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German Pages 294 Year 2020
Najine Ameli Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Urban Studies
Najine Ameli (Dr. phil.), geb. 1980, studierte Integriertes Produktdesign in Coburg sowie Kunst- und Designwissenschaften in Duisburg-Essen. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Nachhaltige Entwicklung an der Hochschule Bochum, an der ihre Promotion durch das Fortschrittskolleg NRW »Energieeffizienz im Quartier« gefördert wurde.
Najine Ameli
Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge Gemeinschaftliche Nutzungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Ursprünglich als Inaugural Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Philosophie (Dr. phil.) der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen vorgelegt unter dem Titel »Bibliotheken der Dinge als neuer Antreiber der Share Economy – ein Instrument für nachhaltige Quartiersentwicklung«. Gutachter/Betreuer: Prof. Dr. J. Alexander Schmidt, Universität Duisburg-Essen Zweitgutachter: Prof. Dr. Jens Gurr, Universität Duisburg-Essen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Fotografie von Heike Engelberg: »Toronto Tool Library – Standort Danforth« Lektorat: Silke Stralek Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5221-5 PDF-ISBN 978-3-8394-5221-9 https://doi.org/10.14361/9783839452219 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis........................................................................................................ 9 Abkürzungen ..........................................................................................................................11 Einführung ..............................................................................................................................13
Der Kontext: Große Transformationen .................................................................................13 Die Fragen ..................................................................................................................................15 Die Struktur ...............................................................................................................................18 Die Methoden ............................................................................................................................ 20
1 Der Aufstieg der Dinge und der Niedergang der Umwelt .................................. 23 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10
Ein Muster der menschlichen Entwicklung ................................................................. 24 Die Veränderung des Musters menschlicher Entwicklung ........................................ 28 Nachhaltigkeitsstrategien ............................................................................................. 28 Die Quadratur des Kreises ..............................................................................................31 Die Share Economy .........................................................................................................34 Sharing und die Kultur des Eigentums ......................................................................... 40 Die Kluft zwischen der Kultur und der Praxis des Teilens ........................................ 48 Bibliotheken ....................................................................................................................53 Bibliotheken im 21. Jahrhundert .................................................................................. 54 Bibliotheken der Dinge ................................................................................................... 56 Die kurze Geschichte von Bibliotheken der Dinge ...................................................... 59 Wie eine Bibliothek der Dinge funktioniert ..................................................................61 Erste Vorteile von Bibliotheken der Dinge ................................................................... 62 Die Nachfrage nach Bibliotheken der Dinge................................................................63
2 Bibliotheken der Dinge in der Praxis ....................................................................... 69
2.1 Einleitung und Methodik ................................................................................................. 69 Struktur von Kapitel 2 ................................................................................................... 73
2.2
2.3
2.4
2.5 2.6
2.7
Fallstudienauswahl und -auswertung .......................................................................... 76 Forschungsinstrumente ................................................................................................. 82 Charakteristika von Bibliotheken der Dinge ............................................................... 86 Akteure und Einflussfaktoren ....................................................................................... 87 Bibliothek der Dinge als Produkt-Service-System ..................................................... 90 Das Modell hinter einer typischen Bibliothek der Dinge ............................................ 93 Fazit ................................................................................................................................ 96 Fallbeispiel Edinburgh Tool Library (ETL) .................................................................... 97 Forschungsdesign der Fallstudie(n) ............................................................................. 98 Beschreibung der ETL .................................................................................................... 98 Auswertung der qualitativen Daten.............................................................................105 Auswertung der quantitativen Daten ........................................................................... 111 Fazit ................................................................................................................................117 Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge .................................................................120 Vorgehen ..........................................................................................................................121 Anforderungen an einen Indikatoren-Katalog ............................................................121 Der Indikatoren-Katalog für Bibliotheken der Dinge .................................................121 Kluft zwischen Praxis und Potenzial ...........................................................................140 Definition der Grundgesamtheit ...................................................................................141 Fazit ...............................................................................................................................149 Barrieren in der Praxis ...................................................................................................151 Mentalitäten und Standorte ..........................................................................................153 Finanzielle Barrieren ....................................................................................................158 Personal ...........................................................................................................................159 Öffnungszeiten und Zugänglichkeit ............................................................................162 Beschaffenheit der Produkte .......................................................................................163 Zusammenfassung der Herausforderungen ..............................................................164 Abschließende Betrachtung .........................................................................................165
3 Neue Antreiber für Bibliotheken der Dinge ..........................................................169
3.1 Einleitung ........................................................................................................................169 3.2 Veränderung von Gestaltung – Gestaltung von Veränderung ...................................171 Gestaltung als Instrument ............................................................................................172 Was ist Gestaltung? Eine Verortung des Begriffs .....................................................173 Die Veränderung der Gestaltung ..................................................................................173 Die Veränderung durch Gestaltung ............................................................................. 181 Fazit ...............................................................................................................................183 3.3 Gestaltung und Bibliotheken der Dinge.......................................................................184 Instrumente zur Bearbeitung von Service und System ...........................................186 Instrumente zur Bearbeitung des Services ...............................................................189 Instrumente zur Gestaltung des Systems ..................................................................190 Instrumente zur Bearbeitung des Produktes .............................................................191 Fazit ...............................................................................................................................195
3.4 Ansatzpunkte ..................................................................................................................195 Service und System .......................................................................................................196 Ansatz 1: Logistik ........................................................................................................... 197 Ansatz 2: Angebotserweiterung ..................................................................................212 Ansatz 3: Kooperation ...................................................................................................215 Produkte .........................................................................................................................223 Ansatz 4: Beschaffenheit der Produkte ....................................................................223 Ansatz 5: Bereitstellung und Rückführung der Produkte ....................................... 226 3.5 Zusammenfassung ........................................................................................................ 236
Schluss .................................................................................................................................. 237 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 243 Anhang .................................................................................................................................. 259
Anhang 01: Online Erhebung – Nicht-Nutzer ...................................................................... 259 Anhang 02: Online Befragung – Anbieter weltweit ........................................................... 260 Anhang 03: Experteninterviews .......................................................................................... 262 Anhang 04: Nutzerbefragung – Interviewleitfaden ..........................................................263 Anhang 05: Business Model Canvas .................................................................................... 268 Anhang 06: Harmonisierung der Daten .............................................................................. 270 Anhang 07: Auswertung der Fallstudie Ottawa Tool Library ............................................271 Anhang 08: Auswertung der Fallstudien: Toronto Tool Library ...................................... 279
Danksagung ..........................................................................................................................291
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Übersicht über die Struktur der Arbeit ............................................................. 20 Abb. 2: Forschungsdesign für die Problemdiagnose .................................................... 23 Abb. 3: Social Thresholds – basierend auf O’Neill et al. 2018. ...................................... 32 Abb. 4: Vereinfachte Darstellung der Funktionsweise einer Bibliothek der Dinge ....... 57 Abb. 5: Anteile der unterschiedlichen Typen von Bibliotheken der Dinge .................... 60 Abb. 6: Anzahl von Bibliotheken der Dinge weltweit .................................................... 60 Abb. 7: Verteilung der Bibliotheken der Dinge weltweit und in Europa ......................... 61 Abb. 8: Forschungsdesign für die empirische Forschung ............................................ 75 Abb. 9: Standorte der Fallstudien (qualitativ & quantitativ). ...................................... 76 Abb. 10: Überblick über alle quantitativ ausgewerteten Standorte .............................77 Abb. 11: Überblick über die Fallstudien und die jeweils erhobenen Daten .................... 80 Abb. 12: Überblick über alle Expertengespräche ..........................................................81 Abb. 13: StakeholderMap von Bibliotheken der Dinge................................................... 87 Abb. 14: Produkt-Service-System einer Bibliothek der Dinge ....................................... 91 Abb. 15: Produkt-Service-System ................................................................................ 92 Abb. 16: Allgemeiner Business Model Canvas von Bibliotheken der Dinge ................... 95 Abb. 17: Edinburgh Tool Library – eine Übersicht. ........................................................ 99 Abb. 18: Sozio-Demographische Angaben zu Leith / Edinburgh.................................. 102 Abb. 19: Mapping der Nutzer der ETL auf Basis vorhandener Daten ...........................103 Abb. 20: Business Model Canvas der ETL .................................................................... 104 Abb. 21: Sozio-Demographische Angaben der befragten Nutzer der ETL ................... 106 Abb. 22: Wohnsituation & Haushaltsgröße der befragten Nutzer der ETL.................. 106 Abb. 23: Distanz & Mobilitätsverhalten der befragten Nutzer der ETL ....................... 107 Abb. 24: Nutzerzufriedenheit in den Nutzungsphasen ................................................ 108 Abb. 25: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Zweck des Ausleihens ............ 109 Abb. 26: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Motivation für die Nutzung ..... 109 Abb. 27: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Rebound Effekte ......................110 Abb. 28: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Inventar ................................112 Abb. 29: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Mitglieder ..............................113
Abb. 30: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Ausleihen ..............................114 Abb. 31: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Zahlen, Daten, Fakten ............114 Abb. 32: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Verteilung der Ausleihen ......117 Abb. 33: Indikatoren für die ökologische Dimension .................................................. 123 Abb. 34: Indikatoren für die soziale und ökonomische Dimension ............................. 126 Abb. 35: Hochrechnung der Kosten eines DIY Projektes .............................................138 Abb. 36: Berechnungen der aktuellen / theoretisch möglichen Auslastung ...............143 Abb. 37: Durchdringung der Quartiere: heute empirisch messbare Reichweite ......... 146 Abb. 38: Durchdringung der Quartiere: heute messbar versus theoretisch möglich .148 Abb. 39: Durchdringung und Ausleihwerte der 39 Standorte ..................................... 150 Abb. 40: Herausforderungen an das PSS von Bibliotheken der Dinge......................... 164 Abb. 41: Forschungsdesign für die Gestaltung von Lösungsansätzen .........................171 Abb. 42: Überblick über relevante Designströmungen (1 von 3) .................................. 177 Abb. 43: Überblick über relevante Designströmungen (2 von 3) ................................. 178 Abb. 44: Überblick über relevante Designströmungen (3 von 3) ................................. 179 Abb. 45: Ansatzpunkte für die Gestaltung der Bibliothek der Dinge ........................... 185 Abb. 46: Verortung heutiger Bibliotheken der Dinge ................................................... 187 Abb. 47: Designprinzipien für nutzerfreundliche Gestaltung ...................................... 190 Abb. 48: Ökodesign Richtlinien: Rohstoffgewinnung & Herstellung............................ 192 Abb. 49: Richtlinien zur Verbesserung der Organisation von Produkten ....................193 Abb. 50: Richtlinien für nachhaltiges Verhalten und Produktverbundenheit ............. 194 Abb. 51: Übersicht über Lösungsansätze sortiert nach Wirkungsorten im PSS ......... 196 Abb. 52: User Journey Maps verschiedener Standorte – ein Vergleich ...................... 199 Abb. 53: Gewährleistung des ständigen Zugangs zum Inventar: drei Möglichkeiten . 203 Abb. 54: Blue Print zur Bereitstellung eines 24/7 Zugangs zu Produkten .................. 205 Abb. 55: Beteiligte Akteure bei Lieferung und Abholung ........................................... 206 Abb. 56: Blue Print zur Lieferung und Abholung der Gegenstände zu Nutzern .......... 208 Abb. 57: Funktion der Bereitstellung des Inventars mit Partnern in Quartieren......... 210 Abb. 58: Blue Print zum Ausleihvorgang mit Partnern im Quartier ..............................211 Abb. 59: Bereitstellung von Zugang & Bildungsangeboten und die Auswirkungen ..... 214 Abb. 60: Akteurssystem zur Kooperation mit Experten ............................................. 220 Abb. 61: Akteure bei Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken. .............................. 222 Abb. 62: Übersicht über mögliche Kooperationspartner:„End-of-Life“-Lösungen. ... 230 Abb. 63: Akteure für Kooperation mit Herstellern ......................................................231 Abb. 64: Blue Print für eine Kooperation mit Herstellern ........................................... 233 Abb. 65: Blue Print zur Kooperation mit Drittanbietern zur Entsorgung. .................. 235
Abkürzungen B2B B2P BMC ETL NsB OTL P2P TTL
Business to Business Business to Peer Business Model Canvas Edinburgh Tool Library Nutzen Statt Besitzen Ottawa Tool Library Peer to Peer Toronto Tool Library
Aus Gründen der Lesbarkeit verzichte ich im Text auf die „politisch korrekte“ Schreibweise von personenbezogenen Substantiven und Pronomen und wähle durchgehend das generische Maskulinum, obwohl ich als Frau gegen die Diskriminierung von Geschlechtern bin. Dennoch beziehen sich die Angaben selbstverständlich auf Angehörige aller Geschlechter. Diese Vorgehensweise wähle ich, da eine Gender-neutrale Schreibweise m.E. allein nicht zu mehr Gleichberechtigung führt. Das belegen angelsächsische Länder, deren Sprache zwar Gender-neutral ist, die aber in Sachen Gleichstellung nicht unbedingt fortschrittlicher sind, wie z.B. die MeTOO-Debatte (2017-2018) illustriert hat.
Einführung Der Kontext: Große Transformationen Die Geschichte des Planeten Erde wird gerade neu geschrieben, denn es wird ihr ein neues Kapitel in Form eines neuen geologischen Zeitalters angehängt. Dieses neue Kapitel ist anders als alle vorangegangen, die 4,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte abdecken. Die Geschichte der Erde umfasst Kapitel, in denen der Planet lebensfeindlich war. Sie umfasst Passagen, in denen sich die Erde in einen lebensfreundlichen Planeten verwandelte, auf dem zunächst Mikroorganismen die dominante Lebensform waren, dann marine Makroorganismen, dann echsenartige Megaorganismen und schließlich säugende Organismen. Die Erdgeschichte enthält Massenaussterben, Eiszeiten und Warmzeiten, doch eines blieb stets konstant: Die Veränderungen, die sich im Lauf der Jahrmilliarden ereigneten, ließen sich auf das Wirken von Naturgewalten zurückführen: Auf die taumelnde Rotation der Erde um die Sonne, auf die Drift der Kontinente, auf die Gewalt von Vulkanen und Supervulkanen, auf Sauerstoff produzierende Lebewesen, auf natürliche Klimaveränderungen und auf Asteroiden. Im neuen Kapitel ist alles anders: Erstmals wird es nicht von den Kräften der Natur geschrieben, sondern von einer einzelnen Spezies, die sich nicht länger an die Umweltbedingungen ihres Planeten anpasst, sondern diese an die eigenen Bedürfnisse adaptiert. Das Resultat ist das Zeitalter der Menschen – das Anthropozän (Zalasiewicz 2018). Formal ist es 2019 noch nicht bestätigt, doch hat sich die offiziell eingesetzte Anthropozän-Arbeitsgruppe1 in einem Zwischenbericht 1
Die Anthropocene Working Group (AWG) wurde 2008 offiziell von einer Unterkommission der Geological Society of London ins Leben gerufen, ausgelöst durch die zunehmende Verwendung des bislang nicht formal anerkannten Begriffs „Anthropozän“ (Zalasiewicz et al. 2008). Aufgabe der Gruppe ist es, zu beurteilen, ob der Begriff Anthropozän als eine erdzeitliche Epoche anerkannt werden sollte.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
bereits für die Anerkennung des „Menschenzeitalters“ ausgesprochen (Zalasiewicz 2017). Diese neue geologische Epoche kennzeichnet sich durch menschengemachte Spuren im Gestein, die dort noch Jahrmillionen überdauern werden und Auskunft darüber geben, dass der Planet Erde in einem, geologisch betrachtet kurzen Zeitraum grundlegend umgestaltet wurde. In diesem kurzen Zeitraum verschwand ein Großteil aller Wälder und wurde durch Felder oder Wiesen ersetzt, die menschliche Lebensmittel produzieren. Eine natürliche Warmzeit wandelte sich in eine anthropogene Heißzeit und immense Mengen an Holz, Gestein, Metallen und Erdöl wurden nun in Dinge verwandelt, die zu Waffen, Werkzeugen, Häusern, Städten, Straßen, Schiffen und Raumschiffen, zu Kunststoffen, Konsumgütern und Computern wurden. Sie alle wurden Bestandteil einer neuen „Technosphäre“, die sich aus all den Dingen zusammensetzt, die Menschen aus biologischen und mineralischen Rohstoffen geschaffen hatten. Diese Umgestaltung blieb nicht ohne Folgen, denn während Menschen die Technosphäre ausweiteten, schädigten sie ungewollt die Biosphäre und nunmehr sehen sie sich mit einer Reihe ökologischer Probleme konfrontiert, die ihre eigene Entwicklung maßgeblich beeinträchtigen können (Steffen 2015a). Doch nicht nur die Geschichte der Erde wird gerade neu geschrieben, auch die Geschichte der Menschen selbst. Auch ihr wird gerade ein neues Kapitel angehängt. Nachdem Menschen Jahrmillionen als Jäger und Sammler lebten, endete dieses Leben mit der Landwirtschaftlichen Revolution, an die sich Jahrtausende später die Industrielle Revolution anschloss. Nun, wenige Jahrhunderte später, vollzieht sich eine Digitale Revolution, welche mit bislang beispielloser Geschwindigkeit aus Industriegesellschaften Digitalgesellschaften macht (Stengel et al. 2017). In diesem Umbruch ereignet sich ein weiterer, die Urbanisierung: Lebten Menschen historisch betrachtet schon immer mehrheitlich auf dem Land, leben sie seit 2007 mehrheitlich in Städten. Und um das Jahr 2050 werden fast sieben Milliarden Menschen ihr Leben in Städten führen (WBGU 2016). Diese werden folglich immer größer und die Städte beginnen sich auch aus einem weiteren Grund zu wandeln. Es ist ein Kennzeichen des Digitalzeitalters, dass Städte Smart Cities werden, die „smart“ unter anderem deswegen genannt werden, weil sie, unterstützt von neuen digitalen Technologien, das Ziel haben, den Verkehr, den Verbrauch von Energie, Wasser und anderen Rohstoffen effizienter, die Luft besser und den Lärm geringer zu machen (Gassmann et al. 2018, Neckermann 2018, McKinsey Global Institute 2018). Auf diese Weise sollen einige der ökologischen Probleme minimiert werden, die derzeit das Anthropozän prägen. Das Digitalzeitalter transformiert aber nicht nur Städte, es verändert auch die Ökonomie. Dies zeigt sich in der regen Diskussion um die Automatisierung der Arbeitswelt und um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als Reaktion darauf. Es zeigt sich aber auch an der Entstehung einer neuen Wirtschaftsweise – der Share Economy. Nach Rif kin handelt es sich bei dieser
Einführung
Ökonomie um „das erste neue ökonomische Paradigma seit dem Auf kommen von Kapitalismus und Sozialismus im frühen 19. Jahrhundert, das tatsächlich Wurzeln zu fassen vermag“ (Rif kin 2014: 9). Auch in der soziologischen Debatte wurde die Share Economy in den letzten Jahren „broadly and commonly envisaged as a new socio-economic model based on collaboration, access to, and the socialization of, value production, facilitated by digital technologies“ (Arcidiacono et al. 2018: 276). Ein zentrales Element dieser neuen Wirtschaftsweise ist die gemeinschaftliche Nutzung von Gebrauchsgegenständen. Auf diese Weise kann der Aufwand von Energie und Rohstoffen zur Herstellung einer unübersichtlich großen Anzahl von Dingen reduziert werden. Und auf diese Weise sollen auch einige der ökologischen Probleme des Anthropozäns verringert werden. Eine auf gesteigerte Effizienz ausgerichtete Smart City sollte eigentlich die Share Economy willkommen heißen, da sie ihr Grundsatzprogramm übernommen hat und mit anderen Mitteln umsetzt. In diesen fünf sich gegenwärtig parallel vollziehenden großen Transformationen ist die vorliegende Arbeit verortet. Man kann sagen, sie befindet sich in der Schnittmenge dieser Transformationen und leistet darum Beiträge zu verschiedenen Forschungsfeldern.
Die Fragen Indem mit Bibliotheken der Dinge eine neue Angebotsform der Share Economy eingeführt wird, thematisiert die Arbeit eine Ökonomie des Teilens und leistet hier mehrere Beiträge: Mit Rif kin kann man in der Tat argumentieren, dass es sich bei der Share Economy um ein neues ökonomisches Paradigma handelt, das Elemente des Kapitalismus und Sozialismus enthält, zugleich aber auch über beide hinausgeht. Gegen Rif kin muss man jedoch feststellen, dass diese neue Wirtschaftsweise bislang nur in wenigen Branchen Fuß fassen konnte – und dies, obwohl die Mehrheit der Bevölkerungen in den wohlhabenden Gesellschaften bereit ist, mehr Dinge zu teilen (siehe Kapitel 1). Hier tut sich eine Kluft in vielen Gesellschaften auf und so lange sie besteht, vermag die Share Economy nur selektiv Fuß zu fassen. Eine der Forschungsfragen lautet folglich „Warum stagniert die Share Economy?“ bzw. „Wie kann diese Stagnation überwunden werden?“ Die Bibliothek der Dinge wird als ein mögliches Konzept identifiziert, das das Potenzial birgt, den Teilungswilligen dabei zu helfen, diese Hürde zwischen dem Wollen und dem tatsächlichen Handeln zu überwinden. Indem sich diese Arbeit mit der gemeinschaftlichen Nutzung von Dingen befasst, berührt sie die Konsumforschung. Hier untersucht sie die zentrale kollektive Konsumpraxis, die darin besteht, Dinge zu kaufen und zu besitzen, um sie nutzen zu können. „Wie konnte sich diese Praxis durchsetzen?“ Und vor allem: „Kann
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diese Praxis verändert werden?“, lauten die hier gestellten analytischen Fragen. Der Historiker Frank Trentmann hat seinem voluminösen Buch über die Universalgeschichte des Konsums den Titel „Herrschaft der Dinge“ verliehen (Trentmann 2017). In diesem rekonstruiert er die letzten 500 Jahre Konsumgeschichte und stellt dabei fest, dass sich Menschen im Durchschnitt mit immer mehr Dingen umgeben. In diesem Sinne fragt diese Arbeit auch, ob jene in den letzten Jahrhunderten stetig größer gewordene Herrschaft wieder verkleinert werden kann. Städte werden durch neue Technologien gewandelt, sie müssen sich aber auch an die neuen Umweltbedingungen des Anthropozäns, u.a. an den Klimawandel, anpassen, ihre Resilienz erhöhen und sich darum erneut wandeln (Coaffee & Lee 2016). Den Großteil ihrer Energie verbraucht die Menschheit in Städten, und folglich sind Städte auch für den Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um den städtischen Energieverbrauch zu reduzieren, wurden primär Verkehr, Stadtbeleuchtung und Einzelgebäude fokussiert. Die vorliegende Arbeit hingegen beschäftigt sich auch mit Stadt- und Quartiersentwicklung und fragt, wie die Energieeffizienz nicht einzelner Gebäude, sondern ganzer Quartiere gesteigert werden kann und analysiert mit Bibliotheken der Dinge eine Option dazu. Diese neuen Bibliotheken befördern zugleich neue Nachbarschaften, sie sind Orte der sozialen Interaktion, die für das Zusammenleben der Menschen eine wichtige Bedeutung haben, wegen der sie in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert haben. Obwohl beliebt, sind Bibliotheken zugleich bedroht. Klassischerweise besteht das Inventar von Bibliotheken vor allem aus gedruckten Büchern. Im Digitalzeitalter verschwinden Bücher jedoch allmählich, da sie sich in eBooks dematerialisieren und folglich keinen Raum zu ihrer Auf bewahrung benötigen. Das in ihnen verkörperte Wissen kann Menschen anders zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wird die Kernkompetenz von Bibliotheken, die proaktive Beteiligung an der Entwicklung der Gemeinschaft, minimiert, denn die Bibliotheken müssen bei der Bereitstellung von Information mit wirtschaftlichen Anbietern konkurrieren (Buschmann 2003, D’Angelo 2006, Usherwood 2007, Hansson 2010, Söderholm & Nolin 2015). Dies wirft die Frage nach den Überlebenschancen von Bibliotheken auf. Mit Bibliotheken der Dinge könnte jedoch eine Einrichtung bereitstehen, die diese Gefährdung entschärfen kann. Damit begibt sich diese Arbeit zugleich in die Bibliothekswissenschaft und fragt nach der Funktion, die Bibliotheken als physische Orte im Digitalzeitalter noch haben können. Die existentiell wichtigsten Auswirkungen des materiell aufwändigen Lebensstils, der für wohlhabende Gesellschaften so typisch ist, betreffen den ökologischen Zustand der Erde. Und indem sich diese Arbeit mit der Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs befasst, da sie eine Möglichkeit vorstellt, die in Konsumgesellschaften benötigte Menge an Energie und Rohstoffen zu verringern, um Gebrauchsgegenstände herzustellen, taucht diese Arbeit auch in das Diskursuniversum der Nachhaltigen Entwicklung ein. Die hier gestellte For-
Einführung
schungsfrage lautet: Wie kann der Energie- und Ressourcenverbrauch wohlhabender Gesellschaften reduziert werden, ohne dabei das materielle Wohlstandsniveau zu gefährden? Wenngleich diese Arbeit also mehrere Forschungsfelder berührt und mehrere Forschungsfragen hat, befindet sich jedoch nur ein Forschungsobjekt in ihrem Fokus – Bibliotheken der Dinge. Das Konzept der Bibliothek der Dinge ist noch jung und darum noch nicht weitläufig etabliert, wenngleich die Zahl jener Bibliotheken seit 2010 sehr dynamisch zunimmt und Ende 2018 weltweit ungefähr 250 Standorte2 gezählt werden können (Ameli et al. 2018). So wichtig dieses Phänomen für mehrere Forschungsfelder jedoch ist, so wenig untersucht wurde es bisher. Tatsächlich ist diese Arbeit, die erste, die sich mit dieser Innovation in der Share Economy systematisch befasst. Die Arbeitshypothese ist folglich auf Bibliotheken der Dinge ausgerichtet und lautet: Eine Bibliothek der Dinge kann bestehende Barrieren für gemeinschaftlichen Konsum überwinden und so zu ressourcen- und energieeffizienteren Lebensstilen und Quartieren führen. Aus der eben formulierten Hypothese leiten sich die Forschungsfragen ab, die im Zentrum dieser Arbeit stehen. Sie zielen darauf ab, was eine Bibliothek der Dinge ist, welche faktischen Wirkungen von ihr ausgehen und welches theoretische Potenzial sie haben: Wie kann die benannte Kluft zwischen der weit verbreiteten Bereitschaft zum Teilen vieler Gegenstände und der bislang noch gering ausgeprägten Praxis des Teilens überwunden werden? Der Arbeitshypothese zufolge können Bibliotheken der Dinge jene Barrieren, die zusammen diese Kluft bilden, überwinden und einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Ressourceneffizienz leisten. Daraus leiten sich folgende Fragen ab: 1. Wirkt sich eine Bibliothek der Dinge auf die Energie-/Ressourceneffizienz eines Quartiers aus und wenn ja, wie lassen sich diese Auswirkungen bemessen? Wie sieht ein Kriterienkatalog für die Erfassung der Auswirkungen aus? Bislang wurden die von Bibliotheken der Dinge ausgehenden Effekte noch nicht systematisch untersucht, ohne eine solche Untersuchung fehlt jedoch ein empirischer Nachweis, der ihre Relevanz für die Stadtentwicklung und für eine Nachhaltige Entwicklung aufzeigt. Konkret: Sollte sich die Ausgangshypothese bestätigen, sind Bibliotheken ein Baustein für den smarten Umgang mit Energie und Rohstoffen, weshalb sie für die Umsetzung der urbanen Leitideen einer „Smart City“ und „Sharing City“ von Bedeutung sind. Zugleich leisten 2
Gezählt werden im Rahmen dieser Arbeit Werkzeugbibliotheken und Bibliotheken der Dinge. Spezielle Sammlungen wie Spielzeugbibliotheken oder Musikinstrument-Sammlungen von Bibliotheken werden nicht berücksichtigt, da diese Sammlungen eine jeweils nur kleine Zielgruppe ansprechen.
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sie aber auch einen Beitrag zum Klimaschutz und erhöhen damit die Resilienz von Städten, weshalb sie für die Umsetzung der Leitidee einer „Resilient City“ und „Sustainable City“ ebenfalls essentiell sind. 2. Der Nachweis von positiven Effekten für die eben erwähnten Leitideen ist das eine. Können die Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge aber noch gesteigert werden? Das impliziert, dass bestehende Bibliotheken noch hinter ihrem theoretischen Potenzial bleiben. Tatsächlich wird eine solche zweite Kluft in dieser Arbeit aufgedeckt. 3. Wie müssen jene Bibliotheken schließlich gestaltet sein, um ein praktikables Konzept zur gemeinschaftlichen Nutzung im Kontext eines Quartiers werden zu können? 4. An die Frage der Gestaltung schließt sich die Frage nach der Realisierung an: Wie kann das Konzept einer Bibliothek der Dinge in Quartieren etabliert werden? Die Handlungsempfehlungen machen diese Arbeit zu einer transdisziplinären Arbeit. Sie sorgen dafür, dass zivilgesellschaftliche Initiativen oder kommunalpolitische Entscheidungsträger anwendbares Wissen haben, um Bibliotheken der Dinge zur nachhaltigen Quartiersentwicklung nutzen zu können.
Die Struktur Die Arbeit startet in Kapitel 1 mit der Diagnose des Ist-Zustandes, genauer: mit der Feststellung, dass sich der Zustand globaler Ökosysteme bislang umso mehr verschlechtert hat, je mehr sich das materielle Wohlbefinden erhöhte. Materiell ging es etwa einer Milliarde Menschen seit 1950 – dem Beginn der westlichen Konsumgesellschaften – deutlich besser. Und abermals verbesserte sich das materielle Wohlbefinden von weiteren 1,5 Milliarden Menschen seit 1990 – dem Beginn der vor allem östlichen Konsumgesellschaften in den osteuropäischen Transformationsländern und in den asiatischen Schwellenländern (Kharas 2017). In diesem Zeitraum beschleunigte sich der Verbrauch fossiler Energieträger und der Ausstoß von Treibhausgasen, die Versauerung der Ozeane, das Artensterben, der Verbrauch und die Verschmutzung von Süßwasser, die Entwaldung, die Bodenerosion, die Anreicherung von Plastikabfällen an Land und in Meeren sowie der Verbrauch von Biomasse und abiotischen Rohstoffen. Die Folgen wirken auf die menschlichen Gesellschaften zurück und bedrohen letztlich das materielle Wohlergehen in den reichen Gesellschaften, mehr noch aber die Entwicklung der armen Gesellschaften. Der effizientere Einsatz von (fossiler) Energie und Ressourcen ist folglich ein Imperativ, gleichzeitig nimmt die Zahl der Konsumenten jedoch weltweit zu. Das Sharing von Dingen ist ein Ausweg, da das materielle Wohlstandsniveau durch
Einführung
die gemeinschaftliche Nutzung von Dingen nicht abnimmt, die Umwelt jedoch geschont werden kann. Gleichwohl konnte sich die Share Economy bislang nur in wenigen Bereichen etablieren. Die Arbeit unternimmt an dieser Stelle eine Diagnose des Ist-Zustandes der Share Economy, die einerseits ein wichtiger Teil der Lösung ökologischer (und anderer) Probleme ist, gleichzeitig aber selbst ein Problem hat, denn sie kann sich nicht in allen Bereichen wie erhofft durchsetzen. In einem weiteren Schritt wird untersucht, warum dies so ist. Aufgedeckt wird dabei eine große Kluft: Die Mehrheit der Bürger westlicher Konsumgesellschaften würde gerne mehr Dinge teilen, aber sie tun es in der Praxis nicht. Es folgt eine Untersuchung der Gründe dafür und anschließend an diese Untersuchung wird ein noch junges Angebot der Share Economy eingeführt, das diese erste Hürde überwinden kann: Bibliotheken der Dinge. Diese können, so die These, also mindestens zweierlei, (1.) die Share Economy pushen und (2.) den Energie- und Ressourcenverbrauch drosseln. Sie haben einen signifikanten ökonomischen und ökologischen Effekt – und darüber hinaus weitere Auswirkungen, die in Kapitel 2 aufgezeigt werden. Sie alle machen es legitim, sich eingehender mit Bibliotheken der Dinge zu befassen. In Kapitel 2 zeigt sich jedoch auch, dass die bislang bestehenden Bibliotheken der Dinge in der Praxis hinter ihrem theoretischen Potenzial zurückbleiben, was daran deutlich wird, dass die Zahl ihrer Nutzer noch zu gering ist, um die kritische Massen erreichen zu können, die es braucht, um einen Wandel der kollektiven Konsumpraxis auszulösen. Hier besteht folglich eine zweite Kluft und die Gründe ihrer Existenz werden ebenfalls untersucht. Die These lautet, dass die Überwindung dieser zweiten Kluft die Schließung der Ersten nach sich zieht. Hier besteht dementsprechend das Kernproblem. Dieses zu überwinden und einen Lösungsansatz zu generieren ist Gegenstand von Kapitel 3. In diesem wird Designwissenschaft angewandt, da sie vor allem im Bereich Service-Design und im Design von Produkt-Service-Systemen jene „Werkzeuge“ entwickelt hat, mittels derer Kluft 2 geschlossen werden kann. Die Anwendung dieser Werkzeuge führt dann zu entsprechenden Ansätzen zur Verbesserung des Konzeptes, die in Kapitel 3 ebenfalls beschrieben werden. Damit leistet diese Arbeit letztlich auch einen Beitrag zur Transformationsforschung, die nämlich untersucht, wie und unter welchen Bedingungen sozialer Wandel erfolgen kann.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Die großen Transformationen Derzeitige Nachhaltigkeitsstrategien Share Economy als Ansatz KLUFT 1: DISKREPANZ ... zwischen Bereitschaft zu & Praxis des Teilens
Bibliotheken der Dinge & Analyse einer Fallstudie & Ableitung von Indikatoren KLUFT 2: DISKREPANZ ... zwischen empirisch messbarer & theoretisch möglicher Auslastung
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ANALYSE DES STATUS QUO Design als Instrumentarium zur Bearbeitung
ANSATZPUNKTE zur Optimierung des Konzeptes SCHLUSSFOLGERUNG
Bibliotheken ... ... der Dinge ein Kozept zur Überwindung der Kluft
K APITEL 1
Optimierungsbedarf ... identifizieren zur Überwindung von Kluft 1 & somit Kluft 2
K APITEL 2
Bibliotheken der Dinge können als Instrument für nachhaltige Quartiersentwicklung eingesetzt werden
K APITEL 3
Abb. 1: Übersicht über die Struktur der Arbeit
Die Methoden In methodischer Hinsicht wurde in Deutschland eine Umfrage durchgeführt, um zu erfahren, wie verbreitet das Wissen über Bibliotheken der Dinge hierzulande bereits ist (Kapitel 1). Ein Ziel dabei war es, die Akzeptanz eines solchen Angebotes abschätzen zu können. Die an der Online-Befragung teilnehmenden 390 Personen wurden gefragt, ob und unter welchen Bedingungen sie sich prinzipiell vorstellen können, eine Bibliothek der Dinge zu nutzen (Milk 2016, vgl. auch Anhang 01). Diese Einsichten wurden abschließend mit den Erfahrungswerten bestehender Initiativen kontrastiert (Kapitel 2). Dazu wurde bestehenden Bibliotheken der Dinge ein standardisierter Fragebogen (vgl. Anhang 02) zugesandt. Weitere Initiativen, die zwar angeschrieben wurden, sich aber nicht in der Lage sahen, den Fragebogen auszufüllen, da sie erst vor kurzem eröffnet haben, oder kurzfristig geschlossen haben (z.B. wegen Umzug) werden in dieser Zahl nicht berücksich-
Einführung
tigt. Die Rücklaufquote dieser zweiten Befragung lag bei 34 Prozent, was die Erhebung repräsentativ macht. Auf Basis dieser ersten Erhebungen wurden fünf Fallstudien ausgewählt, die qualitativ und auch quantitativ untersucht wurden.3 Die fünf Bibliotheks-Standorte der Fallstudien wurden vor Ort besucht, mit den Betreibern wurden semistrukturierte Interviews (vgl. Anhang 03), mit Nutzern Gespräche geführt, geleitet von semi-strukturierten Fragebögen (vgl. Anhang 04). Die qualitativen Daten wurden direkt erhoben und es wurde zudem auf bestehende Umfragen, Studien und Bewertungen der Initiativen zurückgegriffen, die entweder öffentlich zugänglich waren, oder der Forschenden zur Verfügung gestellt wurden. Bei der Analyse der Fallstudien waren zu Beginn die Erkenntnisse aus der Literaturanalyse und den ersten quantitativen Erhebungen leitend. Das bedeutet, dass mit einem deduktiven Vorgehen begonnen wurde, bei dem das Erhebungsmaterial mit dem bereits erzeugten Vorwissen analysiert wurde. Mit fortschreitender Analyse wurden jedoch neue Faktoren identifiziert, die sich aus der ersten Erhebung nicht haben ableiten lassen. Letztlich wurden durch einen induktiven Ansatz unterschiedliche Codes erstellt und zu unterschiedlichen übergreifenden Themen zusammengefasst. Die qualitativen Daten der Fallstudien ergänzend wurden Gespräche mit Gründern und Betreibern anderer Initiativen und Experten des Fachs geführt, um ein möglichst umfassendes Bild auch der sozialen Bewegung zu erhalten. Als außenstehender Experte wurde der myTurn-Gründer Gene Homicki herangezogen, dessen Software die am meisten genutzte im Bereich der Lending Libraries, wie Bibliotheken der Dinge im englischen Sprachraum oft bezeichnet werden, ist. Insgesamt wurden 19 Betreiber mit einer durchschnittlichen Gesprächsdauer von 60 Minuten interviewt und 82 Nutzer an fünf Standorten befragt. Um die qualitativen Daten zu untermauern, wurden zusätzlich die quantitativen Daten von 35 weiteren Standorten ausgewertet. Einerseits war es so möglich, die gewählten Fallstudien in den großen Kontext der Bibliotheken der Dinge weltweit eizuordnen, andererseits konnten so Widersprüche entdeckt und zusätzliche Erkenntnisse generiert werden. Alle quantitativen Daten, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, sind dank des Einverständnisses der verschiedenen Bibliotheksstandorte und der Zusammenarbeit mit Homicki für diese Forschungsarbeit in anonymisierter Form nutzbar gemacht worden.4 Zur Beantwortung der Frage, wie Bibliotheken der Dinge gestaltet sein soll3
Ein Überblick der ausgewählten Fallstudien sowie der verwendeten Primär- und Sekundärquellen ist im Anhang zu finden.
4
Im Rahmen dieser Arbeit werden aus Datenschutzgründen nur die anonymisierten Auswertungen der zur Verfügung gestellten Daten gezeigt. Die dahinterliegenden Daten werden nicht im Anhang gelistet. Bei Interesse können genauere Informationen bei Gene Homicki, CEO von myTurn eingeholt werden.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
ten, um eine in Kapitel 2 definierte „kritische Masse“ erreichen und so in die Mitte eines Quartiers, einer Stadt oder gar der Gesellschaft vordringen zu können, wurde zusätzlich mit dem Instrumentarium einer wissenschaftlichen Disziplin – der Designwissenschaft – gearbeitet, deren Arbeitsprogramm mit dem Begriff „Transformation“ treff lich beschrieben werden kann. Denn der Designwissenschaft geht es um die Gestaltung von Innovationen und Transformationsprozessen und sie kann folglich auch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Innovation „Bibliothek der Dinge“ liefern (Kapitel 3). Doch nun genug der einleitenden Worte. Beginnen wir mit einem globalen Problem, das in den nächsten Jahrzehnten gelöst werden muss, wenn die sichere Entwicklung der Menschheit nicht gefährdet werden soll.
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Der Aufstieg der Dinge und der Niedergang der Umwelt
Im ersten Kapitel wird die Share Economy als Schnittmenge der Suffizienz- und Effizienzstrategie und als Instrument für eine Nachhaltige Entwicklung identifiziert. Obwohl sich ein großer Bevölkerungsteil westlicher Konsumgesellschaften vorstellen kann eine Reihe von Dingen gemeinschaftlich zu nutzen, tun dies in der Praxis nur verhältnismäßig wenige. Hier besteht gegenwärtig eine Kluft, welche die Share Economy bis auf wenige Bereiche zu einem Nischenphänomen macht. Am Ende des Kapitels wird erläutert, dass Bibliotheken der Dinge wesentlich zur Überbrückung dieser Kluft beitragen können (vgl. Abbildung 2).
STATUS QUO Ein Muster menschlicher Entwicklung Auflösung des Musters menschlicher Entwicklung
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN Effizienzstrategie / Konsistenzstrategie / Suffizienzstrategie
KOMBINATION DER STRATEGIEN S H A R E
1
E CO N O M Y
Kultur des Teilens & Kultur des Eigentums Kollektive Praxis als Stellschraube für Nachhaltige Entwicklung
KLU FT
1
Diskrepanz zwischen der Bereitschaft zu Teilen und der tatsächlichen Praxis des Teilens
DER AUFSTIEG D E R D I N G E & DER NIEDERG A N G D E R U M W E LT Fors c h u n gs d e s i gn f ü r d ie Problemd ia gnose
Abb. 2: Forschungsdesign für die Problemdiagnose
BIBLIOTHEKEN DER DINGE E I N E
LÖ S U N G
Ein Konzept, um die Kluft zwischen der Bereitschaft zu Teilen und der Praxis des Teilens zu schließen.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
1.1
Ein Muster der menschlichen Entwicklung
Zumindest bislang folgt die menschliche Entwicklung in den letzten 12.000 Jahren, also seit dem Beginn der Sesshaftigkeit, demselben Muster: Je größer das materielle Wohlergehen der Menschheit, desto schlechter der Zustand des globalen Ökosystems. Zwar emigrieren gegenwärtig Dutzende Millionen Menschen wegen Armut, Perspektivlosigkeit und Konf likten von ruralen in urbane Regionen, von Staaten in Nachbarstaaten und zwischen Kontinenten; zwar sind fast eine Milliarde Menschen unterernährt; dennoch geht es der Menschheit im Ganzen betrachtet, gut wie noch nie in ihrer Geschichte: Seit Jahrzehnten schrumpft der Anteil der Hunger Leidenden an der Weltbevölkerung, sterben weniger Menschen in kriegerischen Konf likten, lassen sich eine wachsende Zahl an vormals unheilbar geglaubten Krankheiten heilen (Harari 2015: 1-29), gibt es mit dem Aufstieg der vor allem asiatischen New Emerging Economies und der osteuropäischen Transformationsländer mehr materiellen Wohlstand für zunehmend mehr Menschen (Kharas 2017). Wegen technologischer Fortschritte können viele Menschen ein immer bequemeres und im Durchschnitt immer längeres Leben führen (Arrison 2013). Obendrein nimmt das durchschnittliche Bildungsniveau global zu und die Rate der Analphabeten ab: Waren um das Jahr 1800 rund 90 Prozent der Menschheit Analphabeten, konnten 2014 ca. 90 Prozent der Menschheit lesen und schreiben (Roser & Ortiz-Ospina 2018). Geht es der Menschheit tendenziell also zunehmend besser, vollzieht sich diese Entwicklung zu Lasten des globalen Ökosystems. Dieses befindet sich in einem zunehmend schlechteren Zustand. In drei von neun ökologischen Dimensionen, die für die Stabilität des globalen Ökosystems entscheidend sind, gelten Grenzwerte als überschritten (Verlust der Biodiversität, Stickstoff- und Phosphorkreisläufe), zwei weitere stehen kurz vor ihrer Überschreitung (die Umwandlung von Wald- in Agrarf lächen, die anthropogene Erderwärmung), was impliziert, dass der sichere Entwicklungskorridor für die Menschheit schmaler wird und die bereits realisierten Entwicklungserfolge gefährdet sind (Stef fen et al. 2015a, WWF et al. 2016, Venter et al. 2016). Sogar ein Umkippen des globalen Ökosystems wird diskutiert, sollten Schwellenwerte überschritten werden – vor allem das Überschreiten der 2°C-Erderwärmungsgrenze und die Umwandlung von mehr als 50 Prozent der eisfreien Landmassen in land- und viehwirtschaftlich genutzte Flächen. Beide menschlichen Einwirkungen wirken sich global und grundlegend aus, weil sie Umweltbzw. Lebensbedingungen entscheidend verändern. Werden diese Tipping Points überschritten, kann sich der Zustand des globalen Ökosystems – und mit ihm das Wohl der Menschheit – binnen weniger Jahrzehnte immens verschlechtern.
1 Der Aufstieg der Dinge und der Niedergang der Einführung Umwelt
Bei Fortsetzung der bisherigen Geschwindigkeit könnte dies bereits um das Jahr 2040 der Fall sein (Barnosky et al. 2012). In der Folge droht ein Ausfall von für die Menschheit essentiellen Ökosystemleistungen (z.B. die Bereitstellung fruchtbaren Bodens, die Regulation des globalen Klimas, die Reinhaltung von Süßwasser und Luft). Die jüngste Bestandaufnahme dieser und anderer Ökosystemleistungen ergab, dass bereits zwei Drittel aller Ökosysteme weltweit als geschädigt gelten. Dadurch ist die Bereitstellung von 16 Leistungen (von insgesamt 22) zunehmend gefährdet (Millenium Ecosystem Assessment 2005). Vor allem seit 1950 nehmen die negativen Einf lüsse der menschlichen Zivilisation auf das globale Ökosystem zu. Denn seit 1950, dem Beginn von Konsumgesellschaften, konnten die Bürgerinnen und Bürger westlicher Gesellschaften immer mehr Dinge kaufen, weil deren Herstellung durch die voranschreitende Massenfabrikation zunehmend billiger wurde und das durchschnittliche Einkommen zunahm oder auf hohem Niveau stagnierte (vgl. Trentmann 2017). Seit 1950 hat auch der Konsum unterschiedlichster Ressourcen und Produkte (z.B. Energie, Papier, Fahrzeuge, Kunststoffe, Elektrogeräte, Fleischkonsum, chemische Düngemittel, Süßwasser) markant und mit sich beschleunigender Geschwindigkeit zugenommen, weshalb das Jahr 1950 zugleich als Beginn der „Great Acceleration“ erklärt wurde (Steffen et al. 2015b), d.h. der Beschleunigung des Konsums und menschlichen Eingriffs in globale Ökosysteme. Vorweggenommen hatte diese Beschleunigung Christian Pfister (1998), nach dessen Meinung der Übergang von einer nachhaltigen zu einer nicht nachhaltigen Welt mit dem Auf kommen des Massenkonsums in den 1950er Jahren einsetzte. Nicht ohne Grund werden die frühen 1950er als der Beginn einer neuen geologischen Epoche – das Anthropozän – diskutiert. Diese Epoche steht für den gestalterischen und dominanten Einf luss der Menschheit auf den Planeten Erde und könnte, so der gegenwärtige Diskussionsstand, Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen haben (Zalasiewicz 2017, Waters et al. 2017). Überdies ist eine abermalige Beschleunigung des Energie- und Ressourcenverbrauchs nach dem Jahr 1990 zu erkennen. Seitdem rückte eine breiter werdende Mittelschicht der New Emerging Economies in Brasilien, China, Indien und den „Tigerstaaten“ Südostasiens in die sogenannte „Global Consumer Class“ vor (UNEP 2017: 58). Die Folgen dieses Trends sind klar: Mit der fortschreitenden Ausbreitung der Konsumentenklasse in immer mehr Ländern nehmen globale Umweltprobleme wie der Klimawandel beträchtlich zu. Die Lebensstile, wie sie sich in heute westlichen Gesellschaften etabliert haben, werden von Angehörigen der Mittelschicht in den neuen östlichen Konsumgesellschaften weitgehend imitiert (HSBC 2012) und tragen zu globalen Umwälzungen bei, denn der momentane Energie- und Ressourcenverbrauch liegt jenseits einer dauerhaft möglichen und damit nachhaltigen Lebensweise. Diese Entwicklungen belegen das eingangs formulierte Muster: Je höher der
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
materielle Wohlstand der Menschheit – definiert als höhere Kauf kraft und höheres Konsumniveau – desto schlechter der Zustand des globalen Ökosystems. Da die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten numerisch weiter wächst und darum voraussichtlich mehr Energie und Rohstoffe verbrauchen wird, ist ein Ende der Degradation globaler Ökosysteme nicht in Sicht. Mehr Menschen werden dann in einer Welt mit abnehmenden Ökosystemleistungen leben müssen, woraus zu folgern ist, dass sich die durchschnittliche Lebensqualität in allen Ländern wieder verschlechtern dürfte. Dieser globalökologische Umbruch spricht normativ für einen grundlegenden Wandel in menschlichen Gesellschaften: Sollen planetare Grenzen und Ökosystemleistungen nicht weiter beeinträchtigt werden, muss der Verbrauch fossiler Energie und von Rohstoffen reduziert werden – idealerweise, ohne dabei den erreichten materiellen Wohlstand zu gefährden. Unabhängig davon vollzieht sich gegenwärtig empirisch ein grundlegender Wandel in menschlichen Gesellschaften, der durch die Digitalisierung in Gang gesetzt wird. Der Einf luss der Digitalisierung ist noch schwer abzuschätzen, doch deutet sich u.a. an, dass künftig viele Arbeitsbereiche automatisiert werden, weshalb die Zahl der Arbeitsplätze in der Mittelschicht in Industrie- und Schwellenländern signifikant schrumpfen wird (Stengel 2017, Chang et al. 2016, Berger & Frey 2016, WEF 2016, Ford 2015, Cowen 2013, Frey & Osborne 2013). Womöglich werden künftig mehr Bürger über weniger Einkommen verfügen. In Deutschland könnten durch die Digitalisierung bis 2024 rd. 3,4 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen, weil Roboter oder Algorithmen die Aufgaben übernehmen. Das geht aus einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom für die FAZ hervor. Angesichts von aktuell knapp 33 Millionen sozialversicherungspf lichtig Beschäftigten entspräche dies einem Umfang von zehn Prozent. Für die Umfrage wurden 500 deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern befragt (Löhr 2018). Natürlich werden in diesem Zeitraum auch neue Jobs geschaffen, doch eine Studie des World Economic Forum lässt vermuten, dass dies deutlich weniger sein werden (WEF 2016). Eine Metastudie über sämtliche bislang verfügbaren Prognosen zur Entwicklung des Arbeitsmarktes kommt zu dem Ergebnis, dass das Gesamtbild bis in die frühen 2020er noch uneinheitlich insofern ist, als dass der Abbau von Arbeitsplätzen durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze gemildert wird. Aber nach 2022 dominieren die Nettoverluste und in den 2030ern werden die Job-Verluste den Prognosen zufolge weltweit unvorstellbar sein (Winick 2018). Im Rahmen der gegebenen Wirtschaftsordnung wird dann vielen Menschen die Erhaltung ihres bisherigen Lebensstandards erschwert oder gar verwehrt werden, da sie über weniger Einkommen verfügen können. Zudem bringen das Weltbevölkerungswachstum und die Urbanisierung vielerorts künftig mehr Menschen mit geringen oder schrumpfenden Einkommen in wachsenden Städten mit oftmals steigenden Mieten zusammen (WBGU 2016).
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Aus diesen beiden Entwicklungen resultiert die Herausforderung, möglichst allen Bürgern weiterhin auch dann einen menschenwürdigen Güterzugang zu gewähren, wenn Arbeitsplätze rar werden oder Einkommen schrumpfen. Es ließe sich spekulieren, dass der durch die Automatisierung bedingte Nettoabbau von Arbeitsplätzen den Energie- und Ressourcenverbrauch schrumpfen lässt, da sich die durchschnittliche Kauf kraft reduzieren dürfte (Cowen 2013). Allerdings resultieren aus der Digitalisierung auch geringere Preise für viele Produkte, da sie durch Advanced Robotics und Advanced 3D-Printing mit geringerem Personalund Transportaufwand produziert werden können. Der Verlust der Kauf kraft könnte so teilweise kompensiert werden. Aber unabhängig davon kann das Ziel einer Nachhaltigen Entwicklung nur sein, die Umwelt- und Lebensqualität gleichermaßen zu verbessern. Können stetig mehr Produkte vergleichsweise günstig gedruckt werden, entlastet das weder den Verbrauch von Rohstoffen noch den Aufwand an Energie die für die Herstellung der gedruckten Dinge erforderlich ist. Eine der großen – vielleicht sogar die größte – Herausforderung des 21. Jahrhunderts besteht folglich darin, sicherzustellen, dass die numerisch zahlreicher werdende Menschheit innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen lebt und die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme aufrechterhält oder wiederherstellt. Zudem gilt es, die Lebensverhältnisse von gegenwärtig rund einer Milliarde Menschen auf ein menschenwürdiges Niveau zu heben und den bereits erreichten materiellen Wohlstand der übrigen Menschen nicht zu gefährden. Zentrale Sustainable Development Goals, auf die sich die Weltgemeinschaft zu erreichen geeinigt hat, sollten auch für zehn oder elf Milliarden Menschen realisiert werden, ohne dafür planetare Grenzen weiter zu überschreiten. Nachhaltige Entwicklungsziele sind z.B. keine Armut (SDG 1), weniger soziale Ungleichheit (SDG 10), nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion (SDG 12) und Klimaschutz (SDG 13). Gegenwärtig ist völlig unklar, wie dies ermöglicht werden könnte. Das zeigt sich beispielsweise bei den Klimazielen: Von den vier IPCC-Szenarien ist das Worst-Case-Szenario zwar mittlerweile eher unwahrscheinlich geworden. Das Best-Case-Szenario aber auch. Demnach dürfte es mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 90 Prozent im Jahr 2100 rund drei Grad wärmer sein als vor der Industrialisierung. Im besten Fall wären es nur zwei Grad, im schlechtesten bis zu fünf Grad. Dem 1,5-Grad-Ziel dagegen geben Raftery et al. (2017) keine wirkliche Chance, denn gemäß ihren Modellen wird es mit einer Wahrscheinlichkeit von nur einem Prozent erreicht: „The likely range of global temperature increase is 2.0–4.9 °C [für das Jahr 2100], with median 3.2 °C and a 5% (1%) chance that it will be less than 2 °C (1.5 °C).“ Was also tun, um den Balanceakt zwischen planetaren Grenzen und globalen Entwicklungszielen zu erreichen?
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1.2 Die Veränderung des Musters menschlicher Entwicklung Das Muster, das mindestens für die letzten 12.000 Jahre galt, nämlich dass der ökologisch negative Einf luss des Menschen auf seine natürliche Umwelt um so größer wird, je höher dessen materielles Wohlbefinden ist, müsste folglich aufgebrochen werden. Denn bis zur Mitte des Jahrhunderts werden voraussichtlich weitere zwei bis drei Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Zugleich sind viele Ökosysteme bereits in der Gegenwart überlastet und ihre Ökosystemleistungen rückläufig. Wenn das menschliche Wohlergehen nicht gefährdet werden soll, muss sich etwas verändern. Bislang wurden in der seit den 1980ern geführten Diskussion um den Weg zur Nachhaltigkeit drei große Strategien ersonnen, um aus dem bisherigen Muster der menschlichen Entwicklung auszubrechen. Bei diesen Strategien handelt es sich um die Konsistenz-, Effizienz- und Suffizienzstrategie. Sie haben entweder das Ziel, den Energie- und Ressourcenverbrauch zu reduzieren (Effizienz, Suffizienz), oder selbigen nicht umweltschädlich werden zu lassen (Konsistenz). Aus der folgenden Diskussion dieser Strategien wird im Anschluss ein Konzept abgeleitet, das die jeweiligen Schwächen überwinden, die Stärken jedoch beibehalten soll, um möglich zu machen, was bislang unmöglich war: Die Realisierung eines hohen materiellen Wohlstandes für eine größer werdende Zahl von Menschen bei einem gleichzeitig rückläufigen Umweltverbrauch.
1.3 Nachhaltigkeitsstrategien Die Konsistenzstrategie versucht dies durch die Abkehr von fossilen Energieträgern und durch die Reduktion von Abfällen: Sämtliche eingesetzten Rohstoffe sollen entweder im „technologischen“ oder „biologischen Kreislauf“ zirkulieren, d.h. entweder vollständig recyclebar sein oder in der Umwelt zu Nahrung für Tiere und Pf lanzen werden. Folglich entsteht kein Abfall. Damit Rohstoffe stetig im technologischen Kreislauf zirkulieren können, sollen viele Produkte künftig nicht mehr gekauft, sondern geleast werden: Nach der Nutzungsphase kann ein Verbraucher das entsprechende Produkt wieder an den Hersteller zurückgeben. Dieser repariert oder upgraded es, um es anschließend weiter zu verleasen. Alternativ nimmt er es auseinander, trennt die verschiedenen Rohstoffe voneinander und verbaut sie anschließend in einem neuen Produkt. Nicht mehr benötigte Rohstoffe sind biologisch abbaubar und können in der Umwelt entsorgt werden (Braungart & McDonough 2014, 2006, Stahel 2016). Diese Strategie hat Mängel: Bislang können nur wenige Produkte so entworfen werden, dass ihre Rohstoffe dauerhaft in einem der beiden Kreisläufe zirkulieren. Es werden außerdem vermehrt biotische Rohstoffe wie Maisstärke oder
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Holz eingesetzt. Die zunehmende Nachfrage nach Mais oder Holz beeinträchtigt jene Ökosysteme, denen das Holz in Form von Bäumen oder Anbauf lächen für Mais entnommen wird. Alle Gesellschaften der Vergangenheit folgten in Ermangelung einer Alternative dem Konsistenzprinzip, und doch schädigten sie die Umwelt dabei umso mehr, je größer die Zahl der in ihnen lebenden Menschen und ihre Nachfrage nach Holz für Brennstoff, Häuser, Möbel, Schiffe, Waffen, Vieh und Ackerf lächen wurde – und nicht wenige Hochkulturen sind an der ökologischen Übernutzung ihres Einf lussbereichs zugrunde gegangen (Diamond 2005). Bedenklich ist u.a. der Einsatz von Holz als erneuerbare Energiequelle. Vor allem in England, aber auch in anderen EU-Staaten wie Belgien, den Niederlanden, Dänemark oder Frankreich werden alte Kohlekraftwerke – die gesetzlich geschlossen werden müssen – auf den Betrieb mit Holzpellets umgerüstet. Sie verschlingen dann Hunderttausende bis Millionen Tonnen Holz im Jahr. Der Bedarf an Holzpellets ist folglich rasch gewachsen: Waren es 2001 noch zwei Millionen Tonnen weltweit, wurden 2014 bereits 27 Millionen Tonnen hergestellt. Für die Nachfrage werden Waldf lächen in Nordamerika und Osteuropa gerodet und gehäckselt (Willinger 2016). Mag dieses Verfahren konsistenzstrategisch in Ordnung und CO2-neutral sein, umweltfreundlich ist es nicht. Was die Nutzung nachwachsender Rohstoffe betrifft, wird die Konsistenzstrategie bei einer größer werdenden Weltbevölkerung und Kauf kraft umso problematischer, je verbreiteter sie angewandt wird. Dagegen spricht einiges für den Erhalt von Rohstoffen im technischen Kreislauf. Wird jedoch das Konsumniveau nicht gedrosselt, müssen diesem Kreislauf von außen immer mehr Rohstoffe zugeführt werden – und deren Abbau belastet in der Regel die betroffenen Ökosysteme. Daraus folgt, dass der Umgang mit Rohstoffen effizienter werden sollte. Die Effizienzstrategie zielt auf die Reduktion des eingesetzten Energie- und Rohstoffverbrauchs. Sie folgt der Erkenntnis, dass „die Kosten für Materialaufwendungen [im Jahr 2014] mit rund 43 % den mit Abstand größten Kostenblock im verarbeitenden Gewerbe [in Deutschland] einnahmen. Die Kosten für Personal lagen demgegenüber bei knapp 19 %, die für Energie bei 1,9 %“ (VDI 2017: 10). Folglich richtet sich der Fokus auf den sparsameren Einsatz von Rohstoffen, da dies ökologisch geboten wie ökonomisch rational ist (Schmidt-Bleek 2007). Auch diese Strategie ringt mit Problemen. Zum einen wird sie in Unternehmen oft nur zögerlich eingesetzt, weil der Umstieg auf eine effizientere Technologie mit Investitionskosten einhergeht, deren Amortisierungsfristen oft zu lange sind (Reichmuth & Schröder 2013). Und wo die Effizienzstrategie umgesetzt wird, wird sie häufig zum Teil durch Rebound-Effekte kompensiert (Santarius 2015): Als die mexikanische Regierung ihren Bürgern und Bürgerinnen 2009 eine Abwrackprämie für Kühlschränke und Klimaanlagen zahlte, versprach sie sich davon erhebliche Energieeinsparungen, da eine Vielzahl der mexikanischen Haushalte alte und
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ineffiziente Geräte besaß. Das Ergebnis des nationalen Austauschprogramms (es wurden 850.000 Kühlschränke und 100.000 Klimaanlagen ausgetauscht) war jedoch deutlich unter der erhofften Wirkung: Bei Kühlschränken konnte im Mittel eine nur leichte Einsparung (-7 Prozent) realisiert werden, bei den umgetauschten Klimaanlagen ergab sich anschließend sogar ein Mehrverbrauch. Die jeweilige Ursache war ein verändertes Nutzerverhalten, denn ihre alten Klimaanlagen nutzten die meisten Mexikaner nur zur Mittagszeit, um die schlimmste Hitze zu lindern. Nach dem Umstieg auf sparsame Geräte ließen sie die Geräte länger laufen. Viele Mexikaner entschieden sich beim Neukauf ihrer Kühlschränke außerdem für Modelle mit Extras wie Eiswürfel-Spendern. Diese Geräte verbrauchen zwar weniger Strom als Altgeräte, aber mehr als neue Kühlschränke ohne diese Zusatzfunktionen (Davis et al. 2012). Das schmälert den Wert der Effizienzstrategie nicht, weist aber darauf hin, dass man sich nicht allein auf sie verlassen sollte. So wird auch beim Umstieg auf die stromeffizienteren LED-Leuchten keine Stromeinsparung, sondern langfristig ein Mehrverbrauch (sog. Rebound-Effekt) von Strom erwartet, weil die günstigeren LEDs viel häufiger und auch dort eingesetzt werden, wo zuvor keine künstliche Beleuchtung eingesetzt wurde (Tsao et al. 2010, Sorrell 2007). Daraus folgt, dass neben der Effizienzstrategie auch das Verbraucherverhalten privater Konsumenten einbezogen werden muss – um so mehr, je mehr Menschen über mehr Kauf kraft verfügen. Die Suffizienzstrategie zielt nun anders als die beiden vorher beschriebenen Strategien auf eine (beabsichtigte) Veränderung des Verbraucherverhaltens, um, wie die Effizienzstrategie, den Energie- und Ressourcenverbrauch einzudämmen (Stengel 2011). So könnten etwa durch die Halbierung des (globalen) Fleischverbrauchs die massiven Umweltbeeinträchtigungen der Viehwirtschaft (Verbrauch von Süßwasser, Emission von Treibhausgasen, Verbrauch von Landf lächen für Weidef lächen und den Anbau von Viehfutter, Vernichtung von Kalorien, da mehr Kalorien als Futter in die Viehindustrie hineingehen, als Kalorien in Form von Fleisch und Milchprodukten aus ihr hervorkommen, Rückgang der Biodiversität, Bodenerosion) quasi über Nacht halbiert werden (Böll Stiftung et al. 2018). Außerdem könnte der heimische Energieverbrauch nahezu halbiert werden, wenn fünf Suffizienzmaßnahmen umgesetzt würden: In ihrem Bericht für die Stadt Zürich hat Katrin Pfäff li (2013) aufgezeigt, dass veränderte Verhaltensweisen im Bereich Wohnen (Wohnf läche und Betrieb) sowie Alltagsmobilität eine Einsparung von ca. 45 Prozent möglich machen, sofern die durchschnittliche Wohnf läche pro Person von 45m2 auf 30m2 reduziert wird, um Heizenergie einzusparen. Außerdem müsste die Wohnraumtemperatur von 23 Grad auf 21 oder 20 reduziert, auf den Besitz eines Personenwagens verzichtet und der Arbeitsweg mit dem öffentlichen Verkehr oder Fahrrad bewältigt werden.
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Eine andere Studie hat ebenfalls das Potenzial der Energiesuffizienz ausgelotet. Das Ergebnis: Wenn die theoretisch möglichen Energieef fizienzpotenziale mit den theoretisch möglichen Energiesuffizienzpotenzialen kombiniert werden, wären Stromeinsparungen von bis zu 77 Prozent für den Haushaltssektor in Deutschland erreichbar. Das entspräche einer jährlichen Stromverbrauchsreduktion von 110 TWh und davon wären wiederum zwei Drittel durch energiesuffiziente Maßnahmen erzielt worden (ifeu et al. 2016). Allerdings wird das theoretisch mögliche Einsparpotenzial der Suffizienzstrategie durch praktische Barrieren ausgebremst: die meisten Menschen möchten zwar in einer intakten Umwelt leben, nicht aber ihren Fleischkonsum halbieren, geschweige denn einstellen. Die meisten Menschen möchten zwar umweltfreundlich wohnen, jedoch nicht auf Wohnraum verzichten oder ihren Warmwasser- und Heizungsverbrauch einschränken. Auch in Bezug auf Produkte verhalten sie sich irrational: sie entsorgen diese oft verfrüht und ersetzen sie durch neue (obwohl noch 30 Prozent aller entsorgten Elektrogeräte einwandfrei funktionieren) (Mont & Power 2010). Daraus folgt, dass Verbrauchern kein Verzicht abverlangt werden sollte, damit sie durch ihr Verhalten Energie und Rohstoffe einsparen.
1.4 Die Quadratur des Kreises Wie könnten diese drei Strategien nun effektiv zusammengeführt werden? O’Neill et al. (2018) haben mithilfe von Indikatoren, die einen „sicheren und gerechten“ Entwicklungsraum messen sollen, den Ressourcenverbrauch, der mit der Befriedigung der grundlegenden menschlichen Bedürfnisse verbunden ist, quantifiziert. Diesen Verbrauch haben sie für 150 Länder ermittelt und ihn jeweils mit den Schwellenwerten der planetaren Grenzen und des ökologischen Fußabdrucks verglichen. Das Ergebnis: Keines der 150 Länder, darunter alle gegenwärtigen Konsumgesellschaften, erfüllt die Grundbedürfnisse seiner Bürger auf einem global nachhaltigen Niveau der Ressourcennutzung (vgl. Wiedmann et al. 2013). Sechs der sieben untersuchten globalen Grenzen, darunter Phosphor- und Rohmaterialverbrauch, aber auch Biodiversität und Klimagase, werden von mehr als der Hälfte der 150 untersuchten Länder überschritten.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Social Thresholds / Biophysical boundaries Germany
11
Netherlands Austria
Japan
France Sweden Denmark Australia United States Canada Czech Rep. Ireland Slovenia
10 9
United Kingdom New Zealand
8 Social thresholds achieved
32
South Korea Israel
Hungary
7
Croatia Vietnam
6
China Algeria
4
Syria
Sri Lanka
Colombia
Indonesia
1
Morocco Bangladesh Nepal
0
Armenia
Jordan
2
Cambodia
1
Egypt Peru Ecuador
Ukraine Tunesia Paraguay Kyrgyz Rep. Mongolia
Venezuela Kuwait Romania Panama Albania Russia Turkey Iran
Dominican Rep.
Ghana
India Uganda Mali Niger
Philippines Angola Yemen Chad Zambia Malawi
0
Argentina Portugal Poland Uruguay Kazachstan
Brazil Greece Thailand Bulgaria Chile Mexico Italy Costa Rica
5
3
Spain
Estonia
Georgia Pakistan
South Africa
El Salvador Bolivia Lesotho
Swaziland
2 3 4 5 Biophysical boundaries transgressed
6
7
Abb. 3: Social Thresholds – basierend auf O’Neill et al. 2018. Die Größe der Kreise steht für die Anzahl der Einwohner. Im Idealfall (s. Pfeile) befänden sich die Länder in der oberen linken Ecke (O’Neill et al. 2018). Bei den „Social Tresholds“ handelt es sich um Schwellenwerte für soziale Ziele wie Lebenszufriedenheit, Einkommen, soziale Gleichheit, Lebenserwartung, Ernährung. Zudem zeigte sich: Je höher der soziale Standard eines Landes ist, desto mehr planetare Grenzen überschreitet es. Im Gegensatz dazu erfüllen Länder, die natürliche Ressourcen auf einem nachhaltigen Niveau verwenden, wie etwa Sri Lanka, nicht die Grundbedürfnisse ihrer Bürger. Die Ergebnisse legen nahe, dass einige der Entwicklungsziele der SDGs, etwa die Minimierung des Klimawandels und
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seiner Auswirkungen, durch die Verfolgung anderer Ziele unterlaufen werden könnten – vor allem durch solche, die auf Wachstum oder hohes menschliches Wohlbefinden ausgerichtet sind. Wenn, so das Fazit der Studie von O’Neill et al., neun bis zehn Milliarden Menschen ein gutes Leben innerhalb der planetaren Grenzen führen sollen, dann legen die Ergebnisse nahe, dass gesellschaftliche Strukturen grundlegend verändert werden müssen, um die menschlichen Grundbedürfnisse auf einem viel niedrigeren Niveau der Ressourcennutzung decken zu können. Die Autoren nennen Vorschläge, welche Maßnahmen dazu umzusetzen wären: Dazu zählt eine suffiziente Konsumweise. Durch suffiziente kollektive Verhaltensweisen könnte der Ressourcenverbrauch in vielen wohlhabenden Ländern signifikant reduziert werden, ohne die sozialen Ergebnisse zu beeinträchtigen. Weitere erforderliche Maßnahmen sind die Umstellung fossiler Brennstoffe auf erneuerbare, die Herstellung von Produkten mit längerer Lebensdauer, die Reduzierung unnötiger Abfälle, die Umstellung von tierischen auf pf lanzliche Produkte. Realisiert werden müsse außerdem die Verringerung der Einkommensungleichheit und verbesserte Sozialleistungen, weniger Korruption sowie mehr individuelle Freiheitsräume (in autoritären Gesellschaften). Letztere Indikatoren korrelierten zwar nur schwach mit der Ressourcennutzung, hätten aber nachweislich einen positiven Effekt auf ein breites Spektrum sozialer Ergebnisse, denn sie erhöhten die Lebenszufriedenheit erheblich. Ein Konzept kann nun die meisten der von O’Neill aufgezählten Maßnahmen umsetzen: das Sharing. Sharing ist suffizient, denn man verzichtet zwar auf den Konsum und Besitz vieler Dinge, nicht aber auf deren Nutzen. Die Verzichtsleistung ist damit keine echte und den Verbrauchern darum leichter abzuverlangen. Sharing ist ressourceneffizient, denn es erhöht die Ressourcenproduktivität und verringert den Material Footprint. Sharing ist energieeffizient, denn es verringert den Energieeinsatz für die Produktion jener Dinge, die man zuvor kaufen und besitzen musste. Sharing ist der gemeinsame Nenner, die Schnittmenge der Effizienz- und Suffizienzstrategie. Sharing erhöht ferner die Gütergleichheit, denn Einkommensschwache erhalten Zugang zu Gütern, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Sharing trägt schließlich auch zur Reduzierung der Abfallmenge bei, da weniger Produkte kursieren, während der Anreiz, die vorhandenen zu reparieren bzw. deren Lebensdauer zu verlängern, größer wird. In seinem Report zur Share Economy bringt es der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf den Punkt: „Werden Räume, Autos, Maschinen etc. geteilt, getauscht oder verliehen, also vorhandene Ressourcen effizienter genutzt, so muss sowohl weniger produziert als auch weniger weggeworfen werden. Man spart demnach einiges an Material, Energie und Fläche“ (WD 2016: 10). Sharing ist nicht die einzige Maßnahme, die erforderlich ist, um die Entwick-
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lung der Menschheit nicht zu gefährden, denn notwendig ist z.B. auch eine Ernährungswende. Aber: Ohne das Sharing von Produkten dürfte dieses Ziel nicht erreicht werden. Sharing bzw. eine Share Economy ist folglich eine unverzichtbare Strategie, um die soziale und ökologische Dimension einer Nachhaltigen Entwicklung zu fördern. Nur mittels Sharing können Lebensqualität und materieller Wohlstand weltweit entweder gesteigert oder erhalten werden, indes gleichzeitig der ökologische Fußabdruck der Menschheit verringert werden kann (Tussyadiah 2015, Botsman & Rogers 2010, Walsh 2011).
