Mitteilungen aus dem Hamburgischen Zoologischen Museum und Institut: Band 50 [Reprint 2020 ed.] 9783112312124, 9783112301074


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German Pages 176 [184] Year 1950

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Table of contents :
Gedenken
Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden
Zur Inversion der Augenslellung bei Plattfischen
Schrifttum
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Mitteilungen aus dem Hamburgischen Zoologischen Museum und Institut: Band 50 [Reprint 2020 ed.]
 9783112312124, 9783112301074

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Mitteilungen aus dem

Hamburgischen Zoologischen Museum und Institut =

50. Band

=

Mit 1 Titelbild und 54 Abbildungen

Inhalt:

Seite

ß. Klatt, Gedenken

1

B. Klatt, Cianiologisch-physiognomische

Studien an Hunden

G. Duncker, Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

9-129

. . 131-176

Hamburg 1950 Kommissionsverlag C i a m , De G i u y i e r & Co.

Der Hamburgischen wissenschaftlichen Stiftung und der Joachim Jungius-Gosellschaft der Wissenschaften e.V., Hamburg, welche durch finanzielle Unterstützung die Herausgabe dieses Bandes ermöglichten, sei auch hier herzlich gedankt

Druck: Stader Zeitungs- und Verlags - Druckerei GmbH., Stade /Elbe

M A X V.

LUDWIG

REH

ERNST HENTSCHEL

BRUNN

ERNST EHRENBAUM

NICOLAUS

PETERS

Gedenken

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Gedenken. Der 50. Band unserer „Mitteilungen" war ursprünglich geplant als eine Jubiläumsausgabe zur Hundertjahrfeier des Hamburger Naturhistorischen Museums im Mai 1943. Er sollte eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Museums in diesem ersten Jahrhundert seines Bestehens bringen. Das Schicksal hat es anders bestimmt. Vom Hamburger Museum stehen nur noch die Mauern; die Sammlungen, soweit vorher sichergestellt bzw. dem Feuer entrissen, warten noch auf ihre Neuaufstellung, die Manuskripte zu dem geplanten Bande ruhen im Archiv und bleiben besser dort, bis einmal ruhigere Zeiten die Muße geben zu einer Rückschau auf die Vergangenheit. Eine Ausnahme aber hiervon zu machen gebietet uns die Pflicht der Dankbarkeit gegenüber denen, welche die ganze Kraft ihrer wissenschaftlichen Persönlichkeit in den Dienst unseres Museums stellten — und die heute nicht mehr unter uns sind. Seit dem Erscheinen des 48. Bandes im Jahre 1939 wurden von den wissenschaftlichen Mitgliedern dem Museum durch den Tod entrissen: MAX v. BRUNN — ERNST EHRENBAUM — ERNST HENTSCHEL NIKOLAUS PETERS — LUDWIG REH. Am 23. September 1940 fand Dr. NIKOLAUS PETERS vor der westfranzösischen Küste beim Untergang des Minensuchers, auf dem er als Leutnant z. S. Dienst tat, den Tod. Als Sohn der Elbinsel Finkenwärder, wo er am 10. Februar 1900 geboren wurde, war ihm die See von Jugend auf vertraut. Schon als Schüler benutzte er die Ferien, um auf Finkenwärder Kuttern anzumustern und während der Universitätsferien fuhr er als Leichtmatrose, um dann später sein Steuermannexamen für große Fahrt abzulegen. Als Offizier der Handelsmarine lernte er Westindien, Afrika, den Fernen Osten kennen, nachdem er Sein Studium in Marburg und Hamburg 1922 mit seiner Promotion zum Dr. rer. nat. in Hamburg abgeschlossen hatte, und zuerst als Assistent der Deutschen wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Meere (D.W.K.) an unserer fischereibiologischen Abteilung unter Prof. EHRENBAUM gearbeitet hatte- Zwischendurch war er eine Zeitlang auch Mitdirektor einer Fischhandelsgesellschaft, bis er dann 1926 endgültig als wissenschaftlicher Assistent an das Museum zurückkam. Dieser für einen deutschen Zoologen wohl einmalige Lebenslauf zeigt schon die ungewöhnlichen Fähigkeiten, die eine gütige Natur ihm verlieh. Er war einer der seltenen Menschen, die jede Aufgabe anzupacken und erfolgreich durchzuführen vermögen, gleichgültig ob sie praktischer oder theoretischer Art ist. Sein Herz aber gehörte der reinen Wissenschaft. Subtile mikroskopische Untersuchungen, wie sie bei seinen Studien über

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Bau und Bewegungsmechanismus der Dinoflagellaten nötig waren, lagen ihm eigentlich, wie er mir einmal gestand, am meisten. Aber mit der gleichen Hingabe befaßte er sich auch mit Fragen ganz anderer Gebiete. Als ihm 1923 die Verwaltung der Vogelabteilung übertragen wurde, stürzte er sich mit Feuereifer auf diese ihm völlig neuen Fragen, organisierte Vogelführungen, wurde Vorsitzender des ornithologischen Vereins, hielt allgemein verständliche Vorträge in weitesten Kreisen, lieferte aber auch wissenschaftlich wertvolle Arbeiten (Kippflügelproblem, Beziehungen der Vogel-Verbreitung zu den Hamburger Abwässern, Brutgewohnheiten der Alsterschwäne usw.). Als ich ihm später noch die Verwaltung der Säugetierabteilung übertragen mußte, war er alsbald wieder ebenso bekannt in den Kreisen der Jäger, publizierte über jagdliche Einzelheiten ebenso wie mikroskopische Untersuchungen über das Blutbild der Säugetiere. Doch die meisten und wesentlichsten seiner Arbeiten galten der Tierwelt des Meeres. Er bearbeitete mustergültig die Peridineen und Radiolarien der Weddellsee am Material der Deutschen Antarktischen Expedition von 1911/12, die Ceratien der Meteorexpedition. Von größerem allgemeinen Interesse waren seine Untersuchungen über die Chinesische Wollhandkrabbe in Deutschland, von der außer zahlreichen Einzelarbeiten zwei monographische Darstellungen (zusammen mit Dr. PANNING) die erste 1933, die zweite 5 J a h r e später als Band 47 dieser „Mitteilungen" erschienen. Die Krönung e r f u h r seine Lebensarbeit jedoch, als 1936 der deutsche Walfang wiedererstand. Es gab nur e i n e n Zoologen in Deutschland, der die Voraussetzungen in sich vereinte, die erwünscht waren f ü r den wissenschaftlichen Biologen, der dieser ersten Expedition beigegeben werden sollte, das w a r NIK. PETERS. Noch vor seiner Heimkehr telegraphierte er mir den Vorschlag am Museum eine wissenschaftliche Zentrale f ü r Walforschung einzurichten. So entstand die ursprünglich unserem Museum angegliederte Reichsstelle f ü r Walforschung, die später als Reichsinstitut f ü r Walforschung selbständig wurde unter PETERS, der hauptamtlich aber Custos am Museum blieb. Die Organisation des Instituts, das eine rasch steigende Zahl „Walbiologen" auszubilden hatte, die nach seiner Anweisung Einzelfragen der Walbiologie auf den verschiedenen Expeditionen zu bearbeiten hatten, lag in der Hand von PETERS. Seine eigenen Publikationen auf diesem Gebiet, als größte das Handbuch „Der neue deutsche Walfang", waren die Frucht seiner Erfahrungen. Auf den internationalen Konferenzen in Oslo und London vertrat er als der wissenschaftliche Sachverständige Deutschland und gewann rasch die Sympathien der Vertreter der anderen Länder. Denn er w a r ein Mensch, der im Nu die Herzen der anderen zu gewinnen vermochte, weil man bei ihm instinktiv fühlte, einmal, daß er sich nur der Sache wegen einsetzte, zum anderen, daß er auch an den persönlichen Sorgen anderer teilnahm aus einem inneren Mitfühlen herausEr wurde uns genommen in der vollen K r a f t seiner vierzig Jahre als einer unserer Jüngsten, zugleich aber als die größte Hoffnung des Museums f ü r dessen Zukunft. Das Lebenswerk unserer vier anderen Toten liegt abgeschlossen vor uns und ist der Wissenschaft auch über die Grenzen Deutchlands hinaus wohlbekannt-

Gedenken

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Am 3. November 1940 starb Professor LUDWIG REH nach langer qualvoller Krankheit. Er war am 17. April 1867 in Dieburg in Hessen geboren, hatte in Jena studiert, wo Ernst Haeckel, dem er zeitlebens in größter Verehrung verbunden blieb, ihn nachhaltig beeinflußte. An unserem Museum, dem er von 1903 an dauernd angehörte, hat er vorübergehend bereits als Fünfundzwanzigj ähriger gearbeitet als Vertreter MICHAELSEN's, während dessen Südamerikareise im Jahre 1892. In dem dazwischen liegenden Jahrzehnt lernte REH aus eigener Anschauung die Tierwelt Südbrasiliens kennen, während der neun Monate 1895/96, die er als Custos am Museum von Sao Paulo verbrachte. Persönlich ist ihm die Tätigkeit dort stets in böser Erinnerung geblieben, wie er oft erzählte; f ü r seine zoologische Weiterbildung war sie von größter Bedeutung. Die reiche Insektenwelt der Tropen weckte sein besonderes Interesse, und dies wurde richtungsweisend f ü r die Arbeit seines späteren Lebens. Nach Europa zurückgekehrt, fand er zunächst eine Stelle am Concilium bibliographicum in Zürich, eine Tätigkeit, die später unserem Museum sehr zugute kam, an welchem ihm zuerst die Betreuung unserer Bibliothek übertragen wurde, deren Ausbau ihm zum großen Teil zu verdanken gewesen ist. Die erste Stellung jedoch, die REH in Hamburg übernahm, w a r die eines Zoologen an der im Hamburger Freihafen 1898 gegründeten Station f ü r Pflanzenschutz. Die ihm obliegende Untersuchung der aus Übersee eingeführten Pflanzen und Pflanzenteile auf mitgeschleppte tierische Schädlinge veranlaßte ihn zunächst den Pflanzenläusen (San Joseschildlaus, Reblaus) seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. So entstand eine Reihe wissenschaftlich wie praktisch wichtiger Arbeiten über Schildläuse. Die ihm gleichfalls amtlich zufallende Aufgabe der Überwachung des Hamburger Landgebietes auf tierische Schädlinge hin führte zu bedeutsamen phytopathologischen Arbeiten. Und so wurde er einer der ersten, die in Deutschland die wirtschaftliche Bedeutung der Insekten klar erkannten. Für diese Erkenntnis hat er dann seine K r ä f t e voll eingesetzt. In Anerkennung der Bedeutung der Sache wie ihres temperamentvollen Verfechters wurde die Abteilung f ü r Schädlingsforschung an unserem Museum eingerichtet und REH ihr erster Leiter. 1913 erschien seine Bearbeitung der „Tierischen Schädlinge an Nutzpflanzen" als Band III des weltbekannten Handbuches der Pflanzenschädlinge von SORAUER, in dessen II. Auflage der Beitrag REH's die Bände IV und V (1925 u. 1931) umfaßt. So war er einer der Bahnbrecher auf diesem Gebiet, Mitbegründer und später Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft f ü r angewandte Entomologie. Auch die gerade f ü r Hamburg so wichtigen Speicher-, Vorrats- und Wohnungsschädlinge fanden in ihm ihren ersten gründlichen Bearbeiter. Das Verfahren der BlausäureauSgasung ist von REH in Deutschland zur Bekämpfung dieser Schädlinge eingeführt worden. In ungezählten Vorträgen vor Bauern, Kleingärtnern, Kammerjägern trug er die Erkenntnis der Bedeutung der angewandten Entomologie in weiteste Kreise. So ist sein Wirken weit über das rein Wissenschaftliche hinaus von größter Bedeutung f ü r Fragen des täglichen Lebens unseres Volkes gewesen. Er selbst hat persönlich nie viel Aufhebens davon gemacht. Ihm ging es um die Sache, nicht um seine Person. Eine mit den Jahren zunehmende Schwerhörigkeit machte die Unterhaltung mit ihm nicht immer leicht und hinderte ihn voll teilzunehmen am geselligen Leben. Doch bereitete ihm die Unterhaltung mit ihm sympathischen Menschen eine besondere Freude und er konnte dabei

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KLATT

sehr vergnügt werden, wenngleich der Grundzug seines Wesens ein tiefer Pessimismus war, der durch schwere persönliche Erfahrungen wie durch sein Leiden nur gefördert werden konnte. Bei alledem war er eine impulsive Natur deren Eigenwilligkeit anderen wie auch ihm selbst so manche Ungelegenheit schuf. Das Hamburger Museum verdankt nicht zuletzt LUDWIG REH einen großen Teil seines Ansehens überall in der Welt. Das gleiche gilt f ü r Professor ERNST EHRENBAUM, den ersten langjährigen Leiter unserer fischereibiologischen Abteilung, der am 6. März 1942 in Marburg verstarb. Geboren am 20. Dezember 1861 in Perleberg, studierte er in Berlin, Würzburg und Kiel, wo er 1884 als Schüler von MOEBIUS promovierte. In Berlin, wo er dann zunächst als Lehrer tätig war, gewann er frühzeitig Fühlung mit den Kreisen, die um die Förderung der deutschen Seefischerei bemüht waren, und der damalige Präsident der Sektion f ü r See- und Küstenfischerei HERWIG übertrug ihm 1888 die Einrichtung einer zoologischen Wanderstation an der Nordseeküste. Als vier J a h r e später die Biologische Anstalt auf Helgoland unter HEINCKE gegründet wurde, erhielt EHRENBAUM die Leitung der Abteilung Seefischerei. Im J a h r e 1909 wurde in Hamburg die Stelle eines Fischereibiologen gefordert in Ansehung der großen praktischen Bedeutung, die der Erforschung des Unterelbegebietes, als eines Übergangsgebietes zwischen Salz- und Süßwasser, f ü r fischereiliche Zwecke zukam. Dementsprechend wurde 1910 die fischereibiologische Abteilung unseres Museums begründet und EHRENBAUM als ihr Leiter berufen. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1931 stand er ihr vor. Von Anbeginn an also hat EHRENBAUM sein ganzes Leben und Wirken zielbewußt in den Dienst der fischereibiologischen Wissenschaft gestellt und ist einer von denen gewesen, welchen dieses Fachgebiet seine selbständige Stellung verdankt. Weit über hundert Einzelarbeiten zählt die Liste seiner Publikationen, von denen gut zwei Drittel auf seine Hamburger Zeit entfallen. Die grundlegenden Darstellungen über Fische, deren Biologie, praktische Bedeutung, Fangmethoden usw. in den führenden deutschen Handbüchern entstammen zumeist der Feder EHRENBAUM's. Das deutsche Standardwerk, „Das Handbuch der Seefischerei" ist von ihm zusammen mit seinem Freunde LÜBBERT begründet und herausgegeben worden. Ebenso ist die bekannte Zeitschrift „Der Fischerbote", die in glücklichster Weise eine Verbindung zwischen der Wissenschaft und den Kreisen der praktischen Fischer schafft, eine Gründung EHRENBAUM's. Es gibt kaum eine Nutzfischart unserer Meeresgebiete wie der Unterelbe, deren Biologie EHRENBAUM nicht in den Kreis seiner Untersuchungen einbezogen hat. Grundlegend vor allem und auch f ü r die reine Zoologie von hervorragender Bedeutung war die systematische Untersuchimg der bis dahin so gut wie unbekannten Verhältnisse der Eier und Jugendstadien der verschiedenen Arten sowie im Zusammenhang damit des Laichgeschäftes und der Aufzuchtbedingungen. Unter Anwendung der von HENSEN eingeführten quantitativen Meßmethoden gewann er dadurch den Schlüssel f ü r das Verständnis auch der großen praktisch fischereilichen Fragen. — So war es eigentlich selbstverständlich, daß bei der Gründung der internationalen Meeresforschung im J a h r e 1900 eine so maßgebliche Persönlichkeit mit herangezogen wurde. Auch als Mitglied der D.W.K, hatte EHRENBAUM mehrfach den stellver-

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tretenden Vorsitz inne. Er w a r Ehrenmitglied der Zoological Society London; nach dem Tode F'RITJOF NANSENS w u r d e er an dessen Stelle zum Mitglied des Comité de Perfectionnement de l'Institut océanographique in Paris gewählt. Trotz aller Ehrungen blieb er einfach und bescheiden, ohne den Ehrgeiz eine äußerlich f ü h r e n d e Stellung einzunehmen. Stets hilfsbereit, von ruhigem, freundlichem Ernst, gleichmäßig ob im Verkehr mit Hochgestellten oder mit den einfachen Fischern, die er so oft auf ihren K u t t e r f a h r t e n begleitete, gewann er hohe Achtung auch als Mensch, bei allen, die ihn kannten. A m 26. J u n i 1942 starb Professor MAX von BRUNN, der langjährige Leiter der entomologischen Abteilung des Museums. Er w a r geboren am 9. September 1858 in Klein Düben (Niederlausitz), studierte in Breslau und Leipzig, wo er als Schüler von LEUCKART promovierte. Nach einjähriger Tätigkeit an der zoologischen Station in Neapel und kurzer Assistentenzeit am Zoologischen Institut der Universität Leipzig k a m er 1885 an unser Museum. Als Leiter der großen entomologischen Abteilung h a t v. BRUNN in unermüdlicher A r b e i t sich hohe Verdienste erworben u m die Ordnung und Bestimmung der reichen Schätze, die hier aus aller Welt zusammenflössen. J e d e r Museologe weiß, wie viele zeitraubende A r b e i t gerade die Insektensammlungen f ü r sich beanspruchen. Es ist verständlich, daß dem, der als einziger eine solche Materialfülle zu betreuen h a t t e und dies tat mit einer Gewissenhaftigkeit, die mancher sogar als ü b e r trieben beurteilen mochte, nicht viel Zeit zu eigener wissenschaftlichen Produktion blieb. Aber neben einer Reihe von Aufsätzen über die Systematik einzelner Familien t r u g vor allem eine große wertvolle Arbeit über die Orthopteren Ostafrikas i h r e m Verfasser den Ruf eines ausgezeichneten Kenners ein. Noch auf einem ganz anderen Gebiet e r w a r b sich v. BRUNN besondere Verdienste. Viele J a h r e bevor die fischereibiologische Abteilung des Museums begründet wurde, hat unser Museum sich schon in den Dienst dieser Arbeiten gestellt, und es w a r MAX von BRUNN, der mit dieser Aufgabe b e t r a u t wurde. Er bereiste die Niederelbe bis weit hinaus und sammelte ein reiches Material ü b e r die Tierwelt in der Elbe. In den Kreisen der Binnenfischer w u r d e er bald eine wohlbekannte und beliebte Persönlichkeit. J a h r e l a n g w a r er Schriftf ü h r e r des Fischereivereins. Nach langwierigen Versuchen f a n d er eine Methode Fische in i h r e n natürlichen F a r b e n in der Schausammlung viele J a h r e zu erhalten. Seine ersten P r ä p a r a t e auf der Fischereiausstellung in Berlin 1896 trugen ihm eine silberne Medaille ein. Auch auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 w u r d e das Museum d a f ü r mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Als v. BRUNN 1924 entsprechend den damaligen Bestimmungen in den Ruhestand treten mußte, bedeutete dies nicht den Abschied von seiner bisherigen Tätigkeit. Tag f ü r Tag arbeitete er weiter an der Sichtung der ihm besonders ans Herz gewachsenen Orthopterensammlungen bis in sein hohes Alter. Erst als mit 80 J a h r e n das Alter sich m e h r und mehr b e m e r k b a r machte, sahen wir seine mächtige Gestalt i m m e r seltener zur gewohnten Stunde im Museum auftauchen, und die letzten J a h r e verbrachte er zumeist in seinem Junggesellenheim beim Lesen eines guten Buches, doch i m m e r noch aufgeschlossen f ü r die Fragen des Tages, verschont von ernsterem Kranksein Eine zunehmende Schwerhörigkeit wie bei seinem engeren Fachkollegen REH erschwerte den Verkehr mit ihm und w a r wohl mit der Grund, daß er Außen-

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B. KLATT

stehenden nicht frei von einer gewissen Schrullenhaftigkeit erschien. Doch jeder, der ihn näher kannte, mußte sehr bald den hohen Charakterwert dieser Persönlichkeit anerkennen, die gekennzeichnet war durch ein hohes Maß nicht nur äußeren sondern echten inneren Taktes, pflichtgetreu, korrekt bis zum äußersten, daneben aber beseelt von einem warmen Mitgefühl f ü r andere. Ein Edelmann im besten, im allgemein menschlichen Sinne des Wortes. Die Reihe unserer Toten beschließt Professor ERNST HENTSCHEL, gestorben am 9. Dezember 1945, geboren am 25. Februar 1876 in Salzwedel. Hentschel war Schüler RICHARD HERTWIG's in München, wo er 1898 promovierte. Als Assistent war er zunächst tätig in München, anschließend in Straßburg und schließlich 3 J a h r e an der Zoologischen Station Neapel. 1904 trat er jedoch in den Schuldienst über und wirkte bis 1908 als Oberlehrer in Magdeburg, von wo er dann als Custos an unser Museum berufen wurde. Hier betreute er zunächst die Schwammsammlung, wurde aber schon 1912 Leiter der Hydrobiologischen Abteilung als Nachfolger von LOHMANN, als dieser zum Direktor der Anstalt ernannt wurde. Bei Gründung der Universität in Hamburg habilitierte sich HENTSCHEL und wurde zugleich a. o. Professor f ü r Zoologie an der Universität. Neben seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit entfaltete er eine rege Unterrichtstätigkeit mit besonderem Lehrerfolge. Die Ausbildung im Schuldienst kam ihm dabei sehr zustatten. Die Zahl derer, die als seine Schüler in Hamburg den Doktorgrad erwarben, erreicht fast die Zahl der Jahre, die er hier als Dozent tätig war. Seit längerer Zeit durch Kreislaufstörungen in seinem Allgemeinzustand geschädigt, überfiel ihn vor seinem Kolleg ein Unwohlsein und wenige Tage später erlöste ihn ein sanfter Tod. So war er bis zuletzt im Dienste der Universität tätig. Aber seinen weit über Deutschlands Grenzen hinausgehenden Namen erwarb sich HENTSCHEL durch seine wissenschaftlichen Arbeiten. Schon die aus seiner ersten Hamburger Zeit stammenden Veröffentlichungen über Spongien erweisen, daß ihm über die Fragen der Systematik hinaus Erkenntnis biologischer Gesetzmäßigkeiten zutiefst am Herzen lag. Auch später noch hat er sein Interesse an dieser Tiergruppe nie verloren, ihre Bearbeitung in KÜKENTHAL 's Handbuch der Zoologie stammt von HENTSCHEL. Voll zur Entfaltung gelangten seine Fähigkeiten aber erst, nachdem er die Leitung unserer hydrobiologischen Abteilung übernahm, die unter ihm ihren Aufschwung nahm und große Bedeutung auch f ü r weitere Kreise Hamburgs gewann. Die ersten Untersuchungen, mit denen er begann, betrafen bereits allgemein wichtige Fragen, wie die Bedeutung der Abwässer f ü r die Kleintierwelt der Elbe, den Bewuchs an Seeschiffen, ein praktisch bedeutsames Problem, um das er als Biologe zusammen mit Chemikern und Ingenieuren bis zuletzt bemüht war. Um das Zustandekommen des Bewuchses in den tropischen Gewässern zu studieren unternahm er 1922/23 Reisen in die westindischen Häfen. Mehr und mehr wandte sich sein Interesse nun den Fragen der Planktonforschung zu. Auch hier war es vor allem sein Bestreben, die Gesetzmäßigkeiten der Verteilung zu ergründen. Sein Vorgänger LOHMANN, der als Schüler VICTOR HENSENS die Erforschung der quantitativen Verhältnisse des Meeresplanktons zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte und führende Autorität auf diesem Gebiet war, w u r d e durch die große Verwaltungsarbeit als Direktor so in Anspruch genommen, daß er an diesen Fragen nicht mehr so intensiv weiterarbeiten konnte; mehr und mehr arbeitete sich an seiner Stelle HENTSCHEL

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darin ein, ersann eigene neue Methoden zu genauen, quantitativen Untersuchungen, die er auf zahlreichen Fahrten in die verschiedensten Meere betriebAls 1924 die erste große deutsche Nachkriegsexpedition des „Meteor" vorbereitet wurde, wurde HENTSCHEL als Biologe dafür ausersehen, nachdem LOHMANN in Anbetracht seiner Aufgaben als Direktor die Aufforderung abgelehnt hatte. Die „Allgemeine Biologie des Südatlantik", als Band XI des Expeditionswerkes des „Meteor", die Darstellung der biologischen Untersuchungsmethoden in Bd. X sind die Frucht der Tätigkeit HENTSCHELS während der zweijährigen Arbeiten an Bord des „Meteor". Er war nun einer der besten Kenner der Meerestierwelt, insbesondere des Planktons geworden. Die Bearbeitung der einschlägigen Abschnitte in den Handbüchern SCHOTT's über die Geographie des Atlantischen wie des Stillen und Indischen Ozeans stammt von HENTSCHEL. Die Ergebnisse seiner ersten hydrobiologischen Untersuchungen fanden ihren Niederschlag in der Darstellung der Abwasserbiologie in ABDERHALDENS Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, und im Handbuch der Seefischerei bearbeitete er den Abschnitt über Robben und Wale. Gerade diesen größten tierischen Organismen hatte sein erstes Interesse gegolten und ihn schon vor dem Weltkrieg hinausgeführt nach Jan Mayen, und in einem Büchlein hatte er schon 1912 eine populäre Darstellung der Meeressäugetiere gegeben. Eine entsprechende Bearbeitung des Lebens des Meeres stammt ebenfalls aus seiner Feder. Ein weiteres ähnliches nachgelassenes Büchlein über die gesamten Fragen der Planktonforschung wird hoffentlich bald erscheinen*) und dazu beitragen, daß für dieses Gebiet, auf dem Deutschland einst führend war, neue Interessenten und Bearbeiter gewonnen werden. Mehrfach ist HENTSCHEL — auch vom Auslande — ausgezeichnet worden, er war viele Jahre Mitglied der D. W. K. und hat auf den internationalen Tagungen der Meeresforscher Deutschland mitvertreten. Seine Vorträge waren stets von besonderer Bedeutung — ebenso wie seine riesige Gestalt von niemand übersehen werden konnte. Er war wie eine knorrige Eiche, hart und festhaltend an dem, was er für richtig hielt, aber er konnte ebenso ein liebenswürdiger Gesellschafter sein, zuweilen überschäumend in Fröhlichkeit, aber ebenso auch einer geistvollen Unterhaltung stets aufgeschlossen. Denn über sein wissenschaftliches Fachinteresse hinaus beschäftigten ihn Fragen der Kunst und der Religion. Der Kern seines Wesens war eine tiefe innere Gläubigkeit. Der Dank, den das Hamburger Museum seinen großen Toten schuldet, legt denen, die ihre Stelle jetzt einnehmen, die Pflicht auf, alles daran zu setzen, daß aus dem, was gerettet werden konnte, neues Leben erwächst, würdig der VergangenheitB. K l a t t

*) Inzwischen erschienen i. Zool. Jahrb. Bd. 78, 1948.

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Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden Von BERTHOLD KLATT-HAMBURG

Inhalt Übersicht der Abbildungen p. 10.

Voibemerkungen p. 11.

Haupiieil p. 20. Allgemeine Ergebnisse der Kreuzungen p. 20. A . Craniologische Untersuchungen p. 23. I. Einleitende Bemerkungen p. 23. a) D e r E i n f l u ß d e r G r ö ß e a u f d a s S c h ä d e l b i l d p. 23. b) D e r E i n f l u ß d e r W u c h s f o r m a u f d a s S c h ä d e l b i l d p. 25. IL Charakterisierung der einzelnen Schädeltypen p. 34. a) D e r S c h ä d e l d e r B - t i e r e p. 34. t>) D e r S c h ä d e l d e r P - t i e r e p. 3'6. c) D e r S c h ä d e l d e r R - t i e r e p. 39. d) D e r S c h ä d e l d e r C - u. D - t i e r e p . 44. III. Analytische Untersuchung des Gesamtmaterials p. 51. a. Messungen p. 52. 1. Schädelindex p. 52. — 2. Gesichtsschädelindex p. 54. — 3. Hirnschädelindex p. 54. — 4. Basilarlänge p. 55. — 5. Gesichtsschädellänge p. 57. — 6. (Hirnschädelläntge p. 57. — 7. Gaumenlänge p. 57. — 8. Nasenlänge p. 57. — 9. Hintere Oberkieferlänge p. 59. —• 10. Größte Breite p. 59. — 11. Hintere Hirnschädelbreite p. 59. — 12. Vordere Hirnschädelbreite p. 59. — 13. Schläfenenge p. 61. —• 14. Hirnbreite p. 61. — 15. Augenenge p. 61. — 16. Hintere Gesichtsschädelbreite p. 62. — 17. Vordere Gesichtsschädelbreite p. 63. — 18. Vordere Gesichtsschädelhöhe p. 63. — 19. Hintere Gesichtsschädelhöhe p. 63. — b. Morphologische Einzelzüge p. 64. 1. Ausbildung der Hinterhauptsgegend p. 64. — 2. Unterkiefergelenk p. 65. — 3. Jochbeinansatz p. 65. — 4. Gaumenbildung p. 66. — 5. Stirngegend p. 67. — 6. Gesichtsschädel p. 68. — 7. Profilbild p. 71. IV. Zur Frage der Erblichkeit des Schädelbildes p. 78.

B. D a s Verhalten der Weichteile des Kopfes p. 84 C. Die Physiognomie des Kopfes p. 92. a) b) c) d) e) f)

D i e P h y s i o g n o m i e d e r r e i n r a s s i g e n T i e r e p. 94. D i e P h y s i o g n o m i e d e r P - t i e r e p. 97. D i e P h y s i o g n o m i e d e r B - t i e r e p. 100. D i e P h y s i o g n o m i e d e r R - t i e r e p. 103. D i e P h y s i o g n o m i e d e r C - u. D - t i e r e p. 108. P h y s i o g n o m i e u n d S c h ä d e l p. 119.

Schlußbemerkungen p. 122. Schrifttum p. 129.

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B. K L A T T

Übersicht der Abbildungen der einzelnen Tiere (Zahlen =

Tier 1. Reine Bu. Freia Ottschi Ora Mufti Bu 1913 Bu 1922 Bu 1928 Bu X I 42 2. Reine Wh. Mikosch Asta Adam Wh. 2 41

Profil 20 p. 43 11p. 31 11 p. 31 11 p. 31 11 p. 31 11p. 31 6 p. 27 —

14 p. 37 —

Abb. Nr

Schädel Aufsicht 9 p. 33 — — — —

auf pag

Front 27 p. 88 10 p. 3'0 —

10 p. 30 10 p. 3X)















































9 p. 33 —

10 p. 30 10 p. 30 —





3. P-tiere Pluto Pascha Pollux Pedro Puppe

14 p. 37 16 p. 38 15 p. 38 15 p. 38 15 p. 38

13 p. 36 13 p. 36

27 p. 88













4. B-tiere Bill Bima Bella Bussy

17 p. 40 12 p. 3'5 14 p. 37 12 p. 35

10 p. 42







5. R-tiere Rex Rabbi Robert Rollo Ratze Regine Rumba Rosine

4 p. 24 17 p. 40 18 p. 41 18 p. 41 20 p. 43 20 p. 43 22 p. 46 20 p. 43

7. D-tiere (aus Cecil x Cäcilie) Dolly

— —



9 p. 33

22 p. 46 23 p. 47 22 p. 46 25 p. 49 2'4 p. 50 23: p. 47

Totenmaske Profil Front — 49 p. 116 — 3 p. 14



6 p. 27 6 p. 27

6. C-tiere a) a u s B i m a : Cycloo Czar Cäsar Cyon Cäcilie Caroline b) a u s B e l l a : Cecil Carlchen Cilli Cora c) a u s B u s s y : Cello Czardas Chico

)

Kopf (lebend) 29 p. 93 29 p. 93'

•—

13 p. 36 —

5 p. 25 —





•—

-

— — —

30 p. 95 30 p. 95 30 p. 95 —

3:1 p. 97 31 p. 97 32 p. 98 32 p. 98 —

34 p. 35 p. 35 p. 34 p.

41 p 107 41 p 107 •—

19 p. 42 19 p. 42 19 p. 42 21 p. 45



38 p. 38 p. 37 p. 37 p.







— —

21 p. 45







21 p. 45















23 p. 47 24 p. 50 25 p. 49 4 p. 24



•—

23 p. 47 22 p. 46 25 p. 49

21 p. 45 5 p. 2'5





25 p. 49















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100 101 101 100

104 104 103 103

46 p. 113' 42 p. 109 43 p. 110 43 p. 110 43p. 110 47 p. 114 44 p. 111 44 p. 111 47p. 114 —

42 p. 109 44p. 111 47 p.114





33 p. 99 —

33 p. 99 •

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33 p. 99 36 p. 102 — —

36 p. 102



3 p. 14 —

49 p. 116 —

50 p.117 —

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49 p. 116 —









40 p. 106 —

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28 p. 89 49 p. 116 — 39 p. 105 — 39 p. 105 40 p. 106 — 46 p.113 —

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Vorbemerkungen Es scheint mir wünschenswert, der vorliegenden Veröffentlichung einige allgemeine Bemerkungen voranzuschicken, zunächst was den Titel, „physiognomische" Studien angeht. Für den, der unter P h y s i o g n o m i k ausschließlich die Lehre versteht, die es gestattet, aus dem Äußeren auf den Charakter zu schließen, muß dieser Titel von vornherein abwegig erscheinen. Ist diese Lehre schon auf den Menschen angewendet recht problematischer Natur, um wieviel mehr bei dem Objekt, auf das sich vorliegende Untersuchungen beschränken. Darf aber die Physiognomik, so aufgefaßt, überhaupt den Anspruch erheben, als wissenschaftlich fundierte Lehre zu gelten? Ist sie nicht vielmehr eine Kunst, die nur einzelnen in praktischer Menschenkenntnis Wohlerfahrenen und zugleich mit einem künstlerischen Einfühlungsvermögen Begabten eine mehr intuitive als rationell begründbare Beurteilung anderer Personen gestattet, wobei im übrigen stets so und soviel Prozent Fehlurteile zu buchen sein dürften? Der Versuch, eine solche Physiognomik wissenschaftlich zu unterbauen, ist von zwei Seiten her unternommen worden. Einmal von der D e u t u n g d e r A u s d r u c k s b e w e g u n g e n ausgehend, die, wieder und wieder bei ein und derselben Person in gleicher Weise bevorzugt betätigt, auch zu Dauerveränderungen des Antlitzes führen können, die somit letzten Endes aus anatomischphysiologischen Gegebenheiten der mimischen Muskulatur verstanden werden können. — Für solche Untersuchungen bietet aber wohl nur der Mensch die nötigen Voraussetzungen, nicht der Hund — vielleicht überhaupt kein Tier. Gewiß ist auch dem Gesicht eines Hundes anzusehen, ob es noch ungezeichnet vom Leben ist, oder ob dieses schon seine Spuren eingegraben hat (Abb. 1). Aber dabei dürfte es sich wohl nur um allgemein gültige A l t e r s erscheinungen handeln, nicht um die Fixierung psychischer Reaktionen. Wenn auch die mimischen Muskeln bei Mensch und Hund im großen und ganzen die gleichen sind: schon die anatomische Zergliederung läßt die Verfeinerung des mimischen Mechanismus beim Menschen erkennen — um wieviel komplizierter muß das Bild werden, wenn man sich die Betätigungsmöglichkeiten dieses Mechanismus vorstellt, die ja bestimmt werden durch das Spiel der nervösen Impulse, letztlich also durch die geistige Struktur, in der der entscheidende Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt. Wie spärlich sind die mimischen Bewegungen, die uns das Hundegesicht bietet, gemessen am Mienenspiel des Menschen — obwohl der Hund diesem wohl am nächsten steht unter den Tieren, was das „Verstehen" seines Herrn angeht. Abgesehen vom Zähnefletschen — bzw. „Lachen" — und dem anatomisch so schwer faßbaren,

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Abb. 1. R o l l o im Alter von 9 Wochen (oben links), 5 Monaten (oben rechts), 3 Jahren (unten links), 7 Jahren (unten rechts) somit am meisten rein gefühlsmäßig auffaßbaren, daher auch beim Menschen besonders leicht zu Fehlurteilen f ü h r e n d e n Ausdruck der Augen, ist es vor allem das Spiel der Ohren (Abb. 2), das die auffallendsten Veränderungen im Hundegesicht zuwege bringt — beim Menschen aber völlig entfällt. N u r die dadurch bedingten Faltenbildungen der Oberkopfregion beim Hunde sind den Falten der menschlichen S t i r n in gewissem Grade vergleichbar, f ü h r e n aber wohl nie zu den f ü r das Menschenantlitz so charakteristischen D a u e r m e r k malen. Die Dauerfalten am Maul der kurzschnäuzigen Hunde sind anders zu deuten, nämlich durch ein Zuviel an Haut bei einem Zuwenig an Gesichtsschädelentwicklung. Aber die Physiognomik k a n n ja noch in anderer Weise auf eine wissenschaftlicher Untersuchung zugängliche Basis gestellt werden, die zugleich in höherem Grade dem entspricht, was ursprünglich unter Physiognomik verstanden wurde. Nicht so sehr das Mienenspiel als vielmehr die weitgehend durch die Schädelform bestimmte D a u e r g e s t a l t d e s K o p f e s , auch nach Abzug der temporären, mimischen wie Altersveränderungen ist es ja gewesen, die ursprünglich dem, was m a n Physiognomik nannte, zu G r u n d e gelegt wurde. Wenn man n u n auch längst eingesehen hat, daß die hier angek n ü p f t e n Spekulationen, den individuellen Charakter, die „Seele", sei es aus

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Abb. 2. Links: B i l l , rechts: B e l l a , 5 Monate alt. der Konfiguration des Hirnschädels, sei es aus Eigenarten des Antlitzes zu erschließen, einer wissenschaftlichen Kritik nicht standhalten können, so erö f f n e t doch gerade die moderne T y p e n f o r s c h u n g die Aussicht, wenigstens gewisse grundlegende Voraussetzungen f ü r die Charaktergestaltung aus dem körperlichen Bilde der Gesamtperson wie ihrer Teile, damit auch des Kopfes abzulesen, und gewinnen damit solche physiognomische Untersuchungen an Bedeutung. Auch bei einer derartigen Betrachtungsweise — Physiognomie als Dauergestalt aufgefaßt — ergeben sich Unterschiede zwischen Tier und Mensch. Was der menschlichen Physiognomie ihr besonderes Gepräge gibt, sind die h e r vorspringenden Teile: Nase, Mund und Kinn. Diese aber fehlen dem Hundegesicht, jedenfalls in dieser relativen Selbständigkeit der Gestaltung, die ihnen beim Menschen zukommt. Doch ist mit dieser Vereinfachung der F o r m andererseits der Vorzug einer besseren Übersichtlichkeit verbunden: der Grundplan des Kopfes, die allgemeinen Proportionen treten deutlicher in Erscheinung. Was, abgesehen von den allgemeinen Proportionen, das Hundegesicht variabel gestaltet, das ist in erster Linie die Ausbildung der Augengegend, bzw. der Nasenwurzel, die zugleich, trotz der Unterschiede des Schädelbaus, noch am ehesten einen Vergleich mit dem Menschengesicht gestattet, besonders bei der Betrachtung im Profil. Und das Profilbild ist beim Hunde die Ansicht, welche die Physiognomie am bequemsten und schnellsten charakterisiert, w ä h r e n d beim Menschen der Betrachtung von vorn mindestens der gleiche, wenn nicht ein noch größerer Wert beizumessen ist. Das Hundegesicht sehen wir, schon infolge der Unterschiede der Körpergröße bei Mensch und H u n d niemals genau von vorn, sondern, auch wenn m a n den H u n d in gleiche Höhe bringt, stets m e h r oder minder schräg von oben. Nur bei der schwierigen Fixierung des Kopfes in bestimmter f ü r das lebende Tier unnatürlicher Lage könnten wir das Hundegesicht „en face" wie das Menschengesicht betrachten; die an der Totenmaske dagegen ja ohne weiteres mögliche Ausrichtung auf eine gleiche Hori-

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B.

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zontalebene zeigt diese uns ungewohnte Ansicht (Abb. 3), die aber die Gegensätzlichkeit der Typen in einer der menschlichen Physiognomie sehr viel ähnlicheren Weise zur Anschauung bringt, als dies irgend eine andere Ansicht uns vermittelt. — Physiognomisch dagegen ohne Bedeutung auch beim Menschen ist die Farbe der Augen, die andererseits bei der rein gefühlsmäßigen Bewertung eine so große Rolle spielt. Beim Hunde kommt, als ebenso unwesentlich zu beurteilen, die verschiedene Fellfarbe hinzu, von der also gleichfalls zu abstrahieren*) ist bei einem Vergleich der verschiedenen Physiognomien. Wenn man in der Typenforschung eine Möglichkeit sieht, die Physiognomik auf eine rationelle Basis zu stellen, so muß man sich doch darüber klar sein, daß eine große Vorarbeit zu leisten ist, bevor auch nur einiges von dem erreichbar scheint, was die alten Physiognomiker erstrebten. Von den

Abb. 3. Totenmasken zwei gleich großer Tiere, links: W h . , rechts: B u .

Ottschi.

verschiedenen für den Menschen aufgestellten Typensystemen wird dem, der vom Körperlichen her an die Fragen herantritt, die Unterscheidung in E u r y s o m e lind L e p t o s o m e als die einfachste und damit zum mindesten für erste Untersuchungen aussichtsreichste erscheinen, wobei allerdings zu bemerken ist, daß nur ein recht geringer Prozentsatz von Menschen diese Typen rein verkörpert. Vor allem aber kommt beim Menschen ein erschwerendes *) Es werden daher der Arbeit auch nicht Photos der Physiognomien beigegeben, sondern Zeichnungen, auf denen die verschiedene Färbung nicht zum Ausdruck k o m m t (angefertigt von H e r r n DIEtHiL vom Zool. Museum, -Hamburg, u n t e r genauer Durchzeichnung von Lebendaufnahmen). Die Ohren, deren verschiedene Haltung den Gesamteindruck gleichfalls beim Vergleich störend beeinflussen könnte, sind auf den Zeichnungen auch überall in m e h r oder minder entspannnter Haltung dargestellt, wenn auch im einzelnen etwas verschieden. Wen diese Verschiedenheiten noch stören, deckt sie bei der Betrachtung a m besten ab.

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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Moment hinzu: es ist kaum möglich, experimentell an die Fragen der Grundursachen heranzukommen, nicht einmal mit Hilfe des unblutigen Experiments der Kreuzung in vorbedachter Versuchsanordnung. Die Vererbungsforschung ist nun aber einmal das Rückgrat der Biologie. Die meisten Individuen dürften auch in Bezug auf ihre Typuszugehörigkeit Bastarde verschiedenster Mischung sein, und wer weiß, ob manche aufgestellte Typen vielleicht nichts weiter sind als bestimmte relativ konstante Bastardkombinationen zwischen einigen wenigen gegensätzlichen HaupttypenFür derartige Grundfragen der Typenforschung ist der Hund das günstigste Objekt. Zugleich experimentellen Eingriffen der verschiedensten Art zugänglich, bietet keine andere Tierart eine solche Formenfülle wie der Hund. Insbesondere jene beiden Gegensätze des körperlichen Baus sind in den beiden gegensätzlichen Wuchsformtypen der windhund- und bulldoggenartigen seit langem vom Menschen rein gezüchtet. — Allerdings sind auch bei solchen Untersuchungen am Hunde Vorbehalte am Platze, wenn man aus ihnen Rückschlüsse auf den Menschen ziehen will, und der Ausdruck „Wuchsform" statt Konstitution wird von mir mit Vorbedacht verwendet, um von vornherein auch schon in der bloßen Bezeichnungsweise nichts zu präjudicieren. Denn den Gegensatz Windhund - Bulldogge so ohne weiteres etwa dem Gegensatz Leptosomer - Pykniker gleichzusetzen, erscheint unstatthaft. Wird doch der Bulldoggtyp meist als ein Beispiel von Chondrodystrophie beim Hunde aufgefaßt. Ob beim Menschen zwischen den in den verschiedenen Rassen der Menschheit auftretenden Chondrodystrophen engere Beziehungen zur pyknischen Konstitution anzunehmen sind, entzieht sich meiner Sachkenntnis, ebenso weiß ich nicht, ob Untersuchungen darüber vorliegen, inwieweit die chondrodystrophe Wuchsform etwa bei Menschen einer leptosomen Konstitution auftreten kann. Daß, rein deskriptiv betrachtet, der chondrodystrophe Typ der eurysomen Wuchsform zuzurechnen ist, daß er sogar als das Endglied einer kontinuierlichen Reihe vom Leptosomen über mehr und mehr eurysome Zwischenglieder aufzufassen ist, dürfte jedem, der wie schon betont vom rein Körperlichen her eine Ordnung anstrebt, selbstverständlich sein. Aber trotz solcher Vorbehalte dürften derartige Untersuchungen beim Hunde auch für den Menschen nicht unangebracht erscheinen. Daß diese Ansicht auch von anderen geteilt wird, zeigt das Beispiel STOCKARD's der — m. E. allerdings gesicherten Ergebnissen viel zu schnell vorgreifend — gerade das Hundegesicht weitgehend mit den Gesichtern verschiedener Typen beim Menschen in Parallele setzt. Ehe man nicht an die Grundursache der Konstitutionen herankommt, können solche Gleichsetzungen nur als Arbeitshypothesen gewertet werden. Denn wie außerordentlich wenig weiß man bisher z. B. über den, meistens ja für die Konstitutionsverschiedenheiten in hohem Maße mitverantwortlich gemachten inkretorischen Apparat bei den verschiedenen Typen sowohl des Menschen wie des Hundes! Diese Seite der Typenforschung soll in dieser Veröffentlichung aber nicht weiter erörtert werden. Auch die Verschiedenheiten des Gesamtkörpers bei dem von mir untersuchten Material bleiben außer Betracht. Nur der Untersuchung der Physiognomie der von mir näher analysierten Hunde gelten diese Darlegungen. Dieses M a t e r i a l ist gewonnen in über einen Zeitraum von 10 Jahren sich erstreckenden K r e u z u n g s v e r s u c h e n , ausgehend von der Paarung eines männlichen Whippets mit einer französischen Bulldogge. Näheres über 2

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diese meine Versuche ist aus den bereits vorliegenden Veröffentlichungen zu ersehen. Natürlich w ä r e es wünschenswert gewesen, noch weitere parallele Versuchsreihen mit Tieren der gleichen Rassen aber aus anderen Blutslinien durchzuführen, um etwaigen Einwänden gegen die Allgemeingültigkeit der Ergebnisse begegnen zu können. Die bescheidenen Möglichkeiten ließen dies leider nicht zu. Die aus allgemein theoretischen Gründen so erwünschte reciproke Kreuzung konnte infolge des Krieges erst in den letzen Jahren durchgeführt werden. Auch analoge Kreuzungen mit anderen Rassen der beiden gegensätzlichen Typen, etwa Barsoi und englische Bulldogge, mit denen ich vor dem ersten Weltkrieg diese Versuche ursprünglich begonnen hatte, konnten nicht erneut vorgenommen werden. Letztgenannte Kreuzung wäre besonders aus dem Grunde ergänzend erwünscht, weil es sich dabei um Rassen einer anderen Größenstufe handelt. Denn außer den Wuchsformgegensätzen wirkt kein anderer Gesamtfaktor auf das Bild der Physiognomie so grundlegend umgestaltend ein wie größere Unterschiede in der Gesamtgröße der Tiere. —• Allein schon diese beiden Grundfaktoren, von denen jeder in verschiedenen Graden wirken kann, bedingen eine große Zahl von verschiedenen Kombinationen, gerade auch was die Physiognomie angeht. Ohne Kenntnis des Größeneinflusses ist diese im Einzelfall oft nicht richtig zu deuten. Schon am hier vorliegenden Material, das bei den aufspaltenden Nachkommengenerationen hinsichtlich der Körpergröße stärker variiert, wird sich dieser Einfluß der Größe auf die Gestaltung der Physiognomie zeigen (s. w. u. p. 23). Soweit die Bemerkungen, die bezüglich der Bezeichnung „physiognomische" Studien hier voranzuschicken wären. Was nun die Verknüpfung derartiger Studien mit c r a n i o l o g i s c h e n Untersuchungen angeht, so ist diese ohne weiteres gegeben, wenn man, wie hier geschieht, die Dauergestalt der Physiognomie zum Gegenstand der Betrachtung macht. Der Schädel ist für diese ja die wichtigste Grundlage, und so wird diese Veröffentlichung in der Hauptsache sich auch mit ihm befassen müssen. Inwieweit die Weichteile, beim Hunde vor allem auch die Haut, Besonderheiten der Schädelform nicht zum Ausdruck gelangen lassen, wird aus der hier quantitativ durchgeführten Analyse des Kopfes sich ergeben. Unabhängig von der Hilfestellung für die Physiognomik des Lebenden hat der S c h ä d e l aber an und f ü r sich ja gleichfalls seine eigene Physiognomie, die in vielen Punkten noch merkmalsreicher ist. Eine gründliche craniologische Analyse d ü r f t e nicht ohne Bedeutung f ü r Rückschlüsse hinsichtlich des Menschen sein. Für die Aufstellung von Rassen, insbesondere solchen des prähistorischen Menschen, ist der Schädel ja in hohem Maße meist allein heranzuziehen. Ohne auf das Problem „Rasse und Konstitution" näher einzugehen, ist m. E. doch soviel klar, daß dieses endgültig erst entschieden werden kann, wenn man über etwaige Verschiedenheiten dieser beiden Kategorien größere Klarheit gewonnen hat als bisher. Dazu aber wird man am ehesten gelangen, wenn man von den Typen innerhalb der verschiedenen Rassen ausgeht. Nun h a t zwar das Studium der Variabilität der Rassenschädel auch häufig zur Aufstellung verschiedener morphologischer Typen geführt. Aber solange diese nur als rein deskriptive Sonderformen abgegrenzt werden, sind sie nicht als Typen im Sinne der hier in Frage stehenden kausalgerichteten Typenforschung anzusehen. Von dieser müßten Leitgesichtspunkte geliefert werden, um eine begründete Ordnung in die morphologische Mannigfaltigkeit zu bringen. Dazu

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aber muß erst an günstigen Objekten studiert werden, wie solche G r u n d f a k t o r e n — Körpergröße, Wuchsform — auf die vielen Einzelmerkmale des Schädels sich auswirken. F ü r den H u n d als bestes Objekt f ü r solche U n t e r suchungen habe ich den Einfluß der Körpergröße auf das Schädelbild bereits 1913 näher studiert, den Einfluß der Wuchsform 1943. Über das Verhalten der Schädel bei Kreuzung der gegensätzlichen Wuchsformtypen ist einiges gleichfalls bereits publiziert (1944). Hier soll n u n eine zusammenfassende D a r stellung f ü r das gesamte Kreuzungsmaterial gegeben werden. M e t h o d i s c h ist dabei f ü h r e n d die m o r p h o l o g i s c h e Untersuchung. Auch bezüglich dieser möchte ich einige allgemeine Bemerkungen hier vorausschicken. Die heutige Biologie ist ja charakterisiert durch das Bestreben, auch in ihrem Bereich den Satz KANT's zu verificieren, nach welchem in jeder N a t u r l e h r e n u r so viel eigentliche Wissenschaft enthalten ist, als Mathematik in ihr anzutreffen ist. Maß und Zahl einerseits, spezifische Formgestaltung andererseits aber scheinen sich zu v e r t r a g e n wie Wasser und Feuer. Wenn dennoch der Versuch gemacht w i r d (von der „dynamischen" Morphologie, vgldarüber KLATT 1949), durch Auflösung der Gesamtentwicklung in einzelne spezifisch verschieden ablaufende Wachstumsteilabläufe die definitive Gestalt als Resultat mathematisch f a ß b a r e r Wachstumsvorgänge zu erklären, so m a g das grundsätzlich denkbar sein; ob es in praxi f ü r m e h r als n u r einige grobe Formverschiedenheiten möglich ist, bezweifle ich. Daß die Gestalt einer Wolke allein aus b e k a n n t e n physikalischen Gesetzen verstanden w e r d e n kann, ist sicher. Trotzdem d ü r f t e es unmöglich sein, im Einzelfalle die spezifische F o r m gestaltung genau zu erklären; u m wieviel weniger die unendlich kompliziertere Gestaltung des Organismus. Und selbst wenn m a n f ü r das aktuelle Geschehen einen solchen Mechanismus zugesteht: hinter einer solchen Lösung erhebt sich, durch Untersuchungen dieser A r t k a u m angetastet das monumentale K e r n problem der Biologie, die Frage nach der historischen Entstehung dieser v e r schiedenen Reaktionsmechanismen. In Wirklichkeit ist, auch im aktuellen Geschehen, das, was den organischen Formen ihre letzten individuellen Feinheiten verleiht, u n w ä g b a r e r und u n meßbarer Natur. Stets w i r d hier die Beschreibung die herrschende U n t e r suchungsmethode bleiben. U n d selbst sie, der Wort u n d Bild als alleinige Hilfsmittel zur V e r f ü g u n g stehen, k a n n n u r recht unvollkommen jenes Bild wiedergeben, welches die unmittelbare Anschauung bei Betrachtung des Objektes selbst erweckt. Solche Bilder aber liefern das Ausgangsmaterial f ü r die m o r p h o l o g i s c h e F o r s c h u n g — die älteste, ureigenste Forschungsrichtung der Biologie, die niemals ihre Bedeutung verlieren wird, auch wenn sie z. Zt. vielfach als überholt angesehen wird. Daß die Morphologie zugleich Mittler ist zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer Betrachtung, die beide, so n a h e v e r w a n d t u n d doch verschieden, gegenseitig sich befruchten können — w a s gerade bei physiognomischen Betrachtungen der Fall ist — liegt in der s t a r k e n Subjektivität des Anschauungsbildes begründet. Während der Künstler n u n diese subjektive gefühlsmäßige Seite des morphologischen Bildes in sich potenziert u n d dies wiederzugeben bestrebt ist, m u ß der Wissenschaftler das Bild gerade von solchen subjektiven Beigaben möglichst reinigen. Im Gegensatz zur Einmaligkeit der künstlerischen Wiedergabe m u ß es das Ziel der morphologischen Wissenschaft sein, System in die Vielheit der 2»

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Erscheinungen zu bringen, Sonderung des Individuellen vom Typischen vorzunehmen und Regelhaftigkeiten herauszufinden durch logische Reflexion, also unter Heranziehung weiterer bereits bekannter gesetzmäßiger oder wenigstens regelhafter Gegebenheiten. Der S c h ä d e l aber ist wohl das Objekt, an welchem man die Bedeutung einer solchen morphologischen Betrachtungsweise am besten erkennen kann, und zu dessen Deutung man — wenigstens einstweilen — noch am weitesten mit ihr kommt. Er ist das wohl merkmalsreichste Gebilde des Säugetierkörpers; das Hirn, an Komplikation des Baus ihm zweifellos überlegen, bietet für morphologische Feststellungen dennoch sehr viel geringere Angriffspunkte. Diese Vielheit der Merkmale bietet wie an keinem andern Teil des Körpers die Möglichkeit, die Specifität der Art, der Rasse, des Individuums festzustellen, um so mehr da die dem Skelett eigene relative Starrheit der Form besonders günstige Bedingungen für die Untersuchung schafft. Insbesondere auch die Möglichkeit exakte zahlenmäßige Feststellungen zu erheben. Diese ..messende" C r a n i o l o g i e führt aber nur zu leicht zu einem Spiel mit papiernen Zahlen, bei dem das Objekt dann fürderhin außer Betracht bleibt. Ein und derselbe Zahlenwert für das gleiche Maß kann leicht zustande kommen, ohne daß diese Tatsache beiden Werten die gleiche Bedeutung zukommen zu lassen braucht, wie dies der Fall ist bei der Messung eines Kristalls oder Wägung einer chemisch reinen Substanz, weil der Schädel nicht einheitlicher Natur ist sondern, wie jeder Teil am Organismus, ein sehr komplex zusammengesetztes Etwas. Man müßte schon die Analyse des Maßes durch weitere Teilmessungen immer weiter verfeinern, d. h. also die Zahl der Messungen immer weiter steigern — um damit ganz in einem anschauungsfernen Meer von Ziffern und Verhältnisrechnungen zu versinken. Ein Blick auf die Objekte selbst bringt oft genug weit rascher und weit mehr den Gewinn der klaren Einsicht in die zu Grunde liegenden Verschiedenheiten oder Übereinstimmungen. Messungen sind sehr wohl wünschenswert, um sich z. B. vor Täuschungen zu bewahren; aber sie haben nur untergeordnete Bedeutung gegenüber der unmittelbaren Anschauung des Objektes, die der eigentliche lebendige Quell der Erkenntnis ist — w e n n m a n B e o b a c h t u n g u n d R e f l e x i o n r i c h t i g m i t e i n a n d e r v e r k n ü p f t . Die Feinheiten der Form aber fängt man sowieso nicht ein mit noch so vielen Messungen, für die man im übrigen immer mehr komplizierte Methoden und Apparate ersinnen müßte, die letzten Endes doch nicht ausreichen. Denn es ist erstaunlich, wie leicht eine minimale, messend nicht erfaßbare Änderung, z. B. des Verlaufs der Schädelkontur, nur auf eine kurze Strecke hin, den Gesamteindruck maßgeblich verändern kann, was zudem unter Umständen einen weit wichtigeren Hinweis auf bestehende grundlegende Verschiedenheiten bedeuten kann als selbst handgreifliche Wertunterschiede gewisser Maßwerte der betreffenden SchädelWenn man sich Rechenschaft gibt über das Zustandekommen des Anschauungsbildes, als des Ausgangsmaterials jeder morphologischen Untersuchung, so ist der Gesamteindruck das Primäre, Einzelheiten erkennt man erst später. Ohne Bedeutung für die vorliegenden Betrachtungen ist dabei die Frage, ob das Ganzheitliche des Anschauungsbildes bedingt ist durch Vorgänge beim Sehakt an und für sich, wie die moderne Gestaltungspsychologie meint, oder inwieweit auch schon bei diesem Vorgang eine Beurteilung im Spiele ist. Denn

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f ü r die morphologische Betrachtung im wissenschaftlichen Sinne spielen solche Beurteilungsbeigaben zweifellos die Hauptrolle, insofern man sich zunächst darüber klar w e r d e n muß, was dem einzelnen Gesamteindruck seine Besonderheiten bzw. seine Übereinstimmungen mit anderen verleiht. Dies ist also bereits R e f l e x i o n im obigen Sinne! Völlig nebensächliche Dinge — F ä r bungsverschiedenheiten, der Verlauf des Sägeschnitts (zur E n t n a h m e des Hirns) u. dgl. — spielen bei der naiven Betrachtung oft eine wichtige Rolle*). Selbst gewichtsmäßige Unterschiede zweier Schädel können unbewußt den Gesamteindruck beeinflussen, wenn m a n sie zum Vergleich in die Hand nimmt. Die eigentliche „Reflexion" aber besteht darin, daß m a n sich Gedanken darüber macht, w a r u m n u n die L i n i e n f ü h r u n g z. B. an einer bestimmten Stelle so oder so verläuft: ist es eine besondere Wölbung des Hirns, sind es Besonderheiten der Stirnsinus oder n u r der auf ihnen auslaufenden Temporallinien, durch die eine etwas stärkere Erhöhung ü b e r der Orbita zustande kommt? Ist die Verbreiterung der Zwischenaugenregion durch das Hirn, durch Sinus oder durch Besonderheiten des Gesichtsschädels bedingt? Hier sind z. B. Messungen möglich und angebracht, u m sich vor Täuschungen zu bewahren. Ist der Gesichtsschädel stärker aufgestülpt, oder w i r d dieser Eindruck n u r hervorgerufen etwa durch einen besonderen Verlauf des Alveolarrandes? Besonders, wenn Resorptionsvorgänge an diesem eingesetzt haben, w i r d leicht eine Täuschung bewirkt, u n d hier sind Messungen (Winkelmessungen) wirklich exakt k a u m d u r c h f ü h r bar. — Solche Überlegungen bei wieder und wieder erfolgender Betrachtung des Objektes angestellt, können zunächst einmal in topographisch-anatomischer Hinsicht Klarheit schaffen, d. h. den Tatbestand richtig formulieren. Erst dann kommt die weitere Reflexion ü b e r die tieferliegenden Grundursachen hinzu: das Beispiel des Scheitelkammes, dessen Ausbildung, Auftreten, bzw. Auseinandertreten in die beiden Temporallinien vom quantitativen Verhalten des Hirns und der Temporalmuskeln abhängig ist, zeigt, was gemeint ist (s. p. 24). Hierher gehören die Berücksichtigung des Einflusses der Gesamtgröße, der Wuchsform usw. Erst nach Abzug der Wirkungen solcher F a k t o r e n verbleibende Sonderzüge w i r d m a n als kausal z. Zt. nicht weiter erklärbar n u r einfach hinnehmen müssen. Inwieweit die einzelnen Merkmale rein erblich bedingt oder als Modifikation zu beurteilen sind, ist dabei mit Sicherheit schwer zu entscheiden. Eine besondere Rolle bei der kausalen E r k l ä r u n g des Schädelbildes können spielen die Frage der Beteiligung der Einzelknochen bzw. des Verlaufs, ebenso auch des Verstreichens der Nähte, die S t r u k t u r des Knochens u. dgl. In Teil III meiner Veröffentlichungsreihe h a b e ich versucht zu zeigen, in welcher Weise m. E. die Analyse des Schädels erfolgen könnte. Eine Hilfsrolle dabei spielt die quantitative Untersuchung der übrigen Kopforgane, die am hier behandelten Material erfolgen konnte und f ü r die Analyse der Physiognomie des Kopfes weiterhin von Wichtigkeit sein w i r d (vgl. w. u. p. 85). *) Für die Abbildungen bevorzuge ich daher auch hier nicht das Photo, sondern seine unplastische Durchzeichnung in möglichst gleicher Manier hergestellt — wiewohl die Photographie an und für sich ja ihre Fehler hat, vor allem Abbildung nur von einem Blickpunkt aus, während bei der unmittelbaren Anschauung die Augen „wandern". Aber gerade hier liegt auch ein Vorzug der Photographie, die Möglichkeit der Fixierung der Objekte in stets gleicher Orientierungsebene (s. p. 71), was bei unmittelbarer Betrachtung schwer möglich ist. Die in der Anthropologie seit vielen Jahrzehnten bekannte Methode mit Hilfe des Diopters wurde nicht herangezogen.

