folgenden Beschluss, der im darauf folgenden Jahr, im Herbst 2002, zur Umsetzung kam: „Für den Bereich der Informationssyste4 Zu Funktion, Aufgabe und Arbeitsweise eines Handschriftenzentrums vgl. Christoph Mackert: Die Arbeit der deutschen Handschriftenzentren. Einblicke in die Praxis der Beschreibung mittelalterlicher Handschriften. In: Information Macht Bildung. Zweiter gemeinsamer Kongress der Bundesvereinigung Dt. Bibliotheksverbände e.V. (BDB) u. der Dt. Ges. f. Informationswissenschaft und Informationspraxis e.V. (DGI) Leipzig, 23.–26. März 2004. Hg. von Georg Ruppelt, Gabriele Beger. Wiesbaden 2004, S. 256–264. 5 http://www.manuscripta-mediaevalia.de
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me für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung wird jedoch die Einsetzung einer auf vier Jahre befristeten Arbeitsgruppe vorgesehen, um die Kontinuität zur bisherigen Arbeit des Unterausschusses Handschriftenkatalogisierung zu wahren. Dabei soll das Ziel verfolgt werden, während dieses Zeitraums die detaillierte fachliche Begleitung der Fördermaßnahmen in eine sachgerechte Beiratsstruktur zu überführen.“ Das neue Gremium setzte sich aus deutschen und ausländischen Handschriftenexperten zusammen. Es tagte erstmals im Herbst 2002 in Marburg unter dem neuen Namen Arbeitsgruppe Informationssysteme für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, kurz AG MAN. In den drei folgenden Jahren fanden jeweils zwei Treffen pro Jahr an unterschiedlichen Orten statt; die abschließende Sitzung nach der Laufzeit von vier Jahren wurde zu Jahresbeginn 2006 in Leipzig durchgeführt. Im Mittelpunkt der Arbeit stand die Qualitätskontrolle der Projekte, vor allem im Hinblick auf die Umsetzung der „Neuen Konzepte der Handschriftenerschließung“.
Neue Konzepte zur Handschriftenerschließung Oberste Priorität sollte gemäß den 2001 veröffentlichten Neuen Konzepten zur Handschriftenerschließung die beschleunigte Erschließung der Bestände haben; eine realistische Perspektive für einen Gesamtnachweis aller in Deutschland vorhandenen Bestände war unabdingbar.6 Dies setzte zweitens einen möglichst effizienten Einsatz der für die Erforschung der kulturellen Überlieferung des Mittelalters zur Verfügung stehenden Ressourcen voraus, auch der finanziellen. Und drittens sollte von vornherein bedacht werden, wie die im Handschriftenprogramm entwickelten Informationsangebote möglichst nutzerfreundlich gestaltet und durch konsequentes Entwickeln von Internet-Angeboten auch einer umfassenden internationalen Nutzung zugeführt werden könnten.7 Die Kernelemente dieses Leitkonzeptes sind: – Das World Wide Web ist das zentrale Medium zur Präsentation, Verbreitung, Recherche und Integration der Informationssysteme. Dabei ist der entgeltfreie und offene Zugang für die Wissenschaft anzustreben. – Die umfassende Bereitstellung aller verfügbaren Informationsquellen im Netz ist das wesentliche kurzfristige Ziel; dies betrifft einerseits die bisher im Handschriftenprogramm erstellten Kataloge, darüber hinaus auch historische Kataloge und
6 „Neue Konzepte zur Handschriftenerschließung“ auf der Internetseite der DFG www.dfg.de als pdf-Datei abrufbar unter http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/handschriften.pdf 7 Weitere Ausführungen bei Johannes Fournier, Das Handschriftenprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft und die „Neuen Konzepte der Handschriftenerschließung“. In: Information Macht Bildung (wie Anm. 4), S. 264–269.
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die in den Bibliotheken gesammelten, aber nur schwer zugänglichen Forschungsdokumentationen zu den Handschriftenbeständen. Der Gesamtnachweis aller in Deutschland vorhandenen Handschriftenbestände sollte in den kommenden Jahren angestrebt werden. Die einzelnen Erschließungsprojekte sind als Baustein zur Erreichung dieses Ziels zu sehen. Ein abgestuftes Konzept der Erschließungstiefe gewährleistet – auch unter zeitlichen Aspekten – eine wirtschaftlichere Katalogisierung der umfangreichen noch unerschlossenen Bestände. Nur so ist das Ziel eines Handschriften-Gesamtverzeichnisses zu erreichen. Die interaktive Ergänzung und Aktualisierung der bereitgestellten Informationen durch wissenschaftliche Nutzer ermöglicht eine laufende Forschungsdokumentation im Netz. Die gestufte Erweiterung der Materialbasis ergänzt die im Mittelpunkt der Informationssysteme stehende handschriftliche Überlieferung durch Druckschriften, Archivalien, Museumsobjekte usw. Abbildungen und Primärinformationen ergänzen textliche Objektbeschreibungen und Sekundärinformationen (Kataloge). Die aktive internationale Vermittlung und Verbreitung der Informationssysteme ist Bestandteil des Förderkonzepts.
Bewertung der „Neuen Konzepte“ durch Experten Im Rücklauf zweier, in den Jahren 2002 und 2005 durchgeführter internationaler Experten-Befragungen durch die Geschäftsstelle der DFG wurde die Bedeutung der Erschließung der mittelalterlichen Handschriften, insbesondere der Tiefenerschlie ßung, nachdrücklich hervorgehoben und für die Fortsetzung ihrer Förderung plädiert. Die Mitglieder der DFG-Arbeitsgruppe „Informationssysteme für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung“ zogen mit den folgenden Leitsätzen ein knappes Resümee der Stellungnahmen und Desiderate, die die befragten Handschriftenexperten im Hinblick auf die Umsetzung der „Neuen Konzepte“ geäußert haben. 1. An Erschließungsinstrumenten stehen neben der Tiefenerschließung in begründeten Fällen die Inventarisierung und die Bestandsliste als Verfahren abgestufter Erschließungstiefe zur Verfügung. Eine abschließende Bewertung der beiden letztgenannten Instrumente steht noch aus. Insbesondere die Inventarisierung von Beständen und das Aufstellen einer Bestandsliste setzen besondere Erfahrung und langjähriges Wissen der Bearbeiter voraus. 2. Die Tiefenerschließung, als besonderes Markenzeichen DFG-geförderter Projekte zur Erschließung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Handschriften, ist nach wie vor unverzichtbar. Im Hinblick auf knappe Fördermittel muss weiterhin darauf geachtet werden, dass eine vertiefte Erschließung nur auf Bestände angewendet wird, deren wissenschaftliche und kulturelle Relevanz begründet wird.
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3. Die notwendige Planung setzt als Orientierungsinstrument letztlich das Aufstellen einer Liste von Handschriften-Beständen in Deutschland zur (Tiefen-)Erschließung voraus. Die umfängliche Liste, die entsprechend dem aktuellen Kenntnisstand von den Handschriftenzentren im Jahr 2006 vorgelegt worden ist, erweist die Notwendigkeit der weiteren Erschließung mittelalterlicher Handschriften im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Kulturellen Überlieferung. 4. Ältere Kataloge und Hilfsmittel durch Retrokonversion und den Aufbau von Datenbanken verfügbar zu machen, ist ein richtiger Ansatz. Oberste Priorität hat dabei die Orientierung auf den Nutzer. In der Projektbewertung sollten Gutachter daher auch die technische Funktionalität und Handhabbarkeit der mit DFG-Förderung aufgebauten Systeme entsprechend berücksichtigen. 5. Die Digitalisierung ganzer Handschriftenbestände erscheint zweckmäßig als Ergänzung zur Tiefenerschließung sowie bei schwer zugänglichen Streubeständen. Sinnvoll erscheint die Beigabe einer repräsentativen Auswahl digitaler Faksimiles („Schlüsselseiten“) unter Einschluss der Metadaten auch dort, wo Bestände lediglich in Kurzform erschlossen werden.
Ausblick Im Jahr 2005 formierte sich eine Interessengemeinschaft der sechs deutschen Handschriftenzentren Berlin, Frankfurt, Leipzig, München, Stuttgart und Wolfenbüttel. Ihr wesentliches Ziel ist eine selbst organisierte Interessensvertretung für die Erschließung mittelalterlich-abendländischer Handschriften in Deutschland. Erstes konkretes gemeinsames Projekt war eine Anfertigung einer Gesamtübersicht über diese Handschriftenbestände in Deutschland. Für den Großteil (ca. 90 %) der rund 60.000 ermittelten Handschriftenbestände liegen bereits gedruckte Nachweise unterschiedlichster Art und Qualität vor. Insbesondere die mittelgroßen Sammlungen sind gut erschlossen. Erschließungslücken bestehen im Bereich der Streubestände sowie in Teilen der großen Sammlungen.8 Die von den Handschriftenzentren ermittelte Erschließungsquote verdeutlicht, wie viel in der Handschriftenerschließung bereits geleistet wurde. An Erschließungsinstrumenten stehen im Rahmen der Förderlinie neben der Tiefenerschließung auch Inventarisierung und Bestandsliste als Verfahren abgestufter Erschließungstiefe, möglicherweise ergänzt um Digitalisierung, zur Verfügung. Das Ziel der Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft bleibt ein Gesamtnachweis aller in Deutschland vorhandenen Handschriftenbestände, zentrales Nachweis-Medium ist die Hand-
8 Eine Veröffentlichung dieser Liste in der Handschriftendatenbank Manuscripta Mediaevalia ist geplant, sie soll durch Foto Marburg in die bereits vorhandene Ortsliste der Kataloge eingebunden werden.
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schriftendatenbank Manuscripta Mediaevalia. Die Qualitätssicherung und fachliche Begleitung der Projekte werden zukünftig noch stärker von der antragstellenden Einrichtung in Kooperation mit dem betreuenden Handschriftenzentrum wahrgenommen. Im Jahr 2006 ging die Zuständigkeit für die Förderlinie „Informationssysteme für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung“ auf den DFG-Unterausschuss für Kulturelle Überlieferung über. Es ist geplant, die Mittel für die Katalogisierung anzuheben und zusätzliche Mittel für die erforderlichen Digitalisierungsarbeiten bereitzustellen. So könnte das einst visionäre Ziel eines Gesamtnachweises der deutschen HandschriftenBestände in absehbarer Zeit Realität werden.
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Integrierte Dienste für die Geschichts- und Altertumswissenschaften: die virtuellen Bibliotheken der Bayerischen Staatsbibliothek München* Mit einem Bestand von fast neun Millionen Bänden und einem hervorragenden Altbestand mit bedeutenden Denkmälern aus der Frühzeit des Buchdrucks sowie zahlreichen Sonderbeständen und einer der bedeutendsten Handschriftensammlungen der Welt ist die Bayerische Staatsbibliothek eine der wichtigsten Bibliotheken weltweit. Aufgrund dieser herausragenden Bestände wurde die Bayerische Staatsbibliothek seit dem Zweiten Weltkrieg im Auftrag und durch die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des neu gegründeten bundesweiten Systems der überregionalen Literaturversorgung zu einer Referenzbibliothek für die Altertumsund Geschichtswissenschaften ausgebaut. Die Aufgabe jeder thematischen Schwerpunktbibliothek im DFG-System besteht darin, alle für ein bestimmtes Fach wissenschaftlich relevanten Publikationen zu erwerben, zu erschließen und dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Die Bayerische Staatsbibliothek ist dabei für folgende Bereiche zuständig: Vorund Frühgeschichte, Klassische Altertumswissenschaft inkl. Alte Geschichte, Mittelund Neulatein, Byzanz, allgemeine Geschichte, Geschichte und Kultur der deutschsprachigen Länder, der Länder Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas sowie Frankreichs und Italiens. Der Sammelauftrag wurde in den 1990er Jahren auf die Erwerbung von Publikationen auf Datenträgern und später auf die frei verfügbaren Ressourcen im Netz erweitert. Hiermit reagierte die DFG auf die veränderten Anforderungen der E-MedienWelt und legte gleichzeitig die Förderungsgrundlagen für die Überführung des ursprünglich auf die gedruckte Literatur angelegten Systems in ein Netzwerk von virtuellen Fachbibliotheken.1
* Der vorliegende Beitrag ist eine leicht aktualisierte Version des Vortrags, den die Verf. auf dem Trierer HKFZ-Workshop vom 28.–29. 4. 2006 gehalten hat. 1 Vgl. DGF-Memorandum 1998: Weiterentwicklung der Überregionalen Literaturversorgung; s. auch Reinhard Rutz, SSG-Programm, Virtuelle Fachbibliothek und das Förderkonzept der DFG. In: Bibliothek 22/1998, S. 303–308.
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Ausgehend vom Sammelauftrag der DFG und gemäß den veränderten technischen Anforderungen hat die Bayerische Staatsbibliothek bereits in den 1990er Jahren begonnen, die konventionellen bibliothekarischen Dienstleistungen auf die erweiterten Bedürfnisse der Fachwissenschaftler hin auszubauen. Im Bereich der bibliographischen Dienste sind beispielsweise wichtige Schritte in Richtung Kataloganreicherung unternommen worden. Der neue Katalog enthält nicht nur Titeldaten zu Monographien, sondern zunehmend zusätzliche Informationen zu den einzelnen Werken sowie zu den Inhaltsverzeichnissen von relevanten Sammelbänden etwa aus der italienischen und anglo-amerikanischen Verlagsproduktion. Darüber hinaus werden auch Links zu digital verfügbaren Abstracts, Klappentexten oder E-Rezensionen angeboten. Eine besondere Form der Präsentation von SSG-Beständen stellen die Daten banken der Neuerwerbungen für die historischen und altertumswissenschaftlichen Fächer dar. Die drei zur Verfügung stehenden Datenbanken „Neuerwerbungen Geschichte“2, „Neuerwerbungen Altertum“3 und „Neuerwerbungen Osteuropa“4 bieten die Neuzugänge jeweils in den Fächern allgemeine und regionale Geschichte, Vorund Frühgeschichte, alte Geschichte, klassische Philologie, Byzantinistik, mittel- und neulateinische Philologie und osteuropäische Geschichte. Die Datenbanken sind systematisch nach Epoche, Raum und Themen und im Freitext nach Titel, Autoren und Schlagwort abfragbar. Bei einem jährlichen Zuwachs an Monographien von mehreren Tausenden Einheiten bietet die Darstellung in Datenbankform den Vorteil der personalisierten Auswahl und daher mehr Komfort als eine statische Liste. Zu den monatlich aktualisierten Datenbanken gehört ein personalisierbarer Abo-Dienst. Es reicht, die gewünschten Gebiete anzukreuzen und die E-Mail einzutragen, und die personalisierte Titelliste wird bequem monatlich nach Hause zugeschickt. Die Bayerische Staatsbibliothek unterhält ferner mehrere Systeme zur Erschließung von Zeitschrifteninhaltsverzeichnissen. Die Zeitschriftenschau Geschichte5 und Osteuropa6 sind als virtuelles Zeitschriftenregal konzipiert: Die Inhaltsverzeichnisse von mehreren Hunderten zentralen Printzeitschriften werden hierfür gescannt und können am Bildschirm durchgeblättert oder im Volltext recherchiert werden. Die Verknüpfung mit Subito ermöglicht ferner die Direktbestellung von interessierenden Zeitschriftenartikeln. Darüber hinaus beteiligt sich die Bibliothek an zahlreichen der kooperativen Online-Contents-Sondersammelgebiete-Fachsegmente7 (OLC-SSG Altertumswissenschaft, Klassische Philologie, Italienforschung, Frankreichkunde, Osteuropa Geschich2 3 4 5 6 7
http://mdz1.bib-bvb.de/~litd/? http://mdz1.bib-bvb.de/~altertum/? http://mdz1.bib-bvb.de/~osteuropa/ http://mdz1.bib-bvb.de/~zs/ http://mdz1.bib-bvb.de/~osteuropa/zeitschriften/ http://www.gbv.de/vgm/vifa/
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te und Zeitgeschichte). Diese OLC-SSG basieren auf der Datenbank des Verlags Swets, die laufend durch ausgewählte Zeitschriftentitel durch einzelne SSG-Bibliotheken ergänzt und in fachspezifischen Segmenten angeboten wird. Der Zugang zu den OLC-SSG ist für deutsche Bibliotheken und wissenschaftliche Institutionen frei. Über den Ankauf von E-Publikationen konnte das konventionelle Angebot sehr bald zu einer umfangreichen digitalen Bibliothek erweitert werden. Der Anteil der digitalen Medien in der Bibliothek umfasst inzwischen eine beträchtliche Quote des jährlichen Gesamtzugangs und betrifft sowohl retrodigitalisierte als auch originäre digitale Objekte. Zu diesem Bereich gehören vor allem Datenbanken und E-Zeitschriften. E-Zeitschriften und Datenbanken werden sowohl über den Katalog als auch über separate Systeme nachgewiesen, jeweils die Elektronische Zeitschriftenbibliothek8 und das Datenbankinformationssystem DBIS9. Die Bibliothek ist bemüht, alle fachlich einschlägigen elektronisch verfügbaren Zeitschriften und Datenbanken zu erwerben bzw. zu lizenzieren. Aus lizenzrechtlichen Gründen können jedoch elektronische Zeitschriften und Datenbanken kostenfrei in der Regel nur über eine zugangsberechtigte Bibliothek bzw. vor Ort genutzt werden. Im Rahmen des seit 2003 von der Bayerischen Staatsbibliothek betreuten DFG-Projektes „Überregionale Bereitstellung und Förderung von Online-Datenbanken im Bereich geisteswissenschaftlicher Sondersammelgebiete“10 konnte erstmalig eine Plattform realisiert werden, die gegen ein moderates Entgelt11 eine lizenzierungs- und standortunabhängige Nutzung von Nachschlagewerken und bibliographischen Datenbanken in Pay-per-Use-Verfahren ermöglicht. Ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung überregionale Bereitstellung von Datenbanken ist jüngst im Jahr 2005 erreicht worden. Durch die großzügige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft stehen seit Mai 2005 allen wissenschaftlich interessierten Bürgern in Deutschland, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem Hochschulcampus, 19 große digitale Textcorpora und Fachdatenbanken bekannter internationaler Wissenschaftsverlage zur Verfügung,12 darunter viele wichtige Angebote für die Altertums- und Geschichtswissenschaften wie beispielsweise: Acta Sanctorum Database, Analecta Hymnica Medii Aevi; Aristoteles Latinus Database; COMINTERN Electronic Archives; Declassified Documents Reference System / DDRS; Digital Library of Classic Protestant Texts; Digital Library of the Ca 8 http://rzblx1.uni-regensburg.de/ezeit/ 9 http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/dbinfo/ 10 Informationen und Projektbeschreibung s. http://www.bsb-muenchen.de/UEberregionale_Ber eitstellung.705.0.html 11 Die Pay-per-Use-Datenbanken stehen nach einmaliger Registrierung jedem Nutzer mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung.Verfügbare Datenbanken und Preisliste s. http://www.bsb-muenchen.de/Pay-per-Use.510.0.html 12 Informationen und Zugangskriterien s. http://www.bsb-muenchen.de/Deutschlandweiter_Zugang.507.0.html?&styl=
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tholic Reformation; Europa Sacra; Library of Latin Texts; Patrologia graeco-latina und andere.13 Der Zugriff auf die Nationallizenzen erfolgt entweder jeweils vor Ort über eine Hochschul- bzw. Forschungsbibliothek oder wird durch direkte Einzelregistrierung auf den Webseiten einer der Bibliotheken, die den Zugriff organisieren, ermöglicht. Kostenlosen Zugriff haben alle wissenschaftlich Interessierten mit ständigem Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, die sich über die Webseite www.national lizenzen.de persönlich für den Zugang registrieren lassen. Neben dem Ankauf kommerzieller Produkte und basierend auf dem eigenen Bestand werden die digitalen Sammlungen der BSB insbesondere durch umfangreiche Retrodigitalisierungsmaßnahmen ausgebaut. Mit Schwerpunkt auf den von ihr betreuten Fächern entwickelte die Bibliothek in Zusammenarbeit mit zahlreichen Lehrstühlen und wissenschaftlichen Einrichtungen eine Vielzahl von spezifischen Zusatzangeboten. Technischer Dienstleister für die eigenen Digitalisierungs- und E-publishing-Vorhaben ist das Referat Digitale Bibliothek (vormals Münchner Digitalisierungszen trum). Im Jahr 1997 mit Unterstützung der deutschen Forschungsgemeinschaft gegründet, ist das Zentrum heute an vielen drittmittelgeförderten Projekten beteiligt. Die Ergebnisse dieser vielfältigen Aktivitäten sind in der Übersicht zu den digitalen Sammlungen14 zusammengestellt. Wir finden hier einzelne gedruckte und handschriftliche Werke, aber auch größere Quellensammlungen – etwa Böhmers Regesta Imperii15 oder die Monumenta Germaniae Historica digital16 – sowie Zeitschriften. Das neueste Projekt sieht die Massendigitalisierung von Drucken aus dem 16. Jahrhundert vor.17 Seit kurzem betreibt das Zentrum auch Digitization on Demand und stellt sich somit direkt den Wünschen von Wissenschaftlern und Bibliotheksbenutzern zur Verfügung.18 Als technischer Kooperationspartner bietet das Referat Digitale Bibliothek seinen Service auch nach Außen an: es berät und unterstützt Dritte in methodischer und technischer Hinsicht von der Antragstellung bis zur Realisierung von Projekten, schafft darüber hinaus Möglichkeiten für das wissenschaftliche E-publishing und kümmert sich um die Nachhaltigkeit und Langfristverfügbarkeit der selbsterstellten sowie auch der käuflich erworbenen Ressourcen.19 13 Siehe dazu die vollständige Liste der Angebote unter: http://www.nationallizenzen.de/ 14 http://www.bsb-muenchen.de/Digitale_Sammlungen.72.0.html 15 http://mdz1.bib-bvb.de/~mdz/kurzauswahl.html?url=http://mdz1.bib-bvb.de/cocoon/regestaimperii/angebot/ri 16 http://www.dmgh.de/ 17 http://www.bsb-muenchen.de/16__Jahrhundert__VD16.180.0.html 18 http://mdz1.bib-bvb.de/~zend-bsb/dodausgabe 19 Zur Langzeitarchivierung in der Bayerischen Staatsbibliothek siehe: http://www.babs-muenchen.de/
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Trotz der Möglichkeiten des neuen Mediums nutzen die Geisteswissenschaften bisher nur zögerlich die Möglichkeiten der neuen Publikationsformen nach: Wie jüngst im Rahmen einer DFG-Studie zum Open Access festgestellt, ist die geisteswissenschaftliche Literaturproduktion im allgemeinen langlebig und stellt in den Mittelpunkt der eigenen Publikationspraxis nicht kurze und aktuelle online auffindbare Artikel, sondern nach wie vor die gedruckte Monographie. Ausschlaggebend für die Geisteswissenschaftler ist vielmehr als die Aktualität die Veröffentlichung der eigenen Forschungsergebnisse im Rahmen einer reputationsvollen und fachlich einschlägigen Reihe.20 Diese Publikationskultur führt automatisch dazu, dass trotz umfangreicher Retrodigitalisierungsvorhaben und wachsender Zahl von digitalen Angeboten Geisteswissenschaftler für die eigene Forschung mehr als andere Wissenschaftler auf die Auswertung von gedruckter Literatur in nicht unerheblichem Maße angewiesen sind. Eine virtuelle Fachbibliothek, die alle forschungsrelevanten Informationen zugänglich machen möchte, wird also nicht nur auf digitale Ressourcen zurückgreifen können. Vielmehr wird sie einen virtuellen Zugang für die so genannte „hybride Bi bliothek“ darstellen, wo Printpublikationen und digitale Ressourcen gleichermaßen gesammelt, erschlossen und zur Verfügung gestellt werden.
