Rechtsprechung aus dem Bau-, Grundstücks- und Nachbarrecht: Band 2 [Reprint 2020 ed.] 9783112319567, 9783112308370


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German Pages 198 [208] Year 1958

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Inhaltsübersicht
Abkürzungen der wichtigsten Zeitschriftentitel
I. Enteignungs- und Baupolizeirecht
II. Baulandbeschaffung und Umlegung
III. Bauvertragsrecht
IV. Wohnungsbaurecht
V. Grundstücksgebühren und -abgaben
VI. Maklerrecht
VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten
VIII. Verkehrssicherungspflicht
IX. Nachbarrecht
X. Grundstücksrecht
Sachregister zum 1. und 2. Band
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Rechtsprechung aus dem Bau-, Grundstücks- und Nachbarrecht: Band 2 [Reprint 2020 ed.]
 9783112319567, 9783112308370

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Rechtsprechung aus d e m

Bau-, Grundstücks- und Nachbarrecht herausgegeben von

Dr. H u g o Glaser Oberlandesgerichtsrat in K ö l n

1958 J. S C H W E I T Z E R

V E R L A G

B E R L I N

Rechtsprechung aus dem

Bau-, Grundstücks- und Nachbarrecht

2. Band

1958 J. S C H W E I T Z E R

V E R L A G

B E R L I N

Satz und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin S W 6 1 Alle Rechte* einschliefilicb des Rechtes der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten

Inhaltsübersicht I. Enteignungs- und Baupolizeirecht Nr. 1—55

1— 34

II. Baulandbeschafifung und Umlegung Nr. 56—66

35— 41

III. Bauvertragsrecht (Recht des Architekten und des Bauunternehmers) Nr. 67—80 42— 50 IV. Wohnungsbaurecht Nr. 81—112 V. Grundstücksgebühren und -abgaben Nr. 113—129 VI. Maklerrecht Nr. 130—165 VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten Nr. 166—174 VIII. Verkehrssicherungspflicht a) des Hauseigentümers b) der Gemeinde c) des Bauunternehmers Nr. 175—227 IX. Nachbarrecht Nr. 228—257 X. Grundstücksrecht Nr. 258—335

51— 70 71— 82 83— 99 100—105

106—130 131—149 150—194

Abkürzungen der wichtigsten Zeitschriftentitel AIZ Bay GWW BBauBl BB B1GBW Bin GrundE DÖV DRiZ DVB1 DWW ESVGH GWW FrWW Glaser Hbg GrundE HGBR HMR HuW HZtg JMB1 JR JZ MDR NHG Nds. Rpfl. NJW RdL SchlHA VersR VerwRspr WM ZfV ZMR

= Allgemeine Immobilien-Ztg. (Frankfurt a. M.) = Zeitschrift f ü r das gemeinnützige Wohnungswesen in Bayern (München) = Bundes-Baublatt (Bauverlag, Wiesbaden) = Betriebs-Berater (Recht und Wirtschaft, Heidelberg) = Blätter f ü r Grundstücks-, Bau- und Wohnungsrecht (Luchterhand-Neuwied/Rhein) = Berliner Grundeigentum (Helios Verlag Berlin-Borsigwalde) = Die öffentliche Verwaltung (Kohlhammer, Stuttgart) = Deutsche Richterzeitung (Heymanns Verlag, Köln) = Deutsches Verwaltungsblatt (Heymanns Verlag, Köln) = Deutsche Wohnungswirtschaft (Düsseldorf) = Entscheidungssammlung der hess. und württemb.-bad. .Verwaltungsgerichtshöfe (Müller, Karlsruhe) = Gemeinnütziges Wohnungswesen (Hamburg-Altona) = Die freie Wohnungswirtschaft (Hamburg) = Glaser-Entscheidungen aus dem Miet-, Wohnungs- und Grundstücksrecht (Verlag Haus und Grund, Köln) = Hamburger Grundeigentum (Nölke Verlag, Hamburg) = Handbuch des Grundstücks- und Baurechts (Werner-Verlag GmbH, Düsseldorf) = Handbuch des Miet- und Raumrechts (Werner-Verlag GmbH, Düsseldorf) = Haus und Wohnung (Gubalke, Berlin) bis 30. 6. 1957 = Hausbesitzer-Zeitung (mit Landeszusatz) = Justizministerialblatt (mit Landeszusatz) = Juristische Rundschau (de Gruyter, Berlin) = Juristenzeitung (Mohr, Tübingen) = Monatsschrift f ü r Deutsches Recht (Deutsche Rechtsprechung Verlags-G. m. b. H., Hamburg) = Niedersächs. Haus- und Grundbesitz (Hannover) = Niedersächs. Rechtspflege (Hannover) = Neue Juristische Wochenschrift (Beck, München) = Recht der Landwirtschaft = Schleswig-Holsteinische Anzeigen (Schleswig) = Versicherungsrecht (Karlsruhe) = Verwaltungs-Rechtsprechung (Beck, München) = Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Mieterbund Köln) = Zeitschrift f ü r Versicherungswesen (Hamburg) = Zeitschrift f ü r Miet- und Raumrecht (Werner-Verlag GmbH., Düsseldorf)

I.

Enteignungs- und Baupolizeirecht Nr. 1—55 Art. 14 GG 1. Bausperre — Enteignung a) Eine Bausperre, die der Sicherung der Arbeiten an einem Bebauungsplan zur Erschließung und Sicherstellung der Bebaubarkeit des Grundstücks dient, stellt eine inhaltliche Begrenzung bzw. eine soziale Bindung des Eigentums dar. b) Eine Bausperre dagegen, die durch Objekte gesamtstädtischer oder überörtlicher Planung im Interesse der Allgemeinheit veranlaßt ist oder deren Dauer aus diesem Grunde verlängert wird, fordert als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes von dem betroffenen Grundeigentümer ein Sonderopfer zum Wohle der Allgemeinheit und wirkt enteignungsgleich. c) Für den Charakter eines zeitweiligen Bauverbotes (Bausperre) als Inhaltsbestimmung des Eigentums oder als entschädigungspflichtige Enteignung ist grundsätzlich die Zeitdauer entscheidend. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Oktober 1956 — I C 86/55 — BB 1957, 16 — B1GBW 1957, 30 — DWW 1957, 39 — Bln. GrundE 1957,105 — MDR 1957, 119 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 48 —. Anmerkung: Über den Enteignungscharakter einer Bausperre vgl. auch Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. November 1954: BGHZ 15, 268 — BB 1954, 1083 — BBauBl. 1955, 17 — DÖV 1955, 180 (Dittus S. 161 und 196; Porsthoff S. 193 und Brunstäd S. 677) — MDR 1955, 88 — NJW 1955, 179; VG Berlin: Berliner GrundE 1956, 359 — Nr. 17/1957 ds. Sg. m. w. N. Vgl. Dittus: Sind Bausperren entschädigungspflichtig? — Gegensätzliche Meinung zweier oberster Bundesgerichte: Bauwelt 1957, 122.

Art. 14 GG 2. Bausperre — Enteignung a) Die weitgehenden Zerstörungen in Hamburg haben eine gesteigerte Pflichtigkeit des Grundeigentums begründet. b) Umfassende städtebauliche Neuplanungen verlangen für eine Übergangszeit den Stillstand jeder privaten Bautätigkeit. c) Eine Bausperre von 6 Jahren stellt noch keine außergewöhnlich unzumutbare Belastung dar. 1 Glaser, Baurecht-Entsch.

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I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

d) Die soziale Bindung des Eigentums verlangt vom Grundeigentümer in Krisen- und Notzeiten ein größeres Opfer als in gewöhnlichen Zeiten. — Landgericht Hamburg, Urteil vom 11. April 1957 — 3 O. 274/55 —. Anmerkung: Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg wendet sich in bedenklicher Weise gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in BGHE 15, 268 — NJW 1955, 179 — MDR 1955, 88 — BBauBl. 1955, 17. Das Urteil des Landgerichts Hamburg unterstützt einseitig eine allzu langsame Stadtplanung. Eine Bausperre von 6 Jahren bedeutet praktisch eine entschädigungslose Enteignung auf Zeit. Ein solcher Eingriff ist ein Sonderopfer, das mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nichts mehr zu tun hat.

Art. 14 GG 3. Aufnahme eines Grundstückes in das Griinflächenverzeichnis — Abgrenzung von Enteignung und Eigentumsbeschränkung a) Mit dem Beschluß des Großen Zivilsenats in BGHZ 6, 270 (280) (ebenso BGHZ 15, 268 [271]) ist ein hoheitlicher Eingriff dann als Enteignung zu charakterisieren, wenn in ihm ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt, der dem betroffenen Einzelnen oder einzelnen Gruppen ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer im Interesse der Allgemeinheit auferlegt. b) Eine Eigentumsbeschränkung ist demgegenüber anzunehmen, wenn ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz eine inhaltliche und soziale Begrenzung des Eigentums ausgesprochen wird, die ihrem Wesen nach allgemeiner Natur ist. c) Der Gleichheitssatz schützt gegen ungleiche Behandlung bei im wesentlichen gleicher tatsächlicher Lage (vgl. auch BVGE 3, 58 [135]; BGHZ 13, 265 [312]), so daß auch nur die Personengruppen verglichen werden können, die sich in der grundsätzlich gleichen Situation befinden. d) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt nicht vor, wenn verschiedene Gruppen von Personen aus sachlichen Gründen differenziert behandelt werden. e) Allem Grundbesitz ist eigentümlich, daß er in höherem Maße sozial gebunden ist als ein Besitz, auch ein Grundbesitz, bei dem die Art seiner Verwendung in der Hand des Eigentümers nicht in derselben intensiven Weise kollidieren kann mit den jedermann einleuchtenden zwingenden Erfordernissen einer sinnvollen, dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Ordnung. f ) Grundeigentum in der umschriebenen besonderen Situation ist — nicht erst k r a f t einer positiv-rechtlichen Regelung, sondern „seiner Natur nach" — verbunden („belastet") mit einer begrenzten Pflichtigkeit (im Rechtssinne), die sich nach näherer Bestimmung des Gesetzes zu einer Pflicht (im Rechtssinne) verdichten kann, — mit

I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

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der Pflichtigkeit, u. U. eine unter den zahlreichen denkbaren, aus dem Eigentumsrecht fließenden Einzelbefugnissen zur Nutzung zu unterlassen. g) Die Eigentümerfunktion (Dispositionsfreiheit) hinsichtlich eines solchen Grundstücks wird nicht eigentlich beeinträchtigt und verkürzt, wenn dem Eigentümer f ü r die Zukunft eine bisher noch nicht verwirklichte Verwendungsart untersagt wird, während ihm die Fülle der Befugnisse aus dem Eigentum — Besitz, Verwaltung, Verfügungsmacht und Nutzung im übrigen — ungeschmälert erhalten bleibt. h) Eine solche von der Verwaltung auf Grund gesetzlicher Ermächtigung ausgesprochene Bindung stellt nur eine konkrete Ausgestaltung der sozialen Gebundenheit des Eigentums, eine Eigentumsbeschränkung dar; und zwar auch dann, wenn diese Bindung nicht gegenüber allen Eigentümern von Grundstücken, denen sie nach den dargelegten Grundsätzen auferlegt werden könnten, ausgesprochen worden ist. i) Gesetzlich geregelte Fälle der Eigentumsbeschränkung sind: Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. 9. 1933 (RGBl. I, 659) i. d. F. des Gesetzes vom 27.9.1938 (RGBl. I, 246), Verordnung des früheren Reichsarbeitsministers über die Regelung der Bebauung vom 15. 2.1936 (RGBl. I, 104), Reichsnaturschutzgesetz vom 26.6.1935 (RGBl. I, 821) (vgl. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch BundesverwG-er. in NJW 1955 S. 1647 Nr. 23; 1956 S. 1369 Nr. 22 und S. 1810 Nr. 20 sowie die Zusammenstellung von Ernst in BundesbauBl. 1955, 414). k) Sinn und Zweck des Pr. Gesetzes betr. Verbandsordnung f ü r den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk vom 5.5.1920 ist es, die im Ruhrgebiet — einem Gebiet, in dem sich eine unverhältnismäßig große Bevölkerung, eine gewaltige Industrie mit ihren technischen Anlagen und den damit verbundenen Verwaltungs- und Wirtschaftseinrichtungen sowie ein dichtes und vielfältiges Verkehrsnetz zusammenballen — besonders dringlichen und unentbehrlichen überörtlichen Ordnungs- und Lenkungsaufgaben zusammenzufassen (vgl. hierzu RGZ 149, 34). 1) Eines der Mittel zur Verwirklichung der Planungsziele bildet die dem Siedlungsverband eingeräumte Befugnis, Grundstücke in das Grünflächenverzeichnis aufzunehmen. m) Das damit verbundene Bauverbot ist demnach zurückzuführen auf die Überlegung und Feststellung, daß die Bebauung jener Grundstücke unvereinbar wäre mit den zwingenden Erfordernissen einer sinnvollen, dem Gemeinwohl, insbesondere auch der Gesundheit der Bevölkerung Rechnung tragenden Ordnung. l*

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I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

n) Wird aber von diesem Bauverbot ein Grundstück betroffen, das vom Eigentümer als landwirtschaftlich genutzter Boden erworben worden ist und bis zur Aufnahme in das Verzeichnis weder als Baugrundstück noch als Lagerplatz noch in ähnlicher Weise wirtschaftlich genutzt worden ist, sondern sich als landwirtschaftlich nutzbare Fläche darbot und darbietet, so handelt es sich um eine Konkretisierung der Sozialgebundenheit des Eigentums, um eine Eigentumsbeschränkung hinsichtlich dieses Grundstücks. o) In der Aufnahme eines Grundstücks in das Grünflächen Verzeichnis des Siedlungsverbandes kann daher eine entschädigungspflichtige Enteignung nicht erblickt werden. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 1956 — III ZR 82/55 — Betrieb 1957, 233 — BB 1957, 165 — BBauBl. 1957, 124 — NJW 1957, 538 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 33 — FrWW 1957, 241 — B1GBW 1957, 174 — BGHZ 23, 30 —. Anmerkung: Ebenso OLG Hamm: BBauBl. 1955, 326 — NHG 1955, 106 (n. L.) — FrWW 1955, 37 — Glaser Nr. 274/IX/1955; vgl. auch OVG Münster: BBauBl. 1954, 602 — Glaser Nr. 275/IX/1955; Dittus: Planungsnachteile und Entschädigungsansprüche: B1GBW 1957, 161; Dittus: Bln. GrundE 1957, 403; Schütz: Bauverbot für Grünfläche: DWW 1957, 161.

4. Enteignung zwecks Schließung von Baulücken a) Gründe der Baugestaltung können die Schließung einer Baulücke erforderlich machen. b) Die Beseitigung von Baulücken ist im allgemeinen und häufig sogar in erster Linie ein Gebot, das sich aus der Notwendigkeit ergibt, die Erschließung wirtschaftlich zu gestalten und die Inanspruchnahme von bisher land- oder forstwirtschaftlich genutztem Gelände zu Bauzwecken auf das unumgänglich notwendige Maß zu beschränken. c) Die dem Anbau dienenden Straßen und Plätze werden unter Einsatz erheblicher öffentlicher Mittel gebaut. d) Dieser Einsatz ist nur gerechtfertigt, wenn die Anlagen ihrem Zweck auch tatsächlich zugeführt werden. Werden die anliegenden Grundstücke nicht bebaut, so bleibt nicht nur die Straße ihrer Zweckbestimmung entzogen und das investierte Kapital ohne Nutzen und ohne — wenigstens zum Teil — durch die Anliegerbeiträge ausgeglichen zu werden, sondern die Gemeinde wird, um das erforderliche Bauland zu beschaffen, gezwungen, unter weiterem Einsatz öffentlicher Mittel anderweitig neues Gelände zu erschließen, wodurch weitere Flächen der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, obwohl erschlossene Bauflächen noch in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.

I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

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e) Diese Gründe rechtfertigen das Interesse der Allgemeinheit daran, daß die Bautätigkeit zunächst an die vorhandenen Straßen, also auch auf die sogenannten Baulücken gelenkt wird, damit die öffentlichen Mittel geschont und die weitere Inanspruchnahme von Land zu Bauzwecken möglichst vermieden wird. f ) So ist auch in § 5 Abs. 2 des Baulandbeschaffungsgesetzes die Enteignung von Baulücken zum Zwecke der Bebauung allgemein oder doch bevorzugt zugelassen. —• Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. November 1956 — I C 40/56 — HuW 1957, 92 — DWW 1957, 42 — NJW 1957, 686 — BBauBl. 1957, 181 — B1GBW 1957, 142 — BB 1957, 277 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 27 —.

5. Enteignung eines Grundstücks zwecks Anlegung eines Parkplatzes Die Anlage eines öffentlichen Parkplatzes dient der Entlastung des Straßenverkehrs und damit dem Wohle der Allgemeinheit; sie rechtfertigt daher die Enteignung eines Grundstücks. —• Verwaltungsgerichtshof Bremen, Urteil vom 24. Januar 1956 — S 15/55 — Brem. HZtg. 1956 Nr. 10 — HuW 1956, 516 — Bln. Grundeigentum 1957, 19.

6. Enteignung eines GrundstUcksteiles — Unrentabilität des Bestgrundstücks a) Wenn nur ein Teil des Grundbesitzes desselben Eigentümers in Anspruch genommen wird, umfaßt die Entschädigung zugleich den Mehrwert, den der abzutretende Teil durch seinen örtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Ganzen hat, und den Minderwert, der f ü r den übrigen Grundbesitz durch die Abtretung entsteht (§ 8 Abs. 2 EG). b) Der Eigentümer kann auch verlangen, daß der Unternehmer das Ganze gegen Entschädigung übernimmt, falls das Grundstück durch die Abtretung so zerstückelt würde, daß das Restgrundstück nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden kann (§ 9 EG). c) Dieser Anspruch des Eigentümers gegen den Enteignungsunternehmer gehört zum Entschädigungsanspruch und ist ebenfalls in Geld zu erfüllen (Brauchitsch, Verwaltungsgesetze f ü r Preußen, 17. Aufl., Bd. 3 S. 518, § 9 Anm. 1 und 2; Neufang, Grundstücksenteignungsrecht, S. 57 Anm. 59). d) Fragen, die sich auf die w i r t s c h a f t l i c h e n F o l g e n der Enteignungsmaßnahme beziehen, sind im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsprozeß n i c h t z u e r ö r t e r n . Das gilt auch von der Frage, ob die Maßnahme die Nutzung eines dem Eigentümer verbleibenden Restbesitzes mehr oder weniger stark beeinträchtigt.

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I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

e) Die Frage, ob die Enteignung den Restbesitz unwirtschaftlich macht, kann nur im E n t e i g n u n g s f e s t s t e l l u n g s v e r f a h r e n geprüft werden. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 14. November 1956 — IV A 462/56 — BB 1957, 277 —.

Art. 14 GG 7. Rechtmäßigkeit einer Teilenteignung — Auswirkung auf den Restbesitz des Enteigneten a) Die Ansicht, daß bei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Enteignung die wirtschaftlichen Folgen der Enteignung außer Betracht zu bleiben hätten, da diese Folgen die Grundlage von Entschädigungsforderungen des Enteigneten seien, über die im Streitfall ausschließlich die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten, begegnet Bedenken. b) Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. März 1955 — I C 149/53 — (BVerwGE 2, 36) ausgeführt hat, folgt aus der verfassungsmäßigen Eigentumsgarantie, daß eine Enteignung so lange unzulässig ist, wie der Zweck, dem die Enteignung dienen soll, auch auf andere, weniger schwer in die Rechte des einzelnen eingreifende Weise erreicht werden kann, ohne daß es zu unvertretbaren Schwierigkeiten. kommt. c) Die Schwere des Eingriffs in die Rechtsstellung des einzelnen kann unter diesem Gesichtspunkte aber nur dann geprüft werden, wenn man die wirtschaftlichen Auswirkungen, welche die Enteignung für den Enteigneten hat, mit in Rechnung stellt. Man würde sonst zu dem Ergebnis kommen, daß etwa eine Enteignung, die wegen einer völligen Entwertung des Restbesitzes für den Antragsteller praktisch den Verlust seiner bisherigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage zur Folge hat, rechtmäßig wäre, obwohl der Enteignungszweck durch die Enteignung eines Grundstücks aus einem anderen Besitz auch hätte erreicht werden können, bei dem kein Anspruch wegen Wertminderung des Restbestandes entstehen würde. d) Diese Folgerung ist mit dem obenerwähnten verfassungsrechtlichen Grundsatz nicht vereinbar. e) Der Umstand, daß der Anspruch des Enteigneten wegen Wertminderung des Restbesitzes einen Teil der Entschädigungsforderung darstellt und damit im Streitfall vor die ordentlichen Gerichte gehört, ist demgegenüber ohne Belang; denn er kann die Verwaltungsgerichte nicht von der Verpflichtung entbinden, die Rechtmäßigkeit der Enteignung — hier unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 des Grundgesetzes — zu prüfen.

I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

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—• Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 16. April 1957 — I B 4/57 — DWW 1957, 139 — BB 1957, 492 — B1GBW 1957, 238 — NJW 1957, 1043 — BBauBl. 1957, 412 —. Anmerkung: Vgl. OVG Münster, Urteil vom 14.11.1956 — IV A 462/56 — BB 1957, 277 — oben Nr. 6 —.

8. Enteignung einer Vorgartenfläche bei Neufestsetzung der Fluchtlinie a ) Der Grundstückseigentümer darf seinen Vorgarten auch dann noch durch Anbringung einer Kette f ü r den öffentlichen Verkehr sperren, wenn die Vorgartenfläche durch eine Fluchtlinienänderung zum Straßenland erklärt worden ist. b) Durch die Festsetzung eines Fluchtlinienplanes wird privater Grund und Boden nicht Teil des öffentlichen Weges; die Gemeinde erhält n u r das Recht, den vor die Fluchtlinie fallenden Teil des Grundstückes gegen eine volle Entschädigung zu enteignen. —• Landesverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 20. Dezember 1955 — 5 K 311/55 — Westdeutscher Türmer 1956,156 — Glaser Nr. 191/IX/1957 —.

Art. 14 GG 9. Eingriff in einen Gewerbebetrieb durch Einschränkung des Gemeingebrauchs an einer Straße a) Eigentumsgarantie und Enteignungsschutz werden auf jedes Vermögenswerte Recht bezogen; geschützt ist nicht n u r das Eigent u m im weitesten Sinne als Rechtseinrichtung, sondern jedes vorhandene Vermögenswerte Recht (BGHZ 6, 270 [278] = N J W 52, 972). b) In der Einschränkung des Gemeingebrauches (zeitweise Nichtbefahrbarkeit einer Straße, an der ein Gewerbebetrieb liegt) ist keine Verletzung des Rechts am eingerichteten Gewerbebetrieb zu erblicken. c) Auf den Gebieten des Warenzeichen- und Wettbewerbsrechts ist f ü r den Unterlassungsanspruch „jede widerrechtliche Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung f ü r ausreichend zu erachten, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes darstellt". d) Der BGH h a t diesen Gedanken „des Schutzes der gewerblichen Betätigung" über das Gebiet des Wettbewerbsrechts und der gewerblichen Schutzrechte auf das Gebiet der unerlaubten Handlung und des durch unerlaubte Handlung erfolgten Eingriffs in den eingerichteten Gewerbebetrieb ausgedehnt. e) Der Begriff des eingerichteten Gewerbebetriebes kann n u r einheitlich g e f a ß t werden. Geradeso wie das Eigentum nicht n u r in seinem Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Ausstrahlungen unter dem Schutz der Eigentumsgarantie steht, wird auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht n u r in dessen

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I. Enteignungs- u n d Baupolizeirecht

eigentlichem Bestand, sondern auch in dessen einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen ist, vor unmittelbaren Störungen bewahrt. f ) Dieser im Hinblick auf den durch § 823 Abs. 1 BGB. gewährten Schutz bei rechtswidrigen Eingriffen ausgesprochene Gedanke gilt auch im Hinblick auf den durch die Eigentumsgarantie gewährten Schutz vor entschädigungsloser Enteignung, und zwar gleichgültig, ob der enteignende Eingriff rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt. g) Die Auffassung darüber, was unter einem „eingerichteten Gewerbebetrieb" zu verstehen ist, hat sich geändert. h) Zum Gewerbebetrieb gehören nach heutiger Auffassung nicht nur die Betriebsgrundstücke und -räume sowie die Einrichtungsgegenstände, die Warenvorräte und die Außenstände; dazu gehören auch geschäftliche Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm, kurz alles das, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht. i) Daraus folgt, daß bei wirtschaftlich wertender Beurteilung, wie sie gerade bei Eingriffen in Vermögensrechte erforderlich ist (BGHZ 19, 1 [4] = NJW 56, 263), erst die jeweilige Situation, in der ein Gewerbe betrieben wird, den vermögensrechtlichen Umfang des Betriebes schafft. k) Erteilt die Baupolizei die Erlaubnis, für die Dauer eines Neubaues auf dem Fußweg einer dem Gemeingebrauch gewidmeten Straße oder auf einem zwischen Geh- und Fahrweg dieser Straße gelegenen Grünstreifen Verkaufsbaracken aufzustellen, so kann darin ein zur Entschädigung verpflichtender Eingriff in einen Gewerbebetrieb liegen, der sich neben der Baustelle an dieser Straße befindet. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 1957 — III ZR 141/55 — N J W 1957, 63Ö — B B 1957, 246 — Betrieb 1957, 256 — B1GBW 1957, 254 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 43 —.

10. Höhe der Entschädigung bei Enteignung von Grundstücken a) Als angemessene Entschädigung wird nach Art. 153 WeimRV nicht der vollständige Ausgleich des Vermögensschadens des Enteigneten angesehen, sondern nur der Ersatz des Wertes des enteigneten Grundstücks (vgl. RGZ Bd. 112, 189 [192]). b) Der Betroffene soll weder eine Vermögenseinbuße noch einen Vermögenszuwachs haben. Deshalb ist der Wiederbeschaffungswert der gegebene Maßstab für die Enteignungsentschädigung (vgl. Forsthoff „Lehrbuch des Verwaltungsrechts", 5. Aufl., S. 266). c) Dem Wiederbeschaffungswert entspricht aber der gemeine Wert, d. h. der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielende Kaufpreis.

I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

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d) E r h ä l t der Enteignete diesen Wert als Entschädigung, so ist er in der Lage, sich wieder ein gleichwertiges Grundstück zu beschaffen. e) Dieser angemessenen Entschädigung nach Art. 153 WeimRV entspricht im wesentlichen die Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG (Diester: N J W 1954, 1140 [1154], im Ergebnis auch BGHZ 6, 270 — N J W 1952, 972). f ) Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG sind bei der Festsetzung der E n t schädigung die Interessen des einzelnen und die der Allgemeinheit abzuwägen. g) Die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit verbietet grundsätzlich die Festsetzung einer über den gemeinen Wert hinausgehenden Entschädigung. N u r in besonderen begründeten Ausnahmefällen kann eine Abweichung hiervon erfolgen, jedoch nicht in dem weitgehenden Maße einer Zuerkennung eines Schadenersatzes einschließlich entgangenen Gewinns (vgl. Schack: MDR 1953, 195). — Landgericht Berlin, Urteil vom 15. September 1956 — 7 O 78/56 — Bln. GrundE 1957, 187 —. Anmerkung: Vgl. Runge: Die angemessene Entschädigung im Enteigungsverfahren: Bauwelt 1957, 681. Art. 14 GG 11. Begünstigter bei der Entschädigungspflicht aus enteignungsgleichen Eingriffen a) Subjekt der Entschädigungspflicht ist nach in Rechtsprechung und Schrifttum h. A. diejenige öffentlich-rechtliche Körperschaft, in deren Interesse es lag, daß der Betroffene seine besonderen Rechte aufopferte, der also der Eingriff zugute kam. b) F ü r die Entschädigung h a f t e t mithin grundsätzlich der Begünstigte, sofern nicht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Person des Haftpflichtigen erfolgt ist (BGHZ 10, 255; 11, 248). c) Nach den allgemeinen, im Anschluß an den — in § 75 E i n l P r A L R geregelten — Aufopferungsanspruch entwickelten Grundsätzen gen ü g t zur Begründung einer Entschädigungspflicht des Staates noch nicht dessen „mittelbare" Begünstigung, denn mittelbar wird der Staat auch durch beinahe jeden Eingriff begünstigt, der n u r einer kleineren Gemeinschaft zugute kommt, weil der S t a a t wie ein lebendiger Organismus Nutzen hat, wenn das Wohl eines seiner Teile gef ö r d e r t wird. d) Der Staat ist dann als unmittelbar begünstigt anzusehen, wenn der Eingriff auf überörtlicher Grundlage und zu überörtlichen Zwecken erfolgt ist, die Gemeinde dann, wenn die E r f ü l l u n g einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft das Opfer v e r a n l a ß t h a t (BGHZ 11, 175 — LM Nr. 16 zu Art. 14 GG mit Anm.).

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I. Enteignungs- u n d Baupolizeirecht

e) Besondere Umstände können jedoch eine solche Steigerung öffentlicher Aufgaben auf der gemeindlichen Ebene verursachen und die Leistungsfähigkeit der Gemeinde so übersteigen, daß diese an sich örtlichen Aufgaben mit den Kräften der örtlichen Gemeinschaft nicht mehr bewältigt werden können. In einem solchen Fall muß nach dem Subsidiaritätsgrundsatz die höhere Gemeinschaft eintreten. Ihr wachsen alsdann die Aufgaben zu, so daß bei Eingriffen zu ihrer Erfüllung beide Gemeinschaften — Gemeinde und Staat — als unmittelbar begünstigt anzusehen sind (BGHZ 13, 81 — LM Nr. 11 zu § 75 EinlPrALR mit Anm.). — Oberlandesgericht Celle, Urteil v o m 10. Oktober 1956 — 3 U 75/56 — MDR 1957, 101 —.

Art. 14 GG §§ 5, 19 Naturschutzgesetz 12. Bauverbot in Landschaftsschutzgebieten a) Während in den Naturschutzgebieten, in denen die Natur als solche erhalten und geschützt werden soll (§§4,16NatSchG), jedwede Änderung verboten ist, können die sogenannten geschützten Landschaftsteile nur vor verunstaltenden, die Natur schädigenden und den Naturgenuß beeinträchtigenden Änderungen geschützt werden (§ 5 S. 2 und § 19 NatSchG). b) Es gibt Landschaftsteile, die so beschaffen sind, daß jedweder Bau, gleichviel welcher Zweckbestimmung, welchen Umfanges und welcher Gestaltung, das Landschaftsbild verunstaltet, die Natur schädigt oder den Naturgenuß beeinträchtigt (z. B. eine Dünenlandschaft am Meeresstrand). In solchen Fällen, aber auch nur dann, ist ein absolutes Bauverbot nach den §§5, 19 NatSchG zulässig. c) Es kann andererseits Landschaftsteile geben, deren Eigenart in jedem Falle die Freihaltung von Bauten bestimmter Art (z. B. von gewerblichen Bauten, Wochenendhäusern) verlangt. d) Die Unterstellung von Landschaftsteilen unter den Landschaftsschutz mit der Wirkung, daß die Errichtung von Bauwerken untersagt ist, durch die die Natur geschädigt, der Naturgenuß beeinträchtigt oder das Landschaftsbild verunstaltet wird, ist nicht als Enteignung, sondern als Inhaltsbestimmung des Eigentums anzusehen (so auch Krüger, Naturschutz und Eigentum; vgl. zum gesamten Problem: Weber, Eigentum und Enteignung in Neumann-NipperdeyScheuner: Die Grundrechte, Teil II S. 330 [370]; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 6. Aufl., S. 285 ff.). e) Ein Bauverbot in einer Landschaftsschutzverordnung kann materiell nicht weiter reichen, als es im Interesse des gesetzlich anerkannten Schutzgutes erforderlich ist. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Juli 1956 — I C 91/54 — MDR 1956, 696 — B B 1956, 942 — B1GBW 1956, 382 — N J W 1956, 1810 — BBauBl. 1956, 653 — HGBK Rspr. 1957 Nr. 47 — DVB1.1956, 689 —.

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Art. 14 GG 13. Erklärung eines Grundstückes zum Naturschutzgebiet — keine Enteignung a) Inhalt und Schranken des Eigentums werden durch die Gesetze bestimmt (Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG). b) Der Naturschutz und der Landschaftsschutz sind seit langem gesetzlich, auch verfassungsmäßig ausdrücklich anerkannt (vgl. Art. 150 der Weimarer Reichsverfassung und Art. 75 Nr. 3 GG). c) Die Unterstellung von Gebieten unter den Naturschutz mit der Wirkung, daß die Jagd und Fischerei sowie die landwirtschaftliche und forstliche Nutzung unberührt bleiben, ist nicht als Enteignung, sondern als Inhaltsbestimmung des Eigentums anzusehen. —• Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 1956 — I C 202/54 — BB 1956, 942 — DWW 1956, 255 — BBauBl. 1956, 654 — NJW 1956, 1369 — DVB1. 1956, 687 — DÖV 1956, 576 — HGBRRspr. 1957 Nr. 37 — BVerwGE 3, 335. —. Anmerkung: Zu a): Zur Frage der Enteignung auf Grund des Naturschutzgesetzes vgl. BVerwG, Urteil vom 26. 3. 1955: NJW 1955, 1204 — BBauBl. 1955, 530 — OVG Münster, Urteil vom 3. 4. 1952: Recht der Landwirtschaft 1952, 184; OVG Hamburg, Urteil vom 20. 4. 1953, Hamburger Grundeigentum 1953, 191. Zu c): Vgl. BVerwG: NJW 1956, 1810 — oben Nr. 12.

Keichsnaturschutzgesetz vom 26. 6.1935 (EGB1.1, 821) 14. Bauverbot und Landschaftsschutz a) §§5 und 19 RNG ermächtigen, Verordnungen zum Schutze von Landschaftsteilen zu erlassen, welche bestimmte Veränderungen der Landschaft generell verbieten, ohne daß es im Einzelfall des Nachweises bedarf, die Natur werde geschädigt, der Naturgenuß beeinträchtigt oder das Landschaftsbild verunstaltet; doch muß dann durch einen Erlaubnisvorbehalt sichergestellt werden, daß eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, wenn die vom Gesetz mißbilligten Schädigungen im Einzelfall nicht eintreten. b) Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel folgt, daß die Beseitigung einer im Schutzgebiet vorgenommenen Veränderung der Landschaft erst dann verlangt werden kann, wenn von Amts wegen geprüft ist, ob nicht eine Ausnahmebewilligung gemäß § 5 LSchVO erteilt werden kann. c) Die Begriffe „Schädigung der Natur, Beeinträchtigung des Naturgenusses und Verunstaltung des Landschaftsbildes" sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Unbestimmte Rechtsbegriffe werden im konkreten Einzelfall in der Weise angewandt, daß nähere, vom Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich genannte, wohl aber in das Gesetz bereits hineingedachte Tatbestands- und Begriffsmerkmale herausgestellt und auf ihr Vorhandensein im Einzelfall geprüft werden.

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d) Die Natur wird geschädigt, wenn in Wasser und Boden, Pflanzenund Tierwelt, Luft und Licht oder in ihre sonstigen Elemente in naturwidriger oder naturentstellender Weise eingegriffen wird, sei es, daß Einzelerscheinungen beeinträchtigt werden, sei es, daß das räumliche und jahreszeitliche Zusammenklingen der verschiedenen Elemente gestört wird. e) Der Naturgenuß wird durch solche Veränderungen der Landschaft beeinträchtigt, welche störend auf die menschlichen Sinne wirken und im Vergleich zum früheren Zustand als nachteilig und unangenehm empfunden werden. f ) Der Tatbestand „Verunstaltung des Landschaftsbildes" erschöpft sich im Schaubaren. Das Landschaftsbild wird durch solche Ordnung und Schönheit störende Eingriffe verunstaltet, die als kraß empfunden werden, das Gefühl des Mißfallens erwecken und Kritik und' Forderung nach Abhilfe herausfordern. — Verwaltungsgerichtshof Bebenhausen, Urteil vom 12. Oktober 1956 — 94/52 — N J W 1957, 275 — G W W 1957, 90 (n. L.) — . Anmerkung: Vgl. Wiethaup: Aus der Rechtsprechung zum Reichsnaturschutzgesetz: B1GBW 1957, 129.

15. Eintragung einer Baumgruppe in die Liste der Naturdenkmäler — keine Enteignung a) Wird eine Baumgruppe („Buchendom") in die Liste der Naturdenkmäler eingetragen und ist damit der Eigentümer gebunden, die Baumgruppe nicht zu verwerten, sondern so, wie sie die Natur geschaffen hat, stehen zu lassen, so ist dies in der Regel nur eine (entschädigungslose) Eigentumsbeschränkung und weder eine Enteignung noch ein enteignungsgleicher Eingriff. b ) Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Bindung nicht allen Eigentümern gegenüber ausgesprochen worden ist, denen sie auferlegt werden könnte (vgl. hierzu Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.12.1956, BGHZ 23, 30 — BB 1957, 165 — oben Nr. 3 — ) . c) Die Grenze zwischen sozialgebundener Eigentumsbeschränkung und entschädigungspflichtiger Enteignung liegt dort, wo das schützenswerte Gut des Eigentümers nach den tatsächlichen Verhältnissen von ihm als Wirtschaftsobjekt zu wirtschaftlichen Zwecken vorher erst geschaffen oder erworben ist. — BGH, Urteil vom 25. 3. 1955 — I I I ZR 253/55 — B B 1957, 493 — H G B R Rspr. 1957 Nr. 64 — D W W 1957, 164 — . Anmerkung: Zur Frage der Eigentumsbeschränkung durch Erklärung zum Naturschutzgebiet vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21. 6. 1956: BVerwGE 3, 335 — B B 1956, 941 m. w. N. — DÖV 1956, 576 — DVB1. 1956, 687 — N J W 1956, 1369 — BBauBl. 1956, 654 — oben Nr. 13.

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Art. 14 GG 16. Umfang des Gemeingebrauchs an einer öffentlichen Straße bei Bauarbeiten a) Auf Grund des gesteigerten Gemeingebrauchs der Anlieger einer öffentlichen Straße ist es diesen erlaubt, bei Bauarbeiten an ihrem Grundstück auch Teile der dem Gemeingebrauch gewidmeten Grundstücke vorübergehend zur Lagerung von Baumaterialien, zum Aufstellen von Bauzäunen und Baugerüsten und gelegentlich auch zum Aufstellen von Baugeräten (Betonmischmaschinen, Aufzügen, Kranen) in Anspruch zu nehmen. b) Diese Inanspruchnahme muß sich aber in angemessenen Grenzen halten und darf keinesfalls den unbedingt notwendigen Umfang überschreiten. c) Allerdings lassen sich feste Raum- wie Zeitmaße dafür nicht allgemein bestimmen, da der Gemeingebrauch seinem Umfange nach — wie in allen Beziehungen, so auch in diesen Beziehungen — örtlich verschieden ist und in seinem Umfang auch durch die technische Entwicklung (hier vor allem in der Bautechnik) wesentlichen Schwankungen unterworfen ist (vgl. dazu Brabant, JW 38, 3201 [3204]; Hammes in DVB1. 50, 102). d) Unter den Gemeingebrauch kann zwar gelegentlich auch die Aufstellung von Verkaufsständen, Zelten und dergleichen bei Jahrmärkten, Messen und besonderen Veranstaltungen fallen. Ferner kann mit dem Gemeingebrauch noch vereinbar sein die Aufstellung von Kiosken und ähnlichen kleineren Verkaufsläden, weil diese den Straßenbenutzern die Möglichkeit eröffnen sollen, bestimmte Waren, z. B. Zeitungen, Obst, in einer dem Verkehr entsprechenden Weise besonders bequem im Vorübergehen zu erwerben (vgl. zu diesen hier nicht zu entscheidenden Fragen Hammes in DVB1. 50, 71 [74] und 102). e) Völlig aus dem Gemeingebrauch fällt dagegen die Anlage von festen Verkaufsbaracken, in denen das Publikum wie sonst in Läden einkauft. Derartige Einrichtungen nehmen der Grundfläche, auf der sie errichtet werden, die Möglichkeit, dem Gemeingebrauch zu dienen; sie fördern den gemeinen Vorteil, dem die Grundfläche zu dienen bestimmt ist, auch nicht einmal mittelbar. Sie stehen dem Gemeingebrauch geradezu entgegen. f ) Die Inanspruchnahme der dem Gemeingebrauch gewidmeten Fläche zu Vorkehrungen, die der Ausführung des Baues auf dem Nachbargrundstück dienen, muß sich in engen Grenzen halten und darf keinesfalls das unbedingt Erforderliche übersteigen. g) Gerüste sind nur unmittelbar am Rande der Baustelle zulässig; desgleichen ein Bauzaun. Unzulässig, weil den Anlieger-Gemein-

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gebrauch überschreitend, wäre es, wenn der Nachbar in breiter Fläche vor dem Baugrundstück sein Baumaterial lagern und diesen Lagerplatz gar noch mit einem Bauzaun einfassen wollte. Auch die Aufstellung von Betonmischmaschinen und von Kranen und Materialaufzügen würde auf Grund des Gemeingebrauchs immer nur auf ganz beschränktem Räume zulässig sein, soweit solche Bauhilfsgeräte nicht innerhalb des Baues unterzubringen sind, etwa in der Art, daß der Bau — wie hier eines Geschäftshauses — um den Kran herum erfolgt. h) Die neuerdings häufig zu beobachtende Sperrung von Teilen der Fahrbahn zur Erleichterung der Bauarbeiten bei größeren Bauvorhaben wird nicht mehr durch den Anlieger-Gemeingebrauch an der Straße gerechtfertigt, vor allem dann nicht, wenn derartige Bauvorhaben länger als ein Jahr dauern. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 1957 — I I I ZR 141/55 — N J W 1957, 630 — B B 1957, 246 — Betrieb 1957, 256 — BBauBl. 1957, 351 (n. L.) — B1GBW 1957, 254 — H G B R Rspr. 1957 Nr. 43 — .

17. Landabtretung und Aufschließung — Vorteilsausgleichung a) § 24 des Rheinland-Pfälzischen Aufbaugesetzes verankert den Gedanken der Vorteilsausgleichung (BGHZ 6, 270 [295]) gesetzlich, indem es die „unentgeltliche" Abtretung begrenzter Teile eines Grundstücks für Verkehrs- und Erholungsanlagen des Gemeinbedarfs als Gegenleistung für die Aufschließung zuläßt. b) Diese Vorschrift verletzt Art. 14 GrundG nicht, weil die Wertsteigerung des Restgrundstückes mindestens dem Wert der abgetretenen Fläche entsprechen muß. c) Dabei wird der Vorteil für den betroffenen Eigentümer nicht etwa allein durch den reinen Entziehungstatbestand, sondern durch den entsprechenden Teilbebauungsplan im ganzen verursacht, soweit er die eigentliche Erschließung (Wiedererschließung) des Baugeländes betrifft. d) Führt dieser Plan auch zu Vorteilen für andere Anlieger, ohne ihnen Grundstücksflächen zu entziehen, so wird dadurch der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. e) Es liegt in dem Wesen einer Auf Schließung bzw. Wiederaufschließung, daß sie die Grundeigentümer des betreffenden Gebiets unterschiedlich trifft. Sie kann dem Einzelnen Vorteile und Nachteile in verschiedenem Ausmaß bringen; sie kann ihm aber auch entweder nur Opfer auflegen, ohne sein rechtliches Grundeigentum im Werte zu steigern, oder umgekehrt diese Auswirkung haben, ohne von ihm eine Landabgabe zu fordern. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Oktober 1956 — V ZR 35/55 — H G B R Rspr. 1957 Nr. 4 — BBauBl. 1957, 65 — B1GBW 1957, 62 — .

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Art. 14 GG; §§ 7, 12 Wohnsiedlungsgesetz 18. Grundstücksteilung und Wohnsiedlungsgesetz a) Die Wohnsiedlungsgenehmigung kann unter der Auflage erteilt werden, daß eine bestimmte geringfügige Fläche des Grundstücks zur Wegemasse abgetreten wird. b) Soll dagegen der Eigentümer eine größere Fläche unentgeltlich zur Wegemasse abgeben, dann liegt eine entschädigungspflichtige Enteignung vor. — Beschwerdebescheid des Präsidenten des Nieders. Verwaltungsbezirks Oldenburg vom 31. Mai 1955 — Ila/II 7641/55 — Oldenburg. HZtg. 1956, 169 — B1GBW 1957, 175 — Glaser Nr. 119/X/1957 —.

19. Zweck des Wohnsiedlungsgesetzes vom 22. 9.1933 (BGBL I, 659) i. d. F. vom 27. 9.1938 (BGBl. I, 1246) a) Die Einführung der Genehmigungspflicht f ü r bestimmte Rechtsvorgänge durch das Wohnsiedlungsgesetz bezweckte, die Wirkung der an sich vorhandenen baurechtlichen Handhaben zeitlich vorzuverlegen, nämlich vom Zeitpunkt der Einreichung des Baugesuches auf die den Bau vorbereitenden Grundstücksgeschäfte (vgl. Amtliche Begründung zum Wohnsiedlungsgesetz, allgemeine Vorbemerkungen, Abs. 4, Deutscher Reichsanzeiger 1953 Nr. 255; Heilmann WSG, Anm. 1 zu § 4 und Anm. 2 zu § 6; Urteil des erkennenden Senats in HGBR Rspr. 1955 Nr. 22; Beschluß vom 12. Februar 1955 — BVerwG I B 153/54 —). b) Dabei war neben der Notwendigkeit, die Bautätigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, auch der Gesichtspunkt maßgebend, den Käufer von Grundstücken davor zu schützen, daß er Parzellen erwirbt, deren Bebauung ihm später nicht gestattet werden kann (vgl. Amtliche Begründung a. a. O.; Heilmann a. a. O., Anm. 1 zu § 4). c) Daraus folgt, daß die Erteilung der Wohnsiedlungsgenehmigung f ü r das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren insofern rechtliche Bedeutung haben muß, als die Bebauungsgenehmigung oder die Baugenehmigung grundsätzlich nicht aus Gründen abgelehnt werden kann, die Gegenstand der P r ü f u n g im Wohnsiedlungsverfahren waren. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Juni 1956 — I C 93/54 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 98 — B1GBW 1956, 350 — MDR 1956, 697 — BBauBl. 1956, 597 — NJW 1957, 557 — GWW 1956, 583 —.

§ 6 WSiedlG 20. Zweck der Wohnsiedlungsgenehmigung a) Ausgehend von dem Zweck des Wohnsiedlungsgesetzes, lediglich die Wirkung der baurechtlichen Handhaben zeitlich vorzuverlegen, nämlich vom Zeitpunkt der Einreichung des Baugesuches auf den Zeitpunkt der den Bau vorbereitenden Grundstücksgeschäfte, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 7. Dezember 1954 — BVerwG

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I C 75/53 — (BVerwGE 1, 254 — HGBR Rspr. 1955 Nr. 17 — B1GBW 1955, 94 — NJW 1955, 805 — Glaser Nr. 22/X/1956) es verneint, daß die Wohnsiedlungsgenehmigung nach § 6 WSG wegen der beabsichtigten Bebauung versagt werden kann, wenn die Bebauung des Grundstücks selbst nach den baurechtlichen Bestimmungen nicht verhindert werden kann. b) Nach § 6 WSG kann die Wohnsiedlungsgenehmigung wegen der beabsichtigten Bebauung nur versagt werden, wenn die Bebauung des Grundstückes selbst rechtswirksam verhindert werden kann. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. November 1956 — I C 64/55 — B1GBW 1957, 142 —.

§§ 4, 11 Wohnsiedlungsgesetz 21. Genehmigung nach dem Wohnsiedlungsgesetz a) Nach § 4 Abs. 1 WSG sind folgende Rechtsvorgänge genehmigungsbedürftig: „die Teilung eines Grundstücks, die Auflassung eines Grundstücks oder Grundstücksteiles sowie jede Vereinbarung, durch die einem anderen ein Recht zur Nutzung oder Bebauung eines Grundstücks oder Grundstücksteiles eingeräumt wird" (sofern das Grundstück in einem Wohnsiedlungsgebiet liegt). b) Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 findet hiernach keine Anwendung auf den unmittelbaren Erwerb durch (gesetzliche oder gewillkürte) Erbfolge sowie auf die Übertragung von Erbanteilen (§ 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB). Denn durch die Übertragung der Erbanteile werden, auch wenn zum Nachlaß Grundstücke gehören oder der Nachlaß nur aus Grundstücken besteht, keine Grundstücksanteile übertragen, sondern nur die Mitberechtigung der übertragenden Miterben am Gesamthandsvermögen, an dem Nachlaß als solchem. c) Die Verfügung über Erbanteile hat unmittelbar dingliche Wirkung, ohne daß es einer besonderen Verfügung über die einzelnen Nachlaßgegenstände bedürfte. Erwirbt also ein Miterbe oder ein Dritter sämtliche Erbanteile, so wird er damit Eigentümer der zum Nachlaß gehörenden Grundstücke. Die Umschreibung des Eigentums an diesen erfolgt durch Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22 GBO; eine Auflassung ist nicht erforderlich (Meikel-Imhof, GBO 4. Aufl. Randnote 5 zu § 20). d) Für die Genehmigung des dinglichen Rechtsgeschäfts und damit auch für die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch ist hiernach kein Raum (durchaus herrschende Ansicht: Riecke-Manteuffel: Der ländliche Grundstücksverkehr, 2. Aufl. S. 77; Hopp, Grundstücksverkehrsbekanntmachung 3. Aufl. Anm. 1 zu § 1 und in DJ 37, 1344; Haegele: Die Beschränkungen im Grundstücksverkehr, 1950, Randnote 51; Kiefersauer, Grundstücksverkehrsrecht 2. Aufl. 5. 94, 96 Anm. 1 und 3 je am Ende zu § 1 Grundstücksverkehrs-

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bekanntmachung — und S. 143 — Anm. 4 zu § 4 W S G ; Pütz: DNotZ 35, 459; Güthe-Triebel, GBO 6. Aufl. S. 1864; Henke-Mönch-Horber, GBO 4. Aufl. Bern. 6 zu § 2 0 ; KG, J F G 13, 7 1 ; 17, 74, auch schon in OLG 46, 225 = J R 26 Nr. 1391). e) Die Veräußerung von Erbanteilen an einem ungeteilten Nachlaß, zu dem Grundstücke in einem Wohnsiedlungsgebiet gehören, bedarf keiner Genehmigung der Wohnsiedlungsbehörde, es sei denn, daß ein Umgehungsgeschäft beabsichtigt ist. f ) Bestehen begründete Zweifel, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt, so entscheidet endgültig und abschließend die Genehmigungsbehörde darüber, ob die Genehmigung nach dem Wohnsiedlungsgesetz erforderlich ist. g) Hat das Grundbuchamt den Erwerber der Erbanteile im Wege der Grundbuchberichtigung als Alleineigentümer des Nachlaßgrundstücks eingetragen, weil es den Erwerb für genehmigungsfrei ansah, so muß es einem Ersuchen der Genehmigungsbehörde, einen Widerspruch einzutragen, ohne sachliche Nachprüfung stattgeben. Der Widerspruch ist mit dem Hinweis auf das Ersuchen der Behörde zugunsten der bisherigen Eigentümer (Erbengemeinschaft) einzutragen. —• Bayer. Oberstes Landesgericht München, Beschluß vom 8. November 1955 — BReg. 2 Z 152/55 — NJW 1956, 1639 —. § 4 Abs. 1 Wohnsiedlungsgesetz; § 510 BGB 22. Wohnsiedlungsgenehmigung — Vorkaufsrecht a) Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist der Abschluß eines wirksamen Kaufvertrages (§ 504 B G B ) . b) Ein Vertrag, der einer behördlichen Genehmigung bedarf, ist bis zur Entscheidung über die Genehmigung schwebend unwirksam. Vor Erteilung der erforderlichen Genehmigung liegt ein wirksamer Kaufvertrag i. S. des § 504 B G B noch nicht vor (vgl. BGHZ 14, 1 = N J W 1954, 1442 = DNotZ 1954, 532; BGH, Urteil vom 3 . 1 0 . 1 9 5 6 — V ZR 6/55, DNotZ 1957, 16 — RdL 1957, 18). c) Bedarf ein Grundstückskaufvertrag einer behördlichen Genehmigung, so hat der Vorkaufsverpflichtete nach Erteilung der Genehmigung den Inhalt des Kaufvertrages dem Vorkaufsberechtigten mitzuteilen, auch wenn die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde eine Dienststelle der Vorkaufsberechtigten Gemeinde ist und diese damit durch das Genehmigungsverfahren von dem Vertrag bereits Kenntnis erlangt hat. d) Nach § 4 Abs. 1 WSiedlungsG bedarf die Teilung eines Grundstücks, die Auflassung eines Grundstücks sowie jede Vereinbarung, durch die einem anderen ein Recht zur Nutzung oder Bebauung eines Grundstücks eingeräumt wird, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der zuständigen Behörde. 2 Glaser, Baurecht-Entsch.

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e) Nach § 5 Abs. 1 der VO zur Ausführung des WSiedlG v. 25. 2. 1935 (RGBl. I 292) — AVO — gilt, soweit das einer Auflassung oder der Einräumung eines Rechtes zur Nutzung oder Bebauung eines Grundstückes zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes genehmigt ist, damit auch das Erfüllungsgeschäft als genehmigt. f) Ist bei Inkrafttreten dieser VO für ein genehmigungspflichtiges Verpflichtungsgeschäft die Genehmigung nicht eingeholt, dagegen das Erfüllungsgeschäft genehmigt worden, so gilt mit der Genehmigung des Erfüllungsgeschäftes auch das Verpflichtungsgeschäft als genehmigt (§ 5 Abs. 2 AVO). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Februar 1957 — V ZR 125/55 — DNotZ 1957, 307 — Betrieb 1957, 307 — B1GBW 1957, 222 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 59 — NJW 1957, 830 —. Anmerkung: Vgl. auch OLG Braunschweig: HGBR Rspr. 1957 Nr. 41.

§ 6 Wohnsiedlungsgesetz 23. Versagung der Wohnsiedlungsgenehmigung a) Das Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten (Wohnsiedlungsgesetz) vom 22. 9.1933 i. d. F. des Gesetzes vom 27. 9. 1938 (RGBl. I S. 1246) enthält in seinem § 6 eine Aufzählung derjenigen Gründe, bei deren Vorliegen die Wohnsiedlungsgenehmigung versagt werden muß. b) Der Wortlaut des Gesetzes läßt nicht ohne weiteres erkennen, ob die Behörde in anderen, im Gesetz nicht aufgeführten Fällen die Genehmigung versagen kann. Daß sie es nicht kann, ergibt sich, abgesehen von dem Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, aus der gesetzgeberischen Gestaltung des § 6. c) Die Generalklausel der Ziff. 3 zwingt zu dem Schluß, daß für weitere Versagungsgründe, als sie im Gesetz aufgeführt sind, kein Raum ist. d) Hätte der Gesetzgeber es anders regeln wollen, so hätte er dies bei der Neuregelung des Jahres 1938 zum Ausdruck bringen müssen. Hiernach ist die Wohnsiedlungsgenehmigung als sogenannte „gebundene" Erlaubnis anzusehen, wie es in gleicher Weise auch die Baugenehmigung ist. Das bedeutet, daß die Behörde über den Genehmigungsantrag nicht nach freiem Ermessen entscheiden kann, sondern die Genehmigung erteilen muß, wenn kein gesetzlicher Versagungsgrund vorliegt. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 15. Mai 1956 — VII A 328/55 — BBauBl. 1956, 660 —. Anmerkung: Vgl. Heilmann: Wohnsiedlungsgesetz, 3. Aufl. Erl. zu § 6.

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§ 7 Wohnsiedlungsgesetz — Art. 14 GG 24. Verfassungswidrigkeit des § 7 Wohnsiedlungsgesetz a) § 7 Abs. 1 Satz 2 des Wohnsiedlungsgesetzes gibt der zuständigen Behörde die Befugnis, die Genehmigung zur Teilung eines Grundstücks nach § 4 des Wohnsiedlungsgesetzes davon abhängig zu machen, daß der Grundstückseigentümer sich verpflichtet, gewisse Teilflächen (bis zu 25 v.H. bzw. 35 v.H.) f ü r öffentliche Zwecke an die Gemeinde entschädigungslos zu übereignen oder statt dessen einen entsprechenden Geldbetrag zu bezahlen. b) § 7 Abs. 1 Satz 2 des Wohnsiedlungsgesetzes ist verfassungswidrig, da er gegen Art. 14 GG verstößt. — Bayer. Verwaltungsgerichtshof München, Urteil vom 3. Februar 1956 — Vf. 49 VII 54 — DÖV 1956, 214 — BBauBl. 1956, 282 —. Anmerkung: Vgl. Korff: Grenzen des Wohnsiedlungsgesetzes: B1GBW 1956, 305; derselbe: NHG 1956, Nr. 9 und 10.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Wohnsiedlungsgesetz 25. Wohnsiedlungsgesetz — Pflicht zur Geländeabtretung a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten vom 22. September 1933 (RGBl. I S. 659) in der Fassung des Gesetzes vom 27. September 1938 (RGBl. I S. 1246) — Wohnsiedlungsgesetz — kann die Wohnsiedlungsgenehmigung unter der Auflage erteilt werden, daß der Grundeigentümer, dessen Grundstück zum Zwecke künftiger Bebauung geteilt wird, sich verpflichtet, f ü r öffentliche Straßen, Plätze, Freiflächen oder den sonstigen öffentlichen Bedarf Flächen in angemessenem Umfang, jedoch höchstens bis zu 25 v.H. der Gesamtfläche des Grundstücks bei offener, bis zu 35 v.H. bei geschlossener Bauweise schulden-, lasten- und kostenfrei an die Gemeinde zu übereignen. b) Diese Vorschrift ist, obwohl es in ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich hervorgehoben ist, wie auch in Rechtsprechung und Schrifttum unstreitig ist, dahin zu verstehen, daß die Abtretung ohne besonderes Entgelt erfolgt. c) Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 des Wohnsiedlungsgesetzes (WSG) ist gültig, soweit sie eine Pflicht zur Geländeabtretunjj, die nach den Vorschriften außerhalb des WSG besteht, auf den Zeitpunkt der Parzellierung vorverlegt. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. November 1956 — I C 150/54 — DWW 1957, 41 — Informationsdienst des Deutschen Volksheimstättenwerks 1957, 26 — BBauBl. 1957, 237 — NJW 1957, 842 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 49 —. Anmerkung: Vgl. Thiel: Rechtsprechung zum Wohnsiedlungsgesetz: B1GBW 1957, 177. 2«

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§ 17 Preuß. Ansiedlungsgesetz; § 2 Preuß. Fluchtliniengesetz 26. Wohnsiedlung — Bebauungsplan — Fluchtlinie a) Eine Wohnsiedlung liegt außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft, wenn sie zwar stellenweise an bebaute Wohngrundstücke angrenzt, von ihnen aber nicht völlig umschlossen wird. b) Eine Wohnsiedlung liegt nicht in den Grenzen eines Bebauungsplanes im Sinne des Fluchtliniengesetzes, wenn einzelne Wohnhäuser der Ansiedlung an einer Straße liegen, f ü r die eine Fluchtlinie festgesetzt ist. c) Der Siedlungsträger hat auch dann zu den durch die Siedlung erforderlich werdenden Aufwendungen beizutragen, wenn diese zum überwiegenden Teil anderen, nicht in der Ansiedlung wohnenden Bevölkerungskreisen zugute kommen. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 15. November 1955 — VII A 1609/53 — BBauBl. 1956, 540 —.

27. Baugestaltungsverordnung Zur Frage der Rechtsgültigkeit der Verordnung über Baugestaltung vom 10. November 1936 (RGBl. I, 938), insbesondere nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Mai 1956 — V Z R 157/54 — Betrieb 1956, 568 —. Anmerkung: Für die Rechtsgültigkeit: OVG Münster: MDR 1952, 698 — BBauBl. 1953, 110; 317 — Glaser Nr. 165/IX 1955; OVG Hamburg: MDR 1951, 446; 1952, 60; Hess. VGH: BBauBl. 1955, 325 — Glaser Nr. 280/IX/55; OVG Lüneburg: BBauBl. 1954, 337 — Glaser Nr. 169/IX/1955; Zinkahn: DÖV 1953, 167; mit Einschränkung BVerwG: BBauBl. 1955, 583; vgl. aber auch BBauBl. 1955, 318. Gegen die Rechtsgültigkeit der BaugestaltungsVO: LVG Köln: BBauBl. 1952, 22; Bull: BB 1951, 649; Grewe: Der Markenartikel 1951, 243 (250 r. Sp.); Dickmann: BBauBl. 1956, 70; Schmidt-Tophoff: BBauBl. 1957, 232 —.

Baugestaltungsverordnung 28. Genehmigung von Werbetafeln an einer Giebelwand a) Bei der auf Grund der Baugestaltungsverordnung zu erteilenden Genehmigung von Werbetafeln, die dazu bestimmt sind, mit stets wechselnden Einzelplakaten beklebt zu werden, muß selbst dann, wenn nach den landesrechtlichen Vorschriften die spätere Plakatierung jeweils einem besonderen Genehmigungsverfahren unterliegen sollte, in Betracht gezogen werden, daß ihr Zweck darin besteht, Trägerin von stets wechselnden Einzelplakaten zu sein. b) Dieser Umstand ist daher bei der Entscheidung über die Frage, ob die Werbetafeln das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild beeinträchtigen, mit zu würdigen.

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—• Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 9. Februar 1956 — I C 43/55 — DWW 1956, 143 und 167 — BBauBl. 1956, 410 —.

29. Werbetafeln auf einem Ruinengrundstück a) Auch eine Werbetafel ist ein genehmigungspflichtiges Bauwerk. b) Als Bauwerk ist jede bauliche Anlage anzusehen, ohne daß es hierbei auf das bei ihrer Herstellung verwendete Material ankommt. — Verwaltungsgerichtshof Bremen, Urteil vom 29. Mai 1956 — I A 84/55 — BA 101/55 — Brem. HZtg. 1957 Nr. 2 —. Anmerkung: Über Genehmigungspflicht von Werbetafeln auf Grund der Baugestaltungsverordnung vgl. Bundesverwaltungsgericht: BBauBl. 1956, 410 — DWW 1956, 143, 167 — oben Nr. 28.

30. Störung des Straßenbildes durch Außenreklame a) Aus dem Wesen der Reklame ergibt sich, daß jede Außenreklame auffallen muß, um ihren Zweck erfüllen zu können. Sie muß sich daher von ihrer Umgebung abheben und in gewisser Weise aus dem Rahmen fallen und in die Augen springen. Daraus ergibt sich, daß eine Außenreklame um so wirkungsvoller ist, je mehr sie zu ihrer Umgebung im Kontrast steht. Kontraste aber brauchen ein harmonisches Gesamtbild nicht auszuschließen. b) Reine Wohnstraßen und sakralbestimmte Kirchplätze müssen Ruhe atmen, wenn sie ihre Funktion erfüllen wollen. In ihnen wird daher eine aufdringliche Reklame, die diese Ruhe stört, als belastend empfunden. c) Geschäftsstraßen sollen das Publikum zum Kauf anregen. Diese Funktion fordert eine Außenwerbung, die vor allem durch ihren Kontrast belebend wirkt und trotzdem ein einheitliches Bild abgeben kann, in das sich die einzelnen Reklamen einwandfrei einfügen können. Dagegen fordert gerade das Getriebe der modernen Großstadt, das an die Nerven und sämtliche Sinne der Bewohner große Anforderungen stellt, daß auch in den Stadtkernen stille Räume vorhanden sind, in denen der Großstädter wenigstens eine gewisse Ruhe finden kann. — OVG Münster, Bescheid vom 11. Dezember 1956 — V I I A 987/54 — BB 1957, 416 —.

§ 1 Baugestaltungsverordnung 31. Ausfüllen einer Baulücke durch ein Bauwerk Eine Baulücke ist an sich nicht baurechtswidrig. Ihre Ausfüllung durch ein Bauwerk, das sich nicht einwandfrei in das umgebende Orts- und Straßenbild einfügt, macht den bisher rechtmäßigen Zustand zu einem baurechtswidrigen auch dann, wenn er nach der Be-

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bauung weniger häßlich ist als vorher. F ü r einen solchen Bau darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 6. Februar 1956 — II A 610/54 — DWW 1956, 211 — B1GBW 1956, 351 — DVB1. 1956, 838 — GWW 1957, 29 (n.L.) —. §§ 1, 2 BaugestaltungsVO 32. Änderung und Beseitigung eines baurechtswidrigen Bauwerks a) Die Änderung oder Beseitigung eines genehmigungspflichtigen, nicht genehmigten und gegen baurechtliche Vorschriften verstoßenden Bauwerkes kann verlangt werden, wenn den im öffentlichen Interesse zu stellenden Anforderungen auf keine andere Weise zu genügen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es ßich um eine bewußte Nichtachtung der Bauordnung und um mehr als einen geringfügigen Verstoß handelt. b) Die Änderung oder Beseitigung eines Bauwerkes kann nicht verlangt werden, wenn die Baubehörde die Genehmigung des Bauwerkes oder die Befreiung von Bauvorschriften in rechtswidriger Weise, insbesondere rechtsmißbräuchlich verweigert hat. — Hess. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. April 1955 — OS IV 206/53 — DVB1.1955, 742 —. Anmerkung: Über die Baurechtswidrigkeit eines Bauvorhabens vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 6. Januar 1956 — Bf. II 11/54 — BBauBl. 1956, 26 —Nr. 40/1957 ds. Sg. 33. Abbruch einer rechtswidrigen baulichen Anlage . a ) Nach § 14 P r P V G haben die Polizeibehörden (Ordnungsbehörden) im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem E r messen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch welche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Hierzu gehören auch alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung oder Beseitigung baurechtswidriger baulicher Anlagen. b) Notwendige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abbruchsanordnung ist, daß die bauliche Anlage auch materiell gegen baupolizeiliche Bestimmungen verstößt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 20. Mai 1950 — IV A 120/50 — HGBR B 5 [ R 3 ] Bl. 6 a ) . c) Nach § 3 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 soll für bauliche Anlagen, die außerhalb von Baugebieten ausgeführt werden sollen, die baupolizeiliche Genehmigung versagt werden, wenn ihre Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes oder einer ordnungsmäßigen Bebauung zuwiderlaufen würde.

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d) Die bauliche Entwicklung wird grundsätzlich durch die Aufstellung städtebaulicher Pläne und den Erlaß sonstiger Rechtsnormen eingeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1955 — 1 C 188/53 — BBauBl. 1955, 580 — HGBR Rspr. 1955 Nr. 57). e) Eine rechtswidrige bauliche Anlage kann nicht mit dem Bestehen eines anderen rechtswidrigen Bauwerkes gerechtfertigt werden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 18. August 1953 — VII A 953/52 — amtl. Sammlung Bd. 7 S. 246). — Landesverwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. April 1956 — 4 K 1347/56 — B1GBW 1957, 47 m. Anm. v. Frohberg —. Anmerkung: Vgl. auch OVG Hamburg, Urteil vom 4. 6.1953 — Bf. II 673/52 — BBauBl. 1956, 26 — VerwRspr. Bd. 6 Nr. 167 — DVB1.1955, 202 — Nr. 40/1957 ds. Sg.; Hess. VGH, Urteil vom 12. 2. 1954 — OS I 155/52 — DVB1. 1955, 209; OVG Lüneburg, Urteil v o m 9 . 9 . 1 9 5 4 — I A 182/53 — BBauBl. 1955, 137 — DVB1.1955, 470; Hess. VGH, Urteil vom 6. 4.1955 — OS IV 206/53 — DVB1.1955, 742 — oben Nr. 32.