1.5
Die Share Economy
Doch was ist die Share Economy? Sharing ist laut Russell Belk (2007: 126) „the act and process of distributing what is ours to others for their use and/or the act and process of receiving or taking something from others for our use“. Trotz dieser einleuchtenden Definition hat sich bislang noch kein einheitliches Verständnis darüber entwickelt, welche Angebote Teil der Share Economy sind und welche nicht und was genau darunter zu verstehen sei (Botsman 2013). Die bisherigen Angebote sind recht unterschiedlich und es besteht derzeit kein Konsens darüber, wo Sharing und die Share Economy anfangen oder auf hören und welche Angebote unter welchem Begriff zu subsumieren sind: Ungeklärt ist, ob unter dem Begriff „Sharing“ nur jene Angebote verstanden werden können, die profitorientiert sind oder nicht – ob also Angebote wie AirBnB Teil der Share Economy sind oder nicht. Derzeit gibt es ein Potpourri an Angebotsformen, die wahlweise mit Share Economy oder mit einem verwandten Begriff assoziiert werden (Acquier et al. 2016, Sundararajan 2016, Schor 2014). Auch wurde bislang kein Konsens darüber erzielt, wie die Share Economy genau zu definieren sei (Frenken & Schor 2017, Arnould & Rose 2016, Belk 2010) und das gelingt womöglich nie (Acquier et al. 2017). Selbst die Frage, ob die Share Economy eine Alternative zum Kapitalismus oder ihr Unterstützer ist, wird kontrovers diskutiert (Murillo et al. 2017, Schor et al. 2016, Richardson 2015). Für die vorliegende Arbeit sind solche Definitionen und Differenzen nicht relevant, weshalb hier mit einer „weiten“ Definition der Share Economy operiert werden kann: In einer Share Economy können physische Dinge oder immaterielle Produkte, d.h. geistiges Eigentum (z.B. Ideen, Dateien oder Quellcodes) gemeinschaftlich geteilt werden. Werden materielle Produkte geteilt, hat jeder einen temporären Zugang zu ihnen. Bei immateriellen Produkten kann der Zugang dagegen auch dauerhaft sein. Geteilt werden kann zwischen Produzenten (B2B) oder zwischen einem kommerziellen Anbieter und Konsumenten (B2P) oder Konsumenten (P2P). Während in vorindustriellen Gesellschaften lokale Austauschprozesse zwischen Konsumenten überwogen, waren es in Industriegesellschaften
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nationale und internationale B2P-Austauschprozesse. Charakteristisch für die Share Economy ist das Nutzen-statt-Besitzen-Prinzip. Typisch für die kapitalistische Konsumgesellschaft ist dagegen das Nutzen-durch-Besitzen-Prinzip. Das Nutzen-statt-Besitzen-Prinzip wurde bislang in der Regel nur auf öffentliche Güter wie Schwimmbäder, Parkbanken, den öffentlichen Nahverkehr oder Büchereien angewendet. In der Share Economy können dagegen auch alltägliche Dinge geteilt werden. Hinsichtlich geteilten geistigen Eigentums wird sogar gänzlich auf das Konzept „Eigentum“ verzichtet, und durch den gemeinsamen Nutzen bzw. durch Kooperation und Peer-Production ersetzt. Die Share Economy erhöht die Effizienz der geteilten Dinge, indem sie deren „Brachzeiten“ – Phasen in denen sie nicht genutzt werden – verkürzt. Durch digitale Plattformen, auf denen Dinge angeboten werden können, werden die Transaktionskosten des Teilens in manchen Fällen (z.B. Musik als Musikdatei) deutlich verringert (Grassmuck 2012, Botsman & Rogers 2010, Gansky 2010). Diese Verringerung tritt vor allem dann zutage, wenn das zu teilende Gut immateriell bereitgestellt werden kann, wie das zum Beispiel bei Audio- oder Videodateien der Fall ist (mehr dazu in den folgenden Absätzen). Das hat zur Folge, dass die Notwendigkeit des Besitzes einer CD oder DVD reduziert wird (Stephany 2015). Geteilt haben Menschen zwar schon in früheren Zeiten, doch hat die Share Economy einen neuen Aspekt: Zuvor wurde in der Regel mit Verwandten, Freunden, Stammes- oder Dorfangehörigen geteilt. Nun können und werden, vor allem ermöglicht durch das Internet, Dinge auch mit Fremden geteilt. „However, there is something new about the share economy, which one of us has called stranger sharing. Historically, although there are some exceptions, people tended not to share with strangers or those outside their social networks. Sharing was confined to trusted individuals such as family, friends and neighbours. Today’s sharing platforms facilitate sharing among people who do not know each other” (Frenken & Schor 2017: 4). Weil die Verbreitung des Internet in die Mitte der Gesellschaft eine notwendige Voraussetzung für eine f lorierende Share Economy ist, ist dieses Phänomen ein vergleichsweise junges. Das Buch What’s mine is yours von Botsman & Rogers hat folglich erst 2010 zum internationalen Bekanntwerden des Sharings beigetragen. Die durch das Buch zunächst ausgelöste Begeisterung für die Share Economy wurde in erheblichem Maße durch ihre erwarteten Nachhaltigkeitswirkungen getrieben: Nicht nur, dass Verbraucher günstigen Zugang zu Gütern bekommen würden, sie würden dadurch auch weniger abhängig vom Eigentum werden. Infolgedessen wurde angenommen, dass die Gesamtzahl der neu produzierten Güter abnehmen würde – und mit ihnen der Energie- und Ressourcenverbrauch ihrer Herstellung. Haben sich die ökologischen Erwartungen von Botsman & Rogers in den Folgejahren erfüllt? Nun, zunächst konnte sich die Share Economy vor allem in
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drei Bereichen etablieren (Frenken & Schor 2017, Verbraucherzentrale 2015): im Bereich Mobilität (vor allem als Car und Bike Sharing), bei Übernachtungen (als Couchsurfing oder über die Plattform Airbnb) sowie beim Streaming von Audiound Videodateien. Auffällig sind die Energie- und Materialeinsparungen beim Streamen, denn wer Songs oder Filme auf Online-Plattformen streamt, besitzt sie nicht, hat aber Zugang zu ihnen, ohne lange (Transport-)wege z.B. zum Kino auf sich nehmen zu müssen. Zuvor musste man sich in der Regel einen physischen Datenträger – eine Schallplatte, Kassette, CD oder DVD sowie ein Abspielgerät – kaufen, um regelmäßigen Zugang zu ausgewählten Songs oder Filmen zu haben. Das Streaming ermöglicht dagegen die kollektive Nutzung von Musik und Filmen und bietet überdies Zugang zu einer immensen Auswahl. Zudem zahlt man an den Streaminganbieter lediglich eine monatliche Nutzungsgebühr, die unter dem Preis einer einzelnen CD oder DVD liegt. Mit der Dematerialisierung von Musik und Filmen ging die Nachfrage nach Ton- und Filmträgern zurück – von 988 Millionen CDs und DVDs im Jahr 2005 auf 133,1 Millionen im Jahr 2016 (Statista 2017) – und mit ihnen die Nachfrage nach Maschinen zur Herstellung von CDs und DVDs, Zulieferern, Rohstoffverbrauch, Logistik und dem Energieverbrauch. Benötigt wurden nun weniger Kunststoff hüllen und Papier-Inlays, Erdöl, Aluminium und Energie, denn das Basismaterial einer jeder CD und DVD ist Polycarbonat, das wiederum aus Erdöl besteht (in jeder CD befinden sich ca. 30 Gramm Erdöl). Das Polycarbonat muss auf 320 Grad erhitzt und verf lüssigt werden, anschließend wird die Polycarbonatscheibe dünn mit Aluminium beschichtet. Die Herstellung von Aluminium ist sehr energieintensiv. Zwar benötigt das Streamen Strom, das Abspielen einer CD allerdings ebenfalls. Letztlich sind die Nettoeinsparungen beträchtlich. Resultierten Einsparungen durch das Sharing auch in der Tourismusund Mobilitätsindustrie, d.h. durch Carsharing oder Airbnb? Hinsichtlich Airbnb ist die Datenlage schlecht und es besteht auch kein Grund anzunehmen, dass sich die Energie- oder Ressourceneffizienz signifikant erhöht hat, wenn eine Person anstelle eines Hotelzimmers eine private Unterkunft bucht. Die bislang einzige systematische und von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Analyse der ökologischen Auswirkungen der Share Economy in der Tourismusbranche ergab, „that the current environmental impact of staying one night at a collaborative economy accommodation [untersucht wurden Airbnb und Peerby] is comparable to staying at a budget hotel. Staying for two nights at a peer-to-peer accommodation leads to a similar carbon footprint as staying for one night at a midscale hotel. The main factor behind the lower environmental impact of collaborative accommodation is the electricity use, which is higher for midscale and luxury hotels than for example a private residence or a budget hotel” (Rademaekers et al. 2018: 3). Ist die Unterbringung in einer privaten Unterkunft günstiger als in Pensionen oder Hotels, könnte überdies vermutet werden, dass
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der Anreiz zu verreisen größer wird. Dagegen spricht allerdings, dass auch Hotelzimmer in allen Preiskategorien angeboten werden, so dass der Preis kein Alleinstellungsmerkmal einer Übernachtungsvermittlungsplattform wie Airbnb ist. Interessanter ist dagegen das Carsharing und hier wurden in den letzten Jahren einige Studien durchgeführt, die in der Tat deutliche Effizienzgewinne aufgedeckt haben – so auch die jüngste Analyse der Europäischen Kommission (Rademaekers et al. 2018: 80-85). Da es sich bei einem Auto nicht um eine Dienstleistung, sondern um ein konsumierbares Produkt handelt, lassen sich die hier gewonnenen Ergebnisse auch besser auf das Teilen anderer Produkte übertragen. Zunächst kann man beim Carsharing zwischen direkter und indirekter Energieeffizienz unterscheiden. Die indirekte Energieeffizienz fällt dabei deutlich größer aus, doch sollen zunächst die direkten Einsparungen erwähnt werden: Empirische Ergebnisse deuten darauf hin, dass Carsharing-Mitglieder in den USA nach dem Beitritt zu einer Carsharing-Organisation ihren durchschnittlichen Energieverbrauch im Individualverkehr und ihre THG-Emissionen um ca. 51 Prozent senken. Chen & Kockelman (2016) nehmen an, dass Carsharing für etwa zehn Prozent aller US-Haushalte praktikabel ist. Auf die Makroebene (d.h. gesamte US-Gesellschaft) übertragen, betrüge die Einsparung dann etwa fünf Prozent bei allen verkehrsbedingten Energieverbräuchen und Treibhausgasemissionen in den USA. Diese Energie- und Emissionseinsparungen sind nach der Untersuchung in erster Linie auf die Verkehrsverlagerung (auf Rad und ÖV) und die Vermeidung von Fahrten zurückzuführen, gefolgt von Einsparungen bei der Parkraum-Infrastruktur und beim Kraftstoffverbrauch. Werden Rebound-Effekte berücksichtigt (unter der Annahme, dass Reisekosteneinsparungen dann für andere Güter und Dienstleistungen ausgegeben werden), sinken diese Einsparungen um 30 Prozent in jedem Carsharing-Haushalt. Ist eine 30-50 prozentige Energie- und Emissionseinsparung pro Car-Sharer schon bedeutend, fallen die indirekten Einsparungen weit höher aus: Zhou und Kockelman (2011) befragten im Jahr 2008 Haushalte in Austin (Texas) und stellten fest, dass 21 Prozent der Befragten erwarten, dass sie mindestens eines ihrer privaten Fahrzeuge aufgeben, wenn sie einer Carsharing-Organisation beigetreten sind. Eine landesweite Erhebung aus dem Jahr 2008 ergab, dass die US-Haushalte nach dem Carsharing ihren Gesamtbesitz an Fahrzeugen um 49 Prozent reduzierten, wobei der größte Teil dieser Verlagerung von Ein-Pkw-Haushalten zu NichtPkw-Haushalten erfolgte (Martin & Shaheen 2011). Martin et al. (2010) kamen zu dem Ergebnis, dass sich die kombinierte Wirkung von abgeschafften Fahrzeugen und vermiedener Neuanschaffung von Fahrzeugen auf jedes Carsharing-Fahrzeug so auswirkt, dass es neun bis 13 Privatfahrzeuge ersetzt. Ein Jahr nach der Einführung von PhillyCarShare in Philadelphia zeigte sich, dass jedes PhillyCarShare-Fahrzeug durchschnittlich 23 Pri-
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vatfahrzeuge ersetzt hat (Lane 2005). Andere nordamerikanische Studien haben geschätzt, dass ein Carsharing-Fahrzeug 15 private Fahrzeuge ersetzt (Stasko et al. 2013). Kann jedes geteilte Auto auch nur zehn private Autos ersetzen, dann nimmt der Energie- und Ressourcenaufwand um 90 Prozent und immerhin noch um 45 Prozent ab, wenn jeder zweite Haushalt Carsharing praktiziert. Da die Herstellung eines Autos (Mittelklassewagen) mit Verbrennungsmotor vor rd. zehn Jahren etwa 20.000 kWh Energie konsumierte (Volkswagen 2002: 27) und dies einem Äquivalent von 2.200 Litern Benzin entspricht, könnten, wenn der nationale Fuhrpark Deutschlands von derzeit ca. 44 Millionen Autos halbiert wird, umgerechnet 48,4 Milliarden Liter Benzin oder 440 Milliarden kWh Energie zur Herstellung dieses Fuhrparks (= „graue Energie“) eingespart werden. Mit der Einführung des Carsharings mit autonom fahrenden Fahrzeugen („Robo-Taxis“) in den 2020ern steht dieser indirekte Einspareffekt sehr wahrscheinlich auch bevor. Übertragen auf andere Produktkategorien lassen sich ähnliche Einsparpotenziale vermuten: Kann jeder kollektiv geteilte Bohrer oder Beamer zehn seiner Art ersetzen, dann lässt sich diese Rechnung auch auf andere Produkte übertragen – und daraus resultiert dann eine beträchtliche Energieeffizienzsteigerung – selbst wenn ca. 30 Prozent dieser Einsparungen durch einen Reboundeffekt kompensiert werden. Hinsichtlich eines gemeinschaftlich genutzten Bohrers gelangen Rademaekers et al. (2018: 4 f., 85-90) zum Ergebnis, dass dieser „significantly better on all environmental impact categories [analysiert wurden sage und schreibe 15 Umweltkategorien]” abschneidet als ein privater. Allerdings ist der Transport von hoher Bedeutung, denn es macht einen ökologischen Unterschied, ob man den Bohrer mit dem eigenen Auto, einem Fahrrad oder zu Fuß abholt und wieder abgibt. Natürlich schlägt die für die Herstellung von Bohrmaschinen, anderen Werkzeugen oder Haushaltsgeräten benötigte Energie nicht so zu Buche wie die beim Auto. Doch übersteigt die Anzahl dieser Produkte in den rund 40 Millionen Haushalten Deutschlands die Anzahl der privaten PKW bei weitem. Eine Studie, welche die Auswirkungen des privaten Konsums in 43 Ländern untersuchte (mehrheitlich Industrie- und Schwellenänder) gelangt zu dem Resultat, dass 65 Prozent der weltweiten Emissionen von CO2-Äquivalenten auf das Konto privater Haushalte gehen. Der kleinere Teil dieser Emissionen (18 Prozent) entsteht durch direkte Emissionen in Folge der Verbrennung fossiler Energieträger. Der weitaus größte Teil (82 Prozent) erfolgt durch indirekt verursachte Emissionen, die im Konsum von Services, Lebensmitteln und fabrizierten Produkten als graue Energie „eingelagert“ sind (Ivanova et al. 2015: 528-530). Als graue Energie wird jene Energiemenge bezeichnet, die für Rohstoffabbau, Herstellung, Transport, ggf. Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes
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benötigt wird (Brunner & Humm 2009). Die graue Energiemenge ist also die indirekte Energie, die für die Produktion eines Gebrauchsgegenstandes, d.h. vor dessen Nutzung, aufgewendet werden muss. Diese Energie wird vom Nutzer nicht wahrgenommen und grenzt sich vom direkten Energieverbrauch ab, der während der Nutzungsphase eines Produkts anfallen kann. Die graue Energie ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus gerückt, da der direkte Energieverbrauch bei der Nutzung von Produkten im Bereich Consumer Electronics und Gebäuden erheblich gesunken ist, wogegen ihr vorangegangener Verbrauch an grauer Energie deutlich gestiegen ist: Technische Innovationen, die zur Energieeffizienzsteigerung führen sollen, sind bislang fast immer mit einem gesteigerten Bedarf an grauer Energie einhergegangen, was Santarius (2012) als materiellen Reboundeffekt beschreibt. Dass die in den Produkten „versteckten“, grauen Energiemengen große Ausmaße annehmen können, belegt etwa die Feststellung, dass Österreichs Verbrauch fossiler Energie im Jahr 2010 um 44 Prozent höher gewesen wäre als in der Energiestatistik ausgewiesen, wenn die graue Energie mitberücksichtigt worden wäre (Streicher et al. 2010). Ähnliches kann für Deutschland angenommen werden: Laut statistischem Bundesamt ist der Einsatz grauer Energie in einem Haushalt größer als der Bedarf an direkter Betriebsenergie: So sind lediglich 40 Prozent des Energieverbrauchs von privaten Haushalten durch direkte Verwendung von Energie verursacht, während ca. 60 Prozent indirekt, zur Produktion der von Haushalten benutzten Gütern, benötigt werden (Schoer et al. 2006: 26). „In absoluten Zahlen bedeutet dies für Deutschland oder Österreich, dass bei einem Energie-Jahresgesamtbedarf von 48.000kWh /Ew.y (2004) die Graue Energie ca. 28.800 kWh (60%) ausmacht. Fast zwei Drittel des pro-Kopf Energiebedarfs wird somit für die Produktion (im In- und Ausland), Verteilung und Entsorgung von materiellen Gütern gebraucht. Gebrauchsgüter (Elektro- und Elektronikgeräte, Bekleidung, Sport- und Spielgerät, Möbel, Fahrzeuge usw.) haben dabei einen Anteil von rund 16%, das heißt, ca. 4.600kWh werden für die Herstellung von Gütern eingesetzt, die länger und mehrfach genutzt werden könn(t)en“ (Hübner 2014). Der Gesamtenergiebedarf einer Gesellschaft wird letztlich erst dann wirklich reduziert, wenn auch der graue Energieverbrauch abnimmt. Vor allem trifft dies vor dem Hintergrund zu, dass der Gesamtbestand konsumierter Güter zunimmt und damit auch die graue Energiemenge. Denn in wohlhabenden Ländern wie Deutschland nimmt die Anzahl derer zu, die in Ein-Personen-Haushalten wohnen: 1991 gab es in Deutschland etwa zwölf Millionen Single-Haushalte, 2016 waren es dagegen bereits rund 17 Millionen (Statista 2018b). Aus ökologischer Sicht ist das ein Problem, da die Energie- und Ressourceneffizienz ab- und der ökologische Fußabdruck zunimmt: In Mehrpersonenhaushalten (Familien oder Wohngemeinschaften) wird die Grundausstattung der Küche, des Bade- oder Wohnzimmers und selbst die beheizte Raumluft von zwei
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bis vier Personen genutzt, in Single-Haushalten muss jedes fabrizierte Produkt vom Waschbecken bis zur Waschmaschine für nur eine Person hergestellt und jedes Zimmer für ebenfalls nur eine Person beheizt werden. In Mehrpersonenhaushalten werden viele Produkte gemeinschaftlich, in Single-Haushalten dagegen individuell genutzt. In Studien zur Umwelteinwirkung des Konsums wird als Schlüsselvariable üblicherweise die Haushaltsgröße (d.h. die Anzahl der in einem Haushalt wohnenden Personen) genannt (Yates 2018, Tukker et al. 2010): Die Verringerung der durchschnittlichen Bewohnerzahl eines Haushaltes hat darum Auswirkungen auf die ökologische Nachhaltigkeit, da Größenvorteile verloren gehen. Denn Ressourcen werden besser geteilt, wenn Menschen zusammenleben. Tatsächlich ist dies aber nur die halbe Wahrheit, denn der ökologische Fußabdruck auch von Single-Haushalten würde sich verringern, würden ihre Bewohner Haushaltsgegenstände vermehrt mit haushaltsexternen Personen teilen. Freilich trifft dies auch auf Mehrpersonen-Haushalte zu, was wiederum die Bedeutung der gemeinschaftlichen Nutzung für die Verringerung der Umweltbelastung unterstreicht. Kollektive Nutzungsformen, und mit ihnen die Share Economy, sind folglich ebenfalls eine Schlüsselvariable für ökologisch nachhaltige Lebensstile. Damit stellt sich die Frage, ob und wenn ja wie das Sharing jenseits von Autos, Musik und Filmen auf weitere Produkte übertragen werden kann. Und diese Frage impliziert wiederum die Frage, warum dies bislang nicht der Fall gewesen ist.
1.6
Sharing und die Kultur des Eigentums
Zu allen Zeiten und in allen Kulturen teilten Menschen Dinge wie Waffen, Werkund Fahrzeuge miteinander, weil die Menschen arm und die Dinge rar waren. Die Ansammlung von Besitz war, zumal im christlichen Kulturkreis, zudem verpönt. Seit dem 18. Jahrhundert änderte sich dies jedoch zunehmend, bis nicht mehr die gemeinsame Nutzung von Dingen, sondern deren exklusiver Erwerb die neue Selbstverständlichkeit wurde. Es entwickelte sich eine bis heute dominante Ökonomie, in der Dinge nicht oder kaum miteinander geteilt wurden und werden. Dieser Wandel resultierte aus einem kulturellen und einem technologischen Wandel, die den Wert von individualistischem Eigentum gesteigert und die Akkumulation von Eigentum ermöglicht haben. Moderne Denker wie Locke, Hobbes, Rousseau, Paine, Hume oder Kant haben individualistisches Eigentum natur-, menschen- oder vernunftrechtlich begründet (Brandt 1974). Auf Grundlage dieser neuen Legitimation wurde individualistisches Eigentum in modernen Gesellschaften fortan ein durch die Verfassung geschütztes Recht und später von Dingen auf geistiges Eigentum ausgeweitet. Als Gegenkonzept hat sich nach der Oktoberrevolution von 1917 in realsozialistischen Gesellschaften der Vorrang des kollektiven vor dem individualistischen
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Eigentum entwickelt. Allerdings war dieses Gegenkonzept zum einen erzwungen und beschränkte sich zum anderen primär auf Produktionsgüter wie Maschinen. Außerhalb von Fabriken oder Kolchosen hatte privates Eigentum auch im Sozialismus einen hohen Stellenwert. Warum erhielt das individualistische Eigentum einen so hohen Rang in der Moderne? Warum wurde und wird es als schützenswert und unantastbar angesehen? Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich gedanklich in die Vormoderne zurückbegeben: In den vom Feudalismus geprägten mittelalterlichen Gesellschaften gab es kein rechtlich verbürgtes Eigentum. Die meisten Menschen lebten als Bauern, waren arm, hatten wenig Besitz und was sie hatten, hatten sie nicht als Privateigentum, über das sie nach Belieben frei verfügen konnten. Sie lebten auf Land, das nicht ihnen gehörte, sondern ihrem Lehnsherrn. Aber selbst für diesen war das Land kein Objekt zur freien Verfügung. Er konnte sich die landwirtschaftlichen Erträge nicht gänzlich, sondern nur zu einem Teil aneignen, er hatte nicht das Recht, die Bauern seines Landes zu vertreiben. „Der Begriff ´Privateigentümer´ ist im Mittelalter, strenggenommen, weder auf die Herren noch auf die Vasallen anwendbar“ (Gurjewitsch 1978: 289). Es war ein tiefgehender kultureller Wandel erforderlich, der zur Herausbildung von Kauf leuten führte, die nach Profit für sich, nicht für ihren Fürsten, strebten und danach trachteten, ihren Besitz zu vermehren und ihn zu demonstrieren. Die kirchliche Lehre sah darin ein Laster, zumal das eigennützige Streben nach weltlichem Besitz weder tugendhaft noch gottgefällig war und den Zusammenhalt der Gesellschaft überdies gefährdete. Erst Mandevilles Bienenfabel wendete 1714 die Bedeutung von Eigentum und dem Wunsch selbiges eigennützig zu akkumulieren ins Gegenteil und leitete ein Umdenken ein: Fortschritt und Prosperität der Gesellschaft seien, so Mandeville, nur durch das Streben nach Besitz, Luxus und Verschwendung möglich. Nur dann könnten Handwerk und Handel auf blühen, würden Arbeitsplätze geschaffen und das volkswirtschaftliche Einkommen gemehrt (Mandeville 1968). Der öffentliche Nutzen, so die Botschaft, werde durch das egoistische Streben nach Vermögen und Besitz gesteigert. Diese Botschaft wurde sehr einf lussreich. Adam Smith griff sie beispielsweise in seiner Metapher von der unsichtbaren Hand auf. Mit der Marginalisierung des klerikalen Einf lusses durch die sich simultan ereignende Auf klärung verlor zudem die größte damalige oppositionelle Ansicht dieser Lehre zunehmend an Bedeutung. War die mittelalterliche Gesellschaft noch kollektivistisch geprägt, setzte sich mit Renaissance und Auf klärung der Individualismus und mit ihm die Aufwertung des Eigentums durch. Der historisch beispiellose ökonomische Erfolg dieser kulturellen Transformation vom Kollektiven zum Individuum und von Besitzlosigkeit zu Besitz bestätigte Mandeville in den nachfolgenden Jahrhunderten zweifelsfrei. Der historische, ebenfalls beispiellose Niedergang des globalen Ökosystems in dieser Zeit deckte jedoch die Schattenseite dieser Entwicklung auf. Es
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zeigt sich heute, dass Eigentum einerseits eine bewahrenswerte Errungenschaft ist, andererseits aber ein Problem, das zunehmend offensichtlicher wird, je mehr Menschen mehr Eigentum akkumulieren: „Privateigentum ist zunächst zweierlei, eine kulturelle Errungenschaft und ein Problem. Für eine alternative Wirtschaftsordnung folgt daraus ebenfalls zweierlei: Während die Errungenschaft erhalten bleiben soll, sollte das Problem möglichst verkleinert werden. Warum ist Eigentum eine Errungenschaft? Es stiftet Individualität […]. Es ordnet Dinge einem Besitzer zu und diesem darf man das Eigentum nicht gegen seinen Willen beschädigen oder entwenden. Das rechtlich geschützte Eigentum spendet Sicherheit und die Freiheit, innerhalb des gesetzlichen Rahmens beliebig über das Seine verfügen zu können. In vormodernen Zeiten gehörte einem dagegen etwas nur so lange, bis jemand Stärkeres kam und es an sich riss. Eigentum verhält sich damit wie das Rohe zum Gekochten – es macht einen Unterschied zwischen der Wildnis und der Zivilisation. Warum ist Eigentum ein Problem? Die Bedeutung von Privatbesitz besteht auch darin, einen exklusiven Zugang zu einer Ware zu haben und folglich jederzeit und nach Belieben über sie verfügen kann. Das schließt die Teilhabe anderer aus. […] Damit ist der Privatbesitz […] eine künstliche Begrenzung bzw. Verknappung von Zugangsrechten, was dazu führt, dass ein bestimmtes Produkt von einer Person oder einem Haushalt genutzt wird und sich die Anzahl dieser genutzten Produkte um die Zahl der Personen bzw. Haushalte erhöht“ (Stengel 2016: 50 f.). Zu Mandevilles Lebtagen im 18. Jahrhundert lebten nicht einmal eine Milliarde Menschen auf der Erde und von diesen gehörten rund 90 Prozent der ökonomischen Unterschicht an. Im noch frühen 21. Jahrhundert, um 2020, leben dagegen 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde und von diesen gehören „nur“ zwei bis drei Milliarden Menschen, also weniger als 50 Prozent der ökonomischen Unterschicht an (Kharas 2017). Möglich machte diese Verschiebung eine technologische Entwicklung, infolge derer Dinge durch Massenproduktion so oft und so günstig wie nie zuvor hergestellt werden konnten. Kulturell wurde Eigentum in der Moderne also durch die Auf klärung aufgewertet und technologisch durch die Industrialisierung ermöglicht. Das Ergebnis dieses Zusammenspiels war eine wahre Flut von Waren: Sein umfangreiches Buch über die Geschichte des Konsums beginnt der Historiker Trentmann denn auch mit der Diagnose, wir „sind von Dingen umgeben. In den Garagen von Los Angeles stehen häufig keine Autos mehr, sondern Unmengen von Aufbewahrungskartons. In Großbritannien gab es 2013 sechs Milliarden Kleidungsstücke, rund einhundert pro Erwachsenem; ein Viertel von ihnen verlässt nie den Kleiderschrank. Ein Deutscher nennt im Durchschnitt zehntausend Gegenstände sein Eigen.
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Natürlich besaßen die Menschen schon immer Dinge, und sie benutzten sie nicht nur zum Überleben, sondern auch für Rituale, zum Vorzeigen und zu ihrem Vergnügen. Aber die Besitztümer die sich in einem vormodernen Dorf oder bei indigenen Gruppen finden, verblassen neben dem wachsenden Berg von Dingen in hochentwickelten Gesellschaften wie unseren“ (Trentmann 2017: 11). Der durchschnittliche Privathaushalt ist ein Spiegelbild der Konsumgesellschaft. Noch nie hatten so viele Menschen so viel. Gegen Ende seines Buches schreibt Trentmann: „In den Vereinigten Staaten enthielt die typische große Küche im Jahr 2004 nicht weniger als 330 verschiedene und insgesamt 1.019 Gegenstände, und sogar in einer kleinen Küche gab es insgesamt 655 Gegenstände. Das waren dreimal mehr als im Jahr 1948. Waffeleisen, Mixer, Grapefruitlöffel und Espressotassen konkurrieren um Platz. Hängeschränke und Schubladen werden immer größer. In der Wohnküche […] wird Platz für Kochbücher und Spezialausrüstung gebraucht, selbst wenn diese Hilfsmittel nur selten genutzt werden“ (Trentmann 2017: 908 f.). In Gesellschaften, in denen die meisten Menschen die meiste Zeit in der Geschichte arm waren und zu wenig Dinge besaßen, um ihr Leben angenehmer zu machen, ist dieser Konsumhunger nachvollziehbar. Nun aber droht das Leben der meisten Menschen unangenehm zu werden, weil sie zu viele Dinge besitzen. Der Energie- und Ressourcenverbrauch jener, die Teil der globalen Konsumentenklasse sind, ist so sehr angewachsen, dass die ökologische Tragfähigkeit des Planeten überlastet ist: Um ihren Lebensstil dauerhaft aufrechterhalten zu können, benötigte die Menschheit 2016 bereits 1,5 Planeten und um das Jahr 2030 werden es bei anhaltender ökonomischer Entwicklung sogar zwei Planeten sein (WWF et al. 2016). Zur Jahresmitte wären dann z.B. alle erneuerbaren Ressourcen verbraucht, welche die Ökosysteme auf natürliche Weise binnen eines ganzen Jahres regenerieren können. Es liegt nahe anzunehmen, dass dies nicht lange Zeit gut gehen kann und das öffentliche Wohlergehen gefährdet ist. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, dass gegenwärtig zwei Milliarden Menschen zu wenig für ein gutes Leben besitzen, ihr Energie- und Ressourcenkonsum folglich dringend steigen müsste. Doch geht das freilich nur, wenn sich in den Konsumgesellschaften etwas Grundlegendes verändert. Die Share Economy weist einen Weg aus diesem Dilemma. Wurden Dinge in vergangenen Zeit aus materieller Not und wegen des Imperativs geteilt, miteinander kooperieren zu müssen, um in der übermächtigen Natur überleben zu können, sollten Dinge fortan miteinander geteilt werden, weil der materielle Lebensstandard zu hoch geworden ist und ein ökologischer Imperativ aus der Tatsache erwächst, dass Natur nicht mehr übermächtig ist, sondern in Artefakte der Technosphäre umgewandelt wurde. Solche Artefakte umfassen alle von Menschen gemachten Dinge vom Bleistift bis zum Wolkenkratzer. Sie eint, dass sie aus
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Materialien entstanden sind, die aus der Biosphäre oder Lithosphäre gewonnen wurden. Die Vielfalt der Technosphäre ist erstaunlich und könnte über eine Milliarde verschiedener Artikel umfassen – weit mehr als die Vielfalt der Arten in der Biosphäre, deren Artenreichtum auf ca. zehn Millionen Spezies geschätzt wird (Zalasiewicz 2016). Diese große Transformation von Biosphäre in Technosphäre wirkt sich existenziell auf den Planeten Erde aus und ruft zu einem Umdenken auf: Consumption as usual erscheint nicht nur zunehmend unangemessener, sondern geradezu bedrohlich zu werden. Es bildet sich allmählich ein Konsens darüber, dass das individuelle Konsumverhalten eine entscheidende Rolle spielt, wenn Ziele der Nachhaltigen Entwicklung erreicht werden sollen (Barth et al. 2012). Die Share Economy kann einen Beitrag zu einer Nachhaltigen Entwicklung liefern, denn sie bietet eine Alternative zur hergebrachten Konsumpraxis (Zamani et al. 2017, Belk 2014, Norden 2017, Piscicelli et al. 2014). Sie stellt sich nicht gegen die Errungenschaft des individuellen Eigentums, aber sie stellt ihr eine alternative gemeinschaftliche Nutzungsform gegenüber, die sich nicht auf Produktionsgüter beschränkt. Der Share Economy geht es vielmehr um die Beendigung des alternativlosen Zwangs, ein Gebrauchsgegenstand kaufen und besitzen zu müssen, um ihn nutzen zu können. Auch Trentmann erwähnt die Share Economy am Ende seiner Konsumgeschichte als neue Entwicklung und möglicherweise Vorzeichen „der Endphase der Herrschaft der Dinge. […] Die Frage ist jedoch, ob solche Initiativen Teil einer umfassenderen Entwicklung sind und sich weit genug verbreiten werden, um das Ausmaß der Herrschaft der Dinge und deren Hinterlassenschaft zu verringern“ (Trentmann 2017: 919). Die Frage, ob und wie diese Entwicklung umfassender werden kann, ist die eigentliche Frage dieser Arbeit. Der Exkurs in die Vergangenheit machte jedenfalls deutlich, dass ein kultureller und technologischer Wandel für die Etablierung eines neuen und heute weltweit geltenden Standards erforderlich war: Eigentum musste zunächst kulturell legitim und dann – über Massenproduktion und Preisverfall – technologisch ermöglicht werden. Daraus folgt, dass ein Wandel zur Share Economy ebenfalls zwei Transformationsprozesse voraussetzt – einen technologischen und einen kulturellen. Der technologische hat bereits eingesetzt: Erst ein großes Netzwerk an Computern und daraus resultierenden Online-Plattformen ermöglichte die Entstehung der Share Economy. Notwendig ist jedoch auch ein kultureller Wandel. Ernest Gellner (1990: 13) definierte Kultur einst „als Systeme von Vorstellungen und Überzeugungen [...], an denen sich Denken und Verhalten orientieren.“ Eine Funktion von Kultur besteht demnach in der Bereitstellung von Legitimationen für kollektive Praktiken. Das christliche Weltbild begründete, warum die Anhäufung von Privatbesitz als un-
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sittlich galt, das nachfolgende individualistische und säkulare Weltbild begründete, warum Privatbesitz und dessen Anhäufung erstrebenswert ist: Er ist elementar für ein gutes Leben, denn er mehrt das individuelle wie gesellschaftliche Wohlergehen. Ein neuerlicher kultureller Wandel in Bezug auf Besitz und Konsum müsste jene Überzeugungen in Frage stellen, durch die Eigentum einst aufgewertet wurde. Und tatsächlich wird zwar nicht Eigentum an sich, aber das Nutzen-durch-Besitzen-Konzept im globalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskurs in Frage gestellt (vgl. Sikorska & Grozelj 2015, Gsell et al. 2015): Nutzen durch Besitzen belastet Ökosysteme und Ökosystemleistungen und bedroht das gute Leben. Nutzen statt Besitzen kann ein gutes Leben indes dauerhaft ermöglichen. Im Fall des Internet scheint überdies ein technologischer Wandel einen kulturellen zu fördern, auf dem es obendrein selbst basiert: Nicholas John (2017) prognostiziert ein „Age of Sharing“ und er macht eine kulturelle Veränderung dafür ursächlich. Diese wiederum resultiert aus einer technologischen Innovation und hat mit dem Auf bau und der Nutzung des Internet zu tun. Der Aufstieg des Internet steht seinerseits mit dem Teilen von Informationen in Verbindung – genauer gesagt mit Open Source-Kooperationen. „The open source software movement“, so Thompson im Wired-Magazine, „has been crucial to the Cambrian explosion of the Web economy. […] Open source software gave birth to the Internet age, making everyone – even those who donated their labor – better off“ (Thompson 2008: 167). Die gesamte Entstehungsgeschichte des Internet und World Wide Web ist eine der Kooperation und neuer Kooperationsformen, wie die Dezentralisierung, die Open Source-Bewegung, Napster, Linux, Wikipedia, Thingiverse, Peer-Production oder Crowd Funding belegen und steht der kommerziellen, konkurrenzorientierten Wirtschaftsweise des Kapitalismus als Gegenkultur gegenüber. „Since its inception, the internet has been culturally and discursively associated with collaboration, cooperation, connectivity and community” (John 2017: 45, vgl. 44-68). Dazu teilen Menschen weltweit über das Internet auf Social Media-Plattformen beispielsweise Erlebnisse, Ideen, Gefühle, Bilder, Videos, Musik u.a. miteinander – d.h. Informationen, die man zuvor nur mit seinen unmittelbaren Freunden geteilt hat. Dieser kulturelle Wandel gehe, so John, mit dessen ökonomischem Pendant einher und stütze die Ausbreitung der Share Economy. Die digitale Kultur des Teilens immaterieller „Dinge“ könnte folglich eine Ökonomie des Teilens auch materieller Dinge befördern. Hinweise dafür gibt es: Die Studie „Share Economy. The New Business-Model“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC basiert auf einer repräsentativen Befragung von 4.500 Konsumenten in Belgien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, der Türkei und Deutschland im Spätsommer 2017. Demnach vertraten 63 Prozent der Befragten die Einschätzung, die Share Economy sei kein Kurzzeittrend. Und: „Across all countries
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there is also a consensus that Share Economy is closely linked to societal and economic changes“ (PwC 2018: 16). Dabei verhält sich die Share Economy zur gegebenen Wirtschaftsweise einmal unterstützend, da Social Media-Plattformen wie Facebook durch die Analyse und den Verkauf der geteilten Daten sehr vermögend werden; zum anderen aber auch subversiv, denn „the more you share actual stuff with others, the less everyone needs to buy“ (John 2017: 2). So gesehen hat die Share Economy, die ihrerseits ohne Internet nicht denkbar wäre, durchaus das Potenzial, die sich um 1950 in den klassischen Industrienationen entfaltende Konsumgesellschaft zu disruptieren. Hinzu kommt, dass die Akzeptanz des Teilens und der Share Economy international hoch ist, wie gleich mehrere Umfragen belegen, auf die in wenigen Seiten eingegangen wird. Wie es scheint, erwächst gegenwärtig tatsächlich eine neue Kultur des Teilens. Verbreitet sie sich weiter, entsteht ein neues Phänomen: Geteilt werden Dinge dann auch, weil es schlicht normal wird, Dinge zu teilen. Eine gesellschaftliche Konvention hat sich dann verschoben. Lange Zeit war es üblich, andere von der Nutzung einer Sache auszuschließen, nun werden viele Sachen gemeinschaftlich genutzt. War die eine kollektive Praxis lange Zeit selbstverständlich und wurde nicht hinterfragt, könnte es bald das Sharen sein, das nicht mehr hinterfragt wird. Wie sich in diesem Buch jedoch zeigen wird, handelt es sich bei den kulturellen und technologischen Transformationsprozessen um notwendige, nicht aber hinreichende Bedingungen für eine Verschiebung vom Eigentum zum Teilen. Eine weitere Bedingung muss gegeben sein: der richtige Service. Er entscheidet mit, ob Personen das Teilen als Alternative im Alltag dauerhaft übernehmen möchten oder können. Dazu muss der Service des Teilens attraktiv gestaltet und möglichst einfach in bestehende Alltagsabläufe integriert werden können. Außerdem darf nicht unterschlagen werden, dass sich gegenwärtig zwei Kulturen der Share Economy gegenüberstehen. Teilen kann man aus der ökologischen Absicht, den kollektiven Ressourcenverbrauch zu reduzieren, um Ökosysteme zu entlasten. Teilen kann man aber auch aus ökonomischer Absicht. Dann geht es nicht darum, die Umwelt zu entlasten oder jemanden altruistisch zu helfen, sondern einen Service für andere bereitzustellen, um damit Geld zu verdienen (Sundararajan 2016). Umgekehrt kann es für Verbraucher schlicht darum gehen, Geld zu sparen. Stehen beim Anbieter soziale oder ökologische Motive im Vordergrund, ist Sharing meist nicht profitorientiert; stehen dagegen ökonomische Erwägungen im Vordergrund ist Sharing meist ForProfit ausgerichtet. Die Unterscheidung zwischen For- und Non-Profit zeigt an, dass die Share Economy von zwei Wertesystemen bzw. Kulturen geprägt ist. So differenzierte Russell Belk (2014) das „wahre“, nichtkommerzielle Teilen von dem, was er „kollaborativen Konsum“ nennt, der darauf ausgerichtet ist, Gegenstände kommerziell gegen eine Gebühr verfügbar zu machen.
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Die Share Economy besteht einerseits aus einer tendenziell profitorientierten Strömung, in der Menschen Geld verdienen, indem sie einen Vermögenswert besitzen (z.B. eine Wohnung in einer attraktiven Stadt, in der sie ein Zimmer vermieten können). In dieser Strömung wird der hergebrachte „Geist des Kapitalismus“ (Weber 1991), d.h. ein aus dem Kapitalismus hervorgegangenes Wertesystem, mit neuen technologischen Möglichkeiten verbunden. In Peer-to-Peer-Austauschprozessen werden folglich primär marktbasierte Transaktionen gesehen (Sundararajan 2016) und der Kapitalismus, der zuvor auf B2P- und B2B-Transaktionen ausgerichtet wird, wird nun um P2P-Transaktionen erweitert. Ein Kulturwandel hat bei dieser Variante der Share Economy nicht stattgefunden. Es f ließt vielmehr alter Wein in neuen Schläuchen. Die Share Economy besteht zweitens aber auch aus jener Strömung, die das „Caring“ betont. Die Fürsorge kann eine soziale Dimension haben und sich auf andere beziehen. Sie kann aber auch eine ökologische Dimension haben und sich auf anderes (die Umwelt) beziehen. Durch das Hervorheben der Fürsorge verbindet sich ein eher postkapitalistisches Wertesystem mit einer neuen Technologie. Dieser „neue Geist” beinhaltet „openness, honesty, mutuality, equality, trust and more“ wie Transparenz (John 2017: 147). Diese Gegenkultur „strive to replace the functional, cold and impersonal relations engendered by capitalism with ties of trust and a sense of community and authenticity“ (ibid: 148). P2P-Austauschprozesse werden in der gegenkulturellen Caring-Variante als Transaktionen interpretiert, mit denen Individuen einander ohne primäre kommerzielle Interessen unterstützen. In dieser Variante der Share Economy hat sich ein Kulturwandel vollzogen. Dinge werden jedoch in beiden Varianten gemeinschaftlich genutzt – und der Umwelt ist es letztlich egal, aus welchen Gründen (People, Planet oder Profit) sie entlastet wird. Nach der in europäischen Ländern und der Türkei durchgeführten Umfrage zu Share Economy gilt, dass die „users of Share Economy across all countries follow not so much the basic idea of unselfish sharing and instead aim to maximize their personal benefit. Besides the personal advantages users also demonstrate a higher orientation towards environmental aspects. 75% believe that Share Economy is better for the environment especially by reduced waste of material (80%)” (PwC 2018: 14). Auch Städte greifen das Phänomen auf. Das Konzept der „Sharing City” kombiniert die Vorteile der Share Economy bzw. des kollaborativen Konsums mit urbaner Entwicklung und Gemeinschaftsbildung. Anders ausgedrückt kann eine Sharing City „create a sense of community among strangers, which helps to facilitate trust and social inclusion. From an environmental perspective, sharing can reduce overall use of resources” (WEF 2017: 8). Bibliotheken der Dinge – und um
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diese geht es vorranging in dieser Arbeit – lassen sich in die Leitidee einer Sharing City ebenso integrieren wie in die Leitidee einer Smart City oder Sustainable City, da eine Bibliothek der Dinge digital genutzt werden kann und überdies dazu beiträgt, Dinge smarter, effizienter oder ressourcenintelligenter zu nutzen. Obendrein steht eine Bibliothek der Dinge für die Caring-Variante der Share Economy, die jedoch auch ökonomische Motive anspricht, da man dank ihrer Geld sparen kann. Und nicht zuletzt verheißt sie jene Hürde überwinden zu können, wegen der die Share Economy bislang keine Alternative zur Konsumgesellschaft werden konnte.
1.7
Die Kluft zwischen der Kultur und der Praxis des Teilens „Everything made sense except that nobody gives a shit. They go buy [a drill]. Or they just bang a screwdriver through the wall.“ (Adam Berk, Founder of Neighborrow, in: Kessler 2015)
Der Historiker Paul Nolte vergleicht die neuzeitliche Verschiebung von der kollektiven Nutzung vieler Dinge zum individuellen Besitz mit der „Vertreibung aus dem Paradies: Das ist die mythische Ursituation des Konflikts zwischen öffentlichem und privatem Nutzen. Als sie vom Baume der Erkenntnis aßen, mussten Adam und Eva schmerzhaft erfahren, dass die allgemeinen Leistungen des Gartens Eden für sie nicht mehr zur Verfügung standen. An die Stelle eines allgemeinen Nutzens an kollektivierten Gütern trat das Privateigentum, an die Stelle der […] Inanspruchnahme von Früchten das harte Ringen um jedes einzelne Produkt des Bodens, das die eigene Subsistenz, stets in Konkurrenz zu derjenigen der Nachbarn, sichern half“ (Nolte 2006: 83). Einerseits ist der Bezug auf das Paradies unpassend, denn die Menschen früherer Zeiten teilten Dinge oft notgedrungen miteinander. Andererseits ist er angemessen, denn nunmehr mussten die Menschen arbeiten, um sich individuell leisten zu können, was zuvor gemeinschaftlich hervorgebracht und geteilt wurde. Fortan galt, wer nicht arbeitet soll kein Brot essen und keine Dinge erwerben und nutzen können. Jene, die trotz harter und langer Arbeit wenig verdienten, wurden nunmehr von der Nutzung vieler Güter schlicht exkludiert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Umfragen – nationale wie internationale – zeigen, dass die Bereitschaft zur gemeinschaftlichen Nutzung von Gegenständen hoch ist. So waren laut einer Studie von Nielsen zum Zeitpunkt der Befragung 68 Prozent der weltweit Beteiligten (30.000 Befragte aus 60 Ländern – alle Teilnehmer hatten Zugang zum Internet) bereit, ihr persönliches Eigentum gegen Gebühr zu vermieten oder zu teilen. Fast genauso viele Befragte waren bereit, Produkte oder Services von anderen im Rahmen
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einer Share Community zu nutzen. Bevorzugt geteilt wurden elektronische Produkte, Unterricht u.a. Dienstleistungen sowie Werkzeuge (Nielsen 2014). In der Auswertung der internationalen PwC-Studie zur Share Economy heißt es: „Indeed all consumers are excited about the personal benefits of participating in the sharing economy. […] Young People in particular pay higher attention to an improved quality of life instead of accumulating wealth and material property as status symbols. For them it is more important to live intensively by using resources effectively than only to work instead of experience merely to chase values. Owing things is perceived as emotional baggage that keeps you from living – sharing means being free to do whatever you want“ (PwC 2018: 9). Die Bereitschaft zum Sharen ist auch bei Verbrauchern in Deutschland sehr ausgeprägt, wie eine weitere Studie belegte (1.009 Befragte ab 18 Jahren, Telefonbefragung): rund zwei Drittel konnten sich zum Zeitpunkt der Befragung vorstellen, von Sharing-Diensten Gebrauch zu machen (Verbraucherzentrale 2015). Einer 2016 durchgeführten repräsentativen Umfrage unter 1.000 erwachsenen Deutschen ergab, dass etwa ein Drittel der Befragten in Zukunft generell weniger Dinge kaufen würden, wenn es eine so genannte Pay-per-Use-Alternative gäbe (d.h. das Leihen je nach Bedarf gegen eine einmalige Gebühr). 20 Prozent behaupteten in der Befragung sogar, überhaupt keine Produkte mehr kaufen zu wollen, wenn es dauerhaft die Option der punktuellen Nutzung gegen Bezahlung gäbe (Hajek 2016). Diese Werte decken sich einerseits mit den Ergebnissen der von Nielsen durchgeführten globalen Umfrage und zudem konnte belegt werden, dass sich 30 - 50 Prozent der Befragten, je nach Altersgruppe, sogar vorstellen konnten, SharingAngebote zu nutzen und zugleich das eigene Eigentum zu reduzieren (repräsentative Umfrage vom BMBF 2016). Diese Aussage wird durch eine weitere Befragung von 3.000 US-Bürgern und 130 Führungskräften des öffentlichen Dienstes gestützt, die herausfand, dass zwei Drittel der Befragten annahmen, Sharing könne zu einer gleich hohen Nutzerzufriedenheit führen wie der Besitz (Accenture 2016). Welches sind die Gründe der Verbraucher für diese hohe Bereitschaft zum Teilen? Generell wird der niedrige Preis als wichtigster Faktor genannt (Balck & Cracau 2015, Finley 2013, Loose 2010). Dabei ist zwischen Produkten mit hohem Anschaffungspreis (die eher geliehen werden) und billigeren Produkten (die eher gekauft werden) zu unterscheiden (Scholl et al. 2010). Diese Unterscheidung trifft auch auf individualisierbare Produkte (sie werden eher gekauft) sowie standardisierte Produkte (sie werden eher geliehen) zu (Scholl et al. 2010). Zudem ist es für Nutzer wichtig, dass durch das Leihen der eigene Bestand an „Eigentum“ und die damit einhergehende Verantwortung reduziert werden kann (Balck & Cracau 2015). So meinten in einer Umfrage fast 35 Prozent der befragten Deutschen, dass
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Eigentum eine „echte Bürde“ sein könne, wenn Verpf lichtungen (z.B. Reparatur, Wartung) damit verbunden seien (Hajek 2016). In der Tourismusbranche ist die gewonnene Flexibilität ein Treiber für das Nutzen der Angebote (Finley 2013, Bardhi & Eckhardt 2012) sowie die Zeitersparnis, die z.B. Mobilitätsangebote mit sich bringen (Pick & Haase 2015, Steene & Holte 2014). Ein weiterer, sozialer Aspekt ist die wachsende Sehnsucht nach Gemeinschaft, eine zunehmende Tendenz zur Nachhaltigkeit und die steigende Bevölkerungsdichte (Owyang 2013). Zusammenfassend kommen alle oben aufgeführten Studien zur gleichen Aussage wie Bellotti et al. (2015), die in einer Metastudie darlegen, dass Nutzer ökonomischer motiviert sind als Anbieter, dass Anbieter auch aus altruistischen und gemeinschaftsorientierten Gründen an der Share Economy teilnehmen. Wie jedoch bereits erwähnt, ist es der Umwelt gleichgültig, aus welchen Motiven geteilt und Ressourcen eingespart werden. Gleichwohl konnte die Share Economy bislang nur in wenigen Branchen Fuß fassen. Es stellt sich also die Frage, wie jenes Paradoxon erklärt werden kann, das eine hohe Akzeptanz, aber eine vergleichsweise geringe Praxis des Sharens in sich vereint (Hamari et al. 2015: 1, 9; Sudbury-Riley & Kohlbacher 2015: 2f.). Es muss Faktoren geben, welche die Bereitschaft der Menschen zum Sharen daran hindern, sich im Alltag zu verwirklichen. Umfragen belegen diese Diskrepanz zwischen der Bereitschaft und der tatsächlichen Praxis des Teilens: Eine Umfrage im Auftrag von ING-DiBa in 13 europäischen Ländern (12.800 Befragte, ca. 1.000 Befragte je Land) ergab, dass sich im Durchschnitt 35 Prozent der Befragten vorstellen können, diverse Alltagsgüter auszuleihen. In die Tat umgesetzt haben das in den letzten zwölf Monaten aber nur gut 4 Prozent der Befragten (ING-Diba 2015). In Deutschland geben 63 Prozent der Befragten an, dass Sharing-Angebote für die Mehrheit der Bevölkerung wenig attraktiv sind (BMBF 2016). In der Schweiz haben nach einer Umfrage von Deloitte 55 Prozent der Befragten ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Share Economy bekundet. Sharing-Angebote wahrgenommen haben indes nur 18 Prozent der Befragten. Für die USA wurden ähnliche Zahlen ermittelt: 45 Prozent der Befragten möchten an der Share Economy teilnehmen, nur 21 Prozent haben dies bereits getan. Befragt wurden in beiden Ländern 1.400 Personen (Deloitte 2015: 8). In der bereits erwähnten 2017 durchgeführten PwC-Umfrage waren zwar nahezu alle Befragten von den Vorzügen des Sharings überzeugt, aber nur 44 Prozent (in Deutschland 39 Prozent) nutzten mindestens eines der Angebote im abgelaufenen Jahr – und dies mehrheitlich im Bereich Medien und Unterhaltung (PwC 2018: 9, 18). Wenngleich die Zahlen im Einzelnen divergieren, trifft in jedem Fall die Aussage zu, dass diesen Umfragen zufolge viele Menschen dazu bereit sind, Dinge mit anderen zu teilen, dennoch tun sie es in der alltäglichen Praxis vergleichsweise selten – ausgenommen Audio- und Video-Dateien, Autos, Fahrräder und
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Wohnungen. Es besteht international offensichtlich eine Kluft zwischen der Bereitschaft zu Teilen und der Praxis des Teilens. Doch was ist die Ursache dafür? Wenn die Akzeptanz einer Share Economy und die prinzipielle Bereitschaft Dinge miteinander zu teilen hoch ist, in der Praxis aber nur vergleichsweise wenig Dinge geteilt werden, dann folgt daraus, dass die bestehenden Sharing-Angebote den potenziellen Nutzern zu hohe Kosten z.B. in Form von Zeit- oder Organisationsaufwand auf bürden und damit alltagsunpraktisch sind. So interessieren sich in Deutschland nur 14 Prozent der Befragten für Teil- oder Tauschplattformen, nur neun Prozent waren dort vor wenigen Jahren noch aktiv (GfK 2015). Auch Kessler stellt fest, dass „most of these platforms soon discovered a discomforting incongruity between enthusiasm for the concept and actual use“ (Kessler 2015). Es ist schwer, für diese Sharing-Plattformen neue Nutzer zu akquirieren, obwohl eine große Zahl von Menschen Dinge teilen und leihen würde. Ein Großteil der Sharing-Angebote wurde bislang auf Online-Plattformen organisiert, aber offensichtlich ist dies die falsche Strategie gewesen, um die Bereitschaft zum Teilen bedienen zu können. Das führt zur Frage, warum diese Sharing-Angebote schlecht oder gar nicht angenommen werden. Und das ist die Antwort: Viele dieser Plattformen funktionieren so, dass Personen auf ihnen Dinge anbieten, die andere sich ausleihen können. Dazu muss aber ein Ort zur Übergabe und ein Zeitpunkt vereinbart werden, was für die Beteiligten nicht immer einfach ist. Außerdem können die Wege zum Austauschpartner sehr lang und damit zeitintensiv sein. Laut Pelz ist außerdem eine kritische Masse an Dingen notwendig, um ein Gelingen eines gegenseitigen Verleihens zu gewährleisten. Wenn der Vorgang aber umständlich ist, lassen sich wenige darauf ein, was ein zu kleines Angebot an Dingen nach sich zieht (Pelz 2012). Dafür gibt es weitere Gründe: Die deutsche Sharing-App „Why-Own-it“, bei der sich Nutzer mit Personen aus dem eigenen Freundeskreis z.B. via Facebook vernetzen konnten, um sich gegenseitig Dinge zu leihen, scheiterte daran, dass viele Anwender Dinge zwar ausleihen wollten, aber kaum jemand eigene Dinge zum Verleih bereitstellen wollte. Das Angebot war für jeden Nutzer individuell, da die Größe und Art des jedem Nutzer zugänglichen Angebots mit der Anzahl seiner teilnehmenden Freunde und deren Bereitschaft Dinge anzubieten korrelierte. Das führte dazu, dass Personen mit nur wenigen Freunden kein reizvolles Angebot an ausleihbaren Dinge vorfanden. Hier kam es folglich zu einer Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage (Glöckler 2018). Studien bestätigen diese Praxiserfahrung: in Deutschland können sich nur 30 Prozent der Befragten vorstellen, eigene Sachen zu verleihen (BMBF 2016). Ein wichtiger Grund dafür ist unter anderem das fehlende Vertrauen, das man Fremden gegenüber hat (Veridu 2016: 7). Es besteht die Sorge, dass Fremde nicht sorgsam mit dem ausgeliehenen Eigentum anderer umgehen und es beschädigen oder verschmutzen könnten. Genannt wurde auch das ungute Gefühl mangelnder Si-
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cherheit (z.B. in der Tourismusbranche) (Satama 2014), das daher rührt, dass es keine verbindlichen Standards oder Richtlinien gibt, auf die man sich im Falle eines Problems berufen kann bzw. die eine Verlässlichkeit suggerieren. Schließlich ist die Frage, wer für Verlust oder Schaden beim Leihen von Dingen auf kommt, bislang oft ungeklärt. So legte eine Studie zu den Nachteilen von Share EconomyAngeboten offen, dass für 46 Prozent der Befragten die fehlende Verantwortlichkeit bei Problemen ein Hinderungsgrund zur Teilnahme ist (Statista 2016a). 62 Prozent der Nutzer „prefer to share things when a company is involved as a facilitator because the process seems more reliable and trustworthy than dealing just with another private person” (Verbraucherzentrale 2015). Letztlich sind es drei Barrieren, die diese Kluft zwischen dem Bedürfnis nach Sharing und der Praxis des Teilens haben entstehen lassen: 1. Der Transaktionsaufwand: Der benötigte Zeit- und Organisationsaufwand für eine Transaktion bzw. Ausleihvorgang wird meist als zu groß eingestuft und verhindert folglich jene direkte Bedürfnisbefriedigung, die Verbraucher gewohnt sind, wenn sie Dinge besitzen und damit jederzeit nutzen können. Zudem wird oft nicht nur ein einzelner Gegenstand benötigt, sondern mehrere zur gleichen Zeit. Hierfür wären folglich mehrere Wege für deren Abholung und Rückgabe nötig, was als alltagsunpraktisch empfunden wird. 2. Fehlendes Vertrauen in Fremde: Vor allem bei P2P-Plattformen, die lediglich als Vermittler zwischen privaten Anbietern und Nutzern agieren, wird es als große Barriere erachtet, eigene Dinge an Fremde zu verleihen. Da im Schadensfall in der Regel kein Schadensersatzanspruch rechtlich geltend gemacht werden kann, geht das fehlende Vertrauen mit Verlustangst einher. Für sich selbst etwas von anderen auszuleihen wird von den meisten Befragten dagegen weniger kritisch empfunden. Möchten Nutzer solcher Sharing-Plattformen jedoch in erster Linie Dinge aus- und nicht auch verleihen, ist das Angebot verleihbarer Dinge folglich klein. Da P2P-Plattformen für die Nutzer aber erst dann attraktiv werden, wenn möglichst vielfältige Gegenstände im Leihpool verfügbar sind (da die Wahrscheinlichkeit dann hoch ist, dass man findet, was man benötigt), bleibt die Nachfrage entsprechend gering. 3. Fehlendes Vertrauen in die Qualität der Produkte: Der eben beschriebene Mangel an Vertrauen zieht einen weiteren Vertrauensmangel nach sich. Werden nämlich aufgrund eines verbreiteten Vertrauensdefizits keine qualitativ hochwertigen und in der Regel teuren Produkte verliehen, sind a) wenige und b) oft qualitativ defizitäre Dinge verfügbar. Solche tendenziell minderwertigen Produkte genügen den Ansprüchen vieler Nutzer nicht. Außerdem entwickelt sich letztlich ein allgemeines Vertrauensdefizit in die Qualität des Angebots.
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Die Barrieren für die Inanspruchnahme nichtkommerzieller „Nutzen statt Besitzen“-Angebote (NsB Angebote) sind demnach entweder auf die Organisation des Tauschvorgangs, auf die Nachfrager oder die Produkte zurückzuführen (vgl. Solomon 2013). Um die bestehende Kluft der Share Economy zwischen der prinzipiellen willingness to share und der tatsächlichen practice to share überwinden zu können, ist also ein Service oder eine Einrichtung erforderlich, die die Vorzüge des Teilens bewahren, zugleich aber jene drei Nachteile vermeiden kann. Und die These lautet, dass der Kern dieser Einrichtung bereits vor über dreitausend Jahren erfunden wurde.
1.8 Bibliotheken Seit Jahrtausenden besteht eine Institution, in der Menschen Produkte gemeinschaftlich nutzen: die Bibliothek. Bereits im antiken Ägypten fanden sich große Büchersammlungen, aus denen die überlieferten Papyrusrollen bekannt sind, welche auf bis zu 1866 v. Chr. datiert werden. 1928 wurde in Ugarit (im heutigen Syrien), das um 1180 v. Chr. zerstört wurde, eine Palastbibliothek entdeckt. Auch die in den Ruinenstädten von Assyrien und Babylonien entdeckten Tafeln und Zylinder mit Schriftzeichen gelten als Überreste von Bibliotheken (Harris 1999) und die noch heute berühmte Bibliothek von Alexandria, die bedeutendste Bibliothek der Antike, entstand immerhin am Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. Bibliotheken wurden gegründet, weil Schrifttafeln, Schriftrollen oder Bücher kostbar waren. Zum Einen war das in ihnen gespeicherte Wissen wertvoll, zum Anderen konnten Schriften bis zur Erfindung der Druckerpresse nur mühsam und von wenigen Schriftkundigen vervielfältigt werden. So lag es nahe, eine Einrichtung zu schaffen, zu der jeder Zugang haben und an das auf Ton, Papyrus oder Papier aufgezeichnete Wissen zugreifen konnte. Zwar waren Bibliotheken die längste Zeit, da nur eine Minorität lesen und schreiben konnte, eine Einrichtung „of the few, and by the few, and for the few“ (Harris 1999: 8), doch wer weiß, wie viele Ideen und Erfindungen ohne Bibliotheken nie gekeimt wären. Die Entwicklung der Menschheit hätte sich vermutlich langsamer vollzogen. Kulturgeschichtlich bedeutend waren Bibliotheken auf jeden Fall in der Zeit der Auf klärung, denn „free and equitable access to information was central to the creation of an enlightened citizenry. This idea, of course, is the foundation upon which most ´public´ library service has been constructed. […] Thus for the intellectual elite in nearly every country throughout the history of the world, libraries have represented essential, and cherished, symbolic and cultural resources” (Harris 1999: 6 f.). Ohne sie wäre die Auf klärung nur schleppend vorangekommen. Bibliotheken wa-
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ren eine unschätzbar wichtige, kulturelle Ressource, die alle Gesellschaften bereichert hat, die darüber verfügen konnten. Bibliotheken haben die Gesellschaften in der Vergangenheit verändert. Sie könnten es in anderer Form erneut tun. Heute sind Bücher nicht mehr kostbar, weil sie digitalisiert in Sekunden und ohne nennenswerte Kosten vervielfältigt werden können. Heute werden Ressourcen kostbar, nicht weil sie selten würden – das trifft nur auf wenige zu –, sondern weil ihre Gewinnung das globale Ökosystem schädigt und die Entwicklung der Menschheit gefährdet. Naheliegend ist es folglich die antike Idee der Bibliothek mit der digitalen Idee der Share Economy zu kombinieren. Statt Bücher werden in ihr dann Dinge zum Verleih bereitgestellt.
1.9
Bibliotheken im 21. Jahrhundert
Ohne die Neuerfindung von Bibliotheken könnte deren Ende nah sein, denn die Zahl der klassischen Bibliotheken nimmt in vielen Ländern ab: 1989 waren beispielsweise in Deutschland noch rund 13.600 öffentliche Bibliotheken mit ihren Haupt- und Zweigstellen zugänglich (Wolter & Wedenmeyer-Kolwe 2015: 162). 2007 waren es noch 10.365 und 2017 nur noch 9.043 (Statista 2018a) – was einem Rückgang von ca. 35 Prozent in 30 Jahren entspricht. Die verbleibenden Bibliotheken wandeln sich mit dem Übergang von Industrie- zu Digitalgesellschaften: Medienbestände werden zunehmend digitalisiert, weshalb Bibliotheken in Zukunft voraussichtlich gebäudelos und virtuell werden: Bücher stehen dann weniger in Regalen, sondern vielmehr in Datenbanken zur Verfügung. Dennoch hat die Institution Bibliothek bislang nicht an Bedeutung verloren: „Interestingly, the changing landscape has not affected the desire for a physical place that acts as a resource for communities. And many nonacademic libraries are expanding into those directions, regaining focus on the earlier core role of encouraging young readers and offering classes that are outside those of pure literacy“ (Broner 2017: 30). In Deutschland antworteten fast 60 Prozent der 1.448 im Jahr 2015 Befragten, wie wichtig es ihnen sei, dass es auch in Zukunft öffentliche Bibliotheken gäbe, mit „sehr wichtig“ oder „wichtig“ (Statista 2018c). Die Bedeutung der Bibliothek als Gemeinschaftszentrum ist nach wie vor groß, aber ihre klassische Aufgabe, Wissen an einem begehbaren Ort zu speichern und allen verfügbar zu machen, verliert an Bedeutung. Der Bürgerwunsch, Bibliotheken zu erhalten, wird ihren Niedergang jedoch nicht stoppen. Zu groß ist für viele Kommunen nämlich der Reiz Geld einzusparen, indem sie die Anzahl ihrer Bibliotheken weiter verringern. Bibliotheken müssten sich folglich neue, kreative Ziele und Schwerpunkte setzen, möchten sie ihre Bedeutung nicht verlieren (Robison & Shed 2017: 2). In Zeiten von
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Budgetkürzungen und Schließungen wird es für Bibliotheken wichtiger denn je, ihre Existenzberechtigung ihrer Kommune und ihren Mitgliedern gegenüber zu demonstrieren (Oakleaf 2010, Town 2011). Diese Existenzberechtigung lässt sich aus dem Imperativ des Anthropozäns ableiten, Energie und Rohstoffe einsparen zu müssen, um globale Umweltprobleme eindämmen zu können. Im Digitalzeitalter – einer neuen historischen Epoche – werden klassische Bibliotheken einerseits also virtuell und schwinden folglich als physischer Ort. Im Anthropozän – einer neuen geologischen Epoche – sind globale Umweltprobleme so drängend geworden, dass es andererseits notwendig wird, die Idee antiker Bibliotheken durch ihre Verbindung mit der Share Economy weiterzuentwickeln. Sie wandeln sich dann von Einrichtungen, in denen primär Bücher ausgeliehen werden, zu Einrichtungen, in denen primär eine große Vielfalt an Gebrauchsgegenständen ausgeliehen werden kann. Und weil sie einige jener Barrieren der P2PSharing-Plattformen überwinden können, können sie zur Reduktion des Energieund Rohstoffverbrauchs beitragen. Doch wie können sich klassische Bibliotheken als zentrale Akteure für gemeinschaftliche Nutzungsformen positionieren? Indem sie auch künftig das machen, was sie schon immer gemacht haben, jedoch ihr Sortiment über die Kategorie „Bausweiten. So hat sich im englischsprachigen Raum der Begriff „Things collection“ etabliert. Er steht für „any collection of physical objects that serve a utilitarian purpose as tools, equipment, or goods; that circulate beyond the walls of the library; that provide a costsavings benefit to patrons by supplying something for which they have an existing need; that have an inherent appeal to patrons; and that defy standard processes for acquiring, cataloging and circulation. Things collections are another chapter in libraries’ longtime missions to create community synergy“ (Robison & Shed 2017: 3). So versuchen sich Robison & Shed an einer Abgrenzung von „thing collections“ und „other types of library collections“, was ihnen allerdings schwer fällt. Dennoch gelangen sie zu fünf Unterscheidungsmerkmalen: 1. Der Nutzen und der praktische Zweck. Der Informationsbedarf steht nicht an erster Stelle, wie das bei Büchern der Fall ist, sondern es geht um einen praktischen, materiellen Nutzen, um eine Aufgabe zu erfüllen. Die Nutzung der Dinge erfolgt durch bereits informierte Nutzer. 2. „Thing collections“ zirkulieren. Die Dinge sollen in Umlauf gebracht und eingesetzt werden. Das ist ein großer Unterschied zu Bestandsbibliotheken, die eine rare Sammlung zur Einsicht zur Verfügung stellen. Die Nutzung dieser Sammlungen wird reglementiert und rigide überwacht, um Verlust, Beschädigung und Fehlnutzung zu verhindern.
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3. Sie sollen oftmals die Zugangsgerechtigkeit für sozio-ökonomisch benachteiligte Gruppen gewährleisten. 4. Sie sollen als Zusatzangebot Leute in die Bibliothek locken, die sonst nicht angesprochen werden. 5. Sie ergänzen und hinterfragen die typischen Prozesse von Bibliotheken bei der Auswahl, Entnahme, Verbreitung, Lagerung und Vermarktung ihrer Sammlungen. Diese Merkmale treffen auf „thing collections“ zu, können aber zusätzlich auch andere Angebote (u.a. von Bibliotheken) beschreiben (vgl. Robison & Shed 2017: 2f.). So liest sich diese Definition in Teilen schon wie eine Aussage, über ein Angebot der Share Economy, die das Caring im Fokus hat: Es geht um Zugangsgerechtigkeit und die Nutzung des Angebots für jedermann. Diese Werte sind inspiriert von Sozialunternehmen (Filar et al. 2012). Aufsummiert ergibt das Konzept der Bibliothek mit der Herangehensweise der Share Economy ein Angebot, das als Bibliothek der Dinge bezeichnet werden kann. Dabei gilt, dass eine klassische Bibliothek, in der bislang vor allem Bücher verliehen wurden, (zusätzlich) eine Bibliothek der Dinge werden kann. Jedoch muss eine Bibliothek der Dinge nicht aus einer klassischen Bibliothek hervorgehen. Beiden Fällen liegt die Idee einer Bibliothek, als Ort an dem Gebrauchsgegenstände verliehen werden, zugrunde, die im Digitalzeitalter und Anthropozän fortexistieren kann und wird. Aus den klassischen Bibliotheken des Altertums werden dann, nach fünf Jahrtausenden, im 21. Jahrhundert Bibliotheken der Dinge.
1.10 Bibliotheken der Dinge Ob sie nun aus einer Bücherei hervorgehen oder nicht – Bibliotheken der Dinge funktionieren wie eine klassische Buch-Bibliothek, mit Abwandlungen in Inventar und hinsichtlich der beteiligten Akteure. Bibliotheken der Dinge gehen darum einen Schritt weiter als ihre klassischen Vorläufer, denn sie verleihen nicht nur Bücher, sondern Gegenstände des täglichen und außeralltäglichen Bedarfs und Gebrauchs. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass weniger dieser Gegenstände individuell konsumiert und produziert und weniger Energie wie Ressourcen für ihre Herstellung verbraucht werden müssen. So gesehen sind sie das Antonym zur Konsumgesellschaft. Abbildung 4 zeigt die verallgemeinerte, vereinfachte Funktionsweise von Bibliotheken der Dinge.
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Vereinfachte Darstellung einer Bibliothek der Dinge
BIBLIOTHEK DER DINGE TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
BIETER AN ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
Abb. 4: Vereinfachte Darstellung der Funktionsweise einer Bibliothek der Dinge Durch Bibliotheken der Dinge, die, wie klassische Bibliotheken, in allen Städten oder Stadtteilen eingerichtet werden könnten, kann die Share Economy expandieren und der Kultur des Teilens weiteren Auftrieb geben. Wenn die Hauptprobleme der Share Economy darin bestehen, dass der Ausleihvorgang umständlich ist und Bürger in Ermangelung des dafür notwendigen Vertrauens Gegenstände von Fremden zwar ausleihen, an Fremde jedoch nicht verleihen möchten, kann eine Bibliothek der Dinge die bestehende Kluft zwischen Teilen wollen und Teilen überwinden, sofern sie allen ein großes und qualitativ seriöses Angebot von Gebrauchsgegenständen einfach und kostengünstig zugänglich macht. Wie in den folgenden Kapiteln ersichtlich wird, sind das keine trivialen und einfach zu erfüllenden Bedingungen. Prinzipielle Pro- und Contra-Argumente lassen sich wie folgt gegenüberstellen:
Der Transaktionsaufwand Pro: Bibliotheken der Dinge können den Transaktionsaufwand herkömmlicher P2P Angebote erheblich verringern. Erstens lagern alle Gegenstände an einem Ort, was Transportwege minimiert. Zweitens wird durch diese zentrale Lagerung der Aufwand für die Absprachen auf einen Gesprächspartner minimiert. Diese Absprachen werden durch geregelte Öffnungszeiten und offen einsehbare Leih- und Nutzungsbedingungen geradewegs obsolet, was das Angebot noch nutzerfreundlicher werden lässt im Vergleich zu P2P-Angeboten. Contra: Auch bei Bibliotheken ist der logistische Aufwand noch größer als beim individuellen Konsum. Verglichen mit einem Kauf im Laden ist der Weg für das Zurückbringen als zusätzlicher Aufwand zu verbuchen. Verglichen zum OnlineKauf werden beide Wege als zusätzliche Bürde empfunden.
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Mangelnde Bereitschaft, Dinge an Fremde zu verleihen Pro: Durch die Existenz der Bibliothek der Dinge als Institution, die den gesamten organisatorischen Aufwand übernimmt, die für die Instandhaltung der Geräte eintritt und dafür verantwortlich ist, wird das Leihen der Gegenstände nicht mehr als Leihen von Fremden wahrgenommen. Und das obwohl die Gegenstände nach wie vor in den meisten Fällen durch Spenden von Fremden in das Inventar der Bibliothek der Dinge gekommen sind. Das mangelnde Vertrauen in Fremde wird durch die Bibliothek der Dinge als vermittelnde Institution überbrückt. Durch dieses Element gewinnt die Bibliothek 2.0 an Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Zudem müssen Mitglieder in den meisten Fällen keinen Gegenstand in den Leihpool einbringen, wenn sie Mitglied der Bibliothek der Dinge werden wollen. Dadurch, dass sich das Inventar der Bibliothek der Dinge nicht nur aus gespendeten Gegenständen der Mitglieder speist, sondern auch durch Spenden anderer Akteure bereichert wird, ist es vielfältiger und umfangreicher als Angebote der meisten P2P-Angebote. Vielmehr macht sich das Konzept hier zunutze, dass Spender und Mitglieder nicht notwendigerweise in einer Person vereint sind. V.a. durch die vielfältigeren Wege, das Inventar zu akquirieren, ergibt sich ein qualitativ hochwertigeres Sortiment. Contra: An dieser Stelle lässt sich kein Gegeneinwand nennen.
Fehlendes Vertrauen in die Qualität der Produkte Pro: Durch die von den Mitarbeitern der Bibliothek 2.0 durchgeführte Wartung der Produkte im Leihpool wird die Bereitstellung funktionsfähiger Produkte gewährleistet. Die Sorge, dass ein Gegenstand nicht funktioniert, ist folglich unbegründet beziehungsweise kann höchstwahrscheinlich durch den Austausch des Produktes mit einem gleichwertigen behoben werden. Contra: Dennoch ist festzuhalten, dass die Qualität der Produkte nur so gut sein kann, wie die Bereitschaft der Spender hoch ist, solche an die Bibliothek der Dinge abzugeben. Das Inventar hängt folglich stark von den Mitteln und Möglichkeiten der mobilisierten Spender ab. Diese kann im schlechtesten Fall dazu führen, dass lauter Billig-Produkte bei der Bibliothek der Dinge entsorgt werden. Für die Neuerfindung von Bibliotheken spricht, dass das Konzept einer Bibliothek seit der Antike funktioniert, gesellschaftlich erprobt und gelebte kollektive Praxis ist. Um nachgefragt zu werden, müssen Bibliotheken der Dinge allerdings weitere Bedingungen erfüllen: Sie müssen nutzerfreundliche Öffnungszeiten haben. Eine Idealversion einer solchen Bibliothek stellt Gegenstände rund um die Uhr und ganzjährig bereit und verlangt dafür nur geringe Gebühren, um so nutzerfreundlich wie möglich zu sein. Zu beachten ist, dass eine Bibliothek der Dinge, wie eine klassische Bibliothek,
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letztlich zwei Versprechen liefert beziehungsweise zwei unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen kann: 1) die Bereitstellung der Dinge für die Nutzung aller Mitglieder und 2) einen physischen Ort, als Ort des Austauschs und der Bereicherung. Die unterschiedlichen Services beziehungsweise Teilaspekte müssen aber nicht immer beide Bedürfnisse gleichermaßen decken. So wird a) manch ein Gegenstand einfach nur benötigt und sollte deshalb einfach zur Nutzung verfügbar gemacht werden. Andere Gegenstände hingegen möchte der Nutzer b) gar nicht alleine und ohne Einweisung und Beratung, vielleicht sogar gar nicht selber sondern unter Aufsicht und in Begleitung nutzen. Es kann aber auch c) sein, dass kein Bedarf an Dingen besteht, wohl aber der Wunsch nach Austausch an einem Ort der Begegnung.
Die kurze Geschichte von Bibliotheken der Dinge Die ersten dieser neuartigen Bibliotheken 2.0 entstanden bereits 1976 als non-profit „Tool Libraries“ in den Vereinigten Staaten in Boulder (Colorado) und Columbus (Ohio), 1977 in Seattle (Washington) und erstmalig als Teil einer öffentlichen Bibliothek in Berkeley (Kalifornien). Zeitgleich entstanden z.B. in Australien die ersten Toy-Libraries, die sich dort in den Folgejahrzehnten so sehr verbreiteten, dass sie sich mittlerweile in einem Netzwerk5 organisiert haben. Obwohl es für Bibliotheken naheliegend wäre, ihren Bestand auszuweiten und die Notwendigkeit und den Wert neuartiger Sammlungen für ihre Leihgemeinschaft anzuerkennen (Robison & Shed 2017: 2), sind bislang nur wenige dieser Einrichtungen ein Bestandteil bestehender öffentlicher Büchereien. Die meisten der gegenwärtig bestehenden Bibliotheken der Dinge wurden als Bottom-up-Initiativen, d.h. aus Bürgerinitiativen oder von bereits bestehenden Non-Profit-Organisationen als ein weiteres Teil-Projekt gegründet. Diese Bibliotheken der Dinge können folglich die jeweilige Dachorganisation nutzen, um selber weniger bürokratischen Aufwand zu haben. Abhängig von den jeweils vorherrschenden Rechtsprechungen vor Ort und den daraus resultierenden Möglichkeiten sind die Bibliotheken der Dinge als Verein, non-Profit, Charity, als coop6 institutionalisiert oder sie übernehmen die Rechtsform der übergeordneten bereits bestehenden Organisation. Sie bieten bislang unterschiedliche Repertoires zum Verleih an: Spielzeuge, Werkzeuge, Sport- und Freizeitausstattungen, Elektronik- oder Küchengeräte oder einfach ein Sammelsurium dessen, was das 5
Online unter: https://www.toylibraries.org.au/find-a-toy-library
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Die möglichen Geschäftsformen hängen vom Standort ab. Dem im deutschsprachigem Raum gemeinnützigen Verein oder Unternehmen kommen im englischen Sprachraum die Charity / non-Profit / co-op gleich, wobei es regionale Unterschiede gibt, die sich deutlich auf den laufenden Betrieb einer Bibliothek der Dinge auswirken können.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Quartier in einem Pool zu spenden bereit war (die Verteilung ist auch Abb. 5 zu entnehmen).
Anzahl der unterschiedlichen Typen von Bibliotheken der Dinge Gesamtzahl: 248 Stand: Juni 2018
Andere Arten von Bibliotheken der Dinge
Bibliotheken der Dinge
12
32
Bibliotheken der Dinge in öffentlicher Hand
4 49
Werkzeugbibliotheken
Bibliotheken der Dinge in öffentlichen Bibliotheken
137 12 2
Werkzeugbibliotheken in öffentlichen Bibliotheken Tool Bank
Quelle: Ameli & Homicki basierend auf DeskResearch und myTurn Datenbank
Abb. 5: Anzahl der unterschiedlichen Typen von Bibliotheken der Dinge Während klassische Bibliotheken zunehmend von der Schließung betroffen sind, sind Bibliotheken der Dinge international auf dem Vormarsch (siehe Abbildung 6). Insbesondere seit 2010 ist die Zahl der neuen Bibliotheken der Dinge rasant gestiegen.
Abb. 6: Anzahl von Bibliotheken der Dinge weltweit
1 Der Aufstieg der Dinge und der Niedergang der Einführung Umwelt
Dieser Trend hält weiter an und hat mittlerweile auch Europa erfasst. Insgesamt 23 (Mit UK: 33) der weltweit 249 Bibliotheken der Dinge befinden sich derzeit in Europa, die meisten davon in Deutschland (9) und den Niederlanden (5).
Verteilung der Bibliotheken der Dinge weltweit Gesamtzahl: 248 Stand: Juni 2018
Slowenien Südkorea Mexiko China Neuseeland Israel Island Australien Großbritannien Europa
Spanien Schweden Norwegen 1 Italien Belgien
Vereinigte Staaten von Amerika
Kanada
Österreich
1
1
Deutschland
1
9
2 3 5
Niederlande
Gesamtzahl weltweit: 248 Gesamtzahl Europa: 23 Quelle: Ameli & Homicki basierend auf DeskResearch und myTurn Datenbank
Abb. 7: Verteilung der Bibliotheken der Dinge weltweit und in Europa
Wie eine Bibliothek der Dinge funktioniert In den bisherigen Bibliotheken der Dinge werden gespendete oder gemeinschaftlich angeschaffte Gegenstände von den Mitgliedern gemeinschaftlich genutzt. Die Dinge werden einerseits vor oder zur Eröffnung eingesammelt und andererseits nehmen die meisten auf Spenden basierenden Initiativen zu jedem späteren Zeitpunkt noch Spenden entgegen. Spenden können auch von Nicht-Mitgliedern kommen und Mitglied kann man in den meisten Fällen auch werden, ohne eine Spende einbringen zu müssen. Verantwortlich für die Verwaltung der Prozesse und die Instandhaltung der Gegenstände, die Einhaltung der Regeln sowie die Gewährleistung der Öffnungszeiten sind die (zumeist ehrenamtlich tätigen) Mitarbeiter der Initiative. Das Angebot wird erstens durch Online-Aktivitäten, etwa durch eine eigene Webseite sowie Social-Media-Aktivitäten und zweitens durch vor Ort stattfindende Aktivitäten wie Workshops, Tagungen und Events f lankiert und unterstützt. Die Bibliotheken der Dinge sind mit inhaltlich ähnlich orientierten Initiativen meist gut vernetzt, wodurch das Konzept zusätzlich an Bekanntheit gewinnt. Die Einkommensquellen der Bibliotheken der Dinge sind divers, ei-
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nerseits werden Mitgliedsbeiträge erhoben, nach einer verspäteten Rückgabe von Gegenständen sind Verspätungsgebühren zu entrichten und Workshops werden separat berechnet. Teilweise werden Auftragsarbeiten durchgeführt oder vermittelt und die Räumlichkeiten an Dritte gegen ein Entgelt vermietet. Dennoch sind die Initiativen meist von Spenden, Fördergeldern oder anderen Drittmitteln abhängig, da allein durch die genannten Einnahmequellen nicht immer kostendeckend gewirtschaftet werden kann (Ameli et al. 2017c).
Erste Vorteile von Bibliotheken der Dinge Bibliotheken der Dinge, insbesondere diejenigen, die entweder auf Werkzeuge spezialisiert sind oder diese mit im Angebot haben, sparen Energie und Ressourcen durch die gemeinschaftliche Nutzung der Gegenstände und dadurch, dass Mitglieder durch den Zugriff auf diese Werkzeuge oder die Werkstatt andere Besitztümer reparieren und dadurch deren Lebensdauer verlängern können. Das bedeutet, dass eine Bibliothek der Dinge eine Auswirkung sowohl auf die „weiße“ als auch die „graue“ Energie haben kann. Graue Energie steckt, wie schon erwähnt, in den Dingen. Sie wird eingespart, wenn weniger Gegenstände produziert werden. Weiße Energie wird eingespart, wenn individueller Besitz Instand gehalten oder gar ersetzt werden kann und dadurch länger genutzt wird und z.B. ein Haus durch eine Renovierung effizienter beheizt werden kann. Die positiven Auswirkungen auf die Umwelt zeichnen sich an dieser Stelle zumindest theoretisch ab (im nächsten Kapitel wird dies auch empirisch belegt). Weniger Umweltprobleme verbessern die Lebensqualität und zuweilen mag sich diese Lebensqualität zusätzlich erhöhen, wenn in einem Haushalt solche Dinge nicht mehr gelagert werden müssen, die eher selten (einmal wöchentlich und seltener) oder gegebenenfalls nur ein einziges Mal und dann nie wieder gebraucht werden. Umgekehrt haben durch dieses Konzept auch die Menschen Zugang zu Dingen, die sich eine individuelle Anschaffung sonst nicht leisten könnten. Gerade dieser Aspekt könnte wegen der ab den 2020ern bevorstehenden Automatisierung vieler Berufe zunehmend gesellschaftsrelevant werden. Auf diese Weise hat eine Bibliothek der Dinge nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Funktion. Während klassische Buch-Bibliotheken mit der Verlagerung auf e-Books und Online-Publikationen ein Auslaufmodell werden und ein seit Jahrtausenden in Städten bestehender Ort des öffentlichen Lebens nach und nach virtuell wird und dem öffentlichen Raum entschwindet, könnte die neue Kategorie von Bibliothek diese soziale Funktion bewahren. Damit spricht ein weiteres Argument dafür, dass Bibliotheken der Dinge auf die ein oder andere Weise in Innenstädte Einzug halten sollten – nämlich die sich abzeichnende Verödung derselben: In Folge des zunehmenden Onlinehandels
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schwinden in vielen Städten Läden und mit ihnen die innerstädtische Vitalität. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Handelsverband Deutschland warnen vor den Folgen vielerorts steigender Leerstände in Innenstädten. Sie rufen dazu auf, den Niedergang der Innenstädte zu verhindern und diese als vitale Orte der Kommunikation zu erhalten. Denn lebendige Innenstädte und Ortskerne stünden für Lebensqualität. Die dazu diskutierten Ideen sind im Anthropozän allerdings nicht mehr zeitgemäß: Läden sollen auch sonntags öffnen dürfen, innerstädtische Fahrverbote für Autos sollten gelockert oder zurückgenommen werden, um das innerstädtische Konsumniveau wieder zu erhöhen (DStGB & HDE 2018). Den Onlinehandel mit diesen altmodischen Mitteln aufzuhalten dürfte sich allerdings als schwierig erweisen, hat sich die Verschiebung zum Onlinekauf doch demokratisch vollzogen und scheint er den Bedürfnissen vieler Bürger zu entsprechen. Einer Bitkom-Umfrage zufolge setzt sich Online-Shopping deswegen zunehmend durch, weil man Dinge über das Internet rund um die Uhr erwerben und man überdies Zeit sparen kann, da z.B. die Parkplatzsuche und das Schlange stehen an der Kasse wegfallen (Bitkom 2017). Diese Vorzüge müsste allerdings auch eine Bibliothek der Dinge anbieten können, wenn sie wie das Online-Shopping in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen und einen möglichst großen ökologischen Effekt realisieren möchte. Zudem wäre es ideal, wenn die Nutzer zwar in die Bibliothek kommen, um an die Dinge ihrer Wahl zu gelangen, dies aber nicht in jedem Fall müssen, sondern die Dinge auch zu den Nutzern kommen können. Das wird das Ladensterben natürlich nicht auf halten, aber den Konsum dematerialisieren – und eben dies ist notwendig, um das bisherige Muster der menschlichen Geschichte neu zu zeichnen. Und objektiv betrachtet ist dies wichtiger als Shoppingmeilen zu erhalten. Und selbst wenn sie das Ladensterben nicht auf halten, können Bibliotheken der Dinge dennoch ein neues, Innenstädte oder Quartiere belebendes Element sowie ein Ort der Kommunikation werden. Dazu mehr im dritten Kapitel.