Abb. 1: Systematische Recherche in Chronicon 20 Vgl. Johannes Fournier, Zur Bedeutung von Open Access für das Publikationsverhalten DFGgeförderter Wissenschaftler. Bericht über die Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In: ZfBB 52,6 / 2005, 6, S. 235–244.
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Es ist daher notwendig, neben den digitalen Angeboten auch so genannte integrierte Dienste bereitzustellen, die gleichzeitig sowohl auf die digitalen als auch auf die konventionellen Angebote der Bibliothek zurückgreifen und für eine Onlinenutzung adäquat aufbereiten. Zu diesem Bereich gehören die Fachportale für die Metarecherche mit zusätzlichen Funktionalitäten. Das erste Informationsinstrument, das die geschilderten Anforderungen erfüllt, wurde für die Geschichtswissenschaften im Jahre 2004 realisiert. Das geschichtswissenschaftliche Portal „Chronicon“21 ermöglicht unter einem Single Point of Access den Zugang zu 33 fachlich einschlägigen Katalogen, Datenbanken und Sammlungen von digitalen Beständen. Chronicon unterstützt – wie viele Bibliothekskataloge auch – sowohl eine einzeilige als auch eine gefelderte (Profi-)Suche. Eine Besonderheit des Portals liegt in der systematischen Recherche, die auf der Erschließung des SSG-Bestandes der Bibliothek mit analytischen DDC-Notationen basiert. Systematik und verbale Suche können übrigens in der systematischen Recherche kombiniert werden. Zu den Features des Portals gehört auch eine virtuelle Sonderzeichentastatur, mit deren Hilfe z. B. osteuropäische und griechische Zeichen eingegeben werden können. Da Elektra die Suche mit einem Unicodezeichensatz erlaubt, lassen sich auf diese Weise bestimmte originalsprachliche Datenbanken aus dem osteuropäischen bzw. griechischsprachigen Raum sinnvoll in die Metasuche einbinden. Um den Bedürfnissen eines hybriden Medienbestands gerecht zu werden, bietet das System auch eine Bestell- und Dokumentlieferkomponente: Von jedem Treffer aus kann per Mausklick eine Verfügbarkeitsrecherche angestoßen werden. Das Ergebnis zeigt dann die Kataloge an, in denen der Titel tatsächlich vorhanden und verfügbar ist. Eine weitere Möglichkeit, um vom Rechercheergebnis zum Dokument zu gelangen, bietet der Linking-Service SFX. Der SFX-Button steht immer am Ende eines jeweiligen Recherchefensters zur Verfügung und führt weiter auf die SFX-Serviceseite. Das Vorhandensein von digitalen Inhalten (Inhaltsverzeichnisse, Rezensionen, Abstracts bzw. Volltexte) wird in der Trefferliste durch Anzeige der URL sowie des HTML-Buttons veranschaulicht. Das elektronische Dokument ist somit nur einen Mausklick entfernt. Ein wichtiges Feature liegt ferner in der Unterstützung des Arbeitsumfelds der Wissenschaftler. Über die Warenkorbfunktion des Portals können Rechercheergebnisse in der Merkliste gespeichert und später in verschiedene Formate exportiert werden (E-Mail-Versand, Speichern oder Druck).
21 http://www.chronicon.de
Integrierte Dienste für die Geschichts- und Altertumswissenschaften
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Abb. 2: Virtuelles Keyboard zur Eingabe von Sonderzeichen
Das Portal bietet auch einen Literaturdienst, der Suchanfragen in ausgewählten Datenbanken in beliebigen Zeitabständen durchführt und per E-Mail übermittelt. Die Angaben für den Literaturdienst können bei jeder beliebigen Recherche übernommen werden bzw. zu Beginn festgelegt werden. Interessierende Treffer können zur späteren Bearbeitung und zum Export in die Merkliste gespeichert werden. Die Realisierung des geschichtswissenschaftlichen Portals „Chronicon“ ermöglichte die Portalsoftware SISIS Elektra, die seit ihrer Entwicklung von der IT-Abteilung der Bayerischen Staatsbibliothek pilotiert wird und bereits in der Bibliothek als Katalogportal im Einsatz war. Die technische Plattform konnte später vom regionalen Portal zur osteuropäischen Geschichte und Kultur „ViFaOst“ nachgenutzt werden.22 Ausgehend vom DFG-Auftrag plant die Bayerische Staatsbibliothek auch ein WWW-basiertes Informations- und Kommunikationssystem für die Altertumswissen schaften. Die Realisierung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Heidelberg als Sondersammelgebietsbibliothek für die Fächer Klassische Archäologie und Ägyptologie, mit dem Lehrstuhl für Latinistik der Humboldt-Universität zu Berlin, mit dem Deutschen Archäologischen Institut, mit Gnomon-Online sowie mit
22 http://www.vifa.ost.de
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Abb. 3: Bereits realisierte Module der Vifa Altertumswissenschaften, jetzt über www.propylaeum.de erreichbar
weiteren Partnern. Im Vordergrund des Vorhabens steht die Vermittlung spezifischer Fachinformation auf der Grundlage der Sammlungen der Referenzbibliotheken. Die Erweiterung auf weitere Spezialeinrichtungen ist ebenfalls angestrebt. Einzelne Kernmodule des Projektes – bibliographische und bibliothekarische Datenbanken (Neuerwerbungen, Zeitschrifteninhaltsverzeichnisse, Internetressourcen, Fach‑OPAC) sind von den Projektpartnern realisiert und stehen also bereits zur Verfügung. Eine wichtige Ergänzung für die systematische Recherche des geplanten altertumswissenschaftlichen Portals stellt die angestrebte Realisierung von Crosskonkordanzen zwischen den Systematiken der wichtigsten Fachbibliographien dar. Neben dem bibliographischen Nachweis und der Vermittlung fachlich relevanter Bestände soll das Portal gleichzeitig auch als Zugang zum Fach, zu wichtigen Adressen und aktuellen Projekten und Entwicklungen dienen. Das Ergebnis soll ein Fachinformationsportal für die altertumswissenschaftlichen Fächer und ein flankierendes Fachkommunikationsinstrument für Wissenschaft und Forschung sein. Für die Umsetzung wird man auf die technischen Vorarbeiten der Bayerischen Staatsbibliothek in den Fächern Geschichte und Osteuropastudien zurückgreifen.
Integrierte Dienste für die Geschichts- und Altertumswissenschaften
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Neben der Metasuche soll ferner auch der Einsatz von Suchmaschinentechnologie erprobt werden. Das Projekt ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt und startet am 1. 6. 2006. Das Vorhaben ist modular konzipiert und für künftige Erweiterungen angelegt. Eine Ausdehnung auf die lateinische und griechische Mediävistik ist für die zweite Phase angestrebt. Das Projekt trägt den Namen „Propylaeum“ und ist seit dem Bibliothekartag 2007 unter der URL www.propylaeum.de online zugänglich.
Bärbel Kramer
Die Digitalisierung der Trierer Papyri
Vorbemerkungen Die Trierer Papyrussammlung wurde vom ersten Inhaber der Professur für Papyrologie an der Universität Trier, John Shelton, durch einen Ankauf von Papyri im Jahr 1982 begründet und mit Hilfe der Präsidenten der Universität, der Direktoren und der Direktorin der Universitätsbibliothek, insbesondere aber des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft im Rahmen der Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Bibliothekswesens der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Nikolaus Koch-Stiftung Trier, bis in die jüngste Vergangenheit ständig erweitert. Die Papyri gehören administrativ zum Buchbestand der Universitätsbibliothek und tragen daher alle die Signatur P. UB Trier; die wissenschaftliche Betreuung, Bearbeitung und Auswertung obliegt dem Fach Papyrologie, welches seinerseits ins Zentrum für Altertumswissenschaften an der Universität Trier (ZAT) und in das Forschungszentrum Griechisch-Römisches Ägypten integriert ist. Zur Zeit umfasst die Trierer Sammlung 637 Objekte aus neun Jahrhunderten (vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr.). Die meisten sind Papyri in griechischer, einige auch in koptischer und demotischer Sprache; daneben gibt es zwei antike Pergamentfragmente in lateinischer Sprache und zwei beschriebene Tonscherben, sogenannte Ostraka. Die meisten Papyri sind Fragmente vom Umfang einer Briefmarke bis hin zum großen, das Format einer DIN A 4-Seite übersteigenden Blatt. Daneben gibt es aber auch komplette Texte in allen Größen, darunter drei Rollen. Auf jeden Fall enthält die Sammlung eine beträchtliche Anzahl Papyri von interes santem Inhalt und hohem wissenschaftlichem Wert. Als Kernstück des Faches ist sie unverzichtbar für die Lehre und Forschung in der Papyrologie. Bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. war die Rolle die übliche Buchform. Doch bereits im 2. Jahrhundert verbreitete sich zunehmend das neue Medium des Kodex, und man begann, die Texte von den unhandlichen Rollen systematisch in die sparsameren und praktischer zu handhabenden Kodizes zu übertragen. Die Theorie, dass diese heutzutage gern als „Medienwechsel“ bezeichnete Umstellung der äußeren Form auch einen Materialwechsel impliziert hätte, ist heute nicht mehr aufrechtzuerhalten – die aus dem 3. bis hin zum 6. Jahrhundert erhaltenen Papyruskodizes literarischen Inhalts
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Bärbel Kramer
beweisen, dass es einen direkten Übergang von der Papyrusrolle zum Pergamentkodex nicht gegeben hat; das Material Pergament wurde zunächst nur für christliche und juristische Texte und erst später für die gesamte Literatur verwendet. In jedem Falle revolutionierte die neue Buchform das Schriftwesen, und die Einführung des neuen Schriftträgers ist durchaus mit der modernen Umstellung auf elektronische Datenträger zu vergleichen. Denn ebenso wie im Altertum bei der Umschreibung literarischer Werke von der Rolle auf den Kodex in den Bibliotheken eine Auswahl des Erhaltenswerten getroffen wurde, so geschieht es auch heute bei der Digitalisierung älterer gedruckter Literatur, so dass der nicht berücksichtigte Teil für die Nachwelt verloren ist – es sei denn, es tauchen Fragmente von Papyrusrollen auf – oder verloren zu gehen droht. Glücklicherweise kann sich bei alten, einmaligen Objekten die Frage der Auswahl gar nicht erst stellen. Alle Schrifterzeugnisse, die vor der Erfindung des Buchdrucks angefertigt wurden, sind in ihrer Art Einzelstücke, die unbedingt erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen. Die Digitalisierung von Papyri wurde in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den USA im Rahmen des sogenannten APIS-Project (Advanced Papyrological Information System: ) an der Universität von Michigan, Ann Arbor, und der Columbia Universität, New York, begonnen und bald auch an den Papyrussammlungen anderer Universitäten wie Berkeley, Duke, Princeton und Yale durchgeführt. Diesem Beispiel folgten bald die Papyrussammlungen in Europa. In Deutschland wurde dieser Vorgang ermöglicht durch das DFG-Förderprogramm „Retrospektive Digitalisierung von Bibliotheksbeständen.“ Vorreiter war hier das Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg unter der Leitung von Dieter Hagedorn ; ihm folgten die Papyrussammlungen der Universitäten Köln und Trier. In diesen drei Sammlungen wurde dieselbe Methode befolgt, die weiter unten vorgestellt wird. An der UB Giessen wurde etwa zur selben Zeit wie in Heidelberg das Digitalisierungsprojekt der Papyrussammlung mit anderer Hard- und Software durchgeführt ; wiederum anders geht man beim bereits weit fortgeschrittenen Papyrusprojekt Halle-Leipzig-Jena vor. In Würzburg ist das Unternehmen gerade angelaufen; in weiteren Sammlungen wie z. B. an der Bayerischen und der Hamburger Staatsund Universitätsbibliothek und der UB Bonn befindet man sich in der Antrags- bzw. Planungsphase. Demnächst wird man die Papyri der deutschen Sammlungen unter einem gemeinsamen Internetportal finden, das von einem Team unter der Leitung des Althistorikers und Papyrologen Reinhold Scholl an der Universitätsbibliothek Leipzig vorbereitet wird.
Die Digitalisierung der Trierer Papyri
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Das Trierer Digitalisierungsprojekt Das Trierer Digitalisierungsprojekt begann am 1. April 2002 und endete am 31. März 2005. Zunächst für zwei Jahre vorgesehen, konnte es aufgrund zwischenzeitlicher Vergrößerung der Sammlung durch einen umfangreichen Papyruskauf um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Aktion diente, wie es im Antrag hieß, der „Katalogisierung und Digitalisierung der Trierer Papyrussammlung zwecks Langzeitsicherung und Bereitstellung im Internet“. Die Ziele waren im Einzelnen – die wissenschaftliche Erschließung und Katalogisierung aller Papyri, – die Bereitstellung der Images und des Katalogs als Text/Bild-Datenbank im Internet, – die Vernetzung der Text/Bild-Datenbank mit virtuellen Angeboten anderer papyrologischer Institutionen weltweit, – die Langzeitsicherung aller Papyri mit Vorder- und Rückseite auf verschiedenen Speichermedien.
Die wissenschaftliche Erschließung und Katalogisierung der Papyri Die Anlage eines Katalogs der Papyri war ein dringendes Desiderat. Dass es nicht sinnvoll ist, eine Bilddatenbank allein, ohne zusätzliche Informationen, ins Netz zu stellen, liegt auf der Hand. Es musste also gleichzeitig mit der Digitalisierung eine wissenschaftliche Erschließung und Beschreibung der Papyri erfolgen. Diese Auf gabe wurde von den beiden ausgebildeten Papyrologinnen Ruth Duttenhöfer und Nadine Quenouille durchgeführt. Zur Vorbereitung der Digitalisierung und Katalogisierung wurden die Bestände überprüft und die teilweise noch nicht verglasten, zwischen säurefreiem Löschpapier aufbewahrten Objekte unter Plexiglas gebettet; vor diesem Schritt mussten aber auch eventuell notwendige kleinere Restaurierungsarbeiten wie die Entfernung von Sand oder Kalk, das Umklappen von Fasern oder die Zusammensetzung oder Neupositionierung von Fragmenten vorgenommen werden. Zu jedem einzelnen Papyrus wurden sodann für Recto und ggf. Verso provisorische Erstabschriften angefertigt, wenn solche nicht bereits vorhanden waren. Im Verlaufe dieser Arbeiten, die eine intensive Beschäftigung mit den Objekten, ein vertieftes Studium der Paläographie und gründliche fachliche Hintergrundrecherchen erfordern, ist es vielfach gelungen, Fragmente zusammenzufügen oder auch die inhaltliche Zusammengehörigkeit verschiedener Papyri festzustellen. Zu jedem Papyrus wurden zudem handschriftlich auf einem Arbeitsblatt alle Angaben zusammengestellt, die im geplanten Katalog Aufnahme finden sollten: Inventarnummer(n), Material (Papyrus, Pergament, Ostrakon), beschriebene Seite(n) (Recto, Verso), Größe, exakte oder ungefähre Datierung, Herkunft, Art (dokumentarisch oder literarisch), Sprache, Bemerkungen
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(z. B. über die Zugehörigkeit zu Papyri anderer Sammlungen oder zu einem Archiv), bei publizierten Papyri zusätzlich der Ort der Erstedition, die Publikationsnummer, weitere Literatur, Angaben über Berichtigungen. Besonders nützlich dürfte für den Internetbenutzer die nach bestem Vermögen vereinheitlichte stichwortartige Wiedergabe des Inhalts sein. Sie enthält beispielsweise Personen- und geographische Namen, Ämter, Titel, Berufe und seltene Wörter sowie stichwortartige Angaben über den Inhalt des jeweiligen Dokuments, so dass ein auswärtiger Forscher erkennen kann, ob ein Trierer Papyrus für seine eigene Arbeit von Interesse ist oder Bezug zur eigenen Sammlung hat. Auf Feldern, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, wurden interne Anmerkungen festgehalten, etwa der Hinweis auf notwendige fachgerechte Restaurierung oder die Angabe der jeweiligen Bearbeiterin. Weitere Felder wurden für das Image in drei Darstellungsweisen vorgesehen: TIFF (600 dpi), JPEG (150 dpi) und JPEG (72 dpi), ein weiteres für die Kennziffer der CD, auf der das Image abgespeichert ist.