34. Baurechtliche Prüfung eines ohne Genehmigung errichteten Baues a) Im Anschluß an die zu der Frage der sogenannten materiellen Illegalität im Baurecht entwickelte Rechtsprechung des früheren Preußischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Bd. 96 S 196, Bd. 104 5 223; RuPrVBl. Bd. 52 S 132 Nr. 4) wird in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. v. Brauchitsch, Verwaltungsgesetze f ü r Preußen, Bd. II, 2. Halbband, 22. Aufl. S. 500, Anm. 3 zu § 71 I 8 ALR; Scholz, Verwaltungsarchiv Bd. 23 S. 222; derselbe, Handbuch des gesamten öffentlichen Grundstücksrechts, S. 204; Baltz-Fischer, Preußisches Baupolizeirecht, 6. Aufl., Anm. 2 zu § 35 der Einheitsbauordnung; Oelker Bauaufsichtsrecht, II 13 S. 68) überwiegend die Meinung vertreten, daß bei den ohne Genehmigung errichteten Bauten f ü r die materielle Legalität nicht die Rechtslage zur Zeit der Errichtung der Bauten, sondern die zur Zeit des behördlichen Eingreifens maßgebend ist. b) Die Begründung f ü r diesen Rechtssatz wird in der Erwägung gesehen, daß eine baurechtliche Prüfung notwendigerweise nur nach den im Zeitpunkt der P r ü f u n g geltenden Rechtsvorschriften vorgenommen werden könne, daß der Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes oft schwer feststellbar sei und der Baupolizeibehörde die Überwindung solcher Schwierigkeiten im Interesse eines Bauherrn, der sich über die formellen Vorschriften einer Bauordnung hinweggesetzt hat, nicht zugemutet werden solle (vgl. Scholz, Verwaltungsarchiv, a. a. O.). c) Der erkennende Senat vermag sich dieser Ansicht im Hinblick auf die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie jedoch nicht anzuschließen.

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— Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Juni 1956 — I C 93/54 —• HGBR Rspr. 1956 Nr. 98 — BBauBl. 1956, 597 — B1GBW 1956, 350 — MDR 1956, 697 — G W W 1956, 583 — NJW 1957, 557. §§ 1, 3 Bauregelungs ver Ordnung 35. Baurecht — Ermächtigung — Versagung der baupolizeilichen Genehmigung a ) Das Wohnsiedlungsgesetz gibt keine Rechtsgrundlage für ein unmittelbares verbindliches Bauverbot. b ) § 1 BauregelungsVO enthält keine Ermächtigung, bestimmte Flächen f ü r jegliche Bebauung zu sperren. c ) § 3 der Bauregelungsverordnung betrifft nur die Versagung der baupolizeilichen Genehmigung im Einzelfall. —• Verwaltungsgerichtshof München, Urteil vom 4. Juli 1956 — Vf. 34/— VII — 54 — DÖV 1956, 702 —. § 1 BauregelungsVO 36. Baupolizeirecht — Flaschenbierhandel auf einem Kleinsiedlergrundstiick a ) Soweit die Baupolizei zuständig ist, hat sie bei ihrer Tätigkeit alle Erwägungen anzustellen, die den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffen. Sie bleibt mithin nicht auf die Anwendung baurechtlicher Vorschriften beschränkt (vgl. P r O V G Bd. 105 S. 280, 95 S. 221, 97 S. 212, 100 S. 156). b ) Zu den Aufgaben der Baupolizei gehört auch das Einschreiten gegen eine polizeiwidrige Benutzung von Räumen. c) Die Baupolizei ist auch dann befugt, Maßnahmen für die Einhaltung der materiellen Vorschriften des Baurechts zu treffen, wenn eine Nutzungsänderung formell nicht genehmigungspflichtig ist. d ) Mit dem Begriff der nichtbäuerlichen Siedlerstelle ist verbunden, daß der Kleinsiedler seinen Lebensbedarf nur teilweise aus dem Grundstück zieht und daß ein sonstiges Berufs- oder Erwerbsverhältnis den Charakter des Grundstücks als Siedlerstelle nicht berührt. e ) Es genügt, insoweit auf den inzwischen außer K r a f t getretenen § 1 der V O über die weitere Förderung der Kleinsiedlung insbesondere durch Übernahme von Reichsbürgschaften vom 19. 2. 1935 (RGBl. I, S. 341) und auf den nunmehr geltenden § 10 des 2. WohnBauG vom 27. 6.1956 (BGBl. I, S. 523) zu verweisen. f ) Beide Vorschriften gehen davon aus, daß die gartenbaumäßige Nutzung des Grundstücks nur einen —- wichtigen oder fühlbaren — Beitrag zu dem Lebensbedarf des Siedlers liefern soll. g ) Der Inhaber des Grundstücks ist ein nichtbäuerlicher „Klein"Siedler. E r kann nicht wie ein Bauer von den Erträgnissen seines

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Bodens leben. Als „Nichtbauer" muß er sich daher noch eine andere Erwerbsquelle erschließen, die zusammen mit den Erzeugnissen des Grundstücks seine Existenz gewährleistet. h) Der Begriff der nichtbäuerlichen Siedlerstelle schließt demnach eine zusätzliche Erwerbstätigkeit nicht nur nicht aus, sondern setzt eine solche gerade voraus. Andernfalls wäre eine „Klein"-Siedlung nicht gegeben. i) Die Erschließung einer zusätzlichen Erwerbsquelle auf einem Kleinsiedlergrundstück widerspricht nicht dem Charakter eines Kleinsiedlungsgebiets, wenn dies nach außen nicht in Erscheinung t r i t t und die Nachbarn nicht belästigt werden. — Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 6. Februar 1957 — Bf. II 77/56 — MDR 1957, 380 —.

§ 3 BauregelungsVO 37. Genehmigung für einen Bau in den sog. Außenbezirken a) Nach § 3 BauregelungsVO soll die baupolizeiliche Genehmigung f ü r bauliche Anlagen, die außerhalb von Baugebieten oder, soweit solche nicht ausgewiesen sind, außerhalb eines im Zusammenhang gebauten Ortsteils ausgeführt werden sollen, versagt werden, wenn ihre Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebiets oder einer ordnungsgemäßen Bebauung zuwiderlaufen würde. b) Aus dem Sinn dieser Vorschrift und ihrer Bedeutung im Rahmen des Systems der baurechtlichen Vorschriften folgt, daß bei der Auslegung der Begriffe „geordnete Entwicklung des Gemeindegebiets" und „ordnungsmäßige Bebauung" keine behördliche Ermessensfreiheit besteht. c) Diese Vorschrift betrifft alle genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen. d) § 3 BauregelungsVO bezweckt nicht, die Errichtung von Bauten in der freien Landschaft überhaupt zu unterbinden. e) Eine solche Maßnahme wäre durch den Zweck der Vorschrift, den Charakter der sogenannten Außengebiete nach Möglichkeit zu erhalten, nicht erfordert und lag daher nicht in der Absicht der BauregelungsVO, die den Grundsatz der Baufreiheit nicht aufgehoben hat. f ) Eine Bebauung, die der land- oder forstwirtschaftlichen oder der sonstigen naturgegebenen Nutzung des Bodens dient, kann in der Regel nach § 3 BauregelungsVO nicht untersagt werden. g) § 3 BauregelungsVO enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob die Behörde trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale, die nach der VO eine Versagung erfordern, eine Ausnahme erteilen kann.

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h) Die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von baurechtlichen Vorschriften zu erteilen, ist aber in den Baurechten der deutschen Länder allgemein vorgesehen (vgl. § 65 BayBauO) und wird grundsätzlich als selbstverständlicher Bestandteil des Baurechts angesehen. i) Daß § 3 BauregelungsVO diese Befugnis ausschließen wollte, kann nicht angenommen werden (so auch OVG Münster, Urteil vom 28.10.1952, Amtl. Samml., Bd. 6, S. 144 [147]; Urteil vom 18. 8.1953, BBauBl. 1954, 277; a. M.: Kayser, Die baupolizeilichen Vorschriften des Deutschen Reichs und Preußens, Anm. 3 zu § 3 BauregelungsVO). — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Oktober 1956 — I C 119/56 — MDR 1957, 119 —BBauBl. 1957, 64 —B1GBW 1957, 45 — NJW 1957, 686 —.

§ 3 BauregelungsVO 38. Bauvorhaben im Außengebiet a) Im Außengebiet besteht kein völliges Bauverbot. Das Bauen ist aber dort u. a. dann nicht zulässig, wenn dadurch die geordnete Entwicklung des Gemeindegebietes beeinträchtigt wird. b) § 3 BauregelungsVO ist geltendes Recht. c) Widerspricht ein Bauvorhaben dem Baustufenplan, weil es mit dem Zweck des Außengebiets nicht vereinbar ist, so widerspricht es grundsätzlich auch der geordneten Entwicklung des Gemeindegebiets. d) Mit dem Erholungszweck des Außengebiets steht es im Einklang, wenn Teile davon als Dauerkleingartengebiete ausgewiesen werden. e) Bauten, die Dauerwohnzwecken dienen, sind, von besonderen Ausnahmefällen, in denen die kleingärtnerische Zweckbestimmung den dauernden Aufenthalt von Personen auf dem Kleingartengelände erfordert, mit der Ausweisung eines Geländes als Kleingartenbetrieb nicht vereinbar. f ) Der Zweckbestimmung des Kleingartens entspricht es, wenn dort nur Gartenlauben mit einer Grundfläche von höchstens 15 qm zugelassen werden. — Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 13. September 1956 — Bf. II 61/55 — MDR 1957, 124 —. Anmerkung: Zu b): Ebenso BVG: MDR 1955, 124; BVG: DVB1.1955, 292; BVG: BBauBl. 1955, 580.

§ 3 BauregelungsVO 39. Anspruch auf Abweichungen von den Bauvorschriften Wenn die Baupolizeibehörde ein Bauwerk unter Abweichung von den Bau-Vorschriften genehmigt hat, so kann sich ein anderer zur Begründung seines Baugesuches darauf grundsätzlich nicht berufen.

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— Hess. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 1955 •— OS IV 48/53 — DVB1.1955, 741 —. Anmerkung: Vgl. auch LVG Düsseldorf, Urteil vom 8. November 1955 — 4 K 2869/55 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 29 — Glaser Nr. 64/X/1956; vgl. ferner LVG Düsseldorf: oben Nr. 33 zu e).

40. Rechtsnatur des Bauleitplanes (Fluchtlinienplanes) a) Hat der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten Verletzte sich einen ihm offenen Rechtsweg — etwa durch Versäumung der Klagefrist — selbst verschlossen, so steht ihm nicht der besondere Rechtsbehelf des Art. 19 Abs. 4 GG zu. b) Die Feststellung eines Fluchtlinienplanes als eines Bauleitplanes ist kein Verwaltungsakt, sondern ein Akt der Ortsgesetzgebung. Ein rechtswirksam zustande gekommener Fluchtlinienplan ist Teil des Ortsbaurechts. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Oktober 1956 — V ZR 27/56 — NJW 1956, 1873 — BBauBl. 1957, 122 —. Anmerkung: Vgl. auch BVerwG: MDR 1956, 699 — BBauBl. 1956, 598 — Nr. 12/1957 ds. Sg.; BVerwG: NJW 1956, 1849 — unten Nr. 41; neuerdings BVerwG, Beschluß vom 21. 5.1957 — I B 272/56 — NJW 1957, 1083.

41. Anfechtung des Fluchtlinienplanes a) Der Fluchtlinienplan nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz —• und zwar auch ein noch im Planverfahren befindlicher Fluchtlinienplan — sowie der Einwendungsbescheid, der im Planauslegungsverfahren ergeht, sind keine Verwaltungsakte. b) Der Fluchtlinienplan ist eine ortsrechtliche Norm und deshalb im Verwaltungsstreitverfahren nicht anfechtbar. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Mai 1956 — I C 29/54 — BB 1956, 579 — DWW 1956, 208 — B1GBW 1956, 286 — JR 1956, 388 — MDR 1956, 698 — NJW 1956, 1849 m. Anm. von Obermayer — BBauBl. 1956, 530 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 8 — GWW 1957, 29 (n. L.) —. Anmerkung: Vgl. auch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 24. November 1953 — V I I A 530/53 — u. Urteil des BVerwG vom 3. 5.1956 — I C 89/55 — BBauBl. 1956, 537; vgl. ferner Wiethaup: Das Fluchtlinienrecht: B1GBW 1957, 2, 21, 37 — Bayr. VGH München: BBaubl. 1956, 127.

Straßen- und Baufluchtengesetz vom 2. Juli 1875 (GS S. 561) 42. Bebauungsgenehmigung und Fluchtliniengesetz a) Das Straßen- und Baufluchtengesetz vom 2.7.1875 — GS S. 561 — hat die Bebaubarkeit eines Grundstücks nicht von der Feststellung von Straßen- und Baufluchtlinien abhängig gemacht (vgl. Pr. OVG 14/403; 21/375; 23/361).

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b) Es ist vielmehr Sache der Gemeinde, durch Festsetzung der erforderlichen Fluchtlinien das als Kleinsiedlungsgebiet ausgewiesene Gelände f ü r eine geordnete Bebauung aufzuschließen. c) Die Bebauung eines in einem Wohngebiet gelegenen Grundstücks kann daher nicht wegen fehlender Straßen- und Baufluchtlinien verweigert werden. d) Eine Versagung der Bebauungsgenehmigung wegen fehlender Erschließung würde auf eine zeitlich unbefristete Bebauungssperre hinauslaufen. e) Einer unerwünschten Bebauung eines noch nicht durch Fluchtlinien aufgeschlossenen Geländes kann nicht mit Vorschriften des Baupolizeirechts entgegengetreten werden. f ) Derartigen Gefahren f ü r eine ordnungsgemäße Gesamtplanung kann die Gemeinde vielmehr, falls die Ingangsetzung eines Fluchtlinienfestsetzungsverfahrens noch nicht möglich ist, nur durch Verhängung befristeter Bausperren nach der Verordnung über die Zulässigkeit befristeter Bausperren vom 29. 2.1936 in rechtlich zulässiger Form begegnen. g) Grundstücke, die nicht an einem öffentlichen Fahrweg liegen, können bebaut werden, wenn der Zugang zu einem solchen Fahrweg sichergestellt ist. — Landesverwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. November 1955 —4 K 1720/55 — Städtetag 1956, 246 —. Anmerkung: Vgl. Dittus: Blätter 1957, 5.

43. Schäden bei der Vorbereitung städtebaulicher Maßnahmen a) Vorarbeiten zur Vorbereitung einer städtebaulichen Maßnahme sind Arbeiten, die vorgenommen werden müssen, bevor die eigentlichen Arbeiten beginnen, z. B. Vermessungen und Bohrungen. b) Das Niederreißen der gesamten auf einem oder mehreren Grundstücken stehenden Gebäude gehört regelmäßig nicht zu den Vorarbeiten, namentlich dann nicht, wenn — im Gebiet des preußischen Enteignungsrechts — der Unternehmer gemäß § 6 des Gesetzes über ein vereinfachtes Enteignungsverfahren vom 26. 7.1922 (G S. 211) bereits in den Besitz des zu enteignenden Grundstücks eingewiesen worden war. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 1956 — V ZR 158/54 — Betrieb 1956, 939 — GWW 1956, 536 — NJW 1956, 1354 — Bln. Grundeigentum 1957, 47.

44. Unterschrift des GrundstiickeigentUmers unter dem Bauantrag a) Aufgabe der Bauordnung ist es, das öffentliche Baurecht im objektiven Sinne zu regeln. Als Polizei-VO hat sie mithin den Zweck,

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von vornherein alle Gefahrenquellen f ü r die Allgemeinheit auszuschalten, die durch Bauen hervorgerufen werden können. b) Sie hat deshalb die Anforderungen zu bestimmen, die u. a. die Standfestigkeit, die Feuersicherheit, die Gesundheit und der Verkehr f ü r ein Bauwerk stellen. c) Das trifft aber nicht zu f ü r das Verlangen, daß die Bauunterlagen neben der Unterschrift des Bauherrn auch diejenigen des Eigentümers tragen sollen, wenn diese beiden nicht personengleich sind. d) Im Gegenteil, die Zulässigkeit dieser in der Bauordnung — nicht aber in dem Entwurf einer Einheitsbauordnung von 1919 — enthaltenden Regelung kann vielmehr deshalb zweifelhaft sein, weil § 3 Nr. 3 BauO ausdrücklich klarstellt, daß der Bauschein ohne Rücksicht auf bestehende bürgerliche Rechtsbeziehungen und deswegen in jedem Fall vorbehaltlich der Rechte Dritter erteilt wird, also allein öffentlich-rechtliche Wirkungen erzeugt. — Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 15. Februar 1957 — II B 139/55 — Bln. GrundE 1957, 301 —.

45. Rechtliches Gehör im Bauaufsichtsverfahren a) Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs bildet nicht nur die Grundlage des Verwaltungsprozesses, sondern dieser Grundsatz ist auch von den Verwaltungsbehörden im Verwaltungsverfahren zu beachten. b) Das bedeutet, daß der Betroffene oder dessen Vertreter jedenfalls an einer baupolizeilichen Ortsbesichtigung, falls eine solche zwecks Feststellung des Sachverhalts stattfindet, zu beteiligen und ihm Gelegenheit zu geben ist, sich zu den einzelnen festgestellten Tatsachen, insbesondere auch zu dem beabsichtigten Vorgehen der Behörde, zu äußern. c) Mindestens ist in diesem Sinne der Betroffene zu dem mitgeteilten Ergebnis der baupolizeilichen Feststellungen zu hören, bevor im Wege der polizeilichen Verfügung gegen ihn vorgegangen wird. d) Die Baupolizei muß vor Erteilung einer Auflage dem betroffenen Grundstückseigentümer Gelegenheit zur Äußerung geben. —• Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 20. Dezember 1955 — I A 441/55 — Berliner Grundeigentum 1956, 501 —.

46. Umfang des Baudispenses Wird auf einen Bauantrag hin eine Befreiung von zwingenden Vorschriften der Bauordnung erteilt, so gilt die Befreiung — jedenfalls, soweit dies dem Zweck der zu dispensierenden Vorschriften entspricht — grundsätzlich nur f ü r die durch den Bauantrag erfaßten Geschosse. Sie erstreckt sich mithin nicht automatisch auf weitere Geschosse.

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— Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 19. April 1956 — 56/55 — BBauBl. 1956, 540 —.

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47. Bauauflagen Ist ein Grundstück mit einem Nießbrauch belastet, so können Bauauflagen sowohl dem Eigentümer des Grundstücks wie dem Nießbraucher erteilt werden. Die Behörde hat grundsätzlich die freie Wahl, welchem von beiden sie die Auflage erteilen will. — Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 18. April 1956 — IV 100/55 — DVB1.1956, 838 — GWW 1957, 29 (n. L.) —.

48. Baubefreiung unter bestimmten Bedingungen a) Macht ein Baubefreiungs-(Dispens-)beschluß die Baubefreiung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig, die, auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr liegen, so handelt es sich hierbei nicht um selbständig anfechtbare Verfügungen der Gefahrenabwehr. Der Baubefreiungsbeschluß kann jedoch mit der Anfechtungsklage deshalb angefochten werden, weil er nur unter Bedingungen erteilt ist. b) Die Bedingungen eines Baubefreiungsbeschlusses müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. c) Bedingungen eines Baubefreiungsbeschlusses, die auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr liegen, werden nicht dadurch hinfällig, daß der Bauherr ein anderes, zur Gefahrenabwehr ebenso wie die Befreiungsbedingung geeignetes Mittel anbietet oder daß der mit der Befreiungsbedingung erstrebte Zweck der Gefahrenabwehr auf andere Weise erreicht werden kann. — Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 23. Februar 1956 I A 48/55 — BBauBl. 1956, 480 —.



49. Voraussetzungen der Erteilung eines Baudispenses a) Eine „offenbar nicht beabsichtigte Härte", die die Baubehörde zu einem Dispens berechtigt, liegt nur dann vor, wenn eine den Regeln der Bauordnung entsprechende Bebauung des Grundstückes zu einer den erkennbaren Absichten der Bauordnung zuwiderlaufenden Härte führen würde, also namentlich dann, wenn sich das Grundstück entweder überhaupt nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten so bebauen ließe, wie es die Bauordnung fordert. b) Es kommt hiernach weniger auf die persönliche Lage des Baulustigen als vielmehr auf die objektiven Verhältnisse des Grundstückes an, insbesondere darauf, ob es seinem Zuschnitt und seiner Lage nach soweit von der Norm abweicht, daß ein Sonderfall vorliegt, den die Bauordnung offenbar nicht im Auge hatte. — Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 6. Februar 1956 — V I I A 610/54 — DWW 1956, 211 — B1GBW 1956, 351 — BBauBl. 1956, 540 (n. L.) —.

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50. Versagung der Baubefreiung a) Die Versagung einer Baubefreiung ist selbständig anfechtbar. b) Würde die Durchführung eines durch Ortsbauplan festgesetzten Bauverbots durch die Erteilung einer Baubefreiung erheblich verteuert werden und läßt sich die Möglichkeit einer Durchführung des Bauverbots in nicht allzu ferner Zeit nicht ausschließen, so stehen Rücksichten auf die Allgemeinheit der Erteilung der Baubefreiung entgegen. c) Die Berücksichtigung fiskalischer Interessen ist der BauO nicht fremd. Fiskalische Erwägungen müssen daher auch bei der Entscheidung der Frage, ob Rücksichten auf die Allgemeinheit der Erteilung einer Baubefreiung entgegenstehen, berücksichtigt werden. — Württ.-Bad. Verwaltungsgerichtshof Stuttgart, Urteil vom 14. Januar 1954 — 2 S 325/53 — Verwaltungsrechtsprechung Bd. 8, 218 — GWW 1956, 435 (n. L.) —.

51. Ausnahmebewilligung für den Bau gewerblicher Anlagen a) Eine Bauordnung, welche f ü r einzelne Gemeindegebiete die E r richtung gewerblicher und lärmender Anlagen verbietet, jedoch Ausnahmebewilligungen vorsieht, vermittelt kein subjektiv-öffentliches Recht auf Unterlassung solcher Ausnahmebewilligungen. Soweit verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklagen auf die Behauptung der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte durch Ausnahmeerteilung gegründet werden, sind sie unzulässig. Anfechtungsklagen müssen jedoch als zulässig angesehen werden, wenn das Vorliegen von Ermessensfehlern behauptet wird. b) Wenn die Bauordnung Ausnahmebewilligungen vom Verbot der Errichtung gewerblicher Anlagen bei Vorliegen „besonderer Voraussetzungen" zuläßt, Richtlinien f ü r die Auslegung dieses Begriffes jedoch nicht gibt, so ist ein unbestimmter Rechtsbegriff nicht gegeben. Die Ausnahmebewilligung der Baupolizeibehörde gehört in diesem Falle nicht dem Bereich der Gesetzesanwendung, sondern dem der Ermessensbetätigung an. c) Ausnahmebewilligungen dürfen nur aus Gründen erfolgen, die das öffentliche Interesse, welches zum generellen Verbot geführt hat, überwiegen. — Verwaltungsgerichtshof Freiburg/Breisgau, Urteil vom 4. Mai 1955 — 76/52 — BBauBl. 1956, 479 —.

52. Baugenehmigung und gewerbepolizeiliche Genehmigung a) Dem Unternehmer einer Privatkrankenanstalt darf die höhere Verwaltungsbehörde die f ü r seine Person erforderliche Konzession in den Fällen des § 30 Abs. 1 Buchst, c und d GewO nur dann versagen, wenn durch den Betrieb der Anstalt f ü r die Mitbewohner des

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Gebäudes oder durch die örtliche Lage für die Besitzer oder Bewohner benachbarter Grundstücke vom gesundheitspolizeilichen Standpunkt erhebliche Nachteile oder Gefahren hervorgerufen werden können. b) Diese der Konzessionsbehörde auferlegte Einschränkung für die Versagung der gewerbepolizeilichen Genehmigung bindet aber in keiner Weise die Baupolizei. Sie kann die ebenfalls erforderliche baupolizeiliche Genehmigung versagen, wenn die Errichtung der Privatkrankenanstalt gegen zwingende Vorschriften des Baurechts verstößt und Befreiung davon nicht erteilt werden darf. c) Eine Erlaubnis nach § 30 GewO ersetzt also nicht die nach der Bauordnung erforderliche Baugenehmigung und, sofern das Bauwerk entgegen den zwingenden Vorschriften der Bauordnung errichtet werden soll, auch nicht die notwendige Befreiung von diesen Vorschriften. — Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 27. April 1956 — II B 142/55 — BBauBl. 1956, 657. —

53. Reklame am Bauzaun a) Die Widmung der Straße zum allgemeinen Gebrauch gibt jedermann den freien Gebrauch der Straße für den Verkehr innerhalb der besonderen Bestimmung der Straße und innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen frei. b) Daher muß der Eigentümer einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße die Einwirkungen dulden, die sich innerhalb der Grenzen des bestimmungsmäßigen Gebrauches halten. c) Den Gemeingebrauch an Straßen können die Straßenanlieger infolge ihrer räumlichen Verhältnisse zur Straße in besonderem Maße ausüben. Sie dürfen nicht nur auf der Straße gehen, fahren, reiten oder Menschen und Sachen befördern; der Straßeneigentümer muß vielmehr auch Einwirkungen dulden, die sich gerade aus der räumlichen Beziehung des Anliegers zur Straße ergeben, soweit nach allgemeiner Verkehrsauffassung und Ortsüblichkeit eine solche Benutzung erfolgen darf. d) Der Umfang der Anliegernutzung steht nicht ein für allemal fest. Er ist wandelbar mit der Entwicklung des Verkehrs, der Verkehrsbedürfnisse wie der allgemeinen Verhältnisse. e) So wird das vorübergehende Lagern von Holz und Kohlen auf dem Bürgersteig, ebenso auch das zeitweilige Aufstellen von Fahrzeugen vor dem Haus eines Anliegers als Anliegernutzung angesehen. f ) Nach allgemeiner Verkehrsauffassung gilt ein gleiches auch für ein vorübergehendes Errichten von Bauzäunen auf dem Bürgersteig aus Anlaß des Neubaues oder des Wiederaufbaues eines Hauses. Die Straße wird hier zu einem von der Widmung erfaßten Zwecke, der

I. E n t e i g n u n g s - u n d B a u p o l i z e i r e c h t

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Besiedelung des von der Straße erschlossenen Geländes zu dienen, benutzt. g) Eine solche Ausübung, im Rahmen der Gemeinverträglichkeit vorgenommen, gilt als üblich und zulässig (Hammes DVB1.1950, 103; Brabant JW 1938, 3204; Haueisen, Staatsanzeiger f ü r Baden-Württemberg 1953 Nr. 72). h) Reklameankündigungen, die von den Häusern der Straßenanlieger aus in den Luftraum der Straße (Lichtzeichen, Schilder, Aufschriften) hinein stattfinden, sind vom Straßeneigentümer als Ausfluß des Gemeingebrauchs unentgeltlich zu dulden (RGZ 123, 181 [186]). i) Der Gemeingebrauch des Straßenanliegers u m f a ß t im allgemeinen nicht das Recht, einen von ihm auf der Straßenfläche (einschließlich Bürgersteig) errichteten Bauzaun zum Zwecke der Fremdreklame zu benutzen. Ein solches Recht kann f ü r ihn jedoch infolge örtlicher Entwicklung des Gemeingebrauchs gegeben sein. — B u n d e s g e r i c h t s h o f , Urteil v o m 19. D e z e m b e r 1956 — V Z R 1 8 1 / 5 5 — B1GBW 1957, 110 — N J W 1957, 457 — M D R 1957, 351 — J R 1957, 260 — B B 1957, 93 — Betrieb 1957, 91 — G W W 1957, 159 (n. L.) — H G B R Rspr. 1957 N r . 22 — .

54. Verstoß gegen Bauvorschriften — strafrechtliche Verantwortlichkeit des Bauherrn und des Architekten a) Errichtet ein Bauherr ein Bauwerk ohne erforderliche polizeiliche Genehmigung oder weicht er von einem genehmigten Bauplan ab oder läßt er ein ungenehmigtes oder nicht in der Art genehmigtes Bauwerk errichten, so kann er bestraft werden (§367 Abs. 1 Nr. 15 des Strafgesetzbuches). b) E r haftet selbständig und neben seinem Architekten f ü r alle Verstöße gegen Bauvorschriften und kann nicht die ganze Verantwortung auf seinen Architekten abwälzen. c) Der Bauherr ist daher strafrechtlich f ü r das Bauen ohne Baugenehmigung oder das Abweichen von dem genehmigten Bauplan auch dann verantwortlich, wenn er fahrlässig alles seinem Architekten überläßt und dieser, ohne die Baugenehmigung einzuholen und ohne den Bauherrn davon zu verständigen, den Bau errichtet. — Oberlandesgericht H a m m , Urteil v o m 12. April 1956 — 2 S s 256/56 — B B 1956, 1013 — . Anmerkung: Vgl. Baltz-Fischer, P r e u ß . Baupolizeirecht, 6. A u f l . S. 31; KG: H R R 1931 N r . 2088; OLG Dresden: DRiZ 1930 Nr. 217.

55. Zwangsgeld wegen Nichtbefolgung einer Baupolizeiverordnung a) Aus der Befugnis, Zwangsgeld wegen Nichtbefolgung einer Polizeiverordnung festzusetzen und notfalls beizutreiben, obschon 3 Glaser, Baurecht-Entsch.

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I. Enteignungs- und Baupolizeirecht

der polizeiwidrige Zustand nicht mehr fortbesteht, folgt nicht, daß das Zwangsgeld auch dann noch angewendet werden darf, wenn den Umständen nach eine erneute Zuwiderhandlung praktisch ausgeschlossen ist oder nur im Bereich entfernter Möglichkeit liegt. b) Zwar ist das Zwangsgeld insofern der Strafe ähnlich, als es wegen Nichtbefolgung einer Polizeiverordnung festgesetzt und beigetrieben werden kann und damit ebenso wie die Strafe an die Tatsache begangenen Unrechts anknüpft. c) Das Zwangsgeld unterscheidet sich aber von der Strafe dadurch, daß ihm der Erzwingungszweck begriffs- und wesensnotwendig ist, während der Mangel eines Erzwingungszwecks Begriff und Wesen der Strafe nicht widerspricht. d) Nach anerkannten Grundsätzen der allgemeinen Rechtslehre ist für die Auslösung einer gesetzlichen Vorschrift der in ihr zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (vgl. BVerfG Bd. 1 Nr. 38 S.312). e) Es ist daher geboten, den Begriff des Zwangsgeldes seinem schlichten Wortsinn entsprechend einschränkend im Sinne eines Beugemittels auszulegen und anzuwenden, zumal sich seine Festsetzung und Beitreibung wie jeder polizeiliche Eingriff nur unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr (§14 Abs. 1 PVG) rechtfertigen läßt. f ) In ähnlichem Sinne hat das Pr. OVG (Bd. 91 S. 153, 158) ausgesprochen, daß die Festsetzung von Zwangsgeld wegen Verstoßes gegen eine Polizeiverordnung zu unterbleiben habe, wenn die Notwendigkeit, ihr für die Zukunft größeren Nachdruck zu verleihen, zu verneinen sei. — Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 20. April 1955 — I B 89/54 — Berliner Grundeigentum 1956, 685 —.

II.

Baulandbeschaffung und Umlegung Nr. 56—66 § 1 Baulandbeschaffungsgesetz (B1BG) 56. Enteignung von Bauland zur Förderung des Wohnungsbaues a) Nach dem. Baulandbeschaffungsgesetz kann Gelände für öffentliche Gebäude, andere öffentliche bauliche Anlagen oder örtliche öffentliche Verkehrs- und Grünflächen enteignet werden (§ 2c B1BG). b) Eine derartige Enteignung ist aber nur zur Förderung des Wohnungsbaues zulässig. c) Ist die sofortige Ausführung der beabsichtigten Enteignungsmaßnahme aus Gründen des allgemeinen Wohles geboten, so kann die Enteignungsbehörde den Antragsteller in den Besitz des Grundstückes einweisen, das enteignet werden soll ( § 3 1 Abs. 1 B1BG). Die vorläufige Besitzeinweisung ist aber nur zulässig, wenn ein erfolgreicher Ausgang des Enteignungsverfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Februar 1957 — III ZR 203/56 — B B 1957, 383 — B1GBW 1957, 190 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 62 — BBauBl. 1957, 301 —.

§ 5 Baulandbeschaffungsgesetz (B1GB) 57. Enteignung auf Grund des Baulandbeschaffungsgesetzes a) Nach § 5 Abs. 1 B1BG ist die Enteignung nur zulässig, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen der Enteignungsbehörde der Nachweis erbracht ist, daß der Antragsteller sich ernstlich um den freihändigen Erwerb von geeignetem Gelände für das Bauvorhaben zu einem den Grundsätzen des § 10 B1BG entsprechenden Preis vergeblich bemüht hat. b) Um den freihändigen Erwerb „anderen" geeigneten Geländes braucht sich ein Antragsteller nur dann nicht zu bemühen, wenn nach der vorgesehenen Zweckbestimmung der in Anspruch genommenen Fläche eine Verweisung auf Ausweichgelände ausscheiden muß (Zinkahn-Dittus: Baulandbeschaffungsgesetz Anm. 3 zu § 5 ) . — Kammergericht, Urteil vom 5. Februar 1957 — 9 U 2345/56 — Bln. GrundE 1957, 216 —. 3*

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II. Baulandbeschaffung u n d Umlegung

§ 14 GG; §§ 10, 12 Baulandbeschaffungsgesetz (B1GB) 58. Höhe der Baulandentschädigung a) Die Baulandgerichte sind ordentliche Gerichte im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG. b) Die Entschädigungsregelung im § 10 B1BG v e r s t ö ß t nicht g e g e n Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG. c) Die Entschädigungsregelung im § 10 B1BG g e h t nicht von den Stopp-Preisen, sondern von den Wertverhältnissen v o m 17. 10. 1936 aus. d) Art. 14 III, 3 GG beschränkt den Gesetzgeber nicht auf den gemeinen Wert als Mindestbetrag der E n t e i g n u n g s e n t s c h ä d i g u n g f ü r den durch die E n t e i g n u n g eingetretenen Rechtsverlust. E r läßt vielmehr eine E n t s c h ä d i g u n g zu, die unter dem gemeinen Wert liegt. e) Eine unverdiente Wertsteigerung (Bodenrente) g e h ö r t nicht zum geschützten Inhalt des E i g e n t u m s nach Art. 14 Abs. 1 GG. — Kammergericht, Senat f ü r Baulandsachen, Urteil vom 3. April 1956 — 9 U 2425/55 — D W W 1956/141 — F r W W 1956, 353 — BBauBl. 1956, 281 (n. L.) — Informationsdienst des Volksheimstättenwerk vom 15. Juli 1956 — Hess. HZtg. 1956, 122 m. Anm. von Schütz — N J W 1956, 1358 —. Anmerkung: Zu a ) : Anderer Ansicht OLG Bremen: DVB1.1955, 738 — D W W 1955, 174; Forsthoff!, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 2. Aufl. S. 267 Note 3; Maunz: Das Verhältnis der Baulandentschädigung zum Grundgesetz 1955 S. 38. Die Verfassungsmäßigkeit der Baulandgerichte hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 23. F e b r u a r 1956 — N J W 1956, 625 — BBauBl. 1956, 120 — bejaht; ebenso KG, Beschlüsse vom 3. Oktober 1955 — 9 W 2519/55 und — 9 W 2541/55 — mitgeteilt von Rennert in H u W 1955, 405 — BBauBl. 1955, 582; vgl. auch Maunz: H u W 1956, 367. Zu b ) : Zu der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Baulandbeschaffungsgesetzes, die die Höhe der Entschädigung des Eigentümers regeln, liegt bisher noch keine gerichtliche Entscheidung vor. Im Schriftt u m wird die Verfassungsmäßigkeit bejaht von Zinkahn in Dittus-Zinkahn, Baulandbeschaffungsgesetz, Kommentar 1954 Anm. A 5a vor § 9; Pathe, Baulandbeschaffungsgesetz 1953, § 10 I I I 3 S. 93; Zinn-Stein: Die Verf a s s u n g des Landes Hessen, Kommentar 1954 Art. 15 A 8; Weber: Eigent u m und Enteignung, IV A 4 in Neumann-Nipperdey-Scheuner: Die Grundrechte 1954 S. 391; dagegen wird die Verfassungsmäßigkeit verneint von Maunz: Das Verhältnis der Baulandentschädigung zum Grundgesetz 1955 S. 43; Forsthoff: DÖV 1956, 63; Huber: Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. 2 S. 810. Vgl. auch Berliner Grundeigentum 1956, 66; Werner: DVB1.1954, 44; 1955, 740; Heitzer: DVB1.1951, 272; Schultz: MDR 1953, 600; LG Bremen, Urteil vom 15. Juli 1955 — 01005/54 — BBauBl. 1955, 582; LG Bremen: Urteil vom 5. November 1954 — 1 O 749/54 — BBauBl. 1955, 581 (n. L.) — Glaser Nr. 67/IX/1956. 59. Begriff der U m l e g u n g im Gegensatz zur E n t e i g n u n g a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil v o m 26. März 1955 — - I C 149/53 — und in seinem Beschluß v o m 6. A u g u s t 1955 — I B

II. Baulandbeschaffung und Umlegung

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17/55 — ausgesprochen, aus dem Sinn der verfassungsmäßigen Eigentumsgarantie sei der Grundsatz abzuleiten, daß die Enteignung so lange unzulässig sei, wie der Zweck, dem die Enteignung dienen soll, auch auf andere, die Betroffenen weniger schwer belastende Weise erreicht werden könne, ohne daß die Erreichung des Enteignungszwecks in unvertretbarer Weise erschwert werde. Der Senat hat dabei die Umlegung als das weniger belastende Mittel gegenüber der Enteignung bezeichnet. b) E s ist denkbar, daß es nach diesem Grundsatz einen Ermessensfehler darstellen kann, wenn eine Umlegung nicht eingeleitet oder eine eingeleitete ganz oder teilweise aufgehoben und statt dessen der Weg der Enteignung beschritten wird. c) Die Umlegung hat ihrem Wesen nach grundsätzlich den Zweck, eine im Hinblick auf die Bebauung (oder sonstige planmäßige Nutzung) zweckmäßige Gestalt der Grundstücke nach Lage, Form und Größe zu schaffen. d) Grundstücke können ohne Ermessensfehler von der Umlegung ausgenommen werden, wenn sie innerhalb der alten Grenzen bebaubar bleiben. — Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 14. Januar 1956 — I B 183/55 — DWW 1956, 163 —. Anmerkung: Vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 21.12.1955 — 1 U 215/54 — Württ. HZtg. 1956 Nr. 7 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 113 — unten Nr. 60 —.

Art. 14 GG — Reichsumlegungsordnung vom 16. 6. 1937 — RGBl. I, 629 60. Umlegung — Enteignung a) Die Umlegung ist ihrem ursprünglichen Wesen und dem Ziele nach, das sie im Bereich der ländlichen Flurbereinigung verfolgt, grundsätzlich von der Enteignung zu unterscheiden. b) Ihrer herkömmlichen Begriffsbestimmung entsprechend dient die Umlegung dazu, den beteiligten Grundstückseigentümern an Stelle ihres früheren zersplitterten und ungünstig gelegenen Grundbesitzes wirtschaftlich besser zugeschnittene neue Grundstücke zuzuteilen. c) Die Umlegung weist nach ihrer Zielsetzung nicht jene Gegensätzlichkeit der Interessen auf, die in der Regel bei einer Enteignung im Verhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Betroffenen gegeben ist. d) Die Umlegung bleibt trotz der Gleichgerichtetheit der Interessen ein Eingriff des Staates, der ohne Rücksicht auf den Willen des Betroffenen in dessen Eigentum vollzogen wird. e) Der Tatbestand der Enteignung setzt einen von einem übergeordneten öffentlichen Zweck geforderten, durch Gesetz oder gesetz-

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II. Baulandbeschaffung und Umlegung

lieh zugelassenen Verwaltungsakt erfolgenden Eingriff in Vermögenswerte Rechte von Einzelnen oder Gruppen voraus, der diese Rechte ungleich t r i f f t und die Betroffenen zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer f ü r die Allgemeinheit zwingt (BGHZ 6, 270; 15, 268). f ) Soweit die Umlegung auf Grund ihrer Auswirkungen f ü r den Betroffenen die Wesensmerkmale einer Enteignung enthält, z. B. dann, wenn ein Grundstück gegen eine Abfindung in Geld entzogen wird, dann ist der ordentliche Rechtsweg f ü r den Streit über die Höhe der Entschädigung gegeben. •—• Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 21. Dezember 1955 — 1 U 215/54 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 113 — BBauBl. 1956, 539 (n.L.) — Württ. HZtg. 1956 Nr. 7 —. Art. 14 GG 61. Umlegung — Enteignung a) Gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG steht im Falle einer E n t e i g n u n g wegen der Höhe der Entschädigung im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Diese Bestimmung läßt den Umkehrschluß zu, d a ß stets dann, wenn es sich bei einer gegen das Eigentum gerichteten Maßnahme der öffentlichen H a n d n i c h t u m e i n e E n t e i g n u n g handelt, der Verwaltungsrechtsweg dem Betroffenen offensteht. b) Bei der Enteignung handelt es sich nicht um eine allgemeine und gleichwirkende, mit dem Wesen des betroffenen Rechtes vereinbare inhaltliche Bestimmung und Begrenzung des Eigentumsrechtes, sondern um einen gesetzlich zulässigen zwangsweisen staatlichen Eingriff in das Eigentum, sei es in Gestalt der Entziehung oder der Belastung, der die betroffenen Einzelnen oder Gruppen im Vergleich zu anderen ungleich, besonders t r i f f t und sie zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer f ü r die Allgemeinheit zwingt, und zwar zu einem Opfer, das aus dem Kreise der Rechtst r ä g e r Einzelne oder Gruppen von ihnen unter Verletzung des Gleichheitssatzes besonders trifft. c) Der Unterschied der Umlegung zu der Enteignung ist darin zu erblicken, daß die Umlegung dem Betroffenen grundsätzlich einen entsprechenden E r s a t z durch eine gleichwertige Zuweisung sichert. d) Diese Umlegung ist ein im Verhältnis zur E n t e i g n u n g weniger belastendes Mittel. e) Das städtebauliche Umlegungsverfahren auf Grund des Aufbaugesetzes von Nordrhein-Westfalen stellt keine Enteignung im Sinne des A r t . 14 Abs. 3 GG dar. — Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 1956 — 7 S 99/56 — HGBR RSpr. 1956 Nr. 112 —. A n m e r k u n g z u b): so BGH: NJW 1952, 972.

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62. Bechtsnatur des Umlegungsausschusses a) An der Auffassung, daß der obere Umlegungsausschuß kein Verwaltungsgericht ist, wird festgehalten. b) Der Umlegungsausschuß ist eine Dienststelle der Gemeinde, jedoch in der Erledigung seiner Aufgaben selbständig. c) Der Gemeinde steht ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Umlegungsausschusses nicht zur Verfügung. d) Die Klage der Gemeinde gegen eine Beschwerdeentscheidung des oberen Umlegungsausschusses, die die vom Umlegungsausschuß zu Lasten eines Umlegungsbeteiligten festgesetzte Ausgleichsleistung aufhebt, ist zulässig. e) Die Belastung des dem Umlegungsbeteiligten zugewiesenen Grundstücks mit einer Ausgleichsleistung setzt die Feststellung eines —• individuellen — Mehrwertes dieses Grundstücks im Verhältnis zum eingeworfenen Grundstück voraus. Die Erhebung eines allgemeinen „Wegebeitrags" ohne eine derartige Feststellung ist rechtswidrig. f). Die Festsetzung einer Ausgleichsleistung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das zugewiesene mit dem eingeworfenen Grundstück identisch ist. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 22. September 1954 — IV A 154/54 — DVB1.1956, 57 — GWW 1956, 213 (n. L.) —.

63. Umlegung — Aufbauplanung — Flurbereinigung a) Die Umlegung entzieht nicht Eigentum für fremde Zwecke, sondern paßt das Eigentum den Zwecken der eigenen Nutzung an. b) Weder die Umlegung nach der Reichsumlegungsordnung noch nach dem Flurbereinigungsgesetz vom 14. 7. 1953 (BGBl. I, 158) sind Enteignungsmaßnahmen (vgl. Forsthoff: Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 6. Aufl. Band 1, S. 283). c) Aufbauplanung und Flurbereinigung verfolgen zwei entgegengesetzte Ziele: die eine die Aufteilung von Land zu Wohnzwecken und die andere die Zusammenfassung von Land zum Zwecke einer intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung. d) Die Erklärung zum Aufbaugebiet schließt nicht ohne weiteres die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens aus. — Oberverwältungsgericht Lüneburg, Urteil vom 11. Mai 1956 — F 15/55 — BBauBl. 1956, 656 —. Anmerkung: Zu a): Ebenso Urteile des OVG Lüneburg vom 15. November 1955 — F14/54 — und vom 26. März 1956 — F10/55 —; Bundesverwaltungsgericht: BVerwGE 1, 225 — DÖV 1955, 184 — BBauBl. 1955, 82 — Recht der Landwirtschaft 1955, 52.

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64. Flurbereinigung a) Die Absplitterung von 7,3 ha Grünland von einem 54 ha großen Marschhof und der Erwerb dieses Grünlandes durch einen Landwirt, dessen landwirtschaftlicher Betrieb 40 km davon entfernt liegt, f ü h r t zu einer den Zielen des Flurbereinigungsgesetzes- widersprechenden Bodenzersplitterung und damit zu einer ungesunden Verteilung der Bodenbenutzung. Ein solcher Erwerb ist daher nicht genehmigungsfähig. — Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluß vom 15. Dezember 1955 — WLw. 132/55 — Nds. Rpfl. 1956, 84 —.

b) Die f ü r das Verfahren vor den Flurbereinigungsgerichten im Achten Teil des FlurbereinigungsG enthaltenen Vorschriften finden auf die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes anhängigen Verfahren Anwendung (Ergänzung zu BVerwG, NJW 55, 1810 Nr. 24 — vgl. unten zu d). c) In Verfahren vor den Flurbereinigungsgerichten müssen, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs Genüge zu tun, die zu erwartenden möglichen Planänderungen vor der Entscheidung bekanntgegeben und so erläutert werden, daß die Beteiligten hierzu alle von ihrem Standpunkt in Betracht kommenden Gesichtspunkte vortragen können. — Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 15. September 1955 — I B 56/55 — NJW 1956, 397 —.

d) Die Flurbereinigungsgerichte sind f ü r die Entscheidung der bei Inkrafttreten des Flurbereinigungsgesetzes in der Berufungsinstanz anhängigen Flurbereinigungsverfahren zuständig. — Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 25. August 1955 — I B 204/54 — Recht der Landwirtschaft 1955, 334 — NJW 1955, 1810 —. Anmerkung: Vgl. Fuhrberg: Zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht in Umlegungs- und Flurbereinigungssachen: Recht der Landwirtschaft 1956, 1; Lurz: Die Flurbereinigung und die private Rechtsphäre: NJW 1955, 1780.

Flurbereinigungsgesetz 65. Rechtliches Gehör im Flurbereinigungsverfahren Bei Ermittlungen und Verhandlungen gemäß § 143 FlurbG haben sich der Vorsitzende des Flurbereinigungsgerichts und der beauftragte Richter an den f ü r das gerichtliche Verfahren geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu halten. Zu Ortsbesichtigungen müssen in jedem Fall die Parteien hinzugezogen werden. — BVerwG, Urteil vom 15. November 1956 — 1 C 73/56 — NJW 1957, 843 —.

II. Baulandbeschaffung und Umlegung

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Reichsumlegungsordnung — Flurbereinigungsgesetz 66. Wertgleiche Abfindung im Flurbereinigungsverfahren a) Das Gebot der wertgleichen Abfindung ist oberster Grundsatz des Umlegungsverfahrens. Nur im Rahmen der wertgleichen Abfindung steht den Umlegungsbehörden ein Ermessen bei der Neueinteilung des Umlegungsgebiets und der Gestaltung des Umlegungsplanes zu. b) Die Bewertungsvorschriften der §§ 32 ff. RUmlO dienen der Vorbereitung und Sicherung der wertgleichen Abfindung. Auch die Umstände, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluß haben, müssen, soweit sie bei der Bewertung der Grundstücke nicht miterfaßt werden, bei der Gestaltung des Umlegungsplanes mit berücksichtigt werden. c) Bei P r ü f u n g der wertgleichen Abfindung ist der gesamte alte Besitz dem gesamten neuen Besitz gegenüberzustellen. Ergibt diese Prüfung, daß ein Teilnehmer nicht wertgleich abgefunden ist, so kann das Flurbereinigungsgericht gemäß § 144 FlurbG den Umlegungsplan im Rahmen desselben Ermessens wie die Umlegungsbehörde ergänzen und ändern. — Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 25. April 1956 — I B 201/55 — NJW 1956, 1892 — GWW 1957, 61 (n. L.) —. Anmerkung: Vgl. Lurz: Die wertgleiche Abfindung in der Flurbereinigung: NJW 1956, 1865.

III.

Bauvertragsrecht (Recht des Architekten und des Bauunternehmers) Nr. 67—80 67. Rechtliche Natur des Architektenvertrages a) Bei einem „Architektenvertrag" handelt es sich nicht um einen fest umrissenen Begriff mit allgemein gültigem Inhalt, er kann vielmehr nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ganz den Wünschen der Parteien im Einzelfall angepaßt werden. b) Einen „typischen Architektenvertrag" gibt es nicht (RGZ 86, 75; RG JW 1936, 3116). c) Die Entscheidung, ob Dienstvertrags- oder Werkvertragsvorschriften anzuwenden sind, wird danach zu treffen sein, ob nach dem Willen der Vertragsschließenden ein bestimmter Erfolg oder die Arbeitstätigkeit selbst den Vertragsgegenstand bilden soll. d) Häufig wird es sich bei einem Vertrag mit einem Architekten um einen gemischten Vertrag handeln, der Elemente sowohl des Dienst- als auch des Werkvertrages enthält; seine dienstvertraglichen Bestandteile (insbes. Bauleitung) werden in der Regel die werkvertragl. Bestandteile zurücktreten lassen, so daß er im allgemeinen nach den §§ 611 ff. BGB zu beurteilen sein wird (Palandt-Gramm, 15. Aufl., Anm. 4 zu § 631 BGB; Einf. vor § 611 Anm. 2a; RGZ 86, 75; RG JW 1934, 2763; OLG Frankfurt a. M. NJW 1955, 1400). e) Der Einzelfall kann aber durchaus so liegen, daß auch Werkvertragsrecht anzuwenden ist (vgl. z. B. RGZ 97, 125; RG LZ 1927, Sp. 531; OGH NJW 1949, 943; BGH BB 1952, 635; v. Nordenflycht, Leitfaden durch das Bau- und Architektenrecht, 1950, S. 70). — Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 9. November 1956 — 1 U 257/55 — MDR 1957, 96 —.

§ 648 BGB 68. Architekt — kein Unternehmer eines Bauwerks a) Unternehmer eines Bauwerkes im Sinne des § 648 BGB ist nur, wer an der Erstellung des Bauwerkes selbst irgendwie auf Grund eines Werkvertrages dergestalt beteiligt war, daß der Erfolg seiner Arbeit dem Bau eingefügt worden ist.

III. Bauvertragsrecht

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b) Es kommt hierbei zwar nicht auf die Art der wirtschaftlichen oder technischen Beteiligung an; entscheidend sind vielmehr die rechtlichen Beziehungen zum Besteller, wobei der Begriff des Unternehmers zwar derselbe ist wie der des § 631 BGB, der Gegenstand des Werkvertrages aber ein Bauwerk ist (BGH, LM § 648, Nr. 1). c) Hiernach kann ein Architekt, der nach der Art und dem Inhalt seines Vertrages überwiegend Dienstleistungen zu erbringen hat, nicht als Unternehmer eines Bauwerkes angesehen werden. d) Die reinen Planungsarbeiten mögen zwar in der Regel Werkvertragsleistungen sein; Gegenstand des Werkvertrages ist hier aber nicht das Bauwerk selbst, sondern die Planung. e) Soweit der Architekt darüber hinaus aber auch die Bauleitung, also eine leitende und überwachende Tätigkeit übernommen hat, überwiegen die Dienstleistungen, so daß der Vertrag in seiner Gesamtheit als Dienstvertrag anzusehen ist (h. A., vgl. Palandt, Anm. 6 zu Einf. vor § 611). f) Anders mag die Rechtslage vielleicht dann zu beurteilen sein, wenn der Architekt über seine normalen Verpflichtungen hinaus die volle Verantwortung für den Bau übernommen hat, derart, daß er für den Erfolg, die Errichtung des Bauwerkes oder einzelner seiner Teile einzustehen hat (vgl. Erman, 1952, Anm. 2 zu § 648). — Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 22. September 1956 — 7 W 75/56 — MDR 1957, 35 — Bln. GrundE 1957, 159 —. Anmerkung: Ebenso OLG Nürnberg: NJW 1952, 426; OLG Frankfurt: NJW 1955, 1400; Palandt, Anm. 2 zu § 648 BGB; RGRKom. Anm. 1 zu § 648 BGB; anderer Ansicht Staudinger-Kober, 10. Aufl., Anm. 5c zu § 648 BGB.

69. Architektenvertrag — Dissens a) Gehen bei Erteilung eines Architektenauftrages die Vorstellungen des Bestellers und des Architekten über die zu erbringende Architektenleistung auseinander, so ist unter Umständen ein Vertrag über die Architektenleistung im Sinne von § 19 GOA wegen versteckten Dissenses nicht zustande gekommen und damit auch ein Gebührenanspruch des Architekten nicht entstanden. b) Im Fall eines versteckten Dissenses kann der Architekt Ersatz des Schadens, den er dadurch gehabt hat, daß er auf das Bestehen eines Vertrages vertraut hat, in analoger Anwendung des § 122 BGB vom Besteller dann verlangen, wenn der Besteller das Nichtzustandekommen des Vertrages verschuldet hat. Dabei ist es aber Sache des Architekten, gegenüber einem Laien in Bausachen klarzustellen, was zu einer Architektenleistung im Sinne des § 19 GOA gehört, insbesondere, welche Leistungen der Begriff „Entwurf" umfaßt.

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a) Auch wer nach gesetzlicher Bestimmung die Bezeichnung „Architekt" nicht führen darf, kann die Gebührensätze der GOA fordern, wenn seine Leistung qualitätsmäßig einer Architektenleistung entspricht. — Landgericht Koblenz, Urteil vom 31. Januar 1957 Blätter 1957, 79 —.

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70. Pflichten des Architekten gegenüber dem Bauherrn a) Ein Haus darf nicht so hellhörig sein, daß seine Verwendung zu den vorgesehenen Zwecken beeinträchtigt und sein Wert gemindert ist. Eine zu geringe Schallisolierung kann Schadensersatzansprüche des Bauherrn gegen den Architekten begründen. b) Es ist eine wesentliche Aufgabe des Architekten, dem Bauherrn bei der Planung und Durchführung des Bauvorhabens beratend zur Seite zu stehen und ihn auf die Möglichkeiten technisch zweckmäßiger Baugestaltung aufmerksam zu machen. c) Ob eine Pflichtverletzung des Architekten vorliegt, ist maßgeblich danach zu beurteilen, wie zur Zeit der Bauplanung sonst an vergleichbaren Bauprojekten das Problem der Schalldämmung gelöst wurde, welche technischen Möglichkeiten hierfür zur Verfügung standen und wie sich deren Durchführung auf die Höhe der Baukosten auswirkte. d) An die "Überwachungspflicht eines Architekten, dem vom Bauherrn die örtliche Bauleitung übertragen ist, sind gesteigerte Ansprüche zu stellen. e) E r muß auch der erforderlichen Schalldämmung seine Aufmerksamkeit zuwenden. E r darf sich zum Beispiel nicht darauf verlassen, daß eine gut renommierte Installationsfirma gemäß dem Taglohnzettel f ü r ausreichende Schallisolierung einer Wasserleitung gesorgt habe. f ) Zwar können auch einem gewissenhaften Bauführer Fehler bei der Bauausführung entgehen. Ist eine Wasserleitung aber so verlegt, daß die Geräusche des fließenden Wassers in ungewöhnlichem Maße im ganzen Haus wahrgenommen werden, so ist aufzuklären, ob nicht einem Bauführer, der die Baukontrolle sorgsam handhabte, Verlegungs- oder Isolierfehler hätten auffallen müssen. g) Der Architekt h a f t e t gemäß § 278 BGB auch f ü r ein Verschulden der von ihm zur Bauaufsicht herangezogenen Gehilfen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Juni 1956 — VI ZR 76/55 — BB 1956, 739 — Betrieb 1956, 771 — Berliner Grundeigentum 1956, 474 —. Anmerkung : Uber die Aufgaben des Architekten vgl. auch BGH: HGBR Rspr. 1956 Nr. 55 — VersR 1956, 288 — Betrieb 1956, 350 — Glaser Nr. 71/X/1956; Reuter: B1GBW 1956, 228; BGH, Urteil vom 28. 2. 1956: BB 1956, 321 — NJW 1956, 787.

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71. Überwachungspflicht des Architekten a) Entdeckt ein Architekt, der nur die technische Oberleitung eines Neubaues führt, einen erheblichen Fehler des Bauwerkes, so hat er f ü r die Beseitigung des Fehlers zu sorgen. Wiederholte an den Bauunternehmer gerichtete Aufforderungen genügen allein noch nicht. Der Architekt muß vielmehr die Befolgung seiner Anordnung überwachen, und, wenn er sich gegenüber dem Bauunternehmer nicht durchzusetzen vermag, den bestehenden Mangel dem Bauherrn anzeigen. b) Verletzt der Architekt schuldhaft diese Pflicht, so muß er dem Bauherrn Schadenersatz leisten. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. November 1956 — VII ZR 12/56 — B B 1957, 16 — Bln. GrundE 1957, 161 — VersR 1957, 29 — N J W 1957, 262 (n. L.) — B1GBW 1957, 62 —.

72. Haftung von Bauunternehmer und Architekt gegenüber dem Bauherrn a) Der Vertrag des Bauherrn mit dem Architekten hat die Planung des Gebäudes zum Gegenstand, der Vertrag des Bauherrn mit dem Bauunternehmer dagegen die Ausführung des von dem Architekten angefertigten Planes. b) Planungsfehler fallen in den Verantwortungsbereich des Architekten, Ausführungsfehler dagegen in den Verantwortungsbereich des Bauunternehmers. c) Hat der Bauunternehmer sich an den Plan des Architekten gehalten, so bleibt er deshalb im allgemeinen von einer Verantwortung frei, wenn durch fehlerhafte Plangestaltung dem Bauherrn ein Schaden entstanden ist. d) Umgekehrt ist der Architekt im allgemeinen nicht verpflichtet, f ü r Ausführungsfehler des Bauunternehmers einzustehen. Der Architekt h a f t e t in solchen Fällen erst dann, wenn er eine ihn treffende Aufsichtspflicht verletzt hat, z. B. die fehlerhafte Arbeit des Unternehmers abgenommen und dadurch Mängelrügen verwirkt hat, und wenn von dem Bauunternehmer Ersatz nicht mehr zu erlangen ist. e) Architekt und Bauunternehmer stehen auch nicht in einem Gesamtschuldverhältnis zueinander in der Art, daß beide dem Bauherrn gegenüber gemeinsam verpflichtet wären, das geplante Gebäude zu errichten. Vielmehr hat jeder von ihnen seine eigene von der des anderen verschiedene Verpflichtung. Jede dieser Verpflichtungen ist selbständig. f ) Der Architekt bedient sich, wenigstens im allgemeinen, zur Erfüllung seiner Verpflichtung ebensowenig des Bauunternehmers, wie sich dieser zur Erfüllung seiner Verpflichtung des Architekten bedient. Eine H a f t u n g f ü r das Verschulden des anderen besteht in

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diesen Fällen immer nur dann, wenn auch ein eigenes Verschulden festzustellen ist. Deshalb haftet der Architekt f ü r Ausführungsfehler des Bauunternehmers nur dann, wenn er seine eigene Aufsichtspflicht verletzt hat. Der Bauunternehmer haftet umgekehrt f ü r Planfehler des Architekten nur in den Fällen, in denen er offensichtlich falsche oder unzugängliche Anordnungen des Architekten befolgt hat. g) Der Vertrag zwischen dem Bauherrn und dem Bauunternehmer ist ein Werkvertrag, also ein gegenseitiger Vertrag, der den Bauherrn nicht nur zur Zahlung des Werklohns verpflichtet, sondern der ihm auch die Verpflichtung auferlegt, dem Bauunternehmer brauchbare Pläne und Ausführungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. h) Zu den Ausführungsunterlagen gehört auch eine sorgfältige Berechnung der anzulegenden Fundamente. Dieser Verpflichtung kann der Bauherr als technischer Laie nicht persönlich nachkommen, sondern er muß sich zu ihrer Erfüllung des Architekten oder anderer Fachleute, z. B. eines Statikers oder eines Geologen, bedienen. Soweit er solche Personen heranzieht, sind diese im Verhältnis zum Bauunternehmer seine Erfüllungsgehilfen mit der Folge, daß er f ü r ein Verschulden dieser an sich selbständigen Gewerbetreibenden oder freiberuflich tätigen Personen nach den §§ 254, 278 BGB einzustehen hat (vgl. hierzu auch § 10 Abs. 1 der allgem. Vertragsbedingungen der VOB). — Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 14. Januar 1957 — 7 U 217/55 — MDR 1957, 419 —.

§ 823 BGB 73. Haftung des Architekten für die Einhaltung der Bausumme a) Der mit Planung und Leitung eines Bauvorhabens beauftragte Architekt haftet nicht f ü r die Einhaltung der veranschlagten Bausumme. b) Dem Architekten muß bei einer überschlägigen Kostenberechnung eines Neubaues, f ü r deren Einhaltung er keine ausdrückliche Garantie übernommen hat, ein gewisser Spielraum zugebilligt werden. Ihm ist daher nicht jede Überschreitung der Ansätze ohne weiteres als Verschulden anzurechnen. c) Der Bauherr, der den Bau ohne Eigenkapital beginnt, darf sich unter Einrechnung eines gewissen Unsicherheitsfaktors auf die Schätzung des Architekten verlassen und braucht keine Vorsorge f ü r den Fall zu treffen, daß die effektiven Aufwendungen ganz erheblich höher liegen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 1957 — VII ZR 266/56 — VersR 1957, 298 —. Anmerkung : Vgl. LG Freiburg/Breisgau: MDR 1955, 161 — Nr. 119/1957 ds. Sg. —.

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74. Verwirkung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Architekten a) In der verspäteten Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches kann gerade dann ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen, der den Einwand der Verwirkung rechtfertigt, wenn der Anspruch der rechtlich und wirtschaftlich unsicheren Zeit der Geldentwertung nicht nur entstammt, sondern gerade in den eigenartigen Verhältnissen dieser Zeit begründet ist (vgl. Reichsgericht, JW 1938, 525 [527]). b) Die Währungsreform des Jahres 1948 ist gerade für die Angehörigen der freien Berufe, zu denen der Architekt gehört, von einschneidenden Folgen gewesen. Sie standen praktisch vor einem wirtschaftlichen Neuanfang, der zudem durch die Geldverknappung nach der Währungsreform stark erschwert war. c) Die Angehörigen dieses Berufskreises haben daher ein besonders starkes Interesse daran, daß ihr wirtschaftlicher Wiederaufstieg nicht noch Jahre nach der Währungsreform durch die Geltendmachung von Ansprüchen „aus der vergangenen Zeit eines bis dahin unbekannten wirtschaftlichen Verfalls gestört" wird (vgl. Reichsgericht, JW 1938 S. 525 [527]). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Oktober 1956 — V I ZR 179/55 — N J W 1956, 1915 — B B 1956, 1116 — Berliner Grundeigentum 1957, 20 —.

§§ 627, 628 BGB 75. Vergütungsanspruch des Architekten bei Kündigung des Architektenvertrages a) Das Vertragsverhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Architekt ist ein Dienstvertrag. Es verpflichtet den Architekten zur Leistung von Diensten höherer Art (§ 627 BGB). b) Der Wiederaufbau eines Grundstückes erfordert unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen eine besonders sorgfältige Planung und Berechnung seitens der Architekten. c) Das gilt insbesondere für solche Bauvorhaben, die ausschließlich mit fremden Geldern durchgeführt werden. Hier hängt es weitgehend von der Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit des Architekten ab, ob die vorhandenen Mittel sparsam und zweckentsprechend verwandt werden und ob die Erträgnisse aus dem errichteten Gebäude ausreichen, die aufgenommenen Kapitalien zu verzinsen und zu amortisieren. d) Da der Bauherr in aller Regel außerstande ist, die Vielfalt der dabei auftauchenden Fragen zu erkennen und selbst zu überprüfen, muß er sich auf seinen Architekten voll verlassen können; zwischen beiden besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis.

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e) Ein solcher Vertrag kann jederzeit vom Bauherrn gekündigt werden. Wird dem Architekten gekündigt, nachdem er bereits mit der Arbeit begonnen hatte, dann kann er in der Regel eine Vergütung f ü r seine bisherige Tätigkeit verlangen (§ 628 Abs. 1 S. 1 BGB). f ) Das gilt allerdings dann nicht, wenn er durch sein eigenes Verhalten die Kündigung herausgefordert hat und der Bauherr danach kein Interesse mehr an den bis dahin erbrachten Leistungen des Architekten hat (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB). g) Die Übernahme der Finanzierung durch den Architekten beim Wiederaufbau von Trümmergrundstücken entspricht den derzeitigen, gerichtsbekannten Gepflogenheiten in der Bauwirtschaft, kennt doch der private Eigentümer eines kriegszerstörten Grundstücks heute zumeist nicht die Möglichkeiten, wie er sich außerhalb des noch nicht richtig angelaufenen privaten Kapitalmarktes die zum Bau erforderlichen Gelder beschaffen kann. h) Noch weniger bekannt ist ihm die Vielzahl technischer Vorschriften und Bedingungen, die an die Vergabe öffentlicher Mittel geknüpft sind und zu deren Einhaltung er sich verpflichten muß. Aus diesen Gründen ist es nichts Außergewöhnliches, wenn der Eigentümer den sich dazu anbietenden Architekten auch mit der Durchführung der Baufinanzierung beauftragt. — Landgericht Wuppertal, Urteil vom 11. Mai 1955 — 3 O. 25/55 — DWW 1956, 214 — B1GBW 1956, 303 —.