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Hauplieil Allgemeine Ergebnisse der Kreuzungen Unter Hinweis auf meine bereits vorliegenden Veröffentlichungen ÜDei meine Windhund-Bulldoggkreuzungen (Ztsehrft. f. menschl. Vererbg. u. Konstitutionslehre 1941—1944) soll hier nur das mitgeteilt werden, was von den Ergebnissen für das Verständnis der hier zur Erörterung stehenden physiognomischen Fragen zu wissen notwendig scheint. Um sich rasch über die einzelnen Tiere des Kreuzungsmaterials verständigen zu können, wurden diese mit Namen bezeichnet, die für alle Mitglieder der gleichen Versuchskategorie mit dem gleichen Buchstaben beginnen. So die Namen der Figeneration (1 6 3 2) mit B, die der Fatiere (das 6 je einmal mit jeder seiner 3 Schwestern gepaart) mit C (13 Tiere), der Name des einzigen überlebenden F3tieres (aus Cecil X Cäcilie) mit D. Die aus 2 Rückkreuzungen des Fi 6 mit seiner Mutter stammenden 8 Tiere tragen Namen, die mit R beginnen, die 5 Nachkommen aus einer Rückkreuzung dieses Fi 6 mit einem reinen Whippet 9 solche, deren Anfangsbuchstabe ein P ist. Nur die Ausgangstiere erscheinen mit ihren ursprünglichen (mit anderen Buchstaben beginnenden) Namen: die Stammutter (Bulldogge) Freia, die Mutter der anderen Rückkreuzung (Whippet) Asta, der Stammvater (Whippet) Mikosch. Sonstige Vergleichsschädel meiner Sammlung aus den beiden reinen Rassen werden im folgenden wie die Rassenbezeichnung überhaupt abgekürzt mit Bu. bzw. Wh. Nur der eine reinrassige Sohn des Stammvaters Mikosch, das Wh. 6 Adam, erscheint mit seinem Namen, ebenso in den Abbildungsunterschriften einige Bu. meiner Sammlung, Als allgemeineres Ergebnis der Kreuzungen, die W u c h s f o r m betreffend, ist zunächst mitzuteilen, daß der Wh-typus sich als dominierend erweist, wenngleich keine volle Dominanz vorliegt. Die Fibastarde (B-tiere) sind demgemäß zwar von reinen Wh. deutlich zu unterscheiden durch ihre gröbere Bauart, aber auf den Gedanken, daß ihre Mutter eine Bu. war, würde niemand gekommen sein. Wie bei der Fi zu erwarten, waren die Tiere, wenngleich individuell natürlich sich deutlich voneinander unterscheidend, recht uniform, einen Typ vertretend, der so recht in keine der bekannten Hunderassen hineinpaßt*), dabei aber keineswegs etwa durch irgendwelche Besonderheiten auffallend, im Gegenteil eigentlich das Idealbild des Durchschnittstyps „Hund" *) Am nächsten kommen onen —, Ibizawindhund).

primitive windhundartige

Pariahunde

(z.B. Phara-

Craniologisch-physiognomisehe Studien an Hunden

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verkörpernd. — Der weitgehenden Dominanz des Wh-typus entsprechend zeigen die Tiere der Rückkreuzungen des F l 6 mit dem Wh. Asta, die P-tiere, übereinstimmend eine noch weit größere Ähnlichkeit mit der Wh.-rasse, aber immerhin würde ein Kenner dieser Rasse sie doch nicht f ü r ganz „echt" gehalten haben. •— Der Bu.-typ ist also recessiv, so daß bei der Rückkreuzung des Fi 6 mit seiner Mutter (Bu. Freia) eine größere Mannigfaltigkeit von Typen als bei den beiden zuvor besprochenen Kategorien zu erwarten war, was auch zutraf, wie näher bei der Erörterung vor allem eben der Schädel sich zeigen wird. Wenn man ihnen sämtlich schon äußerlich die Beimengungen von „Bu.blut" ansah, so ist doch sehr bemerkenswert, daß ein reiner Bu. sich nicht unter diesen 8 R-tieren fand. Das noch am meisten in Frage kommende Tier (Ratze) hatte im Verhältnis zum Körper einen zu kleinen Kopf, der zugleich die typische allseitige Rundlichkeit des Bu.-kopfes nur unvollkommen aufwies, auch die typischen Ohren vermissen ließ. Überhaupt sind diese „Fledermausohren", die ja zum heutigen Rassebild der französischen Bulldogge gehören, nur ein einziges Mal und auch nicht gerade ideal herausgemendelt bei einem sonst den Bu.-typ keineswegs repräsentierenden Tier (Rumba). Aus der Entstehungsgeschichte der französischen Bulldogge ist bekannt, daß es recht schwierig gewesen ist, gerade dieses Merkmal konstant zu züchten. — Unter den 13 F12tieren war eigentlich n u r ein einziges Tier (Cyclop), das äußerlich den Verdacht auf „Bu.-blut" aufkommen lassen konnte, ohne aber bei seinem höchst disharmonischen Gesamtbau auch n u r einigermaßen als eine Bu. gelten zu können. Die anderen C-tiere ebenso wie das einzige F3-tier (Dolly) waren zumeist Fixköter, bei denen man aber auf „Bu.-blut" aus dem Erscheinungsbilde kaum geschlossen hätte. — Es kann danach nicht zweifelhaft sein, daß in genetischer Hinsicht keine einfachen Verhältnisse vorliegen, und daß der kurzen Formulierung, Wh. dominiert über Bu., nur der Wert eines recht summarischen Urteils zukommt. Auch was die K ö r p e r g r ö ß e anbelangt, müssen in den Ausgangstieren mehrere diese bedingende Erbfaktoren gesteckt haben. Auch in dieser Beziehung ergaben wieder die R.tiere die größte Variationsbreite, von Rex, einem Tier von der Größe eines kleineren Hofhundes, bis zu Rosine, etwa einem Foxterrier an Größe entsprechend, gewichtsmäßig ausgedrückt von 15 bis zu 7 Kilo Körpergewicht*). Unter den C-tieren finden sich mehrere von noch geringerer Größe, bis herunter zu 4,5 Kilo (Cora), während andererseits die größten von ihnen nur bis zu ungefähr 9 Kilo Körpergewicht aufweisen (Cello 8,9 Kilo). Auch bei den P-tieren geht das Gewicht von 8,5 (Pluto) bis zu 5,9 Kilo (Pedro) und sogar bei den B-tieren liegt es zwischen 10,3 (Bill) und 6,8 Kilo (Bussy) (vgl. Tabelle p. 52). Es ist also ein recht buntes Bild, welches die Bastarde in ihrer Gesamtheit bieten. Die reinen Typen der Ausgangstiere erscheinen in keinem Falle wieder; ein Hinweis darauf, daß beide Rassen in vielen Erbfaktoren sich voneinander unterscheiden. Dafür treten Neukombinationen auf, welche z. T. recht disharmonisch zusammengesetzte Erscheinungsbilder liefern, ein Zeichen, daß frei mendelnde Gene auch hinsichtlich der Erbbedingtheit der reinen Ausgangstypen zum mindesten mit eine Rolle spielen müssen. *) Nettogewicht, d. h. nach Abzug des Fettes und Ballastes. Die wahren (Brutto)gewichte sind natürlich meist höher.

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B. K L A T T

Das gleiche, was hiermit bezüglich der m o r p h o l o g i s c h e n Ausbildung der K ö r p e r m e r k m a l e festgestellt wird, läßt sich auch aussagen hinsichtlich der q u a n t i t a t i v e n A u s b i l d u n g d e r i n n e r e n O r g a n e . Das gesamte Material wurde von mir selbst nach einem bestimmten Schema präpariert, bestimmte Organe gewogen und gemessen, und diese Daten dann später in Beziehung zueinander wie zur Gesamtgröße gesetzt (Näheres in Teil I 1941). Auch hier ergibt sich diese „Buntheit der Bastarde" für die anatomische Zusammensetzung des einzelnen Tieres, die im Gegensatz steht zur Eigenart der reinen Ausgangstypen, bei denen die verschiedenen Organwerte in einem harmonisch aufeinander abgestimmten — bei Wh. und Bu. natürlich verschiedenen — Verhältnis zueinander stehen. Hier in dieser Darstelllung, die sich ja nicht mit den Fragen nach den Grundursachen der beiden Wuchsformtypen befaßt, sondern nur die Physiognomie zum Gegenstande hat, wird nur kurz auf solche Organwerte eingegangen werden, welche, wie Hirn und Kaumuskeln, für die gestaltliche Ausbildung des Kopfes von Bedeutung sein können. Allgemein sei hier bezüglich dieser vorausgeschickt, daß der Kopf bei Bu. doppelt soviel Volumen — bei gleicher Körpergröße — aufweist als bei Wh., daß für Bu. charakteristisch ist ein schwereres Hirn (über 80 g bei der hier in Frage kommenden Größe u. U. bis zu 100 g) und stark entwickelte Kaumuskeln. Bei Wh. ist die gesamte Kaumuskulatur nur halb so schwer, das Hirngewicht um, rund gerechnet, 10°/o (und mehr) geringer. Allerdings erreicht die Mutter der P-tiere (Asta) — ausnahmsweise für Wh. — ein Hirngewicht von 80 g. Es ist nun aber bei den Bastarden keineswegs so, daß äußerlich stärkere Bu.-Ähnlichkeit mit einem schweren Hirn gepaart sein muß bzw. umgekehrt stärkere Wh.-Ähnlichkeit mit einem niedrigeren Hirngewicht. Das oben erwähnte Bu.-ähnlichste R-tier Ratze z. B. hat das von allen Tieren kleinste Hirngewicht (62 g), die stärksten Wh-ähnlichen P-tiere haben durchweg sehr hohe Hirngewichte, wobei in diesem Falle das ungewöhnlich hohe Hirngewicht ihrer Mutter allerdings in Rechnung zu setzen ist. Aber auch das Wh.-ähnlichste C-tier Cecil hat ein für seine Größe zu hohes Hirngewicht. Ähnlich verhält es sich mit der Kaumuskulatur, die bei äußerlich stärker Bu.-ähnlichen Tieren zu leicht sein kann und umgekehrt. Diese Beispiele genügen wohl um zu illustrieren, was unter „Buntheit der Bastarde" hinsichtlich ihrer anatomischen Zusammensetzung zu verstehen ist. Auch für die übrigen Organwerte z. B. auch für die für eine kausale Typenforschung eine Rolle spielenden Hormonalorgane ergibt die metrische Untersuchung des gleiche Bild (vgl. z. B. bezgl. der Hypophyse OBOUSSIER 1943).

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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A. Craniologische Untersuchungen I. Einleitende Bemerkungen Es ist selbstverständlich, daß ein so merkmalreiches Gebilde, wie es der Schädel ist, auch n u r einigermaßen ausführlich zu behandeln, den U m f a n g dieser Arbeit vervielfachen hieße — ohne daß erschöpfende Vollständigkeit zu erreichen wäre. Wer in der anthropologischen Literatur etwas unterrichtet ist, weiß wieviele Untersuchungen ein einziger Schädelrest — etwa die Pithecanthropuskalotte — verursacht hat, wie von i m m e r wieder neuen Gesichtsp u n k t e n aus die Untersuchung wieder aufgenommen w e r d e n kann, neue M e r k m a l e bzw. Merkmalsbeziehungen diskutiert w e r d e n können, ohne daß da eigentlich ein Ende abzusehen ist. Die Zahl der unterscheidbaren Merkmale am Schädel ist eben eine fast unbegrenzt große. So k a n n die vorliegende U n tersuchung des hier verarbeiteten Materials gleichfalls n u r eklektischer A r t sein. Sie h a t vor allen anderen zwei Gesichtspunkte zunächst zu berücksichtigen: es m u ß einerseits der Einfluß der Gesamtgröße, andererseits der der Wuchsformgegensätze klargestellt werden, also die Einwirkungen jener beiden Grundfaktoren, die das Ganze des Schädelbildes bis in viele Einzelheiten hin ± maßgeblich mitzubestimmen vermögen. Diese Erörterungen — unabhängig vom vorliegenden Material — sollen hier zunächst gebracht werden. a. D e r E i n f l u ß

der Größe

auf

das

Schädelbild

Die Bedeutung der Unterschiede in der Körpergröße der Tiere f ü r die Konfiguration ihres Schädels wird ohne weiteres ersichtlich, wenn m a n sehr extreme Gegensätze in dieser Hinsicht miteinander vergleicht, und der H u n d liefert das beste Anschauungsmaterial, das m a n finden kann. B e r n h a r d i n e r u n d Zwergpinscher, 50 Kilo und 1 Kilo, u m allerdings sehr extreme K ö r p e r gewichte bei ausgewachsenen Tieren in normaler Kondition einander gegenüberzustellen — das sind Gegensätze, wie man sie sonst wohl nirgends a n t r i f f t innerhalb ein- u n d derselben Tierart. Der Riesenschädel unterscheidet sich vom „normalen" Schädelbild des Hundes, w i e es die meisten kennen, weit weniger als der Zwergschädel. In älteren Sammlungen, die nicht von Sachverständigen geordnet wurden, h a b e ich gelegentlich Zwerghundschädel mit dem Etikett „Affenschädel" gefunden. Die f ü r die P r i m a t e n so charakteristische starke Entwicklung des Hirns ist der G r u n d f ü r eine solche Fehlbestimmung. Denn die sinnfälligste Folge der Verzwergung ist das s t a r k e Uberwiegen des Hirns ü b e r die übrigen Kopforgane und damit die relative Größe auch des Hirnschädels am Schädelganzen. Im Gegensatz dazu n i m m t bei wachsender Körpergröße der Gesichtsschädel relativ immer m e h r zu, w ä h r e n d die Hirnmasse n u r noch wenig wächst, so daß beim Riesenschädel der weitaus größte Anteil am Schädel von den den vegetativen Funktionen — E r n ä h r u n g u n d A t m u n g — dienenden Schädelabschnitten, K a u a p p a r a t und Nasenraum, eingenommen wird. Der H i r n schädel tritt ganz in den Hintergrund, überdeckt von den Aufbauten, den Knochenkämmen und den Stirnhöhlen. Uberall am großen Schädel ist ein durch die s t a r k e Muskulatur bedingtes reiches Oberflächenrelief entwickelt, w ä h r e n d der Zwerghundschädel dieses fast ganz vermissen läßt.

24

B. K L A T T

Die Gegenüberstellung der Extreme hat dazu geführt, daß man vielfach im Zwergschädel etwas Besonderes sah, daß man versuchte, ihn durch ein Stillstehen auf f r ü h e r Entwicklungsstufe, durch Neotenie, zu erklären. Wenn man jedoch, am besten beim Hunde, die ganze Stufenreihe von kleinsten über etwas größere, mittelgroße bis zu Riesenschädeln verfolgt, erkennt man, daß das Bild des Zwergschädels nur das Extrem einer kontinuierlichen Reihe bildet, und daß in dem Maße, wie die Körpergröße zunimmt, ganz allmählich jene Merkmale sich einstellen, welche wir am „normalen" Hundeschädel kennen, die

dann beim Riesen nur noch verstärkt werden. Am besten erkennt man dies am Beispiel der Aufbauten des Hirnschädels. Der fast kugelrunde Zwerghundschädel zeigt vielfach überhaupt keine Muskelmarken, als Zeichen des Ansatzes, z. B. der Kaumuskeln. Bei etwas größeren Tieren verlaufen über den schon etwas weniger gerundeten, mehr gestreckten Hirnschädel die beiden Temporallinien, die obere Begrenzung der beiden Schläfenmuskeln. Wieder eine Stufe höher, und sie treten, zuerst hinten am Schädel, in dessen Mittellinie zusammen; nach vorn auseinanderweichend bilden sie das „Scheiteldreieck", dessen Basis durch die über den Augenhöhlen auch erst allmählich mit-

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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der Größe zunehmenden Supraorbitalfortsätze gebildet wird. So baut sich mit zunehmender Größe von hinten nach vorn vorschreitend der Scheitelkamm auf. Gleichlaufend bilden sich die den kleinsten Schädeln noch gänzlich fehlenden Stirnhöhlen, an denen die Supraorbitalfortsätze sitzen, aus, die nun immer mehr den Charakter einer „Brücke" zwischen Hirn- und Gesichtsschädel, also einer besonderen Region des Schädels, annehmen. Es ist hier nicht der Ort, um auf die diesen Verschiedenheiten zu Grunde liegenden gesetzmäßigen, aus physiologischen Überlegungen verständlichen Ursachebeziehungen einzugehen, um so weniger, da alle diese Tatsachen wie Überlegungen nebst deren theoretischen Konsequenzen am Beispiel gerade des Hundeschädels schon 1913 von mir ausführlich dargelegt worden sind (s. a. später, so 1921, 1927, 1943, 1949). Von Bedeutung f ü r die Untersuchung des hier vorliegenden Materials ist die Tatsache, daß bereits bei geringeren Unterschieden der Körpergröße, wie sie hier vorkommen und wie sie auf den Menschen übertragen, bei ganz „normalen" Menschen alltägliche sind, der Größeneinfluß sich durchzusetzen ver-

Abb. 5. Links: R a b b i , rechts C h i c o . mag, so daß manche Merkmalsverschiedenheiten bei den Schädeln der Kreuzungstiere bereits durch die Unterschiede der Körpergröße ihre Erklärung finden. Die beigegebenen Abbildungen (Abb. 4 und 5) dürften nach der obigen allgemeinen Schilderung weitere Erörterungen überflüssig machen. b. D e r E i n f l u ß

der Wuchsform

auf

das

Schädelbild

Die „Wuchsform" ist jener andere Grundfaktor, der dem Schädel in seiner Gesamtheit bis in Einzelheiten hinein seinen spezifischen Charakter aufprägt. Da die Gegensätze leptosom — eurysom auf jeder Größenstufe anzutreffen sind, müßte eine erschöpfende Darstellung den Einfluß der Wuchsform sowohl bei großen, mittelgroßen wie kleinen Hunden erörtern. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit genügt es nur die Verhältnisse bei den hier zur Kreuzung

26

B. KLATT

verwendeten Rassen, Whippet und französische Bulldogge, kurz auseinanderzusetzen. Damit wird in diesem Abschnitt zugleich auch eine Schilderung der zu den Kreuzungen verwendeten Elterntiere gegeben. Die Frage inwieweit auch bezüglich dieses Grundfaktors, entsprechend dem der Größe, alle möglichen kontinuierlichen Übergänge von Wh. bis Bu. möglich sind, ist mit eines der Probleme dieser Untersuchungen, wird also im vorliegenden Abschnitt nur gestreift werden. Daß die Frage nach den tieferliegenden physiologischen Ursachen der Wuchsformen hier nicht zur Diskussion steht, ist oben (p. 15) schon gesagt. Für physiognomische Erörterungen kann es zunächst gleichgültig sein, ob Gene unmittelbar oder auf dem Umwege über Funktionsänderungen von Hormonalorganen auf die Gestaltung der Fhysiognomie ihren Einfluß üben. Wichtiger schon wäre es, die Mittel und Wege zu kennen, durch die im sich entwickelnden Organismus die Schädelform zustandekommt oder wenigstens, wenn wir den Whippetschädel als etwas Gegebenes nehmen, durch welche Abänderungen der Entwicklungsvorgänge der Bu.-schädel zustandekommt, der zweifellos in der Kultur erst entstand, während der Wh.-Schädel dem Wildhundschädel sehr viel näher steht. Aber auch in dieser Hinsicht lassen sich z. Zt. wenig mehr als bloße Vermutungen äußern. Für die zunächst in Angriff zu nehmende rein deskriptive Aufgabe, die durch die Wuchsformgegensätze bedingten Unterschiede der Schädelmerkmale bei Wh. und Bu. von einem einheitlichen Standpunkt aus zu begreifen, kommt man mit einer „als ob "-Betrachtung weiter. Der Bu.-schädel sieht aus, „als ob" er durch „Zusammenstauchen" infolge eines von vorn und hinten ausgeübten Druckes aus einem normalen Hundeschädel entstanden sei. Sehr viele — große wie kleine — Merkmale am Bu.-schädel werden durch diese gleichnisartige Vorstellung auf einen Schlag verständlich. Ausführlicher ist dies von mir dargelegt in Teil III (1943). Was die das Gesamtbild beherrschenden Konturen des Schädels angeht, so ist eigentlich zu den Abbildungen (Abb. 6 bis 11) kaum eine nähere Erläuterung nötig. Vorn fällt vor allem die Zurückdrängung des Gesichtsschädels in den Hirnschädel hinein auf, der seinerseits nach oben hinausgeclrückt und damit höher, kürzer und breiter, insgesamt rundlicher, wird. Von hinten wird zugleich die Occipitalfläche nach vorn gedrückt, aus der bei Wh. senkrechten Lage in eine schräge nach vorn unten gerichtete verändert. — Die Aufkippung des Gesichtsschädels, dessen Zahnrand beim Wh. gelegentlich sogar schräg nach vorn unten, bei Bu. ± schräg nach oben gerichtet ist, das Hinüberschieben des Hirnschädels über den hinteren Abschnitt des Gesichtsschädels, während bei Wh. der Gesichtsschädel mehr dem Hirnschädel vorgelagert ist, werden gleichfalls aus der gemachten Hilfsvorstellung verständlich. Mit diesen Verschiebungen ergibt sich zwangsläufig eine große Zahl von Unterschieden einzelner Merkmale am Schädel. So in der Gegend unmittelbar vor dem Vorderrand der Augenhöhle die verschiedene Breite des lamellenartigen nach oben vorspringenden Teils (ramus frontalis) des Jochbeins, sowie die verschiedene Entfernung des davor gelegenen Foramen infraorbitale vom Augenhöhlenrand. Geradezu verkümmert erscheinen die Spitzenteile des Gesichtsschädels, die Zwischenkiefer- und Nasenbeine, ebenso sind die das äußerste Hinterende des Hirnschädels bildenden Gelenkfortsätze für die Gelenkung mit dem ersten Halswirbel, die Condylen, bei Bu. unterentwickelt, bei Wh. auffallend groß und kräftig ausgebildet. In der Ansicht von vorn (Abb. 10) fällt vor allem die stärkere Breitenentwicklung bei Bu. auf. Zugleich wird die Form

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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des Schädelumrisses eine andere: die bei Wh. ähnlich wie bei normalen Hunden typische Birnenform wird mehr quadratisch (wenn man von den vorspringenden Jochbogen absieht). Das Höherrücken der Nasenöffnung ist natürlich eine Folge der Aufkippung des Gesichtsschädels, der größere Jochbogenabstand ist bedingt durch die stärkere Kaumuskelentwicklung bei Bu. (s. o. p. 22). Mit ihm ist zugleich eine etwas andere Linienführung seines Verlaufs verbunden. Andere Einzelheiten wie z. B. die Stellung des Vorderrandes der Augenhöhle (schräg nach unten bei Wh., senkrecht bei Bu ) sind Folgen der Hirnschädelverbreiterung, die z. T. durch die Zusammenstauchung, z. T. durch die bei Bu. stärkere Größe des Hirns (s. o. p. 22) verständlich wird. Die Abb. 10 zeigt zugleich eine

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B.

KLATT

für Bu. sehr charakteristische Besonderheit am Gesichtsschädel, die zwar physiognomisch nicht unmittelbar sich auswirkt, aber doch erwähnt zu werden verdient: das frühzeitige Verstreichen der Knochennähte zwischen Nasen-, Kiefer- und Zwischenkieferbeinen, ein Vorgang der bei Bu. bereits im 2. Lebensjahr beginnt, während bei Wh. die Nähte bis ins höchste Alter hinein zum größten Teil erhalten bleiben. Sehr lehrreich sind Sagittalschnitte durch den Schädel (Abb. 7). Sie zeigen sehr deutlich die starke Unterentwicklung der einzelnen Gesichtsschädelknochengebiete im Innern der Nasenhöhle, des Pflugscharbeins, der Nasenscheide-

wand usw., sowie die Überlagerung des Hirnschädels über den Gesichtsschädel. Diese wird besonders deutlich, wenn man die Hirnschädelkontur betrachtet. Der Gaumen gleitet gewissermaßen unter der Hirnschädelbasis bei Bu. weiter nach hinten. Die Naht zwischen Pflugscharbein und Hirnschädelbasis (Incisura sphenoidalis) wird bei Bu. vom Gaumen verdeckt in der Ansicht des Schädels von unten, bei Wh. liegt sie frei sichtbar hinter dem Gaumenhinterrand. Dieser selbst springt weiter nach hinten hinter den letzten Backzähnen vor, bei Wh. liegt der Gaumenhinterrand vor dem Hinterrand der letzten Molaren u. a. m. Auffallend sind bei Bu. an der Unterfläche des knöchernen Gaumens quer verlaufende Erhebungen („Stauchungswellen"), die bei Wh. völlig fehlen.

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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Ganz allgemein erscheint der Schädel bei Wh. infolge größter Sparsamkeit in der Verwendung der Knochensubstanz grazil, bei Bu. massig, ohne daß dabei aber das Reliefbild der Oberfläche überall gröber zu werden braucht. Die stärkere Knochendicke führt besonders im Bereich der Temporallinien zu einem verschiedenen Aussehen. Bei Wh. sind diese zwar scharf markiert, aber nur wenig erhaben über der Hirnschädelfläche, wie man besonders gut in der Ansicht des Schädels von hinten erkennt. Bei Bu. dagegen ist ihre Erhebung höher und die Seitenfläche des Hirnschädels steigt schräg und allmählich zu dieser an, so daß die Markierung keine scharfe ist (Abb. 8). Auch die bei

Abb. 8. Oberschädelkontur, von hinten gesehen, links: Wh., rechts: B u .

Bu. geringere Entwicklung der Stirnhöhlen ist vielleicht mit durch die größere Dicke des Knochens zu erklären. Eine Eigenart der Knochensubstanz, die ich nur bei Bu. fand, ist ein Poröswerden, besonders an den Supraorbitalfortsätzen, beginnend an der Stirn schon im 2. Lebensjahr und von dort sich weiter ausbreitend. Doch brauchen derartige für physiognomische Fragen nebensächliche Dinge hier nicht weiter erörtert werden. Sehr bemerkenswert ist, daß all diese Abänderungen, die den Bu.-schädel vom normalen Hundeschädel unterscheiden, sich nur auf den Oberschädel beziehen; der Unterkiefer erscheint dagegen nur wenig verändert, zeigt insbesondere keine „Stauchung". Gewiß, er ist stärker aufwärts gebogen im Gegensatz zur gestreckten Form bei Wh. — der Zusammenschluß seiner Zahnreihe mit der des Oberkiefers wäre sonst nicht möglich — und im Zusammenhang mit dieser starken Biegung kommt es auch im Unterkiefer zur Zusammendrängung der Zähne*), die z. T. Kulissenstellung annehmen, bzw. zur Unterdrückung des vordersten oder des letzten Zahnes der Backzahnreihe; aber die Gesamtlänge, das Gewicht, die „Größe" des Unterkiefers, bleiben die gleichen, so daß es infolge der gleichzeitigen starken Verkürzung des Gesichtsteils des Oberschädels bei Bu. zum „Vorbiß" des Unterkiefers kommt, der das Bu.-gesicht am lebenden Tier so eindrucksvoll macht. Bei Wh. findet man dagegen gelegentlich (hier in Abb. 6) einen „Nachbiß" infolge der Verlängerung des „Fanges", da der auch hier wieder unbeteiligte Unterkiefer kürzer als der Oberschädel bleibt. Oberflächliche Betrachtungsweise findet Ähnlichkeiten des Bu.-schädels mit dem Zwergschädel, so daß diese beiden Erscheinungsbilder oft genug in einen Topf geworfen wurden, was zu mancherlei Irrtümern in der Literatur geführt hat. Das Überwiegen des rundlich werdenden Hirnschädels über den an relativer Ausdehnung zurücktretenden Gesichtsschädel in beiden Fällen ist der Grund für eine solche Gleichsetzung. Aber in beiden Hinsichten sind die Ursachen für die beiden Erscheinungsbilder verschieden. Was den Hirnschädel *) Das Gebiß wird hier nicht weiter berücksichtigt. Einige Angaben 1943.

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B. KLATT

Abb. 10. Oben Mikosch. Mitte links: Ottschi, rechts: Bu 1913, unten links: B u . X I . 1 9 4 2 . rechts: M u f t i .

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B. KLATT

angeht, so ist bei Bu. das Hirn aus bisher nicht näher bekannten „konstitutionellen" Gründen über die Norm vergrößert (s. o. p. 22) und zugleich durch die „Zusammenstauchung" verkürzt und aus diesem Grund mehr der Kugelform sich nähernd, beim Zwerg dagegen ist der Grund f ü r das Überwiegen des Hirns der, daß das Nervensystem — ganz allgemein im Tierreich — rascher seine maximale Größe erlangt, erlangen muß, als der übrige Körper, und die der Kugelform mehr genäherte Gestalt von Hirn und Hirnschädel ist sicherlich z. gr. T. dadurch bedingt, daß die beim Zwerg so gering entwickelten Temporalmuskeln kaum einen formenden Einfluß auf das Hirn auszuüben vermögen. Was den Gesichtsschädel angeht, so zeigt er bei Bu. deutlich die Spuren einer echten Verkümmerung, was beim Zwergenschädel keineswegs festzustellen ist; hier ist er n u r klein, weil eben die allgemeine Größenzunahme des Schädels im wesentlichen durch das Wachstum des Gesichtsschädels bewirkt wird- Die Möglichkeit, innerhalb der Stufe der Zwerge, z. B. Windspiel, Zwergpinscher und Pekinesen sehr wohl Vertreter des leptosomen, normalen und eurysomen Wuchstyps unterscheiden zu können, genügt schon um zu zeigen, daß Größe und Wuchsform zwei verschiedene Faktoren sind. Soweit die kurze Darlegung der t y p i s c h e n durch die Wuchsform bedingten Verschiedenheiten von Wh - und Bu.-schädel. Daß innerhalb jedes der beiden Typen Raum bleibt f ü r individuelle Variationen, z. gr. T. sicherlich bedingt durch erbliche Besonderheiten der verschiedenen Blutslinien ist im Teil III (1943) durch Abbildungen illustriert, von denen einige hier nochmals wiedergegeben seien (Abb. 10 u. 11). Trotz solcher individueller oder familiärer Sondermerkmale bleibt bei allen diesen reinrassigen Tieren die Typuseigenart erhalten, wenngleich auch sie mit ihren Hauptsymptomen der Verkürzung, Verbreiterung, Erhöhung und Aufkippung des Gesichtsschädels erblich bedingt gradmäßig verschieden sein kann, selbst bei Wurfgeschwistern (Abb. 11). Doch diese Symptome variieren gleichsinnig miteinander korreliert, während Merkmale wie z. B. die Richtung der Nasenbeine (Abb. 11, Mufti nach oben, bei Bu. 22 nach unten gerichtet), die Lage des höchsten Punktes am Hirnschädel (man vgl. Abb. 11) und andere unabhängig von dieser gradmäßigen Variation des Typischen selbst auftreten. Was nun die i n d i v i d u e l l e n V e r t r e t e r der beiden Wuchsformtypen, auch die, welche f ü r das vorliegende Material die Ausgangstiere bildeten, angeht, so sind noch einige kurze Bemerkungen nötig. Die Stammutter Freia zeigt keine extreme Ausbildung der Typuseigenart, der Gesichtsschädel ist demgemäß weder extrem kurz, noch extrem aufgekippt, der Hirnschädel nicht extrem hoch. Die Nasenbeine treten horizontal gerichtet aus der Profillinie heraus. Eine bei Bu. häufig auftretende asymmetrische Ausbildung des Schädels ist in ziemlicher Stärke am Gesichtsschädel ausgeprägt: er ist rechts kürzer als links, d. h. also nach rechts gedreht. Exakte Messungen werden durch stärkere Resorptionserscheinungen am Kieferrand erschwert. Zur Wertung der Schädel von Mikosch und Asta ist zu bemerken, daß bei den Wh. individuelle Unterschiede nicht in dem Maße feststellbar sind wie bei den Bu., was mit dem Dominieren des Wh.-typus im Zusammenhang stehen dürfte. Immerhin sind einige Punkte zu erwähnen. So erscheint der Hirnschädel, dessen Umriß von von oben betrachtet schwach birnförmig (vorn schmäler als hinten) ist, durch verschieden große Länge bald mehr gedrungen (Mikosch), bald mehr zylindrisch gestreckter (Adam) (Abb. 9): Eine f ü r Wh. abnorme

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Größe des Hirns beim Wh. 5 4 1 (Abb. 6) f ü h r t zu gewissen Änderungen des Profils, die jedoch nicht so auffallende sind wie die Unterschiede bei verschiedenen Bu.-schädeln. Der Gesichtsschädel, der bei Wh. im Gegensatz zu Bu. meist etwas nach unten geneigt ist (z. B. Adam) k a n n ein wenig — bis zu horizontalem Verlauf — gehoben erscheinen (Mikosch), so daß die zur Orientierung gewählte Horizontale (pp. 71) aus dem Schädelprofil entweder oberhalb der Nasenöffnung oder aus der Nasenöffnung selbst austreten k a n n (vglAbb. 6 u. 14). Auf den gelegentlichen „Nachbiß" (z. B. Wh. 2 Abb. 6) ist oben schon hingewiesen worden. Variabel ist auch die Breite der Stirngegend. In dieser Hinsicht ist gerade die Mutter der P-tiere (Asta) bemerkenswert, deren Schädel*) jetzt gleichfalls vorliegt. F e r n e r ist bei diesem Schädel eine Eigenart vorhanden, die bei der Erörterung einiger Kreuzungstiere (w. u. p. 69) noch eine *) Leider ist in den Wirren der letzten Jahre die abgesägte Schädeldecke verloren gegangen, so daß der Schädel hier nicht zur Abbildung gelangt.

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B. K L A T T

Rolle spielen wird. Die Seitenfläche des Gesichtsschädels zwischen dem Augenhöhlenrand und dem Foramen infraorbitale sind ein wenig konvex gewölbt (aufgebläht), während bei Bu. diese Schädelpartie ± konkav eingesenkt erscheint. Man findet eine solche ± stärkere Konvexität sonst vorwiegend bei Hundeschädeln, die durch Ramsnasigkeit charakterisiert sind, w i e eine solche besonders bei manchen stark überzüchteten Barsois vorkommt und zu einer auffallenden Abknickung des Profils nach unten führt. Überhaupt ist das Maxillare, das in der Hauptsache Träger dieses Merkmals ist, ein f ü r die Gesamtgestaltung des Gesichtsschädels ganz besonders wichtiger Knochen.

II. Charakterisierung der verschiedenen Schädeltypen Nach dieser Besprechung der Schädelmerkmale der reinen Ausgangstiere soll im folgenden nun zunächst eine kurze Charakterisierung der verschiedenen Kategorien der Bastarde ihren Schädel betreffend gegeben werden. Zahlenmäßige Angaben über das gesamte Schädelmaterial der Kreuzungstiere im Zusammenhang schließen sich daran an. a. D e r S c h ä d e l

der

B-tiere

Die Schädel der 4 F^bastarde repräsentieren einen recht einheitlichen Bautyp eigener Art. Sie gehören zu den größten Schädeln des Materials. Der Größeneindruck beruht zum Teil auf einer gewissen „Plumpheit" des Gesamtbaus, die sich sowohl am Oberflächenrelief des Knochens, w i e in den relativen Proportionen des Schädels ausprägt. Was den ersten Punkt angeht, so besteht zwischen dem B-tierschädel und denen der übrigen Tiere eine Verschiedenheit ähnlich der zwischen einem Holzschnitt und einer Lithographie. Das Relief ist verwaschener, gröber, was vielleicht so zu erklären ist, 'daß die F^bastarde von der Bu.-seite her eine größere Menge Knochensubstanz, vom Wh. her eine sparsamere Kalkmenge erhalten haben mögen, denn die Schädelgewichte der B-tiere zeigen keine ihrer Größe entsprechend höheren Werte, obwohl der Knochen dicker erscheint. Nicht minder bedeutsam für den Eindruck der „Plumpheit" sind die Proportionen. Die B-tiere haben von der Bu.-seite her ein schweres Hirn, damit also an sich einen größeren insbesonders auch höheren Hirnschädel, zugleich aber auch eine beträchtliche Breite und Höhe des Gesichtsschädels, ohne eine gleichzeitige entsprechend starke Verkürzung desselben geerbt. Es müssen also die Hohlräume im Schädel besonders geräumig sein. Für den Hirnschädel ergibt denn auch die Bestimmung der Kapazität höhere Werte in ccm als für das Hirngewicht in g. Das Hirn sitzt also gleichsam lockerer im Schädel, vielleicht ist auch eine gewisse Ventrikelvergrößerung die Ursache, worüber erst die Untersuchung der Hirne Klarheit schaffen kann. Für die Nasenhöhle sind exakte Maßfeststellungen nicht möglich; aus den Proportionen des Gesichtsschädels folgt aber, daß sie geräumiger sein muß. Die im Verhältnis zu Wh. doch deutliche Verkürzung des Gesichtsschädels macht eine Verwechslung mit diesem Elterntyp unmöglich, obwohl eine Ä h n lichkeit vorhanden ist. Auf den Gedanken, daß der andere Elterntyp eine Bulldogge war, würde aber sicher niemand auf Grund des Schädelbildes kommen. Also intermediär mit Überwiegen von Wh. w i e nach dem oben (p. 21) geschildertem allgemeinen Ergebnis zu erwarten. Immerhin ist aber eine gewisse „Stau-

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chung" schon vorhanden und bewirkt eine Formänderung des Schädels, besonders auch in der Hinsicht, daß der Hirnschädel etwas über den hinteren Teil des Gesichtsschädels vorgeschoben erscheint, wodurch besonders die Stirngegend höher zu liegen kommt. Da zugleich bei den meisten eine gewisse Aufkippung des Gesichtsschädels vorliegt, wird die Profillinie des Schädels S-förmig, was schon allein genügt, den B-schädel vom Wh.-typus (dessen Profil s. p. 37) zu unterscheiden. Daß individuelle Verschiedenheiten zwischen den 4 Tieren bestehen, dafür sorgen schon die Größenunterschiede. Die beiden kleineren Schädel (Bella, Bussy) haben eine etwas größere Rundlichkeit des Hirnschädels, der bei den beiden größeren Tieren (Bima, Bill) gestreckter ist. Bemerkenswert ist, daß der größte Schädel (Bima) die kleinste Stirnbreite, der kleinste (Bussy, Abb. 13) die absolut breiteste Stirn von allen Tieren besitzt. Der Grad der Aufkippung des Gesichtsschädels ist bei diesem Tier zugleich am stärksten, am geringsten bei Bima (Abb. 12). Deutliche Spuren des Bu.-einschlags zeigen sich beim Vergleich des B-schädels mit anderen Schädeln in einer schwächeren Entwicklung der Condylen am Hinterende des Schädels, während vorn ein Hinweis darauf dadurch gegeben ist, daß die äußersten Spitzen der Nasalia ein klein wenig über die Kontur der Nasenöffnung, also die Vorderkante des Zwischenkiefers, vorspringen.

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B. KLATT

b. D e r S c h ä d e l d e r P - t i e r e . Auch der P-tierschädel zeigt trotz der nicht unbeträchtlichen Größenunterschiede der 5 Schädel einen sehr einheitlichen Typus, einheitlicher noch als der B-tiertyp. Von Nichtkennern wird der P-schädel leicht f ü r einen echten Wh.-schädel gehalten werden können. Aber es sind doch konstante Verschiedenheiten vorhanden. Im Bereich des Hirnschädels ist die trotz des höheren Hirngewichts (s. o. p. 22 sowie p. 85) bestehende geringere Höhe bemerkenswert. Im Gegensatz zum B-schädel muß hier die Hirnmasse eng zusammengepreßt im Schädel liegen, die Kapazitätsbestimmung ergibt sogar etwas geringere Werte als das zugehörige Hirn in g. Die starke Entwicklung der Kaumuskeln (von der Bu.-großmutter her) bedingt anscheinend die starke Zusammenpressung des Hirns, das zugleich gewissermaßen nach hinten ausweicht,

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

37

so daß die Hinterfläche des Schädels statt der senkrechten Stellung bei Wh. etwas schräg nach hinten gerichtet verlaufen kann. In der Stirngegend bedingen die sehr gut entwickelten Stirnhöhlen eine Erhöhung, die in diesem Falle also nicht wie beim B-schädel Folge einer Stauchung ist. Dadurch wird die Profilkontur unruhiger als beim echten Wh.-schädel, bei dem die Schwingung der Hirnschädelkontur ganz allmählich in der Stirngegend in eine Gerade übergeht, die sich in der Mitte des Gesichtsschädels in die OberkieferZwischenkiefernaht fortsetzt, um erst an deren unterstem Ende sich etwas

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B

KLATT

Abb. 15. Von oben nach unten P a s c h a , P o l l u x , P u p p e ,

Pedro.

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zu k r ü m m e n (Abb. 14). Beim P-schädel erfolgt diese K r ü m m u n g früher, und die Erhöhung des Schädels in der Stirngegend unterbricht den graden Verlauf u n d bewirkt ein m e h r stufenartig abgesetztes Gesamtprofil. Der Gesichtsschädel ist hinsichtlich seiner Proportionen sehr Wh.-ähnlich und deutlich von dem breiteren, höheren und etwas kürzeren Gesichtsschädel des B-schädels unterschieden. Aber es bestehen doch Besonderheiten gegenüber dem Wh.schädel. Bei diesem ist der Nasenrücken schmaler, die Nasalia zeigen im Querschnitt eine halbröhrenförmige Wölbung, beim P-schädel ist diese flacher u n d der Nasenrücken etwas breiter. Schematisch w ü r d e ein Querschnitt durch den Gesichtsschädel bei Wh. P. und B. etwia folgendes Bild geben (Abb. 16). Die Condylen sind am P-schädel w i e bei Wh. stark entwickelt, die Spitzen der Nasalia ragen nicht über die K o n t u r der Nasenöffnung vor — beides i. G. zum B-schädel.

Abb. 16. Querschnitte durch den Gesichtsschädel, links: Wh., Mitte: P-tier, rechts: B-tier. Die Form des Hirnschädels von oben gesehen (Abb. 13) wechselt von der bei Wh. vorherrschenden Birnform bis zu fast cylindrischer Gestaltung, die am besten bei P u p p e zu erkennen ist. Bei P e d r o sind am Hirnschädel schon gewisse Anzeichen der Verzwergung (Abb. 15) entsprechend seiner Kleinheit zu finden in einer gewissen Rundlichkeit des hinteren Hirnschädelabschnittes. Bei ihm und P u p p e t r i t t am stärksten — obwohl beide die kleinsten Tiere sind — die oben (p. 34) f ü r den Schädel der Mutter (Asta) hervorgehobene „Aufblähung" im hinteren Abschnitt des Gesichtsschädels in Erscheinung. Die Einkreuzung einer anderen Blutslinie der Wh.-rasse macht sich hier also deutlich bemerkbar. c. D e r S c h ä d e l d e r

R-tiere.

Im Gegensatz zu den beiden bisher besprochenen Kategorien der Bastarde finden sich bei den R-tieren verschiedene leicht unterscheidbare Typen, so daß die Überschrift „ d e r " Schädel nicht ganz angebracht ist. I m m e r h i n verbindet jedoch etwas Gemeinsames alle 8 R-schädel. Nur bei ihnen sowie 2 der C-tierschädel d ü r f t e auch dem unbefangenen Betrachter der Gedanke an eine Beimengung von Bu.-blut kommen. Die Verkürzung des Gesichtsschädels ist selbst bei den am wenigsten in dieser Hinsicht Betroffenen (Regine, Rosine) schon ohne weiters in die Augen fallend, und auch der Hirnschädel zeigt bei ihnen eine durch eine gewisse Verkürzung bedingte ein wenig stärkere Rundung. Erschwert wird die Beurteilung der einzelnen R-tiere durch die hier am stärksten anzutreffenden Größenunterschiede der Tiere. Rex (Abb. 4) als größtes aller Tiere hat einen Schädel, der dem eines nicht zu großen Boxers entspricht, Rosine — kleinstes R-tier — mag, was den Hirnschädel betrifft, Verzwergungseinflüssen ausgesetzt sein, die aber, da wie oben (p. 29) erörtert den durch die Bu.-wuchsform bedingten ähnlich, schwer von deren Einflüssen zu u n t e r -

40

B. KLATT

scheiden sind. Die Formgestaltung des Hirnschädels wird ein wenig mitbestimmt durch das bei allen R-tieren im Verhältnis zur Körpergröße etwas zu niedrige Hirngewicht. Gerade in dieser Hinsicht ist — genetisch schwerverständlich, was an dieser Stelle aber nicht zur Diskussion steht — ein Einfluß weder der schwerhirnigen Bu.-mutter noch des schwerhirnigen Fi-VateTtieres festzustellen. Bemerkenswert ist, daß trotz der geringeren Hirngröße die Schwingung der oberen Hirnschädelkontur stärker gebogen erscheint als bei den anderen Kategorien — eben infolge des Einflusses der Wuchsform. Eine Ausnahme

Abb. 17. Oben: B i l l , unten: R a b b i . davon macht Rabbi, dessen Hirnschädelgestaltung der des Fi-Vaters Bill entspricht (Abb.17). Wenn man den Kernpunkt des Unterschiedes zwischen beiden Konturverläufen (Rabbi, Bill einerseits, die anderen R-tiere andererseits) kurz formulieren will, kann das am besten vielleicht folgendermaßen geschehen: bei den R-tieren kommt es auf keiner noch so kleinen Strecke des Gesamtverlaufs der oberen Hirnschädelkontur zu Geradlinigkeit, während im anderen Fall hinter den Supraorbitalfortsätzen mindestens vorübergehend eine gerade Strecke in den Verlauf der Kurve eingeschaltet ist. Die stärkere Verkürzung auch des Hirnschädels ist die Ursache dieses Profils bei den R-tieren; bei reinen Bu.-schäd.eln also bei stärkster Hirnschädelverkürzung, entspricht diese Kontur häufig dem Ausschnitt eines echten Kreisbogens. Eine Rolle spielt bei dieser Linienführung sicher auch die Dicke des Knochens, die in dieser

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

41

Gegend der Hirnschädeloberfläche, die oben (p. 29) beschriebene Eigenart der Temporallinien bewirkt, allmählich aus der Fläche anzusteigen (s. Abb. 6). Dieses Merkmal, als ein Erbteil von der B u - m u t t e r , findet sich a n den meisten R-schädeln. Auch ist, von oben betrachtet, das „Temporaldreieck" m e h r keilförmig wie bei Bu., bei den anderen Tieren m e h r lyraförmig. In einer Hinsicht aber zeigt keiner dieser Schädel Bu.-Ähnlichkeit, nämlich bezüglich der Schrägstellung der Hinterhauptfläche nach vorn-unten. Bei allen R-schädeln steht die Hinterhauptfläche senkrecht zur Horizontale wie bei Wh. Dagegen

Abb. 18. Oben: R o l l o , unten: R o b e r t . zeigen die Condylen recht deutlich die Tendenz zur Unterentwicklung. Die Stirnhöhlenentwicklung d ü r f t e gleichfalls geringer sein als bei B- und P schädeln. Der Gesichtsschädel ist charakterisiert durch die s t ä r k e r e Verkürzung mit ihren weiteren Symptomen der Verbreiterung und A u f k i p p u n g wieder in wechselndem Maße. So kommt es zu einer s t ä r k e r e n Konkavität des Profils. Obwohl f ü r die Physiognomie ohne Bedeutung, sei beiläufig erwähnt, daß von der f ü r Bu. so typischen frühzeitigen Verwachsung der Gesichtsschädelnähte bei keinem Tier selbst dieser Bu.-ähnlichen Kategorie von Bastarden etwas festzustellen ist, n u r bei Rollo (7 Jahre!) eben der Beginn. Was den U n t e r kiefer angeht, so zeigt die Hälfte der Tiere den „Vorbiß", am stärksten Rabbi und Ratze, etwas weniger Rex und Rollo. Bei den anderen 4 Tieren ist n o r maler Zusammenbiß vorhanden.

42

B. KLATT

Durch verschiedene Kombination allein schon der vorstehend erwähnten Merkmale kommt es zu einer weit stärkeren Individualisierung der einzelnen R-tiere, als dies bei den B- und P-tieren der Fall ist. Am wenigsten in Richtung auf Bu. verändert sind das größte und das kleinste 5 (Regine, Rosine), die abgesehen von den Größenunterschieden und der damit verbundenen etwas stärkeren Rundung des hinteren Hirnschädels bei Rosine, recht einheitlich erscheinen (Abb. 20). Schon etwas stärkere Verkürzung des Gesichtsschädels und Wölbung des Hirnschädelprofils zeigt obert (Abb. 18). Den stärksten Verkürzungsgrad haben Rollo und Ratze, beide auch mit Vorbiß und — besonders Ratze

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

43

— am meisten Bu.-ähnlich. In Einzelpunkten zeigen die Schädel aber Verschiedenheiten. Die Hirnform, bei Rollo breit birnförmig, ist bei Ratze fast cylindrisch in der Aufsicht (Atb. 19) und weniger stark gebogen im Profil. Der Gehirnschädel ist, als Ganzes betrachtet, bei Rollo zu klein für den Gesamtschädel und durch sehr starke Einsenkung der Nasenrinne wie durch Konkavität der Seitenflächen (s. o. p. 34) charakterisiert. Bei Ratze findet sich, als einzigem aller Tiere, ein horizontales Vorspringen des Vorderendes des Nasale, aber nur rechts, entsprechend dem Verhalten der Nasalia bei der Bu.-mutter Freia. Der Schädel von Rex, dem größten aller Tiere, erhält

44

B. KLATT

durch seine Größe schon Eigenarten, die den anderen Schädeln fehlen, der Verkürzungsgrad entspricht etwa dem bei Robert. Interessant ist der Schädel von Rabbi, dem zweitgrößten Tier, durch die Kombination eines Hirnschädels vom Typ der B-tiere (Abb. 17, 19, 5) und einem f ü r die Gesamtgröße des Tieres wie des Schädels zu kleinen Gesichtsschädel, der zugleich ziemlich stark verkürzt ist. Auch die beiden letztgenannten Tiere haben „Vorbiß". Der interessanteste Schädel ist der von Rumba (Abb. 21, 22). Er hat den kürzesten Hirnschädel mit stärkster Krümmung der Kontur kombiniert mit einem mittelstark verkürzten Gesichtsschädel, der trotzdem jene oben (p. 34) f ü r das Wh. $ Asta und deren Kinder (P-tiere) beschriebene „Aufblähung" der hinteren Seitenflächenabschnitte aufweist, zugleich eine sehr geringe Einsenkung der Nasenrinne. Den stärksten Gegensatz zu dieser Ausbildung des Gesichtsschädels liefert Rollo. d. D e r S c h ä d e l d e r

C-tiere.

Selbstverständlich ist ebensowenig wie bei der Rückkreuzung mit dem recessiven Typ (R-tiere) in der F2 (C-tiere) eine Uniformität zu erwarten. Auch hier tritt bei der Beurteilung des Schädelbildes zunächst die verschiedene Größe störend in Erscheinung, diesmal durch Variation nach der Minusseite: von den 13 C-tieren gehören 4 in die kleinste Größengruppe, ebenso wie das einzige F3-tier (Dolly), das mit ihnen zusammen besprochen werden soll. Bei diesen also insgesamt 5 Schädeln sind bereits Verzwergungseinflüsse recht deutlich, mehr als bei Rosine und Pedro, den kleinsten Vertretern der vorbesprochenen Kategorien. Diese 5 Tiere werden am Schluß besprochen werden. Nur die 9 größeren C-tiere, die an Größe den Tieren der übrigen Kategorien gleichkommen, liegen den hier zunächst folgenden Erörterungen zu Grunde. Eine sortierende, also weniger die individuellen Besonderheiten berücksichtigende Betrachtungsweise läßt 3 Gruppen unterscheiden, die sich recht ungleich verteilen. 7 Schädel zeigen ein Bild, das dem des B-tierschädels noch am nächsten kommt, 1 Schädel (Czardas) entspricht im Verkürzungsgrad des Gesichtsschädels wie im allgemeinen Habitus den am wenigsten verkürzten R-schädeln (besonders gut Regine), der letzte Schädel (Cyclop) schließlich läßt — als einziger von sämtlichen C-tieren — sofort den Verdacht auf Bu.-blut aufkommen, er entspricht im allgemeinen Eindruck am meisten dem so eigenartigen R-tier Rumba, wiewohl im einzelnen wichtige Verschiedenheiten zwischen beiden Schädeln vorhanden sind. Ein reiner Wh. ist ebensowenig herausgemendelt wie ein reiner Bu., nicht einmal die stärksten Grade der Bu.ähnlichkeit unter den R-tieren werden erreicht (Abb. 21 bis 24). Die B-tierännlichkeit der ersten Gruppe wird allerdings eingeschränkt dadurch, daß die oben geschilderte Note der „Plumpheit" des B-schädels fehlt, sowohl was das Oberflächenrelief wie das Proportionsbild angeht. In letzterer Hinsicht spielt neben der geringeren Gesamtgröße der C-schädel auch ihre geringere Hirngröße eine Rolle. Aber die Kontur des Hirnschädels entspricht der des B-schädels, in der Aufsicht wie im Profil; bei den kleinsten (Cyon, Carlchen) kommt es allerdings schon zu etwas stärkerer Rundlichkeit hinten. Auch das Gesamtprofil des Schädels ist S-förmig wie bei B, die Aufkippung liegt in denselben Grenzen, die Spitzen der Nasalia ragen ein wenig über die Kontur der Nasenöffnung vor, die Größe der Condylen ist etwas wechselnd. In dieses kurz skizzierte Gesamtbild bringen besonders Verschieden-

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

43

heiten des Gesichtsschädels ein gewisses individuelles Leben hinein. Der größte C-schädel Cello, zugleich das größte C-tier, sieht dem seines Vaters Bill sehr ähnlich — abgesehen natürlich von Größe und Plumpheit des Schädelbaus. Den schlanksten Gesichtsschädel und Schädel ü b e r h a u p t u n t e r den C-tier e n besitzt Cäsar, bei dem aber im Gegensatz zu P. bzw. Wh. die Stirnhöhlen äußerst schwach entwickelt sind, so daß der Schädel hier sehr niedrig, zugleich auch sehr schmal bleibt, wodurch das zwar auch flach S-förmige Profil eine gewisse Ähnlichkeit mit dem eines Fuchsschädels bekommt (die Füchse haben bekanntlich keine Stirnhöhlen). Der an allgemeiner Schlankheit ihm noch am nächsten kommende Schädel von Cäcilie (Mutter des einzigen Fa-tiers) fällt auf durch besondere Niedrigkeit des Hirnschädels. Der Gesichtsschädel zeigt dagegen bei Czar eine auffallende Erhöhung ohne eine gleichzeitige entsprechend starke Verkürzung und Verbreiterung, wodurch natürlich wieder ein besonderes Schädelbild entsteht. Besonders interessant ist der Schädel von Cecil

46

B. K L ATT

Abb. 22. Von oben nach unten: R u m b a , C y c l o p , C z a r d a s .