Die Nachfrage nach Bibliotheken der Dinge Trotz der grundlegenden Bereitschaft, mehr als nur Autos, Dateien und Wohnungen teilen zu wollen, stellt sich die Frage, ob eine Bibliothek der Dinge tatsächlich genutzt würde, wenn sie plötzlich vor Ort eingerichtet würde? Um diese Frage tentativ beantworten zu können, wurden gegenwärtige Nichtnutzer befragt, d.h. jene Personen, die noch nicht mit dem Konzept vertraut sind. Um also die Akzeptanz einer Bibliothek der Dinge zu ermitteln, wurde im Zeitraum 27.07.2016 - 10.08.2016 eine explorative Online-Umfrage durchgeführt
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(Milk 2016), an der 423 Personen (mit 390 vollständigen Datensätzen) teilnahmen.7 Folgende Einsichten förderte die Befragung zutage: 87,2 Prozent der Befragten gaben an, bereits von der Share Economy Kenntnis genommen zu haben. Die Anbieter aus den Bereichen Mobilität und Unterkünfte sind, wie bei anderen Umfragen auch, die bekanntesten Vertreter. Mit 50,8 Prozent hatte auch die Hälfte aller Befragten bereits ein solches Angebot genutzt – hauptsächlich in den Bereichen Mobilität, Übernachtung und Medien & Unterhaltung. Selten wurden Angebote aus dem Bereich Lebensmittel, Verleih- & Tauschplattform (4,6 Prozent) und Versicherung und Finanzen (2 Prozent) genutzt. 93,4 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, eine Bibliothek der Dinge zu nutzen, nachdem ihnen das Konzept erklärt wurde. Die übrigen begründeten ihre Ablehnung mit Hygienebedenken, mangelnder Sicherheit, mangelnder Qualität, hohem Transaktionsaufwand sowie der Befürchtung von anderen abhängig werden zu können. Den Befragten war es wichtig, dass eine solche Einrichtung zentral gelegen ist, lange Öffnungszeiten und ein umfangreiches Warenangebot zur Auswahl hat, der Verleihvorgang so einfach wie in einer Bibliothek ist und dass die Verfügbarkeit der Dinge online einsehbar ist. Überf lüssige Wege sollen folglich vermieden werden. Eine eigene App wurde nicht als zentrales Argument für eine Nutzung gesehen. Um einer Bibliothek der Dinge beizutreten, musste für 77,5 Prozent der Befragten eine jederzeitige Kündigung möglich sein, eine Probephase wurde nicht als bedeutend empfunden. Den zeitlichen Mehraufwand für Wege aufzubringen, waren mehr als die Hälfte bereit und empfanden nur wenige (10 Prozent) als störend. Für 70 Prozent der Befragten war die Möglichkeit wichtig, einen einmal in den Leihpool eingebrachten Gegenstand wieder in den eigenen Besitz überführen zu können, so sie den Wunsch dazu verspüren sollten. Kosten in Höhe von bis zu 20-30€/Jahr waren für die meisten Befragten hinnehmbar. Die wenigsten waren jedoch bereit mehr zu zahlen, bzw. plädierten für den kostenlosen Zugang (jeweils unter 10 Prozent). Jene Befunde von unerfahrenen Nichtnutzern einer Bibliothek der Dinge wurden in einem zweiten Schritt mit den Erfahrungen von bereits aktiven, erfahrenen Nutzern und Initiativen kontrastiert, um offenzulegen, warum sie eine Bibliothek der Dinge nutzen und unter welchen Bedingungen sie diese Nutzung sogar noch intensivieren würden. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Befragung von aktiven Initiativen (via email-Fragebogen an Betreiber, Befragungszeitraum – vgl. Anhang 02 Herbst 2016) ergab, dass die primären Beweggründe für Nutzer a) die kostengüns7
Das genaue Forschungsdesign sowie die gesamte Durchführung sowie Auswertung dieser Erhebung ist in der Arbeit von Andreas Milk (2016) einzusehen. Einige Details finden sich bereits in Anhang 01.
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tige Alternative zum Kauf und das Einsparen von Wohnraum sind, da weniger Eigentum zu Hause gelagert werden muss. Diese Erkenntnisse decken sich mit einer weiteren Studie von Söderholm (2016), der durch seine Befragung von ToolLibrary Nutzern in Berkley herausgefunden hat, dass diese den Aufwand (Kosten und Bürde des Eigentums) mit dem Nutzen aufwogen, und sich dann bei diversen Werkzeugen fürs Ausleihen entschieden haben (Söderholm 2016: 145f). Als weiterer Grund wurde b) die große an einem Ort versammelte Auswahl mit c) Beratungsleistungen und Workshop-Angeboten genannt. Ergänzend wurde von Betreibern einer Bibliothek der Dinge ausgesagt, dass d) die Möglichkeit, neue soziale Kontakte gewinnen zu können, ebenfalls als Motivator wirke. Ökologische Aspekte sind laut Einschätzung der Betreiber für die Nutzer von geringer Bedeutung, weswegen sie auf ihren Webseiten auch nicht vordergründig kommuniziert werden. Auf die Frage nach den von Nutzern gewünschten Verbesserungen und Veränderungen wurden hauptsächlich Verbesserungen in der Bereitstellung der Gegenstände gefordert (größeres Angebot, längere Öffnungszeiten und längere Ausleihfristen), sowie (mehr) Workshops zum Umgang mit den Leihgegenständen und die Möglichkeit, Dinge vor Ort zu nutzen und Projekte bearbeiten zu können. Workshops wurden hauptsächlich von den Nutzern einer Tool Library gewünscht, da aber auch Bibliotheken der Dinge Werkzeuge verleihen, ist dieser Wunsch auch für diese Einrichtungen relevant. Um ihre Nutzerzahlen zu erhöhen, setzen die Betreiber nach eigenen Aussagen bevorzugt auf bessere Öffentlichkeitsarbeit, was aber zumeist wegen Geldoder Zeitmangel nur schwer realisierbar ist. Eine andere Strategie besteht darin, die bestehenden Nutzer mittels guter Qualität der Gegenstände und optimalem Service so gut wie möglich zufriedenzustellen, um die Nutzer auf diese Weise zu intrinsisch motivierten (und kostenlosen) Mund-zu-Mund-Multiplikatoren zu machen. Die Frage nach eigenen, mittlerweile erkannten Fehlern zeigt auf, dass der Wahl des Ortes und der langfristigen Finanzierung, unter anderem der Miete, eine große Bedeutung für den Erfolg beigemessen wird. Zudem herrscht weitestgehend Konsens darüber, dass das Problem nicht darin besteht, Gegenstände für die Bibliothek der Dinge bereitgestellt zu bekommen, sondern mehr darauf geachtet werden muss, dass die Gegenstände einem qualitativen Mindeststandard genügen. Die Gefahr besteht nämlich offenbar darin, rasch einen Pool an Werkzeugen und Gegenständen zu akkumulieren, die a) nicht attraktiv, b) nicht für eine intensive Nutzung ausgelegt sind, c) zu einer Gefahr für den Nutzer werden könnten und d) mangels Qualität zu Ladenhütern mutieren. Ferner wurde von den Betreibern ehrenamtlicher Initiativen festgestellt, dass ein rein ehrenamtliches Angebot schnell an seine zeitlichen und finanziellen Grenzen stößt und völlig von der Aktivität der Freiwilligen abhängt.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Alles in allem deuten diese ersten Ergebnisse sehr wohl darauf hin, dass Bibliotheken der Dinge geeignet sind, als Treiber der Share Economy fungieren und die Energie- wie Ressourceneffizienz eines Quartieres oder einer Stadt erhöhen zu können.
Toronto Tool Library: Danforth _ Foto: Heike Engelberg
1 Der Aufstieg der Dinge und der Niedergang der Einführung Umwelt
Toronto Tool Library: Danforth _ Foto: Heike Engelberg
Toronto Tool Library: Parkdale _ Foto: Heike Engelberg
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2 Bibliotheken der Dinge in der Praxis 2.1
Einleitung und Methodik
Sharing ist der Schnittpunkt der Effizienz- und Suffizienzstrategie und ermöglicht eine Verringerung des Güterdurchf lusses, kann damit also eine Schwachstelle der Konsistenzstrategie kompensieren. Sharing kann den Verbrauch von Rohstoffen und grauer Energie – die zur Herstellung der Dinge aufgewendete Energie – reduzieren und der sozialen Ungleichheit entgegenwirken. Außerdem wurde im vorigen Kapitel festgestellt, dass ein erheblicher Anteil von Bürgern in Konsumgesellschaften bereit ist, Gebrauchsgegenstände (wenngleich überwiegend nicht die eigenen) mit anderen gemeinschaftlich zu nutzen – praktiziert wird dies indes jedoch kaum. Offenbar liegt hier eine Kluft zwischen der Bereitschaft zum Teilen und der Praxis des Teilens vor – und sie ist die Ursache dafür, dass die Share Economy in bislang nur drei Bereichen – Mobilität, Streaming von Musik und Videos sowie Wohnen – zum Durchbruch kam. Die Erklärung für diese Diskrepanz wurde ebenfalls hergeleitet: Es fehlt in anderen Konsumbereichen ein alltagspraktikabler Service, der das Teilen vereinfacht. Bisherige P2P-(Online-)Plattformen, auf denen Endnutzer direkt miteinander in Kontakt treten, vermochten sich nicht f lächendeckend zu etablieren. Mehrere Gründe wurden dafür genannt: So geben nur vergleichsweise wenige eigene Sachen zum Verleih her, da das Vertrauen zu Fremden begrenzt ist. Nachbarschaften sind in Großstädten deutlich anonymer als auf dem Land. Folglich tun sich viele auch damit schwer, an eine fremde Tür zu klopfen, um Dinge abzuholen. „Man weiß ja nicht, was einen dort erwartet.“ Schließlich ist der der zeitliche Aufwand oft zu groß, um Dinge von nicht in der Nachbarschaft wohnenden Bürgern abzuholen und zurückzubringen und obendrein ist die Rechtslage unklar: Was passiert mit verliehenen Dingen, die vom Nutzer beschädigt wurden? Dagegen wurde erläutert, welcher Service diese Kluft schließen könnte: eine
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Bibliothek der Dinge. Das ist freilich nur eine vorläufige und noch grobe Antwort. Denn rund 250 Bibliotheken der Dinge haben sich bislang in verschiedenen Varianten und Ländern gegründet (siehe Abbildung 7 ). Wie später noch demonstriert wird, werden von ihnen manche häufig frequentiert, andere weniger. Hier tut sich eine zweite Kluft auf: Bibliotheken der Dinge haben, was die Einsparung von Rohstoffen und Energie betrifft, ein signifikantes Potenzial. Dieses konnte bisher jedoch nur selten realisiert werden. Das zeigt sich daran, dass die momentane Nutzungsrate (= Anzahl der Personen eines Quartiers, die Mitglied sind) der untersuchten Bibliotheken der Dinge in einem Quartier im Durchschnitt bei ca. neun8 liegt. Woran liegt das? Und wie wäre eine Bibliothek der Dinge zu gestalten, damit sie das volle Potenzial ausschöpfen könnte? Und was ist unter „volles Potenzial“ überhaupt zu verstehen? Bestand die Antwort auf die erste Kluft in der Identifikation eines bestimmten Service, geht es nun um die Gestaltung eben dieses Service, um diese zweite Kluft schließen zu können. Das vorige Kapitel endete mit der Erkenntnis, dass manche Betreiber von Bibliotheken der Dinge realisiert haben, dass sie ihren Service verbessern müssen, um mehr Mitglieder gewinnen zu können. In diesem und dem nächsten Kapitel geht es auch darum, wie ihnen dies gelingen kann – und nur wenn diese zweite Kluft überbrückt wird, wird auch die erste Kluft geschlossen. Dazu ist es erforderlich, eine Nutzungsrate von etwa 25 Prozent der Bewohner in einem Quartier oder in einer Stadt zu erreichen. Aktuell sind es, wie erwähnt, im Durchschnitt neun Prozent (vgl. Kapitel 2.5). Warum ca. 25 Prozent? Centolaet et al. (2018) konnten in verschiedenen Experimenten wiederholt zeigen, dass innerhalb einer Gruppe aus Individuen ein Schwellenwert von ungefähr 25 Prozent erreicht sein muss, damit sich in ihr oder in einer Gesellschaft eine Einstellung oder Verhaltensweise ändert. Dieser Schwellenwert kann damit als „kritische Masse“ bezeichnet werden. Sobald eine Minderheit diesen Schwellenwert von 25 Prozent erreichte, „kippte“ die Gruppe, änderte sich die Gruppendynamik schlagartig und die Mehrheit der Gruppe übernahm sehr schnell die neue Norm. Dies war in Experimenten sogar dann der Fall, wenn die Belohnungen für die Beibehaltung der etablierten Verhaltenswei8
Diese Zahl setzt in Relation, wie viele Menschen im Umfeld von 1km um die Bibliothek der Dinge wohnen in Bezug zur aktuellen Mitgliederzahl. Diese Zahl ist nur ein theoretischer Annahmewert, da nicht alle Nutzer im Einzugsgebiet wohnen. Eine Differenzierung ist aufgrund der Datenlage nicht möglich. Zudem fällt diese theoretisch ermittelte Zahl vermutlich höher aus als sie in der Praxis ist, da die quantitativ ausgewerteten Datensätzen von drei Standorten eine wahrscheinlich niedrigere Bevölkerungsdichte rund um den Standort der Bibliothek der Dinge aufweisen (im Vergleich zu den vorliegenden gesamtstädtischen Daten). Diese Standorte wurden zur Ermittlung dieses Wertes nicht berücksichtigt. Dadurch entstehen Verzerrungseffekte, die nicht beseitigt werden können, wohl aber in der Interpretation der Daten berücksichtigt werden müssen.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
se erhöht wurden. Folglich kann angenommen werden, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Bibliotheken der Dinge rasch zunimmt, sobald die Nutzungsrate diesen Wert erreicht: Nutzen ca. 25 Prozent der Einwohner eines Quartiers oder einer Stadt diesen Service, müssten es folglich sehr bald mehr als die Hälfte tun. Das „volle Potenzial“ besteht also notwendigerweise im Erreichen dieser 25-Prozent-Marke. Angenommen, Ding-Bibliotheken erreichen diesen Schwellenwert – was wäre zu erwarten? Bislang wurden Werkzeug-Bibliotheken und Bibliotheken der Dinge synonym beschrieben und analysiert und in vielerlei Hinsicht ist das sinnvoll, bei dieser Frage aber könnte es nun einen Unterschied machen, ob jener kritische Wert von einer Tool Library oder einer Library of Things überschritten werden kann: Schafft es eine Bibliothek der Dinge, die (Alltags-)Gegenstände aus verschiedenen Produktkategorien bereitstellt, kippt die Akzeptanz, so dass die Mehrheit der Einwohner eines Quartiers das vielfältige Sharing-Angebot nutzt und dadurch die gegebene, bislang zumeist als selbstverständlich erachtete kollektive Konsumpraxis zu hinterfragen beginnt. Die Hinterfragung des zuvor Gewohnten lässt sich bei den Nutzern von Tool Libraries beobachten – oft aber nur hinsichtlich des Konsums von Werkzeugen, nicht auf den Konsum im Allgemeinen. Nutzer von Tool Libraries stellen fest, wie unsinnig die bisherige Konvention ist, Werkzeuge auch dann zu kaufen, wenn man sie relativ selten nutzt oder sperrige Werkzeuge auch dann zu besitzen, wenn man viel Stauraum benötig, um sie auf bewahren zu können. Sie stellen fest, dass man für den Preis eines größeren Werkzeugs (d.h. die jährliche Mitgliedsgebühr) Zugang zu hunderten Werkzeugen haben kann – und dass dies ein immenser Vorteil ist. „Most people they come in and look around and happen to talk to someone. And then they are like: How does this even exist?! Is this possible? I haven’t thought this would work! I had this idea - so many people said that.“ (Toronto, Ryan) Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass von Tool Libraries ein Spill-over-Effekt auf das Sharing von Gebrauchsgegenständen im Allgemeinen ausgehen kann, wie Betreiberinnen verschiedener Tool Libraries vermuten: N: „Do you think you change the user habits of the people? Or even the attitude of some people?” B: „Yes. I would definitely think to some it’s a brand new concept and oh my god, it’s brilliant. Oh, and I would have never thought about you could borrow also tools instead of books. So, for them it would definitely be a change of habit and raising awareness for it. But others come because they live a certain lifestyle. You know, very environmentally conscious. I only buy used items. I try to keep my carbon footprint as low as possible. So, I think we help establish alternative ownership models, simply by us being there. This brings awareness to the
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whole sharing economy and to collaborative consumption.” (Bettina, Ottawa Tool Library) N: „Do you think that the TL can help to establish alternative ownership models in our society? R: I think so. […] People come in and see this model and think this would be great for instruments. So, I think it has already raised awareness for borrowing economy / sharing economy.” (Toronto, Ria) Ein solches Umdenken ist natürlich auch bei Nutzern von Bibliotheken der Dinge zu erwarten – und hier direkt in Bezug auf das gesamte Konsummodell. „As soon as you introduce this idea to someone, they would say this makes so much sense. Nobody would say oh that doesn’t make any sense.” (Toronto, Kevin) Sollten Bibliotheken der Dinge folglich den Schwellenwert von 25 Prozent realisieren und dies nicht nur in einem Quartier oder einer Stadt, sondern in vielen, dann wird „Nutzen statt besitzen“ nicht nur zu einer Alternative zum bisherigen „Nutzen durch besitzen“, sondern, zur ersten Option – einfach, weil es überzeugt, weil „es einen Sinn ergibt“. Um diesen Wert jedoch zu erreichen, muss eine Bibliothek der Dinge entsprechend nutzerfreundlich gestaltet sein – und dafür müssen wiederum bestimmte Bedingungen gegeben sein, die es zu identifizieren gilt. Und wenn sie identifiziert worden sind, schließt sich die Frage an, wie sie in die Praxis umgesetzt werden können. Damit wird die Gestaltung der Dienstleistung einer Bibliothek der Dinge folglich entscheidend, wenn es einmal um die Expansion der Share Economy geht und zum anderen, um die Verringerung des konsumbedingten Energie- und Ressourcenverbrauchs. Diese Argumentation impliziert die bislang nur teilweise und auch nur in ökologischer Hinsicht belegte These, Bibliotheken der Dinge hätten positive externe Effekte. Um dieser wünschenswerten Effekte willen, so die These weiter, lohne es sich, darüber nachzudenken, wie ihr Service verbessert und der eben genannte Tipping Point von 25 Prozent erreicht werden könnte. Doch ist dem so? In diesem Kapitel steht folglich zunächst die Frage im Vordergrund, ob, und wenn ja, welche sozialen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen eine Bibliothek der Dinge hat und wie diese gemessen werden können. Erst wenn diese erwiesen sind, wird es legitim, über eine Optimierung ihrer Gestaltung nachzudenken. Neben ökologischen Entlastungseffekten sollten durch Bibliotheken der Dinge auch soziale Entlastungseffekte zu erwarten sein. Wie im vorigen Kapitel zu lesen war, sind Produkte durch ihre massenhafte Produktion günstig geworden, zugleich hat die globale Kauf kraft zugenommen, sind also so viele Menschen wie nie zuvor Teil der globalen Konsumentenklasse – und eben dies ist ein wesentlicher Grund für den erheblich angestiegenen Energie- und Ressourcenverbrauch
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
seit den 1950ern und dann erneut seit den 1990ern. Seit 1990 ist die globale Kaufkraft wie nie zuvor in der menschlichen Geschichte gestiegen. Diese Entwicklung täuscht jedoch darüber hinweg, dass der so genannte globale Reichtum geografisch und gesellschaftlich ungleich verteilt ist – und das auch in den wohlhabenden Ländern. Wie die Europäische Zentralbank in einer Studie zur sozialen Ungleichheit feststellte, besitzen die Top 10 Prozent der Bürger und Bürgerinnen EU-Europas rund 50 Prozent des Nettogesamtvermögens, was impliziert, dass sich die zweite Hälfte des Vermögens auf 90 Prozent aller EU-Europäer aufteilt. Aber selbst diese Ungleichheit verhüllt noch, dass in Deutschland, einem der reichsten Länder der Erde, der Wohlstand so ungleichmäßig verteilt ist, dass 40 Prozent der Deutschen fast kein Erspartes haben. Von ihnen haben die untersten 20 Prozent überhaupt kein Erspartes und die untersten fünf Prozent davon sind überdies sogar verschuldet (EZB 2016, Grabka & Westermeier 2014). Das bedeutet, dass etwas weniger als die Hälfte der Deutschen kaum oder kein Geld haben, auf das sie sich im Alter verlassen, womit sie sich gegen Krankheit absichern oder in die Bildung und Zukunft ihrer Kinder investieren können. Die in der Einleitung erwähnte und voraussichtlich bevorstehende weitgehende Automatisierung der Arbeitswelt dürfte dieses Problem in den 2020ern und mehr noch in den 2030ern verschärfen. Der Sozialstaat kann diesen Missstand nicht ausgleichen, zumindest teilweise kompensieren können sollte ihn jedoch eine Bibliothek der Dinge. Natürlich kann sie nicht die Ursachen der Ungleichheit angehen, doch manche ihrer Symptome: Indem jene, die fast kein Vermögen ansparen konnten, weniger Geld für den Konsum von Dingen ausgeben müssen, so sie die Angebote einer Bibliothek der Dinge nutzen, bleibt ihnen mehr Geld, auf das sie beispielsweise im Krankheitsfall zurückgreifen können. Dazu müsste jedoch belegt werden, dass von einer Bibliothek der Dinge de facto finanzielle Entlastungseffekte ausgehen. Und tatsächlich wird sich zeigen, dass dieses Motiv für die Nutzer und Nutzerinnen das wichtigste ist. Nun lassen sich die Auswirkungen einer Bibliothek der Dinge empirisch belegen, wenn ein passender Katalog von Indikatoren zur Verfügung steht, der die angenommenen Wirkungsbereiche erfassen kann. Allerdings sind Bibliotheken der Dinge ein neuer Service und ein Indikatoren-Katalog, der sich passend auf sie übertragen ließe, existiert noch nicht. So muss im Rahmen dieser Arbeit eine solcher erstellt werden. Dafür wird in diesem Kapitel folgendermaßen vorgegangen:
Struktur von Kapitel 2 ݥܛErklärung der Fallstudienauswahl und Darlegung der angewandten Untersuchungsmethoden.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
ݥܛHerausarbeitung der Kerncharakteristika einer Bibliothek der Dinge (Kapitel 2.2): Grundlegend für die Erstellung eines Indikatoren-Kataloges, der die Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge darstellen kann, ist die Bestimmung des gemeinsamen Nenners der verschiedenen „Bibliotheks“-Varianten, die sich bislang gegründet haben: Tool Libraries, Toy Libraries, Libraries of Things; solche Libraries, die nur ihre Nachbarschaft bedienen, andere, die eine ganze Stadt versorgen wollen; solche, die nur von Ehrenamtlichen betrieben werden und wieder anderen in denen Angestellte Vollzeit arbeitend sind; solche, die nur an wenigen Tagen in der Woche geöffnet haben und andere, die beispielsweise die Öffnungszeiten einer Bücherei haben. Um zum gemeinsamen Nenner zu gelangen, müssen drei verschiedene Aspekte der Bibliothek der Dinge analysiert werden. Erstens: Die Akteure. Die involvierten Akteure und die jeweiligen Rahmenbedingungen am Standort (hierzu wird eine Stakeholdermap erstellt). Zweitens: die Funktionsweise der Bibliotheken der Dinge. Beschreibung der Bibliothek der Dinge als Produkt-Service-System, um das dahinterliegende Konzept zu identifizieren. Drittens: das Geschäftsmodell. Die Beschreibung des Modells, das hinter dem Angebot von Bibliotheken der Dinge steht (Darstellung mit Hilfe des Business Model Canvas). ݥܛErmittlung der empirischen Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge (Kapitel 2.3): Anhand einer selbst durchgeführten qualitativen wie quantitativen Fallstudie, der Edinburgh Tool Library (ETL) und mit Ergänzung von Erfahrungsberichten aus weiteren Standorten, werden empirische Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge ermittelt. Die ETL wurde deshalb als primärer Analysestandort gewählt, da sie eine Initiative ist, die sich innerhalb sehr kurzer Zeit von einer kleinen, mit nur einem temporären Standort, hin zu einer kontinuierlich wachsenden Initiative mit mittlerweile vier Standorten entwickelt hat und das Ziel verfolgt, möglichst viele Menschen zu erreichen. Zudem hat die Analyse 38 weiterer Standorte ergeben, dass die ETL eine Initiative ist, die derzeit der durchschnittlichen Bibliothek der Dinge sehr nahe kommt, was sie zu einem passenden Beispiel werden lässt (siehe Abbildungen 37, 38, 39, 40). ݥܛVerallgemeinerung der Ergebnisse (Kapitel 2.4): Die in Kapitel 2.2 beschriebenen Effekte werden nun mit möglichen Indikatoren hinterlegt, so dass Auswirkungen auch anderer Bibliotheken der Dinge anhand dieser Indikatoren künftig beschrieben und gemessen werden können. ݥܛAnalyse der zweiten Kluft von Bibliotheken der Dinge (Kapitel 2.5 und 2.6): Es wird deutlich, dass es bei der ETL und anderen Ding-Bibliotheken eine Kluft zwischen der zum Zeitpunkt der Untersuchung tatsächlichen Nutzungsrate bzw. Durchdringung des Quartiers und der potenziell möglichen Durchdringung gibt. Bislang wird der angestrebte Kipppunkt einer 25-prozentigen Nut-
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
zungsrate selten erreicht. Das heißt, dass auch die erwartbaren Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge hinter ihrem Potenzial zurückbleiben. Welches sind die Ursachen bzw. Barrieren hierfür? Nach der Beschreibung der Kluft anhand der Daten von insgesamt 39 Standorten erfolgt die Identifikation der Barrieren mithilfe von vier weiteren Fallstudien an den Standorten in Ottawa und Toronto. ݥܛZusammenfassung der Herausforderungen, mit denen Bibliotheken der Dinge sich konfrontiert sehen: Um im nächsten Kapitel eine Antwort auf die Frage geben zu können, wie die identifizierten Barrieren überwunden werden können, werden abschließend alle Erkenntnisse als Herausforderung an das Geschäftsmodell einer Bibliothek der Dinge formuliert. S T A T U S Q U O A N A LY S E Beschreibung des Konzeptes: Stakeholder Map Produkt-Service System / Business Model Canvas FA L L S T U D I E EDINBURGH TOOL LIBR ARY
FA L L S T UDI E N W E I T E R E S TA N D O R T E Instrumente: Auswertung von myTurn-Datensätzen
Instrumente: Desk Research / Experteninterviews / Nutzerbefragung ABLEITUNG EINES I N D I K AT O R E N S E T S
Q U A L I TAT I V Q U A N T I TAT I V Inventar ANBIETER NUTZER Ausleihen Barrieren Motivation Auslastung Treiber Rebound Reichweite HerausBenefit forderungen
um Standorte bzgl. ihrer externen Effekte vergleichen zu können
K LU FT
Q U A N T I TAT I V 3 9 S TA N D O R T E Inventar / Ausleihen Auslastung / Reichweite
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Empirisch messbare Auslastung versus theoretisch möglicher Auslastung U N T E R S U C H U N G VO N KLU F T 2
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Instrumente: Experteninterviews / Nutzerbefragung / Love & Hate Letter / Sekundärquellen Q U A L I TAT I V Mentalitäten und Standorte / Finanzielle Barrieren / Personal / Öffnungszeiten / Beschaffenheit der Produkte
BIBL IOTH E K E N DER DI N GE I N DE R PR AX IS Forschungsdesign zu r Ana lyse de s St at us Q uo
O P T I M I E R U N G S B E D A R F, UM KLUFT 2 ZU SCHLIESSEN
Das Konzept der Bibliothek der Dinge benötigt Anpassungen, um das theoretisch mögliche Potenzial auszuschöpfen.
Abb. 8: Forschungsdesign zur Analyse des Status Quo Die Leistung dieses zweiten Kapitels ist es, (1.) die vielfältigen Effekte von Bibliotheken der Dinge aufzudecken, (2.) die Kluft zwischen ihrem theoretisch mögli-
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chen und praktisch erreichtem Potenzial zu identifizieren und (3.) die Barrieren zu benennen, die überwunden werden müssen, wenn die kritische Masse in ihrem Einzugsgebiet erreicht werden soll. Anschließend wird in Kapitel 3 das Instrumentarium des Designs vorgestellt, um Lösungskonzepte zu entwickeln, damit jene Barrieren umgangen werden können.
Fallstudienauswahl und -auswertung Da in diesem Kapitel zu unterschiedlichen Zwecken unterschiedliche Fallstudien untersucht werden, wird an dieser Stelle vorab erklärt, warum diese (und nicht andere) Fallstudien ausgewählt wurden und welche Methoden zu ihrer Untersuchung angewandt wurden. Einerseits wurden fünf Standorte qualitativ und detailliert untersucht, andererseits wurden ergänzend quantitative Daten von insgesamt 39 Standorten ausgewertet (die quantitativen Daten der fünf Fallstudien und weitere 34 Datensätze). Die untersuchten Standorte verteilen sich auf Nordamerika, Großbritannien und Mitteleuropa, da sich hier weltweit die meisten Standorte befinden (siehe Abbildung 9).
Abb. 9: Standorte der Fallstudien (qualitativ & quantitativ). Zu sehen sind die drei Städte der fünf qualitativen Fallstudien (hellgau) und die Standorte der quantitativen Fallstudien (dunkelgrau) In der folgenden Abbildung 10 sind die Daten der insgesamt 39 sehr unterschiedlichen Standorte gelistet. Die Bereitstellung der Daten erfolgte aus datenschutzrechtlichen Gründen in anonymisierter Form und es lassen sich neben dieser
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Auf listung im weiteren deshalb keine Verbindung einzelner Datensätze zu den unterschiedlichen Standorten machen.
Überblick über alle Standorte, deren Daten quantitativ ausgewertet werden. Stadt
Land
Art
Durchschnitt Edinburgh Baltimore Bloomington Brüssel Buffalo Calgary Carbondale Cedar Rapids Cleveland Heights Columbus Denver Edmonton Eugene Frome Guelph Honolulu Les Ponts-de-Cé Minneapolis Missoula Montreal Ottawa Pemberton Peterborough Portland, Maine Prag Safety Harbor Saskatoon Seattle I Seattle II Seattle III Stirling St. John’s Toronto Toronto Toronto Vancouver Vashon Victoria Waterloo Wellington
UK USA USA BEL USA CAN USA USA USA USA USA CAN USA UK CAN USA FRA USA USA CAN CAN CAN CAN USA CZ USA CAN USA USA USA UK CAN CAN CAN CAN CAN USA CAN CAN NZ
TL TL TL TL TL TL TL TL TL TL TL TL TL LOT TL TL TL TL TL TL TL TL TL TL LOT TL LOT TL TL TL TL TL LOT TL TL TL TL TL LOT TL
Bevölkerungsdichte in Personen / km2
Personen im Einzugsgebiet: r = 1km
2.209
6.943
3.140 2.936 1.652 7.348 6.436 2.111 67 715 2.196 1.579 1.744 1.855 1.587 4.367 1.403 613 620 2.690 2.300 4.671 317 217 1.261 1.219 4.600 1.329 1.080 3.242 3.242 3.242 43 244 4.149 4.149 4.149 5.507 105 4.359 1.520 658
9.859 9.224 5.190 23.087 20.221 6.632 210 2.246 6.899 4.961 5.479 5.828 4.986 13.271 4.408 2.091 1.948 9.178 7.226 14.676 1.081 740 3.962 4.159 15.695 4.175 3.684 11.061 11.061 11.061 135 766 14.119 14.119 14.119 18.789 358 13.695 5.186 2.068
Abb. 10: Überblick über alle Standorte, deren Daten quantitativ ausgewertet wurden
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Qualitativ untersuchte Fallstudien Um einzelne Standorte detailliert untersuchen zu können, wurde ein qualitatives, vor allem auf Interviews und Fragebögen basierendes Forschungssetting mit fünf Fallstudien gewählt (siehe Abbildung 10, hellgraue Standorte, wobei die Toronto Tool Library mit drei Standorten vertreten ist). Eine qualitative Vorgehensweise ermöglicht es, Bibliotheken der Dinge aus der Perspektive der Beteiligten wahrzunehmen (vgl. Cropley 2011). Vorab wurden keine Hypothesen zu möglichen Motiven aufgestellt, um den Forschungsprozess offen zu gestalten. Erst während der Auswertung und im Nachhinein wurden sie aus den Erhebungsdaten abgeleitet (vgl. Cropley 2011). Eine qualitative Herangehensweise ermöglicht eine f lexiblere Datenerhebung (vgl. Guest et al. 2012), die individuell und spontan an die jeweilige Erhebungssituation anpasst werden kann, um so viele Erkenntnisse wie möglich zu generieren. Als Forschungsmethoden für den qualitativen Teil wurden je nach Zielgruppe ein oder mehrere unterschiedliche Ansätze gewählt (semi-strukturierte Fragebögen, semi-strukturierte Interviews, Love & Hate-Letter, teilnehmende Beobachtung), um mögliche Verzerrungseffekte zu umgehen und um zu einer empirischen Sättigung gelangen zu können. Da die Auswahl der Fallstudien ein entscheidender Schritt ist – durch sie soll schließlich die größtmögliche Bandbreite an Erkenntnissen erzielt werden –, wurde Wert darauf gelegt, unterschiedliche Beispiele auszuwählen, d.h. nicht allein durchschnittliche und normale, sondern, die Datenlage betreffend, auch extreme Beispiele. Die Anzahl der Standorte lag dabei mit fünf in einem angemessenen Bereich (Eisenhardt 1989). Folgende Standorte wurden selektiert: Edinburgh ist ein Standort einer Tool Library, der als Einmann-Unternehmen gestartet ist. Ottawa ist ebenfalls eine Tool Library und ein Standort, der zum Untersuchungszeitpunkt noch keine Werkstatt als Ort der Vergemeinschaftung aufzuweisen hatte. In Toronto wurden gleich drei Standorte untersucht – zum Zeitpunkt der Forschung hat keine einzige Großstadt mehr Standorte, deren Betreuung in der Verantwortung ein und desselben Teams liegt, was Toronto einzigartig macht (und weltweit gab es derzeit neben Toronto nur in Seattle mehr als drei Standorte von Werkzeugbibliotheken in einer Stadt). Dabei handelt es sich in Toronto um Bibliotheken der Dinge sowie Tool Libraries. Die Quartiere, in denen sie sich befinden, sind sehr unterschiedlich (siehe Quartiersbeschreibung der Fallstudien im Anhang). Die Heterogenität der Fallbeispiele verbessert die anschließende Verallgemeinerbarkeit, ihre Homogenität hingegen erhöht die interne Validität (Yin 1994). Um eine inhaltliche Repräsentativität (Lamnek 2005) zu erreichen, wurden Interviewpartner so gewählt, dass sie auf die zu beantwortenden Fragen aufgrund ihrer Erfahrung und Vertrautheit mit der jeweiligen Initiative die Kompetenz hatten, fundierte Informationen liefern zu können (Misoch 2015: 186). So
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wurden im Rahmen von Vor-Ort-Erhebungen sowohl Betreiber als auch Nutzer des Standortes in Form von semi-strukturierten Interviews (Nutzer) beziehungsweise leitfadengeführter Interviews (Anbieter und ehrenamtlich Tätige) befragt. Zusätzlich wurden für diese detaillierten Fallstudien auch die quantitativen Daten, die durch die Nutzung einer Katalogisierungssoftware zur Verfügung standen, zur Auswertung herangezogen. Durch dieses zweigleisige Vorgehen wurde eine möglichst tiefe Durchdringung der Fallstudien angestrebt, um Ansatzpunkte für Interventionen zu identifizieren. Als die Feldphase 2016 geplant wurde, existierten ca. 100 online auffindbare Tool Libraries und Libraries of Things (vgl. Abbildung 7: Anzahl von Bibliotheken der Dinge weltweit), die den folgenden Kriterien entsprachen, um für diese Studie berücksichtigt zu werden: ݥܛDie Initiativen mussten bereits in der Nachbarschaft etabliert sein, d.h. die Initiativen sollten ein gewisses Maß an Verstetigung und Diffusion erreicht sowie ein umfangreiches Angebot an Gegenständen im Inventar haben, das den Anforderungen gerecht werden kann (mindestens 300 Mitglieder, ein gefestigter Stamm an Ehrenamtlichen und sie sollten bereits länger als ein Jahr geöffnet sein). ݥܛDie Initiativen mussten Interesse und Offenheit für eine Beforschung äußern. ݥܛDie Initiativen sollten eine Katalogisierungssoftware verwenden, um auch Zugriff auf die quantitativen Daten zu erhalten. ݥܛDas Verhältnis von Werkzeugbibliotheken zu Ding-Bibliotheken sollte dem im Untersuchungszeitraum bestehenden Verhältnis möglichst nahe kommen: So werden an allen Standorten Werkzeuge angeboten, an zwei Standorten (in Toronto) sind aber zusätzlich auch Dinge jeglicher Art inventarisiert. Das entspricht dem realen Verhältnis von drei Werkzeugbibliotheken zu einer Bibliothek der Dinge. Da alle Bibliotheken der Dinge auch Werkzeugbibliotheken und prinzipiell wie diese organisiert sind und vergleichbare Probleme haben, verwässert die Integration von Tool Libraries nicht die Erkenntnisse, die diese Arbeit über Bibliotheken der Dinge gewinnen möchte – im Gegenteil: Da es zurzeit weltweit mehr Werkzeugbibliotheken als Ding-Bibliotheken gibt, ist der auszuwertende Datensatz größer und informativer geworden. ݥܛDa es in dieser Arbeit vor allem um die Frage geht, wie alle, bzw. möglichst viel Menschen Zugang zu einem solchen Angebot erhalten können, sollen die Initiativen eine Affinität zu Wachstum und Etablierung auch über die eigene
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Quartiersgrenze hinaus aufweisen.9 ݥܛDie Besuche mussten innerhalb des Forschungskontextes realisierbar sein (zeitlicher und finanzieller Aufwand), ݥܛDie Initiativen sollten nicht in den Vereinigten Staaten liegen (Aufgrund meines kulturellen Hintergrundes hätte ein Besuch der USA wegen der Einreisepolitik des zu dieser Zeit aktuellen Präsidenten D. Trump massiv erschwert werden können.)
Überblick über qualitative Fallstudien Name & Angebot
seit
Mitglieder
Primärquellen
Sekundärquellen
Edinburgh Tool Library Tool Library / Werkstatt
2014
+566
semi-strukturierte Fragebögen semi-strukturierte Interviews
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
Ottawa Tool Library Tool Library / Werkstatt
2015
+700
semi-strukturierte Fragebögen semi-strukturierte Interviews Brainstorming Poster love & hate letter
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
+4000
semi-strukturierte Fragebögen semi-strukturierte Interviews
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
Toronto Tool Library _Parkdale Tool Library _Danforth Tool Library / Werkstatt Sharing Depot _Hilcrest Tool Library / Werkstatt Sharing Depot
2011 2013 2017
Abb. 11: Überblick über die Fallstudien und die jeweils erhobenen Daten
Quantitativ untersuchte Fallstudien Die Auswahl der Standorte für die quantitativen Daten folgte zweier Vorgaben: Erstens sollte das Verhältnis von Bibliothek der Dinge zu Werkzeugbibliothek erneut und aus dem gleichen Grund dem gegenwärtigen Verhältnis entsprechen, nach dem Tool Libraries (rd. 75 Prozent) häufiger als Bibliotheken der Dinge (rund 25 Prozent) sind. Das liegt vermutlich daran, dass die meisten dieser Bibliotheken 9
Dieses Kriterium soll in keiner Weise diskreditierend gegenüber all den Initiativen sein, die sich erfolgreich innerhalb ihrer Straße oder ihres Quartiers etablieren und etabliert haben. Diese Orte stellen die notwendigen Erfahrungs- und Experimentierräume für neuartige Konzepte dar und sind in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Für diese Arbeit allerdings sind vor allem die Akteure interessant, die sich bereits mit einer weiteren Verstetigung über den eigenen Radius hinaus auseinandergesetzt haben, um Möglichkeiten über die Verbreitung des Konzeptes zu erschließen.
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in angelsächsischen Ländern gegründet wurden, in denen Menschen im Durchschnitt häufiger als z.B. in Deutschland in einem Eigenheim leben und dieses instand halten müssen. So wurden fünf Datensätze von Bibliotheken der Dinge und 34 Datensätze von Werkzeugbibliotheken ausgewertet. Zweitens sollten Standorte unterschiedlichster Orte abgebildet werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können die Standorte im Rahmen dieser Arbeit benannt, aber nicht mit den dazugehörigen Datensätzen verknüpft werden. Im Gegensatz zu den fünf Fallstudien wurden diese weiteren 34 Standorte nicht besucht. Das Einverständnis zur Veröffentlichung, wie es bei den fünf Fallstudien vorliegt, begrenzt sich für diese weiteren Standorte auf die anonymisierte Nutzung der Daten zu Forschungszwecken.
Qualitativ befragte Experten Die Fallstudien ergänzend wurden Experteninterviews durchgeführt sowie Sekundärquellen von anderen Standorten zur Analyse hinzugezogen, um ein möglichst umfassendes Bild der Bewegung zu erhalten. Die Interviews wurden teilweise vor Ort bei den Initiativen geführt, teilweise via Skype.
Überblick über Expertengespräche Name & Initiative
Primärquellen
Sekundärquellen
Status der Daten
Olivier Beys Thomas Opsomer Tournevie (Brüssel) Tool Library
semi-strukturierte Interviews Gedächtnisprotokoll Gespräche
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
Expertengespräch
Lisa Carpentier La Remise (Montreal) Tool Library
semi-strukturierte Interviews Gespräche
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
Expertengespräch
Piper Watson Station North (Baltimore) Tool Library
semi-strukturiertes Interview Gespräche
Homepage Interne Dokumente
Expertengespräch
Gene Homicki myTurn CEO Lending Software
Gespräche
Homepage Online Recherche Interne Dokumente
Expertengespräche
Abb. 12: Überblick über alle Expertengespräche
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Forschungsinstrumente Den inhaltlich und argumentativ aufeinander folgenden Gliederungspunkten des dritten Kapitels sind methodisch verschiedene Forschungsinstrumente und -tools zugeordnet. Durch sie sollen die jeweils erforderlichen Daten erhoben werden.
Tool 1: StakeholderMap Wird angewendet in Kapitel 2 und Kapitel 3, um zum einen bestimmte Kerncharakteristika von Bibliotheken der Dinge herausarbeiten zu können und zum anderen, um Vorschläge aufzuzeigen, die der Schließung der zweiten Kluft dienen könnten. Eine StakeholderMap ist eine visuelle Darstellung aller beteiligten Gruppen und Akteure an zum Beispiel einem Service, einem Projekt oder einem Geschäftsmodell (Stickdorn & Schneider 2011, Martin & Hanington 2012, Curedale 2016). Durch die Darstellung aller Akteure in Korrelation zueinander können Beziehungen dargestellt, Handlungen offengelegt und Abhängigkeiten aufgedeckt werden. Diese Darstellung kann zum Beispiel dann hilfreich sein, wenn Interessen verschiedener Akteure miteinander abgeglichen, Probleme analysiert oder komplexe Zusammenhänge dargestellt werden sollen. Im Rahmen dieser Arbeit dient die StakeholderMap letztlich dazu, alle relevanten Stakeholder zu identifizieren, deren Abhängigkeiten zu- und voneinander aufzuzeigen und dadurch zu verstehen, wer bei einer Überarbeitung des Konzeptes wie beteiligt werden kann beziehungsweise muss. Die Visualisierungen können je nach Bedarf sehr unterschiedlich ausfallen.
Tool 2: Business Model Canvas Bestehende Bibliotheken der Dinge sollen analysiert und zudem soll der Entwurf neuer Bibliotheken der Dinge ermöglicht werden (vgl. Kap. 2.2/3/5 und Kap 3.4/5). Dazu bietet sich die Anwendung eines Geschäftsmodelles an. Wirtz et al. (2015: 41) haben den Sinn und Zweck dieses Werkzeuges wie folgt vereinheitlicht definiert: „A business model is a simplified and aggregated representation of the relevant activities of a company. It describes how marketable information, products and/ or services are generated by means of a company’s value-added component. In addition to the architecture of value creation, strategic as well as customer and market components are taken into consideration, in order to achieve the superordinate goal of generating, or rather, securing the competitive advantage. To fulfill this latter purpose, a current business model should always be critically regarded from a dynamic perspective, thus within the consciousness that there may be the
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need for business model evolution or business model innovation, due to internal or external changes over time.“ Ein Business Modell bietet sich folglich an, um sowohl bestehende Bibliotheken der Dinge zu analysieren, als auch künftige zu planen und auch laufende weiterzuentwickeln. Unter den verschiedenen möglichen Ansätzen hat sich das Business Model Canvas [BMC] in den letzten Jahren stark verbreitet (Osterwalder & Pigneur 2011). Aufgrund seines sehr plakativen Auf baus und seiner Strukturierung eignet es sich gut, um das Geschäftsmodell einer Bibliothek der Dinge zu vereinfachen und darzustellen. Der Auf bau eines BMC ist in Anhang 06 einzusehen.
Tool 3: Anbieterbefragung / Experteninterviews Semi-strukturierte Interviews wurden mit Betreibern durchgeführt, um tiefere Einblicke in den Erfahrungsschatz von Experten zu erhalten (vgl. Kap 2.3/6 und Kap 3.4). Das für die Strukturierung der Interviews erarbeitete Vorwissen ermöglichte die Befragung so zu lenken, dass rasch tiefe Einsichten gewonnen werden konnten. Die nur semi-strukturierte Herangehensweise wurde gewählt, da die Interviews anpassungsfähig sein sollten und gesteuerte Eingriffe vom Interviewer jederzeit möglich sein sollten, um vertiefende Einblicke zu gewinnen. Die befragten Betreiber der neuartigen Bibliotheken machten den Ablauf einfach, da sie gerne und bereitwillig über ihre Erfahrungen redeten und es in ihrem Sinne war, ihre Erfahrungen zu teilen, damit andere Initiativen aus bereits gemachten Fehlern lernen können. Die sprachliche Barriere war spürbar vorhanden, zuweilen aber von Vorteil, denn manche Nachfragen führten dazu, dass der Interviewte die Aussage erneut ref lektierte und die Antwort dann präzisierte. Im Rahmen dieser Arbeit wurden insgesamt 19 halbstrukturierte Interviews mit Gründern und freiwilligen Mitarbeitern an verschiedenen Standorten durchgeführt. Die durchschnittliche Länge der Interviews betrug 60 Minuten (Range: 10 Min bis 240 Min). Dabei ist festzuhalten, dass die längeren Gespräche mit den Gründern stattfanden, da diese stärker in das Konzept eingebunden sind und auch die weitere Entwicklung stärker im Fokus hatten, als die Freiwilligen, die einen Teil ihrer Freizeit bereitwillig opfern, da sie die Idee gut finden aber nicht zwingend an der Vision für die künftige Entwicklung beteiligt waren. Die Fragen, die in diesen Interviews aufgeworfen wurden, konzentrierten sich auf 1) die individuelle Motivation der Befragten zu ihrer Teilnahme bzw. Gründung, 2) die Wahrnehmung des Einzelnen über die aktuelle Leistung ihrer Bibliothek, 3) die Positionierung ihrer Bibliothek in der Gesellschaft sowie 4) mögliche Barrieren für dieses Konzept (Leitfaden im Anhang 03). Die Interviews wurden aufgezeichnet, mit MaxQDA transkribiert und anschließend kodiert und analysiert. So sehr
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bei der Erhebung der Daten möglichst viel Flexibilität gewünscht wurde, so wurde bei der Auswertung auf den immer gleichen Ablaufplan geachtet, um eine nachvollziehbare Struktur zu gewährleisten (vgl. Mayring 2010). Angewendet wurde ein thematischer Analyseansatz zur Interpretation von qualitativen Interviewdaten. Die Thematische Analyse ist ein Ansatz der qualitativen Forschung, bei dem Muster nicht passiv aus den Daten hervorgehen. Vielmehr wählen die Forscher aktiv die Muster aus, die für sie von Interesse sind (Braun & Clarke 2006). Anfangs wurden erste Codes durch einen induktiven Ansatz erstellt und im Laufe des Arbeitsprozesses zu verschiedenen übergreifenden Themen kombiniert.
Tool 4: Nutzerbefragung Um ein Gesamtbild zu erhalten, wurden auch Nutzer der untersuchten Bibliotheken befragt: über ihre Motivation zur Nutzung der Bibliothek, ihre dabei gemachten Erfahrungen und ihre Verbesserungsvorschläge (vgl. Kap. 2.3/6 und Kap. 3.4). Mittels semi-strukturierter Einzelgespräche wurden Nutzer verschiedener Standorte (n=82) befragt (Anhang 05). Der teilstrukturierte Leitfaden diente zur schnelleren Aufzeichnung der Antworten und wurde den Befragten nicht vorgelegt. Auf eine Tonaufnahme wurde verzichtet, um die Hemmschwelle für das Gespräch so gering wie möglich zu halten. Die Nutzer wurden vorab nicht extra zum Gespräch eingeladen, sondern es wurde mit den Nutzern gesprochen, die vor Ort waren, um möglichst authentische Informationen aus erster Hand zu erhalten. Die Reihenfolge der Themenblöcke wurde vom Interviewten bestimmt und wenn ein Teilbereich des Leitfadens nicht unaufgefordert zur Sprache kam, wurde das Gespräch in diese Richtung gelenkt. Ausgewertet wurden diese Gespräche wiederum mit der thematischen Analyse nach Braun & Clarke (2006). Ergänzend zu den Interviews wurden einige Nutzer-Online-Bewertungen des Standortes von Seattle zitiert.
Tool 5: Teilnehmende Beobachtung Die teilnehmende Beobachtung wurde gewählt, um die in den Interviews gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen (vgl. Kap. 2.3 und Kap. 3.4). Denn durch eine Teilnahme und direkte Erfahrung der Situation, können Aspekte des Handelns und Denkens beobachtbar werden, die allein in Gesprächen und Dokumenten über diese Interaktionen bzw. Situationen nicht zugänglich wären (Lüders 2003). Für den anschließenden Designprozess boten die synthetisierten Erkenntnisse Inspiration und Ansatzpunkte für die anschließende Gestaltung neuer Konzepte (Martin & Hannington 2012, Sommer & Sommer 2002, Zeisel 1981). Die Verweildauer vor Ort wurde stets so lange gewählt, dass sie weit über den Befragungs-
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zeitraum hinausging. Dadurch war es durch die teilnehmende Beobachtung möglich, ergänzende und erklärende Erkenntnisse zu sammeln.
Tool 6: User-Journey-Map Dabei handelt es sich um ein Tool, das Service-Designer zur Planung oder Verbesserung eines Services anwenden. Alle interviewten Personen wurden gebeten, entlang einer vorgegebenen User-Journey-Map festzuhalten, an welchen Stellen der Servicebereitstellung sie positive oder negative Erfahrungen gemacht hatten (Anhang 05 und vgl. Kap 2.3/6 und Kap 3.4). Dem Nutzer wird hierfür ein Zeitstrahl mit den einzelnen Stationen vorgelegt, die er während des Services durchläuft. Zu jeder Station soll der Nutzer seine Emotionen ref lektieren und unterhalb des Zeitstrahles anhand einer Skala (-- / - / 0 / + / ++) eintragen. Abschließend werden alle Emotionszustände miteinander verbunden und stellen in ihrer Gesamtheit das individuelle Erleben des bereitgestellten Service dar. Auf diese Weise kann bisher verborgenes Verbesserungspotenzial aufgedeckt und zur gleichen Zeit können auch die Aspekte identifiziert werden, die beibehalten werden sollten.
Tool 7: Love & Hate-Letter Das ebenfalls aus dem Service-Design stammende Tool „Love & Hate-Letters“, wurde 2009 von „The SmartDesign consulting Firm“ entwickelt. Eingesetzt wurde es hier bei der Erhebung der qualitativen Daten an zwei verschiedenen Standorten, um herauszufinden, wie Nutzer das Angebot der Bibliothek der Dinge wahrnehmen und um Verbesserungspotenziale zu identifizieren (vgl. Kap 2.3/6 und Kap. 3.4). Dabei handelt es sich um eine Datenerhebung, die auf geschriebenen Nachrichten der Nutzer basiert, die an die Bibliothek der Dinge adressiert sind. Dadurch wird aufgedeckt, was Nutzer am bereitgestellten Service wertschätzen beziehungsweise von ihm erwarten. Das Tool bringt Nutzer dazu, ihre Gedanken und Gefühle in einer zugänglicheren Art auszudrücken als es durch ein Interview oder eine Befragung üblicherweise der Fall ist (Martin & Hanington 2012). Nach diesen gewiss etwas spröden, doch aber notwendigen strukturellen und methodischen Hinweisen startet nun die eigentliche Untersuchung, indem zunächst das zu untersuchende Objekt – die Bibliothek der Dinge – bestimmt wird.
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2.2 Charakteristika von Bibliotheken der Dinge Die nun zu beantwortenden Kernfragen dieses Abschnitts lauten: Was genau ist eine Bibliothek der Dinge? Welche Kerncharakteristika hat sie? Der gemeinsame Nenner aller im Untersuchungszeitraum weltweit bestehenden Varianten ist folgender: Eine Bibliothek der Dinge ist ein von einem Netzwerk von Akteuren (ehrenamtlich oder entlohnt) bereitgestellter Zugang zu Gebrauchsgegenständen. Dieser Zugang ist für alle gegen einen geringen Mitgliedsbeitrag offen. Für einen vorab festgesetzten Zeitraum können Dinge entliehen, manchmal aber auch vor Ort benutzt werden. Alle bisherigen Formen von Bibliotheken der Dinge weisen zunächst diverse Unterschiede auf: 1. Die Öffnungszeiten variieren stark. 2. Das Angebot reicht von einem überschaubaren Leihpool, der von wenigen Nutzern gemeinschaftlich genutzt wird, über eine mögliche Vollausstattung an Werkzeugen für eine große Nutzergruppe bis hin zu Arbeitsplätzen vor Ort inklusive regelmäßig stattfindender Workshops und Schulungen. 3. Die Mitgliedsbeiträge variieren von ca. 20€/Jahr bis hin zu ca. 100€/Jahr für evtl. Premiummitgliedschaften. 4. Manche Standorte operieren nur mit ehrenamtlichen Mitarbeitern und befinden sich aufgrund finanzieller Engpässe permanent knapp vor einer möglichen Schließung, während andere Standorte überschüssiges Geld in neues Inventar oder gar in die Expansion hin zu neuen Standorten investieren können. 5. Die Standorte wurden teils aus ganz alltagspragmatischen Gründen gegründet, um Menschen Zugang zu gewähren, aus der Motivation heraus, die eigene Nachbarschaft zu verbessern oder aber auch um tatsächlich etwas für den Umweltschutz zu tun. Die Auswirkungen jedoch sind stets vielfältiger und umfassender, als zu Beginn angestrebt. Alle bisherigen Formen von Bibliotheken der Dinge weisen aber auch diverse Gemeinsamkeiten hinsichtlich folgender Punkte auf: a) sie involvieren die gleichen Akteurs-Gruppen, da sie meist bottom-up von der Zivilgesellschaft gegründet wurden und so Menschen aus folgenden Gruppen ansprechen: Personen, die sich ehrenamtlich für ein sinnvolles Projekt engagieren möchten; Personen, die Zugang zu Dingen brauchen, die sie sich aber nicht kaufen können oder wollen; Personen, die ungenutzte Gegenstände einem sinnvollen Zweck zuführen möchten. Bibliotheken der Dinge funktionieren b) gemäß eines Produkt-Service-Systems (PSS) und basieren c) auf einem ähnlichen Geschäftsmodell. In den nächsten Abschnitten wird auf die drei Bereiche genauer eingegangen, da sie im späteren Ver-
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lauf der Arbeit, wenn es um die verbesserte Gestaltung des Service geht, noch eine Rolle spielen werden. Die Betrachtung der Akteure und Einf lussfaktoren legt wechselseitige Wirkungszusammenhänge zwischen einer Bibliothek der Dinge und ihrem Kontext offen. Das Modell eines Produkt-Service-Systemes legt die Funktionsweisen der Bibliothek der Dinge offen. Die Beschreibung der Bibliothek der Dinge als ein PSS zeigt Grenzen und Potenziale auf. Die Offenlegung des dahinterliegenden Business-Modells (als BMC) hilft, aus der Bibliothek der Dinge ein solides Geschäftsmodell zu machen, das sich finanziell langfristig tragen kann. Durch die Abstimmung des Angebotes auf die Nachfrage und die Erschließung möglicher Einkommensquellen kann aus der Idee ein tragfähiges Angebot werden.
Akteure und Einflussfaktoren Entstanden sind viele bisherige Bibliotheken der Dinge in einem learning by doing-Prozess. Die untersuchten Standorte wurden zumeist zu Beginn nicht so konzipiert, wie sie heute agieren. Sie haben sich vielmehr während der Dauer des Bestands dazu entwickelt – und wurden dabei durch die individuellen Gegebenheiten vor Ort geformt. Der zeitliche Entwicklungsprozess lässt sich nicht verallgemeinert abbilden, wohl aber ein Status Quo von Bibliotheken der Dinge. Dieser Schnappschuss kann mittels einer StakeholderMap (Abbildung 13) dargestellt werden:
StakeholderMap einer Bibliothek der Dinge INDIREKTE EINFLÜSSE: ÖKOLOGISCHER STATUS QUO I GESETZE I MARKTBEDINGUNGEN I TECHNOLOGISCHE ENTWICKLUNGEN AKTEURE: DIREKTE INTERAKTION
DRITTANBIETER
HERSTELLER
KOOPERATIONSPARTNER
VERMIETER VERSICHERUNG VERWALTUNG
SOFTWARE
BIBLIOTHEK DER DINGE TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
Abb. 13: StakeholderMap einer Bibliothek der Dinge
BIETER AN ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
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Die jeweilige Entwicklung der untersuchten Bibliotheken der Dinge wurde von den folgenden Faktoren beeinf lusst: Direkten Einf luss haben jene Akteure, die im Zentrum des Service stehen, ihn bereitstellen bzw. nutzen: ݥܛGründer bestimmen maßgeblich mit ihren ersten Ideen, Entscheidungen und aufgrund ihrer Motivation über die Entwicklung und Genese der Bibliothek der Dinge. ݥܛDie Ehrenamtlichen und entlohnten Angestellten bestimmen durch ihr Engagement, ihre Kompetenzen, ihre Interessen die Entwicklung des Konzeptes mit. ݥܛDie Fähigkeiten und Möglichkeiten der Beteiligten wirken sich auf das Angebot der Bibliotheken der Dinge aus: Je vielfältiger das Team und seine Interessen sind, desto breiter ist das Angebot gefächert. Freilich muss die Nachfrage im Quartier entsprechend sein, sonst wird das Angebot nicht abgerufen. Die Nutzer bestimmen durch ihre Nachfrage entscheidend mit, welches Angebot die Bibliothek der Dinge bereitstellen sollte: ݥܛDie Vernetzung mit anderen Initiativen hat einen Einf luss auf die Verstetigung der Bibliothek der Dinge. ݥܛGgf. vorhandene Auftraggeber haben eine Auswirkung auf eine mögliche Verstetigung von Bibliotheken der Dinge. Einf luss auf das Konzept haben jedoch auch Dritte, die direkt mit der Bibliothek der Dinge interagieren: ݥܛVermieter und die räumlichen Bedingungen, die sie zur Verfügung stellen, bestimmen, wie groß und sichtbar eine Initiative ist. Sie haben auch Einf luss darauf, wie gut sie vernetzt ist. Bislang sind die Bibliotheken primär im urbanen Raum zu finden. Das mag damit zusammenhängen, dass hier a) weniger Wohnf läche pro Kopf zur Verfügung steht b) die Anonymität größer ist, seltener ein gewachsenes soziales Gefüge besteht, c) mehr Menschen auf engerem Raum zu einer größeren Nachfrage führen und Stadtbewohner im Durchschnitt d) offener und experimentierfreudiger als Bewohner des ruralen Raums sind. ݥܛAlle formalen Partner (Versicherungen oder Verwaltungen) bestimmen, wie leicht sich Bibliotheken der Dinge etablieren können. Sie können umgekehrt durch Verweigerung ihrer Kooperation die Gründungen allerdings auch erschweren bzw. verhindern.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
ݥܛDie Software, die zur Verwaltung aller Abläufe genutzt oder nicht genutzt wird, hat einen Einf luss auf das operationale Geschäft und darauf, ob und wie die Initiative zu managen ist. ݥܛKooperationspartner können z.B. als Hersteller der zum Verleih bereitgestellten Gegenstände einen Einf luss auf das Konzept haben. Je nachdem, welche Gegenstände gemeinschaftlich genutzt werden und wie sie sich nutzen lassen, entscheidet darüber, welche Nutzer angesprochen werden. Indirekten Einf luss auf den Handlungsspielraum und die Verpf lichtungen einer Bibliothek der Dinge haben auch all jene Rahmenbedingungen, auf die kein Einf luss genommen werden kann, die sich aber auf das eigene Schaffen auswirken: ݥܛSo wirkt sich die jeweilige Gesetzeslage auf die Bibliotheken der Dinge aus. Ist es in einem Land einfacher eine Versicherung für Gegenstände und Verletzungsfälle zu bekommen, kann eine Initiative ihr Angebot leichter ausweiten. ݥܛDer gesellschaftliche Zeitgeist: Der ökologische Zustand des Planeten hat einen Einf luss, da dieser den Zeitgeist und die Akzeptanz des Sharings beeinf lusst. Manche Milieus reagieren sensibler auf die Veränderung der Umweltbedingungen, andere weniger und die jeweilige Milieukonstellation einer Gesellschaft prägt wiederum ihren ökologischen und konsumkritischen Zeitgeist. Entscheidend sind jedoch auch Einkommensklassen: Selbst bei geringer ökologischer Sensibilität können Individuen eine positive Einstellung zum Sharing haben, da sie der ökonomischen Unter- oder Mittelschicht angehören und Sharing in der Regel mit monetären Einsparungen verbunden ist. Je stärker die Rahmenbedingungen variieren, in denen die Bibliotheken der Dinge sich etablieren, desto heterogener werden die Bibliotheken. Folge: Die derzeitigen Bibliotheken sind sehr unterschiedlich gestaltet, denn sie sind letztlich immer auch ein Spiegelbild ihres jeweiligen Quartiers (und der in ihnen vorherrschenden Milieus und ökonomischen Klassen) und ihrer Gesellschaft (z.B. die Gesetzeslage betreffend). Im Allgemeinen sind die prägenden Kräfte zu divers, um sie verallgemeinert steuerbar zu machen. Im Fall der qualitativ untersuchten Bibliotheken konnten die relevanten Einf lussfaktoren und Akteure jedoch identifiziert und beschrieben werden. Und diese Faktoren und zwischen den Akteuren liegenden Verhältnisse und Abhängigkeiten werden spätestens dann relevant, wenn die Schließung der Kluft im Vordergrund steht (Kapitel 2.6/7).
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Bibliothek der Dinge als Produkt-Service-System Eine Bibliothek der Dinge lässt sich auch in Bezug auf das bereitgestellte Dienstleistungsangebot charakterisieren. Verschiebt sich bei einem Angebot der Fokus vom Produkt auf die Nutzung des Produktes, spricht man von Produkt-ServiceSystemen (PSS). Der Begriff PSS wird wahlweise auch stellvertretend bzw. ergänzend zur Beschreibung der Konzepte der „collaborative consumption“ und der „access-based consumption“ als Teil der Share Economy verwendet (Piscicelli et al. 2014). Darunter versteht man all jene Angebote, die nicht auf den Verkauf physischer Produkte basieren, sondern auf der Bereitstellung einer Dienstleistung, die vom Nutzer nachgefragt wird (UNEP 2002). Steht bei der herkömmlichen Wirtschaftsweise der Verkauf einer Bohrmaschine an einen Kunden im Vordergrund, steht bei der Bereitstellung eines PSS der Bedarf des Nutzers im Vordergrund, nämlich ein Loch in der Wand zu haben. Es geht also nicht darum, eine Bohrmaschine zu verkaufen, sondern um den Service, Löcher in Wände zu machen. Aus Sicht der Nachhaltigen Entwicklung sind PSS vielversprechend, da sie das Potenzial einer Entkopplung von Service und dem Energie- und Ressourcenverbrauch der hergebrachten kollektiven Nutzen-durch-besitzen-Praxis haben. Ein PSS ist aber nicht automatisch energie- und ressourcenleichter, es muss von Anfang an unter der Prämisse gestaltet sein, energie- und ressourcenleichter sein zu wollen (Mont 2002b, Tukker & Tischner 2006). Aber wie funktionieren PSS? Ein Produkt-Service-System setzt sich aus diversen Komponenten zusammen: aus Produkten, Dienstleistungen und einem Netzwerk von Akteuren, die die angebotene Dienstleistung produzieren, bereitstellen und managen (Dewberry et al. 2013, Mont 2002a). Dieses PSS (Abbildung 14) hängt von den involvierten Akteuren des Systems und den Rahmenbedingungen ab, in denen das System zum Funktionieren gebracht wird, das hat spätestens die soeben angefertigte StakeholderMap bewiesen.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Produkt-Service-System einer Bibliothek der Dinge PRODUKT
SYSTEM
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
Nutzer
SERVICE
Anbieter
Abb. 14: Produkt-Service-System einer Bibliothek der Dinge Arnold Tukker (2004) hat vorstellbare Abstufungen von PSS kategorisiert, indem er sie hinsichtlich ihres Grades der Dematerialisierung voneinander differenziert hat: Je weniger das Produkt im Mittelpunkt steht und gleichzeitig die Dienstleistung in den Vordergrund rückt, desto dematerialisierter ist das Gesamtangebot. Grafisch auf bereitet lässt sich erkennen: Je weiter links sich ein Angebot in diesem Schaubild verorten lässt, desto mehr steht das physische Produkt im Mittelpunkt. Je weiter rechts ein Angebot angesiedelt werden kann, desto weniger steht das physische Produkt im Vordergrund und desto mehr kommt es auf eine erbrachte Leistung und Dienstleistung an (vgl. Abbildung 15).
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Kategorisierung von Produkt-Service-Systemen
PRO D U K T SE RV I CE SYSTE M S er vi ceberei t s tellu n g ( n ic ht p hysisc h ) Wer tschöp fung v. a. durch Pro d u k tb ereit stel l u ng Pro d u k t b e re i t s te l l u n g ( p hys i s c h )
R e i n e s Prod u k t
Pro d u k to r i e nt i e r t
N u t zeno r i ent i er t
E rg e b n i s o r i e nt i e r t
We r ts ch ö p f un g v.a. durch S er vice b e re i ts te l l un g
R e i n e r S e r vi ce
Bi bli othe ke n d e r Di ng e he ute Kategorisierung von Produkt-Service-System - Einordnung der Bibliothek der Dinge Grafik basiert auf: Tukker (2004): Eight Types of Product-Service Systems: Eight Ways to Sustainability? In: Business Strategy and the Environment 13(4): 246-260
Abb. 15: Produkt-Service-System – eine Kategorisierung orientiert an Tukker (2004) Aus Hersteller-Sicht, lassen sich vor allem die produktorientierten Angebote leicht als zusätzliche Angebote in bestehende Geschäftsstrukturen integrieren. Deshalb finden sich vor allem solche Angebote in überarbeiteten und erweiterten Portfolios etablierter Hersteller. Sie sind leichter von einem Anbieter bereitzustellen, und zu steuern. Je ergebnisorientierter ein PSS wird, je mehr die Dienstleistung in den Vordergrund und das Produkt in den Hintergrund rückt, desto komplexer wird die Bereitstellung. Sobald also ein PSS angeboten wird, ist immer eine Dienstleistung involviert. Aber je nachdem wie weit links oder rechts in Abbildung 16 ein Angebot zu verorten ist, steht manchmal das Produkt und manchmal einfach nur das Ergebnis im Vordergrund. Dazu ein Beispiel: Wird eine Bohrmaschine klassisch nach dem Nutzendurch-Besitzen-Prinzip verkauft, dann wird neben dem Produkt lediglich ein Verkäufer und ein Laden benötigt. Wird die Bohrmaschine jedoch zur Nutzung bereitgestellt, ist ein erhöhter logistischer Aufwand nötig: Neben der einmaligen Bereitstellung des Produktes muss zusätzlich stets gewährleistet sein, dass das Gerät funktionstüchtig ist und möglichst jederzeit zur Verfügung steht. Wird gar das Loch in der Wand angeboten, muss die Bereitstellung des Ablaufes reibungslos gewährleistet sein: Ein Produkt muss in den Händen eines Fachmanns zur rechten Zeit am rechten Ort die angeforderte Leistung erbringen. Die Gruppe an Akteuren und den benötigten Kompetenzen wächst folglich mit zunehmender Dematerialisierung. Der organisatorische Aufwand wird größer (und damit auch anfälliger), je ergebnisorientierter ein Angebot ist. Auf diese Art von Aufgabe sind heutige Geschäftsmodelle (noch) nicht ausgerichtet. Bestimmend für das Angebot sind die interne Geschäftslogik und externe Gesetzmäßigkeiten. Das Ange-
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bot kann mittels eigener Ressourcen, materieller wie personeller Art, vermittelt werden. Die Einordnung der Bibliothek der Dinge in diese Systematik hilft, einerseits die Funktionsweise des Konzeptes besser zu verstehen und andererseits Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren. Derzeitige Angebote von Bibliotheken der Dinge sind produktorientiert, da sie das Produkt zur Nutzung zur Verfügung stellen, sie sind aber auch nutzenorientiert, bei z.B. der gemeinschaftlich zeitgleichen Nutzung einer Werkstatt vor Ort. Der Zugang zum Produkt steht im Vordergrund, nicht aber dessen Besitz. Die gemeinschaftliche Nutzung ersetzt das ausschließliche Nutzungsrecht und werden zudem Arbeitsmöglichkeiten vor Ort angeboten, wird es sogar möglich, Dinge zeitgleich gemeinschaftlich zu nutzen. So können z.B. mehrere Leute zeitgleich eine Werkstatt nutzen und während ihrer Arbeit immer wieder auf alle Maschinen zugreifen ohne sich gegenseitig den Zugang zu verwehren (ggf. warten, bis ein anderer mit seiner Arbeit fertig ist, ist kein Verwehren des Zugangs). Die Beschreibung der Bibliothek der Dinge als PSS und die Einordnung in das Raster der möglichen PSS-Varianten hilft, das Konzept besser zu verstehen und Entwicklungspotenziale für die Dienstleistung dadurch zu erschließen, indem offengelegt wird, welche Dienstleistungsvarianten schon angeboten werden und welche bislang noch nicht ausprobiert wurden. Das PSS-Konzept ist allerdings weder dabei hilfreich, Finanzierungsmodelle zu erarbeiten noch unterstützt es die Identifizierung von Stellschrauben zur möglichen Verbesserung des Konzeptes oder identifiziert die wahren Nutzerbedürfnisse. Dafür ist das Business Model Canvas als Instrument geeignet, das nun vorgestellt wird.
Das Modell hinter einer typischen Bibliothek der Dinge Eine Bibliothek der Dinge kann sich dann erfolgreich in einem Quartier etablieren, wenn sie ideal auf dessen individuelle Bedürfnisse abgestimmt ist. Die Betreiber müssen folglich von Beginn an die Bedürfnisse der (künftigen) Nutzer berücksichtigen oder sich nach der Gründung rasch an diese anpassen. Der Gründungs- und Entwicklungsprozess einer Bibliothek der Dinge ist langwierig und ein solches Vorhaben scheitert nicht selten schon an den ersten Schritten, nimmt gar nicht erst an Fahrt auf oder muss nach einer Weile wieder eingestellt werden. Eine verallgemeinerte, plakative Geschichte der Gründung vieler heute aktiver Initiativen stellt sich wie folgt dar: Nachdem die Idee erstmalig auf kam, informierten sich die interessierten Gründer in Eigenregie über bereits verwirklichte ähnliche Initiativen. Viele be-
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suchten zunächst eine dieser Initiativen und informierten sich vor Ort. Im persönlichen Umfeld wurden Mitgründer gesucht, um das Konzept gemeinsam umzusetzen. Potenzielle Nutzer wurden befragt, um Interessenten und ggf. weitere Mitstreiter zu finden, andererseits aber auch, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Menschen im direkten Umfeld über die Idee denken und unter welchen Umständen sie mitwirken würden. Ab einem gewissen Zeitpunkt wurde „einfach etwas“ umgesetzt. Dabei wurde improvisiert, um das Konzept überhaupt erst einmal auszuprobieren. Diese ersten „Prototypen“ wurden getestet und zwangsläufig immer wieder modifiziert, um sie an die lokalen Bedürfnisse anzupassen. Die Initiativen wandelten sich im Lauf der Zeit im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten mehr und mehr in dem Bestreben zu dem Angebot zu werden, das das jeweilige Quartier abfragt. Dieser Entwicklungsprozess ist abhängig davon, wie viele personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen und führt jede einzelne Initiative bis zum Status Quo, der mehr oder weniger gut auf die jeweiligen Anforderungen reagiert. Die einzelnen Initiativen mühen sich, haben jedoch nach eigenem Bekunden Defizite hinsichtlich ihrer Nutzerfreundlichkeit, was bereits ein Indiz für die zweite Kluft ist. Was an den einzelnen Standorten als nutzerfreundlich wahrgenommen wird variiert und hängt von den Voraussetzungen und Bedürfnissen des jeweiligen Quartiers ab. Die Analyse der einzelnen Standorte lässt aber eine Ableitung eines allgemeinen, vereinfachten Business Model Canvas (BMC) zu, das die Kernidee einer typischen Bibliothek der Dinge wiederspiegelt (zur Beschreibung der einzelnen Bausteine siehe BMC im Anhang 06):
S pe nd en Wis sen d er B eteil ig ten Ar be it sp l at z
K ER N R ES SO UR C EN
M ie te / G eh älter / Versi ch erung R e p a rat u ren / I nvent ar S o f t wa re
KOST E N ST RU K T U R
E hre na mt li c h e
Fö rd e re r Sp e n d e r
Pro d ukte Wissen G emeinscha f t Ar b e i t sp l at z
K ANÄL E
p ersö nl ich Webseite S ozia l e M e d ie n
KUND E NBE Z IE HUNG
B M C
B edür f tig e M e n s c h e n S e l b stä ndige And e re I ni t i at i ven Flüchtlinge
J ed er ma nn Na chb a rs c ha f t
NUT Z E R G RUP P E N
Fö rd erg el d er Crowd f u n d i ng M i tg l i e d s b e i t rä g e / Nut zung sg e b ühre n Verspätungsgebühren
E INKOM M E NS QUE L L E N
Zugan g zu Din gen G emein s c h a f t Nachhaltige Lebensstile er mö g l ic h en
Ö ff n un g s ze ite n B eratun g Wa r t ung U nter r ic ht S e r v ice s
A L LG E M E I N E R
Lok a l e I n it i ativen Ve r m ie te r Benachbarte Initiativen
W E R T VE R S PR E C H E N
D I N G E
K E RN A K T IV ITÄTEN
D ER
SCH LÜ SSE L PAR T N ER
B I B L I OTH EK
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Abb. 16: Allgemeiner Business Model Canvas von Bibliotheken der Dinge
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Das zentrale Wertversprechen, einer Bibliothek der Dinge ist es, bezahlbaren Zugang zu Dingen zu gewährleisten und den Mitgliedern eine Möglichkeit zu bieten, Geld sparen zu können. Darüber hinaus wird ein Ort für die Vergemeinschaftung bereitgestellt sowie die Option, die eigene Nachhaltigkeitsbilanz mit geringem Aufwand verbessern zu können. Als Nutzer sollen alle selbstständigen Quartiersbewohner angesprochen werden. Angeboten wird ihnen der Zugang zu Produkten, die gemeinschaftlich genutzt werden können; Wissen, das durch Austausch weitergegeben wird; der Zugang zu einer Gemeinschaft und ggf. ein Arbeitsplatz vor Ort. Die Bereitstellung dieses Angebots lebt von einer direkten und persönlichen Interaktion und erfolgt zudem über etablierte digitale Kanäle. Um den Zugang zu Gegenständen, Wissen und zur Gemeinschaft bereitstellen zu können, werden feste Öffnungszeiten garantiert, Beratung und Unterricht wird angeboten, die Gegenstände werden gewartet sowie die grundlegenden Dienstleistungen bereitgestellt. Dazu wird in unterschiedlicher Intensität mit unterschiedlichen lokalen Initiativen, Vermietern, Förderern, Spendern und ehrenamtlichen Helfern zusammengearbeitet. Denn nur durch diese Partner können die benötigten Ressourcen (Spenden von Gegenständen, Kompetenzen und Räumlichkeiten) bereitgestellt werden. Finanziert wird der gesamte Service über Fördergelder, Crowdfunding, Mitgliedsbeiträge und diverse zusätzliche Gebühren. Die Gelder werden benötigt um Miete, Gehälter, Software und Versicherung zu bezahlen. Außerdem muss der laufende Betrieb finanziert werden, das bedeutet, dass Kosten für Reparatur und Inventar gedeckt werden müssen.