§§ 278, 823 BGB 76. Haftung des Bauunternehmers für seine Arbeiter a) Überläßt ein Unternehmer eine Baracke, die er von dritter Seite gemietet oder entliehen hat, seinen Arbeitern als Unterkunftsraum und Übernachtungsgelegenheit, so sind die Arbeiter im Rahmen der ihm dem Eigentümer der Baracke gegenüber obliegenden Obhutspflicht seine Erfüllungsgehilfen. b) Aus diesem Gesichtspunkt ist er schadenersatzpflichtig, wenn einer dieser Arbeiter die Baracke im Zustande der Volltrunkenheit absichtlich in Brand setzt. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. März 1956 — V ZR 224/54 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 100 —.

§§ 328, 823 BGB 77. Schutz- und Fürsorgepflicht des Bauunternehmers a) Die vertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht des Bauunternehmers ist auf die Familie des Bestellers zu erstrecken, in deren Lebensraum das Bauwerk errichtet wird.

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b) Um ihren Schutz muß sich der Unternehmer im Rahmen ordnungsmäßiger Vertragserfüllung in gleicher Weise kümmern wie um den Schutz des Bestellers selbst.

— Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Mai 1956 — VI ZR 58/55 — Betrieb 1956, 892 —. Anmerkung: Zu a ) : Vgl. die von Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 1954, § 35 I 1 nachgewiesene Rechtsprechung, insbesondere RGZ 127, 218; vgl. ferner BGH, Urteil vom 21. September 1955 — VI ZR 118/54.

§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB 78. Haftung des Bauunternehmers für Mängel des Bauwerkes a) Nach § 830 Abs. 1 BGB ist, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, jeder von ihnen für den Schaden verantwortlich. b) Eine Beteiligung i. S. d. Vorschrift liegt vor, wenn durch mehrere an sich selbständige, jedoch in zeitlichem, örtlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Handlungen eine gemeinschaftliche Gefährdung herbeiführen wird (vgl. RGZ 58, 357, 361; 96, 224, 226; 148, 154, 166). c) Wird ein Haus unter Verwendung von Fertigteilen gebaut, die von einem Unternehmer eigens für dieses Bauwerk hergestellt und von einem anderen Unternehmer eingebaut werden, sind die Leistungen beider Unternehmer mangelhaft und ist nicht aufzuklären, auf wessen mangelhafter Leistung der Einsturz des Hauses beruht, so haften beide Unternehmer nach § 830 Abs. 1 S. 2 BGB.

— Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 1957 — VII ZR 268/56 VersR 1957, 304 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 57 —.



§§ 157, 328, 823 BGB 79. Haftung des Bauunternehmers für mangelnde Bauweise a) Erbaut eine Siedlungsgesellschaft ein Haus für eine bestimmte Person, so hat diese nach dem Erwerb des Hauses unmittelbare Gewährleistungsansprüche an den Bauunternehmer. b) Der Bauunternehmer kann für ein unter Verletzung von Bauvorschriften erstelltes Gebäude dem Eigentümer aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig sein.

— Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 7. März 1956 — 5 W 226/55 — NJW 1956, 913 — B1GBW 1956, 254 —.

§§ 421, 427 BGB 80. Haftung der Wohnungseigentümer aus einem Bauvertrag a) Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich einen Bauvertrag über die Errichtung ihres Hauses mit einem Bauunternehmer schließen, gehen eine Zweckgemeinschaft ein. 4 Glaser, Baurecht-Entsch.

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b) Eine Zweckgemeinschaft begründet im Zweifel eine gesamtschuldnerische H a f t u n g aller Verpflichteten, doch kann die gesamtschuldnerische H a f t u n g auch ohne eine ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen sein. c) Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei der Auslegung des Willens der Parteien neben den allgemeinen Auslegungsregeln zu berücksichtigen, daß das Wohnungseigentumsgesetz das Ziel hat, zur Belebung der Bautätigkeit das Kapital des kleinen Sparers heranzuziehen und auch Minderbemittelten die Möglichkeit zum E r w e r b einer A r t Kleineigentum zu geben, und d a ß die Wohnungseigentümer mangels wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht den Willen haben, sich zu einem Einstehen f ü r die Schuld der anderen Wohnungseigentümer zu verpflichten. — Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 6. September 1955 — 4 U 67/55 — BBauBl. 1956, 484 —.

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Wohnungsbaurecht Nr. 81—112 § 42, 46 WohnBauG 81. Begriff der Wohnung im Sinne des Wohnungsbaugesetzes a) Der Begriff der Wohnung im WohnBauG ist der gleiche, der dem Wohnungsgesetz des Kontrollrats und dem Wohnraumbewirtschaftungsgesetz zugrunde liegt. Danach sind als Wohnungen alle Räume zu bezeichnen, die zum Wohnen bestimmt und geeignet sind. b) Die Eignung eines Raumes zum Wohnen ist jedoch nicht nach den Bauordnungen der Länder sowie deren Vorschriften über Wohnungsaufsicht und -pflege zu beurteilen. Es ist ferner nicht erforderlich, daß es sich um Massivbauten handelt. Auch Behelfsheime und Baracken können daher den Begriff „Wohnung" erfüllen. c) Ein Raum, der zu gewerblichen Zwecken errichtet worden ist, wird erst in dem Augenblick bezugsfertig im Sinne des § 42 WoBauG, in dem er in Abänderung seiner Zweckbestimmung zum Wohnen bezogen wird. —• Verwaltungsgericht München, Urteil vom 7. April 1955 — VI 2143/54 — BBauBl. 1956, 418 mit einer Anmerkung von Krahn —.

d) Die mit dem WohnbauG verbundene Förderung des Wohnungsbaues zielt nur auf Bauten, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt geeignet sind. Demgemäß sind unter „Wohnungen" im Sinne des WohnBauG nur Räume zu verstehen, die ihrer baulichen Anlage und Ausstattung nach auf die Dauer Wohnzwecken zu dienen geeignet sind und diesen Zwecken dienen. e) Das gleiche gilt für „Wohnräume" im Sinne des § 6 der Verordnung PR Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts. — Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 13. November 1953 — III A 43/53 — BBauBl. 1956, 418 —. Anmerkung: Zum Begriff der Wohnung im Sinne des Wohnungsbaugesetzes vgl. OVG Koblenz: BBauBl. 1955, 129 — Glaser Nr. 62/VIII/1955; OVG Münster: BBauBl. 1954, 122 — DVB1.1954, 349 — Glaser Nr. 30/VIII/1954; OVG Münster: BBauBl. 1953, 59 — Glaser Nr. 3/VIII/1954; VG München: BBauBl. 1956, 418 — Glaser Nr. 39/VIII/1957; OVG Hamburg: ZMR 1954, 338 — Glaser Nr. 73/VIII/1955 — Nr. 122/1957 ds. Sg.; vgl. auch Pergande: FrWW 1956, 369. 4'

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82. Begriff der Wohnung im Sinne des Art. 13 GG Der Begriff der Wohnung im Sinne des Art. 13 GG besagt zwar so viel wie „befriedetes Besitztum". Darunter sind aber nur Räume zu verstehen, und zwar in erster Linie die f ü r eigentliche Wohnzwecke benutzten Räume, aber auch alle sonstigen zur Wohnungseinheit gehörenden Räume und Nebengelasse (Keller, Böden usw.), nach herrschender Lehre und Rechtsprechung auch die f ü r Geschäftszwecke benutzten Räume, nicht aber auch Gärten (vgl. Bonner Kommentar, Anm. II l a zu Art. 13 GG). —• Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 22. Februar 1955 — 89 I 54 — ZMR 1956, 328 —.

§ 3/1. WohnbauG 83. Begriff der öffentlich geförderten Wohnung a) Öffentlich geförderte Wohnungen sind solche, die u. a. durch Wiederaufbau zerstörter oder Wiederherstellung beschädigter Gebäude geschaffen und nach dem 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden sind, wenn öffentliche Mittel zur Deckung der Gesamtkosten des Bauvorhabens oder der Kapitalkosten eingesetzt worden sind. b) Das bedeutet aber nicht, daß nur solche Wohnungen als öffentlich geförderte angesehen werden können, bei denen die Gesamtherstellungskosten ausschließlich durch öffentliche Mittel gedeckt worden sind. c) Der Begriff „Einsatz öffentlicher Mittel zur Deckung der Gesamtkosten des Bauvorhabens" ist in Anlehnung an § 15 der Verordnung über die Wirtschaftlichkeit und Wohnflächenberechnung f ü r neu geschaffenen Wohnraum (Berechnungsverordnung) vom 20. November 1950 (BGBl. S 753) in Verbindung mit dem Übernahmegesetz vom 13. Dezember 1951 (GVB1. S 1165) dahin zu verstehen, daß die öffentlichen Mittel zur Deckung der Gesamtkosten mitgedient haben müssen. —• Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 1. November 1954 — II A VG 165/54 — BBauBl. 1957, 120 —.

84. Begriff des Wohngebäudes a) Unter einem „Wohngebäude" oder „Wohnhaus" wird nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein solches verstanden, das einzelne Räume f ü r gewerbliche Zwecke enthält, im übrigen aber f ü r den dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet und bestimmt ist. b) Nach dem Sprachgebrauch steht somit der Einbau einzelner Läden dem Begriff des „Wohnhauses" nicht entgegen (vgl. Reichsgericht, J W 1915, 102 und RGZ 150, 103 zu § 12 des preußischen Fluchtliniengesetzes). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. 5. 1956 — V ZR 157/54 — BB 1956, 514 (n. L.) — B1GBW 1956, 254 — HuW 1956, 335 —.

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§§ 42, 46 WohnBauG 85. Anwendbarkeit des Wohnungsbaugesetzes auf Dauerwohnraum Die §§ 42, 46 WohnBauG sind nur auf Dauerwohnraum anwendbar, nicht auf ein zur Benutzung als Wohnraum gemietetes Hühnerhaus. — Landgericht Lüneburg, Urteil vom 1. Juli 1954 — I S 42/54 — BBauBl. 1956, 417 —.

86. Freifinanzierte Wohnungen in einem öffentlich geförderten Wohnhause a) In einem mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnbau können sich auch frei finanzierte und der Wohnraumbewirtschaftung nicht unterliegende Wohnungen befinden. b) Das ergibt sich eindeutig aus dem Wohnungsbaugesetz, das den Begriff „mit öffentlichen Mitteln geförderte Gebäude" nicht kennt, sondern nur den Begriff „öffentlich geförderte W o h n u n g e n". —• Verwaltungsgericht in Wohnungssachen Bremen, Urteil vom 5. März 1956 — 35/55 — Brem. HZtg. 1956 Nr. 10 —.

§§ 7, 10 WohnBauG 87. Widerruf der Grundsteuervergttnstigung Eine Bescheinigung f ü r die Grundsteuervergünstigung nach § 10 des I. WohnBauG kann ungeachtet ihres begünstigenden Inhalts widerrufen werden, wenn sie ohne ausreichende rechtliche Voraussetzungen erteilt worden ist. —• Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 13. Oktober 1955 — VG II A 100/55 — BBauBl. 1957, 358 —.

§ 10 WohnBauG 88. Zurücknahme der Bescheinigung für die Grundsteuervergünstigung Die Zurücknahme einer Bescheinigung f ü r die Grundsteuervergünstigung nach § 10 WohnBauG ist ein Verwaltungsakt. — Verwaltungsgerichtshof Stuttgart, Urteil vom 7. Januar 1955 — 3 K 200/54 — BBauBl. 1956, 474 —.

§§7, 10/1. WohnbauG; § 93/11. WohnBauG 89. Erteilung der Grundsteuervergünstigungsbescheinigung — Fertigstellung eines Rohbaues — Begriff des Ausbaues a) Die Erteilung der Bescheinigung nach § 10 des I. WohnBauG ist ein Verwaltungsakt, auf dessen Vornahme ein Rechtsanspruch besteht, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen f ü r die Steuervergünstigung vorliegen. b) F ü r Wohnungsneubauten nach dem II. WohnBauG ist gemäß § 93 Abs. 2 des II. WohnbauG die Bescheinigung über die Grund-

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Steuervergünstigung f ü r die Finanzämter und Finanzgerichte bindend; diese verwaltungsbehördliche Entscheidung stellt daher unbezweifelbar einen Verwaltungsakt dar. c) Die Fertigstellung einer f ü r Bürozwecke im Rohbau geschaffenen Etage als Wohnraum stellt keinen Ausbau im Sinne des I. WohnbauG dar. d) Notwendig wäre, um von einem „Ausbau" sprechen zu können, mindestens ein gewisser Bauaufwand, um die bestehenden Räume oder Gebäudeteile zu Wohnräumen umzubauen (vgl. auch Abschnitt A Ziff. 5 [5] der Verwaltungsanordnung über die Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz vom 30. Juni 1951 [MinBIFin. 1951 S. 265]). e) Die Einrichtung des Badezimmers und der Einbau von Waschtischen, eines Gasautomaten und eines Spülsteins sind keine Ausbaumaßnahmen, sondern Arbeiten, die üblicherweise zur Fertigstellung von Wohnräumen notwendig sind. — OVG Münster, Bescheid vom 2. Oktober 1956 und Urteil vom 11. Dezember 1956 — VII A 114/56 — BBauBl. 1957, 356 —.

§ 31a MSchG 90. Mieterschutz und Verzicht auf Grundsteuervergünstigung für freiiinanzierte Wohnungen a) Der Verzicht auf die GStV ist nicht eine Rechtshandlung, die durch den § 1 MSchG untersagt ist, denn der Verzicht richtet sich nicht etwa unter Umgehung des MSchG unmittelbar gegen ein geschütztes Mietverhältnis mit dem Ziel, dieses gegen den Willen des Mieters zu beenden, sondern er beseitigt nur in gesetzlich zulässiger Weise den Tatbestand, an den nach § 31a Abs. 2 MSchG die Entstehung des Mieterschutzes geknüpft ist. b) Mit Fortfall des Entstehungstatbestandes muß auch der MSch notwendigerweise erlöschen. c) E s ist auch höchst unbillig, wollte man in dem Falle, daß das Mietverhältnis ohne MSch begründet worden wäre und der Vermieter erst später durch Inanspruchnahme der Steuervergünstigung dem Mieter ohne dessen Wissen und Willen so MSch verschafft hätte, ersterem die Möglichkeit nehmen, durch Verzicht auf die Vergünstigung den alten Zustand wiederherzustellen; in einem solchen Falle erscheint der Mieter nicht schutzbedürftig, denn er hat eine mieterschutzfreie Wohnung gemietet, auf MSch offenbar keinen Wert gelegt und erst nachträglich denselben ohne sein Zutun erhalten. d) Ein Verzicht auf die GStVergünstigung kann nur dann den bestehenden MSch beseitigen, wenn der Vermieter gleichzeitig auch alle Vorteile herausgibt, die er bisher durch die gewährten Vergün-

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stigungen erlangt hat. Dieses ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 31a Abs. 2a MSchG als auch aus dem Sinn des Gesetzes. e) Wenn durch das Gesetz bestimmt ist, daß Wohnräume, f ü r die eine GStVergünstigung gewährt wird, unter MSch stehen, so heißt das mit anderen Worten, daß der Bauherr, der die Vorteile der Förderung des Wohnungsbaues durch den Staat f ü r sich in Anspruch nimmt, als billigen Ausgleich auch eine soziale Last, nämlich die Beschwerung seiner Mietverhältnisse mit dem MSch auf sich nehmen muß. f ) Solange er also noch einen Vorteil in Händen hat, muß auch der MSch billigerweise fortbestehen. E r s t nach vollständiger Nachzahlung aller erlassenen Grundsteuerbeträge kann der Verzicht eine Wirkung auf das bestehende Mietverhältnis haben. g) In diesem Fall wird a u c h d a s b e s t e h e n d e M i e t v e r h ä l t n i s von dieser Rechtsänderung betroffen; eine analoge Anwendung des § 4 1 des 1. WohnBauG i.V. mit § 31a III MSchG auf den behandelten Fall ist nicht möglich, da es sich in beiden Fällen um verschieden gelagerte Tatbestände handelt. — Amtsgericht Gummersbach, Urteil vom 24. Juli 1956 — 8 C 255/55 — MDR 1957, 362 — BBauBl. 1957, 572 —. Anmerkung: Anderer Ansicht LG Mönchen-Gladbach: MDR 1955, 677 — WM 1955, 73 — Nr. 132/1957 ds. Sg.; LG Köln: BBauBl. 1955, 281; LG Bielefeld, Urteil vom 12. 10. 1955 — 2 S 274/55 — MDR 1956, 35 — WM 1956, 37 — ZMR 1956, 202 (n. L.) m. Anm. v. Fischer — BBauBl. 1956, 538 — Nr. 133/1957 ds. Sg.; anders noch LG Bielefeld, Urteil vom 18. 5. 1955 — 2 S 119/55 — BBauBl. 1956, 537; vgl. auch LG Kassel: NJW 1954, 112 (Pergande). über die Zulässigkeit des Verzichts auf die Grundsteuerermäßigung vgl. Runderlaß des Bundesfinanzministers vom 3. 8. 1956 — IV C/l — L 1189.

§ 31a MSchG 91. Altbauwohnung und Neubauwohnung im gleichen Hause — Mieterschutz a) Frei finanzierte Wohnungen im Sinne des ersten Wohnungsbaugesetzes unterliegen nicht dem Mieterschutz (§ 31a Abs. 1 MSchG). b) Nach § 31a Abs. 2 MSchG stehen jedoch unter Mieterschutz Mietverhältnisse über jene Wohnungen und Wohnräume, f ü r die Grundsteuervergünstigung gewährt wird, Mietverhältnisse über Wohnräume, die vor dem 27. April 1950 begründet worden sind und Mietverhältnisse über Wohnräume, die an Mieter einer unter Mieterschutz stehenden Wohnung im gleichen Hause vermietet werden. c) Während in § 31a Abs. 2 Buchst, a MSchG von Mietverhältnissen über Wohnungen oder Wohnräume, in § 31a Abs. 2 Buchst, b MSchG von Mietverhältnissen schlechthin die Rede ist, erwähnt § 31a Abs. 2 Buchst, c MSchG nur Wohnräume. Zwar sind auch Wohnungen im weiteren Sinne Wohnräume.

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d) Die unterschiedlichen Bezeichnungen in den genannten Bestimmungen lassen jedoch erkennen, daß § 31a Abs. 2 Buchst, c MSchG regelmäßig nicht auf abgeschlossene Wohneinheiten — Wohnungen —• anzuwenden ist, sondern n u r auf solche Wohnräume, die f ü r sich selbst keine abgeschlossene Wohnung bilden, sondern erst zusammen mit anderen Räumen, wenn also Räume zur Vervollständigung oder aus anderen Gründen zu den ursprünglichen hinzugenommen werden. e) E s kann nicht übersehen werden, daß durch das E r s t e Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 24. April 1950, durch das die Bestimmung des § 31a in das Mieterschutzgesetz eingefügt worden ist, und auch durch das E r s t e Wohnungsbaugesetz in der Fassung vom 25. August 1953 den Grundeigentümern ein Anreiz zur Wiederherstellung kriegszerstörten und zur Schaffung neuen Wohnraumes gegeben werden sollte, um dem allgemeinen Wohnraummangel wirksamer abhelfen zu können. f ) Dem Grundeigentümer, der bereit war und ist, eigene oder auf dem privaten Kapitalmarkt beschaffte Mittel f ü r den Wohnungsbau einzusetzen, ist dabei eine Reihe von Vergünstigungen gewährt worden, u. a. die Befreiung von der Wohnraumbewirtschaftung ( § 4 2 WohnbauG) und die völlige oder teilweise Befreiung von Mietpreisbindungen (§§ 46, 45 WohnbauG). g) § 31a Abs. 2 Buchst, c MSchG ist abgestellt auf den Grundfall, daß in einem kriegsbeschädigten Gebäude jene Teile einer Wohnung, die zerstört waren, mit Eigenmitteln des Hauseigentümers wiederhergestellt worden sind. In diesem Fall soll dem Mieter, der in den erhalten gebliebenen — geschützten Räumen verblieben ist, f ü r die wiederhergestellten Räume, durch die die Wohnung erst wieder zu einer geschlossenen Wohneinheit wird, der gleiche Schutz zuteil werden wie f ü r die erhalten gebliebenen Räume. h) Der Mieter einer unter Mieterschutz stehenden Wohnung, der eine nicht dem Mieterschutz unterliegende Wohnung im gleichen Hause mietet, ohne sein bisheriges Mietverhältnis über die geschützten Räume fortzusetzen und ohne die zunächst ungeschützten Räume in das alte Mietverhältnis einzubeziehen, genießt in den neuen Räumen keinen Mieterschutz. — LG Berlin, Urteil vom 11. März 1957 — 61 S 419/56 — Bln. GrundE 1957, 412 —. 92. Fortfall von zillsverbilligten öffentlichen Zuschüssen a) Kann die Miete einer Wohnung deswegen besonders niedrig kalkuliert werden, weil dem Vermieter von dritter Seite zur Verbilligung dieser Wohnung Zuschüsse oder Zinsverbilligungen oder dergleichen zufließen, so ist eine E r h ö h u n g der Miete bei einem F o r t f a l l solcher Zuschüsse oder Verbilligungen n u r dann möglich, wenn die Voraus-

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Setzungen für eine solche Erhöhung im Mietvertrag ganz unmißverständlich festgelegt worden sind. — Der allgemeine Hinweis darauf, daß auf die Miete ein Zuschuß gezahlt werde oder daß die Miete aus bestimmtem Grund besonders niedrig sei, genügt regelmäßig nicht. b ) Ein Recht, die Miete wegen einer Erhöhung von Lasten und fixen Kosten des Vermieters zu erhöhen, besteht nur dann, wenn diese Lasten und fixen Kosten und das Ausmaß der Erhöhung im Mietvertrag unmißverständlich bestimmt worden sind. c) Aus einer Vereinbarung, daß sich die Miete bei einer Erhöhung von Lasten oder fixen Kosten in bestimmter Weise erhöhen solle, kann nicht schon geschlossen werden, daß sich die Miete auch dann erhöhen solle, wenn Zuschüsse oder Verbilligungen wegfallen, die im Mietvertrag nur allgemein als Kalkulationsgrundlage erwähnt werden. d) Unklarheiten in der Fassung eines vordruckmäßigen und vom Vermieter stammenden Mietvertrages gehen zu Lasten des Vermieters. — Landgericht Berlin, Urteil vom 10. Januar 1956 — 64 S 271/55 — Bln. GrundE 1957, 356 —

e) Ist in einem Mietvertrag vereinbart, daß sich die zahlenmäßig bestimmte Miete wegen und für die Dauer eines Zuschusses von dritter Seite um einen bestimmten Betrag vermindert, so kann der Vermieter vom Wegfall des Zuschusses ab die volle Miete verlangen. f ) Der Vermieter handelt nicht arglistig, wenn er auch nach dem Wegfall des Zuschusses zunächst noch lediglich die ermäßigte Miete verlangt und erst nach Erschöpfung von Verhandlungs- und Kalkulationsmöglichkeit und einem damit verbundenen längeren Zeitverlust auf die volle Miete zurückgeht. g ) Da es sich in solchen Fällen nicht um eine echte Erhöhung der Miete handelt, sondern um die Rückkehr zu der ursprünglich vereinbarten, bedarf es für die Rückkehr zur vollen Miete keiner preisrechtlichen Genehmigung. — Landgericht Berlin, Urteil vom 4. Mai 1956 — GrundE 1957, 356 —.

64 S 306/55 —

Bln.

§ 21 WohnBauG (§ 17 Abs. 1 a. F.) 93. Überschreiten der zulässigen Wohnfläche a) Auch beim öffentlich geförderten Wohnungsbau können einzelne frei finanzierte Wohnungen von der öffentlichen Förderung ausgenommen werden. b) Eine Wohnung verliert nicht dadurch ihre Eigenschaft als öffentlich geförderte Wohnung, daß ihre Wohnfläche die im 1. WohnBauG vorgesehenen Grenzen überschreitet.

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c) Bei Schließen einer Baulücke kann auch nach § 17 Abs. 1 WohnbauG a. F. die Norm von 65 qm Wohnfläche überschritten werden. —• Verwaltungsgerichtshof Freiburg, Urteil vom 24. Juni 1955 — 53/53 — BBauBl. 1957, 121 —. § 37 Abs. 2, § 40 Abs. 2 WohnBauG 1953 94. Wohnraumanspruch des Ersterwerbers eines öffentlich derten Eigenheims

geför-

a) Der Bauherr einer öffentlich geförderten Wohnung muß seinen Anspruch auf zusätzlichen Wohnraum auf die Wohnungseinheit beschränken, die er selbst bewohnt. b) Der Ersterwerber eines öffentlich geförderten Kaufeigenheims kann die dem Bauherrn und Wohnungssuchenden gem. § 40 Abs. 2 WohnBauG zustehende Raumvergünstigung in Anspruch nehmen, sofern er für den Bau seiner Wohnung einen wesentlichen Finanzierungsbeitrag geleistet hat. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 25. Mai 1956 — II A 631/55 — BBauBl. 1957, 16 (Anm. Schwender) — Glaser Nr. 29/VIII/1956. §§ 38, 40 WohnBauG 95. Anspruch des sog. Bauhelfers auf Zuteilung einer Wohnung a) Nach § 40 Abs. 1 WohnBauG hat ein Wohnungsuchender, der selbst einen nach seinem Einkommen und Vermögen angemessenen Finanzierungsbeitrag leistet, Anspruch auf Zuteilung der Wohnung. b) Der Finanzierungsbeitrag kann auch in einer Arbeitsleistung bestehen. c) Der Finanzierungsbeitrag des sogenannten Bauhelfers soll, sofern Vermögen nicht vorhanden ist, in der Regel als angemessen angesehen werden, wenn er 20 v. H. des steuerpflichtigen Jahreseinkommen des Wohnungsuchenden beträgt. d) Einen Anspruch auf Zuteilung einer Wohnung gem. § 40 des I. WohnBauG kann nur ein Wohnungsuchender erwerben, der die Voraussetzungen des § 38 des I. WohnBauG erfüllt. e) Darüber hinaus darf die Zuteilung einer Wohnung nach § 40 des I. WohnBauG nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Wohnungsuchende in die Dringlichkeitsliste aufgenommen ist oder in einer bestimmten Gemeinde oder in einem bestimmten Teil des Wohnungsamtsbezirks wohnt. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Bescheid vom 15. Dezember 1955 — II A 1003/54 — BBauBl. 1957, 15 —.

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§ 40 WohnBauG 96. Ablösung des von einem Vormieter geleisteten Finanzierungsbeitrages a) Ein Wohnungsuchender, der lediglich den von einem Vormieter oder den f ü r diesen geleisteten Finanzierungsbeitrag ablöst, erwirbt dadurch nicht dessen Vorrechte hinsichtlich der Wohnraumbewirtschaftung gemäß § 40 Abs. 1 und 2 WohnBauG. b) Der Gesetzgeber hat in § 40 Abs. 3 WohnBauG die Regelung der Rechtsfolgen einer E r s t a t t u n g von Finanzierungsbeiträgen durch spätere Wohnungsinhaber einer in das Ermessen der Bundesregierung gestellten Rechtsverordnung vorbehalten. Da eine solche Rechtsverordnung nicht ergangen ist, muß als der Wille des Gesetzes angesehen werden, daß eine solche nachträgliche E r s t a t t u n g von Finanzierungsbeiträgen den zweiten Wohnungsinhaber bis auf weiteres nicht in die Rechtsvorteile seines Vorgängers eintreten läßt. c) Dieses Ergebnis erscheint im übrigen auch deshalb billigenswert, weil es einen unerwünschten Handel mit öffentlich gefördertem Wohnraum zu verhindern geeignet ist. — Landgericht Bonn, Urteil vom 26. Oktober 1956 — 5 S 144/56 — BBauBl. 1957, 20 —.

§ 40 WohnBauG 97. Zuteilung überschüssigen Wohnraums — angemessener Finanzierungsbeitrag a) E s bleibt dahingestellt, ob der „angemessene" Finanzierungsbeitrag zur Sicherung der Wohnung (§40 Abs. 1 des I. WohnBauG = § 22 Abs. 3 a. F.) auf den „wesentlichen" Finanzierungsbeitrag f ü r den zusätzlichen Raum (§40 Abs. 2 des I. WohnBauG = §22 Abs. 5 a. F.) anzurechnen ist. b) Lastet ein Wohnungsuchender, der einen angemessenen Beitrag f ü r die Finanzierung einer öffentlich geförderten Wohnung geleistet hat, die Wohnung nicht aus, so hat ihm das Wohnungsamt nur einen ihm nach seinen persönlichen, familiären und beruflichen Verhältnissen unter Berücksichtigung der Wohndichte der Gemeinde üblicherweise zustehenden Teil der Wohnung zuzuteilen. c) Das Wohnungsamt ist aber auch berechtigt, dem Wohnungsuchenden die gesamte Wohnung zuzuteilen mit der Auflage, in den überschüssigen Wohnraum einen Untermieter aufzunehmen. — Oberverwaltungsgericht Münster, Bescheid vom 17. Dezember 1954 — I A 194/53 — BBauBl. 1957, 17 —.

§§ 3, 40/1. WohnBauG — §§ 80, 81/11. WohnBauG 98. Finanzierungsbeitrag — Mehrwohnraum a) Mit Wohnungsfürsorgemitteln f ü r Verwaltungsangehörige geschaffene Wohnungen sind dann öffentlich geförderte Wohnungen

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im Sinne des I. WohnBauG, wenn für die Wohnungen noch zusätzlich für den sozialen Wohnungsbau bestimmte öffentliche Mittel eingesetzt sind. b) Zugunsten von Verwaltungsangehörigen gewährte staatliche Wohnungsfürsorgemittel stellen im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau von einem Dritten geleistete Finanzierungsbeiträge im Sinne des § 40 Abs. 1 des I. WohnBauG dar. c) Der zur Beanspruchung eines Mehrwohnraumes berechtigende wesentliche Finanzierungsbeitrag im Sinne des § 40 Abs. 2 des I. WohnBauG kann auch von einem Dritten zugunsten des Wohnungsuchenden geleistet sein. d) Der „wesentliche" Finanzierungsbeitrag für den Mehrwohnraum nach § 40 Abs. 2 des I. WohnBauG muß nicht zusätzlich zu dem „angemessenen" Beitrag für die Wohnraumzuteilung nach § 40 Abs. 1 geleistet werden. Wer einen „wesentlichen" Beitrag geleistet hat, hat damit auch einen „angemessenen" zur Verfügung gestellt. e) Der Finanzierungsbeitrag für den Mehrwohnraum ist in der Weise zu berechnen, daß von den anteilig auf die Wohnung entfallenden durchschnittlichen Baukosten ausgegangen und hieraus nach dem Verhältnis der Haupträume der Kostenanteil für den Mehrwohnraum ermittelt wird (OVG Hamburg: BBauBl. 1953, 98). — VGH Stuttgart, Urteil vom 29. November 1956 — I S 71/56 — BBauBl. 1957, 360 —.

§ 42 WohnBauG 99. Ausbau des Dachgeschosses Wird das Dachgeschoß eines Hauses unter erheblichem Kostenaufwand derart umgebaut, daß die bisher darin befindlichen Dachkammern unter Beseitigung der schrägen Abseiten wesentlich vergrößert werden und in einer von ihnen eine Küche eingerichtet wird, und entsteht dadurch eine selbständige Wohnung, so liegt ein Ausbau im Sinne von § 42 (23 a. F.) WohnBauG vor. — Beschwerdestelle in Wohnungssachen Northeim, Bescheid vom 28. Mai 1954 — E 66/54 — BBauBl. 1956, 417 —. Anmerkung: Über Schaffung von Wohnraum durch Ausbau des Dachgeschosses vgl. OVG Münster: BBauBl. 1953, 60 — Glaser Nr. ll/VIII/1954; LG Lüneburg: BBauBl. 1955, 24 — Nr. 144/1957 ds. Sg.; LVG Minden: BBauBl. 1952, 294 — Glaser Nr. 10/VIII/1954.

§§ 42, 46/1. WohnBauG 100. Ausbau und Wiederherstellung eines beschädigten Hauses a) Nach den §§ 46, 42 WohnBauG v. 25. 8.1953 (BGBl. I 1047) finden die Vorschriften über die Preisbildung keine Anwendung auf Wohnungen, die durch Neubau, durch Wiederaufbau zerstörter oder

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Wiederherstellung beschädigter Gebäude oder durch Ausbau oder Erweiterung bestehender Gebäude unter Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen nach den §§7, 11 dieses Gesetzes oder nach § 7c EStG, jedoch ohne Einsatz öffentlicher Mittel i. S. von § 3 Abs. 1 geschaffen und nach dem 31.12.1949 bezugsfertig geworden sind. b) Wohnraum ist n u r dann durch Wiederherstellung eines beschädigten Gebäudes geschaffen ( § 4 2 1. WohnBauG), wenn er vor Beginn der Arbeiten auf die Dauer unbenutzbar gewesen ist. c) Schäden, die im Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsf ü h r u n g des Hauseigentümers beseitigt werden können, beeinträchtigen die Benutzbarkeit nicht, selbst wenn sie in baupolizeilicher und gesundheitlicher Hinsicht nicht geduldet werden können. d) Unter dem Ausbau eines bestehenden Gebäudes im Sinne des § 42 1. WohnBauG können n u r solche Arbeiten verstanden werden, die einen gewissen U m f a n g haben und die Neuherstellung wesentlicher Teile des Gebäudes erfordern, also nicht solche, die nur der Umgestaltung eines schon vorhandenen Wohnraumes dienen. e) F ü r die Befreiung von der Wohnraumbewirtschaftung und Preisbindung h a t es der Gesetzgeber auf die jeweilige Wohnung oder den einzelnen Wohnraum abgestellt, so d a ß es nicht darauf ankommt, ob der Hauseigentümer andere Wohnungen oder andere Teile des Gebäudes nach § 42 1. WohnBauG wiederhergestellt oder ausgebaut hat. f ) Der Grundsatz der Unteilbarkeit der preisrechtlichen Behandlung gilt nicht uneingeschränkt bei der Aufteilung einer f r ü h e r e n Großwohnung. Hier m u ß vielmehr jede Wohneinheit gesondert dara u f h i n untersucht werden, ob sie durch Wiederherstellung eines beschädigten oder durch Ausbau eines bestehenden Gebäudes gewonnen worden ist. — Landgericht Berlin, Urteil vom 25. Oktober 1956 — 61 S 256/56 — NJW 1957, 66 — Bln. GrundE 1957, 158 —. Anmerkung: Vgl. LG Berlin: BBauBl. 1956, 414. § 45 WohnBauG; § 2 MietenVO 101. Wiederherstellung beschädigten Wohnraums — Bildung der selbstverantwortlichen Miete a) Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 3 der Verordnung über die Miethöhe f ü r neugeschaffenen Wohnraum (MietenVerordnung) vom 20. Dezember 1950 (BGBl. I S. 759) gilt als Wiederherstellung die Schaffung von Wohnraum durch Instandsetzung eines beschädigten Gebäudes, in dem oberhalb des Kellergeschosses auf die Dauer benutzbarer Wohnraum vorhanden ist.

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b) Eine Wiederherstellung ist nur dann anzunehmen, wenn die Beschädigung des Gebäudes einen derartigen Umfang hat, daß von einem auf die Dauer bewohnbaren Wohnraum nicht gesprochen werden kann (Oberverwaltungsgericht Münster, Bescheid vom 31. März 1955 — I A 1095/54 — BBauBl. 1955, 426 mit weiteren Nachweisen). c) Die Tatsache, daß ein Wohnraum bereits zu Wohnzwecken benutzt wird, schließt die Wiederherstellung nicht aus, sofern das Bewohnen nach den baupolizeilichen Vorschriften nicht zulässig war und die Baupolizei die Räumung der Wohnung hätte anordnen müssen, also wenn die Wohnung nur als Notunterkunft benutzt werden konnte (Fischer-Dieskau und Pergande, Das Erste Wohnungsbaugesetz, 2. Aufl., § 3 Anm. 13b). d) Eine „Wiederherstellung" ist begrifflich auch dann möglich, wenn beschädigter Wohnraum zwar noch bewohnbar, aber nach seinem Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß er in absehbarer Zeit dauernd unbewohnbar wird, sofern die zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Maßnahmen unterbleiben. In diesem Falle handelt es sich um eine „vorweggenommene" Wiederherstellung. e) Die Bildung der selbstverantwortlichen Miete gemäß § 45 Abs. 1 des I. WohnBauG ist öffentlich-rechtlichen Preisbindungen nicht mehr unterworfen, sondern in erster Linie vom Einverständnis der Mietvertragsparteien abhängig. Für eine preisbehördliche Genehmigung dieser Miete ist kein Raum. Dagegen ist eine preisbehördliche Herabsetzung dieser Miete unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 WohnBauG 1953 möglich. — OVG Münster, Urteil vom 28. September 1956 — II A 572/55 — BBauBl. 1957, 362 —.

§ 42 WohnBauG; § 31a MSchG 102. Schaffung von Wohnraum durch Wiederherstellung — Wiederherstellung eines Wohnungsteiles a) Auch dann, wenn der bisherige Wohnraum noch besteht, kann gleichwohl eine Schaffung von Wohnraum vorliegen, und zwar dann, wenn der bisherige Wohnraum in dem kriegsbeschädigten Gebäude auf die Dauer nicht benutzbar ist. b) Wird ein solcher Wohnraum durch Wiederaubau- oder Wiederherstellungsmaßnahmen wieder in einen auf die Dauer benutzbaren Zustand gebracht, so liegt ein Schaffen von Wohnraum im Sinne des Ersten Wohnungsbaugesetzes vor. c) Auf die Dauer benutzbar ist Wohnraum dann, wenn er sich in einem Zustand befindet, der in baupolizeilicher und gesundheitspolizeilicher Hinsicht ein zeitlich unbegrenztes Bewohnen ermöglicht.

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d) Wohnraum in einem zerstörten oder beschädigten Gebäude, dessen Herstellung aus baupolizeilichen oder gesundheitspolizeilichen Gründen geboten ist, kann somit nicht „als auf die Dauer bewohnbar" angesehen werden. e) Dabei ist es unerheblich, ob der Wohnraum vor Beginn der Wiederherstellungsarbeiten tatsächlich bewohnt wird oder nicht. Maßgebend ist vielmehr allein, ob nach baupolizeilichen oder gesundheitspolizeilichen Gesichtspunkten ein weiteres Bewohnen damals unmöglich war. f ) Entscheidend ist allein der bauliche Zustand, in dem sich die Wohnung vor Beginn der Wiederherstellungsarbeiten befunden hat. — Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main vom 17. Februar 1953 — 1/2 200/52 — BBauBl. 1953, 553; Landesverwaltungsgericht Koblenz vom 26. November 1953 — 1 A 6/53 — BBauBl. 1954, 119 — WM 1954, 69; Verwaltungsgericht Berlin vom 23. Februar 1954 — VG VIII A 904/53 — BBauBl. 1955, 77 —.

g) Die ordentlichen Gerichte haben daher bei der Entscheidung der Frage, ob eine Wohnung unter Mieterschutz steht oder nicht, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, in welchem Zustand sich die Wohnung vor Beginn der Wiederherstellungsarbeiten befunden hat. War sie früher auf die Dauer unbenutzbar und bestehen jetzt weder baupolizeiliche noch gesundheitspolizeiliche Bedenken, steht die Wohnung nicht mehr unter Preisstop und unterliegt auch nicht dem Mieterschutz. h) Da es einen Mieterschutz für einen Teil einer Wohnung oder für einzelne Räume einer Wohnung begrifflich nicht gibt, muß, um einen gerechten und sozialen Ausgleich beider Mietparteien herbeizuführen, in jedem zur Entscheidung stehenden Fall geprüft werden, in welchem Verhältnis vor der Wiederherstellung der unbenutzbare Teil der Wohnung zu dem benutzbaren Teil gestanden hat. i) Nur wenn derjenige Teil der Wohnung, der vor Beginn der Wiederherstellungsarbeiten auf die Dauer unbewohnbar war, größer ist als der unzerstört gebliebene Teil der Wohnung, ist die Wohnung vom Mieterschutz frei. Überwiegt jedoch der früher bewohnbare Teil der Wohnung, so unterliegt diese nunmehr wiederhergestellte Wohnung weiterhin dem Mieterschutz, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine Preisbindung für diese Wohnung noch besteht oder nicht. — Landgericht Berlin, Urteil vom 28. Februar 1956 — 63 S 120/55 — BBauBl. 1956, 414 —.

§ 42 WohnBauG 103. Schaffung von Wohnraum durch Wiederherstellung a) § 42 des 1. WohnBauG gibt eine genaue und ausführliche Bestimmung der Begriffe „steuerbegünstigte" und „frei finanzierte"

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Wohnungen. E r stellt klar heraus, daß Wohnungen dieser A r t nicht n u r durch Neubau oder durch den Wiederaufbau im Kriege zerstörter Gebäude, sondern auch durch die bloße Wiederherstellung im Kriege beschädigter Gebäude geschaffen werden können. b) Dabei setzt der Begriff des Schaffens in jedem Falle voraus, d a ß durch die im Gesetz bezeichneten Maßnahmen neuer Wohnraum erstellt wird. c) Neuer Wohnraum wird aber auch dann nach Maßgabe des § 42 des 1. WohnBauG erstellt, wenn ein infolge Kriegsschäden nicht mehr bewohnbarer Raum durch nach dem 31. Dezember 1949 abgeschlossene Instandsetzungsmaßnahmen erstmalig nach dem Kriege wieder bewohnbar gemacht wird (vgl. das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 1953 — 1 A 6/53 — Glaser Nr. 45/VIII/54 — BBauBl. 1954, 119 — WM 1954, 69). —• Landgericht Köln, Urteil vom 17. Januar 1955 — I S 351/54 — BBauBl. 1956, 414 —. §§ 22—24 WohnBauG (a. F.) 104. Vereinbarung des Freikaufs bewirtschafteten Wohnraumes a) F ü r die nach dem ersten Weltkrieg geltende gesetzliche Regelung h a t das f r . RG in seiner Rspr. gegen die E i n r ä u m u n g von Sondervorteilen, insbesondere die Freistellung von Wohnraum zugunsten des Verfügungsberechtigten gegen Geldzahlung zwar Bedenken erhoben (vgl. Bd. 135, 64 und die dort a n g e f ü h r t e n Entsch.). b) Die Rspr. k a n n bei der veränderten Rechtslage jedoch nicht aufrechterhalten werden, wenn die Geldzahlung f ü r die Erstellung neuen Wohnraumes bestimmt ist (vgl. auch Urteil des LG Lübeck vom 2. 4. 54 — 7 S 288/53). c) Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, die Neubautätigkeit auf eine möglichst breite Grundlage zu stellen, um auf diese Weise die vorhandene Wohnungsnot zu lindern, h a t bereits der in Wohnungssachen f r ü h e r zuständige I. Senat keine grundsätzlichen Bedenken getragen, u n t e r der Geltung des Wohnungsgesetzes von 1946 den Freikauf von Wohnraum als zulässig anzuerkennen (vgl. Urteil vom 21. 9. 50, HMR 1951 N r . 115, Dtsch. Rspr. II [270] Bl. 84). d) Der Begünstigte wird nicht wegen seiner sozialen oder wirtschaftlichen Stellung persönlich bevorzugt, vielmehr ist dessen Beit r a g zur Förderung des Wohnungsbaues der Grund f ü r die bevorzugte Zuteilungs- oder Freistellungsmaßnahme (vgl. Hammes, J R 50, 175). e) In § 21 WBewG ist ausdrücklich anerkannt, d a ß die Zweckentfremdungsgenehmigung unter Auflagen erteilt werden kann, so d a ß es möglich ist, die Zweckentfremdung von Wohnraum von der

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Zahlung eines entsprechenden Baukostenbetrages abhängig zu machen (vgl. Fellner-Fischer, Ziff. 9 zu § 21 WBewG). f ) Kann die Wohnungsbehörde die Genehmigung f ü r eine zweckfremde Benutzung von Wohnraum erteilen und in diesem Zusammenhang die Zahlung eines Geldbetrages f ü r die Förderung des Wohnungsbaues auferlegen, so ist ihr mangels einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung nicht allgemein die Befugnis abzusprechen, in gleicher Weise hinsichtlich der Freistellung von Wohnraum zu Wohnzwecken zu verfahren oder im Wege der Vereinbarung den gleichen Erfolg herbeizuführen. g) Hat der Begünstigte zur Förderung der Neubautätigkeit eine Geldzahlungsverpflichtung übernommen, so ist f ü r den Anspruch gegen ihn der Verwaltungsrechtsweg gegeben. h) Gegen diesen Anspruch kann mit Forderungen, die auf anderen Rechtsgründen beruhen, nicht aufgerechnet werden. — Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 12. Januar 1956 — VI A 62/65 — NJW 1957, 76 —.

§§ 42, 43, 44 WohnbauG 1953 105. Vertraglicher Freibau a) Das Erste Wohnungsbaugesetz alter und neuer Fassung läßt f ü r den vertraglichen Freibau keinen Raum. Dahingehende Vereinbarungen sind k r a f t öffentlichen Rechts unwirksam. b) Weder das 1. WohnBauG noch eine andere Rechtsnorm enthalten Vorschriften, die es ermöglichen, steuerbegünstigte oder freifinanzierte Wohnungen der Wohnraumbewirtschaftung zu unterwerfen. c) Der Vermieter, der unter der Geltung des 1. WohnBauG auf Grund von § 25 bzw. § 43 seinen Mieter in einer neuen Wohnung unterbringt, kann diese dadurch nicht der Wohnraumbewirtschaftung unterstellen. Der Vermieter erzielt damit aber auch nicht die Wirkung, daß die freigewordene, vom Mieter geräumte alte Wohnung von der Wohnraumbewirtschaftung freigestellt würde. d) Bei dem durch das Gesetz geordneten Freibau ändert also weder die neue Wohnung die ihr durch § 23 bzw. 42 beigelegte Eigenschaft, von der Wohnraumbewirtschaftung frei zu sein, noch umgekehrt die alte Wohnung die ihr anhaftende Eigenschaft, der Wohnraumbewirtschaftung unterworfen zu sein. e) Für vertragliche Vereinbarungen und gar f ü r solche, die über die gesetzliche Regelung hinausgehen, ist im Bereiche der Wohnungszwangwirtschaft in den hier fraglichen Beziehungen kein Raum. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. Oktober 1956 — V C 236/54 — MDR 1957, 185 —. Anmerkung: Vgl. auch Maetzel: Der vertragliche Freibau: MDR 1955, 581. 5 Glaser, Baurecht-Entsch.

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§ 42 WohnBauG 106. Begriff der Bezugsfertigkeit a) Räume können auch bei tatsächlichem Bewohnen unbewohnbar und damit noch nicht bezugsfertig sein. b) Die Bewohnbarkeit von Räumen ist gegeben, wenn es Menschen mit durchschnittlichen Ansprüchen zugemutet werden kann, in ihnen zu wohnen; die Maßstäbe hierfür richten sich nach den jeweiligen Anschauungen der Zeit. c) Der Begriff „Bezugsfertigkeit" ist im § 18 Abs. 3 der MietpreisVO festgelegt. Der Bau muß so weit gefördert sein, daß den zukünftigen Bewohnern zugemutet werden kann, den Wohnraum zu beziehen, wobei es auf die Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde zum Beziehen nicht ankommt (vgl. auch Roquette, Erstes Bundesmietengesetz S. 247 f.). d) Was zumutbar im Sinne der Mietpreis-VO ist, muß zwar im wesentlichen an objektiven Merkmalen festgestellt werden. Doch richtet sich der Begriff nach den Zeitumständen. e) Diese sind veränderlich. Besonders in den Kriegs- und Nachkriegsjahren bis heute haben sie sich ständig und stark verändert, wie nicht weiter ausgeführt zu werden braucht. Mit den Zeitumständen wechselt das, was der Durchschnitts-Staatsbürger von dem Zustand einer Wohnung erwartet. — Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 21. Januar 1956 — A 158/53 — BBauBl. 1957, 13 —.

f) Für die Frage der Bezugsfertigkeit einer Wohnung kommt es nicht auf den formellen Zeitpunkt der Gebrauchsabnahme, sondern allein auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung der Wiederaufbauarbeiten an. g) Die Freistellung einer Wohnung von der Wohnraumbewirtschaftung gemäß § 3 Buchst, b WBewG kann nicht erfolgen, wenn die Wohnung trotz des eingetretenen Kriegsschadens ständig bewohnbar war. — Landesverwaltungsgericht Köln, Urteil vom 20. Dezember 1955 — 2 K 226/55 — BBauBl. 1956, 416 —.

h) Eine Wohnung ist bezugsfertig, wenn ihr Bau soweit gefördert ist, daß das Beziehen zumutbar ist. i) Darauf, wann die Wohnung bezogen wird und wann die Baupolizei die Bezugsgenehmigung erteilt hat, kommt es nicht an. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob noch Arbeiten geringfügiger Art ausgeführt werden oder ausgeführt werden müssen. — Verwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 29. September 1956 — 20/56 — Berliner Grundeigentum 1956, 683 —. Anmerkung: Uber den Begriff der Bezugsfertigkeit einer Wohnung vgl. BVerwG: BBauBl. 1954, 388 — HuW 1955, 211 (n. L.) — Glaser Nr. 61a/Vni/1955; vgl. auch Schumacher: HuW 1955, 88.

IV. Wohnungsbaurecht

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§ 43 WohnbauG 107. Freigebauter Wohnraum und Wohnraumbedarf des Vermieters a) Nach § 43 WBauG 1953 hat der Eigentümer als Vermieter, der die anderweitige Unterbringung seines Mieters im Wege freier Vereinbarung dadurch ermöglicht hat, daß er frei finanzierten oder steuerbegünstigten Wohnraum ( § 4 2 WBauG) geschaffen hat oder hat schaffen lassen, lediglich einen Rechtsanspruch darauf, daß die Wohnungsbehörde die „freigebaute" Wohnung ihm selbst oder einem von ihm vorgeschlagenen Wunschmieter zuteilt. b) Dieser Zuteilungsanspruch besteht auch dann, wenn der Vermieter oder sein Wunschmieter die „freigebaute" Wohnung nicht auslasten. c) Ebensowenig kann die Wohnungsbehörde die für den Wunschmieter beantragte Benutzungsgenehmigung aus gewichtigen Gründen der Wohnraumbewirtschaftung gem. § 14 Abs. 1 WBewG ablehnen (Fischer-Dieskau/Pergande, Anm. 3 zu § 43 WBauG). d) Der „freigebaute" Wohnraum wird nicht zu einem bewirtschaftungsfreien Wohnraum (Fischer-Dieskau/Pergande a.a.O.). e) Dementsprechend ist auch der gem. § 43 WBauG zugeteilte „freigebaute" Wohnraum bei der Prüfung des Wohnraumbedarfs dem „freibauenden" Vermieter anzurechnen. Der Vermieter kann daher nicht etwa geltend machen, dieser Raum müsse wohnungswirtschaftlich als nicht vorhanden betrachtet werden (Fischer-Dieskau/Pergande a. a. O. Anm. 13). •— Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 24. Februar 1950 — II A 644/55 — ZMR 1956, 246 —.

§ 43 WohnBauG 108. Benutzungsgenehmigung gegen Zahlung einer Geldsumme a) Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß in das Ermessen einer Behörde gestellte Verwaltungsakte ohne besondere gesetzliche Genehmigung nicht von Geldzahlungen oder gleichstehenden Leistungen des Gesuchstellers abhängig gemacht werden dürfen (RGZ 132, 179; 135, 64/67). b) Das Reichsgericht hat bereits eine „Vereinbarung", durch die eine Beschlagnahme von Räumen ausgesetzt wurde unter der Bedingung, daß der damalige Beklagte eine neue Wohnung erbaue und zur Verfügung stelle, für wirksam erklärt (RGZ 118, 379) und zur Begründung ausgeführt: Zweck der Wohnraumbewirtschaftung sei die Behebung und Milderung der Wohnungsnot; der Erreichung dieses Zweckes werde mindestens in gleicher Weise wie durch Beschlagnahme, durch Erstellung und Überlassung neuen Wohnraums gedient. Dagegen hat es das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung ab5*

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IV. Wohnungsbaurecht

gelehnt, daß die Zuweisung einer Wohnung oder der Verzicht auf die Beschlagnahme von einer Geldzahlung abhängig gemacht werden dürfe (vgl. RGZ 118, 109; 127, 276; 132, 174; 135, 67; 135, 375). — Landgericht Flensburg, Urteil vom 12. Januar 1956 — I S 193/55 — BBauBl. 1957, 19 —.

§ 45 WohnBauG; § 15 MietenVO 109. Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung a) Zur Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung gem. § 15 der Mietenverordnung ist nur der Vermieter, nicht auch der Hausverwalter verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Verwaltung auf einen Wohnblock erstreckt, der erst nach der Bebauung in mehrere selbständige Grundstücke zerlegt worden ist. b) Bei steuerbegünstigten Wohnungen im Sinne des § 42 Abs. 1 WohnBauG hat der Vermieter eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nur dann vorzulegen, wenn einer seiner Mieter einen Antrag nach § 45 Abs. 2 WohnBauG gestellt hat. — Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 30. April 1956 — Bf III 72/55 — BBauBl. 1956, 420 —.

§ 26 Berechnungsverordnung (BVO) 110. Wohnflächenberechnung — Fensternische — Mietpreisberechnung a) Eine Fensternische von mehr als 13 cm Tiefe ist bei der Wohnflächenberechnung auch dann hinzuzurechnen, wenn sich darin ein Heizkörper befindet. b) Es kann vernünftigerweise keinen Unterschied bilden, ob der Heizkörper an der Wand oder in einer Ecke des Raumes oder in einer Wand- oder Fensternische steht, die tiefer als 13 cm ist. c) E s ist nicht einzusehen, weshalb die von einem Ofen im lichten Raum eingenommene Fläche vom Mieter nach dem Grundsatze des § 26 Abs. 2 BVO bezahlt werden soll, während die von einem Heizkörper in der Wand- oder Fensternische in Anspruch genommene Fläche außerhalb der Mietpreisberechnung bleiben soll, obwohl der eine wie der andere f ü r den Mieter die gleiche Aufgabe, nämlich die Erwärmung des Mietraumes, erfüllt. — Landgericht Hannover, Urteil vom 24. Februar 1956 — 8 S 1/56 — BBauBl. 1957, 63 —.

111. Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau a) Gemäß § 254 Abs. 3 LAG n. F. kann ein Aufbaudarlehen Personen, die Vertreibungsschäden oder Kriegssachschäden geltend machen können, auch f ü r den Bau einer Wohnung, insbesondere am Orte des gesicherten Arbeitsplatzes, gewährt werden, wenn sie die

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Voraussetzungen des § 298 Nr. 2 LAG erfüllen und wenn die Wohnung nach Größe und Ausstattung den Voraussetzungen des sozialen Wohnungsbaus entspricht. b) Unabdingbare Voraussetzung f ü r die Gewährung eines Darlehens ist also, daß der Antragsteller „Vertreibungsschäden oder Kriegssachschäden geltend machen" kann. Dazu gehört, daß er einen aüsgleichsfähigen Schaden im Sinne der §§ 12, 13 LAG erlitten hat, daß er die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, d. h. unmittelbar Geschädigter ist oder als Erbe zum Personenkreis des § 229 Abs. 1 LAG gehört, daß er die Stichtagsvoraussetzungen des § 230 LAG erfüllt, und daß der Schaden feststellbar ist. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Januar 1956 — IV C 130/54 — DWW 1956, 215 —. § 25 WohnBauG 112. Architekt als Betreuer im soz. Wohnungsbau — Ablehnung wegen Unzuverlässigkeit a) Nach §§ 1 ff. I. WohnbauG haben Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände durch Einsatz öffentlicher Mittel bevorzugt den sozialen Wohnungsbau zu fördern mit dem Ziel, daß innerhalb von 6 Jahren möglichst 1,8 Mill. Wohnungen f ü r die breiten Schichten des Volkes geschaffen werden. Die Förderung erfolgt dadurch, daß den Bauherren langfristige Baudarlehen zu geringen Zinssätzen und Zuschüsse gewährt werden. b) Um Fehlleitungen und zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel nach Möglichkeit auszuschließen, müssen die Bewilligungsbehörden darauf achten, daß die Bauherren die erforderliche Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Kreditwürdigkeit besitzen. c) Wo dem Bauherrn die f ü r die Durchführung des Bauvorhabens erforderlichen technischen und wirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen fehlen, ist die Einschaltung eines Betreuers oder Beauftragten erforderlich, die durch freiwilligen Entschluß des Bauherrn erfolgen oder von der Bewilligungsbehörde zur Bedingung f ü r die Gewährung von Baudarlehen gemacht werden kann. Die Wahl trifft der Bauherr. Als Betreuer und Beauftragter können auch freischaffende Architekten eingeschaltet werden. d) Bedauerlicherweise haben die Versteifung auf dem Kapital- und Hypothekenmarkt und die Verknappung der sich ständig verteuernden Baumaterialien in den letzten Jahren in steigendem Maße dazu geführt, daß Bauherren oder ihre Beauftragten „Schmiergelder" zahlen. Im Interesse der schnellen und reibungslosen Durchführung des Bauvorhabens wenden sie Personen etwas zu, deren Wohlwollen sie sich sichern wollen, die aber f ü r das, was von ihnen erwartet wird, eine Vergütung nicht beanspruchen können.

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IV. Wohnungsbaurecht

e) Daß derartige Zuwendungen das Bauen verteuern und schon im freifinanzierten Wohnungsbau vom Übel sind, liegt auf der Hand. Unter keinen Umständen aber dürfen sie Beamten gemacht werden, die mit der Bearbeitung von Anträgen auf Landesdarlehen befaßt sind, also über die Hingabe öffentlicher, von den Steuerzahlern aufgebrachter Mittel zu entscheiden haben. f) Architekten und Bauunternehmer, die einem Beamten des Wohnungsbauamtes Zuwendungen für in sein Amt einschlagende Arbeiten gewähren, durch deren Annahme dieser gegen § 331 StGB verstößt, besitzen nicht die für ihre Einschaltung im sozialen Wohnungsbau erforderliche Zuverlässigkeit und können als Betreuer und Beauftragte abgelehnt werden. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 7. November 1956 — IV A 329/55 — BBauBl. 1957, 358 —.

V.

Grundstücksgebühren und -abgaben Nr. 113—129 § 15 Straßen- und Baufluchtengesetz vom 2. Juli 1875 (G S. 561) 113. Umfang der Anliegerbeiträge Nach § 15 Abs. 1 des Baufluchtliniengesetzes kann durch Ortsstatut festgesetzt werden, daß bei der Anlegung einer neuen oder bei der Verlängerung einer schon bestehenden Straße, wenn solche zur Bebauung bestimmt ist, sowie bei dem Anbau an schon vorhandenen, bisher unbebauten Straßen und Straßenteilen von dem Unternehmer der neuen Anlage oder von den angrenzenden Eigentümern — von letzteren, sobald sie Gebäude an der neuen Straße errichten — die Freilegung, erste Einrichtung, Entwässerung und Beleuchtungsvorrichtung der Straße in der dem Bedürfnis entsprechenden Weise beschafft, sowie deren zeitweise, höchstens jedoch fünfjährige Unterhaltung, bzw. ein verhältnismäßiger Beitrag oder der Ersatz der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen Kosten geleistet werde. Zu diesen Verpflichtungen können die angrenzenden Eigentümer nicht f ü r mehr als die Hälfte der Straßenbreite und, wenn die Straße breiter als 26 m ist, nicht für mehr als 13 m Straßenbreite herangezogen werden. — Landesverwaltungsgericht Köln, Urteil vom 27. Juli 1956 — 4 K 288/55 — Glaser Nr. 97/X/1956.

114. Anliegerbeiträge und Währungsumstellung a) Das gesetzgeberische Motiv, das dem Anliegerbeitrag zugrunde liegt, zielt auf den Ausgleich des Vorteils ab, der einem Grundstück durch die Erschließung zufällt (vgl. Motive zum Regierungsentwurf des preußischen Fluchtliniengesetzes, Drucksachen des Hauses der Abgeordneten, XII. Legislaturperiode, II. Session 1875, Bd. I, Nr. 23 S. 16). b) Wollte man den Anliegerbeitrag für eine vor dem Währungsstichtag hergestellte Straße im Verhältnis 10 : 1 umstellen, so würde man, da die Wertsteigerung der Grundstücke einer solchen Umstellung der Sache nach nicht unterliegt, diesem gesetzgeberischen Grundgedanken nicht gerecht werden. c) Denn bei einer solchen Umstellung würde das anliegende Grundstück von der Verpflichtung zur Erstattung des Erschließungsauf-

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V. Grundstücksgebühren und -abgaben

wandes nahezu gänzlich freigestellt werden, während sein Verkehrswert durch die Erschließung genau so gesteigert würde wie derjenige anderer Grundstücke in gleicher Lage, f ü r die der Anliegerbeitrag in voller Höhe zu entrichten ist. d) Der Anspruch auf Anliegerbeiträge nach dem preußischen Fluchtliniengesetz unterliegt nicht der Währungsumstellung im Verhältnis 10 :1. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Januar 1957 — I C 87/56 — D W W 1957, 64 — B B 1957, 160 — B1GBW 1957, 93 — H u W 1957, 156 — MDR 1957, 248 — N J W 1957, 645 — DÖV 1957, 152 — BBauBl. 1957, 304 — JR 1957, 309 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 40 — GWW 1957, 193 —.

Anmerkung:

Ebenso OVG Hamburg: DVB1.1950, 126; 1956, 61; OVG Lüneburg: DVB1. 1951, 196; Hess. VGH: ESVGH Band 1 S. 115; OVG Berlin: OVGE Band 1, 241; OVG Münster: Verwaltungsrechtsprechung Band 6, 589; OVG Koblenz: Amtl. Sammig. Band 1 S. 302; Bad. VGH: DVB1.1956, 724; Kälker: B B 1949, 496; Maury: DVB1.1949, 513; 1950, 82; 1951, 774; Müthling: B B 1953, 753; Werner: DVB1.1951, 325; Seydel: PrVBl. Band 47 S . 5 4 8 ; vgl. auch Lutz D W W 157, 55; Schönemann: B1GBW 1957, 197.

115. Anliegerbeiträge und Währungsumstellung a) Die Frage, ob nach den währungsrechtlichen Vorschriften Straßenanliegerbeiträge der Währungsumstellung im Verhältnis 10 : 1 unterliegen oder nicht, hat der Senat in seinem Urteil vom 10. Januar 1957 — BVerwG I C 87/56 — (DÖV 1957, 152 — DWW 1957, 64 — B1GBW 1957, 93 — HuW 1957, 156 = MDR 1957, 248 — NJW 1957, 645 — oben Nr. 114) f ü r die Anliegerbeiträge nach dem preußischen Fluchtliniengesetz bereits entschieden. b) Der Senat hat in dem genannten Urteil ausgeführt, daß es f ü r die Fragen der Umstellung von Anliegerbeiträgen einer Entscheidung darüber, wann die Beitragsforderungen im Sinne des § 13 Abs. 1 und 3 des Umstellungsgesetzes entstanden seien, nicht bedürfe. Die Anliegerbeiträge dienten nach dem vom Gesetzgeber mit ihnen verfolgten Zweck dem Ausgleich der Wertsteigerung, die die Anliegergrundstücke durch die Erschließung erführen. Sie seien deshalb wie Wertforderungen zu behandeln und daher nicht der Währungsumstellung im Verhältnis 10 : 1 unterworfen. c) Diese vom Senat f ü r Anliegerbeiträge nach dem preußischen Fluchtliniengesetz aufgestellten Grundsätze gelten auch f ü r die hier im Streit befindlichen Anliegerbeiträge nach § 22 des badischen Ortsstraßengesetz vom 15. Oktober 1908 (Bad. GVB1. 605). Auch diese gesetzliche Bestimmung beruht auf dem Gedanken, durch Erhebung der Anliegerbeiträge die durch die Erschließung eintretende Wertsicherung der Anliegergrundstücke auszugleichen.

V. Grundstücksgebühren und -abgaben

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d) Danach kann f ü r die währungsrechtliche Frage der Umstellung der Anliegerbeitragsforderungen hier nichts anderes gelten, als in dem vom Senat entschiedenen Fall der Anliegerbeiträge nach § 15 des preußischen Fluchtliniengesetzes. —• Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 15. April 1957 — I B 178/56 — DWW 1957, 140.

116. Sicherheitsleistungen für Anliegerbeiträge — Währungsumstellung Die zur Verrechnung bestimmten Sicherheitsleistungen f ü r Anliegerbeiträge nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz unterliegen der Währungsumstellung im Verhältnis 1 : 1 , soweit sie sich auf Leistungen beziehen, die v o r dem Währungsstichtag erbracht worden sind. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Januar 1957 — I C 82/56 — DWW 1957, 65 — B1GBW 1957, 94 — BB 1957, 161 — MDR 1957, 249 — Inf.Dienst des VHeimstättenwerks 1957, 34 — NJW 1957, 645 — BBauBl. 1957, 352 — JR 1957, 310 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 39 — GWW 1957, 226

— .

117. Verwirkung im Anliegerbeitragsrecht a) Der Anspruch auf Anliegerbeiträge unterliegt auch, wenn er vor dem Währungsstichtag entstanden ist, nicht der Umstellung im Verhältnis 10 :1. b) Die Voraussetzungen der Verwirkung sind im Abgabenrecht angesichts des Gebotes, die Abgabepflichtigen gleichmäßig zu behandeln, besonders streng zu prüfen. c) Allein das Rechtsinstitut der Verwirkung als solches hat auch f ü r das Abgabenrecht seine Gültigkeit (vgl. Preuß. OVG Bd. 87 S. 136, 141, Bd. 104 S. 6; BFH vom 25. August 1953, Bundessteuerblatt III 1954 S. 36; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 3. Aufl. Anm. III zu § 223 mit weiteren Hinweisen, in Abweichung von der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs vom 3. März 1937, Reichssteuerblatt 1937 S. 433, und der dieser Rechtsprechung folgenden Auffassung von Kühn, Reichsabgabenordnung, 3. Aufl. Anm. 2 zu § 223, Bühler, Steuerrecht 2. Aufl. Bd. 1 S. 133). —• Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. Januar 1957 — I C 81/56 — DWW 1957, 66 — B1GBW 1957, 94 — BB 1957, 161 — Bln. GrundE 1957, 159 — JR 1957, 311 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 38 — MDR 1957, 312 — Hbg. GrundE 1957, 168 — GWW 1957, 298 —. Anmerkung: Vgl. Lutz: Währungsreform, Verjährung und Verwirkung im Anliegerbeitragsrecht: DWW 1957, 55; Herold: Straßenbauten und Anliegerbeiträge: B1GBW 1957, 280.

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V. Grundstücksgebühren und -abgaben

§ 15 Fluchtliniengesetz 118. Abschnittsweise Abrechnung (Abspaltung) der Straßenanliegerbeiträge Es bedarf eines besonderen Beschlusses des Rates einer Gemeinde, wenn von dem sog. Abspaltungsrecht, d. h. von dem Recht der vorzeitigen Abrechnung der bei der Straßenherstellung entstehenden Kosten für eine Teileinrichtung (z. B. Beleuchtungsanlage) Gebrauch gemacht werden soll. — Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 23.Mai 1956 —• H I B 261/56 —. Anmerkung: Ebenso OVG Münster, Urteil vom 24.7.1956 — III A 90/55 — BBauBl. 1956, 658 —.