Cäsar.

Abb. 23. Von oben nach unten: C z a r . C e c i l , C e l l o ,

Caroline.

48

B. KLATT

(Vater der F3), dem i m L e b e n Wh. ähnlichsten Fa-tier (Abb. 23). Sein Schädel keineswegs ein Wh.-schädel, erscheint eigenartig durch die K o m b i n a t i o n eines ziemlich g r o ß e n Hirnschädels m i t einem leidlich schlanken, zugleich a b e r recht n i e d r i g e n u n d ziemlich a u f g e k i p p t e n Gesichtsschädel. I n vielen P u n k t e n l e h r reich ist d e r Vergleich dieses Schädels von Cecil speziell m i t d e m von Cyclop, d e m Bu.-ähnlichsten F2-tier (Abb. 22). Cecil steht an K ö r p e r g r ö ß e (mit 6,6 Kilo) wesentlich h i n t e r Cyclop (8,9 Kilo). I n der Schädelgröße dagegen r a n g i e r t er eher vor diesem (w. u. p. 52), denn Cyclop ist ganz besonders a u f f a l l e n d durch die i m V e r h ä l t n i s zu seiner K ö r p e r g r ö ß e zu geringe G r ö ß e seines Schädels. Dieser Schädel v o n Cyclop hat, w i e oben (p. 44) schon e r w ä h n t , eine allgemeine Ähnlichkeit m i t d e m so m e r k w ü r d i g e n Schädel des R-tiers R u m b a . Bei n ä h e r e r B e t r a c h t u n g e r g e b e n sich a b e r doch wichtige Unterschiede: die s t a r k e V e r k ü r z u n g des Hirnschädels bei R u m b a f i n d e t sich nicht (Hirngewichte sind f a s t gleich); in dieser Hinsicht, der dadurch b e d i n g t e n s t a r k e n W ö l b u n g des H i r n profils, bleibt R u m b a unerreicht. D e r Gesichtsschädel ist d a f ü r bei Cyclop e t w a s k ü r z e r u n d d a m i t v o r n höher, doch ist in seinem h i n t e r e n Abschnitt eine „ A u f b l ä h u n g " w i e bei R u m b a nicht v o r h a n d e n . Die Spitze der Nasalia springt bei Cyclop besonders w e i t vor der K o n t u r d e r N a s e n ö f f n u n g vor. Es besteht ein leichter Vorbiß. — Ein solcher f i n d e t sich — s t ä r k e r — u n t e r den n e u n großen C - t i e r e n n u r noch bei Czardas u n d Carlchen, die jedoch hinsichtlich V e r k ü r zung des Oberschädels verschieden sind.

Abb. 24. Oben: C ä c i 1 i e , unten: C a r l c h e n . Die vier k l e i n e r e n C - t i e r e u n d das einzige F3-tier Dolly (aus Cecil * C ä cilie) e r h a l t e n durch den bei i h n e n schon i n Erscheinung t r e t e n d e n V e r z w e r g u n g s e i n f l u ß z w a n g s l ä u f i g eine e t w a s größere Ähnlichkeit mit Bu. (Abb. 25, 23, 4),

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

Abb. 25. Von oben nach unten: C y o n , C i l l i , C h i c o , 4'

49

Dolly.

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B. KLATT

nämlich durch ein starkes Überwiegen des zugleich rundlicher werdenden Hirnschädels, zumal — was besonders beachtenswert ist — die Hirngewichte der kleinen C-tiere durchaus in der Variationsbreite der übrigen liegen! Die Aufbauten des Hirnschädels besonders auch der Stirngegend treten bei diesen kleinen Schädeln naturgemäß stark zurück. Der verschiedene Grad der Wuchsformverschiedenheit ist demgemäß nur aus den Proportionen des Gesichtsschädels zu beurteilen. Man würde hinsichtlich dieses Punktes Caroline, Cilli und Dolly der ersten Gruppe der sieben großen C-tiere zuweisen, während die zwei anderen (Cora, Chico) fast etwa der Stufe von Czardas entsprechen könnten. Extremere Bu.-Ähnlichkeit findet sich also auch hier nicht, Vorbiß — in geringem Maße — zeigt nur der Schädel von Cora. *

Die in den vorstehenden Abschnitten gegebene kurz orientierende Charakterisierung der verschiedenen Kategorien betont deren Verschiedenheiten, wie auch die bei R und C nicht unbeträchtlichen Unterschiede einzelner Tiere. Aber trotz dieser Verschiedenheiten ist eine gewisse Familienähnlichkeit aller unverkennbar, die bei den P-tieren allerdings eine gewisse Beschränkung erfährt. Bei diesen kommen durch die Mutter Züge einer anderen Blutslinie der Wh.-rasse hinein, die, anscheinend dominant, bei den P-schädeln zu deren typischer Gestalt beitragen dürften (besonders starke Stirnentwicklung) und vielleicht fehlen würden, wenn die Mutter (Wh. Asta) zur gleichen Blutslinie wie der Stammvater aller Tiere (Wh. Mikosch) gehört hätte. Es ist allerdings schwer zu sagen, worin das, was man „Familienähnlichkeit" nennt, besteht Beim Menschen spielen dabei zweifellos Gewohnheiten, Haltungs- und Bewegungsbesonderheiten, besonders auch durch die Sprache bedingte, eine Rolle — alles Punkte, die hier bei der Betrachtung des Schädels ausschalten. Vielleicht, daß für das, was hier als „Familienähnlichkeit" erscheint, das allen Mitgliedern einer Blutsfamilie gemeinsame Fehlen gewisser Merkmale, die sonst erfahrungsgemäß in der Art vorkommen, ausschlaggebend ist? So findet sich hier z. B. bei keinem Tier Ramsnäsigkeit wie sie häufig bei Barsois, Bedlington u. a. vorkommt. Bei keinem der kurzschnauzigen Tiere kommt es zu Richtungen der Nasenbeine wie sie z.B. bei Bulldoggen anderer Blutslinien (Abb. 11 Bu. 22) zu beobachten ist. Es ist verständlich, daß in den zufällig gewählten Ausgangstieren gewisse Gene nicht vorhanden, richtiger vielleicht nicht aktualisierbar sind. Daß andererseits Gene, deren Wirkung bei den Ausgangstieren phänotypisch nicht in Erscheinung trat, durch die Kreuzung neukombiniert in einzelnen Bastarden wirksam werden können, ist ebenso verständlich. Ein Beispiel hierfür könnte in der bei Rumba zu beobachtenden „Aufblähung" der hinteren Gesichtsschädelpartien gesehen werden, die den übrigen Tieren fehlt — mit Ausnahme der P-tiere, bei denen das gleiche Merkmal aber von der aus einer anderen Blutsfamilie stammenden Mutter (Asta) herrührt, bei der es ja phänotypisch schon erkennbar ist. Diese Erörterungen unterstreichen die in der Einleitung (p. 16) bereits für wünschenswert erachtete Forderung, die Kreuzungen mit Individuen aus anderen Blutslinien der beiden Rassen zu wiederholen. Es ist durchaus möglich, daß dabei individuelle Kombinationen auftreten, wie sie an dem vorliegenden Material nicht festzustellen waren, obwohl anzunehmen ist, daß die grundsätzlichen Ergebnisse sich kaum anders darstellen dürften.

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

51

III. Analytische Untersuchung des Schädelmaterials Nachdem durch die vorausgegangenen Abschnitte schon eine Vorstellung vom Aussehen der Schädel der verschiedenen Tiere vermittelt worden ist, sollen nun die wichtigsten Einzelmerkmale durch das gesamte Material verfolgt werden, wobei auch die messende Methode zu Worte kommen soll. Meinen Standpunkt bezüglich dieser habe ich eingangs (p. 18) zur Genüge gekennzeichnet, andere Untersucher werden ihr einen höheren Wert beimessen, ohne solche ergänzenden Angaben wären die bisherigen Schilderungen aber auch nicht erschöpfend genug. Solange man Abbildungen nicht in weit größerem Umfang beifügen kann, ist die Angabe der wichtigsten Maße das einzige, wenn auch recht unvollkommene Mittel, um genauer vergleichbare Vorstellungen der Objekte dem näher Interessierten zu vermitteln. Ich beschränke mich dabei auf einige Linearmaße, unter denen die Breitenangaben die exaktesten Werte darstellen, während Winkelmessungen aus oben (p. 19) schon gegebener Erklärung unterbleiben. An Hand der Profilabbildungen kann die wichtigste Winkelbeziehung, die hinsichtlich der ± Aufkippung des Gesichtsschädels Aufschluß gibt, wenigstens geschätzt werden (s. p. 33). Es handelt sich um den Winkel, den der Verlauf des zahntragenden Oberkieferrandes mit der Horizontalen bildet. Diese selbst, wie ich sie für meine Zwecke als beste Orientierungslinie gefunden habe (s. p. 71), wird gelegt durch die Oberkante der Condylen und den untersten Punkt der Orbita und entspricht ungefähr dem Verlauf der Hirnbasis, die somit für den Hundekopf als ideale Orientierungsebene betrachtet wird. — Ferner sind in den folgenden tabellarischen Aufstellungen auch gewisse Bemerkungen über morphologische Einzelheiten mit hinein genommen worden. Was reinrassige Vergleichstiere angeht, so sind in den meisten Übersichten neben den drei Ausgangstieren noch Wh. Adam, Wh. 2 41 u. 42 706 sowie Bu. 28 mit aufgenommen worden. Hinsichtlich der Anordnung der tabellarischen Daten bin ich abgegangen von dem üblichen Verfahren, die einzelnen Tiere in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen und hinter jedem Namen die zugehörigen Werte aufzuführen. Ich setze vielmehr für jedes Einzelmaß die verschiedenen Werte in aufsteigender Reihenfolge nebeneinander. Dabei erkennt man die Streuung der verschiedenen Werte für das einzelne Maß ohne weiteres. Das Herausfinden des einzelnen Tiers in den verschiedenen Aufstellungen wird erleichtert durch verschiedenen Druck der verschiedenen Kategorien von Tieren. Da dem Leser durch die vorangegangenen Abschnitte schon ein Allgemeinbild des Einzeltiers vermittelt worden ist, wird er mühelos eine noch genauere Vorstellung desselben gewinnen, zugleich aber auch den Vergleich verschiedener Tiere bequemer durchführen können, als das mittels der sonst üblichen Tabellen möglich ist. Die Anordnung der Schädel nach dem „Größeneindruck" (vgl. darüber 1944 und hier p. 76) in absteigender Reihenfolge gibt die jenem Teil entnommene jetzt folgende Aufstellung. Die meisten der dort noch zum Vergleich herangezogenen Bu. und Wh. sind hier fortgelassen, woraus sich erklärt, daß Gruppe II hier keinen Vertreter enthält.

52

B.

KLATT

Aufstellung der Schädel nach dem Größeneindruck Gruppe I Rex 15,3

III Bima

IVa 8,3

Rabbi 9,8

Bill 10,3

Va

IVb Cello

8,9 6,8

Asta

VI

Vb 10 (?)

Cyon

59

Clin

5.4

7,9

Dolly

5,6

Bella 8 2

Bussy

Pascha

8,5

Pollux

f-reia 9

Czardas 8,5

Regine

8,5

Carlchen 5,5

Rosine

7

Bu 1928 ?

Pluto

8,5

Ratze

7

Pedro

5,9

Rumba

8.2

Puppe

7,6

Cora

4,5

72

Chico

5,4

Cäsar Czar

7.8 8

Caroline 5,4

Robert

7,6

Adam

7,2

wh.

Die Reihenfolge in den einzelnen Gruppen bedeutet abnehmende Verringerung des, zahlenmäßig nicht erfaßbaren „Größeneindrucks". Die Zahl hinter jedem Namen bedeutet das Nettogewicht des Tieres (Körpergewicht abzüglich Fett und Ballast) in kg. (Bei A s t a nicht genau festgestellt.)

9

M i k o s c h 8,3 Cecil

6,6

Cäcilie

74

Rollo

8,3

Cydop

8,9

a. MessungenUm zunächst einen Überblick über das Bild des Schädels als eines Ganzen wie seiner beiden Hauptkomponenten, des Gesichts- und des Hirnschädels, hinsichtlich der Wuchsform in zahlenmäßigem Ausdruck zu gewinnen, dient die folgende Tabelle, welche in Indexform f ü r den Schädel und seine beiden Hauptabschnitte einen Zahlenwert f ü r jeden Schädel bringt. Die 3 Indices sind in folgender Weise errechnet: 1) Gesamtschädelindex: Größte Breite X 100 (über die Meßpunkte beider Maße s. p. 55 u. 59) Basilarlänge 2) Gesichtsschädelindex: Breitendurchschnitt X 100 (über die Meßpunkte p. 63) Gesichtsschädellänge aus der „vorderen" und „hinteren" Breite wurde der Durchschnittswert gezogen. 3) Hirnschädelindex: Breitendurchschnitt X 100 (über die Meßpunkte p. 59) Hirnschädellänge aus „vorderer" und „hinterer" Breite wurde der Durchschnitt gezogen. 1.) S c h ä d e 1 i n d e x. Es ist selbstverständlich, daß die schlanksten Schädel — Wh. und P. — in der Aufstellung bei den niedrigsten Werten erscheinen, die beiden Bu. den Schluß bilden. An sich müssen größere Schädel (gleicher Bauart) einen geringeren Index haben als kleinere aus Gründen des Größeneinflusses (KLATT 1913). So liegt auch Rex über Rollo und Ratze. Daß er, als größtes aller Tiere, nicht am Anfang der Reihe liegt, kommt natürlich daher, daß er zugleich eine starke Bu.-Ähnlichkeit besitzt, und deren Wirkung hinsichtlich Verbreiterung ist stärker als der Größeneinfluß bezüglich relativer Verschmälerung. Die verzwergt.en Tiere (Caroline, Dolly, Chico, Cora, Cilli), die aus Gründen des Größeneinflusses an den Schluß gehören — gleiche Wuchs-

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

53

f o r m vorausgesetzt! — liegen in der Mitte der Tabelle, ein Zeichen dafür, daß auch hier wieder die — in diesem Falle weniger Bu.-ähnliche — Wuchsform sich stärker auswirkt als der Größeneinfluß. Unter den großen C-tieren, also Tieren von etwa gleicher Größe, k o m m e n die Wuchsformverschiedenheiten in der Anordnung gut zum Ausdruck: f ü h r e n d Cäsar, das schlankste C-tier, a m Schluß Czardas und ganz zuletzt Cyclop. Die B-tiere liegen ihrem intermediären Charakter als Fi entsprechend recht geschlossen zusammen in der Mitte der Tabelle. — Bei einem in der Größe so relativ geringe Unterschiede bietenden Material wie dem vorliegenden ist also bezüglich des Schädelindex der Wuchsformgrad zweifellos ausschlaggebend. Viel m e h r ist aus dieser metrischen Aufstellung nicht zu schließen. 1. Schädelindex 60 Ast a 61,3 P l u t o Mik os c h 63 64 Pedro 64,6 A d a m 64,8 P u p p e 65,9 P a s c h a , P o l l u 69,2 Cäsar 70,7 Cello 71,1 Cyon 71,2 Cecil 71,5 Cäcilie 73,1 Bima 73,6 Bussy 73,7 Czar 74,2 Bill 74,6 Bella 77 Caroline 77,3 Carlchen, Rumba 77,6 Dolly 79 Chico, Cora 79,1 Regine 79,9 Cilli 80 Rosine 80,5 Czardas 81,8 Robert 82,1 Rex 85,2 Rabbi 86,6 Cyclop 86,9 Rollo 89,2 Ratze 100 Freia, Bu. 1928

2. Gesichtsschädelindex 54,8 A s t a 57,2 A d a m 60 Mik osc h 60,8 P l u t o 61,8 P a s c h a 63,4 P e d r o 67,2 P o l l u x 70,4 Cäsar 71,6 P u p p e Cello 75 76,5 Cecil, Cyon 78,5 Cäcilie 79,5 Czar 79,6 80,9 81,1 81,4 83 85,7 88,6 91,6 92,2 95,4 96,6 97,3 98,8

Bella Bima Dolly Bill Bussy Caroline Carlchen Cilli Chico Rumba Regine Cora Rosine

99 100 103,3 103,6

Rex Czardas Rabbi Rohert

113,5 121,4 122,9 125,7 168,3

Rollo Cyclop Bu. 1928 Ratze Freia

3. Hirnschädeliitdex 64,1 Rex 67,1 A d a m , Rabbi 67,8 A s t a 68,5 P l u t o 69,4 P u p p e, Cello 69,8 Bima 70,9 P o l l u x 71,1 P e d r o , Bill 71,4 Czardas 71,9 M i k o s c h 72,1 Bu. 1928 72,3 Cyon 72,4 Czar 73 Cyclop 73,1 Regine 73,2 P a s c h a 73,8 Cäsar, Cäcilie 74,3 Carlchen 75,3 Bella 75,4 Ratze 76,1 Bussy 76,9 Rollo 77,4 Rosine 78,2 Dolly 78,4 Cecil 78,5 Freia 78,7 Caroline 78,9 Cilli 79,5 Robert 81,1 Cora 83,3 Rumba 85,8 Chico

54

B. KLATT

2.) G e s i c h t s s c h ä d e l i n d e x . — Die Anordnung der Tiere ist — von kleinen Verschiebungen abgesehen — außerordentlich ähnlich der Anordnung bezüglich des Schädelindex. Das bedeutet nichts anderes, als daß dieser eben in erster Linie durch den Gesichtsschädelindex, d. h. durch den in diesem Schädelabschnitt sich ja am stärksten auswirkenden Wuchsformgrad bestimmt wird. Auch die größte Breite des Schädels (— Abstand der Jochbogen voneinander), die den Gesamtschädelindex bedingt, wird wesentlich mitbestimmt von. der hinteren Breite des Gesichtsschädelabschnittes, wo die Jochbogen ja ansetzen. Aber auch die die Breite vergrößernde stärkere Biegung der Jugalia ist abhängig vom Grade der „Stauchung", d. h. also wieder der Wuchsform, z. T. allerdings auch von der Masse der Kaumuskulatur. 3.) H i r n s c h ä d e l i n d e x . — Hier ändert sich das Bild der Anordnung grundsätzlich. Die Ursachen sind verschiedener Art. Daß Rex hier beginnt, liegt an seiner Größe, denn am Hirnschädel wirkt sich der Größeneinfluß am klarsten aus (s. o. p. 23). Daher liegen in dieser Reihe auch die kleinsten Tiere (Caroline und Genossen), statt in der Mitte wie bei 1. und 2. deutlich am Schluß. Die Wh-ähnlichsten Schädel, die reinen Wh. und die P., liegen am Anfang — ein Zeichen, daß die schlanke Wuchsform auch den Hirnschädel betrifft — aber doch nicht so geschlossen wie in 1. und 2. (Pascha z. B. bis zur Mitte verlagert). Wenn unter den B-tieren, bei denen die Geschlossenheit der Lagerung gleichfalls verschwunden ist, Bima und Bill weit vor Bella und Bussy liegen, so dürfte auch hier der Größenunterschied beteiligt sein, doch spielt bei Bella die Größe des Hirns (höchstes Hirngewicht von allen Tieren!), bei Bussy die starke Breitenentwicklung (absolut größte Stirnbreite s. o. p. 35) mit eine Rolle. Voll ausreichend sind die Berücksichtigung von Größe und Wuchsform aber keinesfalls. So liegt Cäsar, schlankstes C-tier, statt im Anfang wie in 1. und 2., hier in der Mitte, Cyclop, Bu.-ähnlichstes C-tier, vor ihm, statt wie in 1. und 2. den Schluß bildend, und Cecil, der oben (p. 48) als Gegensatz zu Cyclop herangezogen wurde, liegt hier fast am Schluß der Reihe. Also müssen für den' Hirnschädelindex, wie er hier genommen wurde, doch noch andere Gründe mitwirken. Es ist die verschiedene Form des Hirnschädels, die hier maßgeblich ist, und die nicht allein von Größe und Wuchsform des Schädels sondern auch von Eigentendenzen des Hirns abhängig sein dürfte. Schon oben (p. 32) wurde verschiedentlich betont, daß selbst innerhalb einheitlicher Typen (z.B. der Wh-, der P.-, der R-tiere) der Hirnschädel mehr Birnform oder mehr Cylinderform haben kann. Da der Zähler des Hirnschädelindex abhängt von der vorderen u n d der hinteren Breite, kann ein gleicher Zahlenwert auf verschiedene Weise zustande kommen und braucht vor allem über den Verkürzungsgrad des Hirns — d. h. den Grad der „Stauchung" — nichts auszusagen. Es ist bezeichnend, daß auch die beiden reinen Bu., wieder im Gegensatz zu 1. und 2., keineswegs am Ende der Reihe sondern mittendrin und zwar weit voneinander getrennt (Bu. 1928 weit vorn) liegen. Das würde bedeuten, daß dieses Tier ein weit schlankeres Hirn als Freia (letztes Viertel der Reihe) besitzt; daß bei beiden ein typisches durch „Stauchung" in hohem Maße zusammengedrücktes Hirn vorliegt, ist aber nicht zu bezweifeln. Also, im Gegensatz zum Gesichtsschädel und zum Gesamtschädel, wo der Index Breite _ tatsächlich ein Maß gibt für den Grad der „Brachycephalie", gilt dies Länge

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für den Hirnschädelindex nicht. Es wird zugleich ersichtlich, daß die Bezeichnung Brachycephalie beim Menschen sich nicht mit der beim Tiere deckt, denn beim Menschenschädel beziehen sich die Begriffe Dolicho- und Brachycephalie nur auf den Hirnschädelindex. Wenn es andrerseits beim Menschen Unterschiede im Sinne von Wh. und Bu. gibt, so dürfen diese nicht basieren auf dem Unterschied zwischen dolicho- und brachycephalen Menschen, sondern auf Verschiedenheiten des Gesamtschädelbaus, insbesondere auch des Gesichtsschädels. Es ist äußerst bemerkenswert, daß in der KRETSCHMERschen Unterscheidung seiner Leptosomen und Pykniker der Hirnschädel eine weit geringere Berücksichtigung findet als die Gestaltung des Gesichtsschädels, und daß demgemäß die Unterscheidung zwischen Dolicho- und Brachycephalen so weit ich sehe in KRETSCHMER's Darlegungen gar keine Rolle spielt. Zugleich wird gerade durch diese Erörterungen über den Hirnschädelindex das belegt, was ich einleitend (s. p. 18) über die messende Craniologie schon sagte, daß einem solchen Indexwert nur eine recht beschränkte, rein deskriptive, Bedeutung zukommt — eine richtig durchgeführte morphologische Betrachtung ist die Hauptsache, Messungen sind Hilfsmaßnahmen. Immerhin sollen nun im folgenden doch an Hand der Einzelmessungen die weiteren Erörterungen erfolgen, wobei regionenweise vorgegangen wird. Neben Gehirn- und Gesichtsschädel bildet sich (s. o. 25) von einer Größenstufe an, der die Schädel des vorliegenden Materials zugehören, als eine relativ selbständige dritte Region des Schädels auch noch die Stirngegend aus. Die L ä n g e n maße haben in der Metrik eine bevorzugte Stellung, da sie gewöhnlich als d i e Repräsentanten der Größe genommen werden; bezüglich des Schädels ist somit seit jeher die Basilarlänge das wichtigste Maß. 4.) B a s i l a r l ä n g e . — Meßpunkte: vom tiefsten Punkte der Einsenkung zwischen den Condylen bis zum Vorderrand der Schneidezahnalveolen. Es ist selbstverständlich, daß die Basilarlänge beim vorliegenden Material kein exakter Ausdruck für die Größe des Schädels sein kann, da Kurzwuchs den Wert verkleinert, Langwuchs ihn vergrößert, während den verglichenen Tieren bzw. Schädeln eine gleiche Gesamtgröße zukommen kann. Wenn die Tabelle 4 mit Rex beginnt, obwohl er ein Kurzwuchstyp ist, so liegt der Grund allerdings in seiner ungewöhnlichen Größe, aber er müßte, von dieser aus beurteilt, einen noch wesentlich höheren Wert haben, während so der kleinere Pluto gleichen Wert zeigt, weil er ein Langwuchstyp ist. Es ist ebenso selbstverständlich, daß die beiden Bu. den Schluß der Reihe bilden, weil sie die extremen Kurzwuchstypen sind. Was die „Größe" anbelangt, wären sie natürlich weit höher anzusetzen, Es geht also die Reihenfolge ziemlich durcheinander je nach der jeweils vorliegenden Kombination der beiden Faktoren der Größe und des Wuchsformgrades; die größeren und schlankeren Typen liegen in der oberen Hälfte der Reihe (durch den Mittelstrich abgegrenzt), also alle Wh., P., B. und die schlankeren C-tiere sowie die beiden größten R-tiere. Alle anderen R., alle kleineren Schädel und Bu. in der unteren Hälfte. Immerhin geht aus der Aufstellung hervor, daß die Größenunterschiede des gesamten Materials (ausgenommen Rex) keine allzu großen sind: die größten Werte nur etwa um 35—40% größer als die kleinsten. Alle Schädel würden Hunden von etwa Terriergröße entsprechen mit der bei diesen bekannten Variationsbreite. Etwaige, die Betrachtung des Wuchsformeinflusses störende stärkere Größenunterschiede sind weitgehend ausgeschaltet-

B. KLATT

56 4. Basilarlänge

6. Hirnschädellänge

14 Rex - P l u t o 13,8 P a s c h a - A s t a (?) 13,5 M i k o s c h (?) 13,4 Bima 13,3 A d a m 13,2 Bill - P o l l u x 13 Bella - Cäsar - Cello 12,5 Bussy - P u p p e - P e d r o Cecil 12,3 Cäcilie 12,2 Czar - Rabbi

8,5 Rex 7,6 Rabbi 7,3 Bima 7,2 Cello 7,1 Bill - Bella 7 Freia - Bu. 1928 - Czardas Adam - Asta - Pluto 6,9 P a s c h a - Czar 6,7 Bussy - P o l l u x - P u p p e Rollo - Regine

12 11,8 11,5 11,3 11,2 11 10,9 10,7 10,5 10,2 10

6.6 6.5

Regine Cyon - Czardas Carlchen - Rumba Cilli Dolly Rosine - Robert Caroline Rollo Cyclop - Cora - Chico Ratze Freia (?), Bu. 1928 5. Gesichtsschädellänge

6,2 A s t a (?) - A d a m 6.1 M i k o s c h 6 Pluto 5,9 P a s c h a 5,5 Bima - P o 11 u x 5,4 Bill - Bella - Cäsar 5,3 Rex 5.2 P e d r o - Cello 5 Bussy - P u p p e 4,9 Czar - Cecil - Cäcilie Cyon 4,5 Rabbi - Regine - Dolly 4.4 Carlchen - Rumba 4,3 Czardas 4,2 Cilli - Caroline 4,1 Robert 4 Chico - Rosine 3,8 Cora 3,7 Rollo - Bu. 1928 3.5 Cyclop - Ratze 3 Freia (?)

Mikosch Cäsar - Cecil - Cyon Carlchen - Cäcilie - Cyclop 6,4 P e d r o - Cilli 6.3 Ratze - Robert 6.2 Rosine - Dolly 6.1 Cora - Caroline 6 Rumba - Chico 7. Gaumenlänge 8 A s t a (?) 7,8 A d a m 7.7 M i k o s c h (?) - P l u t o Pascha 7.4 Bima 7.3 P o l l u x - Rex 7.2 Bella 7,1 Bill - Cäsar 7 Bussy - P u p p e - P e d r o Cello 6.8 Cecil 6.6 Cäcilie 6.5 Czar - Czardas - Regine 6.4 6.3 6,2 6.1 5,9 5,8 5.5 5.4 5.2 5,1 5

Cyon Cilli - Chico - Dolly - Rabbi Carlchen Rumba Robert Caroline - Rosine Rollo Cyclop - Cora (?) Bu. 1928 Freia (?) Ratze

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5.) G e s i c h t s s c h ä d e l l ä n g e . — Meßpunkte: vom vordersten Punkt des Orbitarandes bis zum Vorderrand der Schneidezahnalveolen. Das Maß gibt einen gewissen Anhalt f ü r den Grad der Verkürzung. Der größte Schädel (Rex) rückt dementsprechend erheblich nach unten, wenn er — als Folge seiner Gesamtgrößer — auch immerhin noch in der oberen Hälfte liegt. Was die kleinen Schädel (Caroline und Genossen) angeht, so sieht man aus deren Lage, daß stärkere Verkürzungsgrade bei ihnen nicht vorliegen, solche müßten sie, durch die Kleinheit verstärkt, ganz an das Ende der Reihe verweisen. Die größten Werte liegen um über 100 % höher als die kleinsten, die Gesichtsschädellänge variiert mithin weit stärker als die Basilarlänge. 6.) H i r n s c h ä d e l l ä n g e . — Meßpunkte: vom hintersten Punkt des Hirnschädels oben (crista occipitalis) bis zur Verbindungslinie zwischen den Spitzen der Supraorbitalfortsätze. Diese Meßpunkte sind also mitbedingt durch die „Aufbauten" des Schädels, somit kein reiner Ausdruck etwa der Hirnlänge und damit des „Stauchungsgrades" des Hirns. Ein an sich wünschenswertes Maß hierfür könnte nur an Sagittalschnitten des Schädels gewonnen werden. Bei den kleinsten Schädeln (auch Rosine und Pedro), an denen die Aufbauten infolge der geringeren Gesamtgröße schwächer entwickelt sind, kommt die Hirnlänge ungetrübter zum Ausdruck. Daher liegen diese jetzt eindeutig am Schluß. Wenn der an sich größere Schädel von Rumba mit als letzter erscheint, so bedeutet dies, daß er wie oben (p. 44) gesagt tatsächlich den kürzesten Hirnatschnitt besitzt. Die größten Schädel (vgl. auch die hier hohe Lage von Rabbi) müssen am Anfang erscheinen, eben wegen der stärkeren Entwicklung ihrer Aufbauten. Denn die Crista ist bei ihnen verstärkt und die Supraorbitalfortsätze weiter vorgeschoben infolge der stärkeren Temporalmuskeln bei gleichzeitigem relativem Zurückbleiben der Hirngröße. Ebenso müssen bei den Bu. die Aufbauten infolge der so stark entwickelten Kaumuskulatur bei gleichzeitiger Ansatzbeschränkung des durch Verkürzung rundlicher werdenden Hirnschädels, den Abstand der Meßpunkte vergrößern. So liegen ihre Werte auf gleicher Höhe mit den Wh.! Woraus am deutlichsten hervorgeht, daß die Hirnschädellänge, wie sie hier genommen werden mußte, über Wuchsformverschiedenheiten nur begrenzte Aussagen gestattet. Die höchsten Werte liegen, ähnlich der Basilarlänge, um etwa 40 % höher als die kleinsten. Ein Vergleich dieser 3 wichtigsten Längenmaße mit den auf ihnen basierenden Indexwerten (p. 53) zeigt ohne weiteres die Überlegenheit der Indexbetrachtung. Folgende Längenmaße geben ergänzende Auskunft: 7.) G a u m e n l ä n g e . — Meßpunkte: Von der Incisur am hinteren Gaumenrand bis zum Vorderrand der Schneidezahnalveolen. Die Anordnung entspricht fast genau der bei der Gesichtsschädellänge, doch liegt die Variationsbreite niedriger, bei etwa 60 %. 8.) N a s e n l ä n g e . — Meßpunkte: Vom vordersten Punkte des Orbitarandes bis zur Spitze der Nasalia. •— Von diesem Maß, das natürlich kleiner ist als die Gesichtsschädellänge, gilt das gleiche wie von dieser und der Gaumenlänge bezüglich Anordnung der Einzelwerte, doch ist die Variationsbreite wesentlich höher, fast 115 %.

B. KLATT

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10. Größte Breite

8. Nasenlänge Adam - Asta Mikosch- Pluto Pascha Bill - Cäsar Bima - P o 11 u x Bella P u p p e - P e d r o - Cello Rex 3,7 Bussy 3,6 Cäcilie - Cyon 3,5 Czar

4,5 4,4 4,3 4,1 4 3,9 3,8

Cecil Regine Czardas - Carlchen Caroline - Cilli Cyclop - Rumba 3 2,9 Dolly - Rabbi 2,8 Robert 2,7 Rosine 2,6 Chico 2,5 Cora 2,3 Freia (?) - Bu. 1928 2,2 Rollo 2,1 Ratze 3,4 3,2 3,1

11,5 Rex 10,4 Rabbi 10 Freia - Bu. 1928 9,8 Bill - Bima 9,7 Bella 9,5 Czardas - Regine 9,3 Rollo 9,2 Bussy - Cello 9,1 P a s c h a - Cyclop - Ratze 9 Cäsar - Czar - Cilli Robert 8,9 Cecil - Carlchen - Rumba 8,8 Cäcilie - Rosine 8.7 P o l l u x - Dolly 8.6 Adam-Pluto 8.5 M i k o s c h 8.4 Cyon - Caroline 8.3 Cora - Chico 8,2 A s t a 8,1 P u p p e 8 Pedro 11. Hintere Hirnschädelbreite

9. Hintere Oberkieferlänge 1,7 1,6 1,5 1,4 1,3 1,2 1,1 1 0,9 0,8 0,7

Adam Asta - Mikosch Pascha Pluto Bill Bima - Bella - Bussy P o 11 u x - Cäcilie - Rex P e d r o - Cello - Cäsar Rabbi - Rumba P u p p e - Czar - Cyon Regine Czardas - Cecil - Carlchen Caroline - Cora - Cilli Dolly - Robert - Rosine Rollo - Bu. 1928 Cyclop - Chico - Ratze Freia

5.8

Freia - Rex

5.7

Bella

5.6

P a s c h a - Chico - Rollo

5.5

Bima - Bussy Cello - Cecil - Rabbi

5.4

Bill - Cardas - Carlchen Cilli - Cora - Regine - Robert

5,3

P o l l u x - Czar - Cäcilie Dolly - Rumba - Bu. 1928

5,2

Asta-Mikosch-Pluto Cäsar - Cyon

5,1

A d a m - P e d r o - Caroline

5

Puppe-

Cyclop - Rosine Ratze

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

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9.) H i n t e r e O b e r i i e f e r l ä n g e . — Meßpunkte: Vom vordersten Punkte des Orbitarandes bis zum Foramen infraorbitale. Dieses Maß (die Bezeichnung ist nicht sehr glücklich) gibt vielleicht am eindrucksvollsten den Grad der Verkürzung des Gesichtsschädels wieder. Auch hier entspricht die Anordnung gut der bei den übrigen Gesichtsschädelmaßen zugleich erreicht die Variationsbreite den höchsten Wert, über 140 %. Die Gegend, um die es sich handelt, ist ja eine besonders kritische. Die hypothetische Stauchung muß sich hier am stärksten auswirken. Die Veränderung des Processus maxillaris des Jochbeins (s. o. p. 26), der bei Bu. fast verschwinden kann (Abb. 11), die „Quetschfalte" am Abgang der Jugale bei manchen Bu.-schädeln (1948 p. 201) sind weitere Stauchungszeichen gerade in dieser Gegend. Seit langem bekannt ist die symptomatische Bedeutung auch des hier gelegenen Tränenbeins in der Säugetiercraniologie, die zuerst bei den entsprechenden verschiedenen Wuchsformtypen des Schweins von H. v. N a t h u s i u s erkannt wurde. 10.) G r ö ß t e B r e i t e . — Meßpunkte: die einander gegenüber liegenden am weitesten vorspringenden Punkte beider Jochbogen. Die größten und die stärkstverkürzten und zugleich verbreiterten Schädel liegen naturgemäß am Anfang, die kleinsten und unter ihnen die schlankwüchsigsten am Ende der Reihe. Variationsbreite wie bei der Basilarlänge und der Hirnschädellänge etwa 40 %. 11.) H i n t e r e H i r n s c h ä d e l b r e i t e . — Meßpunkte: die einander gegenüberliegenden am meisten vorspringenden Punkte des Hirnschädels etwa über dem hinteren Jochbogenabgang. Es ist das am wenigsten variierende Maß, die höchsten Werte nur um etwa 16 % höher als die niedrigsten. Aus der Erörterung über den Hirnschädelindex geht schon hervor, daß eine klare Anordnung in Beziehung zu Größe und Wuchsform des Schädels nicht zu erwarten ist. Eigentendenzen der Hirnform spielen hier sicher eine Rolle mit, die Hirngröße weniger, wie z. B. das weite Auseinanderliegen der beiden gleich großen und gleiches Hirngewicht aufweisenden P-tiere Pluto und Pascha zeigt, ebenso die auf gleicher Höhe liegenden aber mit einem sehr verschieden großen Hirn versehenen beiden reinen Wh. Asta und Mikosch. (Über die Hirngrößen vgl. p. 85.) 12.) V o r d e r e H i r n s c h ä d e l b r e i t e . — Meßpunkte: die vor der Kranznaht gelegenen Punkte am Hirnschädel, wo dessen Kontur, von oben gesehen, ± plötzlich zur Schläfenenge (Maß 13-) einbiegt (nicht bei allen Schädeln deutlich). Das Maß variiert doppelt so stark wie 11, nämlich um über 30 %. Es wird beeinflußt abgesehen von Eigentendenzen der Hirnform, dagegen kaum der Hirngröße, von der Gesamtgröße und der Wuchsform, wobei in beiden Fällen die Kaumuskelgröße eine Rolle spielt. Denn je stärker diese entwickelt sind — und beide Grundfaktoren bedingen ja in dieser Hinsicht Verschiedenheiten (s. o. p. 33 u. p. 32) — um so stärker ist während der Entwicklung des Schädels deren einengende Wirkung zu beobachten (KLATT 1913 über die Versuche von ANTHONY und v. HANSEMANN). Die größere Streckung des Hirns bei größeren Tieren hängt hiermit ja zusammen, ebenso wie auf der anderen Seite die mehr kugelige, da vom einengenden Muskeldruck befreite, Form bei den Zwergen. So wird es auch verständlich, daß hier die Schädel der kleinsten Tiere (selbst Caroline mit sehr kleinem Hirn) höher liegen als

60

B. KLATT

viele größere Schädel. Daß die Bu. am Anfang, die Wh. im allgemeinen am Schluß liegen, zeigt, daß die Wuchsform bei diesem Maß aber doch eine wichtigere Rolle spielt als bei der hinteren Hirnschädelbreite, ihre Wirkung jedoch durch andere Faktoren aufgehoben werden kann (z. B. Cäsar und Cyclop, die bezüglich Wuchsform gegensätzlichsten C-tiere mit zugleich wenig verschiedener Hirngröße auf gleicher Höhe liegend). 14. Stirnbreite

12. Vordere Hirnschädelbreite 5,2 5,1 5 4,8 4,7

Freia Rex Bella Bu. 1928 Bima - Bill - Bussy Czar - Cecil - Cilli - Chico Rabbi - Rollo - Rumba

4,6 4.5

Czardas - Robert P a s c h a - Cello - Cora Caroline - Rosine - Ratze 2.8 Cäsar 4.4 P l u t o - Cäsar - Cyclop Dolly - Regine 4,3 A d a m - A s t a - M i k o s c h P u p p e - Cäcilie - Carlchen 4,2 P o 11 u x - Cyon 4 Pedro 13. Schläfenenge 4.6 Freia 4,2 Bu. 1928 - Chico 4,1 Bussy 4 Rex - Ratze 3.9 Bella - Cora - Robert - Rumba 3,8 Czardas - Cyclop 3.7 Cilli - Rollo 3,6 P u p p e - Dolly 3.5 A d a m - A s t a - Bill Bima - P l u t o - Caroline 3,4

Czar - Cecil Rosine 3,3 P a s c h a - Cyon Rabbi - Regine 3,2 M i k o s c h - P o l l u x P e d r o - Cäcilie 3 Carlchen 2,8 Cäsar

5.7 5,2 4,9 4.8 4,7 4,6 4,5 4,4 4,3 4,2 4.1 3,9 3,8 3,7 2.6

Rex Freia - Bussy Bu. 1928 - Bella Bill Bima - Czardas Cora - Robert - Ratze P l u t o - Czar - Cecil Cyclop - Rollo A s t a - P a s c h a - Chico Dolly - Rabbi P u p p e - Cello Regine - Rumba Cyon Adam-Mikosch Cäcilie Cilli - Rosine Pollux - Pedro Caroline Carlchen Cäsar 15. Augenenge

3.7 3,5 3,5 3.2 3

Freia - Rex Bu. 1928 Bussy - Cyclop Bima - Bella - Rumba A s t a - Bill - P l u t o P u p p e - Czar - Czardas Rabbi - Regine - Robert Rollo - Ratze

2,9 2,8 2,7 2,6

Cello - Cyon - Cora P a s c h a - Cecil P o 11 u x - Chico - Rosine Adam-Mikosch Cäcilie, Caroline Cilli, Dolly P e d r o - Cäsar Carlchen

2,5 2,4

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

61

13) S c h l ä f e n e n g e . — Meßpunkte: die einander am stärksten genäherten P u n k t e der Hirnschädelkontur von oben gesehen in der Einengung hinter den Supraorbitalfortsätzen. Diese Einengung ist im wesentlichen ebenso zu beurteilen (Kaumuskelwirkung) w i e bei Maß 12. Die kleinsten Schädel liegen daher alle in der oberen H ä l f t e der Reihe, Chico sogar mit den beiden Bu. am Anfang! Die äußerliche Ähnlichkeit des Bu. und des Zwergenschädels (s. o. p. 29) kommt hierin klar zum Ausdruck. Im übrigen spielen bei diesem Maß schon mithinein Eigentendenzen der Stirngegend als einer relativ selbständigen 3. Region des Schädels (s. o. 25), über welche die folgenden Maße unterrichten. Die Variationsbreite liegt, daher fast doppelt so hoch als bei der unmittelbar dahinter gelegenen vorderen Hirnschädelbreite, nämlich über 60 °/o. 14.) S t i r n b r e i t e . — Meßpunkte: die einander gegenüberliegenden am weitesten voneinander e n t f e r n t e n P u n k t e der Supraorbitalfortsätze. Die Variationsbreite n ä h e r t sich mit maximal 58 °/o dem Wert von Maß 13. Diese Gegend der Stirnhöhlen hat den Charakter einer Übergangsregion, einer A r t „Brücke" zwischen H i r n - und Gesichtsschädel, jedoch erst von einer gewissen Größe an (s. o. p. 24). Die kleinsten hier vorliegenden Schädel sind bereits zu groß, u m als echte Zwerge betrachtet zu werden, daher ist die Region auch bei ihnen schon in der Ausbildung. Daß f ü r eine ..Brücke" die Breite der beiden Ansatzflächen — vordere Breitenentwicklung des Hirnschädels, hintere Breitenentwicklung des Gesichtsschädels — ursprünglich bestimmend sind, liegt nahe. Der Vergleich von Schädeln gleichen Typs zeigt, daß in manchen Fällen der vordere, in anderen der hintere „Brückenpfeiler" ausschlaggebend sein kann. So ergibt der Vergleich des Wh. Asta mit den beiden anderen Wh. (Mikosch und Adam), daß alle 3 in der vorderen Hirnschädelbreite gleiche Werte haben (in der Schläfenenge ist Mikosch geringer), in der Stirnbreite u n d der gleich zu erörtenden Augenenge (als Maß des Gesichtsschädels) liegt Asta hoch, die beiden anderen bleiben zusammen auf niedrigerer Werthöhe. Hier ist eine vom Gesichtsschädel ausgehende Breitenentwicklung ausschlaggebend. Andererseits zeigt Dolly eine Übereinstimmung in der hohen Lage der Schläfenenge und der Stirnbreite, w ä h r e n d in der Augenenge der Wert absinkt — gemessen an den anderen Schädeln. Da die Entwicklung der Stirnhöhlen, denen die Supraorbitalfortsätze aufsitzen, f ü r die Stirnbreite von Bedeutung ist, spielen Eigentendenzen in deren Ausbildung f ü r die Stirnregion eine bedeutsame Rolle. Bei Bu. sind diese Hohlräume geringer entwickelt, zuweilen fast völlig durch Knochen ausgefüllt. Auch sind sie durch die Stauchung h ä u f i g auseinander u n d m e h r in Querstellung gedrängt (1943 p. 298). Auf die s t a r k e Entwicklung der Stirnhöhlen bei den P-schädeln im vorliegenden Material ist oben (p. 37) hingewiesen. 15.) A u g e n e n g e . — Meßpunkte: Die einander am stärksten genäherten P u n k t e des inneren Orbitarandes. Hier handelt es sich schon u m ein reines Gesichtsschädelmaß. Es ist v e r ständlich, daß demgemäß die kleinen Schädel (Caroline und Genossen) hier in der u n t e r e n H ä l f t e erscheinen, w ä h r e n d bei der Stirnbreite die Mehrzahl von ihnen noch in der oberen Hälfte sich findet. Bemerkenswert ist die Lage von R u m b a (i. G. zur Stirnbreite), die wohl mit der „Aufblähung" des Gesichtsschädels im Zusammenhang steht. Es scheint, als ob die Gegend des hinteren Gesichtsschädels oben, die dieses Maß betrifft, relativ unabhängig variiert von

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B. KLATT

der Breite unten. Diese Variabilität des hinteren Gesichtsschädeldaches scheint bald mehr bald weniger auch auf die dahintergelegene Stirnbreite überzugreifen. Die Variationsbreite entspricht etwa der der Stirnbreite. 16.) H i n t e r e G e s i c h t s s c h ä d e l b r e i t e . — Meßpunkte: Jederseits der am stärksten vorspringende Punkt des Alveolarrandes an der vorderen Wurzel des Reißzahns. 16. Hintere Gesichtsschädelbreite 6,6 Rex 5,9 Freia 5.8 Rabbi 5,5 Bima - Bill 5,4 Bu. 1928 - Bella - Regine 5,2 Bussy - Czardas - Rollo 5,1 Robert - Ratze 5 Cyclop - Rumba 4.9 Cilli 4,8 Cello - Cäsar - Czar Carlchen - Rosine 4,7 4,6 4,5 4,4 4,2 4

Cecil - Cäcilie - Cyon M i k o s c h - P o l l u x - Cora Adam-Pluto-Pascha Caroline - Chico - Dolly Puppe As t a Pedro

18. 2.8 2,6 2.5 2.4 2,3 2.2

Vordere Gesichtsschädelhöhe Bu. 1928 Rex Czar Bima - Bussy Cyclop, Freia (?) Bill, Cello, Cäcilie, Czardas, Robert, Rabbi 2.1 A s t a , M i k o s c h , Bella, P a s c h a , Cäsar, Cyon (?), Regine, Rumba, Ratze 2

Pluto, Pollux, Puppe, Carlchen Cilli, Cora, Dolly, Rollo 1.9 A d a m , P e d r o , Cecil, Rosine 1.8 Caroline, Chico

Vordere Gesichtsschädelbreite Freia (?) Rex Bu. 1928 - Ratze Cyclop - Rabbi Bima - Czardas Rumba - Robert 3.3 Bill - Regine 3,2 Bella - Rollo 3,1 Bussy - Rosine 3 Cello - Czar - Cäcilie Carlchen

19. 5.3 4.6 4.5 4.4 4.3 4.2 4,1

2,9 2,8

3.9 P 1 u t o , P o 11 u x , Rollo 3,8 M i k o s c h , Cecil, Cyon, Carlchen, Rosine 3.7 A d a m , A s t a , P u p p e , Cilli, Cora 3.4 P e d r o , Chico 3.3 Caroline

17. 4.2 3,9 3,7 3,5 3,4

2,7 2,6

Chico Pluto-Pascha-Pollux P u p p e - Cäsar (?) - Cecil (?) Cyon (?), Cilli, Cora Dolly Caroline Adam-Asta-Mikosch Pedro

4

Hintere Gesichtsschädelhöhe Rex Freia, Bu. 1928 Bima, Rabbi Bill Bella, Bussy Czardas, Regine, Rumba Cello, Czar, Cäcilie, Robert, Ratze P a s c h a , Cäsar, Cyclop, Dolly

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Zusammen mit dem folgenden Maß 17 die wichtigsten Angaben über die Verbreiterung des Gesichtsschädels liefernd. Auf dem Durchschnittswert beider Maße basiert der Gesichtsschädelindex (p. 52). Der Vergleich mit der Augenenge gleicher Schädel belegt die relative Unabhängigkeit des Variierens der Breite des Gesichtsschädels oben und unten (vgl. bei 15). So liegt Asta hier am Schluß der Reihe, auch unterhalb Mikosch und Adam, während auf ihre auffallende Breite in der Stimgegend schon mehrfach hingewiesen wurde. Rabbi bildet ein Gegenstück zu ihr: mittlere Lage in 14 und 15 (obwohl er als zweitgrößter Schädel mit noch dazu stärkerem Bu.-einschlag als R-tier am Anfang liegen sollte!) also ungewöhnlich schmal oben, hier dagegen — untere Gesichtsschädelpartie — mit am Anfang der Reihe! die Variationsbreite liegt mit über 60 % höher als bei den zuletzt besprochenen Maßen. 17.) V o r d e r e G e s i c h t s s c h ä d e l b r e i t e . — Meßpunkte: die am stärksten vorspringenden Punkte des Alveolarrandes an den Wurzeln der Eckzähne; vgl- die Bemerkungen zu Maß 16. Der Grad der Wuchsformabänderung tritt hier noch klarer in Erscheinung als bei Maß 16. Die reinrassigen also den stärksten Kontrast zeigenden Schädel der Bu. und Wh. liegen hier klar am Anfang bzw. Ende der Reihe, was bei Maß 16 nicht der Fall ist. Damit ist zugleich gesagt, daß eine völlig gleichlaufende Variabilität der Breite vorn und hinten am Gesichtsschädel gleichfalls nicht zu bestehen braucht. Die Variationsbreite beträgt etwa 60 %. H ö h e n messungen sind von mir im Zuge der Untersuchungen zwar vorgenommen worden f ü r den genaueren Vergleich der einzelnen Schädel, aber bei der geringeren Exaktheit der Meßpunkte, die sich viel weniger scharf erfassen lassen als z. B. bei den Breitenmaßen, nehme ich Abstand von ihrer Veröffentlichung, zumal die Profilzeichnungen Möglichkeiten des Vergleichs sehr viel besser gestatten. Nur f ü r die folgenden beiden Maße werden die Zahlenwerte mitgeteilt. 18.) V o r d e r e G e s i c h t s s c h ä d e l h ö h e . — Meßpunkte: Der Alveolarrand zwischen Eckzahn und 1. Prämoiar und höchster Punkt der Nasalia senkrecht darüber. Dieser Wert kann ziemlich exakt genommen werden, wenn man die Schnäbel der Schublehre von der Seite her an den genannten Punkten über den Gesichtsschädel schiebt. — Wie bei der Breitenentwicklung liefern auch hinsichtlich der Höhenentwicklung die vordersten Partien des Gesichtsschädels wohl die klarsten Ergebnisse. Man ersieht aus der Anordnung aber, daß bezüglich der Höhe die reinrassigen Tiere sich nicht so gleichartig verhalten, wie hinsichtlich der Breite: sowohl die beiden Bu. wie die 3 Wh. liegen nicht gruppenweise zusammen sondern individuell verschieden. Die auffallende Höhe des Gesichtsschädels von Czar, auf die oben (p. 45) hingewiesen wurde, springt in die Augen. Bemerkenswert — f ü r ein R-tier — ist die niedrige Lage von Rosine. Auf den besonders niedrigen Gesichtsschädel von Cecil wurde oben (p. 48) schon hingewiesen. Die Variationsbreite liegt bei 55 °/o. 19.) H i n t e r e G e s i c h t s s c h ä d e l h ö h e . — Meßpunkte: der Alveolarrand an der hinteren Wurzel des Reißzahns und der Punkt, wo der aufsteigende Orbitarand ziemlich plötzlich nach außen-oben seitlich umbiegt. Der Wert ist nicht so exakt zu nehmen wie der Wert 18. — Die Schädel der beiden reinrassigen Typen liegen hier nicht individuell verschieden wie beim vorhergehenden Maß, die beiden Bu. mit gleichem — hohem — Wert am Anfang der s

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B. KLATT

Reihe, die drei Wh. geschlossen dicht unter dem Mittelwert, dementsprechend auch die R-tiere fast sämtlich oberhalb des Durchschnitts, die P - t i e r e tiefer, um oder unter dem Durchschnitt. Der im vorderen Gesichtsschädelabschnitt einen so ungewöhnlich hohen Wert aufweisende Schädel von Czar zeigt hinten dies Verhalten nicht, sein W e r t liegt hier wenig ü b e r dem Durchschnitt. — Die Variationsbreite liegt mit 60 °/o wenig höher als f ü r Maß 18. Aus dem Vergleich beider Höhenmaße ergibt sich also, daß der Gesichtsschädel in seinem vorderen Abschnitt weit m e h r individuellen Variationen u n t e r w o r f e n ist als im hinteren, wo die Werte sich leidlich gesetzmäßig g r u p pieren, die Schädel mit s t ä r k e r e m Bu-einschlag sowie die größeren m e h r oben, die m e h r Wh.-ähnlichen weiter unten, die kleinsten am Schluß. Wenn m a n I n d e x w e r t e zwischen beiden Maßen bildet (hier nicht mitgeteilt), ergibt sich somit ein buntes Durcheinander, in der Hauptsache bedingt durch die ungeordnete Variabilität des vorderen Abschnitts (vgl. hierzu auch w. u. p. 77). Daß die reiben Bu.-schädel hinten stets höher sind als die Wh.-schädel w i r d verständlich aus der oben bei der allgemeinen E r ö r t e r u n g des Wuchsformeinflusses (p. 28) schon mitgeteilten Tatsache, daß bei Bu. der Gehirnschädel über den Gesichtsschädel nach vorn geschoben ist. b. Morphologische Einzelzüge. Daß durch noch so viele Messungen der unmittelbare Eindruck des Bildes nicht ersetzt w e r d e n kann, ist oben (p. 18) schon betont worden. Derartige „Geprägemerkmale" in tabellarischer Form wiederzugeben ist schwierig, soll aber hier versucht werden, da gerade sie es sind, die u n s bildmäßig häufig besonders beeindrucken. N u r einige besonders auffallende können aber hier E r ö r t e r u n g finden. Auch in diesen Aufstellungen w i r d nach dem gleichen Prinzip verfahren, wie bei den Maßwerten, so daß aus ihnen ohne weiteres klar wird, wie „bunt" sich auch diese Merkmale verteilen. Daß scharfe Einschnitte zwischen den einzelnen Stufengruppen, in die das Gesamtmaterial jeweils unterteilt wird, noch weniger deutlich sich ergeben w e r d e n als bei den Zahlenwerten der Messungen, ist von vornherein zu erwarten. Wie bei der Aufstellung der Schädel „nach dem Größeneindruck" (s. o. p. 52) ist es so, daß man deutliche Unterschiede meist erst findet, w e n n m a n z. B. die letzten Schädel einer Stufengruppe vergleicht mit den ersten der gleichen S t u f e oder den letzten der folgenden. Viele Schädel der mittleren Stufengruppen zeigen mehr oder minder einen gleichen Ausbildungsgrad des betreffenden Merkmals, so daß die Reihenfolge hier nicht ein Werturteil zu bedeuten braucht. Es sind hier, was die reinrassigen Vertreter angeht, im Gegensatz zu den Maßtabellen noch zwei weitere Wh. mit aufgenommen worden (Wh. 42 706 und Wh. 9 41). 1. A u s b i l d u n g d e r H i n t e r h a u p t s g e g e n d . — Wie f r ü h e r (1943) betont, besteht ein typischer Unterschied zwischen reinrassigen Wh. und Bu., indem der Bu.-schädel eine beträchtiche Unterentwicklung der Gelenkhöcker aufweist, w ä h r e n d die Condylen und die P a r t i e zwischen ihnen beim Wh.schädel absolut s t ä r k e r entwickelt sind, was einen bei dem an sich ja zierlicheren Wh.-schädel sehr ins Auge fallenden Charakterzug bildet.