Fazit Eine Bibliothek der Dinge ist ein Produkt-Service-System, das beeinf lusst wird durch verschiedene auf sie einwirkende Umstände und durch das Wirken verschiedener Akteure, die alle zueinander und zu der Dienstleistung selbst in Bezug stehen. Damit die Bibliothek der Dinge ein sich selbst tragendes Angebot werden kann, muss ihr ein valides Geschäftsmodell zugrunde liegen, das ideal auf die Nachfrage des jeweiligen Quartiers angepasst ist. Dieses übergreifende und verallgemeinernde Verständnis des Konzeptes einer Bibliothek der Dinge dient als Ausgangspunkt für die weitere Überlegung, welche Auswirkungen von ihr ausgehen können. Die hierbei postulierte These lautet, dass eine Bibliothek der Dinge als Produkt-Service-System die negativen ökologischen Auswirkungen der dominanten Nutzen-durch-Besitzen-Konsumweise deutlich verringern kann (Mont 2002a, Botsman & Rogers 2010, Gansky 2010, Armstrong & Lang 2013, Heinrich 2013, Agrawal et al. 2011, Pedersen & Netter 2015), wenn sie die kritische Masse von ungefähr 25 Prozent der möglichen Nutzer in ihrem
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Quartier oder ihrer Stadt erreicht und in die dortige „gesellschaftliche Mitte“ diffundieren kann. Wie sich noch zeigen wird, sind dies allerdings nicht die einzigen Effekte, die von Bibliotheken der Dinge ausgehen. Durch das bis hierhin gewonnene Verständnis einer Bibliothek der Dinge wird es nun anhand eines Fallbeispiels möglich, empirisch messbare Auswirkungen abzubilden. Darauf auf bauend können verallgemeinerte Indikatoren zur Messung dieser Auswirkungen formuliert werden. Durch die Verallgemeinerung der Erkenntnisse aus der Fallstudie wird eine Bewertung anderer Standorte und ihr Vergleich untereinander möglich.
2.3 Fallbeispiel Edinburgh Tool Library (ETL) Die Vermutung ist, dass Bibliotheken der Dinge als PSS positive Auswirkungen haben können. Theoretisch lässt sich leicht so argumentieren, in der Praxis steht ein belastbarer Beweis noch aus. Die möglichen Auswirkungen sollen nun mithilfe eines Fallbeispiels induktiv identifiziert und beschrieben werden. An späterer Stelle wird dann deduktiv die Übertragbarkeit auf andere Standorte geschlossen. Durch diese zweistufige Vorgehensweise sollen möglichst alle Auswirkungen erfasst und damit ein möglichst umfassender Indikatoren-Katalog erstellt werden. Als erstes Fallbeispiel wurde die Edinburgh Tool Library (ETL), eine Werkzeug-Bibliothek gewählt. Die ETL als Repräsentant für Bibliotheken der Dinge zu wählen, ist deshalb sinnvoll, da: ݥܛdie ETL ein sehr umfangreiches Sortiment aufweist (900+ Gegenstände), ݥܛdas Inventar sich nicht strikt auf Werkzeuge beschränkt, sondern auch Gartenzubehör und einige Küchenutensilien umfasst, ݥܛsie eine Katalogisierungssoftware verwendet, und somit alle quantitativen Daten zur Auswertung bereitstehen, ݥܛsie schnell von einer im Pop-Up-Stil agierenden Initiative hin zu einer soliden Initiative angewachsen ist, die mit mehreren über das Stadtgebiet verteilten Standorten (zwei Werkstätten und drei Abholstationen) agiert, ݥܛWerkzeug-Bibliotheken die gleichen Effekte und Probleme wie Bibliotheken der Dinge haben (die überdies auch Werkzeuge verleihen). Die ETL ist damit eine Initiative, die sich innerhalb kurzer Zeit implementiert, verstetigt und sogar ausgeweitet hat. Der Umfang, in dem die ETL mittlerweile agiert macht sie Ende 2018, zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit, zur
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wahrscheinlich am weitesten entwickelten Initiative in Europa. Die geografische Nähe hat eine wiederholte Beforschung vereinfacht und damit einen umfassenderen Einblick in die Entwicklung ermöglicht. Dieser Standort innerhalb Europas verspricht wegen kultureller Nähe außerdem eine leichtere Übertragbarkeit auf deutsche Strukturen.
Forschungsdesign der Fallstudie(n) Qualitatives Vorgehen Befragt wurden im Rahmen dieser Fallstudie insgesamt 40 aktive Nutzer der ETL vor Ort in zwei Zeiträumen (jeweils eine Woche an allen Standorten der ETL im März 2017 und Juli 2018). Die Daten wurden an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten erhoben. Somit wurde keine Nutzergruppe ausgeschlossen. Auch die Befragung zu zwei unterschiedliche Jahreszeiten sorgte für eine zusätzliche Diversität der Befragten. Zudem waren sowohl die soziodemographischen Merkmale sowie die Dauer der Mitgliedschaft vielfältig. Interviewt wurden zudem Gründer und Mitarbeiter der ETL, manche mehrfach, teils vor Ort, teils via Skype.
Quantitatives Vorgehen Ausgewertet wurden Daten zu Nutzern, Inventar und Ausleihen. Die Daten sind soweit anonymisiert, dass keine Rückschlüsse auf individuelle Personen möglich sind.
Beschreibung der ETL Geschichte der ETL Die ETL hat schrittweise ab 2014 eröffnet. In der Anfangszeit glich die Initiative einer One-Man-Show und wurde nur von Chris Hellawell, dem eigentlichen Gründer und der Leitfigur der Initiative, im Quartier Leith in Edinburgh betrieben. Er hatte die Tools anfänglich bei sich zu Hause gelagert und sie einmal wöchentlich an einer „Police Box“ im Quartier Leith zum Verleih bereitgestellt. Bei Police Boxen handelt es sich um einen kleinen Verschlag, der wie eine Telefonzelle auf der Straße steht. Vor dem Beginn der Mobiltelefonie gaben die Police-Boxen den Polizisten die Möglichkeit, von unterwegs in der Zentrale anzurufen, um z.B. Verstärkung anzufordern. Nachdem diese Zellen ausgedient hatten, wurden sie verkauft. Die Besitzerin der hier beschriebenen Police-Box stellt sie für Pop-Up
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Events zur Verfügung. So ist die ETL eine der Initiativen, die hier (noch immer) regelmäßig zu finden sind. Nach einer ca. einjährigen Anfangszeit als Pop-Up Initiative konnte sich die ETL soweit verstetigen, dass sie mittlerweile zwei weitere und vor allem größere Standorte permanent bezogen hat, sowie drei weitere temporäre Standorte bedient (in der Karte eingetragen sind nur die stationären Standorte).
Abb. 17: Edinburgh Tool Library – eine Übersicht. Die Police-Box als erster Pop-Up-Standort, Werkstätten in Custom Lane und Portobello. Das Depot – ein Ort zur Lagerung der Werkzeuge – liegt nur zwei Straßen von der Police-Box entfernt. Dieser Standort hat zwei Stellplätze vor der Tür, wo kurzfristig geparkt werden kann, um Gegenstände zu verladen. Mittlerweile ist auch die Nachbargarage als zusätzlicher Lagerraum für das stetig wachsende Inventar und für Reparaturarbeiten angemietet. Der dritte Standort, eine vollumfänglich ausgestattete Holzwerkstatt, in der das gesamte Inventar nur vor Ort genutzt werden kann, stellt auch große, immobile Maschinen zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Sie liegt nahe am Hafen im Stadtteil Leith. Hier finden Kurse statt, wobei sich dieses Angebot zur Zeit der Untersuchung noch im Aufbau befand. Police-Box, Depot und Workshop liegen fußläufig zueinander. Alle Werkzeuge, sowohl diejenigen, die geliehen werden können, als auch die, die in der Werkstatt zur Verfügung gestellt werden, wurden gespendet. Angenommen
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wurde dabei alles, was noch gebrauchsfähig war. Eine unüberschaubar große Anzahl an Werkzeugen, die gespendet wurde, ist noch nicht katalogisiert worden und stand zum Zeitpunkt der Untersuchung folglich nicht zum Verleih bereit. Die ETL führt, trotz eines limitierten Budgets und limitierter Arbeitskraft diverse Projekte in Kooperation mit anderen Initiativen durch. Diese Arbeitsleistung kann nur durch tatkräftige Unterstützung von (während des ersten Befragungszeitraumes im März 2017) ca. 60 aktiven ehrenamtlich Tätigen bewältigt werden. Keiner der aktiven Ehrenamtlichen war anfangs ein Werkzeugexperte. Im zweiten Befragungszeitraum im Sommer 2018 agierte die ETL mit ca. 20 - 25 aktiven Ehrenamtlichen, die an den unterschiedlichen Standorten regelmäßig Schichten übernahmen. Die Reduktion der Anzahl der Ehrenamtlichen hängt mit strukturellen Veränderungen zusammen: In der Zwischenzeit wurden diverse bezahlte Stellen geschaffen, so dass die Werkstätten mittlerweile zu den Öffnungszeiten immer mit jeweils einem festen Mitarbeiter besetzt sind, f lankiert von mehreren Ehrenamtlichen. Das Verleihen von Dingen wird aber zumeist durch Ehrenamtliche bewerkstelligt. Die Erfahrung hat die ETL gelehrt, dass eine Werkstatt betreuungsintensiver ist als das Verleihen von Gegenständen. Bei der ersten Befragung wurde die interne Kommunikation noch als einwandfrei beschrieben, bei der zweiten Befragung ein Jahr später wurde sie mit Bezugnahme auf die Expansion auf mehrere Standorte als zunehmend schwieriger angesehen. Es galt mittlerweile, einen größer werdenden Stamm an Ehrenamtlichen zu koordinieren und zugleich den notwendigen persönlichen Touch für die gleichbleibende Motivation der Beteiligten aufrechtzuerhalten. Wurden anfangs viele Aufgaben noch vom Gründer selbst übernommen, war das ab einer gewissen Größe nicht mehr möglich (vgl. auch Curitus 2017). Die Herausforderung bestand in der Koordination der Aufgaben bei sich ändernder Teamgröße. Zwischen den beiden Besuchen vor Ort wurde mit verschiedenen Kommunikationsmitteln experimentiert. Das Resultat zum Zeitpunkt des zweiten Beforschungszeitraumes war, dass die Gruppe der Ehrenamtlichen kleiner geworden war, die verbliebenen Personen aber stärker eingebunden wurden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen (mehr dazu in der Auswertung weiter unten). Für die externe Kommunikation werden alle Kanäle genutzt: Via Facebook wird Mitgliedern berichtet, was ihre Mitgliedschaft bei der ETL in ihrem Quartier verbessert, via Twitter kommuniziert man mit anderen Initiativen, neue Mitglieder werden durch Printmedien angelockt, Instagram wird eingesetzt, um andere Personen dazu zu bewegen, über die ETL zu sprechen und auch das Public Engagement wird in der Annahme exzessiv betrieben, dass man jederzeit den Gamechanger treffen könnte, der die ETL unterstützen möchte. Mittlerweile werden in den Werkstätten und mit den Werkzeugen der ETL zudem auch Auftragsarbeiten von einem (oder mehreren) Freiberuf ler(n) ausgeführt. Anteilig wird der Freiberuf ler für seine erbrachte Leistung und die ETL
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für die Bereitstellung der Gerätschaften und für die Bereitstellung der Werkstatt vergütet. Die ETL nutzt myTurn als Katalogisierungssoftware und hatte ca. 2.000 Verleihvorgänge in den ersten zwei Jahren, die Tendenz ist stark steigend. Zum Stand der Analyse hat sie 561 aktive Mitglieder und 914 im Inventar gelistete Gegenstände, die vornehmlich den Bereichen Werkzeuge und Gartengeräte zuzuordnen sind. Die Top-3-Gegenstände in der ETL sind Bohrmaschine, Stichsäge und Tischkreissäge. In der ETL ist es möglich, Dinge vorab zu reservieren. Das ist aufgrund der mobilen und temporären Standorte auch erforderlich, da nicht das ganze Sortiment immer zu allen Standorten transportiert werden kann. Bislang wurde keine schlechte Erfahrung mit der Reservierungsfunktion gemacht.
Quartiersbeschreibung Edinburgh hat ca. 480.000 Einwohner, davon leben 56.798 im Stadtteil Leith. Leith liegt im Nordosten des Stadtgebietes rund um den Hafen. Das Quartier erstreckt sich vom LeithWalk, der bis zur EasterRoad und zum Hibernian FC hinüber zum Ocean Terminal führt. Leith ist ein Ausgehviertel, in dem viele gute Restaurants liegen. Fast 45 Prozent der Haushalte sind 1-Personen Haushalte, ca. 34 Prozent sind 2-Personen Haushalte und knapp 20 Prozent sind 3-4-Personen-Haushalte; das bedeutet, dass der Anteil an größeren Haushalten bei unter einem Fünftel der Haushalte liegt. Mit ca. 45 Prozent ist die Altersgruppe der 25- bis 44-jährigen die am häufigsten vertretene. Mit weniger als fünf Prozent Studierendenanteil ist diese Gruppe in Leith unterdurchschnittlich vertreten (bezogen auf den Mittelwert Edinburghs von zehn Prozent Studierender). Knapp über die Hälfte der Haushalte leben im Eigenheim oder einer Eigentumswohnung, womit Leith knapp unter dem Durchschnitt von 60 Prozent von ganz Edinburgh liegt. Die am häufigsten vertretene Wohnform ist das Mehrfamilienhaus. Freistehende Häuser kommen so gut wie gar nicht vor, auch Doppel-/ Reihenhäuser sind eine Seltenheit. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt für ca. ein Drittel der Bevölkerung bei 15.000-30.000 Pfund, bei einem weiteren Drittel bei 30.000-50.000 Pfund. Der Rest liegt gleichmäßig verteilt darunter oder darüber. Alle Standorte der ETL sind so gelegen, dass sie gut zu Fuß und mit dem ÖPNV erreichbar sind. Die meisten Nutzer wohnen in einem Radius von 0-5 km um die Standorte herum.
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EDINBURGH _ LEITH EIGENTÜMER / MIETER
EDINBURGH
3-4 2
5 1
Einwohner: 56.798 Fläche: 5,38 km2 Bevölkerungsdichte: 3,148 / km2 QUELLE: google.com.maps
Reihe Doppel Mehrfamilien
m
SOZIO-DEMOGRAPHISCHE DATEN
HAUSHALTSGRÖSSE (Personen)
WOHNFORM (Art des Hauses) Freistehend
LEITH
GESCHLECHT
EigenMieter tümer
Einwohner: 488.050 Fläche: 119 km2 Bevölkerungsdichte: 4.119 / km2
WOHN- & BAUDATEN
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w
ALTER 65+ -15 45-64
16-24
25-44
EINKOMMEN (in 1000) DURCHSCHNITT/ Haushalt: 30.000 £
70+ 50-70
0-15
30-50 15-30
QUELLE: Eigene Darstellung basierend auf Daten von: „copy of locality profiles v2i“. [email protected]
Abb. 18: Sozio-Demographische Angaben zu Leith / Edinburgh
Mitglieder der ETL Die Mitglieder kommen nicht nur aus dem umliegenden Quartier Leith, sondern aus einem viel größeren Umfeld. Die drei Häuser in Abbildung 19 stehen für die drei Niederlassungen der ETL. Die kleinen grauen Punkte symbolisieren Mitglieder, die nie etwas ausgeliehen haben. Das bedeutet, dass sie entweder nur die Werkstatt nutzen, an einem Projekt teilgenommen haben oder mit ihrer Mitgliedschaft die Idee unterstützen. Die Helligkeit all der anderen Standortpunkte gibt an, wie viele Gegenstände die Mitglieder geliehen haben. Anhand dieser Darstellung wird sichtbar gemacht, wo die geliehenen Gegenstände zum Einsatz kommen und wie oft sie an welche Orte transportiert werden. Das Einzugsgebiet ist viel größer als der Radius von einem Kilometer. Das liegt daran, dass viele Mitglieder die Dienstleistung der ETL auf dem Weg zur oder von der Arbeit in Anspruch nehmen. Dennoch ist im direkten Umfeld um die jeweiligen Standorte eine Verdichtung der Mitglieder erkennbar. Das deutet auf die Relevanz des Standortes für eine eventuelle Mitgliedschaft hin.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Einzugsgebiet von ca. 1km um den ETL-Standort Leith Workshop Custom Lane
STADTGEBIET EDINBURGH - LEITH
Einzugsgebiet von ca. 1km um die ETL-Standorte Police-Box / Depot
Einzugsgebiet von ca. 1km um den Pop-Up-Standort in Portobello
0 Ausleihen 1 Ausleihe 2 Ausleihen 3-9 Ausleihen +10 Ausleihen
EDINBURGH TOOL LIBRARY
Mapping der Nutzer der Edinburgh Tool Library im Zeitraum 01.07.2017-30.06.2018. Nicht alle Nutzer erfasst, da nicht alle PLZ vorliegen. Daten basierend auf myTurn.
Abb. 19: Mapping der Nutzer der ETL auf Basis vorhandener Daten Interessant ist noch die Häufung am rechten Bildrand sowie im unteren Bereich. Dort wurden während des Betrachtungszeitraumes Pop-Up Libraries betrieben, die in Kooperation mit anderen Initiativen einmal wöchentlich den Zugang zum Inventar der ETL ermöglichten. In dieser Karte ist nur der Standort in Portobello markiert, da hier das Konzept auf die größte Resonanz bei der Bevölkerung gestoßen ist. Aufgrund dessen hat die ETL im Juni 2018 genau hier einen weiteren permanenten Standort eröffnet (siehe edinburghtoollibrary.org.uk) Die weitere Erschließung des Stadtgebietes ist in Planung und erklärtes Ziel der ETL ist es, für alle Bürger in Edinburgh einen Zugang zu Werkzeugen bereitzustellen.
Institution – das Business Modell Die ETL ist eine Charity, eine gemeinnützige non-Profit Organisation. „Chris is creating a sustainable business model, with multiple income streams, at the same time as effecting positive change in his community.“ (Jen Gale, Ethical Business Coach) (Curitus 2017) Das Business Model Canvas der ETL10 zeigt, dass das Wertversprechen den Schwerpunkt auf die Bereitstellung des Zugangs sowie die Möglichkeit der Vergemeinschaftung und Beratung legt.
10 Zum Zeitpunkt der Forschung hatte die ETL für sich kein BMC formuliert. Deshalb wurde dieser in Rücksprache mit Chris Hellawell erstellt.
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Abb. 20: Business Model Canvas der ETL
C h a r i t y (G e m e i nwo h l o rg a n i s at i o n ) 5 B o a rd - M i tg l i e d e r myTu r n a l s S o f t wa re
GEÖFFNET SEIT 2014
M i e te / G e h ä l te r / Ve r s i c h e r u n g R e p a rat u re n / I nve nt a r S o f t wa re
KO S T E N S T R U K T U R
M i tg l i e d s b e i t rä g e Fö rd e rg e l d e r / Crowd f u n d i n g
5 5 0 + M i tg l i e d e r 900+ Gegenstände 3 5 4 0 Au s l e i h e n / 1 2 M o n ate n ( 0 7 2 0 1 7 - 0 6 2 0 1 8 )
S TAT I S T I K E N
Pro d u k te Wi s s e n Gemeinschaft Ar b e i t s p l at z
We r k ze u g s p e n d e n Wi s s e n d e r E h re n a mt l i c h e n Ar b e i t s p l at z
E I N KO M M E N S Q U E L L E N
KANÄLE
KERN RESSOURCEN
Fö rd e re r Spender
E h re n a mt l i c h e
persönlich We b s e i te S oz i a l e M e d i e n
We r k ze u g e b e re i t s te l l e n Ort für Gemeinschaft B e rat u n g & Au s t a u s c h
Ö ff n u n g s ze i te n Wa r t u n g d e r G e räte B e rat u n g
C A N VA S
Lo k a l e I n i t i at i ve n Ve r m i e te r B e n a c h b a r te I n i t i at i ve n Messe
M O D E L KUNDENBEZIEHUNG
B U S I N E S S WERT VERSPRECHEN
_
K E R N A K T I V I TÄT E N
L I B R A RY
S C H LÜ S S E L PA R T N E R
E D I N B U RG H TO O L
20 Pfund / Jahr
KO S T E N S T R U K T U R
Bedür ftige Menschen Selbständige An d e re I n i t i at i ve n Nachbarschaft
NUTZERGRUPPEN
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Angesprochen werden vor allem Menschen, die aus ökonomischer Notwendigkeit auf dieses Angebot angewiesen sind, Geld sparen wollen, es aus ideologischer Überzeugung nutzen, und vor allem die Personen, die in der direkten Nachbarschaft leben. Die ETL lebt durch den persönlichen Kontakt, von der freundschaftlichen Atmosphäre. Die ETL interagiert mit vielen anderen Initiativen, ist sehr gut vernetzt und kooperiert mit Akteuren auf unterschiedlichster Ebene (dadurch kann den Nutzern z.B. kostenlos Baumaterial zur Verfügung gestellt werden, es entstehen Synergien mit anderen Initiativen und ein Werkstatt-Standort wird der Initiative mittlerweile kostenfrei zur Verfügung gestellt). Die ETL muss diverse Fixkosten stemmen. Eine Kostenaufstellung von 2016/17 besagt, dass die Ausgaben aus knapp 40 Prozent für Gehälter, knapp 20 Prozent für die Mieten der Räumlichkeiten und gut 20 Prozent für Ausstattung bestehen. Diese Kosten kann die ETL trotz breit gefächerter Einkommensströme nur teilweise aus eigener Kraft decken. Finanziert wird die ETL u.a. durch Mittel aus Förderprogrammen und Geldern aus Crowdfunding-Kampagnen. Die Aufstellung von 2016/17 zeigt, dass sich die Einnahmen noch aus über 30 Prozent Fördergeldern, knapp 20 Prozent Mitgliedsbeiträgen und zu gut 35 Prozent aus Projektgeldern zusammensetzt. Geführt wird die ETL von einem Vorstand, der aus fünf Personen besteht. Es gab zum Zeitpunkt der Forschung drei vergütete Stellen – eine Teilzeitstelle und zwei Vollzeitstellen. Letztere befassen sich mit administrativen Aufgaben und der Einarbeitung der Freiwilligen. Die Gehälter konnten bis dato nicht durch die erwirtschafteten Gelder der Initiative selbst gedeckt werden, sondern wurden mittels externer Fördergelder bezahlt.
Auswertung der qualitativen Daten Demographische Angaben der Nutzer Die befragten Nutzer gehören vorwiegend den Altersgruppen 18 - 29 und 30 - 49 Jahre an. Die Altersverteilung der befragten Nutzer ist ähnlich der Altersstruktur des Stadtteiles in Leith. 36 der 40 Befragten haben allerdings einen Universitätsabschluss, was nicht dem Durchschnitt des Quartiers entspricht. 13 der Befragten verfügen über ein Haushaltsjahreseinkommen von unter 25.000£, 14 weitere Befragte verfügen über 25.000-50.000£, fünf Befragte machten keine Angabe und die verbleibenden acht Personen verfügen über mehr als 50.000£ im Jahr.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Alter / Abschluss / Einkommen der befragten Mitglieder der ETL Gesamtzahl der Befragten: n=40
50-65
k.A.
PhD
3 1
18-29
k.A.
14
15
20
22 30-49
k.A.
High School
12 2
100.000 + 75.000 - 99.999 1 2 50.000 - 74.999
13
5
Bachelor
Master
0 -24.999
5
14 25.000 - 49.999
Alter n = 40
Bildnungsniveau n = 40
Einkommen in Pfund n = 40
Quelle: Eigene Erhebung in Befragungszeiträumen März 2017 & Juli 2018
Abb. 21: Sozio-Demographische Angaben der befragten Mitglieder der ETL Von den Befragten leben 66 Prozent in ihrer Eigentumswohnung oder ihrem Eigentumshaus und 33 Prozent zur Miete. Hier weicht die Gruppe der Befragten vom Durchschnitt im Stadtteil Leith ab und weist mehr Eigentümer auf. Das mag damit zusammenhängen, dass ein Konzept wie die ETL vor allem diejenigen anspricht, die Dinge an Haus und Hof zu reparieren haben oder dass sich vor allem die Eigentümer dazu verpf lichtet fühlen, Dinge in Stand zu halten. In 23 Fällen bestehen die Haushalte aus zwei Personen, sechs Nutzer leben alleine, die verbleibenden Haushalte bestehen aus drei bis sechs Personen.
Wohnsituation & Haushaltsgröße der befragten Mitglieder der ETL Gesamtzahl der Befragten: n=39
6 Personen 5 Personen 4 Personen 21 Mieter
4
13
3 Personen
26
6
3 23
Eigentümer Wohnsituation n = 39
1 Person
2 Personen
Haushaltsgröße n = 39 Quelle: Eigene Erhebung in Befragungszeiträumen März 2017 & Juli 2018
Abb. 22: Wohnsituation & Haushaltsgröße der befragten Mitglieder der ETL
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Obwohl einige Nutzer im direkten Gespräch über die Distanz des eigenen Wohnortes zur ETL klagten, wohnten 22 der 40 untersuchten Nutzer in einem Umkreis von weniger als zwei Kilometer von der ETL entfernt. Dieses Thema wurde v.a. dann thematisiert, wenn große Gegenstände transportiert bzw. nach verrichteter Arbeit zurückgegeben werden mussten. Gerade die Rückgabe wurde von vielen als sehr lästig empfunden.
Distanz & Mobilitätsverhalten der befragten Mitglieder der ETL Gesamtzahl der Befragten: n=38 ÖPNV / Auto Rad / Auto
5km+
zu Fuß / Auto
8
2-5km
8
Fahrrad
22
4
3 1 16
3
zu Fuß
4 0-2km
ÖPNV
7 Auto
Distanz des Wohnortes zur ETL n = 38
Wahl des Verkehrsmittels n = 38 (Mehrfachnennung möglich) Quelle: Eigene Erhebung in Befragungszeiträumen März 2017 & Juli 2018
Abb. 23: Distanz & Mobilitätsverhalten der befragten Nutzer der ETL Die Distanz zur ETL wurde vorwiegend zu Fuß bewältigt. 16 Nutzer gehen immer zu Fuß unabhängig davon, ob und was sie transportieren müssen. Für acht Personen hängt die Wahl des Transportmittels damit zusammen, ob und was sie transportieren müssen. Vor allem für diejenigen, die einen weiteren Anfahrtsweg haben, ist das Auto der indiskutable Mobilitätsgarant. Manche Personen suchen die ETL v.a. dann auf, wenn sie sowieso in der Gegend sind, wodurch kein extra Weg anfällt. Hier lässt sich jedoch bei dieser qualitativen Erhebung und aufgrund der stets besonderen Einzelfälle keine Regelmäßigkeit feststellen.
Zufriedenheit der Nutzer Die Nutzer waren spätestens dann über die Existenz des Angebotes erfreut, wenn sie vor Ort mit einem Ehrenamtlichen ins Gespräch kamen und Details über das Angebot erfuhren. Erfuhren sie über das Internet von der Initiative, bestand zu Beginn oft ein Skeptizismus – entweder am Konzept und/oder am eigenen Verständnis dessen. Diese Unsicherheit wurde zumeist durch das erste Gespräch beseitigt und eventuelle Fragen beantwortet. Die Formalitäten wurden teilweise als lästig und zeitraubend empfunden. Die Auswahl und Übergabe der Werkzeuge
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wurde positiv bis neutral aufgenommen. Die stark schwankende Wahrnehmung innerhalb einer Phase resultierte bei den drei verschiedenen Personen aus der Unsicherheit, die mit den neuen Abläufen verbunden war. Entscheidend war, dass jeweils aus einer anfänglich euphorisch zu nennenden Stimmung ein Moment der Unzufriedenheit oder auch Unsicherheit wurde, der aber jedoch wieder ebenso schnell verschwand, wie er auftauchte. Beim Transport divergierten die Meinungen von „voller Vorfreude“ bis hin zu „ärgerlich über den zusätzlichen Weg“. Die Nutzung wurde vorwiegend als erfreulich wahrgenommen. Die negativen Erfahrungen sind auf jene Nutzer zurückzuführen, die entweder zur Erledigung einer Aufgabe gezwungen wurden („meine Frau hat gesagt ich soll mich darum kümmern“) oder die Probleme bei der Arbeit hatten. Der Rücktransport der Gegenstände wurde negativer wahrgenommen als der Weg des Abholens vor der Nutzungsphase. Das liegt v.a. daran, dass man es nicht gewohnt ist, nach verrichteter Nutzung noch einen Weg absolvieren zu müssen. All die negativen Emotionen schienen aber spätestens beim Feedback-Gespräch mit einem ETL-Mitarbeiter wieder vergessen worden zu sein.
Bewertung der Nutzungsphase durch Mitglieder der ETL
information
ankunft
information
formalitäten
auswahl
transport
nutzung
transport
feedback
Edinburgh Tool Library +2 +1 0 -1 -2
n=40 März 2017 & Juni 2018
Abb. 24: Nutzerzufriedenheit in den Nutzungsphasen des Ausleihprozesses der ETL
Motivation Die meisten der befragten Nutzer verwendeten die Werkzeuge der Tool Library für DIY-Projekte (33), aber auch notwendige Reparaturen wurden in einem Viertel der Fälle damit erledigt (9). Eine Person konnte durch den Zugriff auf das Inventar einen besseren Job verrichten und nutzte die Werkzeuge für die eigene Berufstätigkeit. Mehrfachnennungen waren möglich.
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Zweck des Ausleihens: Wofür nutzen Sie die Gegenstände? Standort: Edinburgh Tool Library Befragungszeitraumszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Notwendige Reparaturen Um die Qualität meiner Arbeit zu sichern
9 127
Ich wollte schon immer lernen, Werkzeuge zu verwenden, komme aber erst jetzt dazu.
Mitglieder
439
Ausleihende Mitglieder
DIY
Ich will einfach lernen, mit den Werkzeugen umzugehen, da ich gerne neue Fähigkeiten lerne.
3
33
Gartenarbeiten
n = 40 / Mehrfachnennungen möglich Auswertung basierend auf den qualitativen Daten der semi-strukturierten Nutzerbefragung
Abb. 25: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Zweck des Ausleihens Nutzer waren vor allem deshalb Mitglied, weil sie dadurch Geld sparen konnten (22) sowie nicht so viel privaten Stauraum für Gegenstände aufwenden mussten (9). Fast die Hälfte der Befragten nannte ökologische Gründe als Beweggrund für die Mitgliedschaft (15). Rund einem Drittel ging es vor allem auch um die Befürwortung des Sharing-Konzeptes und den Ethos der Initiative (13). Die Verantwortung für die Wartung der Gegenstände wurde selten genannt (3).
Motivation: Was motiviert Sie, dieses Angebot zu nutzen? Standort: Edinburgh Tool Library Befragungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Um selten Gebrauchtes nicht kaufen zu müssen
Um Produkte nicht warten zu müssen
2
7
127
Mitglieder
22
Wegen der Eigenlogik und des Ethos des Konzeptes
9
Um Geld zu sparen
439
Ausleihende Mitglieder
15
9
Um Stauraum zu sparen
Aus ökologischen Gründen
n = 40 / Mehrfachnennungen möglich Auswertung basierend auf den qualitativen Daten der semi-strukturierten Nutzerbefragung
Abb. 26: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Motivation für die Nutzung
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Alternatives Verhalten / Rebound 16 von 40 befragten Nutzern hätten ohne den von der ETL bereitgestellten Zugang zu Gegenständen neue Gegenstände gekauft. Neun dieser 16 potenziellen Neukäufer hätten sogar ausschließlich neue Produkte gekauft, mangels alternativer Möglichkeiten. Eine Mehrfachnennung war bei der Frage nach alternativem Verhalten möglich, was dazu führte, dass die anderen sieben potenziellen Neukäufer angaben, zuerst andere Alternativen ausprobieren zu wollen, bevor es tatsächlich zu einem Neukauf kommen würde. Geht man davon aus, dass die Hälfte nicht erfolgreich ist und doch ein neues Produkt erwirbt, kommt man zu dem Schluss, dass 30 Prozent der Befragten ohne den Zugang zur ETL neue Produkte gekauft hätten. In Bezug auf die 2.098 getätigten Erstausleihen der ETL im Betrachtungszeitraum (siehe Auswertung der quantitativen Daten im nächsten Abschnitt) wurden somit ca. 600 Neuanschaffungen innerhalb eines Jahres vermieden. Als beliebtes Alternativangebot wurde das Ausleihen vom Baumarkt benannt. Im gleichen Atemzug wurden jedoch die unverhältnismäßig höheren Kosten sowie das viel kleinere Angebot an Leihgeräten bei Baumärkten genannt, was das Angebot der ETL viel attraktiver macht. Neun Personen gaben an, dass sie ohne den Zugang ihr derzeitiges Projekt nicht verwirklicht hätten. Diese Menschen wurden folglich befähigt, etwas Neues zu lernen beziehungsweise überhaupt erst in die Lage versetzt, eine spezielle Tätigkeit auszuführen.
Alternatives Verhalten: Was hätten Sie ohne die ETL gemacht? Standort: Edinburgh Tool Library Befragungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Ich hätte das Projekt nicht gemacht
Ich hätte neue Werkzeuge gekauft
7 Ich hätte ausschließlich neue Werkzeuge gekauft
Ich hätte gebrauchte Werkzeuge gekauft
127
9
Mitglieder
2 2
9 8
2
Ich hätte Werkzeuge vom Baumarkt geliehen
12
Ich hätte einen Handwerker beauftragt Ich hätte schlechte Arbeit mit eigenem Werkzeug gemacht.
Ich hätte Werkzeuge von Freunden geliehen n = 40 / Mehrfachnennungen möglich
Auswertung basierend auf den qualitativen Daten der semi-strukturierten Nutzerbefragung
Abb. 27: Auswertung der qualitativen Daten der ETL: Rebound Effekte Die qualitativen Auswertungen lassen sich nun im Folgenden mit den Erkenntnissen aus der Auswertung der quantitativen Daten ergänzen.
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Auswertung der quantitativen Daten Wie alle quantitativen Daten wurden auch die Daten der ETL nach dem gleichen Schema von myTurn zur Verfügung gestellt. Sie wurden in anonymisierter Form verarbeitet, so lassen sich neben der Tatsache, dass es sich um Nutzer der ETL handelt keinerlei Rückschlüsse auf individuelle Personen ziehen. Die Auswertung quantitativer Daten liefert folgende Kennzahlen: ݥܛGesamtüberblick über das Inventar ݥܛGesamtüberblick über die Mitglieder ݥܛGesamtüberblick über die Ausleihen ݥܛAuslastung des Inventars ݥܛNutzen für individuelle Mitglieder ݥܛExtrem-Nutzer (Verteilung der Ausleihen auf die Nutzer) Aus diesen Kennzahlen lassen sich in Kombination mit den demographischen Daten eines Standortes Informationen ableiten über: ݥܛdie theoretisch mögliche Auslastung basierend auf dem heutigen Inventar ݥܛempirisch messbare, heutige Auslastung ݥܛheutige Durchdringung des Quartiers ݥܛnotwendige Mitgliederzahl für die angestrebte Durchdringung eines Quartiers von 25Prozent
Gesamtüberblick über Inventar / Mitglieder / Ausleihen Mittels Prüfung der Auslastung der Gegenstände kann festgestellt werden, wie intensiv das Inventar genutzt wird, wie hoch die ungenutzten Liegezeiten eines Produkts sind, welche Gegenstände zu hohen Ausleihzahlen beitragen und welche nicht. Insgesamt wurden in der ETL im Zeitraum von zwölf Monaten (von 07/17 bis 06/18) 569 Gegenstände der insgesamt 941 inventarisierten Dinge, entliehen.
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Zahlen / Daten / Fakten der Edinburgh Tool Library: Inventar Befragungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Die Zahl der entliehenen Gegenstände beinhaltet die Gegenstände, die inventarisiert sind und im Befragungszeitraum entliehen wurden. Die Gegenstände wurden mindestens einmal ausgeliehen.
62% Entliehene Gegenstände
38% Ladenhüter
Die Zahl der Ladenhüter beinhaltet die Gegenstände, die inventarisiert sind aber im Betrachtungszeitraum nicht entliehen wurden.
941 Gegenstände im Inventar
Daten von myTurn
Abb. 28: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Inventar Das Inventar der ETL wird folglich zu 62 Prozent genutzt. 38 Prozent der im Inventar gelisteten Gegenstände haben die ETL in den letzten zwölf Monaten nicht verlassen. Im Untersuchungszeitraum wurden 370 neue Gegenstände inventarisiert, das heißt aus der Untätigkeit zurück in die Nutzungsphase überführt. Allein diese Dinge wurden 1.100-mal geliehen, machten also ein Drittel der Gesamtausleihen während des Betrachtungszeitraumes aus. Darunter waren 232 Erstausleihen. Das Verhältnis der entliehenen Gegenstände zu den Ladenhütern nur der neu inventarisierten Gegenstände ähnelt dem Ausleihverhältnis des gesamten Inventars von ungefähr 2:1. Dieser Wert mag klein erscheinen; wie der spätere Vergleich mit anderen Standorten jedoch zeigen wird, ist er überdurchschnittlich hoch. Das heißt, dass die ETL ein gutes Beispiel für die Anpassung des Inventars auf die Nutzerbedürfnisse ist. Die genutzten 62 Prozent des Inventars wurden insgesamt 3.540mal von 439 der 561 aktiven Mitglieder ausgeliehen. Gehen wir zuerst auf die Mitglieder ein: ca. drei Viertel der Mitglieder tätigten tatsächlich eine Ausleihe. Die anderen nutzten entweder nur die Werkstatt oder waren stille Unterstützer des Konzeptes.11 Auf diese Werte wird im nächsten Abschnitt noch genauer eingegangen.
11 Die genaue Registrierung aller Werkstattnutzer hat erst während des Betrachtungszeitraumes angefangen, weshalb diese Daten zur Auswertung nicht zur Verfügung standen.
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Zahlen / Daten / Fakten der Edinburgh Tool Library: Mitglieder Befragungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Ausleihende Mitglieder: Alle Nutzer, die im Betrachtungszeitraum Gegenstände entliehen haben.
127Mitglieder: 122 Nutzer, die Zugriff auf das Inventar Mitglieder Mitglieder
hatten. Inhaber einer bezahlten Mitgliedschaft, die im Betrachtungszeitraum aber keine Ausleihe getätigt.
439 439 Ausleihende Mitglieder Ausleihende Mitglieder Bei der ETL haben manche
die Mitgliedschaft nur, um die Werkstatt zu nutzen.
561 Mitglieder
Daten von myTurn
Abb. 29: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Mitglieder Diese Zahl der 3.540 Ausleihen beinhaltet alle getätigten Ausleihen innerhalb der betrachteten 12 Monate, unabhängig davon ob eine Person einen Gegenstand erstmalig ausleiht, oder ihn bereits einmal oder mehrfach ausgeliehen hat. Bereinigt man diese Zahl um die Folgeausleihen desselben Gegenstandes durch denselben Nutzer, verbleiben 2.098 Erstausleihen. Diese Bereinigung ist nötig, da durch eine wiederholte Nutzung eines Gegenstandes durch den selben Nutzer keine zusätzliche Ersparnis, Abfallvermeidung oder Konsumvermeidung erzielt wird.12
12 Wobei in den Gesprächen mit den Nutzern klar benannt wurde, dass es manche Gegenstände gibt, die unnötigerweise wiederholt angeschafft würden (zum Beispiel Fixierklammern), da sie zwischenzeitlich verlorengeglaubt scheinen und voreilig durch Neue ersetzt werden. So mag es in vielen Haushalten mehrere Exemplare eines einzigen Gegenstandes geben, wodurch eine wiederholte Ausleihe durch denselben Nutzer durchaus zusätzliche Neuanschaffungen vermieden hat. Diese Spezialfälle sollen in dieser strengen Betrachtung aber mangels Nachweisbarkeit außer Acht gelassen werden.
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Zahlen / Daten / Fakten der Edinburgh Tool Library: Ausleihen Betrachtungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
1442 2098 Wiederholte Erstmalige Ausleihen Ausleihe eines Gegenstandes durch denselben Nutzer
Die Zahl der wiederholten Ausleihen summiert die wiederholte Ausleihe eines Gegenstandes durch denselben Nutzer.
Die Zahl der erstmaligen Ausleihe summiert die Zahl der Dinge, die erstmalig an denselben Nutzer entliehen wurden. Diese Unterscheidung istdeshalb wichtig, da eine erneute Ausleihe durch den selben Nutzer keine erneute Einsparung von Ressourcen.
3540 Gesamtausleihen Auswertung bsierend auf den Daten der Katalogisierungssoftware myTurn Betrachtungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Abb. 30: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Ausleihen
Auslastung des Inventars / Mehrwert für die Mitglieder Werden die Kennzahlen von Inventar, Mitgliedern und Ausleihen zueinander in Bezug gesetzt, lassen sich a) die Auslastung des Inventars und b) der Mehrwert für die Mitglieder ermitteln. In der folgenden Abbildung sind die Zusammenhänge zwischen den Kennzahlen und den Ergebnissen dargestellt. Darauf folgend werden die Erkenntnisse erläutert, die abgeleitet werden können. Zahlen / Daten / Fakten der Edinburgh Tool Library Befragungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Inventar: 941
Ausleihen: 3540
Ladenhüter
Entliehene Gegenstände
Auslastung des Inventars Alle Gegenstände Gesamtzahl der Ausleihen
3,9
Erstmalige Ausleihe eines Gegenstandes
2,3
3540
2098
122
1442 2098 Wiederholte Erstmalige Ausleihen Ausleihe eines Gegenstandes durch denselben Nutzer
38% 62%
Mitglieder: 561 Mitglieder
439
Ausleihende Mitglieder
Nutzen für Mitglieder 941
Entliehene Gegenstände
6,2
Bezahlende Mitglieder
569
561
Ausleihende Mitglieder 439
Gesamtzahl der Ausleihen
6,3
8,1
Erstmalige Ausleihe eines Gegenstandes
3,7
4,8
3540
3,7
Von wievielen Mitgliedern wurden Gegenstände des Inventar entliehen? Wie stark ist das Inventar ausgelastet?
2098
Wie viele Gegenstände hat jedes Mitglied entliehen? Welchen Mehrwert hatte das einzelne Mitglied?
Auswertung bsierend auf den Daten der Katalogisierungssoftware myTurn
Abb. 31: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Zahlen, Daten, Fakten
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Zu a) die Auslastung des Inventars Die Auslastung der Gegenstände lässt sich beziffern. Damit kann festgestellt werden wie hoch die ökologische Entlastung durch die Bibliothek der Dinge ist. Wenn der individuelle Besitz einem Nutzungsfaktor 1 entspricht, da eine Person Zugang zu einem Gegenstand hat, dann besagt der Auslastungsfaktor 10, dass zehn unterschiedliche Nutzer in einem festgelegten Zeitraum Zugriff auf einen Gegenstand haben. Mithilfe dieser Zahl lassen sich also Rückschlüsse auf die Energie- und Ressourceneinsparungen ziehen. Zumindest theoretisch bedeutet das für das Beispiel, dass sich bei einem Nutzungsfaktor 10 neun Neuanschaffungen vermeiden ließen. Die Effizienz an grauer Energie und Rohstoffen wäre dann um 900 Prozent in Bezug auf diesen Gegenstand gesteigert worden. Basierend auf den hier ermittelten Zahlen ergibt sich ein Auslastungsfaktor der Gegenstände von 3,9 bezogen auf das gesamte Inventar und alle aktiven Mitglieder. Jeder Gegenstand wurde dementsprechend im Durchschnitt also 3,9mal im Laufe von 12 Monaten entliehen, was einer Effizienzsteigerung von 290 Prozent entspricht. Diese könnte dann höher ausfallen, wenn die ETL von mehr Mitgliedern genutzt würde. Eine Effizienzsteigerung um 290 Prozent ist normalerweise durch technologische Innovationen allerdings kaum realisierbar. Berücksichtigt man nun die Tatsache, dass ein Teil des Inventars gar nicht entliehen wurde, und folglich nicht dem Bedarf der derzeitigen Nutzer entsprach, lässt sich ermitteln, wie sehr die tatsächlich benötigten Gegenstände ausgelastet waren: Diese wurden im Schnitt 6,2-mal entliehen. Diese Zahl aber als tatsächliche Effizienzsteigerung zu betrachten wäre falsch, denn Gegenstände werden teilweise mehrfach vom selben Nutzer entliehen. Wenn ein Rasenmäher zum Beispiel über sechs Monate hinweg alle vierzehn Tage vom gleichen Nutzer entliehen wird, dann ergibt sich auf den ersten Blick ein Auslastungsfaktor von 12, was eine Effizienzsteigerung von 1100 Prozent wäre. Wirklich vermieden wurde aber nur eine Neuanschaffung. Für die wirkliche Effizienzsteigerung ist folglich nur interessant, wie viele Erstausleihen eines Nutzers es pro Gegenstand gibt. Dieser bereinigte Faktor ist für die ETL im Betrachtungszeitraum eines Jahres 3,7. Die Differenzierung in die unterschiedlichen Faktoren mag verwirrend und überf lüssig erscheinen. Diese Aufschlüsselung ist aber aus folgenden Gründen notwendig: ݥܛInventarisierte Gegenstände können maximal von einem Nutzer zur gleichen Zeit geliehen werden. ݥܛInventarisierte Gegenstände werden ggf. öfter benötigt als nur ein einziges Mal – das erneute Ausleihen führt aber nicht zu erneuter Energie- Ressourceneinsparung.
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ݥܛIn dem Zeitraum, in dem die Dinge wiederholt an die gleiche Person entliehen sind, stehen sie den anderen Mitgliedern nicht zur Verfügung. ݥܛFolglich ist die Erkenntnis, dass die Zahl der Erstentleihungen (3,7) bei 60 Prozent der Auslastung des Inventars (6,2) liegt ein Hinweis darauf, wie hoch theoretisch mögliche Einsparungen der ETL ausfallen könnten, würden alle Gegenstände maximal häufig entliehen werden (Kapitel 3.4). In Bezug auf die derzeitigen Auswirkungen der ETL auf die Effizienz des Inventars bedeutet das, dass diese um 270 Prozent gesteigert wird, wohingegen das Inventar dennoch sehr viel stärker ausgelastet wird (wie oben beschrieben um den Faktor 6,2).
zu b) Durchschnittliche Nutzungsrate pro Mitglied Mittels der Ausleihen pro aktivem Mitglied kann festgestellt werden wie oft die einzelnen Nutzer vom Angebot der Bibliothek der Dinge profitieren. Von den 561 aktiven Mitgliedern (diejenigen, deren Mitgliedschaft für den Untersuchungszeitraum bezahlt wurde und somit gültig ist) haben 439 Personen mindestens eine Ausleihe getätigt. Diese Diskrepanz zwischen der Anzahl an bezahlten Mitgliedschaften und der Anzahl an Mitgliedern, die tatsächlich etwas geliehen haben, ergibt sich wie bereits erwähnt dadurch, dass manche nur deshalb Mitglied werden, um die Werkstatt zu nutzen. Neben den reinen Werkstattnutzern, gibt es eine nicht geringe Anzahl von Mitgliedern, die das Konzept unterstützen möchten, ohne es selbst in Anspruch zu nehmen. Das bezieht sich auch auf diejenigen, die ehrenamtlich tätig sind, ohne jedoch selbst etwas auszuleihen. Eine genaue Bezifferung der jeweiligen Personengruppen ist mangels Daten derzeit nicht möglich. All die Mitglieder, die keine Ausleihe getätigt haben, werden in der folgenden Kalkulation nicht mehr berücksichtigt, da ihr Mehrwert bereits durch den Zugang zur Werkstatt entsteht. Pro Mitglied wurden unter diesen Voraussetzungen 8,1 Ausleihen getätigt. Lässt man wiederum die Mehrfachausleihen unberücksichtigt – wie oben beschrieben beispielsweise das wiederholte Ausleihen des Rasenmähers – so ergibt sich die Anzahl von 2.098 Erst-Ausleihen und damit ergibt sich eine Nutzungsrate bzw. -intensität von 4,8 Zugängen zu unterschiedlichen Produkten je Mitglied.
Beschreibung der Nutzer Betrachtet man die tatsächliche Verteilung der Ausleihen, wird deutlich, dass etwa ein Fünftel der Mitglieder dem Durchschnittsnutzer entsprechen: 83 Mit-
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glieder haben 4 bis 5 Ausleihen während des Betrachtungszeitraumes getätigt. 109 Nutzer lagen über dem Durchschnitt, davon haben 48 Personen elf oder mehr Gegenstände ausgeliehen. Unter dem Durchschnitt lagen insgesamt 247 Nutzer: davon haben 114 Personen eine einzige Ausleihe getätigt.
Zahlen / Daten / Fakten der Edinburgh Tool Library: Verteilung der Ausleihen Betrachtungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018 Anzahl der Ausleihen 40 35 30
Mittelwert: 4,8 Ausleihen pro Mitglied
>21 Ausleihen: 9 Mitglieder
25 20
11-20 Ausleihen: 39 Mitglieder
15
6-10 Ausleihen: 61 Mitglieder 4-5 Ausleihen: 83 Mitglieder 2-3 Ausleihen: 133 Mitglieder
10 5 0
1
50
100
150
200
250
300
1 Ausleihe: 114 Mitglieder 350
400 450 Anzahl der Mitglieder
Auswertung bsierend auf den Daten der Katalogisierungssoftware myTurn Betrachtungszeitraum: 01.07.2017-30.06.2018
Abb. 32: Auswertung der quantitativen Daten der ETL: Verteilung der Ausleihen
Fazit Basierend auf den empirischen Daten des Fallbeispiels und ihrer qualitativen wie quantitativen Auswertung in diesem Kapitel können die folgenden Erkenntnisse bezüglich ihrer Effekte formuliert werden. Beginnen wir mit den ökologischen Effekten: Eine Bibliothek der Dinge als PSS kann die negativen ökologischen Auswirkungen der dominanten Nutzen-durch-Besitzen-Konsumweise verringern. Sie kann deshalb den Energie- und Ressourcenverbrauch drosseln, da die bereitgestellten Dinge länger und/oder intensiver genutzt werden, da mittels der entliehenen Gegenstände andere Dinge wieder repariert werden können, die sonst entsorgt worden wären, und zudem werden durch vermiedene Neuanschaffungen Verpackungsmaterialien eingespart (Geyer et al. 2017). Die Tatsache, dass in der Verpackungsbranche im Jahr 2015 mehr Kunststoff verbraucht wurde als in der Automobil-, Elektro-, Möbel-, Haushaltswarenbranche zusammengenommen – insgesamt 3,2 Millionen Tonnen (Statista 2016b) –, belegt die steigende Notwendigkeit, diesen Faktor zu berücksichtigen. Die Zahl hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt (Statista 2016c). Pro Kopf fielen im Jahr 2016 im Privatgebrauch ca. 25 kg Plastikverpackungsmüll an (UBA 2018). Insgesamt kamen 220,5 kg Ver-
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packungsgebrauch pro Person zusammen, wovon 47 Prozent auf private Verbraucher fällt (UBA 2018). Durch das Sharen von Dingen in einer Bibliothek 2.0 entfällt der Verpackungsmüll, der mit dem Neukauf eines Produktes verbunden ist. So wird ein bereits aufgewendeter Energie- und Ressourcenverbrauch (für die Herstellung eines zum Verleih angebotenen Gegenstandes) effizienter genutzt und ein neuer Energie- und Ressourcenverbrauch (für Neukauf und Verpackung nicht gemeinschaftlich genutzter Gegenstände) reduziert. Daraus folgt, dass die ökologischen Auswirkungen einer Bibliothek der Dinge nicht durch eine Lebenszyklus Analyse (LCA) allein erfasst werden können, da eine verlängerte Nutzungsdauer, Reparaturaufwendungen, vermiedene Neuanschaffungen, aber auch Rebound-Effekte in einer LCA nicht bewertet werden.
Zusammenfassung der ökologischen Effekte, die von der ETL ausgehen ݥܛGespendete Dinge werden in der ETL in eine zweite Nutzungsphase überführt – dadurch werden sie länger genutzt. ݥܛDinge werden intensiver genutzt: Jeder in der ETL verliehene Gegenstand wurde im Durchschnitt von 3,7 unterschiedlichen Personen genutzt und insgesamt 6,2mal entliehen, was einer Nutzungsquote von 520% im Gegensatz zum individuellen Besitz entspricht. ݥܛNeuanschaffungen werden vermieden: - Verallgemeinert man die hier gewonnenen Ergebnisse, gelangt man zum Schluss, dass mindestens 20 Prozent der in der ETL entliehenen Gegenstände neu gekauft worden wären, hätten die Mitglieder keinen Zugang zu den Gegenständen gehabt. Weitere 20 Prozent würden nur dann neu gekauft, wenn sie nicht anderweitig aufgetrieben werden können. Wenn jeder zweite davon erfolglos und auf einen Neukauf angewiesen ist, bedeutet das, dass ungefähr 30 - 40 Prozent der Erstverleihungen einen Neukauf vermieden haben. - Im Falle der ETL bedeutet das für den Zeitraum von Juli 2017 bis Juni 2018: 20 - 40 Prozent der 2098 Gesamtausleihen wären ohne den Zugang zur ETL als Neuanschaffung getätigt worden. Im Mittelwert wurden somit ca. 600 Produktneuanschaffungen vermieden. ݥܛDer individuelle Lagerbedarf im privaten Wohnraum wird minimiert. ݥܛIndividueller Konsum verändert sich dahingehend, dass zunehmend über das Internet konsumiert wird. Dafür fällt erstens mehr Verpackungsmüll an, da die bereits verpackten Dinge für die postalische Versendung erneut verpackt werden. Zweitens verdoppelt sich der logistische Aufwand, wenn Waren zu-
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rückgesendet werden müssen. Berücksichtigt man zusätzlich die offenbar gängige Praxis, dass rückgesendete Waren aus Kostengründen z.B. von Anbietern wie Amazon geschreddert werden (Hielscher et al. 2018), liefert das Angebot der Bibliothek der Dinge einen abermals energie- und ressourceneffizienteren Zugang zu Produkten.13 ݥܛNegativ kann sich jedoch der Rebound-Effekt auswirken, der entsteht, wenn durch das Sharing gespartes Geld in Konsumzwecke investiert wird, die sonst nicht möglich gewesen wären. Doch selbst wenn man hier mit einem ReboundEffekt von 30 Prozent kalkuliert (ein Wert, der sich bei Energieeffizienzmaßnahmen wiederholt bestätigt hat), dann ist der Nettoeinspareffekt bzw. der Effizienzgewinn immer noch beträchtlich. Eine Bibliothek der Dinge hat als im Quartier verankerte Initiative aber auch Auswirkungen auf soziale und damit verbunden auch auf ökonomische Faktoren. Eine Bibliothek der Dinge wirkt sich in einem Quartier deshalb sozial aus, weil sie allen Menschen Zugang zu Gütern gewährt. Sie fördert Zugangsgleichheit unabhängig von sozialem Status, Bildungs- oder Einkommensniveau. Außerdem bietet sie einen Ort der Begegnung, an dem Menschen unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen zusammenkommen können. Durch die Vernetzung der Menschen miteinander beziehungsweise durch die Bereitstellung von Wissen in Form von Gesprächen oder Schulungsprogrammen werden Mitglieder befähigt, Dinge zu lernen und Wissen weiterzugeben. Eine Bibliothek der Dinge kann aber auch zum Labor für die Erprobung neuer Lebensstile werden und damit einen Nährboden für die Veränderung sozialer Praktiken bieten.
Von der ETL gehen die folgenden sozialen Effekte aus Menschen werden zu resilienteren Lebensstilen befähigt, da sie trotz limitierter ökonomischer Mittel Zugang zu einem großen Angebot haben, der ihnen sonst größtenteils verwehrt wäre. Durch diesen Zugang konnten
13 Was mit einer Verschiebung zum online-Handel auch stetig zunimmt sind die damit verbundenen anfallenden Rücksendungen. So wurden im Jahr 2012 in Deutschland ca. 286 Mio. Rücksendungen getätigt (basierend auf 0,00727 Rücksendungen pro umgesetztem Euro und einem Gesamtumsatz von 39,3 Mrd. Euro in 2012). Bei einem Durchschnittswert von ca. 500 Gramm CO2-Emissionen pro Paket (Umweltdialog 2011) ergaben sich für die 286 Millionen Rücksendungen CO2-Emissionen in Höhe von ca. 143.000 Tonnen. Die Bibliothek der Dinge kann diese Emissionen durch die Bereitstellung des Zugangs zu Produkten verhindern (Asdecker 2018).
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ݥܛ23 Prozent der Nutzer Projekte in Angriff nehmen, die sie sonst nicht hätten ausführen können. ݥܛ23 Prozent der Nutzer defekte Dinge am Heim oder zu Hause reparieren. ݥܛNutzer neue Dinge und Informationen, in Workshops, durch Gespräche oder durch die Nutzung entliehener Gegenstände erlernen. ݥܛNutzer neue Praktiken erlernen und erproben. ݥܛNutzern eine Plattform zur Vernetzung geboten werden, was die Lebensqualität im Quartier steigert.
Von der ETL gehen diese ökonomischen Effekte aus ݥܛZugangsgleichheit: Allen Menschen wird der Zugang zu Gegenständen ermöglicht, unabhängig von demographischen Hintergründen. ݥܛMenschen sparen Geld, da sie weniger Neuanschaffungen tätigen müssen. ݥܛMenschen benötigen in Wohnungen weniger Fläche bzw. Stauraum und können Geld für Miete oder die Anmietung zusätzlichen Lagerraums einsparen.
2.4 Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge Die empirisch messbaren Auswirkungen, die durch das Fallbeispiel der ETL offengelegt wurden, lassen sich in einen Katalog von Indikatoren überführen. Dies zu tun macht Sinn, da die Bewertung externer Effekte von Bibliotheken der Dinge an Hand von Indikatoren für diverse Akteure von erheblicher Bedeutung ist: Intern können Betreiber die Daten nutzen, um das eigene Angebot besser auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe abzustimmen, Probleme und mögliches Verbesserungspotenzial zu identifizieren, das Angebot im Sinne der Nachhaltigen Entwicklung effizienter zu gestalten oder auch, um den eigenen Nutzern zu demonstrieren, welche Auswirkungen ihre Teilnahme, ihr Handeln hat. Für externe Zwecke können die Daten genutzt werden, um den Beitrag der eigenen Initiative zu Zielen der Nachhaltigen Entwicklung zu veranschaulichen, um Investoren für die Idee zu begeistern oder um Geldgebern eine Begründung für die Unterstützung des Konzeptes zu liefern. Im Folgenden wird deshalb ein Indikatoren-Katalog erstellt, der Effekte von Bibliotheken der Dinge feststellen, beschreiben, bewerten und miteinander vergleichen lässt. Dafür werden Auswertungen auch anderer Standorte herangezogen.
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Vorgehen Für die Bewertung der Aktivitäten von Bottom-up- oder auch gemeinnützigen Initiativen gab es bei Fertigstellung dieser Arbeit noch keine etablierten oder gar verbindlichen Standards. Das bedeutet, dass noch kein Indikatoren-Katalog entwickelt wurde, der sich auf eine Bibliothek der Dinge im Speziellen oder auf die Share Economy im Allgemeinen anwenden ließe. Zur Schließung dieser Forschungslücke werden Indikatoren benötigt, welche die Auswirkungen der auf der Mikroebene agierenden Bibliothek der Dinge abbilden können. Die ETL-Fallstudie offenbarte a) die Dimensionen, in denen Effekte zu erwarten sind, b) wie manche Effekte empirisch nachgewiesen werden können und c) welche weiteren Effekte zwar zu erwarten, aber im Rahmen der Fallstudie nicht belegt werden konnten. Diese Erkenntnisse wurden als Ausgangspunkt für die Ableitung eines Indikatoren-Kataloges genutzt. Die weitere Entwicklung erfolgte in iterativen Diskussionen mit diversen Akteuren der Bewegung. Unter den Diskussionspartnern waren Gründer von Bibliotheken der Dinge (Devon Fernandes (Waterloo-Kitchener Library of Things), Bettina Vollmerhausen (Ottawa Tool Library), Chris Hellawell (Edinburgh Tool Library), Lawrence Alvarez (Toronto Tool Library), Thomas Opsomer als Werkzeugexperte sowie Mitgründer (Tournevie – Brüssel), ehrenamtlich Tätige von verschiedenen Standorten und Gene Homicki (CEO der Katalogisierungssoftware myTurn). Zudem wurde ein erster Indikatoren-Katalog auf dem 2nd Lending Library-Symposium im Juni 2017 öffentlich zur Diskussion gestellt, Kommentare diskutiert und gegebenenfalls eingearbeitet.
Anforderungen an einen Indikatoren-Katalog Ein geeigneter Indikatoren-Katalog ist in der Lage Unterschiede zu messen. Die Diskussion mit aktiven Akteuren, Experten und Begleitern der Bewegung hat auch ergeben, dass ein Bewertungssystem v.a. so ausgelegt sein muss, dass die Daten von Betreibern einer Bibliothek der Dinge selbst erhoben werden können, denn nur dann wird er praktikabel. Idealerweise basiert die Bewertung auf qualitativen (durch die Initiativen vor Ort erhebbaren) und quantitativen Daten (die idealerweise durch eine Katalogisierungssoftware automatisch erfasst werden). Dadurch wird ein maximal umfassendes Bild eines Standortes gezeichnet.
Der Indikatoren-Katalog für Bibliotheken der Dinge Die Effekte können verschiedenen Bereichen zugeordnet werden: Einerseits gibt
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es ökologische, soziale und nicht zuletzt auch ökonomische Konsequenzen. Die ökologischen wirken zunächst auf die Umwelt, langfristig aber auch auf die Gesellschaft. Die sozialen und ökonomischen Effekte stellen sich dagegen unmittelbar bei den Nutzern ein. All diese Effekte lassen sich durch diverse Faktoren charakterisieren. Während ein Effekt beschreibt, was passiert, können Faktoren steuernd auf einen Effekt einwirken und diesen hemmen oder verstärken. Die Faktoren wiederum lassen sich mittels Indikatoren messen. Durch die Indikatoren kann man eine Aussage darüber tätigen, ob sich der Faktor stark oder schwach auswirkt (siehe Abbildungen 35 & 36). Damit Effekte standortübergreifend und vergleichbar beschrieben werden können und zudem effektive Stellschrauben für ihre Verstärkung aufgedeckt werden können, ist es einerseits hilfreich, verschiedene Faktoren zu identifizieren und sie wiederum mittels vielfältiger und unterschiedlicher Indikatoren messen zu können. Je nach Datenverfügbarkeit wird somit sichergestellt, dass Effekte auch dann belegt werden können, wenn die Datenlage löchrig und unterschiedlich ist. Vorab sei noch darauf hingewiesen, dass ein Indikator durchaus zur Beschreibung verschiedener Effekte herangezogen werden kann. In der folgenden Tabelle sind Indikatoren für ökologische Effekte einer Bibliothek der Dinge versammelt:
Ökologische Effekte, Faktoren & Indikatoren Die ökologischen Auswirkungen lassen sich v.a. durch die Auswertung der quantitativen Daten von Bibliotheken der Dinge darstellen. Sie werden von den Mitgliedern nicht direkt wahrgenommen, teilweise aber vermutet: „This concept confronts consumerism in a great way. Reusability of objects is made practicable. That’s good for the environment and for the community, cause people are coming together.“ (Danforth 01) „I think NESTL [Northeast Seattle Tool Library] has saved me a few hundred on tool purchases plus the environmental benefits of reducing consumption.“ (Seattle, Bill)
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Ökologische Auswirkungen und dazugehörige Indikatoren Effekte
1
Einsparung von grauer Energie / Rohstoffen
Faktor
Indikator
Aufbau des Inventars
Prozentsatz der Spenden Anzahl der Gegenstände im Inventar
a
b c d e
Nutzung des Inventars
Anzahl der Mitglieder
Verlängerung der Lebensdauer der inventarisierten Gegenstände
Anzahl der Ausleihen je Gegenstand
Auslastung des Inventars
Anzahl der Ausleihen pro Zeitraum
Vermeidung von Neuanschaffungen
Anzahl der nicht-gekauften Gegenstände
Vermeidung von Verpackung
Anzahl der nicht-gekauften Gegenstände
Verlängerung der Lebensdauer individuell besessener Gegenstände
Anzahl reparierter Gegenstände Anzahl der Gegenstände, die weiter verwendet wurden
Standort der Bibliothek der Dinge
Wahl des Transportmittels
Einzugsgebiet
Entfernung der Nutzer zur Bibliothek der Dinge
Rebound-Effekt
Verwendung des eingesparten Geldes
Abb. 33: Indikatoren für die ökologische Dimension Unabhängig davon wurde im zweiten Kapitel bereits festgestellt, dass für die meisten Nutzer von Sharing-Angeboten ökologische Motive keine vordergründige Rolle spielen, sondern eher soziale und ökonomische (die im Anschluss erfasst werden). Doch selbst wenn Individuen aus ego-zentrierten Gründen teilen, resultieren aus dem Sharing in der Regel ökologische Entlastungseffekte. Es folgt nun die Analyse der ökologischen Indikatoren. Sie soll die unterschiedlichen Teilbereiche ökologischer Auswirkungen verständlicher machen:
1 Einsparung von grauer Energie- & Ressourcen Die gewünschten ökologischen Effekte von Bibliotheken der Dinge bestehen in der deutlichen Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs. Die erhoffte Veränderung dieses Verbrauchs kann durch unterschiedliche Mechanismen erreicht und damit auch belegt werden, wie die folgenden Faktoren eindeutig beweisen. Die durch eine Bibliothek der Dinge eingesparte Menge an Rohstoffen und grauer Energie kann nur dann exakt ermittelt werden, wenn genau bekannt ist, wie hoch der Energie- und Materialverbrauch für die Produktion der verliehenen Gegenstände ist. Über diese Daten verfügen in der Regel aber nicht einmal die Hersteller, was unter anderem auch daran liegt, dass viele Teile von verschiedenen Zulieferern hergestellt werden – und wie die arbeiten, ist dem Verkäufer des
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Endproduktes oft unbekannt oder zumindest nicht ausreichend bekannt. Kann die eingesparte Material- und Energiemenge zumeist also nicht direkt ermittelt werden, muss versucht werden, sie indirekt und näherungsweise anzugeben: a) Je größer die Auswahl an auszuleihenden Gegenständen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer in der Bibliothek finden, was sie benötigen. Je größer die Anzahl der Nutzer und der Ausleihen pro Gegenstand, je weniger Gebrauchsgegenstände werden im klassischen Sinne gekauft, da sie geliehen oder repariert werden können. Je weniger Gegenstände konsumiert und stattdessen kollaborativ genutzt werden, desto größer der Einspareffekt an grauer Energie und Rohstoffen. Je größer die Anzahl an intakten, gespendeten Gegenständen im Inventar einer Bibliothek der Dinge, desto weniger Dinge müssen für die kollaborative Nutzung neu angeschafft werden. Die Umweltbilanz des in einer Bibliothek der Dinge verfügbaren Inventars wird außerdem umso besser, je länger und häufiger die angebotenen Dinge verliehen werden. Das impliziert, dass sich ihre Ökobilanz bessert, wenn zu Schaden gekommene Gegenstände repariert werden, sofern die Reparatur nicht zu aufwendig ist. Und je höher die Ausleihfrequenz eines Gegenstandes, desto weniger Liegezeiten hat er, in denen er ungenutzt bleibt. Folglich erhöht sich seine Ressourceneffizienz. 16 von 40 befragten Nutzern hätten ohne den Zugang zur ETL neue Gegenstände gekauft. Schmälert man diese Zahl um evtl. alternative Käufer, die Personen, die nicht notwendigerweise Neuware gekauft hätten, dann verbleibt eine Neukaufrate von ca. 30 Prozent der Befragten (siehe Auswertung der Fallstudie ETL – Kapitel 2.3). Bei den rund 2.000 Erstausleihen der ETL ergibt das 600 vermiedene Neuanschaffungen pro Jahr. b) Zusätzlich kann jene Menge an grauer Energie und Rohstoffen eingespart werden, die für die Herstellung der Verpackung der sonst neu angeschafften Produkte nötig gewesen wäre, anders formuliert erhöht sich die Energie- und Ressourceneffizienz eines verpackten Produktes mit seiner Ausleihfrequenz in der Bibliothek. c) Durch den Zugang v.a. zu Werkzeugen entstehen weitere Einsparpotenziale. Denn nicht allein durch die kollaborative Nutzung der Gegenstände wird der Energie- und Ressourcenverbrauch verringert, sondern auch dadurch, dass mit ausgeliehenen Werkzeugen Produkte und/oder gar Immobilien repariert werden können. So können Eigenheime energieef fizienter gemacht werden (DENT Instruments 2013, USDN 2015), es kann aber auch die Lebensdauer von Privateigentum verlängert werden.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
d) Der Standort einer Bibliothek der Dinge kann positive oder negative Auswirkungen auf die Umweltbelastung haben: Ist sie zentral gelegen und/oder gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen, kann die zurückgelegte Distanz ohne ein Auto bewältigt werden, sofern der ausgeliehene Gegenstand nicht zu sperrig oder schwer für den Transport ist. Umgekehrt verschlechtert sich die Umweltbilanz eines Leihvorgangs, wenn ein Gegenstand eigens per Auto abgeholt und/oder zurückgebracht wird. Er verschlechtert sich nicht, wenn der Nutzer mit seinem Auto (auf dem Weg von oder zur Arbeit) ohnehin an der Bibliothek vorbeigefahren wäre. e) Die möglichen Einspareffekte können weiter außerdem dadurch geschmälert werden, wenn Nutzer mit dem durch den Verzicht auf einen Neukauf eingesparten Geld, andere energie- und rohstoff konsumierende Aktivitäten oder Käufe tätigen, die sie sich sonst nicht geleistet hätten. Das wäre ein Rebound-Effekt. Doch selbst wenn man einen Verleihvorgang, wie bereits erwähnt, mit einem empirisch belastbaren Rebound-Effekt von 30 Prozent in Rechnung stellt, ist der Nettoeinspareffekt bzw. der Effizienzgewinn noch immer signifikant. Ökologische Effekte sind jedoch nicht die einzigen, wegen derer es sich lohnt, über die Institutionalisierung von Bibliotheken der Dinge nachzudenken. Es lassen sich auch soziale und ökonomische feststellen. In der Einleitung zu diesem zweiten Kapitel wurde mit Bezug auf die Vermögensungleichheit auch in wohlhabenden Ländern wie Deutschland oder der USA darauf hingewiesen, dass solche Effekte nicht zu vernachlässigen sind, zumal sich das Problem in den nächsten Jahrzehnten vergrößern könnte.
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Sozio-Ökonomische Effekte, Faktoren & Indikatoren Soziale und ökonomische Auswirkungen und dazugehörige Indikatoren
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Effekte Steigerung der subjektiv wahrgenommen Lebensqualität
Befähigung von Personen
Faktor
Indikator
sozialer Zusammenhalt
Steigerung des persönlichen Nutzens durch kooperative Bereitstellung von Ressourcen (Wissen, Gegenstände, Kontakte, Bildung) Diversität hinsichtlich sozio-demographischer Merkmale der Nutzer (z.B. Bildung, Alter)
Gemeinschaft
stärkere Einbindung in das Quartiersleben
Partizipation / Verbundenheit
Neue Betätigungsmöglichkeiten
Inklusive (Arbeits-)bedingungen
Anzahl der Aktiven mit körperlichen Beeinträchtigung
subjektives Gefühl, gebraucht zu werden
Anzahl an Angeboten für spezielle Gruppen (Frauen, Flüchtlinge, Kinder, Senioren, etc.) Anzahl der Arbeitsplätze für spezielle Gruppen (verstellbare Tische, Sicherheitsvorkehrungen, etc.)
4
Beitrag zum Wandel der Konsumkultur
Autonomie & neue Optionen für Ehrenamtliche & Nutzer
Anzahl der Ehrenamtlichen
Präsenz in den Medien
Anzahl der Berichterstattungen über die BIB
Betätigungsfelder für Ehrenamtliche
Anzahl der PR Aktivitäten
Interaktion mit anderen Initiativen
Anzahl der verbundenen Initiativen
Diversität des Inventars
Anzahl der verschiedenen Produkte Gesamtzahl der Produkte
Verlässlichkeit des Angebotes
Anzahl der Reklamationen, Ausfälle, Schließtage
Umfang des Angebotes
Umfang der Räumlichkeiten Umfang des Programms Umfang der Events Umfang der Öffnungszeiten
5
Ökonomische Effekte auf Konsumverhalten der Mitglieder
Aktivitätsrate
Anzahl der Leihvorgänge / Mitglied
Mitgliedsrate
Anzahl der Mitglieder / Bevölkerung
Vermeidungsrate
Anzahl der vermiedenen Neuanschaffungen
ökonomischer Rebound-Effekt
Verwendung des durchs Teilen eingesparten Geldes
Minderausgaben
Durch Vermeidung von Neuanschaffungen Durch Reparatur von Eigentum
Effekte der Zugangsgleichheit
Zugang trotz persönlichen Platzmangels Zugang trotz persönlichen Geldmangels
Abb. 34: Indikatoren für die soziale und ökonomische Dimension
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Es folgt die Erklärung der sozialen und ökonomischen Indikatoren: Soziale und ökonomische Effekte einer Bibliothek der Dinge werden von ihren Nutzern, anders als die ökologischen, unmittelbar und persönlich wahrgenommen. Im Vergleich dazu sind die ökologischen Effekte in der Regel unpersönlich, abstrakt und wirken sich womöglich auf anderen Kontinenten aus. Darum wurden von den Nutzern in Interviews ökologische Effekte kaum thematisiert, soziale und ökonomische dagegen sehr wohl. Diese Aussagen können hier sowohl als empirische Fundierung als auch als eine zusätzliche Erklärung der Indikatoren angeführt werden.
2 Die subjektive Lebensqualität Die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität von Bürgern eines Quartiers kann durch verschiedene Effekte gesteigert werden, die von einer Bibliothek der Dinge ausgehen – z.B. einfach dadurch, dass sie eine Person dabei unterstützt, Geld einzusparen oder ihr die Möglichkeit gibt, Workshops anzubieten, Dinge zu reparieren und damit sinnstiftend wirkt. Die meisten der in der Tabelle aufgelisteten Indikatoren können letztlich eine Auswirkung auf die subjektive Lebensqualität haben. Beim sozialen Zusammenhalt geht es zusätzlich aber darum, dass ein Quartier als lebenswerter deswegen erachtet wird, weil es eine Bibliothek der Dinge hat. So schrieb ein Nutzer über die Southeast Seattle Tool Library, sie sei „a great service to the community“ (Seattle, Trevor). Und befragte Nutzer der Ottawa Tool Library sagten im Gespräch: „Bezüglich der Werkzeugspende können wir sagen: Wir wollten die Gegenstände an einem Ort haben, wo sie wirklich benötigt werden.“ (Ottawa Tool Library – 16) Eine Bibliothek der Dinge kann den sozialen Zusammenhalt verbessern, weil sich der subjektive Nutzen der Mitglieder durch die anderen Mitglieder erhöht: Je mehr Mitglieder gebrauchsfähige Gegenstände in die Bibliothek einbringen und allen zur Verfügung stellen, je mehr Workshops angeboten und neue Kontakte geknüpft werden können, desto mehr profitiert der Einzelne von den Mitbewohnern seines Quartiers. Auf diese Weise entsteht eine indirekte P2P-Kooperation, die letztlich allen nutzen kann. Messbar wird der soziale Zusammenhalt folglich durch das Ausmaß der kooperativen Bereitstellung von Gegenständen, Wissen und Kontakten sowie durch die Diversität der von den Mitgliedern angebotenen Services (z.B. Workshops und andere Veranstaltungen sowie ein „schwarzes Brett“, auf dem die Nutzer z.B. durch Suche/Biete-Infos untereinander in Kontakt treten können). Je größer und qualitativ hochwertiger der gemeinsam zusam-
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mengetragene „Schatz“ an gemeinschaftlich genutzten Dingen und Services ist, desto ausgeprägter sollte der soziale Zusammenhalt werden. Den Quartiersbewohnern wird eine neue Möglichkeit geboten, sich engagieren zu können: Durch ihre Mitwirkung als ehrenamtliche Helfer, als Anbieter von Workshops, Beschaffer von Gegenständen oder Anbieter von Diensten (z.B. Reparaturdienste) können Mitglieder durch ihre Aufgabe einen neuen Sinn erhalten und ggf. das Gefühl erfahren, gebraucht zu werden. Je heterogener die Mitglieder sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen unterschiedlicher sozialer Gruppen begegnen. Die Vermutung ist, dass die Bibliothek der Dinge einen umso entscheidenderen Beitrag zum Zusammenhalt eines Quartiers leistet, gar zu einer Vergemeinschaftungsplattform wird, je diverser die Hintergründe der Teilnehmer sind. Die Erfassung der sozio-demographischen Daten kann zudem eine Aussage dazu machen, ob die Bibliothek von nur einer speziellen Nutzergruppe frequentiert wird, oder ob sie wirklich in die Mitte eines Quartieres, einer Stadt oder gar der Gesellschaft vordringen konnte. Die Gemeinschaft wird wiederum durch eine vertiefte Integration der Bibliothek der Dinge in Quartiersaktivitäten verstärkt: Die Gemeinschaft wächst zusammen, wenn Mitglieder dem Sharing-Konzept langfristig treu bleiben. Da es nach den durchgeführten Erhebungen viele Nutzer gibt, die das Konzept nicht aus finanziellen oder praktischen Gründen, sondern wegen des Gemeinschaftsgefühls nutzen, sind langfristige Mitgliedschaften ein Beleg dafür, dass diese Nutzer v.a. wegen der Stärkung des sozialen Zusammenhaltes dabei bleiben. Die Aussagen von Nutzern unterschiedlicher Tool Libraries oder Libraries of Things in verschiedenen Ländern bezeugen, dass diese Einrichtungen einen positiven Effekt auf ihre subjektive Lebensqualität haben: „This concept confronts consumerism in a great way. Reusability of objects is made practicable. That’s good for the environment and for the community, cause people are coming together.“ (Danforth 01) Die Tool Libraries in Toronto, Ottawa und Baltimore werden als Orte beschrieben, die dieses Gemeinschaftsgefühl erst ermöglichen und auch verstärken. Umgekehrt ist es aber auch so, dass das Konzept einfacher in eine Nachbarschaft diffundiert, wenn diese bereits eine funktionierende Gemeinschaft ist. „If it’s a small community it could work. If it’s already a community. These tend to work best, I have found. St. Claire we only opened two months ago [...] and it’s going great. Really well, almost as good as the other locations, and we just started it, which is unbelievable! [...] We didn’t create that it was already there.“ (Toronto, Ryan) „ It’s a great community hub. Even though we don’t have space that people come and spend a lot of time, you get to know people and it’s very friendly. And beside
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
from environmental sustainability issues it helps address and builds social capital almost.“ (Toronto, Ria) „And then I think after that what they [die Nutzer der Baltimore Tool Library] discover is, that we have a really awesome friendly community there and it is really vibrant and it’s just a kind of place that feels good to be in.“ (Baltimore, Piper) Neben der inhaltlichen Bereicherung wird auch die neuartige Atmosphäre des Ortes wertschätzend beschrieben: „Everything is full of respect!“ (Ottawa – love & hate-letter) „Everyone is spectacularly friendly and helpful!“ (Ottawa – love & hate-letter) „This place is like dynamite – there is nothing you could want more!“ (Ottawa Tool Library – 07) Die freundliche Atmosphäre wurde als sehr angenehm und besonders bezeichnet. Das Quartier wird greif barer durch diesen Ort, an dem Interaktion direkt erlebbar wird. „You promote the ‘small town mentality’ of helping your neighbour.“ (Ottawa – love & hate-letter) „You build community – literally!“ (Ottawa – love & hate-letter) „And ever since we started the shop [gemeint ist die Tool Library in Baltimore] we have an open shop night twice a week for the members. A lot of friendships are forged there. Cause members are definitely helping each other out.“ (Baltimore, Piper) Die Bibliothek der Dinge bietet Menschen, die sich im Vorfeld nicht kannten, einen Ort, in dem sie aufeinander zugehen und voneinander profitieren können. Das entstehende Gemeinschaftsgefühl als solches wurde hervorgehoben, da durch die Bibliothek die Nachbarschaft verbessert wurde und man durch die Mitgliedschaft neue Facetten und Perspektiven von gesellschaftlichem Beisammensein kennenlernen konnte. Nutzer beschrieben, dass sie sich gut fühlten, wenn sie an diesen Ort kamen. Aus diesem Grund war es für die meisten auch nicht problematisch, wenn sie warten mussten, bis sie an der Reihe waren. Eine Tatsache, die man in einem gewöhnlichen Geschäft zumeist nur ungern hinnimmt. Diese angenehme Atmosphäre wird hauptsächlich der Tatsache zugeschrieben, dass die Tool Library auf ehrenamtlichem Engagement basiert. Durch ihre Zugehörigkeit empfanden Nutzer außerdem das gute Gefühl, Teil einer größeren sozialen Bewegung zu sein.