§§ 15 Fuchtliniengesetz; §§ 9, 10 Kommunalabgabengesetz 119. Straßenbaukosten und Kosten der Kanalisation a) Nach § 15 F1G, der nach wie vor in Geltung steht (Urteil des Senats vom 20. Mai 1954, KStZ 1955 S. 46), kann durch Ortsstatut festgesetzt werden, daß bei der Anlegung einer neuen Straße von den angrenzenden Eigentümern die Freilegung, erste Einrichtung, Entwässerung und Beleuchtungsvorrichtung der Straße beschafft oder ein verhältnismäßiger Beitrag oder der Ersatz der zu diesen Maßnahmen erforderlichen Kosten geleistet wird. b) Die Gemeinde kann die durch einen Straßenbau entstandenen Kosten unter den in § 9 KAG genannten Voraussetzungen grundsätzlich aber auch in Anwendung dieser Vorschrift auf die Anlieger umlegen, denn es wird allgemein anerkannt, daß eine Straße oder eine Kanalisation eine Veranstaltung im Sinne dieser Vorschrift darstellt (Suren, Gemeindeabgabenrecht, 1950, KAG, § 9 Erl. 8 S. 61 f., § 4 Erl. 10 S. 21; derselbe: Das Preußische Kommunalabgabengesetz, 1944, § 9 Erl. 8 S. 77, § 4 Erl. 12 S. 29; Nöll-Freund, Kommunalabgabengesetz, 1919, § 9 Erl. 4 S. 43). c) Als eine besondere Regelung aber nimmt, wie in der Rechtsprechung und -lehre jetzt wohl einhellig angenommen wird, die Vorschrift des § 15 F1G im Verhältnis zu § 9 KAG das Recht der Ausschließlichkeit für sich in Anspruch in dem Sinne, daß auf einen Fall, der einem der in § 15 F1G enthaltenen Tatbestände entspricht, die Vorschrift des § 9 KAG grundsätzlich keine Anwendung findet (Pr. OVG, Urteil vom 14. Dezember 1937, Bd. 102 S. 48, und die dort angeführte Jud. und Lit.; Suren, Gemeindeabgabenrecht, § 10 Erl. 2b S. 76; ders., Das Preußische Kommunalabgabenrecht § 10 Erl. 4b S. 98; Wiethaup, Über das pr. Straßenanliegerbeitragsrecht, DVB1.1956, S. 45 unter X).

V. Grundstüdesgebühren und -abgaben

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d) Die Vorschrift des § 15 F1G findet unter den in ihr enthaltenen sonstigen Voraussetzungen Anwendung, wenn die Baumaßnahme in der „Anlegung einer neuen Straße" besteht. e) Hat sie jedoch eine Maßnahme an einer schon vorhandenen Straße zum Gegenstand, so ist die Anwendung des § 15 ausgeschlossen, es sei denn, daß sie in der „Verlängerung einer schon vorhandenen Straße" besteht. f) Ob eine Straße durch die Maßnahme neu angelegt oder als eine vorhandene Straße lediglich ausgebessert, verbessert oder umgestaltet wurde, ist nach den in Rechtsprechung, Lehre und Praxis entwickelten Grundsätzen danach zu bestimmen, ob die Straße vor der Durchführung der Baumaßnahme, deren Kosten umgelegt werden sollen, eine von der Gemeinde zum inneren Verkehr und Anbau bestimmte Ortsstraße darstellte, die in ihrem damaligen Zustand als den örtlichen Verhältnissen und Bedürfnissen genügend nach dem Willen der Gemeinde nicht mehr in der Anlegung begriffen sein sollte, mithin eine „vorhandene" Straße war, oder ob der Ausbau der Straße, obgleich sie dem Anbau und dem inneren Verkehr tatsächlich schon diente, von der Gemeinde vor der Durchführung der Maßnahmen, deren Kosten umgelegt werden sollen, noch nicht als abgeschlossen angesehen wurde, die Straße also eine „neue" Straße war (so Pr. OVG, Urteil vom 14. Dezember 1937; a. a. O.; von StraußTorney-Sass, Straßen- und Baufluchtengesetz, 1934, § 15 Bern. 3 und 4a—c S. 194 und S. 202; Saran, Baufluchtliniengesetz, 1921, §15 Bern. 11 und 13; Germershausen-Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1 1932/1953, §52 Abs. 2a S. 618, jeweils mit Jud. und Lit.). g) Die Erhebung von Beiträgen nach § 15 F1G setzt, wie in dieser Vorschrift ausdrücklich angeordnet wird, den Erlaß eines Ortsstatuts voraus (PrOVG, Urteil vom 14. Dezember 1937; a. a. O.; vom 11. Januar 1938, Bd. 101 S. 53; Suren, Gemeindeabgabenrecht a. a. O. § 10 Erl. 5 S. 80; von Strauß-Torney-Sass a. a. O. § 15 Bern. 2a S. 187). h) Die Vorschrift des § 15 F1G regelt nur die Umlegung der Kosten für die in ihr genannten Maßnahmen, unter denen sich die der Entwässerung der anliegenden Grundstücke nicht befindet. Diese Entwässerung und damit die ihr dienende Kanalisation stellt eine Veranstaltung im Sinne des § 9 KAG dar, wenn sie die Voraussetzung dieser Vorschrift erfüllt (von Strauß-Torney-Sass a. a. O. § 19 Bern. 9 S. 253; Saran a.a.O. § 15 Bern. 32a S. 416, mit Rspr. d. PrOVG; Suren, Gemeindeabgabenrecht a. a. O., § 10 Erl. 2g S. 78; ders., Kommunalabgabengesetz § 10 Erl. 4g S. 100; PrOVG, Urteil vom 20. November 1897, PrVBl.Bd. 19 S. 187; vom 20. November 1897 PrOVG Bd. 32 S. 120).

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V. Grundstücksgebühren und -abgaben

i) Die Erhebung von Beiträgen nach § 9 Abs. 1 KAG ist nur zulässig, wenn dem Grundstückseigentümer aus der Veranstaltung „besondere wirtschaftliche Vorteile erwachsen". Damit sind die Vorteile gemeint, die dadurch entstehen, daß die Veranstaltung in Benutzung genommen werden kann, wobei es unerheblich ist, ob der Grundstückseigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht (PrOVG, Urteil vom 9. Mai 1933, RVB1. Bd. 55 S. 389). Wenn die Benutzung der Veranstaltung jedoch noch nicht möglich ist, etwa weil sie baulich noch nicht fertiggestellt und daher noch nicht funktionsfähig ist, so fehlt es an einem der in § 9 enthaltenen Merkmale, so daß diese Vorschrift keine Anwendung finden kann. k) Die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung einer Kanalisation setzt also voraus, daß diese soweit hergestellt ist, daß sie benutzt werden kann. 1) Die Erhebung von Beiträgen zur Deckung von Kosten, die für den Bau vorerst eines Teiles der Kanalisation entstanden sind, könnte deshalb Bedenken begegnen, weil die Höhe der Beiträge aller durch die gesamte Anlage begünstigten Grundstückseigentümer und die Höhe der Kosten der gesamten Anlage nach der in § 9 enthaltenen zwingenden Regelung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, dessen Bestimmung vor der Fertigstellung der gesamten Anlage auf Schwierigkeiten stoßen könnte. •—• Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 21. Juni 1956 — I A 60/55 — BBauBl. 1957, 353 —.

§ 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz 120. Kanalanschlußgebühren a) Wird zu einer nichtgenehmigungspflichtigen Gebührenordnung einer Gemeinde die Genehmigung der Aufsichtsbehörde nachgesucht und erteilt, so kommt dieser Genehmigung eine rechtliche Bedeutung nicht zu. b) Nach § 8 Abs. 1 KAG bedürfen Gebührenordnungen einer Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nur dann, wenn ein Zwang zur Benutzung der gemeindlichen Veranstaltung angeordnet ist oder die Gemeindeangehörigen auf die Benutzung der Veranstaltung angewiesen sind. c) Die Aufsichtsbehörde kann nach § 109 DGO Entschließungen des Bürgermeisters, die das bestehende Recht verletzten oder den Zielen der Staatsführung zuwiderlaufen, aufheben. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 8. 6.1955 — III A 32/53 — GWW 1956, 212 — DVB1.1956, 168 —. Anmerkung: Über Kanalanschlußgebühren vgl. OVG Münster: B1GBW 1956,15 (n. L.) — Glaser Nr. 13/IX/1956.

V. Grundstücksgebühren und -abgaben

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121. Bemessungsgrundlage der Kanalgebühr — Gebührenpflicht a) Gegen Bemessung der Kanalgebühr nach dem Brandkassenwert ist nichts einzuwenden. b) F ü r die Einleitung von Abwässern in ein öffentliches Gewässer kann keine Kanalgebühr erhoben werden. — LVG Braunschweig, Urteil vom 12. März 1957 — A II 334/54 — NHG 1957, 142 — Glaser Nr. 286/IX/1957 —.

122. Zwang zur Benutzung der gemeindlichen Müllabfuhr a) Ob ein „dringendes öffentliches Bedürfnis" f ü r den Erlaß einer Satzung besteht, durch die ein Zwang zur Benutzung der gemeindlichen Müllabfuhr eingeführt wird, ist vom Verwaltungsrichter nicht nachzuprüfen. b) E s handelt sich bei dieser P r ü f u n g nicht um die Unterordnung eines Sachverhalts unter gesetzliche Tatbestandsmerkmale, also nicht um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, sondern um eine Frage der Rechtspolitik und der Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens. — OVG Münster, Urteil vom 8. August 1956 — III A 624/56 — Städtetag 1957, 122 — Deutsche Steuerzeitung 1957, 291 —.

123. Umfang der Müllbeseitigungspflicht a) Grundsätzlich hat die Müllbeseitigungsanstalt den gesamten auf dem Grundstück anfallenden Müll zu beseitigen. b) Besondere Gefäße zum Sammeln bestimmter Abfälle (Papier, Konservendosen) dürfen vom Grundstückeigentümer nicht aufgestellt werden, auch wenn er diese Abfälle selbst beseitigen läßt. c) Zum Müll, der dem Abfuhrzwang durch die Müllbeseitigungsanstalt unterliegt, gehören sämtliche Grundstücksabfälle, soweit sie in der Satzung von der Abfuhr durch die Müllbeseitigungsanstalt nicht ausgeschlossen sind. — Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 12. Juni 1956 — III B 201/55 — Berliner Grundeigentum 1956, 569 —. Anmerkung: Vgl. auch Neumann: Abfuhrzwang der städischen Müllbeseitigungsanstalt: Berliner Grundeigentum 1956, 569 —.

124. Entgelt für die Benutzung einer städtischen Veranstaltung a) Die Entschließung des Ortsgesetzgebers, ob er f ü r die Benutzung einer Veranstaltung eine privatrechtliche Vergütung oder eine öffentlich-rechtliche Gebühr beanspruchen und demgemäß das Benutzungsentgelt nicht privatrechtlich, sondern öffentlich-rechtlich regeln will, ist seinem Ermessen überlassen.

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V. Grundstücksgebühren und -abgaben

b) Das Verwaltungsgericht ist nicht befugt, ein Ortsgesetz auf Ermessensmißbrauch oder Verstoß gegen Treu und Glauben nachzuprüfen. — OVG Münster, Urteil vom 4. Juli 1956 — III A 248/56 — Städtetag 1957, 122 —. Anmerkung: Zu a): Ebenso Preuß. OVG 103, 26.

§§ 145, 151, 242 BGB 125. Elektrizitätsversorgungsbedingungen a) Der BGH hat im Urteil vom 14.7.1956 — V ZR 223/54 — (BGHZ 21, 319 (333) = NJW 56, 1475) in Anknüpfung an die im Schrifttum entwickelte Lehre vom „faktischen Vertragsverhältnis" (Haupt, Festschrift d. Leipziger jur. Fakultät für Sieber, Bd. II S. 1) und „Schuldverhältnis aus sozialtypischem Verhalten" (Larenz, neuerdings NJW 56, 1897) anerkannt, daß Rechtsbeziehungen der Parteien zueinander, wie sie sich im heutigen Massenverkehr ergeben, unter Umständen auch dann als Vertragsverhältnis (i. w. S.) angesehen werden können, wenn übereinstimmende Willenserklärungen fehlen. b) Gerade im Rahmen der öffentlichen Versorgung mit Gas, Wasser und Elektrizität ermöglicht die Betrachtungsweise dieses Urteils befriedigende Ergebnisse. c) Den Haushaltungsvorstand und Wohnungsinhaber, der die Leistungen des Versorgungsunternehmens in Anspruch genommen hat, trifft schon allein auf Grund der ihm zuzurechnenden Inanspruchnahme der Leistungen die Verpflichtungen aus dem Lieferverhältnis, ohne daß es auf die Kundgabe eines rechtsgeschäftlichen Willens durch ihn oder eine zu seiner Vertretung berechtigte Person ankäme. d) Gegen die Gültigkeit der dem Stromlieferungsvertrag zugrunde liegenden „Allgem. Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz der Elektrizitätsversorgungsunternehmen" (im folgenden: Versorgungsbedingungen), insbes. gegen die Gültigkeit der Bestimmung über die Erhebung einer Vertragsstrafe, bestehen keine Bedenken. e) Die Versorgungsbedingungen sind durch eine auf Grund des § 7 EnergiewirtschaftsG. v. 13.12.1935 (RGBl. I 1451) — EWG — erlassenen AO des Genlnsp. f. Wasser u. Energie v. 27.1.1942 (RAnz. 1942 Nr. 39) für verbindlich erklärt worden und damit Bestandteil der mit den Stromabnehmern geschlossenen Verträge geworden. f) Sie stellen sich als eine RechtsVO dar (vgl. das Gutachten des BGH v. 6.10.1952 — IVRG 11/52 — BGHZ 9, 390 = LM Nr. 9 zu Art. 14 GrundG).

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g) Die Versorgungsbedingungen sehen eine Pflicht zur Abnahme des gesamten Bedarfs an Elektrizität, die Freizeichnung bei Stromunterbrechungen, die Unterwerfung unter die Bedingungen bei jedem Gebrauch elektrischer Arbeit, den Zwang zur Heranziehung zugelassener Installateure, das Verbot der Weiterleitung des Stromes, ferner die Beschränkung von Einwendungen gegen die Rechnungen sowie Ansprüche auf Sicherheitsleistung vor. h) Andererseits ist dem Versorgungsunternehmen die Befugnis zur fristlosen Einstellung der Versorgung bei Zuwiderhandlungen gegen die Versorgungsbedingungen und zur Wiederaufnahme erst nach Zahlung der festgesetzten Vertragsstrafe eingeräumt worden. i) Die angeführten Bestimmungen enthalten zwar weitgehende Beschränkungen der Rechte des Stromabnehmers, der unter Umständen auf unbestimmte Zeit vom Strombezug völlig ausgeschlossen werden kann. Gleichwohl kann eine Verletzung i. S. des Art. 1 GG durch derartige Bestimmungen nicht angenommen werden. k) Ein Angriff gegen die dem Menschen innewohnende Würde ist in solchen Einschränkungen seiner Betätigungsfreiheit nicht zu erblicken. 1) Die besondere Bedeutung der Energiewirtschaft für die Belieferung der Allgemeinheit konnte zu strengen Schutzbestimmungen für die Versorgungsunternehmen Anlaß geben, ohne daß der Gesamtcharakter der Versorgungsbedingungen sich als „Antastung der Menschenwürde" darstellt. m) Macht das Versorgungsunternehmen von einzelnen Befugnissen, insbes. der Stromsperre, nach den Umständen einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Gebrauch, so kann dem zur Vermeidung unverhältnismäßiger Schädigungen des Abnehmers gemäß dem das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz des § 242 BGB entgegengetreten werden. n) Die Anordnung einer Vertragsstrafe in den Versorgungsbedingungen für ein Zuwiderhandeln (Gebrauch elektrischer Arbeit unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Meßeinrichtungen) verletzt ganz allgemein keine rechtsstaatlichen Grundsätze, auch nicht den Grundsatz seiner sittlichen Rechtsordnung. o) Soweit etwa einzelne Vorschriften der Versorgungsbedingungen nichtig sein könnten, wie dies z. B. in BGHZ 9, 390 für Nr. III 3 angenommen ist, könnte dies keine Nichtigkeit der gesamten Versorgungsbedingungen zur Folge haben, weil diese auch ohne den etwa nichtigen Teil sinnvoll bleiben und angenommen werden kann, daß sie auch ohne ihn erlassen worden wären (BGHZ 16, 192 (198) = NJW 55, 710).

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— Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 1957 — VIIIZR 71/56 — NJW 1957, 627 — Betrieb 1957, 258 — JZ 1957, 275 — GWW 1957, 223 (n. L. —. Anmerkung: Zu a): Anders Wieacker: JZ 1957, 61; vgl. BGH: NJW 1956, 1475; 1955, 710; OLG Frankfurt NJW 1953, 1306; Nipperdey: Faktische Vertragsverhältnisse? MDR 1957, 129. 126. Umstellung des Elektrizitätsnetzes a) Die Elektrizitätswerke sind bei Umstellungen im Niederspannungsnetz nicht verpflichtet, die dem einzelnen Abnehmer entstehenden Kosten f ü r die Umarbeitung oder den E r s a t z der vom Stromverbraucher benutzten Elektrogeräte zu ersetzen oder einen Beitrag zu diesen unvermeidlichen Kosten zu leisten. b) Die Elektrizitätswerke sind berechtigt, laufende Stromlieferungsverträge zum Zwecke der Netzumstellung unter Beachtung der Voraussetzungen zu kündigen, die in den allgemeinen Bedingungen f ü r die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz der Elektrizitätsversorgungsunternehmen aufgestellt sind. c) Nach Ablauf der Kündigungsfrist können sie ihrer allgemeinen Anschluß- und Versorgungspflicht dadurch nachkommen, d a ß sie Strom anderer A r t und Spannung liefern. d) Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben läßt sich im allgemeinen ein Anspruch des Abnehmers auf vollen oder teilweisen E r s a t z seiner Kosten nicht herleiten. e) N u r in Ausnahmefällen, in denen die Netzumstellung aus besonderen Gründen einen oder einzelne Abnehmer außergewöhnlich h a r t trifft, kann es der Billigkeit entsprechen, ihnen gegenüber eine derartige Verpflichtung der Elektrizitätswerke zu bejahen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. April 1957 — III ZR 217/56 — BB 1957, 491 — Bayr. HZtg. 1957 Nr. 15 —. § 6 Kommunalabgabengesetz 127. Erhebung von Verwaltungsgebühren im Baugenehmigungsverfahren a) Gegen die Heranziehung zu staatlichen oder gemeindlichen Verwaltungsgebühren sind als Rechtsbehelfe Einspruch und Klage im Verwaltungsstreitverfahren gegeben. b) Das den Gemeinden nach § 6 KAG zustehende Recht, Verwaltungsgebühren f ü r die baupolizeiliche Genehmigung von Neubauten zu erheben, erstreckt sich auf die Regelung nicht nur der Gebührenhöhe, sondern auch der Gebührenfreiheit. c) E s ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß f ü r Amtshandlungen, die einem überwiegenden öffentlichen Interesse dienen, keine Gebühren erhoben werden dürfen.

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d) Für die baupolizeilichen Genehmigungen von Neubauten eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens dürfen Verwaltungsgebühren nach § 6 KAG erhoben werden. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 25. Februar 1953 — I I I A 198/51 — BBauBl. 1956, 229 —.

e) Die Erhebung von Baugebühren können die Gemeinden zwar in eigenen Gebührenordnungen regeln; sie dürfen aber keine Baugebühr erheben, wenn die Amtshandlung der Baubehörde überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgt ist. f ) Ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Amtshandlung ist nur dann ersichtlich, wenn die Förderung des privaten Interesses gegenüber dem allgemeinen Wohl weitgehend zurücktritt. g ) Die Erteilung einer Baugenehmigung an ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen liegt in der Regel im öffentlichen Interesse. — Hess. Verwaltungsgerichtshof Kassel, Urteil vom 19. Juni 1953 — OS I 198/51 — BBauBl. 1956, 229 — .

h) Die Baupolizei ist in Berlin keine staatliche Auftragsangelegenheit, sondern sie wird von dem Senat oder dem von ihm beauftragten Senator als staatliche Angelegenheit kraft eigenen Rechts wahrgenommen. i ) Hieraus ergibt sich, daß als Grundlage für die Erhebung der Baupolizeigebühren nicht mehr die frühere Baupolizeiverordnung der Stadt Berlin, sondern das Verwaltungsgebührengesetz und die staatliche Verwaltungsgebührenordnung in Betracht kommen. Nach § 3 sind demnach die gemeinnützigen Bauunternehmen von der Entrichtung der Baupolizeigebühren befreit. — Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 6. September 1955 — I I I B 136/54 — BBauBl. 1956, 229 — .

k) Ein überwiegend öffentliches Interesse im Sinne von § 1 Abs. 2 VGO muß in Bezogenheit auf den konkreten Gegenstand der jeweiligen Amtshandlung beurteilt werden. 1) Es kann nicht zweifelhaft sein, daß bei Bauvorhaben gemeinnütziger Wohnungsunternehmen das öffentliche Interesse im Vordergrund steht. Das ergibt sich zwangslos aus dem Begriff der Gemeinnützigkeit. m) Die Vorschrift des § 3 VGO gewährt Gebührenfreiheit bei Antragstellern, die einem bestimmten Personenkreis angehören, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall ein öffentliches Interesse besteht. — Landesverwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22. November 1955 — 4 K 181/54 — BBauBl. 1956, 229 — . Anmerkung: Über das Recht der Erhebung von Baupolizeigebühren beim Wiederaufbau kriegszerstörter Häuser vgl. OVG Münster: Betrieb 1953, 922 — Glaser Nr. 25/IX/1954 — . 6 Glaser, Baurecht-Entsch.

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128. Geschäftswert einer Bebauungsverpflichtung a) Der Geschäftswert, nach dem die Beurkundungsgebühr gemäß den §§ 144, 29 Abs. 2, 26 KostO zu berechnen ist, bestimmt sich nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KostO. b) Beim Kauf von Sachen ist der Kaufpreis maßgebend; der Wert der vorbehaltenen Nutzungen und der vom Käufer übernommenen oder ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen wird hinzugerechnet. c) Als Wert der vom Schuldner übernommenen Bebauungsverpflichtung ist in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung der Regelwert von 3000 DM anzunehmen (§24 Abs. 2 KostO). — Landgericht Wuppertal, Beschluß vom 21. Dezember 1956 — 6 T 720/55 — B1GBW 1957, 159 —. A n m e r k u n g z u c) Vgl. Jonas-Melsheimer-Hornig-Stemmler, Kostenordnung, 4. Auflage § 24 Anm. II 2 f.; Küntzel-Kersten, Kostenordnung 1951, Anm. 12 zu §19KostO; Korinthenberg-Wenz, 2. Aufl., Anm. 3 zu § 19 KostO; Rohs-Wedewer, 1953, Anm. I I I A h zu § 24 KostO; KG J F G Erg. 22, 24; OLG München DNotZ 1941, 505; OLG Prankfurt DNotZ 1955, 259.

129. Ablehnung eines Grundsteuererlasses aus Billigkeitsgründen a) Die Ablehnung eines Grundsteuererlasses aus Billigkeitsgründen kann nicht mit der Begründung angefochten werden, das Grundstück sei ertraglos. b) Befindet sich ein Grundstückseigentümer im Konkurs, so überschreitet die Gemeinde nicht die Grenzen ihres Ermessens, wenn sie trotz der wirtschaftlichen Notlage des Grundstückseigentümers einen Grundsteuererlaß aus Billigkeitsgründen ablehnt. —• Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 6. Juni 1956 — III A 647/54 — DWW 1956, 260 —.

VI.

Maklerrecht Nr. 130—165 130. Anwendbarkeit der Geschäftsbedingungen des Maklers a) Wer sich von einem Makler fernmündlich ein Objekt nennen läßt, unterwirft sich für den Fall, daß er von diesem Objekt Gebrauch macht, stillschweigend allen denjenigen Geschäftsbedingungen des Maklers, mit denen er üblicherweise rechnen muß. b) Hierzu gehört auch die vereinbarte Zuständigkeit des Amtsgerichts am Ort des Maklers, weil sich ein entsprechender Passus regelmäßig in den Geschäftsbedingungen der Makler befindet. — Landgericht Frankfurt, Urteil vom 6. Juli 1956 — 2/1 S 6/56 — MDR 1956, 616 —.

131. Provisionsanspruch des Maklers gegen beide Parteien a) Der Irrtum über die Rentabilität eines Grundstücks berechtigt nicht zur Anfechtung wegen Irrtums. b) Der Makler braucht den Auftraggeber nicht darauf hinzuweisen, daß er von beiden Parteien je die halbe Provision erhält. — Landgericht Lüneburg, Urteil vom 14. Dezember 1955 — 2 O 202/55 — AIZ 1957, 47 —. Anmerkung: Vgl. Schwarz: Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Maklerrecht: B1GBW 1957, 163.

§ 652 BGB 132. Stillschweigender Abschluß eines Maklervertrages a) Der Auftrag für eine Vermittlungstätigkeit beim Verkauf eines Hauses braucht nicht ausdrücklich erteilt zu sein. Es genügt, wenn der Beklagte eine Vermittlungstätigkeit des Klägers widerspruchslos hinnahm und den Nutzen aus dieser Tätigkeit zog (vgl. Palandt, BGB 10. Aufl. Anm. 1 zu § 653; Soergel, BGB 8. Aufl. Anm. 1 zu §653). b) Etwas anderes hat nur zu gelten, wenn dem Beklagten von vornherein erkennbar war, daß der Kläger für einen anderen Auftraggeber handelte, so daß er ohne weiteres des Glaubens sein konnte, daß der Kläger für einen anderen Auftraggeber handelte 6*

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VI. Maklerrecht

und Besprechungen nur herbeiführte, um den Auftrag des anderen ausführen zu können. — Amtsgericht Neustadt/Weinstraße, C 1258/52 — AIZ 1957,16 —.

Urteil

vom

1. April

1953



§ 652 BGB 133. Stillschweigen auf ein Bestätigungsschreiben des Maklers a) Stillschweigen auf ein Bestätigungsschreiben des Maklers bedeutet Zustimmung. b) Wer als Kaufmann sich von einem Handelsmakler, mit dem er in Geschäftsverbindung steht, die Gelegenheit zum Vertragsschluß nennen läßt, kann nicht einwenden, er habe dem Makler keinen Auft r a g erteilt, andererseits aber von der von diesem nachgewiesenen Gelegenheit Gebrauch machen. — Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 8. Oktober 1956 — 18 U 131/56 — B1GBW 1957, 111 — AIZ 1957, 31 —.

§ 653 BGB 134. Stillschweigende Vereinbarung einer Maklerprovision Auch wenn eine Vergütung nicht ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart worden ist, so gilt eine solche als stillschweigend vereinbart, wenn die dem Makler übertragene Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. — Landgericht Bonn, Urteil vom 7. Oktober 1953 — 1 O 370/52 — AIZ 1956, 211 —.

135. Maklervertrag — Ursächlicher Zusammenhang Der ursächliche Zusammenhang (Kausalität) liegt auch dann vor, wenn 1. der spätere Abschluß ohne Mitwirkung des ersten Maklers erfolgt, 2. zwischen der Tätigkeit des ersten Maklers und dem später erfolgten Abschluß eine geraume, aber doch nicht erhebliche Zeit verstrichen ist und 3. der spätere Abschluß durch den zweiten Makler vermittelt worden ist. — Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 29. Juni 1954 — 2 U 81/54 — B1GBW 1956, 287 mit einer Anmerkung von Schwarz.

136. Mitursächlichkeit der Tätigkeit des Maklers Die Vermittlungstätigkeit des Maklers gilt bereits dann als erfolgreich und löst dementsprechend den Anspruch auf Maklerprovision aus, wenn die Tätigkeit des Maklers f ü r den Vertragsabschluß auch nur mitursächlich gewesen ist. — Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 21. September 1955 — 1 U 64/55 — AIZ 1956, 32 —.

VI. Maklerrecht

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137. Treuwidrige Verhinderung des Zustandekommens eines Maklervertrages Treuwidrige Verhinderung des Zustandekommens eines Maklervertrages durch den Auftraggeber hat zur Folge, daß er dem Makler Schadenersatz in der Höhe der ihm entgangenen Maklerprovision leisten muß. — Amtsgericht Bensheim, Urteil vom 8. Mai 1953 — 6 C 296/53 — AIZ 1957, 16 —.

138. Schadensersatzanspruch des Maklers wegen Vereitelung des Auftrages Wenn der Auftraggeber lt. Auftragsschein verpflichtet ist, dem Makler alle erforderlichen Angaben und Unterlagen zu liefern, die zur Erfüllung des Vermittlungsauftrages notwendig sind, und unterläßt er dies zu tun, so macht er sich gegenüber dem Makler schadensersatzpflichtig, wenn dadurch die Ausführung des Auftrages vereitelt worden ist. — Landgericht Detmold, Urteil vom 18. Oktober 1955 — S 125/55 — AIZ 1956, 32 —.

§ 652 WBewG 139. Anspruch auf Maklerlohn bei Nichtausführung des vermittelten Vertrages a) Die Verpflichtung zur Zahlung der Maklerprovision kann von der völligen oder teilweisen Ausführung des vermittelten Geschäftes abhängig gemacht werden (RG LZ 1915, 504 —1920, 40 — 1921, 61). b) Im allgemeinen werden Vereinbarungen, die die Provisionszahlung in Beziehung zur Ausführung des Geschäftes bringen, nur den Tag der Fälligkeit hinausrücken, nicht aber die Entstehung des Anspruchs bedingen (RG, Recht 1909 Nr. 3054; vgl. ferner Jacusiel, S. 133; Kleemann, S. 19, 20; Reichel, Mäklerprovision S. 71; u. U. anders bei Vermittlung von kriegswirtschaftlichen Geschäften RGZ 95,134 [136] ; RG LZ 1921, 61; OLG Hamburg, HRZ 1920, 491). c) Wenn ein Maklervertrag geschlossen ist, so hat er zum selbstverständlichen Inhalt, daß der Makler f ü r seine zum Erfolg führende Tätigkeit belohnt werden soll. Unter Erfolg ist, soweit keine abweichenden Parteivereinbarungen bestehen, nach dem Gesetz (§ 652 BGB, § 93 HGB) das Zustandekommen des vermittelten Vertrages zu verstehen. d) Nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen der Parteien kann der Erfolg auch in einem erst nach dem Zustandekommen des vermittelten Vertrages eintretenden Ereignis, das f ü r den Auftraggeber vorteilhaft ist, liegen, indem es seine durch den vermittelten Vertrag erlangte Rechtsposition in tatsächlicher und (oder)

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VI. Maklerrecht

rechtlicher Beziehung verstärkt (Versendung der gekauften Ware, Übergabe der unter Eigentumsvorbehalt gekauften Ware, Auflassung bei einem Grundstückskauf, Erlangung eines Pfand- oder Zurückbehaltungsrechtes, Stellung einer Bürgschaft u.dgl.). e) Das im äußersten Falle mögliche, mit der Vertragsausführung zusammenhängende Ereignis, an das die Entstehung (nicht die Fälligkeit) des Vergütungsanspruches des Maklers geknüpft werden kann, ist die volle Erfüllung des vermittelten Vertrages. f) Ist der Provisionsanspruch an die vollständige Erfüllung des Geschäftes geknüpft, hat aber der Auftraggeber wegen Nichterfüllung gegen seinen Geschäftspartner nicht nur einen Schadensersatzanspruch erlangt, sondern ist dieser Anspruch auch befriedigt worden, so ist der Maklerlohn geschuldet (Reichel, S. 76, oben). g) Denn es hieße den Makler um seinen verdienten Lohn bringen, wollte man seinen Auftraggeber aus formellen Erwägungen von der Zahlung der Vergütung freistellen, obwohl er durch die Tätigkeit des Maklers in die gleiche wirtschaftliche Lage versetzt wurde, in der er sich bei Vertragserfüllung befinden würde. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. April 1956 — IZR184/54 — NJW 1956, 1197 —.

§ 652 BGB 140. Vergütungsanspruch des Maklers bei Nichtdurchführung des Vertrages a) Wenn der Kauf später — offensichtlich, weil der Käufer den Kaufpreis hierfür nicht beschaffen kann — nicht abgewickelt wird, so ist das für die Entscheidung der Frage, ob der Makler eine Vergütung zu beanspruchen hat oder nicht, ohne Bedeutung. b) Der Vergütungsanspruch des Maklers besteht nach der klaren gesetzlichen Vorschrift, wenn der Vertrag infolge des Nachweises oder infolge der Vermittlung des Maklers zustande kommt. Von der Abwicklung des Vertrages ist er nicht abhängig (§ 652 BGB).

— Landgericht Hagen, Urteil vom 10. Juni 1955 — 2 O 315/54 — AIZ 1957, 31 —. Anmerkung: Vgl. Kohler: Ersatzansprüche des Grundstücksmaklers bei nichtigen Kaufverträgen: NJW 1957, 327.

141. Zur Prüfungspflicht des Maklers a) Nach ständiger Rechtsprechung und der einhelligen Auffassung des Schrifttums hat ein Makler kraft der ihm obliegenden Treupflicht alle ihm bekannten Umstände, die für die Willensentschließung seines Auftraggebers von Bedeutung sind, diesem mitzuteilen.

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b) Er ist allerdings seinem Auftraggeber gegenüber nicht verpflichtet, die Zahlungs- und Leistungsfähigkeit einer Partei zu prüfen (RGZ 138, 94 [97] ; RG Recht 1911, 1924 und 1921, 539; RG Gruch 43, 1166). c) Da der Auftraggeber den Vertrag selbst abschließt, bleibt es ihm überlassen zu prüfen, ob der Vertrag die notwendigen Garantien bietet. d) Das gilt jedenfalls für den Nachweismakler, der seine Tätigkeit in der Angabe eines Vertragspartners erschöpft. Ob für den Fall der Vermittlung eines Vertrags andere Grundsätze gelten können (RG HansRZ 1921, 915), läßt der BGH dahingestellt. e) Erhält ein Makler Mitteilungen, die für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit einer von ihm nachgewiesenen Vertragspartei oder der Güte einer Ware erheblich sind und ihm in dieser Hinsicht zu Zweifeln Anlaß geben müssen, wie z. B. unbestätigte Nachrichten über den Vermögensverfall, so ist er zwar im allgemeinen nicht verpflichtet, diesen Hinweisen selbst nachzugehen. Er muß jedoch kraft der ihm obliegenden Pflicht zur treuen und gewissenhaften, möglichst den Interessen des Auftraggebers entsprechenden Ausführung derartige Mitteilungen oder Beobachtungen weitergeben, um seinem Auftraggeber die Möglichkeit zu geben, sich durch eigene Erkundigungen vor Schaden zu bewahren. f ) Das Reichsgericht hat dies bereits für den Fall anerkannt, daß ein Mäkler beim Kauf eines Grundstücks den Verdacht auf Schwamm hegte (vgl. RG JW 1910, 284 Nr. 17). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. März 1956 — II ZR 73/55 — B B 1956, 733 — Betrieb 1956, 798 — Bln. GrundE 1956, 567 (n. L.) —.

§ 652 BGB 142. Pflichten des Maklers beim Abschluß eines Vertrages a) Es ist allerdings anerkannten Rechts, daß der Makler im allgemeinen nicht zu solchen Ermittlungen und Mitteilungen verpflichtet ist, die für den Entschluß des Auftraggebers zum Abschluß des zu vermittelnden Vertrages von Bedeutung sein können. Der Makler hat regelmäßig vielmehr nur ein Wissen von für den Auftraggeber erheblichen Tatsachen mitzuteilen, ohne durch eigene Erkundigungen die Grundlage für sein Wissen zu schaffen (RG in Recht 1911 Nr. 1924 und in HRR 1931 Nr. 106 sowie Reichel, Maklerprovision, 1913, S. 231 ff.; Staudinger, BGB 10. Auflage Rn. 16 zu § 652; RGR Komm, z. BGB 9. Aufl. Anm. 2b zu § 652; Palandt, BGB 14. Aufl. Anm. 1 zu § 654). b) Dem Makler kann auf Grund der Umstände des Einzelfalles, so etwa im Hinblick auf eine besondere Vereinbarung, aber auch aus

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anderen Gründen, nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte, die Pflicht zur Erkundigung der für den Auftraggeber wesentlichen Verhältnisse obliegen (RG, a. a. O. und in Gruchot 45, 1010 sowie die angegebenen Literaturstellen). c) Die fahrlässige Zuführung eines zahlungsunfähigen Käufers ist unter gewissen Umständen eine Pflichtverletzung des Maklers. d) Der Makler ist nicht gehalten, eigene ins einzelne gehende Finanzierungsberechnungen anzustellen; der Wohnungsmakler muß nicht als Bausachverständiger tätig werden (Palandt, a. a. O.). e) Hat ein Makler einem Geschäfts- oder Wohnraumbewerber den Abschluß eines Vertrages auf Überlassung von Räumen, die erst noch gebaut werden sollen, zu vermitteln, dann ist er unter Umständen verpflichtet, sich vor Abschluß des von ihm vermittelten Vertrages über die Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse des Bauvorhabens zu erkundigen und dem Baubewerber von dem Ergebnis seiner Ermittlungen Kenntnis zu geben, auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart worden ist. — Oberlandesgericht München, Urteil vom 22. Juni 1956 — 8 U 924/56 — NJW 1956, 1760 —. Anmerkung: Zur Prüfungspflicht des Maklers vgl. BGH: BB 1956, 733 — Betrieb 1956, 794 — oben Nr. 141 —.

§ 652 BGB 143. Pflichten des Wohnungsmaklers Hat ein Makler einem Geschäfts- oder Wohnraumbewerber den Abschluß eines Vertrages auf Überlassung von Räumen, die erst noch gebaut werden sollen, zu vermitteln, dann ist er u. U. verpflichtet, sich vor Abschluß des von ihm vermittelten Vertrages über die Eigentums- und Finanzierungsverhältnisse des Bauvorhabens zu erkundigen und dem Baubewerber von dem Ergebnis seiner Ermittlungen Kenntnis zu geben, auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart worden ist. — Oberlandesgericht München, Urteil vom 22. Juni 1956 — 8 U 924/56 — NJW 1056, 1760 — B1GBW 1957, 79 — GWW 1957, 26 (n. L.) —.

144. Sorgfaltspflicht des Maklers Die dem Makler zumutbare Sorgfaltspflicht darf nicht überspannt werden. — Landgericht Frankfurt/M., Urteil vom 5. Mai 1954 — 2/8 O 252/53 — B1GBW 1956, 287 mit einer Anmerkung der Schriftleitung —.

145. Keine Haftung des Maklers für die Hellhörigkeit eines Hauses a) Auch wenn der Makler die Baufirma ausgesucht hat, so haftet er nicht, wenn das Haus hellhörig ist.

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b) Wenn Bauzeichnung und Baubeschreibung nicht eingehalten sein sollten, so könnte insoweit der Architekt eine Verantwortung haben, nicht aber der Makler. — Landgericht Frankfurt/M., Urteil vom 11. Oktober 1956 — 2/2 O 287/56 — AIZ 1957, 111 —.

§ 652 BGB 146. Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrages a) Derjenige, der einen Grundstücksmakler unter Bezugnahme auf ein vom Makler aufgegebenes Zeitungsinserat bittet, ihm andere, nicht zum Verkauf ausgeschriebene, aber verkäufliche Grundstücke zu nennen, hat jedenfalls dann einen entgeltlichen Nachweisauftrag i. S. des § 652 BGB erteilt, wenn er positiv wußte, daß der Makler f ü r seine Tätigkeit eine Provision beansprucht. b) Ein Makler hat die Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrages nicht nur dann nachgewiesen, wenn er den Interessenten erstmalig auf ein Objekt aufmerksam macht; die Gelegenheit ist vielmehr auch dann nachgewiesen, wenn der Interessent zwar weiß, daß ein Eigentümer sich mit dem Gedanken trägt zu verkaufen, der Interessent aber erst durch den Makler erfährt, daß der Eigentümer nunmehr entschlossen ist, zu verkaufen (DyckerhofF-Rinke, Das Recht des Immobilienmaklers 1937 S. 11). c) Solange ein Eigentümer den Verkauf seines Grundstückes nur erwägt, aber nicht bereit ist, eine bindende Verkaufsverpflichtung einzugehen, besteht keine „Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrages". — Landgericht Freiburg/Breisgau, Urteil vom 18. Dezember 1956 — 2 O 151/56 — AIZ 1057, 79 —.

147. Maklerlohn für Vermittlung eines Darlehens a) Ein berufsmäßiger' Immobilienmakler vermittelt hypothekarisch gesicherte Darlehen grundsätzlich nur gegen eine vom Darlehensnehmer zu entrichtende Vergütung. b) Besondere Umstände des Einzelfalles — insbesondere nähere Beziehungen zwischen den Beteiligten — können eine andere Beurteilung rechtfertigen. c) Es mag allerdings Fälle geben, in denen derjenige, der einen Makler beauftragt, nach den Gepflogenheiten des betreffenden Geschäftszweiges auch ohne ausdrückliche Vereinbarung die Übernahme der Maklerprovision durch den anderen Teil erwarten darf, der ja auf das Geschäft nur eingehen wird, wenn er sich ebenfalls einen Vorteil davon verspricht.

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d) E s ist allgemein bekannt, daß bei der Lage des deutschen Kapitalmarktes ein Geldgeber wesentlich leichter Anlagemöglichkeiten als ein Kreditsuchender einen Geldgeber findet; schon deshalb kann kein Darlehensnehmer damit rechnen, daß der Darlehensgeber bereit sein wird, die Maklerprovision zu übernehmen. e) Der Makler hat seinen Anspruch auf die ortsübliche Vergütung nicht dadurch verwirkt, daß er seine Forderung dem Auftraggeber gegenüber erstmals 4 Monate nach der Auszahlung des Darlehns geltend macht, und zwar auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, daß ein Makler seine Ansprüche im allgemeinen wesentlich schneller geltend zu machen pflegt, es sei denn, daß der Auftraggeber Umstände behauptet, aus denen sich ergeben könnte, daß ihm wegen der verzögerten Geltendmachung nicht zugemutet werden kann, den Anspruch des Maklers zu befriedigen. — Oberlandesgericht Frankfurt/M., Urteil vom 20. Dezember 1956 — U 28/56 — B1GBW 1957, 206 —.

§ 653 BGB 148. Beschaffung einer Hypothek durch den Hausverwalter — Provisionsanspruch a) Die Beauftragung zur Vermittlung eines Vertrages kann auch stillschweigend zustande kommen, wozu genügt, daß die Maklerdienste ohne Widerspruch entgegengenommen und ausgenutzt werden (Palandt: BGB 1953 § 653 Anm. 1). b) Die Mitwirkung bei Beschaffung einer Hypothek durch den Hausverwalter geschieht nicht im Rahmen der allgemeinen Hausverwaltertätigkeit und ist daher gesondert gebühren-(provisions-) pflichtig. c) Im Hinblick auf § 653 BGB ist der Hausverwalter dem Grundstückseigentümer gegenüber nicht verpflichtet, besonders darauf hinzuweisen, daß er f ü r seine Mitwirkung bei der Gewährung des hypothekarisch gesicherten Darlehens eine Provision verlangen würde. d) Nach § 653 BGB gilt ein Maklerlohn stillschweigend vereinbart, wenn die dem Makler übertragenen Leistungen den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sind. e) Zur Entstehung des Maklerlohnes ist nicht erforderlich, daß die Tätigkeit des Maklers die alleinige oder hauptsächliche Ursache des späteren Vertragsabschlusses gewesen ist. Mitverursachung der Tätigkeit des Maklers f ü r den Vertragsabschluß genügt (Palandt BGB 1953 § 652 Anm. 3). — Amtsgericht Wiesbaden, Urteil vom 25. November 1954 — 91 C 947/54 — AIZ 1956, 179 —.

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§ 652 BGB 149. Auslegung der Bedingungen im Auftragsschein des Maklers — Provisionsanspruch a) Der Auftraggeber ist, nachdem er einen Maklerauftrag zum Verkauf erteilt hat, nicht verpflichtet, zu verkaufen. b) Treuwidrig handelt der Auftraggeber, der einen Alleinauftrag erteilt hat, wenn er einen anderen Makler gleichzeitig beauftragt, oder wenn er z. B. aus nichtigem Grund oder ohne jeden Grund den Verkauf übermäßig verzögert, oder wenn er einen A u f t r a g zum Verkauf an einen Makler erteilt und von vornherein keine Verkaufsabsicht hat oder schließlich auch aus irgendeiner Laune mit dem ihm nachgewiesenen Käufer, der die gestellten Bedingungen einzugehen bereit und zu erfüllen in der Lage ist, nicht abschließt (vgl. RGZ 76, 361 [364]). c) Wollen die Parteien des Maklervertrages von der gesetzlichen Regelung des Maklerrechts abweichend eine Provisionspflicht vereinbaren, so muß dies in einer f ü r den Auftraggeber unmißverständlichen Weise klar zum Ausdruck gebracht werden. d) Insofern kann es nicht genügen, daß der Makler in seinen Auftragsscheinen dem Wortlaut nach „geschickte Klauseln" aufnimmt, sondern es ist notwendig, daß der Auftraggeber den Sinn der vom Makler entworfenen Vertragsbedingungen ohne jeden Zweifel erkennt, andernfalls kommt eine Einigung der Parteien nicht zustande. e) Denkbar und rechtlich zulässig ist auch eine Vereinbarung, die f ü r den Fall der vorzeitigen Zurückziehung eines unwiderruflichen Auftrages eine Provisionspflicht des Auftraggebers allein als Gegenleistung f ü r die Bereitschaft des Maklers zur Tätigkeit oder als Vertragsstrafe (nicht Reugeld, wie KG bei Soergel zu § 652 BGB Anm. 5a angenommen) vorsieht (so RGZ 22, 378; 76, 361 ff. und JW 05, 399). f ) Wenn eine Provisionspflicht in dieser Weise begründet werden soll, womit der Makler sich gegen jede Wankelmütigkeit des Auftraggebers sichern kann, so bedarf es in jedem Falle einer Vereinbarung, die den dahingehenden Willen nicht nur des Maklers, sondern auch seines Auftraggebers klar erkennen läßt. g) Nur eine jeden Zweifel ausschließende Vereinbarung kann einen Provisionsanspruch des Maklers auch f ü r den Fall begründen, daß der vom Auftraggeber bei Abschluß des Maklervertrages beabsichtigte Grundstückskauf oder -verkauf nicht zustande kommt. h) Besteht insofern auch nur ein Zweifel, so gilt die gesetzliche Regel des § 652 BGB, wonach Voraussetzung f ü r das Entstehen eines

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Provisionsanspruchs des Maklers der Abschluß des beabsichtigten Geschäfts ist (so RG, Warn. 14 Nr. 118; KG, OLG 22, 318; OLG Karlsruhe, JR 54, 341). i) Dafür, daß eine jeden Zweifel ausschließende Vereinbarung über eine Provisionspflicht des Auftraggebers auch ohne Zustandekommen des beabsichtigten Geschäfts vorliegen muß, spricht auch die allgemeine Erwägung, daß der Ausschluß des Widerrufs des Maklerauftrages f ü r den Fall der Verletzung durch den Auftraggeber nach h. M. (vgl. Staudinger, § 652 BGB Anm. 18; RGR Komm., § 652 BGB Anm. 2c; RGZ 76, 361 u. a) mangels abweichender Vereinbarung nur einen Schadensersatzanspruch des Maklers bis zur Höhe der Provision begründet. k) Dieser Anspruch hat sodann zur Voraussetzung, daß der Makler seine Ansprüche dahin begründet, daß er innerhalb der unwiderruflichen Vertragszeit dem Auftraggeber Interessenten nachgewiesen hätte, die bereit gewesen wären, auf die vom Auftraggeber gestellten Verkaufsbedingungen einzugehen, und auch fähig gewesen wären, sie zu erfüllen. — Kammergericht, Urteil vom 5. März 1956 — 4 U 2298/55 — NJW 1956, 1758 — BlnGrundE 1956, 709 (n. L.) — GWW 1957, 26 (n. L,.) — VersR 1957, 41 (n. L.) —. Anmerkung: Vgl. Pfuhl: Provisionsanspruch des Immobilienmaklers: HuW 1957, 8; Ahr: Warum Reform des Maklerrechts ? in HuW 1957, 5. über Maklergebühren für Wohnungs- und Zimmermakler vgl. VO vom 8.10.1956 (GVB1 Westberlin 1956, 1068; BB 1956, 976).

150. Weitergabe des Auftrages durch den Makler a) Der Makler ist berechtigt, den ihm erteilten Auftrag weiterzugeben. Es ist in Maklerkreisen durchaus üblich, daß ein Makler einen ihm erteilten Auftrag einem anderen Makler weitergibt. Dies liegt nur im Interesse des Auftraggebers. b) Wenn es im Auftragsschein heißt, daß dieser Auftrag als Festauftrag — Alleinauftrag — gilt, so bedeutet das, daß sich der Auftraggeber verpflichtet, keinen anderen Makler mit der Vermittlung des gleichen Objektes zu beauftragen. Dagegen ist es irrig, diesen Vertragsinhalt so auszulegen, daß der beauftragte Makler keinen anderen Makler einschalten dürfte. — Landgericht Detmold, Urteil vom 18. Oktober 1955 — S 125/55 — AIZ 1956, 211 —. Anmerkung: Vgl. auch Schwarz: Neue aktuelle Entscheidungen aus dem Maklerrecht: B1GBW 1956, 362, 377 —.

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§ 652 BGB 151. Nachweis oder Vermittlung eines Mietvertrages durch mehrere Makler a) Wenn zwei Makler die gleiche Wohnung angeboten haben, kann jeder von ihnen den Maklerlohn f ü r die Vermittlung oder den Nachweis des Mietvertrages nur verlangen, wenn er beweist, daß seine Tätigkeit mitursächlich f ü r dessen Zustandekommen gewesen ist. b) Beim Einzelmakler ist regelmäßig Kausalzusammenhang schon dann anzunehmen, wenn der Nachweis der Gelegenheit und der Vertragsschluß feststehen (vgl. Soergel zu § 652 Anm. 6). c) Sind mehrere Makler beteiligt, so gilt dieser Erfahrungssatz nicht ohne weiteres, vielmehr muß aus den jeweiligen Umständen des konkreten Falles entnommen werden, ob jeder Makler auf die Entscheidung des Kunden Einfluß ausgeübt hat. — Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 20. Januar 1956 — I S 613/55 — ZMR 1957, 52 —.

§ 652 BGB 152. Anspruch auf Maklerlohn bei Unwirksamkeit des vermittelten Mietvertrags wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage a) Die Lehre von der Geschäftsgrundlage ist auf das Mietverhältnis nur mit Vorsicht anzuwenden. b) Es ist dabei gleichgültig, ob man im Anschluß an Larenz auf die subjektiven oder objektiven Voraussetzungen der Geschäftsgrundlage abhebt (vgl. den Überblick über den Stand der Meinungen bei Soergel zu § 242 Anm. D II 2). c) Unter der subjektiven Geschäftsgrundlage ist eine gemeinsame, bestimmte Vorstellung der Kontrahenten zu verstehen, von denen sich beide beim Abschluß des Vertrages haben leiten lassen. d) Die objektive Geschäftsgrundlage ist nicht vorhanden, wenn der beiderseitige Vertragszweck sich als — nicht nur zeitweilig — unerreichbar erweist. e) Die Wiederaufhebung des vermittelten Vertrages, die in der diesem von vornherein anhaftenden Unvollkommenheit ihren Grund hat, schließt regelmäßig den Anspruch auf Maklerlohn aus; dagegen ist die Aufhebung im gegenseitigen Einverständnis oder in Ausübung eines vertragsmäßigen Rücktrittsrechts ebenso ohne Einfluß, wie der Rücktritt wegen Verzuges oder zu vertretender Unmöglichkeit (Enneccerus-Lehmann § 150 II 1 b). — Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 20. Januar 1956 — I S 543/55 — ZMR 1957, 51 —.

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153. Vertragsstrafe bei Unterlassung einer Mitteilung an den Wohnungsmakler a) Die f ü r den Fall der Unterlassung der Mitteilung vom Vertragsabschluß ausbedungene Vertragsstrafe (Konventionalstrafe) hat ihren guten Sinn; denn der Makler will sich auf diese Weise dagegen schützen, daß er Wohnungen, die er benannt hat, in Unkenntnis der Vermietung weiterhin anbietet und sich dadurch Ungelegenheiten und Schäden zuzieht. — Amtsgericht Stuttgart, Urteil vom 14. Oktober 1955 — 6 C 9453/55 — AIZ 1956, 177 —.

b) Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Wohnungsmakler verstößt weder gegen die guten Sitten, noch ist sie wucherisch im Sinne des § 138 BGB. c) Die Zimmervermittler haben ein berechtigtes Interesse daran, vom Abschluß eines Vertrages über ein angebotenes Zimmer sofort unterrichtet zu werden, damit sie ihre Kartei entsprechend führen können. Es besteht sonst die Gefahr, daß ein bereits vermietetes Zimmer neuen Interessenten wieder angeboten wird und daß diese dann wegen unnötiger Laufereien und damit verbundenen Kosten Regreßansprüche stellen. — Amtsgericht Göttingen, Urteil vom 23. Mai 1956 — 2 C 208/56 — AIZ 1956, 178 —.

§ 652 BGB 154. Provisionsanspruch des Grundstücksmaklers gegenüber dem angesprochenen Interessenten a) Voraussetzung des Provisionsanspruches eines Grundstücksmaklers ist der Abschluß eines Maklervertrages. b) Ein Maklervertrag kann stillschweigend dadurch zustande kommen, daß der Makler bei Anknüpfung der Verhandlungen deutlich zu erkennen gibt, er wolle auch f ü r den von ihm angesprochenen Interessenten tätig werden und von ihm Provision beanspruchen, und wenn der Interessent, obwohl er den Willen des Maklers erkannte oder erkennen mußte, ein schlüssiges Verhalten bekundet, das dem Makler die Überzeugung aufdrängt, es sei der Wille zum Abschluß eines Maklervertrages vorhanden. c) In diesem Falle muß nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von der Annahme des Antrages des Maklers auf Abschluß eines Maklervertrages ausgegangen werden (Warneyer, Rechtsprechung des Reichsgerichtes 1910 Nr. 318; RG J W 1917, 101 und 1938, 456; Höchstrichterliche Rechtsprechung 1934 Nr. 795 und 1938 Nr. 280; Bundesgerichtshof, Urteil vom 6.5.1953 — II ZR 62/52).

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d) Macht der Makler einem Interessenten unaufgefordert ein Angebot, ohne auf eine etwaige Provisionspflicht hinzuweisen, so kann der Empfänger des Angebotes, soweit nicht besondere Umstände etwas Gegenteiliges ergeben, zunächst annehmen, daß eine Provision von ihm nicht verlangt werde (vgl. Dyckerhoff-Rinke, Das Recht des Immobilienmaklers, S. 16). e) Eine Beauftragung durch den Verkäufer schließt den Abschluß eines weiteren Maklervertrages mit dem Käufer nicht aus. f ) Ein Makler, der von einer Seite beauftragt ist, verstößt, soweit keine Interessenkollision vorliegt und soweit sich aus dem Maklervertrag im einzelnen nichts Gegenteiliges ergibt, nicht gegen den Inhalt seines Vertrages, wenn er sich von dem Vertragsgegner ebenfalls eine Maklergebühr zusagen läßt (Reichsgericht, JW 1938, 456; Höchstrichterliche Rechtsprechung 1934 Nr. 795). — BGH, Urt. v. 13. Juni 1957 — II ZR 46/56 — B B 1957, 979 — Betrieb 1957, 991 —.

§ 652 BGB 155. Vereinbarung eines Alleinauftrages a) Beim Maklervertrag erhält der Makler im Regelfalle nach § 652 BGB eine Provision nur für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Vertrages oder für die Vermittlung des Vertrages. b) Der Lohn des Maklers ist daher, unabhängig von seinen Aufwendungen und Bemühungen, von dem Erfolg seiner Tätigkeit abhängig. c) Diese gesetzliche Regelung hindert die Parteien jedoch nicht, im Einzelfalle nach dem das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatz der Vertragsfreiheit auch etwas anderes zu vereinbaren. d) Dem Makler ist durch die gesetzliche Regelung des § 652 BGB ein gewisses Risiko aufgebürdet. Er muß häufig erhebliche Aufwendungen machen, ohne bei der gesetzlichen Regelung die Gewähr zu haben, dafür einen Lohn zu bekommen. e) Er sichert sich deshalb für seine Bemühungen durch Vereinbarung eines „Alleinauftrages", damit er wenigstens für seinen Zeitaufwand, für Reisekosten, Spesen, Insertionskosten usw. eine Entschädigung erhält. f) Die Vereinbarung eines „Alleinauftrages" bedeutet daher nicht nur das Verbot an den Auftraggeber, noch andere Makler mit der Verkaufsvermittlung zu beauftragen, sondern auch die Verpflichtung, den Makler für seine Tätigkeit zu honorieren, wenn sie nicht ursächlich für den Vertragsabschluß geworden ist. — Amtsgericht Münster, Urteil vom 2. Dezember 1950 — 12 C 784/49 — AIZ 1956, 178 —.

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§ 652 BGB 156. Pflichten des Grundstücksmaklers beim Alleinauftrag a) An sich gehört es nicht zum Wesen des Maklervertrages, daß der Makler für den Erfolg seiner Tätigkeit einsteht oder sich auch nur zu einer Tätigkeit überhaupt oder in einer bestimmten Richtung verpflichtet (vgl. RGR Vorbem. vor § 652 BGB Anm. 1; RG JW1911, 758). b) Eine derartige — gegenseitige — Vertragsverpflichtung kann jedoch besonderen Abreden der Parteien oder auch nur den Modalitäten entnommen werden, unter denen der Auftrag erteilt wurde. c) Für eine solche Annahme spricht regelmäßig die Erteilung eines Fest- und Alleinauftrages. Sie garantiert dem Makler das Honorar auch für den Fall, daß der Auftraggeber durch eigene Bemühung oder durch Inanspruchnahme eines weiteren Maklers zu einem Abschluß kommt. d) Der Auftraggeber wird deshalb dem beauftragten Makler weitgehend die Ermittlung der Abschlußgelegenheit überlassen. e) Das wiederum bedingt nach dem — das Vertragsrecht beherrschenden — Grundsatz des § 242 BGB, daß sich der Makler nicht auf den Nachweis einer sich gerade bietenden Gelegenheit beschränkt, sondern sich nach Kräften bemüht, den nach der jeweiligen Marktlage günstigsten Preis zu erzielen. f) Derartige Maklerdienstverträge sind in der Rechtslehre allgemein anerkannt (vgl. die Ausf. bei Enneccerus-Lehmann, § 159 zu 1,1). Sie folgen den allgemeinen Regeln des Dienstverträges, fallen zugleich aber auch unter die Sondervorschriften des Maklervertrages (RG JW 1915,1351). g) Die aus ihnen folgende Verpflichtung, zu einem möglichst günstigen Abschluß mitzuwirken, begründet auch im Falle schuldhafter U n t e r l a s s u n g einen S c h a d e n e r s a t z a n s p r u c h , wie er beim einfachen Maklerauftrag nur wegen positiver Zuwiderhandlung wider die Maklerpflichten gegeben ist (vgl. Enneccerus-Lehmann, §1581,3). — Oberlandesgericht Hamm, Urteil v o m 23. Mai 1956 — 18 U 39/56 — MDR 1957, 36 — B1GBW 1956, 383 — AIZ 1956, 227 —.

§ 343 BGB 157. Verletzung des Alleinauftrages — Vertragsstrafe a) Die Vereinbarung, daß bei Verstoß gegen die Verpflichtung, durch andere Makler benannte oder sonstwie ohne Mitwirkung des Vertragspartners bekannt gewordene Interessenten an den Vertragspartner zu verweisen, die volle Gebühr zu bezahlen ist, wie

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wenn der Vertragspartner den Grundstückshandel vermittelt hätte, hat den Charakter einer Vertragsstrafe. b) Die Vertragsstrafe kann, falls sie unverhältnismäßig hoch ist, gerichtlieh auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden (§ 343 BGB). — Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 5. Mai 1955 — 5 U 4/55 — AIZ 1956, 212 —.

§ 652 BGB 158. Selbstabschluß des Vertrages durch den Makler a) Gemäß § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Vertragspartner zur Entrichtung des f ü r die Vertragsvermittlung versprochenen Maklerlohnes nur dann verpflichtet, wenn der Vertrag infolge der Vermittlung des Maklers zustande kommt. b) Der Vermittler ist eine Mittelsperson, die mit beiden Teilen verhandelt, die in eine Beziehung zum anderen Teile tritt und auf diesen in Richtung auf einen Vertragsschluß einwirkt (vgl. RG J W 1916,738; RGR-Komm., 7. A., § 652 BGB Anm. 2a). An einem Einwirken in diesem Sinne fehlt es, wenn der Makler selbst Vertragspartner ist. c) Bei Selbstabschluß steht dem Makler ein Anspruch auf Maklerlohn nicht zu. d) Schließt der beauftragte Makler das in Aussicht genommene Geschäft selber mit dem Auftraggeber ab, so ist das nicht die Erfüllung eines Maklervertrages, der voraussetzt, daß auf Grund der Maklertätigkeit ein Vertrag zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten zustande kommt. Ein Maklerlohn ist dann nicht begründet. e) Der Inhaber einer Maklerfirma kann daher f ü r die Vermittlung eines Mietvertrages über eine Wohnung keinen Maklerlohn verlangen, wenn der Firmeninhaber zusammen mit seinem Angestellten Eigentümer des Mietanwesens (je zur Hälfte) ist und diese Identität dem Vertragspartner bei Abschluß des Maklervertrages und des Mietvertrages nicht bekannt ist. —• Landgericht München, I, Urteil vom 6. Juni 1956 — 13 S 29/56 — MDR 1957, 36 —.

159. Alleinauftrag — Treuepilicht des Auftraggebers a) Maklersmüh ist nach dem gesetzlichen Bild der § 652 ff. BGB oft umsonst; daß der Makler sich hiergegen durch Vertragsklauseln schützt, namentlich bei großen Objekten, entspricht durchaus den Gepflogenheiten. b) E s ist nicht ersichtlich, daß diese Klausel gemäß § 138 BGB als sittenwidrig nichtig ist; denn es erscheint durchaus vertretbar, 7 Glaser, B a u r e c h t - E n t s c h .

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einen Auftraggeber zu verpflichten, alles, was mit dem Verkauf seiner Liegenschaften zusammenhängt, durch die Tätigkeit seines bestellten Maklers abwickeln zu lassen und ihm über alle Vorgänge insoweit Anzeige zu machen. — Amtsgericht Oberkirch, Urteil vom 25. Mai 1955 — C 76/55 — AIZ 1957, 45 —. Anmerkung: Vgl. Schwarz: Die Treupflicht des Auftraggebers im Immobiliengeschäftsverkehr: HuW 1957, 7.

160. Maklerlohn — Erfolgslohn — Höhe der Maklergebühr a) Die Zuführung eines Käufers bedeutet auch ohne ausführlichen Verkaufsauftrag Abschluß eines stillschweigend vereinbarten Maklervertrages. b) Für die Provisionspflicht kommt es nicht auf den Umfang der Tätigkeit des Maklers an; es genügt, wenn es infolge seiner Betätigung zum Abschluß kommt. c) Daß der Makler f ü r beide Seiten tätig wird, widerläuft nicht dem Inhalt des ihm von beiden Seiten erteilten Auftrags. Deshalb ist er auch nicht gehindert, von beiden Seiten eine Provision zu verlangen. d) Für die Vermittlung von Hauskäufen oder -Verkäufen sind 3 Prozent Provision angemessen. e) E s kann keine Rede davon sein, daß der Makler, wenn er von beiden Vertragsparteien eine Provision verlangen will, von jeder Partei nur die Hälfte fordern dürfte. f ) 6 % Provision sind keine unverhältnismäßig hohe, wucherische und deshalb nach § 138 BGB nichtige Gebührenvereinbarung. — OLG Hamm, Urteil vom 11. April 1956 — 18 U 37/56 — AIZ 1957, 109 —. Anmerkung: Vgl. Schwarz: Maklerlohn ist Erfolgslohn: B1GBW 1957, 246.

§ 652 BGB 161. Höhe der Maklerprovision Die Provision f ü r den nicht hauptberuflich tätigen Makler ist niedriger als die ortsübliche Maklerprovision. — LG Hagen, Urteil vom 10. Juni 1955 — 2 O 315/54 — AIZ 1957, 64 —.

162. Maklergebühr für die Vermittlung einer Wohnung Die ortsübliche Vermittlungsgebühr f ü r den Abschluß eines Mietvertrages beträgt 3 % der gesamten Bruttomiete. — Der Auftraggeber hat die Beweislast dafür, daß eine geringere Gebühr, etwa in Höhe der Monatsmiete oder mehrerer Monatsmieten, vereinbart ist. — LG Wiesbaden, Urteil vom 4. Dezember 1956 — I S 595/56 — AIZ 1957, 64 —.

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163. Angemessenheit des Maklerlohnes a) Der Makler handelt im Zweifel nicht umsonst. b) E s kommt für die Zahlung des Maklerlohnes allein auf den Erfolg, d.h. die Durchfühiung der Vermittlung an, nicht darauf, wieviel Mühe im einzelnen Fall der Makler aufwendet, und ob er schon auf Vorrat seine Geschäftsbeziehungen eingesetzt hat, um im Bedarfsfalle sofort Objekte benennen zu können. c) Die Angemessenheit des vom Makler geforderten Lohnes hängt allein davon ab, ob er dem üblichen Lohn entspricht. d) Die Gebührensätze, welche die im Landesverband NordrheinWestfalen des RDM zusammengeschlossenen Makler aufgestellt haben, sind gerichtsanerkannt. — LG Essen, Urteil vom 12. Dezember 1956 — I S 369/56 — AIZ 1957, 110

—.

Anmerkung : Vgl. auch Gutachten des Ringes Deutscher Makler: AIZ 1957, 95.

§ 653 Abs. 2 BGB 164. Vermittlungsgebühren Der Hinweis des Maklers auf die ortsüblichen Vermittlungsgebühren in seinem Antwortschreiben ist zulässig und begründet einen Anspruch auf Zahlung einer Maklergebühr, deren Höhe sich nach § 653 Abs. 2 BGB richtet, wenn sie nicht durch Vereinbarung bestimmt ist. — Landgericht Konstanz, Urteil vom 2. November 1956 — I S 20/56 — AIZ 1957, 79 —.

165. Berechnungsgrundlage für die Maklerprovision Die Provisionsforderung des Maklers ist nach dem Kaufpreis zuzüglich dem vom Käufer übernommenen Lastenausgleich zu berechnen. Für die Höhe der vom Käufer geschuldeten Provision sind alle Hauptund Nebenverpflichtungen des Käufers maßgebend. — Landgericht Stade, Urteil vom 1. Oktober 1952 — 2 S 104/52 — AIZ 1956, 228 —.