Die Digitalisierung und Speicherung Der Vorgang der Digitalisierung lag in der Hand des ausgebildeten Papyrologen und Computerspezialisten Raimar Eberhard, eines ausgewiesenen Fachmanns für die elektronische Datenverarbeitung in der Papyrologie. Die im Rahmen des DFG-Projekts aufzubereitenden Papyri wurden mit 600 dpi im unkomprimierten Tiff-Format eingescannt, um eine bestmögliche Qualität, insbesondere im Hinblick auf einen eventuellen Ausdruck, zu erreichen. Für jeden Papyrus gibt es je einen Scan für die Vorder- und die Rückseite, auch wenn diese keine Spuren von Tinte aufweist. Die Objekte wurden in verglastem Zustand mit einer Auflösung von 600 dpi auf einem DIN-A-3-Scanner eingescannt und im Photoshop-Programm bearbeitet; Übergrößen wurden segmentweise aufgenommen und später am Bildschirm zusammengesetzt. Der Vorgang des Scannens selbst ging auf dem zur Verfügung stehenden DINA-3-Scanner wie folgt von statten: Zunächst wurde das verglaste Objekt auf beiden Seiten gereinigt. Dann wurde ein normaler Scan des Papyrus durchgeführt, der eine digitale Reproduktion des Stückes darstellte. Danach folgte unter Einsatz der Durchlichtoption ein zweiter Scandurchgang, bei dem das Objekt im Graustufenmodus eingescannt wurde. Das Resultat dieser beiden Vorgänge wurde anschließend mit Hilfe des Grafikprogramms u. a. durch Kontrastreduzierung so weiterbearbeitet, dass der Papyrus als schwarzes Gegenstück zum ersten, positiven Scan vorlag. Die schwarze Fläche wurde anschließend entfernt und durch eine transparente ersetzt. In einem letzten Schritt wurden das positive Bild und das Umrissbild so übereinander gelegt und verschoben, bis absolute Deckungsgleichheit bestand. Auf diese Weise wurden sämtliche Schattierungen entfernt, die am Rand der zu scannenden Objekte durch naturgemäß nicht völlig planes Aufliegen auf dem Scanner entstehen. Das Ergebnis war ein absolut schattenfreies Bild. Wie wichtig dieses Detail ist, zeigten Vergleiche
Die Digitalisierung der Trierer Papyri
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mit Images, die offenbar nur in einem einfachen Scanvorgang aufgenommen wurden und die an den Rändern und in den Löchern breite, dunkle Schatten zeigen. Natürlich dient das Scannen nicht nur der Erstellung der Daten für die Bilddatenbank, sondern auch der Speicherung der Objekte. Zuvor gab es analoge Photos der Vorder- und Rückseiten der meisten Papyri und einige Dias von besonders präsentablen Stücken, aber eine echte Sicherheitsverfilmung der Papyrussammlung hatte mangels Ausstattung nie vorgenommen werden können. Die Digitalisierung hat nun zum ersten Mal zu einer vollständigen Aufnahme aller Vorder- und Rückseiten der Papyri geführt. Die aus dem Scanvorgang resultierenden Bilddateien wurden auf der Festplatte des Servers des Forschungszentrums sowie, um gegen etwaigen Datenverlust gewappnet zu sein, in regelmäßigen Abständen auf einer weiteren, externen Festplatte sowie zudem auf CD-ROM bzw. DVD-ROM gespeichert. Die Images wurden ferner in die Netzversion des als Text-Bild-Datenbank eingerichteten FileMaker-Katalogs der Trierer Papyrussammlung aufgenommen.
Erstellung des Katalogs in Form einer Text/Bild-Datenbank Die gleichzeitig auf verschiedenen Wegen gesammelten Rohdaten – die Scans der Papyri sowie die auf den Arbeitsblättern zusammengestellten Informationen zu diesen – wurden in einem nächsten Arbeitsvorgang in elektronisch nutzbare Form gebracht. Wie zuvor in Heidelberg und Köln wurde in Trier zur Einrichtung der Text/ Bild-Datenbank das Programm FileMaker Pro verwendet. Die Einrichtung und Betreuung des FileMaker-Katalogs übernahm Raimar Eberhard.
Bereitstellung des Text/Bild-Katalogs im Internet Scans und Katalog wurden also in einer FileMaker Text- und Bilddatenbank zusammen geführt und ins Internet gestellt. Die Papyri sind darin nach Inventarnummern geordnet; publizierte Papyri sind zusätzlich mit der Publikationsnummer angegeben. Wenn der Gast eine Nummer anklickt, erscheint die entsprechende Katalogseite, die die eingegebenen Informationen über den gewünschten Papyrus (s. o.) sowie Abbildungen von Recto und Verso zeigt. Man könnte also z. B. einen Brief aus dem NepherosArchiv unter der Publikationsnummer (P. Neph. 6) oder der Inventarnummer (P. UB Trier S 073-14) aufrufen. Durch Anklicken des Feldes „Suche“ im Menu kann der Benutzer in den einzelnen Feldern unter bestimmten Stichwörtern nach Papyri suchen, entweder direkt oder mit Sammelbegriff; so erhält man z. B. unter „Dorf“ bzw. „Dörfer“ alle Trierer Papyri, die Dorfnamen enthalten oder unter „Nepheros“ alle Papyri, die dem genannten Archiv angehören, unter „Brief“ alle Papyri, die Privatoder Geschäftsbriefe enthalten. Ist ein Papyrus publiziert, so erscheint durch einfa-
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ches Klicken auf das Image ein Bild in Originalgröße. Unpublizierte Papyri sind nur in 50%iger Größe dargestellt; dies sollte dem Gast genügen, um zusammen mit der Inhaltsangabe an Form, Schrift und Farbe zu erkennen, ob der Papyrus für ihn inte ressant ist oder nicht, verhindert aber eine unkontrollierte Bearbeitung. Auf Nachfrage kann ein größeres Bild zur Verfügung gestellt werden.
Vernetzung mit anderen papyrologischen Datenbanken Ein besonders wichtiger Service ist die Vernetzung der Text/Bild-Datenbank der Trierer Papyrussammlung mit den existierenden nationalen und internationalen virtuellen papyrologischen Angeboten, insbesondere mit der Volltextdatenbank „Duke Data Bank of Documentary Papyri“ (DDBDP), und mit dem HGV, dem „Heidelberger Gesamtverzeichnis griechischer Papyrusurkunden aus Ägypten“ (HGV) , einem Katalog sämtlicher weltweit publizierten griechischen dokumentarischen Papyri, der auf dieselbe Weise angelegt ist wie der Trierer Katalog und diesem als Muster gedient hat. Allerdings ist das HGV an Informationen erheblich reichhaltiger, weil es auf publiziertem, d. h. ausgewähltem Material beruht. In der Duke Data Bank of Documentary Papyri ist der Text aller publizierten Papyri erfasst. Im Katalog der Trierer Papyrussammlung ist, ebenso wie im HGV, ein Link eingebaut, der es ermöglicht, durch Mausklick den griechischen Text des aufgerufenen Papyrus von dort auf den eigenen Bildschirm zu holen, ohne dass man erst eine gedruckte Publikation suchen muss. Die Texte der Papyri sind auf diese Weise überall verfügbar, auch wenn keine Bibliothek in der Nähe ist; allerdings genügt dies nur für eine Erstinformation; wer wissenschaftlich arbeiten will, kommt ohne die gedruckte Publikation, die Einleitung und Kommentar enthält, nicht aus. Von außen können publizierte Trierer Papyri auch über das Hauptregister der Heidelberger Datenbank aufgerufen werden, indem man dort die Publikationsnummer eingibt. Das Projekt ist nunmehr seit einem Jahr abgeschlossen; der Katalog der Trierer Papyrussammlung steht im Internet unter der Adresse bereit. Dank des DFG-Projekts ist die Trierer Papyrussammlung jetzt in einem sehr guten Zustand: Alle Papyri sind nunmehr verglast, katalogisiert und in hervorragender Qualität gescannt. Erstmals existiert nun auch ein vollständiger Katalog der Trierer Papyri. Die Langzeitsicherung auf verschiedenen voneinander unabhängigen Datenträgern ist ein entscheidender Fortschritt. Die Digitalisate können natürlich im Falle eines Verlustes das Original nicht ersetzen, aber sie bieten auf alle Fälle ein hervorragendes Abbild. Dasselbe gilt für die Digitalisierung eines guten analogen Photos, denn auch einem solchen ist das Digitalisat, was die Bearbeitungsmöglichkeiten angeht, weit überlegen.
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Nutzen für die Forschung Aus Forschung und Lehre sind die Abbildungen der Papyri im Internet nicht mehr wegzudenken. Die Möglichkeit, die Stücke der eigenen Sammlung oder auch auswärtige Papyri am heimischen Bildschirm vorbereiten und im Unterricht auf der Leinwand präsentieren und sie ggf. etwa im Hinblick auf Helligkeit und Kontraste noch bearbeiten sowie problematische Stellen vergrößern zu können, bietet einen enormen Gewinn an Arbeitsqualität für Studierende und Lehrende, wenn diese Methode auch je nach Ausstattung noch einigen Arbeitsaufwand erfordert. Die Möglichkeit, am Bildschirm auf digitalisierte Schriftträger der ganzen Welt zugreifen zu können, erfüllt einen Grundbedarf der papyrologischen Forschung. Denn die grundlegende Voraussetzung für jede weitere Bearbeitung eines Papyrus sind die Entzifferung und das Verstehen des Textes. Dies ist häufig erst durch gründliche Recherchen, u. a. auch durch Hinzuziehung publizierter Paralleltexte aus anderen Sammlungen möglich. Auch angesichts gedruckter Editionen befallen den Papyrologen nicht selten Zweifel an der Zuverlässigkeit einer vorgeschlagenen Lesung; dann ist es unerlässlich, diese selbst am Original oder einer Abbildung nachzuprüfen. Ferner muss man zur Datierung eines Stückes oftmals andere Papyri zum Schriftvergleich heranziehen. Da nur ein relativ geringer Teil der Editionen mit Photos versehen ist, hatte man in den beschriebenen Fällen bisher drei Möglichkeiten, sich zu vergewissern: 1. Man konnte für teures Geld ein Photo bestellen, das oftmals erst nach langer Wartezeit eintraf und nicht immer von bester Qualität war (Ausnahmen bestätigen die Regel). 2. Man konnte unter Aufwand von Zeit und Geld an den Aufbewahrungsort des Originals reisen, und das konnte überall in der Welt sein. Aber oft fehlt die nötige technische Ausrüstung wie Stereomikroskop und geeignete Beleuchtung, und es kann vorkommen, dass man den Unwillen fachfremden Aufsichtspersonals erregt, wenn man einen Papyrus auch nur in die Nähe einer Lampe hält, um etwas darauf zu erkennen. 3. Man konnte einen erfahrenen Kollegen vor Ort um eine Kollation bitten. Aber viele Papyrussammlungen haben leider keine fachwissenschaftliche Betreuung, von der eigenen Neugier und der Wichtigkeit der Autopsie ganz abgesehen. Unter solchen Umständen wurde, zum Nachteil der wissenschaftlichen Genauigkeit, häufig auf die notwendige Überprüfung verzichtet. Der Nutzen und die Notwendigkeit der Digitalisierung liegen also auf der Hand. Die aufgezeigten Probleme gehören mit einem Schlag der Vergangenheit an, da nun jedem Papyrologen auswärtige Papyri und Ostraka im Internet zur Verfügung stehen oder auf Anfrage gestellt werden können. Die gescannten farbigen Bilder sind meist qualitativ erheblich besser als analoge Photos, weil das häufig auftretende Problem, zwischen Schatten, dunklerer Faser und Tinte zu unterscheiden, nun seltener auftritt bzw. leichter zu beurteilen ist als bei einem analogen Schwarzweißphoto. Es ist aber immer noch ein dringendes
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Desiderat, dass alle Institutionen weltweit, die über Papyrussammlungen verfügen, diese digitalisieren und ins Netz stellen; leider sind es gerade die größten und wichtigsten, an denen dieser Schritt noch nicht unternommen wurde. Abgesehen von dem grundsätzlichen Interesse, das ein publiziertes Einzelstück oder ein Archiv beanspruchen darf, zeigt sich immer wieder, wie die Papyrussammlungen aufeinander angewiesen sind. Nicht selten kommt es vor, dass Papyri aus einem Fund oder einer Mumienkartonage an verschiedene Sammlungen verkauft wurden. Die Zusammenführung von Fragmenten verschiedener Sammlungen ist daher neben der Neupublikation ein weiteres wichtiges Ziel in der Papyrologie. So hat sich herausgestellt, dass Papyri der Trierer Sammlung inhaltlich zusammengehören mit solchen aus dem Institut für Papyrologie der Universität Heidelberg (Archiv des Klostervorstehers Nepheros), der Beinecke Library der Universität Yale (Archiv des ptolemäischen Beamten Boethos), der Duke University (Archiv des Königlichen Schreibers Pesuris) und dass sie teilweise sogar materiell zusammengesetzt werden können mit solchen aus den Papyrussammlungen von Athen, Brüssel, Köln und Heidelberg, die teilweise unter ihren eigenen Adressen im Netz abrufbar sind, u. a. z. B. über die „Leuven Homepage of Papyrus Archives“ oder direkt über ihre Internet-Adressen, die auf der Homepage der Association Internationale des Papyrologues (AIP), , unter den Liens / Links zusammengestellt sind. Ein kleiner Wermutstropfen ist aber für den Papyrologen alter Schule in den neuen elektronischen Hilfsmitteln doch enthalten: War es früher eine echte, auf großer Sachkenntnis und aufwendigen Recherchen beruhende Leistung, einen abseitigen literarischen Text zu identifizieren oder die Zusammengehörigkeit von weltweit verstreut aufbewahrten Papyrusfragmenten festzustellen, so ermöglichen die neuen elektronischen Hilfsmittel dies heutzutage nahezu jedem, der das griechische Alphabet beherrscht. Aber beim Entziffern, Verstehen, Übersetzen und der wissenschaftlichen Bearbeitung und Interpretation trennt sich dann doch die Spreu vom Weizen.
Nutzen für die Lehre Auch der Nutzen in der Lehre ist unschätzbar. Im Studiengang Papyrologie findet regelmäßig ein Seminar über „Unveröffentlichte Papyri der Trierer und anderer Samm lungen“ statt, in dem die Studierenden die wichtigste Kompetenz der Papyrologen, die Entzifferung und Bearbeitung unpublizierter Texte, erwerben. Auswärtige Papyri wurden bisher anhand von analogen Photos, Trierer Papyri anhand der Originale bzw. von Photokopien oder analogen Schwarzweißphotos oder farbigen Dias entziffert, transkribiert, übersetzt und interpretiert. Mit Originalen oder Abbildungen in Büchern in einer Gruppe zu arbeiten, ist bekanntlich schwierig, weil nicht alle gleichzeitig dasselbe sehen können. Die Qualität von Photokopien hängt immer von ihrer Vorlage ab, und bei Dias reicht oft die projizierte Größe nicht aus, um genug zu erkennen.
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Wenn auch alle diese Methoden bisher immer zu guten Ergebnissen geführt haben, so sind sie längst nicht so komfortabel wie die Arbeit direkt am Bildschirm oder die Projektion digitalisierter Abbildungen mit dem Beamer auf die Leinwand: Hier lassen sich schwer lesbare Stellen gesondert vergrößern, es lassen sich Fragmente verschieben und probeweise anders positionieren, und man kann zur besseren Lesbarkeit Helligkeit, Schärfe und Kontrast verändern. Heute sind die Digitalisate aus der Lehre nicht mehr wegzudenken. Hinzu kommt ein konservatorischer Aspekt: Wenn man Fragmente am Bildschirm verschieben und ansetzen kann, werden die Originale geschont. So ist abgesehen von der Ersparnis von Geld und Zeit und der Möglichkeit des besseren und bequemeren Arbeitens die Digitalisierung auf lange Sicht auch die einzige Möglichkeit, die wegen der Empfindlichkeit des spröden und brüchigen Materials besonders schonungsbedürftigen Papyri vor allzu häufigem Transport und eventuell unsachgemäßer Behandlung zu bewahren. Als letzter Punkt ist die Langzeitsicherung zu nennen. Da die digitalisierten Objekte auf verschiedenen Datenträgern (Server, CDs, DVDs, Festplatten, externen Laufwerken) aufbewahrt werden können, ist eine Datensicherung in weit umfassenderem Maße gewährleistet als bei herkömmlichen Filmen. Allerdings muss in Zukunft immer wieder auf die Aktualisierung der Datenträger geachtet werden. Neben dem bequemeren Zugriff auf Bildmaterial weltweit und den Darstellungsmög lichkeiten von Bildern höchster Qualität sind die Schonung der Objekte und vor allem die Langzeitsicherung die wichtigsten Ziele der Digitalisierung von Papyri. Diese ist aus den genannten Gründen nicht nur nützlich, sondern im Dienst der Forschung und Lehre dringend notwendig, und es ist zu hoffen, dass in naher Zukunft alle Papyrussammlungen weltweit diesen aufwendigen Prozess angehen.