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3 Befähigung von Personen „The OTL has provided me a more practical way to be practical.“ (Ottawa Tool Library, State of the Toolbox, Annual General Meeting 201714) Diese Aussage ist doppeldeutig: Einerseits wird die Praktikabilität des Angebotes betont. Andererseits wird die Tatsache hervorgehoben, dass durch den Zugang eine Aktivität ermöglicht wird, die vorher nicht möglich war. Convenience ist das Schlagwort, das beinahe jeder Beteiligte mindestens einmal im Gespräch benutzte. Befragte Nutzer äußerten sich wiederholt dazu, dass eine Bibliothek der Dinge Personen in die Lage versetzt, etwas tun zu können, was ohne das Angebot des Zugangs nicht möglich gewesen wäre. Soll folglich eine Aussage dazu getroffen werden, ob Mitglieder und Ehrenamtliche sich weiterentwickeln und selbstverwirklichen können, kann das einmal anhand der Arbeitsbedingungen und Rahmenbedingungen für Aktive sowie anhand von Angeboten für die Mitglieder getan werden. Weitere Hinweise auf die tatsächliche Befähigung der Mitglieder liefert die Gestaltung des Standortes: ist er zugänglich, bietet er anpassbare Arbeitsplätze, die möglichst vielen Nutzeransprüchen gerecht werden können und ist er v.a. sicher. Auf der einen Seite schätzen Nutzer die praktischen Vorteile der Werkzeugbibliothek, auf der anderen Seite schätzen sie aber auch die konzeptionelle Idee, die das Angebot abrundet und zu einer einzigartigen Erfahrung werden lässt. So wurde von zwei Dritteln der Nutzer der TTL das umfangreiche Angebot thematisiert, die große Auswahl und der dadurch ermöglichte Handlungsspielraum. Aber erst mit der damit gekoppelten Beratung und Unterstützung wird es zu einem einmaligen Erlebnis, das ihnen die Möglichkeit gab, etwas Neues zu tun oder zu lernen:
14 Die OTL hat Ende 2016 eine Online-Befragung mit insgesamt 128 Teilnehmern durchgeführt. Davon waren 55 Personen bereits Mitglied, 73 (noch) nicht. Auf die Frage, warum sie kein Mitglied sind waren die Antworten vielfältig aber nicht einschlägig. Als Barrieren wurde der Standort genannt, sowie die Kosten. Auch das Fehlen eines Projektes das bearbeitet werden soll wurde benannt. Einige hatten auch selber genügend Werkzeuge, fanden die Öffnungszeiten inkompatibel mit den eigenen Tagesabläufen oder haben es im Alltag schlicht vergessen, sich anzumelden. Die Teilnehmer waren aus allen Altersklassen, wobei die Gruppen der 25-34-jährigen mit 41,4% am stärksten vertreten war, gefolgt von der Gruppe der 35-44-jährigen. Teilgenommen haben zu rund 60% Männer und u Rund 40% Frauen. Annähernd 60% gaben an, im Eigenheim zu wohnen, knapp 35% lebten zu Miete. Die Wohnform war zu 43% Freistehende Einfamilienhäuser und zu 26% Wohnungen. 26% der Befragten hatten jederzeit die Möglichkeit zu Hause handwerkliche Arbeiten zu verrichten, 32% konnten das nur in den wärmeren Jahreszeiten tun und 26% hatten zu Hause keine Räumlichkeiten für dreckige Arbeiten zur Verfügung.
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„It allows you to learn and try out different items. [...] I really appreciate the advice I get.“ (Danforth 010) „They always lead me into the right direction. [...] I appreciate the advice on how to handle every single item correctly. “ (Parkdale 004) „Die Tool Library öffnet mir die Augen bezüglich dessen, was alles möglich ist!“ (Ottawa Tool Library – 001) „...dass auch Leute, von denen man es überhaupt nicht erwartet hätte, Werkzeuge nutzen, um Dinge zu machen.“ (Ottawa Tool Library 013) Unabhängigkeit und persönliche Resilienz, die durch den fast bedingungslosen Zugang zu Dingen und Wissen entstehen, wurden hochgeschätzt. Durch die Vermittlung von Wissen wurden Menschen befähigt anzupacken und Dinge selber zu tun, die sie vorher nicht in Betracht gezogen hätten, weil sie entweder nicht die Ressourcen hatten oder sich das „Projekt“ nicht zugetraut haben. Neben der persönlichen Veränderung wurde auch die Veränderung anderer Menschen registriert, die nunmehr Zugriff auf eine große Auswahl an Gegenständen haben. In Bezug auf die Befähigung des Einzelnen etwas tun zu können, wurde das Bewusstsein wachsender Autonomie, d.h. selbst bestimmen zu können, was man kann und was nicht, als bedeutend hervorgehoben. Das spiegelt sich auch in der nächsten Aussage wieder: „But you can tell a visible difference in people. We hold their hands essentially and guide them how to use a mitre saw or a drill press, and those are a lot scarier than some of the regular tools in the library. And it’s almost as if they stand a little more straight afterwards. They smile a little bit bigger afterwards. They seem different leaving. […] we have countless individual stories about that.” (Baltimore, Piper) Erst durch den uneingeschränkten Zugang wurde es Nutzern möglich, ihr Potenzial besser entfalten und Wünschen „barrierefrei“ nachgehen zu können, ohne also auf die jeweiligen ökonomischen Mittel Rücksicht nehmen zu müssen. „Then they start to become more imaginative of what then CAN do.“ (Toronto, Arthur) „People come in and they see all the other things they weren’t even thinking about. And they are saying: Holy, I have access to all these things now! And suddenly other projects, other ideas come into their mind that they could do.“ (Toronto, Kevin) „Once, they are there and members, they start seeing the possibilities. There are many instances where people come in here for just one thing. And then they realize, that they are a member and they can pretty much get anything else they want for free. So they start having confidence to then take on more renovations, more projects, develop a hobby. [...] It expands their horizons, that access.“ (Toronto, Ryan)
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Question: „And do you think that sharing places like TL help to establish alternative ownership models in our society?” Answer: “Oh my god, yes! Completely! You know tools are easy cause it’s something that everybody needs at some point in their lifes. Even if it’s like a wrench something really odd. O.k. I will go and join the TL and just borrow them. And then all of a sudden it’s like a gateway drug. You see what the possibilities are with your TL membership. […] This really is the key to the lending model.” (Baltimore, Piper) Der Toronto Tool Library wurde von einem ihrer Betreiber zugeschrieben, eine transformative Wirkung zu haben, da Ehrenamtliche (und auch Nutzer) mit neuartigen Ideen und Handlungsweisen sowie neuen Technologien und Produktionsweisen in Berührung kommen, die v.a. auch die junge Generation später mit in ihr Berufsleben nehmen wird. Diese Erfahrungen können dazu führen, dass neuartige Produkte und Prozesse entworfen werden. „A lot of industries will change, so the generation of people, that is volunteering here, is contributing to this. [...] As an institution this is gonna help educate a whole new generation of people that gonna entering into a traditional industry of design. But from a completely different way. So, they are going to enter the designing issue by learning themselves. So, they come here they gonna play with the 3D printers and they gonna go home. At night they gonna learn how to do 3D programming and how to use different 3D programs by themselves. And so, they will not be going through the traditional college program or producer program. They gonna be approaching industry in a different way. [...] Stuff like this is going to lead to a new generation approaching problems in a different way.“ (Toronto, Arthur) Was hier thematisiert wird, ist die Zugangsgleichheit (vergleiche auch den nächsten Abschnitt) nicht nur zu Gebrauchsgegenständen, sondern auch zu Bildung und Wissen. Durch den Zugang zu Produktionsmitteln und kompetenter Beratung und Hilfestellung wird es jedem unabhängig von Vorbildung, demographischem Hintergrund und finanziellen Gegebenheiten ermöglicht, sein Wissen zu erweitern, neues kennenzulernen und damit uneingeschränkte Erfahrungen zu machen. Diese Erfahrungen können dazu führen, dass neben den Fähigkeiten Dinge zu benutzen oder neues zu erschaffen, auch ein neues Problembewusstsein und Lösungsdenken ermöglicht und geschult wird. Nicht nur Nutzer, auch die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter können als Teil dieses Konzept neuartige Erfahrungen machen, sie übernehmen erfolgreich Aufgaben, für die sie sich vorab nicht notwendigerweise qualifiziert genug gefühlt haben: „I am impressed by how it still functions without the layers of complexity. Which I think is really cool. Cause when I first started I kept thinking, what do I have to know? What about a training? And the guy who runs this place, Kevin, was like: No
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men, you got it. You figure it out. The guy just takes the drill? I just expected there to be more red tapes.“ (Toronto 001) „I like that it’s relying on peoples common sense, and you’ll find they will have some.“ (Toronto 001) Dieser hier zitierte ehrenamtliche Helfer hat einen hinsichtlich der Gewinnung von Ehrenamtlichen besonders wichtigen Punkt angesprochen – nämlich den Freiraum, den Menschen brauchen, um sich gern ehrenamtlich zu betätigen. Vor allem in Toronto schienen alle Ehrenamtliche, die angetroffen wurden sehr selbstbestimmt tätig zu sein. Jeder hatte seine Vorstellung davon, wie sowas laufen sollte und jeder hatte seine eigenen Gründe sich einzubringen. Das Kernteam in Toronto hatte entweder so viel anderes zu tun oder aber es war die bewusste Entscheidung, wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, die den ehrenamtlich Involvierten eine Menge Entscheidungsspielraum gaben. So war es möglich, dass eine Ehrenamtliche einem Nutzer, der sein Werkzeug viel zu spät zurückgebracht hatte, die Verspätungsgebühr erlässt, weil dieser glaubhaft erklären konnte, a) warum er zu spät dran war und b) dass er einfach keine finanziellen Mittel hatte, die zusätzlichen Gebühren zu bezahlen. Durch diesen Handlungsspielraum, dass die gerade verantwortliche Person nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden kann, lässt die TTL zu einem sehr lebendigen und individuellen Ort für alle Beteiligte werden. Der Nutzer ist dankbar und der Ehrenamtliche bekommt die Möglichkeit, sich mit dem Konzept zu identifizieren, die Arbeit als Selbstverwirklichung zu sehen. Die Wertschätzung seitens der Ehrenamtlichen kommt auch in folgendem Statement zum Ausdruck: „Ways to improve this thing? [silence] Every time I think about a way to improve it, my next thought is: that’s creating more problems than it’s worth. What they do here, which is impressive, is they keep things here very simple. And that’s how it can work.“ (Toronto 001)
4 Wandel der Konsumkultur Bibliotheken, die Werkzeuge oder eine größere Produktpalette zum Verleih anbieten, scheinen eine bemerkenswerte Funktion zu haben: Sie sind ein „Augenöffner“. Sie präsentieren eine Abweichung der Norm, eine praktikable Alternative zum bisherigen Nutzen-durch-Besitzen-Standard. Dieser bis dahin als selbstverständlich hingenommene Standard wird nun hinterfragt, da offensichtlich wird, dass es auch anders möglich ist, Dinge zu nutzen. In diesem Sinne scheinen sie ein großes transformatives Potenzial zu haben.
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„I think that sharing libraries are a gateway drug to talking about a completely new economy. A completely new way of orienting the class. Cause it is so simple, so easy. People see it. And it’s also good, because by default, by participating in this project, whether it’s for saving money, for decluttering, minimizing or whatever it is, they are by extension fulfilling the larger goal. Which is about the climate, about humans, about civilization of species. Just by default, by participating. And I think there is something really special about that intersection. About making it very easy to be so good”. (Toronto, Lawrence) „And do you think that sharing places like TL help to establish alternative ownership models in our society? P: Oh my god yes. Completely. You know tools are easy cause it’s something that everybody needs at some point in their lifes. Even if it’s like a wrench. Something really odd. I don’t want to buy it. O.k. I will go and join the TL and just borrow them. And then all of a sudden. It’s like a gateway drug. You see what the possibilities are with your TL membership. N: You are the second person using the term: TL is a gateway drug. P: It totally is. It really is the key to the lending model. Especially in the US. Because Americans just don’t want to share their shit. And that’s a generational thing. My generation and younger is definitely breaking the mold on and starting to understand: Oh, it doesn’t have to be that way! And I don’t want it to be that way.‘ So that it’s paving the way for things like library of things or baby-stroller shares or kitchen supply shares. It’s about the idea that you don’t have to own everything.” (Baltimore, Piper) Der (Neu-)Kauf vieler Dinge ist nun nicht mehr automatisch die erste Option, da nun erkannt wird, dass das bisherige Konsummodell nicht die ideale Lösung für viele Dinge ist. „As soon as you introduce this idea to someone, they would say this makes so much sense. Nobody would say oh that doesn’t make any sense.” (Toronto, Kevin) Hinzu kommt, dass Nutzen-statt-Besitzen praktischer sein kann: „I remember when I first heard about it, I thought it was a great idea. You wouldn’t have to buy the stuff. You wouldn’t have to store the stuff. And you wouldn’t have everybody buying the separate little piece of whatever tool. I just thought that was a great idea“ (Toronto 001). Question: Do you think that TLs can help to establish alternative ownership models? L: „For sure. The more people know about the idea of going to a place and borrowing stuff, even if it is for a yearly fee. Then you do not have to store it. It’s a benefit to not have to store your own stuff.” (Toronto, Linda)
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„These reasons seem to macht my experiences with hundreds of other lending libraries: [...] (Libraries) Reduce the burden of ownership and simplify their (members and founders) lives.“ (Gene, myTurn) Aber nicht nur praktische Gründe bewegen Nutzer zur Mitgliedschaft, auch ideelle: Das Konzept als solches und wie es sich als Gegenentwurf zu etablierten Konsumpraktiken positioniert, wurde wiederholt positiv hervorgehoben. Menschen nutzen den Service, da sie von der Idee begeistert sind und daran teilhaben wollen. Menschen mit dieser Einstellung sind freilich eher bereit, eventuelle Unannehmlichkeiten des Angebotes in Kauf zu nehmen. „I come here because it’s cool!“ (Danforth 003) „The idea is current and cool.“ (Parkdale 007) Damit eine Verlagerung des Konsumstandards jedoch real werden kann, genügt es nicht allein Bibliotheken der Dinge zu eröffnen. Sie müssen auch bekannt werden. „To succeed, Libraries of Things need [...] (to) market themselves so people know they exist (to get members).“ (Gene, myTurn) „Let’s say right now one of the challenges is that nobody knows that the Tool Library even exists. Like everybody knows about the different chains exist like McDonalds and stuff. So, people seek it out. But people aren’t seeking at a tool library cause they don’t know that it’s there. I don’t know how long it takes till we have saturated the entire city so everyone just knows the tool libraries exist and they will seek them out. And then when people start understand there is another way to access things besides buying, they might start to seek it out more.” (Toronto, Kevin) Die Bekanntmachung geschieht vor allem durch die mediale Berichterstattung (Internet, Print, TV). „Can you see the impact of being in the media right away? O: Sure and yes! We get lots of questions and people drop by and want to know what we are doing. I can also see it in the statistics of the website. It’s huge. More and more people by now know that I am involved in the project. So when I go somewhere the eyes light up and people recognize me. In Brussel many people know about it.” (Brüssel, Olivier) Auch soziale Netzwerke und die Interaktion von Bibliotheken mit anderen Initiativen tragen zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades bei und können folglich ebenfalls als Indikatoren für den sozialen Wandel fungieren – ebenso steigende Nutzerzahlen, indes sinkende ein Scheitern des Konzepts signalisieren. Darüber hinaus stehen Bibliotheken der Dinge aber auch für eine Neuinterpretation der modernen Gleichheitsidee (siehe weiter oben die Ausführung zur Zugangsgleichheit):
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
„Products as a public utility: similar to how in the US and other countries there are Public Libraries that make information a public utility, we see the continued growth of these public libraries offering other types of products. Especially in an age of increased automation and a rapid shift in the job market, ensuring people have access to products they need will become more critical.“ (Gene, myTurn) Wurde in liberalen Gesellschaften vor allem die Idee der Chancengleichheit hochgehalten, ergänzen Bibliotheken der Dinge diese Leitidee durch die Zugangsgleichheit auch zu Bildung und Wissen, was schon deswegen geboten ist, weil eine echte Chancengleichheit kaum zu gewährleisten ist: Wer in einer Familie mit geringem Bildungsniveau oder Einkommen aufgewachsen ist, hat als Erwachsener eben nicht die selben Aufstiegschancen wie ein Individuum, das in finanziell und sozial sichereren Verhältnissen erwachsen werden konnte. Auch wer als Kind und Jugendlicher in Nachbarschaften mit hoher Kriminalität oder qualitativ unterdurchschnittlichen Schulen sozialisiert wurde, hat nicht die gleichen Chancen auf ein gutes Einkommen und einen hohen materiellen Lebensstandard wie jene, die in gegenteiligen Verhältnissen aufwuchsen (Stiglitz 2015, 2012, Shipler 2004). Die Zugangsgleichheit kann die Schwächen der Chancengleichheit zumindest teilweise kompensieren, indem sie Personen aller Einkommensklassen den Gebrauch von Dingen gestattet, zu denen sie mangels Kauf kraft sonst keinen Zugang hätten. Auch gewährt sie allen Individuen Zugang zu Dingen, die sie sich aus Platzmangel nicht anschaffen können oder möchten. Zumindest partiell sollten auf diese Weise jene negativen Folgen kompensiert werden können, die in Gesellschaften um so deutlicher hervortreten, je größer ihre Einkommensungleichheit ist. Zu diesen Problemen zählen u.a. mehr Kriminalität, eine höhere Verschuldung pro Kopf, ein höherer Stresslevel, Statusangst, psychische Erkrankungen wie Depression, geringere Wahlbeteiligung und ein geringeres Wohlbefinden von Kindern. In Gesellschaften mit einer geringeren ökonomischen Ungleichheit (zumeist handelt es sich um skandinavische Gesellschaften) ist die Prävalenz dieser Stressoren geringer als in (vor allem angelsächsische) Gesellschaften mit einer hohen Ungleichheit (Wilkinson & Pickett 2018).
5 Ökonomische Auswirkungen und Konsumverhalten Dass sich das Prinzip einer Bibliothek der Dinge auf das Konsumverhalten seiner Mitglieder auswirken kann, lässt sich durch zwei verschiedene Indikatoren belegen: Die Anzahl der Leihvorgänge, bzw. vermiedenen Neuanschaffungen sagt etwas über das individuelle Verhalten aus – bzw. das kollektive Verhalten aller Mitglieder. Dass diese Nutzungszahlen zunehmen (und damit korrelierend auch die Zahl der vermiedenen Neuanschaffungen) belegt eine Verstetigung des Teilens unter den Mitgliedern.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Aber warum verändern die Mitglieder überhaupt ihr Konsumverhalten? Der primäre Grund für viele, die das Angebot einer Bibliothek der Dinge nutzen, besteht weniger darin einen Beitrag für die Entlastung der Umwelt leisten zu wollen, sondern darin, sich selbst zu entlasten, indem man Kosten einsparen kann: „We had no idea it was gonna grow into this. We really just wanted to lend tools and we thought it’s gonna stay small. But Baltimore is a pretty rough place. There is just a very small percentage of the population, that is actually stable (income wise) and it’s pretty dire in some circumstances.” (Baltimore, Piper) „So, for money saving and space saving reasons, that’s why people join initially. And then I think after that what they discover is that we have a really awesome friendly community there and it is really vibrant and it’s just a kind of place that it feels good to be in.” (Baltimore, Piper) „Aber für uns sind die meisten daran interessiert, dass sie a) Geld sparen. Es ist einfach super günstig bei uns. […] b) Ökologische Gründe führen Menschen zu uns. […] c) Viele genießen die Community, die durch eine Library entsteht. (Ottawa, Bettina) ” I think usually it’s because they are looking for something specific what they don’t have. And they don’t want to pay for it. Especially for the very expensive tools that’s the most common reason why people come in for them. It’s actually often cheaper to buy the annual membership than to buy the specific tool they are looking for. And then they get access to so much.” (Toronto, Ria) „Giving access for low income people. People who need to get access to kind of make their lives. To rebuild their homes very cheap. I think these are all very valid reasons.“ (Toronto, Lawrence). „It’s driven by need..“ (Toronto, Ryan) „People happen to need something. It’s that simple.” (Toronto, Kevin) Dass Mitglieder einer Werkzeugbibliothek durch den Zugang bares Geld sparen können, belegt die Beispielrechnung der Station North Tool Library in Baltimore. Hochgerechnet wurden die anfallenden Kosten für ein typisches Do-It-YourselfProjekt einmal mit und einmal ohne den Zugang zu einer Tool Library. Obwohl in dieser Kalkulation für letzteres Szenario nicht alle benötigten Gegenstände neu angeschafft wurden, liegt der Preis der anfallenden Kosten ohne Bibliothek der Dinge um ein vierfaches höher als die anfallenden Kosten mit Zugang zu einer Bibliothek der Dinge (siehe Abbildung 37).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Hochrechnung der Kosten eines DIY Projektes ohne und mit Zugang zur SNTL Typical DIY
$2.622
DIY with SNTL
$563
Tools you can rent at Home Depot
Floor Sander rental (1week) Edger rental (1 week) Miter saw rental (3 days) Table saw rental ( 3 days) Compressor rental (3 days) Nail gun rental (3 days) Palm sander rental (1 week) Buffer rental (1 day) Cordless drill rental (3 days)
$252 $176 $138 $132 $120 $ 87 $ 64 $ 54 $ 54
Floor Sander rental (1week) Edger rental (1 week) Miter saw rental (1 week) Table saw rental ( 1 week) Compressor rental (1 week) Nail gun rental (1 week) Palm sander rental (1 week) Buffer rental (1 day) Cordless drill rental (1 week)
$ $ $ $ $ $ $ $ $
0 0 0 0 0 0 0 0 0
Tools you have to own or buy
Multitool Shop vac Detail sander Push broom Pry bar Pry bar Putty knife Putty knife Putty knife Pliers Pliers Staple remover Staple remover
$100 $ 80 $ 40 $ 11 $ 10 $ 10 $ 10 $ 8 $ 9 $ 9 $ 9 $ 3 $ 3
Multitool (1 week) Shop vac (1 week) Detail sander (1 week) Push broom (1 week) Pry bar (1 week) Pry bar (1 week) Putty knife (1 week) Putty knife (1 week) Putty knife (1 week) Pliers (1 week) Pliers (1 week) Staple remover (1 week) Staple remover (1 week)
$ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $ $
0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Consumable supplies
Sandpaper Bona mega finish Applicator Tack cloth
$200 $300 $ 10 $ 3
Sandpaper Bona mega finish Applicator Tack cloth
$200 $300 $ 10 $ 3
Extras
Rental deposits
$370
Rental deposits
$ 50
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Hochrechnung von Station North Tool Library
Abb. 35: Hochrechnung der Kosten eines DIY Projektes mit und ohne Zugang zu einer Werkzeugbibliothek Welche ökonomische Bedeutung eine Ding-Bibliothek für ein ganzes Quartier haben kann, deutet eine Hochrechnung der Toronto Tool Library an. Hier wurde über den Zeitraum von 40 Monaten (bis Juli 2015) der Wert aller verliehenen Gegenstände in den drei Standorten Torontos auf 1.037.276 CAN$ geschätzt (Millikin & Sprague 2015). Der Durchschnittswert einer einzelnen Ausleihe lag zu dem Zeitpunkt bei 65 CAN$ bei insgesamt 15.848 Leihvorgängen von damals 1.955 Mitgliedern. Jedes Mitglied hatte im Durchschnitt 8mal etwas ausgehliehen. Der gemittelte Wert, den jedes Mitglied auf diese Weise gespart hat, lag bei 531 CAN$. Hierbei wurde allerdings noch nicht bestimmt, ob mit den Ausleihungen tatsächlich Neuanschaffungen vermieden wurden, oder das eingesparte Geld für den Kauf anderer Gegenstände verwendet wurde. Doch selbst wenn ein hypothetischer 30 – 50 prozentiger Reboundeffekt eingetreten wäre und die Einsparungen
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
demnach um bis zu 500.000 CAN$ geschrumpft wären, böte der Zugang zur TTL dennoch ein immenses Einsparpotential für die Bewohner Torontos. Wie schon erwähnt, unterstützt eine Bibliothek der Dinge seine Mitglieder nicht nur, indem weniger Geld für den Neukauf vieler Dinge ausgegeben werden muss, sondern auch indem sie hilft, Fläche einzusparen, die zur Auf bewahrung dieser Dinge benötigt wird. Das ist kein unbedeutender Vorzug, denn die Einwohner vieler Städte haben heute nicht mehr so viel Wohnraum zu ihrer Verfügung, wie dies noch vor ein oder zwei Generationen der Fall war. „There is a generation – most of our members are between 20 and 40 I would say – if we look at the generation that they grew up in, with their parents being hyper consumers. Just buying everything. And now these people have to either deal with their parents downsizing or their parents passing away and happen to deal with all that stuff. Maybe realizing that they can’t afford such a large space as their parents did. And even if they wanted to have all that stuff they couldn’t fit it, they don’t have the option to have it. So it’s out of necessity that they come to a place like us sometimes. Cause there is no other way of practically getting access to things.“ (Toronto, Ryan) „I think they like the idea because they have access to many different tools, like gardening tools they don’t have to store. Any kind of tools they wouldn’t even have bought normally. That’s the same reason for why they become a member. They have access to a whole range of products. They don’t have to store them.” (Toronto, Linda) „People become members because you don’t really want to have a lot of tools any more. You don’t really have a space to store them.” (Toronto, Arthur) „A place [die Northeast Seattle Tool Library] that empowers us to be in control of our space.” (Seattle, Keith). „win, win... Not only a great place to check out tools it‘s been great to donate my rarely used ones to make room.” (Seattle, Steven). „...to reduce the burden of ownership and simplify their lives.“ (Gene, myTurn) Hierbei handelt es sich um ein urbanes Phänomen, das in Zukunft mehr Menschen betrifft, wenn die Urbanisierung durch die zahlenmäßig wachsende Weltbevölkerung und die weltweite Landf lucht weiter voranschreitet und mit steigenden Mietpreisen zusammentrifft, da die Nachfrage nach städtischen Wohnungen schneller als deren Angebot steigt. Das heißt, dass die jüngeren Generationen mittelfristig keine andere Wahl haben als nach alternativen Konsumpraktiken zu suchen, wenn auch sie Zugang zu vielen und größeren Gebrauchsgegenständen haben möchte, v.a. auch vor dem Hintergrund, dass mehr Menschen häufiger aus beruf lichen Gründen den Wohnort wechseln müssen.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
„I moved across the US, sold off many of my possessions before I moved, but still wanted to access tools and other items but didn‘t want to own them.“ (Gene, myTurn) „In the end of the day it makes just raw economic sense for an individual person to do this. And that’s why it makes change. You know it appeals to everyone of any background of any income level. It just makes sense. It’s just a better way to get access to things.“ (Toronto, Kevin) Angaben darüber, wofür das eingesparte Geld investiert wurde, geben einen Hinweis darauf, ob und wenn ja, in welcher Größe ein ökologischer Rebound-Effekt aufgetreten ist. Allerdings ist in Ländern mit einer hohen sozialen Ungleichheit wie Deutschland, in denen etwa 40 Prozent der Haushalte fast kein Vermögen besitzen, nicht davon auszugehen, dass der ökonomische Rebound-Effekt nennenswert groß ist, da das eingesparte Geld eben auch für die Bildung einer bislang fehlenden oder kaum vorhandenen finanziellen Rücklage verwendet wird.
Fazit zu den Indikatoren Die Analyse der ETL hat es ermöglicht, diverse Faktoren herauszuarbeiten, die sich wiederum mit einer Vielzahl von Indikatoren belegen lassen. Dadurch werden die Auswirkungen einer Bibliothek der Dinge nachweis- und bezifferbar.
2.5 Kluft zwischen Praxis und Potenzial Die soeben aufgedeckten ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen zeigen sich bislang im kleinen Rahmen, da die Anzahl von Bibliotheken der Dinge zwar zunimmt, noch aber überschaubar ist und folglich eine vergleichsweise kleine Nutzerschaft hat. Die ökologischen Effekte könnten größer werden, überdies könnten mehr Menschen von den sozialen und ökonomischen Vorzügen einer Bibliothek der Dinge profitieren. Dazu müssten diese jedoch in mehr Städte vordringen und mehr Nutzer bedienen können. Schon innerhalb eines Quartieres sind die bestehenden „Bibliotheken“ nicht in der Lage, mehr als 12 Prozent ihrer Einwohner zu erreichen. Dieser Anteil müsste sich ungefähr verdoppeln, um jene kritische Masse zu gewinnen, mit der ein Schwellenwert erreicht wird, der die bestehende kollektive Konsumpraxis umkippen lässt und das Nutzen-statt-Besitzen-Prinzip und mit ihm die Share Economy von der Peripherie ins Zentrum zu verschiebt. Wie sich bereits für die ETL erwiesen hat und nun im Anschluss auch für an-
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
dere Standorte belegt werden wird, haben die bestehenden Bibliotheken der Dinge sehr wohl das Inventar, um entweder als Tool Library oder Library of Things jene kritische Masse bedienen zu können. Es liegt also nicht daran, dass sie minderausgestattet wären. Allein, wenn das der Fall ist, woran liegt es dann, dass jene Bibliotheken hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben? Hier gibt sich die bereits erwähnte Kluft 2 zu erkennen: In der Praxis klafft bei den neuen Bibliotheken eine Lücke zwischen ihrer faktischen und ihrer potenziellen Leistung: Sie könnten einen größeren Einwohneranteil ihres jeweiligen Quartieres bedienen, aber sie tun es nicht. Zunächst geht es in diesem Abschnitt darum diese Lücke aufzuzeigen. Im nächsten Abschnitt (Kapitel 2.6) wird die Ermittlung der Ursachen für diese Lücke thematisiert und im sich anschließenden Kapitel 3 steht die Frage im Vordergrund, wie Bibliotheken der Dinge diese Lücke bzw. Kluft 2 schließen können.
Definition der Grundgesamtheit Die kritische Masse der Nutzer wurde auf 25 Prozent festgelegt. Aber 25 Prozent von was? Es muss eine Grundgesamtheit bestimmt werden, um diese Frage beantworten zu können und im Rahmen dieser Arbeit gilt als Grundgesamtheit die Zahl der Einwohner, die innerhalb eines Radius von 1 km rund um den Standort der Bibliothek der Dinge ihren Wohnsitz haben. Dieser Radius kann natürlich nur als verallgemeinerte Größe angesehen werden, um a) eine Vergleichbarkeit über verschiedene Standorte zu ermöglichen und b) in der Lage zu sein, einen Richtwert einzuführen. Fallspezifisch muss je nach Quartiersbeschaffenheit berücksichtigt werden, wie die bauliche Struktur rund um den Standort ist und welche Auswirkungen von diesen Randbedingungen auf das Nutzerverhalten ausgehen können: Ist die Bibliothek der Dinge zum Beispiel direkt an einer Hauptverkehrsstraße gelegen, die schwer zu überwinden ist, mindert das die Bereitschaft potenzieller Nutzer, jenseits der Straße die Bibliothek der Dinge aufzusuchen. Gleiches gilt für Standorte in ruralen Gegenden, in denen die Bevölkerungsdichte viel geringer ist und das Mobilitätsverhalten stark vom urbanen abweicht. Den 1-km-Radius um eine Bibliothek der Dinge als Bezugsmaß zu verwenden, ist deshalb sinnvoll, da ein Teil der Nutzer zwar nicht im Einzugsradius wohnt, in diesem aber arbeitet und sich damit regelmäßig in der Nähe der „Bibliothek“ auf hält. Gleichwohl hat sich unter den bislang gegebenen Bedingungen gezeigt, dass die meisten Nutzer einer Bibliothek der Dinge innerhalb eines Radius von ca. 1 km um sie herum wohnhaft sind. Denn bislang müssen die Nutzer zur Bibliothek gelangen, um sich dort einen Gegenstand ausleihen zu können.15 Je 15 Dieses Maß zur Bestimmung der Grundgesamtheit zu verwenden rechtfertigt sich generell freilich nur solange, wie davon ausgegangen wird, dass der Nutzer zum Standort kommt, um
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
größer dabei die zu bewältigende Distanz ist, desto größer also der logistische Aufwand, desto geringer die Nutzerfreundlichkeit und desto größer überdies die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer mit ihrem privaten Auto zur „Bibliothek“ fahren, was wiederum die Umweltbilanz eines Ausleihvorgangs verschlechtert.
Das Fallbeispiel ETL und Kluft 2 Wenden wir uns nun zur Überprüfung der Auswirkungen noch einmal dem Fallbeispiel in Edinburgh zu, um zu prüfen, wie sich Kluft 2 dort bemerkbar macht. Die Edinburgh Tool Library befindet sich im Stadtteil Leith mit einer Bevölkerungsdichte von 3.140 Einwohner/km2. Das bedeutet, dass im Einzugsgebiet von 1km rund um die ETL 9.860 Einwohner leben. Abzüglich sehr alter Menschen (Ungefähr 5 Prozent der Einwohner sind über 75 Jahre alt) und Kindern, die noch zu jung für eine Mitgliedschaft sind (12 Prozent: 0 - 15 jährige16) bleiben ca. 8.190 potenzielle Nutzer im 1-km-Radius der Bibliothek der Dinge. Soll Leith zu 25 Prozent durchdrungen werden, müssten ungefähr 2.050 Menschen Mitglied bei der ETL werden. Könnten Sie von der ETL aber auch bedient werden? Hätte die ETL mit anderen Worten überhaupt das Angebot, um eine erheblich größere Nachfrage decken zu können? Die Antwort lautet „Ja“ (siehe Abbildung 36). Und sie lässt sich wie folgt begründen: Die Ausleihdauer in Edinburgh beträgt max. sieben Tage. Theoretisch wäre es darum möglich, dass die Gegenstände 52mal pro Jahr entliehen werden, was aber aufgrund der Abläufe unrealistisch ist. Wenn ein Gegenstand zum Ende der Öffnungszeit wieder zurückgegeben wird, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass dieser am gleichen Tag nochmals entliehen wird. Aufgrund derzeitiger Öffnungszeiten ist eine erneute Ausleihe erst wieder in der Folgewoche möglich. Realistisch ist folglich eine Ausleihe alle 14 Tage, da auch eventuelle Wartungsarbeiten berücksichtigt werden müssen, die den betreffenden Gegenstand temporär unausleihbar machen. Geht man zusätzlich von ca. drei Schließungswochen pro Jahr aus (wegen Feiertagen, Urlaub, Krankheit u.a.), verbleiben 25 Verleihvorgänge jährlich je Gegenstand. Wird nun vorausgesetzt, dass keiner der inventarisierten Gegenstände Ermüdungserscheinungen zeigt und während des Betrachtungszeitraumes im Zweiwochenturnus entliehen werden könnte, ergibt
sich Dinge abzuholen. In dem Moment, in dem die Dinge zum Nutzer kommen gilt es, diese Definition zu überdenken. 16 Natürlich können und sollen auch Jugendliche Mitglied einer Bibliothek der Dinge werden. Für den Standort Edinburgh lag keine detailliertere Aufschlüsselung der demographischen Daten vor. Aus Sicherheitsgründen müssen Kinder von der alleinigen Nutzung jedoch ausgeschlossen werden. Mangels genauerer Daten wird mit vorliegenden Werten fortgefahren.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
das eine Gesamtzahl von 23.525 möglicher Entleihungen binnen eines Jahres im Gegensatz zu den faktisch gemessenen 3.540 Entleihungen. Derzeit haben aktive und ausleihende Mitglieder der ETL im Schnitt acht Ausleihen im Jahr getätigt. Die ETL könnte folglich bei gleichbleibender Ausleihaktivität der aktiven Mitglieder 2.904 Mitglieder bedienen. Die geforderte Mitgliederzahl liegt wie oben genannt bei 2.050. In Bezug auf die ETL bedeutet das, dass das derzeitige Inventar der ETL numerisch tatsächlich ausreichen würde, um das Quartier zu 25 Prozent zu durchdringen und so in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen. Von durchschnittlich 8,1 Ausleihen waren 4,8 erstmalige Ausleihen. In Bezug auf die maximale Ausleihkapazität der ETL bedeutet das, dass von den 23.525 möglichen Gesamtausleihen pro Jahr 13.940 im Mittel als Erstausleihen getätigt würden. Die Untersuchung bezüglich der Vermeidung von Neuanschaffungen hat ergeben, dass 30 Prozent der Erstausleihen eine Neuanschaffung vermieden haben. Bezieht man diese Aussage auf die theoretisch möglichen Erstausleihen des Inventars der ETL bedeutet das, dass 4.182 Neuanschaffungen pro Jahr vermieden werden können, wenn das Inventar maximal ausgenutzt wird.
Berechnung der aktuellen versus der theoretisch möglichen Auslastung der ETL heute Inventar Ausleihdauer
theoretisch möglich (mit heutigem Inventar)
941
941
7 Tage
7 Tage
Anzahl von Ausleihvorgängen: je Gegenstand / Jahr
3,7
25
Prozent der Durchdringung
7%
angestrebt: 25%
Anzahl der Mitglieder
561
benötigt: 2.050 möglich: 2.904
Ausleihen im Schnitt Anzahl der Ausleihen
8,1 3540
8,1 möglich: 23.525
Erstausleihen im Schnitt Anzahl der Erstausleihen
4,8 2098
4,8 möglich: 13.940
600
möglich: 4.182
vermiedene Neuanschaffungen
konservativ geschätzte mögliche Leihvorgänge ETL kann heute das Einzugsgebiet (r=1km) zu 25% durchdringen
mögliche ökologische Auswirkungen bei 25% Durchdringung
Quelle: Eigene Berechnung basierend auf empirisch erhobenen Werten
Abb. 36: Berechnungen der aktuellen Auslastung und der theoretisch möglichen Auslastung
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Aus dieser theoretischen Hochrechnung17 geht hervor, dass die ETL schon heute in der Lage wäre, ihr Einzugsgebiet im Radius von 1km zu 25 Prozent zu durchdringen. Faktisch nutzen im Betrachtungszeitraum vom 01. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 jedoch nur 8,2 Prozent der Einwohner Leiths zwischen ungefähr 15 und 75 Jahren das Angebot der ETL. Woran liegt das? Und: Tritt diese Kluft auch bei anderen „Bibliotheken“ auf oder sollte die ETL ein Einzelfall sein? Ja, die Kluft ist durchaus vorhanden und nein, die ETL ist kein Einzelfall. Generell kann festgestellt werden, dass Bibliotheken der Dinge einen ernstzunehmenden ökologischen Effekt haben können, wie die folgenden Zahlen erahnen lassen: Insgesamt hatten an den betrachteten 39 Standorten im Betrachtungszeitraum 24.032 Mitglieder Zugriff auf insgesamt 69.719 Gegenstände, im Schnitt waren 1.787 Gegenstände je Standort gelistet. Die Mitglieder tätigten 220.685 Ausleihen, davon handelte es sich in 123.428 Fällen um Erstausleihen. Im Schnitt haben Mitglieder dieser Bibliotheken der Dinge 11,6mal Dinge geliehen, davon liehen sie 6,5 Gegenstände erstmalig von ihrer jeweiligen Bibliothek der Dinge. Legt man die Erfahrungswerte der ETL zugrunde, wurden insgesamt 37.028 Neuanschaffungen vermieden und damit auch die für ihre Herstellung sonst notwendigen Mengen an Energie und Rohstoffen. Um aber die Frage zu beantworten, ob nur bei der ETL eine Kluft zwischen möglicher und tatsächlicher Durchdringung auftritt beantworten zu können, muss die quantitative Auswertung folgende Fragen beantworten: a) Wie hoch ist die Nutzungsrate der jeweiligen „Bibliothek“ in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet von 1 km um den Standort und wie viele Nutzer fehlen ihr zur Adressierung der kritischen Masse? b) Wären die jeweiligen „Bibliotheken“ prinzipiell dazu in der Lage, 25 Prozent der Einwohnerschaft mit ihrem vorhandenen Inventar zu versorgen? Lautet die Antwort hierauf „ja“ und bleibt die Nutzungsrate jedoch unter 25 Prozent, dann kann dies nicht einem zu spärlichen Inventar geschuldet sein, sondern muss andere Ursachen haben – und die gilt es anschließend gesondert zu identifizieren.
17 Ebenso wird bei dieser Hochrechnung davon ausgegangen, dass jeder Gegenstand gleich oft entliehen wird. Die Tatsache, dass von den inventarisierten 941 Gegenständen aber nur 569 Gegenstände im Betrachtungszeitraum von den Mitgliedern nachgefragt wurden, macht deutlich, dass nicht nur die Anzahl der Gegenstände, sondern auch die Anpassung des Inventars auf die Nachfrage der Mitglieder zu berücksichtigen ist. Eine Bibliothek der Dinge muss ihr Angebot so gut wie möglich auf die Bedürfnisse des Einzugsgebietes abstimmen, um maximale Effizienzgewinne zu erzielen bzw. um ein Angebot bereitzustellen, das überhaupt in der Lage ist, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Zu a) Gleich zu Beginn dieser Auswertung muss auf fünf Extremwerte bzw. Standorte (Nr. 1 - 5 in Abbildung 37) aufmerksam gemacht werden: Sie weisen zwar auf eine überdurchschnittlich hohe Durchdringung der Quartiere hin, sind aber bei genauerer Betrachtung für die Analyse nicht aussagekräftig. Zwar sind sie um der Vollständigkeit willen in Abbildung 39 integriert, von ihnen lassen sich aber keine relevanten Erkenntnisse ableiten.18 Die nächsten fünf „Bibliotheken“ (Nr. 6 - 10) – bei ihnen handelt es sich um Tool Libraries – erreichen ungefähr 25 Prozent, mindestsens aber 20 Prozent der Einwohner ihres jeweiligen 1-km-Radius. Vier von ihnen haben einen großen Mitgliederstamm und weisen zudem absolut betrachtet die höchsten Ausleihzahlen aller untersuchter Standorte auf. Daraus resultieren überdurchschnittlich hohe Ausleihzahlen pro Mitglied und Jahr: Binnen eines Jahres wurden hier 17.321 bis 32.738 Ausleihen von 1.309 bis 2.699 Mitgliedern getätigt, was einer jährlichen Ausleihquote von durchschnittlich 12 Werkzeugen pro Mitglied entspricht (siehe Abbildung 37 Nr. 6-10). Diesen Tool Libraries ist gemein, dass sie etabliert und mindestens schon 2 - 3 Jahre in Betrieb sind (teils noch sehr viel länger). Die Edinburgh Tool Library ist in dieser Betrachtung an Position 19 und durchdringt ihr Einzugsgebiet zu rund acht Prozent. 31 der auswertbaren 34 Standorte bleiben unter dem Wert von 25 Prozent. Der Grad der Durchdringung bleibt bei 22 Standorten unter zehn Prozent. Der niedrigste Wert liegt bei 1,2 Prozent, was jedoch einer sehr hohen Bevölkerungsdichte im Quartier geschuldet ist.
18 Die Extremwerte rühren daher, dass nur städteweite Zensusdaten zur Auswertung vorliegen. Angaben, die das Umland oder wenig besiedelte Stadtgebiete einschließen führen zu verfälscht, niedrigen Werten zur Bevölkerungsdichte im Einzugsgebiet. Eine hohe Durchdringung hat folglich nicht wirklich stattgefunden.
145
Abb. 37: Durchdringung der Quartiere: heute empirisch messbare Reichweite
0
25
50
100
150
200
250
300
350+
2
3
4
5
Heutige empirische messbare Durchdringung der Quartiere basierend auf allgemeinen demographischen Angaben
6
7
8
Edinburgh Tool Library
Fünf Standorte erreichen ungefähr die erwünschten 25%
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Grenzwert von 25%
Grenzwert von 100%
Die drei Standorte zwischen 79% und 105% stellen rechnerische Ausnahmefälle dar, wegen größerem Einzugsgebiet oder extrem niedriger Bevölkerungsdichte
Extremwerte kommen durch verzerrende Faktoren zustande: - großes Inventar bei gleichzeitig geringer Nutzerzahl / Bevölkerungsdichte - unscharfe demographische Daten zu Quartieren - Mitglieder nachweislich auch außerhalb des Einzugsgebietes
Standorte: Abfallend sortiert nach Prozentsatz der Durchdringung heute
1
46
1
Durchdringung der Quartiere: heute messbar
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2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Zu b) Ob eine Bibliothek der Dinge ihr Einzugsgebiet zu 25 Prozent durchdringen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob ihr Inventar, d.h. die Anzahl und Vielfalt der auszuleihenden Gegenstände, überhaupt dafür ausgelegt ist. Um den Wert der theoretisch möglichen Durchdringung abzubilden, werden heutige Leihverhalten zugrunde gelegt und konservative einheitliche Leihprozesse angenommen. Die resultierenden Werte bestimmen, wie viele Mitglieder das Inventar nutzen könnten. Ist dieser Wert größer als die Anzahl von einem Viertel der im Einzugsgebiet lebenden Menschen, ist die Kapazität groß genug. In den sechs Fällen, in denen die rote Linie der theoretisch möglichen Durchdringung unter die 25 Prozent Marke sinkt (Nr. 23, 29, 33, 35, 38, 39), ist der Standort folglich jeweils nicht in der Lage, die kritische Masse an Mitgliedern zu bedienen (siehe Abbildung 38). Auffällig ist, dass vier der fünf schon erfolgreich etablierten Standorte (Nr. 7 - 10) ein Inventar aufweisen, das annähernd dem gesamten Einzugsgebiet des 1-km-Radius gerecht würde. Bedeutend daran ist nicht nur, dass die Größe des Inventars einen ausreichenden Umfang vorweist, sondern v.a. auch die Tatsache, dass es nicht unverhältnismäßig überproportioniert ist. Im Gegenzug ist das Inventar der Standorte 11 und 12 vergleichsweise umfangreich, was aber offensichtlich keine höhere Mitgliederzahl und keine größere Durchdringung zur Folge hat. Ab Standort Nr. 7 lässt sich eine gewisse Stetigkeit erkennen: Das Inventar ist teilweise überproportioniert, die Bibliotheken der Dinge sind aber (bis auf Nr. 11 und 12) nicht unnötig mit Gegenständen überfrachtet (nimmt man den Wert von 100 Prozent Durchdringung und die dafür benötigte Inventargröße als Richtwert für die Maximalbestückung).
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0
25
50
100
150
200
250
300
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1
Abb. 38: Durchdringung der Quartiere: heute messbar versus theoretisch möglich
2
3
4
5
6
7
8
Grenzwert von 25%
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
ETL
Grenzwert von 100%
Theoretisch mögliche Durchdringung des Quartiers mit heutigen Inventar der jeweiligen Standorte bei jeweils gleichbleibendem Ausleihverhalten. (Mittelwert 11 Ausleihen pro Person und Jahr)
Heutige empirische messbare Durchdringung der Quartiere basierend auf allgemeinen demographischen Angaben
Fünf Standorte, die 25% erreicht haben könnten 75-100% Durchdringung erreichen
Extremwerte kommen durch verzerrende Faktoren zustande.
Standorte: Abfallend sortiert nach Prozentsatz der Durchdringung heute
1
46
67 6 1 57 3 51 81 89 13 45
Durchdringung der Quartiere: heute messbar versus theoretisch möglich
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2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Fazit Die untersuchten 34 „Bibliotheken der Dinge“ (exklusiv der fünf verzerrten Beispiele) durchdringen ihre Quartiere faktisch im Schnitt zu neun Prozent. Fünf Standorte erreichten zum Zeitpunkt der Untersuchung Werte von ca. 25 Prozent. Hier ist zu erwarten, dass das Quartier in wenigen Jahren „umkippt“ und das Sharing von Werkzeugen eine Alternative zum Kauf von Werkzeugen werden wird. Theoretisch könnten sieben Standorte gar alle Einwohner des Einzugsgebietes (bei gleichbleibendem Nutzerverhalten) befriedigen. Sechs Standorte können den Schwellenwert von 25 Prozent dagegen nicht bedienen. Die durchschnittliche Durchdringung, die durch das heute zur Verfügung stehende Inventar bei den 34 Standorten der Analyse maximal möglich wäre, liegt bei 70 Prozent – sofern das Leihverhalten der Mitglieder unverändert bei einer durchschnittlichen Ausleihe von knapp acht Gegenständen pro Jahr bliebe (siehe Abbildung 39). Aus der heute erreichten und der maximal möglichen Durchdringung ergibt sich im Schnitt eine Diskrepanz von 60 Prozent. Es muss im Folgenden also untersucht werden, warum die Bibliotheken der Dinge derzeit so deutlich hinter ihrem theoretisch möglichen Potenzial zurückliegen.
149
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Durchdringung und Ausleihwerte von 34 untersuchten Standorten Standorte (anonymisiert)
heutige Durchdringung abfallend sortiert
Durchschnitt (ohne Extremwerte)
ETL
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
max. mögliche Durchdringung basierend auf Inventar
9,4 max.
27,8 26,5 26,4 23,2 20,4 19,2 14,4 13,8 13,1 12,0 11,8 10,1 9,2 8,2 8,2 8,0 6,8 6,4 5,9 4,8 4,8 4,5 4,4 4,2 4,2 3,3 3,3 3,3 3,0 2,5 2,3 1,9 1,6 1,2
Diskrepanz
70,1 max.
253,0 93,0 103,0 77,0 67,0 240,0 214,0 68,0 72,0 55,0 51,0 109,0 53,0 27,0 51,0 45,0 28,0 24,0 25,0 52,0 35,0 128,0 75,0 24,0 71,0 129,0 31,0 10,0 35,0 20,0 46,0 49,0 12,0 8,0
max.
Durchschnittliche Ausleihen je Mitglied / Jahr
60,1
7,8
226,0 66,6 76,4 54,3 47,2 220,9 199,7 54,5 59,3 42,9 39,1 98,8 43,6 18,9 42,4 36,8 21,5 17,8 19,5 47,0 30,6 123,4 71,1 19,8 66,9 125,9 27,5 6,4 31,6 17,8 43,6 46,8 10,3 6,9
11,7 12,1 14,7 11,9 9,2 3,9 0,6 18,8 6,4 8,4 11,9 5,5 7,2 4,3 9,9 7,6 11,5 10,0 8,7 3,4 9,1 8,4 8,4 8,0 2,3 2,1 8,7 4,5 4,5 11,0 4,3 2,9 10,8 0,9
max.
Abb. 39: Durchdringung und Ausleihwerte der 34 Standorte Die aufgedeckte zweite Kluft besagt, es besteht eine Lücke zwischen der faktischen Leistung einer Bibliothek der Dinge und ihrer potenziellen Leistung. Letztere besteht darin, dass Bibliotheken der Dinge theoretisch die Möglichkeit haben, die kritische Masse von ungefähr 25 Prozent der Bewohner eines Quartiers mit Gegenständen zu versorgen. Ist dieser Tipping Point erreicht, wandelt sich voraussichtlich die kollektive Praxis im Quartier, und die Mehrheit der Einwoh-
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ner wandelt ihr Konsumverhalten – im Falle von Werkzeug-Bibliotheken ist dies freilich nur für den Werkzeugkonsum zu erwarten.19 Um Bibliotheken der Dinge mehr auszulasten und die von ihnen ausgehenden Effekte zu verbreiten, bieten sich zwei Stellschrauben an: a) Erhöhung der Mitgliederzahlen, oder b) die Erhöhung der Nutzungsintensität der bestehenden Mitglieder (d.h. jedes Mitglied nutzt im Monat mehr Gegenstände kollaborativ). Idealerweise geschieht beides zugleich. Es ist davon auszugehen, dass mit steigender Akzeptanz in der Gesellschaft (Steigerung der Mitgliederzahl) auch die Nutzungsintensität der einzelnen Mitglieder steigt. Warum das derzeit noch nicht geschieht, wirft die Frage nach den Barrieren für heutige Ding-Bibliotheken auf.
2.6 Barrieren in der Praxis Die Logik diktiert folgenden Zusammenhang, der für diese Arbeit zentral ist: Wenn (a) die Bereitschaft zum Teilen international hoch ist und wenn sich diese Bereitschaft (b) deswegen nicht adäquat in die Praxis umsetzt, weil sich (c) bisherige Sharing-Angebote aus bestimmten Gründen als alltagsunpraktisch erwiesen haben und wenn (d) Bibliotheken der Dinge, weil alltagspraktischer, dieser Service sind, dann müssen sie die Kluft zwischen (a) und (b) schließen können. Wäre dies der Fall, würden rund sechzig Prozent der Bevölkerung westlicher Gesellschaften – mindestens so viele gaben in Umfragen an, eine Affinität zum Sharen zu haben – regelmäßig physische Gebrauchsgegenstände gemeinschaftlich nutzen. Dieser Wert liegt sehr offensichtlich weit oberhalb der kritischen Masse von 25 Prozent. Nun erreichen bisher bestehende Bibliotheken der Dinge im Durchschnitt jedoch nur ca. neun Prozent (basierend auf der Auswertung von 34 Standorten) der Einwohner eines Quartiers. Wenn die Überlegungen (a) bis (d) jedoch korrekt sind, dann bedeutet dies, dass die bestehenden Bibliotheken Defizite bei der Praktikabilität im Alltag haben. Prinzipiell können sie genau jene Alltagsbarrieren überwinden, die bisherige Sharing-Services nicht überwinden konnten. So ist zum Beispiel das primäre Problem vieler Apps, die das P2P-Sharing versprechen, der hohe organisatorische und zeitliche Transaktionsaufwand, den der private Verleihvorgang mit sich bringt.
19 Das Umsatzvolumen aber im Bereich Werkzeug- und Gartenequipment ist mit z.B. 9.029 Mio Euro bezogen auf das Jahr 2016 in Deutschland und dem daraus resultierenden Schnitt von 110 Euro pro Person in Deutschland (für das Jahr 2016) nicht unwesentlich (Statista 2018d, 2018e).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
„P2P stuff sharing typically requires the renter/borrower and the owner of the item to not just arrange one meeting to get the item, but also a second meeting for the item to be returned.“ (Gene, myTurn) Oft benötigt man zudem nicht nur einen Gegenstand, sondern mehrere. So wird bei handwerklichen Arbeiten neben einer Leiter auch der Bohrer sowie die Wasserwaage benötigt. Müssen diese Gegenstände alle einzeln von unterschiedlichen Endnutzern an verschiedenen Orten abgeholt werden, übersteigt dieser organisatorische und zeitliche Aufwand die Bereitschaft der Nutzer bei weitem. Bei Bibliotheken der Dinge ist dieser Aufwand deutlich geringer: „A library in that case, where you have all the things in one place is more convenient.“ (Toronto, Ryan) „The most members here actually live in the neighbourhood. They are not going very far to come here. So, they find it convenient. And because it’s cheap – you only pay 50$ a year to get access to all kinds of tools.” (Toronto, Gerald) „This concept is against consumerism and it’s convenient.“ (Danforth 09) Die meisten Nutzer hatten anfangs nicht mit der Komplikationslosigkeit gerechnet, mit der man an die Gegenstände im Sortiment gelangen kann und mit der man Gegenstände anderen zur Verfügung stellen kann. Im Gegensatz zu P2PAngeboten ist es dank der Sammelstelle Bibliothek der Dinge hier einfacher an Dinge zu gelangen, vor allem, wenn es mehrere auf einmal sind. Wertgeschätzt wird zudem die Tatsache, dass die Tool Library als Institution die gemeinschaftliche Nutzung organisiert: „Libraries of Things offer a familiar model where people can go to a place, pick up the items they need, and return them.“ (Gene, myTurn) „Eigentlich könnte ich auch von meiner Nachbarin leihen, die mir das ausdrücklich angeboten hat. Aber da wir gerade erst eingezogen sind, möchte ich nicht in die Situation kommen, dass ich ihre Dinge kaputt mache. Deshalb leihe ich mir die Dinge, die ich brauche, lieber hier.“ (Ottawa Tool Library – 03) Das ist eine deutliche Bevorzugung dieser Art zu Teilen vor P2P-Sharing Angeboten. Hier ist klar geregelt, wer im Falle eines Verlustes oder Schaden haftet. Zudem ist das geteilte Gut ein gemeinschaftliches Gut und kein Privateigentum einer Person. Im Falle eines Schadens wird deshalb eine sachliche Diskussion leichter möglich sein. Die Tool Library vereinfacht den Prozess der gemeinschaftlichen Nutzung und auch dies ist ein wesentlicher Vorzug gegenüber des P2P-Sharings. „In my experience, if you break something on accident and tell them, they won’t charge you” (Seattle, Camila). Dieser Punkt ist entscheidend, denn nach der internationalen PwC-Umfrage zur Share Economy vertraten 44 Prozent der Befragten die Ansicht, die meist un-
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klare Haftungssituation sei ein großer Nachteil von Sharing-Angeboten. 30 Prozent nannten zudem die Verschlechterung der Qualität durch die gemeinschaftliche Nutzung als Kritikpunkt (PwC 2018: 15). Bibliotheken der Dinge können beide Hürden durch ein geeignetes Versicherungskonzept und die regelmäßige Überprüfung der Qualität des Inventars durch die Betreiber und Mitarbeiter besser umgehen als private P2P-Anbieter. Gleichwohl gelingt es Bibliotheken der Dinge bislang aber nur teilweise, die gemeinschaftliche Nutzung so einfach, bequem und attraktiv zu machen, damit das Sharing vieler Produkte für eine kritische Masse von Konsumenten zur bevorzugten Option wird. Können sie diese Defizite aber beheben und gründen sich solche Bibliotheken in vielen Städten westlicher Gesellschaften, dann muss die kritische Masse logisch zwingend erreicht werden und das bedeutet wiederum, dass die hergebrachte kollektive Konsumpraxis umzukippen beginnt. Zuvor muss freilich erst aufgedeckt werden, welche Defizite bestehende Bibliotheken der Dinge haben und wie sie praktikabel überwunden werden können. Wie sich zeigen wird, könnten diese Defizite mit den bereits heute verfügbaren Möglichkeiten grundsätzlich bewältigt werden. Eine andere (Konsum-) Gesellschaft ist damit in der Tat möglich – und schon dies ist eine bemerkenswerte Schlussfolgerung. Im Folgenden geht es also implizit um die Frage, wie sie möglich gemacht werden kann. Ausdrücklich stellt sich aber vor allem die Frage, wie jene ermittelten Effekte einer Bibliothek der Dinge in Quartiere, Städte oder Gesellschaften verbreitet werden können. Die hierfür ursächlichen Barrieren werden zunächst identifiziert, damit anschließend Ansätze formuliert werden können, wie sie überwunden werden können. Sie lassen sich in unterschiedliche Kategorien unterteilen, die im Folgenden systematisch dargelegt werden.
Mentalitäten und Standorte Die Erfahrung hat gezeigt, dass die meisten Menschen, die sich in einer Bibliothek der Dinge umgesehen haben, von dem Projekt überzeugt sind und das Angebot nutzen möchten. Es ist letztlich weniger ein Problem, die Mitglieder zu halten als Unerfahrene erstmalig zur Teilnahme zu bewegen. Und eben dieses „erste Mal“ ist eine Barriere. Natürlich kann man unterstellen, dass viele Mitbürger materiell gesättigt sind und folglich gar keinen Sharing-Bedarf haben, da sie bereits gekauft haben und besitzen, was sie benötigen – und in vielen Fällen wird dies zutreffen, vor allem bei älteren Bürgern, die bereits Jahrzehnte der Nutzen-durch-Besitzen-Maxime gefolgt sind. Diese Bürger zu einer Mitgliedschaft zu bewegen, kann also nicht das Ziel sein und besteht ein Quartier zu einem großen Teil aus solchen Bewoh-
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nern, wird es eine Bibliothek der Dinge schwer haben, sich dort zu etablieren. Andererseits und wie bereits erwähnt, besitzen in Deutschland rund vierzig Prozent der Haushalte kein Erspartes. Die in diesen Haushalten lebenden Individuen sind in den meisten Fällen materiell nicht gesättigt und sollten folglich Interesse an der Einrichtung zeigen. Ein weiterer Grund sind die noch verbliebenen Transaktionskosten. Zwar sind sie durch eine Bibliothek der Dinge im Vergleich zum P2P-Sharing erheblich gesunken, im Vergleich zum Online-Shopping aber noch hoch: Die Erwartungshaltung mancher Nutzer ist wesentlich auch von 1-click-to-buy Angeboten und sameday-delivery-Versprechen geprägt. Die Öffnungszeiten, die Transportzeiten, die limitierte Auswahl und das eventuelle Nicht-auf-Anhieb-Funktionieren eines Gegenstandes wiegt für manche Nutzer schwerer als die ökonomischen Einsparungen, die mit dem Sharing der Dinge verbunden sind. Folglich ist Bequemlichkeit ein weiterer Grund für die Nichtwahrnehmung des Angebots einer Bibliothek der Dinge. Der Online-Handel hat hier binnen weniger Jahre einen neuen Maßstab gesetzt: „And do you know what the problem is [...]? It’s convenience. People don’t want to go out anymore for something. They need something right away. It has to be instantaneous.“ (Toronto, Gerald) So sehr die besondere Atmosphäre in einer Bibliothek der Dinge und der Ethos des Konzeptes im Allgemeinen geschätzt werden, vereinzelt werden Reibungen im Ablauf der Dienstleistung als unbequem empfunden: „...when it is very crowded once in a while and there is a long line in the library.“ (Danforth 004) Um die Warteschlange zu verkürzen, bräuchte es mehr Personal oder längere Öffnungszeiten – aber hierbei handelt es sich um Barrieren, denen später eigene Problemkategorien zuerkannt werden. Um die Nicht-Mitgliedschaft jener erklären zu können, die zwar im Einzugsgebiet einer „Bibliothek“ wohnen, diese aber nicht nutzen, wird von mehr als der Hälfte der Befragten als ein weiterer Grund für eine Zugangs-Barriere angenommen, dass viele das Konzept (noch) nicht kennen und dem Unbekannten zunächst tendenziell mit Misstrauen begegnen. Obwohl die Bereitschaft zum Teilen international nachweisbar und groß ist, müssen sich Verbraucher dennoch ein erstes Mal in eine Bibliothek der Dinge begeben und diese sowie ihre Idee kennen lernen. Zu einer neuen Einrichtung mit unkonventionellem Konzept haben viele zunächst aber kein Vertrauen. Das Konzept erscheint ungewohnt und zuweilen mangelt es an Vorstellungsvermögen, sich in ein alternatives Konzept hineinzudenken, das von der gewohnten Praxis und dem bisherigen Mainstream abweicht.
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„So the real challenge is to get them in. To get them across the threshold“ (Toronto, Arthur). „Cause the concept isn’t easy to get. The concept is based on trust. And cause some people don’t have any imagination, they don’t get it.“ (Parkdale 007) Zusätzlich wird auch angeführt, dass etablierte Gewohnheiten nicht leicht zu durchbrechen sind: „Cause they are not familiar with the concept and are used to consumerism.“ (Parkdale 003) Eine weitere Barriere für die anfängliche Steigerung der Nutzerzahlen ist der Standort. Solange die Nutzer zu den Gegenständen kommen müssen, ist folglich die Wahl des Standortes ausschlaggebend für die Anzahl der Nutzer. Aber nicht jeder Standort ist gleichermaßen geeignet, wenn das Konzept einer Bibliothek der Dinge noch nicht gesellschaftlich institutionalisiert und eine Nischenerscheinung ist. Da der Standort bestehender Ding-Bibliotheken in der Regel nicht in einem hochfrequentierten Bereich liegt, da die Mieten hier zu teuer sind, oder der Bekanntheitsgrad wegen ungenügender Informationskampagnen nicht hoch genug ist, wissen viele Quartiersbewohner nichts oder zu wenig von der Existenz eines solchen Ortes. Viele Bibliotheken sehen von der Straße aus betrachtet außerdem recht unscheinbar aus. Das alles kann die Zahl der Mitglieder (zunächst) gering halten und ist die Zahl der Mitglieder gering, reden nur wenige über ihre dort gemachten Erfahrungen mit Freunden, Nachbarn oder Bekannten – und dies ist noch immer die beste Werbung: „Der Rat eines Nachbarn oder die direkte Anschauung wird als viel zuverlässiger und vertrauenswürdiger angesehen als das, was mir ein Fachmann sagt“ (Kruse zit. in Morhart 2018). Auch aus anderen Gründen hat der Standort enorme Auswirkungen auf den Erfolg und die Verstetigung einer Bibliothek der Dinge. Es beginnt schon damit, dass die Suche nach der geeigneten Lage zum ersten wirklich großen Problem für viele Gründungsinitiativen wird. Dabei stoßen die Gründer auf jene Vorbehalte, die es auch beim erstmaligen Betreten einer Bibliothek der Dinge gibt: Misstrauen. Vermieter, aber auch potenzielle Geldgeber, reagierten oft befremdlich, da sie das Konzept der „Bibliothek“ nicht kannten und deshalb nicht unterstützen mochten. Das führte zu außergewöhnlichen Anfängen von mancher Bibliothek der Dinge und machte es schwer, Gelder für den Start einer Initiative aufzutreiben. „We started off in our garage, cause we couldn’t find a space right away.” (Ottawa, Bettina)
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„I first had all the tools in my basement and came here to the police-box every saturday for roundabout a year.” (Edinburgh, Chris) Wegen des Standortproblems fangen viele Initiativen klein an, hoffend, in naher Zukunft expandieren zu können. „Well the big thing is space. If you can find space. Space to operate. Space to move into. Space to expand to. Then you can try out your idea. And the community that you are trying to build needs a space to build that community. And if there is not enough space then your community can’t grow into it. So I think either you start off with this sort of very small premises like pop-ups, but with the thoughts to expand into different space. Or start somewhere, where there is enough room where you can spread out to.“ (Edinburgh, Chris) Unabhängig von der generellen Einstellung der ansässigen Bewohner geht es v.a. auch darum, wie leicht sich das Angebot in bestehende Alltagsabläufe integrieren lässt. „I think the idea of accessibility of tools is really important to me. And part of that accessibility is around location, a distance to those tools. And obviously if you have got people having to travel long distances they are much less likely to borrow. So we have always wanted to have a variety of options for people. Dates, weektimes but also locations.“ (Edinburgh, Chris) Das umgebende Quartier und seine Struktur müssen das Konzept annehmen, ansonsten wird die großartigste Location nicht frequentiert werden. So wäre es naiv, zu glauben, dass man in einem Quartier einfach eine Initiative starten kann und diese dann von dortigen Anwohnern automatisch angenommen und unterstützt wird. Die ETL konnte zum Beispiel, um das Risiko einer falschen Standortwahl zu umgehen, für ein Jahr lang verschiedene Standorte ausprobieren, um die Bereitschaft für ein solches Konzept zu testen: „But the other thing is, we also [...] tried a couple of communities last year, where I think the climate, the circumstances weren’t right. And then we didn’t get very many members. There weren’t a lot of loans going out. [...] It wasn’t a fatal overstretching, it meant that we could try it. And then the option is, if the community embraces it then we would obviously look to establish something more.“ (Edinburgh, Chris) Das Ergebnis war, dass letztlich nur ein Standort wirklich empfänglich war – in diesem Quartier wurde mittlerweile auch eine neue Werkzeugbibliothek eröffnet (Portobello – siehe Abbildung 20). Diesen Spielraum des Ausprobierens haben aber die wenigstens Initiativen und sind deshalb nicht selten gezwungen, einen ersten Standort wieder aufzugeben und nach einiger Zeit entweder umzuziehen oder gar ihre Aktivitäten wieder
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einzustellen. So hat zum Beispiel der Leihladen in Berlin bereits zweimal seinen Standort gewechselt (und wurde mittlerweile geschlossen), ebenso Tournevie in Brüssel (Werkzeugbibliothek) und die Spullenier in Utrecht. Ottawa startete in einer Garage, hat derzeit einen zweiten Standort in einem zweiten Quartier. In Toronto wurde ein Quartier mangels Akzeptanz verlassen, ein anderes Quartier dafür aufgesucht, eine weitere Niederlassung in Toronto (Danforth) wurde innerhalb des Quartiers umgesiedelt, da die Räumlichkeiten der Entwicklung nicht mehr gerecht wurden. Die Vorgeschichten sind vielfältig, so wurde z.B. der Mietvertrag unerwartet aufgekündigt, es gab einfach keine Nutzer, die Räumlichkeiten waren unerwartet, zu teuer oder zu klein. Der Prozess der Umorientierung hat in den oben genannten Beispielen immer geklappt, nicht berichtet werden kann an dieser Stelle über die Initiativen, die das nicht überlebt haben und ihre Pforten nicht wieder öffnen konnten. Schließlich zeigt sich in den in diesem Kapitel bereits angeführten Studien zur Share Economy ein Unterschied zwischen den Generationen: Die Bereitschaft zum Teilen ist bei den älteren Generationen deutlich geringer ausgeprägt. Ein weiterer Faktor, der über das Gelingen oder Scheitern einer Bibliothek der Dinge entscheidet, ist darum das Alter der Nutzer. Zum einen, weil in Haushalten mit älteren Bewohnern die meisten Dinge bereits vorhanden sind, zum anderen mangelt es ihnen oft eben auch mentaler Offenheit beziehungsweise die noch vorhandene Flexibilität für die Erprobung alternativer Handlungsweisen. Bereits gesetztere Bewohner eines Quartiers, die für sich praktikable Wege gefunden haben, ihr Leben zu meistern werden von einem solchen Konzept also kaum angesprochen. „The people, that don’t get the concept, are the older couples that lived in the neighbourhood for the last 35 years. [...] Then the new people come in are younger, they are used to the idea of sharing tools and they are much more flexible in terms of this concept.“ (Toronto, Arthur) „So the younger people get the concept very easily.” (Toronto, Arthur) Junge oder auch kürzlich erst um- oder zugezogene Menschen, die sowieso gerade in einem Veränderungsprozess stecken, sind prinzipiell eher bereit, sich auf neuartige Konzepte einzulassen beziehungsweise sind sogar aktiv auf der Suche danach. Das impliziert, dass sich eine Bibliothek der Dinge schwerer in einem Quartier etablieren lässt, dessen Einwohner überwiegend älter sind. Gehören sie jedoch jenen vierzig Prozent an, die über ein mittleres oder unteres Einkommen verfügen, dann dürfte die „Bibliothek“ für einen „guten Teil“ von ihnen dennoch eine Option sein – sofern sie nicht in ihren Gewohnheiten festgefahren sind.
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Finanzielle Barrieren Schon bei der Suche nach einem geeigneten Standort war indirekt von einer weiteren großen Hürde die Rede: der finanziellen. „I used my bank-account to finance one [LoT].” (Toronto, Ryan) Dieses Zitat eines Gründers sagt eigentlich schon alles aus. Es hängt freilich davon ab, in welchem Land eine Bibliothek der Dinge gestartet werden soll. In manchen Ländern (Vereinigte Staaten) sind die Hürden, eine Charity zu gründen, um auf diese Weise Fördergelder akquirieren zu können, bedeutend geringer als in anderen Ländern. In Kanada z.B. kann man relativ leicht eine Non-profit-Organisation gründen, jedoch ist die Hürde, aus ihr eine Charity zu machen, groß. Da Nonprofit-Organisationen jedoch die meisten Fördergelder verwehrt bleiben, ist der Charity-Status sehr begehrt. Ohne jegliche Institutionalisierung ist es schwer bis unmöglich sich überhaupt auf Fördergelder zu bewerben beziehungsweise Geldgeber zu Investitionen zu überzeugen. Unter den Bibliotheken der Dinge ist es verbreitet, vorab Mitgliedschaften zu verkaufen, um damit den Start zu finanzieren. Das erzeugt allerdings eine Erwartungshaltung, der die Bibliothek der Dinge im Anschluss gerecht werden muss. Und auch für den Vorabverkauf müssen die anderen Barrieren zumindest teilweise schon genommen worden sein. Verbunden mit der Finanzierung einer Bibliothek der Dinge ist außerdem die Frage nach der Absicherung. Für Versicherungen ist eine Bibliothek der Dinge ein ungewöhnliches, unvertrautes Konzept, das sie neue Überlegungen verlangt. „Initially we got lucky. There was a community minded insurance that was willing to take us on for an affordable rate. We changed it. They got bought out and then wanted to triple the prices we were paying. … Once, you try to cover injuries off-site, it tends too complicated for them to do that. So all that we do is cover injuries onsite.“ (Toronto, Ryan) Bislang ist kein Fall bekannt, in dem es zu größeren Komplikationen kam, jedoch müssen die Betreiber mit einer ordentlichen Portion Alltags-Pragmatismus ausgestattet sein, und die folgende Einstellung einnehmen, wenn die Initiative überleben soll: „Members sign a waiver and if they want to sue us, they won’t get any money, they can shut down the tool library if they want. I’m getting that it is a low probability, but if it happens: we did our best!“ Question: You would just gonna open up a new one then? „Yes.“ (Toronto, Ryan)
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Personal Mit dem Problem (genügend) Geld für Einrichtung und Betrieb einer Bibliothek der Dinge akkumulieren zu können, ist unmittelbar auch das Problem verbunden, ausreichend und das richtige Personal zu finden. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass mindestens eine Person als Leader benötigt wird. „The more people are aware of it, it’s just gonna keep going. It just takes someone to do it. To start it. To take that lead.” (Toronto, Kevin) Vor allem zu Beginn ist die Bedeutung dieser Leitfigur nicht zu unterschätzen. Das bedeutet allerdings auch, dass entweder eine Person für die Verstetigung der „Bibliothek“ bezahlt werden muss oder sich aus intrinsischer Motivation dazu bereit erklärt, die Idee aller Widrigkeiten zum Trotz voranzutreiben. Doch selbst wenn dieses Maß an Motivation bei einer Person gegeben ist, braucht sie noch das finanzielle Polster, um sich das ehrenamtliche Engagement leisten zu können. Beides vereint sich in nur wenigen Personen. Außerdem braucht es weiteres Personal. Ein Team ist schon deshalb wichtig, weil die Arbeitsmenge groß ist und mit einer wachsenden Anzahl an Mitgliedern zunehmend größer wird: „And to be honest I have never once seen somebody, who said they gonna set it on their own, actually succeed doing it. Never once. Not that I witnessed it” (Toronto, Ryan). Die Zusammenstellung eines funktionierenden Teams ist auch deshalb von großer Bedeutung, da es mitunter Durststrecken zu überdauern gibt, die nur durch eine intakte Gruppendynamik bewältigt werden können. Das Team sollte aus Menschen bestehen, die neben der sie einenden Überzeugung vom Wert des Sharings auch unterschiedliche Kompetenzen mitbringen. So ist die Beratungsleistung für Werkzeuge größer als für Bücher oder für die meisten Freizeit- oder Küchengeräte. Da Werkzeuge aber auch in einer Bibliothek der Dinge verliehen werden, braucht es hierfür kompetentes Personal und dieses ist folglich relevant für die Nutzerfreundlichkeit (Söderholm 2016: 144). Daneben können bei im Team vorhandenen multiplen Kompetenzen die zu bewältigenden Aufgaben besser untereinander aufgeteilt und die Last so auf mehrere Schultern verteilt werden. „I am overwhelmed by the amount of work personally. It hasn’t always been this way. But these days I feel that we are really short on our staff.” (Toronto, Ryan) „And Frederic and I thought it would be a weekend project. We kind of thought we will open on Saturdays and organize a bit on the weekend. We never envisioned it would be something that big and that time consuming.” (Ottawa, Bettina) „You need people who [...] get the word out, spread the word, make it exiting, make it interesting. You need someone who has accounting skills. You need people who
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have building skills if you have to renovate that’s crucial. You need repair people. You need people who can communicate well. You need someone to do the website. You need someone to write grants or fundraise. Usually there is someone in the team who is good at that. Otherwise you are learning. And these are skills that, one person can probably do most of these. But this one person has that versatility and skillset to do it. If they did, I would say yeah, technically probably one person could start a tool library but I would never recommend it. (Toronto, Ryan) „I would start with a team. I wouldn’t do it on my own. Only crazy people do it on their own. And I built a team around me rather quickly. I think having a committee or a steering group at the start is a really good way to start.“ (Edinburgh, Chris) Aus Mangel an finanziellen Mitteln sind Ding-Bibliotheken in der Regel auf ehrenamtliches Personal zur Bewältigung der alltäglichen Aufgaben angewiesen. Ehrenamtliche für das Engagement zu begeistern, scheint zu Beginn jedoch eine große Hürde darzustellen. Wenn allerdings der Effekt eintritt, dass sich Ehrenamtliche mit der Initiative identifizieren und die Idee intrinsisch motiviert mittragen, dann kehrt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis um: „When you get your first volunteer you are super grateful. But actually over time they are really grateful to you because you provided this opportunity that they can feel good about that’s nice to help people.“ (Edinburgh, Chris) Die Tool Library in Ottawa wird von einem Kernteam geführt und für dieses ist es schwer, a) Ehrenamtliche zu finden und b) sie dann bei „der Stange zu halten“. Nur wenn Ehrenamtliche das Konzept verstehen und wissen, wie sie es vorantreiben und bei der Umsetzung mitwirken können, werden sie zu verlässlichen Unterstützern für das Konzept. Dabei ist eine Schulung der Ehrenamtlichen nicht zu unterschätzen. Die Einweisung wird jedoch als zeitaufwendig beschrieben: „You are constantly trying to find new volunteers. You always have people that you teach and then they leave again. We teach new volunteers constantly. And if you are lucky, some will stick with you at the end.” (Ottawa, Bettina) Ehrenamtliche können es sich oft finanziell nicht leisten, ihre Zeit langfristig einer Bibliothek der Dinge zu schenken, selbst wenn sie reichlich Passion für das Konzept mitbringen. Vor allem in großen Städten ist eine hohe Fluktuationsrate zu beobachten, die einen hohen Einarbeitungsaufwand für stets neue Ehrenamtliche nach sich zieht. Nicht immer kann jedoch genug ehrenamtliches Personal rekrutiert werden. Und mit dem Wegfall von Ehrenamtlichen, bleiben Aufgaben liegen, die dann vom restlichen Team übernommen werden müssen. Diese negativen Erfahrungen mit der Fluktuation von Ehrenamtlichen haben dazu geführt, dass Aufgaben zentraler beim Kern-Team verwaltet und bearbeitet werden. „At first, I gave people who have been established in the core team a lot of freedom to make decisions. I don’t do that anymore. Well at first I took peoples‘ interest at
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face value. Like: Perfect, you want to run this? Here you go! And after two months they’d be gone. And it is so painful to constantly retrain people. So I became very reluctant to let things go. Now I see how they do and slowly give them more responsibility as time goes on.“ (Ottawa, Bettina) Diese Zentrierung der Arbeit und Entscheidungsgewalt auf wenige Personen hat das Kernteam wegen des schnellen Wachstums der OTL und der damit einhergehenden unvorhergesehenen enormen Arbeitsmengen vor große Herausforderungen gestellt. Vereinzelte Personen mussten mehr leisten, als sie es sich vorgestellt hatten, um die Initiative am Laufen zu halten. Dieser Interessenskonf likt zwischen dem Erkennen der eigenen Grenzen und der Tatsache, dass bei einem eigenen Rückzug aus der Verantwortung die ganze Initiative scheitern könnte wurde zu einer Belastung für einige Involvierte und zog Konsequenzen nach sich. „Ich kann keine 160 Stunden im Monat für die OTL arbeiten. Wir sind jetzt am Umstrukturieren. Wir sind zu schnell zu stark gewachsen. Jetzt konzentrieren wir uns wieder auf den eigentlichen Service, den wir bereitstellen wollen.“ (Ottawa, Bettina) Das Wachstum bezieht sich einerseits auf die Anzahl der Mitglieder aber auch auf das Wachstum des Umfangs der Organisation selber. Die Größe des Inventars ist rapide gestiegen, und damit auch der logistische Aufwand und der Wartungsaufwand der Gegenstände. Alle Prozesse mussten stets koordiniert werden, bei gleichzeitiger Fluktuation von Ehrenamtlichen. Die Verantwortung auf ehrenamtliches Engagement zu verteilen wird als große Belastung wahrgenommen. Hier zeigt sich, dass die Tool Library in Kanadas Hauptstadt hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben muss, damit die ehrenamtlichen Board-Mitglieder nicht dauerhaft überlastet werden. Sie könnte wachsen, an Mitgliedern und Einf luss gewinnen sowie zur Energie- und Ressourceneffizienz beitragen, aber sie kann es in der Praxis mangels fester Mitarbeiter nicht. Die Nachfrage nimmt zu, aber die Anbieter können nicht mehr mit ihr mithalten. Eine ähnliche Erfahrung hat die ETL gemacht, als sie sehr schnell gewachsen ist, die Koordinationsstelle für die Ehrenamtlichen aber nicht aufgestockt werden konnte. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft, der für viele Ehrenamtliche ein Motivator für das Engagement ist, fiel auseinander und Abläufe wurden gefährdet. „So when we started out we had a lot of really fabulous committed volunteers. And I think as we expanded the numbers of committed volunteers didn’t really increase so obviously some people weren’t able to do more or do less instead. As that expanded, […]” the role of our volunteer coordinator „didn’t increase. We didn’t have the money. […]. So the engagement of volunteers couldn’t increase. […] So we tried out us so many things. Solve the problem using technology but it didn’t really work. So we sort of set up a volunteer portal on the website, where people can sign up
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for things. So the idea was if it worked it would have solved all our problems and it would have been the antidote or the cure. But it didn’t work.“ (Edinburgh, Chris) Personalmangel führt letztlich zu Situationen, in denen alle Abläufe gefährdet sind und damit auch die Gesamtexistenz einer Bibliothek der Dinge. „Our biggest challenges are staffing the locations. Sometimes the night before we don’t have people yet. So it is a challenge that the locations are always open.“ (Toronto, Lawrence) Abschließend kann deshalb festgehalten werden, dass zwei bis drei bezahlte Mitarbeiter als notwendig für eine mögliche Skalierung des Projektes gesehen werden. Nur durch eine solide Verstetigung der Mitarbeiter kann eine Verstetigung des Konzeptes erreicht werden. Diese personelle Stabilisierung hat Auswirkungen auf viele unterschiedliche Faktoren der Bibliothek der Dinge, die als verbesserungswürdig bewertet werden.