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Ü b e r s i c h t I (Condylus occipitalis) I. P a s c h a , Rex, P l u t o , A s t a , P o l l u x . II. W h . 4 2 7 0 6 , A d a m , Cello, Cecil, W h . 5 4 1, Bussy, Rabbi, Bima, Bill, M i k o s c h, Cäsar, Cäcilie, Bella, P e d r o , Dolly. III. Chico, Czardas, P u p p e , Carlchen, Cyon, Cyclop. IV. Regine, Rumba, Freia, Bu. 28, Robert, Rollo, Ratze, Cilli, Rosine, Caroline. V. Cora. Zwischen I und II bestehen ebenso wie zwischen II und III und IV und V ziemlich deutliche Unterschiede. Im allgemeinen finden sich die Wh. und stark Wh.-ähnliche P-tiere am Anfang, die R-tiere am Schluß, wie nach dem oben gesagten zu erwarten. Aber es gibt auch Ausnahmen — einerseits Puppe in III, Rabbi und Rex in II und I, was durch die absolute Größe dieser zwei R-tiere bedingt sein dürfte. Daß andererseits einige der kleinsten Formen (Dolly, Chico) so hoch liegen (II und III) zeigt, daß die Größe allein nicht ausschlaggebend ist, sondern daß mit der verschiedenen Wuchsform im Zusammenhang stehende Einflüs,se sich gelegentlich durchsetzen können. 2. U n t e r k i e f e r g e l e n k . — Hier findet sich am Oberschädel bei Wh. ein den Gelenkhöcker des Unterkiefers weit umgreifender Processus postglenoidalis, bei Bu. ist dieser nur schwach angedeutet, es besteht eine fast flache Gelenkpfanne. Ü b e r s i c h t I I (Processus postglenoidalis). I. P o l l u x , P a s c h a , Ratze, W h . 4 2 7 0 6 , Carlchen, A d a m , Bill, A s t a , P u p p e , M i k o s c h , W h . 2 4 1, P l u t o . II- Rex, Cecil, Bussy, Robert, Bella, Cäcilie, Cyclop, Bima. III. Czar, Cäsar, Cyon, Rosine, Cilli, Czardas, P e d r o , Cora, Rabbi, Dolly. IV. Freia, Chico, Rollo, Bu. 28, Regine, Cello, Rumba, Caroline. Die Unterschiede zwischen den vier Stufen sind hier fließend, die Größenunterschiede der Tiere machen sich nicht so bemerkbar, wie bei den Condylen (Rex als größtes Tier in II); besonders bemerkenswert ist Ratze, das Bu.-ähnlichste und zugleich kleinste R-tier als dritter in der Stufe I, ein deutliches Zeichen des Wh.-einschlages; andererseits Cello, größtes der C-tiere und unter diesen zu der noch Wh.-ähnlichsten Gruppe gehörig, als drittletztes Tier in Gruppe IV, noch hinter den reinrassigen Bu! 3. J o c h b e i n a n s a t z . — Der Ansatz des Jochbogens am Gesichtsschädel, insbesondere die Gestaltung des vor der Orbita gelegenen Ramus frontalis des Jugale (s. p. 26), ist bei reinen Wh. und Bu. auffallend verschieden. Dies ist nicht verwunderlich, da er in einer äußerst „kritischen" Gegend des Schädels liegt, an der Grenze von Hirn- und Gesichtsschädel, wo die „Stauchung" des letzteren gleichsam aufgefangen wird von dem ersteren. Daher haben hier liegende Knochen — z. B. das Lacrymale am Huftierschädel (s. p. 59) seit jeher — besondere Beachtung gefunden. Bei Hundeschädeln mit normal entwickeltem Gesichtsteil verläuft die Naht des Ramus frontalis mit dem Maxillare im großen und ganzen parallel mit dem vorderen Orbitarand in einem gewissen Abstand von ihm. In der Mitte ihres Verlaufs springt sie gewöhnlich ausgebogen etwas vor, rückwärts biegend trifft sie die Mitte des Orbitarandes. Bei reinen 5*

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B. KLATT

Bu.-schädeln ist der Ramus außerordentlich schmal, so daß die genannte Naht fast senkrecht von unten her aufsteigend den vorderen Orbitarand trifft, der gleichsam ihre Verlängerung bildet. Also: Breite des Ramus frontalis, Verlauf der Naht u n d A r t ihres A u f t r e f f e n s auf den Orbitarand bilden gemeinsam das Merkmal, über dessen Variabilität die folgende Übersicht A u s k u n f t geben soll. Ü b e r s i c h t I I I (Ramus frontalis des Jugale). I. II. III. IV. V-

A d a m , P a s c h a , W h . 4 2 7 0 6 , M i k o s c h , P l u t o , Rumba. Czar, Bussy, Bella, Bima, Bill. Rex, Cello, P o l l u x , P u p p e , Cyon, Cäsar, Cäcilie, Cilli, Regine, Cora. Rabbi, P e d r o , Czardas, Caroline, Carlchen, Cecil, Rosine, Bu. 28. Rollo, Cyclop, Dolly, Chico, Robert, Ratze, Freia.

Die Schädel von A s t a u n d Wh. 9 4 1 fehlen in der Übersicht, da bei ihnen die Naht völlig verstrichen ist. Die Gruppen sind leidlich gut zu trennen: I zeigt die größte Breite des Ramus und gewellten Verlauf der Naht (mit Ausnahme von Rumba). II u n d III, die gleitend ineinander übergehen, zeigen geringere Breite u n d die Naht wenig gewellt. In IV ist der Ramus i m m e r h i n noch eine sehr schmale Spange, w ä h r e n d in V das oben f ü r die meisten reinen Bu.-schädel angegebene Verhalten vorliegt. Die bemerkenswertesten Ausnahmen von der auf G r u n d der vorherrschenden Wuchsform zu e r w a r t e n d e n Ausbildung zeigen Rumba und andererseits Pedro. Aus dem gleichen Grunde, der hier f ü r die verschiedene Ausbildung des Ramus frontalis bei Bu. angenommen ist („Stauchung" bzw. V e r k ü r z u n g des Gesichtsschädels), erscheint auch ein anderes Merkmal in dieser Gegend variabel, das sehr in die Augen fällt u n d messend e r f a ß b a r ist. Es ist dies der Abstand des Foramen infraorbitale vom Orbitarand, der hier (s. o. p. 59) erfaßt wird durch Maß 9 („hintere Oberkieferlänge"). Trotz ziemlicher Übereinstimmung der Lage der verschiedenen Schädel in Übersicht III u n d bei Maß 9 Lm allgemeinen zeigen sich doch auch bemerkenswerte Ausnahmen, so z. B. die eben bei Übersicht III besonders hervorgehobenen Schädel von R u m b a und Pedro, die hier bei der Anordnung nach Maß 9 so liegen, wie es i h r e m allgemeinen Habitus nach zu e r w a r t e n ist- Es scheinen also doch selbständige Wachstumstendenzen der einzelnen Knochen, hier des Jugale einerseits, des Maxillare andererseits sich durchsetzen zu können gegenüber der v o r h e r r schenden Gesamtwachstumstendenz, oder auch anders h e r u m betrachtet, diese k a n n trotz verschiedener Tendenzen der Einzelknochen in Erscheinung treten. 4. G a u m e n b i l d u n g . — Hier kommt bei Gegenüberstellung von Wh. und Bu. zunächst in Frage die Lage der Incisura sphenoidalis (d. i. der Naht zwischen Keilbein und Pilugscharbein an der Schädelbasis) in ihrer Beziehung zum H i n t e r r a n d des Gaumens. Wenn m a n das Bild der „Stauchung" beibehält, wird es verständlich, daß bei Bu. der G a u m e n gleichfalls nach hinten verschoben wird, er „gleitet" gewissermaßen unter der Schädelbasis weiter nach hinten (s. p. 28), so daß die genannte Incisur von ihm verdeckt wird, in die Nasenhöhle des Schädels zu liegen kommt. Sie ist also bei Betrachtung des Schädels von unten nicht sichtbar. Bei Wh. liegt sie frei sichtbar ein Stück hinter dem Gaumenrand.

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Ü b e r s i c h t I V (Incisura sphenoidalis) W h . 4 2 7 0 6 , A s t a , W h . ? 4 1 , M i k o s c h , A d a m , P e d r o (?) P a s c h a , P l u t o , Bella, Rosine. P o l l u x , P u p p e , Bill, Carlchen, Cäsar, Rex, Bima, Czar, Rabbi. Rollo, Regine, Czardas, Freia, Bu. 28, Cecil. Bussy, Cello, Cäcilie, Robert, Caroline, Cyclop, Rumba. Dolly, Chico, Cyon, Cilli, Ratze. Die Übergänge sind gleitend. In III liegt die Incisur genau unter der Gaumenkante. Bemerkenswert ist die Lage bei den dem Wh.-typ noch mit am ähnlichsten kommenden C-tieren Cecil, Cello und Cäcilie, sowie daß überhaupt eine ganze Anzahl der Kreuzungstiere die beiden Bu. noch übertreffen. Daß die kleinsten Tiere (Schädel von Cora in dieser Gegend beschädigt und nicht genau feststellbar) zu den letzten gehören, dürfte eben durch ihre geringe Größe bedingt sein. Denn auch in dieser Hinsicht finden sich Ähnlichkeiten zwischen Zwergen- und Bu.-schädel (s. o. p. 29). Ein anderes Gaumenmerkmal betrifft die Lagebeziehung des Gaumenhinterrandes zu den letzten Backzähnen. Eine durch deren Hinterkanten gezogene Linie liegt bei Bu. vor der Gaumenhinterkante, bei Wh. hinter dieser (s. p. 28). I. II. III. IV. V. VI.

Ü b e r s i c h t V (Molarenlinie). I. W h . 4 2 7 0 6 , A s t a , W h . ? 4 1 , M i k o s c h , A d a m , Czar, Rosine, C-arlchen. II. P e d r o , P a s c h a , P l u t o , P o l l u x , Bella, Caroline, Rumba, Cäcilie, Cecil, Cyon, Cello, Cäsar, Cilli, Bussy, Bill, Cora (?), Bima, P u p p e . III. Bu 28, Regine, Rollo, Freia. IV. Ratze, Czardas, Robert, Rex, Cyclop. V. Rabbi, Dolly, Chico. Die Übergänge sind gleitend. In II geht die „Molarenlinie" genau durch die am weitesten nach vorn vorspringenden Punkte der beiden Ausschnitte des Gaumenhinterrandes. Auch diese Lagebezeichnung wird durch die absolute Größe der Tiere variiert, doch verhalten sich hier die Schädel gerade der großen Rassen dem Bu. ähnlich. Bemerkenswert ist es, daß die bei Bu. stets vorhandenen „ S t a u c h u n g s w e l l e n " des Gaumens (s. p. 28), quer verlaufende Erhabenheiten im Bereich des vorderen Gaumenabschnitts (im Bereich des Maxillare), unter den Kreuzungstieren sich nur in einem Falle, bezeichnenderweise bei dem am stärksten Bu.-ähnlichen Tier, Ratze, finden. 5. S t i r n g e g e n d - — Das Gesamtbild dieser Übergangsregion zwischen Hirn- und Gesichtsschädel ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Die Breite (schon erörtert, vgl. Maß 14), der vordere Verlauf der Temporallinien, Richtung und Form der Supraorbitalfortsätze (Processus zygomatici), vor allem aber die Art der Wölbung der Stirnfläche zwischen diesen Fortsätzen, ob plan, ob in der Mitte eingesenkt (Fossa frontalis) spielen hier in wechselnder Weise zusammen. Inwieweit die Knochendicke einerseits, die — sicher eine wichtige Rolle spielende — Entwicklung der Stirnhöhlen im Einzelfall von größerer Bedeutung sind, ließe sich nur durch Querschnittsuntersuchung ermitteln.

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B. K L A T T

Bei echten Zwergen ist die Stirngegend in ihrer anatomischen Bedingtheit anders zu beurteilen als bei größeren Hunden. Wie oben (p. 25) bereits gesagt, fehlen echten Zwergen Stirnsinus gänzlich, die Supraorbitalfortsätze sind kaum angedeutet, die Stirngegend wird in der Hauptsache durch die Gestaltung des Hirns bestimmt, erst von einer gewissen Größenstufe an beginnt die Sinusentwicklung und wird mit zu einem der maßgeblichen Faktoren der Gestaltung dieser Gegend, die in anatomischer Hinsicht als eine neu sich dem Schädel einfügende Region zu beurteilen ist. Die fünf kleinsten Kreuzungstiere hier sind noch keine echten Zwerge, zeigen bereits Sinusentwicklung und schwache Supraorbitalfortsätze, aber immerhin spielt bei ihnen das Hirn eine größere Rolle als bei den übrigen Tieren des Materials, wo die Stirnregion den Charakter einer echten „Brücke" (s. o. p. 25) zwischen Hirn- und Gesichtsschädel annimmt. Hinsichtlich der Wölbungsverhältnisse dieser Stirnregion finden sich sowohl innerhalb reiner Wh. wie reiner Bu. Unterschiede zwischen verschiedenen Tieren, so daß hier die individuellen Besonderheiten der Elterntiere des vorliegenden Materials zu berücksichtigen sind. Leider fehlt die Schädelkalotte der Mutter der P-tiere (s. o. p. 33 Anm.). Der im übrigen erhaltene Schädel zeigt aber zur Genüge, daß eine starke Sinusentwicklung und beträchtliche Wölbung und gut entwickelte Fossa frontalis vorhanden waren, zugleich eine ziemliche Breite (s. o. Maß 14). Der Stammvater Mikosch ist schmaler und weniger gewölbt. Die Stammutter Freia hat eine fast plane und zugleich breite Stirn (Fehlen einer Fossa frontalis). In der folgenden Übersicht VI liegt sie demgemäß am Schluß in IV, während Gruppe I die stärkst gewölbten Schädel mit gut entwickelter Fossa enthält. Ü b e r s i c h t V I (Planum frontale). I A d a m , A s t a , Cello, Czardas, M i k o s c h , P u p p e , P o l l u x , Bill P a s c h a , P l u t o , Cäcilie, Czar. II. Bussy, Cäsar, P e d r o , Rabbi, Bima, Regine, Cecil, Bu. 28. III. Caroline, Rollo, Robert, Bella, Dolly, W h. 4 2 7 0 6 , Rex. IV. Carlchen, Rumba, W h . 5 4 1, Ratze, Cyon, Cyclop, Rosine, Cora, Cilli, Freia, Chico. 6. G e s i c h t s s c h ä d e l . — Für die Gestaltung der Partie des Gesichtsschädels, die sich an die Stirnregion anschließt, spielen außer den schon oben durch die Maße 16 u. 17 erfaßten Proportionsverschiedenheiten die Hauptrolle die schwer beschreibbaren Besonderheiten der Oberflächenwölbung. Wenn man zunächst das Grundprinzip hervorhebend die extremen Gegensätze einander gegenüberstellt, die sich jedoch nicht unbedingt mit den beiden Wuchsformgegensätzen decken, so besteht einerseits die Tendenz zu einer die Oberfläche mehr konvex gestaltenden „Aufblähung", andererseits zu einer sie mehr konkav gestaltenden „Eindrückung". Diese Gegensätzlichkeit macht sich besonders bemerkbar: 1.) in der Medianlinie des Gesichtsschädels, also vor allem die Nasalia betreffend, 2.) in der hinteren Seitenfläche des Maxillare, vor der Orbita bis zum Foramen infraorbitale. 3.) in der davor gelegenen Seitenpartie des Gesichtsschädels, also der vorderen Partie des Maxillare zwischen dem Foramen infraorbitale und der Erhebung der Eckzahnalveole.

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Am deutlichsten zeigt die Tendenz zur „Eindrückung" der Schädel von Rollo. Man könnte das Gesamtbild vergleichen mit dem Bilde eines Filzhutes, den man oben einknifft und zugleich rechts und links eindrückt, der Gegensatz wäre dann ein Hut, bei dem der Mittelkniff (zu 1) nur angedeutet ist, die hinteren Seitenteile (zu 2) sogar etwas aufgewölbt sind, während vorn (zu 3) die Eindrückung auch n u r schwach entwickelt ist, so daß hier in der Ansicht von oben die Seitenflächen des Gesichtsschädels sichtbar sind, was im entgegengesetzten Extrem nicht der Fall ist. Dort, wo die vor der Orbita gelegene Seitenfläche des Maxillare übergeht in die mediane Fläche der Nasalia, besteht in den meisten Fällen eine mehr fühlbare (beim Hinüberstreichen) als sichtbare (nur bei bestimmter Stellung zum Lichteinfall) längsverlaufene Kante, die bei „Aufblähung" dieser Region verschwindet. Im Vorderteil des Gesichtsschädels muß, wie aus der Abb. 16 (s. p. 39) schon sich ergibt, auch die mehr spitzdachoder mehr flachdachähnliche Form Unterschiede in der Betrachtung von oben mit sich bringen. Man möchte a priori annehmen, daß die Vorstellung der „Stauchung" f ü r den Bu.-schädel die Tendenz zur „Eindrückung" verständlich mache, daß andererseits der langgezogene Gesichtsschädel des Wh.-typus sich eher mit der „Aufblähung" in Einklang bringen ließe, wie denn tatsächlich diese- auch besonders deutlich wird bei extrem „ramsnäsigen" Formen, wie solche unter den Barsois z. B. häufig anzutreffen sind. Aber, wie oben schon angedeutet, finden sich graduelle Verschiedenheiten dieser Wölbungsverhältnissc sowohl bei Wh. wie auch bei Bu., wenn auch im allgemeinen der Wh.schädel mehr zur „Aufblähung", der Bu.-schädel häufiger zur „Eindrückung" tendiert. Es ist nun aber nicht so, daß die genannten drei Teilgebiete des Gesichtsschädels bei ein und demselben Tier konforme Tendenz zeigen müssen. Für die tabellarische Ubersicht sind sie also gesondert zu betrachten. In der mittleren Region zeigt sich die Fortsetzung der Fossa frontalis (s. o. p. 67) auf die Nasengegend — denn dies ist die hier vorhandene Einsenkung — keineswegs in ihrem gesamten Verlauf bei ein und demselben Schädel gleichmäßig vertieft. Gewöhnlich ist sie am tiefsten im hinteren Abschnitt der Nasalia, doch kommen auch Schädel vor, die hinten nur eine flache Eindellung, vorn eine stärkere Vertiefung zeigen (z. B. Freia, Rumba). Länge oder Kürze des Gesichtsschädels könnten dabei mit eine Rolle spielen: je länger die Nasalia, um so eher kann nach vorn eine Verflachung sich einstellen. Eigentlich müßten also die einzelnen Abschnitte gesondert betrachtet v/erden. Die folgende Übersicht VII berücksichtigt jedoch nur den Gesamteindruck der Tiefe.

I. II. III. IV.

U b e r s i e h t V I I (Nasalia). Rollo, Rabbi, A d a m , Cora, Robert, Czardas, Freia, Cilli, Caroline, Carlchen, Czar, Cecil, W h . 4 2 7 0 6. Bfma, Cäsar, Bill, W h . 5 4 1, Ratze, Regine, P o l l u x , P a s c h a , M i k o s c h , Cello. Bussy, Rex, P u p p e , A s t a , Rosine, Dolly, P e d r o , Cyon, Cäcilie, P a s c h a , Bella. Bu. 28, Cyelop, Chico, Rumba. Stufengruppe I zeigt die stärkste Vertiefung, IV die geringste.

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B. KLATT

Die folgende Übersicht VIII. die Gegend vor der Orbita betreffend, beginnt gleichfalls mit den am stärksten „eingedrückten" Schädeln, Gruppe IV enthält die am meisten „aufgeblähten". I. II. Iii. IV.

Ü b e r s i c h t V I I I (Maxillare, hintere Gegend). Czardas, Dolly, Carlchen, Rollo, Robert, Cora, Regine. Rex, Bima, Cilli, Cello, Chico, Bussy, Cecil, Bu. 28, Cäcilie. Rosine, Cäsar, Cyon, Bella, M i k o s c h , Czar, Ratze, Caroline, Bill, Rabbi. Cyclop, Freia, A d a m , P l u t o , P a s c h a , P o l l u x , P u p p e , Rumba, W h . 4 2 7 0 6 , P e d r o , W h . ? 4 1, A s t a.

I. II. III. IV.

Ü b e r s i c h t I X (Maxillare, vordere Gegend). Rollo, Chico, Bussy, Carlchen, Rabbi, Ratze, Robert, Cyclop, Czardas. Rosine, Regine, Rex, Cecil, Cäsar, Cilli, Cäcilie. Cyon, Caroline, Cora, Bill, Bima, Czar, Bu. 28, Cilli, Freia, Bella. Dolly, M i k o s c h , A d a m , W h . ? 41, P a s c h a , P l u t o , W h . 4 2 7 0 6 , P u p p e , P o l l u x , Rumba, P e d r o , A s t a .

Ein Vergleich jeweils ein und desselben Schädels hinsichtlich seiner Einordnung in den Übersichten VII bis IX belegt das oben Gesagte über die Nichtnotwendigkeit einer gleichartigen Gestaltung in den verschiedenen Teilgebieten des Gesichtsschädels. Immerhin zeigen die am meisten Wh.-typ aufweisenden Schädel (Wh. und P-tiere) in den Übersichten VIII und IX eine recht weitgehende Übereinstimmung. Sehr gleichartig in allen drei Punkten ist einerseits Rollo (überall stark eingedrückt) andererseits seine Schwester Rumba (am stärksten überall „aufgebläht"). Wie oben (p. 35) schon gesagt, besteht zwischen Wh. und Bu. ein Unterschied in der Hinsicht, daß bei Bu. die S p i t z e n d e r N a s a l i a über die Kontur des Vorderendes des Zwischenkiefers vorspringen, während bei Wh. diese Zwischenkieferkontur an der vordersten Spitze der Nasalia ansetzt, die sich somit aus der Gesamtkontur nicht heraushebt. Ü b e r s i c h t X (Nasaliaspitze) I. P a s c h a , P o l l u x , A s t a , P l u t o , P u p p e , Cecil, P e d r o , W h . $ 4 1 , W h . 4 2 7 0 6, A d a m , M i k o s c h , Cäcilie, Carlchen. II. Cello, Dolly, Czar, Chico, Bima, Rumba. III. Cäsar, Cora, Cyon, Bella, Rosine, Caroline, Regine, Bussy, Robert, Rabbi, Ratze. IV. Bill, Rollo, Rex, Cilli, Bu. 28, Freia, Czardas, Cyclop. In Stufe I kein Vorspringen der Nasaliaspitzen, die ersten beiden Schädel zeigen sie sogar hinter der Kontur endend. In Stufe II springt die eine Spitze etwa vor, die andere nicht. In Stufe III springen beide etwas vor (in der Reihe sich steigernd), in Stufe IV steigert sich der Grad des Vorspringens mehr und mehr. — Dieses an sich kleine Merkmal gibt einen guten Hinweis auf Bu.-einschlag. Sowohl die vorderste Spitze des Schädels wie sein äußerstes Hinterende (Condylen, Übersicht I) scheinen also besonders empfindliche „Reaktionsorte" zu sein.

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Von Bedeutung für das Bild des Schädels in dieser Gegend ist ferner die R i c h t u n g d e r N a s a l i a s p i t z e n , je nachdem, ob sie, wie meist üblich, horizontal bzw. schwach sich senkend in der Gesamtrichtung der Nasaliakontur auslaufen, oder ob sie sich vorn nach oben aufrichten. Bei Wh. ist der Verlauf, soweit mir bisher Schädel zu Gesicht kamen, der genannte meist übliche. Bei reinen Bu. treten — das individuelle Schädelbild sehr charakteristisch gestaltend — alle drei Möglichkeiten in Erscheinung (vgl. Abb. 11). Bei der Stammutter Freia, deren Schädel wie bei Bu. sehr häufig deutliche Asymmetrien*) besonders auch der vordersten Partie des Gesichtsschädels zeigt (nach rechts verdreht) ist die Richtung der Nasaliaspitze links fast horizontal, rechts etwas nach oben weisend. Nur bei dem stärkst Bu.-ähnlichen Kreuzungstier Ratze findet sich das gleiche Verhalten. Bei allen andern findet sich horizontaler Verlauf; bei Rabbi, Rumba, Cyclop eher sogar eine gewisse Neigung nach abwärts. 7. P r o f i l b i l d . — Das Gepräge des Schädelprofils ist von besonderem Interesse wegen des Vergleichs mit der Physiognomie des lebenden Tiers, bei dem das Profil die markanteste und für genauere Vergleiche eigentlich einzige brauchbare Ansicht bietet (s. o. p. 13). Es ist vor allem der Verlauf der Oberkante des Schädelprofils, daneben dann noch das Verhalten des Unterkiefervorderendes (Vorbiß), welche das Profilbild charakteristisch gestalten. Wenn man sich klar werden will, woraus im einzelnen die Verschiedenheit der jeweiligen Schädelbilder bestehen, stellt man fest, daß zunächst die Profillinie von unserem Auge als etwas Ganzes erfaßt wird, und daß dabei schon eine minimale Abweichung an irgend einer Stelle des Verlaufs der Kurve, die messend nicht zu erfassen ist, das Bild „anders" erscheinen lassen kann, indem diese Abweichung auch auf die Beurteilung anderer, selbst gar nicht veränderter Abschnitte der Kurve eine Wirkung ausübt. Eine geringe Änderung des Kurvenverlaufs im Bereich der Stirngegend läßt leicht auch die Kontur des Hirnschädels anders erscheinen, die relative Länge des Gesichtsschädels bestimmt maßgeblich mit den Eindruck, den wir bezüglich des Stirnabsatzes erhalten usw. Durch Abdecken einzelner Schädelabschnitte kann man solche subjektiven Störungen ausschalten. Denn das Ziel einer wirklich analysierenden Betrachtung muß es sein, Klarheit darüber zu erhalten, in welchem Punkte der wirkliche Unterschied der Gestaltung liegt. Von großer Bedeutung aber ist dabei die Frage der Orientierung des Schädels. Man kann beim Übereinanderlegen der Schädeldurchzeichnungen — eine Methode, die dringend zu empfehlen ist für den genaueren Vergleich — leicht einzelne Abschnitte der Gesamtkontur zur Deckung bringen, sieht dann aber, daß z. B. bei Deckung der hinteren Hirnschädelkontur die Gesichtsschädel eine sehr verschiedene Lage erhalten und umgekehrt. Es erhebt sich dann sogleich die Frage: ist in Wirklichkeit der Gesichtsschädel aufgekippt bzw. gesenkt, oder hat sich die Lage des Hirnschädels in entgegengesetzter Weise verändert? Man wird mit noch mehr Berechtigung als beim menschlichen Schädel, bei dem diese Frage der Orientierung wegen ihrer hohen grundsätzlichen Bedeutung schon vor Jahrzehnten international geregelt wurde, die Hirnschädelbasis — die beim Hunde ja nicht einmal eine Knickung wie beim Menschen aufweist — als die „neutrale" Orientierungslinie auffassen dürfen. *) Auf die Frage der Asymmetrien gehe ich nicht weiter ein.

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B.

KLATT

Die Orientierungslinie in meinen Abbildungen, die von der Oberkante des Condylus occipitalis durch den untersten Punkt der Orbita zieht, entspricht recht gut dem Verlauf der Hirnbasis, stimmt zugleich übrigens fast überein mit, der „Frankfurter Horizontale" der Anthropologen. Diese Linien bringt man beim Vergleich der Durchzeichnungen zur Deckung, zugleich auch die Hinterenden der Hirnschädelkonturen. Man sieht dann, daß bei den meisten Schädeln — n u r f ü r die größten und kleinsten nicht •— auch die Spitzen der Supraorbitalfortsätze sich leidlich decken, bedingt durch die geringe Variation des vorliegenden Materials in bezug auf die Gesamtgröße wie auf die Größe des Hirns, dessen Masse natürlich einen gewissen Einfluß auf die Längserstreckung des Hirnschädels haben kann, die durch diese Strecke (Maß Nr. 6 p. 57) zahlenmäßig erfaßt wird. Die Höhenausdehnung, die nicht in Zahlen angegeben ist, kann an den deswegen zahlreich beigegebenen Profilabbildungen vergleichend durch Messungen an diesen beurteilt werden, basierend auf der Orientierungslinie. Auch die so bedeutungsvolle Abknickung des Gesichtsschädels, f ü r die Winkelmessungen gleichfalls nicht gegeben wurden (s. 19), kann jeder nach Belieben an den Abbildungen feststellen. Über den Verlauf des Gesamtprofils bei den verschiedenen Gruppen der Tiere sind oben in Abschnitt A II schon kurze Charakteristiken gegeben worden Hier, wo die Schädelmerkmale analytisch betrachtet werden sollen, ist dieser Verlauf in seinen Einzelabschnitten zu betrachten. Es ergibt sich auch hier, wie bei der Betrachtung des Schädels von oben als zweckmäßig die Trennung von Hirn-, Stirn- und Gesichtsschädel. H i r n s c h ä d e l k o n t u r . Während im Umrißbild des Hirnschädels in der Aufsicht auch Formtendenzen, die im Hirn selbst liegen dürften (p. 32), das Bild mitbestimmen, treten im Profilbild weit stärker die Einflüsse der Größe und der Wuchsform in Erscheinung. Auch die, allerdings ja nicht sehr großen Unterschiede der Größe der Hirne selbst scheinen kaum Bedeutung zu haben. Ebenso erscheint der Verlauf der Kontur von der Höhenentwicklung des Hirnschädels weitgehend unabhängig. Einen auffallend niedrigen Hirnschädel, den niedrigsten aller Tiere, besitzt z. B. Cäcilie; der Verlauf der Hirnschädelkontur wird dadurch nicht verändert. — Der Einfluß der Größe aber macht sich natürlich bemerkbar. Die, wie oben erörtert (p. 24), von einer gewissen Größenstufe an sich ausbildenden Aufbauten am Hirnschädel bringen auch eine Änderung der Profillinie mit sich. Ein gut ausgebildeter Scheitelkamm bedingt am Hinterende des Hirnschädels einen graden Profilverlauf, wie am besten der Schädel von Rex als des hier größten Tieres zeigt. Die mit fortschreitender Verzwergung ständig zunehmende allseitige Abrundung des Hirns dagegen f ü h r t im Gegensatz dazu zu einem starken Absinken der Kontur hinten, bei gleichzeitiger Überhöhung in der Mitte. In der vorderen Hirnschädelregion bedingt zunehmende Größe eine immer stärker werdende Ausbildung der Stirnsinus (s. o. p. 25), Verzwergung deren Geringentwicklung bis zu völligem Fehlen bei echten Zwergen. Die Hirnschädelkontur geht bei diesen also, ohne eine besondere Stirnregion abgrenzen zu lassen, direkt in die Gesichtskontur über. Wenn hier nun auch echte Zwerge nicht vorliegen, so ist die Tendenz bei den kleinen C-tieren sowie bei den kleinsten Rückkreuzungstieren Pedro und Rosine, doch schon deutlich bemerkbar. Man muß also die Größenverschiedenheiten von Fall zu Fall in Ansatz bringen, wenn

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m a n bei den Kreuzungstieren feststellen will, inwieweit andererseits die Wuchsf o r m ihr Profil beeinflußt hat. Wie n u n dieser zweite G r u n d f a k t o r sich auf das Hirnschädelprofil auswirkt, ist oben (p. 26) allgemein gleichfalls schon angegeben. Bei dem Schädeltyp der hier in Frage kommenden Größenstufe der Whippets v e r l ä u f t (vgl. auch p. 37) die K o n t u r folgendermaßen: vom Hinterende in einem kurzen Bogen aufsteigend erreicht die K u r v e rasch i h r e n höchsten P u n k t in der Gegend senkrecht über dem Unterkiefergelenk, v e r l ä u f t dann als fast gerade Linie weiter, u m ü b e r dem Stirnsinus — der keine Erhebung der Kontur bedingt — als Gesichtskontur sich herabzusenken. Bei französischen Bulldoggen der hier vorliegenden Größe entspricht die Hirnschädelkontur fast genau einem Kreisbogen — gleichfalls ohne daß die Stirnsinus eine U n t e r brechung bedingen; der höchste P u n k t liegt bei ihnen zumeist ü b e r der Mitte des Jochbogens, bei manchen Bulldoggen sogar fast über den Supraorbitalfortsätzen — das Schädelbild der Bu. ist ja, wie die Abb. 11 illustriert, individuell recht variabel, viel variabler als bei Wh. Die verschiedene A r t der Rundung und die Lage des höchsten Punktes der Schädelkontur sind also die Hauptunterschiede der Profillinie bei beiden Wuchsformgegensätzen. Daß außerdem der Hirnschädel bei Bu. die größte Höhenentwicklung aufweist, ist oben (p. 26) schon gesagt und dort aus dem Bilde der „Stauchung" verständlich gemacht worden. Beides — Rundung und Lage des Höchstpunktes —• ist ausschlaggebend gewesen f ü r die folgende Anordnung der Schädel. Die Tiere, bei denen der Einfluß der Kleinheit sich deutlich geltend macht, sind als letzte Stufengruppe zusammengestellt. Wie gleichfalls oben (p. 29) schon betont, besteht ja eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Bu.-typ und Zwergtyp, die eine Auseinandcrsonderung, wieweit die Kontur durch den einen oder den anderen „Grundfaktor" bestimmt wird, schwierig macht. Ü b e r s i e h t X I (Hirnschädelkontur)*).

s

I. M i k o s c h , A d a m , P o l l u x , P l u t o , Cecil. II. Cäcilie, Czar, P a s c h a , P u p p e , Cäsar, Cello, Bill, Rabbi, Bima, Bella, Bussy. III. Ratze, Robert, Regine, Rollo, Freia, Bu. 28. IV. Rex, Czardas, Rumba, V. Carlchen, Cyon, P e d r o , Cyclop, Cilli, Caroline, Rosine, Cora, Chico, Dolly. In S t u f e n g r u p p e 1. ist die K o n t u r typisch Wh.-förmig, doch ist der höchste P u n k t bei den beiden letzten Tieren schon etwas nach vorn verlagert. In S t u f e 2 beginnt allmählich die grade Strecke sich zu wölben und der Höchstpunkt liegt ab Cello bereits über dem hinteren Abschnitt der Naht des Jugale. Zugleich w i r d der Schädel höher. Bemerkenswert ist, daß der im ganzen so fuchsähnlich wirkende Schädel von Cäsar keineswegs am A n f a n g liegt, sowie daß Rabbi (s. schon p. 40) so stark Wh.-ähnlich ist. Die letzten Tiere der S t u f e unterscheiden sich deutlich von den ersten. In Stufe 3 w i r d das Vorherrschen der Bu.-kontur deutlich, aber das Bu.-ähnlichste Tier Ratze zeigt *) In dieser und den folgenden Übersichten fehlen Asta, Wh $ 41, Wh 42 706.

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B. KLATT

bezüglich der Hirnschädelkontur den Bu.-einschlag am wenigsten. Von Stufe 1 bis zum Schluß von 3 ist es eine kontinuierliche Reihe. Stufe 4 enthält herausfallende Schädeltypen: Rex als größtes aller Tiere mit sehr gestreckter Kontur zeigt darin deutlich den Einfluß der Größe, die Kontur stimmt genau überein mit der des größten Bu. meines Materials (hier nicht abgebildet). Rex könnte also ebenso gut am Schluß von Stufe 3 placiert werden. Dagegen zeigen die beiden anderen Schädel Besonderheiten, wie sie sich sonst nicht finden. Das stärker Bu.-ähnliche C-tier Czardas zeigt einen deutlichen Knick der Kontur am Höchstpunkt (über dem Hinter ende der Jugalenaht). Der wie oben (p. 44) schon betont merkwürdigste Schädel von Rumba erscheint am stärksten gerundet, was mit der auffallenden Kürze seines Hirnschädels zusammenhängt. Wie aus Maßtabelle 6 hervorgeht, hat er den kürzesten Hirnschädel aller Tiere, selbst die kleinsten mit eingerechnet. .Stufe 5 enthält die Tiere, bei denen sich der Einfluß der Kleinheit in der Reihe aufsteigend deutlich bemerkbar macht, so daß hier die Feststellung, was auf Konto des Bu.-einflusses zu setzen ist, schwer wird (p. s. o. 29). Bei dem kleinsten R-tier Rosine ist dieser Faktor sicher mitbestimmend f ü r die Einordnung so tief unten, denn das Tier ist wesentlich größer als die kleinsten C-tiere, in deren Mitte es sich hier findet. Besonders interessant ist, daß das in allem Bu.-ähnlichste C-tier Cyclop in diese Stufe eingeordnet werden muß. Cyclop ist an Körpergröße eines der größten C-tiere, bat aber (s. o. 48) einen f ü r diese Größe viel zu kleinen Schädel (nicht Kopf! s. u. 85). Man ersieht daraus, daß es weniger die Körpergröße als die — mit dieser im allgemeinen allerdings parallel gehende — Größe des Schädels ist, die f ü r dessen Konfiguration ausschlaggebend ist. Sicherlich ist aber auch hier wie bei Rosine der Bu.-einfluß mit verantwortlich f ü r die Einordnung hier so tief unten. S t i r n k o n t u r. Es ist oben schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß diese Gegend erst von einer bestimmten Größe der Tiere an als eine selbständige Schädelregion, als „Brücke" (p. 25) zwischen Hirn- und Gesichtsschädel sich auszubilden beginnt. Bei den kleinsten Tieren des vorliegenden Materials beginnt dies gerade insofern, als sich im Zusammenhang mit der Siinusbildung Supraorbitalfortsätze ausbilden. Aber es herrischt bei diesen Tieren maßgeblich bestimmend der Hirnschädel auch in der Stirngegend vor. Bei der Mehrzahl der Tiere kann man schon von einer besonderen Stirnregion sprechen, aber erst bei den größten (besonders also Rex) erscheint diese als eine richtige „Brücke". Die Aufsicht von oben ist die Ansicht, welche am klarsten die großen hier bestehenden Verschiedenheiten erkennen läßt. Hier, f ü r das Profilbild, spielt die eigentliche Stirngegend eine untergeordnete Rolle. Man sollte meinen, daß die verschiedene Höhenlage über der Horizontalen (aus den Abb. zu ersehen) mitbestimmend ist f ü r das Profil. Dies ist aber ebensowenig der Fall wie hinsichtlich der Hirnschädelhöhe f ü r die Kontur. Ich habe — an den Photos — d i e Höhen des höchsten Punktes der Hirnschädelkontur und der Stirn (über den Supraorbitalfortsätzen gemessen) bestimmt und die Differenzwerte festgestellt. Bei 66 % aller Schädel — unabhängig von den absoluten Höhenwerten — liegt diese Differenz bei 4—5 m m (Stirnhöhe niedriger als Hirnhöhe), aber es liegen die verschiedensten Typen wild durcheinander. Eine Gesetzmäßigkeit ist nicht festzustellen. Es ist in erster Linie die verschiedene Stellung des Gesichtsschädels (s. p. 76), die Unterschiede in der Stirngegend vortäuscht. Beim Abdecken des Gesichtsschädels wird klar, daß die Profillinie der Stirngegend selber nur wenig variiert. Abweichungen liegen nur bei

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einigen wenigen Tieren vor, sie bestehen darin, daß diese Gegend sich ± deutlich aus der Gesamtkontur vorwölbt. Bei allen anderen ist dies nicht der Fall, die Gesamtkontur biegt über den Supraorbitalfortsätzen ± stark geneigt in die Gesichtskontur ein. Diese Neigung ist also bei dieser zu erörtern. Die Vorwölbung der Stirngegend ist nur bei folgenden Schädeln (in der Reihe ansteigend) zu bewerten: Pascha, Czardas, Puppe, Pollux, Cecil, Pluto. Es ist bemerkenswert, daß vier davon P-tiere sind, die von ihrer Mutter Asta (p. 33) anscheinend eine besonders starke Ausbildung der Stirnsinus geerbt haben. Immerhin ist es von Interesse, daß audi zwei C-tiere und zwar eines der Wh.-ähnlichsten (Cecil) und eines der Bu.-ähnlichsten (Czardas) hierher gehören. Sowohl bei reinen Wh. wie bei reinen Bu. der hier in Frage kommenden Größenordnung ist dagegen von einem solchen Vorspringen der Stirngegend im Profil nichts zu bemerken. Im stärksten Gegensatz dazu steht der Schädel von Cäsar, der schon mehrfach wegen seines fuchsähnlichen Profils, bedingt durch die sehr geringe Entwicklung der Sinus, hervorgehoben wurde. Bei ihm ist die geringste Erhebung der Stirngegend zu beobachten. Eine Ubersicht wird hier nicht gegeben sondern w. u. (p. 77) bei Erörterung des „Stirnabsatzes". Gesichtsschädelkontur. Die Formbildung des Gesichtsschädels wird variiert vor allem durch die beiden folgenden Faktoren: den Grad der Verkürzung und der Aufkippung. Die Verkürzung ist bei reinrassigen Bu. begleitet von einer Verbreiterung und zugleich Erhöhung (s. o. Einleitung p. 26). Daß bei den Kreuzungstieren die Correlation Verkürzung/Verbreiterung sich als keineswegs notwendig erweist, ist oben (p. 63) dargelegt. Das gleiche gilt, wie nun die Betrachtung von der Seite zeigt, auch von der Correlation Verkürzung/Erhöhung. Beispiele ergeben sich schon aus dem Vergleich der Höhenmaße 18 und 19 (p. 63) mit den Längenmaßen 5 und 8 f ü r jeweils das gleiche Tier. Um ein anschauliches Bild zu geben, seien hier n u r die Schädel von Czar und Cecil einander gegenübergestellt (Abb. 23). Beide haben, bei einer etwas größeren Basilarlänge f ü r Cecil, die gleichen Längenwerte f ü r den Gesichtsschädel (Maße 5 und 8), etwa gleiche Breitenwerte (Maße 16, 17, aber sehr verschiedene Gesichtsschädelhöhe (Maß 18), Cecil abnorm niedrig, Czar ungewöhnlich hoch. Die Schädelbilder im Profil gesehen machen daher einen sehr verschiedenen Eindruck. Vergleicht man, durch Übereinanderlegen der Bilder, genauer, dann sieht man, daß die Unterkante des Gesichtsschädels (Alveolarrand des Oberkiefers) bei Cecil schräg nach oben ansteigt, während bei Czar diese Linie mehr parallel zur Horizontale verläuft. Die oberen Profillinien dagegen decken sich bei beiden in ihrem Verlauf, abgesehen von der Begrenzungslinie der Nasenöffnung (also eigentlich Vorderkontur). Diese letztgenannte Verschiedenheit, bei Czar mehr senkrecht, bei Cecil mehr schräg nach hinten ansteigend, ergibt sich bei näherer Überlegung als selbstverständliche Folge der vorher genannten Unterschiede der Höhe und Aufkippung bei gleichen Längenwerten des Gesichtsschädels. Im vorliegenden Abschnitt der Darstellung, der ja nur das Umrißbild in der Betrachtung von der Seite betrifft, wird auf die sonstigen Formverhältnisse des Gesichtsschädels, die ja z. T. auch schon besprochen wurden (s. o. p. 69), nicht weiter eingegangen. Über den Verkürzungsgrad als einen der beiden obengenannten Hauptpunkte orientieren zahlenmäßig die Längenmaße im Verein mit den Breiten- und Höhenmaßen des Gesichtsschädels. Die folgende Übersicht XII gibt die Anordnung der Schädel, beurteilt nach dem G e s a m t e i n d r u c k bezüglich des Verkürzungsgrades des Gesichtsschädels.

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B. KLATT Ü b e r s i e h t X 1 1 (Verkürzung des Gesichtsschädels).

I. A d a m , A s t a , P e d r o , M i k o s c h , P l u t o , P a s c h a , Pollux, Puppe. II. Cecil, Cäsar, Cäcilie, Cello, Bill, Bella, Bussy, Bima, Dolly, Caroline, Cilli, Cyon, Carlchen, Czar. III. Cora, Chico, Czardas, Rosine, Regine. IV. Robert, Rumba, Rex, Rabbi, Cyclop. V. Rollo, Ratze, Bu. 28, Freia. Die einzelnen • Stufen sind ziemlich deutlich voneinander getrennt. Die Einordnung der kleinsten Schädel macht begreiflicherweise einige Schwierigkeiten, da mit abnehmender Größe der Gesichtsschädel sowieso relativ kleiner wird; aber die Proportionsverschiedenheiten unter den kleinen Schädeln sind ebenso deutlich wie unter den großen und gestatten eine leidliche Einordnung in die Gesamtreihe. Die dieser Anordnung zu Grunde liegende Beurteilung ist vorgenommen nicht nur nach der Betrachtung des Profilbildes, sondern auch der Aufsicht und — was eine besondere Hilfe in diesem Falle ist — der Ansicht der Gaumenfläche. Wie oben (p. 52) bei der Anordnung nach dem Größeneindruck werden also die einzelnen Schädel von allen Seiten wieder und wieder verglichen und es kommen bei dieser Methode einer rein morphologischen Betrachtung alle verschiedenen durch die Verkürzung bedingten Unterschiede, also auch die gleichzeitig vorhandenen Breiten und Höhenunterschiede zur Auswirkung. Die Anordnung wird damit eine etwas andere als bei Berücksichtigung nur des Maßes 5Für den Profilverlauf, namentlich der Oberkante des Gesichtsschädels spielt der Grad der Verkürzung zwar eine Rolle, doch ist der andere Faktor, die Aufkippung, wesentlicher. Wie schon mehrfach betont, ist eine genaue zahlenmäßige Feststellung des Aufkippungswinkels schlecht möglich. Für eine nur abschätzende Beurteilung könnte es von Bedeutimg scheinen, an welchem Punkte die Horizontale aus dem Umrißbild v o m austritt, ob oberhalb der Nasenspitze oder mehr oder minder weiter unten aus der Kontur der Nasenöffnung selbst. Es ist aber klar, daß bei besonderer Höhe des Gesichtsschädels letzteres auch ohne besondere Aufkippung statthaben kann (z. B. bei Czar Abb. 23). Der Verlauf der Oberkante wird durch die Unterschiede der Höhe des Gesichtsschädels nicht notwendig verändert. In erster Linie wird man, eindrucksmäßig, den Grad der Aufkippung beurteilen nach dem Verlauf der Alveolarlinie des Oberkiefers und abschätzen, ob eine so gedachte Linie später oder f r ü h e r auf die Horizontale trifft. In dieser Weise ist die folgende A u f stellung der Schädel erfolgt. Ü b e r s i c h t X I I I (Aufkippung des Gesichtsschädels). I. A d a m , A s t a . II P a s c h a , Cäsar, P l u t o , Bima, Czar, Cäcilie, M i k o s c h , P o l l u x P u p p e , P e d r o , Caroline. III. Dolly, Rumba, Cello, Bill, Rabbi, Rex, Carlchen, Cyon. IV. Cora, Ratze, Rollo, Cecil, Cilli. V. Rosine, Regine, Robert, Cyclop, Bella, Bussy, Czardas, Freia, Bu 28, Chico. Die Übergänge zwischen den Gruppen sind gleitend, nur die Schädel der Stufe I, bei denen als einzigen die Alveolarlinie parallel der Horizontale ver-

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läuft, die ihrerseits oberhalb der Nasenspitze das Schädelprofil verläßt, haben deutlich Abstand von den übrigen. Bemerkenswert ist, daß Mikosch erst in der Mitte von II erscheint, ein Zeichen, daß auch bei reinen Wh. — sogar Vater und Sohn — der Aufkippungsgrad etwas variiert. Immerhin liegen die stärker Wh.-ähnlichen Tiere, so z. B. alle P-tiere in dieser Gruppe, die Mehrzahl der R-tiere in IV und V, und am Schluß die reinen Bu. Bemerkenswert ist ferner, daß schon bei den im allgemeinen recht uniformen Fi-tieren die Aufkippung recht verschieden sein kann: Bima in II, Bill in III, Bella und Bussy in V, den stärksten Grad erreicht Chico. — Schwer zu beurteilen ist der hier mit in V eingeordnete Schädel von Cyclop. In dieser Reihenfolge aufsteigend erfolgt auch im allgemeinen eine stärker konkav werdende Einbiegung der Oberkante des Gesichtsprofils, die wie ein Vergleich mit der Übersicht XIII betreffs der Verkürzung zeigt, bis zu einem gewissen Grade unabhängig von dieser ist. Andererseits können Besonderheiten der Modellierung, des Gesichtsschädels, die schon oben (p. 69) erörtert wurden mitbestimmend werden f ü r den Profilverlauf. Dies erscheint ohne weiteres als selbstverständlich f ü r den Verlauf der Spitzenteile der Nasalia (s. o. p. 69). Aber auch die oben (p. 34) geschilderten Unterschiede von „Aufblähung" bzw. „Einsenkung" können den Profilverlauf beeinflussen. Insbesondere kann trotz tiefer Einsenkung der Nasalia (Übersicht VII), d. h. also in der Medianlinie, der Profilverlauf weniger stark eingebogen erscheinen. Selbst reine Bu.-schädel zeigen im hinteren Abschnitt der Gesichtsschädeloberkante diese fast gerade, steil abfallende Linie. In diesem Falle ist der sehr hohe Verkürzungsgrad die Ursache, der in der Hauptsache den vorderen Abschnitt betrifft, den hinteren schräg zur Stirn aufsteigenden Teil weniger berührt. Bei langschädeligen Tieren ist im Gegensatz dazu die hier den Hauptteil des Profils bildende vordere Partie ausschlaggebend und durch sie in erster Linie den Eindruck bestimmend. Durch die so mannigfach zustande kommende Gestaltung des Gesichtsschädels wird in hohem Maße mitbestimmt der f ü r das Hundegesicht so charakteristische S t i r n a b s a t z , der als „Stop" ein f ü r die Beurteilung der Rassen wichtiges Merkmal sein kann. Von der Betrachtung des Schädels ausgehend, kommt hierfür außer der Gestaltung des Gesichtsteils auch besonders mit in Frage die Gestaltung der Stirn. Dies zeigt ein Vergleich des Schädelprofils von Cäsar (mit sehr geringer Stirnbildung, s. o. p. 45) und z. B. Pollux als einem Tier mit stark entwickeltem Sinus. Bei Übereinanderlegen der Durchzeichnungen sind die Profillinien fast genau zur Deckung zu bringen — mit Ausnahme der Stirngegend, die bei Pollux stärker nach vorn-oben herausspringt, wodurch der hintere Verlauf der Oberkante des Gesichtsprofils steiler werden muß. Man sieht also, daß der so wichtige Stirnabsatz, was zunächst den Schädel angeht, auf sehr verschiedene Weise bedingt sein kann. Die folgende Übersicht XIV zeigt die Schädel nicht in Stufen unterteilt, da ein so allmählicher Übergang besteht, daß eine solche Unterteilung rein willkürlich wäre. Ü b e r s i c h t X I V (Stirnabsatz). A d a m , M i k o s c h , Cäsar, A s t a , P l u t o , P e d r o , P a s c h a , Cäcilie, Cyon, Cecil, Cora, Bima, Czar, Bella, Rumba, P o l l u x , P u p p e , Carlchen, Rex, Cyclop, Caroline, Rosine, Cilli, Kegine, Robert, Bussy, Bill, Cello, Rabbi, Dolly, Czardas, Chico, Ratze, Rollo, Bu. 28, Freia.