Andrea Rapp und Michael Embach
Die Bibliothek der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier – ein europaweites Projekt zur Volltextdigitalisierung und virtuellen Rekonstruktion der Handschriften Vorbemerkungen Es ist eine alte Erfahrung, dass mittelalterliche Bibliotheken, die in einem geschlossenen Kontinuum aufbewahrt werden, relativ leicht zum Gegenstand entsprechender Forschungen avancieren. Die Bibliothek von Kloster St. Gallen, die Humanistenbibliothek in Schlettstadt, die Dombibliothek in Köln oder die Bibliothek des Nikolaus Cusanus in Kues liefern hierfür überzeugende Beispiele. Sehr viel schwieriger verhält es sich mit Bibliotheken, die zwar ebenfalls nahezu intakt überliefert sind, deren Bestände aber durch die Säkularisation oder andere Umstände disloziert wurden. Hier existiert häufig kein Bewusstsein für die herausragende Bedeutung solcher Bibliotheken oder man kapituliert vor den logistischen Problemen einer angemessenen Erforschung ihrer Bestände. Die Konsequenz ist, dass grundlegende Studien zum Bestand, zur Geschichte und zur Funktion solcher Bibliotheken praktisch nicht zustande kommen. Was im Mittelalter einen zusammenhängenden Kosmos, einen kohärenten Raum des Wissens bildete, präsentiert sich in der Neuzeit als disperte Masse, als mehr oder weniger fiktive Projektion einer ehemals real existierenden Sammlung, deren Zugang auf ewig verwehrt scheint. Der Schaden, der hierdurch entsteht, ist erheblich. Er erstreckt sich nicht nur auf die Bibliotheksgeschichte, sondern auf die Erforschung des gesamten Bildungssystems einer bestimmten Zeit und Region. Mittelalterliche Bibliotheken präsentierten, im Zusammenhang mit den ihnen zugeordneten Skriptorien und den Schulen, wichtige Zentren der Vermittlung von Bildung. Blendet man ihre Erforschung aus oder reduziert man sie auf die Beschäftigung mit atomisierten Bestandteilen – einzelnen Handschriften oder darin enthaltenen Texten –, so gerät ein tragendes Element der Bildungsgeschichte des Mittelalters aus dem Blick: die Bibliothek als Gesamthorizont und Niederschlag der Geistigkeit historischer Räume. Möglichkeiten zur Abhilfe kann in diesen Fällen das Verfahren einer Volltextdigitalisierung der überlieferten Bestände schaffen. Ist dieses Verfahren allein schon aus konservatorischen und benutzungstechnischen Gründen sinnvoll, so erweist es seinen eigentlichen Wert dort, wo es die virtuelle Rekonstruktion dislozierter Bestände und
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Andrea Rapp und Michael Embach
nicht nur das Abfotografieren ohnehin zusammenhängend aufbewahrter Bestände ermöglicht. Die hier angestellten Überlegungen sollen im Folgenden an einem in der Testphase befindlichen Projekt, der Volltextdigitalisierung und virtuellen Rekonstruktion der Abteibibliothek von Trier-St. Matthias, konkretisiert werden.1 Die Bibliothek von St. Matthias ist in weiten Teilen intakt überliefert, wenn auch in dislozierter Form. Ihr Bestand verteilt sich heute auf ca. 25 öffentliche und private Sammlungen in ganz Europa und darüber hinaus. Die Digitalisierung bietet die einzigartige Chance, die zerstreuten Bestände in virtueller Form zusammenzuführen und damit großflächige Untersuchungen an einer der bedeutendsten Bibliotheken des Mittelalters durchführen zu können. Im Verlauf unserer Darstellung sollen zunächst Geschichte und Bestand der Bibliothek von St. Matthias im Überblick skizziert werden. In einem zweiten Schritt möchten wir die technischen Voraussetzungen und konkreten Abläufe der Umsetzung des Projekts beschreiben. Die Tatsache, dass unsere Wahl gerade auf die Bibliothek der Benediktinerabtei Trier-St. Matthias gefallen ist, ergibt sich aus der Funktion und aus den Beständen dieser Bibliothek: Im Verbund mit dem zugehörigen Skriptorium und der hauseigenen Schule bildete die Bibliothek von St. Matthias über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten hinweg gewissermaßen das Bildungszentrum und die Kanzlei des Trierer Erzbistums. Zum Bestand der Bibliothek gehörten Werke, die – um nur einige Bereiche zu nennen – etwa auf den Feldern Schultexte, kirchlicher Rechtspflege (Kanonistik) und trierischer Geschichtsschreibung einen einzigartigen Status besaßen. Petrus Becker, auf dessen Forschungen die folgenden Ausführungen im Wesentlichen basieren, verweist in seiner Aufstellung der Bibliothek exakt 400 Handschriften fest nach St. Matthias.2 Hinzu kommen zwölf Handschriften unsicherer Provenienz, 1 Die Abtei St. Matthias firmierte bis um 1127 unter dem Namen ‚St. Eucharius‘. Ein Namenswechsel zu ‚St. Matthias‘ trat im Zusammenhang mit der zweiten Auffindung der Gebeine des Apostels Matthias im Jahre 1127 ein. Der Einfachheit halber verwenden wir auch für die Zeit vor diesem Ereignis den heutigen Namen ‚St. Matthias‘. 2 Petrus Becker, Die Benediktinerabtei St. Eucharius-St. Matthias vor Trier (Germania Sacra, N. F. 34, Bd. 8), Berlin (u. a.) 1996, S. 76–240. Zur Bibliothek von St. Matthias weiterhin: Josef Montebaur, Studien zur Geschichte der Bibliothek der Abtei St. Eucharius-Matthias zu Trier (Römische Quartalschrift, Supplementband 26), Freiburg i. Br. 1931. Kritisch rezensiert von Paul Lehmann, Bemerkungen zu einer bibliotheksgeschichtlichen Arbeit. In: Historische Vierteljahresschrift 26 (1931), S. 605–610 und Virgil Redlich, Zur Bibliotheks- und Geistesgeschichte der Trierer Abtei St. Matthias. In: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens, N. F. 18 (1931), S. 448–464. Petrus Becker, Notizen zur Bibliotheksgeschichte der Abtei St. Eucharius-St. Matthias. In: Armaria Trevirensia. Beiträge zur Trierer Bibliotheksgeschichte, 2., stark erweiterte Auflage, hg. von Gunther Franz (Bibliotheca Trevirensis, Bd. 1), Wiesbaden 1985, S. 44–63. Ders., Bibliothek der Abtei St. Matthias. In: Handbuch der Historischen Buchbestände in Deutschland, Bd. 6, hg. von Berndt Dugall, Hildesheim (u. a.)1993,
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die mit einiger Sicherheit zu St. Matthias gehörten. Insgesamt sind damit mindestens 412 heute noch vorhandene Kodizes mit St. Matthias in Verbindung zu bringen. Die Grundlagen für diese Zahl bilden ein Katalog der Bibliothek aus dem Jahre 1530 (StB Trier, Hs 2229/1751 8°)3 sowie die Einträge in den Handschriftenkatalogen der Bibliotheken, die heute Kodizes aus St. Matthias besitzen. Der singuläre Status der Bibliothek von St. Matthias lässt sich in Form einiger knapper Thesen wie folgt umschreiben: 1. Die Abtei Trier-St. Matthias stand in einer besonders engen Verbindung, einer Art ‚privilegierter Partnerschaft‘, zum Trierer Erzbischofsstuhl. 2. Historische Grundlage für diese enge Verbindung waren die in St. Matthias vorgenommenen Bestattungen Trierer Bischöfe der Spätantike und des Mittelalters sowie Kirchengründungen unter Erzbischof Cyrill (5. Jahrhundert) und Erzbischof Egbert (10. Jahrhundert). 3. Die im Jahre 1050 und 1127 erfolgten Auffindungen der Gebeine des Apostels und die damit einhergehende Verehrung des Matthias müssen unter der ausdrücklichen Zustimmung und Förderung der Trierer Erzbischöfe erfolgt sein. Sie können als Fortsetzung des besonderen Vertrauensverhältnisses gelten, das die Trierer Bischöfe zur Abtei St. Matthias unterhielten, und zwar zu einer Zeit, als die Trierer Oberhirten damit begannen, die Trierer Domkirche zu ihrer zentralen Grablege zu machen und damit die Praxis einer ‚vagabundierenden‘ Bestattung in verschiedenen Klosterkirchen aufzugeben. 4. Skriptorium und Bibliothek von St. Matthias spiegeln die enge Verbindung von Bischofsstuhl und Benediktinerabtei wider. 5. Ausdruck findet diese Verbindung u. a. in den Bereichen von Schulbildung, Kanonistik und Geschichtsschreibung. Herausragende Textzeugen des ‚Florilegium Treverense‘, der ‚Ecbasis cuiusdam captivi‘ und des ‚Decretum Gratiani‘ belegen diesen Tatbestand. Auch auf die in St. Matthias entstandenen ‚Gesta Treverorum‘, der ersten Geschichtsdarstellung des Trierer Erzbistums, sei verwiesen. 6. Eine Volltextdigitalisierung und virtuelle Rekonstruktion der Bibliothek erlaubt die genauere Erforschung von Umfang und Charakter der administrativen und bildungsspezifischen Verknüpfungen zwischen erzbischöflicher Zentrale und benediktinischem ‚Satelliten‘. Ein Katalog der Bestände mit den entsprechenden Metadaten liegt in der Publikation von Petrus Becker vor.
S. 245–248. Ders., Trier, St. Eucharius-St. Matthias. In: Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz und Saarland. In Verbindung mit Regina Elisabeth Schwerdtfeger bearb. von Friedhelm Jürgensmeier (Germania Benedictina, Bd. 9), St. Ottilien 1999, S. 902–937, hier S. 925f. 3 Paul Bissels, Wissenschaft und Bibliographie im spätmittelalterlichen Trier. In: Kurtrierisches Jahrbuch 5 (1965), S. 54–60.
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7. Auf der Basis der virtuellen Rekonstruktion wird es möglich sein, die korporative ‚causa scribendi‘ des Skriptoriums und die geistige Physiognomie der Bibliothek freizulegen.
Die Frühzeit der Bibliothek Die Abtei St. Eucharius/Matthias führt ihre Entstehung auf eine Cömiterialbasilika zurück, die auf einem im Süden Triers gelegenen, seit dem ersten nachchristlichen Jahrhundert bezeugten römischen Gräberfeld errichtet wurde. Das unmittelbar an die Stadtmauer grenzende, zu beiden Seiten der Ausfallstraße aus der Porta media gelegene Gräberfeld bestand sowohl aus heidnischen wie aus christlichen Bestattungen. Den ca. 1.200 aufgefundenen heidnischen Brandgräbern korrespondierten etwa 5.000 christliche Grabstätten aus dem 3. bis 5. Jahrhundert. Hinzu kommen etwa 20 bis 25 Grabkammern, von denen einige Bestattungen in mehreren Schichten enthielten. Das Zentrum des christlichen Gräberfeldes lag im Gebiet der heutigen Matthias-Basilika und dem im Norden angrenzenden Friedhof mit der Albanagruft und der QuiriacusKirche. Spätestens seit Mitte des 5. Jahrhunderts existierte hier eine Kirche: Sie war dem Patronat der ersten Trierer Bischöfe Eucharius und Valerius geweiht. Alter Überlieferung zufolge befanden sich die Gräber der drei ersten Trierer Bischöfe Eucharius, Valerius und Maternus auf dem Gebiet der Abtei St. Matthias. Die Gestalt des Eucharius, in der die Legende wie in den beiden nachfolgenden Trierer Bischöfen unmittelbare Schüler des Apostels Petrus erblickte, schob sich im Laufe der Zeit in den Vordergrund. Sie wurde für die Abtei namengebend. Bis zur zweiten Auffindung der Gebeine des Apostels Matthias im Jahre 1127 firmierte die Abtei unter dem Namen des hl. Eucharius. Erst danach nahm sie – wohl zunächst im Volksmund – ihren heutigen Namen St. Matthias an. Die um 1100 vermutlich in St. Matthias entstandenen ‚Gesta Treverorum‘ berichten, Eucharius habe „ante portam Mediam“ eine dem Evangelisten Johannes geweihte Kirche mit einem zugehörigen Cimiterium errichtet, auf dem er auch selbst bestattet worden sei (MGH SS VIII, S. 147). Der älteste topographische Ansatzpunkt für die Geschichte von St. Matthias bildet der Bau einer Kirche unter Bischof Cyrill in den Jahren 446/47 und 475/76. Sie befand sich an der Stelle der heutigen Basilika. Ihre Bauinschrift ist mehrfach überliefert. Die ‚Gesta Treverorum‘ (MGH SS VIII, S. 158) teilen mit, Cyrill habe an Stelle einer älteren Cella sancti Eucharii ein monasterium errichtet. Doch darf dieser Begriff nicht ohne weiteres im Sinne eines Mönchskonvents verstanden werden. Vielmehr handelte es sich hierbei um eine Klerikergemeinschaft, die die Betreuung der Cömiterialbasilika und des zugeordneten Friedhofs wahrnahm. Der Grund, weshalb in diesem südlichen Gräberfeld so viele Bestattungen vorgenommen wurden, liegt auf der Hand: Hier ruhten die ersten Trierer Bischöfe, Personen, die als Heilige verehrt wurden und deren Nähe man, dem urchristlichen Brauch der Bestattung ad sanctos folgend, auch nach dem Tode suchte. Eine ähnliche Situation trat im Norden der
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Stadt, auf dem späteren Gräberfeld der Abtei St. Maximin, ein. Auch hier war es ein heiliger Bischof, Maximin, der dort bestattet lag, auch hier entstand aus dem Wunsch nach einer Bestattung ad sanctos eine frühchristliche Nekropole. Von Interesse mag dabei die Beobachtung sein, dass Trier bis weit ins Mittelalter hinein keine zentrale Begräbniskirche für die Trierer Erzbischöfe besaß. Erst ab dem 10./11. Jahrhundert entwickelte sich die Domkirche zur klassischen Cömiterialbasilika der Trierer Oberhirten, wobei auch später immer wieder Ausnahmen von dieser Regel vorkamen. Wie die im Norden gelegene, in frühchristliche Zeit zurückreichende Abtei St. Maximin und das Stift St. Paulin unterstand auch St. Matthias von Anfang an dem Bischof. Lediglich St. Maximin besaß im 9./11. Jahrhundert den Status einer freien Reichsabtei, gelangte jedoch 1139 wieder an den Erzbischof zurück. Bezüglich der Bibliothek gilt, dass aus der frühen, vorbenediktinischen Zeit der Abtei keine manifesten Spuren einer Bibliothek überliefert sind. Zwar lässt sich davon ausgehen, dass der liturgische Dienst und die Wahrnehmung eines wie immer gearteten Offiziums – möglicherweise auf der Grundlage einer Mischregel nach Art der Metzer Chrodegangregel – das Vorhandensein von entsprechenden Texten voraussetzte. Doch haben sich aus dieser Zeit keine Bibliothekskataloge und auch kaum andere Zeugnisse über Schriftdokumente erhalten. Auch die Tatsache, dass der heilige Hieronymus um 370 in Trier eine Erklärung der Psalmen sowie das Buch ‚De synodis (seu de fide Orientalium)‘ abschrieb und der heilige Augustinus in seinen ‚Confessiones‘ berichtet, Männer aus seinem Bekanntenkreis hätten ihm in Mailand mitgeteilt, die Einsiedler vor den Toren Triers hätten – offenbar in einer lateinischen Übersetzung – die ‚Vita Antonii‘ des Athanasius gelesen, kann nicht zu der Annahme berechtigen, dies sei in St. Matthias geschehen und bezeuge das frühe Vorhandensein einer dortigen Bibliothek. Es kommt hinzu, dass einige in die merowingisch-karolingische Zeit zu datierende Handschriften, die zu einem unbekannten Zeitpunkt nach St. Matthias gelangten, eine fremde Entstehungsprovenienz besitzen und offenbar als Geschenke an die Abtei gelten müssen. Genannt seien einige aus dem 7. Jahrhundert stammende Palimpseste des Eucherius von Lyon aus dessen ‚Libri duo Instructionum ad Salonium‘ (Trier, Dombibliothek; Standort Bistumsarchiv Abt. 95, Nr. 133c), eine aus dem Jahre 719 stammende Abschrift des von Cassiodor dem Prosper von Aquitanien (ca. 390–nach 455) zugeschriebenen, vermutlich jedoch von dem karthagischen Bischof Quodvultdeus († ca. 453) stammenden ‚Liber promissionum et praedicatorum Dei‘ (StB Trier, Hs 36) sowie schließlich eine westfränkische Apokalypse des 9. Jahrhunderts (‚Trierer Apokalypse‘, StB Trier Hs 31 4°). Immerhin wissen wir aufgrund einer Notiz aus den ‚Annales Treverensium‘ der beiden Jesuiten Christoph Brouwer und Jakob Masen aber, dass der Trierer Bischof Amalarius (809–813) der Klerikergemeinschaft von St. Eucharius einen Eugippius-Text mit Auszügen aus den Schriften des Augustinus vermachte. Entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Amalarius wurde der Kodex später aus St. Eucharius entfernt und wanderte in die Trierer Dombibliothek. Er ist heute verschollen. Ein anderes Schriftzeugnis aus dem 9. Jahrhundert hat sich dagegen erhalten. Es handelt sich um ein Gebet für Erzbischof
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Hetti (814–847), das in einem Kodex mit patristischen Texten aus St. Eucharius überliefert ist (StB Trier, Hs 117/106 4°, fol. 392v). Da Hetti mit seinem Bruder Ruotgaud im nordöstlichen Bereich der Kirche von St. Matthias bestattet wurde, ist anzunehmen, dass der Text von einem Mitglied der Gemeinschaft von St. Matthias stammt. Offenbar hat Hetti, wie später Erzbischof Egbert, die Kirche St. Matthias in besonderer Weise gefördert. Sollte diese Annahme zutreffen, so besäßen wir einen Beleg für das Vorhandensein eines Skriptoriums in St. Matthias im frühen 9. Jahrhundert. Die weitere Geschichte der Bibliothek im 9. Jahrhundert liegt im Dunkeln. In der Karwoche des Jahres 882 wurde Trier von den Normannen heimgesucht. Auch wenn keine direkten Nachrichten über eine Zerstörung der Kirche von St. Matthias vorliegen, so muss doch davon ausgegangen werden, dass eine solche Zerstörung eintrat. Ob und wenn ja, in welchem Umfang die Bibliothek hiervon mitbetroffen war, bleibt ungewiss. Eine tiefe Zäsur in der Geschichte von St. Matthias trat durch die Annahme der Benediktinerregel ein. Die damit einhergehende Umwandlung der Klerikergemeinschaft in einen Benediktinerkonvent geschah unter Erzbischof Theoderich (um 975). Mit diesem Akt verbunden war der Aufbau bzw. der weitere Ausbau einer Bibliothek. Eine solche Bibliothek wurde von der Benediktinerregel ausdrücklich gefordert. Zudem musste ein Inventar der Bestände angefertigt und ein für die Bibliothek verantwortlicher Leiter benannt werden. Der um 1010/20 verfasste Bericht des Mönchs und Scholasters Theoderich über die Translatio der Gebeine des hl. Celsus (MGH SS VIII, S. 204–208) setzt das Vorhandensein einer adäquaten Bibliothek voraus. Petrus Becker geht davon aus, dass Erzbischof Egbert (977–993), während dessen Amtszeit es zum Neubau der Kirche von St. Eucharius kam, dem Konvent umfassende Bücherschenkungen zukommen ließ, wie dies auch für sein Heimatkloster Egmond bezeugt ist.4 Um 1000 waren in St. Eucharius mindestens 18 aus dem 10./11. Jahrhundert stammende Handschriften vorhanden.5 Vom Inhalt her fällt der Schwerpunkt dieser Texte auf die Kirchenväter, Biblisches, lateinische Klassiker (Schullektüre) sowie hagiographische und historische Schriften. Für die Zeit um 1100 lässt sich eine überraschend hohe Anzahl von lateinischen Klassikern und Texten zur Schullektüre aufführen. Vertreten sind u. a. Aldhelm von Sherborne, Alkuin, Priscian, Pseudo-Apuleius, Cicero, Werke zu Cicero und zu Donat, Martianus Capella, Persius, Priscian, Sallust, Vegetius, Pseudo-Vergil sowie Kommentare und andere Materialien zu Vergil. Unter den Kirchenvätern sind am stärksten Augustinus, Ambro-
4 Christoph Gerhardt, Egberts psalterium teutonice glossatum. In: Egbert. Erzbischof von Trier 977–993. Gedenkschrift der Diözese Trier zum 1000. Todestag, hg. von Fanz J. Ronig unter Mitarbeit von Andreas Weiner und Rita Heyen (Trierer Zeitschrift, Beiheft 18), Trier 1993, S. 61– 66. 5 Es sind dies die bei Becker (Die Benediktinerabtei, wie Anm. 2) mit den Nummern 1–14, 16, 17, 18, 18a, 19 bezeichneten Handschriften.