Öffnungszeiten und Zugänglichkeit Das vielfältigste und qualitativ hochwertigste Inventar nutzt Mitgliedern nur wenig, wenn die Zugänglichkeit zum Inventar durch unkomfortable Öffnungszeiten eingeschränkt ist. Um die Nutzerfreundlichkeit maximieren zu können, müssen Öffnungszeiten ausgeweitet werden. Natürlich hängen die Öffnungszeiten mit der Verfügbarkeit (und ggf. Bezahlung) des Personals zusammen: „You want us to be open every day? [...] We get requests and we recognize them but we don’t have the human power to execute them.“ (Ottawa, Bettina) Wegen der Abhängigkeit vom ehrenamtlichen Engagement werden operationale Schwierigkeiten erkannt, die bislang nicht aus der Welt geschafft werden konnten. Die angebotenen Öffnungszeiten überhaupt verlässlich zu garantieren oder gar, wie von vielen Mitgliedern gewünscht, auszuweiten, stellt eine immense Herausforderung für die Betreiber dar, wie in der vorletzten sowie der folgenden Anmerkung deutlich wird. „Just by having everything out here, organized and available that’s most of the battle. Just existing.“ (Toronto, Ryan) Es kann von Nutzern als sehr unangenehm wahrgenommen werden, wenn Dinge zurückgegeben werden wollen, der Standort jedoch geschlossen ist. Dafür wird aber auch gleich ein Lösungsvorschlag geliefert, dessen Umsetzung allerdings nicht konkretisiert wird. „The low point in my customer journey map is attributed to the holidays, when the library was closed and I tried to return items several times.“ (Danforth 011) „The opportunity to drop off items beside the hours would be great.“ (St. Claire 001)
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Die Ausleihdauer sollte verlängerbar sein. Zumindest aus Sicht der Nutzer, die gerade einen Gegenstand ausgeliehen haben und diesen noch benötigen, um ihr Projekt beenden zu können. Auf der Gegenseite steht das Argument derer, die in der Tool Library Torontos ankommen und einen Gegenstand ausleihen möchten und dieser dann aber nicht vorhanden ist, weil er entweder noch nicht zurückgegeben wurde (obwohl er ggf. überfällig ist) oder just ausgeliehen wurde, bevor man kam. „I am frustrated if the item I need is not available.“ (Danforth 001)
Beschaffenheit der Produkte Dinge in eine Bibliothek der Dinge zu bringen und zum Verleih anzubieten, ist nicht das Problem. „So getting tools is easy. That’s actually the easy part. A lot of people once they see us open, they ask: Oh, I do have some extra tools. Do you want them? We say: bring them by! We will check them out and you know only the best stuff makes it in the library. We only need so much tools. We don’t need 100 hammers. We just take the best five.“ (Toronto, Kevin) Die bereitgestellten Produkte können jedoch zu einem Hemmnis für das Konzept werden, wenn ihre Qualität minderwertig ist und/oder sie nicht so beschaffen sind, dass sie sich gut gemeinschaftlich nutzen lassen. Ein Produkt ist dann gut für den Kontext einer Bibliothek der Dinge geeignet, wenn es selbsterklärend, stabil und für möglichst viele unterschiedliche Nutzer anwendbar ist. „I mean the most tools work the way they should. Just if people are using things for the first time, it might make errors. If you had a tool, that had a certain language that helped people to use it properly and preventing from making mistakes. For example: a common one is with a hammer drill. A hammer drill starts with a regular drill setting. You have to know that you have to put it in the hammerdrill setting to go into masonery. And you have to know to have a masonery-bit. There is nothing that prompts you on a regular product to let you know that’s the case. You rely on either yourself to figure it out or looking into a manual.“ (Toronto, Kevin) So können Produkteigenschaften die kollaborative Nutzbarkeit erschweren bis verhindern.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Zusammenfassung der Herausforderungen Die fünf Barriere-Kategorien, die zusammen Kluft Zwei formieren, lassen sich den unterschiedlichen Komponenten des Produkt-Service-Systems der Bibliothek der Dinge zuweisen. Dieses Vorgehen, Gesamtproblem der Kluft Zwei in einzelne Teilprobleme zu zerlegen hilft, die Herausforderungen gesondert voneinander zu betrachten und zu analysieren, um sie anschließend systematisch bearbeiten zu können. Das Produkt-Service-System der Bibliothek der Dinge beschreibt die Dienstleistungsbereitstellung durch Interaktion folgender Komponenten: a) Nutzer, b) Dienstleistung, c) Anbieter, d) Produkt innerhalb e) eines Systems. Die identifizierten Barrieren setzen jeweils an unterschiedlichen Stellen dieses „Schaltplanes“ an (siehe Abbildung 40):
Herausforderungen für die Bibliothek der Dinge PRODUKT
SYSTEM
Beschaffenheit: Qualität / Reparatur / Wartung Beschaffung
Finanzierung / Versicherung Initiativen / Drittanbieter
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
Nutzer
Mentalitäten Alter Gewohnheiten
SERVICE
Zugänglichkeit: Angebot / Standort / Öffnungszeiten
Anbieter
Mitarbeiter / Ehrenamtliche
Abb. 40: Herausforderungen an das PSS von Bibliotheken der Dinge a) Potentielle Nutzer werden dann zu einer Barriere, wenn sie aufgrund ihrer Mentalität für Sharing nicht empfänglich sind, wenn ihre Bedürfnisse gesättigt sind und keine Notwendigkeit für eine (neue) Anschaffung besteht oder auch dann, wenn sie in ihren Gewohnheiten so sehr verankert sind, dass eine
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
b)
c)
d)
e)
Änderung der Handlungsroutine zwar nicht unmöglich, doch aber schwierig ist. Die „Bibliothek“ selbst fungiert ungewollt als Barriere, wenn das Dienstleistungsangebot nicht hinreichend nutzerfreundlich gestaltet ist. Ist dies der Fall, nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme auch bei Sharing-Affinen Personen ab. Die Zugänglichkeit, sowohl räumlich als auch zeitlich, sollte darum so komfortabel wie möglich sein, um die Hemmschwelle zur Teilnahme zu senken und das Angebot alltagstauglich zu machen. Die Anbieter können diesen Anforderungen bislang aber nur bedingt gerecht werden, da Ehrenamtliche dieser Herausforderung nur bedingt begegnen können und Hauptamtliche bislang oft fehlen beziehungsweise zeitlich nur begrenzt verfügbar sind. Nutzer schrecken zudem vor einer Teilnahme zurück oder sehen von einer weiteren Nutzung des Angebots ab, wenn die angebotenen Produkte veraltet oder qualitativ minderwertig sind. Dabei geht es nicht zwingend um das Bedürfnis nur High End-Produkte zu nutzen, auch Sicherheitsbedenken hemmen die Bereitschaft, veraltete, abgenutzte und/oder unsicher erscheinende Gegenstände zu leihen. Zu guter Letzt wirken sich die Rahmenbedingungen darauf aus, ob das gesamte System funktionieren kann. Mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und fehlende Versicherungsleistungen können das gesamte Angebot gefährden.
Um diese die zweite Kluft bildenden Barrieren nun überwinden zu können, wird es notwendig sein, für sie Lösungen zu erarbeiten. Es müssen nicht alle Barrieren bei allen Bibliotheken der Dinge gleichermaßen auftreten. Je mehr einzelne Barrieren aber aufgelöst werden können, desto wahrscheinlicher ist die Überwindung der zweiten Kluft.
2.7 Abschließende Betrachtung Allgemeine Schlussfolgerungen, die sich über die untersuchten Standorte hinweg zusammenfassen lassen, sind folgende: 1. Das Alter der Bibliothek der Dinge kann einen Einf luss auf die Themenwelt haben, mit dem sich die Beteiligten auseinandersetzen. Je jünger die Bibliothek der Dinge ist, desto mehr sind die Macher mit der Implementierung und Verstetigung des Angebots befasst. Dazu gehört eine Anpassung des materiellen Angebotes an das jeweilige Quartier. Dazu gehört die Anpassung der Öffnungszeiten an die Bedarfe der Mitglieder. Ab einer gewissen Reife und
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
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Verstetigung wird über Erweiterung – z.B. über zusätzliche Angebote bzw. bereichernde Kooperationen – nachgedacht. Wenn Initiativen bei ihrer Weiterentwicklung unterstützt werden sollen, muss folglich deren Alter und Kontext berücksichtigt werden. Das erforderliche Arbeitsauf kommen, um eine Bibliothek der Dinge zu starten und zu verstetigen, ist groß und wurde von allen Gesprächspartnern anfangs unterschätzt. Je professioneller das Kernteam ausgerichtet ist, desto weitsichtiger ist die strategische Planung. Sind die Motivationen der Initiatoren nicht nur nachbarschaftlicher Natur, sondern haben sie zudem die Kapazitäten, mehr als nebenberuf liches Engagement zu investieren, desto wahrscheinlicher ist eine schnellere Verstetigung und ein rasches Wachstum. Die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiter und vor allem deren Verstetigung ist speziell in großen Städten mit höherer Fluktuation der Einwohner problematisch. Die Möglichkeit zur individuellen Identifikation mit der Initiative ist notwendig, um ehrenamtliche Helfer langfristig zu binden. Es zeigt sich, dass eine Bibliothek mit bezahlten Mitarbeitern mehr Kapazitäten hat als eine, die nur mittels ehrenamtlichem Engagement betrieben wird. Das Konzept wird von den Quartiersbewohnern, die das Angebot einer Bibliothek der Dinge zu nutzen begonnen haben, geschätzt. Das Konzept wird als lebensnah und praktisch beurteilt und generell stellt sich die Frage „Warum gibt es das nicht schon immer?“. Mitglieder nutzen das Angebot primär aus ökonomischen Gründen, da sie sich einen anderen Zugang nicht leisten können. Vor allem wird eine Werkstatt, wo sie Teil einer „Bibliothek“ ist, häufig in Anspruch genommen, weil ihre Nutzer zu Hause nicht genügend Geld oder Platz haben, um sich eine eigene Werkstatt einzurichten. Mitglieder nutzen das Angebot aber auch aus der ökologischen Überzeugung, nicht jeden Gegenstand kaufen zu wollen, um dadurch die Umwelt zu entlasten. Die Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken erscheint bislang schwierig, es sei denn, das Angebot wird von Anfang an durch eine öffentliche Bibliothek initiiert. Die Bibliotheken der Dinge fördern indirekt eine Verhaltensänderung ihrer Mitglieder dadurch, dass diese – egal aus welchen Motiven – den hergebrachten Nutzen-durch-Besitzen-Standard nicht mehr als unhinterfragte Selbstverständlichkeit erachten. Mit zunehmender Nutzung verschiebt sich die gewohnte Konsumpraxis und das Sharen wird allmählich zur neuen Routine. Rückblickend fragt „man“ sich dann irgendwann: Warum nur haben die Leute damals so hart gearbeitet, um sich leisten zu können, was man doch für wenig Geld gemeinschaftlich nutzen kann? Die Transformation findet demzufolge nicht vom Wissen zum Handeln, sondern vom Handeln zum Wissen statt.
2 Bibliotheken der Dinge inEinführung der Praxis
Soll künftig jene Transformation realisiert und mit ihr die ökologischen, aber auch sozialen und ökonomischen Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge verbreitet werden, müssen dafür jene nunmehr identifizierten Barrieren überwunden werden, die Bibliotheken der Dinge davon abhalten, ihr Potenzial vollends entfalten zu können. Dieser Arbeitsschritt ist Inhalt des folgenden Kapitels.
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3 Neue Antreiber für Bibliotheken der Dinge
3.1
Einleitung
Eine nachhaltige Quartiersentwicklung sollte nicht allein durch technische Innovationen gesteuert, sondern auch durch soziale Innovationen ergänzt werden. Auf diese Weise wird die angestrebte Energie- und Ressourceneffizienz mit größerer Wahrscheinlichkeit erreicht. Angebote der Share Economy wurden in den vorigen Kapiteln als Optionen identifiziert, die genau das tun können. Sie können Probleme der drei Nachhaltigkeitsstrategien überwinden und verbinden überdies soziale und technische Ansätze miteinander. Bisherige Erfahrungen haben aber gezeigt, dass sich die Share Economy nicht wie erwartet ausbreiten und etablieren konnte. Bislang haben sich hauptsächlich Angebote in den Bereichen Mobilität, Übernachtungen und Unterhaltung als Alternativen auf dem Markt positioniert. Im Bereich der kollaborativen Nutzung von Gebrauchsgegenständen blieb die Share Economy jedoch bislang hinter ihren Möglichkeiten zurück. Bibliotheken der Dinge, so die Hypothese können die identifizierten Schwachstellen bisheriger, hauptsächlich online basierter, P2P-Angebote ausgleichen und (siehe Kapitel 1) einen Beitrag zur Nachhaltigen Entwicklung leisten. Und tatsächlich sind Bibliotheken der Dinge weltweit auf dem Vormarsch. Damit sie aber effektiver werden und sich f lächendeckend etablieren können, müssen sie nicht nur die Barrieren bisheriger P2P-Angebote überwinden, zusätzlich haben Bibliotheken der Dinge weitere Schwierigkeiten zu meistern. Ihretwegen können sie in der Regel nur verhältnismäßig wenige Nutzer überzeugen und so den Verbrauch von grauer Energie und Rohstoffen in ihrem Einzugsradius weniger reduzieren, als sie eigentlich dazu in der Lage wären. Diese Barrieren stehen wiederum für die zweite Kluft, und die These ist, dass die erste Kluft (der hohen Bereitschaft zum Sharing vieler Dinge folgt keine entsprechende Praxis) über-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
wunden wird, sobald sich die Zweite Kluft geschlossen hat. Erst dann steht mit der Share Economy eine praktikable Alternative zur auf den Erwerb von Eigentum fixierte Ökonomie zur Verfügung, die dazu beitragen kann, die sogenannte „Great Acceleration“ des weltweiten Energie- und Ressourcenverbrauchs zu bremsen. Die Gründe, warum bestehende Bibliotheken der Dinge die zweite Kluft bislang nicht überbrücken konnten, wurden in den Kapiteln 2.5 und 2.6 analysiert. Nun gilt es, ein Instrumentarium zu definieren, mittels dessen die Herausforderungen bearbeitet und Lösungen bereitgestellt werden können. Dazu wird in diesem Kapitel wie folgt vorgegangen: ݥܛDesign wird als Instrumentarium für die Bearbeitung der vielfältigen und komplexen Problemlagen eingeführt und es wird begründet, wie sich die Disziplin der Gestaltung seit seiner Entstehung gewandelt hat. War Design Jahrzehnte lang daran beteiligt, das Kaufniveau in der Konsumgesellschaft zu erhöhen, tritt es mittlerweile in vielen Designströmungen für den Anspruch ein, Teil der Lösung für jene, die „Great Acceleration“ begleitenden Umweltprobleme zu werden. Viele Designdisziplinen basieren auf der These, dass Design nicht länger für ein höheres Konsumniveau und/oder kürzere Produktlebenszyklen verantwortlich sein dürfe, sondern genau das Gegenteil bewirken solle. Designer haben diese normative Notwendigkeit erkannt und ein Instrumentarium erarbeitet, womit sie prinzipiell in der Lage sind, Treiber des geforderten Wandels werden zu können. ݥܛEs wird dargestellt, wie die noch offenen Probleme einer Bibliothek der Dinge mittels Design überwunden oder zumindest minimiert werden können. ݥܛAbschließend werden Ansätze zur Überwindung für die im Rahmen dieser Arbeit identifizierten Herausforderungen vorgestellt, die mit Hilfe des entsprechenden Instrumentariums erarbeitet wurden.
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
STATUS QUO Identifikation von Kluft 1 & Kluft 2 Notwendigkeit eines Instrumentariums zur Bearbeitung
IN S TRUM E N TAR IUM D E S IGN Veränderung der Gestaltung Veränderung durch Gestaltung
DESIGNSTRÖMUNGEN & INSTRUMENTE
3
Green Design / Eco Design Design for Product Attachement Design for Sustainable Behaviour
NE U E A NT R E IB E R F Ü R BI B L I OT H E K E N D E R D I N G E Forschungsdesign für die Gestaltung von Lösungsansätzen
Human Centred Design Service Design Design Thinking
ANSATZPUNKTE PRODUKT - SERVICE - SYSTEM
BIBLIOTHEKEN DER DINGE Als Instrument Nachhaltiger Quartiersentwicklung
Abb. 41: Forschungsdesign für die Gestaltung von Lösungsansätzen
3.2 Veränderung von Gestaltung – Gestaltung von Veränderung Die Zweite Kluft ist komplex. Die im vorangegangenen Kapitel aufgedeckten Barrieren, die Bibliotheken der Dinge bewältigen müssen sind vielfältig, wollen sie effektiver und ein Konzept für die Mitte eines Quartieres oder gar für die Mitte der Gesellschaft werden. Können diese Barrieren aber aus dem Weg geräumt werden, können die im vorigen Kapitel ebenfalls identifizierten positiven Auswirkungen von Bibliotheken der Dinge dadurch vergrößert werden, dass das Angebot zunächst von einer kritischen Masse und dann idealerweise von der Mehrheit der Menschen in Quartieren und Städten genutzt wird. Folglich sollen sowohl bestehende Mitglieder zu intensiverer Nutzung motiviert als auch neue Mitglieder gewonnen werden. Das Ziel besteht deshalb in der Formulierung und Realisierung eines möglichst nutzerfreundlichen Konzepts, das die kollaborative Nutzung von Gegenständen einfacher als bisher und mindestens auch so einfach wie (Online-)Shopping macht. Dazu braucht es ein Instrumentarium, das in der Lage ist, Bibliotheken der Dinge so zu verändern, dass sie sich wie normativ gewünscht wandeln. Ein solches Instrumentarium stellt die Wissenschaft vom Design bzw. von der Gestaltung (die Begriffe „Design“ und „Gestaltung“ wurden bislang und werden fortan synonym verwendet).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Gestaltung als Instrument Warum aber sollte Design in der Lage sein, das Konzept der Bibliothek der Dinge zu verbessern? Weil es – so die Antwort – der ureigene, analytische Gegenstand der Disziplin ist, Produkte, Services oder gar (Organisations-)Strukturen so zu gestalten, dass sie für die Anwender so attraktiv, nutzerfreundlich und effizient wie möglich sind. Keine andere akademische Disziplin beschäftigt sich mit diesem Untersuchungsfeld, keine andere hat ein dafür geeignetes Instrumentarium ausgearbeitet. Dies ist für die Bearbeitung des Konzepts einer Bibliothek der Dinge aber aufgrund folgender Kompetenzen essentiell: Denn Design ݥܛhat eine iterative Herangehensweise ausgearbeitet, um ein Konzept schnell und wiederholt an den Kontext anpassen zu können. ݥܛfolgt in den letzten Jahrzehnten meist einer nutzerorientierten Herangehensweise, um ein Konzept ideal auf individuelle Nutzerbedürfnisse anpassen zu können. ݥܛbedeutet lösungsoffenes Arbeiten, um zu maßgeschneiderten Lösungen zu gelangen. ݥܛlebt von inter- und transdisziplinärem Arbeiten, um alle notwendigen Expertisen in den Bearbeitungsprozess zu integrieren. ݥܛhat Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen, da eine Bibliothek der Dinge ein Produkt-Service-System ist, das von einer vernetzten Denkweise profitiert (siehe nächstes Kapitel). Daneben spricht ein weiterer Grund für die Anwendung von Verfahren aus der Disziplin des Design: Es agiert mittlerweile zunehmend im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung und arbeitet entsprechende Entwürfe für Produkte und Services aus. Das war nicht immer so, wie Viktor Papanek in den 1970ern feststellen musste: „Es gibt Berufe, die mehr Schaden anrichten, als der des Designers. Aber es sind wenige“ (1972: 9). Diese Diagnose Papaneks, der seinem Zeitgeist weit voraus war, traf Jahrzehnte lang zu, da Design in dieser Phase vor allem als Gehilfe der konsumorientierten Ökonomie in Erscheinung trat. In den letzten drei Jahrzehnten aber haben sich die Anforderungen an das Design und damit auch die Disziplin gewandelt. Dieser Wandel wird im Folgenden nachgezeichnet. Es wird gezeigt, dass sich Design, das einst eine treue Magd des Kapitalismus war, emanzipiert und weiterentwickelt hat, um Teil einer Lösung jener Probleme zu werden, die ihren Ursprung in der auf Konsum und Besitz ausgerichteten Wirtschaftsweise haben. Aus diesem Grund gilt es unter Designern mittlerweile nicht mehr als idealistisch, sich für die Mitgestaltung einer nachhaltigen Gesellschaft zu engagieren, sondern als Notwendigkeit (Margolin 1998: 88).
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Was ist Gestaltung? Eine Verortung des Begriffs Das Erscheinen der Disziplin des Designs und damit der modernen Entwurfstätigkeit kann auf das 19. Jahrhundert datiert werden. Das auslösende Moment war der Beginn der industriellen Arbeitsteilung, die schließlich auch die Trennung der Gestaltung der Gegenstände (geistige Leistung) von deren Fertigung (Herstellung) einleitete (Schneider 2005). Dies war zugleich der notwendige Schritt, um die Serienfertigung zu ermöglichen. Mit dieser klaren zeitlichen Verortung des Beginns der Disziplin endet die eindeutige Eingrenzung aber auch schon. Bezogen auf den Industriedesigner galt lange Zeit die Auffassung: Er sei „one who is qualified by training, technical knowledge, experience and visual sensibility to determine the materials, mechanisms, shape, colour, surface finishes and decoration of objects which are deproduced in quantity by industrial processes“ (ICSID 1959). Deutlich wird dabei, dass mit der Etablierung der eigenständigen Gestaltungstätigkeit auch dessen wirtschaftliche Bedeutung erkannt wurde. Design wurde zu einer Zeit bedeutend, in „der viele Produkte technisch ausgereift sind, Qualitätsunterschiede in bestimmten Marktsegmenten eigentlich nicht mehr bestehen [...] zum letzten und wichtigsten Unterscheidungsfaktor im Wettbewerb mit der Konkurrenz“ (Hauffe 2000: 9). Design wurde (und wird) als Mittel genutzt, um durch die bloße Neugestaltung der äußeren Form und ohne eine echte funktionale Verbesserung des Gebrauchswertes, wirksame Anreize zu liefern, die Kunden zum Neukauf zu bewegen (Schneider 2005: 17). Design wurde folglich instrumentalisiert, um wirtschaftliches Wachstum zu erzielen, um das Konsumniveau und mit ihm den Energie- und Ressourcenverbrauch zu steigern. Der eigentliche Bedarf des Nutzers wurde nicht hinterfragt, das vorgegebene Leitmotiv war die Steigerung der Verkaufszahlen.
Die Veränderung der Gestaltung Zwar waren nach dem Beginn der internationalen Konsumgesellschaft in den 1950ern vereinzelt Forderungen zu vernehmen, die Design zu mehr Verantwortung in der „Überf lussgesellschaft“ (Galbraith 1958) bewegen wollten. In der Praxis kursierte jedoch meist ein konsumsteigerndes Verständnis von Design. Die drohende Überlastung ökologischer Grenzen zeigte dann ab den 1970ern, dass Business und Design as usual zunehmend problematisch wurden bzw. werden. Schon Buckminster Fuller (1969) publizierte als einer der ersten in seinem Buch „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ die Botschaft, dass die Intelligenz des Menschen trotz der sich verschärfenden ökologischen Probleme Lösun-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
gen liefern kann, die auch künftig das Leben auf diesem Planeten ermöglichen werden. Fuller sprach in seiner Überzeugung, dass Lösungen nur interdisziplinär erarbeitet werden können, davon, dass Entscheidungsträger – und als solche bezeichnete Fuller auch den Gestalter – Generalisten sein sollten. Die konkrete Verantwortung des Designers in diesem großen Gefüge wurde schließlich erstmalig von Victor Papanek in seinem Buch „Design for the Real World: Human Ecology and Social Change“ (Papanek 1985) formuliert: Designer sollten demnach ihrer moralischen Verantwortung gerecht werden und sozial sowie ökologisch verträgliche Lösungen erarbeiten und nicht nur bereitwillig und quasi kopf los den stetig wachsenden Massenmarkt bedienen. Einerseits waren Designer für die Auf blähung des Massenmarktes mitverantwortlich, indem sie das Aussehen von Produkten und Verpackungen so begehrenswert gestalteten, damit die Nachfrage nach ihnen zunahm (Haug 2009). Andererseits setzen sie sich nun vermehrt mit den Folgen der Konsumgesellschaft auseinander und machten den ökologischen Wandel zu einem „herausfordernden Thema für Designer“ dem sie sich stellten (Moggridge 2007: 656). In diesem Licht ist auch die Aussage von Moholo-Nagy: „Design ist eine Haltung.“ (Moholy-Nagy 1947: 42) zu verstehen. Freilich ist dieser Umbruch der Gestaltung noch nicht abgeschlossen. So forderte noch Martin Hoffmann vor wenigen Jahren: „Was Gestalter tun, ist in einem hohen Maße gesellschaftlich relevant. Es wird Zeit, dass sie sich dessen bewusst werden“ (Hofmann 2012: 16). Eben dieses Bewusstsein hat sich jedoch bereits erhöht (was allerdings nicht bedeutet, dass es bei jedem Designer hinreichend hoch entwickelt ist), und mit den gestiegenen Anforderungen an designerische Neuentwicklungen mussten sich viele Designer mehr und mehr zu Generalisten wandeln, um dieser Verantwortung gerecht werden zu können. Aus diesem Grund mussten sie sich aber auch die Frage gefallen lassen, ob sie überhaupt dazu in der Lage wären, alleine zukunftsfähige innovative Lösungen entwickeln zu können. Daraus folgte die Anerkennung der Notwendigkeit, auch externe Akteure in Gestaltungsprozesse einzubinden und die jeweils besonderen Kontexte, in denen sich Gestaltung abspielt, zu berücksichtigen. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, da Designer ihre alleinige Autorenschaft aufgeben mussten, wenn sie andere Akteure in ihre Arbeit einbezogen. Die alleinige Autorenschaft war etwas, das Designern zuvor so heilig war wie dem Koch die Herrschaft über seine Kellen. Die Ausweitung der Disziplin des Designs ging sogar so weit, dass der Gestaltung gar die Aufgabe zuteil wurde, den Kontext (die Arbeitsbedingungen für ein Designprojekt), in dem eigene und andere Arbeitsprozesse stattfinden, in Frage zu stellen: Der Koch soll demnach nicht nur kochen, sondern auch darüber entscheiden, wie die Küche idealerweise auszusehen hat, wissend, dass der Braten in einer idealen Küche zubereitet besser schmeckt, als der in einer herkömmlichen zubereitete. Design sollte also auch Organisationen und deren Strukturen gestal-
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
ten. Dafür musste ein Gestalter freilich ein Verständnis für Strukturen entwickeln können (Sangiorgi & Prendiville 2017: 3). Da diese von Menschen gelebt werden, wandte man den Human-Centered-Ansatz auf das Design von Strukturen an. Organisationen wurden demnach nicht als seelenlose Strukturen und Prozesse wahrgenommen, sondern als „people with their norms, values, beliefs and behavioural patterns; its structures, which includes procedures, hierarchies and tasks; its resources and an organization’s vision, which gives purpose and guidance for how resources might or might not be used“ (Junginger 2015, Bailey 2012). Andere gehen noch weiter: Kimbell (2011) argumentiert, dass in dem Moment, in dem der Wert nicht mehr vom Designer geschaffen wird, sondern erst vom Nutzer in der Interaktion entsteht,20 Designer nicht mehr „design services but rather design for services, that means aggregating resources to support value creation in use” (Morelli et al. 2017: 3181). Die Aufgabe des Gestalters kann es folglich nicht mehr nur sein, etwas zu gestalten, sondern den Gestaltungsprozess anderer anzuleiten und zu einem erfolgreichen Ergebnis zu führen; es geht nicht mehr um das Gestalten von Dingen oder Services sondern um „designing for a purpose” (Morelli et al. 2011). Es wird also einerseits anerkannt, dass diverse Akteure in den Gestaltungprozess eines Produktes integriert werden müssen. Und andererseits, dass das Produkt nicht mehr nur einen physischen Gegenstand meint, sondern stellvertretend für diverse Gestaltungsaufgaben gleichermaßen steht: für physische Produkte, Dienstleistungen, Interaktionen, Prozesse, Organisationen und anderes. Das Feld des Designs hat sich folglich ausgeweitet und entwickelt sich derzeit in vielen unterschiedlichen Facetten weiter. Designern werden neue Aufgaben zugeschrieben: Sie sollen die Rolle des Vermittlers zwischen neuen Technologien, Nutzerbedürfnissen und nachhaltigen Lösungen einnehmen (Esslinger 2011). Sie sollen strategischer agieren, indem sie Produkte, Dienstleistungen und Kommunikation in nachhaltiger Weise miteinander verbinden, um funktionale Bedürfnisse, Erwartungshaltungen und auch politische Werte der Nutzer zu bedienen (Manzini & Vezzoli 2003). Ihr Arbeitsfeld wird diffuser und Designer werden mehr und mehr zu Lieferanten von Lösungen (solution providers), indem sie unter anderem ihre Fähigkeit, Visionen zu visualisieren nutzbar machen (Meroni 2007). Einmal mehr zeigt sich, dass sich „Design“ seit seiner Entstehung in einem steten Prozess der Veränderung befindet und sich an diese Veränderungen anzupassen hat: „Obviously the boundaries of design are not crisp. Indeed, they ought not to be crisp to en20 Hier wird auf die Verschiebung von der „good-dominant logic“ hin zur „service-dominant logic“ Bezug genommen. Das bedeutet, dass der Designer nicht mehr den Wert einer Ware erzeugt, die dann einmalig verkauft wird. Der Nutzer zerstört durch seinen Gebrauch den Wert letztlich. In der Service-dominant logic entsteht der Wert erst durch den Zugriff des Nutzers auf eine Dienstleistung und kann folglich nicht zerstört werden
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
sure that there is enough f lexibility to allow design as a discipline and a body of knowledge to evolve with humanity’s understanding of the universe“ (Salustri & Nathan 2007). Mit der jüngsten Aufgabenverschiebung ist sich Design seiner Verantwortung bewusst geworden und die Tätigkeiten des Design gehen mittlerweile weit über die Bearbeitung ästhetische Aspekte hinaus. Als Konsequenz hat sich die Disziplin neu positioniert, weshalb sich seit den 1990ern u.a. die in den folgenden Abbildungen verzeichneten neuen Strömungen innerhalb der Disziplin der Gestaltung gründeten und etablierten. Sie bezeugen die Übernahme ökologischer Verantwortung ebenso wie die Expansion der Gestaltung von physischen Produkten und Grafiken auf die Gestaltung von Dienstleistungen, Strukturen, Systemen oder Interaktionen. Dies ist in Bezug auf Bibliotheken der Dinge deshalb bedeutsam, da die hier zu leistende Gestaltungsarbeit vielfältig ist, um eine Bibliothek der Dinge nutzerfreundlicher sowohl für die Mitglieder als auch die Betreiber machen zu können. Hierfür braucht es die Expertise und Ansätze dieser neuen Strömungen:
Zeitgleich entstand das „Ecodesign“, dessen größter Unterschied zum Green Design der ist, dass nun der gesamte Lebenszyklus eines Produktes von der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zur Entsorgung des Produktes betrachtet wurde, (a). Das Hauptziel des Ecodesign ist die Entkopplung des Ressourcenverbrauches vom Nutzen für den Endverbraucher. Umweltaspekten wird genauso viel Beachtung geschenkt, wie u.a. wirtschaftlichen Kriterien, Funktionalität, Ästhetik, Ergonomik (b). Die soziale Dimension wird nicht Produkt zwingend berücksichtigt, so wird der Nutzungsphase und evtl. Fehlnutzung und daraus resultierende Auswirkungen wenig Aufmerksamkeit geschenkt (c).
Abb. 42: Überblick über relevante Designströmungen (1 von 3)
Produkt Verhalten
ein Produkt binden (a). Diese Bindung kann auf vier Ebenen erfolgen: „Self-expression, Group affiliation, Memories, Pleasure“ (b). Konkret geht es hierbei also um die Verlängerung der Nutzungsdauer eines Produktes, um die Gesamtzahl der kursierenden Produkte einzudämmen (das kann durch unterschiedliche Strategien erreicht werden) (c).
Design for Product Unter diesem Begriff lassen sich diverse Bemühungen zusammenfassen, die ein verfrühtes Auswechseln eines Produktes dadurch verhindern sollen, indem sie Nutzer emotional an Attachement
Eco Design
(a) Schifferstein /ZwartkruisPelgrim 2008 (b) Mugge 2007 (c) Van Hinte 1997 Mugge et al. 2005 Chapman 2009
(a) Boks/McAloone 2009 McAloone/Pigosso 2017 Tischner/Charter 2001 (b) Brezet/ van Hemel 1997 Binswanger 2001 (c) Bhamra et al. 2011
Fiksel 1996 OECD 1998
Anfangs beschränkte sich die Debatte auf ökologische Aspekte. Leitgedanken waren die Steigerung der Effizienz und der Verfahrenstechnik. Gestaltung folgte dem Motto ‚Reduce-Reuse-Recycle’. „Green Design“ änderte aber nichts an den Problemen, die ein steigendes Konsumniveau verursachte. Berücksichtigt wurde nur, wie Dinge gefertigt wurden, nicht aber was danach mit den Dingen passierte.
Green Design
Produkt
Autoren
Beschreibung
Name / Fokus
Designströmungen (1von3)
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge 177
Design for Sustainable Behaviour
Abb. 43: Überblick über relevante Designströmungen (2 von 3)
Service / Strategie Management
Produkt-ServiceSysteme Produkt
Service / Strategie Management
Service Design
Bei einem PSS basiert das Wertversprechen nicht nur auf dem Verkauf eines physischen Produktes, sondern ein System aus Produkt(en) und Dienstleistung(en) wird angeboten, das erst in Kombination in der Lage ist, einen speziellen Nutzerbedarf zu befriedigen.
UNEP 2002 Dewberry, et al. 2013 Mont 2002a
Mit der sich ändernden Auffassung, dass ein Wertversprechen nicht nur in ein physisches Produkt (a)Sangiorgi/Prendiville eingebettet und zum Zeitpunkt des Austausches konsumiert werden kann, sondern auch 2017 gemeinsam mit den Nutzern in individuellen Nutzungskontexten und im Zusammenspiel mit (b) Vargo/Lusch anderen Akteuren und Dienstleistungen entstehen kann, findet eine Verschiebung der 2004, 2008 Geschäftslogik statt (a). Diese Verschiebung wurde als Übergang von einer Warenlogik zu einer (c) Lusch 2007 Dienstleistungslogik beschrieben (b). Im Fokus steht folglich nicht mehr das, was die Hersteller (d) Sangiorgi/Prendiville produzieren, sondern das, was dem Endnutzer am besten darin unterstützt, für sich selber Wert 2018 zu generieren (c). Service Design folgt einem nutzerorientierten Ansatz (d).
(a) Lilley 2009 Lockton et al. 2010 Zachrisson/Boks 2012 (b) Niedderer et al. 2014 (c) Tang/Bhamra 2012 (d) Ludeen/Offringa 2015 (e) Berdichevsky/ Neuenschwander 1999 Brey 2006 Bhamra et al. 2011
Dieser Ansatz zielt darauf ab, mithilfe von Gestaltung das Verhalten von Individuen in eine gewünschte Richtung zu lenken (a). Dabei basieren derzeitige unterschiedliche Ansätze alle auf vier grundlegenden Prinzipien: - Nutzern sollte es vereinfacht werden, gewünschtes Verhalten zu übernehmen - Nutzern sollte ungewünschtes Verhalten erschwert werden, - Nutzer sollten dazu das erwünschte Verhalten begehren & das unerwünschte Verhalten ablehnen (b). Ansätze fokussieren derzeit auf ökologische Aspekte, um z.B. umweltfreundlichere Verhaltensweisen (c) und/oder soziale Aspekte, um z.B. gesündere Lebensstile zu etablieren (d). Einschränkungen gibt es hinsichtlich der ethisch-moralischen Diskussion inwiefern Design Nutzerverhalten beeinflussen darf (e).
Produkt Verhalten
Autoren
Beschreibung
Name / Fokus
Designströmungen (2von3)
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(a) Dorst 2006 (b) Jonas 1999 (c) Plattner et al. 2009 Stickdorn & Schneider 2011 (d) Mareis 2011
V.a. im wirtschaftlichen Kontext hat der Begriff in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erlangt wohingegen er innerhalb der Designdisziplin ambivalent bis ablehnend aufgenommen wird. Der Begriff wird verwendet, um eine vermeintlich designspezifische Haltung zu beschreiben: „dt helps to understand the man-made world […]. By looking at things with a designers’ eye, you get an idea of the reasoning and design process behind them. This reveals not only ‘how things work’, but also the ‘why’ behind them. Design is a way of looking, of being more actively involved in the world than most people.“ (a) „dt is different from scientific thinking (analytic, reductionist, aiming at explanation), it is different from engineering thinking (aiming at efficient functionality), and it is different from artistic thinking (taking the artist’s self as primary criterion). For all these reasons design thinking has to claim theoretical and methodological autonomy.“ (b) Erwartet werden innovative Lösungsansätze. Die Vorgehensweise stellt den Nutzer ins Zentrum und beruht auf interdisziplinären Teams in denen Hierarchien vermieden, früh Prototypen erzeugt, aus (frühen und häufigen) Fehlern gelernt und ein Konzept in iterativen Schleifen nach und nach verbessert wird. Es gibt unterschiedliche Schulen, im Kern wird aber der gleiche Prozess beschrieben: er besteht aus „analytischen Phasen“ in denen Informationen gesammelt, geordnet und ausgewertet werden und aus „synthetischen Phasen“ in denen Lösungen entwickelt, erprobt und verbessert würden. (c) Kritisch beleuchtet lässt sich laut Mareis (2011) der „Wunsch nach einer ‚neuen’, ganzheitlichen Synthese von vermeintlich inkommensurablen Erkenntnis- und Wissensdimensionen (rational und intuitiv) erkennen.“
Design Thinking, Service Design Thinking
Innovative Lösungen
Autoren
Beschreibung
Name / Fokus
Designströmungen (3von3)
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Abb. 44: Überblick über relevante Designströmungen (3 von 3)
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Design gewinnt bei umfangreicher werdenden Gestaltungsaufgaben mit komplexer werdenden Anforderungen als Schlüsselfigur in interdisziplinären Kontexten an Bedeutung. Die Tabelle zeigt auch, welche Entwicklungen des Design für Bibliotheken der Dinge und deren Gestaltung von Bedeutung sind: Bibliotheken der Dinge erfordern als Gestaltungsobjekt den Einsatz nahezu aller Kompetenzen, die sich in der Disziplin des Design in den letzten fünfzig Jahren entwickelt haben. Mit dem Green Design wurde der negative Umwelteinf luss aufgedeckt, der durch die Massenproduktion von Produkten entsteht, und Bibliotheken der Dinge sind bestrebt, die Zahl der Produkte zu verringern. Mit dem Eco Design eröffnet sich Bibliotheken der Dinge eine Entkopplung des Rohstoffverbrauchs vom Nutzen, den Produkte stiften, indem diese tatsächlich nur genutzt, nicht aber besessen werden sollen. Mit dem Design for Product Attachement kann die Lebens- bzw. Nutzungsdauer von Produkten, die in Bibliotheken der Dinge zum Einsatz kommen, verlängert werden. Das Design for Sustainable Behaviour zielt im Kontext von Bibliotheken der Dinge auf veränderte kollektive Konsumpraktiken, da sie nicht mehr den Besitz und die exklusive Nutzung eines Produktes in den Vordergrund stellen, sondern dessen gemeinschaftliche Nutzung. Konkret geht es um eine veränderte Grundhaltung: Benötigen Individuen ein Produkt, sollen ihr ersten Gedanken nicht mehr sein „Wie viel kostet es? Wo kann ich es kaufen?“, sondern „Wo kann ich es mir ausleihen?“. Nutzer sollen durch Bibliotheken der Dinge zu einem nachhaltigen Verhalten angeregt werden. Bibliotheken der Dinge folgen der Einsicht, dass sich Transformation nicht nur vom Wissen zum Handeln, sondern auch vom Handeln zum Wissen vollziehen kann. Die Tätigkeitsbereiche des Designs und damit auch die Ref lektion über das Design haben sich vom Produkt verschoben auf Verhaltensweisen und Services (Blomkvist et al. 2010, Meroni & Sangiorgi 2011, Pacenti & Sangiorgi 2010, Sangiorgi 2009). Durch letztere können kollektive Verhaltensweisen verändert werden (Joore & Brezet 2015). Mit Hilfe des Service Design wird im Fall einer Bibliothek der Dinge nicht nur das Produkt gestaltet, sondern auch das dazugehörige Angebot im Sinne der Share Economy. Dadurch wird es möglich, nicht nur die Produktions-, sondern auch die Nutzungsphase von Produkten und Dienstleistungen zu gestalten. Dem zugrunde liegt die Erkenntnis, dass das Nutzerverhalten großen Einf luss auf die ökologischen Auswirkungen eines Produktes hat (Environmental Change Unit 1997, Sherwin & Bhamra 1998). Mit diesen neuen Anforderungen ging zwangsweise eine Veränderung der Methodik der Gestaltung einher. Zentral war die Veränderung der Einstiegsfrage von „Wie steigern wir den Absatz“ hin zu „Was braucht der Mensch? Was hat für ihn großen Wert?“ Mit dieser Verschiebung löste sich der Fokus allmählich von der profit- zur nutzerorientierten Gestaltung von Gebrauchsgegenständen, damit Dinge z.B. nicht vorzeitig materiell oder psychisch verschleißen und vorrangig für
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das Wohl des Nutzenden bestimmt sind. Der Mensch als Nutzer wurde nun der Ausgangspunkt und Richtungsweiser für künftige Neuentwicklungen (Norman 1986). Einst kürzere und lineare Bearbeitungsprozesse in der Gestaltung wurden nun tendenziell länger und verf lochtener. Lineare Abläufe wurden um iterative Schleifen ergänzt, wodurch innerhalb von Entwicklungsprozessen eine steilere Lernkurve ermöglicht wurde. Designer arbeiteten zunehmend mit anderen Akteuren an zu gestaltenden Systemen zusammen und gaben die alleinige Autorenschaft an Lösungskonzepten auf. So wurden sie dennoch zu Schlüsselfiguren bzw. Moderatoren des Wandels (Thakara 2006). Mit Service Design Thinking kann der neue Service in der Praxis schließlich so gestaltet werden, dass er die Nachteile herkömmlicher Sharing-Angebote beseitigt und Bibliotheken der Dinge möglichst nutzerfreundlich macht. Das Ergebnis ist dann ein innovatives, weil neuartiges Produkt-Service-System, das als Bibliothek der Dinge wohl deshalb die vorläufige Kulmination designerischer Bestrebungen darstellt, weil sie nahezu sämtliche gedankliche Neuausrichtungen des Design aufgreift und in sich vereint. Anhand der Gestaltung von Bibliotheken der Dinge kann Design beschrieben werden als „a creative activity whose aim is to establish the multifaceted qualities of objects, processes, services and their systems in whole life cycles. Therefore, design is the central factor of innovative humanization of technologies and the crucial factor of cultural and economic exchange“ (ICSID 2010). So einfach die Idee einer Bibliothek der Dinge zunächst zu sein scheint, so komplex wird sie, wenn man sie aus der Design-Perspektive und zusätzlich aus ökonomischer Sicht betrachtet.
Die Veränderung durch Gestaltung Im vorangegangenen Abschnitt wurden die für die Bearbeitung der Bibliothek der Dinge relevanten Veränderungen und neuen Strömungen in der Disziplin der Gestaltung nachskizziert. Nun wird gezeigt, welches Potenzial diese neue, erweiterte Auffassung von Gestaltung für Bibliotheken der Dinge und damit eine Nachhaltige Entwicklung hat. Mit der Erweiterung gestalterischer Tätigkeiten von Produkten und Grafiken auf Services und Prozesse ging eine wachsende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den neuen Tätigkeitsbereichen einher, die eine Erweiterung und Systematisierung der angewandten Methoden nach sich zog. Die inzwischen typische Vorgehensweise der Gestaltung berücksichtigt das gesamte z.B. aus Nutzern und Anbietern bestehende Umfeld des jeweiligen Produktes oder Services. Auf der Grundlage erhobener Daten werden alternative Gestaltungsentwürfe ausgearbeitet und experimentell erprobt. Die Entwürfe
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durchlaufen mehrere iterative Entwicklungszyklen, bis ein in der Praxis erfolgreich getesteter und letztlich innovativer Neuentwurf entwickelt wird. Die iterativen Schleifen beinhalten ihrerseits Phasen des Experimentierens, Überprüfens, Modifizierens und des erneuten Überprüfens, wobei jede Schleife neue Einsichten in die zu bearbeitende Problematik ermöglicht und somit zumindest indirekt zu einer Lernkurve gehört. Kurz: Design macht Gestaltungsprozesse und Innovationen rational steuerbar. So können bestehende Probleme aufgelöst und neue Lösungen erarbeitet werden. Ein Beispiel in der Kategorie Produkte ist der Stabsauger von Dyson. In den 1980ern entwickelt, war er der erste in der über hundertjährigen Geschichte der Staubsaugertechnik, der ohne Staubbeutel auskam und stattdessen auf dem Prinzip eines Fliehkraftabschneiders basiert. Dadurch konnte das damals übliche Verstopfen des Saugers und der damit verbundene Leistungsabfall verhindert werden. Dyson arbeitete bei der Entwicklung interdisziplinär und in schnellen, iterativen Prototyping21-Zyklen. Durch neue Fertigungstechniken konnten in kurzen Zeitabschnitten Modelle erstellt und getestet werden. Diese für das Design typische Herangehensweise wird mittlerweile unter dem Titel Design-Thinking auf viele Dienstleistungen und Prozesse übertragen (und zudem nicht mehr nur von Designern praktiziert). In der Kategorie Service kann Apple als ein Perfektionist der Bereitstellung ganzheitlicher Angebote und reibungsloser Nutzererfahrungen angeführt werden. Design hat bei Apple seit jeher einen hohen Stellenwert und die Gestaltungsabteilung ist der Inkubator jeglicher Innovation. Das lässt sich nicht zuletzt dadurch belegen, dass Jonathan Ive als Designer im Unternehmen mehr und mehr Spielraum zur Entwicklung ganzheitlicher Angebote bekam. Dadurch wurde es möglich, das gesamte Angebot integriert und einheitlich zu bearbeiten. Apple kombiniert Produkte, die sich abseits anderer Marken platzieren, mit einem Netzwerk an Dienstleistungsangeboten, das ganzheitlich präsentiert wird. Einerseits kann ein Nutzer all seine multimedialen Produktwünsche durch das AppleAngebot decken: Computer, Telefon, mp3-Player, Fernsehkonsole als auch Uhren, und ergänzend bietet das Unternehmen die dahinterliegende, alle Produkte einigende Struktur in Form von Dienstleistungsangeboten. Alles kann miteinander vernetzt werden, ein reibungsloser Übergang von einem zum anderen Endgerät 21 Prototypen werden meist grobe erste Modelle genannt, die zur Überprüfung eines (Teil-)aspektes eines Konzeptes dienen. Eine technische Teillösung kann durch ein kleines Modell geprüft werden, bevor das gesamte Produkt weiterentwickelt wird. Ergonomische Aspekte eines Produktes können verdeutlicht werden: z.B. eine Handymodell aus Pappe kann offenbaren, dass Schalter an gewissen Positionen nicht sinnvoll sind. Abläufe von Dienstleistung können simuliert werden: Beim Abschluss einer Versicherung online kann überprüft werden, in welchen Zeitabständen welche Informationen sinnvoll gegeben werden können, ohne den Nutzer zu verwirren. Dadurch werden Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und vermieden.
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wird durch den Cloud-Service ermöglicht, der iTunes Store wird zum markeninternen Shop für Filme, Musik, Apps und zeitgleich das Portal zu Angeboten anderer Hersteller. Dieses umfassende Angebot sorgt für eine reibungslose Nutzerwahrnehmung und ermöglicht es Apple, die ständige Kontrolle über die Prozesse zu behalten. In einem solchen Produkt-Service-System bleibt nichts dem Zufall überlassen und die einzelnen Komponenten sind in diesem Service-Bündel alle ideal aufeinander abgestimmt. Das stimmige Gesamtangebot kann vor allem dann zustande kommen, wenn alle Komponenten (sowohl Produkte als auch Dienstleistungen) aus einer Hand kommen – das bedeutet in diesem Falle nicht nur, dass alles von einem Unternehmen geliefert wird, sondern auch, dass innerhalb des Unternehmens die Dienstleistungskomponenten gemeinsam gestaltet werden. Was aber, wenn nicht alle Leistungen aus einer Hand kommen, wenn Produkte und Dienstleistungen von verschiedenen Akteuren übernommen und dann koordiniert werden müssen? Wenn es keine eindeutige strategische Leitung von oben mehr gibt? Design kann neben der Steuerung von Gestaltungsprojekten auch die Gestaltung von Organisationsstrukturen übernehmen. Es lässt sich feststellen, dass mehr Unternehmen als je zuvor Design in ihre Organisationsstrukturen implementieren und gar ihre Unternehmensstrukturen selbst transformieren, um optimale Arbeitsumstände und damit Lösungen generieren zu können. Weltweit agierende Unternehmen wie IBM (IBM Design Thinking Loop) oder google (design-sprint) haben ihre eigenen Prozesse entwickelt, die auf die jeweils eigenen Projekte abgestimmt sind und nach und nach auf die gesamte Unternehmensstruktur übertragen werden (Rousseau 2015, Muratovski 2015). Diese Prozesse unterliegen selbst einem iterativen Prozess.
Fazit Die Disziplin der Gestaltung hat sich sowohl im theoretischen als auch im praktischen Bereich grundlegend gewandelt. Mit der Ausweitung der Bearbeitungsthematiken und der zunehmenden Vernetzung und fächerübergreifenden Arbeitsweise hat sich die Außenwahrnehmung von Design und die Selbstwahrnehmung der Designer geändert: Design ist gewissermaßen politisch geworden, wohingegen es zuvor bloß die Magd der Ökonomie war. Und eben diese relativ junge Öffnung der Disziplin zur Integration eines immer größer werdenden Kontextes in die eigene Arbeit, kombiniert mit der Bereitschaft, die Autorenschaft der Allgemeinheit zu überlassen, lässt sie auch zu einem verheißungsvollen Instrument für die Bearbeitung von Lösungen für eine Nachhaltige Entwicklung werden: Design hat, aufgrund seiner einzigartigen Ar-
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beitsweise und der mittlerweile entstandenen Vielfältigkeit, die Fähigkeit, Veränderungen zu bewirken. Was aber bedeutet das konkret in Bezug auf die Bibliothek der Dinge?
3.3 Gestaltung und Bibliotheken der Dinge In Bezug auf die soziale Innovation einer Bibliothek der Dinge ist die Vorgehensweise der iterativen Verbesserung deshalb so interessant wie relevant, weil die Betreiber von Bibliotheken der Dinge diese Vorgehensweise intuitiv bereits ansatzweise angewandt haben: Sie haben ihre Einrichtung in einem iterativen Prozess sukzessive verändert oder gar verbessert. Sie haben auf der Grundlage von Wünschen und Forderungen der Mitglieder oder Mitarbeiter diverse Teilkonzepte ausprobiert, verworfen oder ausgebaut. Diese Entwicklungsprozesse fanden und finden statt, wurden bislang aber nicht strategisch eingesetzt oder gar gesteuert. Vielmehr vollzogen sich diese Entwicklungen organisch und teilweise willkürlich, was für den Erfolg der Bibliothek der Dinge in vielen Fällen nicht von Vorteil war. Bibliotheken der Dinge unterscheiden sich trotz großer Schnittmengen dennoch in mancherlei Hinsicht deutlich voneinander: So variieren die Ausgangsbedingungen, das Inventar und ihr Angebot sowie die beteiligten Akteure teils deutlich (siehe Kapitel 3.2: Kerncharakteristika der Bibliotheken der Dinge). Gäbe es eine naheliegende und übertragbare Möglichkeit zur Verbesserung, hätte sie wahrscheinlich schon f lächendeckende Anwendung gefunden – da viele Bibliotheken der Dinge digital miteinander vernetzt sind und Informationen austauschen. Soll das Konzept also zu einer Nachhaltigen Entwicklung beitragen, muss es individuell und kontextabhängig verschiedentlich überarbeitet werden. Es wurde in den letzten Abschnitten gezeigt, dass Design ein umfangreiches Instrumentarium bereitstellt. Nun wird dargelegt, welche Instrumente für das Erarbeiten von Lösungen für die Herausforderungen des Produkt-Service-System Bibliothek der Dinge geeignet sind. So wie die Herausforderungen in das Produkt-Service-System einer Bibliothek der Dinge sortiert wurden, so können den einzelnen Komponenten auch die Designinstrumente zu deren Überarbeitung zugewiesen werden: der Service und die Produkte müssen in Bezug auf die Bedürfnisse der Nutzer, der Anbieter und der Rahmenbedingungen gestaltet werden, definiert durch alle weiteren im direkten und indirekten Umfeld involvierten Akteure. Alle in Abbildungen 44 und 45 vorgestellten Designströmungen sind dafür relvant: das Produkt wird mit Ansätzen des Eco- oder Sustainable Design bearbeitet, das Angebot wird mit den Instrumenten des Service Design ausgefeilt und strategisch wird Design dann, wenn das gesamte System auf den Prüfstand gestellt wird. Im Zentrum aller Bemühungen steht dabei immer der Mensch, sowohl als Nutzer als auch als Anbieter.
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Vereinfacht formuliert ergeben sich aus diesen Anforderungen drei unterschiedliche Gestaltungsaufgaben, die sich in zwei Blöcke zusammenfassen lassen, um das Produkt-Service-System Bibliothek der Dinge zu verbessern: a) den Service und das System verbessern, indem die Bibliothek der Dinge z.B. um Angebote erweitert wird oder bestehende Angebote innerhalb der Abläufe verbessert werden. Dadurch wird die Bibliothek der Dinge maximal nutzerfreundlich überarbeitet. b) die Produkte verbessern, sei es durch die Verbesserung der Qualität des bestehenden Inventars oder durch die Ergänzung des bestehenden Inventars durch fehlende Gegenstände oder die Anschaffung neuen, höherwertigen Inventars (siehe Abbildung 45).
Ansatzpunkte für die Gestaltung einer Bibliothek der Dinge PRODUKT
SYSTEM
Nachhaltiges Produktdesign Design für nachhaltiges Verhalten Design for User Attachement Circular Economy
Service Design (Thinking)
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
SERVICE
Service Design (Thinking) Design für nachhaltiges Verhalten Design for User Attachement
Abb. 45: Ansatzpunkte für die Gestaltung der Bibliothek der Dinge Die Gestaltungsaufgaben können losgelöst voneinander bearbeitet werden, sind aber teilweise miteinander verf lochten, was bedeutet, dass eine Veränderung eines Dienstleistungsangebotes eine Veränderung der bereitgestellten Produkte nach sich ziehen kann und umgekehrt. Generell unterteilt sich der Gestaltungsprozess in drei Phasen, die je nach Modell unterschiedlich benannt werden. Übersetzt geht es erstens immer darum, das eigentliche Problem zu verstehen (analytische Instrumente), zweitens darum,
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Lösungen zu erarbeiten (kreativitätsfördernde / Empathie steigernde Instrumente) und drittens, diese Lösungen zu kommunizieren und zu implementieren (Visualisierungs- & Prototyping Instrumente). Im Folgenden werden die Instrumente vorgestellt, die speziell für die jeweilige Problemstellung benötigt werden.
Instrumente zur Bearbeitung von Service und System Aus den vorliegenden empirischen Erkenntnissen lässt sich nicht ohne Weiteres eine Handlungsanweisung für die Verbesserung der Dienstleistung und zur besseren Koordinierung derselben im und mit dem übergeordneten System ableiten. Hierfür wird in einem Zwischenschritt auf eine übergeordnete Systematik zurückgegriffen. Als eine solche wird im Folgenden die Unterteilung der PSS-Angebote in acht unterschiedliche Varianten von Tukker22 (2004) genutzt, die bereits in Kapitel 2.2 eingeführt wurde. Dieser Schritt bietet sich an, da die hier angewendete Unterscheidung nach dem Grad der Dematerialisierung hilft, systematisch eine Vielzahl zusätzlicher Angebotsvarianten für das PSS Bibliothek der Dinge zu identifizieren, die die Nutzerfreundlichkeit erhöhen sollen. Einleitend eine kurze Erklärung, wie diese Systematisierung zu lesen ist: Ist es das Bedürfnis eines Nutzers, ein Loch in die Wand zu bohren, hat er drei Möglichkeiten: 1) Er kauft eine Bohrmaschine und bohrt das Loch selbst in die Wand – genutzt wurde ein produktorientiertes Angebot. 2) Er leiht sich eine Bohrmaschine, bohrt das Loch selbst und bringt das Gerät wieder zurück. In diesem Falle spricht man von einem serviceorientierten Angebot. 3) Ein ergebnisorientiertes Angebot bedeutet, dass dem Nutzer ein Loch in die Wand gebohrt wird und er die Bohrmaschine nicht einmal zwingend sehen muss, um das gleiche Endergebnis wie bei Angebot 1) zu erhalten. Bei Tukker finden sich acht mögliche Abstufungen für ein PSS23. Die einzelnen Komponenten (Produkt und Service) sind je nach Angebotsform unterschiedlich wichtig: ein sehr produktorientiertes Angebot ist so gut, wie die Produkte, die 22 Tukker formuliert acht verschiedene Varianten. Diese dienen hier nur als Orientierung, um die Bibliothek der Dinge genauer zu analysieren, weshalb diese hier nicht in aller Vollständigkeit genauer vorgestellt werden. 23 Tukker formuliert dabei auch zwei Angebotsformen, die nicht mit dem Kerngedanken der Bibliothek der Dinge kompatibel sind. Auf diese wird im Text nicht weiter angegangen: Erstens, das dauerhafte Leasing als Exklusivzugang für nur einen Nutzer widerspricht dem Ziel das Inventar möglichst effizient mit möglichst vielen Nutzern auszulasten. Genauso wenig ist, zweitens, die dauerhafte Bereitstellung eines Produktes für nur eine Gruppe bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Nutzergruppen angestrebt: z.B. der Kopierer im Flur eines Büros mag als Angebotsform sehr sinnvoll sein, ist aber kein Angebot, das die Bibliothek der Dinge verfolgt.
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angeboten werden. Bei einem ergebnisorientierten Angebot ist es, um bei dem o.g. Beispiel zu bleiben, dem Endnutzer letztlich egal, wie gut eine Bohrmaschine funktioniert, solange das Loch in der Wand gebohrt wurde. Die Frage ist nun: Wie kann das gesamte Angebot vor diesem Hintergrund so verändert werden, dass es a) maximal nutzerfreundlich und b) im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung ist? Bereits in Kapitel 3.2 wurde diagnostiziert, dass alle derzeit bestehenden Bibliotheken der Dinge vorwiegend produkt- und serviceorientiert sind: Sie stellen Produkte und Wissen für ihre Nutzer bereit, sie ermöglichen die sequenzielle Nutzung von zentral gelagerten Produkten und sie ermöglichen die gleichzeitige gemeinschaftliche Nutzung, etwa durch die Nutzung einer Werkstatt vor Ort (siehe Abbildung 46: linker Bereich). Mit all dem hat man schon viel erreicht, es reicht aber in der heutigen Form offensichtlich nicht aus, wenn es gilt, die „Bibliotheken“ nutzerfreundlicher und attraktiver für neue Nutzer zu machen. Folglich muss das bestehende Angebot erweitert werden, und welche Optionen sich dazu anbieten, lässt sich aus Tukker’s Konzept ableiten: Einerseits können zusätzlich produktorientierte Angebote bereitgestellt werden. Das Augenmerk sollte aber andererseits a) auf der Diversifizierung nutzenorientierter und b) auf der Bereitstellung zusätzlicher ergebnisorientierter Angeboten liegen. Hier offenbart sich anhand des Schaubildes noch Spielraum für neue Angebote. (siehe Abbildung 46: Pfeile)
Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Bibliothek der Dinge
SE SYST PRO D U K T S E RV I CE S YS T E M S er vi ceberei t s tellu ng ((n n ic ht p hysisc h ) Wer tschöp fung v. a. durch Pro d u k tbereit stel l u ng Produk t b e re i t s te l l u n g ( p hys i s c h )
R e i ne s Prod u k t
Produ k to r i e nt i e r t Produk
N u t zeno r i ent i er t
rg e b n i s o r i e nt i e r t E rge
We r ts ch ö p f un g v.a. durch S er vice b e re i ts te l l un g
R e i n e r S e r v i ce
Di ve r s i fi zi e r ung
neu e Ang eb ote
Bi bli othe ke n d e r Di ng e he ute
ne ue An g e b o te
Kategorisierung von Produkt-Service-System - Einordnung der Bibliothek der Dinge Grafik basiert auf: Tukker (2004): Eight Types of Product-Service Systems: Eight Ways to Sustainability? In: Business Strategy and the Environment 13(4): 246-260
Abb. 46: Verortung heutiger Bibliotheken der Dinge und Möglichkeiten zur Entwicklung
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Ausgehend von Tukkers Varianten, gibt es weitere voneinander abzugrenzende Entwicklungsrichtungen, die von den meisten bestehenden „Bibliotheken“ bislang noch nicht angeboten werden:
Produktorientierte Angebote Zusätzlich zum Zugang zu Gegenständen wird die Reparatur von (auch privat besessenen) Gegenständen angeboten. Das geschieht zwar bereits vereinzelt, allerdings hauptsächlich aus Eigennutz für die Bibliothek der Dinge: die Initiativen möchten die gespendeten Dinge so günstig und so lange wie möglich in Betrieb halten.
Serviceorientierte Angebote Kooperationen mit Herstellern Um für die Mitglieder bessere Produkte bereitstellen zu können, könnte mit Herstellern oder Händlern kooperiert werden. In Baltimore zum Beispiel wurde ein Deal mit einem lokalen Händler eingegangen, welcher der Tool Library in Baltimore ein Sortiment an Gegenständen zu einem vergünstigten Preis verkaufte.
Kooperationen mit der öffentlichen Hand Die Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken oder Gemeindezentren kann zu mehr Standorten im Einzugsgebiet und dadurch zu erweiterten Öffnungszeiten und besserer Erreichbarkeit für die Mitlieder führen. Durch zusätzliche Standorte werden zudem neue Zielgruppen angesprochen, die von dem Angebot bislang noch keine Kenntnis hatten.
Ergebnisorientierte Angebote: Kooperationen mit anderen Initiativen / Selbständigen Derzeit liegt der Fokus auf der Bereitstellung der Produkte für den individuellen Nutzen. Mithilfe von Drittanbietern können allerdings zusätzliche lösungsorientierte Dienstleistungen angeboten werden, damit das Angebot ergebnisorientierter wird und eine neue Zielgruppe anspricht.
Kompetenzerweiterung der Bibliothek der Dinge Interessant ist diese Option auch vor allem deshalb, da hiermit die Einkommensströme diversifiziert würden und damit das gesamte Angebot resilienter werden kann. Die Bibliothek der Dinge wird in diesem Falle zu einer Anlaufstelle für all diejenigen, die anders konsumieren möchten, also alternative Lösungen zu bis-
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herigen Nutzen-durch-Besitzen-Angeboten suchen und sie bietet die Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren. Welche Gestaltungsinstrumente können nun aber Lösungsansätze für die jeweiligen Herausforderungen erarbeiten? Im Folgenden werden die Herausforderungen im Bereich Service und System mit den jeweiligen Designinstrumenten in Bezug gebracht, bevor diese dann in Kapitel 3.4 angewendet werden, um konkrete Lösungsvorschläge für die identifizierten Barrieren zu erarbeiten. Im Zentrum der Überarbeitung des Service steht die Nutzerfreundlichkeit. Bei der Gestaltung muss das gesamte Netzwerk, durch dessen Interaktion es überhaupt zur Bereitstellung einer Dienstleistung kommen kann, berücksichtigt und einbezogen werden: Mit jedem neuen Akteur sind andere Lösungen vorstellbar!
Instrumente zur Bearbeitung des Service Soll die Nutzerfreundlichkeit der Dienstleistung verbessert werden, können Instrumente aus dem Service Design und dem Design Thinking zum Einsatz kommen (s.u.). Noch grundlegender aber sollten die Gestaltungsprinzipien für Benutzerfreundlichkeit (Usability) von Don Norman (1988) als Leitfaden herangezogen werden. Die Prinzipien helfen, den Service u.a. verständlich, leicht zugänglich, anwendbar und barrierefrei zu gestalten. Es handelt sich hierbei um Gestaltungsrichtlinien.
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Relevante Prinzipien für nutzerfreundliche Gestaltung (nach Don Norman 1988) Designprinzip
Bedeutung
Konsistenz
Verknüpfbarkeit des (Teil-)Angebotes mit vertrauten Konzepten Konsistenz hinsichtlich: Ästhetik / Funktion / Intern / Extern z.B. Einbindung der Bibliothek der Dinge in öffentliche Bibliothek
Sichtbarkeit
Relevante Information muss jederzeit einsehbar sein Spezifische Informationen nur zum richtigen Zeitpunkt bereitstellen z.B. Darstellung der derzeitigen Ausleihen und ausstehenden Beträge
Angebotscharakter
Funktionalität & Bedienbarkeit muss sich selbst erklären
Mapping
Beziehung zwischen Kontrolle und Wirkung
z.B. Service muss sich schnell selbst erklären und verständlich sein
z.B. Visualisierung der eingesparten Ressourcen durch eigene Ausleihen
Feedback
Visuelles / Audio-Feedback zur Bestärkung des Nutzers synchrones Feedback zu Nutzerhandlung z.B. direkte Bestätigungsmail für erfolgreiche Reservierung
Einschränkungen
Unsinnige Handlungen unterbinden Fokus des Nutzers auf korrekte / sinnvolle Nutzung z.B. Verhinderung der Ausleihe von inkompatiblen Geräteteilen
Abb. 47: Designprinzipien für nutzerfreundliche Gestaltung
Instrumente zur Gestaltung des Systems Einerseits müssen die einzelnen Komponenten des PSS gestaltet, andererseits muss ihr Zusammenspiel arrangiert werden. Das ist zu vergleichen mit einem Orchester: einerseits müssen alle Musiker Spezialisten auf ihrem jeweiligen Instrument werden, gleichzeitig muss der Dirigent aber in der Lage sein, alle Musikinstrumente miteinander zu einem Wohlklang zu bringen. Nur wenn beides gegeben ist, wird das Hörergebnis ein angenehmes sein. Der Dirigent bekommt in unserem Falle Instrumente an die Hand, die ihm helfen alle Komponenten a) zu identifizieren und b) miteinander in Einklang zu bringen. Zu a) StakeholderMaps helfen bei der Aufgabe, Akteure zu identifizieren und sie zueinander in Bezug zu setzen. StakeholderMaps können in jeder Phase dienlich sein: einerseits helfen sie dabei (wie auch in dieser Arbeit eingesetzt), Akteure
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und deren jeweilige Rolle zu identifizieren, dies ist für die Analyse unerlässlich. Andererseits können sie aber auch die Gestaltung unterstützen, indem von einer Zielvorstellung rückwärts gedacht wird und die dafür benötigten Akteure und deren jeweilige Rolle bestimmt werden. Zu b) Folgende Instrumente aus dem Service-Design (Thinking) helfen dabei, Abläufe des Services vorab zu planen und steuerbar zu machen; hierbei handelt es sich v.a. um Planungs- und Gestaltungsinstrumente (wobei beide hier vorgestellten Instrumente auch für die Analyse eines bestehenden Angebotes genutzt werden können): Der Service Blue Print (angewendet in Kapitel 3.4) hilft, alle notwendigen Ebenen einer Dienstleistung zueinander in Bezug zu setzen und zeichnet den hinter einer Dienstleistung stehenden Schaltplan, bei Bedarf bis aufs kleinste Detail heruntergebrochen (Stickdorn & Schneider 2010, Remis et al. 2016). Das (ebenfalls zur Untersuchung der Fallstudien eingesetzte) Business Model Canvas unterstützt den Prozess, ein Konzept auch auf finanziell solide Füße zu stellen (Osterwalder & Pigneur 2011). Mängel weist das BMC dahingehend auf, dass es ein Angebot als ein in sich geschlossenes Gefüge darstellt und keinerlei Auswirkungen dessen auf die Umwelt darstellbar sind. Das Modell allein ist daher nicht geeignet, ein Konzept in Bezug zum Ganzen zu setzen, weswegen es hier nur als ein Instrument in Verbund mit anderen zur Anwendung kommt.
Instrumente zur Bearbeitung des Produktes Gebrauchsgegenstände können in vielerlei Hinsicht für die gemeinschaftliche Nutzung optimiert werden. Ein Veränderungsdruck hierzu geht von Bibliotheken der Dinge dann aus, wenn sie Kluft 2 schließen und sich gesellschaftlich institutionalisieren können. Dann nämlich werden sie eine auch von Herstellern nur noch schwer zu ignorierende Alternative, die deren bisheriges Geschäftsmodell, basierend auf Nutzen-durch-Besitzen, herausfordert. Zusätzlich können sie sich überdies zu einem Verband zusammenschließen, der die gemeinsamen Kräfte bündelt, so dass ausreichend Druck auf Hersteller ausgeübt werden kann. Die Veränderungen können in folgenden Bereichen ansetzen: a) Herstellung, b) Organisation, c) Ergonomie/Nutzbarkeit und d) Nutzerverhalten. Nicht alle Bereiche müssen bearbeitet werden, sie bedingen sich jedoch gegenseitig, und der wohl wichtigste Punkt: an jedem dieser Ansätze kann ein Hersteller beginnen, Produkte zu verbessern, je nach personellen, zeitlichen und finanziellen Kapazitäten. Es ist zu erwarten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Überarbeitung und der Verbesserung des Konzeptes gibt. Das bedeutet, je besser Produkte an die gemeinschaftliche Nutzung angepasst sind, sie ggf. sogar unterstützen, desto stärker tragen die angebotenen Produkte dazu bei, dass die Nutzerfreundlichkeit des gesamten Angebotes zunimmt.
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Zu a): Herstellung Wird die Herstellung der inventarisierten Produkte verbessert, geschieht das vornehmlich durch eine Reduktion des Ressourcen- und Energieverbrauchs während des Herstellungsprozesses; maßgeblich ist der gesamte Produktionszyklus der Produkte. Dabei spielen die Auswahl sowie die Menge der Materialien, deren Herkunft, Verpackung und auch die Herstellungsverfahren eine Rolle. Damit einhergeht die Frage, wie viel Energie bei der Herstellung bzw. auf den benötigten Transportwegen verbraucht wird. Für die Verbesserungen in diesem Bereich kann auf Kataloge aus dem EcoDesign / Green Design zurückgegriffen werden (Charter & Tischner 2001, Van Hemel & Brezet 1997, Van Nes 2003).
Ökodesign Richtlinien: Rohstoffgewinnung & Herstellung Rohstoffgewinnung Materialeinsatz minimieren Energieeinsatz minimieren Emissionen vermeiden (z.B. durch Vermeidung von großem Logistikaufwand) Abfälle minimieren (Kreisläufe) ökologische / nachwachsende Rohstoffe bevorzugen Reduktion von / Verzicht auf toxische Materialien
Herstellung Materialeinsatz minimieren Energieeinsatz minimieren Emissionen vermeiden Reduktion von / Verzicht von toxische Materialien Logistischen Aufwand minimieren Verpackungsaufwand minimieren ökologische / nachwachsende Rohstoffe bevorzugen sozial & gesundheitliche Herstellungsprozesse wählen Darstellung u.a. basierend auf Tischner et al. 2000, Charter & Tischner 2001, Van Nes 2003
Abb. 48: Ökodesign Richtlinien: Rohstoffgewinnung & Herstellung
Zu b): Organisation Die Gestaltung des Produktes hat Einf luss darauf, wie es sich im Rahmen einer Bibliothek der Dinge halten und verwalten lässt. Stellschrauben sind hier die Qualität des Produktes und die Möglichkeiten es zu warten bzw. zu reparieren. Zudem ist festzustellen, dass Produkte langfristig im Bestand gehalten werden können, wenn sie möglichst modular konstruiert sind. Auch diese Veränderungen sind durch Kataloge durch nachhaltige Gestaltung informiert.
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Richtlinien für bessere Organisation des Produktes Qualität Zurverlässigkeit & Haltbarkeit (sorgen für weniger Ausfälle im Leihbetrieb) Langlebige Bauteile Akkus mit maximal vielen Ladezyklen Reduktion von Logistikaufwand wegen weniger Rücksendungen
Wartung Bereitstellung von Ersatzteilen Anleitung zur Reparatur Geringe Kosten / geringer Zeitaufwand zur Instandhaltung Akkus mit schneller Aufladezeit
Modularität Möglichkeit intakte Teile weiterzuverwenden Anleitung zur Zerlegung Auf- und Abwärts- und produktübergreifende Kompatibilität amodische Produkte können durch Austausch technischer Komponenten auf technisch neuestem Stand bleiben Darstellung basierend auf u.a. Tischner et al. 2000
Abb. 49: Richtlinien zur Verbesserung der Organisation von Produkten
Zu c): Ergonomie / Nutzbarkeit Eine Bibliothek der Dinge wird am effektivsten dann sein, wenn die von ihr angebotenen Produkte hochwertig und nutzerfreundlich sind. Interessierte kommen v.a. dann wieder, um das Angebot zu nutzen bzw. werden erst dann darauf aufmerksam, wenn die Produkte ansprechend sind. Die Usability-Prinzipien, die im vorangegangenen Abschnitt schon vorgestellt wurden, können auch für die Gestaltung des Produktes herangezogen werden (siehe Abbildung 46). Die Nutzbarkeit von Produkten steigt laut Norman (1988) folglich dann an, wenn sie leicht verständlich und konsistent sind. Wenn sie selbsterklärend auch für den Laien und ihre Funktionen transparent sind. Wenn die Zusammenhänge zwischen Bedienung und Wirkung nachvollziehbar sind und wenn sie dem Anwender Feedback geben. Und nicht zuletzt sind sie dann nutzerfreundlich, wenn sie unsachgemäße Handhabung gar nicht erst zulassen. Werden Produkte gemäß dieser Prinzipien gestaltet bzw. überarbeitet, sind sie v.a. auch für unerfahrene Erstnutzer leicht bedienbar und versprechen eine positive Erfahrung für den Anwender.
Zu d): Nutzerverhalten Aber nicht nur funktionale, sondern auch formale Aspekte haben Auswirkungen auf die Nutzer-Produkt-Beziehung. Produkte, die ästhetisch altern, verlieren zeitnah an Attraktivität für Nutzer und können das Inventar abwerten. Zudem
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konnte belegt werden, dass hochwertigere Produkte zu sorgsamerem Umgang führen. Die formale Erscheinung kann folglich dabei helfen, Nutzer anzuziehen und sie zeitgleich zu achtsamerem Umgang anzuhalten.
Richtlinien für nachhaltiges Verhalten & für Produktverbundenheit Ästhetik Amodische Gestaltung: verhindert modische Alterung wodurch Nutzer sich langfristiger mit Inventar identifizieren Hochwertige Erscheinung: sorgt dafür, dass Nutzer sich besser mit dem Produkt identifizieren und es dann umsichtiger behandeln Stärkung des Produkt-Nutzer-Verhältnisses Gruppenzugehörigkeit: Durch Nutzung des Gegenstandes fühlen Mitglieder sich dem Konzept und Produkt verbunden Erinnerungen: Gegenstände können die Erinnerungen aller Mitglieder transportieren und dadurch einzigartig werden und das Gemeinschaftsgefühl fördern Selbstverwirklichung: Vielmehr durch die Nutzung des Gegenstandes als durch den Gegenstand selbst Darstellung u.a. basierend auf Mugge 2007, Mugge et al. 2005, Ball/Tasaki 1992; Belk, 1988, Schultz et al. 1989
Abb. 50: Richtlinien für nachhaltiges Verhalten und Produktverbundenheit Das Ziel ist es, mit Hilfe dieser Instrumente ein Produkt oder gar ein Produktsortiment für die gemeinschaftliche Nutzung im Rahmen von Bibliotheken der Dinge zu erstellen, das sich maximal einfach nutzen und verwalten lässt. Auf diese Weise wird die Erfahrung für die Betreiber und die Nutzer eine bessere und die Gründung neuer Standorte wird begünstigt, neue Mitglieder können mit einem zusätzlichen Argument überzeugt und gewonnen werden und für bestehende Mitglieder besteht ein weiterer Anreiz zu einer intensiveren Nutzung.
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Fazit An den Stellschrauben ansetzend und mit Hilfe der vorgestellten Design-Instrumente als Werkzeug, können nun Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden, um das Konzept der Bibliothek der Dinge nutzerfreundlicher und damit alltagspraktischer zu machen.