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B. KLATT IV. Zur Frage der Erblichkeit des Schädelbildes

Wenn die Ziele vorliegender Untersuchungen auch in erster Linie morphologisch-typologischer Art sind, so ist bei der für alle Fragen der Biologie vordringlichen Bedeutung der Erbforschung eine kurze Betrachtung von deren Standpunkt aus doch angebracht. Die E r b l i c h k e i t s v e r h ä l t n i s s e von Formverschiedenh e i t e n stellen von jeher der Genetik im engeren Sinne, d. h. also der Kreuzungsforschung, die schwierigste Aufgabe. Und wenn man bedenkt, daß gerade der Schädel von allen Teilen des Organismus die wohl komplizierteste und merkmalsreichste Gestalt zeigt, dann ist von vornherein nicht zu erwarten, daß auf Grund des kleinen hier untersuchten Materials exakte Angaben über den Erbgang irgendwelcher Merkmale gemacht werden können. Es gibt auch nur wenige Arbeiten bisher, die sich mit dem Problem der V e r e r b u n g v o n S c h ä d e l m e r k m a l e n beschäftigen. In einigen Fällen ist versucht worden, nachzuweisen, daß ein bestimmter Schädelindex sich nach den Mendelschen Gesetzen vererbt. Solchen Autoren dürfte die Problematik des Schädelbildes überhaupt noch nicht klar geworden sein. Ein Indexwert ist eine Zahl, die letzten Endes zwar bedingt ist durch das objektgebundene Verhalten zweier Schädelmerkmale, die ihrerseits natürlich irgendwie erbbedingt sein müssen, aber der Verhältniszahlenwert als solcher kann in gleicher Höhe ja recht verschieden zustande kommen, auch brauchen verschiedene Zahlenwerte keineswegs ein erblich verschiedenes Verhalten der zu Grunde liegenden S c h ä d e l merkmale bedeuten — z. B. schon wenn man Schädel von nur etwas verschiedener Größe vor sich hat. Bei extremen Größenverschiedenheiten sieht man ohne weiteres, daß, z. B. beim Längen-Breitenindex des Schädels, beim Zwerg infolge des relativ großen Hirns der Breitenwert ein relativ höherer sein muß gegenüber größeren Schädeln des gleichen Typs; der gleiche Zahlenwert kann aber auch zustande kommen bei einem größeren Schädel mit höherem Breitenwert infolge einer stärkeren Wuchstendenz in Richtung auf Verkürzung und gleichzeitige Verbreiterung. Die verschieden hohen Werte des Index bei größeren und kleineren Schädeln gleichen Typs bedeuten dagegen keineswegs wirkliche Verschiedenheiten der Wuchsform sondern nur der Größe. Was wir ermitteln wollen, sind doch aber die wirklich zu Grunde liegenden Elemente der erblichen Gestaltung. Und über diese kann man nur ins klare kommen durch eine vorhergegangene gründliche morphologische Analyse jedes einzelnen Schädels unter Berücksichtigung auch der Verhältnisse zum mindestens der Kopforgane bzw. des Gesamtorganismus. Eine solche a n a t o m i s c h - p h y s i o l o g i s c h e B e t r a c h t u n g s w e i s e d e s S c h ä d e l s , wie ich das seit jeher nenne, ist die Voraussetzung um zunächst einmal die Einzelmerkmale am Schädel in ihrem Zustandekommen zu verstehen. Diese Vorarbeit ist zu leisten — und die vorliegenden Untersuchungen sind zugleich ein Beitrag dazu. Diese Art der Betrachtung muß also, wie in den „Vorbemerkungen" (p. 19) schon angedeutet, versuchen, sich zunächst darüber klar zu werden, welches das ausschlaggebende Moment für die verschiedene Formgestaltung des einzelnen Merkmals ist- Wenn z. B. ein Schädel in der Stirngegend höher ist als ein anderer, wodurch u. a. auch der für das Handegesicht so markante Stirnabsatz (s. o. p. 77) mitbedingt wird, so kann diese Erhöbung zustande kommen

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durch ein für die betreffende Schädelgröße zu großes Hirn (Beispiel: Zwergschädel) oder nur durch eine besondere Größe des vordersten (Stirnhirn-) Abschnittes (z. B. Hund i. G. zum Fuchs) oder durch einen stärkeren „Stauchungs"grad (indem sich dadurch der Hirnschädel weiter über den Gesichtsschädel vorschiebt, s. o. p. 26), ebenso gut aber auch nur durch eine stärkere Emvicklung der Stirnsinus (hier z. B. P-tierschädel i. G. zu Cäsar) usw. Alle diese Möglichkeiten sind gegeneinander abzuwiegen für jedes einzelne Objekt, was eben nur geschehen kann durch eine gründliche morphologische Analyse, welche die anatomischen Beziehungen in jedem Fall zergliedert, nötigenfalls unter Heranziehung physiologischer Überlegungen — d. h. eben durch eine „anatomisch-physiologische Betrachtungsweise". Im Grunde genommen ist dies nichts anderes als Morpho 1 o g i e und verschieden von der nur morpho d e s k r i p t i v e n Methode, die als viel simpler die meist übliche Betrachtungsart ist und damit vielleicht der Grund, daß die Morphologie heute vielfach weniger geachtet wird. Da in den vorhergegangenen Abschnitten die geschilderte Methode so weit wie möglich stets angewendet wurde, ist es für den aufmerksamen Leser wohl zur Genüge verständlich, was ich meine. Daß mit solchen Überlegungen das Gebiet einer e r b t h e o r e t i s c h e n A n a l y s e noch nicht betreten wird, ist selbstverständlich — nur die richtigen Voraussetzungen für eine solche werden damit geschaffen. Der erste Schritt bei dieser selbst muß die Unterscheidung der rein erblich bedingten von modificatorisch bedingten Merkmalen sein. Hierüber ist exakt nur durch das Experiment Klarheit zu gewinnen. Wollte man aber dies als unerläßliche Vorbedingung fordern, dann würde dies bedeuten, daß man für ein Material wie das vorliegende für eine lange Zeit, wenn nicht für immer auf Aussagen bezüglich der Erbverhältnisse verzichten müßte. Aber man kann doch schon jetzt für eine ganze Anzahl zugleich besonders markanter Schädelmerkmale auf Grund schon bekannter Tatsachen immerhin mit einer recht großen Wahrscheinlichkeit gewisse Aussagen machen. Daß z. B. die so charakteristische Gestaltung der Hirnschädeloberfläche (Temporallinien, Scheitelkamm, Sinusbildung usw.) weitgehend modificatorisch bedingt ist, steht fest. Denn diese Merkmale sind im wesentlichen bestimmt durch das Hirn-Muskelverhältnis (s. o. p. 19). Beide Komponenten können erblich wie funktionsbedingt ihre jeweilige Größe erlangen. Wenn hier z. B. die P-tiere trotz weitgehender Wh.-ähnlichkeit im allgemeinen eine stärker entwickelte Kaumuskulatur besitzen, so ist der nächstliegende Schluß der, daß sie dies von ihrer Bu-Großmutter ererbt haben. Damit aber kann eine Anzahl von Schädelmerkmalen (s. o. p. 24) verständlich werden. Eine richtig durchgeführte Erbanalyse hätte also nicht an diesen Einzelmerkmalen das Schädels anzusetzen, sondern vor allem die Erbverhältnisse der Muskel- und Hirngröße in Betracht zu ziehen. — Was die Ausgestaltung des Hirnschädelreliefs im einzelnen angeht, so spielt dabei wie oben (p. 29) schon erwähnt sicherlich eine Rolle auch die Dicke der Knochensubstanz, die bei Wh. und Bu. eine verschiedene, aber, wie die Kreuzungstiere zeigen, einem bestimmten Wuchsformgrade des Schädelbildes nicht unbedingt fest correlierte zu sein braucht. Andererseits wirkt die verschiedene Form des Hirnschädels, abhängig von dem vorhandenen Grad seiner Verbreiterung und Verkürzung auch wieder auf den Verlauf der Temporallinien (vgl. 1943 p. 318 und hier p. 29). Der Schädel, als das Stützgerüst des Kopfes, ist eben in vielen seiner Merkmale gleichsam nur der Widerspiegel der in Wirklichkeit in Verschiedenheiten der Kopforgane sich auswirkenden 6

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B. KLATT

Erbunterschiede, an denen somit die Erbanalyse anzusetzen hätte. Würde man die Gene kennen, welche die im Einzelfall vorliegende Stärke der Muskelentwicklung, der Größe des Hirns, der allgemeinen Knochensubstanzentwicklung und dgl. mehr bedingen, so würde damit eine ganze Anzahl von Einzelmerkmalen am Schädel in ihren Verschiedenheiten ohne weiteres verständlich als Folgen der verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten dieser Gene. Noch besondere Gene, „für die Entwicklung des Scheitelkamms" z. B. anzunehmen erscheint überflüssig. Etwas anders liegt der Fall aber schon bei der Sinusentwicklung, die zweifellos auch weitgehend von der Muskelentwicklung abhängig ist, deren Auftreten aber eben so sicher auch das Vorhandensein besonderer speziell die Schädelentwicklung in dieser Gegend betreffende Gene voraussetzt- Dies geht schon hervor aus der Tatsache, daß bei den nahe verwandten Füchsen auch an noch so großen Schädeln niemals Sinus entwickelt werden, während die Hund-Wolf-Schakalreihe der Caniden die erblichen Voraussetzungen dafür aufweist, wenn diese auch — bei den Zwergen dieses Typus —• infolge zu geringer Muskelentwicklung nicht ausgenutzt werden und die Sinusbildung damit unterbleibt. Es ist also keineswegs so, daß a l l e Besonderheiten am Schädel n u r aus der Konfiguration der Kopforgane verstanden werden können. Selbstverständlich hat der Schädel auch, seine „Eigenform", und dies bedeutet nichts anderes, als daß auch gewisse Merkmale unabhängig von topographisch oder funktionell verständlichen Beziehungen durch am Skelett, also an bestimmten Stellen des Schädels sich auswirkende Gene bedingt sein müssen. Wenn man in einer phylogenetischen Entwicklungsreihe wie z. B. der des Camelidenstammes sieht, wie jene eigenartige Form des Gesichtsschädels, die Kamel wie Guanaco und Vicuna gleicherweise charakterisiert, die plötzliche Einschnürung unmittelbar vor der Augengegend, schon bei den ältesten Gliedern des Stammes • vorhanden ist, dann muß man für ihr Zustandekommen Gene annehmen, die unbekümmert um die sonstigen Umbildungen des Schädels während der viele Jahrmillionen beanspruchenden Zeitspanne der phylogenetischen Entwicklung, gerade an dieser Stelle des Schädels sich spezifisch auswirken — bei denen, die heute geboren werden, ebenso wie bei jenen urältesten Vorfahrengenerationen. Gerade das T y p i s c h e des Schädelbildes also, das man sich allerdings erst herausarbeiten muß aus dem Beiwerk umrankender Gestaltungen, stellt der Erbanalyse das schwierigste Problem. Wie oben (p. 19) schon bemerkt, verbleiben auch nach Abzug der aus funktionellen und topographischen Beziehungen sowie der als Effekte eines verschiedenen Größen- und Wuchsformgrades verständlichen Besonderheiten gewisse Schädelmerkmale, die z. B. einzelnen Blutslinien innerhalb der verschiedenen Typen eigen sein können, welche wir wenigstens zur Zeit nur als gegeben hinnehmen müssen, ohne sie kausal näher zu „verstehen" in dem Sinne, wie das für die erstgenannten möglich ist. Die Richtung der Nasalia z. B. (s. o. p. 32) die auch innerhalb des reinen Typus und ohne diesen ¡selbst zu verändern, individuelle, sicherlich erblich begründete Unterschiede zwischen Bu. verschiedener Blutslinien (Abb. 11) bedingt, scheint mir ein solches Merkmal zu sein, während man die verschiedene Umrißform des Hirnschädels in der Betrachtung von oben (mehr oval oder birnförmig), so bei reinen Wh. (p. 32), reinen Bu. innerhalb der P-tiere (p. 39), wie das R-tier typus (p. 43), vielleicht dem Schädel, richtiger aber wohl der Wachstumsten-

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denz des Hirns zuschreiben darf, u. a. m. Für solche Einzelzüge wird man ebenso wie für die hier nicht näher erörterten Asymmetrien des Schädels, für die Unterschiede des Zahnschlusses (Vorbiß) u. dgl. verhältnismäßig leicht den Erbgang verfolgen können. Die sehr viel wichtigere Frage für die Erbanalyse ist jedoch die, ob jene zahlreichen Einzelmerkmale, die wir als Folgen der Wuchsformgegensätze oben (p. 26) uns so schön verständlich machten, auch wirklich so aus e i n e r Grundursache heraus gleichsam „in einem Guß", bewirkt werden? Die Frage also, wie die T y p u s v e r s c h i e d e n h e i t e n , s e l b s t g e n e t i s c h z u b e u r t e i l e n sind? Wenn das vorliegende zahlenmäßig viel zu geringe Material uns auch keine Erbanalyse gestattet, so wird eines aus der im vorausgegangenen Kapitel gegebenen analytischen Untersuchung der Schädel der Kreuzungstiere doch klar erkennbar: d a ß f a s t e i n j e d e s d i e s e r v i e len E i n z e l m e r k m a l e u n a b h ä n g i g von den anderen sich k o m b i n i e r e n k a n n m i t g e g e n s ä t z l i c h e n , mit denen es nach jener Hilfsvorstellung nicht „zusammenpaßt" — auch das Schädelbild liefert bezüglich seiner Einzelmerkmale also ein Beispiel für jene „Buntheit" der Bastardzusammensetzung, wie sie für die grobanatomische (Zusammensetzung des Gesamtorganismus sich ergab (s. o. p. 22). Die tabellarischen Zusammenstellungen gestatten einem jeden für jedes Einzeltier die angegebenen wichtigsten Einzelmerkmale sich zusammenzustellen; der Vergleich der verschiedenen Individuen liefert dann, so betrachtet, zahlreiche Beispiele für das eben Gesagte. Hier sei nur einiges herausgegriffen. Was die Proportionen des Gesichtsschädels angeht, die bei Bu. eine aus jener Hilfsvorstellung wohlverständliche Correlation der Breiten- und Höhenentwicklung mit der Verkürzung aufweisen, so zeigen die Bastarde, daß in dieser Hinsicht sehr verschiedene Kombinationen auftreten können. So hat das R-tier Rosine (p. 63) vorn einen der niedrigsten Höhenwerte, der nicht besonders stark verkürzte Schädel von Czar dagegen den größten Wert (p. 51 und 63). Ähnliche, wenn auch nicht ganz so extreme Beispiele ergibt die Betrachtung der Breitendimensionen. Insbesondere braucht auch die Breitenentwicklung vorn und hinten am Gesichtsschädel nicht eine gleichmäßig verstärkte zu sein (p. 63), dasselbe zeigt besonders der Schädel von Rabbi (p. 64) für die obere und die untere Partie des hinteren Gesichtsschädelabschnittes. Die Aufkippung des Gesichtsschädels variiert selbst in der auf den ersten Blick so uniform wirkenden Fl erheblich. Besonders lehrreich ist da die Gegenüberstellung von Bima und Bussy. Erstere, die unter den Fi-tieren allgemein als das Bu.-ähnlichste Tier erscheint, zeigt bezüglich der Aufkippung ein Verhalten wie der Wh.-vater Mikosch, zugleich übrigens eine recht schmale Stirn, während Bussy, die allgemein mehr Wh.-ähnlich erschien, den stärksten Aufkippungsgrad und die breiteste Stirn von allen Tieren aufweist (p. 77 und 35). Bemerkenswert ist, daß trotzdem alle 4 B-tiere einen recht einheitlichen Typ repräsentieren (bedingt durch die allen gemeinsame „Geräumigkeit" der Hohlräume im Schädel (p. 34)? (Gibt es vielleicht Gene, die ganz allgemein auf die Entwicklung von Hohlräumen im Organismus bestimmend wirken?) — Die bei Wh. „verständliche" (p. 69) „Aufblähung" der hinteren Maxillargegend findet sich auch bei einem R-tier, bei dem Schädel von Rumba, einem der interessantesten Kombinationstypen des Materials. Auch bezüglich des Jugaleansatzes (p. 66) fällt dieser Schädel 6«

82

B. K L A T T

aus dem Rahmen des bei R-tieren zu Erwartenden heraus. Bezüglich der Unterkiefergelenkung (p. 65) liefert der im allgemeinen am stärksten Bu.-ähnliche Schädel von Ratze ein Beispiel f ü r ein derartiges unprogrammäßiges Auftreten eines Charakterzuges des Wh.-typs. Ein Gegenstück dazu ist der Schädel von Cäsar mit seiner geringen Stirnhöhlenentwicklung (p. 45), die ein Charakterzug des Bu.-schädels ist (p. 29). Was die f ü r den B-typ so charakteristische Unterentwicklung der Condyli occipitales angeht, so scheint dies allerdings ein Merkmal, das einen leidlichen Gradmesser des „Bu.-einschlages" abgibt (p. 26 und 41) — ebenso wie das Verhalten der äußersten Spitzen der Nasalia (p. 71). Es ist dies eine f ü r entwicklungsphysiologische Fragestellung vielleicht besonders beachtenswerte Tatsache (p. 70), daß gerade das äußerste Vorder- wie Hinterende des Schädels die konstantesten Hinweise auf die Beimengung einer bestimmten Wuchsformen liefern. — Ein besonders interessanter Schädel ist der von Rabbi: der Hirnschädel (p. 40) überraschend übereinstimmend mit dem seines Vaters, des B-tieres Bill, der Gesichtsschädel stark verkürzt, und zugleich zu klein (p. 44) f ü r ein Tier dieser Größe. Daß man daraus den Schluß ziehen dürfte, daß „für" diese beiden großen Teilabschnitte des Gesamtschädels gesonderte Erbfaktoren anzunehmen seien, scheint mir jedoch nicht ohne weiteres berechtigt; am Hirnschädel spielen wie oben (p. 19) gezeigt, die durch die Kopforgane bedingten Abänderungen ja eine sehr wesentliche Rolle und können Eigentendenzen des Schädels weitgehend überdecken, die Variabilität ist daher anders zu beurteilen als am Gesichtsschädel, wo solche Momente entfallen, und ein Einblick in die Ursachen der Gestaltung weit weniger möglich erscheint. Als Gesamtergebnis der vorstehenden Erörterungen wird der reine Genetiker den Schluß ziehen, daß das, was wir als Wh.- bzw. Bu.-typus bezeichnen, nichts anderes ist als ein Mosaik vieler einzelner selbständiger Gene, die sich in den allerverschiedensten Kombinationen zusammensetzen lassen. Ob damit das letzte Wort gesprochen ist, wird noch zu erörtern sein (w. u. p. 123). Hier muß zunächst noch eine Frage wenigstens gestellt werden, nämlich inwieweit bei diesen anscheinend selbständig mendelnden Merkmalen, besonders denen des Gesichtsschädels, nicht doch auch modifizierende Ursachen beteiligt sein können? Wenn, wie eben schon bemerkt, die Sachlage f ü r den Gesichtsschädel i. G. zum Hirnschädel die Heranziehung funktioneller oder topographischer Beziehungen zur Erklärung von Verschiedenheiten weitgehend ausschließt, so besteht doch immer noch die Möglichkeit stoffwechselphysiologisch bedingter Modifikationen in der Periode der Embryonalentwicklung. Selbst innerhalb ein und derselben Wurfgeschwisterschaft könnten Schwankungen des Vitamin- oder Hormonspiegels die verschiedenen Embryonen, deren Teilentwicklungsvorgänge sicherlich nicht bei allen synchron ablaufen, in verschiedenen Zeitpunkten ihrer Entwicklung antreffen und bei dem einen wirksam werden, bei einem anderen nicht mehr oder noch nicht. Ob derartige Schwankungen im Stoffwechsel des mütterlichen Organismus sich am Embryo auswirken können, ist eine offene Frage. Die durch die Aufzuchtbedingungen in der Gefangenschaft (s. w. u. p. 83) bei Wildtieren bewirkten Änderungen auch des Schädelbildes würden jedenfalls so eine nächstliegende Erklärung finden. Denkt man dagegen an Schwankungen der Wirkung der Hormonalorgane der verschiedenen Embryonen selbst, so kann es fraglich werden, ob man von Modifikationen sprechen

Craniologisch-physiognornische Studien an Hunden

83

darf. Man müßte erst die weitere Frage stellen, ob derartige Schwankungen nicht in Erbverschiedenheiten begründet sind. Es würde dann der gleiche Fall vorliegen wie bei der bekannten erblich hypophysär bedingten Zwergrasse der Maus, es würde sich um den Wirkungsmechanismus der Gene selbst handeln. Es ist dies ja jene Kardinalfrage, die STOCKARD wie auch s. Zt. mich selbst ursprünglich veranlaßte, solche Kreuzungen vorzunehmen. — Es ist heute noch nicht möglich, auf diese verschiedenen Fragen eine sichere Antwort zu geben. Wenn man sieht, wie innerhalb des gleichen Wurfes in wohlbekannten Blutslinien reinrassiger Bu. z. B. doch recht verschieden aussehende Geschwister fallen können (z. B. Abb. 11), dann wird man jedenfalls zunächst an verschiedene Erbbedingtheit der Unterschiede und nicht an Modifikationen denken, wird für das, was in diesem Falle den Hauptunterschied darstellt, nämlich die verschiedene Stärke des „Wuchsformgrades", erbliche Verschiedenheiten annehmen. Damit aber kommen wir auf die wesentliche Frage: besteht überhaupt noch eine Berechtigung von „die Wuchsform" bestimmenden Erbverschiedenheiten zu sprechen, wenn die Analyse der Kreuzungstiere doch anscheinend ergibt, daß die verschiedenen Teilsymptome, die in ihrer Gesamtheit das Bild einer bestimmten Wuchsform ausmachen, einem Mosaik von frei kombinierbaren Einzelgenen entsprechen? Handelt es sich bei der Bezeichnung „Wuchsform" nicht vielmehr um einen rein deskriptiven, nur provisorische Ordnung schaffenden Begriff, dem bei genetischer Betrachtung kein Äquivalent entspricht? Dies führt zu der Frage, ob ein solcher Gesamttypus, wie er uns als Bu.-typus entgegentritt, als ein Ganzes auf einen Hieb gewissermaßen überhaupt entstehen kann? Es gibt „Modellversuche" der Natur, welche diese Frage bejahen lassen, nämlich die eben schon angezogene typische Umgestaltung, wie z. B. am Schädel von Wildtierarten, insbesondere gerade Caniden, durch das Aufwachsen im Zoologischen Garten 'bewirkt werden kann (WOLFGRAM, KLATT 1932), allerdings als Modifikation und nicht den extremen Grad erreichend, den der Bu.-typus zeigt. Aber diese „B r a c h y c e p h a 1 i e" liegt mit ihren Teilsymptomen ganz in der Richtung dieses Wuchsformtypus, womit jedoch natürlich keineswegs gesagt sein soll, daß dieser auf einem solchen Wege — aus ursprünglichen Modifikationen — entstanden sein könnte. Nur dies soll aus dem Beispiel entnommen werden, daß ein so einheitliches Gesamtbild, wie es hier auf dem Wege der Modifikation durch e i n e n Schritt erzielt wird, doch wohl auch erbbedingt als Ganzes „auf einen Schlag" bewirkt werden kann. Wenn man dies zugibt, dann macht es grundsätzlich nur geringe Schwierigkeiten an erblich bedingte verschiedene Abstufungsgrade der Wuchsform z. B. etwa nach dem Muster m u l t i p l e r A l l e l e zu denken. Die Tatsache, daß unbeschadet von Einzelzügen doch den verschiedenen Typen der Kreuzungstiere allgemein ein bestimmter Grad von „ B r a c h y c e p h a l i e " zukommt, legt den Gedanken nahe, daß durch die vielen Einzelgene, welche die Kreuzung aufdeckt, doch noch nicht das ganze Bild voll erklärt wird, sondern daß ein solcher allgemeiner Faktor noch hinzukommen dürfte. Weitere Hypothesen hier aufzustellen, erübrigt sich in der vorliegenden Arbeit, deren Ziele ja nicht erbtheoretischer Art sind (vgl. im übrigen die „Schlußbemerkungen" p. 123). .

84

B.

KLATT

B. Verhalten der Weichteile des Kopfes Eine genauere anatomische Präparation der Weichteile des Kopfes, insbesondere der mimischen Muskulatur, der knorpeligen Teile von Nase und Ohr usw., ist nicht vorgenommen worden. Die Abgüsse des vom Fell befreiten Kadavers, besonders auch des Kopfes („Kadaverkopf" im folgenden), die nachträgliche Feststellungen liefern sollten, sind vor einer solchen Auswertung 1943 mit verbrannt. Nur die Volumenfeststellung war an ihnen vorher schon genommen worden. Deren Werte sind ebenso wie die Volumenwerte der (noch vorhandenen) Totenmasken bereits in Teil II meiner Veröffentlichungen (1942) mit benutzt worden zu Feststellungen über das quantitative Verhalten des Kopfganzen — mit bzw. ohne Fell — bei den einzelnen Tieren. Die Differenz zwischen beiden Volumenwerten liefert einen zahlenmäßigen Anhalt f ü r den Anteil, den das F e l l am Kopfvolumen ausmacht. Bei der Präparation festgestellt wurden ferner die Gewichtswerte der wichtigsten K a u m u s k e l n (Temporaiis, Masseter, Digastricus) und der — bisher noch nicht näher bearbeiteten — G e h i r n e . (Inzwischen ist eine Bearbeitung von OBOUSSIER (1950) erfolgt.) Außerdem liegen die S c h ä d e l vor, deren F r i s c h g e w i c h t e nach einer seit 1913 von mir verwendeten Methode (s. auch 1941) errechnet sind. An Hand dieser Unterlagen sind wie gesagt bereits 1942 Schlußfolgerungen gezogen worden, so daß hier nicht viel mehr als ein Referat jener Ergebnisse gegeben wird. Ich lasse dabei fort die s. Zt. mit Hilfe der Planimetermethode gemachten zahlenmäßigen Feststellungen (Ausmessung der Photos von Maske, Kadaverkopf und Schädel in den 3 Hauptansichten von der Seite, von oben, von vorn). Mit dieser Methode wird es möglich, einen zahlenmäßigen Ausdruck zu gewinnen f ü r den bildmäßig entstehenden subjektiven „Größeneindruck", den Kopf bzw. Schädel machen (vgl. hier z. B. Aufstellung „nach dem Größeneindruck p. 52). Für die quantitative Zerlegung des Kopfganzen in seine Anteile, wie sie jetzt hier folgen soll, sind natürlich diese durch Planimetrierung gewonnenen Flächenwerte nicht verwendbar. Wie sie für Einzelfälle doch herangezogen werden können, s. p. 90. Bezüglich der für eine solche — grobe — Analyse also zur Verfügung stehenden Teile des Kopfes einige Bemerkungen. Die Angaben über die relative Beteiligung des Fells am Kopfganzen werden hier abgelesen aus der Differenz der Volumenwerte von Totenmaske und Kadaverkopf, gemessen in ccm. Die Angaben betreffs Kaumuskulatur und Gehirn liegen vor als Gewichtswerte in g. Da das spezifische Gewicht nicht viel über 1 liegen dürfte, wird man die Gleichsetzung von ccm und g nicht beanstanden. Anders liegt es jedoch hinsichtlich des Schädelgewichts. Das Skelett des Bu.-typs ist wesentlich schwerer infolge stärkerer Knochendicke und damit eines größeren Mineralgehalts als dem des Wh.-typus. Obwohl der Schädel bei Bu. und Wh. von gleicher Körpergröße rein eindrucksmäßig — durch die Planimetermethode auch objektiv faßb a r — in ihrer Größe nicht wesentlich verschieden sind, liegt das Schädelfrischgewicht bei Bu. um gut 50 °/o höher. Eine befriedigende Methode zur Volumenmessung des Schädels habe ich jedoch bisher nicht ausfindig gemacht. So muß hier also — trotz der Beanstandung — zunächst der Gewichtswert benutzt werden, um Vorstellungen über den Anteil des Skeletts am Kopfganzen zu erhalten. Über eine Korrektur dieses Wertes s. p. 90. — Was den nach Abzug dieser aufgeführten Teilwerte verbleibenden „R e s t" anteil des Kopf-

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

85

977

324

33,1

83

8,5

1343

981

362

26,9

85

6,3

283,(5

Hirngewicht

33

102

9,4

126 186

12,2

288,6

28

19

227,7

23,3

16,1

21,1

344,4

25,6

20,1

„Rest" in %

340

653

5-S

Schädelgewicht

690

® o

0)

in '/»

1030

Kaumuskeln

Differenz

Freia Rex

Kadaver kopfvolumen

Ottschi

Maskenvolumen

Tabelle 1

17,8

Rabbi

805

578

227

28,2

79

9,8

160

20

279,6

34,7

7,3

Regine

765

599

166

21,7

73,5

9,6

190,4

24,8

196,3

25,6

18,3

Rollo

765

570

195

25,4

78,5

10,2

130

17

178

23,2

24,2

Rumba

710

532

178

25

71

10

127

18

209,3

29,4

17,6

Robert

755

566

189

25

72,5

9,6

169

22,3

198,5

26,3

16,8

Ratze

665

503

1(52

24,3

62

9,3

121

18,2

209,2

31,4

16,8

Rosine

575

448

127

22

66

11,5

121,4

21,1

147

25,5

19,9

Pluto

575

507

68

11,8

86,5

15

136

23,6

182,4

31,7

17,9

Pascha

635

535

100

15,7

86,5

13,(5

153

24,1

187,8

29,5

17,1

Pollux

594

513

81

13,6

77

12,9

131

22

160,4

27

24,5

Puppe

530

452

78

14,7

72,5

13.(5

110

20,7

153

28,8

22,2

Pedro

445

380

65

14,6

71,5

1(5

9(5

21,5

135,1

30 3

17,6

Mikosch

455

396

59

12,9

64

14

99

21,7

152

33,4

18

Wh

470

423

47

10

89

18,9

76

16,1

168

35,7

19,3

Bill

795

608

187

23,5

82

10,3

174

21,8

196

24,(5

19,8

Bima

7-25

643

82

11,3

82

11 3

179

24,6

246,5

34

18,8

Bella

705

586

119

16,8

89

12,6

167

23,6

186,9

26,5

20,5

Bussy

670

577

93

13,8

84

12,5

142

21.2

184,11

27,4

25,1

Cello

736

615

121

16.4

84

11,2

183

24,8

211

28,6

19

Cyclop

765

565

200

26,1

72.5

164 8

21,5

205

26,8

16,2

Czardas

695

575

120

17,2

74

10,(5

160

23

194,3

27,9

20,3

Czar

605

508

97

16

73

12

125

20,(5

182,4

30,1

21,3

Cäsar

610

525

85

13.9

69,2

11,3

140,8

23

155

25,4

26,4

si ) aufweist, während die höchsten Relativwerte (über 16 %>) bei den kleinsten Tieren (Chico, Cora) anzutreffen sind. Wenn 2 der P-Tiere *) Es ist interessant, daß auch die Hypophyse dieses Tiers die stärkste bisher überhaupt .gefundene Cystenbildung aufwies (OBOU,SSIER 1948, p. 200), so daß das Tier bezüglich dieser Organe nicht als Norm für seine Rasse anzusehen ist.

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

89

(Pascha, Pluto) noch etwas höhere Hirngewichte als Rex haben, so zeigt dies, daß hier spezielle Erbtendenzen bezüglich des Hirns sich durchsetzen: der Vater (Bill) hat, von seiner Bu.-mutter h e r ein hohes Hirngewicht, die Wh.m u t t e r Asta der P-tiere h a t t e gleichfalls ein hohes (p. 88) Hirngewicht. E r b -

theoretisch weniger verständlich ist dagegen, daß die R-tiere verhältnismäßig niedrige Hirngewichte aufweisen, das absolut kleinste Hirn mit 62 g bei dem Bu.-ähnlichen R-tier Ratze. Daß die Hirngröße in gewissem Grade unabhängig von der Körpergröße variiert — zweifellos mitbedingt durch den wechselnden Wuchsformeinfluß — zeigen dann die Tiere der F2- und F3-generation, unter denen eines der kleinsten (Dolly) den zweithöchsten H i r n w e r t in dieser G r u p p e aufweist. — Die Muskeln nehmen, i. G. zum Hirn, im gleichen Tempo zu wie die Gesamtkörpermasse. Wenn hier bei den Kreuzungstieren trotz gleicher Körpergröße verschieden hohe Muskelwerte auftauchen, so d ü r f t e in erster Linie auch d a f ü r der Einfluß der verschiedenen Wuchsform verantwortlich sein. Die P-tiere zeigen trotz i h r e r am weitestgehenden Wh.-ähnlichkeit zu hohe Muskelwerte; selbst das kleinste (Pedro) ü b e r t r i f f t immer noch mit seinem absoluten

90

B. KLATT

Wert den der beiden reinen Wh., obwohl er an Körpergröße wesentlich kleiner ist. Dies dürfte über den Vater (Bill) von der Bu.-Großmutter herrühren. Auch die Kaumuskeln dürften durch besondere Erbfaktoren verschieden groß gestaltet werden. Sonst wäre es nicht verständlich, daß bei den R-tieren, die doch die Bu. zur Mutter haben, die Werte so auseinandergehen. Robert hat mit 169 g einen wesentlich höheren Wert als die größeren Tiere Rumba (127 g) und Rollo (130 g), die damit weniger als die 3 größten P-tiere besitzen. Regine übertrifft dagegen sogar ihre Bu.-mutter. Daß Rex bei seiner Größe den absolut höchsten Wert aufweist, ist verständlich. Wenn Rabbi so niedrig liegt, so ist der Grund d a f ü r in seiner Abmagerung infolge Erkrankung (p. 86) zu suchen. — Ebenso gehen bei den C-tieren die Werte stark auseinander: Cello höher sogar als die B-tiere, denen er im Habitus gleicht, das Bu.-ähnlichste C-tier Cyclop, von gleicher Größe, hat einen geringeren Wert, wenn auch den zweithöchsten. Es ist bemerkenswert, daß selbst die kleinsten C-tiere noch höhere Werte aufweisen als der Durchschnittswert der weit größeren reinen Wh. Hinsichtlich der Muskelentwicklung scheint eher der Bu.-typ zu dominieren. — Bezüglich des S c h ä d e l s ist oben (p. 84) schon darauf hingewiesen, daß das Gewicht ein schlechter Repräsentant der Größe dieses Anteils ist und auf p. 34 ist beim Schädeltyp der B-tiere ferner die Möglichkeit erwogen, daß die — das Gewicht stark beeinflussende — Menge der Mineralstoffe und die Dicke der Knochensubstanz unabhängig voneinander variieren können. So ist es verständlich, daß die Werte sich hier noch weniger in eine Ordnung bringen lassen — im Gegensatz zu den reinen Typen. Drücken wir die Differenz zwischen höchstem und niedrigstem "/»wert (Rabbi außer acht lassend) in %» des niedrigsten aus, so erhalten wir f ü r das Schädelgewicht etwa 55 (CecilBima), f ü r die Kaumuskeln 46 °/o (Rollo-Cello). Wesentlich stärker variieren die — nicht gewogenen, sondern erschlossenen — Anteilwerte f ü r den „Rest" mit über 80 %> (Cecil-Cyclop) und — am stärksten — f ü r die Differenz zwischen Masken- und Kadavervolumen ( = Hautanteil) mit 153 °/o (Caroline-Cyclop). Die einzelnen °/owerte verteilen sich f ü r die verschiedenen Anteile anscheinend ungeordnet, so daß auch in dieser Hinsicht wieder ein Beispiel f ü r die „Buntheit der Bastarde" i. G. zu den reinen Typen gefunden wird. Erst eine nähere Kenntnis der Erbfaktoren, von denen die verschiedenen Anteile abhängig sind, würde eine Ordnung in diese Buntheit bringen, z. Zt. ist dies nicht möglich. Für das Verständnis der physiognomischen Verschiedenheiten der einzelnen Individuen werden aus diesen Untersuchungen aus dem oben (p. 86) angegebenen Grunde nicht viel mehr als allgemeine Hinweise gewonnen. In welcher Weise man dies tun kann, sei kurz an einem Beispiel dargetan, nämlich an den beiden C-tieren, die in dieser Gruppe die stärksten Gegensätze der Physiognomie zeigen: Cecil, dem am meisten Wh.-ähnlichen und Cyclop, dem am meisten Bu-ähnlichen Tiere. In der Körpergröße ist Cyclop mit 8,9 kg Netto-Gewicht Cecil (6.6) überlegen. In der Größe des Schädels dagegen als der Grundlage der Dauerphysiognomie rangieren beide auf gleicher Stufe, wie am besten die Planimetrierungsmethode zeigt: die Summe der Flächen des Schädelbildes in den 3 Hauptansichten ergibt f ü r beide den gleichen Wert 105 (vgl. 1942, Tab. p. 354). Cyclop hat nämlich f ü r ein Tier seiner Größe einen auffallend kleinen Schädel (s. o. p. 48). Die starke Vergrößerung seines Kopfes gegenüber dem von Cecil wird also durch die Weichteile bedingt. Von die-

Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden

91

sen spielt das Hirn keine Rolle, denn die Hirngewichte sind wenig u n t e r schiedlich (Cyclop 72,5, Cecil 76,5 g). Dagegen ist die K a u m u s k u l a t u r bei Cyclop u m 50 % schwerer (164,8 g gegenüber 109,8). Am stärksten aber ist der Unterschied im Hautanteil, bei Cyclop 135 %» m e h r als bei Cecil (200 gegenü b e r 85 ccm). Es bleiben noch zu erörtern der Anteil des Schädelvolumens und des nicht n ä h e r analysierten „Restes". U n d hier e r g i t t sich bei näherer Überlegung noch ein weiterer Gesichtspunkt f ü r die große Variabilität der Restwerte. Das Schädelfrischgewicht von Cyclop liegt mit 205 g u m 82 g (66 °/») höher als bei Cecil mit 123,2 g. F ü r den Restanteil dagegen ergeben sich die absoluten Werte mit r u n d 122 f ü r Cyclop gegen 165 f ü r Cecil. Wenn m a n n u n berücksichtigt, daß „nach dem Eindruck" (Planimeterwerte) beide Schädel gleich groß sind, d ü r f t e der höhere Gewichtswert f ü r Cyclop in erster Linie durch die seiner Bu.-ähnlichkeit entsprechende größere Schwere der Knochensubstanz an sich, die keine beträchtliche Volumenvergrößerung bedeutet (s. o. 84), zu erklären sein. Die Betrachtung der Schädel selbst zeigt dies auch unmittelbar. Der Schädel von Cecil ist entsprechend dessen allgemeiner Wh.-ähnlichkeit viel graciler bezüglich der allgemeinen Knochenentwicklung. Veraschungsversuche, die ich begreiflicherweise nicht anstellen will, w ü r d e n zweifellos diese A n n a h m e bestätigen. Wenn m a n also f ü r das Volumen des Schädels von Cyclop den Wert herabsetzt, sagen w i r etwa auf 150, so w ü r d e sich das f ü r den Anteil des Restes, der ja n u r als Differenz der übrigen Teilwerte sich ergibt, so auswirken, daß dieser f ü r Cyclop 177 ergibt. Es w ü r d e d a n n in Wahrheit auch bezüglich des Restes Cyclop u m 12 ccm sich erhöhen gegenüber Cecil; f ü r den Schädel beträgt die Differenz zwischen beiden d a n n n u r noch 27 ccm. Da die Muskulatur (Zunge, Pterygoidei, Unterkopfmuskeln) zweifellos die H a u p t masse des Restes ausmacht, w ü r d e das gut der Verschiedenheit der — w i r k lich gewogenen — Kaumuskeln entsprechen. N ä h m e m a n die Schädelvolumina als gleich, so w ü r d e der Rest f ü r Cyclop sich um noch mehr, nämlich u m 82 auf 204 erhöhen. Die Differenz zwischen ihm u n d Cecil w ü r d e f ü r den Rest auf 39 steigen, d . h . u m fast 25%. I m m e r h i n m ü ß t e bei Cecil dann doch noch eine s t ä r k e r e Entwicklung der Hohlräume im Kopf (s. o. 81) vorhanden sein. Aber eine wesentliche K o r r e k t u r der Unterschiede im Rest w ä r e doch erreicht, und nach meiner Ansicht ist sie berechtigt. In dieser Weise, unter Heranziehung der Planimeterwerte, noch weitere Vergleichspaare zu analysieren, sei hier nicht n ä h e r ausgeführt. Das, was aus den Erörterungen dieses ganzen Abschnittes f ü r das Verständnis der physiognomischen Verschiedenheiten des lebenden Tieres sich e r gibt, ist also, daß außer den durch das Schädelgerüst gegebenen Proportionen und sonstigen Besonderheiten, wie besonders der Entwicklung des Stirnabsatzes und dem Aufkippungsgrad des Gesichtsschädels, sowohl die Auflage der Kaumuskeln wie vor allem die Entwicklung der Haut eine wichtige Rolle spielen. Da diese Anteile, wie die Tab. p. 85 zeigt, unabhängig von der Schädelform bei den Kreuzungstieren sich sehr verschiedenartig kombinieren können entsprechend der allgemeinen „Buntheit der Bastardzusammensetzung", w i r d imm e r h i n hiermit eine tiefere Erkenntnis der Unterschiede der Physiognomien der lebenden Tiere erreicht.

92

B. KLATT

C. Die Physiognomie des Kopfes Der Schädel ist das feste Gerüst des Kopfes und damit ein wichtiger Schlüssel zur Erkenntnis seiner Gestaltung. Die Physiognomie des Schädels ist daher in erster Linie Gegenstand dieser Arbeit, w i e im Titel schon zum Ausdruck kommt. W i e im vorhergehenden Abschnitt gezeigt, spielt aber die A u f lage der Muskeln und vor allem der Haut eine nicht minder wichtige Rolle für dieses Zustandekommen der Physiognomie. Die Frage, wieweit die Gestalt des Schädels dadurch verdeckt wird, bzw. — anders herum — welche Schädelmerkmale dennoch für die Physiognomie des lebenden Tieres von Bedeutung sind, w i r d eine Hauptfrage des hier beginnenden Abschnittes sein. Dabei soll — w i e schon in den Vorbemerkungen (p. 12) gesagt — diese P h y siognomie als Dauergestalt, d. h. entkleidet von ihren zeitlich wechselnden Ausdrucksveränderungen, betrachtet werden. Die Physiognomie des lebenden Tieres mit der gleichen Ausführlichkeit zu untersuchen wie die des Schädels ist jedoch nicht gut möglich. Die Tiere selbst stehen ja nicht mehr zur V e r fügung, nur ein reiches P h o t o m a t e r i a l für jedes aus verschiedenen A l tersstadien, dessen volle Auswertung jedoch eine sehr lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Daneben sind die T o t e n m a s k e n vorhanden, die P h y siognomie am Ende eines mehr oder minder langen Lebens festhaltend, entstellt durch den Tod. A n diesem Merkmal wären genauere Messungen auch jetzt noch möglich, werden jedoch nicht weiter ausgewertet; wie oben (p. 23) schon für den Schädel gesagt, ist ja ein eigentliches Ende solcher Untersuchungen nicht abzusehen, man muß einen vorläufigen Abschluß setzen. Bezüglich beider genannten Unterlagen für die folgenden Darlegungen zuvor einige allgemeine Bemerkungen. Was die P h o t o s angeht, so sind hier nur Profilaufnahmen aus dem mittleren Lebensalter ausgewählt worden, entsprechend der vornehmlichen Bedeutung gerade dieser Ansicht für die Betrachtung der charakteristischen Gestaltung des Hundegesichts (s. o. p. 13 u. 71). Die beigegebenen Abbildungen sind nach diesen Photos in gleichbleibender Manier (s. o. p. 14) gezeichnet von Herrn F R I T Z D I E H L vom Zoologischen Museum, Hamburg. Die zur Verfügung stehenden Aufnahmen zeigen nicht bei jedem Tier das genaue Profilbild, sondern dieses z. T. in verschiedener Weise verkantet, wodurch das Bild an Leben gewinnt; aus diesem Grunde wählt man bei Portraitaufnahmen ja gern die „halb en face"-Stellung — „Steckbrief" aufnahmen wirken viel weniger lebenswahr, aber — sie geben mehr das Typische der Gestalt, werden daher auch in der Anthropologie bevorzugt. Von dem hier verfolgten iZiele aus gesehen sind diese Verkantungsaufnahmen also eigentlich nicht erwünscht, aber es ist schwer am lebenden Tier stets eine bestimmte gleichbleibende Stellung des Kopfes festzuhalten. Bei den T o t e n m a s k e n dagegen ist dies möglich. Die Aufnahmen, nach denen — auch wieder in gleichbleibender Manier — die Zeichnungen angefertigt sind, wurden daher nach der „Steckbrief"methode vorgenommen. W i e in Teil I I (1942) näher angegeben wurde die Maske, ebenso übrigens Kadaverabguß und Schädel (für die o t e n p. 84 erwähnte Planimetrierung), in den 3 Hauptansichten photographiert, ausgerichtet auf die Schädelbasis als Orientierungsebene. Nur die P r o f i l - und einige Frontansichten werden hier ausgewertet. Bezüglich dieser beiden Ansichten noch einige Bemerkungen. Die Profilansichten der Toten-

A b b . 2 9. Oben: Freia, unten: Ottschi.

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B. KLATT

maske erscheinen viel gleichartiger, monotoner, als L e b e n d a u f n a h m e n des gleichen Kopfes, kleine individuelle Besonderheiten w e r d e n also m e h r oder minder verwischt, damit aber das Typische herausgehoben. Die Frontansichten lassen, wie auch beim Menschen, individuelle Züge m e h r in Erscheinung treten, w o f ü r wohl die stets vorhandenen Ungleichheiten zwischen rechts u n d links ein H a u p t g r u n d sind, w ä h r e n d in der Profilansicht Asymmetrie ja gar nicht in Frage kommen kann. Da es in vorliegender Arbeit in erster Linie auf das Typische des Bildes ankommt, w e r d e n eben wie gesagt die Profil ansichten verwendet. Dabei können die Totenmasken aber dennoch n u r ergänzend h e r angezogen w e r d e n aus Gründen, die in den Besonderheiten des A b g u ß v e r f a h rens*) liegen. Die leichte Verschiebbarkeit der Haut, die im Tode ihre n a t ü r liche Spannung verliert, bedingt beim H u n d in h ö h e r e m Maße als beim Menschen Fehlerquellen, die das Bild unnatürlich gestalten können gegenüber dem Photo des Lebenden. Zumal die Augengegend sowie die Umgebung des Maules (Lefzen) u n d die Kehlhautpartie w e r d e n davon betroffen. Der K a d a v e r kopfabguß (also Kopf ohne Haut) ist daher in dieser Hinsicht günstiger. Leider liegen von diesen n u r noch die Photos, nicht m e h r die Abgüsse selbst vor (s. o. p. 84). a. D i e P h y s i o g n o m i e d e r r e i n r a s s i g e n Tiere. A m Schädel w u r d e n als wichtigste Unterschiede im Profilbild der beiden reinen Wuchsformtypen f ü r den Gesichtsabschnitt dessen verschiedene Länge, insbesondere i m Verhältnis zum Hirnschädel, seine Stellung zu diesem (Aufkippung) und der Stirnnasenabsatz hervorgehoben. Am Hirnschädel spielt f ü r das Profilbild dessen Höhe und vor allem der Verlauf der Oberkante eine wichtige Rolle. Die Schnauzenlänge ist ¡selbstverständlich in hohem Maße bedingt durch die Länge des Gesichtsschädels. Diese wechselt bei verschiedenen Individuen innerhalb des Bu.-typs beträchtlich. Den kürzesten Gesichtsschädel von allen Bu. die ich bisher untersucht habe, zeigt die „Uberbulldogge" Ottschi (Schädel in Abb. 11), w ä h r e n d der Schädel der S t a m m u t t e r Freia keinen so hohen Verkürzungsgrad aufweist (Abb. 20). Dem entspricht auch das Bild im Leben (Abb. 29). Ein verschiedener Aufkippungsgrad w a r schon innerhalb reiner Wh. am Schädel festzustellen (p. 33), so zwischen Mikosch und seinem Sohn A d a m (Abb. 6 u. 14); der Unterschied kommt auch in der Physiognomie des Kopfes zum Ausdruck (Abb. 30), obwohl an dem Vorderende der Schnauze, wo die (nicht n ä h e r untersuchten) Nasenknorpel das Bild bedingen, Abänder u n g e n möglich sind. Der Absatz zwischen dem knöchernen und dem knorpeligen Teil des Nasenskeletts ist deutlich m a r k i e r t durch eine geringe Einsenkung. Übrigens ist der Knorpel bis zu einem gewissen G r a d e beweglich, und die geringe Aufrichtung dieses vordersten Abschnittes bei A d a m m a g durch die gespannte A u f m e r k s a m k e i t (kenntlich an der Ohrstellung) im Moment der A u f n a h m e als temporäre Abänderung zu erklären sein. Bei den Bu. ist der Ubergang von Knochen zum Knorpel gleichfalls erkennbar, w e n n auch verdeckt *) Die meisten, zuerst bearbeiteten, Tiere wurden behandelt in der Weise, daß die rechte und die linke Kopfseite gesondert abgegossen wurden. Erst später wurde das weit bessere Verfahren angewendet, zuerst den Unterkopf einzugipsen und dann den Gipsbrei auf den Oberkopf aufzutragen. Hierbei können Verzerrungen der Haut viel besser vermieden werden.

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durch die Faltung der zu weiten Haut (s. o. p. 12), die Bu. eigen ist. Diese im Verhältnis zum Stützgerüst zu weite Haut (ein interessantes entwicklungsphysiologisches Problem aufwerfend) bedingt auch die mächtige Lefzenbildung bei Bu. im Gegensatz zu Wh. Dennoch prägen sich die starke Rundung des Unterkiefers und vor allem der Bu.-eigene Vorbiß des Unterkiefers an der Physiognomie gut aus, der sie ein charakteristisches Gepräge geben durch das weite Vorspringen des unterhalb der Nase absteigenden Teils des Profils, während bei Wh. die Nasenspitze den am weitesten vorspringenden Punkt darstellt, von dem die Vorderkante des Schnauzenprofils in spitzem Winkel nach hinten gerichtet absteigt. Die gestreckte Unterkieferkante bedingt einen entsprechenden Verlauf der Umrißlinie im Profil. Die Totenmaske von Wh $ 1941 (Abb. 33), bei dem „Nachbiß" bestand, zeigt dieses Merkmal auch deutlich in der Physiognomie des Kopfes. Ein deutlich ausgeprägter Stirnnasenabsatz („Stop") fehlt, dem Verlauf des Schädelprofils entsprechend, der Wh.physiognomie. Dies kommt an der Totenmaske (Abb. 33) deutlicher zum Ausdruck als beim Lebenden, da hier die Anspannung der Brauenmuskeln eine temporäre Erhöhung des Profils über den Augen bedingen kann (Abb. 30), wodurch der typische Verlauf des Schädelprofils von Wh. in dieser Gegend überdeckt werden kann. Für Bu. ist der durch die Konfiguration des Schädels bedingte Stirnnasenabsatz (s. p. 77) überaus charakteristisch. — Was die hintere Kopfhälfte betrifft, so ist die größere Höhe bei Bu. gegenüber Wh. schon aus der Betrachtung des Schädels zu erwarten. Die Oberkontur des Hirnschädels mit seiner stärkeren Rundung bei Bu., dem mehr graden Verlauf bei Wh. wird bei Tieren der hier vorliegenden Größenstufe noch nicht durch die Auflage der Kaumuskeln verändert, tritt also bestimmend in Erscheinung in der Physiognomie des Lebenden. Nur im hinteren Abschnitt am Übergang in die Nackenregion wird bei Bu. die Linienführung abgeändert (mehr gestreckt). Gewisse — temporäre •—• Änderungen des Verlaufs dieser Kontur können durch die jeweilige Stellung der Ohren bewirkt werden, deren Muskeln z. T. auf der Oberseite des Hirnschädels entlangziehen.

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b. D i e P h y s i o g n o m i e d e r P - t i e r e Am Schädel war typisch der mehr abgestufte Verlauf der Oberkontur, bedingt durch die Erhöhung in der Augengegend (vgl. Abb. 14) gegenüber Wh. In der Physiognomie tritt diese Eigenart das Gesamtbild bestimmend in Erscheinung (Abb. 31—33), am wenigsten bei Pascha. Zieht man die Totenmasken mit heran, so wird diese Eigenart auch bei ihm deutlich, zumal wenn man das Bild vergleicht mit dem der Totenmaske des reinen Wh. ? 1941. Die Maske von Puppe (in der gleichen Abb. 33) zeigt diesen f ü r die P-tiere typischen Profil-

A b b . 3 1. Oben: Pascha, unten: Pluto.

verlauf sehr deutlich. Was die danach bemerkenswerteste Abänderung gegenüber der Physiognomie der reinen Wh. bedeutet, ist der mehr oder minder steilere Anstieg der Vorderkante der Schnauze — entsprechend der geringen Verkürzung des Gesichtsschädels der P-tiere gegenüber dem der reinen Wh. (vgl. p. 39). Jeder wird also nach der Physiognomie die P-tiere als nicht ganz echte" Whippets beurteilen. Im übrigen sind die größeren P-tiere unter sich 7«

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weniger verschieden als die drei abgebildeten Wh- Bei dem Kleinsten — Pedro — bewirkt die geringe Größe durch die von ihr abhängige stärkere Rundung des Hirnschädels eine entsprechende typische Abänderung der hinteren Oberk o p f k o n t u r auch in der Physiognomie des Lebenden.

A b b . 3 2. Oben: Pedro, unten: Pollux.

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c. D i e P h y s i o g n o m i e d e r B - t i e r e . Der B-tierschädel zeigte trotz der individuellen Verschiedenheiten einen recht einheitlichen Typ infolge der „Plumpheit", die ihm eigen ist. Soweit diese

A b b . 3 4. Oben: Bill, unten: Bussy.

durch die Proportionen des Schädels bedingt ist (vgl. p. 34), kommt sie auch in der Physiognomie des Kopfes zum Ausdruck, der Kopf ist in allen Teilen höher als der der P-tiere, die Schnauze dem Schädel entsprechend stärker verkürzt. Die größere Abstumpfung (steilerer Anstieg der vorderen Kontur der

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Schnauze) steht damit im Zusammenhang. Der verschieden starke Aufkippungsgrad des Gesichtsschädels, am meisten verschieden bei Bima und Bussy, bedingt auch entsprechende Verschiedenheiten in der Physiognomie (vgl. Abb. 34 u. 35). A n der Maske, die hier n u r von Bussy (Abb. 36) abgebildet wird, tritt die Ähnlichkeit

A b b . 3 5. Oben: Bima, unten: Bella. des Gesichts besonders mit Bella mehr in Erscheinung als in den L e b e n d a u f n a h m e n . Der Vergleich der Maske von Bussy mit dem Bild des lebenden Tiers läßt die Maske als fremdartiger, eben mehr typisiert erscheinen. Die größere Bu.-ähnlichkeit, die Bima im allgemeinen charakterisiert, t r i t t auch in der Physio-

102

B

KLATT

gnomie zutage, obwohl die im ganzen sehr gestreckte Form und die fehlende Aufkippung der Schnauze bedeutsame Unterschiede zu Bu. darstellen. Daß die Haut bei den B-tieren Bu.-ähnlich, etwas zu „weit", ist, prägt sich besonders

A b b . 3 6. Oben: Bill, unten: Bussy (Totenmasken)

in der Kehlgegend bei Bella aus. Der Stirnnasenabsatz ist stärker entwickelt als bei den P-tieren, wie besonders gut der Vergleich der Masken zeigt (Abb. 33 und 36). Zu einem kurzen Gesamturteil zusammengefaßt würde man die B-tiere als „etwas brachycephal" bezeichnen.

Craniologisch-physiognornische Studien an Hunden d. D i e P h y s i o g n o m i e

der

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R-tiere.

Wie schon mehrfach b e m e r k t w u r d e n Tiere, die reinen Bu. gleichen, nicht erzielt. Dem reinen Typ noch am nächsten kommen Rollo und Ratze durch die beträchtliche Kürze der Schnauze, den auch der Physiognomie seine Eigenart

/ •

A b b . 3 7. Oben: Regine, unten: Rumba. gebenden Vorbiß, den starken Stirnnasenabsatz und die Faltung der (Abb. 38). Aber die Kürze erreicht nicht das Ausmaß wie bei Freia, findet sich, der Eigenart des Schädels entsprechend, nicht die vollendete dung des Oberkopfprofils wie bei reinen Bu., damit auch nicht die große

Haut auch RunHöhe

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B. KLATT

des Kopfes (Aufnahme von Rollo oben verkantet). Die abweichende Wirkung des Gesamtbildes wird übrigens beeinflußt durch die nicht Bu.-ähnlichen Ohren, die ja aber nicht weiter in dieser Arbeit berücksichtigt werden (s. o. p. 14). Aber auch wenn man sie abdeckt, treten die Unterschiede zu Bu. gut in Er-

A b b . 3 8. Oben: Ratze, unten: Rollo. scheinung. — Einen anderen Typ zeigen Regine und Rumba (Abb. 37). Sie sind B-tieren weit ähnlicher, Regine mehr Bella (Abb. 35), Rumba mehr Bima (Abb. 35) ähnelnd, entsprechend den gleichlaufenden Verschiedenheiten im Aufkippungsgrade des Gesichtsschädels. Beiden R-tieren fehlt der Vorbiß;

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daher, sowie infolge der größeren Schnauzenlänge auch der Unterschied im Verlauf der vorderen Schnauzenkontur gegenüber den beiden zuerst genannten R-tieren. Besonders interessant ist die sehr B-tierähnliche Oberkopfkontur, weil hier an den Schädeln ein beträchtlicher Unterschied besteht: Rumba hat (s. o. p. 44) den kürzesten und stärkst gerundeten Hirnschädel. Hier, in der Physiognomie des Lebenden kommt dieser Unterschied nicht zum Ausdruck. Es sind die derbe Haut der R-tiere und die am Hinterrande des Kopfes das

A b b . 3 9. Oben: Regine, unten: Rumba (Totenmasken) Schädelprofil verdeckende Muskulatur der Grund, daß hier die Eigenart des Schädels sich nicht auswirkt. Von der anderen f ü r Rumbas Schädel so bemerkenswerten Eigenart, der A u f b l ä h u n g der hinteren Maxillargegend, ist im Profil nichts zu erwarten, aber auch die Untersuchung der Totenmaske, die ja von

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B. KLATT

allen Seiten her betrachtet werden kann, läßt nichts von dieser Besonderheit erkennen. Daß die Bilder der Totenmasken (Abb. 39) beide Tiere womöglich noch ähnlicher erscheinen lassen, liegt an der uniformierenden Wirkung der Masken (s. o. 94). Daß aber stärkere Unterschiede in der Maske zum

A b b . 4 0. Oben: Robert, unten: Rosine (Totenmasken) Ausdruck kommen können, zeigt das in der Abb. 40 wiedergegetene Bild von Robert (gute P r o f i l a u f n a h m e im Leben fehlt). Im Verlauf der Hirnschädelkontur den anderen recht ähnlich, bedingt entsprechend den Unterschieden am Schädel die Kürze und stärkere Aufkippung der Schnauze einen Unterschied

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A b b . 4 1. Oben: Rabbi, unten: Rex.

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des Gesamtbildes. Die Maske von Rosine (gleichfalls Abb. 40) zeigt, wie auch der Schädel (s. o. p. 42), große Ähnlichkeit mit Regine. Eine gewisse Sonderstellung infolge ihrer Größe kommt Rabbi und besonders Rex zu. Das Oberkopfprofil wird hinten aus schon oben (p. 96) angegebenen Gründen verändert gegenüber der Schädelkontur — man sieht es dem Bilde ohne weiteres an, daß es sich um größere Tiere handelt, wobei die größere Höhe der Schnauze mitwirkt. Beide Tiere haben Vorbiß, Rabbi stärker als Rex, sowie einen dementsprechenden Verlauf der vorderen Schnauzenkontur. Der Stirnnasenabsatz kommt bei Rabbi sehr stark zum Ausdruck, bei Rex, der auch am Schädel ihn weniger stark ausgebildet zeigt, weniger.

e. D i e P h y s i o g n o m i e d e r C - u n d

D-tiere.

In dieser Gruppe ließ die Schädeluntersuchung zunächst die Abgliederung der 5 kleinsten Tiere als Sondergruppe als zweckmäßig erscheinen, was sich auch hier empfiehlt. Von den 9 größeren Tieren war die Mehrzahl dem Schädel nach als ± B-tierähnlich zu beurteilen, eine Stufe f ü r sich wurde durch ein Tier (Czardas) repräsentiert, die stärkste Abwandlung in Richtung auf Bu. zeigte gleichfalls nur ein Schädel (Cyclop). Im allgemeinen läßt sich diese Einstufung auch auf die Physiognomien anwenden, wenngleich zu bemerken ist, daß die 7 größeren B-tierähnlichen Tiere deutliche Unterschiede der Physiognomien aufweisen. Cello (Abb. 42), dem trotz gewisser Unterschiede den B-tieren ähnlichsten, kommt Czar noch am nächsten; die Schnauze ist bei ihm etwas kürzer, die größere Höhe im vorderen Gesichtsschädelabschnitt macht sich in der Physiognomie dagegen nicht bemerkbar. Die drei folgenden Tiere (Cäsar, Cäcilie, Cyon Abb. 43), die alle gleichfalls im Typ sich ähneln, haben im Gegensatz zu der gedrungener wirkenden Physiognomie von Czar deutlich schlankere und niedrigere Köpfe. Bei Cyon, dem kleinsten von ihnen, macht sich der Einfluß dieser geringeren Größe bereits durch eine stärkere Rundung des Oberkopfes deutlich bemerkbar. Von der gewissen Fuchsähnlichkeit, die im Schädel von Cäsar auffiel, ist in der Physiognomie nichts zu bemerken, insbesondere der deutliche Stirnnasenabsatz gibt der Physiognomie ohne weiteres das typisch hundeähnliche Aussehen. Am Kopf von Cäcilie macht sich die am Schädel bemerkenswerte besondere Niedrigkeit des Schädels (s. o. p. 45) keineswegs geltend. In diese Gruppe der ± B-tierähnlichen C-tiere gehört auch Cecil (Abb. 44), das im allgemeinen Habitus Wh.-ähnlichste dieser Tiere. Die Physiognomie aber zeigt deutliche Unterschiede zum Wh.-typ, besonders durch den stärkeren Stirnnasenabsatz und die stärkere Aufkippung der Schnauze. Auch hier macht sich die besondere Niedrigkeit des Gesichtsschädels in der Physiognomie nur wenig bemerkbar. Das letzte Tier der Gruppe Carlchen (Abb. 44) ist dagegen ein besonderer Typ, der eine auffallende allgemeine Ähnlichkeit mit Czardas besitzt, welcher aber im Bau des Schädels einen deutlichen Unterschied zu den ± B-tierähnlichen Tieren aufweist, so daß er (p. 44) als eine Stufe f ü r sich betrachtet werden mußte. Was die Ähnlichkeit dieser beiden Tiere untereinander und den Unterschied zu den vorherbesprochenen bedingt, ist jedoch bei näherem Zusehen nur ein besonders in die Augen fallendes Merkmal: der Vorbiß, der die vordere Schnauzenkontur in der oben angegebenen Weise verändert. Hinzu kommt die Aufkippung der Schnauze, bei Czardas stärker als bei Carlchen schon

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am Schädel zum Ausdruck kommend, f ü r das allgemeine Bild der Physiognomie der beiden von gleicher Bedeutung. Unterschiede zwischen beiden ergeben sich bei näherem Zusehen f ü r den Verlauf der Oberkopfkontur. Hier fiel — diesem Unterschied entsprechend — auch der Schädel von Czardas (Abb. 22) schon auf durch die stärkere Wölbung der Linie, die — einzig unter allen Tieren — fast

A b b . 4 2. Oben: Cello, unten: Czar.

einen Knick aufwies. Dieser kommt, infolge der Muskelauflagerung, in der Physiognomie allerdings nicht zum Ausdruck, nur eine allgemeinere stärkere Rundung, die hier bei der Größe des Tieres — Czardas ist eines der größten C-tiere — nicht durch die Wirkung der Kleinheit, sondern durch einen stärkeren Bu.-einschlag zu verstehen ist. Bei Carlchen dagegen ist die stärkere Rundung

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B. K L A T T

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B. KLATT

w/fi^kM

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A b b . 4 5. Oben: Cäsar, Mitte: Cecil, unten: Carlchen (Totenmasken)

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B. KL ATT

A b b . 4 7. Oben: Caroline, Mitte: Ciüi, unten: Chico.