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vn. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten Nr. 166—174 § 20 Heimstättengesetz; § 180 ZVG 166. Teilungsversteigerung einer Volksheimstätte a) Die Heimstätte ist zweckgebundenes Eigentum. Sie soll dem Heimstätter und seiner Familie ein bleibendes Heim bzw. eine Existenzgrundlage (Wirtschaftsheimstätte) bieten und erhalten (vgl. Wormit-Ehrenforth, Heimstättenrecht, 1950, S. 56). b) Hierbei ist der Vollstreckungsschutz des § 20 Abs. 1 RHeimstättenG —• der eine Zwangsvollstreckung wegen einer nicht dinglich gesicherten Schuld nur im Rahmen der Abs. 2 und 3 gestattet — eine tragende Bestimmung des Heimstättenrechts zur Erhaltung des Heimes für den Siedler und seine Familie. In diesen Fällen ist eine Zwangsvollstreckung schlechthin verboten und dieser Ausschluß der Vollstreckbarkeit bewußt im Interesse des Siedlungsgedankens mit in Kauf genommen worden. c) E s geht nicht an, ein derartig eindeutiges Verbot durch Umgehungen zu ändern und schließlich auszuhöhlen. d) Das Verbot gilt für jede Heimstätte, und zwar ohne Rücksicht auf deren Rechtsform hinsichtlich des Eigentums des Heimstätters. e) Nach dem Heimstättenrecht ist es möglich, daß sich eine Heimstätte im Eigentum mehrerer Personen befindet, da dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist und auch mit dem Sinn des Gesetzes nicht im Widerspruch steht (vgl. auch Wormit-Ehrenforth, S. 59). Aus der Begriffsbestimmung der Heimstätte ergibt sich lediglich, daß eine Heimstätte an eine juristische Person nicht endgültig ausgegeben werden kann (vgl. Wormit-Ehrenforth, S. 73).

— Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 10. November 1956 — 2 W 119/56 — N J W 1957, 834 —.

§ 20 Heimstättengesetz; §§ 180, 181 ZVG; §§ 859, 857 ZPO. 167. Zwangsversteigerung einer Heimstätte zwecks Erbauseinandersetzung a) Die Zwangsversteigerung einer Reichsheimstätte zum Zwecke der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist gesetzlich nicht verboten.

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b) § 35 der reichsrechtlichen AusfVO vom 19.7.1940 (RGBl. I 1027) läßt die Veräußerung einer Heimstätte ausdrücklich gerade zum Zwecke der Erbauseinandersetzung zu. Hierunter fällt sowohl eine freiwillige Veräußerung als auch eine Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung (Wormit-Ehrenfurth, Komm, zum RHeimstG 1950, § 24 Anm. 4b). c) Daß auch der Pfandgläubiger des Erbauseinandersetzungsanspruchs auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Teilungsversteigerung des Grundstücks betreiben kann, ergibt sich aus den allgemeinen Bestimmungen der §§ 859 Abs. 2, 857 ZPO in Verbindung mit §§ 180, 181 ZVG. Ein positiv rechtliches Verbot der Teilungsversteigerung f ü r Reichsheimstätten besteht danach nicht mehr (ebenso LG Frankental: NJW 1955, 190). — Landgericht Köln, Beschluß vom 9. April 1956 — 12 T 84/56 — JMB1 (NRW) 1956, 176 — DNotZ 1956, 487 —. Anmerkung: Ebenso LG Bremen: NJW 1955, 1642 — Nr. 345/1957 ds. Sg.

VO zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 9.12.1919 168- Wohnungsbaudarlehen und Kleinsiedlung a) Bei der Enteignung von Land f ü r Kleinsiedlungen nach § 11, Vierter Teil Kapitel II der 3. NotVO waltet hinsichtlich der Fragen, ob ein Kleinsiedlungsvorhaben geplant ist, ob das in Aussicht genommene Gelände geeignet ist und ob anderweitig in Anspruch zu nehmendes Land zur Verfügung steht, kein behördliches Ermessen ob. b) Ob ein ernsthaftes Kleinsiedlungsvorhaben geplant ist, ist allein aus den vorliegenden und in absehbarer Zeit realisierbaren Siedlungswünschen zu ermitteln. c) Die Eignung des Geländes, die an den Anforderungen des geplanten Siedlungsvorhabens zu messen ist, ergibt sich aus der Beschaffenheit der in Betracht kommenden Grundstücke und ihrer örtlichen Lage. d) Der f ü r diese Grundstücke zu zahlende Preis richtet sich nach dem üblichen Verkehrswert. Seine Angemessenheit ist aus der Berechnung der Wirtschaftlichkeit des Siedlungsvorhabens, f ü r welches das Land Verwendung finden soll, zu ersehen. Ob solches Land anderweitig zur Verfügung steht, ist nach dem vorhandenen Landangebot oder der objektiv feststellbaren Möglichkeit freihändigen Landerwerbs zu entscheiden. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 1956 — I C 193/54 — DVB1 1S56, 831 — BBauBl 1956, 533 — GWW 1957, 61 (n. L.) —.

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VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten

169. Wohnungsbaudarlehen und Kleinsiedung a) Die Kleinsiedlung ist zwar auch eine Wohnungsform. Sie dient aber in erster Linie besonderen siedlungs- und sozialpolitischen Zwecken. b) Die Bewilligung eines öffentlichen Darlehens, das im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbauförderung gewährt wird, die allein auf die Förderung des Wohnungsbaues als solchen abgestellt ist, enthält daher nicht ohne weiteres auch die Erklärung, daß der geförderte Bau den besonderen Zwecken der Kleinsiedlung im Sinne der Kleinsiedlungsbestimmungen diene. — Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 21. Juni 1956 — I B 7/56 — HuW 1956, 360 —.

§§ 313, 125 BGB 170. Grundstücksveräußerungsvertrag über eine Kleinsiedlung — Formmangel a) Auch bei Kleinsiedlungen bedarf der Grundstücksveräußerungsvertrag gemäß § 313 BGB der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. b) Im Verhältnis zwischen Siedlungsträger und Siedler kann der Träger an einen an sieh wegen Mangels der Form des § 313 BGB nichtigen Siedlungsvertrag nach Treu und Glauben gebunden und zur Vertragserfüllung verpflichtet sein. — BGH, Urteil vom 18. Februar 1955 — V ZR 108/53 — GWW 1957, 223 — (n. L.) — BGHZ 16, 335 —.

§ 20/11. WohnBauG — Gesetz über die Gebührenbefreiungen im Wohnungsbau 171. Gebührenbefreiung für Kleinsiedlungen Die Gebührenbefreiungsvorschriften f ü r Kleinsiedlungen nach § 20 Vierter Teil Kapitel II der VO vom 6. Oktober 1951 sind auch nach dem Erlaß des Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau vom 30. Mai 1953 (BGBl. I, 273) gültig geblieben. — Oberlandesgericht Frankfurt/M., Beschluß vom 14. November 1956 — 6 W 488/56 — BBauBl 1957, 121 — GWW 1956, 578 —. Anmerkung: Ebenso LG Karlsruhe, Beschluß vom 16. August 1956 — 7 T 7/56 — BBauBl 1957,121 (n. L.) — DRpfl 1956, 287 — GWW 1957, 91; OLG Hamm, Beschluß vom 14. Dezember 1956 — 14 W 158/56 — GWW 1957, 91 — OLG Braunschweig, Beschluß vom 19. Oktober 1956 — 1 W 1912/56 — GWW 1957, 91; anderer Ansicht OLG Köln: DRpfl 1955, 352 — BBauBl 1956, 120.

VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten

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Art. 2, 14 GG; VO über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften vom 15. Dezember 1944 (BGBl. 19441 347) — KSchVO 172. Verwaltungsklage des Verpächters gegen die Versagung der Genehmigung zur Kündigung eines Kleingartens a) Der Verpächter eines Kleingartens kann den Verwaltungsrechtsweg besehreiten, wenn die Verwaltungsbehörde ihm die Genehmigung zur Kündigung auf Grund von § 1 KSchVO versagt. b) Dem Verpächter kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden, wenn er sich an das Verwaltungsgericht wendet, um die ihm versagte Genehmigung zu erstreiten. Denn er bedarf ihrer, damit seine Klage vor dem ordentl. Gericht zum Erfolg führen kann, auf die er gegebenenfalls angewiesen ist, um die Räumung des Pachtgrundstücks zu erzwingen. c) Das bürgerliche Gericht hat zwar in eigener Zuständigkeit zu prüfen und zu entscheiden, ob einer der Kündigungsgründe vorliegt, die in § 1 II KSchVO aufgeführt sind. Aber außer denjenigen Tatbestandsmerkmalen, die hiernach erfüllt und bewiesen sein müssen, hat der Kl. auch die Genehmigung der Verwaltungsbehörde beizubringen, die nach § 1 III KSchVO überdies vorgeschrieben ist. d) Wenn er dazu außerstande ist, wird das ordentliche Gericht seine Klage schon aus diesem Grunde abweisen. e) Der Verpächter ist also genötigt, zuvor die Versagung der Genehmigung aus der Welt zu schaffen. Wenn seine Beschwerde oder sein Einspruch fehlgeschlagen ist, ist der alleinige Weg, auf dem er dieses Ziel erreichen kann, die Anrufung der Verwaltungsgerichte. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. März 1957 — V C 148/55 — MDR 1957, 506 —. Anmerkung: Ebenso BVerwGE 2, 212, 353; Simon: DVB1 1956, 355; HessVGH: RdL 1952, 325; 1956, 310 —.

§ 13 GVG; Art. 20, 28 GG; VO über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften vom 15. Dezember 1944 (BGBl. I, 347) — KSchVO — 173. Verwaltungsklage des Kleingartenpächters gegen die Erteilung der Genehmigung zur Kündigung a) Dem Pächter eines Kleingartens steht der Verwaltungsrechtsweg offen, wenn die Verwaltungsbehörde die in § 1 Absatz 1, 2 und 3 KSchVO vorgesehene Genehmigung zur Kündigung des Pachtvertrages über kleingärtnerisch genutztes Land dem Verpächter erteilt hat. Für seine Klage ist aber kein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden. b) Die KSchVO bestimmt in § 1 1 und II, daß der Verpächter nur unter den dort aufgezählten eng begrenzten Voraussetzungen dem

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VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten

Pächter kündigen darf. Wenn es in Abs. 3 ebenda heißt, daß die Kündigung überdies der Genehmigung der Verwaltungsbehörde bedarf, dann kommt die Auslegung nicht darüber hinweg, daß die Verwaltungsbehörde jedenfalls vor allen anderen Erwägungen sich die Frage vorlegen muß, ob eine bei ihr beantragte Genehmigung nicht schon deshalb zu versagen ist, weil der Verpächter keinen gesetzlichen Grund dafür ins Feld f ü h r t . c) Die Verwaltungsgerichte haben über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes — hier: der Genehmigung — zu entscheiden, die ordentlichen Gerichte dagegen über die Wirksamkeit der Kündigung. Die Entscheidungen haben also einen unterschiedlichen Streitgegenstand. d) Da § 1 III KSchVO f ü r die Genehmigung der Verwaltungsbehörde und ihre Versagung keinerlei eigene Maßstäbe aufstellt, vielmehr auf „die Kündigung" verweist, wie sie in den beiden vorangegangenen Absätzen eingehend geordnet ist, trifft die Verwaltungsbehörde die alleinige Pflicht, den bei ihr eingereichten Antrag auf Genehmigung unter den Gesichtspunkten zu prüfen, die sich aus § 1 II und III Satz 2 KSchVO ergeben. Darauf hat sich ihre Prüfung zu beschränken. e) Eine gesetzliche Regelung, die der Verwaltung ein Handeln nach ihrem freien Ermessen selbst dann gestattet, wenn alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen f ü r ein solches Handeln erfüllt sind, müßte den dahin gerichteten Willen eindeutig zum Ausdruck bringen. Andernfalls spricht eine Vermutung dafür, daß die Behörde in solchem Falle gebunden ist. f ) Dieser Grundsatz kommt bald dem Verpächter, bald dem Pächter zugute. Jener ist nach dem Gesetz darauf angewiesen, daß die Verwaltungsbehörde seine Kündigung genehmigt; dieser erhält einen zusätzlichen Schutz dadurch, daß die Verwaltungsbehörde einer ungesetzlichen Kündigung schon ihrerseits die Zustimmung versagt. g) Wenn der Verpächter sich auf einen der in § 1 II KSchVO aufgeführten Kündigungsgründe berufen kann, dann hat die Verwaltungsbehörde die Genehmigung zu erteilen. Wenn das dagegen nicht der Fall ist, dann hat die Verwaltungsbehörde die Genehmigung zu versagen. Es steht also ein gesetzlich gebundener Verwaltungsakt zur Rede. h) Die behördliche Genehmigung zur Kündigung hindert den Pächter nicht daran, vor dem ordentl. Gericht zu bestreiten, daß einer der in § 1 II KSchVO aufgeführten Kündigungsgründe vorgelegen habe. Das Zivilgericht hat dann darüber zu entscheiden, wobei es — am wenigsten in den Fällen des § I II d) und e) KSchVO — zwar nicht bedenkenlos über die vorgängige Entscheidung

VII. Heimstätte — Kleinsiedlung — Kleingarten

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der Verwaltungsbehörde zugunsten des Verpächters sich hinwegsetzen wird. Indessen wird dem bürgerlichen Gericht dadurch die eigene Entscheidung nicht abgenommen. Sie bleibt ihm zu selbständiger Prüfung überlassen. i) Es wäre daher Leerlauf, wenn der Pächter das Recht oder gar die Pflicht hätte, gegen die erteilte Genehmigung den Schutz der Verwaltungsgerichte in Anspruch zu nehmen. Der Rechtsschutz für ihn wird durch das bürgerliche Gericht ebenfalls und mit gleicher Wirkung gewährleistet. Die Genehmigung ist ohnehin nicht der Vollstreckung fähig. Der Verpächter kann vielmehr den Zivilrechtweg nicht einsparen, wenn der Pächter auf die genehmigte Kündigung hin nicht freiwillig das Pachtgrundstück räumt. Denn andernfalls fehlt es jenem an einem Vollstreckungstitel. k) Dem Pächter ist daher das Rechtsschutzbedürfnis für eine verwaltungsgerichtliche Klage abzusprechen, mit der er sich gegen die Erteilung der Genehmigung zur Kündigung wendet. — Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. März 1957 — V C 222/55 — MDR 1957, 504 —. Anmerkung: Vgl. BayVGH, Urteil vom 26.7.1952: BayVGHE n. F. S. 186; OVG H a m burg, Urteil vom 7.3.1951: MDR 1951, 505; OVG Hamburg, Urteil vom 30.6.1955: DVB1 1955, 714; OVG Münster, Urteil vom 16. Oktober 1952: Amtl. Sammig. Bd. 8, 1; OVG Münster, Urteil vom 30. Oktober 1952 und vom 2. März 1955; ZMR 1955, 347; Württ.Bad. VGH Senat Karlsruhe, Urteil vom 15.9.1949; DVB1 1949, 660; VG Bremen, Urteil vom 31.1.1950; A 252/49; vgl. auch Jellinek in der Festschrift zum 75. Geburtstag von R . T h o m a , 1950, S. 93 (104 bis 106); vgl. auch Urteil des BVerwG vom 7. Mai 1954, BVerwGE 1, 134 = MDR 1954, 760. In seinem Urteil vom 13. März 1957 — V C 198/55 — MDR 1957, 506 — hat das BVerwG ausgesprochen, daß es auch f ü r die B e r u f u n g des Kleingartenpächters gegen das Urteil des VerwG, durch das dem Verpächter die Genehmigung zur Kündigung zugesprochen worden ist, an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle.

§ 1 KleingartenkündigungsschutzVO 174. Grabeland — Kündigungsschutz Die KleingartenkündigungsschutzVO vom 15. Dezember 1944 findet auf Grabeland Anwendung. — Landgericht Detmold, Urteil vom 4. Dezember 1956 — S 210/56 — MDR 1957, 168 —. Anmerkung: Ebenso LG Aachen: MDR 1954, 550; LG Berlin: N J W 1954, 115; anderer Ansicht OLG H a m m : JMB1 N R W 1953, 176; LG Oldenburg: MDR 1955, 420 — Nr. 213/1957 ds. Sg. Zum geltenden Kleingartenrecht vgl. Wiethaup: Blätter 1657, 81.

VIII.

Verkehrssicherungspflicht a) des Hauseigentümers b) der Gemeinde c) des Bauunternehmers Nr. 175—227 § 823 BGB 175. Versicherungspflicht des Grundstückseigentümers — Schutz des Straßenverkehrs a) Die Verpflichtung des Eigentümers eines an einer öffentlichen Straße liegenden Grundstückes geht ausschließlich dahin, schädliche Einwirkungen, die von seinem Grundstück ausgehen und die Teilnehmer des Verkehrs auf der an dem Grundstück vorbeiführenden Straße gefährden, zu vermeiden. b) E r hat deshalb u. a. dafür Sorge zu tragen, daß Straßenpassanten nicht dadurch verletzt werden, daß von seinem Hausgrundstück Mauerteile, Dachziegel o. a. sich lösen und herabfallen, oder daß Zweige seiner Bäume oder Markisen o. ä. in die Straße hineinragen (vgl. RGRKomm. 10. Aufl. Anm. 6d zu § 823; E r m a n , Handkomm. zum BGB Anm. 9e zu § 823). c) E r ist aber nicht gehalten, Gefahren zu begegnen, die sich aus einem Höhenunterschied zwischen der Straße und seinem Grundstück ergeben. Die Pflicht, diese Gefahren abzuwenden, trifft diejenige Stelle, der die Verkehrssicherungspflicht f ü r die Straße obliegt. d) Für die Anbringung eines Schutzgitters an einer längs eines Wasserlaufs führenden Straße hat nicht die f ü r die Unterhaltung des Wasserlaufs verantwortliche, sondern diejenige Stelle zu sorgen, die hinsichtlich der Straße verkehrssicherungspflichtig ist. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. 4.1957 — III ZR 246/55 — N J W 1957, 1065 — VersR 1957, 380 —.

§ 823 BGB 176. Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers — Privatweg a) Es ist anerkannten Rechts, daß ein Grundstückseigentümer, der einen Weg oder Platz dem öffentlichen Verkehr übergibt, f ü r den verkehrssicheren Zustand desselben zu sorgen hat, und zwar auch dann, wenn nur ein beschränkter Verkehr eröffnet wird.

VIII. Verkehrssicherungspflicht

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b) Desgleichen besteht eine allgemeine Verkehrspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen. Sie beruht darauf, daß jeder, der Gefahrenquellen schafft, wie z. B. auch durch Eröffnung des Verkehrs auf seinem Grundstück, auch die zur Abwendung der hieraus Dritten drohenden Gefahren notwendigen Vorrichtungen zu treffen hat. c) Jedoch dürfen die Anforderungen dazu nicht überspannt werden. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles, auf die Lage und Verkehrsdichte, die Beschaffenheit der örtlichkeit usw. an. d) Sehr wesentlich ist dabei auch, zu welchem Zweck und in welchem Umfange ein Verkehr auf einem Privatgrundstück zugelassen wird. — Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 9. Mai 1956 — 2 U 177/55 — VersR 1957, 437 —.

§§ 254, 823 BGB 177. Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers — Mitverschulden des Verletzten a) Auch die Eröffnung eines nur beschränkten Verkehrs legt dem Grundstückseigentümer oder dem Verfügungsberechtigten in dem Umfange, in dem das Grundstück dem Verkehr bestimmt wurde, eine Verkehrssicherungspflicht auf. b) Denjenigen, der bei Dunkelheit ein Gelände betritt, dessen Eigenart ihm bekannt ist und dessen Gefährlichkeit er hätte kennen müssen, trifft das überwiegende Verschulden. E r muß bei einem solchen Gelände eine helle Taschenlampe mitnehmen und sich nur ganz vorsichtig bewegen. — Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 4. Januar 1956 — 9 U 29/54 — VersR 1956, 579 —.

§§ 536, 823, 254 BGB 178. Verkehrssicherungspflicht des Vermieters — Wäschetrockenplatz a) Der Vermieter einer Wohnung mit Wäschetrockenplatz ist auch ohne ausdrückliche Aufforderung des Mieters, der diesen Wäschetrockenplatz benutzen will, verpflichtet, ein gefahrloses Betreten des Platzes zu gewährleisten, insbesondere eine zur Sicherung des Platzes gegen unbefugtes Betreten angebrachte Sperrleine rechtzeitig zu entfernen. b) Benutzt ein Mieter in Kenntnis der bestehenden Gefahr durch wiederholtes Übersteigen der angebrachten Sperrleine den Trockenplatz und erleidet er hierdurch einen Schaden, so trifft ihn ein überwiegendes Mitverschulden. —• Oberlandesgericht Kiel, Urteil vom 2. Dezember 1955 — 5 U 104/55 — SchlHA 1956, 79 —.

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VIII. Verkehrssicherungspflicht

179. Überprüfung der Betriebssicherheit eines Fahrstuhles a) An die laufende Überprüfung der Sicherheit einer Fahrstuhlanlage sind strenge Anforderungen zu stellen, besonders dann, wenn die Anlage alt und abgenutzt ist. b) Eine tägliche Kontrolle durch den Hausmeister genügt nicht, weil ein Hausmeister nicht die erforderlichen technischen Fachkenntnisse besitzt.

— Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. November 1956 — VI ZR 241/55 — B B 1957, 166 — ZMR 1957, 196 —.

§ 823 BGB 180. Glastüren in modernen Ladengeschäften a) Glastüren haben in der Zeit nach dem Kriege in steigendem Maße Verwendung gefunden, und zwar nicht nur in Ladengeschäften, sondern auch in Fabrikgebäuden und in Privathäusern. b) Solche Türen sind schon so weit verbreitet, daß das Publikum, insbesondere das Großstadtpublikum, in ihnen nichts ungewöhnliches mehr sieht und mit ihnen umzugehen versteht. Die Bewohner moderner Städte sind an die neuzeitliche Verwendung von Glastüren schon seit Jahren gewöhnt. c) Türen dieser Art finden sich im modernen Stadtbild schon in so auffallend hoher Zahl, daß mit einer Sinnestäuschung ihrer Benutzer infolge ihrer Durchsichtigkeit nicht mehr gerecht zu werden braucht. d) E s gibt keinen Erfahrungssatz dahin, daß Kunden eines im Brennpunkt des Verkehrs gelegenen Tabakwarengeschäfts so gedankenlos handeln, daß sie nicht prüfen, ob eine Ladentür, mit der sie rechnen müssen, geöffnet oder geschlossen ist. — Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18. Oktober 1955 — 3 U 200/ 55 — VersR 1956, 425 —.

§§ 823, 254 BGB 181. Sicherungspflicht des Hauseigentümers gegen Dachlawinen a) Eine Verpflichtung, Maßnahmen zur Verhinderung von Dachlawinen zu treffen, ist nicht unabhängig von den jeweils gegebenen Verhältnissen. b) Der Umstand, daß die Verkehrssicherungspflicht die Hauseigentümer zu Vorbeugungs- oder Warnmaßnahmen verpflichtet, befreit die Fußgänger nicht von der Verpflichtung zu entsprechender Sorgfalt (vgl. RG DR 1942, 50). c) In einem schneereichen Ort wird es nicht immer möglich sein, nach etwa plötzlich auftretenden Witterungsänderungen der Lawinengefahr so rechtzeitig zu begegnen, daß Fußgänger sich ohne Rücksicht auf sie auf der Straße bewegen können.

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d) Es ist daher Pflicht der Fußgänger, sich selbst vor möglichen Gefahren zu schützen. e) Sie gebietet, wenn ein Begehen der Fahrbahn nicht möglich oder unzumutbar ist, hart an der Hauswand zu gehen, da erfahrungsgemäß der Schnee der Lawine infolge der Neigung und des Überhanges des Daches nicht unmittelbar am Fuße des Hauses niedergeht. —• Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 18. August 1955 — 5 U 181/54 — VersR 1956, 542 —.

§§ 836, 823 BGB 182. Haftung des Hauseigentümers für herabfallende Dachziegel a) Die dem Vermieter nach § 536 BGB obliegende Sorgfalts- und Unterhaltungspflicht hat sich nicht nur auf die Mietsache selbst zu erstrecken, sondern auch auf Nebenräume wie Hausflure, Keller, Boden, Hauseingänge und Hofräume (s. Palandt Anm. 4 zu § 536 BGB). b) Gemäß § 836 Abs. 1 S. 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. c) § 836 BGB ist Spezialvorschrift gegenüber § 823 BGB. — Amtsgericht Hannover, Urteil vom 22. August 1955 — 2 C 482/55 — VersR 1957, 187 —.

183. Verkehrssicherungspflicht des Hauseigentümers für den Bürgersteig vor seinem Hause a) Die Wegeunterhaltungspflicht des Fußsteiges obliegt der Gemeinde. b) Daneben kann eine Haftung des Eigentümers des anliegenden Grundstückes aber dann bestehen, wenn die besondere Gefährlichkeit eines Weges oder einer Straße gerade von seinem Grundstück ausgeht. — Oberlandesgericht Celle, Beschluß vom 24. Mai 1955 — 9 W 70/55 — VersR 1957, 183 —. Anmerkung: Vgl. auch OLG Celle: VersR 1954, 416.

184. Straßenreinigungspflicht des Hauseigentümers und Verkehrsunfall Eine Hauseigentümerin, die den aus Blaubasaltsteinen bestehenden Fahrdamm auf Grund polizeilicher Anordnung mit klarem Wasser reinigt, macht sich keiner fahrlässigen Körperverletzung schuldig, wenn ein Motorradfahrer infolge der Schlüpfrigkeit des nassen Fahrdamms vor ihrem Hause zu Fall kommt. — Amtsgericht Königswinter, Urteil vom 9. Oktober 1956 — 2 Cs 268/56 — Glaser Nr. 306/IX/1957 —.

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§§ 366 Nr. 10 StGB; §§ 41, 45 StVG 185. Gefährdung des Straßenverkehrs durch Reklametafeln vor einem Ladengeschäft a) Für die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den öffentlichen Straßen — darunter fallen auch die Gehwege — gelten gemäß § 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausschließlich nur noch die Bestimmungen der StVO und der anderen im § 45 StVO aufgeführten Rechtsvorschriften. b) Diese Rechtsvorschriften regeln nicht nur das Verhältnis der Verkehrsteilnehmer untereinander, sondern auch, wie sich insbesondere aus den Bestimmungen der § § 5 Abs. 3, 41, 42 StVO ergibt, das Einwirken dritter, nicht am Verkehr beteiligter Personen auf den Verkehr. Es fällt darunter also auch das Aufstellen von Gegenständen auf dem Bürgersteig durch nicht am Verkehr Beteiligte. c) Das Aufstellen von Reklametafeln mit Kisten vor einem Ladengeschäft ist nur dann strafbar, wenn hierdurch entweder die Straße verschmutzt oder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder gefährdet wird. — Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 3. Februar 1956 — 3 Ss 1359/55 — HGBR Rspr. Nr. 54 — Westdeutscher Türmer 1956, 155 —.

§ 823 BGB 186. Grenzen der Sorgfaltspflicht des Eigentümers eines Bauernhofes a) Ländliche Gehöfte bieten bekanntermaßen besonders bei Dunkelheit und wenn man die Örtlichkeit nicht genau kennt, viele Möglichkeiten, sich an Drähten, Splittern oder Nägeln zu reißen. b) Die Haftung aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht setzt aber voraus, daß auf dem Grundstück, auf dem sich jemand verletzt hat, f ü r einen mehr oder minder beschränkten Kreis ein Verkehr eröffnet worden ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.12.1913 in Bad. Rechtspraxis 1914 S. 67). c) An dieser Verkehrseröffnung fehlt es, wenn und solange das Hoftor abgeschlossen ist. d) Bei den Zäunen, Holz- und Eisentüren, Hoftoren ländlicher Gehöfte kommt es häufig vor, daß Holz- oder Eisensplitter und Nägel eine Gefahrenquelle darstellen. Mit solchen Gefahren muß aber in gewissem Umfang gerechnet werden, wenn man ein Bauerngehöft betritt; der Besucher muß sich darauf einstellen, indem er sich •— vor allem in der Dunkelheit — mit entsprechender Vorsicht bewegt. e) Böhmer f ü h r t in seinem Aufsatz zur Haftung des Hauseigentümers f ü r Verkehrssicherheit in Versicherungsrecht 54, 431 a u s : „Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bedeutet f ü r den Hauseigentümer, daß er im Rahmen des Erforderlichen, Üblichen,

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Zumutbaren dafür zu sorgen hat, daß im Hause verkehrende Dritte nicht durch den Zustand und die Einrichtung seines Hauses geschädigt werden. Er hat sein Haus so erstellen zu lassen und in einem Zustand zu erhalten, daß von ihm keine besondere, im Verkehr ungewöhnliche, für Dritte erkennbare oder nicht in Rechnung zu nehmende Gefahr ausgeht. Es darf also keine Gefahrenquelle vorhanden sein, die „atypisch", daher nicht offenkundig ist (OLG Düsseldorf in Versicherungsrecht 1953, 70)." f) Wenn der Hofeigentümer einen kleinen herausstehenden Nagel an der Hoftür seines Gehöftes übersehen hat, so kann ihm noch nicht der Vorwurf gemacht werden, daß er die Anforderungen verletzt hat, die bei Anwendung der Umsicht und Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften kleinbäuerlichen Hauseigentümers an die verkehrssichere Gestaltung des Zuganges zu seinem Hof zu stellen sind. g) Aus den gleichen Erwägungen über die Besonderheiten, die bei ländlichen Verhältnissen zu berücksichtigen sind, kann einem Hofeigentümer auch kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er es unterlassen hat, sein Hoftor zu beleuchten. Ein fremder Besucher, der sich unsicher fühlt, muß den Bauern herausrufen, wenn er einen unbeleuchteten Hof betreten will (OLG München: VersR 1955, 44). h) Die an den Eigentümer eines ländlichen Gehöftes zu stellenden Anforderungen dürfen nicht überspannt werden. Was für ein Miethaus in der Stadt gilt, kann nicht auf ein bäuerliches Haus übertragen werden. Die Beweislast dafür, daß ein über das verkehrsübliche hinaus gefährlicher Zustand vorgelegen habe, trifft den Verletzten. —• Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 13. Juni 1956 — 2 U 85/55 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 5 —.

§§ 823, 276, 254 BGB 187. Treppenhausunfall a) Wenn der Besucher eines Mieters auf der engen und steilen Treppe eines alten Miethauses zu Fall kommt, so haftet der Hauseigentümer für den daraus entstehenden Schaden nicht, wenn er Vorkehrungen getroffen hat, die bei Anwendung der gebotenen Vorsicht eine gefahrlose Benutzung der Treppe ermöglichen. b) Dies gilt vor allem dann, wenn der Besucher die gefährlichen Eigenschaften der Treppe von seinen früheren Besuchen her kennt oder wenn er auf sie ausdrücklich aufmerksam gemacht worden ist. — Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 6. Oktober 1956 — 9 U 209/55 — VersR 1957, 343 —. Anmerkung: Vgl. Reuter: Unfälle auf Treppen: B1GBW 1957, 197 —.

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§ 823 BGB 188. Verkehrssicherungspflicht bei einer steilen altmodischen Treppe a) Bei steilen Treppen in alten Häusern, insbesondere auch in Hinterhäusern, können keine überspannten Anforderungen an die Verkehrssicherheit gestellt werden. b) Solche Treppen in alten Häusern können heute nicht so ohne weiteres umgebaut oder verlegt werden; allenfalls wäre das nur mit hohen Konstenaufwendungen möglich, die aber in aller Regel unzumutbar sind. c) Den Verkehrsteilnehmern muß unter diesen Umständen zugemutet werden, sich dem Zustand einer älteren Wohnkultur anzupassen und beim Begehen von steilen, „altmodischen" Treppen besondere Vorsicht walten zu lassen. d) Andererseits muß aber auch derjenige, dem die Verkehrssicherung einer solchen Treppe obliegt, alles tun, urn nach Möglichkeit Gefahren abzuwenden. Wie das zu geschehen hat, wird abschließend nur nach den Besonderheiten des Einzelfalls beurteilt werden können. — Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 20. Oktober 1956 — 9 U 273/55 — VersR 1957, 135 —. Anmerkung: Vgl. LG Hamburg: VersR 1956, 166 — Nr. 238/1957 ds. Sg.

§ 823 BGB 189. Unfall auf einer Treppe — Schutzgeländer a) Ein Sturz auf einer Treppe begründet nicht den Beweis des ersten Anscheins dafür, daß diese nicht verkehrssicher war. b) Für Treppen, die nur aus zwei Stufen bestehen, ist kein Geländer erforderlich. — Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 24. Oktober 1956 — 9 U 157/56 — MDR 1957, 356 —. Anmerkung: Zu a): Ebenso OLG Stuttgart: VersR 1955, 46; OLG Köln: MDR 1954, 417; OLG Tübingen: VersR 1954, 293; LG Bückeburg: VersR 1956, 48; AG Biberach: VersR 1955, 255. Zu b): Vgl. OLG Karlsruhe: VersR 1956, 243; OLG Nürnberg, Beschluß vom 16. April 1952 — 2 W 90/52 — nicht veröffentlicht.

§ 823, Abs. 2 BGB 190. Schutzgeländer an der Außentreppe eines Hauses a) Nach § 17 der Baupolizeiverordnung der Stadt Düsseldorf sind Haustreppen von mehr als 7 Stufen mit Handläufen oder Treppengeländern zu versehen. b) Die Unterlassung einer durch eine Polizeiverordnung gebotenen Schutzmaßnahme begründet in aller Regel die Vermutung, daß sie auf einem Verschulden beruht (RGZ 113, 293).

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c) Wenn ein Haus vor Erlaß der Baupolizeiverordnung gebaut worden ist, dann ist der Hauseigentümer gehalten, sich mit den später erlassenen polizeilichen Vorschriften rechtzeitig vertraut zu machen (RG JW 1913, 373). d) Einer besonderen Aufforderung der Baupolizei zur Anbringung des Handlaufes bedarf es in einem solchen Falle nicht. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 1957 — VI ZK 336/55 — VersR 1957, 244 — BB 1957, 240 — Betrieb 1957, 258 —. Anmerkung: Vgl. hierzu Schütz: Hess. HZtg. 1957, 87; zu a) und d) ablehnend Westd. Türmer 1957, 76 —.

§§ 823, 254 BGB 191. Unfall auf der Rampentreppe einer Molkerei a) Die Wahrscheinlichkeit, daß bei Beachtung erlassener Sicherungsvorschriften Unfälle zu vermeiden sind, ist dann bedeutungslos, wenn feststeht, daß der zu Schützende im Einzelfall das vorgeschriebene Sicherungsmittel entweder nicht benutzen wollte oder nicht benutzen konnte und deshalb auch nicht benutzt hätte, wenn es vorhanden gewesen wäre. Das Verhalten des einzelnen im besonderen Fall kann nur individuell festgestellt werden und entzieht sich allgemeiner Erfahrung. b) Maßgebend f ü r den Umfang der Verkehrssicherungspflicht ist der typische Verkehr, wie er f ü r die konkreten örtlichen Verhältnisse in Betracht kommt. c) Wer zu ungewöhnlicher Abendstunde und zumal unter ländlichen Verhältnissen erstmals eine ihm unbekannte Örtlichkeit aufsucht, muß im eigenen Interesse aufmerksam und vorsichtig sein. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Januar 1957 — VI ZR 271/55 — VersR 1957, 198 —.

§§ 535, 823 BGB 192. Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts — Hoteltreppenunfall a) Auf den Beherbergungsvertrag des Gastwirtes sind die Vorschriften der §§ 535 ff. BGB über den Mietvertrag anzuwenden. b) Ein Gast hat nur Anspruch auf die Verkehrssicherheit, die er nach Treu und Glauben erwarten darf. c) Eine geringfügige Dehnung oder Bewegung des Läufers auf einer Hoteltreppe läßt sich nicht vermeiden und begründet daher keinen Fehler der Mietsache i. S. des § 537 BGB. d) Der Hinweis des in Anspruch genommenen Verkehrssicherungspflichtigen Gastwirts, er werde die Sache seiner Versicherung melden, stellt kein Anerkenntnis dar. — Landgericht Flensburg, Urteil vom 18. Oktober 1956 — I S 143/56 — VersR 1956, 784 —. 8 Glaser, B a u r e c h t - E n t s c h .

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§ 823 BGB 193. Verkehrssicherungspflicht des Gastwirts nach Eintritt der Polizeistunde a) Die Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, daß jeder, der durch Eröffnung eines Verkehrs auf seinem Grundstück Gefahrenquellen schafft, auch die zur Abwendung der hieraus Dritten drohenden Gefahren notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat. b) Die auf Grund einer Verkehrseröffnung und auf Grund eines Gastaufnahme- und Beherbergungsvertrags bestehende Verpflichtung des Gastwirts, f ü r den gefahrlosen Zustand der seinen Gästen überlassenen Räume und ihrer Zugänge zu sorgen, besteht auch dann, wenn sich der Gastwirt aus Entgegenkommen gegenüber den Gästen bereit findet, die Polizeistunde zu überschreiten. c) Das Bestreben, die polizeiliche Übertretung zu verheimlichen, muß hinter den gesetzlichen und vertraglichen Pflichten gegenüber den Gästen zurücktreten (RGZ 103, 264). d) E s ist grundsätzlich ein erhebliches Verschulden darin zu sehen, daß jemand einen ihm unbekannten Raum im Dunkeln betritt und in demselben weitergeht. e) Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts handelt nicht nur der schuldhaft, der sich bewußt einer vermeidbaren Gefahr aussetzt, sondern auch der, der sich der Gefahr zwar nicht bewußt ist, aber sie bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen muß (RG Warn. 1935 Nr. 80). — Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 23. Juni 1956 — 2 U 1/56 — Betrieb 1956, 940 —.

§ 823 BGB 194. Verkehrssicherungspflicht auf Privatwegen — Haftung des Gastwirtes a) Wer nachts als Fußgänger einen privaten Waldweg benutzt, der wegen seiner Beschaffenheit, insbesondere wegen des Vorhandenseins einer besonderen Gefahrenstelle (ungesicherte unbeleuchtete Brücke über einen Bach), bei Dunkelheit von einem Ortskundigen nicht ohne Gefährdung begangen werden kann, muß selbst durch geeignete Maßnahmen (Mitnahme von Lampen, Anschließen an Begleiter) d a f ü r Sorge tragen, daß er keinen Schaden leidet. b) Die sich aus dem Gastwirtsvertrag ergebende Verpflichtung des Gastwirts, d a f ü r Sorge zu tragen, daß den Gästen das Verlassen der Gastwirtschaft auch bei Dunkelheit gefahrlos möglich ist, erstreckt sich in der Regel nicht über die Grenzen des Anwesens hinaus, auf dem die Gaststätte betrieben wird. — Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 9. November 1955 — 9 U 48/55 — VersR 1957, 399 —.

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§ 823 BGB 195. Zur Verkehrssicherungspflicht einer Bank im Schalterraum a) Die Verletzung der einer Bank obliegenden Verkehrssicherungspflicht liegt dann vor, wenn der Fußboden des den Besuchern der Bank zugänglichen Schalterraumes außergewöhnlich und damit gefährlich glatt ist. b) Die Bank hat die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß der Boden der Schalterhalle nicht übermäßig glatt und damit für die Besucher der Bank insofern gefährlich ist, als sie ausgleiten und sich verletzen können. c) Die Bank darf sich nicht darauf verlassen, daß das Publikum von sich aus wegen der Fußbodenglätte eine erhöhte Vorsicht walten läßt. d) Auch wenn seit der Eröffnung des Schalterraumss — im streitigen Fall: V2 Jahr lang — der Schalterraum ohne Unfälle der Besucher der Bank benutzt worden ist, ist damit allein die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht ohne weiteres von der Bank dargetan.

— Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. November 1955 — VI ZR 77/55 — ZMR 1956, 191 —.

§ 838 BGB 196. Haftung des Treuhänders beim Einsturz des verwalteten Hauses a) Wer die Unterhaltung eines bebauten Grundstückes für den Eigentümer übernimmt, ist für einen Einsturzschaden so verantwortlich wie der Besitzer selbst (§ 838 BGB in Verbindung mit § 836 BGB). b) Auch die Unterhaltungspflicht eines von der Militärregierung nach dem Gesetz 52 bestellten Treuhänders für die ihm anvertrauten Grundstücke fällt unter § 838 BGB. c) Deshalb ist der Treuhänder verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der durch den Einsturz eines von ihm verwalteten Gebäudes eintritt. d) Für ihn muß daher dasselbe gelten wie für den K o n k u r s v e r w a l t e r , der aus §§ 823 ff. BGB (unerlaubte Handlung) haftet, wenn er einem am Konkursverfahren nicht beteiligten Dritten durch unerlaubte Handlung Schaden zufügt. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juli 1956 — VI ZR 32/55 — B B 1956, 804 — VersR 1956, 627 —. Anmerkung: Zu d): Vgl. J ä g e r : Konkursordnung, 6. und 7. Aufl., § 82 Abs. 7; MentzelKuhn, Konkursordnung, 6. Aufl. 1955 § 82 Anm. 3 unter Hinweis auf das in der Rechtsprechung Warneyers 1934 S. 308 Nr. 149 veröffentlichte Urteil des Reichsgerichts, das allerdings die Inanspruchnahme des Konkursverwalters aus § 826 BGB betrifft. 8*

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VIII. Verkehrssicherungspflicht

§ 823 BGB 197. Verkehrssicherungspflicht des Trümmergrundstiickseigentümers a) Wenn der Grundstückseigentümer einen Teil seines Trümmergrundstückes vermietet und duldet, daß die Kunden des Mieters den an den Haustrümmern entlang führenden Weg benutzen, so muß er dafür sorgen, daß von seinem Grundstück keine Gefahren f ü r den Verkehr auf dem Zugangsweg ausgehen. b) Eine solche Gefahr entsteht aber erkennbar, wenn die Trümmer aus dem neben dem Weg liegenden Keller fortgeschafft werden. Denn es liegt nunmehr nicht mehr fern, daß Benutzer des Weges bei Dunkelheit, wenn sie nur etwas von der Richtung abkommen, über die geringfügigen Mauerreste in den offenen Keller fallen. c) Der Grundstückseigentümer muß sich daher rechtzeitig darum kümmern, daß entweder eine ausreichende Beleuchtung des Weges erfolgt oder zwischen Zugangsweg und Keller ein Schutzgeländer angebracht wird. d) E r darf sich nicht darauf verlassen, der Mieter werde schon die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen veranlassen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 1957 — VI ZR 32/56 — Betrieb 1957, 355 — Bln. GrundE 1957, 244 — B1GBW 1957, 205 — VersR 1957, 268 —.

§§ 823, 254 BGB 198. Verkehrssicherungspflicht des Ruinengrundstückseigentümers a) Die Verkehrssicherungspflicht obliegt auch dem Eigentümer eines Trümmergrundstückes, wenn auch bei ihm nicht so hohe Ansprüche wie beim Eigentümer eines unzerstörten Grundstückes zu stellen sind. b) Beim Eigentümer eines kriegszerstörten Grundstücks, der ohnehin schon schwer getroffen ist, ist f ü r die Frage, ob er seiner Verkehrssicherungspflicht genügt hat, ein minderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen als beim Eigentümer eines unzerstörten Grundstückes. c) Von einem Passanten, der eng an ein Ruinengrundstück herantritt, ist besondere Aufmerksamkeit zu fordern. — Amtsgericht Köln, Urteil vom 18. April 1956 — 42 C 1413/55 — VersR 1957, 788 —. Anmerkung: Vgl. Herold: Haftpflicht des Hausbesitzers und Haftpflichtversicherung: B1GBW 1957, 6.

§§ 823, 826 BGB 199. Betreten eines Ruinengrundstücks auf eigene Gefahr a) Daß in Ruinengrundstücken Unfallgefahren bestehen, ist allgemein bekannt.

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b) Diese Gefahren vergrößern sich noch beträchtlich während laufender Abbrucharbeiten, weil dann die Standfestigkeit einzelner Teile noch weiter und in einer f ü r Laien nicht erkennbaren Weise herabgesetzt wird. c) Wer trotzdem in Kenntnis von Abbrucharbeiten eine Ruine betritt, handelt fahrlässig und auf eigene Gefahr und kann f ü r etwaige Schäden keinen Dritten verantwortlich machen. —• Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 6. Oktober 1955 — 9 W 175/55 — VersR 1956, 424 —.

§ 823 BGB — Preußisches Wegereinigungsgesetz 200. Wegereinigung — Streupflicht bei Winterglätte a) Im Geltungsbereich des Preuß. Wegereinigungsgesetzes vom 1. 7.1912 (GS 187) kann die sog. polizeimäßige Reinigung der öffentlichen Wege auch heute noch durch gültige Ortssatzung ganz oder teilweise den Eigentümern auferlegt werden. b) Durch eine solche Verpflichtung wird der verfassungsmäßig geschützte Bestand des Eigentums (Art. 14 GG), die Gleichheit aller vor dem Gesetz (Art. 3 GG) und das Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 GG) nicht verletzt. c) Eine vorübergehende Behinderung des Reinigungspflichtigen begründet in der Regel keine Leistungsunfähigkeit i. S. der Satzungen über die Reinigungspflicht. d) Die Bestimmung, daß der Schnee tagsüber nach jedem Schneefall sofort beseitigt werden müsse, begegnet rechtlichen Bedenken. e) Dem außerhalb seines Hauses berufstätigen Hauseigentümer, der sein Einfamilienhaus allein bewohnt und darin ohne Hilfskräfte wirtschaftet, ist in aller Regel unmöglich, den Schnee öfter als zweimal am Tage zu beseitigen — nämlich bevor er zur Arbeit geht und wenn er von der Arbeit zurückkehrt. — LVG Schleswig, Urteil vom 19. November 1956 — I K 61/56 — SchlHA 1957, 130 — GWW 1957, 191 (n. L.) —.

§ 823 BGB 201. Umfang der Streupflicht a) Die Streupflicht ergibt sich aus der Verkehrseröffnung. Sie bedeutet nicht, daß die Verkehrsteilnehmer vor jeder Möglichkeit des Ausgleitens zu schützen sind. Ein solcher Schutz wäre nach der Lebenserfahrung nicht denkbar. Der Bestreuungspflicht sind vielmehr sowohl zeitliche als auch örtliche Grenzen gesetzt. Im allgemeinen werden sich diese Grenzen aus den einschlägigen ortspolizeilichen Vorschriften ergeben. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung könnte nur dann anerkannt werden, wenn sie verkehrsüblich ist. — Bayer. Oberstes Landesgericht München, Urteil vom 30. Juli 1954 — NJW 1955, 106 —.

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b) Die Streupflicht auf einem Privatgrundstück besteht nicht zeitlich unbeschränkt; sie beginnt nicht früher als die durch Ortssatzung geregelte Verpflichtung zum Streuen auf öffentlichen Wegen. — LG Ansbach, Beschluß vom 25. Mai 1956 — 2 OH 54/56 — VersR 1G57, 472 —.

§ 823 BGB 202. Umfang der Streupflicht bei einem Witterungswechsel a) Immer dann, wenn Schneefälle gewesen sind oder Glättebildung eingetreten ist, sind die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen auszuführen. b) Bei mehrfachem Wechsel der Witterung im Laufe des Tages muß auch mehrfach gereinigt und gestreut werden. c) Je größere Gefahren hinsichtlich der Straßenglätte die Witterungsverhältnisse mit sich bringen, um so umfangreicher ist das tatsächliche Ausmaß der Reinigungspflicht. d) Der Anlieger einer Straße mit häufigem Fußgängerverkehr genügt bei Schneematschwetter, sofern sich dann Glätte bildet, seiner Streupflicht nicht dadurch, daß er in Abständen von 3 Stunden die Glätte durch Streuen zu beseitigen versucht. Es muß vielmehr dann häufiger gestreut werden, nämlich immer wieder dann, wenn die Bestreuung unwirksam geworden ist. —Landgericht Hamburg, Urteil vom 24. Februar 1956 — 6 S 67/55 — ZMR 1957, 133 —. Anmerkung: Vgl. OLG Stuttgart: VersR 1955, 463 — Nr. 253/1957 ds. Sg.

203. Streupflicht bei Tauwetter mit Nachtfrost Hat es im Winter tagsüber getaut, ist aber nach dem Wetter der vorhergehenden Tage und den besonderen klimatischen Verhältnissen des Ortes damit zu rechnen, daß es mit Sonnenuntergang wieder friert und die Feuchtigkeit auf den Straßen sich in Glatteis verwandelt, so ist dem Verkehrssicherungspfiichtigen — anders als bei unerwartetem Frosteinfall (vgl. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 27.8.1553, DÖV 1953, S. 704) — keine besondere Frist zur Ausführung der Streuarbeiten zuzubilligen. In einem solchen Falle muß bei Beginn der Vereisung bereits die drohende Gefahr f ü r den Verkehr abgewendet sein. — Obcrlaxidosgericht Stuttgart, Urteil vom 19. Oktober 1955 — 5 U 42/54 — BB 1957, 15 —.

§ 823, 831 BGB 204. Streupflicht bei Winterglätte — Mitverschulden des Verletzten a) Der Streupflichtige, der seine Ehefrau mit der Überwachung des Streuens beauftragt, muß seinerseits seine Ehefrau überwachen.

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b) Der Streupflichtige ist dafür beweispflichtig, daß .er diese ihm nach § 823 BGB obliegende Aufsichtspflicht, die nicht mit der Leitungspflicht nach § 831 BGB identisch ist, erfüllt hat (vgl. RG in JW 1911, 487 und 980, RG in Recht 1911 Nr. 329; RG in Warn. 1918 Nr. 106; RG in JW 31, 1690 und JW 37, 1917; BGH in NJW 1952, 61 und VRS 1955, 252; Geigel Ziff. 7 unter § 823 Abs. 1 BGB; Palandt Anm. 13 und 14 zu § 823 BGB unter „Aufsichtspflicht"). c) An den Entlastungsbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH in VRS 55, 252). d) Wenn eine 70jährige Frau bei Glätte auf die Straße geht, ohne einen Stock mitzunehmen, so trifft sie zu V3 ein Mitverschulden, wenn sie stürzt. — Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 29. Mai 1956 — 4 U 297/55 — VersR 1956, 523 —.

205. Übertragung der Streupflicht auf den Erdgeschoßmieter — Üherwachungspflicht des Hauseigentümers a) Wenn eine Grundstücksgesellschaft die Erfüllung der Streupflicht dem Mieter der Erdgeschoßwohnung ohne Rücksicht auf seine Eignung und Zuverlässigkeit formularmäßig auferlegt, so trifft sie eine erhöhte Überwachungspflicht, damit hinreichend sichergestellt wird, daß der Mieter die ihm übertragenen Obliegenheiten auch wirklich ordnungsmäßig erfüllt oder durch andere erfüllen läßt. b) Auch bei sorgfältiger Auswahl der Personen, denen der f ü r die Erfüllung von Verkehrspflichten Verantwortliche die Erfüllung dieser Pflichten überläßt, liegt ihm die allgemeine Aufsicht ob. Dies gilt ganz besonders und in verstärktem Maße, wenn bei der Bestellung der Hilfspersonen die Rücksicht auf ihre Eignung und Zuverlässigkeit nicht maßgebend gewesen ist. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. November 1956 — VI ZR 71/56 — Betrieb 1957, 20 — VersR 1957, 62 — HuW 1957, 93 — BB 1957, 15 — GWW 1957, 56 —. Anmerkung: Vgl. auch LG Berlin: VersR 1954, 515 — Nr. 257/1957 ds. Sg.

§ 823 BGB der Streupflicht auf eine Reinigungsanstalt 206. Übertragung a) Wenn einem Anlieger durch ein zur Sicherung des Fußgängerverkehrs erlassenes Gesetz gestattet wird, die ihm auferlegten Streuund Reinigungspflichten mit Zustimmung der Ortspolizeibehörde auf ein Reinigungsinstitut zu übertragen, so gibt der Gesetzgeber damit zu erkennen, daß er den Gesetzeszweck als erfüllt ansieht, wenn der in Anspruch Genommene ein von der Ortspolizeibehörde zu überwachendes Institut beauftragt.

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b) Macht ein Grundstückseigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch, so kann ihm ein Verstoß gegen seine Streuverpflichtung nicht zur Last gelegt werden. c) Es ist Aufgabe der Ortspolizeibehörde, darauf zu achten, daß derjenige, der die Streupflicht übernimmt, durch Abschluß einer Haftpflichtversicherung den erforderlichen Schutz der Fußgänger gewährleistet. — Landgericht Braunschweig, Urteil vom 23. März 1958 — 9 S 9/56 — VersR 1956, 428 —.

§ 823 BGB 207. Streuen eines Vorgartenweges a) Zwar besteht auch bei solchen Wegen innerhalb eines Grundstückes, die auch von anderen Personen als von dem Grundstückseigentümer benützt werden, die Pflicht, sie in verkehrssicherem Zustand zu erhalten, doch sind die Anforderungen hinsichtlich des Streuens bei Glatteis nicht so streng wie beim öffentlichen Weg. b) Bei einem Weg, bei dem die Verkehrssicherungspflicht nicht so groß ist wie bei einem öffentlichen Weg, kann vom Hauseigentümer nicht verlangt werden, daß er seinen Zustand alle Stunden nachprüft. c) Nur bei ungewöhnlichen Witterungsverhältnissen hat der im Bedarfsfall zum Streuen eines Vorgartenweges verpflichtete Hauseigentümer mit der Möglichkeit zu rechnen, daß sich auf dem um 9 Uhr noch begehbaren Weg innerhalb der folgenden Stunde trotz zunehmender Tageswärme Glatteis bilden kann. — LG Heilbronn, Urteil vom 6. November 1956 — I S 144/56 — VersR 1957, 420 —.

§§ 823, 917 BGB 208. Streupflicht auf Privatwegen und Notwegen a) Dem Eigentümer und Anlieger eines Privatweges trifft keine Streupflicht und also auch keine Haftung f ü r einen Unfall infolge Glatteises. b) Für einen Notweg im Sinne des § 917 BGB ist es anerkannt, daß die Wegeunterhaltungspflicht allein den Notwegberechtigten trifft (vgl. Palandt Anm. 3d zu § 917 BGB). — Landgericht Hamburg, Urteil vom 21. März 1956 — 5 O 309/55 — MDR 1957, 98 —. Anmerkung: Zu a): Ebenso RG JW 1907, 364; RG JW 1908, 744; LG Berlin: JR 1950, 753.

209. Reinigungspflicht bei besatzungsbeschlagnahmten Grundstücken a) Die Straßenreinigungs-, Schneeräumungs- und Streupflicht obliegt grundsätzlich den Gemeinden.

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b) Das preußische Wegereinigungsgesetz vom 1. Juli 1912 hat den Gemeinden nur das Recht gegeben, die ihnen obliegenden Reinigungspflichten auf die Anlieger der Straßen abzuwälzen. c) Wenn der Eigentümer eines von der Besatzung beschlagnahmten Grundstücks an der Ausübung der Reinigungs- und Streupflicht tatsächlich verhindert ist, erscheint es gerechtfertigt, den Eigentümer eines solchen Grundstückes als leistungsunfähig im Sinne der Ortssatzung anzusehen. d) Wenn also ein Grundstück f ü r Zwecke der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden ist, dann fällt die Reinigungs- und Streupflicht an die Gemeinde zurück. — Kammergericht, Beschluß vom 7. März 1957 — 4 W 2678/56 — NJW 1957, 1114 —. Anmerkung: a. A. aber BGH: BB 1955, 433 — DRspr. I (145) Bl. 20e — Nr. 256/1957 ds. Sg.

§§ 823, 831, 839 BGB; Art. 34 GG 210. Übertragung der Streupflicht auf die Anlieger a) Wird die Streupflicht durch PolizeiVO auf die Anlieger abgewälzt, entfällt auch die bürgerlich-rechtliche Überwachungspflicht der Gemeinde. Danach besteht nur noch eine polizeiliche Überwachungspflicht, deren fahrlässige Verletzung eine Haftung im Rahmen von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, Art. 34 GG begründet. —• Oberlandesgericht Bamberg, Beschluß vom 25. Januar 1956 — 2 W 1/56 — VersR 1956, 579 —.

b) Eine Gemeinde, die ihre Verpflichtung, bei Glätte auf den Fahrbahnen der Verkehrsstraßen des Ortes zu streuen, auf die Anlieger abgewälzt haben will, muß die Abwälzung beweisen. Sie f ü h r t diesen Beweis nicht, wenn die Rechtslage unklar ist und sie diese Unklarheit durch eigenes Streuen auf den Straßen noch erhöht. — Oberlandesgericht Kiel, Urteil vom 14. Februar 1956 — 7 U 127/54 — SchlHA 1956, 201 —.

§ 823 BGB 211. Streupflicht der Gemeinde auf dem Fahrdamm a) Nach h. Rspr. besteht f ü r politische Gemeinden grundsätzlich keine Streupflicht auf den Fahrdämmen ihrer Ortsstraßen (BGH NJW 1952, 1087; DAR 1955, 62; OLG Hamm VerkR 1950, 15). b) Eine Gemeinde hat vielmehr nur dann die Fahrbahn einer Straße mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen, wenn hierfür eine besondere Notwendigkeit besteht. Diese kann darin liegen, daß die betr. Straße durch z. B. starkes Gefälle, enge und unübersichtliche

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Kurven oder bei einer Straßenkreuzung eine besondere Gefahrenquelle darstellt.

— Landgericht Dortmund, Urteil vom 24. April 1956 — 4 O 123/55 — MDR 1957, 98 — VersR 1957, 36 —.

c) Die frühere Rspr. hat eine Streupflicht der Gemeinden auf dem Fahrdamm grundsätzlich als nicht gegeben angesehen. d) Jedoch ist bereits in früheren Entscheidungen darauf hingewiesen worden, daß eine Streupflicht dann besteht, wenn ein besonderes Bedürfnis hierfür vorliegt (so OLG Breslau: JW1937,1260). e) In der neueren Rspr. wird an der grundsätzl. Ablehnung einer Rechtspflicht zum Streuen auf Fahrdämmen festgehalten, jedoch mit der Einschränkung, daß eine Gemeinde bei Glatteis an gefährlichen, einen nicht unerheblichen Verkehr aufweisenden Straßenstellen auch die Fahrbahn zu bestreuen habe. f ) Die Rechtsgrundsätze hat der BGH (NJW 1952, 1087 = VRS 4, 323 = VersR 1952, 287) aufgestellt und der Entsch. den Leitsatz gegeben, daß bei Glatteis an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen auf dem Fahrdamm zu streuen sei. g) In einem weiteren Urteil (VRS 9, 4 = LM Nr. 18 zu § 823 De BGB = DAR 1955, 135) hat der BGH hinsichtlich der Verkehrssicherungspfl. ausgeführt, daß sich deren Umfang grundsätzlich nach dem zu bemessen habe, was zur Sicherung desjenigen Verkehrs erforderlich sei, dem die Wegefläche gewidmet sei; das Maß der danach zu stellenden Anforderungen richte sich im einzelnen nach den Gegebenheiten des Falles, wobei vor allem die Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges und die Stärke des Verkehrs zu berücksichtigen seien. h) An diesen Rechtsgrundsätzen hat der BGH (VRS 10, 254) ausdrücklich festgehalten. Die übrige neuere Rspr. hat sich der Auffassung des BGH — soweit erkennbar — ausnahmslos angeschlossen (vgl. OLG Köln: NJW 1953, 1631; OLG München VersR 1956, 163; OLG Oldenburg DAR 1956, 75 = VersR 1956, 213; LG Marburg NJW 1956, 29 = VersR 1956, 104; LG Kempten VersR 1956, 376; vgl. auch die Zusammenstellung von Arndt, DAR 1956, 287; ferner Palandt, BGB, 15. Aufl., Anm. 14 unter „Straßen"). i) Hiernach richten sich die an den Verkehrssicherungspfl. hinsichtlich der Streupflicht zu stellenden Anforderungen nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles, wobei vor allem die Art und die Wichtigkeit des Verkehrsweges und die Stärke des Verkehrs zu berücksichtigen sind. —• Landgericht Aachen, Urteil vom 14. Dezember 1956 — 5 S 141/56 — MDR 1957, 227 —. Anmerkung : Vgl. auch LG Aachen: MDR 1956, 355 — VersR 1955, 633 — Nr. 265/1957 ds. Sg.

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212. Streupflicht der mittelgroßen Städte a) Die Ansprüche an die Sorgfaltspflicht desjenigen, der für die Verkehrssicherheit der Straßen verantwortlieh ist, dürfen nicht überspannt werden. E s kommt auf die zeitlichen, örtlichen und persönlichen Verhältnisse des Verpflichteten an. b) Eine mittlere Stadtgemeinde braucht in dünn besiedelten, verkehrsarmen Außenbezirken im Winter nicht schon zwei Stunden vor Sonnenaufgang zu streuen. c) Ebensowenig wie auf einer Landstraße 1. Ordnung während der Nachtstunden gestreut zu werden braucht (Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 4 . 1 . 1 9 5 6 , Verkehrsrechtsammlung 11 S. 9 (22/23), ist einer mittleren Stadt zuzumuten, früher als 5.30 Uhr Streukolonnen einzusetzen. Vereinzelte Straßenbenutzer müssen dem Umstand Rechnung tragen, daß ihretwegen allein die Streukolonnen nicht ununterbrochen unterwegs sein können. — Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluß vom 17. September 1956 — 2 W 48/56 — B B 1857, 15 —.

213. Umfang der Streupflicht auf städtischen Straßen a) Die Anweisung der Stadtverwaltung, daß während noch anhaltender Eisbildung ein Streuen zy unterlassen sei, weil es zwecklos ist, entspricht der geltenden Rechtsprechung. b) E s mag zwar möglich sein, eine einzelne Stelle auch während anhaltenden Schneefalles gefahrenfrei zu halten. Doch würde Unzumutbares verlangt, wenn man eine Stadt verpflichten wollte, an allen Gefahrenpunkten dauernd für die sofortige Beseitigung sich immer wieder neubildender Eis- bzw. Schneeschichten Sorge zu tragen. —• Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluß vom 27. Februar 1957 —• 4 U 29/57 — MDR 1957, 356 —.

§§ 823, 831, 31, 89 BGB 214. Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlicher Körperschaften Die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlicher Körperschaften auf öffentlichen Straßen richtet sich nach privatrechtlichen Grundsätzen.

— Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 21. Februar 1957 — 1 U 114/56 — MDR 1957, 357 —. Anmerkung: Vgl. BGHZ 9, 373 (399).

§ 823 BGB; §§ 330, 367 Nr. 14 StGB 215. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers a) Der Unternehmer eines Baues, der nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mit anderen Bauhandwerkern im Auftrage des Bau-

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herrn den Bau errichtet, ist nicht berechtigt, anderen am Bau beteiligten Personen einschließlich deren Lieferanten des Betreten des Baues während der eigentlichen Arbeitszeit zu verbieten. b) Darüber hinaus besteht keine Pflicht, andere Personen im Bau zu dulden, und deshalb auch keine Verkehrssicherungspflicht, sofern nicht etwa f ü r eine bestimmte Gelegenheit sich aus Verabredung oder Umständen etwas anderes ergibt. c) Der Eröffnung eines nur beschränkten Verkehrs entspricht auch eine entsprechend begrenzte Verkehrssicherungspflicht in dem Umfang, in dem das Grundstück dem Verkehr eröffnet wurde (RG LZ 1918, 44 (45); BGB RGRK § 823 Anm. 6 A). d) Gehen die Leute des einen Handwerkers fort, während noch die des anderen weiterarbeiten, so haben diese einen Anspruch auf Fortdauer der Schutzmaßnahmen. e) Eine allgemein anerkannte Regel der Baukunst dahingehend, daß auch nachts oder zum wenigsten nach Schluß der Arbeitszeit innerhalb eines f ü r den Verkehr geschlossenen Teils einer Baustelle Sicherungsmaßnahmen vorzusehen sind, besteht nicht, wie die Lebenserfahrung dartut. f ) Einem Handwerker obliegt keine Verkehrssicherungspflicht in einem erkennbarerweise nicht offenen Neubau außerhalb der Arbeitszeit, es sei denn, daß er die Absicht berechtigter Personen kannte oder nach den Umständen kennen mußte, den Bau während der Arbeitsruhe zu besuchen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 1956 — VI ZR 133/55 — H u W 1956, 413 — VersR 1956, 554 — B1GBW 1956, 318 — B B 1956, 771 — Betrieb 1956, 892 —.

§ 823 BGB 216. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers — Spielende Kinder auf einer Baustelle a) Eine Baustelle birgt f ü r jeden, der das Grundstück betritt, Gefahren in sich. Das gilt insbesondere f ü r Kinder, weil diese es erfahrungsgemäß an der nötigen Vorsicht fehlen lassen. b) Zwar wird mit dem Baubeginn kein allgemeiner Verkehr auf dem Grundstück eröffnet. Wer aber weiß und duldet, daß sich ein Verkehr entwickelt, ist f ü r dessen Sicherheit verantwortlich (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. 1. 1955, BB 1955, 205 — VersR 1955, 182 — Verkehrsrechtssammlung 8 S. 240). c) Deshalb darf ein Bauunternehmer grundsätzlich keine spielenden Kinder auf der Baustelle dulden. d) Werden Kinder während der Arbeitszeit auf einer Baustelle geduldet und zu Hilfeleistungen und kleinen Handreichungen — von

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ihnen aus gesehen zu spielerischer Tätigkeit — herangezogen, so ist es nach der Lebenserfahrung naheliegend, daß sie auch nach Feierabend oder bei Arbeitsruhe die Baustelle betreten, um dort zu spielen. e) Deshalb m u ß der Bauunternehmer in einem solchen Fall besondere und geeignete Schutz- und Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um Unglücksfälle zu verhindern. Werden solche Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend getroffen, so ist der Bauunternehmer verantwortlich f ü r die Schäden, die Kinder beim Spielen auf der Baustelle nach Feierabend erleiden. — Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 15. Juni 1956 — 1 U 29/56 — BB 1956, 1013 — MDR 1956, 738 — BlnGrundE 1957, 46 —. §§ 823, 831 BGB 217. Verkehrssicherungspflicht des Straßenbauunternehmers a) Ein Bauunternehmer, der Arbeiten an einer öffentlichen Straße a u s f ü h r t , h a t alle Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die Gefahren abzuwenden, die anderen aus der Anlage der Baustelle drohen. Das ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dessen, der eine Gefahrenquelle schafft. b) E s ist nicht genügend, wenn ein Bauunternehmer, der bei Durchf ü h r u n g von Kanalisationsarbeiten in einer öffentlichen Straße einen Rohrgraben anlegen läßt, einen zuverlässigen Schachtmeister auswählt und sich darauf beschränkt, die f ü r die Sicherung der Baustelle erforderlichen Anweisungen zu geben. E r muß vielmehr die Personen, denen er die E r f ü l l u n g seiner Verkehrssicherungspfiichten überlassen hat, in der E r f ü l l u n g dieser ihrer Pflichten ausreichend beaufsichtigen und den Umständen entsprechend kontrollieren (RG J W 1931, 2236 — H R R 1931 Nr. 1217 und RG LZ 1922 Sp. 159 N r . 2). c) In welchem Umfang die Überwachung durchzuführen ist, h ä n g t von den Umständen des Falles, vor allem von dem Maß der Gefahren ab, die mit den auszuführenden Arbeiten jeweils verbunden sind. d) Handelt es sich um einfache regelmäßig anfallende Verrichtungen, so wird der Unternehmer im allgemeinen davon ausgehen dürfen, daß seine bewährten F a c h k r ä f t e sie unter Beachtung der vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen durchführen werden. So ist in der Rechtsprechung, vor allem des RG, anerkannt, daß ein Bauunternehmer regelmäßig vorkommende Arbeiten, einschließlich der zum Schutz des Verkehrs erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, einem tüchtigen Polier überlassen darf (RG J W 1913, 32 Nr. 22 mit weiteren Nachweisen). e) Die Pflicht des Unternehmers zur persönlichen Aufsicht und Überwachung erhöht sich jedoch mit dem Maß der Gefahren, die sich f ü r andere aus der Arbeit ergeben.