3.4 Ansatzpunkte Bibliotheken der Dinge haben es gegenwärtig noch schwer, sich zu gründen, zu verstetigen und zu verbreiten. Die Barrieren hierfür wurden in Kapitel 2 hergeleitet. Der hauptsächliche Grund, warum sich diese Barrieren nicht oder nur schwer aus dem Weg räumen lassen, besteht darin, dass sie zu sehr mit dem Alltagsgeschäft beschäftigt sind, als dass sie sich um ihre strategische Entwicklung kümmern könnten. Heutige Bibliotheken der Dinge sind noch zu selten in der Lage, neuartige Angebote zu entwickeln, die die Nutzerzahlen signifikant steigen ließen und zur erforderlichen Durchdringung führen könnten. Das Angebot, welches Bibliotheken der Dinge in einer Phase, in der Online Shopping zunehmend beliebter wird, liefern müssten, sind click-&-rent-Angebote zu einer erschwinglichen Flat Rate. Dieses bei Fertigstellung dieser Arbeit noch von keiner Bibliothek der Dinge verwirklichte Ziel sollte während der schrittweisen Gestaltung von Teillösungen nicht aus den Augen verloren werden. SharingAngebote müssen, um in die Mitte der Gesellschaft vordringen und um langfristig eine echte Alternative zum individuellen Besitzkonsum werden zu können, diese Maxime umsetzen: Teilen muss praktischer (weil günstiger), ökologisch korrekter und einfacher als oder zumindest genauso einfach und bequem wie das Einkaufen im Internet werden. Um vom Status Quo zur Idealversion einer Bibliothek der Dinge zu gelangen, werden nun mithilfe von Desinginstrumenten und basierend auf den empirischen Daten einzelne Ansätze zur Verbesserung für die Bereiche Service und System sowie für die inventarisierten Produkte formuliert: Hierzu wurde in Kapitel 3 das Phänomen Bibliothek der Dinge bereits analysiert und in einer nutzerorientierten Herangehensweise (Interviews, Fragebögen, Gespräche, Beobachtung, User Journey Map, Love & Hate-Letter) identifiziert, welche Bedürfnisse seitens der Nutzer bestehen bzw. bislang noch nicht befriedigt werden. Die generierten Erkenntnisse, gewonnen durch die bereits angewendeten Designinstrumente, dienen als Ausgangspunkt für die nun folgende Konzeptionierung einzelner Ansätze. Zur Überarbeitung ausgewählt wurden die relevantesten Problemfelder aus den Bereichen Produkt, Service und System, die den größten Einf luss auf die Verbesserung des Gesamtangebotes versprechen.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Lösungsansätze - sortiert nach Wirkungsorten
PRODUKT
SYSTEM
Beschaffenheit Art der Bereitstellung
Kooperationen _ Partner _ Öffentliche Bibliothek
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
SERVICE Logistik Bildung
Abb. 51: Übersicht über Lösungsansätze sortiert nach Wirkungsorten im PSS Die Reihenfolge der Lösungsansätze hat keine Bedeutung, gebündelt wurden die Ansätze zu Service und System und im Anschluss daran werden produktspezifische Modifikationen vorgestellt.
Service und System Wenn eine Bibliothek der Dinge effektiver werden soll, ist ein zusätzliches, breit gefächertes Angebotsportfolio verschiedener Services erforderlich, das um die Produkte im Sortiment kreist – ähnlich dem Netzwerk an Dienstleistungsangeboten, das Apple um seine Produkte gesponnen hat (siehe Kapitel 3.2). Solche Services gehen über die bloße Bereitstellung des Zugangs zu Gegenständen hinaus und beinhalten z.B. Workshops, ermöglichen die Miete der Räumlichkeiten für Veranstaltungen, gewähren Unterstützung bei Projekten, vereinfachen die Lieferung und Rücknahme entliehener Dinge. Daneben gilt es bereits bestehende Prozessabläufe und Dienstleistungen zu verbessern. Dazu ist eine Überarbeitung der Dienstleistung(en) notwendig und ggf. auch eine Veränderung des dahinter-
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
liegenden Systems (gemeint sind Akteure und Netzwerk), das zur Bereitstellung benötigt wird. Die von den Nutzern zusätzlich gewünschten Dienstleistungen und Bedarfe werden von ihnen mal konkret, oft aber abstrakt formuliert (z.B. Unterstützung bei Projekten, Lieferung der Gegenstände nach Hause, Erledigung von Auftragsarbeiten, größere Produktauswahl). Im Vagen bleibt bei den Äußerungen in der Regel, wie das Wunschangebot bereitgestellt werden sollte. Die Aufgabe des Design ist es nun, bestehende Prozesse zu verbessern und aus dem vorliegenden impliziten Wissen explizite Lösungsansätze zu formulieren. Die im folgenden vorgestellten Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich der Reichweite der vorgenommenen Veränderungen: teilweise werden nur einzelne Prozesse optimiert, teilweise aber muss die gesamte Bereitstellungsarchitektur (das System) verändert werden, um die gewünschte Dienstleistungsoptimierung zu erreichen.
Ansatz 1_ Logistik Analyse Konsumgesellschaften befinden sich am Beginn einer ähnlich innovativen Phase wie die Industriegesellschaften zwischen 1880 und 1940. In diesem eher kurzen Zeitabschnitt wurden Haushalte und Städte durch technischen Fortschritt (vor allem durch die Dampf kraft und Elektrifizierung) und Produktinnovationen erheblich verändert. Um nur einige Beispiele aufzuzählen: der Besen wurde elektrisiert und zum Staubsauger, Waschbretter wurden elektrisiert und zur Waschmaschine, Kerzen wurden elektrisiert und zu Glühbirnen, Kühlschränke ersetzen Keller, Briefe wurden erst zu Telegrammen, dann zu Telefonaten, Theaterstücke erst Kino-, dann Fernsehfilme, aus Brunnen wurden Wasserhähne, Kutschen wurde mittels Dampf kraft zu Eisen- und mittels Strom zu Straßenbahnen. Die momentane Innovationsphase basiert auf der Digitalisierung und diese scheint sich dabei sogar noch schneller und tiefgreifender zu vollziehen, als zuvor die Elektrifizierung (Stengel et al. 2017). So wandeln sich Wohnungen und Städte aufgrund einer Vielzahl von Innovationen in Smart Homes und Smart Cities. Zugleich nimmt die Zahl der Läden in Innenstädten ab, da die Digitalisierung den Einkauf über das Internet ermöglicht. Mit dem Auf kommen des Online-Shoppings und dem damit verbundenen Anspruch, sehr zeitnah alle online bestellten Produkte geliefert zu bekommen, steigen auch die Anforderungen an das Angebot einer Bibliothek der Dinge:
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
„And do you know what the problem is as well, Najine. It’s convenience. People don’t want to go out anymore for something. They need something right away. It has to be instantaneous.” (Toronto, Gerald) Soll das Angebot eine echte Alternative zum immer größer werdenden Sektor des Online-Konsums werden, muss die Mitgliedschaft in einer Bibliothek der Dinge noch komfortabler sein, als der Prozess des Online-Konsums. Der Vorgang, etwas in der Bibliothek der Dinge auszuleihen, muss nicht nur günstiger, sondern auch leichter und schneller zu bewältigen sein als der Online-Erwerb von Gegenständen: Dabei muss die Bibliothek der Dinge einen „Vastly easier to use service“ bieten, „including: ݥܛ24/7 pick up and drop of f using things like myTurn’s new Self Service Kiosk Mode ݥܛPick up and delivery services, ݥܛReserving items across multiple locations with additional pickup and drop of f locations“ (Gene Homicki) Damit sollte es – neben der klassischen Möglichkeit, die Dinge in der „Bibliothek“ ausleihen zu könne – drei zusätzliche Zugänge geben, durch die Nutzer an die Gegenstände ihrer Wahl gelangen können: Sie erhalten rund um die Uhr Zugang zu den Gegenständen am Hauptstandort, sie können die Dinge liefern und abholen lassen und/oder sie können die Gegenstände vorab reservieren und zu einer leicht erreichbaren Abholstation liefern lassen. Die Befragung von Nutzern an verschiedenen Standorten und der Vergleich der entstandenen User Journey Maps (siehe Abbildung 52 und vgl. auch Abbildung 25) ergab, dass v.a. der Transport der Gegenstände als unbequem empfunden wird. Dabei wurde aber wiederholt betont, dass v.a. die Rückgabe der entliehenen Dinge lästig sei, da Nutzer dafür die „Bibliothek“ ein zweites Mal aufsuchen müssen.
n=10 Juni 2017
n=12 Juni 2017
n=16 Juni 2017
nutzung transport auswahl formalitäten
0
-2
-1
+1
+2
0
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Toronto Tool Library _ Parkdale
Toronto Tool Library _ Danforth 0
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Ottawa Tool Library
Edinburgh Tool Library
information ankunft information
User Journeys verschiedener Standorte - ein Vergleich
transport
feedback
n=40 März 2017 & Juni 2018
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Abb. 52: User Journey Maps verschiedener Standorte – ein Vergleich Einerseits würde sich also die Nutzerfreundlichkeit durch einen Liefer- und Rücknahmeservice erhöhen, andererseits verlöre eine Bibliothek der Dinge etwas von ihrem Charakter, ein Ort des kommunalen Austauschs zu sein – ein Vorteil, den viele Nutzer schätzen (siehe Kapitel 3). Gleichwohl muss die Möglichkeit, ein
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
sozialer Ort zu sein, nicht zwingend verloren gehen, sollte sich ein schneller Lieferservice etablieren. Eine Bibliothek der Dinge kann durch das Angebot weiterer Services (siehe z.B. Beratung oder Workshops) so anziehend wirken, dass Nutzer die Räumlichkeiten dennoch gern und oft genug aufsuchen. Außerdem stehen für Nutzer nicht immer die soziale Interaktion und der Austausch im Vordergrund, sondern diese könnte sie gar von einer Teilnahme abhalten. So stellte auch Glöckler bei seiner gescheiterten App Why-own-it fest: „Für manchen [...] Nutzer war der Gedanke vielleicht abschreckend, dass der Typ, dessen Playstation er für ein Wochenende geborgt hatte, vielleicht ein Schwätzchen halten will, wenn er ihn das nächste Mal auf der Straße trifft. Aber es gibt auch andere, denen macht diese soziale Komponente Spaß. Die freuen sich über den zwischenmenschlichen Kontakt“ (Glöckler 2018). Diese Aussage betätigt die im Rahmen der Arbeit gewonnen Erkenntnisse: die soziale Komponente ist nicht für alle Zielgruppen ein Kriterium für die Mitgliedschaft. Das wichtigste Motiv ist immer noch ein ökonomisches und besteht in den geringeren Kosten; zu vernachlässigen sind die vielfältigen sozialen Effekte einer „Bibliothek“ allerdings nicht, da sie die Lebensqualität in einem Quartier steigern. Dazu allerdings muss die „Bibliothek“ auch ein begehbarer Ort sein. Gleichwohl sind viele Nutzer auf die Einsparung von Kosten bedacht, und diese lassen sich auch in Form von Zeit einsparen. Ein geeigneter Liefer- und Abholservice trägt hierzu bei. Reduzieren Nutzer die Bibliothek der Dinge auf ihre Funktion als bloßer Lieferant von günstigen Gegenständen, muss diese also eine praktikable Alternative zum Online-Konsum werden: Sie muss mindestens den gleichen Service und Komfort liefern wie ein Online-Händler. Beim Online-Konsum sind Kunden bereit, ca. drei Euro am Tag dafür zu investieren, dass Dinge schnell geliefert werden. Jede Stunde, die für Abholwege eingesparte wird, ist Kunden sogar neun Euro wert (Gawor & Hoberg 2018). Bei der Auswahl eines Angebotes ist der kombinierte Preis aus Produkt und Lieferung entscheidend (ibd.). Die Lieferung nach Hause ist die beliebteste Option von Online-Kunden, was diesen Liefermodus zu einer wertgeschätzten Dienstleistung macht. Allerdings sollte er so günstig wie möglich sein, denn es ist schließlich ein zentrales Anliegen einer Bibliothek der Dinge, Menschen Zugang zu Dingen zu gewähren, die sie sich finanziell nicht leisten können – und das impliziert auch den Lieferservice. Gegenwärtig werden Prototypen automatisierter Lieferservices entwickelt und teilweise bereits getestet. Diese Prototypen sind darauf ausgerichtet, Pakete über den Luftweg zu liefern (autonome Drohnen) oder auf der Straße (autonom fahrende Elektroautos fungieren als mobile Packstationen) zu liefern. Solche autonomen Lieferservices sind interessant für Einzelhändler, Restaurants (inkl. Pizzerien) oder Cafés – für Unternehmen also, die Bestellungen nach
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Hause liefern. Folglich ist die Nachfrage und der Markt entsprechend groß, weshalb an der Realisierung eines solchen Lieferservices intensiv gearbeitet wird (u.a. bei Ford und Renault). In den 2020ern sollen sie sich etablieren. Ein geeigneter Lieferservice kann das Konzept einer Bibliothek der Dinge maßgeblich beeinf lussen. Um die Wegzeit zu verkürzen ist es bislang sinnvoll, Bibliotheken der Dinge auf Quartiersebene einzurichten. Um eine ganze Stadt versorgen zu können, wären dann in Abhängigkeit von der Stadtgröße mitunter viele von ihnen erforderlich. Ein schneller, günstiger und zuverlässiger Lieferservice böte jedoch die Option der Zentralisierung: Von einer zentralen „Bibliothek“ aus würden die Dinge dann zu den Nachfragern starten und wieder zurückgelangen, denn der Lieferservice impliziert nicht nur die Lieferung von Gegenständen, sondern zugleich deren Abholung sowie den Rücktransport zur „Bibliothek“. In Megacities wären allerdings dennoch mehrere Zweigstellen notwendig, um die Wegzeiten kurz zu halten und schließlich spricht auch das erhöhte Transportaufkommen gegen eine zentrale „Bibliothek“.
Fazit Will eine Bibliothek der Dinge effektiver werden gilt, dass sie ihr Serviceangebot um eine Lieferoption erweitern muss, um Nutzergruppen zu halten oder neue Nutzergruppen anzusprechen. Bislang hat keine der etablierten „Bibliotheken“ einen Lieferservice eingerichtet. Dass sich aber autonome Lieferservices in den 2020ern durchsetzen werden, kann als gesichert angenommen werden und spätestens dann sollten Bibliotheken der Dinge in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen, kollektive Konsumpraktiken und die Konsumgesellschaft transformieren, die Share Economy pushen und die momentan dominante Wirtschaftsweise nicht mehr alternativlos erscheinen lassen. Man muss jedoch nicht auf die Einführung autonomer Lieferfahrzeuge warten: Bereits heute besteht die immerhin deutlich kostengünstigere Möglichkeit, Lastenräder mit Elektromotor für die Auslieferung bestellter Dinge zu nutzen. Solche Lastenräder werden gegenwärtig zur Paketauslieferung von der DHL eingesetzt. In Deutschland wird die Anschaffung gewerblicher Elektro-Lastenräder von der Bundesregierung mit bis zu 2.500 Euro pro Rad subventioniert (Bafa 2018).
Umsetzung Alle drei oben benannten Ideen basieren auf einer Zwei-Wege-Kommunikation. Hierfür reicht es nicht mehr, dass die Bibliothek der Dinge ihr Sortiment sichtbar macht und darauf wartet, dass der Nutzer vorbeikommt; die Möglichkeit der Online-Bestellung und –Reservierung von Gegenständen wird zur Notwendig-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
keit. Klar im Vorteil für die Einrichtung eines solchen Angebotes sind die Bibliotheken der Dinge, die mithilfe professioneller Katalogisierungssoftware bereits ein online einsehbares Sortiment verwalten, das live den Status der Verfügbarkeit wiedergibt und zudem Reservierungen zulässt. Professionelle Software ist deshalb von Vorteil, da hierbei zudem eine App zur Verfügung gestellt wird, die mobil nutzbar ist. Im Folgenden werden drei Szenarien skizziert, die miteinander kombiniert werden können, aber auch losgelöst voneinander umsetzbar sind.
Ansatz 1.1_ Zugang rund um die Uhr Einzelne Gegenstände aus dem Sortiment oder gar das ganze Sortiment werden für Nutzer rund um die Uhr zugänglich gemacht. Wenn die Zugänglichkeit von Anfang an als vorrangiger Punkt vor der Vergemeinschaftung steht, dann kann sowohl die Lage als auch die Beschaffenheit des Standortes entsprechend gewählt und ausgerüstet werden. Das Konzept „The Thingery“24, basiert darauf, 24/7 Zugang zu Dingen zu gewährleisten: In einzelnen Quartieren Vancouvers wird eine kritische Masse an Teilhabern für die jeweilige Gründung einer Cooperative (ähnlich der deutschen Genossenschaft) gesucht. Diese eigenständigen Gruppen werden von The Thingery gegen Bezahlung darin unterstützt, einen funktionalen Schiffscontainer an einem öffentlichen und zugänglichen Standort innerhalb des Quartiers zu platzieren, ihn mit Inventar zu bestücken und den Verleihbetrieb zu starten. Die Container sind so ausgestattet, dass Mitglieder mittels Nutzerausweisen Zugang zu diesen Containern erhalten. Sie können jederzeit Dinge entnehmen, so sie verfügbar sind, müssen sie allerdings selbst auschecken und wieder einchecken. Durch die Registrierung lässt sich klar nachverfolgen, wer welchen Gegenstand wann entnommen hat. Das Konzept ist neu und die ersten Standorte wurden im Herbst 2018 in Vancouver eröffnet, weshalb es zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit noch keine Erfahrungswerte mit Beschädigung oder Verlust gab. Betrachtet man aber die in dieser Arbeit untersuchten bestehenden Bibliotheken der Dinge, dann ist anzunehmen, dass es technisch zu aufwendig und finanziell ggf. nicht realisierbar ist, allen Nutzern Zugang zu bereits etablierten Räumlichkeiten zu gewähren (zusätzlich zu den bestehenden Öffnungszeiten). Etwas heruntergebrochen könnten aber vorab reservierte Gegenstände an gesicherten Stellen deponiert werden, und somit die Zugänglichkeit zumindest graduell verbessert werden. 24 Für nähere Informationen siehe thingery.com
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Gewährleistung des 24/7 Zugang zum Inventar: Drei Möglichkeiten zur Realisierung
ITGLIE
D
M
ITGLIE
D
BOX 1
M
Ein Mitglied erhält Zugang zu einem vorab reservierten Gegenstand.
A
M
H A U P T S TA N D O R T
ITGLIE
D
ITGLIE
D
M
Alle Mitglieder erhalten Zugang zu limitiertem Sortiment.
NBIETE
R
D
M
BIBLIOTHEK DER DINGE ITGLIE
ITGLIE
D
M
ITGLIE
D
M
BOX 2 Alle Mitglieder erhalten Zugang zu gesamten Inventar.
Abb. 53: Gewährleistung des ständigen Zugangs zum Inventar: drei Möglichkeiten Wie genau dieses Angebot ablaufen kann, offenbart das Service Design-Instrument „Service Blue Print“. Es zeigt, welch komplexes System hinter dieser Dienstleistung steht und macht es zugleich praktikabel und planbar (Abbildung 54). Der Blue Print liest sich wie eine Zeitachse von links nach rechts. Er beschreibt den Ablauf einer Dienstleistung und verknüpft die für die Bereitstellung notwendigen Aktionen – die sichtbaren wie die unsichtbaren. Die verschiedenen Ebenen (Physical Evidence, User Action, FrontStage, BackStage und Infrastructure) strukturieren die Aktionen: Die oberste Zeile der Physical Evidence ist uns bereits durch die JourneyMap bekannt. Mit ihr wurde in Kapitel 3 beschrieben, welche Berührungspunkte der Nutzer mit dem Dienstleistungsangebot hat. Dabei wurde sichtbar, welche Berührungspunkte gestaltet werden müssen oder können (z.B. Webseite, App, Ladengeschäft, Vertragspapiere, Produkte, etc.). In der Zeile User Action wird festgehalten, was der Nutzer gerade tun muss oder welche Aktion von ihm gefordert wird, während er die einzelnen Phasen der Dienstleistung durchläuft. Diese Ebene interagiert mit der FrontStage. Sie beschreibt, was der Anbieter während den einzelnen Phasen tut – hier finden sich die Aktionen, die für den Nutzer sichtbar sind. Darin unterscheidet sich die FrontStage von der BackStage. In der Zeile BackStage werden all die Tätigkeiten erfasst, die für den Nutzer unsichtbar sind. Sie stehen im Hintergrund und ermöglichen das, was der Nutzer erlebt und tun kann. Zuletzt beschreibt Infrastructure jene Komponenten, die für alle Prozesse notwendigerweise bereitstehen müssen. Im Rahmen dieser Arbeit wird in Abbildung 55 eine Lösung nachgezeichnet, die anderen Ansätze unterscheiden sich im Auf bau nur geringfügig. Soll ein Mitglied nach Bestellung Zugang zu den
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
reservierten Gegenständen erhalten, so müssen diese bis zur Abholung an einem dafür vorgesehenen, für den Nutzer exklusiv zugänglichen Ort deponiert werden. Das können Schließfächer, Vorräume, Tankstellen oder dergleichen sein. Nach der Rückgabe müssen die Gegenstände wieder eingecheckt werden, so dass die Bibliothek der Dinge diese wieder reinventarisieren kann oder ggf. bei Überfälligkeit eine Erinnerung an den Nutzer schickt.
USER JOURNEY
PHYSIC AL EVIDENCE
USER AC TION
Internal Interaction
FINALE AUSWAHL
Webseite
Auswahl
BOX
TRANSPORT
Ablagestelle
Sendeverfolgung
BEREITSTELLUNG
KOORDINATION der Bereitstellung
AUSCHECKEN
RESERVIERUNG
Webseite
Reservieren
Abb. 54: Blue Print zur Bereitstellung eines 24/7 Zugangs zu Produkten nach vorab Bestellung
BERATUNG _zu Auswahl _zu Verwendung
AUSWAHL AUS INVENTAR Auswahl je Vorhaben
Online
e-mail persönlich
Webseite
MITGLIEDSCHAFT Person wird Mitglied bei Bibliothek der Dinge
Beratung
Mitglied werden
Information
THING LIBRARY
ERSTELLEN DES BACK-END _ Erstellung des Inventars _ Webseite / Struktur online _ Standort offline
Line of Visibility
BOX
FRONT S TA G E
Line of Interaction
ANBIETER
PARTNER
BACK S TA G E
INFRA STRUCTURE
NUTZER
SERVICE-BLUEPRINT: Bereitstellung von 24/7 Zugang zu vorab bestellten Gegenständen
Ablagestelle
TRANSPORT
NUTZUNG
Feedback
WARTUNG Wartung Instandhaltung Instandsetzung
EIN-CHECKEN
FEEDBACK _ Nutzung _ Pros / Cons
Webseite / Blog persönlich
ANNAHME
Sendeverfolgung
Produkt
Nutzung
BOX
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge 205
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Ansatz 1.2_ Lieferung nach Hause Den maximal größten Komfort für den Nutzer bietet ein Rundum-Liefer-und-Abholservice. Dieser kann mit unterschiedlichen Mitteln bewerkstelligt werden, wobei herkömmliche Extrafahrten auf Mineralölbasis aus ökologischer Sicht nicht in Frage kommen. Aufgrund fortschreitender technischer Entwicklungen bieten sich aber Alternativen: Elektromobilität, Lastenfahrräder oder aber Kooperationen mit bereits agierenden Logistikanbietern, um Leerfahrten zu minimieren. Zudem werden (auf E-Antrieben basierende) autonome Lieferservices zunehmend interessant, bewerkstelligt mit herkömmlichen Fahrzeugen oder gar Drohnen. Kurzfristig ist es reizvoll, bereits vorhandene Transporter so umzurüsten, dass sie autonom fahren können, ohne dass neue Fahrzeuge angeschafft werden müssen. Dies würde die Kosten erheblich verringern. Der Nutzer würde in diesem Szenario eine Bestellung aufgeben oder Gegenstände für einen fixen Zeitpunkt reservieren. Er würde über den Status der Lieferung informiert, und kann festlegen, wann, wo und wie er sie entgegennehmen und abholen lassen möchte. Somit ließe sich das Problem des erfolglosen Zustellversuchs aus der Welt schaffen. Noch besser wäre es, wenn der Nutzer schon bei der Bestellung angeben könnte, in welchem Zeitfenster oder zu welchem Nachbarn das Paket geliefert werden soll. Akteurssystem: Kooperation mit Externen Partnern für die Lieferung / Abholung
DRITTANBIETER
DRITTANBIETER STELLEN BEREIT: Transport der Produkte: Lieferung & Abholung
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
NUTZER ERHALTEN: Produkte zur Nutzung nach Hause geliefert
NUTZER LEISTEN: Nutzungsgebühr & Pauschale für Lieferung
BIBLIOTHEK DER DINGE ALS TEIL EINES UMFÄNGLICHEREN PSS
Abb. 55: Beteiligte Akteure bei Lieferung und Abholung der Gegenstände zu Nutzern
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Für den Nutzer verläuft ein typischer Ausleihprozess wie folgt (siehe Abbildung 55): er wird online Mitglied der Bibliothek der Dinge (oder ist es bereits), sucht sich aus dem Inventar die benötigten Gegenstände und ordert diese zu einem bestimmten Liefertermin nach Hause. Im Hintergrund wird bei der Bibliothek der Dinge einerseits intern das gewünschte Equipment reserviert und bereitgestellt. Zeitgleich wird mit dem externen Logistikanbieter der Transport vereinbart (dargestellt in der Ebene Infrastructure). Dieser übernimmt die Belieferung und nach der Nutzung auch den durch den Anwender georderten Rücktransport. Die Leihgaben werden zur Bibliothek der Dinge zurücktransportiert oder ggf. bis zu den nächsten Öffnungszeiten vom Transporteur verwahrt.
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USER JOURNEY
PHYSIC AL EVIDENCE
USER AC TION
FRONT S TA G E
Webseite
MITGLIEDSCHAFT Person wird Mitglied bei Bibliothek der Dinge
BERATUNG _zu Auswahl _zu Verwendung
AUSWAHL AUS INVENTAR Auswahl je Vorhaben
Online
Beratung
FINALE AUSWAHL
Webseite
Auswahl
ABHOLUNG
KOORDINATION der Lieferung
AUSCHECKEN
RESERVIERUNG
Webseite
Reservieren
ZUSTELLUNG
Webseite
Sendeverfolgung
ABHOLUNG
KOORDINATION der Abholung
ANNAHME DER BESTELLUNG FÜR ABHOLUNG
BESTELLUNG DER ABHOLUNG
NUTZUNG
Produkt
Nutzung
ABHOLUNG RÜCKFÜHRUNG
Webseite
Sendeverfolgung
WARTUNG Wartung Instandhaltung Instandsetzung
EIN-CHECKEN
FEEDBACK _ Nutzung _ Pros / Cons
Webseite / Blog Gespräch
Feedback
Darstellung der Dienstleistungsarchitektur, um Produkte von Kooperationspartnern zu Nutzern nach Hause liefern zu lassen. Abb. 56: Blue Print zur Lieferung und Abholung der Gegenstände zu Nutzern
KOOPERATIONSVERTRÄGE Lieferbedingungen
Internal Interaction
e-mail persönlich
Mitglied werden
ERSTELLEN DES BACK-END _ Erstellung des Inventars _ Webseite / Struktur online _ Standort offline
Line of Visibility
THING LIBRARY
Information
Line of Interaction
NUTZER
SERVICE-BLUEPRINT: Bereitstellung von alternativen Logistikangeboten: online Bestellung mit Lieferung
Lieferung und Abholung
BACK S TA G E
INFRA STRUCTURE
ANBIETER
PARTNER
208 Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Ansatz 1.3_ Lieferung an nahen Standort Alternativ zu einem Liefer- und Rücknahmeservice ließe sich die Nutzerfreundlichkeit auch dadurch erhöhen, dass die Dinge zumindest näher an die Wohnorte potenzieller Nutzer heranrücken. Nicht jedes Quartier hat die Kapazitäten selbst eine Bibliothek der Dinge zu gründen, wohl aber bereits bestehende Initiativen und Gruppen (oder Läden, öffentliche Einrichtungen, etc.), die der Idee inhaltlich sowieso schon nahe stehen könnten. In Kooperation mit diesen Initiativen ließe sich ein Teilinventar der Bibliothek der Dinge zur Bestellung an deren Standorten bereitstellen. Die Initiativen vor Ort profitieren von funktionierenden Strukturen, der Erfahrung und dem bereits bestehenden Angebot der Bibliothek der Dinge. Die Bibliothek der Dinge erhält neuen Zulauf, gewinnt Mitstreiter und Nutzer. Dadurch werden lokale Initiativen gestärkt und ein Netzwerk von Bibliotheken der Dinge innerhalb eines erreichbaren Gebietes kann entstehen. Die Nutzerfreundlichkeit für die Bewohner unterschiedlicher Quartiere wird u.a. dadurch erhöht, dass die Wege für die Nutzer kurz gehalten werden, sie etablierte Strukturen nutzen können und durch das bereits bestehende Vertrauensverhältnis in die Gemeinschaft der bekannten und bewährten Initiativen sie ihre Komfortzone nicht verlassen müssen. Durch das notwendigerweise wachsende Gesamtinventar kann zudem eine stärkere Diversifizierung des Angebotes forciert werden. Durch diese steigende Vielfalt an Gegenständen könnten künftig vielfältige Bedürfnisse mithilfe von Fernleihen befriedigt werden. Hierfür könnte ein eigener e-Van zum Einsatz kommen, der Vorab-Bestellungen ausliefert. Dieses Modell der Bereitstellung des Inventars für ein weiteres Publikum wird zum Stand der Forschung als Pilotprojekt mit dem Namen „easy sharing“ in Edinburgh erprobt. Das Inventar der ETL wird per e-Van an zusätzlichen Standorten in Kooperation mit externen Initiativen (die bereits mit anderen Projekten in der Zielregion aktiv sind) zusätzlichen Stadtteilen zugänglich gemacht. Dieses Pilotprojekt erfolgt als Kooperationsprojekt der ETL mit der Katalogisierungssoftware myTurn sowie der digitalen Partizipationsplattform „Unser Quartier“ von iPuk und ist gefördert von NESTA. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
M
M M
ITGLIE
ITGLIE
ITGLIE
D
ITGLIE
M
M
PARTNER
D
M
D
PARTNER
D
ITGLIE
ITGLIE
D
DRITTANBIETER ODER EIGENE LEISTUNG: Transport der Produkte: Lieferung & Abholung an Satellitenstandorte
ITGLIE
D
M
Akteurssystem: Kooperation mit Externen Partnern für die Lieferung / Abholung
BIBLIOTHEK DER DINGE
D
ITGLIE
D
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BIETER AN
PARTNER
M
PARTNER
M
ITGLIE
D
D
ITGLIE
ITGLIE
D
ITGLIE
D
M
H A U P T S TA N D O R T
M
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Abb. 57: Funktionsweise der Bereitstellung des Inventars mit Partnern in Quartieren Die dahinterliegende Infrastruktur gleicht in weiten Teilen der Lieferung zu privaten Standorten der Nutzer, lediglich das Ziel ist ein anderes. Das Besondere an dem Pilotprojekt in Edinburgh ist, dass durch die festen Öffnungszeiten der Sub-Standorte ein verlässliches und immer gleichbleibendes Mobilitätssystem benötigt wird. In diesem Fall kann mit etablierten Fahrdiensten kooperiert werden, um zum Beispiel deren Leerfahrten zu vermeiden und im wahrsten Sinne des Wortes zu füllen. Eine Abstimmung ist somit nicht von Tag zu Tag notwendig, sondern die Routen bleiben über einen längeren Zeitraum kontinuierlich die gleichen, nur die Ladung variiert sowohl in Art als auch Umfang. In der Umsetzung sähe das so aus, dass der Nutzer online oder am Standort in seinem Quartier Mitglied der Bibliothek der Dinge wird. Online können die gewünschten Produkte vorab reserviert werden. Die Gegenstände werden den Nutzern zu den gewohnten Öffnungszeiten der Partner zur Abholung bereitgestellt und dorthin bringt der Nutzer die Gegenstände nach Gebrauch wieder zurück. Zur ggf. nötigen Wartung wird das Inventar zum Hauptstandort gebracht, ansonsten verbleibt es beim Kooperationspartner im Quartier – je nach Lagerkapazität und Bedarf. Je mehr Gegenstände vor Ort bleiben, desto mehr Verantwortung verlagert sich an den Partner vor Ort. Hier ist eine genaue Abstimmung zwischen allen involvierten Akteuren nötig. Möglich wäre eine Lagerung einer Basisausstattung vor Ort, um spontaner agieren zu können bzw. um Wege zu vermeiden. Diese Entscheidung muss aber sehr individuell nach den Gegebenheiten vor Ort getroffen werden.
USER JOURNEY
PHYSIC AL EVIDENCE
USER AC TION
FRONT S TA G E
Line of Interaction
Information
THING LIBRARY
e-mail persönlich
Mitglied werden
AUSWAHL Auswahl je Vorhaben
Online
Auswahl
ABHOLUNG & ZUSTELLUNG
KOORDINATION Lieferung des Inventars zur Zweigstelle
AUSCHECKEN
RESERVIERUNG
Webseite
Reservieren
Abb. 58: Blue Print zum Ausleihvorgang mit Partnern im Quartier
KOOPERATIONSVERTRÄGE Lieferbedingungen
ERSTELLEN DES BACK-END _ Erstellung des Inventars _ Webseite / Struktur online _ Standort offline
BERATUNG _zu Auswahl _zu Verwendung
MITGLIEDSCHAFT Person wird Mitglied bei Bibliothek der Dinge
Webseite
Internal Interaction
Line of Visibility
ANBIETER
PARTNER
BACK S TA G E
INFRA STRUCTURE
NUTZER
ABHOLUNG
Partner vor Ort
Abholen bei Partner
PARTNER IM QUARTIER
TRANSPORT
Online
Transport
NUTZUNG
Produkt
Nutzung
KOORDINATION Rücktransport zum Hauptstandort
EINCHECKEN
TRANSPORT
Online
Transport zu Partner
BEREITSTELLUNG Reinventarisierung Überprüfung Bereitstellung für nächste Nutzung
FEEDBACK _ Nutzung _ Pros / Cons
FEEDBACK _ Nutzung _ Pros / Cons
Webseite / Blog Gespräch
Feedback
ABHOLUNG & RÜCKTRANSPORT
Partner vor Ort
Rückgabe an Partner
PARTNER IM QUARTIER
SERVICE-BLUEPRINT: Bereitstellung von alternativen Logistikangeboten: online Reservierung mit Lieferung an Standort im eigenen Quartier
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge 211
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Ansatz 2_ Angebotserweiterung Analyse Viele Menschen möchten nicht nur einen einfachen Zugang zu einer Vielzahl von Gegenständen erhalten, sondern auch etwas über den Umgang mit den Objekten lernen. Denn für sie bietet die Bibliothek der Dinge die erstmalige Gelegenheit, einen bestimmten Gegenstand zu nutzen. Das bedeutet, dass davon auszugehen ist, dass Nutzer vorwiegend unerfahren in der Anwendung komplizierterer entliehener Gegenstände sind.25 So ist eine Einweisung vor allem bei technisch komplexeren Gegenständen für den Entleiher nicht nur hilfreich, sondern oft notwendig, um die Unfallgefahr zu minimieren, beziehungsweise Beschädigungen durch Fehlnutzung zu vermeiden – sei es ein 3D-Drucker, VR-Headset, eine Nähmaschine, ein Teleskop, eine Spielkonsole oder andere Geräte, die empfindlich sind und nur in bestimmten Einstellungen richtig funktionieren können. In diesen Fällen kann Unsicherheit bzw. Unwissenheit des Nutzers negative Folgen für den Gegenstand und letztlich sogar für den Nutzer selbst haben. Die meisten, vor allem Werkzeugbibliotheken, bieten, sofern sie über eine angegliederte Werkstatt verfügen, bereits Workshops an und berichten a) über die große Nachfrage seitens der Nutzer und b) die zusätzliche Einkommensquelle für die Bibliothek der Dinge jenseits der regulären Mitgliedsgebühren (vgl. Interviewtranskripte im Anhang 04). Ganz im Sinne der Nutzerfreundlichkeit wird den Nutzern die Funktionalität der Produkte in Workshops so vermittelt, dass Fehlnutzungen vermieden werden können. Chris Hellawell berichtet, dass 95 Prozent der Teilnehmerplätze einer Workshop-Woche (11 Workshops mit 66 Plätzen) am neuen Standort Portobello in Edinburgh nach nur 2 Tagen vergeben waren. Ausverkauft waren die Tickets nach 6 Tagen. Auch das erste Workshopangebot im Jahr 2019 (42 Plätze) war 24 Stunden nach Versenden des Newsletter bereits zu über 90 Prozent ausverkauft. Die Nachfrage zumindest in Edinburgh ist folglich groß. Die Workshops bieten den Nutzern neben dem Erlernen neuer Fähigkeiten die Gelegenheit zu erkennen, welche Möglichkeiten ihnen durch die Mitgliedschaft in einer Bibliothek der Dinge eröffnet werden, sowohl bezogen auf das Inventar als auch auf die Vernetzung. Außerdem erhält der jeweilige Workshop-Leiter die Gelegenheit, sein Wissen weiterzugeben; ist er ein ehrenamtlich Tätiger, befriedigt dies die intrinsische Motivation. Für einen Experten kann es eine zusätzliche Ein25 Dieser Ansatz ist v.a. dann von Bedeutung, solange die Gegenstände noch nicht für den gemeinschaftlichen Gebrauch gestaltet sind. Werden Produkte speziell für dieses Nutzungszenario (unerfahrene Nutzer, die schnell und einfach mit der Nutzung beginnen möchten) gestaltet, so bleibt zu hoffen, dass der unmittelbare Erklärungsbedarf geringer wird (vgl. Kapitel 3 Ansatz 4)
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
kommensquelle sein, falls dieser dafür entlohnt wird. Zudem bieten solche Events immer auch die Gelegenheit zur Vernetzung und Vergemeinschaftung und fördern damit den Zusammenhalt im Quartier.
Fazit Vielfältige Workshops, die a) über die Anwendung komplexer Gebrauchsgegenstände auf klären, können und sollten als zusätzlicher Service angeboten werden, nicht zuletzt, weil sie eine zusätzliche Einkommensquelle sind. Je nach Art der inventarisierten Produkte der Bibliotheken der Dinge muss das Angebot der Workshops angepasst werden. Und b) können die Workshops als Unterstützung sozialer Prozesse verstanden werden.
Umsetzung Bibliotheken der Dinge müssen über die benötigte Infrastruktur verfügen, um Workshops anbieten zu können. Entweder stehen ihnen selbst die Räumlichkeiten zur Verfügung, um einen Workshop anzubieten, oder aber sie kooperieren mit anderen Einrichtungen, um Zugang zu adäquaten Räumlichkeiten zu erhalten. Neu gegründete Initiativen sollten solche Räumlichkeiten von Beginn an einplanen. In Kooperation mit anderen Initiativen können Netzwerke erweitert, Synergien erzeugt und so neues Wissen generiert werden. Vorstellbar sind Basisworkshops: 101-classes, wie man im nordamerikanischen Raum Grundkurse nennt, sind die üblichste Form von Workshops, die bereits an vielen Orten angeboten werden, sofern die benötigten Räumlichkeiten vorhanden sind. Aber auch ganz andere Formate sind vorstellbar, die im Folgenden jeweils kurz beschrieben werden: ݥܛBildungsangebote für spezielle Zielgruppen: Einsteigerkurse für Frauen für die Benutzung schwerer Werkzeuge, Programmieren für Jugendliche, Technikoder Bastelkurse für Kinder, Ferienprogramme, Bereitstellung von Gegenständen und Räumlichkeiten für Gef lüchtete – die Palette ist beliebig erweiterbar. ݥܛUrban-Gardening oder andere Interaktion mit anderen Initiativen: Das Netzwerk, das Inventar und/oder die Räumlichkeiten der Bibliothek der Dinge dienen als Startpunkt für eine Intervention in der Nachbarschaft. Es können Brachf lächen verändert werden. ݥܛBike-Repair: Mittels eines speziellen Sortiments können gezielt Fahrradfahrer angesprochen werden, die ihr Fahrrad wieder auf Vordermann bringen möchten bzw. müssen. ݥܛHackathon: Eine Veranstaltung im IT-Bereich mit kompetitivem Charakter,
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
um Interessierte in die Bibliothek der Dinge zu locken und den Standort über seine Grenzen hinweg bekannt zu machen. Beim Hackathon treten meist Teams gegeneinander an und am Ende werden die besten Ideen von einer Jury prämiert. Der Fokus liegt auf Programmierung und Softwareentwicklung – was vor dem Hintergrund der Digitalisierung und sich verändernder Produktionsprozesse v.a. junge Menschen anspricht. ݥܛMakeathon: Im Gegensatz zum Hackathon mit einer begrenzten Themenreichweite aus dem IT-Bereich handelt es sich hier um ein thematisch sehr offenes Format, das sich zudem durch seinen Fokus auf den Entstehungsprozess abgrenzt. Hier geht es um die Freude am Selber-Machen, die Vernetzung mit Gleichgesinnten und darum während des Tages etwas zu lernen. Dennoch kann es das Ziel sein, zu einer festgeschriebenen Problemstellung innerhalb der Veranstaltungsdauer gemeinschaftlich eine Lösung zu erarbeiten. ݥܛRepair Cafes: Die Akteure reparieren gemeinsam die Gegenstände, die von Interessierten gebracht werden. Wissen wird zwischen Laien und Experten ausgetauscht. Dieses Format hat sich unabhängig von Bibliotheken der Dinge schon an vielen Orten als wiederkehrendes Event etabliert. Die Anhängerschaft wächst und die Bibliothek der Dinge als Veranstaltungsort zu wählen ist naheliegend, da sich die beiden Konzepte ergänzen. ݥܛVorträge: Diese können über die Share Economy, den ökologischen Zustand des Planeten Erde oder über andere nachhaltigkeitsrelevante Themen informieren.
Bereitstellung von Zugang & Bildungsangeboten und die Auswirkungen AKTEURSSYSTEM PE EL RS NZ
EI
BIETER AN ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
H A U P T S TA N D O R T
ON
BIBLIOTHEK DER DINGE
NUTZER LEISTEN: Nutzungsgebühr
Befähigung zu mehr Resilienz (z.B. Reparatur von Eigentum) Zugangsgleichheit
TIATIVE INI
NUTZER ERHALTEN: Zugang
Physische Veränderungen im Quartier (z.B. Urban Gardening) Stärkung der Gemeinschaft
ER EXP TE EVENT / WORKSHOP
NUTZER ERHALTEN: Wissen Gemeinschaft
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H A U P T S TA N D O R T
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NUTZER LEISTEN: Teilnahmegebühr
SPEZ I
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Befähigung zu mehr Resilienz (z.B. Nähcafe, Holzbearbeitung 101, Fahrradreparatur, Repair-Café) Zugangsgleichheit zu Bildung und Ressourcen Stärkung einzelner Personengruppen (z.B. Kinder, Seniorinnen, Programmierer, DIY-Affine Zielgruppen) Stärkung sozialer Netzwerke
Abb. 59: Bereitstellung von Zugang & Bildungsangeboten und die Auswirkungen
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Ansatz 3_ Kooperationen Analyse Bibliotheken der Dinge verwahren einen „Schatz“ in Form vieler unterschiedlicher Gegenstände, die sie an einem Ort zusammenbringen. Durch die große Spendenbereitschaft, von der die unterschiedlichen bislang etablierten Standorte berichten, ist es kein Problem, an Inventar für die „Bibliothek“ zu gelangen. Sie zur Nutzung zugänglich zu machen, ist eine Art der Verwertung, die bereits angeboten wird. Es bestehen aber noch weitere Möglichkeiten, von diesem „Schatz“ zu profitieren, indem das Sortiment einerseits neuen Zielgruppen zugänglich gemacht wird oder andererseits das Dienstleistungs- oder Produkt-Angebot erweitert wird. Dies lässt sich unter anderem durch Kooperation mit neuen Partnern erreichen. Das Angebot kann so einfacher ausgeweitet werden, da keine neue Expertise erworben werden muss und zeitgleich werden durch das neue Portfolio neue Nutzergruppen adressiert.
a) Erweiterung des Dienstleistungsangebots durch Kooperation: Es ist anzunehmen, dass viele Nutzer mit der Ausleihe eines Gegenstandes erstmalig mit diesem konfrontiert sind, oder sie etwas erledigen müssen/wollen, wofür ihnen eigentlich das Wissen fehlt (siehe Ansatz 2). Das wirft die Frage auf, ob und wie die Bibliothek der Dinge hier unterstützend agieren kann. Sie könnte zum Beispiel als Vermittler agieren und neben dem Zugang zu Gegenständen auch kompetente Helfer vermitteln, die unliebsame Aufgaben erledigen. Hierbei kann eine Vernetzung mit Selbständigen und anderen Initiativen stattfinden. Diese Vernetzung geht immer auch mit einer Kompetenzerweiterung einher, weswegen die Bibliothek der Dinge sich dadurch zusätzlich einen Ruf als Anlaufstelle für jegliche Bedürfnisse erarbeiten kann. In der ETL (Edinburgh) wurden z.B. kürzlich erste Schritte in diese Richtung unternommen: Ein Selbständiger arbeitet auf entgeltlicher Basis an Aufträgen, die von außen an die ETL herangetragen werden. Die ETL übernimmt die Vermittlung des Auftrages, die Bereitstellung von Werkstatt und Werkzeug sowie die Koordination der Materialbeschaffung und sie bezahlt die selbständige Person für ihre Arbeitsleistung. Die ETL erhält dafür eine Nutzungspauschale für die Bereitstellung von Material, Raum und Werkzeug und wird zum zentralen Koordinator der gesamten Auftragsabwicklung. Profitieren kann davon der Selbständige, der Aufträge erhält, ohne akquirieren und koordinieren zu müssen, die ETL, die eine zusätzliche Einkommensquelle erschließt und der Auftraggeber, weil er eine Dienstleistung aus einer Hand geboten bekommt (vgl. Gesprächstranskripte mit Chris, Edinburgh). Ähnliche Auftragskonstellationen sind auch für andere
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Produktkategorien vorstellbar. Im Falle eines geplanten Festes ergäbe sich zum Beispiel folgendes Szenario: Benötigt werden einerseits die physischen Güter: alle Utensilien, um ein Gartenfest zu veranstalten, wie Zelte, Bierbänke, Geschirr und z.B. einen großen Grill. Ziel des Nutzers ist aber nicht das Bedienen dieser Leihgaben, sondern das Fest zu feiern. Angeboten werden könnte folglich die Dienstleistung, alle Leihgaben auf- und abzubauen sowie ggf. sogar die Begleitung des Festes in Form von Bereitstellung von Personal zum Grillen, für den Getränkeausschank und dergleichen. In einem weiteren Szenario geht es um Menschen, die ein Musikinstrument erstmalig ausleihen, um es auszuprobieren: hier könnte es hilfreich sein, einen Ansprechpartner für eine Schnupperstunde vermittelt zu bekommen. Bibliotheken der Dinge können, basierend auf ihrem Inventar und den ggf. vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten, zu einem Ort werden, an dem der Zugang zu Gegenständen ermöglicht wird und die dazu passenden Dienstleistungen durch ein Netzwerk von freien Mitarbeitern erbracht werden. Durch diese Erweiterung können neue Zielgruppen angesprochen werden: diejenigen, die primär auf der Suche nach einer Dienstleistung waren und erst im zweiten Schritt realisieren, dass sie mit einer Mitgliedschaft Zugang zu einem immensen Pool an Gegenständen erhalten.
b) Erweiterung der Zielgruppe durch Kooperation mit einer öffentlichen Bibliothek: Die Kooperation mit einer öffentlichen Bibliothek verspricht diverse Vorteile: Die hohe Fluktuation von Besuchern öffentlicher Bibliotheken kann ein vielfältiges Publikum mit dem Konzept der Bibliothek der Dinge vertraut machen und die Nutzer in einem zweiten Schritt zu den eigentlichen, größeren Standorten leiten. Zudem könnte von der Infrastruktur der öffentlichen Bibliotheken profitiert werden. Die Kernkonzepte sind bis auf die Art des Inventars identisch, so dass dieser Gedanke nicht naheliegender sein könnte. Warum aber hat sich eine Kooperation nicht etabliert und ist eine Ausnahme geblieben? Ein kurzer Blick über den Status Quo liefert hilfreiche Einblicke: Es gibt verschiedene Beispiele, in denen a) öffentliche Bibliotheken ihr Sortiment so ausgeweitet haben, dass sie zusätzlich zu ihrem Kernangebot auch als Bibliothek der Dinge bezeichnet werden können bzw. in denen b) eine Kooperation zwischen Bibliothek und Bibliothek der Dinge schon stattgefunden hat. Bibliotheken weiten a) ihr Angebot bislang nur zögerlich und selten sehr konsequent über Bücher und Unterhaltungsmedien hinaus aus. Ein zaghafter, experimenteller Versuch war das Vorgehen der Amerikabibliothek in Berlin Anfang 2017 benennen. Zeitweise waren dort rund vierzig Gebrauchsgegenstände im Sortiment, die zusätzlich zum konventionellen Ausleihbestand zur Verfügung
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
standen. Dieses Angebot war jedoch von vornherein auf nur drei Monate terminiert – eine zu kurze Zeitspanne, um etwas über die tatsächliche Resonanz in der Nachbarschaft zu erfahren und erst recht zu kurz, um eine stabile Veränderung von (kollektiven) Verhaltensweisen auszulösen. Etwas längerfristig haben z.B. die Bücherhallen Hamburg ein Angebot gestartet. Aber auch hier ist das Angebot unter dem Namen „#Stuff4U“ mit 15 verschiedenen Artikeln, das seit September 2017 Nutzern zwischen 13 und 23 Jahren zur Verfügung steht, recht überschaubar. Das Angebot ist im Falle der Bücherhallen ein Angebot der „4U-Serie“ (begleitet von Games4U, Music4U, Manga4U, u.a.) und nicht als ein zu vertiefendes Konzept angelegt. Ganz anders hingegen ging man bereits 1979 in Berkeley vor: Hier wurde die Tool Library als Teil der Public Library Berkeley eröffnet, finanziert durch öffentliche Fördergelder. Hier stehen Gelder zur Erweiterung und Pf lege des Inventars zur Verfügung, wie der öffentlichen Bücherei selbst. Anfangs waren ca. 500 Werkzeuge in einem Anhänger untergebracht, und sie wurde durch einen Zuschuss des zuständigen Bundes gefördert. Die Zielgruppe waren zu Beginn die einkommensschwachen Haushalte in der direkten Umgebung. 1990 wurde die gesamte Organisation der Tool Library von der öffentlichen Bibliothek übernommen und seitdem auch mit den gleichen Mitteln finanziert. Aktuell gibt es weit mehr als 2.000 Gegenstände, die in mittlerweile eigenen Räumlichkeiten gelagert und ausgegeben werden. Heute ist die Berkeley Tool Library Anlaufstelle für das gesamte Stadtgebiet und nicht mehr nur für das Quartier. Der andere Ansatz, das Angebot öffentlicher Bibliotheken b) durch eine Kooperation mit einer Bibliothek der Dinge zu erweitern, wurde an mehreren Standorten mit unterschiedlichen Ergebnissen versucht. So hat die Toronto Tool Library zwei Jahre lang einen Standort in einer Stadtteilbibliothek Torontos betrieben. Hierbei konnte sie von den Öffnungszeiten der öffentlichen Bibliothek profitieren, musste sich aber um alle Abläufe, sowie personelle Ausstattung selbst kümmern. Auf die Frage, warum die Kooperation mit der öffentlichen Bibliothek eingestellt wurde, wurde zur Begründung v.a. die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen angeführt. Die öffentlichen Bibliotheken sind Teil eines großen Verwaltungsapparates, mit all seinen Vor- und Nachteilen. So sind die Verwaltungsstrukturen eher starr und können nur langsam und mit viel Aufwand verändert werden. Außerdem war die Bereitschaft, sich auf eine Ausweitung des Inventars einzulassen, in Toronto nicht sehr groß: „Maybe we are going back there one day. But I am not going back there without them paying me. If they want to do it themselves, they should just do it. But if they are not paying us, we are not going there. We payed them to be in there the last time. We payed them rent!“ (Toronto, Ryan) Bibliotheken tendieren in der Regel bislang noch dazu, andere Sortimente als
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Bücher, (Hör-)Spiele und DVDs als nicht zur Bibliothek zugehörig zu betrachten. Die Tatsache, dass die Tool Library in Toronto (TTL) sogar Miete für die Räumlichkeiten bezahlen musste, obwohl das Konzept mit dem einer klassischen Bibliothek identisch ist, ist Ausdruck dafür, wie befremdlich die öffentliche Bibliothek das erweiterte Konzept fand und wie unf lexibel ihr System ist. „But if someone was visionary at the library then, you know, the last person was. She really wanted it to come in. But then she left.“ (Toronto, Ryan) Wenn nun die Idee einer TL nicht aus den Strukturen der öffentlichen Bibliothek heraus entsteht, wird es laut der Erfahrung der TTL-Betreiber schwer sein, diese dort zu verankern. So hat es zum Beispiel fast ein Jahr gedauert, bis ein Schild vor die Tür gestellt werden konnte, das auf die Existenz der Werkzeug-Bibliothek in den Kellerräumen der öffentlichen Bibliothek verwies. Das Team der TTL dagegen ist es gewohnt, spontan und schnell zu agieren und zu reagieren, um das Konzept so solide wie möglich zu machen. Dennoch wird der öffentliche Zugang zu Dingen als etwas wahrgenommen, das sehr gut zur städtischen Mentalität Torontos passen sollte: die Metropole weist mit 100 verschiedenen, kostenlos zugänglichen Standorten im Stadtgebiet eine hohe Dichte an öffentlichen Bibliotheken auf (https://www.torontopubliclibrary.ca). Die bisherige Kooperation mit der Öffentlichen Bibliothek als Partner wurde seitens der TTL als ein erstes Abtasten der gegenseitigen Vorstellungen und Herangehensweise beschrieben, aber es kam noch zu keiner verbindlichen Verf lechtung, weswegen die Kooperation nach gut zwei Jahren endete: „So I just think we have gone in and we had our first dates and it went really well – we are hugging – next time we gonna kiss with the tongue.“ (Toronto, Lawrence) Die weniger aufwendige Form einer Kooperation wurde und wird zum gegenwärtigen Zeitpunkt von der Edinburgh Tool Library betrieben. Im Stadtteil Portobello wurde in einer öffentlichen Bibliothek eine Kiste deponiert, die mit einem Sortiment der am meisten nachgefragten Gegenstände bestückt ist. Mitglieder können spontan zu der wöchentlich 2-stündigen Öffnungszeit kommen, die Kiste ist aber immer sichtbar, auch wenn gerade nichts entliehen werden kann. So wird der Standort auch optimal als Marketing-Ort verstanden und dementsprechend genutzt. Nutzer können online vorab Gegenstände reservieren, die dann für den entsprechenden Tag von der ETL mitgebracht und bereitgestellt werden. Die öffentliche Bibliothek fungiert so als zusätzlicher Abhol-
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
platz für die Nutzer, denen der Weg zu den anderen Standorten der ETL zu weit ist. Für Edinburgh hat die Kooperation sehr gut funktioniert, die Nachfrage der Nachbarschaft stieg signifikant und das hat dazu geführt, dass ein permanenter Standort in Portobello eröffnet wurde. Der weiteren Kooperation mit der Stadtbücherei wird seit der Eröffnung weniger Aufmerksamkeit geschenkt, allerdings hat die Stadtbücherei den Wunsch geäußert, dass die ETL ihr wöchentliches Angebot aufrechterhalten möge, da das die Attraktivität des Bibliotheks-Standortes erhöht hat. Bei allen Bemühungen sollte aber berücksichtigt werden, dass v.a. die besondere Atmosphäre von Bibliotheken der Dinge geschätzt wird und diese eher nicht in einer öffentlichen Bibliothek zu finden ist.
Fazit Die Bibliothek der Dinge kann sich durch Kooperationspartner zu einer Anlaufstelle für Dienstleistungen aller Art entwickeln und zudem durch die Erschließung neuer Standorte neue Zielgruppen ansprechen. Sie wird durch die damit verbundenen neuen Einkommensquellen resilienter. Sie verstetigt ihre Daseinsberechtigung, da sie mehr und mehr Funktionen innerhalb einer Nachbarschaft übernimmt und zunehmend bekannter wird.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Umsetzung Ansatz 3.1_ Kooperation mit Akteuren zur Dienstleistungserweiterung Die hier verallgemeinerte Darstellung eines Dienstleistungsangebotes erläutert, wie die Bibliothek der Dinge durch Integration externer Mitarbeiter und Experten zu einem Schlüsselakteur werden kann. Die Bibliothek der Dinge ist der zentrale Ansprechpartner, bei dem alle Aktivitäten gebündelt werden. Akteurssystem: Kooperation mit Experten zur Bereitstellung einer Dienstleistung
EXPERTE LIEFERT: individuelle Auftragsarbeit EXPERTE
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETET Zugang zu Aufträgen Koordination aller Organisatorischen Abläufe Bereitstellung von Werkstatt und Material Bezahlung der Arbeitsleistung
NUTZER AUFTRAGGEBER
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
BIBLIOTHEK DER DINGE
KUNDE ERHALTEN: Dienstleistung aus einer Hand
ALS VERMITTLUNGSPLATTFORM NUTZER LEISTEN: Bezahlung der Dienstleistung (Arbeitsleistung des Experten, Material & Nutzungsgebühr für Werkstatt, Vermittlungsgebühr)
Abb. 60: Akteurssystem zur Kooperation mit Experten zur Bereitstellung einer Dienstleistung
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Ansatz 3.2_ Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken Es gibt wie oben dargestellt drei Möglichkeiten, wie eine Kooperation funktionieren kann: 1) Als selbst initiiertes und organisiertes Teilangebot einer bestehenden öffentlichen Bibliothek. Die Erarbeitung dieses Konzeptes ist nicht Teil dieser Arbeit, da hierfür Veränderungen bestehender interner Verwaltungsstrukturen notwendig sind. 2 – 3) Als Pop-Up-Store oder gar permanentes Angebot einer öffentlichen Bibliothek organisiert durch eine externe Bibliothek der Dinge. Diese Konstellationen können nur dann funktionieren, wenn das Konzept von der öffentlichen Seite gewollt, mitgetragen und unterstützt wird, wie die Erfahrungen aus Toronto belegen. Entweder kann die Bibliothek der Dinge tatsächlich einen permanenten Standort in den Räumlichkeiten einer öffentlichen Bibliothek der Dinge beziehen, oder aber die Bibliothek der Dinge organisiert ein Pop-Up-Angebot, das zu festen Zeiten die Dienstleistungen anbietet. Die Pop-Up-Variante resultiert in einem spontanen, f lexiblen und unverbindlichen Konzept, das hervorragend dazu geeignet ist, um z.B. die Resonanz eines Quartiers zu testen. Denkbar ist auch die Variante, dass man anfangs mit einem Pop-Up-Angebot startet, das je nach Resonanz ausgeweitet wird. Bei genügend Kapazitäten und Bereitschaft der öffentlichen Seite wäre es vorstellbar, dass Bibliothekare den Ausleihprozess mit übernehmen, sodass der organisatorische Aufwand für die Bibliothek der Dinge geringer wird. Dass öffentliche Bibliotheken von einem zusätzlichen Angebot profitieren können, wurde bereits belegt. Generell agiert die Bibliothek der Dinge autark und stellt ihr Sortiment in den Räumlichkeiten der öffentlichen Bibliothek zur Verfügung. Sowohl die Verwaltung als auch die Katalogisierung der Gegenstände ist getrennt voneinander, denn die Art der Katalogisierung ist eine völlig andere als die Verwaltung von Büchern (aufgrund der unterschiedlichen Informationen, die zur Spezifizierung von Gegenständen benötigt werden im Gegensatz zu Schriftstücken).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Akteurssystem: Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken
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M PERSONAL Permanent: Pop-Up: Gemischt:
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H A U P T S TA N D O R T
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ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK
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BIBLIOTHEK DER DINGE
INVENTAR Bereitstellung und Lagerung von Gegenständen in öffentlicher Bibliothek _ Grundausstattung je nach Lagerbedingungen _ Zusätzliches Inventar muss vorab reserviert werden
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DRITTANBIETER ODER EIGENE LEISTUNG: Lieferung & Abholung reservierter Gegenstände, die nicht vor Ort lagern
BIB
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während gesamter Öffnungszeiten anwesend nur während bestimmter Zeitfenster anwesend während bestimmter Zeitfenster anwesend, ansonsten von öffentlicher Bibliothek bereitgestellt
Abb. 61: Akteure bei Kooperation mit öffentlichen Bibliotheken. Für den Nutzer läuft das Angebot wie folgt ab: Er besucht die öffentliche Bibliothek und wird dort Mitglied der Bibliothek der Dinge. Künftig kann er sich nicht mehr nur Bücher ausleihen, sondern auch aus dem Sortiment der Bibliothek der Dinge wählen. Die Auswahl erfolgt vor Ort aus dem vorrätigen Inventar oder aber mittels Vorab-Reservierung aus dem gesamten Inventar der Bibliothek der Dinge. Die gewünschten Gegenstände werden dann je nach Verfügbarkeit zur nächsten Öffnungszeit in der öffentlichen Bibliothek zur Verfügung gestellt (ähnlich der Verleihstruktur mit Zweigstellen). Betrachtet man die Übertragbarkeit von bisher Bekanntem auf das neu zu Erlernende, so bietet die öffentliche Bibliothek das ideale Setting für die Bibliothek der Dinge: Menschen kommen an diesen Ort, um zu leihen. Keiner erwartet, in einer Bibliothek etwas kaufen zu können. Deshalb ist dieser Ort ideal geeignet, folgt man den Gestaltungsrichtlinien von Don Norman. Der organisatorische Prozess, der zur Bereitstellung dieser Dienstleistung notwendig ist, gleicht dem der in Ansatz 1.3 vorgestellten Kooperation mit lokalen Partnern (vgl. Abbildungen 58 & 59). Der einzige Unterschied besteht in der personellen Besetzung der Standorte, die in Abbildung 62 unter Personal ausdifferenziert wurden.
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
Produkte Ansatz 4_ Beschaffenheit der Produkte Analyse Die Beschaffenheit der Produkte kann von den Bibliotheken der Dinge nicht selbst und nicht direkt beeinf lusst werden. Die Verantwortung liegt auf Herstellerseite. Um diese nachdrücklicher anzusprechen und an ihre Verantwortung zu erinnern, kann es aber, sofern Bibliotheken der Dinge Kluft 2 geschlossen und sich gesellschaftlich institutionalisiert haben, sinnvoll sein, sich zu einem Verband zusammenzuschließen. Mit geeinten Kräften und der Abfrage einer für Hersteller interessanten Abnahmemenge von Produkten können langfristig Produktreihen entstehen, die ideal auf kollaborative Nutzungsszenarien ausgerichtet sind. Derzeit sind Bibliotheken der Dinge zwar gut miteinander vernetzt, jedoch in ihrem jeweiligen städtischen Umfeld stets Einzelkämpfer. Andere Bewegungen hingegen, die zwar lokal agieren aber überregional bis global untereinander verbunden sind, sind z.B. FabLabs. Diese haben durch den Gründervater am MIT in Boston ein sie einendes Element (Gershenfeld 2007). Genauso konnten RepairCafes wohl auch nur deshalb einen solchen globalen Siegeszug erringen, weil sie sich nicht jedes Mal neu erfinden, sondern auf das Wissen der Gründer der Bewegung zurückgreifen konnten. Interessant bei diesem Beispiel ist, dass dieses Konzept von Anfang an darauf ausgelegt war, kopiert zu werden. Die Gründerin dieser Bewegung Martine Postma hat nach dem Erfolg der ersten Veranstaltung 2007 die Non-Profit Organisation „Stichting Repair Café“ ins Leben gerufen. Diese stellt Interessierten seit 2011 sowohl alle erforderlichen Unterlagen als auch professionelle Unterstützung zur Verfügung, um es Nachahmern so einfach wie möglich zu machen (Postma 2015). Genauso verhält es sich bei dem Gedankengut der Transition Towns (Hopkins 2011, 2012): Auch dieses Konzept ist darauf angelegt, von so vielen Menschen wie möglich kopiert zu werden. Vor diesem Hintergrund wäre eine Vereinigung von Bibliotheken der Dinge der nächste strategische Schritt, um den Anliegen der „Bibliotheken“ Gehör zu verschaffen. Denn die bereits gesammelten Erfahrungen belegen die Notwendigkeit einer Veränderung der Produkte, wie es in anderen Bereichen schon umgesetzt wurde: „Here the bikes are large but they don’t break, they need very little maintenance. The lights are already attached to them and there are features on these bikes that are designed for sharing that are very good. If I was to buy a bike I would never consider buying that bike! It’s just way to impracticable. Why shouldn’t there be items that could easily be used in this program?“ (Toronto, Ryan)
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Die Bedeutung von Produktgestaltung und der daraus resultierenden Eignung zur gemeinschaftlichen Nutzung wird in der Tool Library in Toronto deutlich. Die Reparaturrate und der Aufwand zur Instandhaltung ist manchmal so hoch, dass sich Reparaturen nicht mehr lohnen; oft sind sie mangels Bereitstellung der Ersatzteile durch die Hersteller sowieso nicht mehr so durchführbar, dass sich die Gegenstände weiterhin im Rahmen einer Bibliothek der Dinge nutzen ließen (hier wäre immer noch die Ausmusterung möglich siehe Ansatz 5). Weil das Inventar in Toronto hauptsächlich aus gespendetem Werkzeug besteht, ist es qualitativ sehr heterogen. Diese Vielfalt führt zu einem Mehraufwand bei der Instandhaltung der Produkte. Zudem hat die Gestaltung der einzelnen Produkte einen Einf luss auf Wartungs- und Reparaturauwand. Auch wirkt sich die Gestaltung auf die Produkthandhabung aus. „I guess there is a way you could overdesign some tools that helps you to not misuse things. That would be helpful.“ (Toronto, Kevin) Je einfacher die Produkte zu bedienen sind, desto nutzerfreundlicher wird auch das Gesamtkonzept einer Bibliothek der Dinge im Gegensatz zur Einzelanschaffung. Das wiederum hat zur Folge, dass das Konzept der Bibliothek der Dinge nicht nur nachbarschaftliches Zusammensein verbessern kann, sondern auch im größeren Kontext der Nachhaltigen Entwicklung diskutiert werden sollte: „So, if the design was there then I think these libraries could potentially scale to a larger degree in dense areas and make it more practical. Yes, to have this kind of model. Is it likely to have it in the nearer future? I don’t know. But is there potential for global scale change? Yes, I think there is.“ (Toronto, Ryan) Das Angebot einer Bibliothek der Dinge verbessert sich also mit der Qualität der durch sie zur Verfügung gestellten Gegenstände. Allerdings lassen der Service (so er gut ist) und der Ethos des Konzeptes viele Nutzer über eventuelle Qualitätsdefizite bei Produkten hinwegblicken. Aber mit dem Anspruch, in die Mitte der Gesellschaft vordringen zu wollen, muss auch die Qualität der inventarisierten Produkte steigen. So können Bibliotheken der Dinge zu einem ernst zu nehmenden Wettbewerber für Online-Shops mit Neuware werden.
Fazit Möglichst langlebige Produkte sollten so gestaltet werden, dass sie optimal gemeinschaftlich von einer großen Anzahl unterschiedlicher Nutzer nutzbar sind. Idealerweise werden Produkte künftig ausschließlich, zumindest aber vorwiegend für den Kontext des kollaborativen Gebrauches und nicht für den individuellen Besitz gestaltet. Allerdings ist auch der umgekehrte Fall zu beachten: Bibliotheken der Dinge haben, so sie gesellschaftlich etabliert sind, das Potenzial, die Qualität der produzierten Dinge zu erhöhen:
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
„If everyone just borrowed stuff, there would be no incentive for companies to make it. They would just produce good stuff.” (Toronto, Kevin) Die Nachfrage nach billigen Produkten von verminderter Qualität würde einbrechen, wenn sich die Praxis kollektiv durchgesetzt hat, dass man sich gleichartige Produkte mit hoher Qualität für einen relativ geringen Jahresbeitrag ausleihen kann. Und bleibt die Nachfrage aus, so auch das Angebot. Da gerade Produkte mit schlechter Qualität rasch verschleißen und dann weggeworfen werden, reduziert sich sowohl der Energie- und Ressourcenaufwand für die Herstellung von Ramschprodukten sowie das Müllauf kommen: „But if all those people borrowed stuff instead of buying cheap things, then the market for producing all this price point garbage just dries up completely. They wouldn’t have any reasons to make it. So, think about all the junky tools that are made and distributed by Walmart and whatever. They wouldn’t sell anymore. So, they wouldn’t be making them. And if you look at the entire supply chain of all these tools that are made. It’s about the resources, the plastic, to source the metals to design it to produce, to have all the labour, to ship it across the seas, millions of numbers. And then these tools just sit around idle!” (Toronto, Kevin)
Umsetzung Die Produkte sollten gemäß der Richtlinien für nachhaltiges Produktdesign gestaltet werden. Zudem sollten sie so beschaffen sein, dass sie von einer maximal unterschiedlichen Gruppe gleichermaßen gut genutzt werden können (vgl. dazu Abbildungen 47 & 48).
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Ansatz 5_ Bereitstellung und Rückführung der Produkte Analyse In diesem Baustein wird hinterfragt, wie Produkte in das Inventar gelangen. Der bislang bevorzugte Weg über Spenden ist zwar vor dem Hintergrund der Abfallvermeidung ein edler und deckt problemlos einen Großteil des Bedarfes der Mitglieder ab, derzeit ohne wahrnehmbare Qualitätseinbußen. Spendenbasiert zu arbeiten ist aber wie oben beschrieben nicht der Idealzustand, v.a. in Bezug auf elektronische Produkte bzw. in Bezug auf Produkte, die schnellen Innovationszyklen unterliegen und damit schnell verschleißen. Hier läuft die Bibliothek Gefahr, zu einer reinen Lagerstätte veralteter Produkte zu werden, die nicht mehr dem Bedarf der Mitglieder entsprechen. Umso wichtiger ist eine vielfältige Nutzung des „Ressourcenschatzes“ Inventar (siehe Ansatz 3). Gesucht werden folglich Wege, wie das Inventar in einer Bibliothek der Dinge so zusammengestellt werden kann, damit es aktuell, qualitativ hochwertig und kostengünstig ist und in Kreisläufen geführt werden kann. Dafür gibt es u.a. diese Möglichkeiten: 1. Kooperation mit Herstellern 2. Kooperation mit kommerziellen Verleihern 3. Kooperation mit Warenhäusern (online).
1.) Kooperation mit Herstellern Würden Hersteller nun als Kooperationspartner der Bibliothek der Dinge in Erscheinung treten, dann könnten sie ihr eigenes Leistungsportfolio ausweiten, ohne selber den Fokus von ihrer fachlichen Aufgabe abwenden zu müssen. Die Bereitschaft von Herstellern, ihr Portfolio auszuweiten und Dienstleistungen anzubieten ist vorhanden (Deloitte Research 2006, Visnjic 2011). Der Entwurf von Produktlinien, die speziell auf das Sharing ausgerichtet sind, ist zwar ein Widerspruch zum bisherigen Geschäftsmodell der Hersteller, das auf Nutzung-durch-Besitzen basiert. Denn Sharing-Produkte versprechen geringere Margen, da weniger von ihnen abgesetzt werden. Und doch ist der Übergang zu neuen Produktlinien, die für die kollektive Nutzung gestaltet wurden, realistisch: Unfreiwilliger Vorreiter ist hier die Automobilindustrie, die den Markt für autonomes Car Sharing zu besetzen versucht, obwohl mit der Institutionalisierung von „Robotaxis“ der ursprüngliche Markt – nämlich der Verkauf privater Autos – erheblich kleiner werden wird. Allerdings ist den Konzernen bewusst,
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dass sich das Nutzen-statt-Besitzen-Prinzip mit fahrerlosen Wagen durchsetzen wird, weil es praktischer und günstiger ist, so dass sie keine andere Option haben, als sich als Anbieter von Mobilität (und nicht länger als Anbieter von „Autos“) neu zu positionieren. Die größte Bedeutung für Automobilhersteller hat künftig der Fokus, nicht Hardwarelieferant zu sein, sondern sich als relevanter Dienstleister für Shared Mobility hervorzutun, um nicht das gleiche Schicksal wie beispielsweise Kodak (beim Auf kommen der Digitalfotografie) erleiden zu müssen (Stocker et al. 2017, Taiebat et al. 2018). Hier fällt eine Parallele zwischen Car Sharing und Bibliotheken der Dinge auf: Car Sharing gibt es schon seit den 1990ern, wurde als Markt oder gar Alternative zum Autokauf von den jeweiligen Konzernen aber lange nicht ernst genommen. Erst als sich durch die technologische Weiterentwicklung eine nutzerfreundlichere Variante des Car Sharings abzeichnete, konnten die Hersteller diese Entwicklung nicht mehr ignorieren und müssen sich nun an sie anpassen. Tool Libraries gibt es vereinzelt schon seit den 1970ern. Seit 2010 nimmt die Zahl der neuen „Bibliotheken“ sprunghaft zu und wenn es durch organisatorische und technologische Innovationen gelingt, sie noch nutzerfreundlicher zu machen – in technologischer Hinsicht etwa durch einen praktischen, günstigen und zuverlässigen Liefer- und Rücknahmeservice –, dann werden sie zu einer Alternative, die etablierte Hersteller nicht mehr ignorieren können und an die sie sich sogar durch den Entwurf neuer Produktlinien anpassen müssen, um ökonomisch nicht bedeutungslos zu werden. Bibliotheken der Dinge können in diesem Sinne ein Distributionspartner für Hersteller werden. Erstere erhalten dadurch Zugang zu hochwertigen Gegenständen und können diese neuen Zielgruppen zugänglich machen (Ameli 2017a, b). In Kooperation mit den neuen „Bibliotheken“ oder ihrem Verband können Hersteller ihre Einkommensquellen diversifizieren, ohne dass sie selbst neue Vertriebskanäle erschließen müssten, sie könnten also ein zusätzliches Wertangebot schaffen (Mont 2004). Die Bibliothek der Dinge wird vom Hersteller mittels hochwertiger Produkte, Beratung und Bereitstellung von Ersatzteilen unterstützt. Die organisatorischen Verantwortung dieses Prozesses liegt bei den Bibliotheken der Dinge, die fachliche Expertise in Bezug auf die Produkte bleibt nach wie vor bei den Herstellern. Die Prämisse, unter der Produkte gestaltet werden, ändert sich: Hersteller haben nun einen Anreiz, möglichst langlebige, wartungsarme, wiederverwertbare Produkte herzustellen, um Herstellungs-, Wartungs-, und Entsorgungskosten so gering wie möglich zu halten. Diese Motivation führt zu Qualitätsprodukten, die im Sinne der Kreislaufwirtschaft geführt werden können. Seitens der Hersteller hat dieses Modell weitere Vorteile: Durch die einzigartige Anbieter-Kunden-Beziehung durch den Ort der Bibliothek der Dinge kann eine längerfristige Kundenloyalität aufgebaut werden (Bhamra et al. 2017: 208). Viele herstellerveranlasste Marktforschungsstudien könnten dadurch obsolet werden.
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Durch diese direkte Interaktion mit den Nutzern der Produkte in der Bibliothek der Dinge kann idealerweise indirekt eine längerfristige Beziehung zwischen Hersteller und Nutzer aufgebaut werden (Manzini et al. 2001, UNEP 2002, Mont 2004). Durch diese Kooperation wird es für Hersteller möglich, von einem linearen zu einem zirkulären Geschäftsmodell zu kommen, das zur weiteren Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs beiträgt (Stahel 2016).
2.) Kooperation mit kommerziellen Verleihern Strebt man auch bei der Kooperation mit anderen Partnern eine lebenszyklusweite Lösung an, so müssen sowohl für die Beschaffung als auch für die Entsorgung von Produkten Kooperationspartner gefunden werden. Für die Beschaffung des Inventars sind professionelle Anbieter ideal. So haben Handwerksbetriebe professionelle Werkzeuge im Gebrauch, die sie für einen gewissen Zeitraum nutzen können, ehe sie durch neue ersetzt werden (müssen). Auch professionell agierende Verleiher anderer Gegenstände verfügen über ein Inventar, das ab einem gewissen Alter nicht mehr für die intensive tägliche Nutzung einsetzbar ist. Im Kontext einer Bibliothek der Dinge aber könnten diese Gegenstände (in nicht ganz so intensiven Nutzungsszenarien) noch viele Entleihzyklen durchleben. Ist ein Werkzeug bei einem Handwerker pro Tag über viele Stunden im Einsatz, würde es im Rahmen der Bibliothek der Dinge pro Leihvorgang, der mitunter eine Woche dauern kann, binnen weniger Minuten den benötigten Dienst leisten. Die Übernahme des Inventars von professionellen Anbietern kann folglich für beide Seiten Vorteile bringen: Die professionellen Verleiher finden mit minimalem Aufwand Abnehmer für den Großteil ihres Produktbestandes. Die Bibliotheken der Dinge bekommen zu einem verringerten (finanziellen) Aufwand ein breit gefächertes Inventar, das qualitativ hochwertig ist. Und was passiert mit Gegenständen, wenn sie zu guter Letzt nicht (mehr) kollaborativ genutzt werden können? Der Umgang mit den Dingen nach ihrer Nutzungsdauer birgt weiteres Potenzial, das bislang nur teilweise ausgeschöpft wird. Das Verkaufen überschüssigen oder ausrangierten Inventars in Form von Flohmärkten wird von diversen Standorten praktiziert, nicht zuletzt deshalb, um Stauraum einsparen zu können. Dinge werden wieder für den privaten Gebrauch veräußert und so einer weiteren (weniger intensiven) Nutzungsphase zugeführt. Zudem kann an der Stelle mit Partnern kooperiert werden, die auf die Restauration oder Reparatur von Gegenständen spezialisiert sind und ihrerseits auf den Zustrom von Gegenständen angewiesen sind. Vorteilhaft ist die Kooperation für die Bibliothek wegen der zusätzlichen Einkommensquelle, aus Publicity-Gründen und dem sich erweiternden Image als Anlaufstelle für Raritäten aller Art. Für den Partner ist der Zugriff auf den Rohstoff „Ausrangiertes“ und die damit zusätzli-
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chen Aufträge ein Mehrwert, und der potenzielle Käufer erhält zu einem günstigen Preis Gegenstände, die gewartet und „refurbisht“ sind mit dem Wissen, dass sein eingesetztes Geld lokal Gutes tut und nicht den globalen Massenkonsum anheizt.
3.) Kooperation mit Warenhäusern Aufgrund der derzeitigen Praxis des Online-Handels, zurückgesendete Waren nicht wieder in den Verkauf zurückzuführen, sondern aus Kostengründen zu schreddern (Gassmann 2018, Greenpeace 2018), ist es normativ geboten ein Geschäftsmodell zu ersinnen, das diesem gegenwärtigen Phänomen entgegenwirkt. Generell wäre es wünschenswert, dass die Politik diesem Vorgehen einen Riegel vorschiebt bzw. (monetäre) Anreize schafft, dass eine umweltverträglichere Vorgehensweise von Online-Händlern bevorzugt wird. Gefragt ist ein Modell, dass es den Händlern leichter macht, die Ware an gemeinnützige Initiativen, so wie auch die Bibliothek der Dinge eine ist, weiterzugeben, als sie zu vernichten. Der Vorteil auf Händlerseite wäre, eine kostengünstige und zugleich ökologisch vorteilhafte Lösung für den Umgang mit Rücksendungen; auf der anderen Seite profitieren zeitgleich Bibliotheken der Dinge davon, dass sie kostengünstiger an zeitgemäßes Inventar gelangen.