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auf das Konto der geringen Größe zu setzen. Besser als in der Physiognomie des Lebenden zeigtsiesichin der Maske (Abb. 45) besonders im Vergleich mit der seines Bruders Cecil, der seinerseits wieder, als Maske betrachtet, eine größere Ä h n lichkeit mit Cäsar (Abb.) erhält. Wenn hier bei diesen drei C-tieren die Oberschädelkontur bei jedem Besonderheiten aufweist, im Gegensatz zu den Masken der R-tiere Regine und R u m b a (Abb. 39), die im Schädelbau so verschieden u n t e r sich waren, so liegt der G r u n d d a f ü r wohl in erster Linie darin, daß die zartere

A b b . 4 8. Oben: Cora, unten: Dolly (Totenmasken) Haut dieser C-tiere Eigenarten des Schädels in geringerem Maße verdeckt. — Die merkwürdigste Physiognomie von allen C-tieren, ja von allen Kreuzungstieren überhaupt, hat Cyclop (Abb. 46). F ü r den Schädel w u r d e oben (p. 48) eine allgemeine Ähnlichkeit mit Rumba betont, w e n n auch Unterschiede in Einzelheiten ohne weiteres e r k e n n b a r waren. In der Physiognomie beider besteht eine erhebliche Verschiedenheit, die vor allem durch den geringen Vorbiß bei Cyclop mit seinen Folgen und die stärkere A u f k i p p u n g und Kürze seiner Schnauze bedingt sind. Vor allem aber trägt auch die starke Entwicklung des Fells bei

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B. KLATT

A b b . 4 9. Totenmasken (Frontansicht) oben links: Ratze, rechts: Bella. Mitte links: Czardas, rechts: Pascha, unten links: Freia, rechts: Cäsar.

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A b b . 5 0 (wie Abb. 49) oben: Cilli, Mitte: Chico, u n t e n : Pedro.

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Cyclop dazu bei, das n u r bei diesem C-tier Falten wirft, die der u n t e r e n Kopfund Kehlgegend ein besonderes Gepräge gaben. Aus der Tabelle 1 (Spalte 3) auf p. 85 geht hervor, daß Cyclop den höchsten Wert f ü r die Differenz zwischen Masken- und Kadaverkopfvolumen (also f ü r die Haut) von sämtlichen Kreuzungstieren, die beiden größten ausgenommen, besitzt. Im Abschnitt B (p. 90) ist f e r n e r darauf hingewiesen, daß der Schädel von Cyclop durch besondere Kleinheit im Verhältnis zu seiner beträchtlichen Körpergröße (neben Cello das größte C-tier) auffällt. Es ist interessant das Bild der Maske und des Kadaverkopfes (Abb. 46) m i t dem Schädel (Abb. 22) zu vergleichen. Die beiden letztgenannten stimmen im Profilverlauf g u t überein. Die Maske zeigt ein ganz anderes Bild, anders allerdings auch als die Physiognomie des lebenden Tiers. Man ersieht hieraus die große Bedeutung des Fells, das einerseits charakteristische Züge des Schädels verbirgt, andererseits durch die Fehler des Abgußv e r f a h r e n s leicht auch die Physiognomie des Kopfes unähnlich dem Aussehen im Leben gestalten kann. Die fünf kleinsten Tiere zeigen auf den ersten Blick den Einfluß der beginnenden Verzwergung durch die stärkere Rundung wie ganz allgemein das Überwiegen des Oberkopfes im Gesamtbild. Die beiden größten Tiere des Materials, besonders Rex (Abb. 41), stehen daher im stärksten Gegensatz zu ihnen. Niemand wird, auch w e n n die Bilder auf gleiche Größe gebracht wären, darüber im Zweifel sein, daß Rex ein großes Tier, die hier (Abb. 47) abgebildeten dagegen kleine Hunde sind, eben wegen der Veränderung des Verhältnisses von Oberkopf zu Gesicht im Zusammenhang mit d e m Unterschied in der K ö r p e r größe. Die Kontur des allseitig gerundeten Hirnschädels der kleinen Tiere tritt, nicht durch überlagernde Muskeln verdeckt, klar in Erscheinung. Im allgemeinen Habitus des Kopfes entspricht Caroline, an Körpergröße das kleinste aller Tiere, der Mehrzahl der C-tiere, also Typ Cello (Abb. 42), n u r eben mit den Zutaten des Einflusses der geringen Größe. Cyon (Abb. 43), von gleichem Typ, aber in der Größe zwischen beiden stehend, bietet demgemäß ein zwischen Cello und Caroline vermittelndes Bild. Cilli und noch m e h r Chico*) zeigen den Einfluß der geringen Größe in der Oberkopfkontur am deutlichsten. Von Cora und Dolly liegen gute P r o f i l a u f n a h m e n aus dem Leben nicht vor. Die Bilder der Masken (Abb. 48), die deshalb hier gegeben werden, zeigen, daß beide Tiere Caroline ähnlicher sind, aber eine k ü r z e r e Schnauze haben. Bei Cora macht sich der geringe Vorbiß als Unterschied bemerkbar. Ergänzend seien wenigstens einige F r o n t a u f n a h m e n von Masken verschiedener Tiere beigegeben (Abb. 49, 50). Trotz der durch das Abgußverfahren bedingten Verzerrungen treten die typischen Unterschiede gut zu Tage. Als „Langgesicht" und „Rundgesicht" könnte man die e x t r e m e n Gegensätze k u r z charakterisieren, wie sie am klarsten natürlich reine Wh. und reine Bu. (vgl. Abb. 3) uns zeigen. In der Abb. 49 repräsentieren Cäsar und Pascha den Typ des Langgesichts — Czardas als deutlich, w e n n auch nicht stark, Bu-ähnlicher Typ unter den C-tieren erscheint in der Frontansicht von der reinen Bulldogg Freia grundsätzlich nicht verschieden, w ä h r e n d das B-tier Bella deutlich einen Mitteltyp zwischen den erst- und letztgenannten aufweist. Abgesehen von der ± Breitgesichtigkeit, bedingt vor allem die A u f k i p p u n g der *) Bei Chico hing zeitlebens die einseitig gelähmte Zunge links zum Maule heraus, wie es auch die Abb. 47 zeigt.

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Nase die charakteristischen' Verschiedenheiten zwischen den verschiedenen Gesichtern. Es braucht wohl nicht betont zu werden, daß der allmähliche Übergang vom „Lang"- und „Rundgesicht" einem entsprechenden Zunehmen der „Brachycephalie" entspricht. Das Bild von Pedro ist beigefügt, um zu zeigen — im Vergleich mit Pascha —, daß auch die typischen Kennzeichen beginnender Verzwergung sich in der Frontansicht deutlich ausprägen (hohe Stirn). f. P h y s i o g n o m i e u n d S c h ä d e l . Der vorstehend gegebene Überblick über die Physiognomien der Kreuzungstiere, deren jedes sein individuelles Gepräge besitzt, bietet ein recht buntes Gesamtbild sehr verschiedener Gesichter. Dennoch ist eine gruppenweise Typisierung möglich. Sehen wir ab vom Typus der 5 P-tiere, die infolge der weitgehenden Dominanz von Wh. bezüglich wesentlich das Gesamtbild bedingender Merkmale als Repräsentanten des Wh.-typs selbst aufgefaßt werden dürften von jemand, der über ihre Abstammung — ein Viertel Großelternanteil Bu.! — nicht unterrichtet ist, dann gehören etwa 70°/» der restierenden 26 Kreuzungstiere einem mittleren Typ an, den man dem Hauptkennzeichen seiner Physiognomie nach als „etwas brachycephal" kennzeichnen würde. Es sind dies die 4 B-tiere, 11 der 14 C- und D-tiere und 3 R-tiere (Regine, Rosine, Rumba). Die anderen 5 R-tiere und das eine C-tier (Cyclop) würde man als „stärker bis stark brachycephal" charakterisieren. Die beiden C-tiere Carlchen und Czardas würde man nur wegen ihres Vorbisses bei zugleich nicht allzu stark verkürzter Schnauze als einen Untertyp von Tieren mit mittlerer Brachycephalie herausheben. Bestimmend f ü r diese Sortierung ist also der Grad der „Brachycephalie", d. i. die ± weitgehende Annäherung an den Grenztyp der reinen Bu. Ich möchte meinen, daß jeder, dem man die Aufgabe einer gruppenweisen Ordnung des Materials stellt, eine solche nach diesem Grundprinzip vornehmen würde. Es ist klar, daß es sich um eine gleitende Skala handelt. Wenn man in den Hauptgruppen noch weiter unterteilen will, was z. B. f ü r Tiere wie Cäsar und Regine ohne weiteres angebracht erscheint, so wird auch hier wieder in erster Linie der Grad der Brachycephalie als Kriterium genommen werden. Schwierigkeiten wird dabei f ü r jemand, der nicht gewöhnt ist, den typisch verändernden Einfluß der Körpergröße mit einzukalkulieren, die Einordnung der 5 kleinsten Tiere machen. Daß auch bei ihnen Verschiedenheiten hinsichtlich des Grades der Brachycephalie zum Einfluß der Größe hinzutreten, zeigt die genaue Betrachtung ihrer Physiognomien wohl jedem, der, einmal darauf aufmerksam gemacht, darauf achtet. Da die Beurteilung in der vorliegenden Arbeit fast ausschließlich abgestellt ist auf die Betrachtung des Profilbildes, das f ü r den Hund die wichtigste Auskunft gibt, sind in erster Linie Länge und Höhe des Kopfes, vor allem des Gesichtsteils, der Schnauze, ausschlaggebend, und die Bezeichnung „Brachycephalie" trifft den Kernpunkt der Unterschiede. Die Heraushebung der beiden Tiere Carlchen und Czardas aber zeigt, daß auch Einzelmerkmale, die nicht eigentlich das Gesamtbild bedingen, doch so auffallen können, daß der naive Betrachter sein Urteil dadurch bestimmen lassen dürfte. Andere solche Sondermerkmale, wie etwa Höhenunterschiede, die das Schädelstudium ergab (z. B. f ü r Czar, Cäcilie, Cecil f ü r verschiedene

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Bezirke am Schädel), können mitwirken an der Schaffung individueller verschiedener Gesichter, werden aber nicht leicht erkannt, sind also nicht bestimmend für den Gesamteindruck, so wie es das Merkmal des Vorbisses z. B. ist. Sie ändern auch kaum etwas an der Beurteilung des Grades der Brachycephalie als des das Gesamtbild beherrschenden Faktors. Wohl aber spielt das Winkelverhältnis zwischen Oberkopf und Schnauze, m. a. W. der Aufkippungsgrad des Gesichtsteils, eine wichtige Rolle für die Beurteilung des Bildes. Der Vergleich der Abbildungen von Bima und Bussy (Abb. 34, 35) oder von Caroline und Chico (Abb. 47) zeigt dies ohne weiteres. Die höheren Grade der Aufkippung finden sich unter den reinen Rassen nur bei Bu., sind also gepaart mit stärkster Brachycephalie. Man ist daher zunächst versucht, eine feste Correlation zwischen beiden Erscheinungen anzunehmen. Gerade die hier vorliegenden Kreuzungstiere zeigen indessen, daß diese Annahme nicht ganz berechtigt ist*). Es kann ein sogar stärkerer Grad von Brachycephalie bestehen ohne merkliche Aufkippung (vgl. Abb. 11 Ora), es kann sich andererseits eine ziemlich starke Aufkippung bei ziemlich lang entwickelter Schnauze finden (Abb. 12). Auch bezüglich Vorbiß und Brachycephalie wird man zunächst an einen inneren Zusammenhang denken, derart, daß die Verkürzung des Gesichtsteils wie oben (p. 29) bereits betont merkwürdigerweise nur den Oberkiefer, nicht jedoch den Unterkiefer betrifft. Aus dieser Verschiedenheit braucht jedoch keineswegs zwangsläufig der Vorbiß zu resultieren: der Unterkiefer kann durch stärkere Aufbiegung sehr wohl auch bei stärkerer Brachycephalie, ohne selbst verkürzt zu werden, Zusammenschluß beider Schneidezahnreihen zuwege bringen. Den stärksten Vorbiß hat Rabbi. Vergleicht man seinen (Abb. 17) Unterkiefer z. B. mit dem von Cello (Abb. 23), so erkennt man, daß beide gleich lang und völlig gleichwertig, nämlich wenig gebogen sind. Infolge der starken Verkürzung des oberen Gesichtsschädels ergibt sich damit für Rabbi der Vorbiß. Aber am Schädel von Rumba (Abb. 22), der gleichfalls schon stärker brachycephaj ist, wird durch stärkere Biegung des Unterkiefers der Vorbiß vermieden. Auch an einen Zusammenhang zwischen Aufkippung des Gesichtsschädels und Vorbiß könnte man denken. Aber dieser Zusammenhang ist noch weniger gesichert. Bussy (Abb. 12) zeigt einen starken Grad von Aufkippung. Der Unterkiefer, der etwa gleich lang wie bei Rumba ist, erreicht durch entsprechende Biegung auch wieder normalen Zahnschluß. Nur bei reinen Bu. findet sich regelmäßig die Trias: Brachycephalie, ± Aufkippung, Vorbiß trotz meist zugleich vorhandener Biegung des Unterkiefers, der also infolge seiner Länge normalen iZahnschluß verhindert. Daß diese Biegung des Unterkiefers übrigens auch bei reinen Bu. fehlen kann, zeigt Abb. 11 am Bilde von Bu. 1913. Aus diesen Erörterungen sieht man schon, daß ein tiefergehendes Verständnis dieser das Gesamtbild der Physiognomie im Leben in erster Linie bedingenden Hauptmerkmale durch die Eigenarten des Schädels bestimmt sind, daß hier also — was eine Hauptfrage dieses Abschnittes sein sollte (s. p. 92) — Eigenarten des Schädels sich durchsetzen in der Erscheinung der Physiognomie. Daß andererseits eine recht verschiedene Konfiguration des Schädels bestehen kann, ohne die Physiognomien wesentlich zu beein*) Beim Schwein, wo ja nächst dem Hund die stärkste Abwandlung des normalen Typs in paralleler Weise sich findet, kann man die gleiche Feststellung machen. Ähnlich auch beim Rind.

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flussen, zeigt der Vergleich von Regine und Rumba (Abb. 37). Letztere hatte den in vielen Punkten eigenartigsten Schädel in dem gesamten Material (s. o. p. 44). Andererseits stand der Schädel von Cyclop (Abb. 22) dem von Rumba im allgemeinen recht nahe. Die Physiognomie von Cyclop (Abb. 46) dagegen ist mit die merkwürdigste aller Kreuzungstiere (s. o. p. 115). Der Vergleich dieser 3 Tiere zeigt also, daß eine weitgehende Unähnlichkeit des Schädelbildes und der Physiognomie bestehen kann. Wie oben (p. 91) näher auseinandergesetzt, ist dies in erster Linie bei größerer Dicke des Fells zu erwarten. Bei feiner Haut, wie sie extrem Wh. eigen ist, setzen sich die Schädelmerkmale viel besser durch. Im allgemeinen besteht auch ein Unterschied zwischen Oberkopf und Gesicht. Die: deckende Muskulatur kann — im Profilbild — die typische Gestaltung des Hirnschädels leicht verdecken bei Tieren von einer bestimmten Größe an, am stärksten also hier bei dem größten, Rex (Abb. 41). Bei den kleinen Tieren (Abb. 47) dagegen wird auch am Oberkopf das Profilbild fast ausschließlich vom Schädel bestimmt, da hier die Muskeln den Hirnschädel weit weniger decken. Da der Hirnschädel sowieso stärkeren Variationen weit weniger' unterworfen ist als der Gesichtsschädel, spielt er bei der Typisierung auch der Physiognomie eine geringe Rolle. Es ist also die Gestaltung des Gesichtsschädels in erster Linie maßgeblich für die Unterscheidung verschiedener Typen, und es sind in erster Linie seine groben Proportionen, d. h. eben der Grad der Brachycephalie, das Hauptkriterium. Die im allgemeinen Hand in Hand mit der Verkürzung gehende Verbreiterung des Gesichtsschädels, einschließlich der Jochbogen bedingt zugleich in der Frontansicht die Gegensätze zwischen „Langgesicht" und „Rundgesicht" (s. o. p. 119). In der Profilansicht ist es vor allem der Verlauf und die relative Länge der Oberkante des Gesichtsschädels, wobei bezüglich des zweiten Punktes auch die Nasenknoipel eine Rolle spielen können (s. o. p. 94). Was die Stirngegend anbelangt, so vermögen hier die Muskeln, besonders die Brauenbeweger, temporär wechselnde Profilbilder zu bedingen und Eigenarten des Schädels zu überdecken. Die Frage des Stirnnasenabsatzes, der für die Beurteilung mancher Hunderassen wichtig scheint, ist aus der bloßen Profilbetrachtung also schlecht zu beurteilen. Zur Feststellung, ob ein echter „Stop" besteht, muß der Kopf auch unter anderen Blickwinkeln betrachtet werden (s. o. p. 76). Auch in dieser Hinsicht ist die Schädelgestaltung maßgeblich. Zusammenfassend ist also zu sagen, daß für eine Typensonderung des Materials neben den Größenunterschieden vor allem der Grad der Brachycephalie maßgeblich ist, d. h. also die beiden am Anfang der Arbeit bereits hervorgehobenen beiden „Grundfaktoren": G r ö ß e und W u c h s f o r m .

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Schlußbemerkungen Vorliegende Arbeit kann ich nicht beschließen, ohne auf einige Punkte einzugehen, die von allgemeiner Bedeutung sind. Einer ist oben (p. 83 ff.) bereits kurz berührt worden: es handelt sich um die Frage, inwieweit man überhaupt berechtigt ist, T y p e i n aufzustellen und damit einen? U n t e r s c h i e d zu m a c h e n z w i s c h e n t y p i s c h e n u n d i n d i v i d u e l l e n M e r k m a l e n ? Ist diese Scheidung mehr als eine nur deskriptive Hilfsvorstellung, als ein Provisorium, das zerflattert, wenn man es unter die schärfere Lupe der Genetik nimmt? So harmonisch aufeinander passend die vielen gegensätzlichen Merkmale in den beiden reinen Typen Wh. und Bu. uns entgegentreten: die z. T. recht disharmonischen Kreuzungstiere zeigen durch diese Buntheit ihrer Zusammensetzung doch anscheinend, daß es sich in genetischer Hinsicht um eine Vielzahl freikombinierbarer Einzelgene handeln dürfte, so daß die übliche rein summarische Auffassung der Genotypen f ü r Wh. einerseits, f ü r Bu. andererseits, auch auf das, was wir als typische Gegensätze bezeichnen, anwendbar sein könnte. Wenn dies schon f ü r diese „reinen Typen" möglich scheint, um wieviel mehr dann f ü r den „Typus" der B-tiere usw. Es ist aber oben (p 183) auch schon darauf hingewiesen worden, daß sehr wohl „auf einen Schlag" eine beträchtliche Änderung des Gesamthabitus in Richtung auf eurysome Ausbildung, also eine Änderung des von uns als „typisch" bezeichneten Bildes zum mindesten im deskriptiven Sinne, allein schon durch das Aufwachsen im Zoologischen Garten, also auf dem Wege der Modifikation, bei Wildtieren herbeigeführt werden kann, so daß grundsätzliche Bedenken nicht der Auffassung entgegenzustehen brauchen, daß der gleiche Gosamteffekt auch als genotypische Änderung durch e i n e n Schritt erzielt werden könnte. Auf historischem Wege Klarheit in dieser Hinsicht zu gewinnen ist wohl aussichtslos. Was den Wh.-typus angeht, so finden wir ihn schon in den ältesten Zeiten der ägyptischen Geschichte gut ausgebildet. Die Windhunde stehen den Pariahunden und damit dem allgemeinen Wildcanidentyp sehr nahe, insbesondere auch was den Schädel angeht. Wir können den Wh.-typ also als nun einmal gegeben annehmen, als das Ergebnis einer phylogenetischen Entwicklungsreihe, das nur in gewissen Punkten in der Domestikation „veredelt" worden ist. Der Bu.-typ dagegen ist ganz zweifellos aus döm Wildcanidentyp in der Kultur neuentstanden, wann und wo zuerst, wird man schwerlich mit Sicherheit jemals sagen können; wohl aber, daß er als Parallelvariation mehrfach entstanden sein dürfte! Selbst im präcolumbischen Peru findet sich eine entsprechende Hunde-

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rasse, die kaum anders denn als selbständige konvergente Form dort entstanden sein kann. Das läßt auch für die übrige Welt den Gedanken an mehrfache parallele Entstehung, unabhängig voneinander, als durchaus berechtigt erscheinen. Aber ist es dann wahrscheinlich, daß in jedem Falle der Typus durch successive Summation aller der vielen Einzelmerkmale, die in ihrer Zusammenwirkung ihn ausmachen und anscheinend von Einzelgenen abhängig sind, erzüchtet worden ist? Wahrscheinlicher ist die Annahme einer mutativen Erbänderung, die den Gesamthabitus „auf einen Schlag" herbeiführt — durch nachfolgende Züchtung erzielte „Veredelung" in einzelnen Nebensächlichkeiten zugestanden. Es sei dazu daran erinnert, daß auch bei anderen Tierarten „Mopsköpfigkeit" als plötzliche in Vollkommenheit auftretende Mutation bekannt ist. Insbesondere bietet auch der Mensch entsprechende Parallelen durch das Auftreten c h o n d r o d y s t r o p h e r T y p e n unabhängig voneinander in den verschiedensten menschlichen Rassen und zu verschiedenen Zeiten. Auch hier erfolgt die Abänderung des Gesamtbildes auf einen Schlag, und ebenso ist es — als Modifikation aufzufassen — bei der Entstehung des äußerlich in vielen Punkten ähnlichen Typus der Kretins. Der Grund für diese Einheitlichkeit der abändernden Wirkung an allen Teilen des Körpers zugleich ist darin zu suchen, daß das Skelett eben der Hauptträger der ganzen Körpergestalt ist und daß die abändernden Faktoren speziell das Knochenwachstum insgesamt verändern. Auch im Falle der Chondrodystrophie nimmt man Erbfaktoren an, welche sich speziell am Stützgewebe auswirken. Bei dieser Pleiotropie der Wirkung würde theoretisch grundsätzlich sogar die Annahme eines einzigen Gens genügen. Aber im Falle des Bu.-typus sind es nicht nur das Skelett bzw. die Stützgewebe, welche besonders gestaltet sind; auch Muskeln, Hirn und Fell sind in ganz bestimmter Weise verändert. Wie ich besonders in Teil II meiner Untersuchungen (1942) näher ausführte und durch Abbildungen belegte (s. a. hier Abb.26 sowie p. 87), ist der B u - t y p charakterisiert durch stärkere Entwicklung des Vorderendes bei geringerer Entwicklung des Hinterendes des Körpers, während der W-typ ein gerade umgekehrtes Verhalten aufweist. Es wäre also eine Anzahl sehr verschiedener Erbfaktoren in einer bestimmten Zusammenstellung für die Ausprägung des Typus verantwortlich. Da drängt sich die Annahme eines irgendwie übergeordneten, richtenden Faktors auf. Es ist bezeichnend, daß man auch in der menschlichen Konstitutionsforschung Vorstellungen, wie die von „sammelnden" Genen und damit einer verschiedenen „Rangordnung" der Gene entwickelt hat ( J u s t p. 401, 446, 448 usw.). Eine solche könnte aber sehr wohl die Annahme einer g r u n d s ä t z l i c h e n V e r s c h i e d e n h e i t t y p i s c h e r u n d i n d i v i d u e l l e r M e r k m a l e stützen. Einer solchen zunächst rein formalen Unterscheidung einen realen Gehait zu geben, vermag vielleicht der Einblick in die e n t w i c k l u n g s p h y s i o l o g i s c h e n ursächlichen Zusammenhänge. Als Arbeitshypo'hes? in dieser Hinsicht habe ich (Teil III 1943 p. 344 sowie 1948) auf die Möglichkeit einer „Änderung des Wachstumsgefälles" bereits in frühen Keimstadien hingewiesen. Dadurch könnte die gleichsinnige „harmonische" AVänderung der verschiedenen Organe des Kopfes weitgehend aus einer gemeinsamen Ursache heraus erklärt werden. Daß sie die „letzte" Ursache sein muß, ist damit n ; cht gesagt. Wie gleichfalls bereits in jenen Arbeiten angedeutet, könnte diese Änderung des Wachstumsgefälles nur eine, allerdings besonders folgenschwere

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Teilerscheinung einer noch allgemeineren Änderung sein, z. B. eines veränderten Wasserhaushaltes der Zellen, der sich nicht nur über die Änderung des Wachstumsablaufes sondern auch direkt an den verschiedenen Geweben in bestimmter Weise auswirken könnte. Aber so folgenreich f ü r die verschiedensten Merkmale des Organismus eine solche Abänderung auch sein könnte — als primum movens könnte auch hier ein einfacher Mendelfaktor angenommen werden und nach dem Muster von modifizierender Genwirkung wäre vielleicht eine genetische Formulierung der Kreuzungsergebnisse möglich, o h n e e i n e grundsätzliche Verschiedenheit zwischen typischen und i n d i v i d u e l l e n M e r k m a l e n z u p o s t u l i e r e n . Da die bescheidene Zahl der Versuchstiere bei weitem nicht ausreicht, um einen solchen mendelistischen Erklärungsversuch zu überprüfen, bleibt dieser jedoch hypothetisch — ebenso wie die gegenteilige Ansicht, welche dem Typus erbgrundmäßig eine Sonderstellung beimißt. Der Grund f ü r diese letztere Anschauung liegt tiefer; er ist zu suchen in der Erkenntnis, daß ohne ein Ordnungsprinzip Gesamtorganisation nicht möglich ist, daß somit auch an der Konstitution, diesem „ans Metaphysische grenzenden Begriff, der letzthin undefinierbar bleibt wie das Leben selbst" ( H a n h a r t p. 462), das wichtigste ist ihr „Gefügecharakter" ( J u s t p. 381) — während die Anschauung, zu der die reine Mendelforschung bisher geführt hat, im Genotypus eine bloße Summe vieler selbständiger Erbfaktoren sieht, die, als zufällige Mutationen entstanden, bald so, bald so nebeneinander gestellt werden können. So wünschenswert nicht nur in allgemein theoretischer Hinsicht sondern auch f ü r die nun folgende Erörterung es wäre, eine Klarheit in der Frage „Typus und Individuum" zu haben, so kann die bisher noch mangelnde Einsicht doch nicht abhalten von dieser Erörterung eines zweiten Punktes, der von allgemeinerem Interesse f ü r die Typenforschung scheint. Es handelt sich um die Frage der Stellung der b r a c h y c e p h a l e n F o r m e n bzw. ± eurysomen Typen (wenn man die Gesamtkonstitution in Betracht zieht). Darf man brachycephale Hunderassen auffassen als intermediäre Typen zwischen den beiden Extremen, oder ist Brachycephalie etwas anderes als ein quasi verdünnter Bulldoggeinschlag? Um Irrtümer zu vermeiden, ist dazu zunächst folgendes zu sagen: Wenn man beim Tier von Brachycephalie spricht, dann handelt es sich stets in erster Linie um eine Verkürzung bei gleichzeitiger Verbreiterung des Gesichtsschädels. Beim Menschen dagegen bezieht sich die Bezeichnung Brachycephalie so gut wie ausschließlich auf die Form des Hirnschädels. Die verschiedene Konstruktion des Schädels beim Menschen, bei dem der durch die gewaltige Hirnentwicklung übermäßig gewordene Hirnschädel das Gesicht ü b e r lagert, während beim Tier der Gesichtsschädel dem Hirnschädel v o r gelagert und i. G. zum Menschen in der Ansicht von oben sichtbar ist, ist der Grund f ü r diesen verschiedenen Inhalt derselben Begriffsbezeichnung. Der brachycephale Typ beim Tier entspricht also eher dem pyknischen Habitus beim Menschen, der auch vor allem durch eine entsprechende Bildung des Gesichts-, nicht des Hirnschädels charakterisiert ist. Daß bei Überwiegen des Bu.- bzw. Wh.-„blutes" der Gesichtsschädel kürzer und breiter bzw. länger und schmäler ist, wird aus den vorstehenden Untersuchungen ersichtlich. Wenn jemand, ohne von der Entstehung z. B. der F'-bastarde etwas zu wissen, ihre Schädel beurteilen sollte, würde er sie ohne weiteres einer leidlich einheitlichen Rasse mit mittelstarker Brachycephalie zuordnen. Den Schädel von Rex würde er als

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stark brachycephal, etwa gewissen Boxerschädeln entsprechend bewerten u.s.f. Bemerkenswert bei den Rückkreuzungen ist ja, daß in keinem Falle, auch nicht bei Rückkreuzung mit dem dominanten W-typ, reine W- oder Bu.-schädel herausgemendelt sind. Bei einem Deutungsversuch vom genetischen Standpunkt aus läge es am nächsten an multiple Allele zu denken (p. 83). Damit würde man den reinen Bu.-typ als das Endglied einer Reihe nicht bloß in rein deskriptivem sondern auch in genetischem Sinne betrachten und auf Wesensgleichheit mit der Brachycephalie schließen dürfen. Das aber würde bei der von den meisten Forschern angenommenen Erklärung des Bu.-typs als durch Chondrodystrophie bedingt die brachycephalen Formen nur als schwächere Ausbildungsgrade einer chondrodystrophen Konstitution erscheinen lassen. Allerdings, solange nicht die für den Menschen charakteristischen chondrodystrophen Knorpelveränderungen auch beim Bulldogg nachgewiesen sind, ist der Beweis für Übereinstimmung beider Erscheinungen nicht erbracht. Auch die als eine Ursache der chondrodystrophen Physiognomie unc. damit der besonderen Ähnlichkeit mit dem Bulldogg nachgewiesene vorzeitige Synostose der Schädelbasisnähte ist beim Bu.-schädel zweifellos nicht vorhanden. Sollten Untersuchungen der histologischen Verhältnisse des Knorpels — die dringend erwünscht wären — bei Bulldoggen dennoch Hinweise auf Chondrodystrophie ergeben, so könnte man aber auch dann noch diese als accidentell auffassen, etwa als eine beim Bu.-typ besonders leicht oder nur bei ihm manifestierende Erbbesonderheit. Grundsätzlich wäre es möglich, auch solche Anschauungen durch entsprechende Kreuzungsversuche zu. prüfen. Zur Frage der Brachycephalie bei anderen Hunderassen, bei deren Entstehung Mitwirkung von Bu.-blut unwahrscheinlich ist, fehlen m. W. bisher die nötigen Kreuzungsversuche; es wäre sehr wohl möglich, daß es im genetischen Sinne verschiedene Fälle von Brachycephalie gibt; der entwicklungsphysiologische Mechanismus, der sie bewirkt, brauchte aber dennoch kein sehr verschiedener zu sein: es brauchten verschiedene Gene nur auf verschiedenen Wegen zu verschiedenen Zeitpunkten diesen Mechanismus beeinflussen, mit dem gleichen Endergebnis. — Wie es nicht anders sein kann bei solchen noch in den Anfängen stehenden Untersuchungen, sind also z. Zt. mehr Fragen als Antworten zu erwarten. Im Zusammenhang mit der Frage der Brachycephalie nun noch ein letzter Punkt: die Bedeutung derartiger Untersuchunge:i am Hunde für die K o n s t i t u t i o n s f o r s c h u n g b e i m M e n s c h e n . Daß überhaupt Rückschlüsse dieser Art möglich sind, ist begründet in der übereinstimmenden Grundkonstruktion des Säugetierorganismus. Die Paralleli tät der Variationen im Zustande der Domestikation, erklärt, wie besonders E. FISCHER betont hat, manche Eigenarten des Menschen. Wenn in Umkehrung dieser Schlußfolge, nämlich nun vom Menschen auf den Hund schließend, der Bulldogg als Fall von Chondrodystrophie aufgefaßt wird, bedeutet dies gleichfalls die Anerkennung der Berechtigimg solcher Rückschlüsse. Auch KRETSCHMER, dessen Unterscheidung der menschlichen Konstitutionsformen in Leptosome, Athletiker und Pykniker wohl als die weitaus fruchtbarste Conception auf diesem Gebiet sich erwiesen hat, trägt keine Bedenken (1940 p. 749) Parallelen zu diesen Konstitutionen grundsätzlich auch beim Tier anzunehmen. Wie ich in den nun bald 40 Jahren, in denen ich mich mit den Fragen der Haustierforschung beschäftigt habe, stets betonte, ist diese eine der wichtigsten Erkenntnisquellen für eine von naturwissenschaftlicher Seite aus zu erhaltende Ant-

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wort auf die „Frage aller Fragen" (TH. HUXLEY) nach der „Stellung des Menschen in der Natur". Was das Hirn angeht, so habe ich (1921) einige solcher Parallelen zwischen Hunde- und Menschenhirn aufgezeigt. Es wäre eine die Ziele dieser Veröffentlichung weit überschreitende Aufgabe in ähnlicher Weise auch für den Schädel das gleiche im einzelnen darzutun. Eine besonders reizvolle und fruchtbare Seite eines solchen Vergleichs des Hunde- und des Menschenschädels bieten Feststellungen darüber, wie aus den trotz Gleichheit der Grundkonstruktion doch bei beiden Schädelarten bestehenden Verschiedenheiten Reaktionsunterschiede sich ergeben müssen bei Vorliegen einer gleichen Erbgrundabänderung. Wenn man nun für die in vorliegender Arbeit beschriebenen Typen eine Parallelisierung zwischen Hund und Mensch vornehmen will, so wird es auf den geringsten Widerstand stoßen, den W-typus der leptosomen Konstitution in Parallele zu setzen. Aber wo ließe sich — von der Frage der Chondrodystrophie zunächst abgesehen — der Bu.-typ einordnen? Athletiker oder Pykniker? Was die körperlichen Unterschiede beider Typen beim Menschen angeht, werden — im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen — nur die des Kopfes zur Erörterung stehen. So wird besonders dessen Größe bei gleichzeitiger Verbreiterung des Gesichts beim Pykniker betont, sicherlich doch wohl in Beziehung zur Körpergröße. Ferner eine allseitige Rundlichkeit. Beides trifft auch für den Bulldogg zu. Die en face Ansichten der Gesichter der Hunde (Abb. 49, 50) zeigen, wohl auch ohne daß Einzelheiten weiter hervorzuheben nötig ist, die Ähnlichkeit mit dem leptosomen Typus beim Menschen einerseits und dem pyknischen andererseits. Aber es finden sich bei Bu. auch Züge, wie sie für den Athletiker angegeben werden. Dieser wird charakterisiert als „derber Hochkopf" mit besonderer Betonung des Kinns. Auch der Bulldoggkopf zeigt stärkere Hochentwicklung, besonders der Stirngegend; ein Kinn im menschlichen Sinne fehlt dem Tier, aber der im Verhältnis zum Oberkopf stärker entwickelte Unterkiefer des Bulldoggs könnte als Parallele herangezogen werden. Die kräftige Entwicklung der Knochen mit ihrem durch entsprechend starke Muskulatur bedingten sehr ausgeprägten Oberflächenrelief entspricht der Derbheit, welche beim Athletiker für Knochen, Muskeln und Haut angegeben wird. Hinzu kommt, wenn man den übrigen Körper in Betracht zieht, die starke Betonung des Schultergürtels, beim Bulldogg, wie beim Athletiker, während andererseits allerdings die allgemein stärkere Entwicklung des Rumpfes bzw. der Eingeweidehöhle eine Ähnlichkeit mit dem pyknischen Typ bedingen dürfte. Doch beide Parallelsetzungen erfahren eine empfindliche Störung durch gewisse Besonderheiten des Bulldoggtyps wie die Einziehung der Nasenwurzel bei stärkster Unterentwicklung der der menschlichen Nase entsprechenden Schädelpartie und die außerordentliche Kürze der Gliedmaßen — d. h. durch jene Besonderheiten, welche eben die Ähnlichkeiten mit dem chondrodystrophen Habitus in erster Linie bedingen. Die Chondrodystrophie aber dürfte nach den herrschenden Anschauungen mit den Verschiedenheiten der genannten Konstitutionstypen beim Menschen gar nichts zu tun haben, sondern wird aufgefaßt als eine nur die Stützgewebe betreffende Keimesvariation. Dann könnte man ihr Auftreten eigentlich bei allen drei Konstitutionstypen erwarten. Daher meine Frage in der Einleitung (p. 15), ob Chondrodystrophie auch bei

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Leptosomen bekannt ist? Von einem chondrodystrophen Windhund ist mir jedenfalls bisher nichts bekannt geworden; es wäre eine contradictio in adjecto, v/enn der Bu.-typ tatsächlich auf Chondrodystrophie beruht. Ein eigenes Urteil in der Frage der Konstitutionstypen beim Menschen steht mir nicht zu. Aber — nehmen wir einmal an, es wäre möglich, die Chondrodystrophen als einen Konstitutionstyp aufzufassen, wo würde dieser in der bestehenden Typologie seinen Platz finden? Vom körperlichen Bilde ausgehend doch wohl am ehesten so wie hier als stärkster Gegensatz zum Leptosomen, quasi als ein „Überpykniker". Man darf bei der Parallelsetzung von Haustier und Mensch (KLATT 1948) j a einen Unterschied auch nicht vergessen: beim Hund hat der Mensch diese Typen rein gezüchtet, als „Rassen", wie man gewöhnlich sagt, obwohl sich dies mit dem Rassebegriff beim Menschen nicht deckt. Denn Chondrodystrophe treten in den verschiedensten „Rassen" der Menschheit auf, als recessive Formen begreiflicherweise nur selten und — ebenso begreiflich — beim Menschen nicht durch Züchtung vermehrt und damit als ein „normaler" Bestandteil der verschiedenen Typen in Erscheinung tretend. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen dürfte ja wohl überhaupt Mischtypen verschiedener Art zuzuteilen sein. Auch dazu eine Parallele: wenn man die hier abgebildeten verschiedenen Physiognomien der Kreuzungstiere betrachtet — erinnert dieses Gesamtbild nicht an die Vielfalt menschlicher Gesichter, wie sie eine zufällige Ansammlung von Menschen uns täglich vor Augen führt? An solchem Material aber sind die Konstitutionsuntersuchungen vorgenommen. Unter den verschiedenen Kreuzungstieren könnte man also am ehesten die Parallele zu den menschlichen Konstitutionstypen erwarten. Reinste Idealtypen dürften auch beim Menschen selten sein — so selten wie unter den Kreuzungstieren reine Wh. und reine Bu. zu erwarten sind. Andererseits ist es höchst bemerkenswert, daß schon dieses kleine Material eine solche Fülle verschiedener Physiognomien enthüllt, wenn man bedenkt, daß es sich — die P-tiere ausgenommen — um die Nachkommen von nur zwei Tieren handelt, daß alle Kreuzungstiere Geschwister, Stiefgeschwister, höchstens Vettern sind, alle — mit Ausnahme von Fi — den gleichen Vater, das Fitier Bill, haben. Eine Ordnung in die Mannigfaltigkeit konnten wir hineinbringen durch die Berücksichtigung der beiden „Grundfaktoren" der Größe- und der Wuchsformgegensätze. Vielleicht wäre es lohnend, die gleichen Gesichtspunkte auch auf den Menschen anzuwenden, um eine — zunächst rein körperlich begründete — Ordnung zu schaffen. Der von CONRAD gemachte Versuch einer Sonderung der Konstitutionstypen vom genetischen Standpunkt aus kommt bemerkenswerterweise auch zur Aufstellung von zwei gegensätzlichen Paaren von Typen: dem Leptosomen stellt er den Pykniker, dem Athletiker den Astheniker gegenüber. Eine Ähnlichkeit dieser Ordnung mit der hier für das körperliche Bild beim Hunde durch die beiden „Grundfaktoren" geschaffenen ist unverkennbar. Nicht übersehen werden darf bei solchen Versuchen einer Gleichsetzung der Wuchsformtypen beim Tier mit den menschlichen Konstitutionstypen, daß letztere ja nicht vom Körperlichen ausgehend aufgestellt worden sind, sondern daß es sich primär um psychische Verschiedenheiten handelte, und die körperlichen Gegensätze rein empirisch herausgefunden wurden durch Prüfung der Frage, welche somatischen Merkmale den beiden ursprünglich einander gegenübergestellten psychischen Grundtypen am häufigsten correliert erscheinen. Damit eröffnet sich ein bisher noch unbearbeitetes Arbeitsfeld für Untersu9

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chungen am Tier, indem hier nun von den einwandfrei fixierbaren körperlichen Gegensätzen ausgehend nach etwaigen mit ihnen correlierten psychischen Besonderheiten gesucht werden kann. Auf Grund langjähriger Erfahrungen mit Vertretern verschiedener Rassen der beiden gegensätzlichen Wuchsformtypen beim Hunde bin ich überzeugt, daß hier auch in psychischer Hinsicht grundlegende Unterschiede zu finden sein werden. Wenn man erst einmal entsprechende Untersuchungsmethoden ausgearbeitet und angewendet haben wird, möchte ich sogar glauben, daß bei der so viel einfacheren Konstruktion der Hundespyche man in einzelnen Punkten leichter zu gewissen „Wurzelelementen" auch der psychischen Gestaltung vordringen könnte als beim Menschen.

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Schrifttum CONRAD, K. 1941. Der Konstitutionstypus als genetisches Problem. — Springer, Berlin. FISCHER, E. 1914. Die Rassenmerkmale des Menschen als Domestikationserscheinungen. — Ztschr. f. Morphologie u. Anthropologie. Bd. 18. HANHART, E. 1940. Konstitution beim Menschen, Hdb. d. Erdbiol. d. Menschen, Band I. HUXLEY, TH. H. 1863. Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. — Vieweg, Braunschweig. JUST, G. 1940. Die mendelistischen Grundlagen der Erbbiologie des Menschen. Hdb. d. Erbtiol. d. Menschen, Bd. I. KLATT, B. 1913. Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild. — Archiv f. Entwicklungsmechanik. Bd. 36. — 1921. Studien zum Domestikationsproblem I. Bibl. genet. Bd. 2. KLATT, B. u. VORSTEHER, H. 1923. Studien zum Domestikationsproblem II. Bibl. genet. Bd. 6. KLATT, B. 1927. Die Entstehung der Haustiere. Hdb. d. Vererbungsw., Baur und Hartmann, Bd. 3. 1932. Gefangenschaftveränderungen bei Füchsen. — Jenaische (Ztschr. f. Naturwissenschaft Bd. 67. — 1941—1944. Kreuzungen an extremen Rassetypen des Hundes. — Ztschr. f. menschl. Vererbungs- und Konstitutionslehre. Teile I—IV, Bde. 25, 26, 27, 28. — 1948. Haustier u. Mensch. —• Hermes, Hamburg. 1948. Wuchsform und Hypophyse. — Arch. f. Entwicklungsmech.Bd.143. — — 1948. Messend-anatomische Untersuchungen an gegensätzlichen Wuchsformtypen. — Ebendort. 1948. Konstitutionsanatomische Betrachtungen auf Grund von Untersuchungen am Hund. Hippocrates, Bd. 19. — 1949. Die theoretische Biologie und die Problematik der Schädelform. — Biol. gen. Bd. 19. KRETSCHMER, E. 1936. Die Persönlichkeit der Athletiker. — Thieme, Leipzig. — 1940. Körperbau und Charakter. Handb. d. Erbbiol. d. Menschen. Bd. II. Springer, Berlin. V. NATHUSIUS, H. 1864. Vorstudien f ü r Geschichte und Zucht der Haustiere zunächst am Schweineschädel. — Wiegandt u. Hempel, Berlin. OBOUSSIER, H. 1942. Das Verhalten der Hypophyse bei Kreuzungen extremer Rassetypen des Hundes. — Ztschr. f. menschl. Vererb.- u. Konstitutionslehre, Bd. 25. — 1948. Über die Größen Verhältnisse d. Hypophyse u. ihrer Teile bei Säugetieren und Vögeln. Arch. f. Entwmech. Bd. 143. —• 1950. Zur Frage der Erblichkeit der Hirnfurchen. — Ztschr. f. menschl. Vererb.- u. Konstitutionslehre, Bd. 29. STOCKARD, CH. R. 1932. Die körperliche Grundlage der Persönlichkeit — G. Fischer, Jena. WOLFGRAM. 1894. Die Einwirkung der Gefangenschaft auf die Gestaltung des Wolfschädels. — Zool. Jahrb. (Syst.) Bd. VII. 9*

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

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Zur Inversion der Augenslellung bei Plattfischen Von GEORG DUNCKER, Hamburg (Mit 4 Abbildungen im Text) INHALT § 1. Inversion: Begriff und Häufigkeitsklassen. § 2. Die zur Zeit bekannten Fälle inverser Augenstellung bei Plattfischarten. § 3. Inversion und Abnormität. § 4. Äußere Asymmetrie regulärer und inverser Plattfische: Pigmentierung, Beschuppung, paarige Flossen, Urethralpapille. § 5. Ghiasma opticum und Augenstellung. § 6. Bilateral-symmetrische Augenstellung postlarvaler Plattfische. § 7. Verläßlichkeit der relativen Frequenzen von Varianten alternativ variierender Merkmale bei verschiedenem Umfang des Untersuchungsmaterials. § 8. Relative Häufigkeit der Inversion bei amphidromen Arten, speziell bei Platichthys flesus. — Regionale, sexuelle, temporäre Verschiedenheiten und selektive Bedeutung derselben. § 9. Relative Häufigkeit der Inversion bei monostrophen Arten. § 10. Vergleich mit der Inversion des Windungssinnes von Schneckengehäusen. § 11. Vergleich mit dem Vorkommen des Situs inversus viscerum totalis beim Menschen. § 12. Deutungsversuche: funktionelle Anpassung, Vererbung, Modifikation. Zusammenfassung. Schrifttum. § 1. Zu einer Zeit, in der bei uns die wissenschaftliche Tätigkeit durch den Verlust zahlreicher wertvoller Bibliotheken und Sammlungen sowie durch die Erschwerung der Beschaffung und Konservierung von Untersuchungsmaterial hochgradig tehindert ist 1) , mag es, auch ohne abschließende Resultate h So bin ich hier vielfach genötigt, Literaturangaben den Zitaten anderer Autoren zu entnehmen, ohne sie selbst einsehen zu können. Diese sind mit einem vorgesetzten Sternchen ( >) versehen. Ganz besonders bedaure ich, die Arbeiten von * G i a r d 1892, * R e g a n 1910 und • W u 1932 nicht selbst benutzt haben zu können. Die Veröffentlichungen H u b b s' und seiner Mitarbeiter (1939—1945) lernte ich erst 1948, ein J a h r nach dem Abschluß der vorliegenden Arbeit, kennen.

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GEORG DUNCKER

vorlegen zu können, berechtigt sein, auf Probleme hinzuweisen, f ü r deren definitive Lösung die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit erforderlich ist. Ein solches Problem ist die Inversion der Augenstellung bei den Plattfischen. Mit diesem Begriff sei die Tatsache bezeichnet, daß trotz weitgehender Gesetzmäßigkeit hinsichtlich der Augenstellung der einzelnen Plattfischarten auf ihrer linken oder rechten Körperseite individuelle Ausnahmen von derselben in nicht zu übergehender Häufigkeit beobachtet werden. Diese Häufigkeit aber ist selbst bei nahe verwandten Arten so auffällig verschieden, daß ihre Verschiedenheit bereits ein Problem f ü r sich darstellt. W. LUDWIG 1932 p. 26 hat, wohl als erster, den Versuch gemacht, Häufigkeitsklassen bilateraler Asymmetrieformen in der Tierwelt zu unterscheiden. A m p h i d r o m 2 ) nennt er Verteilungen, in denen die seltenere Alternative (L = links oder R = rechts) in mehr ató 10°/o (Maximum: 50%>), m o n o s t r o p h 2> solche, in denen sie in 10°/» oder weniger aller Fälle zur Beobachtung gelangt. Den Spezialfall einer 1 :1-Verteilung (L=R=50°/o) bezeichnet er mit einem der Stereochemie 3 ' entlehnten Ausdruck als r a z e m i s c h, die übrigen amphidromen Verteilungen als amphidrom — nicht razemische. Die monostrophen Verteilungen gliedert er nach der Häufigkeit der jeweils selteneren Form in schwach - (10 bis l°/o), stark - (1 bis 0.1°/») und extrem-monostrophe ( < 0,l°/a)4). Ohne uns zunächst auf die von LUDWIG vorgeschlagene Grenze von 10%> zwischen seinen beiden Hauptklassen festzulegen, behalten wir diese, die amphidrome und die monostrophe, f ü r das folgende bei. Amphidrom nennen wir diejenigen Plattfischarten, von denen m a n sicher sein kann, bei Untersuchung von auch nur 100 Individuen solche mit inverser Augenstellung anzutreffen, monostroph die übrigen. Die Grenzen der Durchführbarkeit dieser Einteilung werden sich später ergeben. § 2. GUDGER 1935 p. 12 hat als erster eine Liste von Plattfischarten aufgestellt, an denen Inversion beobachtet worden ist; diese liegt der nachstehenden erweiterten Zusammenstellung zu Grunde. Die Anordnung und Benennung der Arten in ihr ist die auch von GUDGER nach NORMAN 1934 innegehaltene.

Liste 1.

Ubersicht

der z. Zt. bekannten Fälle von Inversion bei Plattfischen 1. Psettodidae (razerriisch: rechts- oder linksäugig). 1. Psettodes erumei BL. Indopazif. — NORMAN 1934 p. 57, HUBBS a n d H U B E S 1945 p. 238 (Philippinen, J a v a , China). 2. Psettodes belcheri BENN. W.-Afrika. — NORMAN 1934 p. 57. 2) Übersetzt: In beiden Richtungen —, in einer Richtung drehend. 3) s. z. B. J. E g g e r t , Lehrbuch der physikalischen Chemie, 6. Aufl., Leipzig 1944, p. 206: Optische Isomerie. 4) Für den Grenzfall Null der Monostrophie, d._ h. f ü r das völlige Fehlen einer der beiden Alternativen schlägt L u d w i g die Bezeichnung „absolut-monostroph" vor, warnt aber zugleich vor ihrer A n w e n d u n g , so lange nicht e i n strikter B e w e i s für ihre Berechtigung vorliegt.

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

3. 4. 5. 6. 7.

8. 9. 10. 11. 12. 13.

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2. Bothidae (regulär: linksäugig). A m p h i d r om : Tephrinectes sinensis LACEP. Chines. Meer. — NORMAN 1934 p. 64 („indifferently sinistral or dextral"), HUBBS and HUBBS 1945 p. 238. Hippoglossina stomata EIGENMANN et EIGENMANN. Californien. — NORMAN 1934 p. 65 (do.). Bezweifelt von HUBBS and HUBBS 1945 p. 238. Hippoglossina macrops STEIND. Chile. — NORMAN 1934 p. 65 (do.) Paralichthys californicus AYRES. San Francisco Bay. — PARKER 1903 p. 231, NORMAN 1934 p. 82 (do.), HUBBS and HUBBS 1945 p. 238. Xystreuris liolepis JORD. et GILB. Californien. — NORMAN 1934 p. 121 (do.), HUBBS and MARINI 1939 p. 159, HUBBS and HUBBS 1945 p. 238. Monostroph : Paralichthys dentatus L. O.-Küste USA. — GUDGER 1935 (381 mm). Paralichthys olivaceus SCHLEG. Chines. Meer. — *WU 1932 p. 475>. Pseudorhombus pentophthalmus GÜ.NTH. Japan. — »KAMOHARA 1935 p. 132, lig. 65>. Citharoides macrolepidotus HUBBS. Japan. — HUBBS and HUBBS 1945' p. 239. Scophthalmus maximus L. Europ. Küsten. — »THOMPSON 1856 p. 2911), YARREL 1859 I p. 639 (2—3 Exempl.). SCHLEGEL 1862 p. 164, »CUNNINGHAM 1907 (44 mm)»), ZOOL. MUS. HAMBURG Nr. 9178 (1895: 434 mm, Nordsee). Scophthalmus rhombus L. Europ. Küsten. — *FABER 1828-a).

3. Pleuronectidae (regulär: rechtsäugig). Amphidrom: 14. Platichthys flesus L. Europ. Küsten. — NORMAN 1934 p. 381 („reversed e x a m ples .. very common"); cf. GUDGER 1935 p. 15. 15. Platichthys stellatus PALL. N.-Pazif. — GÜNTHER 1862 p. 444, PARKER 1903 p. 231, NORMAN 1934 p. 385 (do.), GUDGER 1935 p. 30, 35 (nach HUBBS), HUBBS and KURONUMA 1942 p. 300, HUBBS and HUBBS 1945 p. 238. Monostr oph :

Fig. 1: Links normaler, rechts linksäugiger Hippoglossidas platessoides Fabr. (nach Meyer 1934). 9- Liste 1, Nr. 18.

134

GEORG DUNCKER

16. Reinhardtius hippoglossoides WALB. N. Atlant. — NORMAN 1934 p. 290 (490 mm). 17. Hippoglossus vulgaris FLEM. N.Atlant. — »STRÖM 1762 I p. 3002b>, *STORER 1839 p. 146 (103 Ibs = ca. 1600 mm) 1 ), PARKER 1903 p. 231, * JOHNSON 1919 p. 413), GUDGER and FIRTH 1937 (455 u. 742 mm). 18. Hippoglossoides platessoides FABR. N.Atlant. — MEYER 1934 p. 95 (285mm, Ostsee, Fig. 1). 19. Hippoglossoides elassodon JORD. et GILB. .N. Pazif. — »JORDAN and EVERMANN 18981), NORMAN 1934 p. 294 Fußn. Bezweifelt von HUBBS and HUBBS 1945 p. 238 ((FREDERICK SOUND, Alaska: OL + 312R, 1. IX. 193'9). 20. Limanda limanda L. Europ. Küsten. — »DUHAMEL DU MONCEAU 1777 d. 267 pl. 6, fig. 21), »NILSSON 1832 I p. 12'2c>, PETERSEN 1894 p. 98 (Lysegrund, SOKattegat), SCHIEMENZ 1902 (1901: 4 unter 27 000, Ostsee), REDEKE 1941 p. 264 (1935: L.-S. Maass, 52° 3 ' N , 3 0 25'O). 21. Pseudopleuronectes yokohamae GÜNTH. Chines, u. japan. Küsten. — »WU 1932 p. 475). 22. Pseudopleuronectes americanus WALB. O.-Küste USA. — »EDWARDS 1901 (1900: 356 mm) 8 ), GUDGER 1935 p. 26 (?, cf. GUDGER 1945), GUiDGER 1945 (1943 : 229 mm, 1945: 290 mm). 23. Pleuronectes platessa L. Europ. Küsten. — WALBAUM, Ms. III 1779 p. 153 (194 mm, Nordsee), NILSSON 1855 p. 615 (2 Exempl.: Kullen u n d Bohus-skären), SCHLEGEL 1862 p. 167, MÖBIUS und HEINCKE 1893 p. 92 (Eckernförde), CUNNINGHAM and M C M U N N 1893 p. 804 (Kiel), DUNCKER 1895 p. 35 1893: 290 mm, Niendorf), SCHNAKENBECK 1923 p. 14, ZOOL. MUS. HAMBURG (1894: 255 mm, Neiustädter Bucht, 1944: 335 mm, Nordsee), NYBELIN 1946 p. 13. 24. Tanakius kitaharae JORD. et STARKS, Korea, Japan. — HUBBS and HUBBS 1845 p. 239, 245, pl. fig. 2 (220mm ohne C, Onahama 1923, Japan), Totalinversion ! 25. Rhombosolea plebeia RICHARDS. Neuseeland. — »HUTTON 1874 (V der Blindseite fehlend, nach Norman 1934 p. 29), »KYLE 1901 (Apsetta thompsoni, 218 mm, beide V gleichmäßig entwickelt; NORMAN 1934 p. 29, 432). 26. Rhombosolea tapirina GÜNTH. Neuseeland, Australien. — »HUTTON 1873 p. 459, 1874 p. 107, 1876 p. 2151), NORMAN 1934 p. 29, 435 (290 mm, V der Blindseite vorhanden). 4. Soleidae (regulär: rechtsäugig). Monostroph: 27. Solea vulgaris QUENSEL. Europ. Küsten. — »DUHAMEL (DU MONCEAU 1777 p 257 pl. 1 fig. 3, 4D- YARRELL 1859 I p. 660 (1 Exempl., "not uncommon"), SCHLEGEL 1862 p. 175, »DAY 1884 (356 mm)i>, »TONI 1888 (Adria)i), »SACCHI 1899 (218 mm, Ligur. Meer)D, »PATTERSON 1904 (Yarmouth)«), MOHR 1818 p. 8 (1915: 105 mm, Dollart), GHABANAUD 1936 p. 502 ("4—5 sur quelques centaines, qui me sont passés par les mains"), ZOOL. MUS. HAMBURG (1944: 350 mm). 5. Cynoglossidae (regulär: linksäugig). Bisher keine Inversionen beobachtet. Diese Übersicht, die sich, b e s o n d e r s hinsichtlich m o n o s t r o p h e r A r t e n , in Z u k u n f t zweifellos e r w e i t e r n w i r d , l ä ß t schon j e t z t m e r k l i c h e V e r s c h i e d e n h e i t e n der einzelnen F a m i l i e n u n d G a t t u n g e n in i h r e r V e r a n l a g u n g z u r I n v e r s i o n e r k e n n e n . A m p h i d r o m v e r h a l t e n sich die b e i d e n einzigen b e k a n n t e n A r t e n der Psettodidae, 5 d e r Bothidae u n d 2 d e r Pleuronectidae, z u s a m m e n 9 sp.; m o n o s t r o p h 6 A r t e n d e r Bothidae, 11 d e r Pleuronectidae u n d eine d e r Soleidae, z u s a m m e n 18 sp., v o n d e n e n bis jetzt ca. 50 i n v e r s e E x e m p l a r e b e l l N a c h G u d R e r 1935 p . 13—18. — 2 a - c ) N a c h K r ö y e r 1845 p . 421. 397, 313. — 3) N a c h E h r e n b a u m 1936 p . 204. — 4) N a c h J e n k 1 n s 1925 p . 3 — 5) N a c h H u b b s a n d H u b b s 1945 p . 239. — 6) N a c h G u d g e r 1935 p . 15 u n d p . 37 ( „ A n o n y m u s 1901") u n d G u d g e r 1945 p . 072.