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sius, Beda Venerabilis, Hieronymus und Isidor von Sevilla vorhanden. Hinzu kommen Quellenwerke für die ‚Inventio S. Celsi‘ des Theoderich und die ‚Gesta Treverorum‘.
Von ca. 1100 bis zur zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Die erste direkte Erwähnung eines Skriptoriums in St. Eucharius stammt aus dem beginnenden 12. Jahrhundert. So heißt es in der Handschrift 107 der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars unter der Jahresangabe 1126: „Scriptum est hoc liber sub Eberhardo abbate, Remigio cantore a heinrico scriptore“. Hieraus geht hervor, dass der Schreiber Heinricus seinen Text unter Abt Eberhard I. von Kamberg (1111–1135) und unter dem Kantor Remigius (1125/26) kopiert hat. Skriptorium und Bibliothek standen zu dieser Zeit noch in engem Bezug zueinander, letztere diente vor allem den liturgischen und geistlichen Bedürfnissen der Abtei. Leiter des Skriptoriums und wohl auch der Bibliothek war der Kantor, der wichtigste Amtsträger im Bereich der liturgischen Dienste des Klosters. Demnach scheint die liturgische Bibliothek von der eigentlichen Gebrauchs- oder Lesebibliothek noch nicht getrennt gewesen zu sein. Bezüglich der weiteren Entwicklung des Skriptoriums haben Horst Schlechte und mit Abstrichen Karl Manitius die Auffassung vertreten, dass einige heute in Brüssel, London, Darmstadt und Kues liegende Handschriften (Becker Nr. 372–380) als Zeugnisse von Schreibaktivitäten aus der Zeit um 1100 gelten können. Gemeinsame Ausstattungsmerkmale wie Format, Zweispaltigkeit, Zeilenzahl, Zeilenschema, Gestaltung der Initialen sowie die Verwendung unzialer Majuskeln im Incipit und Explizit deuten auf diesen Befund hin.6 Weitere Schreibaktivitäten lassen sich für das 12. Jahrhundert bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts belegen. Dabei bestanden enge Beziehungen zwischen den Skriptorien von St. Matthias und jenem von Kloster Rupertsberg, dem Kloster Hildegards von Bingen. Mönche aus St. Matthias waren unter Abt Ludwig (ca. 1168–1186) Hildegard von Bingen behilflich, ihre dritte Visionsschrift, den ‚Liber divinorum operum‘ (UB Gent, Hs 241), fertig zu stellen. Auch setzte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine systematische Ausstattung der Handschriften mit Besitzeinträgen ein. Die Einträge sind in Urkundenschrift gefasst und bestehen aus dem Eigentumsvermerk und einer Anathemformel: „Libellus sancti Eucharii primi Trevirorum archiepiscopi sanctique Mathie apostoli, si quis eum abstulerit, anathema sit“. Bis zum Ende des Mittelalters blieb diese Wendung in Gebrauch.
6 Horst Schlechte, Erzbischof Bruno von Trier, Leipzig 1934, S. 59–63. Karl Manitius, Eine Gruppe von Handschriften des 12. Jahrhunderts aus dem Trierer Kloster St. Eucharius-St. Matthias. In: Forschungen und Fortschritte 29 (1955), S. 317–319. Hubert Schiel, Handschriften aus Trier und aus Klöstern und Stiften des Trierer Raumes in Brüssel und Gent. In: Armaria Trevirensia, 2., stark erw. Aufl., S. 64–71.
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Lediglich der Eigentumsvermerk änderte sich geringfügig. Er wandelte sich von „s. Eucharii“ über „s. Eucharii et Mathie“ in „s. Mathie“. Der Bestandszuwachs der Bibliothek im 12. und 13. Jahrhundert war geprägt von der Hirsauischen Reform und dem Einsetzen der Verehrung des Apostels Matthias.
Von ca. 1250 bis 1325 Kennzeichnend für diese Zeitspanne war ein kräftiges Anwachsen der kanonistischen Literatur. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der vorwärts schreitenden Entwicklung des ‚Corpus Iuris canonici‘, zum andern in der unter Erzbischof Heinrich von Finstingen (1260–1286) und Abt Theoderich (1257–1287) notwendig werdenden rechtlichen und fiskalischen Selbstbehauptung der Abtei, die bis zu wiederholten Eingaben bei der päpstlichen Kurie in Rom und Avignon ging. Daneben galt es, juristisch klare Regelungen bei Provisionen, Dispensen sowie in der Frage nach der Stellung des Abtes im Diözesanklerus und darüber hinaus zu entwickeln. Auch die Tatsache, dass Abt Gottfried I. (1190–1210) als Offizial der trierischen Kirche wirkte, macht das starke Vorhandensein kanonistischer Bestände erklärlich.7 Insgesamt kamen zwischen 1250 und 1420 etwa 100 Handschriften in die Bibliothek hinzu. Während jedoch für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts fortlaufend Aktivitäten in einem Skriptorium bezeugt sind, lassen sich für das 14. Jahrhundert kaum noch entsprechende Tätigkeiten nachweisen. Petrus Becker geht zur Erklärung dieses Phänomens davon aus, dass bis zur Reform von Abt Johannes Rode (1421–1439) um 1435 der Zuwachs der Bibliothek weniger durch eigene Schreibtätigkeit, als durch Schenkungen und Ankäufe zustande gekommen sei. Weder für die Herstellung der Akten noch für die Belange der Bibliothek scheint in dieser Zeit ein Skriptorium vorhanden gewesen zu sein. Nicht umsonst beschäftigte Abt Joffrid (Gottfried II. vor 1365–1410) den trierischen Notar Werner von Arencey als ‚scriba‘.
Vom Beginn des 15. Jahrhunderts bis um 1550 Den größten Schub in ihrer Entwicklung nahm die Bibliothek von St. Matthias durch die Reformimpulse des Abtes Johannes Rode. Zum einen vermehrte sich der Bestand in einer bis dahin nicht gekannten Art und Weise, zum andern kam es zu wichtigen Impulsen im Hinblick auf die Organisation und Unterbringung der Bestände. So wurde ein Neubau für die Bibliothek errichtet, und die ‚Consuetudines‘ des Johannes Rode bestimmten erstmalig einen eigenen Bruder, genauer gesagt, den Subprior, zum
7 Hans-Jürgen Krüger, Zu den Anfängen des Offizialats in Trier. In: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 29 (1977), S. 39–74.
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verantwortlichen Mann für die Bücher.8 Darüber hinaus wurden Anweisungen für die Benutzung und Entleihung der Bücher erlassen, wobei die Ausleihe außerhalb des Klosters schriftlich gegen Quittung zu erfolgen hatte. Auch ist ein Mönch, Berthold von Rotenburg, um 1460 als Buchbinder bezeugt. Ihm folgte um 1465 Nikolaus Keymbach. Charakteristisch für die Einbandgestaltung der Handschriften ist die Verwendung eines Stempels mit dem Apostel Matthias, der ein Beil, das Attribut seines Martyriums, in Händen hält. Letztendlich wurde um 1530 ein bereits erwähnter Katalog der Bestände angelegt. Er ist allerdings nur noch in einer für den Frater Martin Gorrens angefertigten Abschrift aus der Zeit um 1550/75 erhalten (StB Trier, Hs 2229/ 17518°). Der Bibliothekskatalog von 1530 war kein Standortkatalog, der die Aufstellung der Bücher in den Regalen widergespiegelt hätte. Er war ein ‚Realkatalog‘, der inhaltlich verwandte Texte zusammenführte. Dabei gilt, dass dieser Katalog nicht den damals vorhandenen Gesamtbestand erschloss. Noch heute sind 102 Handschriften vorhanden, die im Katalog von 1530 nicht erscheinen, möglicherweise, weil sie durch bessere Ausgaben oder Frühdrucke ersetzt worden waren. Darüber hinaus ist in Rechnung zu ziehen, dass die Bibliothekstopographie von St. Matthias, wie dies auf alle Klosterbibliotheken zutrifft, keineswegs einheitlich war. Neben der eigentlichen Bibliothek gab es weitere Standorte, an denen Bücher aufbewahrt wurden. So konnte der Prior zeitweise auf mehr als 100 Kodizes zurückgreifen, die ausschließlich für seinen persönlichen Amtsgebrauch zur Verfügung standen. Liturgische Werke konnten in der Sakristei, heilkundliche in der Infirmarie, erbauliche im Refektorium, wieder andere beim Abt oder anderen Klostermitgliedern stehen. Letztendlich besaß die Abtei eine Außenstelle in Villmar, in die gelegentlich Handschriften abwanderten. Das prominenteste Beispiel hierfür liefert die heute in Florenz (Bibl. Medicea Laurenziana, Cod. Ashb. 1323) liegende Handschrift der ‚Physica‘ Hildegards von Bingen. Über die Kauferwerbungen unter Abt Johannes Rode sowie die Schenkungen seitens der alten Trierer Universität und der Bursfelder Kongregation informiert Petrus Becker (Die Benediktinerabtei, [wie Anm. 2], S. 89f.). Der Aufschwung der Bibliothek dauerte bis etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts an. Zu dieser Zeit begann der Buchdruck, die Tätigkeit im Skriptorium obsolet werden zu lassen und man kann verfolgen, wie das Skriptorium seine Tätigkeit immer stärker zurückfuhr, ja schließlich ganz einstellte. Was die gedruckten Werke anbetrifft, so gilt, dass der Katalog von 1530 insgesamt 1.039 Frühdrucke nachweist. Heute sind in den verschiedenen Bibliotheken Triers aus der Bibliothek von St. Matthias noch 479 Inkunabeln in 269 Bänden vorhanden. Das Aufkommen des gedruckten Buches muss zu einer gewissen Veränderung im
8 Consuetudines et Observantiae Monasterium Sancti Mathie et Sancti Maximini Treverensium ab Iohanne Rode Abbate conscriptae. Ed. Petrus Becker OSB (Corpus Consuetudinum Monasticarum, T. 5), Siegburg 1968.
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Umgang mit den Handschriften geführt haben.9 Dies könnte der Grund dafür gewesen sein, dass Handschriften aus der Abteibibliothek abwanderten. Doch lassen sich Abwanderungen auch bereits vor Einführung des Buchdrucks nachweisen. Genannt seien die bereits erwähnten Handschriften mit klassischen sowie historischen und antigregorianischen Texten, die Nikolaus von Kues an sich nahm. Der in der Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzende geistige Niedergang Triers spiegelt sich auch in der Bibliothek von St. Matthias wider. Als der Büchersammler Kaspar von Niedpruck im Rheinland unterwegs war und im Auftrag Kaiser Maximilians II. Bibliotheken durchstöberte, kam es zu weiteren Abgängen. Sie fanden sich später in den Regalen der Wiener Hofbibliothek wieder. Genannt sei eine kostbare Abschrift der ‚Vita Karoli magni‘ Einhards aus dem 10./11. Jahrhundert (ÖNB Wien, Cod. Lat. 529). Über die Frage, was der spätmittelalterliche Bestand an Handschriften und Drucken in St. Matthias für das geistige und geistliche Leben der Abtei aussagt, haben sich zuletzt Richard Laufner und Petrus Becker geäußert.10 Demnach ist der vergleichsweise hohe Anteil an Druckwerken auffällig. Er zeigt, dass die Abtei bestrebt war, hinsichtlich der Ausstattung mit Literatur auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Die vielen vorhandenen Predigtwerke hingen zusammen mit einem verstärkten Einsatz in der Pfarrseelsorge (Pfarrei Villmar mit Arfurt, Beichtseelsorge in den Frauenklöstern Boppard-Marienberg und Trier-St. Irminen sowie weiteren Stellen). In den theo logisch-systematischen Beständen (Gruppe E) fällt die Berücksichtigung der Scholastik und anderer ‚moderner‘ Richtungen wie jener Wilhelms von Ockham auf. Sie lässt erkennen, dass die Abtei (auch auf der Grundlage von Personenverbindungen) den Anschluss an die Universität suchte. Gleiches gilt für die Gruppe der philosophischen Werke, in der die Drucke mit 64 Einheiten gegenüber den Handschriften mit 24 Einheiten deutlich überwiegen. Stark vertreten ist Aristoteles, hinzu kommen Kommentare von Boethius bis hin zu den späten Scholastikern. Plato ist über Marsilio Ficini repräsentiert, und von Nikolaus von Kues finden sich drei Druckausgaben. Das Interesse an Geschichte und Hagiographie konzentriert sich auf die ‚Gesta Treverorum‘ sowie auf hagiographische Literatur zu den Mattheiser ‚Hausheiligen‘ Eucharius, Valerius, Maternus, Celsus und Matthias, flankiert von zahlreichen anderen Passionen und Viten. Beeindruckend ist auch die Zahl an Werken aus den Bereichen von Naturphilosophie, Heilkunde und Mathematik. Auch hier überwiegen die Drucke (45) vor den Handschriften (25). Letztendlich hat Richard Laufner auf die gute Aus 9 Zu dieser Problematik insgesamt vgl. Uwe Neddermeyer, Von der Handschrift zum gedruckten Buch. Schriftlichkeit und Leseinteresse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Quantitative und qualitative Aspekte (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München, Bd. 61), Wiesbaden 1998. 10 Richard Laufner, Armaria Trevirensia. Die Bedeutung des Studiums von Altbeständen der Stadtbibliothek Trier für die Kenntnis des Geisteslebens am Ende des Mittelalters. In: Archiefen Bibliotheekwezen in België 48 (1977), S. 1– 41. Petrus Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 92–96.
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stattung mit Werken der Poesie und Redekunst hingewiesen (100 Drucke gegen 15 Handschriften). Neben so bekannten Größen wie Vergil, Cicero, Sallust und anderen lateinischen Klassikern erscheinen zahlreiche Autoren des Humanismus und der Renaissance. Genannt seien Francesco Filelfo, Aeneas Silvio Piccolomini, Lorenzo Valla, Francesco Petrarca, Marsilio Ficino, Giovanni Baptista Mantua, Erasmus von Rotterdam, Konrad Celtis und Jakob Wimpfeling.
Die neuzeitliche Geschichte der Bibliothek Die neuzeitliche Geschichte der Bibliothek von St. Matthias tritt gegenüber der mittelalterlichen stark zurück. Bedingt durch innere Schwierigkeiten im Konvent kam es zu einem deutlich geringeren Interesse an der Bibliothek. Unter den Äbten Martin Feiden (1649–1675), Modestus Manheim (1727–1758) und Andreas Welter (1773– 1783/1809) traten sogar Verluste ein. Von Abt Feiden wird beispielsweise berichtet, er habe Trierer und Touler Buchhändler aus Geldmangel mit Handschriften bezahlt. Und im 18. Jahrhundert kam es zum Verlust zahlreicher Handschriften, als man Kodizes zerschnitt, um sie als Bindematerial zu verwenden. Das Landeshauptarchiv Koblenz ist im Besitz von zahlreichen Akteneinbänden, die aus mittelalterlichen Handschriften des Klosters St. Matthias hergestellt wurden. Andererseits wurde noch im 17./18. Jahrhundert eine Neuaufstellung der Bestände vorgenommen, und Anton Mesenich äußerte sich 1652 sehr positiv über den Zustand der Sammlung. Bis zur Auflösung der Bibliothek Ende des 18. Jahrhunderts wurden regelmäßig Neuanschaffungen getätigt. Hierzu passt, dass bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Chorbücher der Abtei handschriftlich hergestellt wurden, wenn auch nur in Schablonenschrift. Als Künstler sind der Rekluse und Subdiakon Jakob Marli (1652–1754) und der Klerikermönch Cyrill Doetsch (1746–1822) nachgewiesen. Das Ende der mittelalterlichen Bibliothek von St. Matthias kam, als am 9. August 1794 Truppen des revolutionären Frankreich in Trier einzogen. Zwei Jahre später, am 12. Oktober 1796, wurden sämtliche Trierer Klosterbibliotheken von drei französischen Kommissaren versiegelt. Allerdings wurde die Bibliothek von St. Matthias entgegen der sonstigen Praxis nicht deportiert, bzw. sie kam wieder in den Konvent zurück. Trotzdem muss auch für diese Zeit mit Abwanderungen gerechnet werden. Zwischen 1795 und 1801 durchstöberte der französische Bücherbeauftragte JeanBaptiste Maugérard, ein ehemaliger Benediktiner aus Metz, die Trierer Bibliotheken und brachte bedeutende Bestände nach Paris und an andere Orte. Weitere Handschriften gelangten in den Besitz von Mönchen oder Antiquaren, die mit ihnen Handel trieben.11 So führte der Weg von Trierer Handschriften aus St. Matthias nach Gent 11 Hubert Schiel, Die Auflösung der Trierer Klöster- und Stiftsbibliotheken und die Entfremdung von Trierer Handschriften durch Maugérard. In: Armaria Trevirensia, 2., stark erw. Aufl., S. 92–114.
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beispielsweise über die Antiquare J. M. Klotten und P. C. Lammens. Auch der Trierer Bischof Joseph von Hommer, der ehemalige Benediktiner Leander van Eß und nach diesem Sir Thomas Philipps in Cheltenham waren im Besitz von Handschriften aus St. Matthias. Die entscheidende Zäsur in der Geschichte der Bibliothek kam im Jahre 1802. Am 9. Juni dieses Jahres verfügte die französische Konsularregierung die Aufhebung des Klosters, eine Maßnahme, die vom 16. bis 26. Juli durchgeführt wurde. Die vom 5. August datierende Inventarliste hielt bezüglich der Bibliothek fest: „La biblio thèque est composée de 268 Manuscrits, 1730 volumes à conserver, 14 missels, 9 livres de Chœur et 3294 à vendre.“12 Der Großteil der hier genannten „Manuscrits“ und „Volumes à conserver“ gelangte in die spätere Stadtbibliothek Trier. Ein zweiter, 114 Handschriften umfassender Teil kam, ohne den Weg über die Säkularisierung zu beschreiten, in die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars. Andere Handschriften liegen heute u. a. im Bistumsarchiv Trier, in der ÖNB Wien, in London, Frankfurt a. M., Berlin, Kopenhagen oder New York. Insgesamt beläuft sich der Bestand an überlieferten Handschriften aus St. Matthias auf ca. 412 Kodizes. Sie sind auf 25 verschiedene Bibliotheken und private Sammlungen verteilt. Die dislozierten Handschriften der Abteibibliothek von St. Matthias wieder zu einer Einheit zu versammeln, ist das Ziel des vorliegenden, in Teilen bereits angelaufenen Digitalisierungsprojekts. Bevor wir auf dieses Projekt näher eingehen, seien einige Handschriften aus St. Matthias genauer vorgestellt. Sie sollen exemplarisch belegen, dass die Bibliothek der Abtei St. Matthias in den Bereichen mittelalterliche Schultexte, Kanonistik, Geschichtsschreibung, Hagiographie und Heilkunde über herausragende Zeugnisse verfügte. Eine Auswahl dieser Handschriften wurde präsentiert in der Ausstellung ‚Aufgeschlagen – Mittelalterliche Handschriften aus der Benedik tinerabtei St. Matthias‘. 13. Februar bis 5. April 2007 in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Trier. Der gleichnamige Katalog erschien, herausgegeben von Andrea Rapp und Michael Embach, Trier 2007. Man darf davon ausgehen, dass diese Bestände das Resultat der bereits angedeuteten besonderen Vertrauensstellung der Abtei zu den Trierer Erzbischöfen darstellen. Dieses Verhältnis lässt sich zwar nicht als ein reguläres Immediatverhältnis zwischen Bischof und Abtei, wohl aber als eine Art ‚privilegierter Partnerschaft‘ umschreiben. Es scheint, als hätten die Trierer Erzbischöfe einige zentrale Bereiche des geistigen Lebens im Erzbistum Trier gewissermaßen an die Abtei Trier-St. Matthias delegiert. Exemplarisch seien nachfolgend die Bereiche Schule und kirchliche Rechtspflege dargestellt. Die hier vorgestellten Handschriften, denen sich viele weitere zur Seite stellen ließen, können in ihrer fast singulären Bedeutung diese These untermauern helfen.