Fazit Die Inventarisierung von Produkten sollte in Kooperation mit Herstellern, professionellen Anbietern oder auch Händlern erfolgen, um für die Bibliothek der Dinge an qualitativ hochwertige, aktuelle und neuwertige Produkte zu gelangen, die möglichst lange möglichst viele Verleihvorgänge durchleben können.
Umsetzung Die Kernfragen bei der Produkt-Gestaltung sind die Beschaffung und die Entsorgung des Inventars. Die Bereitstellung erfolgt durch professionelle Anbieter: die Hersteller selber, professionelle Anbieter oder aber auch Online-Warenhäuser. Für die End-of-Life Lösungen empfiehlt sich eine Kooperation entweder mit Herstellern oder mit professionellen Anbietern. Die zu involvierenden Akteure unterscheiden sich zwar je nach Ansatz, die zu gestaltenden Abläufe sind einander jedoch sehr ähnlich. Deshalb wird im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch nur ein Modell für die Kooperation mit Herstellern und ein Modell für die Kooperation mit anderen Partnern skizziert. Wenn ein Konzept für den Verbleib der Produkte für die Zeit nach ihrer
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Nutzung im Rahmen der Bibliothek der Dinge erarbeitet wird, sollte eine Kreislaufführung in Betracht gezogen werden. Vereinfacht gibt es zwei Nutzungsszenarien: a) das Produkt weiterhin gemäß seiner eigentlichen Funktionalität beziehungsweise mit einer neuen Funktion zu nutzen oder b) die in ihm vorhandenen Rohstoffe zu verwerten (Urban Mining). Werden die Produkte a) weiter genutzt, gilt es, Kooperationspartner zu finden, die die Produkte so aufarbeiten, dass sie weiterhin nutzbar sind und sie dann potenziellen Käufern zum Kauf anbieten. Werden b) die Rohstoffe der Produkte verwertet und für die Herstellung neuer Produkte verwendet, kann entweder mit Herstellern kooperiert werden oder aber mit Partnern, die Rohstoffe verwerten. In Abbildung 62 werden unterschiedliche End-of-Life Szenarien und die gegebenenfalls benötigten Partner dargestellt. So kann, bevor ein Gegenstand die Bibliothek der Dinge gänzlich verlassen soll, entschieden werden, ob intakte Teile der ausgemusterten Gegenstände im Rahmen eines Ersatzteillagers gesammelt werden (auf diese Weise kann das Inventar künftig kostengünstig instandgehalten, Ressourcen gespart sowie Abfall vermieden werden). Andererseits können ausgemusterte Gegenstände auf selbst organisierten Flohmärkten an Interessenten veräußert werden, wodurch eine zusätzliche Einkommensquelle entsteht. Neben diesen beiden Möglichkeiten, die beide von der Bibliothek der Dinge selbst realisierbar sind, kann auch mit externen Anbietern kooperiert werden: Entweder können die Rohstoffe der Produkte von einem Entsorger verwertet werden oder der Hersteller nimmt seine Produkte wieder zurück und verwertet die Rohstoffe im Sinne der Kreislaufwirtschaft zur Produktion neuer Ware. Letztere Option (die sowohl Up- wie Down-Cycling-Prozesse beinhalten kann) ist die Kooperation mit Drittanbietern, die das aussortierte Inventar aufbereiten und es individuellen Nutzern für eine erneute Nutzungsphase überlassen.
Akteurssystem: Übersicht über Kooperationspartner für „End-of-Life“ Lösungen Flohmarkt
2nd Hand Verkäufe: Durchführen eigener Flohmärkte um funktionierendes Inventar abzustoßen. Produkte werden länger genutzt
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
ODUKT PR
Ressourcenverwertung
Recycling: Abgabe von Inventar an Entsorgungungspartner, die Ressourcen wiederverwerten.
Hersteller
Up-Cycling, Down-Cycling, Recycling: Rückführung von Inventar an Hersteller. Dieser führt die Ressourcen in Kreisläufen und verwendet sie als gefertigtes Bauteil oder Rohstoff zur Produktion neuer Güter weiter.
Redistributionspartner Internes Ersatzteillager Kreislaufführung von intakten Produktteilen: Aufbau eines Ersatzteillagers für bestehendes Inventar
Up-Cycling: Abgabe von Inventar an Partner, der Produkte im Ganzen auf- & weiterverwertet. Down-Cycling: Abgabe von Inventar an Partner, der Produkte teilweise weiterverwertet.
Abb. 62: Übersicht über mögliche Kooperationspartner für „End-of-Life“-Lösungen. Nachfolgend wird die Kooperation einmal mit Herstellern und einmal mit kom-
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge
merziellen Anbietern beschrieben (seien es Online-Warenhäuser oder professionelle Verleihanbieter).
Ansatz 5.1_ Kooperationmit Herstellern Bei der Kooperation mit Herstellern, sollte sowohl bei der Bereitstellung als auch bei der Entsorgung eine Zusammenarbeit erfolgen. So können Ressourcen in Kreisläufen geführt werden. Die Bibliothek erhält durch die Kooperation Zugang zu neuwertigen Gegenständen, die für kollaborative Nutzung gestaltet und gefertigt wurden. Sinnvoll in diesem Modell ist kein Anschaffungspreis, sondern eher eine Art Lizenzgebühr. So bleibt das Inventar der Bibliothek der Dinge f lexibel und kann je nach Bedarf und Möglichkeiten verändert werden. Die Reparatur und Instandhaltung werden seitens der Hersteller unterstützt, da es in deren Sinne ist, die Produkte bei minimalem Aufwand maximal lange in Betrieb zu halten. Die Hersteller erhalten im Gegenzug Informationen zu Nutzerpräferenzen, -erfahrungen und -problemen. Zudem haben sie die stete Kontrolle über ihre Produkte und können sie bei Bedarf zurückfordern und durch andere ersetzen (je nach Vereinbarung). Nutzer erhalten bei einer Bibliothek Top-Equipment zu bezahlbaren Entleihgebühren. Zudem können diverse Verschleißteile auch direkt über den Hersteller bezogen werden, so dass keine zusätzlichen Wege entstehen und so Zeit und Energie gespart werden kann (vgl. Abb. 63).
Akteurssystem: Kooperation mit Herstellern
HERSTELLER
HERSTELLER STELLEN BEREIT: High-Quality Produkte (langlebig, modular, ergonomisch, selbsterklärend) Unterstützung bei Reparatur Ersatzteile Entsorgung / Kreislaufführung der Produkte
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETET Zugang zu neuen Nutzergruppen Koordinierung kollaborativer Nutzung Kundenservice / Kontrolle über Produkt Feedback der Kunden
BIBLIOTHEK DER DINGE BIETER AN
TGLIED MI INITIATIVEN EINZELPERSONEN AUFTRAGGEBER
NUTZER ERHALTEN: Zugang zu High-Quality Produkten
NUTZER LEISTEN: Feedback Nutzungsgebühr
Abb. 63: Akteure für Kooperation mit Herstellern
ANGESTELLTE EHRENAMTLICHE GRÜNDER
BIBLIOTHEK DER DINGE ALS DISTRIBUTIONSPLATFORM
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232
Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Der Ablauf kann für den Nutzer identisch mit dem bekannten Modell sein (an dieser Stelle wurde in der Konzeption auf eine Kombination mit einem Lieferservice verzichtet – diese ist aber empfehlenswert). Hersteller stellen der Bibliothek der Dinge die Produkte zur Verfügung. Ob eine einmalige Zahlung, Lizenzgebühren oder aber die kostenfreie Bereitstellung gewählt wird muss individuell vereinbart werden. Die Produkte werden von Nutzern entliehen. Während der Nutzung kann im Problemfall die Beratung über die Bibliothek der Dinge stattfinden. Nach der Rückgabe wird ggf. entschieden, ob ein Produkt ausgemustert werden muss und wie damit verfahren wird. Idealerweise wird es vom Hersteller zurückgenommen, der daraus im Sinne der Kreislaufwirtschaft neue Produkte herstellt. Während des Prozesses kann der Hersteller über die Bibliothek der Dinge Zugang zu Informationen von und über den Nutzer erhalten, wie zum Beispiel die Auswahl der Produkte, ggf. die Kombinationen von Produkten, Probleme bei der Nutzung, die Zufriedenheit und eventuelle Probleme erhalten.
USER JOURNEY
PHYSIC AL EVIDENCE
USER AC TION
FRONT S TA G E
e-mail persönlich
Webseite Standort(e)
AUSLEIHE
Webseite persönlich
TRANSPORT
Transport
Probleme
NUTZUNG
Produkt
Nutzung
EIN-CHECKEN
_ Verschleißteile _ Kosten / Nutzen
_ Haltbarkeit _ Konstruktion _ Kreislaufführung
RECYCLING / KREISLAUF Circular Economy
REINVENTARISIERUNG für nächste Ausleihe AUSMUSTERN / VERKAUF Entfernen aus dem Inventar & Übergabe an Hersteller
FEEDBACK _Erfahrungen _Beschwerde _Zufriedenheit
RÜCKGABE FEEDBACK
Webseite / Blog Gespräch
Feedback
WARTUNG Wartung Instandhaltung Instandsetzung UNTERSTÜTZUNG _Know-How _Ersatzteile
SUPPORT bei Problemen
TRANSPORT
Transport
_ Nutzerfeedback: Ergonomie / Anwendung _ Problemberichterstattung _ Wirksamkeit von Hilfestellung
_ Nutzungsinstensität
AUSCHECKEN
Auswahl
BEREITSTELLUNG Produkt mit allem Zubehör
BERATUNG _zu Auswahl _zu Verwendung
AUSWAHL
Online Vor Ort Auswahl
Beratung
Abb. 64: Blue Print für eine Kooperation mit Herstellern
INFORMATION FÜR HERSTELLER
HERSTELLUNG Langlebige, Hochwertige, Modulare, Ressourcen-/ Energieleichte Produkte
Internal Interaction
ERSTELLEN DES BACK-END Infrastruktur: INVENTARISIERUNG _Standort Produkte diverser _Software Hersteller
Line of Visibility
MITGLIEDSCHAFT Person wird Mitglied bei Bibliothek der Dinge
Mitglied werden
THING LIBRARY
Information
Line of Interaction
ANBIETER
PARTNER: HERSTELLER
BACK S TA G E
INFRA STRUCTURE
NUTZER
SERVICE-BLUEPRINT: Kooperation mit Herstellern als Lieferanten für hochwertiges Inventar und zur Förderung von Kreislaufwirtschaft
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge 233
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Ansatz 5.2_ Kooperation mit kommerziellen Anbietern In Abbildung 65 wird nun im Gegensatz dazu dargestellt, wie die dahinterliegenden Prozesse ablaufen, wenn sowohl bei der Beschaffung als auch bei der Entsorgung des Inventars mit externen professionellen Partnern kooperiert wird: Die Abläufe ähneln denen im vorangegangen Beispiel. Nur wird für die beiden Phasen Beschaffung und Ausmusterung mit unterschiedlichen Partnern kooperiert (siehe Analyse). Bei der Beschaffung kann es sich um einmalige Übernahmen von Produkten von Drittanbietern handeln, oder auch um eine regelmäßige Übernahme aussortierter, professionell genutzter Gegenstände. Am Ende der Nutzungsphase im Rahmen der Bibliothek der Dinge werden die Gegenstände unterschiedlichen Partnern übergeben: sind sie unbrauchbar geworden, so werden sie der Rohstoffverwertung zugeführt, besteht noch Aussicht auf eine Weiter- oder Umnutzung der Gegenstände, werden sie an Drittanbieter gegeben, die sie auf bereiten und weitervermitteln.
USER JOURNEY
PHYSIC AL EVIDENCE
e-mail persönlich
Webseite Standort(e)
Handwerker / Kommerzielle Verleiher / u.a.
ERSTNUTZUNG Produkte werden im professionellen Rahmen begrenzt eingesetzt. Nach der Nutzungsphase Übergabe an Bibliothek der Dinge.
AUSLEIHE
Webseite persönlich
AUSCHECKEN
Auswahl
BEREITSTELLUNG Produkt mit allem Zubehör
BERATUNG _zu Auswahl _zu Verwendung
AUSWAHL
Online Vor Ort Auswahl
Beratung
TRANSPORT
Transport
Abb. 65: Blue Print zur Kooperation mit Drittanbietern zur Entsorgung von Inventar.
DRITTANBIETER
Internal Interaction
ERSTELLEN DES BACK-END Infrastruktur: INVENTARISIERUNG _Standort Produkte diverser _Software Hersteller
Line of Visibility
MITGLIEDSCHAFT Person wird Mitglied bei Bibliothek der Dinge
Mitglied werden
THING LIBRARY
Information
Line of Interaction
ANBIETER
USER AC TION
FRONT S TA G E
BACK S TA G E
INFRA STRUCTURE
NUTZER
SERVICE-BLUEPRINT: Integration von externen Partnern zur Produktbereitstellung &-‘entsorgung‘
EIN-CHECKEN
Produkte werden dem individuellen Nutzen zu(rück)geführt Professionelle Aufbereitung / Second Hand Geschäfte / ...
REFURBISHMENT Drittanbieter, die Produkte aufbereiten.
REINVENTARISIERUNG für nächste Ausleihe AUSMUSTERN / VERKAUF Entfernen aus dem Inventar & Übergabe an Refurbisher
FEEDBACK _Erfahrungen _Beschwerde _Zufriedenheit
RÜCKGABE FEEDBACK
Webseite / Blog Gespräch
Feedback
WARTUNG Wartung Instandhaltung Instandsetzung
TRANSPORT
Transport
SUPPORT bei Problemen
DRITTANBIETER
Probleme
NUTZUNG
Produkt
Nutzung
3 Neue Antreiber für BibliothekenEinführung der Dinge 235
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
3.5 Zusammenfassung Die beschriebenen Lösungsansätze greifen an völlig unterschiedlichen Problemstellungen an und bearbeiten stets jeweils nur einen Ausschnitt des Angebotes. Sie sind kombinierbar, sie haben aber auch jeder für sich genommen das Potenzial, sich positiv auf die Nutzerfreundlichkeit der Bibliothek der Dinge auszuwirken. Sie unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Ansatzpunkte, sondern auch hinsichtlich der benötigten Zeitspanne zur Umsetzung. In Abbildung 51 wurden die Lösungsvorschläge anhand ihrer Wirkungsorte im Konzept gruppiert. Abschließend kann nun eine Differenzierung der Ansätze bezüglich der Umsetzbarkeit stattfinden: Nur langfristig lässt sich die Beschaffenheit der Produkte verändern. Um Hersteller zu einer Änderung ihrer Produkte zu bewegen, müssen Bibliotheken der Dinge an Einf luss gewinnen, und dazu Kluft 2 schließen und die kritische Masse erreichen. Dann geht von ihnen ein Einf luss aus, der jenem gleichen sollte, der vom autonomen Car Sharing auf Automobil-Konzerne ausgeht und sie zu Veränderungen drängt. Mittelfristig lassen sich die Ansätze umsetzen, die eine Veränderung des Systems erfodern: die Kooperation mit externen Partnern oder öffentlichen Bibliotheken, um neue Standorte zu eröffnen, sowie die Zusammenarbeit mit Experten zur Dienstleistungserweiterung. Hier müssen Kooperationspartner gefunden werden, um gemeinsam das Angebot der Bibliothek der Dinge zu verbessern. Am kurzfristigsten lassen sich die Ansätze umsetzen, die von der Bibliothek der Dinge alleine realisierbar sind: so zum Beispiel die Lieferung und Abholung von Gegenständen mit eigenen Fahrzeugen und Personal, die Bereitstellung des Zugangs zum Inventar mittels low-tech Lösungen. Je professioneller jedoch die Ausführung sein soll, desto größer ist entweder der finanzielle und/oder der planerische Aufwand.
Schluss
Für einen Durchbruch der Share Economy sprechen ökologische und ökonomische Gründe – u nd beide fasst der 13. und jüngste Weltrisikobericht des World Economic Forum zusammen. Zum einen seien die ökologischen Risiken für die Weltgesellschaft enorm gestiegen: „In our annual Global Risks Perception Survey, environmental risks have grown in prominence in recent years. This trend has continued this year, with all five risks in the environmental category being ranked higher than average for both likelihood and impact over a 10-year horizon. […] We have been pushing our planet to the brink and the damage is becoming increasingly clear. Biodiversity is being lost at mass-extinction rates, agricultural systems are under strain and pollution of the air and sea has become an increasingly pressing threat to human health“ (WEF 2018: 6). Je größer die weltweiten Umweltprobleme werden, desto lauter wird auch der Ruf nach einer energie- und rohstoff leichteren Lebens- und Wirtschaftsweise – und für beides steht die Share Economy. Der Weltrisikobericht benennt zum anderen auch mehrere „Zukunftsschocks“, auf die sich die Weltgesellschaft vorbereiten sollte und ein solcher Schock sei eine aufziehende Wirtschaftskrise. Eine gewichtige Rolle dabei spiele das global langsamer werdende Wirtschaftswachstum, zumal die Konjunktur mit schweren Problemen zu kämpfen habe. Hinzu käme, dass die Investitionen abnehmen und die Finanzmärkte unbeständiger geworden seien und weltweit die Schuldenlast stark gestiegen sei: Sie betrage nun 225 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und damit mehr als vor der jüngsten Finanzkrise. Außerdem disruptiere der technologische Fortschritt im Zuge der Digitalisierung ganze Industriezweige, wodurch die Zahl der weltweit Erwerbslosen beträchtlich steigen könne (WEF 2018: 19-23). Es bauen sich mit anderen Worten ökonomische Sturmwolken auf – und das könnte für Bibliotheken der Dinge eine relevante Entwick-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
lung werden, zumal der erste Hype um die Share Economy nach der jüngsten Finanzkrise, d.h. nach 2008 einsetzte. Das mag ein Zufall gewesen sein, Philipp Glöckler, der Gründer der gescheiterten Sharing-App Whyownit, merkt jedoch an: „Wenn eine richtige Rezession kommt, könnte es mit der Sharing Economy auch ganz schnell gehen. Im Moment haben wir Vollbeschäftigung, allen geht es gut, und die meisten können sich dreimal am Tag einen Cappuccino leisten. Wenn das irgendwann mal nicht mehr so ist und die Leute nicht mehr so viel konsumieren können, werden sie auch wieder kreativer. Wenn das Geld zwar für Lebensmittel und andere Notwendigkeiten reicht, aber die schönen Sachen, die Erlebnisse anders gestaltet werden müssen – dann poppen vielleicht neue Modelle auf.“ (Glöckler 2018) Neue Sharing-Modelle sind notwendig, hat sich in der Anfangsphase der Share Economy doch gezeigt, dass Menschen in weiten Teilen der Welt der Idee einer gemeinschaftlichen Nutzung von Dingen sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Allerdings sind Sharing-Konzepte, welche die kollektive Nutzung vieler Gegenstände realisieren möchten, noch zu unkomfortabel und damit alltagsunpraktisch (Kapitel 1). Kurz: Viele wollen Dinge teilen, können es aber nicht. Es braucht folglich ein neues Modell und ein solches ist das einer Bibliothek der Dinge. Auf sie bezog sich die erste Forschungsfrage, die fokussierte, warum die Share Economy jenseits der kollektiven Nutzung von Fahrzeugen, Wohnungen und des Streaming von Musik und Video stagniert, obwohl die Bereitschaft zum Teilen prinzipiell in den westlichen Konsumgesellschaften groß ist? Die Antwort lautete, dass der Service einer Bibliothek der Dinge prinzipiell all jene Alltagsbarrieren überwinden kann, die bisherige Sharing-Angebote, die Haushaltsgegenstände zum Verleih anbieten, nicht überwinden können. Wenn solche „Bibliotheken“ aber die Kluft zwischen der Bereitschaft zum Sharen und der weiterhin auf Kauf und Besitz ausgerichteten kollektiven Praxis schließen können, warum tun sie es dann nicht? Man muss ihnen zugestehen, dass sie sich erst seit 2010 vermehrt gründen. Die Veränderung kollektiver Praktiken ist jedoch ein Prozess, der Jahre in Anspruch nimmt. Selbst das Online-Shopping brauchte ungefähr zehn Jahre, um in die Mitte der Gesellschaft vorzurücken. Amazon.com begann 1995 als Online-Bücherladen, dehnte sein Inventar 1997 erst auf Musik und Videos, im nächsten Jahr dann auf Elektronikprodukte und in den folgenden Jahren auf eine enorme Bandbreite an physischen Produkten und schließlich auch auf Streamingdienste aus. In Deutschland wie in den USA war die Entwicklung des Umsatzes im Online-Handel mit Waren zwischen den Jahren 2000 und 2009 noch verhalten, dann stieg der Umsatz in den folgenden zehn Jahren in beiden Ländern jedoch furios an (Statista 2019a, 2019b). Amazon.com begann als Bücherladen und wurde ein Supermarkt. Bibliotheken begannen vor Jahrtausenden dem Verleih von Büchern. Sie können sie wie Amazon zu einer Einrichtung weiterentwickeln, die ein viel größeres Sortiment
Einführung Schluss
zur gemeinschaftlichen Nutzung bereitstellt. Nun würden sich Bibliotheken der Dinge schon in der Gegenwart mehr verbreiten, hätten sie nicht mit diversen „Kinderkrankheiten“ zu ringen, die sich in Defiziten bei der Nutzerfreundlichkeit manifestieren und ihren Vormarsch außerhalb einer Rezession bremsen. Diese Defizite wurden identifiziert (Kapitel 2) und mittels verschiedener Design-Tools Verbesserungsoptionen in den Bereichen Produkt, Service und System ausgelotet sowie ausgearbeitet (Kapitel 3.3 und 3.4). Nicht alle Optionen müssen dabei gleichermaßen realisiert werden. Die Anzahl der Optionen ist deshalb so umfangreich, da eine möglichst breite Palette mehr Aussicht auf Erfolg verspricht. Jede Bibliothek der Dinge ist aber letztlich einzigartig und agiert in ihrem jeweiligen Quartier unter individuellen Bedingungen. Gleichwohl könnte ein aus Nutzersicht möglichst alltagsfreundlicher Liefer- und Rücknahmeservice ein Schlüsselservice sein, der für den Erfolg der meisten „Bibliotheken“ ausschlaggebend werden dürfte. Aber warum sollten sie überhaupt erfolgreich werden? Das begründen jene ökonomischen, sozialen und ökologischen Effekte, die von Bibliotheken der Dinge ausgehen können. Die in der Einleitung gestellten Forschungsfragen lauteten, wie sich eine Bibliothek der Dinge auf die Energie-/Ressourceneffizienz eines Quartiers auswirkt und wie sich diese Auswirkungen messen lassen? Auf Basis von Nutzer- und Anbieterbefragungen wurde dazu in Kapitel 2 ein Kriterienkatalog erstellt, der fünf soziale und ökonomische sowie ökologische Effekte (Einsparung von Rohstoffen und grauer Energie) der „Bibliotheken“ nachweisen konnte. In Bezug auf eine Nachhaltige Entwicklung wurde die Frage gestellt, wie der Energie- und Ressourcenverbrauch wohlhabender Gesellschaften reduziert werden könnte, ohne dabei das materielle Wohlstandsniveau zu gefährden? Bibliotheken der Dinge sind die Antwort und das macht sie zu einem Konzept, das in die neuen urbanen Leitbilder einer Sustainable City, Sharing City und nicht zuletzt einer Smart City zu integrieren ist, da diese „Bibliotheken“ einen intelligenten Umgang mit Ressourcen und grauer Energie ermöglichen und darüber hinaus die Lebensqualität der Einwohner nachweislich verbessern (was ebenfalls das Anliegen einer Smart City ist). Sie haben das Potenzial die Ressourcen- und Energieeffizienz nicht nur einzelner Haushalte oder Gebäude, sondern ganzer Quartiere zu verbessern. Bei der eingesparten Energie handelt es sich um die „graue Energie“, die bei der Herstellung der Produkte anfällt und diesen darum eingefaltet ist. Die graue Energie wird oft übersehen, dabei wird der Gesamtenergiebedarf einer Gesellschaft erst dann wirklich reduziert, wenn auch der graue Energieverbrauch abnimmt. Er nimmt logischerweise ab, wenn weniger Dinge produziert werden. Und weniger Dinge müssen dann produziert werden, wenn sie gemeinschaftlich genutzt werden. In einer Zeit, in der die durchschnittliche Anzahl der Gegenstände pro Haushalt so hoch wie noch nie in der menschlichen Geschichte ist, können Biblio-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
theken der Dinge einen signifikanten umweltentlastenden Beitrag der Zugangsbereitstellung leisten. Dazu müssen sie jedoch nutzerfreundlich gestaltet sein. Gelingt es, sie so nutzerfreundlich zu gestalten, dass sie ungefähr 25 Prozent der Einwohner ihres Quartiers erreichen und dies in mehreren Quartieren und Städten, dann ist ein kritischer Schwellenwert erreicht, der die bisherige auf dem Nutzen-durch-Besitzen-Prinzip basierende Konsumweise umkippen lassen sollte. Die in den letzten Jahrhunderten größer gewordene „Herrschaft der Dinge“ könnte auf diese Weise tatsächlich gebrochen werden und die neuen „Bibliotheken“ könnten, wenn sich das Nutzen-statt-Besitzen-Prinzip bei einer großen Produktpalette durchsetzt, die bisherige Konsumgesellschaft disruptieren. Zugleich ergibt sich aus diesem Zusammenhang die Antwort auf die eingangs ebenfalls gestellte Frage, wie die etablierte und bislang als selbstverständlich geltende kollektive Konsumpraxis verändert werden könnte. Während es folglich gute Gründe gibt, anzunehmen, dass die Share Economy in Zukunft erheblichen Auftrieb erfahren wird, könnte die Ur-Institution des Sharing paradoxerweise unbedeutend werden. Die Rede ist von den klassischen Buch-Bibliotheken, die sich seit Jahrtausenden auf die kollektive Nutzung von Schriften konzentrieren. Mit der Digitalisierung der verfassten Werke werden Bibliotheken als begehbare Orte jedoch obsolet. Da Bibliotheken aber darüber hinaus auch eine soziale Funktion als Orte der Zusammenkunft und des öffentlichen Lebens haben, hinterließe ihr Verschwinden eine Lücke. Bibliotheken müssten sich im Digitalzeitalter folglich neu erfinden, indem sie neue Dienstleistungen bereitstellen und ein solcher könnte unter anderem die Ausdehnung des Inventars auf eine Vielzahl von Gebrauchsgegenständen sein. Da das Digitalzeitalter zumindest im 21. Jahrhundert auch ein „grünes“ Zeitalter werden muss, wenn die globalen Umweltprobleme bewältigt werden wollen, wäre eine solche Erweiterung sinnvoll. Gegenwärtig richtet die Share Economy die Automobilindustrie neu aus: Auto-Konzerne befinden sich derzeit in einem Übergangsprozess an dessen Ende sie sich von Hardware-Lieferanten bzw. Automobil-Verkäufern zu Anbietern im Bereich Shared Moblity transformiert haben (Kapitel 3.4). Der Grund dafür ist die digitale Weiterentwicklung von Autos, die bald als autonom fahrende Robo-Taxis unterwegs sein werden. Die digitale Weiterentwicklung transformiert auch Bibliotheken und kann über autonome Liefer- und Rücknahmeservices Bibliotheken der Dinge zu ihrem Durchbruch verhelfen. Bibliotheken werden folglich, wenn man sie als Standort erhalten möchte, als Bibliotheken der Dinge fortbestehen oder sich im virtuellen Raum auf lösen. Eine in der Einleitung gestellte Frage, die in dieser Arbeit untersucht werde sollte, bezog sich auf die Funktion, die Bibliotheken als physische Orte im 21. Jahrhundert noch haben können. Die Antwort liegt nun vor. Bibliothek sind Jahrtausende lang wichtige Einrichtungen gewesen. Mit der durch die Industrialisierung
Einführung Schluss
ermöglichten, billigen Massenproduktion von Büchern hat ihre Bedeutung abgenommen. Zugleich haben mit der Massenproduktion von Waren ökologische Probleme zugenommen und diese könnten von Bibliotheken der Dinge eingedämmt werden. Allerdings müssen Bibliotheken der Dinge mitnichten eine Allianz mit klassischen Bibliotheken eingehen. Sie können sich, wie sie es schon getan haben, auch unabhängig von ihnen gründen und sie letztendlich ablösen. Sie wären dann eine neuartige Institution in einer neuen geologischen Epoche (dem Anthropozän), einer neuen historischen Epoche (dem Digitalzeitalter) und sie wären Repräsentant einer neuen Wirtschaftsweise (der Share Economy).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
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Anhang
Anhang 01: Online Erhebung – Nicht-Nutzer Für die Befragung von Nicht-Nutzern einer Bibliothek der Dinge wurde als Instrument eine Online-Befragung gewählt. Dieses Format verspricht die größten Rücklaufquoten, ist unter Zeit- und Kostengründen am leichtesten umsetzbar und verspricht vor allem die Sharing-affinen Generationen der unter 40-Jährigen anzusprechen. Repräsentativität wurde nicht angestrebt, da es sich lediglich um eine ergänzende Vorstudie zur Arbeit handelte. Der erstellte Fragebogen umfasste 24 Items, die wegen der logisch bedingten Abfolge nicht alle zwingend beantwortet werden mussten. Die Erhebung wurde in Zusammenarbeit mit Andreas Milk im Rahmen seiner Masterarbeit durchgeführt (vgl. Milk 2016). Nach einem Pretest wurde der Fragebogen im Zeitraum vom 27.07.2016-10.08.2016 online gestellt. Nach Ablauf der zwei Wochen wurde eine Rücklaufquote von n-gesamt = 423 erreicht. Nach Bereinigung der Daten verblieben n = 390 vollständige Datensätze zur Auswertung. Davon waren die Altersgruppe der 26-35-jährigen mit 44,36% am stärksten vertreten, die 16-25-jährigen mit 19,23% am zweitstärksten sowie die 36-45-jährigen am drittstärksten. Der Anteil an Teilnehmern wurde mit steigendem Alter geringer. Das Durchschnittsalter der Stichprobe lag bei 35,53 Jahren. Die Abweichung vom bundesweiten Durchschnittsalter von 44,3 Jahren kann auf das Messinstrument der Online-Befragung zurückzuführen sein. Mehr als ein Drittel der Befragten lebten in einem Haushalt mit Partner und je ca. 20% mit Familie oder in einem Single-Haushalt. Mehr als 70% der Teilnehmer gaben an, in einer Großstadt zu wohnen. Knapp die Hälfte aller Befragten haben ein abgeschlossenes Studium, womit dieser Wert deutlich über dem Durchschnittswert der Gesamtbevölkerung liegt. Zudem ist bei der Befragung auffällig, dass die oberen Einkommensgruppen zusammengenommen
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
mit 30% überrepräsentiert sind. Es ergab sich ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.768,73€ pro Monat / Befragten. 92,31% gaben an, ein Smartphone zu besitzen und 82,5% der Teilnehmer sind Mitglieder von sozialen Netzwerke. Die inhaltliche Auswertung des Fragebogens findet sich in Kapitel 1, die genaue Durchführung sowie der Fragebogen sind in der Arbeit von Andreas Milk nachzulesen.
Anhang 02: Online Befragung – Anbieter weltweit Für die weltweite Befragung bestehender Initiativen wurde eine Grundgesamtheit an Bibliotheken der Dinge basierend auf einer Internetrecherche und damit verbunden dem Verzeichnis von www.localtools.org (eine von myTurn betriebene Website) ermittelt. Auf dieser Webseite können sich Initiativen selbst eintragen oder werden durch myTurn gelistet. Angeschrieben wurden alle bekannten Initiativen mit einer kurzen Mail und einem Kurzfragebogen. Durch die folgenden Fragen des Fragebogen wurde eine Abschätzung der Nutzerwünsche und -einstellungen seitens der Betreiber abgefragt: 1. What do users like most about your LoT / TL? 2. Do users ask for improvements of your offer? If so, what are these? 3. What‘s your opinion: By which measurements can you probably attract more users? 4. Would you‘ve done something differently in the past, if you have had today‘s experience? If so, what would it be and why? Die Fragen wurden offenen gestellt, um individuell bzw. fallspezifisch unterschiedliche Antworten und unerwartete Einsichten zu ermöglichen. Angeschrieben wurden 53 Initiativen. Von ihnen haben 21 Initiativen auswertbare Antworten zurückgeschickt. Drei der Standorte wurden anschließend im Rahmen der Fallstudien besucht (Toronto ist mit drei Standorten vertreten, was zu insgesamt fünf Fallstudien führt). Die ersten Emails mit den Fragebögen wurden am 27./28.10.2016 verschickt und die Antworten kamen nach bis zu 2-maligem Nachfragen bis zum 16.01.2017 zurück.
Anhang
Teilnehmende Initiativen an Online-Befragung (n=21) Initiative
Standort
3Sixty Tool Library Rebuilding Together Denver Tool Library Edinburgh Tool Library (Fallstudie) Leihladen Innsbruck Leila Berlin Leila Wien Green Lents Habitat Utah Instrumentheek Ottawa Tool Library (Fallstudie) Redhousefarm Collective Sacramento Tool Library Santa Rosa Tool Library SE Seattle Tool Library SE Portland Tool Library Seattle Capitol Hill WA Solana Tool Library CA Station North Tool Library Toronto Tool Library (Fallstudie) Tournevie
Holland (USA) Central Ohio (USA) Denver (USA) Edinburgh (UK) Innsbruck (AUT) Berlin (D) Wien (AUT) Portland (USA) Orem (USA) Utrecht (NL) Ottawa (CAN) Boulder (USA) Sacramento (USA) Santa Rosa (USA) Seattle (USA) Portland (USA) Seattle (USA) Encinitas (USA) Baltiomore (USA) Toronto (CAN) Brüssel (BEL)
261
262
Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Anhang 03: Experteninterviews Experten des Forschungsfeldes wurden anhand eines semi-strukturierten Fragebogens interviewt. Die Interviews wurden aufgezeichnet und anschließend verschriftlicht und in MaxQDA codiert. Sie verliefen unterschiedlich sowohl was den zeitlichen Umfang als auch den inhaltlichen Ablauf anbelangt, jedoch wurden stets alle vorab geplanten Themenfelder angesprochen.
Interview guideline – Role of Lending Libraries. Interviewer: ____________________________ Interviewee: ____________________________
Date: Location:
_____________________ _____________________
General questions: Can the LL contribute to overcoming the Gap detected and thus support Sustainable Development? If yes, how does it happen? / If no, what has to be done to make it happen? Category
Question
Individual perspective: Description of yourself and motivation
Please describe yourself, your motivation to take part in the LL and your role within the LL.
Relevance for members: Description of members demands
In your opinion, what do users like the most about your offer and why do they become a member?
How would you shortly describe the idea of the LL to a new person?
Do you think you can meet their demands? What do you think has to be done or changed to meet their demands?
Chances / Overall perspective
Do you think LL can help to establish alternative ownership models in our societies?
Limitations
Which problems do you face today? Do you think LL can help to confront global challenges? Which problems do you see in a future where LL should contribute to sustainable development on a larger scale?
Wrap up
We are almost done. Is there anything else you want to add?
Anhang
Anhang 04: Nutzerbefragung – Interviewleitfaden Im Rahmen der Fallstudien wurden insgesamt n= 82 Nutzer befragt. 40 davon waren am Standort Edinburgh Tool Library, 16 am Standort Ottawa Tool Library und die restlichen 26 Personen wurden an den drei Standorten in Toronto interviewt (Parkdale 10 Personen, Danforth 12 Personen, Hilcrest 4 Personen). Genutzt wurde ein semi-strukturierter Interviewleitfaden.
263
More than 3 years
2-3 years
Yearly
A few times a year
Yes, regularly
No and I won‘t
Not yet
Necessary repairings around my house
Yes
Have you ever donated items?
Other:
To help others
For DIY-projects
What do you use the borrowed items for?
Just once
Monthly
Weekly
How often do you borrow items?
1-2 years
Less than 1 year
How long have you been a member of your TL?
General Questions
Semi-structured Interview for Users
Social Media
Consulting Individual access to the location
Workingspace on site
To improve my neighbourhood
To interact with others
Feedback / Ideas / Contact : [email protected]
Other:
No, I haven‘t told anybody.
Yes, and he/she was interested.
Advertisement
To avoid item storage
Possibility to use the space for other activities
Other Opening hours
Workshops
What else should your TL offer?
Other:
Environmental benefits
To avoid maintenance
To save money
Why do you use the TL?
Yes, but he/she wasn‘t interested.
Yes, and he/she joined as well.
Have you talked to friends about your membership?
From friends
How have you learnt about the Library?
Membership
1
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Do you know why non-users in your area don‘t use the TL?
What do you miss the most?
What do you dislike the most?
No
2-5 km
By bike
By car
Public transportation
+5km
Feedback / Ideas / Contact : Dipl. Des. Najine Ameli, M.A. I [email protected]
On foot
How do you get to the library usually?
0-2 km
Not yet
I spend it on:
How far away from the TL do you live?
I saved it
If yes: What happened to the money?
Comments:
Yes
Do you think the TL has saved you money?
Other:
Not sure
Rented tools, such as from a hardware store
Borrowed tools elsewhere Left the project undone
Bought new tool(s) to complete the project
What would you have done if you had not used the TL?
What do you appreciate the most? Hired a professional instead
Ecological Aspects
Service
2
Anhang 265
Rent
18-29
30-49
65+
25.000-49.999£
+100.000£
0-24.999£
75.000-99.999£
PhD
Associate degree
50.000-74.999£
Master degree
Bachelor degree
What is your approximate average household income?
High school degree
Less than high school degree
What is the highest level of school you have completed or the highest degree you have received?
Under 18
How old are you? 50-65
Neither, please specify
How many people are living in your household?
Own
Do you rent or own the place where you live?
Who are you?
Feedback / Ideas / Contact : Dipl. Des. Najine Ameli, M.A. I [email protected]
Notes / Remarks
3
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-2
-1
0
+1
+2
information
ankunft
Customer Journey Map
information
formalitäten
auswahl
transport
nutzung
transport
feedback
Anhang 267
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Anhang 05: Business Model Canvas Das BMC stellt ein Geschäftsmodell übersichtlich auf nur einer Seite dar, unterteilt in neun Bausteinen. Die Bausteine stehen alle miteinander in Zusammenhang, können bei der Konzeptionierung eines Geschäftsmodelles aber in beliebiger Reihenfolge bearbeitet werden. Für gewöhnlich bilden die Bausteine „Nutzergruppen“, „Wertversprechen“, „Kundenbeziehung“ und „Kanäle“ den Ausgangspunkt einer neuen Geschäftsentwicklung, da hier die zentrale Geschäftsidee entwickelt wird. Die links angrenzenden Bausteine beschreiben die benötigte Infrastruktur, und die Bausteine „Kostenstruktur“ und „Einnahmequellen“ beschreiben die finanziellen Aspekte des Geschäftsmodelles.
D a rs te l l un g d e r w i c ht i g s te n R es s ou rcen.
B esc h reib un g al l er Pro d u k t i on s - / Tra n sa kti o ns - / l au fe nd en K os ten .
KO ST E N ST R UK TU R
Fes tlegu ng d er K anäle ü b er d i e mi t d en Ku nd en i nteragi er t w i rd.
KANÄLE
B es chreibung d er B eziehungs ebenen mi t Ku nd en
KUN D E N BE Z I E H UN G
D ars tel l u ng d er aller E i nk ü nf te.
E I N KOM M E N S QUE L L E N
D ars tel l u ng d es Wer tve r s p re c h e n s f ü r d i e Z i el gru p p ens egm ente.
B e s c hre i b u n g d er e l e m ent aren Ak t i vi t äten, d i e d as M o de l l am L au fen hal te n.
K ER N R E SS OU R CE N
WE R T VE R S PR E CHE N
C AN VA S
K ER N A K T IV I TÄT EN
M O D E L
Da r ste llun g d e s N etz wer k s von Par tn er n / Li e fe rante n, d ie n ot wen di g s i nd.
SC HLÜ S SE L PA R TN ER
B US I N E S S
B es chreibun g d e r Zi elgru p p en segm ente, d i e b ed i ent werden s ollen.
N UTZ E R GR UP P E N
Anhang 269
270
Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Anhang 06: Harmonisierung der Daten Um die verschiedenen Standorte miteinander vergleichen zu können, müssen die ökonomischen Bedingungen zueinander in Bezug gesetzt werden. Das geschieht mittels des Kauf kraft-Index. Dieser ergibt sich aus dem LebenshaltungskostenIndex und dem durchschnittlichen Monatseinkommen (brutto). So sind die mittleren Einkommen der Länder Kanada und Großbritannien mit dem in Deutschland vergleichbar. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in Großbritannien um 13% und in Kanada um 9% höher. Das resultiert (mit den leicht variierenden Einkommen) darin, dass der Kauf kraft-Index der Länder um bis zu 15% variiert. Legt man der Berechnung zugrunde, dass die Kauf kraft in Deutschland 100% beträgt, bedeutet das für die beiden anderen Länder, dass die durchschnittliche Kauf kraft der Menschen in Großbritannien nur bei 85%, und in Kanada bei 91% liegt (Vergleiche laenderdaten.info basierend auf Daten der OECD und Eurostat). Anhand dieser Zahlen lassen sich auch die Mitgliedsbeiträge der verschiedenen Standorte zueinander in Bezug stellen. Kaufkraftindex
Deutschland Belgien Großbritannien Kanada Vereinigte Staaten Österreich
Lebenshaltungskosten-Index
Durchschnittliches Monatseinkommen
KaufkraftIndex
100,0 108,9 113,2 109,0 110,8 106,1
3.308€ 3.151€ 3.189€ 3.288€ 4.277€ 3.453€
100,0 87,5 85,2 91,2 116,7 98,4
Vergleich der Standorte: Mitgliedsgebühr zu Einkommen Kosten Kosten Durchschn. % des / Jahr / Jahr in € Monatseinkommen Einkommens 24 € Leila Berlin 20 Pfund Edinburgh Tool Library 60 CAN$ Ottawa Tool Library Toronto Tool Library 55-110 CAN$
24 € 23 € 40 € 36-73 €
3.308€ 3.189€ 3.288€ 3.288€
0,7 % 0,7 % 1,2 % 1,1-2,2 %
Mithilfe des Kauf kraft-Index gelingt der Vergleich aller Fallstudien miteinander. Gemessen an der jeweiligen Kauf kraft ist die Mitgliedsgebühr jeweils tragbar. Eine Mitgliedschaft wird v.a. auch deshalb für jeden ermöglicht, da die Initiativen im Falle der Mittellosigkeit eines (noch nicht) Mitgliedes dem pay-what-you-can Prinzip folgen.
Anhang
Anhang 07: Auswertung der Fallstudie Ottawa Tool Library Geschichte der Ottawa Tool Library
Anhang 07/Ottawa 01 _ Standortbeschreibung Die Ottawa Tool Library (OTL) wurde 2014 gegründet und agiert an einem Standort. Der Entschluss, eine Tool Library in Ottawa aufzubauen, entstand bei einem Bier, als Bettina Vollmerhausen und Frederic Sune sich darüber ärgerten, dass er einen Fliesenschneider kaufen musste, nur um einmalig Fliesen schneiden zu können. Er war außerdem darüber verärgert, dass er diesen Gegenstand von nun an besitzen musste. Kurze Zeit später musste Bettina Vollmerhausen beruf lich nach Toronto und entschloss sich die dortigen Tool Libraries anzuschauen. Daraus reifte die Idee, dergleichen in Ottawa umzusetzen. Ihren Anfang nahm die Initiative in der Garage von Bettina Vollmerhausen. Diese Garage funktionierte eingangs als Stauraum, da viele Begeisterte Werkzeuge spendeten obwohl die Tool Library noch keinen offiziellen Standort hatte. Nachdem genug Geld durch eine Crowdfunding-Kampagne zusammengekommen war, fand der Umzug zum jetzigen Standort statt, der sowohl mit dem Auto, aber auch mit öffentliche Verkehr erreichbar ist. Zum Stand der Forschung beschränkte sich das Angebot auf das Verleihen von Gegenständen, das Workshop-Programm befand sich in Planung bzw. in einer ersten Anfangs- und Versuchsphase. Derzeit führte die OTL 1752 gelistete Gegenstände und wird von über 557 Mitgliedern genutzt, die für ihre Mitgliedschaft 60CAN$ als Einzelperson, 90CAN$ als Familie oder aber 200CAN$ als Gruppe mit bis zu 5 Mitgliedern bezahlen. Die OTL kooperiert mit anderen Initiativen im Quartier, sie ist zu 20-30% von Fördergeldern abhängig und kann sich derzeit nicht allein durch Mitgliedsbeiträge halten.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Quartiersbeschreibung Die OTL liegt inmitten von Quartiersgrenzen. Der Verwaltungsdistrikt, auf den sich die Zahlen beziehen nennt sich Ward 14, die Quartiersbeschreibungen folgen aber den umgangssprachlich bekannten Quartiersbezeichnungen: So ist die OTL einerseits von Little Italy und Chinatown umgeben. Im Zentrum des Stadtteils liegt die Preston Street, auch bekannt unter dem Namen „Corso Italia“. Geschäfte und Unternehmen sind überwiegend familiengeführt und bieten breite Angebote an Restaurants, Cafés, Theatern, Freizeiteinrichtungen und gemischt genutzten Wohnungen an, welche optimal mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. OTTAWA EIGENTÜMER / MIETER
OTTAWA
GESCHLECHT
Eigentümer
3-4
5
2
1
Freistehend 5 OG+
Einwohner: 35.000 Fläche: 5,4 km2 Bevölkerungsdichte: 6.481/ km2 QUELLE: google.com.maps
Reihe/ Doppel
SOZIO-DEMOGRAPHISCHE DATEN
HAUSHALTSGRÖSSE (Personen)
WOHNFORM (Art des Hauses)
WARD 14
m
w
Mieter
Einwohner: 2.731.630 Fläche: 630 km2 Bevölkerungsdichte: 4.334 / km2
WOHN- & BAUDATEN
272
ALTER
65+ 0-14 55-64 15-29 30-54
EINKOMMEN (in 1000) DURCHSCHNITT: 44.428 CAN $ Haushalt: 102.000 CAN $
150+ 50-150
0-50
- 5 OG QUELLE: Eigene Darstellung basierend auf Daten von: www.nexthome.yp.ca / Ward Profiles City of Ottawa (Statistics Canada)
Anhang 07/Ottawa 02 _ Quartiersbeschreibung Die Wohnsituation setzt sich aus 71% Mietwohnungen und 29% Eigentümern zusammen, wobei die meisten Menschen Little Italys in Hochhäusern wohnen. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt bei 61.000$ pro Jahr und verteilt sich auf 52% Alleinstehende, 30% Paare und 18% Familien mit Kindern. Rund 42%
Anhang
der Anwohner sind zwischen 30 und 54 Jahre alt, 20% sind 20-29 Jahre alt, 14% sind 65+ Jahre alt. 36% der Menschen bewegen sich mit dem Auto fort, 8% wählen den Bus, dieselbe Anzahl geht zu Fuß und 2% nehmen das Fahrrad (www.nexthome. yp.ca). Auf der anderen Seite sind die Stadtteile Hintonburg/Mechanicsville, deren Bevölkerungsdichte bei 5.383 Anwohnern pro km² liegt. Es leben ca. 9.790 Menschen in den Stadtteilen wobei die Geschlechterverteilung sehr ausgewogen ist (48,8 männlich, 51,2 weiblich). Die Einkommensverteilung gestaltet sich wie folgt: 23,5 % unter 20.000$ pro Jahr, 25,3 % 20.000-50.000$ pro Jahr, 21,8% 50.00080.000$ pro Jahr. Die Altersstruktur zeigt, rund 50% der Anwohner sind zwischen 30 und 54 Jahre alt, 18% sind 20-29 Jahre alt, 17% sind 65+ Jahre alt. Diese Personen verteilen sich mit 55,4% auf einen 1-Personen Haushalt, mit 28,7% auf einen 2-Personen Haushalt und mit 8,7% auf einen 3-Personen Haushalt. 14,3% der Menschen wohnen in Einfamilienhäusern, 39,7% wohnen in Hochhäusern und 26,6 in Flachbauwohnungen (www.neighbourhoodstudy.ca). Die OTL befindet sich in der oberen Etage in einem ehemaligen Industriekomplex, dass mittlerweile zum hippen Teil der Stadt zählt.
Geschäftsmodell In Ottawa wurde die Society for Social Ingenuity als Trägerorganisation gegründet, die die OTL als ihr (erstes) Projekt betreibt. Faktisch reöffnet hatte die OTL im September 2015, indes die Society for Social Ingenuity bereits ein Jahr früher gegründet wurde. Die Vorlaufzeit von der Institutionalisierung bis zur Realisierung hatte in Ottawa folglich ein Jahr gedauert. Die OTL startete mit 350 Werkzeugen, die bis Juli 2018 auf eine Anzahl von ca. 2.000 angewachsen ist. Das Kernteam um Bettina Vollmerhausen besteht aus sechs Leuten, die von wechselnden Freiwilligen f lankiert werden, die die Öffnungszeiten gewährleisten. Das Gründungsteam ist nur teilweise in das Tages-’geschäft’ eingebunden. Somit gibt es eine Trennung zwischen der strategischen Leitung durch den Vorstand und den operativen Aktivitäten des alltäglichen Betriebes der Bibliothek der Dinge.
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Anhang 07/Ottawa 03 _ Business Model Canvas der OTL
Wer kze ug spe nd e n Wi s s en d er Eh ren a mtl i c h e n
KE Y RESOUR CES
no n -profi t (G e me i nwo hl org an i sat i o n) 5 B o ard - M i tg li e d er myTu r n a ls S o f t wa re
G EÖ FF NE T S EIT 2014
M i ete / Ver s i c her u n g R e pa rat uren / I nve nta r S o f t ware
COS T STRUC TURE
E hre n amt li c h e
Fö rde rer S p e nd er
Ö ff nun g sze i ten War tun g d er G eräte
KE Y AC T IVITIES
K E Y PAR T NERSH IPS
Lo k a le I ni t i at i ve n Ver m i e ter B en a c hba r te I n i ti at i ve n
L I B R A RY
OT TAWA TO O L
_
Produkte Wissen G emeinschaf t
Nachbarsch a f t im Q uar tie r
C U STOMER SEG MEN TS
60 C AN$ / J a h r
KOSTENSTRU K T U R
M itgli ed sbeiträge / Leihgebühren / Verspätungsgebühre n Fö rd e rg e l d e r / Crowdf u nding / Abve r k ä u fe Promo -Ar tikel
7 0 0 + M i tg li ed er 1 7 8 5 + G eg ens t änd e 4 0 0 0 Aus lei hen i n 2 0 1 6
STATISTIKEN
persö nlich Webseite S oz ia l e M e die n
C H AN N ELS
RE VENUE STREAMS
Wer kzeug e berei t s tellen O r t für G emei n s c h af t B erat ung & Aus t aus c h
C A NVA S -
C U STOMER R ELATION SH IP
M O D E L
VALUE PR OPOSITION
B U S I N E S S
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Anhang
Ottawa Tool Library _ Foto: Heike Engelberg
Ottawa Tool Library _ Foto: Heike Engelberg
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Ergebnisse der Nutzerbefragung User Journey Bewertung der Nutzungsphase durch Mitglieder der OTL
information
ankunft
information
formalitäten
auswahl
transport
nutzung
transport
feedback
Ottawa Tool Library +2 +1 0 -1 -2
n=16 Juni 2017
Anhang 07/Ottawa 04 _ User Journey der Ottawa Tool Library Die Interessenten und Mitglieder waren spätestens nach einem Gespräch positiv gestimmt, einige schon ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von der OTL gehört hatten. Die Formalitäten wurden als sehr aufwendig und lästig wahrgenommen. Die darauffolgende Beratung und Wahl der Gegenstände hingegen hat wieder für eine Auf hellung der Stimmung gesorgt. Der Transport der Gegenstände wurde sehr unterschiedlich wahrgenommen: Die meisten Nutzer kamen mit dem Auto und es gab reichlich Parkmöglichkeiten direkt vor der Tür, die negative Stimmung kam wegen der zusätzlichen Wege und dem damit verbundenen Aufwand auf. Die Nutzung wurde durchweg neutral bis positiv wahrgenommen. Der Rücktransport sorgte oftmals für ein erneutes Stimmungstief, das am Ende nach dem Feedbackgespräch aber wieder durchweg verf logen war.
Love & Hate Letter Die Daten sowohl der Gespräche als auch der Love & Hate Letter wurden an zwei Tagen erhoben. Besucher und Mitglieder der Ottawa Tool Library wurden nach einem kurzen Gespräch, ggf. dem Interview und einer lockeren Diskussion aufgefordert, ihre Gedanken und ihre Meinung auf Klebezetteln auf vorbereiteten Plakaten zu platzieren. Die Ergebnisse der ließen sich wie folgt zusammenfassen: Dear Library I love you because:
Anhang
... I like to talk to volunteers! ... you are volunteer run. ... people are interested in what I like. ... I can ask questions and get knowledgable ADVICE. ... everything is full of respect. ... everyone is spectacularly friendly and helpful! ... people are friendly. ... you build community - literally. ... you promote the „small town mentality“ of helping your neighbour. ... you show me that EVERYONE can use tools. ... you democratize access to tools. ... you tackle the topic: Average lifetime use per tool: 13 minutes! ... you offer a great way to share the cost of tools you only need once in a while. ... I can borrow the right tool for the job, rather than improvising with what I have. ... you offer me a great way to have access to tools while not having to own them. ... I don‘t have to feed the need to buy buy buy. ... of you I have less stuff in my house. ... you help me be a minimalist. ... you give me access to things that are usually large investments. ... having you I have to buy fewer tools. ... I love sharing. Dear Library I really dislike: I wish you were open all the time. I wish you were open more often. I wish you had a self service e-Checkout. I wish you were also available „en francais“.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Zusammenfassung Die OTL ist wider Erwarten schneller und stärker gewachsen als vorhergesehen, was zum Zeitpunkt der Forschung zu organisatorischen Herausforderungen für die Betreiber führt. Sachspenden sind von Anfang an reichlich vorhanden und müssen teilweise abgelehnt werden. Die Wartung der Gegenstände ist schwierig, da wenig fachkundige Ehrenamtliche vorhanden sind. Zum Zeitpunkt der Forschung wurden noch keine regelmäßigen Workshops angeboten, was von den Nutzern kritisiert wurde. Das Programm befindet sich mittlerweile aber im Auf bau. Die Gewinnung, Einarbeitung und Verstetigung von Ehrenamtlichen ist eine Herausforderung, die viel Zeit und Engagement in Anspruch nimmt. In der Zwischenzeit wurde eine Stelle geschaffen, die für die Verwaltung der Ehrenamtlichen und die strategische Entwicklung verantwortlich sind und so für eine Verstetigung des Angebotes sorgen. Die Ottawa Tool Library war zum Zeitpunkt der Beforschung in einer Phase, in der sie das eigene Angebot noch an die Bedürfnisse der Nutzer anpasst. Das Wachstum des Angebotes galt es an die Nachfrage zu koordinieren. Gut vernetzt mit anderen Initiativen ist die OTL kein nur für sich agierendes Angebot, der Fokus aller Bemühungen lag zum Forschungszeitpunkt auf der eigenen Entwicklung und der Anpassung des Angebotes
Anhang
Anhang 08: Auswertung der Fallstudien: Toronto Tool Library Geschichte der Toronto Tool Library / Sharing Depot Die beiden Gründer Ryan Dyment und Lawrence Alvarez lernten auf der Suche nach einer Projektidee die Tool Library in Berkeley kennen und beschlossen nach einem Besuch von Ryan vor Ort dieses Konzept auch in Toronto umzusetzen. Sie wollten damit in ihrer Nachbarschaft lokale Veränderungen bewirken. 2012 haben die beiden ihre ersten Fördermittel vom Centre for Social Innovation (Toronto) erhalten und das Institute for a Resource Based Economy (IRBE) gegründet. Dessen Mission soll es fortan sein, Projekte ins Leben rufen, die das bestehende ökonomische System infrage stellen und Sharing-Praktiken etablieren. Dabei soll das Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, die Gemeinschaften in den Quartieren zu befähigen. Im März 2012 öffnete der erste Standort der TTL in Parkdale, der durch Medienberichte vorab reichlich Zuspruch im Quartier sowie Mitglieder und Spenden erhalten hat. Dieser Standort wurde hauptsächlich durch die private Finanzierung von Ryan Dyment ermöglicht. Der Erfolg dieses ersten Standortes bewegte die Gründer kurz danach einen zweiten zu eröffnen – in Danforth. Dieser zweite Standort sollte gleich viel mehr leisten, so wurde hier ein Makerspace geplant. Außerdem sollte ein Raum für nachbarschaftliche Treffen zur Verfügung gestellt werden. Mittels einer Crowdfunding-Kampagne wurden 16.000 CAN$ zur Renovierung und zum Umbau der Räumlichkeiten eingenommen und der Standort konnte im Oktober 2013 öffnen. Mittlerweile hat sich dieser Standort zum Flaggschiff entwickelt, ist im Ladengeschäft sowohl wie im Keller anzutreffen, beherbergt neben der Tool Library auch das Sortiment des Sharing Depot (die Bibliothek der Dinge Toronto’s). Eine kurze Zeit gab es den Standort in Downsview, sowie für knapp zwei Jahre eine Station in einer öffentlichen Bibliothek. Diese beiden Standorte wurden mittlerweile aber wieder geschlossen, da sie sich nicht in dem Maße etabliert haben, wie es nötig gewesen wäre. Im März 2017 wurde der nun dritte Standort in Hilcrest eröffnet, der innerhalb nur kurzer Zeit mehr als ausreichend Mitglieder gewinnen konnte, um erhalten werden zu können. Zusätzlich wird in Kooperation mit einem Kiosk eine kleine Abhol- und Ablieferstation an zentraler Stelle nahe Down-Town betrieben. Das Team der TTL agiert mittlerweile mit zwei Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen, die sowohl durch Fördergelder als auch durch eigene Einnahmen finanziert werden. Die Gründer strebten von Anfang an mehr an, als nur die Eröffnung einer Initiative im eigenen Quartier. Das macht das Mission-Statement der IRBE deutlich: „Das heute vorherrschende Wirtschaftssystem hat beispiellose Krisen ausgelöst, die die Menschen und unseren Planeten ausbeuten. IRBE strebt eine Welt an,
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
die auf diese Krisen reagiert, indem sie Ressourcen teilt, belastbare Projekte und Gemeinschaften schafft und uns zu unserem höchsten Potenzial motiviert.“ Aus dieser Motivation erklärt sich, dass in Toronto mittlerweile 4 Standorte gegründet wurden.
Quartiersbeschreibung(en) Parkdale TORONTO _ PARKDALE EIGENTÜMER / MIETER
Einwohner: 2.731.630 Fläche: 630 km2 Bevölkerungsdichte: 4.334 / km2
Mieter
Eigentümer
HAUSHALTSGRÖSSE (Personen) 5 3-4
1 2
WOHNFORM (Art des Hauses) Freistehend
PARKDALE Einwohner: 35.628 Fläche: 2,9 km2 Bevölkerungsdichte: 14.308 / km2 QUELLE: google.com.maps
5 OG+
GESCHLECHT
Doppel-/ Reihe
- 5 OG
w
m
SOZIO-DEMOGRAPHISCHE DATEN
TORONTO
WOHN- & BAUDATEN
280
ALTER
65+ 0-14 55-64 15-24 25-54
EINKOMMEN (in 1000) DURCHSCHNITT: 45.580 CAN $ 80+ 50-80
0-20
20-50
QUELLE: Eigene Darstellung basierend auf Daten von: http://www12.statcan.gc.ca/census-recensement/2016
Anhang 08/Toronto 01 _ Quartiersbeschreibung: Parkdale Der Stadtteil Parkdale in Ontario Toronto wurde in den späten 1800er Jahren gegründet und gilt als vielfältiger Stadtteil, sowohl alte viktorianische Villen als auch Hochhäuser prägen das Bild des Viertels. Diese Gegend war lange geprägt von neuen Immigranten und anderen Zugezogenen mit überwiegend niedrigerem Einkommen. Der Baubestand ist zwischen 80-100 Jahre alt, die überwiegend reparaturbedürftig sind. Früher war die Gegend eine eher gefährliche und un-
Anhang
freundliche Gegend, aber das ändert sich allmählich. Das Quartier ist geprägt von Stolz in und für die Nachbarschaft. Rund 110.000 Menschen leben dort, bei einer Bevölkerungsdichte von ca. 7.360 Menschen pro km². Die Geschlechterverteilung ist ausgewogen. Die Einwohner Parkdales verteilen sich auf ca. 50.000 Wohneinheiten, wobei rund 60% gemietet sind und 40% von Eigentümern bewohnt werden. Die Baustruktur teilt sich auf in 17,4% Einfamilienhäuser, 44,2% Wohnungen mit weniger als fünf Etagen und 38,4% Wohnungen mit mehr als fünf Etagen. Im Durchschnitt verdienen die Menschen 90.519 CAN$ pro Jahr. Die Altersstruktur zeigt, dass Rund 41,76% der Anwohner zwischen 30 und 54 Jahre alt, 14,2% 20-29 Jahre alt, 13,36% 65+ Jahre alt und 15,16% der Anwohner Parkdales unter 14 Jahre alt sind (www12.statcan.gc.ca, www.torontoneighbourhoods.net).
Danforth Das Stadtquartier Danforth ist vorwiegend Wohnraum. Hier leben viele junge Familien mit mittlerem bis hohem Einkommen. Viele Häuser sind mittleren Alters und es herrscht ein gutes nachbarschaftliches Ambiente. Der Bezirk Danforth erstreckt sich über ein weites Gebiet, welches hier zwar statistisch angegeben ist, näher beschrieben wird jedoch v.a. die Gegend direkt um die TTL. Die engere Umgebung um die Danforth-Street ist bewohnt von ca. 10.000 Bewohnern. Die Geschlechterverteilung ist ausgewogen, fast die Hälfte der Anwohner sind zwischen 25-45 Jahre alt. Der Rest verteilt sich gleichmäßig auf die jüngeren und älteren Altersklassen auf. Von den 10.000 Einwohnern werden 4.108 Wohneinheiten von Eigentümern bewohnt. Nur 8% davon sind höher als 5 Etagen, 36% sind Mehrfamilienhäuser mit weniger als 5 Etagen, 38% sind Reihen- oder Doppelhäuser und 17% sind alleinstehende Häuser. 43% der Haushalte bestehen aus zwei Bewohnern, je ca. ein Viertel der Haushalte besteht aus drei und vier Bewohnern, fünf oder mehr Personen wohnen in 7% der Wohneinheiten (www. toronto.ca).
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
TORONTO _ DANFORTH EIGENTÜMER / MIETER
TORONTO Einwohner: 2.731.630 Fläche: 630 km2 Bevölkerungsdichte: 4.334 / km2
5 3-4
1 2
QUELLE: google.com.maps
Freistehend
- 5 OG Reihe/ Doppel
SOZIO-DEMOGRAPHISCHE DATEN
HAUSHALTSGRÖSSE (Personen)
5 OG+ Einwohner: 106.875 Fläche: 19.75 km2 Bevölkerungsdichte: 5.411 / km2
m
Eigentümer
WOHNFORM (Art des Hauses)
DANFORTH
GESCHLECHT
Mieter
WOHN- & BAUDATEN
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w
ALTER
65+ 0-14 15-24
55-64
25-54
EINKOMMEN (in 1000) DURCHSCHNITT/ 43.729 CAN $
80+ 50-80
0-20
20-50
QUELLE: Eigene Darstellung basierend auf Daten von: http://www12.statcan.gc.ca/census-recensement/2016
Anhang 08/Toronto 02 _ Quartiersbeschreibung: Danforth
Hilcrest Hilcrest ist hauptsächlich ein Wohngebiet. Hier finden sich große Einwanderergemeinschaften unterschiedlicher Nationalitäten, so z.B. Italiener, Portugiesen und südamerikanische Gruppen. Es bestehen gute Nachbarschaftsverbindungen zwischen den Menschen. Die Anzahl der Menschen im Quartier beträgt 16.934 was zu einer Wohndichte von 3.148 Einwohner/km2 führt. 36% der Anwohner sind 25-54 Jahre alt, ein Viertel ist älter als 65 Jahre, der Rest verteilt sich gleichmäßig auf die Altersstufen von Kindern, Jugendliche und 55-65- Jährige. Die Geschlechterverteilung ist annähernd ausgewogen mit einer minimalen Dominanz der Männer.
Anhang
TORONTO _ HILCREST EIGENTÜMER / MIETER
TORONTO
k.A. Eigentümer Mieter
HAUSHALTSGRÖSSE (Personen) 5 3-4
1 2
WOHNFORM (Art des Hauses)
5 OG+ Freistehend Einwohner: 16.934 Fläche: 5,38 km2 Bevölkerungsdichte: 3,148 / km2 QUELLE: google.com.maps
- 5 OG
Reihe/ Doppel
m
SOZIO-DEMOGRAPHISCHE DATEN
WOHN- & BAUDATEN
Einwohner: 2.731.630 Fläche: 630 km2 Bevölkerungsdichte: 4.334 / km2
HILCREST
GESCHLECHT
w
ALTER
65+
0-14
15-24 55-64 25-54
EINKOMMEN (in 1000) DURCHSCHNITT: 33.465 CAN $
0-20 80+
20-50 50-80
QUELLE: Eigene Darstellung basierend auf Daten von: http://www12.statcan.gc.ca/census-recensement/2016
Anhang 08/Toronto 03 _ Quartiersbeschreibung: Hilcrest
Downsview Der Standort in Downsview wurde nach einiger Zeit wieder geschlossen, da er nicht ausreichend frequentiert wurde. Die Gegend ist geprägt von Hochhäusern. Während des Betriebes wurde kein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl in der Gegend wahrgenommen. Die Tool Library lag an einer Kreuzung von zwei Schnellstraßen und war zudem in einem Untergeschoss an der Rückseite einer öffentlichen Bibliothek schlecht einsehbar. Die schlechte Rezeption des Angebotes führte bei den Machern zu der Annahme, dass Menschen in kleineren Wohneinheiten die vorwiegend angemietet sind, keinen nennenswerten Bedarf an Werkzeugen zur Instandhaltung ihres Wohnraumes haben. Ein jeweiliges Verorten der Mitglieder der einzelnen Standorte ist aufgrund unzureichender Datenlage bezüglich der Wohnortangaben der Nutzer nicht möglich.
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Toronto Tool Library, Standort Hilcrest _ Fotos: Heike Engelberg
Anhang
Geschäftsmodell Das Institute for a Resource Based Economy (IRBE) verantwortet als erstes Projekt die TTL. Die Gründer entschieden sich für diese Form der Institutionalisierung, da es in Kanada so am einfachsten ist, Fördermittel zu akquirieren. Ziel ist es, die Tool Library in eine Charity zu überführen, weil dadurch noch mehr Fördergelder zugänglich wären. In Kanada sind die Hürden für eine Anerkennung allerdings sehr hoch, weswegen sie bislang gescheitert sind. Die TTL kommuniziert als vorrangiges Wertversprechen den Zugang zu Gegenständen sowie den Ort für Austausch und Beratung. Die dahinterliegende IRBE jedoch verfolgt das Ziel Ressourcen zu teilen, um dadurch Verbräuche zu senken. Auch wenn dieses Wertversprechen nicht direkt kommuniziert wird, so liegt es allen strategischen Entscheidungen zugrunde. Angesprochen sind ausdrücklich private wie gewerbliche Nutzer. Maker, Profis sowie Amateure. Aber auch andere Initiativen werden zur Kooperation eingeladen. Die Kosten für den laufenden Betrieb können bislang nicht ohne externe Fördergelder bewältigt werden, die Einkommensquellen basieren nicht nur auf Mitgliedsbeiträgen sondern auch auf Workshop Gebühren, Verspätungsgebühren, Verkauf von Promo-Artikeln sowie Mitgliedschaften für die Werkstattnutzung.
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Anhang 08/Toronto 04 _ Business Model Canvas der Toronto Tool Library
We r kzeu gsp e nden Wissen der Ehrenamt l i chen Ar b ei t sp l atz
KERN RE SSO U R C EN
Ö ff nungszei ten Wa r tun g der G e räte B eratung S er vi ces / Wor kshops
K ER N A K TI V ITÄT EN
L I B R A RY
non- p ro fi t (G emei nwohl organi sati on 8 B o ard -M i tgl i ed er myTur n al s S of t wa re
GE ÖFFN E T SEI T 2 0 1 4
M iete / Versi cher u ng R epa raturen / I nventar S of t wa re
KOS TEN STR UK TU R
Eh rena mtl i che
Förderer Spe nder
Lok ale I ni ti at i ven Ver miete r B enac hba r te I nitiativen stä dt. B i bl i o thek en St adt ver wa l tu n g
SC HLÜ SS EL PA R T NER
TO RO N TO TO O L
Produkte Wis s en G em ei ns c ha f t Ar b ei ts p l atz
K ANÄLE
p ers önl i c h Web s ei te S oz i a l e M ed i en Youtube
4 0 0 0 + M i tgl i ed er 7 0 0 0 + G egenstä nd e x x x Ausl ei hen i n 2 0 1 7
DIY-M a ke r U ner f a hre ne Nutzer Profi s I ns titutio nen
g ewer b l i che Nutzer p r i vate N utzer
Na c hb a rs chaf t i m Q ua r ti er
N U T ZER G RU PPE N
5 5 C A N$ / J a hr ( D ep ot od er T TL ) 8 5 -1 1 0 C A N$ / J a hr ( D ep ot & T TL )
KOSTENSTRUK TUR
M itgliedsbeiträg e / Leihg ebühren / Vers pätung s g ebühren Fö rdergel der / Crowd f und i ng / Abver k ä ufe Promo -Ar tikel
EIN KOMMEN SQU ELLEN
T TL: Wer k zeu ge b erei t stel l en Or t f ür G emei nscha f t B eratung & Austa usch
C ANVAS
K U N DEN B EZIEHU N G
M O DE L
I R B E: R essourcen tei l en G emei nscha f t stä r ken M enschen moti vi eren
W ER T V ERSP REC H EN
B U S IN E S S
STAT IST IK EN
_
286 Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
Anhang
Leitung In Toronto sind alle Involvierten voll mit eingebunden. Die Personen, die im Board sind, sind auch für Öffnungszeiten der Standorte zuständig. Freilich gibt es eine Aufgabenteilung. So fühlen sich unterschiedliche Personen vorwiegend verantwortlich für die unterschiedlichen Standorte. Es gibt verschiedene Aufgabenbereiche. Vor allem Ryan Dyment ist zum Zeitpunkt der Forschung mindestens 200% ausgelastet: „My name is Ryan. I am Cofounder and Executive Director of the Tool Library and Sharing Depot. My role is to really manage the volunteers, manage the location, manage the inventory, manage the questions, the makerspace, the salaries the payroll, the accounting, the grant writing. A lot of stuff. I have my hands virtually in everything.“ (Toronto, Ryan) Der Stamm der Ehrenamtlichen f luktuiert, und manche Aufgaben lassen sich nicht von Ehrenamtlichen bewältigen. Die Fluktuation lässt sich mit dem Lebensstil in Großstädten begründen. Es herrscht ein reger Hin- und Wegzug und die Altersgruppe der vorwiegend jüngeren Menschen, die sich einbringen, ist eine Lebensphase steter Veränderung. Diese Fluktuation hat Vor- und Nachteile. Einerseits ist die Sorge unberechtigt, wenn Helfer ihren Dienst quittieren, denn es ist davon auszugehen, dass adäquate Nachfolger nachrücken werden. Andererseits ist die Einarbeitung immer mit Aufwand verbunden, der den Aktiven die Zeit für andere anstehende Aufgaben nimmt. Eine Kooperation mit einer städtischen Bibliothek wurde zwei Jahre lang ausprobiert, zum Zeitpunkt der Forschung aber gerade beendet. Grund dafür waren zu geringe Nutzerzahlen, zu hoher Betreuungsaufwand und Abstimmungsprobleme zwischen dem sehr agilen Konzept der TTL und den bürokratischen Strukturen einer öffentlichen Behörde. Für die interne wie externe Kommunikation ist eine halbe Stelle eingerichtet, was dazu führt, dass alle Kanäle der Öffentlichkeitsarbeit gut bedient werden. Die TTL ist durch ihre verschiedenen Akteure sehr stark im innerstädtischen Geschehen vernetzt und auch in der Szene der nachhaltigen Initiativen verankert. Durch die diversen Hintergründe der Macher resultieren unterschiedlichste Verbindungen in die Umwelt der TTL.
Finanzierung Die Einkommensströme der TTL sind divers. 10-20% werden durch Fördergelder gedeckt. Fördergelder sind aber nur in den seltensten Fällen für administrative Stellen zu verwenden. Die meisten Geldgeber möchten ihr investiertes Geld für konkrete Projekte ausgeben, die Hilfe soll direkt sichtbar sein. Finanziert wird in TTL unter anderem: Anschaffung von Werkzeugen, Marketing (Öffentlichkeits-
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Die neue Share Economy: Bibliotheken der Dinge
arbeit). Mitgliedsgebühren sind der größte Einkommensquelle. Verspätungsgebühren sind Teil der Einkommensquelle
Software In Toronto kommt die Software myTurn zum Einsatz. Strategisch hätten die Macher die Verwaltung von Anfang an anders eingerichtet, hätten sie die weitere Entwicklung erahnt. Zum Zeitpunkt des Besuchs sorgte die Tatsache, dass alle Nutzer der unterschiedlichen Standorte in einer Datenbank geführt wurden für Schwierigkeiten in der Bestimmung des Erfolges der einzelnen Standorte. Sinnvoll wäre eine Strategie gewesen, die die einzelne Verwaltung der Standorte ermöglicht, zumindest aber vereinfacht.
User Journey Die Nutzerwahrnehmung war für die beiden dargestellten Standorte ein wenig unterschiedlich, da sich bei Danforth auch die Werkstattnutzer geäußert haben. Generell zeichnet sich wieder ein Bild ab, in dem die Stimmung spätestens nach einem Gespräch mit den Anwesenden eher positiv ist. Bei der Ankunft wurde eine schlechte Erfahrung gemacht, da die TTL unerwartet geschlossen war, was zu Frust geführt hat. Die negativen Wahrnehmungen zum Kennenlerngespräch resultieren aus entweder einer enttäuschten Erwartungshaltung oder aus dem Gefühl, dass die Ehrenamtlichen keine Werkzeugexperten waren und nicht alle Fragen beantworten konnten. Die Aushändigung der Werkzeuge wurde neutral bis positiv wahrgenommen. Der Transport wiederum als eher lästig und störend, wobei der Rücktransport als ‚der schlimmere Weg’ bezeichnet wurde. Immerhin war man vor der Arbeit noch in freudiger Erwartung auf die Nutzung des Gegenstandes. Nachdem die Arbeit getan war, war der Gedanke an die zusätzliche Pf licht, den Gegenstand wieder zurückzubringen als belastend beschrieben. Das Feedbackgespräch allerdings machte den Weg wieder wett und die Stimmung stieg zum Abschluss wieder an.
Anhang
Bewertung der Nutzungsphase durch Mitglieder der TTL
information
ankunft
information
formalitäten
auswahl
transport
nutzung
transport
feedback
Toronto Tool Library _ Danforth +2 +1 0 -1 -2
n=12 Juni 2017
Toronto Tool Library _ Parkdale +2 +1 0 -1 -2
n=10 Juni 2017
Anhang 08/Toronto 05 _ User Journey der Toronto Tool Library
Zusammenfassung Die drei unterschiedlichen Standorte der TTL befinden sich in drei Wohngebieten, die unterschiedliche demographische Merkmale aufweisen. Die Leitung der TTL ist sehr professionell und es ist deutlich spürbar, dass es Hauptberuf lich tätige Mitarbeiter gibt, die als Entscheidungsträger auftreten und die mittelfristige, strategische Entscheidungen treffen. Bezahlte Mitarbeiter und Ehrenamtlich tätige arbeiten in einer freundlichen Atmosphäre zusammen und es ist keine negative Stimmung wahrnehmbar ob vermeintlich unterschiedlicher Hierarchiestufen. Die TTL ist von Anfang an mit dem Ziel des Wachstums betrieben worden und beruht nicht auf einer rein inner-nachbarschaftlichen Zielsetzung. Gegründet wurde sie nicht aus einem persönlichen Bedarf heraus, sondern aus der Motivation nachhaltige Projekte zu bearbeiten. Den Machern ist bewusst, dass sie sich langfristig wahrscheinlich in die Welt des Marketings begeben muss, um auch die derzeit inaktiven Zielgruppen ansprechen zu können (Interview – Ryan). Das entspräche einer Nutzung des Systems um selbiges abzuschaffen.
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Danksagung
Zuerst danke ich dem Ministerium sowie der Stiftung Mercator für den finanziellen und institutionellen Rahmen, den sie für diese Arbeit gesetzt haben. Damit verbunden danke ich meinen Mitstreitern des Fortschrittkollegs für die stets motivierenden, gemeinsamen Auseinandersetzungen während des gemeinsamen Weges. Für die fachliche Begleitung danke ich vor allem Prof. Dr. J. Alexander Schmidt, der unermüdlich vor allem auch die unangenehmen Fragen stellte und damit den Fortgang der Arbeit sicherte, sowie Prof. Dr. Petra Schweizer-Ries. Ich danke der großen Gemeinschaft aller Aktiven von Bibliotheken der Dinge, die diese zum Leben erwecken. Ohne sie wäre diese Arbeit gar nicht erst zustande gekommen. Deshalb danke ich zuvorderst meinen Interviewpartnern, die ausdauernde Bereitschaft bewiesen, mir Einblicke in ihr Tun zu gewähren. Gene Homicki, der mir Einblicke in die Welt hinter die Zahlen-Kulissen der neuen Bibliotheken gab und in vielen Gesprächen all seine Erfahrungen preisgab. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Gesprächen trugen signifikant zu den Ergebnissen dieser Arbeit bei. Ganz herzlich möchte ich mich bei Heike Engelberg bedanken, die die empirische Arbeit fotografisch dokumentierte und diese Arbeit dadurch anschaulicher gemacht hat. Für rastlose Kritik an sprachlichen Finessen danke ich sowohl Silke Stralek sowie Sandra Greassidis, ohne die der Endspurt ungleich kurvenreicher geworden wäre. Meiner Mutter danke ich für ihre bedingungslose Unterstützung bei all meinem Schaffen. Besonderer Dank gilt Oliver Stengel, der sich aber nicht danken lassen will. Der grundlegendste Dank gilt meinem Vater, der mir zeit seines Lebens ein Aufstehen-und-Weitermachen vorgelebt hat, ohne das ich heute nicht an diesem Punkt wäre.
Geographie kollektiv orangotango+ (ed.)
This Is Not an Atlas A Global Collection of Counter-Cartographies 2018, 352 p., hardcover, col. ill. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4519-4 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation E-Book: ISBN 978-3-8394-4519-8
Susann Schäfer, Jonathan Everts (Hg.)
Handbuch Praktiken und Raum Humangeographie nach dem Practice Turn 2019, 396 S., kart., 5 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4603-0 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4603-4
Ian Klinke
Bunkerrepublik Deutschland Geo- und Biopolitik in der Architektur des Atomkriegs 2019, 256 S., kart., 21 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4454-8 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4454-2 EPUB: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4454-8
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Geographie Barbara Schönig, Justin Kadi, Sebastian Schipper (Hg.)
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Severin Halder
Gemeinsam die Hände dreckig machen Aktionsforschungen im aktivistischen Kontext urbaner Gärten und kollektiver Kartierungen 2018, 468 S., kart. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4547-7
Christoph Baumann
Idyllische Ländlichkeit Eine Kulturgeographie der Landlust 2018, 268 S., kart., 12 SW-Abbildungen 29,99 € (DE), 978-3-8376-4333-6 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4333-0
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