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f ) Von der Erfüllung seiner allgemeinen Aufsichtspflicht kann auch der Inhaber eines größeren Baugeschäftes nicht befreit werden, wenn es sich um Arbeiten an einer öffentlichen Straße handelt, die große Gefahren f ü r den Verkehr mit sich bringen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. April 1957 — VI ZR 256/56 — VersR 1957, 393 — BB 1957, 563 —.

§ 823 BGB, § 3 StVO 218. Sicherung einer Straßenbaustelle durch den Straßenbauunternehmer Der Straßenbauunternehmer ist weder verpflichtet, noch auch nur berechtigt, selbst Umleitungs- oder Sperrschilder aufzustellen. Dies darf nur auf Anordnung der zuständigen Behörde geschehen. —• Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 10. Januar 1956 — 9 U 175/55 — HGBR Rspr. 1956 Nr. 93 — VersR 1956, 426 —.

§ 823 BGB 219. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers — Sicherung der Baustelle a) Bei einer Verschmutzung eines Weges durch Verschlammung müssen grundsätzlich von dem Wegeunterhaltungspflichtigen oder einem f ü r den Straßenzustand verantwortlichen Bauunternehmer besondere Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze der Wegebenutzer getroffen werden. b) Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Umfang der Verkehrsgefährdung. c) Von dem f ü r eine Baustelle verantwortlichen Unternehmer kann nicht verlangt werden, daß er überall und jederzeit Vorkehrungen gegen jede nur denkbare Gefahr trifft. d) Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind vielmehr nur zu fordern, wenn sie bei Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse, vor allem der Verkehrsbedeutung eines Weges nach vernünftigem Ermessen und allgemeiner Verkehrsanschauung erforderlich sind, um eine Gef a h r f ü r die Wegebenutzer zu verhüten. e) Dabei ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, welches Maß von Anforderungen an die Verkehrssicherheit des Weges zu stellen ist. f ) So können an die Verkehrssicherheit eines verkehrsarmen Weges oder einer wenig begangenen Dorfstraße selbstverständlich nur geringere Anforderungen gestellt werden, als es bei einer belebten Stadtstraße der Fall ist. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. April 1956 — VI ZR 312/54 — Betrieb 1956, 569 — BB 1956, 514 —.

VIII. Verkehrssicherungspflicht Anmerkung: Über die Haftung für die Verkehrssicherheit von Baustellen und von fahrtswegen vgl. OLG Hamburg: VersR 1955, 460 — Nr. 267/1957 ds. vgl. auch Storke: BB 1955, 333; zur Haftung der Gemeinden und Staates für Schäden auf Verkehrswegen vgl. Bundesgerichtshof, Urteil 30.4.1953: BGHZ 9, 373 — EB 1853, 572 — NJW 1953, 1297.

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AnSg.; des vom

§§ 823, 831, 254, 278 BGB 220. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers am Wohnungsneubau a) Wer im Rahmen eines großen Wohnungsbauprojektes eine Baustelle im Freien errichtet, auf der in einer großen Pfanne ungelöschter Kalk zubereitet wird, muß diese so sichern, daß eine Gefährdung Dritter, insbesondere auch spielende Kinder, nach Möglichkeit ausgeschlossen wird. b) Dies gilt um so mehr, wenn die Baustelle auf dem Bürgersteig einer Großstadtstraße errichtet ist. — Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 28. März 1957 — 9 W 27/57 —.

§ 823 BGB 221. Verkehrssicherungspflicht an Baustellen — Warnschilder a) Der an einem Umbau beteiligte Bauunternehmer genügt seiner Verkehrssicherungspflicht gegenüber dritten Personen, die nicht auf der Baustelle beschäftigt sind, wenn er durch Warnschilder sie in üblicher und f ü r jedermann verständlicher Weise darauf hinweist, daß die im Bau befindlichen Gebäudeteile wegen der mit den Bauarbeiten verbundenen Gefahren f ü r jeden Zutritt „Unbefugter" gesperrt ist. b) In anderer Weise als durch Aufstellung von Warnschildern an den Zugängen braucht eine Baustelle nach den Unfallverhütungsvorschriften vor dem Zutritt Dritter nicht gesichert zu werden. c) Unfallverhütungsvorschriften dienen dem Schutz der Personen, die durch das befugte Betreten der Räume in Gefahr kommen, also in erster Linie dem Schutze der dort beschäftigten Arbeiter. Unbefugte Besucher vor den auf Baustellen lauernden mannigfachen Gefahren zu schützen, ist weder der Zweck der Unfallverhütungsvorschriften, noch dem Bauherrn oder den beteiligten Unternehmern allgemein möglich und zumutbar. Ob unter besonderen Verhältnissen, etwa wenn häufig Kinder in der Nähe einer Baustelle spielen, höhere Anforderungen zu stellen sind, hat der BGH nicht entschieden, da es sich bei der Klägerin um eine erwachsene Person handelte, die den Sinn der vor der Baustelle aufgestellten Warntafeln erfassen konnte und nach der Überzeugung des Berufungsgerichts trotz ihrer angeblichen Unbeholfenheit auch e r f a ß t hat.

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d) Die Unfallverhütungsvorschriften sind trotz ihrer bindenden Wirkung keine Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 BGB und gewähren deshalb keine Schadensersatzansprüche aus dieser Vorschrift. e) Jeder von mehreren an einem Bau beteiligten Unternehmern ist rechtlich verpflichtet, die f ü r seinen Arbeitsbereich gebotenen Sicherungen selbständig zu treffen. —• Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Dezember 1956 — VI ZR 20/56 — Betrieb 1957, 235 — VersR 1957, 165 —.

§ 823 BGB 222. Lagerung von Baumaterial auf dem Bürgersteig vor Neubauten a) Daß vor noch nicht endgültig fertiggestellten Neubauten auf den vor diesen liegenden Fußsteigen sich Sandablagerungen befinden, ist anläßlich des Wiederaufbaus in zerstörten Großstädten eine alltägliche Erscheinung, die sich bei dem Umfang der Wiederaufbauten schlechthin nicht vermeiden läßt. b) E s würde eine Überspitzung der der beklagten Stadt obliegenden Verkehrssicherungspflicht bedeuten, wollte man die Beklagte — und damit die im Krieg zerstörten Großstädte — verpflichten, bei der Vielzahl der Neubauten im Zuge des Wiederaufbaus unverzüglich derartige Baumaterialablagerungen auf Fußsteigen zu beseitigen. c) Schon das hierfür erforderliche Personal steht einer Stadtgemeinde nicht zur Verfügung, und es kann ihr auch nicht zugemutet werden, aus diesem Grunde wesentlich mehr Personal zur unverzüglichen Beseitigung derartiger Ablagerungen zur Verfügung zu halten. d) Jeder Verkehrsteilnehmer muß sich auf die im Zuge des allgemeinen Wiederaufbaus nicht zu vermeidenden Baumaterialablagerungen einstellen und ein Fußgänger, der Fußsteige vor derartigen Neubauten begeht, muß auch damit rechnen, daß in solchen Sandablagerungen Fremdkörper enthalten sind, durch die er, wenn er solche Ablagerungen betritt, zu Fall kommen kann. — Landgericht Kassel, Beschluß vom 26. Januar 1956 — 5 (3) O 446/ 55 — JR 1956, 422 — B1GBW 1957, 16 — VersR 1957, 553 — DWW 1956, 214

§ 823 BGB 223. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers — Sauberhaltung der Baustelle a) Die von der Rspr. entwickelte allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, daß die Eröffnung einer Gefahrenquelle die Pflicht begründet, die zur Abwendung der Gefahren und Sicherung des Verkehrs erforderlichen Vorkehrungen zu treffen (RGRK BGB § 823 Anm. 6; Palandt § 823 Anm. 8; Ennecc.-L. § 234 II 2).

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b) Eine solche Pflicht obliegt angesichts der Gefährlichkeit von Bauarbeiten auch dem Unternehmer, dem die Erstellung eines Bauwerks übertragen wird. Sie erfordert die verkehrssichere Einrichtung der Baustelle und des Baubetriebs an sich, erstreckt sich aber keineswegs nur auf das Baugrundstück selbst, sondern auch auf die Verkehrswege, soweit sie für die Bauarbeiten benötigt werden. Dies ist anerkannt bezüglich der Lagerung von Baumaterial auf der Straße (RG im „Recht" 30.11), aber auch für eine Zufahrtstraße (RG in LZ 14, 679 betr. Zufuhr von Sand). Im übrigen kann eine räumliche Begrenzung jedenfalls insoweit nicht erfolgen, als öffentliche Straßen f ü r Bautransporte in der Nähe der Baustelle benutzt werden. c) Aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht erwächst nach st. Rspr. eine Aufsichts- oder Überwachungspflicht dann, wenn der Verpflichtete die zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht erforderlichen Maßnahmen einem Dritten überläßt. d) Die Einschaltung eines selbständigen SpezialUnternehmers für bestimmte Spezialarbeiten schließt eine Überwachungspflicht des übertragenden Bauunternehmers keineswegs aus. Die Aufsichtpflicht findet allerdings dort ihre Grenze, wo sich der übertragende Unternehmer auf die Fachkenntnisse des SpezialUnternehmers verlassen kann. — Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 8. März 1956 — 2/5 U 177/55 — VersR 1956, 667 —.

§ 823 BGB 224. Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers — Sicherung einer Baugrube Der Bauunternehmer ist nicht dafür verantwortlich, daß der Standort des ordnungsgemäß zur Sicherung einer Baugrube über dieser errichteten Bauzeltes von Unbefugten verändert wird. — OLG München, Beschluß vom 26. Juni 1956 — 4 W 161/56 — VersR 1957, 418 —.

225. Behelfsmäßige Sicherungsmaßnahmen des Bauunternehmers Wer eine Gefahrenquelle schafft und gleichzeitig eine nur behelfsmäßige Sicherungsmaßnahme vorsieht, muß es sich zurechnen lassen, wenn er die Sachlage für eine nicht vorgesehene Zeit unbeobachtet läßt und sich später herausstellt, daß zwischenzeitlich die Sicherung entfernt worden ist und dies vorhersehbar und verhütbar war. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Mai 1956 — VI ZR 52/55 — Bin GrundE 1957, 103 —.

9 Glaser, Baurecht-Entsch.

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§§ 823, 329 BGB 226. Haftung des Unternehmers für Schäden bei der Enttrümmerung Der von der Stadt Berlin mit der E n t t r ü m m e r u n g eines Grundstücks b e a u f t r a g t e Unternehmer h a f t e t nicht dem Grundstückseigent ü m e r f ü r die bei der E n t t r ü m m e r u n g angerichteten Schäden. — Landgericht Berlin, Urteil vom 9. Juni 1956 — 54 S 51/56 — HuW 1956, 336 —. § 823 BGB 227. Verkehrssicherungspflicht des Bauhandwerkers a) E s ist nicht von jedem Einzelhandwerker bei einem großen Bauvorhaben zu fordern, d a ß er — jeweils f ü r die ganze Zeit seiner Tätigkeit bis zur endgültigen Abnahme — seine Arbeitsleistung durch Bewachen, Versperren, Einfriedigen, Verschließen o. ä. schützt. b) Eine gemeinschaftliche Schutzmaßnahme der gesamten Bauhandwerker ist nicht so einfach zu erreichen, daß ein einzelner (Elektroinstallateur) die Sorgfaltspflicht verletzt, weil er auch insoweit keine Sicherungsmaßnahmen getroffen hat. c) Eine Beschädigung ist ein unabwendbares Ereignis, wenn dieses auch durch Anwendung größter Sorgfalt und aller zumutbaren Vorkehrungen nicht verhütet oder in seinen Folgen unschädlich gemacht werden könnte. Zumutbar sind Vorkehrungen, wenn die aufzuwendenden Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zu dem anzustrebenden E r f o l g stehen. — Landgericht Hagen, Urteil vom 8. Oktober 1956 — I S 284/56 — GWW 1957, 54 mit einer abl. Anm. der Schriftleitung —.

IX.

Nachbarrecht Nr. 228—257 §§ 921, 922 BGB; § 162 I 8 ALK; Art. 124 EG BGB 228. Nachbarrecht — Grenzzaun — Unterhaltungspflicht a) Bei einem Zaun handelt es sich um eine Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB. b) Die Pflicht zur Unterhaltung bestimmt sich jedoch nicht nach den nachbarrechtlichen Vorschriften des Allgemeinen Landrechts (ALR), sondern allein nach § 922 BGB. c) Durch das Inkrafttreten des BGB wurden zwar frühere landesrechtliche Bestimmungen nachbarrechtlicher Art nicht ohne weiteres aufgehoben. Ihre Fortgeltung wird jedoch durch Art. 124 EG BGB insoweit beschränkt, daß neben den im BGB enthaltenen Eigentumsbeschränkungen solche auf Grund Landesrechts nur bestehenbleiben, sofern es sich bei ihnen um Beschränkungen anderer Art als den im BGB bereits geregelten handelt (so ganz klar insbes. RGZ 162, 210, Staudinger-Gramm Bd. VI 1. Teil, 10. Aufl. 1939, Art. 124, II 2). d) In Art. 124 EG BGB heißt es ausdrücklich, daß diejenigen landesgesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, die das Eigentum an Grundstücken noch anderen als den im BGB bestimmten Beschränkungen unterwerfen. Landesgesetzlich können demnach nur andere Eigentumsbeschränkungen neben den im BGB enthaltenen zugunsten des Nachbarn aufgestellt werden. e) Im Gegensatz hierzu wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, daß die landesrechtlichen Eigentumsbeschränkungen nachbarrechtlicher Art, insbesondere die des ALR, auch nach Inkrafttreten des BGB ohne diese Einschränkung auf Grund des Art. 124 EG BGB schlechthin ihre Geltung behalten hätten. f ) § 922 BGB regelt die Unterhaltung der gemeinschaftlichen Grenzeinrichtungen im Sinne des § 921 BGB in der Weise, daß er jeden Nachbarn zu gleichen Teilen zu dieser verpflichtet, während § 162 I 8 ALR die Unterhaltungspflicht insoweit anders verteilt, als er dem Grundstücksbesitzer lediglich die Unterhaltung der rechten Grenzeinrichtung, dann aber in vollem Umfang, auferlegt. g) Bei der in § 162 I 8 ALR enthaltenen Eigentumsbeschränkung handelt es sich daher im Vergleich zu der im § 922 BGB enthaltenen 9»

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nicht um eine Beschränkung anderer Art, sondern nur um eine andere Ausgestaltung der in beiden Bestimmungen geregelten Unterhaltungspflicht gemeinschaftlicher Grenzeinrichtungen, so daß eine Anwendung des § 162 18 ALR neben oder gar an Stelle des § 922 BGB nicht möglich ist. — Landgericht Berlin, Urteil vom 9. November 1956 — 53 S 223/56 — Bin GrundE 1957, 245 — HuW 1957, 12 —. Anmerkung: Vgl. Knoll: Wer muß einen Grenzzaun wieder aufbauen? in Bin GrundE 1957, 234.

229. Unterhaltung eines Grenzzaunes a) Wer einen Grenzzaun errichtet hat, muß diesen erhalten und wiederherstellen. b) Dies gilt auch f ü r den, der einen Zaun erstellt hat, obwohl er hierzu nicht verpflichtet war. c) Derjenige, der einen Zaun durch eine Hecke ersetzt, ist verpflichtet, diese so anzulegen und zu unterhalten, daß das benachbarte Eigentum wie bisher geschützt wird. — AG Berlin-Lichterfelde, Urteil vom 20. Juni 1956 — 3/10 C 379/56 — Bin GrundE 1957, 273 —. Anmerkung: Vgl. auch LG Berlin: HuW 1957, 12 — Glaser Nr. 36/XI/1957 — oben Nr. 228.

§§ 903, 905 BGB 230. Begrenzung des Eigentums — Verbietungsrecht des Grundstückseigentümers a) Die Fassung des Satzes 2 in § 905 BGB ergibt, daß die Scheidelinie zwischen dem Recht des Grundeigentümers und der Befugnis anderer zu Eingriffen nicht durch das Interesse dieser anderen, sondern durch das des Grundeigentümers bestimmt werden soll. b) Jedes Interesse des Grundeigentümers ist zu berücksichtigen, das sich als solches erkennen läßt, sofern es nicht ausschl. darin besteht, die Gestattung einer Einwirkung von der Zahlung einer Vergütung abhängig zu machen (RGZ 59, 118; 123, 182). c) Schon das Interesse eines Grundeigentümers am freien Ausblick auf den Himmel, der durch eine zum Nachbargrundstück führende Telegraphenleitung beeinträchtigt wird, ist ausreichend (RGZ 59,116). d) Die Errichtung von Erkern, Baikonen oder sonstigen Vorbauten, die in den Luftraum über einer der Stadtgemeinde gehörigen Straßen hineinragen (RG Warn 1910 Nr. 335; Gruchot, 54, 918; OLG 18, 121; 26, 16), sofern nicht auf Grund landesrechtl. Vorschr. oder mit Rücksicht auf den Gemeingebrauch an öffentl. Straßen solche Vorbauten

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zu dulden sind, ebenso wie die nicht lotgerechte Errichtung einer Giebelmauer, die infolgedessen mit Ausbuckelungen bis zu 14 cm in den L u f t r a u m über dem Nachbargrundstück hineinragt (RGZ 88, 40), sind als nicht duldungspflichtig bezeichnet worden (RGR-Komm., 10. Aufl., § 905 Anm. 2). e) Das Überragen eines Daches braucht der Nachbar ebenfalls nicht zu dulden (Staudinger, BGB, 11. Aufl., § 905 Anm. 4). f ) Das Interesse im Sinne des § 905 Satz 2 BGB ist nach den konkreten Verhältnissen, nicht nach abstrakten Grundsätzen zu beurteilen. g) Nicht nur die augenblicklichen Verhältnisse sind zu beurteilen, es muß auch die Möglichkeit einer künftigen Änderung in der Benutzungsart in Betracht gezogen werden. h) Der Eigentümer darf auch solche Einwirkungen verbieten, die zwar im Augenblick noch nicht schädlich sind, es aber in Zukunft werden können (Staudinger, § 905 Anm. 7 unter Anf. von Rspr.). — Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 10. A u g u s t 1956 — 1 U 89/56 — MDR 1957, 37 — B1GBW 1957, 158 — Hbg. GrundE 1957, 17 —.

§ 142 II 8 Preuß. Allg. Landrecht 231. Zum Lichtrecht des Nachbarn a) Das neue Haus muß so weit von der Grundstücksgrenze zurücktreten, daß der Nachbar in aufrechter Haltung noch aus dem ungeöffneten Fenster des unteren Stockwerkes den Himmel erblicken kann. b) Von der Einhaltung dieses Abstandes kann auch dann nicht abgesehen werden, wenn die Giebelwand des neuen Hauses weiß angestrichen wird, um dem Fensterrecht des Nachbarn zu genügen. —• Landgericht Duisburg, Urteil vom 30. November 1956 — 7 S 281/56 — D W W 1957, 71 — B1GBW 1957, 126 — Glaser Nr. 37/XI/1957 —.

232. Erteilung der Baugenehmigung — Nachbarrecht a) Das OVG Münster hat bereits in seinem Beschluß vom 7. 9.1950 — IV B 352/50 — HGBR B 10 (R 2) ausgesprochen, daß weder eine Bauerlaubnis noch eine im Einzelfall gewährte Befreiung von Vorschriften der Bauordnung durch den Eigentümer des Nachbargrundstückes verwaltungsgerichtlich angefochten werden kann. b) Diese Rechtsauffassung stimmt mit der ständigen Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts überein (vgl. Bd. 14 S. 378; Bd. 70 S. 379). c) Sie geht von der Erwägung aus, daß die Baugenehmigung, die unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird, nichts anderes bedeutet als die behördliche Erklärung, daß einem beabsichtigten Bau keine

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öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, und daß deshalb, wenn die Behörde den Bau duldet, nicht sie selbst in die Rechtssphäre Dritter eingreift, sondern höchstens derjenige, der den Bau errichtet. Gegen diesen muß daher der angeblich geschädigte Dritte seine vermeintlichen Ansprüche im Zivilrechtswege geltend machen. d) Dem Nachbarn ist ein Anfechtungsrecht gegen die Baugenehmigung jedenfalls dann versagt, wenn das örtliche Baurecht unverändert, d. h. ohne Dispensgewährung im Einzelfall, zur Anwendung kommt (vgl. Pietzonka: Der Nachbar im Baurecht, NJW 1954, 1181 und die dort angegebene Rechtsprechung). e) Umstritten ist lediglich die Frage, ob der Nachbar gegen Befreiung (Dispens) von Vorschriften der Bauordnung zugunsten eines bestimmten Bauvorhabens verwaltungsgerichtlichen Schutz in Anspruch nehmen kann. Diese Streitfrage bezieht sich aber nur auf solche Vorschriften, die ausschließlich oder doch zum Teil dem Schutz der Interessen Dritter, insbesondere solcher der Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25. 2. 1954: NJW 1954, 1214). — Oberverwaltungsgericht Münster, Bescheid vom 10. Juli 1956 — VII A 1511/55 — Betrieb 1956, 1059 — BB 1957, 16 — B1GBW 1956, 351 —.

233. Klage gegen den Nachbarn wegen der Erteilung eines Dispenses a) Die Frage, ob dem Nachbarn eines Bauenden ein subjektivöffentliches Recht der Baubehörde gegenüber darauf zusteht, daß die Vorschriften der Bauordnung bei Erteilung einer Bauerlaubnis beachtet werden, und er demgemäß im Falle einer Verletzung baurechtlicher Vorschriften ein Klagerecht hat, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. b) Ein solches Klagerecht hätte zur Voraussetzung, daß es Vorschriften des materiellen öffentlichen Baurechts gibt, die nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch im Interesse des Nachbarn erlassen worden sind. c) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, ob es Vorschriften gibt, die Schutzvorschriften für Dritte darstellen, in seinem Beschluß vom 25. 2.1954 (HGBR Rspr. 1954 Nr. 63) zwar angeschnitten, aber offengelassen. Das Preuß. OVG hat die Klage des Nachbarn gegen eine Dispenserteilung mit der Begründung für unzulässig erachtet, daß eine solche Klage nicht ausdrücklich zugelassen sei (Pr. Verw.Blatt Bd. 50, 796). Das LVG Hannover hat in seinem Urteil vom 16. 2.1948 (DVB1.1949, 166) die Zulässigkeit einer Klage gegen eine Dispenserteilung ebenfalls verneint (vgl. über den Stand der Rechtsprechung: Pietzonka: Der Nachbar im Baurecht: NJW 1954, 1181).

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d) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgerichtshof Stuttgart — vgl. Urteil vom 10. 4.1951 — L/I Nr. 308/50 — DVB1.1951, 612 — ist die erkennende Kammer der Auffassung, daß es einzelne zwingende Vorschriften der Bauordnung gibt, die, da sie im Interesse eines Einzelnen ergangen sind, subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn zur Entstehung bringen. e) Ob eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts eine solche Schutzvorschrift für einen Einzelnen darstellt, bedarf in jedem Fall besonderer Prüfung. f ) Von der Verletzung einer Schutzvorschrift kann nicht gesprochen werden, wenn es sich um eine Bauerlaubnis ohne Abweichung von dem geltenden öffentlichen Baurecht handelt. g) Auf eine solche Bauerlaubnis hat der Bauherr, wie allgemein anerkannt wird, einen Rechtsanspruch. Öffentlich-rechtliche Schutzrechte eines Dritten sind insoweit undenkbar, weil sie mit dem Grundsatz der Baufreiheit unvereinbar wären. h) Anders verhält es sich jedoch bei einer Befreiung (Dispens). Sie bedeutet die Änderung des materiellen Baurechts durch die zuständige Behörde für einen bestimmten Bau mit der Wirkung, daß dieser, der bewilligten Befreiung entsprechend ausgeführt, jeder Anfechtung seitens der Bauaufsichtsbehörde entzogen ist (vgl. PrOVG Bd. 29, 354). Eine Befreiung kann dann eine Verletzung von im Interesse Einzelner ergangener Schutzvorschriften darstellen. — Landesverwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 22. Dezember 1955 — 4 K 3442/55 — HGBR Rspr 1956 Nr. 103 — B1GBW 1956, 351 —.

i) Dem Grundstückseigentümer steht gegen den seinem Nachbar erteilten Befreiungsbeschluß die Anfechtungsklage zu, wenn von der Einhaltung zwingender Bauvorschriften, die auch zu seinem Schutze erlassen worden sind, in rechts- und ermessensfehlerhafter Weise dispensiert worden ist. k) Eine rechtswidrig erteilte Bauerlaubnis kann auch noch dann widerrufen werden, wenn mit der Ausführung des Baues bereits begonnen worden ist. — Landesverwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 17. November 1955 — 4 K 3604/55 — BBauBl 1956, 660 —.

234. Bauerlaubnis — Rechte des Grundstücksnachbarn a) Ob dem Nachbarn ein klagbares Recht auf Einhaltung der Bauvorschriften zusteht, hängt davon ab, ob die in Betracht kommende Vorschrift ausschließlich oder wenigstens zum Teil auch den Interessen Dritter zu dienen bestimmt ist. Dies trifft in der Regel nicht zu. b) Ein subjektives Recht des Nachbarn besteht möglicherweise insoweit, als die Behörde entgegen dem nach allgemeinen Grundsätzen geltenden Willkürverbot gehandelt hat.

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c) Hat der Grundstückseigentümer nach den Bauvorschriften kein Recht zur Verhinderung eines Bauvorhabens auf dem Nachbargrundstück, so bedeutet die Genehmigung dieses Bauvorhabens, auch wenn es den Wert seines Grundstücks mindern sollte, keine Enteignung und keinen enteignungsgleichen Tatbestand. — Württ.Bad. Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 8. März 1955 — 3 K 29/55 — VerwRspr 1956, 605 — GWW 1957, 29 (n. L.) —. 235. Baurecht — Bauerlaubnis — Nachbarrecht Art. 59 Abs. 1 Württ. Bauordnung räumt dem Nachbarn keinen Rechtsanspruch gegen die Behörde darauf ein, daß sie seine Interessen in bestimmter Weise zu berücksichtigen hat. — Württ.Bad. Verwaltungsgerichtshof Stuttgart, Beschluß vom 8. Juni 1955 — I S 266/55 — Verwaltungsrechtsprechung Bd. 8, 214 — GWW 1956, 436 (n.L.) —. 236. Allgemeines Baurecht — Anfechtungsrecht des Nachbarn a) Gewährleistet die Ortssatzung ausdrücklich ein ruhiges Wohnen, so kann jeder die Aufhebung einer Bauerlaubnis verlangen, mit der die Errichtung einer lärmverursachenden Anlage in seiner Nachbarschaft genehmigt wird. b) Auflagen zwecks Lärmvermeidung schließen die Rechtswidrigkeit der Bauerlaubnis nicht aus, wenn sich erst nach Inbetriebnahme des Baues erweisen kann, ob die Nachbarn gestört werden. c) Die den Nachbarn offenstehenden zivilrechtlichen Möglichkeiten entheben die Baugenehmigungsbehörde nicht der Pflicht, die in der Ortssatzung garantierten öffentlich-rechtlichen Ansprüche der Nachbarn zu beachten. —• Landesverwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 17. Juli 1956 — A 173/56 — GWW 1956, 583 — DVB1 1956, 727 —. §§ 11, 13 Reichsgaragenordnung 237. Nachbarrecht — Erstellung von Kleingaragen a) Die Anfechtungsklage ist gegeben, wenn der unmittelbare Grundstücksnachbar eines Bauenden die Verletzung seiner Rechte durch die dem Bauenden erteilte Baugenehmigung behauptet; denn eine solche Rechtsverletzung ist an sich möglich, da es im württ. Baurecht auch subjektive öffentliche Rechte zugunsten Dritter, insbesondere zugunsten der Nachbarn gibt. b) Das württ. Baurecht kennt keine Vorschrift, nach der der Grundstücksnachbar eines Bauenden verlangen könnte, daß ihm durch das Bauvorhaben des Bauenden der Zutritt von Licht (und Luft) zu seinem eigenen Anwesen nicht beeinträchtigt werde.

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c) § 13 Abs. 4 und 5 RGaO, wonach die Baugenehmigungsbehörde die Erstellung von Kleingaragen auf die Nachbargrenze, auch gegen den Widerspruch des Nachbarn, zulassen kann, ist geltendes Recht und geht landes- und ortsbaurechtlichen Vorschriften vor. — Württ.Bad. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 21. Juli 1955 — 2 S 142/53 — VerwRspr. 1956, 603 — GWW 1957, 28 (n. L.) —. Anmerkung: Zu c): Vgl. auch OVG Berlin: JR 1956, 74 — Nr. 304/1957 ds. Sg.

§§ 226, 903, 1004 BGB; Art. 14 Abs. 2 GG 238. Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis * a) Mit Rücksicht auf die beengten Verhältnisse des heutigen menschlichen Zusammenlebens ist das Interesse des Grundstückeigentümers an schrankenfreier Sachherrschaft auf entgegenstehende gewichtige Interessen des Nachbarn abzustimmen. b) Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, die vom Bundesgerichtshof bestätigt worden ist, folgt aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis die Rechtspflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme beim Ausgleich widerstreitender Interessen und damit die Pflicht, unter Umständen auf die Ausübung bestehender Rechte zu verzichten. Diese gegenseitige Verpflichtung ergibt sich bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das nachbarschaftliche Zusammenleben, ohne daß ein Verstoß gegen die guten Sitten oder gar die Voraussetzungen des § 226 BGB vorzuliegen brauchen (so RGZ 107/14 [24] ; BGH [15. 6. 1951] LM. Nr. 1 § 903 BGB; BGH [10. 4. 1953] LM. Nr. 2 § 903 BGB). — Landgericht Bremen, Urteil vom 20. Dezember 1955 — 7 S 665/55 — HGBR Rspr 1956 Nr. 114 — Brem. HZtg. 1956 Nr. 6 —.

§§ 823, 906 BGB 239. Haftung eines Großkraftwerkes für die Beeinträchtigung benachbarter Grundstücke durch Ablagerung von Flugasche a) Daß bereits ein einzelnes Industriewerk von besonderer Bedeutung und Ausdehnung das Bild einer Landschaft verändern und ihr ein charakteristisches Gepräge verleihen kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. RG Warn. 12 S. 215 ; OLG Hamm, BB 1953, 719). b) Diese Tatsachen rechtfertigen es, die von einem Großkraftwerk aus dem über 100 m hohen Schornstein ausgehende Verschmutzung der Umgebung als ortsüblich anzusehen. c) Gegen eine Anwendung des § 242 BGB bestehen bei nachbarlichen Rechtsbeziehungen wegen ihres schuldrechtlichen Charakters keine Bedenken.

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d) Die Rechtsprechung hat einen Ausgleichsanspruch nur dann gewährt, wenn bei einem Nachbarn durch die Immissionen von einem Nachbargrundstück eine Existenzgefährdung eingetreten war (vgl. RGZ 154, 176; 159, 140). e) In Abweichung von dieser Rechtsprechung ist ein Ausgleichsanspruch schon dann zu gewähren, wenn dem einwirkenden Betrieb nach dem Stand der Technik bessere als die bei ihm vorhandenen Abwehrmittel grundsätzlich zur Verfügung stehen und er diese nur aus ihm nicht vorwerfbaren Gründen nicht rechtzeitig hat einbauen können. Denn ein Nachbar kann unter derartigen Voraussetzungen nicht verpflichtet sein, „schwere" Nachteile entschädigungslos zu dulden. — Landgericht Kassel, Urteil vom 2. März 1955 — 3 (6) O 87/52 — VersR 1956, 459 —. Anmerkung: Vgl. Mühl: Interessenausgleich im Nachbarrecht: NJW 1956, 1657.

240. Nachbarrecht — Duldung von Geräuschen a) Der Mieter kann auf Grund seines Mietbesitzes an der Wohnung Unterlassung der vom Nachbargrundstück ausgehenden Geräusche verlangen, soweit er diese nicht gemäß § 906 BGB zu dulden verpflichtet ist. b) Eine durch die moderne Entwicklung der Technik bedingte Gewöhnung und Unempfindlichkeit gegenüber Geräuschen h a t nicht zur Folge, daß dauerndes Brummen oder Summen von Maschinen an sich und allgemein nicht mehr als wesentliche Störung empfunden werden. c) Eine als wesentliche Störung empfundene und nicht ortsübliche Geräuscheinwirkung aus einem benachbarten Gewerbebetrieb wird nicht dadurch zulässig, daß sie auf der Verwendung moderner Maschinen an Stelle veralteter Arbeitsmethoden beruht. —• Oberlandesgericht Bremen, Urteil vom 31. März 1955 — 2 U 436/54 — ZMR 1956, 193 — Berliner Grundeigentum 1956, 442 — WM 1956, 133 (n.L.) —.

§ 1004 BGB 241. Eigentumsbeeinträchtigung durch einen Kinobetrieb a) Nach § 1004 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks von einem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen und auf Unterlassung klagen, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. b) Dringt aus einem Lichtspieltheater bei Vorführung geräuschvoller Filme oder musikalischer Darbietungen, insbesondere in Spätvorstellungen, erheblicher Lärm in das Nachbargrundstück, so kann dessen Eigentümer nach § 1004 BGB gegen die Verantwortlichen auf Unterlassung der Störungen klagen.

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c) Solche Störungen sind nicht ortsüblich, weil es sich nicht um monotonen Verkehrs- oder Maschinenlärm mit neutralem Klangcharakter handelt, sondern um die Übertragung von charakteristischen Geräuschen aus dem jeweiligen Filmgeschehen, das durch Melodie, Sprache oder andere filmtypische Laute bestimmt wird und dadurch das menschliche Ohr in besonderer Weise anspricht. — Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 7. Mai 1956 — 1 U 17/56 — Betrieb 1956, 963 — BB 1956, 910 — Bin Grundeigentum 1956, 629 — MDR 1956, 738 (n.L.) —.

242. Lärmverursachende Bauanlagen in einem reinen Wohngebiet Falls eine Ortssatzung ein ruhiges und gesundes Wohnen ausdrücklich gewährleistet, kann jeder die Aufhebung einer Bauerlaubnis verlangen, mit der die Errichtung einer lärmverursachenden Anlage in seiner Nachbarschaft genehmigt worden ist. — Landesverwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 17. Juli 1956 — A 173/56 — Bln. Grundeigentum 1957, 45 (n. L.) —.

243. Polizeiliches Einschreiten gegen einen störenden Betrieb (Schweinemästerei) a) Die Unterhaltung einer Schweinemästerei in einem städtischen Wohnviertel rechtfertigt ein polizeiliches Einschreiten auf Grund von § 14 PVG. b) Der Schutz der öffentlichen Ordnung u m f a ß t den Schutz aller Normen über Handlungen, Unterlassungen und Zustände, deren Befolgung über die Grenzen des geltenden bürgerlichen, kriminellen oder sonstigen öffentlichen positiven Rechts hinaus nach der herrschenden allgemeinen Auffassung zu den unerläßlichen Voraussetzungen gedeihlichen menschlichen Zusammenlebens gehören (Drews-Wacke, Allgemeines Polizeirecht, 6. Auflage, S. 24). c) Den Anliegern einer ausgesprochen städtischen Wohngegend kann nicht zugemutet werden, die von der Mästerei herrührenden Einwirkungen, insbesondere die mit ihr notwendigerweise verbundenen Gerüche und Geräusche in Kauf zu nehmen. Die Beibehaltung eines derartigen Betriebes stört das geordnete menschliche Zusammenleben. d) Die Tatsache, daß die Mästerei auf einen landwirtschaftlichen Betrieb zurückgeht, der bereits seit Jahrzehnten besteht, kann zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage führen. e) Jede Schweinemästerei birgt gewisse Gefahren in sich, die indessen — solange die Umgebung rein landwirtschaftlichen Charakter zeigt und der Betrieb ordnungmäßig geführt wird — hinzunehmen sind. Diese latent vorhandenen Gefahren werden aber mit zunehmender Bebauung und steigendem städtischen Charakter der Umgebung

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verwirklicht und damit polizeiwidrig, selbst wenn der Betrieb bei seiner Einrichtung ordnungmäßig geführt sein sollte und auch jetzt ebenso ordnungsgemäß geführt würde (vgl. Drews-Wacke a. a. O. S. 92). —• Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluß vom 16. Oktober 1956 — VII A 1071/56 — B1GBW 1957, 238 —.

244. Klinik in einem Wohngebiet — Bauerlaubnis — Grunddienstbarkeit a) Die Baupolizei ist durch eine im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit und die darin enthaltenen Baubeschränkungen nicht gehindert, die Baubefreiung zu erteilen. b) Die Grunddienstbarkeit als Einrichtung des privaten Rechts gibt dem Berechtigten eine Rechtsstellung, die ihn befugt, dem Eigentümer des dienenden Grundstücks das Errichten von Baulichkeiten, die nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit unzulässig sind, zu verbieten. c) Kommt der Eigentümer des dienenden Grundstücks dem Verbot nicht nach, kann dieses im Wege der Klage auf Unterlassung vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden. d) Die Baupolizei hat jedoch vor Erteilung eines Bauscheines nur zu prüfen, ob Hinderungsgründe aus dem öffentlichen Recht dem geplanten Bauvorhaben entgegenstehen. e) Wenn das allgemeine Wohl das Errichten von Krankenanstalten und Kliniken auch in Wohngebieten fordert, dann liegt es im E r messen der Baupolizei, ob sie Befreiung f ü r das geplante Bauvorhaben erteilen will. —• Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 26. August 1955 — II B 91/55 — Berliner Grundeigentum 1956, 500 —.

245. Beeinträchtigung der Vermietbarkeit eines Villenhauses durch baupolizeiliche Duldung einer benachbarten Behelfsheimsiedlung a) Der Grundstückseigentümer hat im allgemeinen kein Recht auf das Fortbestehen von Vorteilen, die sich aus einer bestimmten Verkehrs- oder Wohnlage auf Grund von Bebauungsplänen ergeben. b) Aus Änderungen von Bebauungsplänen, die sein Grundstück und das Eigentum daran (einschließlich der aus dem Eigentum fließenden Einzelbefugnisse) nicht unmittelbar berühren, kann der Grundstückseigentümer Entschädigungsansprüche nicht herleiten. c) Nur bei solchen hoheitlichen Eingriffen, die die Substanz des Eigentums selbst berühren und dessen Wesensgehalt beeinträchtigen, wird Entschädigung gewährt.

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d) Einen Entschädigungsanspruch aus Enteignung oder enteignungsgleichem Eingriff hat nur der, gegen dessen „Eigentum" der Verwaltungsakt gerichtet ist, den also die Verwaltung als den Betroffenen, dem ein Sonderopfer abverlangt wird, im Auge hat, nicht auch der, auf den sich mittelbar ein gegen einen anderen gerichteter Verwaltungsakt nachteilig auswirkt (Fischer in Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages Berlin 1955, Bd. II, Sitzungsberichte C 43, 52, 6 6 f . ) . e) Für die Beeinträchtigung der Chance, sein Haus günstiger vermieten zu können, wenn eine Behelfsheimsiedlung in der Nachbarschaft nicht bestünde, kann eine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen nicht gefordert werden. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Februar 1957 — III ZR 181/55 — Bin GrundE 1957, 216 — NJW 1957, 633 — BBauBl 1957, 411 — GWW 1957, 160 (n. L.) — BB 1957, 277 (n. L.) —.

246. Lichtschutzrecht — Glasbausteine in der Giebelmauer a) Zweck der Vorschriften über das sogenannte Fenterrecht eines Grundstücksinhabers gegenüber dem benachbarten Grundstück ist es, den Eigentümer eines Grundstückes vor Einwirkungen zu schützen, die von einem Gebäude auf dem Nachbargrundstück ausgehen können (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., Anm. 7 zu Art. 124 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch) . b) Geräusche, Gerüche sowie die Möglichkeit, dauernd beobachtet zu werden, sind solche Einwirkungen. Sie alle setzen eine wirkliche Durchbrechung des Mauerwerkes voraus, die durch ein Fenster nur unvollkommen abgeschlossen werden kann. c) Bei der Verwendung von Glasbausteinen, die in der Giebelwand fest und fugenlos vermauert sind, liegt aber eine solche Durchbrechung des Mauerwerkes nicht vor. d) Nach dem derzeitigen Stand der Technik kommen Glasbausteine den Ziegelsteinen in bezug auf Festigkeit und Haltbarkeit erfahrungsgemäß zumindest gleich; sie sind überdies undurchsichtig. e) Einwirkungen auf das Nachbargrundstück sind bei dieser Beschaffenheit ebensowenig zu besorgen wie bei der Verwendung von Stein- oder Ziegelbaustoffen. Der Grundstückseigentümer kann deshalb die Beseitigung der durch die Glasbausteine geschaffenen Lichtöffnungen im Nachbargebäude nicht verlangen. — LG Düsseldorf, Urt. v. 14. Juni 1957 — 6 S 33/57 — BB 1957, 951 — Informationsdienst des Deutschen Volksheimstättenwerks 1957, 163 —.

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247. Nachbarrecht — Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Hochziehen eines in der Giebelmauer befindlichen Kamins a) Wenn der Grundstückseigentümer beim Wiederaufbau seines kriegszerstörten Hauses gleichzeitig mit der halbscheidigen Giebelmauer auch den Kamin des Grundstücksnachbarn bis zur Dachhöhe hat aufmauern lassen, dann ist der Nachbar um die bei dem Aufbau des Kamins aufgewendeten Kosten bereichert (§ 812 BGB). b) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kamin halbachsig auf beiden Grundstücken steht, oder ob er sich ausschließlich auf dem Grundstück des Nachbarn befindet. c) Im ersteren Falle würde der Kamin das rechtliche Schicksal der halbscheidigen Giebelmauer teilen, d. h. er würde wie diese Grenzeinrichtung im Sinne des § 921 BGB sein. Der Nachbar ist dann Eigentümer des auf seinem Grundstück stehenden Kaminteiles geworden, andererseits aber dem Erbauer des Kamins gemäß § 946 BGB nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 951, 812 BGB) insoweit zum Wertersatz verpflichtet, als er den Kamin in Benutzung genommen hat (Staudinger Anm. 16 zu § 921 BGB; OLG Düsseldorf in Rhein. Arch. 110, 153 u. 309). d) Sofern aber der Kamin ausschließlich auf dem Grundstück des Nachbarn steht, ist dieser in unmittelbarer Anwendung der Bereicherungsvorschriften, soweit er den Kamin benutzt, zur Werterstattung verpflichtet. e) Diese Erstattungspflicht beruht auf dem in § 812 BGB verankerten Rechtsgrundsatz, daß derjenige, der die von einem anderen hergestellten Einrichtungen benutzt, die durch diese Benutzung ersparten Aufwendungen zu ersetzen hat (vgl. Palandt Anm. 5 c zu § 812 BGB). f ) Bei der Entziehung von Licht und Luft handelt es sich um sogenannte negative Einwirkungen, die nach dem geltenden Recht nur dann unzulässig sind (§ 826 BGB), wenn sie in schädigender Absicht erfolgen (RG 98, 15). — Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 4. Dezember 1956 — 22 S 140/56 — BBauBl 1957, 355 — B1GBW 1957, 191 —.

248. Nachbarrechtliches Gemeinschaftsverhältnis — Höherbau — Höherziehen der Kamine des Nachbarhauses a) Eine Einwirkung im Sinne des § 906 BGB liegt nur dann vor, wenn ein unmittelbares Zuführen sinnlich wahrnehmbarer Stoffe auf das Nachbargrundstück hin, also eine Grenzüberschreitung, stattfindet (RGZ 155, 154 [157, 158]; RGR.Komm. § 906 Anm. 1; Erman § 906 Anm. 3; Staudinger § 903 Anm. 16; KG JW 1937, 2928), wenn es sich also um eine aktive Ausbreitung der Stoffe von einem anderen

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Grundstück aus handelt (Soergel § 906 Anm. 2c). Nicht jedoch fallen hierunter die nur mittelbaren (negativen) Einwirkungen, die dann vorliegen, wenn der Eigentümer sein Grundstück zwar ausschließlich innerhalb seiner Grenzen nutzt, jedoch trotzdem, ohne daß unmittelbare aktive Einwirkungen auf das Nachbargrundstück erfolgen, für dieses mittelbar gewisse Nachteile eintreten (Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 3. Aufl. § 38 Anm. I, l e ) , wenn insbesondere nur natürliche Zuführungen abgehalten werden (BGH LM § 903 Nr. 1). b) Als solche mittelbaren Einwirkungen sind anzusehen die Entziehung von Licht, Luft und Aussicht, das Schattenwerfen (MeisnerRing, Nachbarrecht 4. Aufl. § 14 Anm. I; RG JW 1909, 161; RGZ 98, 15 [16, 17]; KG JW 1937, 2928), durch ein Gebäude verursachte Windstauungen, Wirbel- und Stoßwinde, welche die Leistung einer Windmühle verringern (RGR Komm. § 906 Anm. 1; OLG Celle MDR 1954, 242). c) Auch das durch das bloße Dasein eines Gebäudes verursachte Abprallen des Windes und des Regens fällt darunter (RG Gruchot 58, 1026 [1028] ; RGR Komm. § 906 Anm. 1). d) Richtig ist, daß gegenüber der strengen, als herrschend anzusehenden Auffassung, die Voraussetzungen der §§ 903 ff. BGB seien nur zu bejahen, wenn positive Einwirkungen vorlägen, eine vermittelnde Ansicht vertreten wird, wonach der Eigentümer, auch wenn er im allgemeinen mittelbare Einwirkungen werde hinnehmen müssen, solche jedoch dann verbieten könne, wenn sie ihm trotz billiger Rücksicht auf das Gemeinwohl und den Nachbarn nicht zuzumuten seien (Palandt § 903 Anm. 3, § 906 Anm. 2 b). e) Dieser Rechtsgedanke gründet sich auf § 242 BGB, aus dem heraus sich überhaupt der Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses entwickelt hat (Staudinger § 906 Anm. l c ; RGZ 167, 14 [23]); er ist allerdings in der von Palandt vertretenen allgemeinen Form bisher nirgends gebilligt oder bestätigt worden. f) Auch der BGH (LM § 903 Anm. 1) hat hierzu ausgesprochen, daß in erster Linie die Ausgleich widerstreitender Interessen von Grundstücksnachbarn durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften geschehe, und daß daher eine über sie hinausgehende Beschränkung an sich bestehender Eigentumsrechte auf Grund der Verpflichtung zur Rücksichtnahme, die dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis entspreche, eine durch zwingende Gründe erforderte Ausnahme bleiben müsse. g) Der Begriff der Ortsüblichkeit ist je nach dem Fortschreiten des Verkehrs, der Technik und der Denkweise der beteiligten Volkskreise wandelbar (RGR Komm. § 906 Anm. 11 ff.; Palandt § 906 Anm. 3b; RGZ 154, 161 [164], Meisner-Ring a.a.O. S. 197). Ent-

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scheidend ist allein, ob die Belästigung von einer Benutzung des Nachbargrundstücks herrührt, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich ist. In solchen Fällen muß der Eigentümer eine auch als übermäßig erscheinende Einwirkung dulden und hat keinen Abwehranspruch (Staudinger § 906 Anm. 31). h) Wenn sich aus dem Höherbauen, das im Rahmen der Ortsüblichkeit erfolgt, Nachteile f ü r das Nachbargrundstück ergeben, die nicht positive, sondern nur negative Einwirkungen darstellen, so kann der Ausgleich widerstreitender Interessen der Grundstücksnachbarn grundsätzlich eben nur durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften erfolgen, wie der BGH mit Recht betont hat (BGH LM § 903 Nr. 1). i) Lediglich im Ausnahmefall läßt sich bei zwingenden Gründen aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis heraus eine weitergehende Beschränkung des Eigentums bzw. eine daraus fließende Verpflichtung dem Nachbarn gegenüber bejahen. E s geht aber nicht an, auf dem Umwege über eine nicht eindeutig festgestellte Ortsüblichkeit dem Nachbarn weitergehende Einschränkungen in der Benutzung seines Eigentums und zusätzliche Verpflichtungen aufzuerlegen (s. auch OLG Celle MDR 1954, 242). k) Die Entziehung von Licht und L u f t ist an sich nicht sittenwidrig, sofern der Nachbar mit seinen Maßnahmen in seinem erlaubten Interesse handelt und sofern diese Entziehung nicht nur in Schädigungsabsicht erfolgt (RGZ 98, 15 [17]; Meisner-Stern-Hodes § 38 Anm. I l e ) . 1) Der höherbauende Eigentümer eines Grundstückes ist nicht verpflichtet, die Kamine des niedrigeren Nachbarhauses höher ziehen zu lassen oder die Kosten hierfür zu tragen. —• Oberlandesgericht München, Urteil vom 22. November 1956 — 1 U 2020/55 — DWW 1957, 68 —.

§§ 823, 862, 903, 906; §§ 74, 75 Einleitung Preuß. ALK 249. Erschütterungen und Geräusche von Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück a) Schädiger i. S. des § 823 BGB ist nicht nur der unmittelbare Täter, der die Beeinträchtigung vornimmt, sondern auch derjenige, der die Störung durch seine Anordnung veranlaßt hat oder in ungehöriger Weise duldet, wenn nur die Beeinträchtigung auf seinen Willen zurückzuführen ist (RG 97, 26; 159, 136; BGH in LM, Entsch. Nr. 1 zu § 906 BGB; RGRK Anm. 13g zu § 906; Soergel Anm. 4g aa zu § 906 BGB). b) Wann eine Störung rechtswidrig ist, beurteilt sich nach § 906 BGB, der auch im Verhältnis zum Besitzer gilt (BGH a. a. O.; Palandt Anm. 2 zu § 862 BGB).

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c) Nach § 906 BGB braucht der Nachbar wesentliche Störungen nicht zu dulden, wenn sie nach den örtlichen Verhältnissen nicht üblich sind. d) D a ß die mit dem Einsatz von P r e ß l u f t h ä m m e r n verbundenen Erschütterungen und Geräusche über den Rahmen gewöhnlicher Einwirkungen hinausgehen, steht außer Zweifel. e) F ü r die F r a g e der Ortsüblichkeit kommt es allein auf das Maß der Störung a n ; bereits ortsübliche Störungen gestatten aber nicht, Geräusche und Erschütterungen rücksichtslos zu steigern (MeisnerStern-Hodes, Nachbarrecht, 1955 S. 205). f ) Mag es auch zweifelhaft erscheinen, ob Lärmeinwirkungen hingenommen werden müssen, so brauchen doch andererseits schädigende Erschütterungen nicht ohne weiteres geduldet zu werden. Hier müssen vielmehr von dem Schädiger besondere Maßnahmen e r w a r t e t werden, die geeignet sind, die Schädigungsgefahr weitestgehend einzudämmen. g) E s entspricht der ständigen Rechtsprechung, d a ß ein Verzicht in der Regel n u r die dem Erklärenden bekannten Rechte betrifft, nicht aber auch solche, die ihm etwa aus Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. h) E s bedarf besonderer Umstände, um auf den Willen des E r klärenden, auch etwaige Schadenersatzansprüche aufgeben zu wollen, schließen zu können (vgl. RG 84, 405; 116, 316; 118, 66; J W 27, 2114; RGRK Anm. 1 zu § 397 BGB). i) E s entspricht ständiger Rechtsprechung und Rechtslehre, daß eine Ersatzpflicht auch da besteht, wo dem Geschädigten gegenüber den Einwirkungen Dritter aus überwiegenden privaten oder öffentlichen Interessen die Abwehr versagt ist. Dieser Grundsatz h a t allgemeine Geltung. E r rechtfertigt sich aus dem Gedanken, d a ß es unbillig wäre, demjenigen, der sich eine Beeinträchtigung seiner Rechte gefallen lassen muß, f ü r den Fall einer von ihm nicht abzuwehrenden Schädigung einen Ersatzanspruch zu versagen (vgl. RG 104, 19). Das gilt auch f ü r solche Schäden, die vor Klageerhebung bereits eingetreten waren (RG 139, 29). — Landgericht Wiesbaden, Beschluß vom 12. Oktober 1956 — I S 388/56 — VersR 1957, 186 —. § 823 BGB 250. Haftung des Hausverwalters für Schäden auf dem Nachbargrundstück a) E s besteht keine allgemeine Rechtspflicht, fremdes Eigentum gegen Gefahren zu schützen. Jeder ist jedoch d a f ü r verantwortlich, d a ß die seiner V e r f ü g u n g unterliegenden Sachen nicht infolge ord10 Glaser, Baurecht-Entsch.

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nungswidrigen Zustands die auf einem Nachbargrundstück errichteten Gebäude gefährden. b) Auch der Verwalter einer Hausruine ist verpflichtet, einen f ü r die Nachbargrundstücke gefährlichen Bauzustand zu beseitigen. Für die Folgen einer Verletzung dieser Pflicht haftet er gemäß § 823 Abs. 1 BGB. c) Der Lauf der Verjährungsfrist nach § 852 BGB beginnt erst mit dem Zeitpunkt, an dem begründete Zweifel über die Person des Ersatzpflichtigen nicht mehr bestehen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. November 1956 — VI ZR 173/55 — VersR 1957, 30 —.

251. Haftung des Bauunternehmers bei Gefährdimg des Nachbarhauses a) Für Schäden eines Dritten ist grundsätzlich nur der Bauunternehmer oder der Bauleiter, nicht aber der Bauherr strafrechtlich verantwortlich und zivilrechtlich haftbar. b) Den Bauherrn kann aber wegen mangelnder Sorgfalt bei der Auswahl von Bauleiter und Bauunternehmer ein Verschulden treffen. c) Es ist keine gesetzliche Bestimmung vorhanden, welche dem Eigentümer des Hauses, welches weggerissen werden soll, die Verpflichtung auferlegt, dafür zu sorgen, daß dem Nachbarhaus ein anderweitiger genügender Halt gegeben wird. d) Wenn kein besonderes Rechtsverhältnis, wie z. B. eine Servitut, vorliegt, so kann der Eigentümer sein Haus wegreißen, auch wenn dadurch dem Haus des Nachbarn der Halt verloren geht. Doch muß er dabei mit aller Vorsicht verfahren, widrigenfalls er gemäß § 367 Nr. 14 StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB ersatzpflichtig werden kann. —• Landgericht Amberg, Urteil vom 30. November 1955 — 2 O 153/55 — Bayer. GWW 1956, 167 —.

252. Beeinträchtigung eines Grundstücks durch eine Bohrleitung a) Ein Grundstückseigentümer ist nicht verpflichtet, zu dulden, daß durch eine unter der Erde angelegte Rohrleitung sein Grundstückseigentum beeinträchtigt wird, auch wenn der Voreigentümer sich demjenigen gegenüber, der die Rohrleitung angelegt hat, zu deren Duldung verpflichtet hat. b) Anderes gilt nur dann, wenn die Verpflichtung des Voreigentümers auf den Grundstückseigentümer durch Rechtsgeschäft übertragen worden ist, oder dieser selbst diese Verpflichtung übernommen hat. — Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 9. Februar 1956 — 2 / 5 U 105/55 — BB 1956, 579 —.

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§ 836 BGB 253. Haftung für Schäden infolge Einsturzes eines Bauwerks auf dem Nachbargrundstück a) Gemäß § 836 Abs. 3 BGB betreffen die Vorschriften über die Haftung des Grundstücksbesitzers für den Einsturz eines mit dem Grundstück verbundenen Werkes nur den Eigenbesitzer. Entsprechendes muß für die Haftung dessen gelten, der in Ausübung eines Rechts ein Werk auf einem fremden Grundstück besitzt. b) Der Eigenbesitz hängt im Gegensatz zu anderen Besitzformen nicht allein von der tatsächlichen und rechtlichen Lage ab, sondern ist eine durch den Willen des Besitzers, die Sache auch rechtlich zu beherrschen, besonders gestaltete Besitzform (RGR Kom. § 872 Anm. 1; Staudinger-Seuffert, 11. Aufl. Anm. 1; Soergel Anm. 1). c) Die Tatsache, daß jemand Eigenbesitzer eines Grundstückes ist, bedeutet noch nicht, daß er auch Eigenbesitzer jedes von dem Grundstück ausgehenden Werkes und insbesondere jedes Teiles eines Werkes ist, das mit dem Grundstück in irgendeinem Zusammenhang steht. d) Wird der Schaden durch den Einsturz des Werkes herbeigeführt, so kommt es darauf an, ob sich der Eigenbesitz und also namentlich auch dessen Voraussetzung, der Besitzwille, auch auf das Werk und dessen schädigenden Teil erstreckt hat. Sonst könnte sogar ein Teil des Werkes, das von einem bestimmten Grundstück ausgeht und ohne oder gegen den Willen des Grundeigentümers und ohne dessen Kenntnis mit dem eigentlichen Werk verbunden worden ist, zu einer Haftung des Grundeigentümers und Eigenbesitzers des Grundstücks führen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 1956 — VI ZR 345/54 — VersR 1956, 348 —.

§§ 242, 679, 683, 812, 823, 836, 906, 907, 921, 922, 1004 BGB; §§ 197, 198 Preuß. Wassergesetz; Art. 14 GG 254. Haftung für Feuchtigkeitseinwirkungen auf das Nachbargrundstück. Der Trümmergrundstückseigentümer kann von seinem Nachbarn nicht auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden, der dem Nachbarn dadurch entstanden ist, daß von dem Trümmergrundstück aus Feuchtigkeit durch die Giebelmauer in das Haus des Nachbarn eingedrungen ist. — Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 22. Juni 1956 — 4 U 57/56 — N J W 1956, 1564 — B1GBW 1956, 302 — HGBR Rspr 1957 Nr. 6 — BBauBl. 1956, 658 —. Anmerkung: Ebenso OLG Oldenburg: VersR 1955, 445; Nds. Rpfl. 1956, 54 — Nr. 291/1957 ds. Sg.; vgl. auch Bartsch: N J W 1956, 1266; Nr. 289/293/1957 ds. Sg. m. w. N. 10»

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§§ 1004, 903 BGB 255. Anspruch auf Beseitigung der in die Abwasserleitung des Nachbarn eingedrungenen Wurzeln einer Trauerweide a) Der Nachbar hat die von seiner Trauerweide in die Abwasserleitung eingedrungenen Wurzeln zu entfernen und die durch die Beseitigung der Wurzeln entstehenden Kosten zu tragen. b) Rechtspflicht der Grundstücksnachbarn zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die widerstreitenden Interessen. — Landgericht Tübingen, Urteil vom 4. Juni 1952 — I S 1/52 — HGBR Rspr 1957 Nr. 51 — Hecht der Landwirtschaft 1954, 44 — Württemberg. HZtg. 1955 Nr. 11 — Glaser Nr. 50/XI/1957 —.

§ 1004 BGB 256. Beeinträchtigung eines Grundstückes durch Bückstau von Wasser in einem aufgeschütteten Graben a) Eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentümers liegt vor, wenn das Grundstück infolge des Rückstaues, der durch einen aufgeschütteten Graben des Nachbarn hervorgerufen wird, insbesondere nach Regenfällen in größeren Flächen unter Wasser steht. b) Wassergräben gelten dann als Wasserläufe, wenn sie der Vorflut der Grundstücke verschiedener Eigentümer dienen, d. h. über mehrere derartige Grundstücke hin sich erstrecken und das ihnen von deren Oberfläche nach den natürlichen Bodenverhältnissen zufließende Wasser abnehmen. c) Für die Wasserlaufeigenschaft ist es nicht erheblich, wann, von wem, zu welchem Zweck und aus welchem Grund ein Graben angelegt ist. Auch kommt es auf die Rechtmäßigkeit der Anlegung nicht an. Entscheidend ist allein der tatsächlich seit langer Zeit bestehende Zustand. d) Nach § 43 Abs. 2 des Preußischen Wassergesetzes ist der Rückstau eines Wasserlaufes über die Grenzen des Grundstückes der Eigentümer bzw. Anlieger hinaus unzulässig. e) Steht ein Zaun auf der Grenze und läßt sich nicht feststellen, daß der Zaun Eigentum eines der beiden Nachbarn ist, so sind die Unterhaltungskosten f ü r den Zaun von beiden Nachbarn zu gleichen Teilen zu tragen. f ) Das Aufhäufen von Unkraut an der Grenze mit der Folge, daß dieses in großem Maße in das Nachbargrundstück eindringt, stellt sich als eine Beeinträchtigung des Eigentums des Nachbarn dar. — LG Lübeck, Urteil vom 12. April 1957 — 7 S 82/56 —.

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§§ 3, 6 ZPO; § 10 Abs. 1 GKG; § 1004 BGB 257. Streitwert einer Eigentumsstörungsklage a) Wenn das Klagebegehren darauf gerichtet ist, Beeinträchtigungen des Eigentums zu beseitigen, dann kommen weder § 10 Abs. 1 GKG noch § 6 ZPO zur Anwendung; der Streitwert ist vielmehr gemäß § 3 ZPO zu schätzen. b) Für die Beurteilung des Wertes kann bei der Unterlassungsklage nur das Interesse des Kl. maßgebend sein, das er an der Beseitigung der Störung hat. Der Wert der zu entfernenden Anlagen kann keine Berücksichtigung finden. — Kammergericht, Beschluß vom 4. April 1956, — l a W 534/56 — Berliner Grundeigentum 1956, 474 —. Anmerkung: Zu a): Vgl. RG 3, 394; Stein-Jonas-Schönke, 18. Aufl Anm. I 2 zu § 6 ZPO; Baumbach-Lauterbach, 23. Aufl., Anm. I zu § 6 ZPO.

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Grundstücksrecht Nr. 258—335 § 313 BGB 258. Formnichtiger Grundstückskaufvertrag — mündliche Nebenabreden a) Ein Grundstückveräußerungsvertrag muß gerichtlich oder notariell beurkundet sein (§ 313 Satz 1 BGB). b) Ein Formmangel kann — auch hinsichtlich der mündlichen Nebenabreden •—• durch Auflassung des Grundstücks geheilt werden (§ 313 Satz 2 BGB). c) Wird ein Grundstück mit Inventar veräußert und soll eine bestimmte Eigenschaft des Inventars zugesichert werden, so daß der Mangel dieser Eigenschaft erheblich sein soll, so muß das als wesentliche Vertragsbestimmung in die Vertragsurkunde aufgenommen werden, um rechtswirksam zu sein. d) Der Grundstückserwerber, der nach der mündlichen Einigung, aber vor der Auflassung erfährt, daß er durch Zusicherung bestimmter Eigenschaften des Grundstücksinventars arglistig getäuscht worden ist, kann sich auf diese Täuschung nicht berufen, wenn er gleichwohl bei der späteren Auflassung des Grundstücks mitgewirkt hat. — Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 28. Juni 1956 — 2 U 62/56 — BB 1957, 204 — BlnGrundE 1957, 157 —. Anmerkung: Zu c ) : Vgl. RG 52, 5; 56, 50; Warneyer-Bohnenberg, 11. Aufl. 1950 Anm. IV zu § 313 BGB mit weiteren Nachweisen.

§ 313 BGB 259. Erwerb eines Grundstücks durch einen Beauftragten a) Ein Vertrag, durch den sich ein Vertragspartner verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (§ 313 Abs. 1 BGB). b) Kauft ein Beauftragter ein Grundstück im eigenen Namen, aber für einen Auftraggeber und mit dessen Mitteln, so steht dem Auftraggeber zwar kein dingliches Recht an dem Grundstück zu; der Beauftragte ist aber auf Grund des übernommenen Auftrages, der eine Geschäftsbesorgung enthält, verpflichtet, das Eigentum an dem Grundstück nach den Weisungen des Auftraggebers auszuüben, nicht

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zu dessen Nachteil über die Liegenschaften zu verfügen, diese gegebenenfalls an den Auftraggeber herauszugeben und diesem zu Eigentum zu übertragen. c) Die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks entsteht hier ohne gerichtliche oder notarielle Beurkundung. Sie hat keine selbständige Bedeutung; vielmehr erfüllt der Beauftragte mit der Übertragung des Eigentums nur die ihm durch den Auftrag zur Geschäftsbesorgung auferlegte Pflicht, das materiell nicht zu seinem Vermögen gehörende Grundstück herauszugeben. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Gesetze (§ 667 BGB). d) Der dem § 313 BGB zugrunde liegende Rechtsgedanke (Schutz des Grundstückseigentümers vor übereilter Grundstücksveräußerung) trifft hier also nicht zu (RGZ 54, 78; 84, 217; 91, 69; Oberster Gerichtshof f ü r die britische Zone, Urteil vom 2. 5.1949, JR 1949, 381 f ; Oegg im Reichsgerichtsrätekommentar zum BGB, 10. Aufl. 1953, § 313 Anm. 1 [S. 585]; Palandt-Danckelmann, BGB, 15. Aufl. 1956, § 313 Anm. 5). e) Die Verpflichtung des Beauftragten, ein für den Auftraggeber gekauftes Grundstück gemäß dem ihm erteilten Auftrag an den Auftraggeber herauszugeben und diesem aufzulassen, ist daher auch formlos rechtswirksam. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Oktober 1956 — II ZR 257/54 — B B 1956, 1124 —.

§ 925 BGB 260. Zur Formbedürftigkeit der Grundstäcksauflassung a) Die vor dem Grundbuchamt erklärte Auflassung ist auch dann wirksam, wenn sie nicht oder nicht formgerecht beurkundet ist. b) Eine wesentliche Schranke gegen eine etwaige Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bildet schon die erschwerende Bestimmung des § 925 Abs. 1 BGB, daß die Auflassungserklärungen bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile abgegeben werden müssen. c) Die Möglichkeit, daß eine tatsächlich nicht erklärte Auflassung beurkundet wird, liegt deshalb sehr fern. d) Eine weitere Schranke bildet die Vorschrift des § 29 GBO, nach der auch die Auflassung, wenn sie nicht zur Niederschrift des Grundbuchrichters erklärt wird, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden muß. e) Hinzu kommt, daß der Notar die Vorschriften der §§ 170, 171 FGG, auch wenn sie im Falle der Beurkundung einer Auflassung nicht deren Unwirksamkeit zur Folge haben, keineswegs unbeachtet lassen darf, wenn er sich nicht Aufsichtsmaßnahmen oder auch einem

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dienststrafrechtlichen Einschreiten aussetzen will (Seybold-HornigLemmens § 17 RNotO Anm. 12). — BGH, Urt. v. 5. Dez. 1956 — V ZR 61/56 — Betrieb 1957, 90 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 21 —. Anmerkung: So RG 99, 65; 132, 408 unter Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Güthe-Triebel, 6. Aufl., §20 GBO Anm. 35; ebenso RGRkom., 10. Aufl. Anm. 13 zu § 925 BGB; Palandt, 15. Aufl. Anm. 3 zu § 925 BGB; Staudinger, 9. Aufl. Anm. B II 2 a zu § 925 BGB; Thieme 4. Aufl. Anm. 2 zu § 20 GBO; Hesse-Saage-Fischer, 3. Aufl., Anm. III 2 c zu § 20 GBO; HenkeMönch-Horber, 4. Aufl., Bemerkung 3 B d zu § 20 GBO.