12 Zit. nach Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 103.
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Exemplarische Bestände aus den Bereichen von Schullektüre und Kanonistik Das ‚Florilegium Trevirense‘ Das ‚Florilegium Trevirense‘ (StB Trier, Hs 1898/1474 8°, fol. 65r–104v) bildet eine in der Mitte des 15. Jahrhunderts geschriebene Sammlung von poetischen Texten aus dem Bereich der lateinischen Dichtung. Sie gewährt gute Einblicke in die Antikenrezeption sowie in die Schullektüre einer monastischen Gemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit.13 Zu Beginn der Handschrift erscheinen der ‚Libellus de moribus hominum et de officiis nobilium super ludo scachorum‘ des Jacobus de Cessolis (fol. 1r–42r)14 sowie Exzerpte aus der ‚Alexandreis‘ des Walther von Châtillon.15 Dann folgt das ‚Florilegium‘. Im Anschluss an das ‚Florilegium Trevirense‘ schließen sich Albertanus de Brecia (ca. 1190–1250) mit seinem Werk ‚De doctrina (arte) dicendi et tacendi‘ (fol. 105r–108r) sowie ein weiteres Florilegium (fol. 108r–109r) an. Das ‚Florilegium Trevirense‘ kann als Musterbeispiel für die Gattung der lateinischen Schultexte gelten.16 Es beinhaltet ca. 60 antike, patristische und mittelalterliche Dichtungen, die sämtlich als Exzerpte geboten werden. Hinzu kommt eine Spruchsammlung von etwa 500 Versen Umfang, die unter dem Titel ‚Versus quorum compositores ignorantur‘ steht und auf ältere Zusammenstellungen dieser Art zurückgeht. Das Trierer Florileg bietet das einzig bekannte Exemplar dieser Sammlung. Es enthält zunächst ein formelhaftes Verspaar über den Wert der metrischen Form. Dann erscheint eine Bemerkung (‚nota‘), die den Schulmeister zu erkennen gibt. Durch die Überschrift ‚Flores auctorum‘ wird die Sammlung als Dichterflorileg gekennzeichnet. Exzerpte aus Prosaschriften nichtwissenschaftlichen Charakters wurden demgegenüber als ‚Flores philosophorum‘ bezeichnet.
13 Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 196, Nr. 306. 14 O. Plessow unter Mitarbeit von V. Honemann und M. Temmen, Mittelalterliche Schachzabelbücher zwischen Allegorie und Exempel. Symbolik des Spiels und Wertevermittlung im Schachtraktat des Jacobus de Cessolis im Kontext seiner spätmittelalterlichen Rezeption (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496), Münster 2005. 15 Die Trierer Handschrift erwähnt in: Galteri de Castellione, Alexandreis, hg. von Marvin L. Colker, Padua 1978, S. XXXVI. 16 Franz Brunhölzl, ‚Florilegium Treverense‘. In: Mittellateinisches Jahrbuch 1 (1964), S. 65–77. Gottfried Kentenich, Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek Trier, Bd. 10, Trier 1931, S. 71f. Betty Bushey, Die deutschen und niederländischen Handschriften der Stadtbibliothek Trier bis 1600, neu beschrieben von B. B. (Beschreibendes Verzeichnis der Handschriften der Stadtbibliothek zu Trier, N. F. Bd. 1), Wiesbaden 1996, S. 327. Petrus Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 196, Nr. 306.
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Als Autoren und Werke, die im ‚Florilegium Trevirense‘ repräsentiert sind, seien – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – genannt: Maximian (Elegien), Avian (Epimy thien zu Fabeln), Esopus, Pamphilius (Elegienkomödie), [Pseudo-]Ovid (Briefe, Heroides, De arte amandi, De remedio amoris, Epistulae ex Ponto, De Ovidio Tristium, Ovidius magnus [Metamorphosen]), Petrus Abaelardus (Ad Astralabium filium [= Pseudo-Ovid ‚Ovidius de consiliis‘]), Horaz (Ars poetica, Epistolae), Adolf von Wien (Doligamus sive de fraude mulierum), Paulinus von Nola, Hildebert von Lavar din (Zozimas [= Vita beatae Marie Egyptiacae’], Astralabius), Galfridus de Vino Salvo (Poetria nova), Eberhard von Bremen (Laborintus), Matthaeus von Vendôme (Tobias), Gottfried von Tirlemont (Omne punctum), Alanus ab Insulis (Doctrinale parvum, De planctu naturae), Prosper von Aquitanien (Epigramme), Heinrich von Settimello (Pauper Heinricus), Tegernseer Anonymus (Liber de victoria Christi; einzige poetische Bearbeitung des ‚Evangelium Nicodemi’), Cato (Disticha Catonis, Facetus), [Pseudo-]Bernhard von Clairvaux (Quod fuit missus de celo per angelum; Novus contemptus mundi), Walther von Châtillon (Alexandreis), Bernhard von der Geist (Bernardus palpanista), Andreas (Filius), Petrus de Riga (Aurora), Johannes de Garlandia (Antiquus Cornutus), Bonvicinus de Ripa (Scholastica vita), Anselm von Canterbury, Hildebert von Le Mans, Petrus von Blois oder Petrus Pictor (Libellus de corpore Christi), Geremia da Montagnone, Brunellus (Speculum stultorum, Fabel von den beichtenden Tieren), Teile des lateinisch-deutschen Freidank, Hugo Spechtshart (Formula discendi). Die Vorlage der Handschrift stammt vermutlich aus dem 14. Jahrhundert. Hierauf deuten verschiedene Korruptelen und Abschreibefehler hin. Das jüngste der exzerpierten Werke, die ‚Formula discendi‘ des Reutlinger Schulmeisters Hugo Spechtshart, datiert aus dem Jahr 1346. Franz Brunhölzl geht davon aus, dass der Urheber des Florilegs, vermutlich ein aufgeschlossener Schulmeister von großer Belesenheit, lediglich die auszuhebenden Stellen vermerkt hat, während das Abschreiben von Schülern besorgt wurde. Die exzerpierten Stellen sind fast ausnahmslos geprägt von einer deutlichen Nähe zur Gattung der Merksprüche oder Sentenzen. In die lateinischen Texte eingestreut finden sich Einzelverse in deutscher Sprache, außerdem auf fol. 99v ein deutscher Reimspruch („Wer under der werlde wil genesen / Der neme sich eines suten an / Er sehe, das her konne Federn lesen …“ [8 Verse]) mit angehängtem deutschen Liebesbrief („Ich weiß nicht, was ich scriben sal … ach libes, erbir dubechin, Slisset uff der gnaden schrin, Und in aller libe und erbercheit Lasset mich uch bevolen sin. Darbey sal es bleibin, God musse uch lange bewarn“).17 Hierbei handelt es sich um versifizierte Übersetzungen von Schriften des Lucanus, Vergil,
17 Zitate nach: Bushey, Handschriften (wie Anm. 16), S. 327. Jürgen Schulz-Grobert, Deutsche Liebesbriefe in spätmittelalterlichen Handschriften. Untersuchungen zur Überlieferung einer anonymen Kleinform der Reimpaardichtung (Hermaea, N. F., Bd. 72), Tübingen 1993, S. 10f., Anm. 24.
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Cato und anderer Standardautoren der Antike bzw. des Mittelalters. Die Gesamttendenz des Florilegs weist aber deutlich in die ‚moderne‘ Zeit. Antike, frühchristliche, karolingische und ottonische Schriftsteller sind vergleichsweise schwach bzw. überhaupt nicht vertreten. „Autoren wie Juvenal, Statius, ‚Homerus‘ oder Claudianus, deren Lektüre Hugo von Trimberg um 1280 freilich in dem verhältnismäßig stark die klassische Tradition pflegenden Bamberg noch warm empfiehlt, [werden] nicht einmal genannt.“18 Man war offenbar bemüht, verstärkt zeitgenössische Autoren zu Wort kommen zu lassen. So fällt der Schwerpunkt der exzerpierten Texte in das 12., 13. und 14. Jahrhundert. Der Wert des ‚Florilegium Trevirense‘ liegt auch darin, diese Form von Literatur als eine eigenständige Gattung exemplarisch vor Augen zu stellen. Ein Florilegium ist eine Zusammenstellung wörtlicher Zitate aus Werken der älteren und/oder der zeitgenössischen Literatur. Damit unterscheidet sich das Florilegium von der im späten Altertum aufgekommenen Gattung der Epitome. Auch von den weniger planvoll angelegten und literarisch nicht so anspruchsvollen Kollektaneen sowie von den am Gang eines anderen Werkes orientierten Katenen und Glossenwerken hebt sich das Florilegium ab. Florilegien geben Auskunft darüber, welche Werke in einer bestimmten Epoche und von einem bestimmten Nutzerkreis besonders stark beachtet wurden. Sie stellen gewissermaßen einen geistigen Spiegel vor Augen, der wie in einem Mikrokosmos die übergreifenden Interessen der Zeit zu erkennen gibt und als komprimierter Literaturkanon der Epoche gelten könnte. Florilegien konnten als Predigthilfen, aber auch als Muster bzw. Referenzwerke für Poeten und Schriftsteller verwendet werden. Darüber hinaus wurden Florilegien aus profan-antiker Literatur im Mittelalter häufig im Rahmen des Moralunterrichts eingesetzt.19 Auf ein anderes Trierer Florileg (StB Trier, Hs 91/1075 4°), das im 15. Jahrhundert zum Trierer Klarissenkloster gehörte und offenbar der Predigtvorbereitung diente, haben Richard H. und Mary A. Rouse hingewiesen.20
18 Brunhölzl, Florilegium Treverense (wie Anm. 16), S. 76. 19 D. P. Blok, Art. Florilegien. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4., München / Zürich 1989, Sp. 566–572. 20 Richard H. Rouse and Mary A. Rouse, Preachers, Florilegia and Sermons: Studies on the Manipulus florum of Thomas of Ireland (Studies and Texts, Bd. 47), Toronto 1979, S. 392f. Der Kodex enthält Jordanus de Quedlinburg, Postilla super Bibliam; Thomas of Ireland, Manipulus florum und Caesarius von Arles, De honestate mulierum. Vgl. auch Paul Bissels, Wissenschaft und Bibliographie im spätmittelalterlichen Trier. In: Kurtrierisches Jahrbuch 6 (1965), S. 54–60.
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Die ‚Ecbasis cuiusdam captivi‘ Die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene ‚Ecbasis cuiusdam captivi per tropologiam‘ (‚Der Ausbruch eines Gefangenen, allegorisch dargestellt‘) gilt als das älteste auf deutschem Boden entstandene Werk der tierallegorischen Dichtung.21 Der Text steht hier für weitere Texte aus dem Bereich der mittellateinischen Dichtung, die offenbar im Bereich der Schule zum Einsatz kam. Literaturgeschichtlich betrachtet steht die ‚Ecbasis‘ zwischen dem Waltharius-Epos aus dem 9./10. und dem Ruodlieb-Roman aus dem 11. Jahrhundert, beide ebenfalls in lateinischer Sprache abgefasst. Während der ‚Waltharius‘ aber noch der auf historischen Fundamenten ruhenden Heldensage der Völkerwanderungszeit verpflichtet ist, gestaltet die ‚Ecbasis‘ bereits einen rein fiktiven Gegenstand. Der ‚Ruodlieb‘ wiederum geht noch über die ‚Ecbasis‘ hinaus, insofern er nicht mehr auf einer etablierten literarischen Gattung wie der Tierfabel basiert. Die ‚Ecbasis‘ umfasst 1.229 meist leoninische Hexameter. Sie lässt sich in einen Prolog (1–68),22 den ersten Teil einer Außenfabel (69–391), eine Innenfabel (392– 1097) und den zweiten Teil der Außenfabel (1098–1229) gliedern. Michael Schilling hat in seiner überzeugenden Untersuchung zur narrativen Struktur der ‚Ecbasis‘ dargelegt, dass im Zentrum der verschiedenen Erzählstränge die Vermittlung der Passion Christi durch die Nachtigall und die Amsel stehen. Auf diesen Nukleus hin bewegt sich die Handlung zu und entfernt sich auch wieder von ihm. Der Aufbau zeigt eine strenge axialsymmetrische Anordnung. Demnach ergibt sich folgende Textstruktur: Ostern in Toul-St. Èvre – Erzähler I (Prolog) – Kalb/Wolf I (Gefangenschaft) – Passion Christi – Hoftag (Lohn) – Kalb/Wolf II (Befreiung) – Erzähler II (Epilog) – Ostern in Toul-St. Èvre. Im Prolog meldet sich der Dichter zu Wort und schaut auf seine verpfuschte Jugend zurück. Durch seine Untätigkeit fühlt er sich wie ein im Stall (= Kloster) angepflocktes Kalb, das hinaus will zu den Seinen auf die Weide. Seine Untätigkeit möchte er durch das Schreiben eines Buches überwinden. Dann beginnt die Außenfabel. Am Ostersamstag des Jahres 812 entspringt ein einjähriges Kalb in den Vogesen seinem Stall. Ein Wolf fängt es, gewährt ihm aber Aufschub bis zum Gesang der Ostermesse, bevor er es fressen will. Ein Hund meldet das Geschehen der Herde, diese belagert am Ostersonntag die Höhle des Wolfes. Der Wolf erklärt seinen Gefolgsleuten Otter und Igel, er müsse sich nicht fürchten, da der Fuchs, sein Erbfeind, nicht unter den Belagerern sei. Dann folgt die Innenfabel. Sie erzählt die aesopische Geschichte vom kranken Löwen, zu dessen Heilung der Fuchs die Häutung 21 Fritz Peter Knapp, Das lateinische Tierepos (Erträge der Forschung, Bd. 121), Darmstadt 1979, S. 1–39. Udo Kindermann, Art. Ecbasis captivi. In: 2VL Bd. 2. 1980, Sp. 315–321. Einen guten Überblick über den Stand der Forschung bietet auch Jan M. Ziolkowski, Talking Animals. Medieval Latin Beast Poetry 750–1150, Philadelphia 1993, S. 153–197. 22 Jan Ziolkowski, Quotations as Glosses: The Prologue of the Ecbasis Captivi. In: Res Publica Litterarum 8 (1985), S. 281–290.
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des Wolfes bei lebendigem Leibe herbeiführt.23 Der zweite Teil der Außenfabel führt das Geschehen zu Ende: Unvermutet erscheint der Fuchs am Eingang zur Wolfshöhle. Er lockt den Wolf aus seiner Burg, so dass der Stier ihn töten kann. Der Fuchs setzt dem Wolf ein schmähendes Epitaph, das Kalb aber kehrt wohlbehalten zu seiner Mutter zurück. Die Frage, welche Funktion diese Fabel im Kloster hatte, ist schwer zu beantworten. Möglicherweise sollte sie als Exempel für einen schlechten, ungerechten Herrscher dienen. Der Text der ‚Ecbasis‘ ist in zwei Handschriften aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts überliefert, die beide aus Trier-St. Matthias stammen. Nikolaus Cusanus hat die Handschriften von Abt Johannes Rode erworben und seiner Bibliothek in Kues eingegliedert. Der Kodex BR Brüssel 10615/10729 befand sich bereits am 19. Januar 1433 im Besitz des Nikolaus Cusanus. Heute liegen beide Handschriften in Brüssel.24 Ob Nikolaus Cusanus die beiden Kodizes wegen der ‚Ecbasis‘ oder wegen der anderen mitenthaltenen Werke erworben hat, bleibt ungewiss. Charles Munier hat darauf hingewiesen, dass die Handschrift BR Brüssel, Ms 10615–10729 insgesamt 115 Texte enthält und damit eine eigene kleine Bibliothek repräsentiert. Neben patristischen Autoren und Sermones sind vor allem profane Schriftsteller der klassischen Antike enthalten, die im Trivium benutzt werden konnten. Genannt seien Euklid, Seneca, Ovid, Aratos, Hyginus, Ulpianus und Ausonius. Hinzu kommen juristische, geographische und agrarwissenschaftliche Texte sowie Werke, die sich auf Ereignisse aus der Zeit 1090–1122 beziehen, etwa die ‚Querela magistri‘.25 23 Jörn Bockmann, Viviana Torre, Bemerkungen zur Figur des Löwen in der Ecbasis captivi. In: Tierepik und Tierallegorese. Studien zur Poetologie und historischen Anthropologie vormoderner Literatur, hg. von Bernhard Jahn und Otto Neudeck (Mikrokosmos. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung, Bd. 71), Frankfurt a. M. u. a. 2004, S. 53–62. Vgl. auch Peter Strohschneider, Opfergewalt und Königsheil. Historische Anthropologie monarchischer Herrschaft. In: Ebd., S. 15–51. 24 Brüssel, BR, Ms 10615–10729, fol. 187r–191v (= A, Mitte 12. Jahrhundert, Leithandschrift der Edition). Beschreibung bei Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 228, Nr. 379; Brüssel, BR, Ms 9799–9809, fol. 103r–134v (= B, 12. Jahrhundert, Apograph von A); Beschreibung bei Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 227f., Nr. 378. Zu Nikolaus Cusanus als Handschriftensammler vgl. Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Bd. 1. 1. 1401–1437 Mai 17., Hamburg 1976. Emil van de Vyver, Die Brüsseler Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues. In: Mitteilungen und Forschungen der Cusanus-Gesellschaft 4 (1964), S. 323–335; hier S. 329. Zu den nach London abgewanderten Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus Cusanus vgl. das vom Institut für Cusanus-Forschung (olim) Mainz erstellte Kritische[s] Verzeichnis der Londoner Handschriften aus dem Besitz des Nikolaus von Kues. In: Mitteilungen der Cusanus-Gesellschaft 3 (1963), S. 16–100. 25 Eine genaue Beschreibung der Handschrift hat Ludwig Traube im Vorspann zu seiner aus dem Brüsseler Kodex gewonnenen Edition der ‚Carmina‘ des Sedulius Scottus gegeben. Ders., in: Poeti Latini Aevi Carolini (MGH Poetarum Latinorum Medii Aevi, T. 3), Berlin 1896, S. 152f. Charles Munier, Pour l’origine trévire de l‘ ‚Ecbasis cuiusdam captivi‘. In: Mittellateinisches Jahrbuch 37 (2002), S. 209–225, hier S. 210f.