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

135

k a n n t geworden sind. Inverse Cynoglossidae aber sind noch nicht beobachtet. F e r n e r entfallen bei den von NORMAN 1934 unterschiedenen Unterfamilien der Bothidae: auf die Paralichthinae mit 94 Arten sechs, auf die Bothinae mit 82 A r t e n keine, auf die Scophthalminae mit 10 A r t e n zwei, Pleuronectidae: auf die Pleuronectinae mit 60 A r t e n neun, auf die Poecilopsettinac mit 11, die Paralichthodinae mit 1 und die Samarinae mit 13 Arten keine, auf die Rhombosoleinae mit 16 Arten zwei, von denen inverse Exemplare t e k a n n t sind. Tropisch sind die Familien der Psettodidae und Cynoglossidae; den tropischen und gemäßigten Zonen gehören die Bothidae u n d die Soleidae an, w ä h r e n d die Pleuronectidae in den Tropen n u r vereinzelt, hauptsächlich in den gemäßigten Zonen und in geringeren Mengen auch in der Arktis vertreten sind. Inversion wird also bei Arten aller dieser Zonen g e f u n d e n . Von ihnen gehören 15, darunter sieben amphidrome, dem pazifischen, 12, darunter n u r zwei amphidrome, dem atlantischen Gebiet an. An inversen I n d i v i d u e n monostropher A r t e n sind bisher beobachtet 6—7 Scophthalmus maximus 1 Paralichthys dentatus 1 Paralichtys olivaceus 6 Hippoglossus vulgaris 11 Pleuronectes platessa 1 Pseudorhombus pentophthalmus 8 Limanda limanda 1 Citharoides macrolepidotus 13—14 Solea vulgaris 1 (?) Scophthalmus rhombus 1 Rheinhardtius hippoglosssoides 1 Hippoglossoides elassodon 1 Hippoglossoides platessoides 3—4 Pseudopleuronectes americanus 1 Pseudopleuronectes yokohamae 1 Tanakius kitaharae 2 Rhombosolea plebeia 2 Rhombosolea tapirina Dabei zeigt sich, daß gerade unter den wichtigsten europäischen Nutzfischarten die meisten inversen Exemplare g e f u n d e n sind, jedoch vielleicht n u r deshalb, weil man diesen am längsten besondere A u f m e r k s a m k e i t gewidmet hat. Bis gegen Ende des 18. J a h r h u n d e r t s nämlich w u r d e n selbst inverse Flundern, also Exemplare der gemeinsten europäischen Art, noch vielfach als selbständige A r t angesehen (LINNÉ 1756 p. 270: Pleuronectes flesus, p. 271: PI. passer; BLOCH 1783 p. 39 tab. 44: Pleuronectes flesus, p. 57 tab. 50: PI. passer). Die ersten Autoren, die inverse Individuen als solche richtig gedeutet haben, scheinen *STRÖM 1762 (I p. 300: Helleflynder), *DUHAMEL DU MONCEAU 1777 (IX cap. 1 p. 267 pl. 6 fig. 2: Limande contourné, ibid. p. p. 250 ppl. 1 fig. 3, 4: Sole contourné) und WALBAUM-MS. 1779 (Vol. III p. 153: Pleuronectes platessa oculis smistris) gewesen zu sein. Vor dem Erscheinen von A. GÜNTHER's g r u n d legendem Catalogue (IV, 1862) haben m. W. sonst n u r noch *FABER 1823, *NILSSON 1832, *YARRELL 1836, *STORER 1839, NILSSON 1855 und *THOMPSON 1856 Funde inverser Plattfische mitgeteilt. § 3. Nach der Größe der gemessenen Exemplare zu urteilen, bedeutet die I n v e r s i o n d e r A u g e n s t e l l u n g , auch f ü r die monostrophen Arten, keineswegs notwendig eine 1eb en ssch ä dig en d e Abwei-

136

GEORG DUNCKER

c h u n g v o m r e g u l ä r e n V e r h a l t e n . U n t e r den 21 gemessenen Exemplaren unserer Liste haben mindestens 9 die Länge ihrer Geschlechtsreife ü b e r schritten: Scophthalmus maximus mit 434 m m (Nordsee), Hippoglossoides platessoides mit 285 m m (Ostsee), Pleuronectes platessa mit 290 m m (Ostsee) und 335 m m (Nordsee), Pseudopleuronectes americanus mit 356 t z w . 290 m m (Gewässer u m Long Island), Rhombosolea tapirina mit 290 m m (Neuseeland) und Solea vulgaris mit 350 mm (Nordsee) und 356 m m (englische Küste), f e r n e r vielleicht auch

Fig. 2. Scophthalmus maximus L.-Invers, mit Hakenbildung. Liste 1, Nr. 12, Zool. Mus. Hamburg Paralichthys dentatus mit 381 m m und Hippoglossus vulgaris mit ca. 1600 m m Totallänge. Bei der F ü t t e r u n g kleiner (unter 30 m m langer) Platichthys flesus im A q u a r i u m mit lebenden Daphnien schwimmen die linksäugigen ebenso gewandt und „zielbewußt" wie die rechtsäugigen (vergl. dazu GUDGER 1935 p. 35—36) und bewegen sich auf dem Boden mit der Blindseite nach unten wie diese. Ob bei Tieren mit inverser Augenstellung jene auf E n t w i c k l u n g s h e m m u n g b e r u hende Mißbildung, die im Deutschen unter dem Namen „Hakenbutt" bekannt ist, häufiger vorkommt, als bei solchen mit regulären, läßt sich wegen der gerin-

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

137

gen Anzahl beschriebener und abgebildeter inverser Exemplare nicht mit Sicherheit beurteilen; bei Platichthys flesus jedoch ist dies nicht der Fall. Die Hakenbildung ist die Folge einer mehr oder minder ausgeprägten Hemmung der Augenwanderung, bei welcher das wandernde Auge zwar den dorsalen First des Kopfes erreicht oder sogar überschreitet, jedoch so nahe demselben stehen bleibt, daß das Vorderende der Rückenflossenbasis ihn hakenförmig überragt. Auch ist Hakenbildung zwar in der Regel mit „Doppelfärfcung" (Ambikoloration), diese aber keineswegs immer mit jener, und beide sind jedenfalls nicht notwendig mit Inversion verbunden (Fig. 2 auf p. 136). Daß inverse Individuen monostropher Arten so selten zur wissenschaftlichen Beobachtung gelangen, liegt m. E., außer an ihrer zweifellos nur geringen Häufigkeit, noch an einem weiteren Umstand. So auffallend nämlich die Inversion an dem einzelnen beobachteten Exemplar erscheint, so ist sie doch, nach meiner Erfahrung, sehr leicht zu übersehen1', wenn man ein solches aus größeren Individuenmengen seiner Art herausfinden soll. Dies gilt sogar, wovon man sich in jeder größeren Fischhalle überzeugen kann, für das Auffinden inverser Exemplare amphidromer Arten, wie von Platichthys flesus, wenn man diese Fischart in Massen vor sich liegen sieht. Die eilige Arbeit des Sortierens großer Mengen nach ihrer Qualität für Marktzwecke dürfte eine der Ursachen sein, weswegen inverse Exemplare so selten als solche erkannt werden. Die Fischer pflegen fast immer, die Sortierer nur zum Teil und die Konsumenten kaum jemals inverse von regulären Exemplaren zu unterscheiden, während „Haken"- und beiderseits gefärbte sogenannte „Doppeltutt" wohl allen diesen Kreisen bekannt sind. Ich halte es für nicht ausgeschlossen, daß inverse Stücke oft nur dann auffallen, wenn sie eine dieser Abnormitäten aufweisen, und daß dadurch der Anschein hervorgerufen wird, bei inversen seien derartige Abänderungen häufiger als bei regulären Exemplaren. § 4. Die erst im Anschluß an die Augenwanderung postlarval entstehenden äußeren Asymmetrien des Plattfischkörpers, nämlich die der Färbung, der Beschuppung und der paarigen Flossen, entsprechen bei inversen ebenso wie bei regulären Individuen stets ihrer Augenstellung. Die Augenseite ist normalerweise in meist grünlich-grauen oder rötlichbis gelblich-braunen Farbtönen pigmentiert und häufig mit Zeichnungsmustern in Form runder, einfarbiger oder ozellarer Flecken, seltener mit Querstreifung 2) versehen, die Blindseite meistens pigmentlos und daher weiß, oft mit Perlmutterglanz, der durch in der Haut befindliche Guaninkrystalle hervorgerufen wird, seltener, z. B. bei Glyptocephalus, durch verstreute schwarze Pigmentzellen wie bestäubt erscheinend. Bei Ambikoloration findet man auch auf der Blindseite nicht nur das Pigment der Augenseite, sondern oft auch ihre Zeichnungsmuster an denen der Augenseite genau entsprechenden Stellen (BATESON 1894 p. 467, GUDGER 1936 p. 4), also ebenso wie die Zeichnung der beiden Körperseiten bilateral-symmetrischer Tiere. Ambikoloration erstreckt sich am häufigsten auf die kaudale Hälfte der Blindseite, am seltensten auf die Blindseite des Kopfes. 1) C U N N I N G H A M a n d M A C M U N N 1893 p. 802 n e n n e n d i e I n v e r s i o n " t h e least c o n s p i c u o u s a b n o r m a l i t y " i m Vergleich m i t d e r H a k e n b i l d u n g u n d d e r A m b i k o l o r a t i o n d e r P l a t t f i s c h e . 2) L ä n g s s t r e i f u n g d a g e g e n scheint nahmsweise vorzukommen.

bei

den

Heterosomata,

wenn

überhaupt,

nur

ganz

aus-

138

GEORG DUNCKER

Die Beschuppung der Blindseite ist normalerweise stets schwächer, man kann auch sagen, juveniler entwickelt als die der Augenseite, bleitt meistens cykloid, wenn diese ktenoid (z. B. fcei Pleuronectes platessa 6 , Limanda limanda, Solea vulgaris) oder in Dornen oder Tuberkel umgewandelt (z. B. bei Platichthys flesus, Scophthalmus maximus) ist, oder sie weist diese Rauheiten nur in merklich schwächerem Grade auf. Auch bleiben die Schuppen der Blindseite häufig an Größe hinter denen der Augenseite zurück, so daß diese sich dachziegelartig decken können, während jene ohne gegenseitigen Kontakt in der Haut eingebettet liegen. Soweit sich aber Ambikoloration auf die Blindseite erstreckt, entwickeln sich die Schuppen ihres Bereichs mehr oder weniger ähnlich den entsprechenden der Augenseite. — Anschließend sind noch die oft sehr ausgeprägten Verschiedenheiten der Seitenlinie auf der Augen- und der Blindseite (DUNCKER 1900 p. 373—375, Tafel XIV fig. 1—6) zu erwähnen. Von den paarigen Flossen der Heterosomata enthalten die Brustflossen in der Regel nicht nur zahlreichere und längere Strahlen, sondern diese unterliegen auch einer intensiveren dichotomen Teilung 1 ' als die der Blindseite. Bei manchen Soleidae verkümmert die Brustflosse der Blindseite nach der Augenwanderung vollständig, bei den Cynoglossidae ausnahmslos beide. Die Strahlzahl der Bauchflossen ist bei den Plattfischen ziemlich konstant (5 oder 6); doch tritt auch in diesen Strahlteilung, wenn überhaupt, häufiger auf der Augen- als auf der Blindseite ein. Nicht selten (z. B. t e i Bothidae, Soleidae) sind die Bauchflossen in der Weise asymmetrisch entwickelt, daß die der jeweiligen Augenseite eine bedeutend längere Basis einnimmt als die der Blindseite und bisweilen mit der Afterflosse verwächst. An der Gattung Rhombosolea hat NORMAN 1934 p. 28 gefunden, daß die Bauchflosse der Blindseite bei regulären Exemplaren gänzlich verschwindet, bei inversen (linskäugigen) aber nicht selten, wenn auch mehr oder minder verkümmert, erhalten bleibt. — Nachstehend gebe ich eine Übersicht über die Anzahl der sämtlichen und der geteilten Strahlen in den paarigen Flossen regulärer und inverser Flundern (Platichthys flesus) nach eigenen Zählungen von drei verschiedenen Fundorten (A. = Augen-, B. = Blindseite; R = rechts-, L = linksäugig). Da bei diesen keine sexuellen Differenzen vorkommen, sind hier die Befunde an 6 und 5 Tieren zusammengefaßt. Ebenso wie die Beschuppung der Flunder verhält sich auch die Strahlteilung ihrer paarigen Flossen auf der Blindseite juveniler als auf der Augenseite. Hiermit im wesentlichen übereinstimmende Befunde erhielten auch HUBBS and HUBBS 1945 p. 251—257, tables IV und V, bei Zählungen der Gesamt- und der Teilstrahlen der paarigen Flossen an Platichthys stcllatus der nordamerikanischen Westküste und KURONUMA (ibid. p. 258—261, table VI) bei Zählungen der Gesamtstrahlen an 29 japanischen Plattfischarten.

1) Die Teilung der Gliederstrahlen bei Knochenfischen ist ein noch u n g e n ü g e n d erforschter Vorgang des postlarvalen Lebens, der im allgemeinen bei den P h y s o s t o m i ontogenetisch früher eintritt als bei den Physoklisti, innerhalb der einzelnen Flossen selbst bei n a h e v e r w a n d t e n Arten einen sehr verschieden hohen Entwicklungsgrad erreichen kann und zur individuellen Variation der Strahlzahl einer Flosse in positiver Korrelation steht. Sexuell beeinflußt scheint sie besonders bei solchen Arten zu werden, deren beide Geschlechter starke Größenunterschiede a u f w e i s e n , z. B. bei Cottus; in diesem Falle erreicht d a s größer w e r d e n d e Geschlecht den höheren Teilungsgrad, der als Exponent der Basis 2 ausgedrückt w e r d e n kann. Strahlteilungen findet man vereinzelt stets auch in den Flossen sv-.caer Arten, für welche in den Diagnosen a n g e g e b e n wird „alle Flossenstrahlen u n geteilt". Ihre f u n k t i o n e l l e Bedeutung ist noch gänzlich unklar.

139

Z u r I n v e r s i o n d e r A u g e n s t e l l u n g bei P l a t t f i s c h e n

Tabelle 1 1. Brustflossen Ostsee A. L

R

Nordsee B.

R

L

A. R

Plymouth B.

L

R

L

A. R

B. L

R

L

1 14 39 5

3 10 142 606 276 23

6 32 19 1

Gesamtzahl der Strahlen 7 8 9 10 11 12 13 Sum. Mittel 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Sum. Mittel •/o Teilstrl.

2 11 13 4

5 32 40 9

86 30 10.62 10.63

1 1 5 29 35 16

2 13 7 6 1 30 86 6.70 6.57

63.1 61.8

1 17 47 19 2

1 3 17 7 2

30 86 10.05 10.20 2 2 10 28 21 17 6

3 2 1 9 8 2 4 1

1 2 11 5 1

8 36 33 4

81 20 10.41 10.15

2 18 46 13 2

11 8 1

20 81 9.94 9.55

Zahl d e r geteilten Strahlen 16 4 5 2 12 6 17 22 3 1 1 1 5 8 1 6 4 18 24 8 2 26 4 1 5

86 30 3.62 3.47

81 20 5.94 5.90

81 20 2.15 1.75

36.0 34.0

57.1 58.4

21.6 18.3

2 24 301 591 135 6 1059 10.80 1 6 3 21 37 143 346 370 85 2 1014 6.21

1060 60 59 10.81 10.14 10.

3 9 18 21 8

126 115 208 308 190 58 8 2

8 5 8 17 15 6

59 1015 59 6.37 2.53 2.

57.5 58.9

25.0 26;

2. Bauchflossen A. R

B. L

4 5 30 6 85 7 1 30 S u m . 86 Mittel 6.01 6.00 0 1 2 3 4 Sum. Mittel '/d Teilstrl.

29 21 28 8

15 5 9 1

86 30 1.17 0.86 19.5 14.3

Plymouth

Nordsee

Ostsee R

L

A. R

B. L

R

A. L

Gesamtzahl der Strahlen 1 4 1 6 2 5 75 17 80 30 76 19 1 1 20 86 30 81 20 81 5.93 5.80 5.96 5.95 5.95 6.00 57 18 10 1

17 6 7

30 86 0.48 0.67 8.1 11.2

Zahl d e r geteilten Strahlen 53 14 67 19 18 4 10 1 1 8 4 1 2 20 81 0.49 0.45 8.2 7.6

81 20 0.22 0.10 3.7 1.7

R

B. L

R

6 4 35 3 17 1012 57 58 1030 7 2 5 1058 1058 60 60 5.96 5.98 6.03 550 253 191 61 1 1056 0.78 13.0

28 18 12 2

850 129 74 5

45 9 6

60 1058 60 0.80 0.28 0.35 13.3 4.7 5.9

Alle diese Asymmetrieerscheinungen sind offenbar als Folge (Wirkung?) der individuellen, sei es regulären, sei es inversen Augenwanderung anzusehen. Ihnen schließt sich noch eine weitere an, die in der Literatur bisher k a u m berücksichtigt ist.

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GEORG DUNCKER

Wie bereits von *GOTTSCHE 1835 (p. 140), KRÖYER 1845 (p. 286) und mir 1895 (p. 34, fig. 19, 20) an einer Anzahl europäischer Arten, neuerdings auch von HUBBS and HUBBS 1945 p. 253 an regulären und an inversen Individuen von Paralichthys californicus, Xystreuris liolepis, Tanakius kitaharae und Platichthys stellatus festgestellt, liegt die Urethralpapille bei den meisten Plattfischen fast ausnahmslos 1 ' auf der Augenseite eben h i n t e r und dorsal zur A f t e r ö f f n u n g . Sie ist zugleich der Ausführungsgang f ü r das Sperma, w ä h r e n d die Eier durch einen median hinter der A n a l ö f f n u n g belegenen 9 Porus genitalis ausgeschieden w e r d e n (CHABANAUD 1936 p. 394). Über den Zeitpunkt ihrer Entwicklung scheint nichts bekannt. Die Lage der Urethralpapille ist also, gleich den vorstehend a n g e f ü h r t e n Asymmetrien, durch die individuelle Augenstellung bedingt. Dies ist u m so bemerkenswerter, als ein Situs inversus viscerum bis vor kurzem noch niemals bei Plattfischen, auch nicht bei i n v e r sen 3 ), angetroffen w u r d e (CUNNINGHAM and Mc MUNN 1893 p. 801, DUNCKER 1895 p. 34, CHABANAUD 1936 p. 503). D i e i n v e r s e A u g e n s t e l l u n g ist von der Lage der E i n g e w e i d e unabhängig. Der letztere Umstand ist schwer mit der Theorie von KYLE 1921 vereinbar, nach welcher die Asymmetrie der Plattfische durch eine Gleichgewichtsstörung des Gesamtkörpers in Folge der — auch bei symmetrischen Physoklisti — stets linksseitigen Verlagerung des Schwerpunktes der Eingeweide (Darmschlinge, Leber) im Larvenstadium als Rechts-, durch Überkompensation dieser Störung mittels einer ebenfalls linksseitig dorsal zu den Eingeweiden belegenen Schwimmblase 3 ' als Linksäugigkeit verursacht wird. Das seitliche U m kippen des larvalen Körpers soll dann die entsprechende Asymmetrie des Skelets, der Muskulatur und besonders des Schädels bewirken 4 ). Es ist vielleicht bezeichnend, daß K y 1 e das Vorkommen inverser Plattfische a n n u r zwei Stellen seiner Arbeit (p. 87 u. 115) mit wenigen Worten erwähnt, ohne auf eine E r k l ä r u n g desselben einzugehen. § 5. Von größerer Bedeutung f ü r unser Thema sind die hauptsächlich von PARKER 1903 durchgeführten vergleichenden Untersuchungen über den Verlauf der Nervi optici bei Teleostiern ü b e r h a u p t und bei den einzelnen Familien der Heterosomata. Bei allen Teleostiern ist das rechte Auge mit der linken Hirnhälfte, das linke mit der rechten durch je einen isolierten Nervus opticus verbunden. Beide Nerven kreuzen sich, ohne daß ein Faseraustausch zwischen ihnen stattfindet, in dem vom Vorderhirn überdeckten sogenannten C h i a s m a , so daß hier einer der beiden dorsal zum anderen verläuft. Nennt m a n den N. opt. des rechten Auges den rechten, so stellte P a r k e r (1. c. p. 223 1) J e e i n e A u s n a h m e w u r d e n v o n » G O T T S C H E 1835 a n e i n e m b e i d e r s e i t s w e i ß e n P l e u r o n e c t e s p l a t e s s a u n d v o n m i r (1. c. T a b . I A 2 N r . 20, T a f e l 2) a n e i n e m r e c h t s ä u g i g e n g P l a t i c h t h y s flesus b e o b a c h t e t ; bei diesen lag die U r e t h r a l p a p i l l e auf d e r Blindseite. — Nach C H A B A N A U D 1936 p . 286 s i n d d i e G a t t u n g e n P s e t t o d e s , T e p h r i n e c t e s , H i p p o g l o s s u s , A t h e r e s t h e s u n d Synaptura v o n dieser Regel a u s g e n o m m e n : bei i h n e n liegt, w i e bei den m e i s t e n Teleostiern, die Urethralpapille hinter dem Anus und der 2 Genitalporus zwischen diesen beiden , Öffnungen. 2) A l s e r s t e n u n d b i s h e r w o h l e i n z i g e n A u s n a h m e l a l l h a b e n H U B B S a n d H U B B S 1945 p . 245 e i n t o t a l i n v e r s e s E x e m p l a r v o n T a n a k i u s k i t a h a r a e ( L i s t e 1 N r . 24) b e s c h r i e b e n . S) E i n e l a r v a l e S c h w i m m b l a s e f i n d e t s i c h b e i d e n B o t h i d a e , S o l e i d a e u n d C y n o g l o s s i d a e ; s i e f e h l t d e n P l e u r o n e c t i d a e ( K Y L E 1921 p . 89). D i e S c h w i m m b l a s e l i e g t l i n k s s e i t i g b e i d e n . B o t h i d a e , r e c h t s s e i t i g b e i d e n S o l e i d a e ( S C H N A K E N B E C K 1929 p . h 43). 4) E i n e a u s f ü h r l i c h e D a r s t e l l u n g p . h 40 f f .

von

KYLE's

Theorie

findet man

bei

SCHNAKENBECK

1929

141

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

Tabelle I) bei Untersuchung von 10 Arten symmetrischer Teleostier 3 ) der Massachusetts-Küste an je 100 Individuen, im ganzen also bei 1000 Exemplaren, in 486 Fällen (bei den einzelnen Arten in 40—61°/») die dorsale Lage des linken, in 514 die des rechten N. opt. fest. Desgleichen fand *LARRABEE 1906 (nach LUDWIG 1932 p. 232) bei dem physostomen Salvelinus fontinalis M i t c h. (Salmonidae) unter 4950 Individuen 2201 ( = 44,46°/») mit dorsalem linken, 2749 mit dorsalem rechten, bei Gadus morrhua L. (in 5 Zuchten) unter 1052 Individuen 431 ( = 40,97°/o; PARKER hatte 40% festgestellt) mit dorsalem linken, 621 mit dorsalem rechten N. opt. Die Überkreuzungen der Nerven erfolgen also in annähernd gleicher Häufigkeit beider Möglichkeiten (dimorph), und zwar nach P a r k e r 1903 p. 224 bei zwei Arten (Fundulus, Tautogolabrus) nachweislich unabhängig vom Geschlecht der Tiere. Für die P l a t t f i s c h e liegt eine ebenfalls stattliche Reihe (rund 700 Fälle in 47 Arten) von Untersuchungen hauptsächlich PARKER's, ferner WILLIAM's (1902), *REGAN's (1910), MAYHOFF's (1912) und HUBBS' (1939, 1945) vor. Die nachstehende Liste gibt eine Ubersicht derselben zu dem Zweck, den Umfang des bisher geleisteten zu zeigen, zugleich aber die noch bestehenden Lücken hervorzuheben. Sie umfaßt nicht die bei CHABANAUD 1936 p. 500 Fußn. 1 erwähnten, mir leider unzugänglichen Untersuchungen von *W u 1932. Die den Artnamen vorangestellten Zahlen sind die der untersuchten Stücke, die in Klammern hinter ihnen aufgeführten die Zahlen der inversen unter diesen. In Liste 1 genannte Arten sind durch ein Ausrufungszeichen (!) am Zeilenanfang gekennzeichnet; unter den achtzehn derselben befinden sich 4 amphidrome und 5 monostrophe, von denen auch inverse Exemplare zur Untersuchung gelangten. Unzureichend ist angesichts der eigenartigen Ergebnisse die Anzahl untersuchter Cynoglossidae. Liste 2. Verzeichnis der auf ihr Chiasma untersuchten Plattfischarten. ! ! ! ! ! ! !

1. Psettodidae (2 sp.). Psettodes erumei BL. — W.Paz. — * REGAN 1910 (Anzahl?) Psettodes belcheri BENN. — O.Atl. — *REGAN 1910 (Anzahl?) 2. Bothidae (20 sp.) N. opt. dext. dorsal. 1 Hippoglossina stomata EIGENMANN et EIGEN MANN. — O.Paz — HUBBS a i d MARINI 1939 p. 159. 17 Paralichthys dentatus L. — W.Atl. — PARKER 1903, p. 227 Tab. III. 1.1 Paralichthys albigutta JORD. et GILB.— W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 Tab. III. 1 Paralichthys brasiliensis RANZANI. — O.Paz. — PARKER 1903, p. 227 Tab. III. 26 Paralichthys californicus AYRES (15 invers.) — O.Paz. — PARKER 1903, p. 231 Tab. IV. 1 Paralichthys olivaceus SCHLEG (invers.) — W.Paz. — *WU 1932, p 47 (nach HUBBS and HUBBS 1945, p. 239). 1 Xystreuris liolepis JORD. et GILBERT (invers.) — O.Paz. — HUBBS and MARINI 1939, p. 159. 34 Syacium papillosum L. — W.Atl. — PARKER 1903, p. 228 Tab. III. 1 Syacium micrurum RANZANI. — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 228 Tab. III. 1 Cyclopsetta panamensis STEIND. — O.Paz. — PARKER 1903, o. 228 Tab. III. 11 Citharichthys sordidus GIR. — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 228 Tab. III. 1 Citharichthys spilopterus GÜNTH. — W.Atl. — PARKER 1903, p. 228 Tab. III.

8) A u s d e n p h y s o k l i s t e n F a m i l i e n C y p r i n o d o n t i d a e , Sparidae, Labridae, Triglidae und Gadidae.

Atherinidae,

Carangidae,

Stromateidae,

142

!

GEORG DUNCKER

10 Etropus rimosus G O O D E e t B E A N . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 228 T a b . I I I . 1 Citharoides macrolepidotus H U B E S (invers.) — W.Paz. — H U B B S a n d H U B B S 1945, p. 235. 2 Arnoglossus laterna W A L B . — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . 5 Bothus ocellatus A G A S S . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 228 T a b . III. 1 Bothus m a n c u s B R O U S S O N . — W. P a z . — P A R K E R 1903, p. 228 T a b . III. 68 Scophthalmus aquosus M I T C H . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 228 T a b . I I I , W I L L I A M S 1902, p . 34 (Anzahl?) 2 Lepidorhombus w h i f f - i a g o n i s W A L B . — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 Tab. 2 Phrynorhombus norvegicus G Ü N T H . — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . 3. Pleuronectidae (20 sp.) N. opt. sin. d o r s a l .

! !

! ! ! ! !

! !

1 Atheresthes stomias J O R D . e t G I L B . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 13 Hippoglossus vulgaris F L E M . (1 invers.) — N.Atl. — P A R K E R 1903, p. 231 T a b . IV. 3 Hippoglossoides platessoides F A B R . — N.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . (1 Ex.). — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . (2 Ex). 11 Eopsetta jordani L O C K I N G T O N . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 23 Psettichthys melanostictus G I R . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 1 Hypsopsetta guttulata G I R . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 1 Isopsetta isolepsis L O C K I N G T O N . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 11 Parophrys vetula G I R . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 16 Limanda limanda L. — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . 51 Limanda ferruginea S T O R E R . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 Tab. I I I . 1 Pseudopleuronectes yokohamae G Ü N T H . (invers.). — W.Paz. — *WU 1932, p. 47 (nach H U B B S a n d H U B B S 1945, p. 239). 100 Pseudopleuronectes americanus W A L B . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . — W I L L I A M S 1902, p. 34 (Anzahl?). 31 Pleuronectes platessa L. — O.Atl. — P A R K E R 1903, p. 2i27 T a b . I I I . (1 Ex.). — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . (30 Ex.). 2 Microstomus kitt W A L B . — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . 11 Xanakius kitaharae JORiD. e t S T A R K S (1 t o t a l invers.). — W.Paz. — H U B B S a n d H U B B S 1945, p. 246. 6 Glyptocephalus zachirus L O C K I N G T O N . — O.Paz. — P A R K E R 1903, p. 227 Tab. III. 1 Liopsetta putnami G I L L . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 51 Platichthys flesus L. (38 invers.). — O.Atl. — M A Y H O F F 1912, p. 83 T a b . 100 Platichthys stellatus P A L L . (50 invers.). — N.Paz. — P A R K E R 1903, p. 231 T a b . IV. 1 Oncopterus darwini S T E I N D . — S.W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 227 T a b . I I I . 4. Soleidae (3 sp.) N. opt. d o r s a l :

!

15 sin. + 14 d e x t . Solea vulgaris Q U E N S E L . — O.Atl. — P A R K E R 1903, p. 225T a b . II. 6 sin. + 8 d e x t . Achirus lineatus L. — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 225 T a b . II. 3 sin. + 3 d e x t . Achirus fasciatus L A C E P . — W.Atl. — P A R K E R 1903, p, 225 T a b . II. 5. Cynoglossidae

(2 sp.) N. opt. d o r s a l :

0 sin. + 1 d e x t . Symphurus plagusia BL. SCHN. — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 225 T a b . II. 13 sin. + 4 d e x t . Symphurus plagiusa L. — W.Atl. — P A R K E R 1903, p. 225 T a b . II. A b k ü r z u n g e n : Atl. = a t l a n t i s c h ; P a z . = pazifisch.

Bei den Psettodidae, Soleidae und Cynoglossidae verhält sich das Chiasma ebenfalls „dimorph", bei den Bothidae und den Pleuronectidae dagegen, „monomorph" in dem Sinne, daß fast stets bei jenen der rechte, bei diesen d e r linke N. opt. in ihm dorsal verläuft und zwar unabhängig von ihrer regulären oder inversen Augenstellung.

143

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

Eine konstante Beziehung zwischen Nervenverlauf und Augenstellung testeht ausschließlich bei den Psettodidae, bei denen das Auge des jeweils dorsal im Chiasma liegenden Nervs zugleich das wandernde ist (*REGAN 1910 p. 483, nach GUDGER 1935 p. 24); für diese Familie gibt es keine „reguläre" oder „inverse" Augenstellung. Rechts- und linksäugige Tiere sind gleich häufig und dementsprechend geben auch WEBER and BEAUFORT 1929 p. 96 in der Diagnose der Psettodidae als einziger unter den von ihnen behandelten Familien der Heterosomata die Augenstellung überhaupt nicht an. Bei den Bothidae und den Pleuronectidae ist es, von zwei bisher bekannt gewordenen Ausnahmefällen 1 ) abgesehen, stets das r e g u l ä r w a n d e r n d e Auge, dessen N. opt. im Chiasma dorsal liegt, bei jenen also das rechte, bei diesen das linke. Bei inversen Exemplaren dieser Familien aber wandert dasjenige Auge, dessen N. opt. im Chiasma ventral liegt. Dadurch, daß sich dieser dann mit einer halben Windung distal zum Chiasma um den N. opt. des stationären Auges schlingt, entsteht eine zweite unvollkommene Nervenkreuzung, die bei Exemplaren mit regulärer Augenstellung ausbleibt (bis jetzt nachgewiesen an Paralichthys californicus, Hippoglossus vulgaris, Platichthys flesus und PL stellatus). Die nachstehende GUDGER 1935 p. 33 entnommene Fig. 1 veranschaulicht diese Verhältnisse.

Fig. 3.

Chiasma opticum

bei

Plattfischen.

A. Pleuronectes platessa (nach M a y h o f f 1912), rechtsäugig: 1. Seitenansicht der Augenseite; 2. Dorsale Aufsicht. — Beide nach Entfernung des Vorderhirns und der Lobi olfactorii. B. Paralichthys maculosus (nach P a r k e r 1903), regulär limksäugig. Dorsale Aufsicht nach Entfernung der Hirn-Hemisphären: 1. reguläres, 2. inverses Exemplar. C. Platichthys stellatus (nach P a r k e r 1. inverses, 2. reguläres Exemplar.

1903),

regulär

rechtsäugig,

wie

B:

i) J e ein inverses Exemplar von Citharoides macrolepidotus (Bothidae, Liste 1 Nr. 11: rechtsäugig, mit dorsalem linken) und von Tanakius kitaharae (Pleuronectidae, Liste 1 Nr. 24: linkksäugig, mit dorsalem rechten N. opt.), das letztere mit Situs inversus viscerum totalis (HUBBS and HUBBS 1945 p. 235 u. 245). Bei diesen beiden Stücken liegt also Inversion der Augenstellung ohne eine sekundäre Kreuzung der Nn. opt. vor. 10

144

GEORG DUNCKER

Da nach Liste 2 bei den bisher auf ihre Chiasmakreuzung untersuchten 47 Plattfischarten durchschnittlich kaum 15 Sektionen auf die einzelne Art entfallen, sind Varianten geringer relativer Häufigkeit, wie die des soeben in der Fußnote erwähnten Citharoides-Exemplares, vielleicht nicht etwas so außergewöhnliches, wie es diesem Einzelbefund nach scheinen möchte. Das Verhalten der Psettodidae, Soleidae und Cynoglossidae unter den Heterosomata, ebenso wie das der übrigen untersuchten Teleostier, läßt eine gelegentliche Abänderung des Nervenverlaufs auch bei den Bothidae und den Pleuronectidae a priori erwarten. Prinzipiell hiervon verschieden jedoch ist die t o t a l e Inversion des Tanakius-Exemplares, eines Unicum in der Klasse der Fische, insofern diese vermutlich bereits durch eine der ersten Furchungen des befruchteten Eies entschieden wird und eine spiegelbildliche Vertauschung der beiden seitlichen Körperhälften bewirkt, so daß man in diesem Fall die Beziehungen sowohl der Augenstellung als auch der Chiasmakreuzung zur gesamten Körperasymmetrie des Tieres derjenigen eines regulären (rechtsäugigen) E x e m plares seiner Art gleichzusetzen hat, nicht aber den viel häufigeren Inversionen, wie sie uns hier beschäftigen. Bei den Soleidae und Cynoglossidae mit dimorphem Chiasma endlich besteht, im Gegensatz zu den vorgenannten, kein fester Zusammenhang zwischen der Art der Nervenkreuzung und ihrer Augenstellung. Von drei untersuchten Arten der rechtsäugigen Soleidae haben 24 Exemplare den linken, 25 den rechten N. opt. im Chiasma dorsal; bei zwei Symphurus sp. der linksäugigen Cynoglossidae hatten 13 Exemplare den linken aber nur 5 den rechten N. opt. dorsal. Inverse Soleidae scheinen noch nicht auf ihr Chiasma hin untersucht zu sein, und inverse Cynoglossidae sind bisher nicht beobachtet. Die Augenwanderung der Plattfische findet stets in der Weise statt, daß nach ihrer Beendigung die im symmetrischen Larvenstadium dorsalen Augenränder einander zugekehrt, die ventralen von einander abgewandt sind. Dies ist besonders deutlich bei den Scophthalmus sp. erkennbar, bei denen eine Ausbuchtung des dorsalen Pupillenrandes der Iris einen Teil der Pupille überdeckt,

Fig. 4. Scophthalmus maximus. Augen mit einander zugewandten konkaven ¡Pupillenrändern. Zeichnung v. E. M o h r .

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

145

so daß diese nicht kreisrund, sondern halbmond- bzw. nieren- oder bohnenförmig erscheint 1 '. Nach der Augenwanderung sind dann die konkaven Pupillenränder beider Augen einander zugekehrt (Fig. 4). Somit ergeben sich folgende Beziehungen zwischen der Nervenkreuzung im Chiasma und der Augenstellung der Plattfische: I. Chiasma dimorph. 1. Augenstellung razemisch, der jeweiligen Nervenlage im Chiasma entsprechend. Psettodidae: Stachelflosser, V I 5, D hinter dem Kopf beginnend. Präoperkel mit freiem, deutlich sichtbaren Hinterrand. Vert. 10 + 14. 2. Augenstellung monostroph, unabhängig von der Nervenlage im Chiasma. Weichflosser. D vor den Augen auf dem Rostrum beginnend. Hinterrand des Präoperkels ü t erhäutet, nicht sichtbar. Zahl der kaudalen 3—4mal so groß wie die der abdominalen Wirbel. Soleidae: Regulär rechtsäugig. P in der Regel wenigstens auf der Augenseite vorhanden. C mehr oder weniger deutlich von D und A abgesetzt. Cynoglossidae: Regulär linksäugig. P und C fehlend. D und A am Hinterende des Schwanzes vereinigt. II. Chiasma monomorph. Der im Chiasma dorsal liegende Nerv der des regulär wandernden Auges. Augenstellung amphidrom oder monostroph. Weichflosser. D über oder vor den Augen beginnend. Präoperkel mit freiem, deutlich sichtbarem Hinterrand. Zahl der kaudalen 1 ^—3mal so groß wie die der abdominalen Wirbel. Bothidae: Rechter N. opticus im Chiasma dorsal. Regulär linksäugig. Eier mit Öltropfen. Larven mit Schwimmblase. Pleuronectidae: Linker N. opticus im Chiasma dorsal. Regulär rechtsäugig. Eier ohne Öltropfen. Larven ohne Schwimmblase. Die Frage, ob mono- oder polyphyletische Abstammung der Heterosomata vorliegt, ist noch ungeklärt, kann hiernach aber wohl kaum auf Grund der Beziehungen zwischen dem Nervenverlauf im Chiasma und der Augenstellung entschieden werden. Nach PARKER 1903 p. 229 ist die individuelle Form der Nervenüt erkreuzung im Chiasma bereits vor dem Ausschlüpfen der Plattfischlarven aus dem Ei festgelegt. Danach ließe sich nur bei den Psettodidae eine Abhängigkeit der Augenstellung von jener annehmen; bei allen übrigen Plattfischen besteht eine derartige Abhängigkeit jedenfalls nicht. D i e A u g e n w a n d e r u n g d i e s e r am Ende i h r e s L a r v e n s t a d i u m s e r f o l g t f ü r u n s e r g e g e n wärtiges Verständnis „spontan". § 6. Endlich kommt noch als eine e c h t e M i ß b i l d u n g — im Gegensatz zur Inversion — b i l a t e r a l - s y m m e t r i s c h e Augenstellung postlarvaler Plattfische, wenn auch überaus selten, vor. In der Literatur habe ich bisher erst drei derartige Exemplare erwähnt gefunden: bei SCHLEGEL 1862 p. 159 Scophthalmus maximus L.: „men heeft zelfs een voorwerp van de l) D a s s e l b e V e r h a l t e n zeigen z. B. auch die A u g e n d e r s p i t z s c h n ä u z i g e n R o c h e n , der Platycephalidae, d e r Callionymus sp. u n d v e r e i n z e l t e r Gobiidae, w i e Glossogobius biocellatus C. V., sämtlich a m B o d e n l e b e n d e r Fische (cf. WEBER 1913 p . 470). 10«

146

GEORG DUNCKER

tarbot waargenomen, waar aan ledere zijde van den kop een oog geplaafst war"), bei *HOLT 1893 p. 188—190 und *1894 (Solea vulgaris Quensel: Beschreibung eines ausgewachsenen Exemplars) und bei KYLE 1921 p. 87 (Platichthys flesus L.: „a quite symmetrical flounder has been found".) 1 '. Ferner schreibt LUDWIG 1932 p. 234: „Ab und zu werden erwachsene Plattfische beobachtet, die symmetrisch geblieten sind 322". Unter Nr. 322 seines Schriftenverzeichnisses findet man auf pp. 467 als a—c drei Arbeiten verschiedener Autoren (GARMAN, Gl ARD, JAKOBSHAGEN) genannt, von denen nur diejenige von *GIARD 1892 (Scophthalmus maximus) in Betracht kommen dürfte, ohne daß ich in der Lage bin, dies durch Einsicht derselben festzustellen. Diese offenbar ebenfalls auf Entwicklungsstörung, wie die Hakenbildung, beruhende Abnormität ist nicht etwa eine Zwischenstufe zwischen regulärer und inverser Augenstellung und hat auch mit den wesentlich häufigeren sonstigen Inversionserscheinungen nichts zu tun. Nach PARKER 1903 p. 233 hat die von HOLT beschriebene Seezunge mit bilateral-symmetrischer Augenstellung die Schädelasymmetrie und die einseitige Pigmentierung eines regulären (rechtsäugigen) Exemplars gehatt. Über die beiden anderen Fälle ist nichts weiteres bekannt. Ich selbst habe niemals einen derartigen Plattfisch gesehen oder von einem Fischer gehört, der einen solchen gefangen hätte. Es ist mir unbekannt, ob die beiderseitigen statischen Organe der Fische, insbesondere auch der Plattfische, jemals einer vergleichenden Untersuchung unterzogen sind. Die von NORMAN 1934 p. 8 angeführten Arbeiten von *FROST 1925—1930 über die Otolithen der Teleostier sind mir nicht zugänglich. Sollte sich z. B. eine Differenzierung der beiderseitigen drei Otolithen (Sagitta, Asteriscus, Lapillus) bei den noch symmetrischen Larven der Plattfische ergeben, so könnte eine solche wenigstens f ü r das Verständnis ihrer späteren Seitenlage als „physiologische Gleichgewichtsstörung", wenn auch noch nicht für das ihrer Augenwanderung, in Betracht kommen. § 7. Die große Verschiedenheit im Auftreten inverser Individuen bei den verschiedenen Familien und deren einzelnen Arten ist schwerlich bedeutungslos. Nur liegen über die relative Häufigkeit von Inversionen bis jetzt recht wenige exakte Angaben vor. Zur exakten Angabe einer prozentualen Verteilung gehört mindestens auch die der Anzahl der beobachteten Fälle, auf welche sie sich bezieht, oder der aus dieser abzuleitenden Fehler der einzelnen Prozentsätze. Feststellungen irgendwelcher Häufigkeitsverhältnisse bei freilebenden Tieren können fast immer nur als Stichproben aus viel größeren Gemeinschaften gemacht werden und sind deshalb als mehr oder minder unsicher anzusehen; ihre Verläßlichkeit wächst jedoch mit dem Umfang der Stichprobe: Feststellungen aus 1000 Beobachtungen sind selbstverständlich als zuverlässiger zu bewerten, als solche aus 10. Die Augenstellung der Plattfische ist ebenso, wie etwa die Geschlechtsverteilung getrennt-geschlechtlicher Organismen oder der Windungssinn von Schneckengehäusen, ein alternativ variierendes Merkmal mit nur zwei denkbaren, sich gegenseitig ausschließenden Varianten (L und R), deren Frequenzen, f und n—f, sich zur Summe n, der Gesamtzahl der beobachteten Fälle, ergänzen. 1) B e i S C H N A K E N B E C K 1929 p. h 43 h e i ß t es, w o h l v o n K Y L E ü b e r n o m m e n : „Es ist s o g a r e i n m a l e i n e v o l l k o m m e n s y m m e t r i s c h e F l u n d e r [ P l a t i c h t h y s f l e s u s L.] g e f u n d e n w o r d e n . "

147

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen D a n n beträgt der wahrscheinliche Fehler jeder der beiden Frequenzen ) E(f) = E(n—f) = 0.67 449 ,

f(n- f) n—1

n Bei konstantem n erreicht dieser sein Maximum, wenn f = n — f = —, sein Minimum, w e n n f oder n—f gleich Eins; es ist somit 2

1/

n2 0,67 449 E(p) 1, so wächst die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der w a h r e Wert innerl) Der Ausdruck,, | ' n — 1 " in obigen Gleichungen nähert sich bei wachsendem rechnerisch oft bequemeren ,, J' n " .

n rasch

dem

GEORG DUNCKER

148

halb derselben liegt, auf Kosten der entgegengesetzten Wahrscheinlichkeit in folgender Steigerung: X P P : (1—] m 0.674 0.50000 1.00 1 1.349 0.82245 4.63 2 22.64 2.023 0.95697 3 2.698 0.99303 4 142.46 0.99760 4,5 3.035 414.97 3.372 5 0.99925 1341.28 6 4.047 0.99995 19277 Hier ergibt sich x aus der Gleichung m Ep

-

l/p(100 — p) x V r n— 1

und ist das zweistellige Argument in S H E P P A R D ' s Tatellen des Wahrscheinlichkeitsintegrals 2 ' mit der siebenstelligen Funktion 1 +

«

F(x)

. 2 Dann ist die gesuchte Wahrscheinlichkeit p = a und der Quotient P : (1-P) die „mathematische Hoffnung", d. i. der Grad von Verläßlichkeit, mit dem man auf ihr Eintreten rechnen darf. — Die obigen Werte von P : (1—P) sind für 5stellige x mittelst der 7stelligen Werte ihrer Funktion aus jener Tabelle entnommen. L u d w i g 1932 p. 26 ist der Ansicht, zur Feststellung razemischer, d. h. 1 :1-Verteilungen genüge im allgemeinen die Untersuchung von 100 Fällen. Bei dieser wird E (50°/o) ^ 0.67449 |

3.39»/».

Dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß der wahre Wert von p zwischen den Grenzen 46.6 und 53.4 liegt, nicht größer als die Wahrscheinlichkeit dafür, daß er außerhalb dieser Grenzen liegt. Und selbst dafür, daß er sich innerhalb der auf das doppelte erweiterten Grenzen 43.2 und 56.8 halte, besteht nur eine Wahrscheinlichkeit von 82°/»; man kann also immer noch Mk. 1.— gegen Mk. 4.63 darauf wetten, daß dies nicht der Fall sei. 2) Biometrika I I Nr. 2 (1903) p. 182^188, Tables I, II. — Tables for Statisticians and Biometricians, 2. Ed., London 1924, p. 2—8, Table II. — Bei Benutzung anderer als SHEPPARD's Tabellen, wie der von C. B. DAVENPORT 1904 p. 119—125, G. TH. FECHNER 1897 p. 468—471 (Tab. I) und p. 47a—476 (Tab. II), H. BRUNS 1906 p. A2—A5 und E. CZUBER 19H4 p. 437—439 (Tab. I) und p. 440—443 (Tab. II), ist zu berücksichtigen, daß in ihnen Argument und Funktion ungleich ausgedrückt sind. In unserer obigen Schreibweise findet man bei DAVENPORT n für das Argument x die Funktion F (x) — —, bei den drei übrigen Autoren für das Argument

X

die Funktion F

/ X \ —^

\|'2

1

2

In diesen Tabellen ist das Argument meistens drei-,

die Funktion vier- bis fünf-, bei CZUBER Tab. I das Argument zwei-, seine Funktion siebenstellig wiedergegeben.

149

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

Zur Erreichung eines bestimmten Grades der Verläßlichkeit der relativen Frequenzen alternativer Varianten hat man die Untersuchung nun so weit durchzuführen, daß ihr wahrscheinlicher Fehler oder ein Vielfaches desselben (m) einen bestimmten Bruchteil (1 : [b > 1]) des Betrages der kleineren von ihnen, als welche hier p gelten möge, nicht überschreitet, daß also m E(p)

m. 0.671491

.

P

oder daß E (p)

m b

daher ~~p P Die Wahl der voneinander unabhängigen Werte m und b wird dann durch die praktischen Gesichtspunkte der Beschaffungsmöglichkeit einer diesem Zweck genügenden Individuenmenge und der mittelst dieser erreichten Verläßlichkeit des Ergebnisses bedingt. Für m kommt zweckmäßigerweise einer der Werte der obigen Zusammenstellung, f ü r b eine beliebige positive Zahl, die größer als Eins, in Betracht. Die Verläßlichkeit des Resultats innerhalb der Grenzen n—1

(0.67449 mb)

2 100

P P ±

m b e r g i t t sich dann aus dem m zugeordneten Quotienten P : (1—P). Wählt man m

4,5 und b = 10, so beträgt die mathematische Hoffnung, P daß der wahre Wert von p sich innerhalb der Grenzen p ± — finde, 415 : 1. 10

P Bei dieser Wahl wird E(p) - —, und es ergibt sich f ü r das genannte Beispiel 45 LUDWIG's als Zahl der zu untersuchenden Individuen 50 n — 1 + (45 • 0.67449)2 — 922,25, 50 d. h. erst bei Untersuchung von mindestens 922 Exemplaren kann eine razemische Verteilung innerhalb der Fehlergrenzen von ± 5°/o mit der Verläßlichkeit 4 1 5 : 1 festgestellt werden; dann ist p ±E(p) = • 50 ± 1.11 %>. Hätte man den höheren Verläßlichkeitsgrad 1341-1 (m = 5) bei den engeren P Fehlergrenzen p ± — angestrebt, so wäre zur Erreichung desselben, da 16

n— 1

50 (80-0,67449) 2 — - 2 9 1 1 , 6 , 50

150

GEORG DUNCKER

die Untersuchung von mindestens 2913 Exemplaren erforderlich, nämlich das

(

5

1 6

\2 I • — I —, also das mehr als dreifache, von 922,25; hier wird \4,5 10/ p ± E (p) = 50 ± 0,625 °/o Tabelle II gibt eine Übersicht über die Mindestzahlen zu untersuchender Fälle zwecks Feststellung der einzelnen relativen Frequenzen von 50 bis 1°/« P bei einer Verläßlichkeit von 415 : 1 innerhalb der Grenzen p ± — auf Grund 10 der Gleichungen P 4,5 E (p) = - , 10 n = (45 • 0.67449)2

100—p

+ 1 P

100—p

-

921,247

+ 1. P Dieser Tabelle entsprechend lassen sich bei Untersuchung von 5000 Fällen einheitlichen Materials Befunde von 16—50, bei Untersuchung von 10 000 solche von 9—50°/o der weniger häufigen Variante mit der Mindest-VerläCP lichkeit p ± —• feststellen; alle geringeren Minoritäten erfordern hierzu eine 10

so rasch zunehmende Steigerung des Untersuchungsmaterials, daß diese sehr bald praktisch undurchführbar würde. Tabelle II Mindestzahl zu untersuchender Fälle (n) zur verläßlichen Feststellung der relativen Häufigkeit (p) der selteneren Variante bei alternativer Variation innerhalb der P P 100 1 Grenzen P ± 10 ' E(P) " 45 ' n - 921,247 P n p p:45 50 1.111 922 49 1.089 960 48 1.067 999 47 1.044 1040 46 1.022 1082 45 1.000 1127 44 0.978 1173 43 0.956 1222 42 0.933 1273 41 0.911 1327

P p:45 40 0.889 39 0.867 38 0.844 37 0.822 36 0.800 35 0.778 34 0.756 33 0.733 32 0.711 31 0,689

n 1383 1442 1504 1570 1639 1712 1789 1871 1959 2068

P 30 29 28 27 26 25 24 23 22 21

p:45

n

0.667 2151 0.644 2256 0.622 2370 0.600 2492 0.578 2617 0,556 2765 0.533 2918 0.511 3085 0.489 3267 0.467 3'467

P 20 19 18 17 16 15 14 13? 12 11

p:45

n

0.444 0.422 0.400 0.378 0.356 0.333 0.311 0.289 0.267 0.244

3666 3928 4198 4499 4849 5221 5660 6166 6756 7455

P 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

p:45

n

0.222 8292 0.200 9316 0.178 10595 0.156 12240 0.133 14434 0.111 17505 0.089 22111 0.067 29788 Q.Ü44 45142 0.0221 91204

Zur Abgrenzung amphidromer von monostrophen Arten hat, wie eingangs erwähnt, LUDWIG 10%> des Vorkommens der weniger häufigen Variante angenommen, während ich dafür die Sicherheit des Antreffens inverser innerhalb je 100 Individuen einer Art vorschlug. Diese „Sicherheit" oder richtiger

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

151

Verläßlichkeit der E r w a r t u n g inverser Individuen läßt sich, nach dem vorstehend ausgeführten, allgemein ausdrücken durch die Gleichung f — m E(f) = z sofern n = -2(f) = 100 und z eine positive ganze Zahl. Nimmt man m wieder mit 4,5, z mit seinem Mindestwert Eins an, so ist l / fflOO—f y 4,5 • 0,67449 \ ^ < oder

(100 f—f2» • 0,093055
0,

eine quadratische Gleichung, von deren beiden Wurzeln, der Ausgangsgleichung entsprechend, n u r die größere in Betracht kommt, mithin p =- f, ... 10,2538 [f2 > 0-0892], Im gleichen Rechnungsverfahren erhält m a n f ü r m = ; 4,5 und z — 2 die quadratische Gleichung f 2 — 12 9728 f + 3,6595 > 0, p = f i > 11.8643 [fä > 0 • 3085], f ü r m - - 5 und z = 1 endlich f 2 — 12,9728 f + 3,6595 > 0, p • f, • 12 • 0238 [f2 > 0-0746], nach allen drei Rechnungen also Ergebnisse, die so nahe über der von LUDWIG angenommenen Grenze von 10%> liegen, daß m a n diese unbedenklich beibehalten darf, wenn m a n die Untersuchung auf 120 statt auf 100 Individuen ausdehnt 1 '. § 8. F ü r die a m p h i d r o m e n A r t e n liegen einstweilen meistens n u r sehr vage Verteilungsangaben ihrer .Augenstellung vor 2 ). Als gesichert w i r d m a n vielleicht ihre razemische Verteilung bei den Psettodes sp. (Liste 1, Nr. 1 und 2) ansehen dürfen, obwohl quantitative Untersuchungen derselben noch nicht angestellt sind. F ü r die Augenstellung der verschiedenen Arten der Bothidae (Liste 1, Nr. 3—7), bis auf Tephrinectes alle ostpazifisch, wird, meistens nach *JORDAN and EVERMANN 1898, n u r angegeben: "a m a t t e r of indifference", "no preference as to which is the eyed side", "almost as f r e q u e n t l y dextral as sinistral", "indifferent in the m a t t e r of reclining", ohne Zahlenfeststellung der relativen Häufigkeit oder Angabe der untersuchten In1) Auf Grund der Gleichung

" 10

- m E ( —) \> z

\io/

2) D i e v o n LUDWIG 1932 p. 236 (Tabelle amphidromer Arten) nach PARKER 1903 m i t g e t e i l t e n „Verteilungszahlen" sind die Zahlen der v o n PARKER anatomisch untersuchten Stücke; insbesondere hat LUDWIG betr. Hippoglossus vulgaris ( 1 L : 12 R) die Fußnote bei PARKER 1. c. p. 232 übersehen: "The sinistral halibut e x a m i n e d by m e w a s the o n l y individual obtained during t h e winter 1900—1901 b y one of the largest halibut-establishments in Boston; i t w a s c e r t a i n l y a s i n g l e i n d i v i d u a l i n m a n y thousands" [von mir gesperrt].

152

GEORG DUNCKER

dividuenmengen (GUDGER 1935 p. 19). Nach HUBBS and HUBBS 1945 p. 238 enthält die Sammlung des zoologischen Museums der Universität Michigan an 1. Psettodes erumei 3. Tephrinectes sinensis 6. Paralichthys californicus 7. Xystreuris liolepis

23 Exemplare 14 Exemplare 150 Exemplare (38.0 ± 2.68%> 27 Exemplare

— = = R), =

10 L + 13 R, 6 L + 8 R, 93 L + 57 R 9 L i

18 R

verschiedener Fundorte und Fangdaten und ohne Rücksicht auf ihre Augenstellung gesammelt, ein statistisch natürlich nicht zureichendes Material, an welchem n u r die amphidrome Verteilung der Augenstellung dieser A r t e n erkennbar ist. Hier liegt also ein noch gänzlich u n t eackertes Feld vor. F ü r Platichthys stellatus und PL flesus (Liste 1, Nr. 15 und 14) aber existieren einige, w e n n auch ebenfalls noch ungenügende Zahlenangaben, hinter denen bisher u n b e r ü h r t e Fragen auftauchen. HUBBS and KURONUMA 1942 p. 300 geben die nachstehende Übersicht über die Verteilung der Augenstellung bei Platichthys stellatus (c? + 2) verschiedener Fundorte: Tabelle III California Oregon Columbia River Mouth (46°10' N) Washington z u s a m m e n (34—47° N, 119—124° W) P u g e t Sound (48° N, 123° W) S E - A l a s k a (ca 56° N, 133« W) Alaska-Penins. u. Kodiak Isld, (58—59° N, ca. 155° W) Japan (ca. 38° N, ca. 141° E)

n 509 65 225 247

= = = =

L 281 + 32 + 136 + 139+

R 228 33 89 108

%> L 55.21 ± 1.49 49.23' ± 4.22 60.44 ± 2.31 56.28 ± 2.18

1046 = 588 + 458 56.21 8972 = 4630 + 4342 51.61 2498 = 1454 + 1044 58.21 5129 = 3488 + 1641 68.01 476 = 476 + 0 100.0

± ± ± ± ±

1.04 0.36 0.67 0.44 ?