§§ 20, 29 GBO 261. Auflassungsvollmacht a) Die Prüfungspflicht des Grundbuchrichters erstreckt sich auf die Rechtswirksamkeit der Auflassungsvollmacht. b) Die Widerruflichkeit kann der Vollmacht nicht allein durch die Interessenlage abgesprochen werden. c) Der Widerruf der Vollmacht bedarf nicht der Form des § 29 GBO. — Oberlandesgericht Kiel, Beschluß vom 19. Juni 1956 — 2 W 48/56 — SchlHA 1957, 36 — GWW 1957, 127 (n. L.) —. Anmerkung: Zu b): Anderer Ansicht Staudinger, Anm. 12 Nr. 5 zu § 168 BGB; RGZ 52, 99; 53, 419; WarnRspr. 1908 Nr. 123; 1919 Nr. 50.

§§ 346, 925 Abs. 2 BGB; §§ 18, 20 GBO 262. Rücktrittsvorbehalt in einem notariellen Grundstückskaufvertrag a) Das Rücktrittsrecht des bürgerlichen Gesetzbuches bezieht sich nur auf den obligatorischen Vertrag und löst nur die obligatorischen Wirkungen der §§ 346—348 BGB aus. b) Da nach dem Recht des BGB zwischen dem obligatorischen Vertrag und den dinglichen Erfüllungsakten zu unterscheiden ist und das Rücktrittsrecht nur obligatorische Wirkungen hat, ist im Zweifel der vertragsmäßige Vorbehalt des Rücktritts „vom Vertrage" als ein Vorbehalt des Rücktritts vom obligatorischen Vertrag aufzufassen (RG 54, 340; Staudinger 11. Aufl. § 873 Bern. 71; Enneccerus-Lehmann 13. Aufl. § 38 III 2 u. a.). c) Dies schließt allerdings nicht aus, daß u. U. in einem Rücktrittsvorbehalt auch eine auflösende Bedingung des dinglichen Vertrags zu erblicken ist, wenn ein dahingehender Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist. d) Ein solcher Wille kann aber zumindest dann, wenn es sich bei dem dinglichen Erfüllungsakt um die Auflassung eines Grundstücks handelt, nicht ohne weiteres unterstellt werden, selbst wenn sie mit dem obligatorischen Vertrag in einer Urkunde vereinigt ist.

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Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Beteiligten ihre Erklärungen so haben abgeben wollen und abgegeben haben, daß sie auch recht' liehen Bestand haben. Das gilt um so mehr, wenn diese Erklärungen ein Notar beurkundet hat. e) Mangels besonderer gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher die Vereinbarung des Rücktrittsrechts in dem notariellen Vertrage nur dahin auszulegen, daß sie sich allein auf den schuldrechtlichen Vertrag, dagegen nicht auch auf die Auflassung beziehen soll (vgl. KGDNotZ 26, 51). — OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. April 1957 — 3 W 77/57 — JMB1 NRW 1957, 160 — MDR 1957, 479 —.

§ 858 BGB 263. Klage auf Rttckübertragung eines Grundstücks — Besitzstörung a) Das Reichsgericht hat die Auffassung vertreten, daß eine Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB nicht nur durch körperliche, sondern auch durch seelische Eingriffe, durch wörtliches Bestreiten des Besitzes und durch Verbote und Drohungen ausgeübt werden könne (RG NJW 1908, 274; JW 1931, 2904 [2906]; RGRK Anm. 5 zu § 858BGB). b) Verbotene Eigenmacht ist aber ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (RG vom 8. Oktober 1906 — VI 55/06 — in GruchBeitr. 51, 985; vom 13. März 1917 — VII 417/16 — im Nachschlagewerk des Reichsgerichts; RG JW 1931, 2904; RGZ 170, 1 [6]), so daß daraus ein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden könnte. c) Die Erhebung einer Klage mit dem Ziel, die Übereignung eines Grundstücks wieder rückgängig zu machen, ist für sich allein keine verbotene Eigenmacht. d) Sie ist gerade das Gegenteil eigenmächtigen Handelns, auch wenn sich nachher der geltend gemachte Anspruch als unbegründet herausstellt (Planck, 4. Aufl., Anm. 2a zu § 862 BGB; Staudinger, 11. Aufl., II 2g, Anm. 14 zu § 858 BGB; Matthießen, in Anm. zu RG vom 16. Mai 1931, IX 570/30 in JW 1931, 2905). e) In der Erhebung einer Klage allein kann auch die widerrechtliche Verletzung eines Rechts oder ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB nicht gesehen werden. f) Sie kann daher nicht die Grundlage eines Schadensersatzanspruchs sein, der auf die Störung der Baupläne des Eigentümers gestützt wird. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. März 1956 — V Z R 106/54 — Berliner Grundeigentum 1956, 568 — HuW 1956, 285 —.

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§§ 433, 313, 123 BGB 264. Aufklärungspflicht des Grandstückverkäufers Es ist in erster Linie Sache des Käufers, durch eigene Besichtigung den Zustand des gekauften Hauses genau zu überprüfen. Eine Verpflichtung des Verkäufers, auf Mängel des Hauses ungefragt hinzuweisen, kann nur insoweit bestehen, als es sich um Mängel handelt, die nicht erkennbar sind oder wenn der Käufer den Verkäufer um eine Aufklärung bittet. — Landgericht Köln, Urteil vom 6. März 1956 — 14 O 47/55 — MDR 1956, 417 —.

§ 439 BGB 265. Pflichten des Grundstücksverkäufers a) Hat der Verkäufer eines Grundstücks sich gemäß § 439 Abs. 2 BGB verpflichtet, die auf dem Kaufgegenstand lastenden Grundpfandrechte zu beseitigen, so erschöpft sich die Pflicht zur Beseitigung nicht nur darin, daß der Verkäufer die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten zum Erlöschen bringt; der Verkäufer hat darüber hinaus dafür Sorge zu tragen, daß die von dem Erwerber nicht übernommenen Belastungen im Grundbuch gelöscht werden. b) Diese zusätzliche Verpflichtung ergibt sich aus der Eigenart der Grundpfandrechte und der mit der Eintragung verbundenen öffentlichen Wirkung des Grundbuchs gemäß §§ 891 ff. BGB. — Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29. Juni 1956 — 4 U 64/54 — MDR 1957, 35 —.

§ 139 BGB 266. Überlassungsvertrag bezüglich eines Wald- und eines Hausgrundstücks — Teilnichtigkeit a) Werden in einem einheitlichen Vertrag mehrere Sachen (z. B. ein Wald- und ein Hausgrundstück) gegen eine teilbare Gegenleistung ohne ausdrückliche Aufschlüsselung der Gegenleistung auf die einzelnen Sachen übertragen und ist der Vertrag hinsichtlich der einen Sache, etwa wegen Versagung einer erforderlichen landwirtschaftlichen Genehmigung, unwirksam, so ist die Aufrechterhaltung des restlichen Vertrags nur möglich, wenn, gegebenenfalls im Wege der Auslegung, ermittelt werden kann, inwieweit die Gegenleistung sich auf die eine oder andere Sache bezieht. b) Andernfalls muß, wenn eine Aufschlüsselung nicht möglich ist, der gesamte Vertrag als nichtig angesehen werden (RG in HRR 1930 Nr. 1595; BGB RGRK Anm. 1 [vorletzter Absatz — S. 292] zu §139; vgl. auch Staudinger, 11. Aufl., § 139 Anm. 14, der darüber hinaus in Übereinstimmung mit RGZ 110, 327 [338] Nichtigkeit des ganzen

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Rechtsgeschäfts annimmt, wenn anzunehmen ist, daß die Parteien das Geschäft ohne den nichtigen Teil zwar nicht völlig unterlassen, aber wesentlich anders vorgenommen hätten). — Bundesgerichtshof, Urteil v. 9. Januar 1957 — V Z R 218/55 — MDR 1957, 466 m. zust. Anm. v. Esser — HGBR Rspr. 1957 Nr. 24 —.

267. Streitwert einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an einer Wohnung a) Der Streitwert in der Hauptsache, in welcher der Antrag auf Übertragung des Eigentums an der Wohnung gestellt ist, richtet sich gemäß § 9 GKG in Verbindung mit § 6 ZPO nach dem Wert der beanspruchten Wohnung. b) In einem auf eine einstweilige Verfügung gerichteten Verfahren, in welchem in bezug auf den Streitgegenstand nur eine vorläufige Regelung und nicht die endgültige Erlangung des Streitgegenstandes selbst erstrebt wird, bemißt sich der Streitwert nicht gemäß § 6 ZPO nach dem Wert der Wohnung, sondern gemäß § 3 ZPO nach dem Interesse, das der Antragsteller an der beantragten einstweiligen Maßnahme hat. c) Das Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Sicherung des Streitgegenstandes ist daher nur in Höhe eines Bruchteils des Wertes der Hauptsache nach freiem Ermessen zu bewerten. — Kammergericht, Beschluß vom 26. Januar 1957 — l a W 2679/56 — BlnGrundE 1957, 217 —.

§ 883 BGB 268. Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung Zur Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung eines erst noch wegzuvermessenden Trennstücks genügt eine so genaue Bezeichnung der Teilfläche, daß sich deren Größe und Lage in einer dem Verkehrsbedürfnis entsprechenden Weise zweifelsfrei ergibt. Die Vorlegung einer messungsamtlichen Karte und eine Flächenangabe ist dazu nicht erforderlich. — Bayr. Oberstes Landesgericht München, Beschluß vom 16. November 1956 — 2 Z 174/56 — MDR 1957, 164 — GWW 1957, 159 (n. L.) —. Anmerkung: Vgl. auch RG HRR 1934 Nr. 1222 — DNotZ 1934, 867; KG OLGE 34, 228; 44, 135; JW 1937, 110; Meikel-Imhof, GBO Randnote 8 zu § 28; MeikelImhof-Riedel, Anm. 55 zu § 7 GBO; Hesse-Saage-Fischer, Anm. III 2 zu § 7 GBO.

§ 883 BGB; § 15 Grundbuchordnung 269. Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf ein Ankaufsrecht Eine Vormerkung zur Sicherung des schuldrechtlichen Anspruchs aus einem Ankaufsrecht kann nur zu Lasten des Vertragsgegners und

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seiner unmittelbaren Erben, nicht aber zu Lasten des jeweiligen Grundstückseigentümers eingetragen werden. —• Bayer. Oberstes Landesgericht München, Beschluß vom 25. Februar 1955 — BReg. 2 Z 205/54 — DNotZ 1956, 206 — GWW 1956, 270 (n. L.) —.

§ 449 BGB 270. Kosten der Eintragung einer Auflassungsvormerkung a) Nach § 449 BGB hat der Käufer eines Grundstücks die Kosten der Beurkundung des Kaufvertrages, der Auflassung und der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch zu tragen, d. h. alle Kosten, die vom Kaufvertrag bis zur Eintragung des Käufers entstehen. Die Kosten f ü r die Eintragung der Auflassungsvormerkung sind als Kosten in diesem Sinne anzusehen (so bereits Kammergericht, Beschluß vom 12. Dezember 1949 — 1 W 2533/49 — a. A. Oberlandesgericht Braunschweig in DNotZ 1955, S. 440, Palandt „BGB", 15. Aufl., § 449 Anm. 2). b) Die Eintragung von Auflassungsvormerkungen ist nicht nur eine den Kaufvertrag vorbereitende Maßnahme, deren Kosten der Käufer gesetzlich nicht zu tragen hätte, sondern eine solche, die der Durchführung des bereits abgeschlossenen Kaufvertrages dient. c) Kosten der Eintragung von Auflassungsvormerkungen fallen sinngemäß unter § 449 BGB, zumal sie entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig a. a. O. keinesfalls mit den rein vorbereitenden Kosten wie etwa denen einer Vermessung, einer notwendigen vorherigen Berichtigung oder Umschreibung auf eine Stufe gestellt werden können. — Kammergericht, Beschluß vom 11. August 1956 — l a W 1600/56 — Berliner Grundeigentum 1956, 711 — DNotZ 1957, 18 — GWW 1957, 125 (n.L.) —. Anmerkung: Vgl. auch Nr. 278.

§§ 53, 71 GBO; §§ 883, 899 BGB 271. Eintragung eines Widerspruchs gegen eine Vormerkung a) Die Vormerkung dient der Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder an einem Grundstücksrecht oder auf Änderung des Inhalts oder des Ranges eines solchen Rechts (§ 883 Abs. 1 Satz 1 BGB). b) Eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, ist insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde (§ 883 Abs. 2 Satz 1 BGB). c) Die Vormerkung hat danach die Aufgabe, den künftigen Erwerb eines Rechts am Grundstück (oder an einem eingetragenen Recht)

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und den Rang des Rechtes zu sichern. Sie ist nicht selbständig übertragbar, sondern geht mit der Übertragung des zu sichernden Anspruchs gemäß § 401 BGB auf den Erwerber über. d) Die Vormerkung begründet keine Vermutung für das Bestehen des Anspruchs. Ein gutgläubiger Erwerb bei Nichtbestehen des Anspruchs kommt deshalb nicht in Betracht. Besteht kein wirksamer Auflassungsanspruch, so kann auch ein Rechtsnachfolger der Vorgemerkten sich nicht auf seinen guten Glauben an das Bestehen des Anspruchs berufen, so daß insoweit für einen Widerspruch gegen die Vormerkung kein Bedürfnis besteht (vgl. Staudinger-Seufert, BGB 11. Aufl. § 899 Bern. 8; Westermann, SachenR 3. Aufl. § 85 IV 2; Wolff-Raiser, a. a. O. § 47 I Fußn. 2). e) In beschränktem Umfang kann allerdings der Grundsatz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§ 892 BGB) auch auf die Vormerkung Anwendung finden. Die Vormerkung ist zwar kein dingliches Recht am Grundstück, aber als besonders geartetes Sicherungsmittel geeignet, dem geschützten Anspruch in gewissem Rahmen dingliche Wirkungen zu verleihen (BGB RGRK, a. a. O. § 883 Anm. 8a; RGZ 151, 389 [392/93]). f ) In der Rechtsprechung und auch in der Rechtslehre (vgl. die bei BGB RGRK, a. a. O. § 883 Anm. 8e, und Staudinger-Seufert, a. a. O. § 883 Bern. 56 angeführten Entscheidungen und das ebenfalls dort bezeichnete Schrifttum) ist allgemein anerkannt, daß § 893 BGB, soweit es sich um Verfügungen handelt, auch auf die Vormerkung Anwendung findet. Ein eingetragener Berechtigter, der in Ansehung seines Rechts eine Vormerkung für einen anderen bewilligt, nimmt dadurch i. S. des § 893 BGB ein Rechtsgeschäft vor, das eine Verfügung über das Recht enthält, sobald die Vormerkung eingetragen wird. g) Wenn ein eingetragener Nichteigentümer das einem anderen gehörende Grundstück verkauft und für den gutgläubigen Käufer die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bewilligt, so gilt zugunsten des Käufers das Grundbuch als richtig (vgl. Wolff-Raiser, a. a. O. § 47 IV). Ist für einen wirksamen Auflassungsanspruch von einem Nichtberechtigten eine Vormerkung zugunsten eines Bösgläubigen bestellt worden, so kann die Vormerkung in der Person eines gutgläubigen Rechtsnachfolgers des Bösgläubigen wirksam werden (Staudinger-Seufert, a. a. O. § 899 Bern. 8; Westermann, a. a. O. § 85 IV 4). h) Die Eintragung eines Widerspruchs hätte in einem solchen Fall ihren guten Sinn, weil sie einen gutgläubigen Erwerb verhindern würde. Soweit danach die Vormerkung unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs steht, muß die Eintragung eines

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Widerspruchs zugelassen werden; denn es wäre, wie Seufert (bei Staudinger-Seufert a. a. O.) zutreffend bemerkt, nicht folgerichtig, die Vormerkung zwar in gewissen Beziehungen dem öffentlichen Glauben zu unterstellen, aber gleichzeitig die Eintragung eines Widerspruchs für unzulässig zu erklären. i) Soweit dagegen die Vormerkung den Schutz des öffentlichen Glaubens nicht genießt, also vor allem hinsichtlich des Bestehens des zu sichernden Anspruchs, muß die Eintragung eines Widerspruchs für unzulässig erachtet werden. k) Der Amtswiderspruch hat dieselbe rechtliche Bedeutung wie der Widerspruch des § 899 BGB. 1) In beiden Fällen ist der Widerspruch dazu bestimmt, die mit dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs verknüpften Gefahren zu beseitigen. m) Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs kann für den Betroffenen ein Rechtsverlust dadurch eintreten, daß ein Dritter im Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs ein Recht gutgläubig erwirbt. Der Widerspruch schließt jedoch einen gutgläubigen Erwerb und damit eine Schädigung des Berechtigten aus. n) Der Amtswiderspruch sichert aber auch das fiskalische Interesse. Die Vorschrift des § 53 GBO verdankt ihre Entstehung der Erwägung, daß eine unrichtige Grundbucheintragung, die auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften beruht, Schadensersatzansprüche gegen den Staat zur Folge haben kann, denen die Eintragung eines Amtswiderspruchs vorbeugen soll (vgl. Güthe-Triebel, a. a. O. § 53 Bern. 13; Henke-Mönch-Horber, a. a. O. § 53 Anm. 1; Meikel-Imhof, a. a. 0. § 53 Anm. 22; Thieme, a. a. O. § 53 Bern. 1; Westermann, a. a. O. § 73 III 6b; KG, JFG 13, 228 [230/31]). — Bundesgerichtshof, Beschluß vom 21. Juni 1957 — V ZB 6/57 — NJW 1957, 1229 — Betrieb 1957, 682 —.

§ 883 BGB; §§ 19, 39 GBO 272. Abtretung künftiger Grundschulden — Vormerkung a) Nach § 883 BGB kann zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung oder Inhaltsänderung eines Rechts an einem Grundstück eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung ist auch zur Sicherung eines künftigen oder eines bedingten Anspruchs zulässig. b) Der Anspruch gegen die vorrangigen Grundschuldgläubiger auf Rückübertragung der Grundschulden ist vormerkungsfähig. Er geht auf die Einräumung eines Rechts an einem Grundstück. Zur Sicherung dieses schuldrechtlichen Anspruchs kann eine Vormerkung eingetragen werden. Daß der vorzumerkende Anspruch bedingt ist, nämlich von der Rückzahlung bzw. Tilgung der Grundschuldvaluta

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abhängt, steht der Zulässigkeit der Eintragung nicht entgegen; denn auch bedingte Ansprüche sind vormerkungsfähig (vgl. L G Freiburg in NJW 56, 144; Dempewolf: B1GBW 1956, 26; DR 38, 595). c) Bei der Bewilligung der Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs ist nicht der Grundstückseigentümer der Betroffene im Sinne der §§ 19, 39 GBO; sondern betroffen von der Eintragung des vorzumerkenden Anspruchs sind lediglich die betreffenden Grundschuldgläubiger, denn diese haben in Ausführung des vorgemerkten Anspruchs die Grundschuld nach Tilgung der Grundschuldvaluta an den Vormerkungsberechtigten zurückzuübertragen. d) Schuldner des Vormerkungsberechtigten ist danach nicht der Grundstückseigentümer, sondern nur noch der vorrangige Grundschuldgläubiger. e) Nach dem allgemeinen Bewilligungsgrundsatz gem. § 19 GBO i. Verb, mit § 883 BGB ist zur Eintragung der Vormerkung die Bewilligung des Betroffenen erforderlich. f ) Betroffen im Sinne dieser Bestimmung ist aber derjenige, gegen den sich der Anspruch, der durch die Vormerkung gesichert werden soll, richtet. g ) Der Schuldner dieses Anspruchs muß im Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung der Inhaber des betroffenen Rechts am Grundstück sein (vgl. Staudinger, BGB 11. Aufl. § 883 Anm. 15). Da Schuldner des vorzumerkenden obligatorischen Anspruchs der vorrangige Grundschuldgläubiger ist, hat dieser auch als Betroffener die Eintragung der Vormerkung zu bewilligen (vgl. Palandt, BGB, 14. Aufl. § 1192 Anm. 1; Dempewolf, a. a. O.). — Landgericht Braunschweig, Beschluß vom 20. Dezember 1956 — 18 T 1021/56 — NJW 1957, 469 —. h) Hat der Grundstückseigentümer einer Grundschuldgläubigerin den ihm zustehenden Anspruch auf Übertragung einer anderen Grundschuld abgetreten, auch soweit dieser Anspruch bedingt ist oder erst künftig entsteht, so kann zugunsten der die Abtretung empfangenden Grundschuldgläubigerin eine Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruchs im Grundbuch eingetragen werden. Hierzu bedarf es jedoch einer Bewilligung des betroffenen Grundschuldgläubigers. Das Fehlen dieser Bewilligung ist durch Zwischenverfügung zu beanstanden. — Oberlandesgericht Celle, Beschluß vom 6. April 1957 — 4 Wx 15/57 — NJW 1957, 1481 —. Anmerkung : Vgl. auch Linde: NJW 1957, 449; Wörbelbauer: NJW 1957, 898; Dempewolf: NJW 1957, 1257; OLG Schleswig SchlHA 1957, 180; BayObLG: Rspr. 1957, 48 m. Anm. Brahn; LG Schleswig; NJW 1955, 306.

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§ 883 BGB; § 19 GBO 273. Abtretung des Anspruchs auf Bückübertragung einer Grundschuld — Vormerkung a) Die Vormerkung dient zur Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf E i n r ä u m u n g oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts. E s k a n n auch ein k ü n f t i g e r oder bedingter Anspruch durch die Vormerkung gesichert werden (§ 883 BGB). b) Dem Eigentümer steht ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Grundschuldgläubiger auf Rückübertragung der Grundschuld dann zu, wenn der Gläubiger wegen der Forderung, zu deren wirtschaftlicher Sicherung die Grundschuld dient, voll befriedigt ist. c) Dieser aufschiebend bedingte Anspruch kann an einen nachfolgenden Grundpfandgläubiger abgetreten und durch eine Vormerkung gesichert werden. d) Nach § 19 GBO erfolgt eine E i n t r a g u n g , wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. E s muß sich bei dem Betroffensein um eine Beeinträchtigung im Rechtssinne handeln, nicht nur um wirtschaftliche Nachteile (so auch Güthe-Triebel, GBO, 6. Aufl. § 19 Anm. 38; Henke-Mönch-Horber, GBO, 4. Aufl., § 19 Anm. 5 B ; Thieme, GBO, 4. Aufl., § 19 Anm. 5). e) Wessen dingliche Rechte durch die E i n t r a g u n g im Rechtssinne beeinträchtigt werden, ist nach materiellem Recht zu beurteilen. Bei der E i n t r a g u n g einer Vormerkung wird zwar nicht unmittelbar in die dingliche Rechtsstellung des Betroffenen eingegriffen, weil die Vormerkung n u r zur Sicherung eines obligatorischen Anspruches dient. E s ist aber in § 885 BGB ausdrücklich bestimmt, d a ß die Eint r a g u n g der Vormerkung auf Grund der Bewilligung desjenigen erfolgt, dessen Recht von der Vormerkung betroffen wird. Das ist der Inhaber des Grundstücksrechts, bei dem die Vormerkung eingetragen werden soll (so auch RGRKomm., 10. Aufl., § 885 Anm. 2; Palandt, 16. Aufl., § 885 Anm. 3b). — Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 28. Mai 1957 — 15 W 160/57 — JMB1 (NW) 1957, 184 —. Anmerkung: Ebenso LG Braunschweig: NJW 1957, 469 — oben Nr. 272; AG Hannover: DRpfl 1957, 21. Die gegenteilige Meinung (LG Darmstadt, Beschluß vom 29. Juni 1956 — 5 T 482/56 — und LG Hagen, Beschluß vom 11. Dezember 1956 — 3 T 331/56 —) führt aus, der Schuldner eines übertragenen Anspruches habe kein Recht, das durch die Abtretung betroffen werden könne. Hierbei wird aber verkannt, daß die Vormerkung nicht zur Sicherung der Abtretung, sondern zur Sicherung des schuldrechtlichen Anspruches auf Rückübertragung der Grundschuld eingetragen wird. Daran ändert auch die Abtretung nichts, wie das OLG Hamm (a. a. O.) mit Recht ausführt.

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§ 1154 BGB 274. Abtretung einer Teilbriefgrundschuld Zur Übertragung einer verbrieften Teilgrundschuld (Teilhypothek) gemäß § 1154 BGB genügt die Abtretungserklärung in schriftlicher Form und die "Übertragungen des mittelbaren Mitbesitzes gem. § 870 BGB, wenn sämtliche Beteiligten sich darüber einig sind, daß der unmittelbare Besitzer den Brief nur an die mittelbaren Besitzer gemeinschaftlich herausgeben darf. — Oberlandesgericht Köln, Urteil v o m 18. S e p t e m b e r 1956 — 1 U 107/56 — N J W 1957, 104 — G W W 1957, 59 ( n . L . ) — .

§§ 1153, 1159 BGB 275. Erfordernisse der Abtretungserklärung bei Abtretung von Hypothekenforderungen und Zinsforderungen a) Bei einer verzinslichen Hypothek kann die Zinsforderung ohne die Hypothekenforderung und umgekehrt die Hypothekenforderung ohne die Zinsforderung abgetreten werden (RGZ 86/219; ErmanWestermann, § 1159 Anm. 2; Palandt, BGB, 16. Aufl. § 1154 Anm. 5; RGRKomm., 10. Aufl., § 1158 Anm. 3; Henke-Mönch-Horber, GBO, 4. Aufl. § 26 Anm. 3 Bc; Hesse-Saage-Fischer, GBO, 3. Aufl., § 26 Anm. 112). b) Wird die Hypothekenforderung abgetreten, so muß deshalb die Abtretungserklärung Angaben darüber enthalten, ob sich die Abtretung auch auf die Zinsforderung erstreckt. Dies gilt auch f ü r Buchhypotheken. Fehlt es an einer ausdrücklichen Erklärung hierüber, so muß sich dies zumindest durch Auslegung der Urkunde zweifelsfrei ergeben. c) Sind die Zinsen mit abgetreten, so muß die Abtretungserklärung weiterhin Angaben darüber enthalten, von welchem Zeitpunkt an die Zinsen auf den neuen Gläubiger übergehen sollen. d) Dies ergibt sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz und aus dem Wesen des Grundbuchs. Die Abtretung ist nämlich kein Vorgang, der lediglich die Parteien des Abtretungsvertrages berührt. Vielmehr geht dies unmittelbar den Schuldner der Hypothekenforderung und den Eigentümer des Grundstücks an. Sie haben ein Interesse daran, zu wissen, wer nunmehr Gläubiger der Zinsforderung ist. e) Sind nicht alle Zinsen abgetreten, so ist es f ü r sie entscheidend, von welchem Zeitpunkt an die Zinsen dem neuen Gläubiger zustehen. Darüber hinaus besteht ein allgemeines Interesse an der Offenlegung der Rechtsverhältnisse bezüglich der Hypothek nebst Zinsen. So können z. B. die Gläubiger des alten und des neuen Gläubigers dann aus dem Grundbuch ersehen, welchen Zinsanspruch des Schuldners sie pfänden können. Im Zwangsversteigerungsverfahren ist eine klare 11 Glaser, Baurecht-Entsch.

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Grundlage f ü r die Berechnung der Zinsen gegeben, worauf auch Henke-Mönch-Horber, a. a. O., hinweisen. — Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 26. Juni 1957 — 15 W 260/57 — JMB1 (NRW) 1957, 185 —. Anmerkung: Zu b): Anderer Ansicht für Buchhypotheken Henke-Mönch-Horber, § 26 Anm. 3 Bc GBO; vgl. auch KG KGJ 53, 148.

§§ 116, 117 LAG 276. Gebührenfreiheit für die Eintragung einer Löschungsvormerkung bei der Einräumung eines Befriedigungsvorrechts Die in § 117 LAG vorgeschriebene Gebührenfreiheit f ü r die Eintragung des Vorrechtsvermerks erstreckt sich auch auf die Eintragung der damit in Zusammenhang stehenden Löschungsvormerkungen zugunsten der Bundesrepublik Deutschlands. — Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 2. November 1956 — 3 W 55/56 — DNotZ 1957, 331 — Glaser Nr. 222/IX/1957 —.

277. Grundsätze für die Bemessung des Geschäftswertes beim Grundstückskauf a) Nach § 18 I, 1 KostO ist der steuerliche Einheitswert f ü r Grundbesitz zur Bewertungsgrundlage gemacht worden. b) Die Gerichte dürfen von diesem Einheitswert — abgesehen von dem Fall, daß der Gegenstand des gebührenpflichtigen Geschäfts wesentlich von dem Gegenstand der Einheitsbewertung abweicht — nur abgehen, wenn bestimmte Umstände den Wert nach der letzten Einheitswertfeststellung wesentlich verändert haben, wobei unter bestimmten Umständen nur solche zu verstehen sind, die gerade das in Frage stehende Grundstück betreffen und nicht auf einer allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung beruhen (OLG München: DNotZ 1939/58; Küntzel-Kersten, Kostenordnung, Anm. 8; Beushausen; Not.Kostenrecht 3. Aufl. II, zu § 18 KostO S. 276 ff.; Bay. OLGZ 53/18). c) Bei der Wertberechnung ist der gemeine Wert anzunehmen, wenn ein so außergewöhnliches, ohne weiteres ersichtliches Mißverhältnis zwischen Einheitswert und gemeinem Wert vorliegt, daß ein Festhalten an der Regel des § 18 Abs. 1 S. 1 zu augenscheinlich unangemessenen Ergebnissen führen würde. — Landgericht Berlin, Urteil vom 19.März 1956 — 82 T 136/55 — HuW 1957, 194 —.

§§ 448, 449 BGB 278. Kosten der Vermessung eines verkauften Teilgrundstücks a) Nach den gesetzl. Bestimmungen über den Kauf (§§ 433ff. BGB) hat der Verkäufer die Kaufsache vertragsgemäß so anzubieten, daß

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der Käufer nur noch abzunehmen braucht (und natürlich den Kaufpreis zu zahlen h a t ) . b) Der Verkäufer muß beim Verkauf eines Grundstückteiles die Kosten der durch die Abtrennung notwendig werdenden katasteramtl. Vermessung selber tragen, zumal die gesetzl. Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB keine entgegenstehende Regelung enthalten. c) Da nach § 449 BGB lediglich die Kosten der Beurkundung des Kaufes sowie die Kosten der Auflassung und der Eintragung, aber nicht die Kosten der Vermessung dem Käufer auferlegt sind, kann daraus nur der Schluß gezogen werden, daß alle anderen Kosten der Übergabe, also auch die der Vermessung nach der grundsätzl. auch f ü r Grundstücke geltenden Regel des § 448 BGB der Verkäufer zu tragen hat (so auch Palandt, BGB, § 449 Anm. 1 ; Erman, BGB, § 448 Anm. 2). — Landgericht Kassel, Urteil vom 1. November 1956 — I S 217/56 — MDR 1957, 228 —. Anmerkung : Vgl. auch oben Nr. 270.

§§ 3, 6 ZPO 279. Streitwert bei Belastung eines Grundstücks Der Streitwert f ü r eine Zustimmung zur Belastung eines Grundstücks mit einer Grundschuld ist vom Gericht nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen. — Oberlandesgericht Kiel, Beschluß vom 5. Januar 1956 — 5 W 98/55 — SchlHA 1956, 114 — GWW 1956, 537 (n. L.) —.

280. Veräußerung eines mit einem Vorkaufsrecht belasteten Nachlaßgrundstückes innerhalb einer Erbengemeinschaft a) Gehört zu einem Nachlaß, der einer Gemeinschaft zusteht, ein Grundstück, das mit einem dinglichen Vorkaufsrecht zugunsten eines nicht zur Erbengemeinschaft gehörenden Berechtigten (Dritten) belastet ist, so kann das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden, wenn die Erbengemeinschaft das belastete Grundstück an einen der Miterben veräußert. b) Hat ein' Miterbe über seinen Erbteil durch gerichtlich oder notariell beurkundeten Vertrag verfügt, wozu er als Miterbe berechtigt ist (§ 2033 BGB), so tritt der Erwerber dieses Erbanteiles an die Stelle des Miterben. c) Veräußert die Erbengemeinschaft das mit dem dinglichen Vorkaufsrecht zugunsten des Dritten belastete Nachlaßgrundstück an diesen Erwerber, so kann in diesem Falle das Vorkaufsrecht ebenfalls nicht ausgeübt werden. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn das n«

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belastete Nachlaßgrundstück zum Zwecke der Vereitelung des Vorkaufsrechtes übertragen worden ist. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Juni 1957 — V Z R 198/55 — BB 1957, 731 — Bin GrundE 1957, 469 (n. L.) —. Anmerkung: Über das Vorkaufsrecht bei einer Erbengemeinschaft vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1954: BGHZ 13, 133 — BB 1954, 425 — NJW 1954, 1035 —.

§§ 1098, 875, 505, 397 BGB 281. Befreiung des Vorkaufsverpflichteten von der Vorkaufsverpflichtung a) Nach § 505 Abs. 2 i. V. m. § 1098 BGB kommt zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Vorkaufsberechtigten ein schuldrechtliches Kaufverhältnis mit dem Inhalt des Vertrages zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem Vorkaufsverpflichteten zustande. b) Daß die Rechte des Vorkaufsberechtigten aus diesem schuldrechtlichen Kaufverhältnis nachträglich durch Erlaßvertrag beseitigt werden können, steht außer Zweifel. c) Es wäre ein unnötiger Umweg, wenn der Vorkaufberechtigte, der nicht kaufen will, zunächst das Vorkaufsrecht ausüben müßte, um dann darauf verzichten zu können, oder aber erst den fruchtlosen Ablauf der Frist zur Ausübung abwarten müßte. Dabei ist insbesondere an das Vorkaufsrecht für mehrere Verkaufsfälle zu denken, wo eine Teillöschung f ü r jeden Einzelfall der Nichtausübung ebenfalls ein recht umständliches und zeitraubendes Verfahren wäre. d) Es besteht daher kein Bedenken, daß der Vorkaufsberechtigte durch Erlaßvertrag (§ 397 BGB) im voraus den Vorkaufsverpflichteten von der Verpflichtung befreit, die durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eintreten würde (vgl. auch RG DR 1944, 31 Nr. 13; RGZ 114, 155 (158) mit Hinweis auf RG LZ 1925, 546; RG Gruchot 48, 350; noch weitergehend Wolff, Sachenrecht, 9. Aufl., § 126 VI Fußnote 42). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. November 1956 — V ZR 178/54 — DNotZ 1957, 306 —.

§ 892 BGB 282. Katasterplan — öffentlicher Glaube des Grundbuches Der gute Glaube an das Grundbuch erstreckt sich auch auf die Einzeichnungen in den Katasterplan, weil es sich hierbei nicht um beschreibende Angaben bloß tatsächlicher Natur handelt, sondern aus ihnen zu entnehmen ist, welche Teile des Grundstücks unter das Eigentumsrecht fallen. — Landgericht Frankenthal, Urteil vom 12. Oktober 1955 — I S 102/55 — NJW 1956, 873 — Bin Grundeigentum 1956, 442 (n. L.) —.

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Anmerkung : Ebenso: RGZ 73, 125; Meisner-Ring, Bayer. Nachbarrecht, 4. Aufl. 1951 S. 71/6; RGRKom. 10. Aufl. 1953, § 892 Anm. 6e; Sörgel, Vorbem. a und Anm. 3b zu § 892 BGB; Meikel-Imhof, 4. Aufl. 1940 Anm. 100 zu § 3 GBO; a. A. Schneider: Recht 1908, 874; Henle, Recht 1909, 417; Consbruch: JW 1921, 219. §§ 122, 145 KostO 283. Gebührenanspruch des Notars für einen Vertragsentwurf a) Die E n t w u r f s g e b ü h r aus § 145 KostO entsteht nur, wenn der E n t w u r f von dem N o t a r „ e r f o r d e r t " worden ist. E r f o r d e r t im Sinne des § 145 KostO ist ein Entwurf aber nur dann, wenn das Verlangen ausdrücklich auf die Herstellung des E n t w u r f s als einer selbständigen notariellen Tätigkeit gerichtet war und diese nicht bloß der Vorbereitung einer Urkundstätigkeit diente (vgl. u. a. OLG F r a n k f u r t vom 8. März 1950 — 1 W 87/50 — Büro 51, 149 — Hodes Kostenrechtspr. S. 151). b) Wenn der N o t a r — sei es aus eigener Entschließung, sei es auf Anregung eines Beteiligten — den Entwurf n u r gefertigt hat, um die von ihm verlangte Urkundstätigkeit vorzubereiten, und unterbleibt dann die Beurkundung, so steht ihm die Gebühr aus § 145 KostO nicht zu. c) H a t der N o t a r einen Entwurf lediglich zur Vorbereitung der Beurkundung hergestellt, so entsteht die E n t w u r f s g e b ü h r aus § 145 KostO auch dann nicht, wenn sich ein Beteiligter den Entwurf aushändigen läßt, um ihn erst noch mit seinem Anwalt durchzusprechen. d) Der N o t a r m u ß mit allen am Vertrage Beteiligten in die eigentliche Beurkundungsverhandlung eingetreten sein, anderenfalls kommt, wenn die Beurkundung des Geschäfts unterbleibt, n u r eine Gebühr aus § 122 Abs. 2 KostO in Betracht. — Landgericht Berlin, Beschluß vom 23. Januar 1957 — 82 T 206/55 — HuW 1957, 157 —. § 823 BGB; § 21 RNotO 284. Umfang der Aufklärungspflicht des Notars a) Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines zu beurkundenden Vertrages zu überprüfen, ist der N o t a r in aller Regel nicht verpflichtet. b) Eine P r ü f u n g nach der wirtschaftlichen Seite hin ist vom N o t a r als Ausfluß der ihm in § 30 D O f N o t auferlegten Fürsorgepflicht n u r zu verlangen, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles die V e r m u t u n g nahelegen, daß ein Beteiligter aus einer E r k l ä r u n g Schaden erleiden wird, und wenn sie anderseits nicht ergeben, d a ß er die Gefahr erkennt (RGZ 149, 286 [293]).

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— Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. März 1956 — III ZR 18/55 — VersR 1956, 448 —. Anmerkung: Über die Belehrungspflicht des Notars gegenüber Dritten vgl. BGH: Betrieb 1956, 476 — Nr. 363/1957 ds. Sg.

§§ 823, 839 BGB 285. Pflicht des Notar zur Einholung behördlicher Genehmigung a) Übernimmt ein Notar die Beurkundung eines Vertrages über Übertragung und Auflassung eines Grundstücks, so widerspricht es keineswegs der Lebenserfahrung, daß er auch die Einholung der erforderlichen behördlichen Genehmigung — hier Preisgenehmigung — mit übernimmt. b) E r hat in diesem Falle auch darauf zu achten, daß die Genehmigung in angemessener Zeit erteilt wird. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Oktober 1956 — III ZR 85/55 — VersR 1956, 712 —.

286. Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grundstück — Gestattung des Abbruchs a) Die Bestimmung des § 951 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Wiederherstellung des früheren Zustandes ausgeschlossen ist, bezieht sich auf das Verlangen dessen, der die Verbindung gemäß § 946 BGB hergestellt hat. E r kann sonach von dem Bereicherten, abgesehen von der Bestimmung des § 951 Abs. 2 BGB, die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht beanspruchen. Das besagt aber nicht, daß auch der Bereicherte die Wiederherstellung, sei es aus irgendwelchen rechtlichen Gesichtspunkten, nicht fordern kann. b) Die Auffassung, daß im Falle der Errichtung eines Bauwerkes auf fremdem Boden die Geltendmachung eines Anspruches nach § 951 Abs. 1 BGB zur Voraussetzung habe, daß der Bereicherte das Bauwerk auf seinem Boden dulden müsse, daß er also eine Entschädigung nicht zu zahlen brauche, wenn er, sei es aus Vertrag (§§ 556, 581 BGB), sei es auf Grund der Bestimmungen über unerlaubte Handlungen oder als Eigentümer (§ 1004 BGB) die Beseitigung des Bauwerkes verlangen kann, wird im Schrifttum zum Bürgerlichen Gesetzbuch vielfach vertreten (Staudinger 11. Aufl. § 951 Anm. 14; Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts Sachenrecht 9. Aufl. § 74 I 3 (S. 238); Oertmann, Anm. zu R G J W 1931,1552; Westermann, Lehrbuch des Sachenrechts, 3. Aufl. § 54 Nr. 3 (S. 263). c) § 951 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt eine im Interesse des Bereicherten getroffene Regelung dar. Sie schützt vor dem Verlangen des Entreicherten, den alten Zustand wiederherzustellen. Aus der zu beachtenden Interessenlage ergibt sich aber, daß sich der Bereicherte des Entschädigungsanspruches durch Verweisung auf die Möglichkeit

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der Wiederherstellung des alten Zustandes erwehren kann, zum mindesten dann, wenn ihm ein Bauwerk aufgedrängt werden soll, das er nur unter Aufwendung erheblicher Kosten zu einem Ertragswerk umgestalten kann. d) In einem solchen Falle kann es nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben bezeichnet werden, wenn der Bereicherte, statt zu zahlen, entweder selbst den alten Zustand herstellt oder, falls ihm dies wegen der erheblichen Unkosten f ü r die Wiederherstellung des alten Zustandes nicht zugemutet werden kann, dies dem überläßt, der den Bau erstellt hat. e) Ist gegen den Willen des Eigentümers auf dessen Grundstück ein Bauwerk errichtet worden, das als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen ist, so kann der Eigentümer den auf § 951 BGB gestützten Bereicherungsanspruch des Erstellers dadurch abwehren, daß er das Bauwerk zum Abbruch dem Ersteller zur Verfügung stellt. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Dezember 1956 — V ZR 110/56 — Betrieb 1957, 138 — B B 1957, 166 (n. L.) — B1GBW 1957, 125 — N J W 1957, 460 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 34 —. Anmerkung : Ebenso: OLG Celle: MDR 1954, 294; BGH, Urteil vom 17. 9. 1954 — V ZR 35/54 — Betrieb 1954, 907; BGH: Betrieb 1957, 116 —.

287. Bauten auf gepachtetem Grundstück a) Errichtet der Pächter auf einem gepachteten Grundstück ein Gebäude, so wird dieses Gebäude grundsätzlich Eigentum des Grundstückseigentümers (§§ 93, 94, 946 BGB). b) Der Grundstückseigentümer ist jedoch verpflichtet, dem Pächter nach den Grundsätzen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung eine Vergütung in Geld zu zahlen (§ 951 BGB). c) Dieser Anspruch des Pächters entsteht an sich mit der Vollendung des Gebäudes und nicht erst mit der Beendigung des Pachtverhältnisses (vgl. Bundesgerichtshof, Urteile vom 10. 7. 1953, BGHZ 10 S. 171 [179/180], NJW 1953, 1466 — und vom 23.10.1953, NJW 1954 S. 265). d) Die Vertragspartner können jedoch vereinbaren, daß der Anspruch erst mit der Beendigung des Pachtvertrages entstehen soll. Haben sie eine derartige Abrede getroffen und wurde das Gebäude vor der Währungsreform errichtet, das Pachtverhältnis aber erst danach gelöst, so unterliegt der Bereicherungsanspruch des Pächters nicht der Währungsumstellung. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Februar 1957 — VIII ZR 277/56 — B B 1957, 311 —.

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§§ 94, 95 BGB 288. Eigentumsverhältnisse an einem auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäude a ) Nach § 94 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere Gebäude. Eine Ausnahme ist nach § 95 BGB n u r dann gegeben, wenn die Sachen, n u r zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. b) Nach der herrschenden Meinung (RGZ 55,281; 87, 43; BGHZ 10, 175) spricht zwar eine Vermutung d a f ü r , d a ß der Mieter eines Grundstücks, der darauf ein Gebäude errichtet, n u r in seinem Interesse und nicht zugleich in der Absicht handelt, das Gebäude nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Grundstückseigentümer zu überlassen. Diese Vermutung gilt selbst dann, wenn das Gebäude in massiver B a u a r t errichtet ist und ohne Zerstörung nicht e n t f e r n t werden kann. c) Wenn diese Vermutung zugunsten des Mieters eingreift, ist das von ihm errichtete Gebäude n u r zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden, § 95 Abs. 1 BGB, so d a ß es nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks des Vermieters wird. d) Nach der ständigen Rechtsprechung des RG kommt es f ü r die Frage, ob das Gebäude n u r zu einem vorübergehenden Zweck errichtet worden ist und nicht wesentlicher Bestandteil werden soll, auf die Widmung zur Zeit der E r r i c h t u n g an. e) Wenn später käufliche oder unentgeltliche Überlassung an den Grundstückseigentümer vereinbart ist, so wird das Gebäude wesentlicher Bestandteil, weil dann von einer Widmung zu einem vorübergehenden Zweck nicht gesprochen werden kann. — Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 31. Mai 1956 — 3 U 54/93/56 — ZMR 1957, 6 —. §§ 547, 556, 951 BGB 289. Behelfsheim auf einem Pachtgrundstück a) Nach §§ 581 II, 547 BGB k a n n ein Pächter E r s a t z f ü r Verwendungen verlangen, die er auf die gepachtete Sache gemacht hat. Verwendungen im Sinne des § 547 BGB sind solche Aufwendungen, die der Pächter nicht n u r in eigenem Interesse, sondern auch zum Nutzen der gepachteten Sache erbracht h a t (Palandt, § 547 Anm. 1; Staudinger-Berg § 994 Anm. 3). b) Der § 547 unterscheidet zwischen notwendigen Verwendungen, das sind solche, die zu dem Zwecke gemacht sind, den Bestand der gepachteten Sache zu erhalten (§ 547 Abs. 1), und sonstigen Verwendungen (§ 547 Abs. 2 BGB).

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c) Der § 547 Abs. 2 verweist aber auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag, insbesondere auf den § 683 BGB. Nach § 683 BGB kann Ersatz der Aufwendungen nur verlangt werden, wenn u. a. die Übernahme der Geschäftsführung, also die Verwendung, dem Interesse des Verpächters entspricht. d) Nach § 951 Abs. 1 S. 1 BGB kann derjenige Bereicherungsansprüche geltend machen, der nach den §§ 946 bis 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet. e) Nach § 946 BGB verliert der Eigentümer einer beweglichen Sache sein Eigentum, wenn die Sache dergestalt mit einem Grundstück verbunden wird, daß sie wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird. Wesentlicher Bestandteil ist nach § 93 BGB die verbundene Sache dann, wenn sie oder das Grundstück durch eine Trennung zerstört oder in ihrem Wesen verändert werden. Der § 93 BGB wird aber insbesondere dufch den § 95 Abs. 1 S. 1 eingeschränkt, wonach die verbundene Sache nicht wesentlicher Bestandteil ist, wenn sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Boden verbunden ist. f) Seit langem ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß, wenn ein Pächter eines Grundstücks auf dem Grundstück ein Gebäude errichtet, dieses nur zu einem vorübergehenden Zweck verbunden ist, denn es wird regelmäßig vermutet, daß er dabei nur im eigenen Interesse handelt, selbst wenn das Gebäude in massiver Art gebaut ist (RGZ 55, 281 ff.; 87, 43 ff.; BGH Bd. 8, 8; Bd. 10, 175). g) Eine zunächst nur zu vorübergehenden Zwecken erfolgte Verbindung kann durch Absichtsänderung zur endgültigen werden. Der Absicht des Pächters kann jedoch keine entscheidende Bedeutung zugemessen werden, wenn er objektiv zur Beseitigung des von ihm errichteten Gebäudes verpflichtet ist. — Landgericht Köln, Urteil vom 8. März 1957 — 3 O. 243/56 — WM 1957, 87 —.

§ 811 ZPO 290. Zur Pfändung einer Wohnlaube (Behelfsheim) a) Nach § 811 Ziffer 1, 2. Halbsatz ZPO sind der Pfändung u. a. nicht unterworfen: Gartenhäuser, Wohnlauben und ähnliche Wohnzwecken dienende Einrichtungen, die der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen unterliegen und deren der Schuldner oder seine Familie zur ständigen Unterkunft bedarf. b) Die Ehefrau des Schuldners kann sich neben diesem! gegenüber dem Gläubiger auf die Unpfändbarkeit der Wohnlaube (des Behelfsheimes) berufen, wenn sich der Schuldner von seiner Familie ge-

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trennt hat und die Wohnlaube nur noch von der Familie des Schuldners bewohnt wird. — Amtsgericht Wandsbek, Beschluß vom 25. Mai 1956 — 7 M 588/56 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 53 — Hbg. GrundE 1957, 13 — B1GBW 1957, 271 —.

§ 946 BGB 291. Entlüftungsanlage als wesentlicher Bestandteil eines modernen Hotels Ebenso, wie schon vor Jahrzehnten zur Herstellung eines modernen Hotels eine Warmwasseranlage gehörte und wie heute Gasheizungsund Warmwasseranlagen zu den Bestandteilen eines modernen Miethauses gehören (BGH NJW 1953, 1180), muß heute f ü r ein modernes Hotel eine zentrale Entlüftungsanlage f ü r die Restaurations-, Aufenthalts-, Wirtschaftsräume, Bad und Toiletten als wesentlicher Bestandteil im Sinne des § 94 Abs. 2 BGB angesehen werden. — Landgericht Freiburg, Urteil vom 28. Dezember 1956 — 1 O 70/56 — MDR 1957, 419 —. Anmerkung: Über Fahrstuhlanlagen vgl. RGZ 90, 200 und über Warmwasseranlagen vgl. RG H R R 1929, 1298 —.

§§ 95, 929 BGB 292. Wesentliche Bestandteile des Grundstücks — Eigentumsübergang a) Bei einem Bau auf fremdem Grund und Boden durch einen Mieter oder Pächter wird regelmäßig vermutet, dieser habe dabei nur in seinem eigenen Interesse und nicht zugleich in der Absicht gehandelt, das Gebäude nach Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen. b) Um die Anwendbarkeit des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB ausschließen zu können, ist das Vorhandensein einer positiven gegenteiligen Absicht auf Seiten des Erbauers notwendig. c) Eine Sache, die nur zu vorübergehendem Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden ist, wird bei späterer Änderung der Zweckbestimmung nicht von selbst wesentlicher Bestandteil des Grundstücks; dazu bedarf es vielmehr außerdem noch der Einigung zwischen bisherigem Sacheigentümer und Grundstückseigentümer über den Übergang des Eigentums. — BGH, Urteil vom 21. Dezember 1956 — V ZR 245/55 — N J W 1957, 457 — JZ 1957, 173 — B1GBW 1957, 222 — GWW 1957, 158 (n. L.) — MDR 1957, 213 (Anm. E s s e r ) — H G B R Rspr. 1957, 23 — Betrieb 1957, 116 — Anmerkung: Ebenso RG 55, 284; 59, 19; 63, 421; 87, 51; 153, 236; OGHZ 1, 170; OLG Hamburg: MDR 1951, 736; RGRKomm., 11. Aufl. § 95 A n m . 2 BGB; Palandt-Danckelmann, 15. Aufl., Anm. 2 zu § 95 BGB; Staudinger-Coing, 11. Aufl., Anm. 2 Randnr. 7a zu § 95 BGB; BGHZ 8, 1 — N J W 1953, 137; 10, 171 — N J W 1953, 1466.

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293. Bunkerbauten — keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks a) Bunkerbauten, die das Deutsche Reich auf einem gemieteten Grundstück errichtet hat, sind nicht wesentliche Bestandteile des Grundstücks geworden; denn ein Gebäude, das ein Mieter auf dem gemieteten Grundstück errichtet, ist nur zu einem vorübergehenden Zweck im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Grund und Boden verbunden, wenn es nur den Zwecken des Mieters dienen soll (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1952 — BGHZ 8, 1 — NJW 1953, 137 — MDR 1953, 87). b) Es wird regelmäßig vermutet, daß der Mieter nur in seinem Interesse und nicht zugleich in der Absicht gehandelt hat, das Gebäude nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Grundstückseigentümer zufallen zu lassen (so in ständiger Rechtsprechung RG 55, 234; 87, 51; 153, 236; BGH, Urteil vom 10.7.1953: BGHZ 10, 175; BGH, Urteil vom 23.10.1953 — V ZR 38/55, insoweit in NJW 1954, 265 nicht mit abgedruckt). c) Wenn die Zweckbestimmung der von dem Mieter errichteten Bauten nachträglich geändert wird, z. B. durch Ausbau von Bunkern zu Wohnhäusern, so werden die Gebäude dadurch nicht wesentliche Bestandteile der Grundstücke; denn nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Sachen mit dem Grund und Boden fest verbunden werden. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Mai 1956 — V ZR 146/54 — BB 1956, 611 —. Anmerkung: Zu c): Ebenso RGRKomm., 10. Aufl., § 95 Anm. I am Ende; anderer Ansicht: Staudinger, 10. Aufl., § 95 Anm. 9. Zur Frage der Zulässigkeit der Entschrottung von Westwallbunkern vgl. BGH, Urteil vom 13. 6.1956, NJW 1956, 1273 — BB 1956, 542 — unten Nr. 294.

§§ 95, 1004 BGB 294. Bunkeranlagen — Duldungspflicht des Grundstückseigentümers a) Hat die deutsche Wehrmacht vor oder in dem letzten Kriege Kampfanlagen auf fremdem Grund und Boden errichtet, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß sie dies nur zu einem vorübergehenden Zweck getan hat. b) Die Bunkerbauten des „Westwalls" sind daher selbst dann keine wesentlichen Bestandteile der Grundstücke geworden, auf denen sie stehen, wenn das Deutsche Reich weder durch bürgerlich-rechtlichen Vortrag noch durch öffentlich-rechtliche Inanspruchnahme ein Recht an diesen Grundstücken erworben hat. c) Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem die deutsche Wehrmacht vor oder in dem letzten Kriege Bunkerbauten (hier des „West-

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walles") errichtet hat, ohne sich ein Recht zur Benutzung des Grundstücks durch bürgerlich-rechtlichen Vertrag oder durch Inanspruchnahme auf Grund öffentlich-rechtlicher Gesetze zu sichern, ist nicht verpflichtet, eine Entschrottung der im Eigentum der Bundesrepublik stehenden Bunkertrümmer durch diese zu dulden. d) Unbeschadet ursprünglicher hoheitsrechtlicher Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und ihm kann er derartigen Maßnahmen im ordentlichen Rechtswege mit der Eigentumsabwehrklage begegnen. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Juni 1956 — V ZR 153/54 — N J W 1956, 1273 — B1GBW 1956, 270 — B B 1956, 542 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 2 —.

295. Bau eines Luftschutzraumes auf dem Grundstück eines Dritten a) Wer gegen Kriegsende in einem luftgefährdeten Gebiet, in dem ein geeigneter öffentlicher Luftschutzraum nicht zur Verfügung stand, auf dem Grundstück eines Dritten einen Luftschutzstollen errichtet hat, hat auch im Interesse und mutmaßlichen Willen der anwohnenden, durch Luftangriffe stark gefährdeten Personen, die den Bunker wiederholt zum Schutze vor Fliegerangriffen aufgesucht und benutzt haben, gehandelt. b) Wird der Erbauer des Stollens nach Kriegsende von dem Grundstückseigentümer wegen Eigentumsverletzung gemäß §§ 823, 830, 840, 904, 249 BGB auf Schadenersatz in Anspruch genommen, so kann er von den interessierten Benutzern nach §§ 683, 670 BGB als Geschäftsführer ohne A u f t r a g Ersatz dieser Aufwendungen, einschließlich der Prozeßkosten, die infolge eines zur Abwendung solcher Ansprüche des Grundstückseigentümers geführten Rechtsstreits entstanden sind, anteilmäßig verlangen. — Landgericht Frankenthal, Urteil vom 28. November 1956 — I S 181/56 — MDR 1957, 97 — JR 1957, 61 —.

296. Entnahme von Baumaterial aus einem kriegszerstörten Gebäude Wenn eine Gemeinde im August 1945 „zugunsten der Reichs" aus einem bombenzerstörten Gebäude Baumaterialien entnommen hat, die sie zur Wiederherstellung anderer bombenbeschädigter Häuser im Ortsbereich verwendet hat, so trifft sie als Begünstigte (und nicht die Bundesrepublik) die Entschädigungspflicht. — Bundesgerichtshof, Urteil v o m 11. Februar 1957 — III ZR 183/55 — Berliner Grundeigentum 1957, 244 — Betrieb 1957, 256 — D W W 1957, 92 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 58 —.

§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO 297. Eintragung einer Grunddienstbarkeit a) Im Rechtssinne liegt die Eintragung einer Grunddienstbarkeit nicht vor, wenn im Eintragungsvermerk nur der gesetzliche Name

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des Rechts angegeben und im übrigen auf die Bewilligung Bezug genommen ist. b) Eine derartige Eintragung ist folgerichtig inhaltlich unzulässig, da sie selbst ohne weiteres erkennen läßt, daß ihr ein notwendiges gesetzliches Erfordernis fehlt. Sie muß daher gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen gelöscht werden.

— Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 5. Mai 1957 — 8 W 91/56 — MDR 1957, 429 — NJW 1957, 992 —.

§§ 873, 874, 892, 990, 1018 BGB; §§ 45, 49, 53 GBO 298. Erfordernisse der Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit a) Der Inhalt einer Dienstbarkeit muß im Grundbuch wenigstens schlagwortartig eingetragen werden (z. B. „Wegerecht", „Wasserzuleitungsrecht", „Rohrleitungsrecht" u.a.). Nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts darf gemäß § 874 BGB auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden (RGZ 89, 159; KGJ 49, 169; KG JW 1936, 3477; OLG Hamm, DNotZ 1954, 208). b) Eine Ausnahme gilt nur für die in § 49 GBO geregelten Sonderfälle, daß Dienstbarkeiten und Reallasten als Leibgedinge, Leibzucht, Altenteil oder Auszug eingetragen werden. Aber auch in diesen Fällen ist lediglich die Bezeichnung der einzelnen Rechte (z. B. Wohnrecht, Wegerecht, Geldrente) entbehrlich, dagegen muß das Recht im Eintragungsvermerk als Leibgedinge, Altenteil o. ä. ausreichend gekennzeichet sein. Um so weniger genügt es, wenn eine Dienstbarkeit außerhalb eines Altenteils nur durch den Bezugnahmevermerk im Grundbuch dargestellt ist. c) Mangels jeglicher unmittelbarer Kennzeichnung ist aus dem Grundbuch der wesentliche Inhalt der Dienstbarkeit überhaupt nicht ersichtlich. Es handelt sich alsdann um einen rechtlich inhaltlosen Vermerk und damit um eine unzulässige Eintragung. d) Eine unzulässige Eintragung kann auch nicht die Grundlage für eine Ersitzung nach § 990 Abs. 2 BGB oder für einen gutgläubigen Erwerb nach § 892 BGB sein. Die Eintragung ist vielmehr nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen. Auch Eintragungen im Grundbuch sind der Feststellung ihrer wahren Bedeutung durch Auslegung zugänglich (vgl. RGZ 131, 232; 136, 81 und 233/234). e) Eine unzulässige Eintragung ist aber hinsichtlich des Inhalts nicht auslegungsfähig. f) Daraus folgt zugleich, daß die Eintragung nicht durch einen Klarstellungsvermerk in eine zulässige Eintragung umgewandelt werden kann.

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g) Die Eintragung eines Klarstellungsvermerks (vgl. zur Zulässigkeit KGJ 46,200; 47, 201) setzt voraus, daß im Grundbuch die Rechtslage richtig, wenn auch unklar wiedergegeben ist. — Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluß vom 3. April 1957 — 3 W 44/57 — JMB1 (NW) 1957, 127 — MDR 1957, 429 —.

§ 1018 BGB — Art. 124 EG BGB 299. Inhalt einer Grunddienstbarkeit a) Inhalt einer Grunddienstbarkeit kann sehr wohl die Übernahme der Verpflichtung sein, daß zum Nachbargrundstück keine Fenster unterhalten werden dürfen. b) DieseUnterlassungspflicht kann als Nebenverpflichtung die Pflicht zur Beseitigung bereits vorhandener Fenster zum Inhalt haben. c) Gesetzlich festgelegte Unterlassungspflichten sind nicht eintragungsfähig. Jedoch ist auch da, wo nur Zweifel bestehen, ob die Erfordernisse der gesetzlich geregelten Unterlassungspflicht gegeben sind, das Bedürfnis und das Recht der Beteiligten anzuerkennen, durch vertragliche Regelung und entsprechende grundbuchliche Eintragung f ü r die Zukunft diese Zweifelsfragen und die daraus möglicherweise entstehenden Streitigkeiten auszuschalten. — Landgericht Lübeck, Beschluß vom 17. März 1956 —- 9 T 168/56 — DNotZ 1956, 558 — BBauBl 1956, 603 — Glaser Nr. 122/IX/1956 —.

§§ 1018, 1019 BGB 300. Verbot von Tanzveranstaltungen als Inhalt einer Grunddienstbarkeit — Verwirkung im Sachenrecht a) Nach § 1018 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, daß bestimmte Handlungen darauf nicht vorgenommen werden dürfen. E s können also die Befugnisse des Eigentümers in der Weise eingeschränkt werden, daß er bestimmte tatsächliche Handlungen unterlassen muß. b) Das Verbot, öffentliche Tanzmusik zu veranstalten, ist eine solche Beschränkung. Es ist allgemein anerkannt, daß das Verbot eines bestimmten Gewerbes, z. B. einer Gastwirtschaft, unter § 1018 BGB fällt (vgl. Wolff, Sachenrecht, 9. Aufl., S. 377; Soergel-Baur, §1018, Anm. 4b; RGR Komm., Anm. 9 zu § 1018). Kann aber ein Gewerbebetrieb vollständig untersagt werden, so müssen auch Beschränkungen eines solchen Betriebes möglich sein, und zwar auch dann, wenn sie diesen wesentlich beeinträchtigen. c) Das Verbot öffentlicher, d. h. öffentlich zugänglicher Musikveranstaltungen zugunsten eines unmittelbar benachbarten, nur durch eine Straße getrennten Villengrundstücks in einer unstreitig durch ihre Zurückgezogenheit bekannten Gegend bietet f ü r die Benutzung dieses Grundstücks Vorteile. Es verhindert, daß die jeweiligen Eigen-

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tümer des herrschenden Grundstücks durch die Lautstärke, das Durchdringungsvermögen und die A r t der dargebotenen Musik und das Kommen und Gehen der Gäste gestört werden. d) Der nach § 1019 BGB vorausgesetzte Vorteil kann auch in einer bloßen Annehmlichkeit zugunsten eines Wohngrundstücks bestehen und braucht nicht notwendig ein gewerblicher zu sein (vgl. PalandtHoche, 14. Aufl., Anm. 2a zu § 1919 ; Staud.-Kober, Anm. 1 zu § 1919; Westermann, Sachenrecht, 1951, S. 568; KGJ 45 A 227 [229]). E s muß sich nur um einen Vorteil handeln, an dessen Erreichung f ü r das Grundstück der Eigentümer ein privatrechtliches Interesse hat (RGZ 61, 341). e) Der Verwirkungseinwand ist als Sonderfall des auf § 242 BGB gestützten allgemeinen Einwands unzulässiger Rechtsausübung grundsätzlich auch im Bereich des Sachenrechts anzuerkennen (vgl. OGH MDR 49, 161; RG JW 34, 3054 mit zust. Anm. von Siebert; Palandt-Hoche, Anm. 2b Einl. vor § 854 ; Westermann, Sachenrecht, S. 11). f ) Verwirkt ist ein Anspruch, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. auch PalandtDanckelmann, Anm. 9 zu § 252; RGZ 155, 152). Solche Umstände liegen insbesondere vor, wenn der Schuldner aus dem Verhalten des Gläubigers entnehmen mußte, dieser wolle den Anspruch nicht mehr geltend machen, wobei aber bloße Untätigkeit des Gläubigers nicht genügt (Palandt a . a . O . ) . g) Zur Verwirkung von Ansprüchen aus dinglichen Rechten, die ihrer Natur nach auf die Dauer berechnet sind, genügt grundsätzlich nicht eine Frist von 3% Jahren (vgl. auch BGH, LM § 1020 Nr. 1 und OGH, MDR 49, 161). —• Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27. Juni 1956 — 4 U 46/56 — Hbg. GrundE 1957, 56 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 52 — B1GBW 1957, 287 —.

301. Duldung einer elektrischen Freileitung über ein Grundstück a) Die entsprechende Anwendung des § 278 BGB ist nur in § 254 Abs. 2 BGB vorgesehen ; aber es ist anerkannt, daß sie auch f ü r ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens nach Abs. 1 gilt. Allerdings ist insoweit Voraussetzung f ü r die entsprechende Anwendung des § 278 BGB, daß es sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschädigten gegenüber dem Schädiger handeln muß oder daß zwischen ihnen wenigstens einer Verbindlichkeit ähnliche Rechtsbeziehungen bereits zur Zeit des Eintritts des schadenstiftenden Ereignisses bestanden haben.