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Über den Verfasser der ‚Ecbasis‘ lässt sich nichts ausmachen. Die früher geäußerte Vermutung, es könne sich um den Benediktinerkardinal und engen Mitarbeiter Papst Leos IX., Humbert von Silva Candida († 1061) aus der lothringischen Abtei Moyenmoutier, handeln, gilt mittlerweile als überholt. Stattdessen vermutet man einen Mönch aus der Gegend von Toul, genauer gesagt, aus dem Kloster St. Aper (Saint-Èvre), als Autor. Nicht auszuschließen ist aufgrund einer Erwähnung des Flusses Rabodeau (V. 170), der drei Kilometer entfernt von Moyenmoutier in die Meurthe mündet, dass dieser Mönch zeitweise dem Kloster Moyenmoutier angehörte. Der unbekannte Autor soll das Gedicht entweder während der Regierungszeit Konrads I. (911–918) und Heinrichs I. (918–936), so Grimm, Voigt und Strecker, oder Kon rads II. (1024–1039) und Heinrichs III. (1039–1056), so Erdmann, verfasst haben. Andere Datierungsvorschläge nennen das Jahr 1039 als ‚terminus ante quem‘ (Knapp). Der mehrfach edierte Text ist jüngst von Charles Munier in einer neuen, reichhaltig kommentierten Ausgabe mit französischer Übersetzung vorgelegt worden.26
Ein glossiertes ‚Decretum Gratiani‘ Als Beispiel für die oben erwähnte Schwerpunktsetzung der Bibliothek von St. Mat thias auf den Bereich der Kanonistik sei auf eine Handschrift aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert verwiesen. Sie enthält Pars 1 bis 3 des ‚Decratum Gratiani‘, aus gestattet mit einem reichhaltigen Glossenapparat (Trier, Bischöfl. Priesterseminar,
26 L’Évasion d’un prisonnier. Ecbasis cuiusdam captivi. Introduction, traduction, commentaire et tables (Sources d’histoire Médiévale), Paris/Turnhout 1998. Die älteste Ausgabe des Textes haben Jacob Grimm und Andreas Schmeller besorgt: In: Lateinische Gedichte des X. und XI. Jahrhunderts, Göttingen 1838, S. 241–330. Im Jahre 1875 folgte eine Ausgabe von Ernst Voigt, Ecbasis cuiusdam captivi, das älteste Tierepos des Mittelalters, Strassburg 1875. Die kritische Edition lieferte Karl Strecker, Ecbasis cuiusdam captivi per tropologiam. In: Scriptorum germanicarum in usum scholarum ex Monumentis Germaniae historicis seperatim editi. Hannover 1935 [Reprint 1977]. Eine aktuelle Ausgabe (mit deutscher Übersetzung) findet sich in: Walter Haug, Benedikt Konrad Vollmann [Hgg.], Frühe deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800–1150 (Bibliothek des Mittelalters, Bd. 1), Frankfurt a. M. 1991, S. 300–387 (Text) u. S. 1250–1305 (Kommentar). Eine ältere bilinguale Ausgabe mit deutscher Übersetzung brachte Winfried Trillitzsch heraus: Ecbasis cuiusdam captivi per tropologiam. Die Flucht eines Gefangenen (Tropologisch). Text und Übersetzung mit Einleitung und Erläuterungen hg. von W. Trillitzsch, historisch erklärt von S. Hoyer, Leipzig 1964 [deutscher Text separat 1969]. Zudem liegen eine italienische und eine lateinisch-englische Ausgabe vor: F. Ermini, Poeti epici latini del secolo X. Roma 1920, S. 157–176. Edwin H. Zeydel, Ecbasis cuiusdam captivi per tropologiam. Escape of a certain captive told in a figurative manner. An Eleventh Century Latin Beast Epic, Chapel Hill 1964.
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Hs 8).27 Der Begriff ‚Dekretale‘ wurde zunächst zur Umschreibung von päpstlichen Erlassen wie dem ‚Decretum Gelasianum‘ Papst Gelasius’ I. verwendet, später dehnte er sich auf Kanonessammlungen, d. h. Zusammenstellungen kirchenrechtlich verbindlicher Artikel, aus. Genannt seien die Sammlungen des Burchard von Worms, des Ivo von Chartres und vor allem jene des uns an dieser Stelle besonders interessierenden Gratian. Der Benediktiner Gratian, dessen Todesjahr unbekannt ist, stammte vermutlich aus Carraria bei Orvieto. Er wirkte als Lehrer für praktische Theologie im Kloster St. Felix in Bologna. Um 1142 hatte Gratian sein Hauptwerk, das nach ihm benannte ‚Decretum Gratiani‘, abgeschlossen. Darin trennte Gratian als erster Rechtsgelehrter das Kirchenrecht von der Theologie und gestaltete es zu einer eigenständigen Disziplin aus. Gleichzeitig betrieb er die Behandlung seines Gegenstandes, der kirchlichen Rechtsmaterie, unter einer streng wissenschaftlichen Methodik. Das von Gratian geschaffene Textbuch hat, zusammen mit den zugehörigen Erklärungen, die klassische Kanonistik und ihre Vermittlung in Schule und Wissenschaft begründet. Die Trierer Handschrift ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Zum einen zeigt sie in ihrer großformatigen, luxuriösen Ausstattung den Übergang vom Glossenwerk zum Scholientext. Die Kommentare entwickeln sich hier langsam zu eigenen Traktaten, die mehr oder weniger gleichberechtigt neben dem Grundtext stehen. Zum andern ist der Trierer Textzeuge eine wichtige Quelle für einen mit der Sigle ‚C‘ (‚Cardinalis‘) signierenden Glossator bzw. Dekretisten. Dieser auch als ‚GratianGlossator‘ bezeichnete, ansonsten namenlos gebliebene Kommentator war vermutlich Professor des kanonischen Rechts in Bologna. Im Jahre 1168 wurde er Subdiakon und Notar der römischen Kirche, 1178 stieg er zum Kardinaldiakon empor. ‚Cardinalis‘ verstarb im Jahr 1197. Von seinen 73 bekannten Gratian-Glossen enthält die Trierer Handschrift immerhin 52. So zeigt die Handschrift mit dem ‚Decretum Gratiani‘ das rege Interesse des Konvents an Fragen und Entwicklungen der mittelalterlichen Kanonistik. Dass dieses Interesse mehr war als eine gelehrte Spielerei, darauf deutet die Tatsache hin, dass Abt Gottfried I. (1190–1210) in offizieller Mission das Amt des kurtrierischen Offizials ausübte.
27 Becker, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 2), S. 129 (Nr. 104). Rudolf Weigand, Welcher Glossenapparat zum Dekret ist der erste? In: Archiv für Katholisches Kirchenrecht 139 (1970), S. 459–481. Ders., Der erste Glossenapparat zum Dekret: ‚Ordinaturus Magister‘. In: Bulletin of Medieval Canon Law N. S. 1 (1971), S. 31–41. Ders., Die Glossen des Cardinalis (Magister Hubald?) zum Dekret Gratians, besonders zu C.27 q.2. In: Ebd., 3 (1973), S. 73–95. Ders., Frühe Glossen zu D.12 cc.1–6 des Dekrets Gratians. In: Ebd. 5 (1975), S. 35–51. Ders., Bazianus- und B-Glossen zum Dekret Gratians. In: Studia Gratiana 20 (19076), S. 455–495. Ders., Die Glossen zum Dekret Gratians. Studien zu den frühen Glossen und Glossenkompilationen. T. 1 und 2. In: Ebd. (25) (1991), S. I–XXIV und S. 1–1042; vor allem S. 948–950.
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Nachdem Geschichte und Bestand der mittelalterlichen Bibliothek von Trier-St. Matthias vorgestellt worden sind, soll im Folgenden die Umsetzung des Projekts, so wie sie sich derzeit darstellt, kurz skizziert werden. Die Maßnahme bildet ein Teilprojekt des ‚Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Mainz-Trier‘. Das Forschungszentrum, das zur Zeit unter dem Generalthema ‚Wissensräume‘ steht, hat mittlerweile eine Anschubfinanzierung zur testweisen Aufnahme der Arbeiten zur Verfügung gestellt.
Zur virtuellen Rekonstruktion mittelalterlicher Wissensbestände – Digitalisierung und Erschließung der Bibliothek St. Matthias in Trier Trier, die älteste Stadt Deutschlands, war eine Hauptstadt des spätrömischen Reiches und zudem eine wichtige Kaiserresidenz; die Antike ist durch ihre bekannten Bauten nach wie vor im Stadtbild präsent. Auf diesen beachtlichen Wurzeln gründet das mittelalterliche Trier: Die Stadt, die sich rühmen darf, ältester Bischofssitz Deutschlands zu sein, blieb auch das gesamte Mittelalter hindurch religiöses wie politisches Zentrum. Klöster und Stifte existierten in großer Zahl; seit dem 13. Jahrhundert war der Trierer Erzbischof einer der drei geistlichen Kurfürsten und als solcher an exponierter Stellung an der Wahl des deutschen Königs beteiligt. In dieser Zeit konnte sich die Einwohnerzahl Triers mit der Frankfurts messen, was eine hohe Wirtschaftskraft impliziert. Die im frühmittelalterlichen Trier gegründete Abtei St. Eucharius-St. Matthias, eine der bedeutendsten deutschen Benediktinerabteien, lieferte durch ihre Tätigkeiten wichtige Impulse für die Kultur und das geistige Leben in Mitteleuropa. Durch Eigenproduktion wie auch durch Schenkungen wurde ihr Bibliotheksbestand ständig erweitert. Zwar veräußerte die französische Besatzung im Jahre 1802 jeglichen kirchlichen Besitz, doch konnten die Sammlung zuverlässig rekonstruiert werden. So befinden sich von den 412 mit St. Matthias in Verbindung stehenden Handschriften noch 370 in Trier, was eine schnelle Erschließung vor Ort erlaubt. Durch die virtuelle Rekonstruktion und öffentliche Präsentation der Handschriftenbestände soll Kloster St. Matthias als ein bedeutender Raum des Wissens vor Augen gestellt werden. In einer Zeit, in der es noch keine Universitäten gab, und in einer Region, in der die weltlichen Höfe keine große Rolle spielten, trugen neben den Domschulen vor allem die Klosterschulen einen erheblichen Anteil an der Vermittlung von Bildung. Diese Bildungsarbeit ging über den engeren kirchlichen oder monastischen Bereich weit hinaus. Der Handschriftenbestand von St. Matthias beweist, dass die Klöster auch im Bereich der Antikenrezeption, der Medizin, der Rechtskunde, der Naturlehre, der Musik, ferner der Arithmetik, Komputistik und – in abgeschwächter Form – der Literatur (Mittellatein, Volkssprachen) einen bedeutenden Beitrag zur Wissenskultur ihrer Zeit leisteten. Dahinter stand letztlich die aus der Antike übernommene Kon-
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zeption der ‚Septem artes liberales‘, die – in welcher Form auch immer – im monastischen Bereich weiter wirkte. Die außergewöhnlichen Handschriftensammlungen von St. Matthias soll nun durch eine vollständige Digitalisierung virtuell zusammengeführt und damit rekonstruiert werden. Hierdurch soll nicht nur die geistesgeschichtliche Bedeutung des mittelalterlichen Trier unterstrichen, sondern auch ebendiese Kontinuität von der Spätantike bis in die Neuzeit explizit hervorgehoben werden. Dabei soll die vollständige Bereitstellung und inhaltliche Erschließung eines gewachsenen Handschriftenbestandes in seinem Kontext geleistet werden. Als Grundlage für die Digitalisierung dienen die Arbeiten von Petrus Becker;28 ihre Handschriftenbeschreibungen wurden bereits in eine Datenbank eingegeben, die einen ersten Zugang zum Material gewähren sowie statistische Aussagen über Seitenzahl, Umfang, Größe und Inhalt der Handschriften erlauben. Ziel der Anschubfinanzierung ist die Erstellung eines Konzeptes für die Internetpu blikation des virtuellen Skriptoriums anhand einer exemplarischen Umsetzung der Digitalisierung und Erschließung ausgewählter Handschriften. Aufgrund einer ersten Sichtung des vor Ort vorhandenen Materials wurden die folgenden Handschriften ausgewählt und mittlerweile auch digitalisiert: 1. Hs 44 der Bibl. des Priesterseminars. Ars dictandi. Sammelhandschrift des 15. Jahrhunderts vornehmlich zur antiken und humanistischen Rhetorik. Schulhandschrift, zusammengestellt von Johannes van den Veren (Giovanni de Veris) zu Lehrzwecken des klassischen Lateins. Reicher Bestand an Glossen und Scholien. 2. Hs 66 der Bibl. des Priesterseminars. Seneca, Naturalium quaestionum libri VII und De clementia. 12./13. Jahrhundert. Schulhandschrift mit Randglossen. 3. Hs 102 der Bibl. des Priesterseminars. Sammlung medizinischer Abhandlungen aus dem 13./14. Jahrhundert. Enthalten sind u. a. eine Abhandlung über das Fieber (anonym), der Micrologus de causis, signis et curis frequentium et curabilium morborum des Richardus Anglicus sowie eine dem gleichen Verfasser zugeschriebene Anatomia. Diätetische Texte und eine Abhandlung über den Sirup vervollständigen die Handschrift. Teilweise glossiert, registerartige Einträge am Spaltenrand. 4. Hs 105 der Bibl. des Priesterseminars. Sammelhandschrift des 14./15. Jahrhunderts. Enthält neben einem Sterbetraktat und den Acta sanctorum sociorum sancti Francisci die Disticha Catonis cum glossa. In diesem Teil Schulhandschrift. 5. Hs 118 der Bibl. des Priesterseminars. Sammelhandschrift mit Texten zur Arithmetik und Komputistik. Enthalten sind die Ars arithmetica des Boethius, ein Algorithmus metricus, das Carmen de algorismo des Alexander de Villa Dei und ein
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P. Becker, Die Benediktiner-Abtei St. Eucharius-St. Matthias vor Trier (wie Anm. 2).
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Andrea Rapp und Michael Embach
Text De tabula, quae fungo vocatur (Kalendertafeln). Schulhandschrift, reichhaltig illustriert. 6. Hs 1081/29 8° der StB Trier. Sammelhandschrift des 11./12. Jahrhunderts mit lateinischen Texten (Sallust, Bellum Catilinae et Bellum Jugurthinum, der Quadripartitus) und kalendarischen Einträgen. Dazu: Schema einer mittelalterlichen Weltkarte. 7. Hs 1082/32 8° der StB Trier. Sammelhandschrift des 11./15. Jahrhundert mit Texten zur lateinischen und griechischen Sprache und Literatur (Murethach, In Donati Artem maiorem; Kommentar zu [Pseudo-]Cicero, Ad Herennium und De inventione; Eberhard de Bethune, Graecismus; eine Ars dictandi; Gottfried von Tienen, Omne punctum; De modis significandis und ein fragmentarischer Vocabularius mit teilweise deutschen Glossen). 8. Hs 1088/28 8° der StB Trier. Sammelhandschrift des 11./13. Jahrhunderts mit Texten der antiken Literatur (Hexameter über die Taten des Herkules; Persius, Satirae mit Glossen und nachfolgender Erörterung; Priscian, Institutio de arte grammatica; Ovid, Heroides mit nachfolgender Erörterung. Schulhandschrift. 8. Hs 1898/1474 8° der StB Trier. Sammelhandschrift des 15. Jahrhunderts. Enthält eine lateinische Ausgabe von Jacobus de Cessolis Schachbuch (Libellus de moribus hominum et de officiis nobilium super ludo scachorum) sowie Texte zur lateinischen und mittellateinischen Literatur und Rhetorik (Walter von Châtillon, Alexandreis; Florilegium Trevirense; Albertanus de Brescia, De doctrina dicendi et tacendi). Schulhandschrift. Aus klassisch-philologischer Perspektive liegt die Bedeutung der ausgewählten Handschriften auch darin, dass sie durch ihre Glossierungen und die beigefügten Illustrationen einen Hinweis auf die Rezeptionsgeschichte der Texte liefern. Sie gewähren Einblick in das konkrete Leseverhalten eines mittelalterlichen Lesers, dokumentieren einen aktiven, lebendigen Umgang mit den tradierten Texten und vermitteln dadurch Informationen über den Umgang mit fremdem (paganem) Gedankengut innerhalb eines christlichen Milieus. Auf diese Weise spiegelt sich in ihnen ein kreativer Adaptionsprozess im Zugriff auf das geistige Erbe der Antike. Gleichzeitig machen sie auf empirisch fassbare Weise die Methoden der Fortführung und Umbildung des kulturellen Gedächtnisses der mittelalterlichen Gesellschaft greifbar, über die man ansonsten nur auf Mutmaßungen angewiesen wäre. Methoden Das Projekt bietet zum einen eine Bereitstellung von Primärquellen, zum andern geht es über eine reine Infrastrukturmaßnahme weit hinaus, indem es die bibliographischkodikologische mit der fachwissenschaftlich-philologischen Erschließung aus der Sicht verschiedener Disziplinen verbindet. Es folgt der häufig formulierten Prämisse, dass Materialien im Internet für die Forschung nur dann sinnvoll sind und benutzt
Zur virtuellen Rekonstruktion der Bibliothek von St. Matthias in Trier
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werden, wenn sie entsprechend kontextualisiert werden.29 So sollen den digitalen Handschriftenphotos die entsprechenden Katalogdaten möglichst vollständig bei gegeben werden. Exemplarische Transkriptionen und – sofern vorhanden – Verknüpfungen mit kritischen Editionen ergänzen das wissenschaftliche Angebot. Zugleich soll eine Kommunikationsplattform geschaffen werden, wo in interdisziplinärer und kollaborativer Weise die Dokumentation und die Erschließung dieses bedeutenden Handschriftenbestandes voran getrieben wird.30
29 Vgl. Susan Hockey, Electronic Texts in the Humanities. Principles and Practice, Oxford / New York: Oxford University Press 2000, S. 143. 30 Vgl. zu diesem Vorhaben auch Johannes Fournier und Andrea Rapp, Zur virtuellen Rekonstruktion mittelalterlicher Wissensbestände – Inhaltliche, methodische und technische Aspekte eines digitalen Handschriftenarchivs. In: Edieren in der elektronischen Ära (Information und Geisteswissenschaften, Bd. 1), hg. von Gottfried Reeg und Martin J. Schubert, Berlin 2004, S. 39–57.
Anhang
Ortsregister
Ann Arbor – Universität von Michigan 138. Athen 144. Avignon 154. Baltimore – Walters Art Museum 111. Bamberg 161. – Kloster Michelsberg 107. – Staatsbibliothek 107. Basel 13–16. Berkeley 4. 138. Berlin 37. 124. 158. – Humboldt-Universität 133. – Staatsbibliothek 9. 21. 121. Bernkastel-Kues 25–26. 54. 153. – Cusanus-Bibliothek 1. 23. 25–28. 147. 163. Bingenerbrück – Kloster Rupertsberg 153. Böddeken 17. 25. – Bibliothek 36. Bologna 165. – St. Felix 165. Bonn – Universität 8. 14. 138. Boppard 11. – Franziskanerkloster 2. 8. – Frauenkloster Marienberg 156. – Karmeliterkloster 2. 8. 10–11. Brauneberg 38. Brüssel 144. 153. 163.