Die einzelnen Posten dieser Tabelle sind, mit Ausnahme von Oregon, Zusammenfassungen von Zählungen verschiedener Untersucher aus verschiedenen Zeiten, also uneinheitlich zusammengesetzt. Sie zeigen deutlich ein allgemeines Überwiegen inverser (L-) Exemplare, das sein Minimum im Puget Sound, sein M a x i m u m in J a p a n erreicht, und eine b e trächtliche regionale Verschiedenheit ihrer relativen H ä u f i g k e i t , jedoch keine klar h e r v o r t r e t e n d e Beziehung derselben zum Breiten- und Längenvorkommen der Art. Die hundertprozentige Inversion des Japan-Materials ist bei dessen geringem U m f a n g selbstverständlich n u r als ein Zufallsergebnis anzusehen, welches das Bestehen eines kleinen Prozentsatzes rechtsäugiger Tiere keineswegs ausschließt. Etwas m e h r ist über die relativ© Häufigkeit linksäugiger Platichthys flesus bekannt. Sie w i r d herkömmlich mit r u n d 30°/o angegeben, anscheinend zuerst von *FABER 1828 f ü r die dänischen Gewässer (nach KRÖYER 1845 p. 292 Fußnote 2) später u. a. von *CUNNINGHAM 1907 p. 175 f ü r Plymouth, nachdem derselfce Forscher *1896 p. 231 sie f ü r dasselbe Gebiet auf r u n d 50°/® geschätzt h a t t e (!) (beide Zitate nach GUDGER 1935 p 20). Durchgeführte Zählungen an Material verschiedener Fundorte ergaben

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

Fundort n 1.

Tabelle IV ==

1067 —

L

+

R

475 + 592

2.

918 = =

35 + 883

3.

259 — -

87 + 172

4. 5. 6. 7. 8. 9.

154 56 + 98 113 = = 29 + 84 90 = = 31 + 59 72 = = 22 + 50 512 = = 214 + 298 2819 1198 + 1621

10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

96 = = 100 = = 67 = = 1157 = = 624 = = 410 = = 53 —

17. 18. 19.

338 = = 120 + 218 1120 = = 60 + 1060 192 = = 11 + 181

20.

153

463' = =

19 25 25 364 160 194 17

+ 77 + 75 + 42 + 793 + 464 + 216 + 36

1 + 462

p

± E(p) p:45 Totallängen Sex. Murmanküste (69°30' N) 44.52 ± 1.03 0.939 6 — 37 cm A -1- 2 Weißes Meer (ca. 65° N) 3.81 ± 0.43 0.085 6 — 28 cm 2 6 :47°/o ? (± 0.63) festgestellt. Das entsprechende Material, aus der Ost- und der südöstlichen Nordsee einerseits, von Plymouth (Nr. 18) andererseits, ergibt nachstehende Kombinationen des Geschlechts mit der Augenstellung: £ 231 188 $ Zus. 419 r = 0.0134 ± 6 40 5 20 Ztis. 60 r = 0.0616 ±

Tab. IV Nr. 5, 10, 14—16 L R Zus. [—4.04] 471 [ + 4.041 702 [+4.04] 406 [—4.04] 594 877 1296 0.0187 Tab. IV Nr. 18 L R Zus. [— 7.75] 562 [ + 7.75] 602 [+7.75] 498 [—7.75] 518 1060 1120 0.0200

°/o L 32.91 ± 1.20 31.65 ± 1.29 Dq = 0.74 °/o L 6.64 ± 0.69 3.86 ± 0.57 Dq = 3.11

In beiden Fällen sind linksäugige 6 und rechtsäugige 2 ein wenig, und zwar um den jeweils gleichen Betrag (4.04 bzw. 7.75), zahlreicher als die wahrscheinliche Häufigkeit dieser Merkmalkombinationen. Doch sind die Differenzquotienten _ P u n t e r 5497 = 0.0182 ± 0.0123 %> L. Beide Beobachtungen zusammen ergeben 0.0154 ± 0.00 465 °/« L. 2. Solea vulgaris QUENSEL. — MOHR 1918 Tab. I—IX: unter 2975 Exemplaren aus der südlichen Nordsee und 1653 aus dem Kattegat ein 2 L 1 ' ergibt f ü r das Gesamtmaterial 0.0216 ± 0.0146 °/o L, f ü r das der südlichen Nordsee 0.0336 ± 0.0227 L; der letztere Wert liegt nahe an dem der oben e r w ä h n t e n Schätzung H. GÜNTHER's. — CHABANAUD 1936 p. 502 hat 4—5 inverse unter einigen H u n d e r t e n ("sur quelques centaines") von ihm behandelter Exemplare von Solea vulgaris nicht genannter Fangorte gefunden, also in wesentlich größerer Häufigkeit (ca. 1 3. Pleuronectes platessa L. 2) . — Auf ausdrückliches Verlangen erhielt ich je ein L-Exemplar in den J a h r e n 1893 u n d 1894 von dem verstorbenen Fischer HEINRICH LENDER sen., Niendorf-Ostsee, aus der Neustädter Bucht; bei einem geschätzten durchschnittlichen J a h r e s f a n g desselben von 15 000 Stück' !) entspricht dies einer relativen Häufigkeit von 0.0067 ± 0.0032 °/» L. — Die unter Limanda limanda e r w ä h n t e n Fänge der „ H a u c h " ergaben unter 4111 Exemplaren von PI. platessa kein inverses. F ü r Hippoglossus vulgaris FLEM. könnte nach *GOODE 1884 p. 197 ("about one to five thousand", zit. nach GUDGER 1937 p. 3) und nach PARKER,s Angabe (s. oben) vielleicht eine relative Häufigkeit inverser Exemplare von a n n ä h e r n d 0.015"/« in Betracht kommen. Diese vier A r t e n sind monostrophe, bei denen Inversionen noch verhältnismäßig häufig (s. p. 135) beobachtet sind. Ihnen schließt sich Scophthalmus maximus L. an, der jedoch stets in geringeren Mengen 4 ) gefangen wird, als Limanda limanda und Pleuronectes platessa. Danach ließe sich auch f ü r diesen eine relative Häufigkeit von u n g e f ä h r gleicher Höhe erwarten. — F ü r A r t e n dieser Inversionshäufigkeit aber w ü r d e die regelmäßige rationelle Durchmusterung der großen Fischmärkte zweifellos ein reicheres Material und bei Berücksichtigung der amtlichen Statistiken ihrer >Zufuhren verläßlichere relative Frequenzwerte 1) A m 19. IV. 1915 i m z w e i t e n L e b e n s j a h r z u s a m m e n m i t 41 r e g u l ä r e n E x e m p l a r e n im D o l l a r t CEmsmündung) g e l a n g e n . Die S e e z u n g e d e s K a t t e g a t ist v o n d e r d e r südlichen N o r d s e e e t w a s v e r s c h i e d e n (1. c. p. 16). 2) G U D G E R 1935 p. 22 h a t die v o n APST.EIN 11896 u n d m i r 1897 f ü r j u n g e P l a t i c h t h y s f l e s u s e r m i t t e l t e n D a t e n (Tab. III. N r . 4 u . 6) i r r t ü m l i c h auf d i e s e A r t b e z o g e n ; a u s i h n e n u n d d e r S e l t e n h e i t g r ö ß e r e r l i n k s ä u g i g e r PI. p l a t e s s a zog er d a n n (p. 23) d e n Schluß auf e i n e s e l e k t i v e M o r t a l i t ä t d e r i n v e r s e n J u n g f i s c h e v o n r u n d lOOVo, ein Schluß, d e r s o m i t nicht a u f r e c h t zu e r h a l t e n ist. — Ich b r i n g e diese B e r i c h t i g u n g h i e r auf Wunsch H e r r n D r . GUDGER's. 3) Z u j e n e r Z e i t w u r d e n „ G o l d b u t t " (PI. platessa) in d e r N e u s t ä d t e r B u c h t w e s e n t l i c h n u r w ä h r e n d d e r M o n a t e V.—IX. auf d r e i w a n d i g e n Stell-(sogen. L e d e n - ) N e t z e n gefangen, w ä h r e n d i m H e r b s t u n d F r ü h j a h r auf H e r i n g e u n d S p r o t t e n , i m W i n t e r auf Dorsch m i t a n d e r e n G e r ä t e n g e f i s c h t w u r d e , m i t d e n e n B u t t n u r v e r e i n z e l t als B e i f a n g e r b e u t e t w u r d e n . R e c h n e t m a n auf die B u t t f a n g z e i t 100 F i s c h t a g e (nach A b z u g d e r z u m R e i n i g e n d e r N e t z e e r f o r d e r l i c h e n u n d d e r Sonntage), so w a r e n f ü r d e n g e n a n n t e n F i s c h e r 7—3 Stieg (zu 20 Stück) ein d u r c h s c h n i t t l i c h e r T a g e s f a n g . Die G r ö ß e d e r F ä n g e d e r e i n z e l n e n Fischer hing damals, abgesehen von ihren persönlichen Fachkenntnissen und der jeweiligen Wetterlage, h a u p t s ä c h l i c h v o n d e r A n z a h l d e r i h n e n zu G e b o t e s t e h e n d e n S t e l l n e t z e a b . 4) Z. B. i m Jaihre 1931 n a c h E H R E N B A U M 1936 in d e n s ä m t l i c h e n n o r d e u r o p ä i s c h e n L ä n d e r n 6300 t g e g e n ü b e r 85 000 t v o n P l e u r o n e c t e s p l a t e s s a u n d ca. 12 000 1 v o n L i m a n d a l i m a n d a , w o b e i noch d a s g r ö ß e r e I n d i v i d u a l g e w i c h t d e s S t e i n b u t t s g e g e n ü b e r d e m d e r b e i d e n a n d e r e n A r t e n zu b e r ü c k s i c h t i g e n ist. 5) G e f a n g e n auf d e m O s t a b h a n g d e s L y s e g r u n d e s i m s ü d ö s t l i c h e n K a t t e g a t (56015 N, 11050 E) a m 8. V. 1893 auf 5—8 F a d e n T i e f e z u s a m m e n m i t 107 r e g u l ä r e n E x e m p l a r e n .

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DUNCKER

liefern können; auf eine im VII. 1944 ausgesetzte Prämie f ü r inverse Exemplare erhielt ich von Sortierern des Hamburger Fischmarktes binnen wenigen Tagen je 1 Pleuronectes platessa und 1 Solea vulgaris (s. Liste 1 Nr. 18 und 22, Zool. Museum Hamburg 1944). Endlich sind noch einige monostrophe Arten mit derartig vereinzelten Inversen beobachtet (s. p. 2), daß f ü r diese jede Schätzung ihrer relativen Häufigkeit einstweilen sinnlos ist, außer daß man sie noch sehr viel kleiner als 0.01 "/• anzunehmen habe 1 '. Andererseits aber warnt die rapide Abnahme des Prozentsatzes inverser Individuen in diesen drei Gruppen vor der unbewiesenen Annahme „absolut monostropher" Arten (etwa der Cynoglossidae) bei den Plattfischen. Als besonders rätselhaft ist der Umstand hervorzuheben, daß die Inversion der Augenstellung selbst bei nahe verwandten Arten in so überaus verschiedenen Graden der relativen Häufigkeit auftritt. § 10. Zum Vergleich seien zwei analoge, jedoch insofern verschiedene Erscheinungen angeführt, als bei ihnen die Entscheidung der Richtung ihrer Asymmetrie bereits in die frühesten Stadien der Eientwicklung, nicht, wie bei der Augenstellung der Plattfische, erst in das Ende ihres Larvenstadiums fällt. Es sind dies die I n v e r s i o n e n d e s W i n d u n g s s i n n e s d e r G e h ä u s e pulmonater und p r o s o b r a n c h i a t e r G a s t r o p o d e n und der S i t u s i n v e r s u s v i s c e r u m t o t a l i s b e i m M e n s c h e n . Auch diese sind nicht als „Abnormitäten" pathologischer oder teratologischer Art, sondern als biologisch vollwertige Heterotypien aufzufassen (H. GÜNTHER 1923 p. 183, 205). Bei den meistens rechts gewundenen Schnecken kommen sowohl regulär linksgewundene Familien, wie die Clausiliidae, und Gattungen, wie Physa und Aplexa unter den Limnaeidae, Lanistes unter den Paludinidae, vor als auch inverse Individuen zahlreicher, regulär teils rechts-, teils linksgewundener Arten. Die relative Häufigkeit solcher Individuen schwankt in weiten Grenzen, so daß man auch hier amphidrome von monostrophen Arten unterscheiden kann. Mit der Inversion der Gehäusewindung sind stets entsprechende Inversionen der Lage der Eingeweide im Körper der Tiere verbunden (totale Inversion), im Gegensatz zu den Inversionen der Augenstellung der Heterosomata. Die Atemund die Afteröffnung, die Begattungsorgane und die Geschlechtsöffnung regulärer und inverser Schnecken liegen stets auf der kürzeren (konkaven) Win1) So gibt GUDGER 1945 eine ihm zugegangene Mitteilung MERRIMAN's wieder, nach welcher an der Connecticut-Küste unter mehr als 11 000 im Laboratorium untersuchten Exemplaren von Pseudopleuronectes americanus sicher, unter weiteren 3200 markierten und wieder ausgesetzten mit größter Wahrscheinlichkeit kein einziges inverses gefunden wurde, obgleich die 3—4 von GUDGER angeführten inversen Stücke ebenfalls diesem Meeresgebiet entstammen. Eine Vorstellung vom Begriff der „Seltenheit" von Ereignissen erhält man z. B. aus dem Zusammenfallen des Schalttages (29. II.) mit einem Sonntag. Dieses findet statt in den Jahren 100 (4 n + 1) + 28, 56, 84 100 (4 n + 2) + 24, 52, 80 100 (4 n -!• 3) f 20, 48, 76 100 (4 n + 4) + 04 , 32, 60, 88 also in je 4 Jahrhunderten an 13 unter 146 097 Tagen, d. h. 0.0089"/» sämtlicher Tage. V i e r Schalt-Sonntage können während der drei ersten Jahrhunderte nur die mindestens 96jährigen, aber in den Jahren 400 n + 4 bis 400 n + 88 bereits 84jährige erleben. Es handelt sich hier um eine periodisch veränderliche Seltenheit.

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

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dungsseite ihres Körpers, bei rechts gewundenen also rechts, bei linksgewundenen links. Die absolut häufigsten F u n d e inverser Exemplare entfallen auf solche Arten, die in großen Mengen zum Essen oder als Köder gesammelt w e r d e n (v. MARTENS 1883 p. 70). Als r e i n r a z e m i s c h e A r t e n w e r d e n u. a. Bulimus perversus u n d Nanina amphidroma (Helicidae, v. MARTENS 1. c.), als a m p h i d r o m e z. B. Partula sp. (Partulidae), Fulgur perversum u n d F. carica (Buccinidae) von *PELSENEER 1920 laut LUDWIG 1932 p. 164 genannt. Die einzigen mir b e k a n n t gewordenen Zahlenangaben aus dieser G r u p p e sind die von LUDWIG 1932 p. 170 nach *MAYER 1902 f ü r Partula oheitana und nach *CRAMPTON 1925 f ü r P. suturalis zusammengestellten. Diese A r t e n sind zwittrig u n d gebären n u r wenige (1—2) lebende J u n g e gleichzeitig. P. oheitana w u r d e an m e h r e r e n . nahe beieinander gelegenen Fundorten Tahiti's in zwei Farbvarietäten (I und II) angetroffen u n d die in den „Uteri" von R - und L-9 befindlichen J u n g e n gezählt. Dies ergab: Var. 9 Embr. Var. 5 Embr. R ( = X) R ( = X) L (= Y) L ( = X) R ( = Y) L ( = X) I 28 30 I 11 68 22 87 II 66 91 18 II 53 2 87 94

121 29 = 19.33 °/»Y

121

24 = 12.12 %>Y

174

oder zusammen 9 X 215

Embr. X Y 295 53 = 15.23 ± 1.30 °/o;Y d. h. bei einer durchschnittlichen Fruchtbarkeit von 1.62 Nachkommen p r o 9 eine Verteilung von 239 R : 324 L innerhalb der Gesamtheit, aber ein nicht razemisches Verhältnis von nahezu 5 : 1 f ü r der M u t t e r gleichgewundene (X-) gegenüber der Mutter entgegengesetzt gewundenen (Y-) Jungen. Bei P. suturalis von Moorea (Gesellschaftsinseln) f a n d *CRAMPTON 1925 unter 1317 W ü r f e n in gleicher Notierung (9 = X) Embr. X Y 1133 184 = 13.97 ± 0.64% Y. In beiden Fällen ist der Gewindeverlauf der väterlichen Tiere unbekannt, eine P a a r u n g gegensätzlich gewundener Exemplare jedoch wenig wahrscheinlich. Bei den eierlegenden regulär rechts gewundenen zwittrigen Limnaea sp., besonders bei Limnaea peregra MÜLL., treten inverse Individuen a n v e r s c h i e d e n e n F u n d o r t e n , a b e r auch am g l e i c h e n Fundort in v e r s c h i e d e n e n J a h r e n in s t a r k w e c h s e l n d e n P r o z e n t s ä t z e n auf. E x a k t e Zahlenangaben hierüber sind mir nicht bekannt 1 '. Bei 1) L a u t f r e u n d l i c h e r Mitteilung d e s H e r r n E. SCHERMER, Lübeck, berichtet "CLESSIN in einem A u f s a t z „Mißbildungen d e r (Mollusken u n d i h r e r Gehäuse", d a ß v o n Limnaea peregra 1839 in e i n e m T ü m p e l bei Wiedikon, Cant. Zürich, 12 inverse n e b e n 150—180 r e g u l ä r e n E x e m p l a r e n g e f u n d e n seien, also zu e t w a 6,8"/o. 11

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der Zucht i n v e r s e r Exemplare erhielt *HARGREAVES 1919 an Nachkommen 2 ' einiger L-Pärchen von L. peregra 696 R + 138 L = 16.55 ± 0.87 °/® L, d. h. fast genau 5 K : 1 L, in Bezug auf den Windungssinn der Mutter aber das direkt e n t g e g e n g e s e t z t e Verhältnis wie bei den erwähnten Partula sp. (Zahlen nach LUDWIG 1932 p. 1713>. Wesentlich abweichende Verteilungen jedoch fanden (nach LUDWIG 1. c. p. 170) *TRECHMAN 1907 t e i den Nachkommen gepaarter Linkstiere von Limnaea peregra, die mehrere J a h r e hindurch in einem Tümpel der Grafschaft Durham (NO-England) gehäuft auftraten, und »TAYLOR (brfl. Mitt. an *PELSENEER 1920; fide LUDWIG) bei solchen von zwei Rechtstieren aus einem Tümpel, in welchem Linkstiere ebenfalls häufig waren, im ungefähren Verhältnis R : L = 1 :1, während *COLLIN 1873 von Linkstieren von Limnaea stagnalis L., die bei Aerschot (Belgien) mehrere Jahre hindurch gehäuft auftraten, ausschließlich linksgewundene Nachkommen erzielt hat; ob im letzteren Fall wechselseitige Paarung oder Selbstbegattung stattgefunden hatte, ist nicht mitgeteilt, könnte aber vielleicht von Bedeutung sein. Unter den viel zahlreicheren rein m o n o s t r o p h e n Schneckenarten sind die der getrennt-geschlechtlichen und viviparen rechtsgewundenen Gattung Campeloma (Paludinidae) dadurch ausgezeichnet, daß ihre Würfe durchschnittlich 1—21/2°/o inverse Junge enthalten sollen (LUDWIG 1. c. p. 170). Von sonstigen Arten liegen aus Zählungen gewonnene Angaben vor: 1. Für Helix pomatia L. : 1 L unter 20 000 (*MEISENHEIMER 1912, laut brieflicher Mitteilung von E. SCHERMER) und 6 L unter 18 000 (*MORTILLET, nach H. GÜNTHER 1923 p. 193), zusammen 7 L unter 38 000 0.0184 ± 0.0047 °/» L, ein Verteilungsmodus ähnlich dem von uns für einige monostrophe Plattfischarten gefundenen. Jedoch sind nach KÜNKEL 1916 p. 317 auch bei dieser Art lokale Verschiedenheiten bezüglich der Häufigkeit inverser Exemplare wahrscheinlich; in 15jähriger Beobachtungszeit hat er solche nur im tadischen Randen, aber trotz eifrigen Suchens weder aus der Rheinebene, noch von den Schwarzwaldhängen oder aus dem Hügelland Badens erhalten. In 10jährigen Zuchten linksgewundener Exemplare, die z. T. in erwachsenem iZustand, z. T. noch nicht geschlechtsreif gesammelt waren, erhielt er (1. c. p. 315) ausschließlich rechtsgewundene Nachkommen 4 ', die ihrerseits ebenfalls n u r rechtsgewundene Junge lieferten; dabei aber ist eine Selbstbegattung und infolge dessen auch eine Selbstbefruchtung wegen des Vorhandenseins nur einer einzigen Geschlechtsöffnung bei diesen Landschnecken im Gegensatz z. B. zu Limnaea) ausgeschlossen (1. c. p. 411). 2. Für Clausilia bidentata S t r ö m (*PELSENEER 1920, nach LUDWIG 1932 p. 163 Fußn.): 1 R unter 3000 = 0.0333 ± 0.0225 °/oR. Eine weitere An2) D i e s e g e h ö r t e n 20 G e s c h w i s t e r s c h a f t e n an, v o n d e n e n 10 ausschließlich R-, 3 ausschließlich L-, 4 viele R - u n d e i n i g e L-, 3 v i e l e L - u n d e i n i g e R - T i e r e e n t h i e l t e n (LUDWIG I.e.). T r o t z i h r e r L - E l t e r n a b e r m ü s s e n d i e R - G e s e h w i s t e r s c h a f t e n m e h r a l s d o p p e l t so i n d i v i d u e n r e i c h g e w e s e n sein, w i e d i e L - G e s c h w i s t e r s c h a f t e n (im u n g e f ä h r e n V e r h ä l t n i s 50 R : 23 L). 3) A n gleicher S t e l l e z i t i e r t e A r b e i t e n v o n ' B O Y C O T T a n d DiIVER 1923, »DIVER 1925 u n d v o n »BOYCOTT, DIVER a n d H A R D Y 1929 ü b e r d i e s e l b e A r t , die m ö g l i c h e r w e i s e ein a u s g i e b i g e r e s Z a h l e n m a t e r i a l e n t h a l t e n , sind m i r l e i d e r n i c h t z u g ä n g l i c h . 4) Z. B. 1902 v o n 13 E x e m p l a r e n 551 ! ( K Ü N K E L 1903 p . 660 u n d 661.)

Zur Inversion der Augenstellung bei Plattfischen

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gäbe LUDWIG's im Textteil der zitierten Seite, f ü r Clausilia biplicata MONT. (nach SCHLESCH 1928), 1 R unter 150 000, m u ß auf I r r t u m beruhen, da SCHLESCH 1927 p. 54 und 1928 p. 47 zwar diese A r t in seinen Listen inverser Clausilien a n f ü h r t , aber kein Häufigkeitsverhältnis f ü r sie mitteilt. Noch viel seltener sind Inversionen z. B. t e i Litorina litorea L., bei der erst u n t e r Millionen ein inverses (L-)',Individuum g e f u n d e n w i r d (LUDWIG 1. c.). § 11. Über die Häufigkeit des S i t u s inversus viscerum t o t a l i s b e i m M e n s c h e n liegen genauere Mitteilungen von H. GÜNTHER 1923 pp. 195—197 vor, und zwar 1. Aus der Leipziger medizinischen Klinik f ü r die J a h r e 1911—1921: 5 Fälle (1 6 + 4 9) u n t e r 63377 Zugängen; von letzteren jedoch w a r ein großer Teil m e h r als einmal aufgenommen. Die relative Häufigkeit von Inversionen ist daher mit 5 : 63 377 = 0.0079 °/» zu gering berechnet, übersteigt aber schwerlich 0.02 %>. Hiernach n i m m t GÜNTHER das Mittel beider mit 0.014°/» als a n n ä h e r n d richtigen Wert derselben an (d. h. 5 u n t e r 35 714). 2. Aus dem Leipziger pathologischen Universitätsinstitut ausführliche Sektionsprotokolle aus 17 J a h r e n : 3 Fälle (1 6 + 2 9) unter 22 402 Sektionen = 0.0134%> Inversionen. 3. Ergebnis einer R u n d f r a g e bei weiteren sechs deutschen pathologischen Instituten : 9 (5 6 + 2 9 + 2?) Fälle unter 61 453 Sektionen - 0.0146 %> Inversionen. Bei Einsetzung des nach GÜNTHER f ü r Nr. 1 geschätzten Wertes (9/ib) erstmaliger Zugänge in der Leipziger Klinik ergibt sich 16 + 49 = 5 u n t e r 35 714 1$ + 29 = 3 „ 22 402 5 S + 2 9 + 2? = 9 „ 61 453

1. 2. 3.

T S + 8 9 + 2? = 1 7 u n t e r 119 569 = 0.0146 ± 0.0023 %> Inversionen, eine Zahl, die derjenigen monostropher Plattfischarten mit mehrfach beobachteten Inversionen nahesteht. A u c h d i e s e B e f u n d e l a s s e n k e i n e G e s c h l e c h t s b e d i n g t h e i t der I n v e r s i o n e n erkennen. Ferner gibt GÜNTHER (1. c. p. 201—202) eine Zusammenstellung familiärer H ä u f u n g e n von Inversionen in 6 nicht v e r w a n d t e n Geschwisterschaften, die sämtlich von normalen Eltern abstammen (o = regulär, « — invers): 1 ' 1. 2. 3. 4. 5. 6.

O 9

*x> 4 •

O 6 6

O 6 •

O ?

f p

Inverse linkshändig Beide rechtshändig

f • • 9 ? 9 ¿xx> ? x x ) f linkshändig. x) 3 normale (c5) Kinder. — xx) J e ein normales (S bzw. 9) Kind. Insgesamt: 6 ¿5 + 3 9 + 4 ? normal (52°/»), invers (48 V»), 6 S + 6 9 also innerhalb dieser „prädisponierten" Geschwisterschaften eine n a h e z u r a z e m i s c h e (zafallsgemäße) V e r t e i l u n g regulärer und inverser In?

6

5) Diese Fälle sind in d e r v o r e r w ä h n t e n S t a t i s t i k nicht e n t h a l t e n . 11*

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dividuen o h n e n a c h w e i s b a r e E r b l i c h k e i t d e r I n v e r s i o n i n auf- oder absteigender Linie und ohne Geschlechtsbed i n g t h e i t d e r s e l b e n . — Die z. Zt. durchgeführten obligatorischen Röntgenuntersuchungen der Bevölkerung auf Tbc könnten wertvolles Material zu diesen Problemen beitragen. GÜNTHER zieht den Schluß (p. 204), daß es sich bei Inversionen „um ein phänotypisches Merkmal . . . unter dem exogenen Einfluß des Milieus" handele ein Schluß, dem auch die oben angeführten Befunde an Zuchten von Partula, Limnaea und Helix nicht widersprechen. § 12. D e u t u n g s v e r s u c h e . — Jeder Deutungsversuch der Inversion der Augenstellung der Plattfische muß notwendig so lange unbefriedigend bleiben, als keine genügende Erklärung ihrer regulären asymmetrischen Augenstellung gefunden ist. Dies ist bisher noch nicht gelungen. Sogar die f r ü h e r als selbstverständlich angenommene monophyletische Abstammung der Heterosomata muß heute als sehr zweifelhaft gelter. Die meisten Erklärungsversuche ihrer Asymmetrie laufen auf m e c h a n i s t i s c h e E r w ä g u n g e n hinaus. Die älteste Auffassung war die, daß die das Bodenstadium aufnehmenden Jungfische zu hoch und kompreß gestaltet seien, um sich auf ihrer schmalen Bauchkante aufrecht erhalten zu können, und infolgedessen nach einer Seite hin umfallen. Der Muskelzug des zenithwärts strebenden Augapfels und die ungleiche Beanspruchung der beiderseitigen Mundteile solle dann die Umformung des Schädels zur definitiven Asymmetrie, die einseitige Lichtwirkung auf die Haut die stärkere Pigmentierung der Augenseite bewirken. Nach dieser Auffassung aber müßten R- und L-Tiere in allen Familien gleich häufig, weil rein zufällig bedingt sein. * VERRILL 1897 schloß (nach GUDGER 1935 p. 8) von der Schlaf Stellung mancher Serranidae und Labridae (Tautoga onitis L.), die sich auf dem Boden ruhend, schräg gegen Steine lehnen, auf ähnliche ertlich gewordene Gewohnheiten der Vorfahren der Plattfische, aus denen sich dann die Asymmetrie der letzteren entwickelt habe. Doch ist z. B. von Orthagoriscus bekannt, daß er bei ruhigem Wetter meistens in Seitenlage an der Oberfläche angetroffen wird. Trachypterus arcticus BRÜNN, soll, nach NILSSON 1855 p. .168, bisweilen im Herbst in flacheres Wasser kommen und hier in 2—3 Faden Tiefe auf der linken Seite liegend am Boden ruhen, ferner nach Fischeraussagen auch in dieser Stellung schwimmen. Platax sp. findet man, auf der Seite schwimmend, wie abgefallene Blätter in südasiatischen Flußmündungen treibend (WILLEY 1904, DUNCKER 1904 b p. 157). Die stark kompressen Chaetodon sp. schwimmen durchaus nicht immer in vertikaler Stellung, wenn sie Korallenstöcke benagen. Gewohnheitsmäßige schräge oder seitliche Körperlage stark kompresser Formen f ü h r t also keineswegs notwendig zu deren Asymmetrie; auch müßten, nach dieser Auffassung, die noch symmetrischen freischwimmenden pelagischen Larven der Plattfische den Modus ihrer Augenwanderung ihrer zukünftigen Seitenlage gemäß, und zwar mit einer gewissen der Inversionsmöglichkeit entsprechenden Wahlfreiheit, entscheiden! PARKER 1903 p. 234 ff., von der Beziehung zwischen der monomorphen Chiasmakreuzung der Nervi optici zu der regulären Augenstellung der

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Bothidae und der Pleuronectidae ausgehend, nimmt an, daß die Wanderung des Auges des jeweils im Chiasma dorsal liegenden (jedoch vom Vorderhirn bedeckten) Nervs im Vergleich zu der des anderen Auges mechanisch begünstigt sei. Als ursprünglich sieht er das dimorphe Chiasma an, wie es sich bei allen bisher untersuchten symmetrischen Teleostiern findet, und vermutet die Entstehung des monomorphen durch Selektion. Dabei aber darf man nicht übersehen, daß von den so überaus zahlreichen Familien symmetrischer Teleostier bis jetzt erst neun auf ihre Chiasmakreuzung untersucht sind. CHABANAUD 1936 p. 500 ff. weist auf die Unabhängigkeit des Di- bzw. Monomorphismus des Chiasma einer-, des Wanderungsmodus der Augenstellung andererseits bei den Soleidae sowohl als auch fcei den inversen Exemplaren der Bothidae und Pleuronectidae hin; einzig bei den Psettodidae besteht eine feste Beziehung zwischen Chiasmakreuzung und Augenstellung, und f ü r die Cynoglossidae liegen erst wenige Einzelbeobachtungen vor. Ferner macht CHABANAUD (1. c. p. 503) mit Recht darauf aufmerksam, daß die Chiasmakreuzung bereits im embryonalen Stadium fixiert wird, die Augenwanderung der Plattfische aber sich erst am Ende des larvalen Stadiums entscheidet. — Im übrigen bewirkt die Augenwanderung ja nicht etwa eine Aufhebung der Chiasmakreuzung, sondern vielmehr, so fern sie (z. B. bei Inversionen) seitens des durch den ventralen Nerv desselben versorgten Auges erfolgt, eine zweite, distal zum Chiasma belegene Nervenkreuzung. Die von PARKER angenommene mechanische Erleichterung der Augenwanderung durch die dorsale Chiasmalage des N. opt. des wandernden Auges reicht also zu ihrer eindeutigen Bestimmung bei anderen als den Psettodes sp. nicht aus. Die Hypothese K Y L E s (1921), nach welcher die Asymmetrie der Plattfische eine Folge der Gleichgewichtsstörung des Körpers durch die Asymmetrie der Eingeweide ist, läßt außer Acht, daß sich diese ja auch t e i symmetrischen Fischen (z. B. den Gadidae) findet, und deckt sich nicht mit dem Vorkommen inverser Augenstellung ohne Inversion des Eingeweide-Situs auch bei solchen Arten, f ü r welche eine „Überkompensation" der primären Gleichgewichtsstörung wegen Fehlens einer larvalen Schwimmblase nicht in Betracht kommt (Pleuronectidae). Lassen somit die mechanistischen Erklärungsversuche im Stich, so ist noch eine andere Art der Fragestellung möglich, die allerdings vom Ursprung der Asymmetrie der Plattfische und den Ursachen ihrer Inversionen absieht, nämlich die nach der E r b l i c h k e i t d e r I n v e r s i o n e n . Nach GÜNTHER 1923 p. 201 hat bereits *GIARD 1892 auf Grund der lokalen Verschiedenheiten der Inversionshäufigkeit bei Platichthys flesus vermutet, daß sie erblich bedingt seien. Eine ganz ähnliche Vermutung hat auch HUBBS brieflich GUDGER gegenüber t e t r . Platichthys stellatus geäußert (GUDGER 1935 p. 35). Dementsprechend schließen HUBBS and KURONUMA 1942 p. 301 aus den fast gleichhäufigen Funden rechts- und linksäugiger Bastarde (14 L + 13 R) von Kareius bicoloratus BASILEWSKI (beob.: 0 L + 83 R) mit Platichthys stellatus (beob.: 476 L + 0 R) aus japanischen Gewässern: "This is a clear confirmation for the assumption, based on geographical Variation [of PL stellatus], that reversal of sides is an hereditary phenomenon, perhaps involving, as does the direction of coiling in snails, some simple Mendelian [?] segregation". Dagegen schreiben HUBBS and HUBBS 1945, p. 242, im Anschluß an eine Diskussion der selek-

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tiven Bedeutung der Inversion f ü r Platichthys stellatus aus dem Puget Sound: "It is difficult, but not impossible, to reconcile this interpretation [nämlich eine bessere Lebenschance rechtsäugiger Individuen] with the evidence (HUBBS and KURONUMA 1942 p. 298—301) that laterality is inherited in Platichthys stellatus, that reversal has remained close to 50%> on the American west coast for decades, and that reversal is invariable in Japan." In dem zweiten Zitat ersetzt also der Ausdruck „evidence" den Ausdruck „assumption" des ersten. — CHABANAUD 1936 p. 503 hält die Inversionen bei Plattfischen f ü r erbliche Mutationen. Für die je zwei Formen des Di- und des Monomorphismus des Chiasma nimmt er vier, f ü r die beiden Möglichkeiten der von dieser unabhängigen Augenstellung zwei, f ü r die Möglichkeiten sonstiger von der Augenstellung abhängiger Asymmetrien, wie der Pigmentierung der beiden Körperseiten der Plattfische, der bilateralen Verschiedenheiten der Entwicklung ihrer Kiefer und der Tastzotten der Soleidae, mindestens zwei weitere Gene an, außerdem eins f ü r die konstante Asymmetrie des Eingeweidesitus der Heterosomata. Die lamarckistische Auffassung der postlarvalen Seitenlage dieser Fische als Ursache ihrer Asymmetrie lehnt er ab und gesteht dieser nur eine verstärkende Wirkung auf die bereits embryonal in der symmetrischen Larve vorfc estimmten Asymmetrien zu. — F ü r die Vermutung der Erblichkeit der Inversion scheint auch die bei regulären und inversen Individuen der meisten Plattfischarten der Augenstellung entsprechende verschiedene Lage der Urethralpapille als der S Geschlechtsöffnung zu sprechen, analog derjenigen bei Cyprinodontes mit "sexual rights and lefts". Gleiche Kopfrichtung der sich paarenden Tiere vorausgesetzt, würden sich die S und 9 Geschlechtsöffnungen bei einer Paarung am nächsten kommen, wenn bei gleichsinniger Augenstellung die Augenseite des 6 sich der Blindseite des $, bei gegensätzlicher die Augenseite des 6 sich der Augenseite des 5 anschmiegt. Doch ist über den Paarungsmodus der Plattfische noch nichts bekannt. Eine Anfrage nach dem letzteren beantwortete mir Herr Prof. R. KÄNDLER brieflich (24. VII. 1946), wie folgt: „In der von Ihnen angeschnittenen Frage kann ich Ihnen nicht dienen, da mir keine Beobachtungen über den Laichvorgang bekannt sind . . . Mir sind nur Angaben von ROLLEFSEN über das Laichen des Kabeljau bekannt, wonach die Geschlechter paarweise zusammenschwimmen, dergestalt, daß das 6 unter dem 5 auf dem Rücken schwimmt und beim Ablaichen seinen Bauch gegen dessen Bauch drückt, wobei unter heftigen Schwanzbewegungen die Geschlechtsprodukte abgegeben werden. I c h m ö c h t e a n n e h m e n , d a ß d e r V o r g a n g b e i d e n P l a t t f i s c h e n ä h n l i c h i s t u n d d a ß d a s 6 eb e n f a l l s d a s 5 u n t e r s c h w i m m t [von mir gesperrt]. Jedenfalls zweifle ich in Anbetracht der großen Häufigkeit der Bastarde zwischen Scholle und Flunder in der westlichen Ostsee nicht, daß auch die Plattfische eine Art Paarung haben." Der Umstand, daß die Augenseite der Plattfische häufig rauher ist als ihre Blindseite, daß ferner bei manchen Arten, z. B. Pleuronectes platessa, fast n u r die 6 mit Ctenoidschuppen auf der Augenseite versehen sind (DUNCKER 1895 p. 16 fig. 2—5, p. 17, p. 44—46 Tab. B), könnte etwa darauf schließen lassen, daß die $ die 6 von hinten her überschwimmen und sich dabei an deren rauher Augenseite scheuern. Würde die Abgabe der Geschlechtsprodukte auf

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solche Weise hervorgerufen, so kämen diese bei übereinstimmender Augenstellung beider Partner in unmittelbarere Berührung als bei gegensätzlicher, so daß die Befruchtung der Eier bei Partnern gleicher Augenstellung begünstigt sein könnte. Doch selbst, wenn sich diese Vorstellung als richtig herausstellte, bliebe die Vererbung der Augenstellung einstweilen imbeweisbar, weil es bisher nicht gelungen ist, Plattfischlarven weiter als bis zu ihrem symmetrischen Stadium aufzuziehen; sie sterben stets vor dem Beginn der Augenwanderung at. V e r suchsreihen, in welchen je einR- und einL-Pärchen mittelst künstlicher Befruchtung in den vier möglichen Kombinationen R X R , R X L , L X R und L X L miteinander kopuliert würden, könnten höchstens entscheiden, ob die Befruchtungen R X L und L X R prozentual ebenso erfolgreich sind, w i e die von R X R und L X L, oder ob sie hinter letzteren zurückbleiben. Erst bei erwiesener Erblichkeit der Inversion der Augenstellung aber würde ein Erklärungsversuch ihrer so außerordentlich schwankenden Häufigkeitsverhältnisse mittelst der Mutationstheorie zu rechtfertigen sein. H Ä N D L E R 1935 sowie P A P E 1935 haben das häufige Vorkommen freilebender Bastarde zwischen PL platessa und PI. flesus in der westlichen Ostsee durch vergleichende morphologische Untersuchungen, P A P E (1. c.) ferner durch Zuchtversuche deren wahrscheinlichere Abkunft aus der Kreuzung platessa $ X flesus 6 als aus der reziproken festgestellt. Kalte Frühjahrsmonate verspäten die Laichzeiten der $ PL platessa und der? Pl. flesus, so daß die (frühere) der ersteren erst eintritt, wenn zahlreiche S von Pl. flesus bereits reif sind. Dadurch wird in solchen Jahren die Kreuzung platessa $ X flesus 6 besonders begünstigt 1 '. Bei ihren Untersuchungen haben beide Autoren auch inverse Bastarde 2 ) gefunden, K Ä N D L E R (1. c. p. 21) einen unter 325, P A P E (1. c. p. 63) einen unter ca. 90 Bastarden, was einer relativen Häufigkeit derselben von 2 unter 415 = 0.48 ± 0.23 %> L entsprechen würde. HUBBS and K U R O N U M A 1942 beschreiben, w i e bereits erwähnt, 27 Bastarde von Platichthys stellatus P a 11. und PL (Kareius) bicoloratus B a s i 1. von den japanischen Küsten, darunter 14 inverse ( = 51,58 ± 6.61•/» L). Unter Voraussetzung zufallsgemäßer Paarungen regulärer (r) und inverser (i) Individuen zweier miteinander bastardierender Arten, A und B, mit den relativen Inversionshäufigkeiten X i und X2 findet man folgende Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Paarungsmöglichkeiten: A ([1 — X i ] + X i ) B ([1 — X2] + X2) = A B ([1 — X i ] [1 — X2] + [1 — X i ] X2 + X i [1 — X2] + X i X i ) A r Br + ArBi + A i Br + A i Bi mithin bei gleicher Fruchtbarkeit dieser Kreuzungen die relativen Häufigkeiten der entsprechenden resultierenden Bastardformen (H): Hrr - 1 — X i — X2 + X i X2 Hri = X2 — X 1 X 2 Hir = X i — X 1 X 2 Hii = X1X2 (Desbezügliche Versuche haben K Y L E 1903 in Plymouth und PAPE 1935 in Kiel

mit Pleuronectes platessa und Platichthys flesus angestellt. K Y L E erhielt bei der 1) I m laufenden Jahr (1947) mit anhaltender Vereisung der westlichen Ostsee i m I.—III. wäre demnach ein besonders häufiges Auftreten heuriger Bastarde zu erwarten. 2) M Ö B I U S und H E I N C K E 1883 p. 92 berichten, einen Iinksäugigen „Pleuronectes pseudoflesus" aus Kiel erhalten zu haben. Doch ist diese Angabe unsicher, w e i l sie den „Blendling" (Bastard) noch nicht v o n „rauhen", d. h. ^ PI. platessa unterschieden.

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Kreuzung plat. 3 X fies. 2 zahlreiche widerstandsfähige Larven, die mehrere Tage überlebten, bei der Kreuzung plat. 2 X fies. c5 zwar zahlreiche Embryonen, von denen aber nur einzelne ausschlüpften und binnen wenigen Stunden abstarben, PAPE (p. 80) dagegen sowohl aus der erstgenannten Kreuzung bei drei, als auch aus der zweiten bei zwei Versuchen ausschlüpfende Larven, in der ersteren 55°/o der befruchteten Eier, deren Gesamtzahl nicht mitgeteilt ist. —• Den Kreuzungsmodus darf man f ü r die vorliegende Frage wohl außer Betracht lassen, da, wie früher festgestellt, ein Zusammenhang zwischen Geschlecht und Augenstellung unwahrscheinlich ist). Hinsichtlich der Eigenschaften „regulär" und „invers" sind folgende vier A n n a h m e n möglich: 1. Gleiche Vererbungsintensität von r und von i, 2. r dominant, i rezessiv, 3. r rezessiv, i dominant, 4. i nicht erblich, sondern modifikatorisch (mit der Wirkung Xs) bedingt. Dann sind phänotypisch zu Hri + nach 1: Hr = H r r + 2 nach 2: H r = H r r + Hri + nach 3: Hr = H r r nach 4: H r = 1 — X s Hri + Hir nach 1: Hi = +

erwarten Hir - 1 Hir

Xi + Xa

2 1 — Xi Xs = 1 — Xi — X* -r Xi X>

Xi + Xs Hii = =

2

nach 2: Hi = Hii Xi X2 nach 3: Hi = Hri + Hir + Hii nach 4: Hi = Xs

2

Xi

~ Xs —X1X2

Bei Einsetzung der oben gefundenen (unsicheren!) Werte f ü r I. A (Plat. flesus): Xi - 0.35; B (Pleur. platessa): X2 = 0.000067; H : Xs = 0.0048. II. A (Plat. stellatus): Xi = 1; B (Kar. bicoloratus): Xs = 0; H : Xs = 0.5185 erhält m a n nach der Annahme f ü r I. f ü r II. 1. H r = 0.8249665 Hr = 0.5 Hi = 0.1750335 Hi = 0.5 2. H r = 0.99997655 Hr = 1.0 Hi = 0.00002345 Hi = 0.0 3. Hr = 0.64995645 Hr = 0.0 Hi = 0.35004355 Hi = 1.0 4. H r = 0.9952 Hr = 0.4815 Hi = 0.0048 Hi = 0.5185; hier ist die numerische Beziehung der Befunde II 4 und II 1 (X3 = Xi : 2) ebenso zufällig u n d belanglos, wie die von 14 u n d I 2 (X3 = KXi X2). N u r die zweite A n n a h m e f ü r V e r e r b u n g von Inversion ergibt ein übereinstimmendes Verhalten der Bastarde b e i d e r Kreuzungen, widerspricht aber den tatsächlichen B e f u n d e n gemäß A n n a h m e 4.

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Als n i c h t e r b l i c h e M o d i f i k a t i o n e n durch äußere Einflüsse sieht H. GÜNTHER 1923 die Inversionen an, hauptsächlich auf Grund der regionalen Verschiedenheiten ihrer Häufigkeit bei Gastropoden und Heterosomata, die er auch hinsichtlich des Situs viscerum beim Menschen für wahrscheinlich hält. Er äußert sich zu dieser Frage (1. c. p. 201): „Die lokale Häufung der Inversionen bei manchen Arten der Pleuronectidae führt GIARD mit Unrecht zu Gunsten der Annahme der Heredität an." (p. 204): „Die bei fast allen Inversionen beobachteten örtlichen Häufungen sprechen dafür, daß es sich [bei ihnen] um ein phänotypisches Merkmal, um die quantitative Variabilität strophogener Komplemente unter dem exogenen Einfluß des Milieus handelt." (p. 205): „Die Inversion ist also ein phänotypisches, nicht an besondere Erbfaktoren gebundenes Merkmal, während die Prävalenz des Schraubungssinnes erblich ist." GÜNTHER's Auffassung läßt sich hinsichtlich der Plattfische mit manchen unserer Befunde vereinigen: die Unabhängigkeit der Inversion vom Geschlecht der Tiere, ihre ungleiche regionale und vielleicht auch temporäre Häufigkeit, Nichtvererbung derselben bei Bastarden verschiedener Arten, schließlich auch der Nachweis einer selektiven Wirkung der Inversion würden ihr nicht notwendig widersprechen. Schwierig aber ist für die Heterosomata die Definition der Prävalenz ihres Schraubungssinnes, d. h. des regulären Modus ihrer Asymmetrie. J e zwei nächstverwandte der fünf Familien, die Bothidae und die Pleuronectidae einer-, die Soleidae und die Cynoglossidea andererseits, weisen gegensätzliche reguläre Asymmetrien auf: die Bothidae und die Cynoglossidae sind regulär links-, die Pleuronectidae und die Soleidae rechtsäugig; bei den Psettodidae besteht überhaupt keine Prävalenz. Nimmt man eine spezifische, d. h. artbedingte Wirkungsform der exogenen Einflüsse an, so ist deren Wirkungsintensität selbst bei so nahe verwandten und so eng zusammenlebenden Arten, wie Platichthys flesus und Pleuronectes platessa oder Plat. stellatus und Kareius bicoloratus, sehr ungleich. Die „Reizschwelle" dieser Arten hätte demnach eine spezifisch verschiedene Höhe. Die Reizwirkung besteht nach GÜNTHER's Ansicht, die sich in weniger deutlich ausgesprochener Form auch bei LUDWIG 1932 p. 423 findet, in der Entstehung einer nicht erblichen Substanz („strophogenes Komplement" GÜNTHER, „Agens" LUDWIG) im individuellen Organismus, welche dessen erbliche Veranlagung zu einer bestimmten Form der Asymmetrie in ihr Gegenteil verkehrt, jedoch erst, wenn die Quantität dieser Substanz einen bei verschiedenen Arten (und Individuen?) verschieden hohen Grad erreicht hat und zwar, was die Augenstellung der Plattfische anlangt, offenbar nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt in der zweiten Hälfte ihres symmetrischen Larvenstadiums. Wird diese Quantität erst später erreicht, so bleibt sie, wenigstens hinsichtlich der Augenstellung, wirkungslos. — Diese Eigenschaften der hypothetischen „strophogenen Substanz" finden eine beachtenswerte Analogie in denen des 1945 von GOETSCH 1946 entdeckten, in gewissen Fadenpilzen (Penicillium, Oidium, Hypomeces) und Hefearten (Torula) gebildeten V i t a m i n s T hinsichtlich seiner Wirkung auf Termiten und Ameisen, aber auch auf andere Insekten (Blattidae, Drosophila). Das Vitamin T wirkt nur auf solche Individuen der untersuchten Arten, deren Futter hinreichend Eiweiß enthält, und zwar nur in einzelnen „sensiblen Phasen" ihres Larvenstadiums dahin, daß es erhebliche Formveränderungen derselben hervorruft, die weder erblich bedingt noch pathologischen Charakters sind. Es hat also einen typisch modifikatorischen Effekt.

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Weder über die Beschaffenheit der in Betracht kommenden Reize noch über die der durch sie hervorgerufenen strophodynamischen Substanz ist das Geringste bekannt. Prof. KÄNDLER machte mich auf die Abnahme der Häufigkeit linksäugiger Flundern an der Peripherie des Verbreitungsgebietes dieser Art aufmerksam; eine solche t r i f f t jedoch f ü r die linksäugigen Platichthys stellatus nicht zu, weder an der amerikanischen Westküste (s. Tab. III), noch im südwestlichsten Teil des Verbreitungsgebiets der Art um Japan. Zum Vergleich hiermit wäre eine Untersuchung derselben von ihrem nordöstlichsten Fundort (Nordküste Kanadas, Coronation Golf, ca. 70° 15' N, 111° W) erwünscht. Das Problem der Inversion der Augenstellung der Heterosomata umfaßt eine Reihe von Fragen, die bei internationaler Zusammenarbeit durch vergleichende statistische Untersuchungen hinreichend verläßlich beantwortet werden könnten. Erst deren Beantwortung in Verbindung mit der Entwicklung einer erfolgreichen Technik zur Aufzucht von Plattfischlarven über ihr symmetrisches Stadium hinaus ermöglicht die experimentelle Erforschung der Ursachen der Inversion und damit eine Entscheidung zwischen den verschiedenen einander widersprechenden Deutungsversuchen derselben. Die Frage nach dem Ursprung der Asymmetrie der Plattfische jedoch dürfte durch die Ergebnisse dieser Forschungen schwerlich berührt werden. Zusammenfassung. Bei bisher vier der fünf Familien der Heterosomata ist Inversion der Augenstellung beobachtet und zwar an den beiden bekannten Arten der Psettodidae, an elf der Bothidae, an dreizehn der Pleuronectidae und an einer der Soleidae, dagegen noch nicht bei den Cynoglossidae. Sie findet sich bei Arten aller Zonen, tritt aber bei den einzelnen derselben in sehr verschiedener Häufigkeit auf. Individuen mit inverser Augenstellung sind biologisch denen mit regulärer gleichwertig. Die f ü r Plattfische charakteristischen postlarvalen Asymmetrien der Körper Oberfläche entsprechen t e i beiden der jeweiligen Augenstellurtg, während die ihrer Eingeweidelagerung (eine vereinzelte Beobachtung ausgenommen), unabhängig von dieser sind. Ambikoloration und die als „Haken" bekannte Mißbildung der Plattfische kommen sowohl bei regulären als auch bei inversen Individuen vor. Die Überkreuzung der beiden Nervi optici im Chiasma entspricht n u r t e i den Psettodidae der wechselnden Augenstellung; bei den übrigen Familien besteht kein derartiger Zusammenhang. Jene ist variabel („dimorph") bei den Psettodidae, Soleidae und Cynoglossidae, konstant („monomorph") bei den Bothidae und Pleuronectidae, bei denen aber mit Ausnahme zweier Einzelfälle immer nur das regulär, nicht das bei Inversion wandernde Auge durch den im Chiasma dorsal verlaufenden Nerv versorgt wird. Die reguläre Augenstellung der Bothidae und der Cynoglossidae ist links-, die der Pleuronectidae und Soleidae rechtsseitig. Die Augenwanderung selbst erfolgt stets so, daß der ursprünglich ventrale Rand des Auges nach ihrer Beendigung dorsalwärts gerichtet ist. Fälle, in denen eine Augenwanderung überhaupt unterbleibt, scheinen überaus selten vorzukommen; in der Literatur fand ich nur deren drei erwähnt. Über die relative Häufigkeit der Inversionen ist sehr wenig bekannt, obgleich sie bei den verschiedenen Arten sehr verschieden groß und schon deshalb beachtenswert ist. Ihre Feststellung erfordert ausgedehnte statistische Untersuchungen, die bisher noch kaum vorliegen. „Amphidrom", d. h. mit einer Inversionshäufigkeit von mehr als 10°/», sind, so weit bekannt, die Pset-

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todidae, 5 A r t e n der Bothidae und 2 der Pleuronectidae, „monostroph" die übrigen (6 Bothidae, 11 Pleuronectidae u n d eine Solea sp.). Die relative Häufigkeit von Inversionen amphidromer A r t e n schwankt regional in ziemlich weiten Grenzen, bei Platichthys flesus von unter l°/o t i s 47°/», bei PI. stellatus, so weit bekannt, von 5 0 bis 1 0 0 ° / o ) und ist wahrscheinlich auch temporären Schwankungen bei den verschiedenen J a h r g ä n g e n derselben Lokalform ausgesetzt, jedoch unabhängig vom Geschlecht der Tiere. Eine selektive Wirkung der Inversion scheint nicht ausgeschlossen, ist aber aus den bisher vorliegenden B e f u n d e n nicht mit Sicherheit nachweisbar. Die Frage nach ihrer Erblichkeit läßt sich z. Z. wegen der Unmöglichkeit, Plattfischlarven bis über ihr symmetrisches Stadium hinaus aufzuziehen, noch nicht beantworten. Um bei alternativer Variation, wie der der Augenstellung, eine zureichende Verläßlichkeit der gefundenen Prozentsätze zu erhalten, sind je nach der Höhe der letzteren ungleiche Mengen von Individuen einheitlichen Materials zu untersuchen, zu deren Ermittlung die Tabelle II dienen soll. iZur definitiven Beantwortung der vorstehend b e r ü h r t e n Fragen ist die vergleichende statistische Untersuchung wenigstens der am leichtesten zu beschaffenden amphidromen Arten, wie Paralichthys californicus, Platichthys flesus und PL stellatus, an ausreichendem Material unter Berücksichtigung der Größe bzw. Altersstufe und des Geschlechts der Tiere unbedingt erforderlich. Unter den bis jetzt bekannten 18 monostrophen A r t e n kommt Inversion bei drei bis fünf von ihnen (Limanda limanda, Pleuronectes platessa, Solea vulgaris, vielleicht auch Hippoglossus vulgaris lind Scophthalmus maximus) in anscheinend a n n ä h e r n d gleicher Häufigkeit von etwa 0.01 bis 0.02 %> vor. Ähnliche Häufigkeiten aber findet m a n auch f ü r die Inversion des Windungssinnes gewisser Schneckengehäuse (Helix pomatia) und f ü r den Situs inversus viscerum totalis beim Menschen. Ob sich hierunter irgendeine Gesetzmäßigkeit verbirgt, ist bei der Unsicherheit der erhaltenen Werte noch nicht feststellbar. Die letztere w ü r d e m a n hinsichtlich der Augenstellung der Plattfische ü b e r w i n den können, w e n n m a n die betr. Statistiken an den Z u f u h r e n größerer Fischm ä r k t e a u f n e h m e n ließe, was allerdings n u r unter A u f w a n d pekuniärer Hilfsmittel zu erreichen wäre. Außer von den genannten Arten ist Inversion der Augenstellung noch von einigen weiteren bekannt, jedoch in so geringer Häufigkeit, daß diese nicht m e h r abschätzbar ist. Dasselbe gilt f ü r die I n v e r sion des Windungssinnes einzelner Schneckenarten, z. B. Litorina litorea. — Die sehr beträchtliche spezifische Verschiedenheit der Häufigkeit von Inversionen stellt ein bisher noch völlig unerforschtes Problem dar. Eine kurze und aus Mangel an Literatur wahrscheinlich unvollständige Übersicht ü b e r die Deutungsversuche der asymmetrischen Augenstellung und ihrer Inversion bei Plattfischen zeigt deren erhebliche Widersprüche u n d läßt ihre tatsächliche Ergebnislosigkeit erkennen. Erst eine gründliche Erforschung der Häufigkeitsverhältnisse der Inversionen und eine genügend entwickelte Technik zur Aufzucht von Plattfischlarven bis in ihr asymmetrisches Bodenstadium w e r d e n vielleicht eine Einsicht in diese rätselhaften Erscheinungen ermöglichen. Die vorliegende Arbeit bezweckt nicht so sehr, neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet beizutragen, wie auf aus ihm erwachsende Fragestellungen und auf bisher unbenutzte Wege zu deren B e a n t w o r t u n g hinzuweisen. A h r e n s b u r g , 2.

IV. 1947.

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1901 1903

1921

1906 1758 1932

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Druckfehlerberichtigung Folgende s i n n entstellende Druckfehler sind zu berichtigen: Seite 18, vorletzte Zeile: G e s t a 11 Psychologie Gestaltungspsychologie).

(statt

Seite 42: Die Abbildung 19 ist um 180° zu drehen, damit die Unterschrift zutrifft. Seite 43, 4. Zeile: schädel).

Gesichtsschädel

(statt

Gehirn-