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b) Dem Grundstückseigentümer obliegt durch Abgabe der Zustimmungserklärung zur Verlegung einer elektrischen Freileitung nicht lediglich eine Duldungspflicht gegenüber dem Elektrizitätswerk; vielmehr erwachsen ihm durch diese Zustimmung eine Reihe weiterer Pflichten, die in den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit ausdrücklich geregelt sind. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. März 1957 — VIII ZR 33/56 — VersR 1957, 269 — NJW 1957, 992 —. § 571 BGB 302. Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit a) Daß die Bestimmung des § 571 BGB, obwohl es sich hierbei um eine Durchbrechung des allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatzes handelt, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuldverhältnis beteiligten Personen bestehen, dennoch einer entsprechenden Anwendung zugänglich ist — vorausgesetzt nur, daß ein Mietoder Pachtverhältnis in Rede steht —, ergibt sich aus dem Gesetz selbst. b) Denn § 571 BGB, der zunächst nur den Fall der Vermietung durch den Eigentümer und des nachfolgenden Eigentumsübergangs auf einen anderen betrifft, ist in einer Reihe von Fällen für entsprechend anwendbar erklärt, denen gemeinsam ist, daß ein Nichteigentümer zeitweilig die Macht hat, ein Grundstück oder einen Grundstücksteil zu vermieten (oder zu verpachten), diese Macht aber dann noch während des Bestehens des Mietverhältnisses wegfällt. c) So ist § 571 BGB entsprechend anzuwenden auf den Nießbraucher (§ 1056 BGB), den Ehemann als Verwalter und Nutznießer des eingebrachten Grundstücks (§§ 1423, 1546 Abs. 3, 1550 Abs. 2 BGB), den Vater oder die Mutter als Nutzungsberechtigte eines dem Kind gehörenden Grundstücks (§§ 1663 Abs. 1, 1686 BGB), den Vorerben (§ 2135 BGB), wenn diese Personen über die Dauer ihres Rechtes hinaus vermietet haben, ebenso auf den Fall der Vermietung durch den Erbbauberechtigten bei Erlöschen des Erbbaurechts ( § 3 0 ErbbaurechtsVO) oder auf den Fall der Vermietung durch einen Dauerwohn- oder Dauernutzungsberechtigten, wenn der Eigentümer von seinem Heimfallanspruch Gebrauch macht (§§ 37, Abs. 2, 36, 31 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz). d) Die Betrachtung dieser Vorschriften läßt erkennen, daß es sich bei ihnen, wie auch bei § 571 BGB selbst um die Auswirkungen eines allgemeinen Rechtsgedankens handelt, demzufolge ein Grundstücksmieter in seinen bestehenden Mietrechten durch einen Wechsel auf der Vermieterseite nicht beeinträchtigt werden soll. e) Angesichts des Umstandes aber, daß dieser Rechtsgrundsatz von allgemeiner Art ist, wäre es verfehlt, anzunehmen, daß eine ent-

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sprechende Anwendung des § 571 BGB nur in den Fällen möglich sei, in denen das Gesetz dies, wie in den oben angegebenen Bestimmungen, ausdrücklich hervorgehoben hat. Vielmehr ist die Auffassung begründet, daß — mag auch zunächst nur der Hauptfall eines Eigentumswechsels durch Veräußerung ins Auge gefaßt sein — durch die Fassung des § 571 BGB nicht hat ausgedrückt werden sollen, daß der ihm innewohnende Rechtsgedanke auf andere Fälle nicht anwendbar sei. f) Daher hat das RG (RGZ 103, 166) in einem Fall, in welchem es sich nicht um einen Eigentumswechsel im Wege der Veräußerung, sondern um einen originären Erwerb nach Aufgabe des Eigentums durch Aneignung (§ 928 BGB) gehandelt hat, die analoge Anwendung des § 571 BGB für zulässig erklärt und dem ist auch das Schrifttum gefolgt (vgl. RGR Komm., 10. Aufl., BGB § 571, Anm. 1 und 2; Soergel-Erdsiek, BGB § 571, Anm. 1; Palandt-Gramm, BGB § 571 Anm. 2). g) Eine solche entsprechende Anwendung des § 571 BGB ist zulässig, wenn der Eigentümer eines Grundstücks als Berechtigter einer Grunddienstbarkeit, die zu Lasten eines Nachbargrundstücks besteht, auf diese Grunddienstbarkeit durch Vertrag mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks verzichtet und hierdurch die Rechte eines Mieters in dem aus der Grunddienstbarkeit herrschenden Grundstück infolge Wegfalls der Grunddienstbarkeit geschmälert werden würden (teilweise Nutzung beider Grundstücke).

— Landgericht Gießen, Urteil vom 20. Juni 1956 — 2 S 79/56 — N J W 1957, 466 —. Anmerkung: Vgl. Roquette: Analoge Anwendung des § 571 B G B : MDR 1957, 712.

303. Umfang einer Wegegerechtigkeit (Grunddienstbarkeit) a) Ein eingetragenes Überwegungsrecht (Wegegerechtigkeit) stellt eine Beschränkung der Rechte des Eigentümers des dienenden Grundstücks aus dem ihm gehörenden Grundstück dar. b) Eine derartige Beschränkung ist eng auszulegen. Das bedeutet, daß sie den Eigentümer nicht mehr belasten darf, als dies zweifelsfrei aus dem Wortlaut der im Grundbuch verzeichneten Belastung hervorgeht. c) Der Eigentümer muß andererseits die Ausübung des eingeräumten "Überwegungsrechts im zugesicherten Ausmaß gewährleisten. d) Diese Berechtigung wird ebenfalls anzuerkennen sein für die Mitglieder des Haushaltes, dem der jeweilige Eigentümer angehört. Die darüber hinausgehende Berechtigung von Mietern des Eigentümers, die auf diesem Grundstück wohnen, muß dagegen im Grundbuch gesondert aufgeführt werden.

— LG Bremen, Urteil vom 19. Juni 1956 — 7 S 230/56 — Brem. HZtg. 1957 Nr. 7 — . 12 Glaser, Baurecht-Entsch.

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§ 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB 304. Begründung eines dinglichen Wohnrechts a) Nach § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB kann als beschränkte persönliche Dienstbarkeit ein dingliches Wohnrecht bestellt werden. b) Ein solches dingliches Wohnrecht kann an einem Baugrundstück auch schon vor der Errichtung der von diesem Recht betroffenen Räume eingetragen werden. — Bayer. Oberstes Landesgericht München, Beschluß vom 6. März 1956 — BReg. 2 Z 200/55 — NJW 1956, 871 — Berliner Grundeigentum 1956, 442 —. §§ 1090 ff. BGB 305. Begründung eines Wohnrechts durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit a) Eine unter Beachtung der §§ 1090 ff. BGB bestellte beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist keineswegs deshalb nicht eintragungsfähig, weil die Parteien über denselben Gegenstand einen Mietvertrag abgeschlossen haben. b) Nicht eintragungsfähig ist dagegen eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (dingliches Wohnrecht), wenn sich das Recht des Wohnberechtigten nach einem zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Mietvertrag bestimmen soll. — Oberlandesgericht Hamm, Beschluß vom 25. September 1956 — 15 W 353/56 — DNotZ 1957, 314 — Glaser Nr. 192/IX/1957 —. Anmerkung: Dem OLG Hamm ist darin zuzustimmen, daß keine Bedenken dagegen bestehen, wenn die Parteien in einem notariellen Vertrag neben dem weiter bestehenden Mietverhältnis unter Beachtung der § § 1090 ff. BGB ein dingliches Wohnrecht (eine beschränkte perrsönliche Dienstbarkeit) vereinbaren (vgl. OLG Frankfurt: SJZ 1948, 387; LG München: DRspr. 1954, II (279) Blatt 89; LG Düsseldorf: ZMR 1957, 55; Bettermann, Anm. 6 a Nr. 57 zu § 1 MSchG). Wenn das Reichsgericht (RG 117, 327) verlangt, die Bezeichnung des Inhalts der Dienstbarkeit müsse so bestimmt sein, daß der Richter im Streitfalle nach verständigem Ermessen in der Lage sei, die Grenze zwischen Miet- und dinglichem Wohnrecht zu ziehen, so ist hiermit — wie das Landgericht Düsseldorf ( a . a . O . ) mit Recht ausführt — nicht gesagt, daß das Mietrecht schlechterdings das dingliche Wohnrecht ausschließt. Beide Rechte sind in ihrem Wesen und in ihren rechtlichen Wirkungen völlig verschieden. Das dingliche Wohnrecht als eine Grundstücksbelastung gibt dem Berechtigten eine sicherere Rechtsstellung als das Recht aus einem Mietvertrag. Kommt z. B. der Wohnungsberechtigte seinen Verpflichtungen nicht nach, so ist ein Eingriff in das dingliche Wohnrecht nicht möglich; verhält sich aber der Mieter nicht vertragsgetreu, so kann dies zur Kündigung des Mietverhältnisses führen. Wenn die Parteien im notariellen Vertrag vereinbaren, daß monatlich eine bestimmte Miete zu zahlen ist, so steht eine solche Vereinbarung der Annahme eines dinglichen Wohnrechts nicht entgegen. Es handelt sich bei einer solchen Vereinbarung nicht um eine Umgestaltung des dinglichen

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Wohnrechts, sondern lediglich um die Begründung einer schuldrechtlichen Verpflichtung neben einer Grundstücksbelastung. Dies ist zulässig (RG 24, 122; RG HRR 1929, 757; J W 1923, 761; LG Düsseldorf: ZMR 1957, 55). Unzulässig ist lediglich die dingliche Sicherung eines Mietrechts (SörgelBauer, 8. Aufl. Anm. 1 zu | 1093 BGB). Eine solche unzulässige dingliche Sicherung eines schuldrechtlichen Vertrages liegt aber vor, wenn das dingliche Wohnrecht dergestalt bestellt wird, daß sein Inhalt im einzelnen durch einen zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag bestimmt werden soll. Mit Recht hat das OLG Hamm (a. a. O.) eine solche beschränkte persönliche Dienstbarkeit (dingliches Wohnrecht) als nicht eintragungsfähig angesehen.

§§ 1090, 133 BGB 306. Dingliches Wohnrecht für die Mitglieder einer juristischen Person (Bundespost) a) Nicht nur rechtsgeschäftliche Erklärungen im Gebiet des Liegenschaftsrechts sind wie andere Erklärungen der Auslegung gemäß § 133 BGB fähig und bedürftig. Das gleiche gilt auch von den Grundbucheintragungen, die auf Grund derartiger Erklärungen erfolgen. b) Das Recht, ein Grundstück zu Wohnzwecken zu benutzen, ohne daß der Eigentümer von der Mitbenutzung ausgeschlossen wäre, kann auch nach § 1090 BGB zum Gegenstand einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit gemacht werden (Kammergericht Recht 1929 Nr. 1003). c) Daß die Benutzung des Grundstücks nicht unmittelbar durch die Berechtigte (Deutsche Bundespost), sondern durch deren Bedienstete erfolgt, macht die Eintragung nicht unzulässig. Inhaber einer Dienstbarkeit nach § 1090 BGB kann auch eine juristische Person sein, die bei Ausübung ihres Rechts den Zweck verfolgt, dem wirtschaftlichen Ziel ihrer Mitglieder zu dienen (vgl. Soergel, § 1090, Anm. 2).

— LG Lübeck, Beschluß vom 7. Juli 1956 — 9 T 446/56 — SchlHA 1956, 319 — GWW 1957, 59 (n. L.) —. Anmerkung: Vgl. KG: HuW 1955, 251 — Nr. 324/1957 ds. Sg.

§ 1093 BGB 307. Kündigung eines dinglichen Wohnrechts Ein dingliches Wohnrecht im Sinne des § 1093 BGB unterliegt mangels abweichender Vereinbarung nicht den Vorschriften über die Kündigung aus wichtigem Grund, wie sie regelmäßig allen schuldrechtlichen Dauervertragsverhältnissen eigen ist.

— Amtsgericht Köln, Urteil vom 5. März 1956 — 75 C 79/56 — WM 1956, 183 —.

§ 47 Grundbuchordnung 308. Eintragung von selbständigen Wohnrechten für Ehegatten a) Nach § 47 GBO soll, wenn ein Recht für mehrere gemeinschaftlich einzutragen ist, die Eintragung in der Weise erfolgen, daß ent-

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weder die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben werden oder das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnet wird. b) Da die Eintragung mehrerer als Mitberechtigter ohne einen Zusatz unvollständig und unklar sein würde, das Grundbuch aber andererseits eine sichere Auskunft über das Rechtsverhältnis mehrerer zu einem Grundstück oder dinglichen Recht geben soll, insbesondere darüber, wie weit die einzelnen Berechtigten über ihr Recht verfügen können, hat der Gesetzgeber angeordnet, daß das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis näher bezeichnet werden muß. c) Das gilt für alle dinglichen Rechte, grundsätzlich auch für das einzutragende Wohnrecht, das nach § 1093 BGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt werden kann. d) Wenn ein solches Wohnrecht für mehrere Personen am gleichen Gebäudeteil bestellt wird, so entsteht nach Güthe-Triebel (Bd. 2 S. 1767 unter „Wohnungsrecht" und S. 1839 unter „Gemeinschaft") allerdings regelmäßig kein rechtliches Gemeinschaftsverhältnis, es bestehen vielmehr mehrere selbständige sich gegenseitig beschränkende Rechte. e) Auch Staudinger (10. Aufl. § 1093 BGB Anm. 6) teilt diese Ansicht mit der Begründung, die Beschränkung des Rechtes eines jeden Berechtigten trete nur durch die Mitbenutzung der anderen ein. Eine Gemeinschaft werde dadurch nicht begründet. f) Bei der Eintragung von selbständigen Wohnrechten für Ehegatten kommt eine Bezeichnung des für die Gemeinschaft maßgebenden Rechtsverhältnisses nicht in Betracht. — Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluß vom 13. November 1956 — 3 W 73/56 — DNotZ 1957, 317 —.

§ 23 Wohnungseigentumsgesetz 309. Arztpraxis in einer Eigentumswohnung a) Dadurch, daß ein Arzt in seiner Eigentumswohnung eine ärztliche Praxis betreibt, erwachsen den übrigen Eigentümern keine über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehende Nachteile. b) Der Charakter des Hauses als das eines reinen Wohnhauses wird dadurch nicht berührt, weil es weit verbreitet und üblich ist, eine ärztliche Praxis von der Wohnung aus auszuüben, auch wenn es sich um ein Wohnhaus handelt, das höchsten Ansprüchen gerecht wird. c) Eine ärztliche Kassenpraxis darf daher in einer Eigentumswohnung auch gegen den Widerspruch der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer ausgeübt werden. — Amtsgericht Hamburg, Beschluß vom 9. April 1956 — 102 II W 1/56 — MDR 1957, 43 — B1GBW 1957, 16 — Hbg. Grundeigentum 1956, 169 —.

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§ 43 Abs. 1 WohnEigG 310. Streitigkeiten der Wohnungseigentümer aus dem Gemeinschaftsverhältnis a) § 43 WohnEigG weist Streitigkeiten der Wohnungseigentümer aus ihrem Gemeinschaftsverhältnis weitgehend dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu. b) Wohnungseigentum als Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Grundstück, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 2, 4 WohnEigG), kann, gleichgültig, ob es durch vertragliche Einräumung von Sondereigentum (§ 3 WohnEigG) oder durch Teilung (§ 8 WohnEigG) begründet wird, nicht nur bei einem schon bestehenden, sondern auch bei einem erst zu errichtenden Gebäude eingeräumt werden. c) In einem solchen Falle fehlt zwar zunächst noch der besondere Gegenstand des Sondereigentums, es besteht aber mindestens eine Anwartschaft auf ihn. d) Bereits diese Anwartschaft lassen die § § 3 und 8 WohnEigG zur Erfüllung des Begriffes Sondereigentum, das sich mit dem Miteigentumsanteil an einem gemeinschaftlichen Grundstück verbinden muß, damit ein Wohnungseigentum entsteht, ausreichen (vgl. Riedel, MDR 51, 468; RGR-Komm. z. BGB Anm. B II 3b zu § 3 und Anm. V l b zu § 8 WohnEigG). e) Wie danach der Begründung eines Wohnungseigentums begrifflich nicht entgegensteht, daß das Wohngebäude erst errichtet werden muß, so kann auch eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schon entstehen, noch bevor ihr in Wohnungseinheiten aufzuteilendes Haus fertiggestellt ist. f) Über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander ist in den §§ 10 ff. WohnEigG Bestimmung getroffen. Dabei hat sich der Gesetzgeber auf die notwendigsten Anordnungen beschränkt, diese nur zu einem geringen Teil f ü r zwingend erklärt, im übrigen aber den Wohnungseigentümern die Möglichkeit gegeben, ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung und Abweichung von den Vorschriften des WohnEigG durch Vereinbarungen selbst zu gestalten (§ 10 Abs. 2 WohnEigG). g) Bestimmungen über Rechtsbeziehungen f ü r die Bauzeit mit ihrer vorübergehenden Bedeutung passen nicht in den Rahmen einer immerwährenden Gemeinschaftsordnung. Sie werden zweckmäßig entweder in einem besonderen Bauvertrag oder aber in einer den Inhalt des Gemeinschaftsverhältnisses regelnden Vereinbarung (§ 10 Abs. 1, 2 WohnEigG) getroffen (Weitnauer-Wirths, WohnEigG 2. Aufl. § 3 Randn. I I a ; Diester, WohnEigG § 3 Randn. 14b).

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h) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist keine gewöhnliche Bruchteilgemeinschaft nach BGB, sondern eine durch das WohnEigG besonders ausgestaltete Miteigentümergemeinschaft, die in ihrer Entstehung und in ihrem Leben eigenen Regeln folgt. i) Ihrem Wesen sind dynamische Züge, wie sie eine Gesellschaft zeigt, nicht fremd. Das läßt deutlich § 22 WohnEigG erkennen, der insbesondere die Verpflichtung zum Wiederaufbau eines in Wohnungseigentum stehenden Gebäudes, wenn dieses nur zur Hälfte zerstört ist oder der Schaden durch Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist, grundsätzlich als aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entspringend ansieht, mit der Folge, daß über sie zweifellos gemäß § 43 Abs. 1 Ziff. 1 WohnEigG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden ist (RGR-Komm. z. BGB Anm. A I l a b b zu § 43 WohnEigG; Weitnauer-Wirths, WohnEigG 2. Aufl. § 22 Randn. 12). k) Nicht anders ist es, wenn eine entstandene Wohnungseigentümergemeinschaft ihr Haus gemeinsam erst errichten will. Auch diese Möglichkeit sehen die §§ 3 und 8 WohnEigG vor. 1) Streitigkeiten aus einer solchen Aufbauvereinbarung der Wohnungseigentümer sind dann gleichfalls solche aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ( § 1 0 Abs. 1, 2 WohnEigG). Über sie ist ebenfalls ausschließlich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den §§ 43 ff. WohnEigG zu entscheiden. —• Bayer. Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 12. März 1957 — 2 Z 176 bis 178/56 — NJW 1957, 753 — GWW 1957, 294 —.

Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 26. Januar 1937 (BGBl. I, 35) — Kontrollratsgesetz Nr. 45 Art. IV, Abs. 4b S i l . Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke — landwirtschaftliches Genehmigungsverfahren — a) Die Grundstücksverkehrsvorschriften sind im öffentlichen Interesse erlassen worden. Der Gesetzgeber hat die Genehmigungspflicht f ü r die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke eingeführt, um die Spekulationen mit landwirtschaftlichem Grund und Boden zu verhindern und die Ernährung zu sichern (vgl. Baur, Der Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, S. 48 sowie S. 2/3 der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Grundstückverkehrsgesetzes, Bundesrats-Drucksachen Nr. 377/56). b) Liegt ein grobes Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, so ist die Genehmigung zu versagen. c) Ein grobes Mißverhältnis zwischen dem Wert eines Grundstücks und dem Gegenwert liegt nicht nur bei einem erhöhten Kaufpreis vor, sondern kann auch bei einer zu niedrigen Gegenleistung gegeben sein. — Bundesgerichtshof, Beschluß vom ll.Dezember 1956 — V BLw 32/56 —• Betrieb 1957, 66 —.

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312. Feststellung des Wertes eines landwirtschaftlichen Grundstücks a) Um f ü r ein landwirtschaftliches Grundstück den Wert zu ermitteln, bietet der Einheitswert des Grundstücks keinen zuverlässigen Anhaltspunkt. Er kann schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil er keinen Verkaufswert, sondern nur einen auf grober Schätzung beruhenden Steuerwert darstellt. b) Bei der Ermittlung des Grundstückswertes ist vielmehr, wenn das Grundstück zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung veräußert wird, regelmäßig davon auszugehen, welchen Ertrag der Landwirt bei durchschnittlicher Wirtschaftsweise aus dem Grundstück erzielen kann. c) Im Einzelfalle können auch besondere Interessen des Käufers an der von ihm erstrebten künftigen Nutzung des Grundstücks für die Bewertung in Frage kommen, jedoch wird grundsätzlich der Ertrag, den das Grundstück nachhaltig zu erbringen vermag, die Grundlage der Bewertung bilden müssen. d) Einen Anhaltspunkt für diesen Ertragswert bietet die auf Grund des Bodenschätzungsgesetzes festgestellte Bodenwertzahl. e) Bei der Ermittlung des Einheitswertes wird zwar von dem 18fachen Betrag des Jahresertrages ausgegangen. Bei der Errechnung des wirklichen Ertragswertes ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Verzinsung des Kapitals in der Landwirtschaft im allgemeinen nicht über 4 % liegt und daß daher eine Kapitalisierung des Jahresertrages mindestens mit dem Multiplikator 25 zu erfolgen hat. — Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluß vom 24. September 1956 — 3 WLw 65/56 — DNotZ 1957, 153 —.

313. Verkauf eines nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Grundstückes Für ein als Bauplatz verkauftes, bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück kommt eine Veräußerungsgenehmigung gemäß KRG 45 — BritMR VO 84 dann nicht in Betracht, wenn das Grundstück aus seiner bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung endgültig ausgeschieden und mit einer künftigen landwirtschaftlichen Nutzung nach Lage und Beschaffenheit nicht mehr zu rechnen ist. —• Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluß vom 6. Oktober 1955 — 3 WLw 89/55 — N J W 1956, 1641 —.

314. Genehmigung der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks unter einer Auflage a) Die Genehmigung zur Veräußerung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks kann nur aus den in dem Kontrollratsgesetz Nr. 45 und seinen Durchführungsvorschriften aufgeführten Gründen versagt werden.

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b) Sie muß, wenn kein Versagungsgrund gegeben ist, verweigert werden, es sei denn, daß der Versagungsgrund durch eine Bedingung oder Auflage beseitigt werden kann. c) Auflagen und Bedingungen sind n u r s t a t t h a f t , wenn der Genehmigung des Vertrages ein Versagungsgrund entgegensteht, der durch eine Auflage oder Bedingung beseitigt werden kann. d) Wenn kein Grund vorliegt, die Genehmigung einer Grundstücksveräußerung zu versagen, so ist eine Auflage, die eine bestimmte Verwendung des Verkaufserlöses zum Inhalt hat, unzulässig. —• Bundesgerichtshof, Beschluß vom 31. Januar 1956 — V BLw 51/55 — Betrieb 1956, 742 —. 315. Bebauung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks durch einen Miteigentümer a) Sind nach dem 10.10.1936 ( E i n f ü h r u n g des Preisstops) auf landwirtschaftlich genutztem Boden von einem Nichteigentümer Wohnungsbauten errichtet worden, deren Beseitigung der Grundstückseigentümer nicht verlangen kann, so ist das Grundstück auch im Sinne der Preisstopbestimmungen als bebaut anzusehen. b) Die Entschädigung f ü r eine spätere E n t e i g n u n g — auch vor Aufhebung des Preisstops f ü r bebaute Grundstücke — ist daher nicht nach dem Wert f ü r landwirtschaftlich genutzten Boden, sondern nach dem f ü r bebauten Grund und Boden festzusetzen, soweit eine Wertsteigerung als Folge der Enteignung nicht vorliegt; diese ist bei der Entschädigung nicht zu berücksichtigen (vgl. § 10 Abs. 2 des Preußischen Enteignungsgesetzes). — Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Mai 1956 — V ZR 146/54 — BB 1956, 646 —. 316. Aufforstung eines bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstückes a) Einem Grundstückskaufvertrag ist die Genehmigung zu versagen, wenn ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück von dem Erwerber a u f g e f o r s t e t werden soll. b) Der Schaden, den die Volksernährung durch die A u f f o r s t u n g erleiden würde, wäre durch die an ihre Stelle tretende Waldnutzung nicht ausgeglichen. c) Das KRG 45 schützt zwar in gleicher Weise den landwirtschaftlich genutzten Boden und den Wald. D a r a u s folgt aber nicht, d a ß beide Nutzungen gegeneinander ausgetauscht werden können. d) Das ist leicht ersichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, d a ß nicht hochwertiges Ackerland in Wald umgewandelt werden darf, und daß es sinnlos wäre, inmitten eines Waldes ein kleines Stück als

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Wiese oder Ackerland zu nutzen, es sei denn etwa im Zusammenhang mit der Wohnung eines Försters. —• Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluß vom 10. April 1956 — 5 WLw 1/56 — NJW 1956, 1641 —.

VO über Preisverstöße im Grundstiicksverkehr vom 7.7.1942 — VO PK 75/52 317. Preisverstoß im Verkehr mit Triimmergrundstücken a) Auf den Verkehr mit einem Trümmergrundstück sind nach §§ 1, 3 der VO PR Nr. 75/52 über die Aufhebung der Preisvorschriften für den Verkehr mit bebauten Grundstücken vom 28.11.1952 seit dem 12.12.1952 Preisvorschriften nicht mehr anzuwenden. b) Daraus folgt eindeutig, daß auch die §§ 2 bis 7 der VO vom 7. 7. 1942, die nach Sinn und Wortlaut Preisvorschriften enthalten, auf den Verkehr mit Trümmergrundstücken keine Anwendung mehr finden. —• Landgericht Braunschweig, Urteil vom 25. September 1956 — 8 S 168/56 — MDR 1957, 35 —.

318. Berechnung des Stoppreises für unbebaute Grundstücke a) Der Stoppreis für unbebaute Grundstücke ist der Preis, der am 17. Oktober 1936 bei Veräußerung unter regelmäßigen Verhältnissen voraussichtlich erzielt worden wäre. Dabei ist der Zustand des Grundstücks im Zeitpunkt der Bewertung maßgebend (RE 64/41 Ziff. 12). b) Bei der Wertermittlung ist von den Preisen auszugehen, die für gleichartige Grundstücke im Jahre 1936 gezahlt wurden (RE 64/41 Ziff. 3). Es muß berücksichtigt werden, ob im Kaufpreis Aufschließungskosten oder andere Beträge enthalten sind (RE 64/41 Ziff. 5). c) Von besonderer Bedeutung ist, ob die Vergleichspreise unter normalen Verhältnissen zustande gekommen sind (RE 64/41 Ziff. 6). Das muß nachprüfbar dargelegt werden. Ebenso wie im Mietpreisrecht die Vergleichsobjekte angeführt werden müssen, sofern sie nicht aus besonderen Gründen entbehrlich sind, muß bei der Preisprüfung beim Verkauf eines Grundstücks eine Übersicht über die vergleichbaren Objekte gegeben werden. Der Behörde dient dazu die in Abschnitt IV des Runderlasses 64/41 vorgesehene Kaufpreissammlung. d) Der Einheitswert ist für die Bemessung des Preises wertlos (vgl. die entsprechende Ausführung bei Pergande-Schwender, S. 74). —• Landesverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 20. März 1956 — IIa VG 242/56 — DNotZ 1956, 543 — B1GBW 1956, 303 — Hamburger Grundeigentum 1956, 141 —.

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§ 74a ZVG 319. Ermittlung des Verkehrswertes des zu versteigernden Grundstücks a) Zur Ermittlung des Verkehrswertes des zu versteigernden Grundstücks ist kein besonderes Verfahren vorgeschrieben. b) Das Zwangsversteigerungsgericht ist frei in der Art, wie der Verkehrswert festgesetzt wird (vgl. Steiner-Riedel, ZVG 1956 § 74a Nr. 9 S. 480). c) Diese Freiheit entbindet das Gericht aber nicht von der Verpflichtung, die vom Gericht ermittelten sachlichen Grundlagen der Wertfestsetzung den Beteiligten bekannt zu geben. Ohne die Bekanntgabe dieser Unterlagen werden die Beteiligten schwerlich in der Lage sein, zu dem Beweisergebnis sachdienlich Stellung zu nehmen. d) Wenn ein Sachverständiger mit der Erstattung eines Gutachtens über den Verkehrswert beauftragt wird, so ist das Gericht gehalten, das Gutachten den Beteiligten zur Kenntnis zu bringen. Dies kann mündlich in einem Erörterungstermin oder schriftlich durch Übersendung einer Abschrift des Gutachtens geschehen. Die Übersendung nur des Ergebnisses des Gutachtens reicht zur ordnungsmäßigen Unterrichtung der Beteiligten nicht aus. Dadurch erhalten diese keine hinreichende Kenntnis der von dem Sachverständigen erarbeiteten wertbildenden Faktoren. e) Nach ordnungsgemäßer Unterrichtung der Beteiligten liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, unter Abwägung der etwaigen Einwendungen der Beteiligten den Wert festzusetzen. — Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 20. Juni 1956 — 2 W 104/56 — B1GBW 1957, 15 — BB 1956, 1012 — Glaser Nr. 120/IX/1956 — Anwaltblatt 1957, 265 —.

§ 74a ZVG 320. Wertfestsetzung im Zwangsversteigerungsverfahren — Beschwerderecht des Schuldners Im Zwangsversteigerungsverfahren steht dem Schuldner als Grundstückseigentümer ein Beschwerderecht gegen die Festsetzung des Verkehrswertes zu. — Landgericht Braunschweig, Beschluß vom 2. August 1956 — 18 T 304/56 — NJW 1956, 1644 —. Anmerkung: Ebenso OLG Frankfurt: BB 1954, 1043; Leyerseder: NJW 1955, 1427; Mohrbutter: MDR 1955, 711 (714); Jonas-Pohle, Zwangsvollstreckungsnotrecht, 16. Aufl. S. 270; LG Osnabrück: MDR 1955, 239; anderer Ansicht Spiess: MDR 1955, 813; LG Duisburg: MDR 1956, 495, vgl. auch LG Braunschweig, Beschluß vom 15. Juli 1955 — 18 T 452/55 — NJW 1955, 1641 — Nr. 343/1957 ds. Sg.

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§ 1 VO des Bundesministers für Wirtschaft vom 17.4.1955 321. Erteilung der Bietegenehmigung Bei der Erteilung der Bietegenehmigung kann eine obere Bietungsgrenze nicht mehr festgesetzt werden, nachdem nunmehr gemäß § 1 der VO des Bundeswirtschaftsministers vom 17. 4.1955 (Sammelblatt 1955, 481) die Preisvorschriften bei der Veräußerung im Wege der Zwangsversteigerung nicht mehr anzuwenden sind. — Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluß vom 7. Juli 1955 — WLw 99/55 — MDR 1956, 423 —. Anmerkung : Vgl. auch LG Osnabrück: Nr. 339/1957 ds. Sg.; BGH: MDR 1954, 31 m. abl. Anm. v. Rötelmann; Hertz-Kleptow: NJW 1954, 1107; Riedel: MDR 1955, 532.

§ 30a ZVG 322. Einstellung der Zwangsversteigerung a) Nach § 30a ZVG kann das Zwangsversteigerungsverfahren nur dann eingestellt werden, wenn die Nichterfüllung der fälligen Verbindlichkeiten auf Umständen beruht, die in der a l l g e m e i n e n wirtschaftlichen Lage begründet sind, und wenn Aussicht besteht, daß durch die Einstellung die Zwangsversteigerung die Versteigerung des Grundstücks vermieden wird. b) Andere Ursachen der Nichterfüllung als die a l l g e m e i n e n Verhältnisse dürfen nicht mehr beachtet werden, es sei denn, daß der § 765a ZPO eingreift. c) Eine unverschuldete persönliche Notlage rechtfertigt daher nicht die Einstellung der Zwangsversteigerung. — Landgericht Berlin, Beschluß vom 16. März 1956 — 84 T 69/56 — Berliner Grundeigentum 1956, 600 —.

323. Herstellung und Unterhaltung der Bürgersteige Die Gemeinden können die Grundstückseigentümer nicht verpflichten, den Bürgersteig entlang ihrer Grundstücke herzustellen, zu befestigen und zu unterhalten. — VG Bayreuth, Urteil vom 21. März 1957 — Nr. 1617 — 11/56 — Bayer. HZtg. 1957 Nr. 13 —. Anmerkung : Ebenso VGH München: DWW 1955, 147 — Nr. 334/1957 ds. Sg. m. w. N.

§ 19 Luftverkehrsgesetz 324. Haftung für Flurschäden infolge einer Ballonverfolgungsfahrt Der Veranstalter einer Ballonverfolgungsfahrt haftet nicht nur für den Schaden, der durch die außerplanmäßige Landung des Ballons auf einem mit Früchten bestellten Feld entsteht, sondern auch für den Schaden, der durch das Auffahren von Fahrzeugen der Polizei,

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eines Arztes, eines Krankenhauses und eines Bergungswagens f ü r den Ballon auf dem zur Landung benutzten Feld verursacht wird. —• Amtsgericht Köln, Urteil vom 30. Dezember 1955 — 45 C 1337/55 — B1GBW 1957, 192 — Glaser Nr. 166/IX/1957 —.

325. Pflichten des Schornsteinfegers — Anzeige von Mängeln der Feuerungsanlage a) Ein Bezirksschornsteinfegermeister ist verpflichtet, Schornsteine und Feuerungsanlagen auf ihre Feuersicherheit zu prüfen und vorgefundene Mängel schriftlich zu melden. b) Die Bauordnung über Schornsteine dient dem Feuerschutz. Wird sie nicht eingehalten, so muß in der vorschriftswidrigen Anlage grundsätzlich ein Mangel gesehen werden, der die Feuergefährlichkeit des Gebäudes begründet. c) Ein Bezirksschornsteinfegermeister kann sich der fahrlässigen Brandstiftung schuldig machen, wenn er nicht beanstandet, daß ein baulicher Zustand der Bauordnung widerspricht, und wenn feststeht, daß eine Beanstandung zur Beseitigung des Mangels geführt hätte. — Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 29. Mai 1956 — Ss 195/55 — BB 1956, 870 — Berliner Grundeigentum 1956, 598 —. Anmerkung: Über Pflichten und Aufgaben des Bezirksschornsteinfegermeisters vgl. LG Waldshut: VersR 1956, 296 — Nr. 107/IX/1956.

§ 3 Satz 2 Währungsgesetz 326. Schiedsgutachterklausel in einem Grundstückskaufvertrag a) Eine Schiedsgutachterklausel, nach der lediglich eine unbestimmte Gegenleistung gem. § 317 BGB bei Fälligkeit durch einen Schiedsgutachter festgesetzt wird, bedarf nicht der Genehmigung nach § 3 Satz 1 des Währungsgesetzes (vgl. Dürkes, „Wertsicherungsklauseln", 2. Aufl. 1955, Abschn. V 6 S. 37; Haegele: Blätter 1954, 260; Fögen NJW 1953, 1321; a. A. Reinicke: MDR 1953, 388). b) Eine Schiedsgutachterklausel in einem Grundstückskaufvertrag verstößt auch im Zusammenhang mit der genehmigungspflichtigen Nebenabrede, daß die Gegenleistung nach dem Wert anderer Güter oder Leistungen bestimmt werden soll, nicht gegen § 3 Satz 2 WährG., wenn anzunehmen ist, daß die Schiedsgutachterklausel auch ohne die Nebenabrede vereinbart worden wäre. — Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 15. März 1956 — 2 U 174/55 — B1GBW 1956, 190 —.

327. Zu- und Ausfahrt am Grundstück — Wegepolizei a) Wie das Pr.OVG in seinem Urteil vom 31.10.1912 (Pr.OVG Bd. 63 S. 305) ausgeführt hat, hat der Anlieger an einem öffentlichen

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Wege grundsätzlich keinen Anspruch darauf, sich an jeder beliebigen Stelle seines Grundstückes Überfahrten nach dem Wege anzulegen. b) Der Besitzer eines Grundstücks, dem wegen besonderer Verhältnisse (Tankstelle) bestimmte Zu- und Ausfahrten am Grundstück von der Wegepolizeibehörde genehmigt worden sind, kann grundsätzlich nicht beanspruchen, an beliebiger Stelle eine weitere Ausfahrt zu haben. c) Gegen die eigenmächtige Schaffung einer solchen darf die Wegepolizeibehörde einschreiten. d) Die Wegepolizeibehörde ist befugt, gegen Eingriffe in den Bestand eines öffentlichen Weges einzuschreiten, ohne daß es des Nachweises eines besonderen polizeilichen, namentlich wegepolizeilichen Interesses bedarf (Pr.OVG a . a . O . ) . — Oberverwaltungsgericht Münster, Bescheid vom 11. Mai 1956 — IV A 627/54 — Städtetag 1957, 26 —.

328. Einziehung eines öffentlichen Weges a) Nach der vom Pr.OVG in der Rechtsprechung zu § 57 ZustG vertretenen und grundsätzlich beizubehaltenden Rechtsauffassung kann ein öffentlicher Weg nur eingezogen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Einziehung besteht (OVG Münster, amtl. Sammig. Bd. 8, 59). b) Da also grundsätzlich eine Wegeeinziehung nicht auf Privatinteressen gestützt werden kann, besteht kein Rechtsanspruch von Privatpersonen auf Einziehung des Weges. c) Die Entscheidung der Wegeordnungsbehörde über einen Antrag auf Wegeeinziehung kann verwaltungsgerichtlich nur darauf überp r ü f t werden, ob die Pflicht zu fehlerfreier Ermessensausübung gerade dem Kläger gegenüber verletzt ist. — Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 13. Juni 1956 — IV A 681/55 — Städtetag 1957, 26 —.

329. Rechtsnatur des Trümmerabräumungsvertrages — Rechtsbeziehungen des Grundstückseigentümers zur Abräumfirma a) Der Trümmerabräumungsvertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und der Stadt Berlin nach dem Enttrümmerungsgesetz ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, auf den die Vorschriften des bürgerlich-rechtlichen Werkvertrages entsprechend anwendbar sind. Die Stadt h a f t e t daher dem Grundstückseigentümer gegenüber in entsprechender Anwendung der §§ 276, 278 BGB f ü r ein Verschulden der von ihr beauftragten Abrißfirma (Abbruchfirma) und der von dieser mit ihrer Zustimmung herangezogenen Subunternehmer. b) Daß bei der Abräumung eines Grundstücks der Wert des gewonnenen, in das Eigentum Berlins übergehenden Materials die Ab-

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räumungskosten im allgemeinen nicht deckt, ändert nichts an der Rechtsnatur des Abräumvertrages als eines Werkvertrages. c) Die entsprechende Anwendung bürgerlich-rechtlicher Bestimmungen bei Verletzung öffentlich-rechtlicher, vertragsähnlicher Beziehungen ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederholt anerkannt worden, so vom BGH bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher Verwahrungs- und Treuhandverhältnisse (BGH 3, 162; 4, 192; NJW 1952, 658; Palandt, Bern. 5 zu § 278 BGB). d) Ob der Grundstückseigentümer gegen die Abrißfirma einen Vertragsanspruch auf Schadensersatz erwirbt, bleibt unentschieden (verneinend : Landgericht Berlin, Urteil vom 9. Juni 1956 — 54 S 51/56 —, teilweise mitgeteilt in HuW 1956, 336). e) Die Stadt handelt nicht fahrlässig, wenn sie dem Grundstückeigentümer gegenüber diesen Standpunkt vertritt und ihm den Rat gibt, die Abrißfirma wegen eines durch den Subunternehmer verursachten Schadens an dem Trümmergrundstück in Anspruch zu nehmen. — Landgericht Berlin, Urteil vom 18. März 1957 — 10 O 87/56 — HuW 1957, 193 —.

330. Errichtung einer Tankstelle — Grenzen des Gemeingebrauchs a) Als ein Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen ist eine solche Nutzung ohne individuelle Einschränkung zu verstehen, die ohne die Beeinträchtigung der gleichen Rechte Dritter sich in den Grenzen der Gemeinverträglichkeit hält. b) Die Auffassung über die Grenzen des Gemeingebrauchs und der vertraglichen Sondernutzungsrechte unterliegt dem Wandel der Entwicklung, insbesondere dem des Verkehrs (vgl. Ganschezian-Finck: NJW 57, 285 und Nedden NJW 56/81 ff.; Staudinger, 11. Aufl. § 905 BGB Anmerkung 10; Forsthoff, Verwaltungsrecht, 6. Aufl. S. 321 f ; Germershausen, Wegerecht, 4. Aufl. § 6 S. 97; MDR 55, 58, 56, 508; NJW 54, 889 und 56, 104; RG88,14f; 123,181 und 187 und 150, 216). c) Eingriffe in den Straßenraum durch die Errichtung einer Tankstelle liegen nicht in den Grenzen des Gemeingebrauchs, so daß es des Abschlusses eines privatrechtlichen Vertrages bedarf. — Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. März 1957 — 7 S 490/56 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 69 —.

§ 905 BGB 331. Vordach vor einer Gastwirtschaft — Grenzen des Gemeingebrauchs — Gewerbliche Reklame als Anliegernutzung a) Nach § 905 Satz 2 BGB ist es dem Eigentümer verwehrt, Einwirkungen anderer auf sein Grundstück zu verbieten, wenn sie in

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solcher Höhe oder Tiefe erfolgen, daß er an einem Verbot vernünftigerweise kein Interesse haben kann. b) Ob ein schutzwürdiges Interesse besteht, ist nach den konkreten Verhältnissen zu beurteilen; dabei ist zu berücksichtigen, daß der Mangel des Interesses seinen Grund gerade in der Höhe oder Tiefe, in der die Einwirkung stattfindet, haben muß. Entscheidend ist also die jeweilige Entfernung von der Oberfläche (Staudinger BGB 11. Aufl. § 905 Randnote 5a). c) Diese Grundsätze gelten auch für den Eigentümer einer Straße, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 3. Aufl., S.9, 2; RG SeuffArch. 65 Nr. 241; Gruch 54, 918; Recht 1911 Nr. 506). d) Es ist anerkannt, daß bei der Prüfung, ob ein Interesse des Eigentümers im Sinne des § 905 Satz 2 BGB gegeben ist, auch die zukünftige Entwicklung zu beachten ist (RGZ 123, 181 [182]; 132, 398 [399]; JW 1928, 502; RGRKomm. 10. Aufl. § 905 Anm. 4 Schlußabsatz) . e) Die Widmung einer Straße für die öffentliche Benutzung dient in erster Linie dem Straßenverkehr. Der Gemeingebrauch (vgl. hierzu BGHZ 22, 395 [396/7]), der durch die Widmung eröffnet wird, umfaßt daher vor allem die Benutzung der Straße in der Form der Teilnahme am Verkehr, sei es im Fortbewegen, sei es im Verbleiben auf der Straße. Daneben erstreckt sich die Widmung der Straße auf andere Zwecke, soweit sie den Bedürfnissen des flüssigen Verkehrs dienen. Beispielsweise sei auf den Handel mit Zeitungen oder Rauchwaren im Straßenverkehr verwiesen. f ) Soweit sich nicht für das ganze deutsche Rechtsgebiet eine feste Rechtsanschauung gebildet hat, kommt es hinsichtlich des Umfanges des Gemeingebrauchs an Straßen auf die örtlichen Auffassungen und Übungen an. Es fragt sich daher stets, ob die jeweils in Betracht stehende Tätigkeit nach örtlicher Übung noch von der Widmung der Straße für den öffentlichen Verkehr gedeckt ist, also als Ausfluß des dadurch eröffneten Gemeingebrauchs anzusehen ist. Wo eine solche Übung nicht besteht, kann sie sich durch die Veränderung der gesamten Verhältnisse im Laufe der Zeit herausbilden. g) Der Umfang des Gemeingebrauchs steht sonach nicht ein für allemal fest; er ist wandelbar mit den stetigen Veränderungen der Umweltsverhältnisse. Wo ein Gemeingebrauch gegeben ist, kann der Eigentümer der Straße für die Benutzung seines Eigentums in diesem Umfange kein Entgelt verlangen. h) Die sog. Anliegernutzung ist ein Teil des Gemeingebrauchs an Straßen (vgl. BGH a. a. O. ferner BGH III ZR 141/55, Urteil vom 28.1.1957, für die Amtliche Sammlung vorgesehen, abgedruckt in „Betrieb" 1957 S.256).

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i) Mit der Widmung der Straße wird nämlich die Befugnis erteilt, die zum öffentlichen Gebrauch freigegebene Straße auch als Straßenanlieger zu benutzen. Dieser ist infolge seiner räumichen Nähe zur Straße zu deren Benutzung in besonderem Maße imstande und angewiesen. Auch hier ist ein bestimmter ursprünglicher Inhalt der Befugnis zu erkennen, der sich aus der Widmung ergibt: gestattet ist vornehmlich das Gehen vom und zum Hause, die Benutzung der Straßenflächen zum Aufbau und zur Ausbesserung des an die Straße angrenzenden Hauses. k) Nach allgemeiner Auffassung umfaßt die Anliegernutzung als gesteigerter Gemeingebrauch auch Einwirkungen, die von der Ausübung eines Gewerbes ausgehen, wenn das Gewerbe in einem an der Straße liegenden Hauses ausgeübt wird. Deshalb muß die gewerbliche Reklame, solange sie sich im Rahmen der Gemeinverträglichkeit hält und mit den sonstigen Zwecken der Widmung vereinbar ist, vom Eigentümer der Straße geduldet werden (RGZ 123, 181 [183]). 1) Wo allgemeine Rechtsauffassungen nicht bestehen, ist die Frage, ob ein bestimmter Gebrauch der Straße und des Luftraumes über ihr für gewerbliche Zwecke als Anliegernutzung anzusehen ist, nach Maßgabe der örtlichen Rechtsansichten und -Übungen zu beantworten. m) Unter die Maßnahmen des Straßenanliegers, die zu Zwecken seiner Gewerbeausübung vorgenommen werden, fällt auch die Einrichtung eines Vordaches vor Gaststätten, Kaufhäusern, Lichtspieltheatern und ähnlichen Unternehmen. Solche Vordächer dienen dem Schutz der Gäste und Kunden vor Regen; sie geben auch dem allgemeinen Publikum einen Anreiz, während des Verweilens unter dem Dach sich Reklamen und Auslagen anzusehen. n) E s kann dahinstehen, ob nicht nach allgemeiner Auffassung und Übung unter Beachtung der neuzeitlichen Verkehrsentwicklung die Anbringung von Vordächern kleineren und mittleren Ausmaßes für gewerbliche Zwecke noch als Ausübung der Anliegernutzung anzusehen ist. Im Schrifttum hat sich hierüber keine einheitliche Meinung gebildet. Ganzeschian-Finck (NJW 1957, 285) und Hurst (Komm, pol. Blätter 1956, 439) verneinen eine Anliegernutzung, während Hammes (DVB1950, 71, 7 4 1 8 f) diese zu bejahen scheint. Staudinger (BGB, 11. Aufl. § 905 Randnote 10c) stellt es auf die Größe des errichteten Vordaches ab. o) Jedenfalls wird ein 3 m über dem Erdboden errichtetes, mit einer Flächenausdehnung von 31 qm 3,40 m weit in den Luftraum über der Straße hineinragendes Vordach von der Anliegernutzung n i c h t erfaßt. — Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Mai 1957 — V ZR 143/56 — Betrieb 1957, 654 — Bin GrundE 1957, 468 — DWW 1957,185 — N J W 1957,1396 — HGBR Rspr. 1957 Nr. 72 — B1GBW 1957, 302 —.

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§§ 985, 1004 BB 332. Fahrzeugbewachung auf gebührenfreiem Parkplatz — Gemeingebrauch — Sondergebrauch Die Ausübung des Fahrzeugbewachungsgewerbes auf öffentlichen Straßen und Plätzen überschreitet nicht die Grenzen des Gemeingebrauchs, wenn der das Gewerbe Ausübende jedes Fahrzeug unbehindert auf den betreffenden Platz oder Platzanteil parken läßt und nur die Fahrzeuge bewacht, deren Besitzer eine Bewachung wünschen (sog. gebührenfreie Parkplätze). — L a n d g e r i c h t Köln, U r t e i l v o m 13. N o v e m b e r 1956 — 12 S 236/56 — B B 1957, 492 — Glaser N r . 206/IX/1957 — B B a u B l . 1957, 635 — .

333. Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen a) Das Aufstellen von Verkaufsständen auf öffentlichen Straßen und Plätzen entspricht jedenfalls dann nicht dem Gemeingebrauch, wenn solche Stände sich an Standorten eines lebhaften Straßenverkehrs und an Plätzen befinden, die den gesteigerten öffentlichen Verkehr nicht mehr ohne Verkehrsregelung bewältigen können. E s bedarf daher einer jederzeit widerruflichen Gebrauchserlaubnis. b) Der Widerruf einer Gebrauchserlaubnis zur Aufstellung von Verkaufsständen auf öffentlichen Straßen und Plätzen unterliegt nicht den f ü r den Widerruf von Erlaubnissen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr geltenden Einschränkungen. —• O b e r v e r w a l t u n g s g e r i c h t Lüneburg, Urteil v o m 22. März 1956 — I A 50/55 — B B a u B l 1956, 602 — . Anmerkung: V g l . B G H : ZMR 1956, 139 — N J W 1956, 104 — J R 1956, 143 — Glaser N r . 66/IX/1956 m. w . N .

334. Urlaubsanspruch des Hausmeisters a) E s ist ein in Lehre und Rechtsprechung seit langem anerkannter Rechtsgrundsatz, daß jeder Arbeitnehmer und jeder, der in einem arbeitnehmerähnlichen Dienstverhältnis steht, einen unabdingbaren Anspruch auf bezahlten Urlaub hat. b) Der Urlaub dient nach seinem Sinn und Zweck der Erholung des Arbeitnehmers, der Erhaltung seiner Arbeitskraft. Soll der Urlaub seinen Zweck erfüllen, muß der Arbeitnehmer seinen Lohn auch in dieser Zeit erhalten. Der Urlaubsanspruch ist aus dem Erholungszweck daher einheitlich auf Freistellung von der Arbeit und Weitergewährung der Arbeitsvergütung gerichtet. E r ist unteilbar; Freizeitgewährung ohne Lohnvergütung ist begrifflich kein Urlaub. Der Arbeitgeber erfüllt mit der Erteilung des bezahlten Urlaubs eine Pflicht der Fürsorge gegenüber dem Arbeitnehmer; es liegt aber auch in seinem Interesse, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers zu erhalten. 13 Glaser, Baurecht-Entsch.

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c) Auch der nebenberuflich tätige Hauswart (Hausmeister) hat einen Anspruch auf unabdingbaren bezahlten Urlaub. —• Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 10. September 1956 —- 3 Ca 574/56 — Glaser Nr. 254/IX/1957 — ZMR 1957, 154 —.

§ 80 ZPO 335. Hausverwaltervollmachtsurkunde im Prozeß a) § 80 Abs. 1 ZPO bestimmt zwar, daß die Vollmachtsurkunde zu den Gerichtsakten abzugeben ist; es liegt auch grundsätzlich im Sinne dieser Regelung, daß die Vollmachtsurkunde bei den Akten verbleibt. Die Bestimmung schließt es jedoch nicht aus, daß die Vollmachtsurkunde aus beachtlichen Gründen dem Vertreter wieder ausgehändigt werden kann. b) Bei erteilten Generalvollmachten, wie z. B. bei der Hausverwaltervollmacht, würde es zu einer Erschwernis, wenn nicht sogar zu einer Unmöglichkeit der ordnungsmäßigen Durchführung der von dem Bevollmächtigten übernommenen Aufgaben führen, wollte man die Möglichkeit der Rückgabe der Vollmacht verneinen. c) Für jede Einleitung eines Prozeßverfahrens vor dem Amtsgericht müßte dann zum Zweck der Abgabe zu den Gerichtsakten eine von dem Vollmachtgeber eigenhändig unterzeichnete Vollmachtsurkunde ausgestellt werden. d) Sinn der Generalvollmacht ist es jedoch, daß die erteilte umfassende Vollmacht den Bevollmächtigten in die Lage versetzt, seine Legimitation jedermann und zu jeder Zeit nachzuweisen, ohne daß die Ausstellung einer neuen Vollmachtsurkunde durch den Vollmachtgeber erforderlich wird. e) Die Hausverwaltervollmachtsurkunde wird üblicherweise nie zu den Gerichtsakten abgegeben, weil diese als Generalvollmacht von dem Bevollmächtigten stets auch zur Vorlage bei anderen Stellen benötigt wird und deshalb in diesen Fällen immer ein beachtlicher Grund, der die Rückgabe der Vollmachtsurkunde rechtfertigt, vorliegt. — Landgericht Berlin, Urteil vom 27. September 1956 — 61 S 147/56 — Bin GrundE 1957, 244 mit einer Anm. von Darkow —. Anmerkung: über den Umfang der Vollmacht des Hausverwalters vgl. LG Berlin: HuW 1956, 210 — Glaser Nr. 108/XI/1956; vgl. Schwarz: Vertragsverhältnis des Hausverwalters AIZ 1957, 88; Schumacher: Hechtsstellung des Hausverwalters: B1GBW 1956, 340; Weimar: Haftung des Hausverwalters: B1GBW 1956, 341; Herold: Hauswartvertrag: B1GBW 1956, 342.

Sachregister zum 1. und 2. Band Die römische Ziffer bedeutet den Band, die arabische die Nummer der Entscheidung in dem betreffenden Band.

Abbruch eines baufälligen Hauses 1/82/83; 11/286, 329 Abmarkungsklage 1/298 Abwässerleitung 1/283/84 Anfechtungsklage 1/305; 11/236 Ankaufsrecht II/269 Anliegerbeiträge 1/156/161; 11/113/119 Ansiedlungsgebühren 1/47 Ansiedlungsgenehmigung 1/45/48 Ansiedlungsgesetz 1/45/48 Architekt 1/113/120; II/54, 67/75, 112 Aufbaudarlehn H/111 Aufbaugesetz 1/102 Auflagen (Baupoliz.) 1/37, 64/65; 11/18, 47/8 Aufopferungsanspruch 1/6 Aufschließung II/17 Außenbezirk 1/53/55; II/37/8 Außenreklame 1/68/73; 11/28/30, 53

Bauschmutz 1/273 Bausperre 1/17/19; II/1/2 Baustelle 1/223/25, 267/73, 314; 11/215/225 Bauunternehmer II/68, 72/9 Bauverbot 1/10, 12; II/1/3, 12, 14 Bauvertrag 1/106/120; 11/67/80 Bauwerk 1/106/120 Bauwerksicherungshypothek 1/112/120 Bauwich 1/297 Bauzaun II/53 Bebauungsplan 1/10/15; II/26, 40/3 Behebungsverordnung 1/24 Behelfsheim 1/352/54, 357; H/286/90 Beherbergungsräume 1/5 Bergbauschäden 1/96 Betriebsgeräusche 1/276/79; II/240/3 Besatzungsbauten 1/358 Brandmauer 1/307/313; II/28, 247 Bunkerbauten II/293/5 Bürgersteig 1/228, 333/35; II/183, 323

B

D

A

Baracke 1/352/54, 357 Bauantrag 11/44 Bauarbeiten 1/106, 108; II/16 Baubeschränkung 1/9, 13 Baudispens 1/8, 305; II/39, 46/52, 233 Bauerlaubnis 1/8, 25/29, 35, 36, 41, 43, 45, 48, 68, 301/04; II/35, 37, 42 52 2?2/38 Baug'estaltungsVO 1/68/73; 11/27/33 Bauland 1/96, 103; II/56 Baulandbeschaffung 1/88/96; II/56/8 Bauleitplan II/40 Baulücke II/4, 31 Baupolizeibehörde 1/31/33, 42/43; II/36, 45 Baupolizeiverfügung 1/29/31, 34, 37, 42; II/54/5 B aureglungsver Ordnung 1/48/55; II/35/9 Baurechtswidrigkeit 1/32/33, 40, 60, 306; II/32/4, 54 13'

Dauerwohnrecht 1/346 Dispens 1/8, 305 Doppelprovision 1/203 E Eigenheim II/94 Einsturzgefahr 1/84, 87; 11/226 Einsturzschäden 1/86; II/226, 253 Einwirkungen (ortsübl.) 1/274, 280, 294; 11/239/43, 249 Enteignung 1/1/8, 10, 13, 15/17, 24, 35, 42, 50, 65, 91, 92/98; II/1/17, 56/61, 168 Begriff der — 1/1 Enteignungsanspruch 1/6 Enteignungsbescheid 1/3 Enteignungsentschädigung 1/7, 20/23; 11/10, 58 Zulässigkeit der — 1/2 Ersteher 1/341/42

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Sachregister

F Fahrstuhl 11/179 Feuchtigkeitseinwirkungen 1/289/293; 11/254/6 Flüchtlinge 1/5 Fluchtlinienbeitrag 1/157/161 Fluchtliniengesetz 1/10, 157/161; II/8, 26, 113/119 Fluchtlinienplan II/40/3 Flurbereinigung 1/105; II/63/6 Flurschäden 11/324 Formmangel 1/315/17; 11/170, 258, 260 Freibauen 1/149/51; 11/105, 107 G Garage 1/304; 11/237 Garagenordnung 1/76/81 Gebühren des Architekten 1/115/118; 11/75 der Bauaufsicht 11/127 — befreiung 1/155; 11/171, 276 der Gemeinde 1/156/167 Gemeingebrauch 1/327/29; II/9, 16, 330/33 Giebelmauer 1/307/313; 11/28, 247 Grabeland 1/213; 11/174 Grenzabstand 1/287 Grenzeinrichtung 1/297; 11/228/230 Grenzmauer 1/307/313; 11/28, 247 Grenzscheidungsklage 1/298 Grenzüberbau 1/295/96; 11/246 Grünflächenbebauung 1/52; II/3 Grunddienstbarkeit 1/325; 11/244, 297/303 Grundschuld II/272/4 Grundsteuerermäßigung 1/361/62; 11/129 Grundstücksmietvertrag 1/320 Grundstücksschenkung 1/321 Grundstücksveräußerung 1/315/19; 11/258/62, 264/6, 277, 278 H Haftung des Architekten 1/119 des Bauhandwerkers 1/109 des Bauunternehmers 1/110, 267/73; II/215, 227, 251 des Gastwirts II/192/4 der Gemeinde 1/259/266; 11/210/14

des Grundstückseigentümers 1/219/258; 11/175/209 des Grundstücksverkäufers 1/321/322 des Hausverwalters 1/370; II/196, 250 des Ruinengrundstückseigentümers 1/289/293; II/197/9 Hausverwalter 1/368/70 ; II/148, 334/5 Heimstättenrecht 1/345; II/166/7 Hühnerhaltung 1/275 I Immissionen 1/274, 280, 294; 11/239/ 243, 249 K Kamin 1/220/221; II/247/8 Kanalanschlußgebühren 1/165/166; 11/119/121 Katasterplan II/282 Kellergarage 1/78 Kleingartenrecht 1/211/18; II/172/4 Kleinsiedlung II/36, 168/171, 245 Kostenanschlag 1/107 Kündigung von Kleingartenland 1/211/14; II/172/4 L Landabtretung II/17, 25 Landschaftsschutzgebiet 11/12/15 Landwirtschaftliches Grundstück 1/338/340; 11/311/316 Lärm 1/276/79; II/240/3, 249 Lichtschutzrecht 1/299; II/231 M Maklerrecht 1/168/210; 11/130/165 Abschlußnote 1/180/81 Alleinauftrag 1/195/196; II/154/9 Dauer des Auftrages 1/189 Doppelprovision 1/203; II/131 Festanhandgeben 1/196/197; II/154/9 Geschäftsbedingungen der Makler 1/168/169; II/130, 149 Inanspruchnahme zweier Makler 1/182; 11/150/1 Kreditmakler 1/199, 200

Sachregister Maklergebühr f ü r Darlehensvermittlung 1/200; II/147/8 Entstehung der — 1/179; 11/146 Fälligkeit der — 1/178 Höhe der — 1/199/208; II/160/5 f ü r Nachweis 1/177; 11/151 bei Nichtigkeit des Vertrages 1/187/189 und Preisbindung 1/210 bei Rücktritt vom Vertrag 1/187/191; 11/139/140, 152 Verzicht auf — 1/209 Maklervertrag 1/194; 11/158 Selbstabschluß des Maklers 11/158 Sorgfaltspflicht des Maklers 1/192/93; 11/141/145 Stillschweigender Vertragsabschluß 1/170/73, 186; 11/132/134 Tätigwerden f ü r beide Parteien 1/183/86; 11/131 Untermakler 1/198 Ursächlichkeit der Maklertätigkeit 1/174/77, 186; II/135/6 Widerruf des Auftrags 1/188, 191; II/137/8 Wohnungsmakler U/143, 153, 162 Zwangsversteigerung 1/208 Mehrarbeiten 1/108 Mitverschulden des Verletzten 1/239, 241, 253; 11/177, 204 Müllabfuhr 1/162/64; II/122/4 N Nachbarrecht 1/274/314; 11/228/257 Naturschutz 1/74/75; 11/12/15 Notarrecht 1/363/66; II/283/5 Notweg U/208 O Ortsüblichkeit (Einwirkungen) 1/274, 276, 280, 294 P Parkplatz 1/77, 80; II/5, 332 Planungsschäden 1/14 Polizeipflichtigkeit 1/84/87 Preisfreigabe 1/350; II/317/8 Privatweg U/176, 194, 207/8

197 R

Räumung (baupoliz.) 1/38 Reinigungspflicht des Mieters 1/333 Reklametafel 1/68/73; U/28/30, 53, 185 Rückübereignung 1/94; 11/263 S Schiedsgutachterklausel 11/326 Schornsteinfeger 1/371; U/325 Schwarzkaufpreis 1/348/49 Störer 1/288 Straßenanliegerkosten 1/157/161; II/113/9 Straßenreinigungsgebühren 1/167 Streitwertfestsetzung 1/66, 367; II/257, 267, 279 Streupflicht der Gemeinde 1/259/265; 11/210/14 des Hauseigentümers 1/246/56; 11/200/209 des Mieters 1/257/58; U/205 Stromversorgung II/125/6 T Tankstelle 11/330 Teilenteignung II/6/7 Teilungsversteigerung 1/344/45; II/166/7 Treppenbeleuchtung 1/244/45 Treppenunfall 1/233/241; 11/187/192 U Umlegungsausschuß II/62 Umlegungsbeschluß 1/101/02 Umlegungsplan 1/99/100 Umlegungsverfahren 1/81, 97/105; 11/59/66 V Verjährung von Bauarbeiten 1/111 Verkaufsbude 1/327 Verkehrspolizei 1/30 Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers 1/267/273; H/215/227 des Gastwirts II/192/4 der Gemeinde 1/259/266; 11/210/14

Sachregister

198

des Hauseigentümers 1/219/258; 11/175/209 des Ruineneigentümers 1/226/27; II/197/9 Verkehrswert 1/338; 11/319 Verwirkung im Anliegerbeitragsrecht II/117 im Sachenrecht II/300 Vorgarten II/8, 207 Vorkaufsrecht II/22, 280/1 Vormerkung 11/268/273, 276 Vorteilsausgleichung II/17 W Währungsumstellung und Anliegerbeitrag 1/157; 11/114/116 Wegerecht II/303, 327 Werbetafeln 1/68/73; 11/28/30, 53, 185 Widerspruch 11/271 Wiederaufbau und Anliegerbeitrag 1/160 und Baupolizei 1/39 Wohnrecht 1/322/24; II/304/8 Wohnsiedlungsrecht 1/56/57; 11/18/26 Wohnungsbaurecht 1/121/155; 11/81/112 Aufbaudarlehen I I / I I I Ausbau von Wohnraum 1/144; II/89, 99/103 Brandversicherungsentschädigung 1/148 Bezugsfertigkeit 1/124, 134; II/106 Eigenheim II/94 Finanzierungbeitrag 1/137; 150; II/95/8 Freibau 1/149/151; 11/105, 107 Freifinanz. Wohnraum 1/138, 142; 11/86, 90 Freikauf II/104, 108

Grundsteuerbegünstigung 1/125/135; 11/87/90 Antrag auf — 1/126 f ü r Garagen 1/130 f ü r Ledigenheim 1/127/28 f ü r Mischräume 1/129 f ü r Wohnräume 1/127 Verzicht auf — 1/132/33; II/90 Voraussetzungen der — 1/125, 135 Widerruf der — II/87/8 Mietfestsetzung (Bewilligungsstelle) 1/154 öffentliche Mittel 1/121, 134, 140/41, 148; II/92 Rückzahlung öffentlicher Mittel 1/141; 11/90 Schaffen von Wohnraum 1/139, 143/147; H/100/103 Vorschlagsliste 1/136 Vorschlagsrecht 1/152 Wiederherstellung von Wohnr a u m 1/146/47; H/100/103 Wohnfläche II/93, 110 Wohnraumbewirtschaftung 1/153 Wohnung (Begriff) 1/122/23; II/81/3 Wohnungseinheit 1/139, 142; II/91 Wohnungseigentum 1/347; 11/80, 309/10 Wohnungsteil II/102 Wohnungsunternehmer (gemeinnütz.) 1/155 Wurzeln 1/282/83; II/255 Z Zusage (mündlich) 1/31 Zustandshaftung 1/84/87 Zwangsversteigerung 1/339, 340, 343/344, 346; II/166/7, 320/2

So urteilte die Fachpresse über den e r s t e n

Band

RECHTSPRECHUNG aus dem Bau-, Grundstücks- und Nachbarrechl 186 Seiten. 1957. DM 18,—.

Wohnungswirtschaft und Mietrecht: „Die von Dr. Glaser herausgegebene Entscheidungssammlung, deren I. Band vorliegt, dürfte einem großen praktischen Bedürfnis begegnen, handelt es sich doch um Rechtsgebiete, die in den Jahren des erhöhten Aufbaues von besonderem Interesse für Grundstückseigentümer, Bauherren, Makler usw. sind. Die Sammlung gliedert sich in Enteignungs- und Baupolizeirecht, in das Gebiet der Baulandbeschaffung und Umlegung, in das Bauvertragsrecht, in das Wohnungsbaurecht (hier werden in der Veröffentlichung von grundsätzlichen Entscheidungen die wesentlichen Begriffe und Bestimmungen des Wohnungsbaugesetzes erläutert). Es folgen die Kapitel über Grundstücksgebühren und -abgaben, über Maklerrecht, Kleingartenrecht, Verkehrssicherungspflicht, Nachbarrecht und Grundstücksrecht." Bundes-Baublatt: „Der Verfasser", bekannt durch zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, setzt sich das Ziel, den Leser möglichst umfassend mit den Leitsätzen von 371 Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts und anderer Obergerichte, die sich mit seinem Fachgebiet befassen, auf einfache Art vertraut zu machen. Dieser Versuch ist Glaser trefflich gelungen. Die klare Aufgliederung des recht weit gespannten Stoffgebietes und die ausgezeichnete Systematik sowie die übersichtliche Anordnung sind die wichtigsten Vorzüge dieser Urteilssammlung. Die Überschriften vor den einzelnen Leitsätzen sind kurz und prägnant. Sie erleichtern dem Leser die Benutzung der Sammlung wesentlich... wird sich zweifellos in kurzer Zeit bei Behörden und in der Praxis den Ruf der Zuverlässigkeit und der besonderen Nützlichkeit erwerben."

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2., abgeänderte und ergänzte Auflage, bearbeitet von Oberlandesgerichtsrat Dr. H u g o G l a s e r Oktav. 148 Seiten. 1956. DM 9,80 „Auch die zweite Auflage der bewährten Schrift wird dem Praktiker gute und wertvolle Dienste leisten, da er an Hand der Erläuterungen mit Leichtigkeit über Rechtsprechung und Rechtslehre zu allen Fragen der Geschäftsraummiete sich schnellstens informieren kann." Wohnungswirtschaft und Mietrecht

KIEFERSAVER — GLASER — BRUMBY Grundstücksmiete - Mieterschutz - Mietzinsbildung - Wohnraumbewirtschaftung Erläutert von Dr. F r i t z K i e f e r s a u e r f 8. Auflage von Oberlandesgerichtsrat Dr. H u g o G l a s e r und Rechtsanwalt und Notar G u s t a v B r u m b y Oktav. Etwa 640 Seiten. 1958. Im Druck. Lassen

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ERICH PRITSCH Gesetz Ober das Wohnungseigenlum und das Dauerwohnrecht Erläutert von Professor Dr. E r i c h P r i t s c h Groß-Oktav. VI, 121 Seiten. 1956. DM 14,— (Sonderdruck aus BGB — Reichsgerichtsrätekommentar

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