Bursfeld 155. Carraria 165. Cheltenham 158. Clairvaux 108. Clervaux 3. – Benediktiner-Abtei 66. Darmstadt 51. 73. 153. – Hessische Landesbibliothek 14. Delft 9. Durham 74. – Duke University 138. 142. 144. Eberhardsklausen s. Klausen Echternach 2-3. 5. 65–74. – Bibliothek 3. 66–74. Egmond – Benediktiner-Abtei 152. Ehrenbreitstein 13. Erfurt – St. Peter 72. – Collegium Universitatis / Universitätsbibl. 92. 95. 97. 101–102. Florenz 155. Frankfurt a. M. 46. 65. 124. 158. 166. – Stadt- & Universitätsbibliothek 121. Gent 157. Giessen – Universität 4. 138. Gotha 72. Halle 138.
174 Hamburg – Staats- und Universitätsbibliothek 138. Heidelberg – Universität 4. 133. 138. 141–142. 144. Himmerod 18. Ingolstadt – Artistenfakultät 92–93. 95–97. 102. Innsbruck – Büchersammlung Kaiser Maximi lians I. 92. 96–98. 102. Jena 138. Jerusalem 53. Kassel – Universität 21. Klausen 2. 17–22. 24–26. 37–41. – Bibliothek Augustiner-Chorherrenstift 1–2. 17–20. 23–44. 57–59. Kinheim 38. Koblenz 7–10. 14–16. 54. – Beatusberg 25. – Dominikanerkloster 2. 7. 13–14. – Kaiserin-Augusta-Gymnasium / Königl. Gymnasium 8. 10. – Kartause 2. 7. – Landeshauptarchiv / Königl. Staatsarchiv 2. 7–11. 14. 58. 157. – St. Kastor 9. Köln 11. 13. 144. – Dombibliothek 76. 147. – Dominikanerschule 13. – Karmeliterkloster 10. – Universität 4. 10. 138. 141. Konstanz 15. Kopenhagen 158. Kreuznach 11. Leipzig 122. 124. – Universität 121. 138. Limburg 7. London 13. 72. 153. 158.
Anhang Löwen – St. Martin Bibliothek 108. Luxemburg – Archives Nationales 65– 67. 71. – Athénée de Luxembourg / Ecole central de Luxembourg 71. 73–74. – Institut Grand-Ducal 65–67. – Nationalbibliothek 2. 65–75. – Séminaire de Luxembourg 65–67. 71. Mainz – Akademie der Wissenschaften und der Literatur 57. – Altmünsterkloster 56. – Gutenberg-Museum 56. – Jesuitenkolleg 55–56. – Johannes Gutenberg-Universität 56. – Karmeliterkloster 10. 55. – Kartäuserkloster 55. – Mainzer Dom 13. – Martinus-Bibliothek 56. – Stadtbibliothek 45–64. Marburg 122. Mettlach 18. Münster – Benediktinerabtei 66. Metz 157. München 51. 124. – Bayerische Staatsbibliothek (BSB) 4. 57. 121. 127–135. 138. Münstermaifeld – St. Martin und Severus 2. 7. New Haven – Beinecke Library 144. – Yale 4. 138. New York 158. – Columbia Universität 138. Niederöfflingen 38. Niederwerth 17. 25–26. – Augustiner-Chorherrenstift 58.
Ortsregister Orval 3. 65–66. 73. – Bibliothek 74. Orvieto 165. Padua 10. Paris 8. 73. 109. 157. – Nationalmuseum 18. Piesport 17. Pisa 15. Princeton 4. 138. Prüm 18. 70. Rom 7. 154. Rüdesheim am Rhein – St. Hildegard von Bingen 153. Schlettstadt – Humanistenbibliothek 147. Speyer 11. 54. – Karmeliterkloster 10–11. Springiersbach 18. 20. Steinfeld 18. St. Gallen 91. 96. 99–100. 147. St. Goar 11. Stuttgart 124. – Württembergische Landesbibliothek 121. Tholey 18. Toul – Kloster Moyenmoutier 164. – St. Aper/ Saint-Èvre 162. 164. Trier 1. 3. 5. 7. 9–10. 17–21. 51. 57. 72. 75–76. 80–81. 83. 151. 156–158. 166–167. – Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars 58. 158. – Bistumsarchiv 158.
175 – Dombibliothek 76. 151. – Jesuitenbibliothek 18. – Karmeliterkloster 10. – Stadtbibliothek / Öffentl.Bibliothek der Zentralschule 1–2. 17–22. 36–37. 39. 43. 45– 64. 76. 158. – St. Agneten 76. – St. Alban 76. – St. Irminen 76. 79. 83. 156. – St. Maria ad Martyres 9. 76. – St. Martin 76. – St. Matthias / St. Eucharius 5. 76. 78. 81. 83. 147–169. – St. Maximin 68. 76 –77. 81. 151. – St. Paulin 151. – St. Simeon 76. 79-80. – Universität Trier 4. 137–145. 155. Villmar 155–156. Wien – Hofbibliothek 156. – Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) 158. – Universität 13. Wiesbaden 65. – Hauptstaatsarchiv 56. – Hessische Landes- und Hochschulbibliothek 108. Windesheim 17. 24. 33. 35. – Bibliothek 35. Wolfenbüttel 124. – Herzog August Bibliothek 121. Worms 11. Würzburg 138.
Personenregister
Adolf von Wien 160. Aeneas Silvio Piccolomini 97. 157. Agati, Maria Luisa 109. Alanus ab Insulis 160. Albertanus de Brecia 159. 168. Albrecht von Scharfenberg 98. Aldhelm von Sherborne 152. Alexander de Villa Dei 167. Alexandre, Jean-Louis 67. Alkuin 152. Amalarius 151. Ambrosius 32. 35. 41–42. 152–153. Andreas 160. Anselm von Canterbury 160. Anton von Annenberg 98. Antoninus von Florenz 38. Aratos 163. Athanasius 151. Augustinus 31. 35. 41. 84. 96. 114. 151. 152. Ausonius 163. Avian 160. Balberghe, Emile 106–107. Balduin von Luxemburg 9. Barukh ben Yizthaq von Worms 59. Basileios 84. Bassfreund, Jacob 48. 58. Becker, Gustav 89. Becker, Hans Josef 30. Becker, Petrus 148–149. 152. 154–156. 167.
Beda Venerabilis 31. 35. 153. Bernhard von Clairvaux 32–33. 35-36. 41– 42. 160. Bernhard von der Geist 160. Bernkastel, Wilhelm von 26. 37. Bertels, Johannes 71. Berthold von Rotenburg 155. Bischoff, Bernhard 115. Bischoff, Frank 113. Boccaccio 97. Boethius 96. 156. 167. Bonstetten, Albrecht 97. Bonvicinus de Ripa 160. Borck, Heinz-Günter 9. Brösch, Marco 2. 59. Brouwer, Christoph 151. Brunellus 160. Brunhölzl, Franz 160. Burchard von Worms 165. Bushey, Betty 21. ,Cardinalis‘ 165. Cato 160–161. Celsus 156. Celtis, Konrad 157. Cicero 96. 152. 157. 168. Claudianus 161. Clemen, Paul 30. Cyrill (Erzbischof) 149–150. Delaissé, Léon M. J. 115. Dengler, Karin 107. Derolez, Albert 3.
178 Diederich, Silke 3. Dionysius 35. Doetsch, Cyrill 157. Dolezalek, Gero 116. Dominicus Gundissalinus 94. 102–103. Dominikus 32. 36. 41. Donat 152. Dronke, Ernst 8. Dron, Matthias 69. Duttenhöfer, Ruth 139. Eberhard 17. 25. Eberhard de Bethune 168. Eberhard von Bremen 160. Eberhard I. von Kamberg 153. Eberhard, Raimar 140–141. Effertz, Eva 4. Egbert von Trier 149. 152. Embach, Michael 5. 75. 158. Enea Silvio Piccolomini s. Aeneas Silvio Piccolomini Ephraem 84. Ernst II. von Niedersachsen 72. Esopus 160. Eß, Leander van 158. Eucharius 150. 156. Eucherius von Lyon 151. Eugen IV. 13–14. Euklid 163. Falmagne, Thomas 2. Feiden, Martin 157. Fettmilch, Vinzenz 46. Flavio Biondo 97. Flavius Josephus 33. 36. 41– 42. Francesco Filelfo 157. Franciscus de Zabarellis 15. Franziskus 32. 36. 41. Fulgentius 84. Fürbeth, Frank 3. Galfridus de Vino Salvo 160. Gelasius I. 165. Geremia da Montagnone 160. Gert Grote 24. 34–35.
Anhang Giovanni de Veris s. Johannes van den Veren Gorrens, Martin 155. Gottfried I. (Abt) 154. 165. Gottfried II. (Abt) 154. Gottfried von Tienen (Tirlemont) 160. 168. Gottlieb, Theodor 89. Gratian 165. Gregor der Große 31. 34–35. 41. 43. 114. Grimm, Jacob 164. Guido Terrena 15. Gumbert, Peter 110. Hagedorn, Dieter 138. Hahn, Juspa 46. Haverals, Marcel 108. Heinrich I. 164. Heinrich III. 164. Heinrich von Finstingen 154. Heinrich Kalteisen 2. 7–16. Heinrich von Settimello 160. Heinricus 153. Hermann Mesdrop 16. Hermes, Johann Peter Job 19. Hetti 151–152. Heydeck, Kurt 21. Heyen, Franz-Josef 8. Hieronymus 32. 35. 41. 151. 153. Hildebert von Le Mans (von Lavardin) 160. Hildegard von Bingen 80. 155. ,Homerus‘ 161. Hommer, Joseph von 158. Horaz 160. Huglo, M. 111. Hugo Ripelin von Sraßburg 38. Hugo Spechtshart 160. Hugo von St. Viktor 35. 95. Hugo von Trimberg 161. Humbert von Silva Candida 164. Hus 80.
Personenregister Hyginus 163. Isidor von Sevilla 31. 35. 153. Ivo von Chartres 165. Jacobus de Cessolis 159. 168. Jakob von Sierck 17. 24. Jakobus de Voragine 35. Jammers, Martina 23. Joffrid s. Gottfried II. Johann II. von Baden 24. Johannes Busch 35. Johannes Chrysostomus 32. 35. 38. 41–42. Johannes von Düsseldorf 37. 43. Johannes de Garlandia 160. Johannes Gauwer 16. Johannes Gerson 32. 36. 41. Johannes de Podio 15. Johannes Rode 16. 154–155. 163. Johannes van den Veren 167. Josephus Historiographicus s. Flavius Josephus Juvenal 114. 161. Kentenich, Gottfried 20. Ker, Neil 105–106. Keuffer, Max 20. Klotten, J. M. 158. Konrad I. 164. Konrad II. 164. Koppe, Konrad 20. Kramer, Bärbel 4. Krämer, Sigrid 58. 106. Kristeller, Paul Oskar 114. Lammens, P. C. 158. Laufner, Richard 156. Lehmann, Paul 76. Lehnardt, Andreas 2. Leo IX. 164. Leonardo Aretino 97. Leyh, Georg 23. Liebetruth, Martin 4. Lintz, Karl Kasper 38. Lippe, Gerhard von der 17. 25.
179 Löffler, Karl 115. Lorenzo Valla 97. 157. Lourdaux, Willem 108. Lucanus 160. Ludwig (Abt) 153. Manheim, Modestus 157. Manitius, Karl 153. Mantua, Giovanni Baptista 157. Marcus Vitruvius 27. Marli, Jacob 157. Marsilio Ficino 156–157. Martianus Capella 152. Masai, François 109. Masen, Jakob 151. Maternus 150. 156. Mattheaus von Vendôme 160. Maugérard, Jean-Baptiste 14. 18. 72–73. 157. Maximian 160. Maximilian I. 92. 96–98. 102 Maximilian II. 156. Maximin 151. Meckelnborg, Christina 2. 9. Mesenich, Anton 157. Monreal, Robert von 69. Montabaur, Heinrich von 2. 7–16. Montgaillard, Bernard von 66. Müller, Franz Joseph 72. 74. Munier, Charles 164. Murethach 168. Neddermeyer, Uwe 113. Niedpruck, Kasper von 156. Nikolaus von Kues (Cusanus) 17. 24. 26. 156. 163. Nikolaus Keymbach 155. Nikolaus von Tolentino 32. 36. 41. Nolden, Reiner 2. 58. Ottermann, Annelen 54. Ouy, Gilbert 109. 111–112. Overgaauw, Eef 2. 112–114. Ovid 160. 163. 168. Pamphilius 160.
180 Paulinus von Nola 160. Persius 152. 168. Peter Wymar von Erkelenz 26. Petrarca 96. 103. 157. Petrucci, Armando 109. Petrus Abaelardus 160. Petrus von Blois 160. Petrus Lombardus 114. Petrus de Natalibus 38. Petrus Pictor 160. Petrus de Riga 160. Petrus Spitznagel 16. Philipps, Sir Thomas 158. Plato 156. Plinius 97. Plutarch 97. Porcher, Jean 109. Powitz, Gerhard 113. Priscian 152. 168. Prosper von Aquitanien 160. Quenouille, Nadine 139. Quodvultdeus 151. Randall, Lilian 111. Rapp, Andrea 5. 75. 158. Regino von Prüm 70. Remigius (Kantor) 153. Richard von Fournival 95. Richardotus, Petrus 65. 67. Richard von St. Viktor 35. Richardus Anglicus 167. Robert Holcot 12. Roberti, Petrus 66. Róth, Ernst 49. 55. 57. Rotterdam, Erasmus von 157. Rouse, Mary A. 161. Rouse, Richard H. 161. Ruotgaud 152. Sallust 97. 152. 157. 168. Schaßan, Thorsten 4. Schilling, Michael 162. Schlechte, Horst 153.
Anhang Schlobies, H. M. 57. Schmidt, Paul Gerhard 116. Schneyer, Johann Baptist 12. Scholl, Reinhold 138. Schram, Willibrod 69. Schuldgen, Johann Matthias 44. Seneca 96. 163. Shelton, John 137. Siberch, Johannes 16. Simmel, Georg 83. Sorbello-Staub, Alessandra 4. Staccioli, Giuliano 21. Statius 161. Staub, Kurt Hans 56. 108. Strecker, Karl 164. Tegernseer Anonymus 160. Theoderich (Abt) 154. Theoderich (Erzbischof) 152. Thomas von Aquin 31–32. 35. 41. Thomas Ebendorfer 97. Trithemius, Johannes 77. Ulpianus 163. Ulrich von Znaim 15. Valerius 150. 156. Vegetius 152. Verdena, Johannes de 38. Vergil 152. 157. 160. Vernet, André 108. Vinzenz von Beauvais 97. Voigt, Ernst 164. Vouilleme, Ernst 58. Walther von Châtillon 159–160. 168. Wampach, Camille 68. Welter, Andreas (Abt) 157. Werner von Arencey 154. Weyer, Johann Heinrich 44. Wiclif 80. Wilhelm von Ockham 156. Wilson, W. J. 109. Wiltheim, Christophe 66. Wimpfeling, Jakob 157.
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Personenregister Winandus de Stega 16. Wyttenbach, Johann Hugo 18–20.
Zandt, Petrus 67. 71. Zélis, Guy 106–107.
Handschriftenregister
Augsburg UB I.2.4 °2 72. Brüssel BR Ms 10615–10729 162–164. Florenz Bibl. Medicea Laurenziana Cod. Ashb. 1323 155. Gent UB Hs 241 153. Gotha ForschungsB Membr. I 70 72. Gotha ForschungsB Membr. I 71 72. Klausen Pfarr- und Klosterbibliothek Nr. 0007 [vorläufig] 38. 44. Klausen Pfarr- und Klosterbibliothek Nr. 0023 [vorläufig] 38. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 81 9. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 110 9. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 197 11. 13. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 220 14. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 245 14. Koblenz Landeshauptarchiv Best. 701 Nr. 250 11-13. Koblenz Landeshauptarchiv Hs. A 9. Koblenz Landeshauptarchiv Hs. C 9. Nürnberg GNM 156142 [olim: Gotha I 19] 72. St. Peter Erzbischöfliches Priesterseminar Ms 25 72. Stuttgart LB Bibl. Fol. 12a-c 72. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 8 164-165. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 44 167. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 66 167. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 102 167. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 105 167. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 107 153. Trier Bischöfl. Priesterseminar Hs 118 167-168. Trier Dombibliothek, Bistumsarchiv Abt. 95, Nr. 133c 151. Trier Stadtbibliothek Hs 31 4° 151. Trier Stadtbibliothek Hs 36 151. Trier Stadtbibliothek Hs 91/1075 4° 161. Trier Stadtbibliothek Hs 117/106 4° 152.
184 Trier Stadtbibliothek Hs 204/1185 8° 37. 43. Trier Stadtbibliothek Hs 225/1391 8° 37. Trier Stadtbibliothek Hs 293/1966 8° 37. Trier Stadtbibliothek Hs 1081/29 8° 168. Trier Stadtbibliothek Hs 1082/32 8° 168. Trier Stadtbibliothek Hs 1088/28 8° 168. Trier Stadtbibliothek Hs 1898/1474 8° 159–161. 168. Trier Stadtbibliothek Hs 2229/1751 8° 149. 155. Wien ÖNB Cod. Lat. 529 156.
Anhang
Mitarbeiterverzeichnis
Brösch, Marco Wissenschaftl. Mitarbeiter. Universität Trier, Ältere deutsche Philologie. 54286 Trier. [email protected] Derolez, Albert Prof. Dr. Ehemaliger Leiter der Handschriftenabteilung der UB Gent. B-9041 Oostakker. Tel/Fax: 0032/9-2283352 Diederich, Silke Priv.-Doz. Dr. Klassische Philologie. Goethestraße 15, 56727 Mayen. [email protected] Dreyer, Mechthild Prof. Dr. Philosophie. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz. [email protected] Effertz, Eva Dr. Referentin Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme. Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. 53170 Bonn. [email protected] Embach, Michael Prof. Dr. Direktor der Stadtbibliothek Trier, Weberbach 25, 54290 Trier. [email protected] Falmagne, Thomas Dr. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bibliothèque Nationale Luxembourg, derzeit tätig in der Handschriftenabteilung der StuUB Frankfurt a. M. Bockenheimer Landstr. 134-138, 60325 Frankfurt a. M. [email protected] Fürbeth, Frank Priv.-Doz. Dr. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. Ältere deutsche Philologie. Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt a. M. [email protected]
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Anhang
Lehnardt, Andreas Prof. Dr. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz. Seminar für Judaistik. FB 01, Evangelische Theologie. [email protected] Kramer, Bärbel Prof. Dr. Universität Trier, FB III, Papyrologie. 54286 Trier. [email protected] Moulin, Claudine Prof. Dr. Universität Trier, FB II, Ältere deutsche Philologie. 54296 Trier. [email protected] Nolden, Reiner Dr. Archivdirektor. Stadtarchiv 54290 Trier, Weberbach 25. [email protected] Overgaauw, Eef Prof. Dr. Leiter der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz. Staatsbibliothek zu Berlin IIIA, 10772 Berlin. [email protected] Rapp, Andrea Dr. Universität Trier FB II, Ältere deutsche Philologie. Geschäfts führerin des Kompetenzzentrums für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften. 54286 Trier. [email protected] Rogge, Jörg Prof. Dr. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 55099 Mainz. Historisches Seminar, Geschichte des Mittelalters. [email protected] Sorbello Staub, Alessandra Dr. Oberbibliotheksrätin Landesbibliothek Stuttgart, Abt. Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen einschließlich Handschriften. Konrad-Adenauer-Straße 8, 70173 Stuttgart. [email protected]